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German Pages 769 [772] Year 2011
Christian Hofmann Der Minderheitsschutz im Gesellschaftsrecht
Christian Hofmann
Der Minderheitsschutz im Gesellschaftsrecht
De Gruyter
Privatdozent Dr. iur. Christian Hofmann, LL. M. oec. int., Humboldt-Universität zu Berlin
ISBN 978-3-11-024824-1 e-ISBN 978-3-11-024825-8
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Printed in Germany
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V
Vorwort
Vorwort Vorwort
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde 2009 von der Juristischen Fakultät der HumboldtUniversität zu Berlin als Habilitationsschrift angenommen. Dank gilt in erster Linie meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann, der diese und andere Arbeiten betreut und mich in vielfältiger Weise gefördert hat. Danken möchte ich auch Frau Prof. Dr. Christine Windbichler, die mir in ihrem in kürzester Zeit erstellten Zweitgutachten und auch darüber hinaus wertvolle Hinweise gegeben hat, die ich in dieser gedruckten Fassung berücksichtigt habe. Durch vielfache Unterstützung wurde mir das Arbeiten erleichtert. Hierfür danke ich meinen Kollgen Dr. Florian Möslein und Dr. Alexander Rahn sowie sämtlichen Mitarbeitern des Berliner Lehrstuhls. Frau Angela Huhn, Frau Julia Schröder und Herr Michael Schnitker seien wegen besonderer Mithilfe erwähnt. In Frankfurt wurde ich durch die Mitarbeiterinnen des dort von mir vertretenen Lehrstuhls tatkräftig unterstützt, dafür danke ich Frau Jolanta Januszewski, Frau Nadja Khanfour und Frau Anne Reinelt. Besonderer Dank gilt der Alexander v. Humboldt-Stiftung für den Druckkostenzuschuss und für die großzügige Unterstützung durch ein Feodor-Lynen-Stipendium, das meinen langen und unvergesslichen Aufenthalt an der UC Berkeley möglich gemacht hat. Dort wurde ich in unschätzbarer Weise durch Herrn Prof. Dr. h.c. mult. Richard Buxbaum betreut. Für die regelmäßigen und intensiven Diskussionen kann ich ihm nicht genug danken. Berlin, August 2010
Christian Hofmann
VI
Vorwort
VII
Inhaltsübersicht
Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht
Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §1
1
Die Grundsätze des Minderheitsschutzes und die Zielsetzung und Methodik der Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
A. Begriff, Wirkungsweise und Schutzrichtung des Minderheitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
B. Die Zielsetzung der Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
Allgemeiner Teil: Die Allgemeinen Grundsätze zum Schutz des Minderheitsgesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
1. Kapitel: Die Grundlagen der Gesellschafterverbindung: Minderheitsschutz als Ausfluss der Bestandsgarantie des Art. 14 GG und die Wirkungsweise von Generalklauseln im Gesellschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
§2
§3
Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes im deutschen und US-amerikanischen Recht
25
A. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im deutschen Recht . . . . .
25
B. Die Bindungen der Gesellschafter durch die Fiduciary Duties im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
C. Zusammenfassung und Bewertung des Treuepflichtansatzes . . . . .
65
Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht und der Schutz der Rechtsstellung durch Art. 14 I GG . . . . . . . . . . . . . .
69
A. Art. 14 GG als Abwehrrecht, Schutzgebot und Gestaltungsauftrag an den Zivilgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
VIII
Inhaltsübersicht
C. Die Bedeutung der Grundrechte für die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
D. Die Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
E. Das Verhältnis der verfassungsrechtlichen Eingriffskontrolle zu anderen gesellschaftsrechtlichen Instituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148
2. Kapitel: Eingriffe durch Stimmrechtsausübung und Rechtsbehelfe gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse . . . . . . . . . . . .
155
§4
Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
156
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . .
197
Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229
A. Die Anfechtung fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
230
B. Die Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse im GmbH-Recht . . . . . . .
243
C. Die Feststellung rechtswidriger Beschlüsse in den Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
247
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
248
3. Kapitel: Der Minderheitsschutz bei Verwaltungshandeln und bei der Ausübung der Mehrheitsmacht außerhalb der Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
251
§5
§6
Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
253
A. Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung rechtmäßigen Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
253
B. Die Kompetenzverteilung in den Kapitalgesellschaften . . . . . . . . .
263
C. Die Rechtsbehelfe gegen fehlerhaftes Verwaltungshandeln . . . . . .
276
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
290
Inhaltsübersicht
§7
Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX 293
A. Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters als Eingriffe in die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsbehelfe bei Doppelschäden im Gesellschafts- und Anteilsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
322
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
4. Kapitel: Die Bedeutung von Information für den Minderheitsschutz
345
§8
293
Minderheitsschutz durch Information und Teilhabe am Willensbildungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
345
A. Bestehende Rechte auf Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
345
B. Forderungen nach einer Erweiterung der Informationsrechte . . . . .
362
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
363
Besonderer Teil: Typische minderheitssensible Konstellationen – Die Anwendung der Allgemeinen Grundsätze in konfliktträchtigen Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
365
1. Kapitel: Freiwilliges und unfreiwilliges Ausscheiden des Gesellschafters: Ausschluss und Austritt unter Einschluss der Abfindungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
367
§9
Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . .
367
A. Regelungen zum Gesellschafterausschluss im Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
368
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund . . . . . . .
393
C. Der Ausschluss des Aktionärs aufgrund spezialgesetzlicher Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
416
§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
461
A. Der Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung und seine Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
461
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
475
C. Typisierte Austrittsrechte im Umwandlungs-, Konzern- und Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
501
D. Austrittsrechte de lege ferenda als allgemeines Instrumentarium des Minderheitsschutzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
511
X
Inhaltsübersicht
E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
528
§ 11 Die Grundsätze der Abfindungsbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
531
A. Die Grundsätze im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Grundsätze im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . .
531 541
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
544
2. Kapitel: Der Minderheitsschutz bei strukturändernden Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
547
§ 12 Der Minderheitsschutz bei Umwandlungsbeschlüssen . . . . . . . . . .
547
A. Die Konzeption des Umwandlungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
547
B. Die inhaltlichen Anforderungen an den Umwandlungsbeschluss . .
549
C. Die Rechtsbehelfe der Gesellschafter und Informationspflichten der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
554
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
556
§ 13 Minderheitsschutz beim Gang an die Börse und Rückzug von der Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
559
A. Minderheitsschutz beim förmlichen Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . .
559
B. Minderheitsschutz beim „kalten“ Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
584
C. Minderheitsschutz beim Börsengang der Aktiengesellschaft . . . . .
591
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
596
§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
599
A. Gefahren und Voraussetzungen der Unternehmensbeherrschung . .
599
B. Die Rechtslage in den Aktiengesellschaften bei Unternehmensbeherrschungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
604
C. Die Rechtslage in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
624
D. Die Rechtslage in den Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . .
639
E. Rechtsformüberschreitend: Konzerneingangsschutz als generelle Rechtfertigung eines Eingriffs in die Mitgliedschaft? . . . . . . . . . . .
647
F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
650
Inhaltsübersicht
XI
3. Kapitel: Der Minderheitsschutz bei vermögensrechtlichen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
655
§ 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
655
A. Veränderungen im Kapitalbestand der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . B. Das Bezugsrecht des Aktionärs und die Voraussetzungen für seinen Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
655 665
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
675
§ 16 Minderheitsschutz bei der Gewinnverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . .
677
A. Das Gewinnbezugsrecht des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
677
B. Inhaltliche Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Gewinnverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
678
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
685
§ 17 Minderheitsschutz bei Auflösung und Liquidation der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
687
A. Der Minderheitsschutz bei der Auflösung infolge mehrheitlich gefassten Gesellschafterbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
687
B. Minderheitsschutz im Liquidationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
691
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
691
Gesamtzusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Bewertung .
693
A. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
693
B. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
699
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
701
XII
Inhaltsübersicht
XIII
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §1
Die Grundsätze des Minderheitsschutzes und die Zielsetzung und Methodik der Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
A. Begriff, Wirkungsweise und Schutzrichtung des Minderheitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschichtlicher Aufriss zur Entwicklung gesellschaftsrechtlicher Mechanismen zur Begrenzung der Mehrheitsherrschaft II. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Minderheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Begriff des Minderheitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zielrichtung und ratio des Minderheitsschutzes . . . . . . . . . . . . 1. Minderheitsschutz als Beschränkung der Mehrheitsmacht . 2. Die Gründe für einen wirksamen Minderheitsschutz . . . . . .
1 5 5 7 9 9 12
B. Die Zielsetzung der Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
Allgemeiner Teil: Die Allgemeinen Grundsätze zum Schutz des Minderheitsgesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
1. Kapitel: Die Grundlagen der Gesellschafterverbindung: Minderheitsschutz als Ausfluss der Bestandsgarantie des Art. 14 GG und die Wirkungsweise von Generalklauseln im Gesellschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
§2
Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes im deutschen und US-amerikanischen Recht A. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im deutschen Recht . . . . . I. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Versuch einer Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Unterarten der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
25 25 25 26 28
XIV
Inhaltsverzeichnis
3. Abhängigkeit von Rechtsform, Gesellschaftszweck und Realstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Anerkennung der Treuepflicht in den verschiedenen Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die dogmatischen Grundlagen zur Herleitung und Inhaltsbestimmung der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Rechtsfolgen bei Verletzung der Treuepflicht . . . . . . . . . . B. Die Bindungen der Gesellschafter durch die Fiduciary Duties im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine Richtigkeitsgewähr mangels ausgehandelter Vertragsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überblick über die konfliktträchtigen Situationen und Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Fiduciary Duties des Mehrheitsgesellschafters . . . . . . . . . 1. Vorüberlegung: Fiduciary Duties als Treuepflichten . . . . . 2. Die Bedeutung von Rechtsform und Realstruktur der Gesellschaft für die Treuepflichten des Mehrheitsgesellschafters a) Konzeptionelle Unterschiede von Partnerships und Corporations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Treuepflichten in der partnership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Treuepflichten in der close corporation . . . . . . . . . . . . . . 3. Verletzung der Treuebindung in der Closely Held Corporation: Majority and Minority Perspective . . . . . . . . . . . . . . . 4. Häufig auftretende Anwendungskonstellationen . . . . . . . . . 5. Eine Randbemerkung: Die Treuebindung des Minderheitsgesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Besonderheiten in Delaware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Treuepflichten in closely held corporations? . . . . b) Reiner Vermögensschutz beim minority freezeout . . . . . 7. Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Treuepflicht . . . . . . 8. Schutzdefizite in LLCs und publicly held corporations . . . a) Minderheitsschutz in der Limited Liability Company . . . b) Minderheitsschutz in der publicly held corporation . . . .
§3
29 30 32 33 34 34 36 38 39 41 42 43 44 48 52 54 55 55 58 60 64 64 65
C. Zusammenfassung und Bewertung des Treuepflichtansatzes . . . . .
65
Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht und der Schutz der Rechtsstellung durch Art. 14 I GG . . . . . . . . . . . . . .
69
A. Art. 14 GG als Abwehrrecht, Schutzgebot und Gestaltungsauftrag an den Zivilgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Allgemeine Grundrechtsdogmatik zur Privatrechtswirkung von Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75 75
Inhaltsverzeichnis
1. Die Rechtsprechung des BVerfG zur Wirkungsweise von Grundrechten im Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Grundrechte als objektive Werteordnung . . . . . . . . . . . . 3. Die Wirkungsweise der Grundrechte im Privatrecht . . . . . . a) Theorie von der Mittelbaren und Unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einwände gegen die Ansätze der unmittelbaren Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schwächen der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung d) Beachtung der gesetzgeberischen Entscheidung . . . . . . . e) Schutzgebotsfunktion der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Modalitäten der Grundrechtsanwendung: privatautonomes Handeln und praktische Konkordanz . . . . . . . . . . . . . II. Hinweis auf die Diskussion um die Direktwirkung der Grundfreiheiten des AEU-Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Bedeutung der Grundrechte für die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Rechtsprechung des BVerfG zur Wirkung von Verfassungswerten im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtsprechung des BVerfG zu Inhalt und Grenzen des mitgliedschaftlichen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsprechung des BVerfG zu strukturellem Ungleichgewicht der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesellschaftsrecht als Bestandteil der grundrechtsunterworfenen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die mitgliedschaftliche Grundrechtsgarantie und der Eingriff bei Ausübung der gesetzlich eingeräumten Gestaltungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der soziale Bezug des mitgliedschaftlichen Eigentums . . . . 3. Systematisches Machtgefälle: Verschiedenartigkeit von Austausch- und Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der verfassungsrechtliche Schutz der Gesellschafterstellung im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kompetenz des Gesetzgebers zur Veränderung der Grundlagen der Gesellschafterbeziehung . . . . . . . . . . . . . b) Verlust der Gewinnbezugsrechte bei Umwidmung der Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfassungsrechtliche Fragen bei anderen mehrheitlich getragenen Gesellschafterbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XV 77 80 81 81 83 85 88 91 92 96
99 100 100 103 105
105 107 109 113 114 115 116 119 120
121
XVI
Inhaltsverzeichnis
I. Anwendung der Prüfungsdogmatik des Art. 14 I GG auf die Gesellschafterbeziehung als Ausfluss der Schutzgebotsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Bestimmung des Schutzbereichs der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgeberische Vorgaben, Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses und Realstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typische Mitgliedschaftsrechte in den einzelnen Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Aktionärsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Mitgliedschaftsrechte des GmbH-Gesellschafters . . c) Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung des Schutzbereichs bei mittelbarer Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Bestimmung des Eingriffs in den Schutzbereich von Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Eingriffsterminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung unmittelbarer und mittelbarer Eingriffe . . . . . a) Unmittelbare Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mittelbare Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Rechtfertigungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Gesellschaftsinteresse als Legitimation und Schranke von Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Struktur der Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bedeutung der Privatautonomie für das Gesellschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Berufung auf den unternehmerischen Ermessensspielraum (business judgment rule) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesetzliche Wertungen und Vorgaben des Gesellschaftsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Eine Randbemerkung: Die Bedeutung des Art. 12 GG im Gesellschafterinnenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Das Verhältnis der verfassungsrechtlichen Eingriffskontrolle zu anderen gesellschaftsrechtlichen Instituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . II. Der gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . 1. Rechtsdogmatische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . III. Der verbleibende Anwendungsbereich der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121 122 122 125 126 127 127 128 130 130 131 131 132 133 134 137 140 143 144 145 147 148 148 150 150 151 153
Inhaltsverzeichnis
2. Kapitel: Eingriffe durch Stimmrechtsausübung und Rechtsbehelfe gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse . . . . . . . . . . . . §4
Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Echte Inhalts- oder schlichte Missbrauchskontrolle nach Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die BGH-Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beschlussgegenstände mit inhaltlicher Rechtfertigungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtfertigungskontrolle bei Ausschluss des Bezugsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Befreiung von einem Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . cc) Gewinnverwendungsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ausschluss des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Eingriffe in den Kernbereich der Mitgliedschaft bei Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussgegenstände mit reiner Missbrauchskontrolle . aa) Auflösungsbeschlüsse nach BGH und BVerfG . . . . bb) Börsenrückzug (Delisting) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nachträgliche Einführung eines Höchststimmrechts dd) Kapitalherabsetzung durch Zusammenlegung von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung der Ansätze des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Literaturstimmen zur Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhaltskontrolle bei Rechtseingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freie Entscheidungsgewalt nur bei Wahrnehmung der eigenen Quote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhaltskontrolle bei Verschiebung der Machtbalance . . . d) Inhaltskontrolle als Ausnahmeerscheinung . . . . . . . . . . . 3. Die dogmatischen Grundlagen einer Inhaltskontrolle nach Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zum Vergleich: Die Inhaltskontrolle im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eine Randbemerkung: Die Ansätze in weiteren Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zusammenfassung: Die gemeinsamen Grundlagen der dargestellten Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der eigene Ansatz: Dogmatische Grundlage und System einer Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII 155
155 156 156 157 157 157 159 159 160 161 162 162 164 164 165 165 166 167 172 172 173 175 176 179 181 182
XVIII
Inhaltsverzeichnis
1. Fehlende Eignung der Treuepflicht als Grundlage der Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschlusskontrolle als Ausprägung der allgemeinen Eingriffsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zulässige Interessen und deren Gewichtung . . . . . . . . . . . . 4. Begrenzung der Inhaltskontrolle durch unternehmerische Einschätzungsprärogative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beachtung der gesetzgeberischen Wertungen . . . . . . . . . . . a) Abschließende Interessenabwägung durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Qualifizierte Mehrheitserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überragende Mehrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Insbesondere: Qualifizierte Mehrheitserfordernisse bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages . . . . . . . . . . . . . 6. Fehlendes oder unbeachtliches Gesellschaftsinteresse . . . . a) Auflösung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweckänderung, Konzernrecht und Umwandlungen . . . 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . I. Besonderheiten bei einzelnen Rechtsformen und Gesellschaftstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Anforderungen an das Mehrheitsprinzip im Recht der Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Rechtsprechungsgrundsätze des BGH . . . . . . . . bb) Kritik an diesem Ansatz und Alternativvorschläge . cc) Inhaltliche Rechtfertigungskontrolle auch im Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Publikumsgesellschaften und börsennotierte Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterschiedliche Schutzrichtung von Inhaltskontrolle und Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine gesetzgeberischen Wertungen gegen eine Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahmen für Publikumsgesellschaften? . . . . . . . . . . . d) Die Besonderheiten bei börsennotierten Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Reine Vermögensanlage und rationale Aktionärsapathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausgleich der Vermögensinteressen als Rechtfertigung von Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Positive Stimmpflichten des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . II. Die Verteilung der Beweislast bei eingreifenden Gesellschafterbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
182 183 185 187 188 188 189 190 191 193 193 195 195 197 197 197 198 199 199 200 202 203 203 204 206 211 211 214 215 217
Inhaltsverzeichnis
§5
XIX
1. Die Beweislastverteilung nach US-amerikanischem (und australischem) Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beweislastverteilung in den Fällen der Inhaltskontrolle a) Die grundsätzliche Verteilung der Beweislast . . . . . . . . . aa) Die Beweislastverteilung auf Schutzbereichs- und Eingriffsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Beweislastverteilung auf Rechtfertigungsebene b) Die Erleichterungen durch den unternehmerischen Ermessensspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Relevanz von Austrittsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Beweislastverteilung in den Fällen der Missbrauchskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
224 225
Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229
A. Die Anfechtung fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage nach § 243 I AktG . II. Die Verbindung von Anfechtungs- und positiver Feststellungs- bzw. Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Schutz der Gesellschaft vor Missbrauch der Anfechtungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkungen der Anfechtungsbefugnis de lege lata . . . . a) Einwand des individuellen Rechtsmissbrauchs . . . . . . . . b) Spruchverfahren bei Streit über die Höhe der geschuldeten Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkungen der Klagemöglichkeit de lege ferenda . . . a) Minderheitsquoren und Nachweis individueller Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausweitung des Freigabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Verfolgung von Sondervorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse im GmbH-Recht . . . . . . . . I. Bedürfnis nach analoger Anwendung der Regeln des Aktiengesetzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Voraussetzungen für eine Anfechtung des GmbHBeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Verfolgung von Sondervorteilen in der GmbH . . . . . . . . .
217 219 219 219 220 222 223
230 231 232 234 236 236 237 238 238 239 242 243 244 245 246
C. Die Feststellung rechtswidriger Beschlüsse in den Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
247
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
248
XX
Inhaltsverzeichnis
3. Kapitel: Der Minderheitsschutz bei Verwaltungshandeln und bei der Ausübung der Mehrheitsmacht außerhalb der Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
251
§6
253
Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln A. Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung rechtmäßigen Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Beeinträchtigung der Gesellschafterstellung durch Maßnahmen der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beeinträchtigung der Gesellschafter in ihrer Rechtsstellung 2. Die Reichweite des Schutzbedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtmäßigkeitsanforderungen für Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . 1. Treuhänderische Bindungen der geschäftsführenden Organe 2. Schutz der Gesellschafter bei Verstößen gegen die treuhänderische Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Prüfungsaufbau zur Bestimmung der Rechtmäßigkeit des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Kompetenzverteilung in den Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . I. Die Rechtslage in der GmbH und den Personengesellschaften II. Die Rechtslage in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkte Wahrnehmungszuständigkeiten der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ungeschriebene Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) BGH in Sachen Holzmüller und Gelatine . . . . . . . . . . . . b) BGH in Sachen Macrotron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme zu diesen Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingriff in die Mitgliedschaft und gesetzliche Wertung . b) Einzelne Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Anforderungen an den Hauptversammlungsbeschluss . C. Die Rechtsbehelfe gegen fehlerhaftes Verwaltungshandeln . . . . . . I. Anerkanntes Bedürfnis nach effektivem Rechtsschutz . . . . . . II. Leistungs- und Feststellungsklagen als prozessuale Rechtsbehelfe des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung der statthaften Klageart nach dem Begehr des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweifelsfragen bei Schadensersatzforderungen im Wege der Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Klagebefugnis des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Geltendmachung mittelbarer Schäden durch den Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung der relevanten Eingriffe anhand der Abgrenzung von Sorgfalts- und Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgleich in das Gesellschaftsvermögen bei Doppelschäden 3. Besonderheiten in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . .
253 253 254 255 256 257 260 262 263 264 264 264 266 266 269 270 270 271 274 276 276 279 280 280 282 284 284 286 287
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§7
XXI
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
290
Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293
A. Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters als Eingriffe in die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Wahrnehmung von Geschäftschancen der Gesellschaft durch den Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Zuordnung der Geschäftschance zur Gesellschaft . . . . . 2. Wahrnehmungskompetenz des Gesellschafters . . . . . . . . . . 3. Die Rechtmäßigkeitskriterien eines Verzichtsbeschlusses . . II. Die Veräußerung der (beherrschenden) Beteiligung . . . . . . . . . 1. Der Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung 2. Veräußerung der Beteiligung unter Ausschöpfung des Unternehmenswertes (Kontrollprämien) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kontrollprämien als Gleichbehandlungsproblem . . . . . . b) Geteiltes Fazit bei ökonomischer Betrachtung . . . . . . . . c) Die Entscheidung Perlman v. Feldmann . . . . . . . . . . . . . d) Anwendung der Grundsätze über die Geschäftschancenlehre und Treuhänderpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausgleichsansprüche bei Einbringung der Beteiligung in eine Obergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Entscheidung des kalifornischen Supreme Court in Jones v. Ahmanson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einseitige Nutzung der Geschäftschancen als Eingriff in die Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflicht zur Information über preisbildende Faktoren . . . . . . 5. Kursmanipulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verdeckte Vermögenszuwendungen an einzelne Gesellschafter 1. Begriff der verdeckten Vermögenszuwendung . . . . . . . . . . . 2. Die Kapitalerhaltungsgrundsätze in den verschiedenen Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Lösung im deutschen Recht: Interessenwahrungspflicht und Eingriffsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Lösung im US-amerikanischen Recht: der Intrinsic bzw. Entire Fairness Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsbehelfe bei Doppelschäden im Gesellschafts- und Anteilsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unterschiedliche Interessenlage gegenüber Schädigungen durch die Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erweiterte Informationspflichten als Lösungsvorschlag für das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Rechtslage in den USA als Wertungsgrundlage im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293 294 294 295 297 299 299 302 302 303 305 306 307 308 309 312 314 315 315 316 318 319 322 322 324 324
XXII
Inhaltsverzeichnis
1. Direktklagen in der deutschen Rechtsprechung . . . . . . . . . . 2. Direct Suit und Derivative Action im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Direkte und indirekte Schädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Exemplarische Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wirkungsweise der alternativen Klagearten als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgerungen für das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung der Einwände gegen eine Direktklage . . . . . b) Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Direktklage . . aa) Voraussetzungen einer Direktklage . . . . . . . . . . . . . bb) Regelmäßiges Ausscheiden des klagenden Gesellschafters als Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abschließende Bewertung der Grundsätze des BGH c) Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
325 326 327 330 331 334 335 335 337 337 338 339 339
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
4. Kapitel: Die Bedeutung von Information für den Minderheitsschutz
345
§8
Minderheitsschutz durch Information und Teilhabe am Willensbildungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
345
A. Bestehende Rechte auf Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Schutzrichtungen der Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . II. Die Konzeption der Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Im Einzelnen: Die wichtigsten Auskunfts- und Einsichtsrechte 1. Im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Voraussetzungen des Auskunftsrechts . . . . . . . . . . . b) Die Einschränkungen des Auskunftsrechts . . . . . . . . . . . aa) Das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft . . . . bb) Rechtsmissbrauch und übermäßige Rechtsausübung c) Rechtsbehelfe bei pflichtwidrigem Informationsverhalten der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht des GmbH-Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Auskunftsanspruch des Personengesellschafters . . . . . IV. Der Anspruch auf Information gegen den Mitgesellschafter . .
345 345 348 350 350 351 352 353 354
356 359 361
B. Forderungen nach einer Erweiterung der Informationsrechte . . . . .
362
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
363
Besonderer Teil: Typische minderheitssensible Konstellationen – Die Anwendung der Allgemeinen Grundsätze in konfliktträchtigen Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
365
355
Inhaltsverzeichnis
XXIII
1. Kapitel: Freiwilliges und unfreiwilliges Ausscheiden des Gesellschafters: Ausschluss und Austritt unter Einschluss der Abfindungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
367
§9
Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . .
367
A. Regelungen zum Gesellschafterausschluss im Gesellschaftsvertrag I. Die Zulässigkeit von Ausschlussklauseln in Gesellschaftsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Grundsätze für wirksame Ausschlussklauseln in Gesellschaftsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Grundsätze zu nachteiligen Klauseln in Gesellschaftsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Satzungsautonomie als Ausprägung der Privatautonomie der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nichtigkeit der Vertragsbestimmungen mangels privatautonomen Verzichts und bei unverhältnismäßiger Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhaltskontrolle bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erhöhte Kontrolldichte bei Publikumspersonengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die inhaltliche Kontrolle von Ausschlussklauseln nach den Grundsätzen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zwangslage für die bedrohten Gesellschafter und Gefahr für die Zweckerreichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmsweise Zulässigkeit eines Ausschlusses nach freiem Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Ausschluss der Erben des Gesellschafters . . . . . bb) Der Ausschluss bei besonderen Vertrauensbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Ausschluss während einer eruierenden Prüfungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Wegfall von persönlicher Mitarbeit oder Mitwirkung an der Zweckerreichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Verknüpfung von Geschäftsleitung und Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Geschenkte Gesellschaftsbeteiligungen . . . . . . . . . . 3. Änderungen des Gesellschaftsvertrages nach Beitritt des betroffenen Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Ausschlussmodalitäten: Gesellschafterbeschluss, Bedingungseintritt und Quoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Grundsätze zur Abfindung des ausgeschlossenen Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
368 368 371 371 371
373 374 375 376 378 380 380 380 381 381 383 384 385 388 389 392
XXIV
Inhaltsverzeichnis
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund . . . . . . . I. Rechtsformübergreifendes Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dogmatische Grundlagen des Ausschlusses aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösbarkeit bei Dauerschuldverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sicherung des Unternehmensfortbestandes . . . . . . . . . . . . . 4. Zweckförderungs- und Interessenwahrungspflicht des Auszuschließenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Voraussetzungen des Gesellschafterausschlusses . . . . . . . 1. Die Ausschlussvoraussetzungen: Besondere Umstände in und außerhalb der Person des Auszuschließenden . . . . . . . a) Gefestigte Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtslage im US-amerikanischen Recht als Gegenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Ausschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluss durch Gesellschafterbeschluss oder Gestaltungsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für die gesellschaftsinterne Willensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mehrheitserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Konflikt von Gesellschafterabfindung und Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interimsphase zwischen Ausschlussurteil und Abfindungszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abfindung und Kapitalerhaltung in den Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Kapitalerhaltungsgrundsatz in der GmbH . . . . . . . . b) Der Kapitalerhaltungsgrundsatz in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Der Ausschluss des Aktionärs aufgrund spezialgesetzlicher Institute I. Vielzahl der Ausschlussformen und Umgehungsproblematik . II. Squeeze out des Minderheitsaktionärs nach §§ 237a ff. AktG 1. Keine inhaltlichen Anforderungen an den Squeeze outBeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die qualifizierte Antrags- und einfache Stimmenmehrheit . 3. Anfechtbarkeit rechtswidriger Squeeze out-Beschlüsse . . . a) Verstöße gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht b) Verstöße gegen das Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Abfindungsanspruch des Minderheitsgesellschafters . . 5. Die Rechtsbehelfe der ausgeschlossenen Minderheit . . . . . III. Das Squeeze out-Verfahren in Übernahmesituationen . . . . . .
393 393 396 396 397 399 399 400 400 401 403 406 406 407 409 411 411 413 413 414 415 416 416 417 417 420 423 423 425 427 429 429
Inhaltsverzeichnis
IV.
V.
VI. VII.
1. Die erforderliche Beteiligungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Höhe der geschuldeten Abfindung und ihre (mangelnde) gerichtliche Überprüfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ausschluss der Aktionäre im Wege der Mehrheitseingliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen der Mehrheitseingliederung und Anforderungen auf Ebene der einzugliedernden Gesellschaft . . . . 2. Der Eingliederungsbeschluss in der Hauptgesellschaft . . . . 3. Die Abfindung der Minderheitsaktionäre in der eingegliederten Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ausschluss der Aktionäre im Wege der Übertragenden Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Voraussetzungen des § 179 a AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle des Übertragungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umgehungsproblematik und Inhaltskontrolle bei Übertragender Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bewertung der Rechtsprechung von BGH und BVerfG . b) Liquidation und Vermögensübernahme . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtswidrigkeit bei Beteiligungen unter 95% . . . . . . . . 4. Information der Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Angemessene Abfindung und Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . a) Die Vorgaben des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umsetzung dieser Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsbehelfe des Minderheitsaktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Vermögensübertragung und der Ausschluss durch Übertragende Auflösung in anderen Gesellschaftsformen . . Die Zusammenlegung von Aktien nach § 222 IV 2 AktG . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung und seine Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Veräußerlichkeit der Beteiligung als Alternative zur Lösbarkeit bei Dauerschuldverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Freie Veräußerlichkeit und ihre Schranken in den Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Ausschluss der Übertragbarkeit durch Vinkulierungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vinkulierungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zum Beitrittszeitpunkt in der Satzung vorhandene Übertragungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Übertragungsbeschränkung nach Begründung der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXV 429 431 435 436 438 440 441 442 443 445 445 447 448 451 452 452 453 454 456 456 459 461 461 461 463 464 464 465 465
XXVI
Inhaltsverzeichnis
2. Kriterien für die Zustimmungserteilung bei vinkulierten Anteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen in der GmbH . . . III. Der Ausschluss der Veräußerlichkeit in den Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das ordentliche Austritts- bzw. Kündigungsrecht des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtslage in den Personengesellschaften . . . . . . . . . . a) Vollständiger Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts unzulässig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Richtlinien für eine Begrenzung des Kündigungsrechts aa) Anforderungen an die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Doppelprüfung von Gesellschaftsvertrag und Austrittswunsch im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Abfindungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtslage in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ordentliches Austrittsrecht nur in Ausnahmesituationen b) Austrittsrecht auf Grundlage der Regelungen im Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Austritt mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Rechtslage in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Austrittsrecht aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatische Grundlagen des Austritts aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen des Austrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollzug des Austritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abfindungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abfindung zum Verkehrswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entstehung des Abfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . c) Abfindungsanspruch und Grundsatz der Kapitalerhaltung aa) Der Kapitalerhaltungsgrundsatz in der GmbH . . . . . bb) Das Verbot der Einlagenrückgewähr in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Aktionär in der Stellung eines Drittgläubigers bei kapitalmarktrechtlich veranlasster Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
468 469 470 472 474 475 475 475 475 476 476 477 479 480 480 482 483 484 484 484 486 486 489 491 491 492 493 493 494
495 500
Inhaltsverzeichnis
XXVII
C. Typisierte Austrittsrechte im Umwandlungs-, Konzern- und Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Austrittsrechte im Umwandlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Austrittstatbestände und ihre Voraussetzungen . . . . . . . 2. Die Abfindung des widersprechenden Gesellschafters . . . . II. Die Austrittsrechte im Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung von Austritt und Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Austrittsrecht bei Abschluss- eines Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Austrittsrechte in Übernahmesituationen . . . . . . . . . . . . . . IV. Eine Randbemerkung: Austrittsrechte in der Societas Europaea D. Austrittsrechte de lege ferenda als allgemeines Instrumentarium des Minderheitsschutzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Appraisal Rights in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Appraisal Rights bei einem Statutory Merger . . . . . . . . . . . a) Transaktionsformen und erforderliche Mehrheiten . . . . . b) Die Ausnahmen von dem Beschlusserfordernis . . . . . . . c) Die Appraisal Rights der widersprechenden Gesellschafter 2. Appraisal rights bei der Veräußerung des (substantiell) gesamten Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen, Ausnahmen und erforderliche Mehrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Austrittsrechte bei Vermögensübertragungen . . . . . . . . . 3. Umgehungsprobleme und Forderung nach weiter gehenden Andienungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Forderungen nach einem ordentlichen Austrittsrecht im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einwände gegen ein Andienungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Argumente für ein Andienungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein generelles Austrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Normiertes Austrittsrecht aus wichtigem Grund bei wesentlicher Veränderung der Beteiligung . . . . . . . . . . . c) Austrittsrecht eingeschlossener Aktionäre bei überragender Beteiligung des Mehrheitsgesellschafters . . . . . . . . .
501 502 502 504 505 505 506 508 510 511 511 512 512 514 516 518 518 520 520 523 523 523 525 525 526 527
E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
528
§ 11 Die Grundsätze der Abfindungsbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
531
A. Die Grundsätze im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Grundsatz der vollwertigen Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abfindung zum Verkehrswert als verfassungsrechtliche Vorgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkungen im Interesse der Gesellschaft . . . . . . . . . .
531 531 531 532
XXVIII
Inhaltsverzeichnis
3. Regelmäßige Maßgeblichkeit des Börsenkurses . . . . . . . . . 4. Ausnahmen von der Orientierung am Börsenkurs . . . . . . . . 5. Methodengleichheit bei Ermittlung des Umtauschverhältnisses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Der Rechtsschutz gegen das Abfindungsangebot . . . . . . . . B. Die Grundsätze im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Methoden zur Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Diskontierung der Abfindung durch einen Minderheitsabschlag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
533 536
543
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
544
2. Kapitel: Der Minderheitsschutz bei strukturändernden Maßnahmen
547
§ 12 Der Minderheitsschutz bei Umwandlungsbeschlüssen . . . . . . . . . .
547
A. Die Konzeption des Umwandlungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
547
B. Die inhaltlichen Anforderungen an den Umwandlungsbeschluss . . I. Gesetzliche Wertungen und besondere Schutzmechanismen . II. Ausrichtung der Rechtfertigung an den Interessen der neu entstehenden Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
549 549
539 541 541 541
552
C. Die Rechtsbehelfe der Gesellschafter und Informationspflichten der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anfechtungsklage und Spruchstellenverfahren . . . . . . . . . . . . II. Information und Grundsätze der Beweislastverteilung . . . . . .
554 554 554
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
556
§ 13 Minderheitsschutz beim Gang an die Börse und Rückzug von der Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
559
A. Minderheitsschutz beim förmlichen Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung des Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachteile des Delisting für den Kleinaktionär . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis börsenrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anlegerschutz nach § 39 II BörsG und den Börsenordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nebeneinander und Interdependenz von kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlichem Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Delisting als Eingriff in den Schutzbereich des Aktionärs . . . 1. Die Börsennotierung als Bestandteil der geschützten Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
559 559 560 560 562 562 564 566 566 566
Inhaltsverzeichnis
b) Bewertung anhand der besonderen Bedeutung der Börsennotierung für den Anlegeraktionär . . . . . . . . . . . . . . . 2. Delisting als Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die gesellschaftsrechtlichen Schutzmechanismen beim Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Kompetenz der Hauptversammlung zur Entscheidung über den Börsenrückzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . a) Obligatorische sachliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . b) Modalitäten der Prüfung unter Beachtung der kapitalmarktrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässige Zweckverfolgung im Gesellschaftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Relevante Gesichtspunkte der Abwägungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Höhe der erforderlichen Beschlussmehrheit . . . . . . . . . 4. Die Abfindung des Minderheitsaktionärs . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedingungs- und Abfindungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abfindungsadressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Austrittsrecht aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Höhe der Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Pflicht zur Information der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsschutz gegen den Delisting-Beschluss und die angebotene Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXIX 568 571 571 571 572 572 575 575 576 577 578 579 580 581 582 583 583
B. Minderheitsschutz beim „kalten“ Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problematische Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unproblematische Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Möglichkeiten zur Kompensation der beeinträchtigten Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschiebung der Umwandlungswertrelation . . . . . . . . . . . . 2. Inhaltliche Rechtfertigung des Umwandlungsbeschlusses . 3. Andienungsrecht der Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . III. Der Widerruf der Börsenzulassung von Amts wegen . . . . . . . . IV. Delisting als Mittel zu sachfremden Zielen? . . . . . . . . . . . . . . .
584 584 585 586 587 588 588 589 590 591
C. Minderheitsschutz beim Börsengang der Aktiengesellschaft . . . . . . I. Kapitalmarktrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Zuständigkeit der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die erforderliche Stimmenmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Inhaltliche Rechtfertigungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abfindungsangebot an die dissentierende Minderheit . . . . . . .
591 592 592 594 594 595
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
596
XXX
Inhaltsverzeichnis
§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gefahren und Voraussetzungen der Unternehmensbeherrschung . . I. Gefahren von Abhängigkeit und Beherrschung für die Minderheitsgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Stufen der Unternehmensbeherrschung . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Rechtslage in den Aktiengesellschaften bei Unternehmensbeherrschungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Schutz außenstehender Aktionäre im Vertragskonzern . . 1. Die Beeinträchtigung der Gesellschafter in der beherrschten Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ausgleichszahlungen des herrschenden Unternehmens 3. Information über die geplante und bestehende Beherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft . . . . . . . 5. Inhaltliche Rechtfertigung beherrschungsbegründender Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtfertigungskontrolle in der beherrschten Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigungskontrolle in der herrschenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Der Rechtsschutz der außenstehenden Aktionäre . . . . . . . . II. Der faktische Aktienkonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Begründung der Abhängigkeit einer Aktiengesellschaft 2. Konzernoffene Konzeption des Aktienrechts als Leitbild des Minderheitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hauptversammlungsbeschluss als Konzerneingangskontrolle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigungskontrolle bei bestehender Beherrschung c) Austritt der Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ansprüche gegen das herrschende Unternehmen und Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der qualifiziert faktische Aktienkonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Rechtslage in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konzerneingangskontrolle in der GmbH: Die Voraussetzungen einer Abhängigkeitsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der GmbH III. Beherrschung der GmbH im einfachen faktischen Konzern . . 1. Verbot schädigender Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen bei Verstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Rechtslage im qualifiziert faktischen GmbH-Konzern . . . 1. Analoge Anwendung der §§ 302 f. AktG in der älteren Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechungsänderung für die Einmann-GmbH . . . . . .
599 599 600 603 604 604 605 606 609 610 611 611 613 614 614 615 616 616 618 619 620 622 624 624 627 630 630 631 632 633 633
Inhaltsverzeichnis
3. Folgerungen für den Minderheitsschutz im qualifiziert faktischen GmbH-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung und Literaturansichten . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXI 634 636 636 638
D. Die Rechtslage in den Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beherrschungsfeindlichkeit der Personengesellschaften nach dispositiver Gesetzeslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abhängigkeitsbegründung und Konzerneingangskontrolle 1. Die Begründung der Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Konzerneingang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Konzernausübungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bei fehlender Legitimation durch die Gesellschafter . . . . . . 2. Bei Legitimation der Konzerneinbindung . . . . . . . . . . . . . . .
639 641 641 642 644 644 646
E. Rechtsformüberschreitend: Konzerneingangsschutz als generelle Rechtfertigung eines Eingriffs in die Mitgliedschaft? . . . . . . . . . . .
647
F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
650
3. Kapitel: Der Minderheitsschutz bei vermögensrechtlichen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
655
§ 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
655
A. Veränderungen im Kapitalbestand der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . I. Effektive und nominelle Kapitalerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltliche Anforderungen an einen Kapitalerhöhungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtslage in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtslage in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bemessung des Ausgabebetrags bei effektiver Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Bemessung des Ausgabebetrags in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bemessung des Ausgabebetrags in der GmbH . . . . . 3. Die nominelle Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtslage in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtslage in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtslage in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtslage in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Rechtslage in den Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . B. Das Bezugsrecht des Aktionärs und die Voraussetzungen für seinen Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
639
655 655 656 656 657 658 658 661 661 661 662 662 662 664 664 665
XXXII
Inhaltsverzeichnis
I. Bezugsrechtsausschluss als Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Bezugsrechtsausschluss III. Einschränkung der Kriterien für das genehmigte Kapital und für börsennotierte Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Grundsätze bei Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen bei börsennotierten Aktiengesellschaften . . . . IV. Das Bezugsrecht des GmbH-Gesellschafters und sein Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
674
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
675
§ 16 Minderheitsschutz bei der Gewinnverwendung . . . . . . . . . . . . . . . .
677
A. Das Gewinnbezugsrecht des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . .
677
B. Inhaltliche Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Gewinnverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Gewinnbezugsrecht als Bestandteil des Schutzbereichs der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Eingriff durch den mehrheitlich gefassten Gewinnverwendungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Kriterien einer inhaltlichen Rechtfertigung des Gewinnverwendungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtmäßigkeitsanforderungen in der GmbH und den Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtslage in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . .
665 667 670 670 673
678 678 679 680 681 683
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
685
§ 17 Minderheitsschutz bei Auflösung und Liquidation der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
687
A. Der Minderheitsschutz bei der Auflösung infolge mehrheitlich gefassten Gesellschafterbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine inhaltliche Rechtfertigung des Auflösungsbeschlusses . II. Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Minderheit und institutioneller Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
687 688 689
B. Minderheitsschutz im Liquidationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
691
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
691
Gesamtzusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Bewertung .
693
A. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
693
B. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
699
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
701
XXXIII
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A. Begriff, Wirkungsweise und Schutzrichtung des Minderheitsschutzes
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A. Begriff, Wirkungsweise und Schutzrichtung des Minderheitsschutzes § 1 Grundsätze des Minderheitsschutzes, Zielsetzung und Methodik der Bearbeitung
Einleitung § 1 Die Grundsätze des Minderheitsschutzes und die Zielsetzung und Methodik der Bearbeitung A. Begriff, Wirkungsweise und Schutzrichtung des Minderheitsschutzes I. Geschichtlicher Aufriss zur Entwicklung gesellschaftsrechtlicher Mechanismen zur Begrenzung der Mehrheitsherrschaft Das Bedürfnis, Minderheiten in Verbänden vor uneingeschränkter Mehrheitsherrschaft zu schützen, ist heute allgemein anerkannt, hat sich jedoch erst im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem rechtsformübergreifenden und unterschiedliche Bereiche des Verbandslebens erfassenden System entwickelt. Dies lässt sich an den Entwicklungen im Aktienrecht illustrieren: Zunächst schätzten Gesetzgebung und Rechtsprechung die Gefahren der Mehrheitsherrschaft als gering ein und verneinten die Notwendigkeit, die Dominanz der Gesellschaftermehrheit zu beschränken. Mit der Aktienrechtsnovelle von 1884 vollzog sich im ADHGB ein Systemwechsel: Das für viele Beschlussgegenstände geltende Einstimmigkeitsprinzip wurde in großem Umfang durch das Mehrheitsprinzip ersetzt.1 Zugleich sprach sich die Geset___________ 11
Zur Zweiten Aktiennovelle von 1884 Hofer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, 2007, 11. Kapitel. Zum Übergang zum Mehrheitsprinzip Spindler, Recht und Konzern, 1993, S. 54. Der „Entwurf eines Gesetzes, betreffend die KGaA und AG (1884)“, ist abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 407 ff., Zu den mit der Reform eingeführten Aktionärsrechten auch Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 97–100; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 414–417. Zu den vorausgegangenen Reformen durch das „Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften“ (Erste Aktiennovelle), BGBl. 1870, S. 375–386, und zum Gesetzgebungsprozess ausführlich Schubert, ZGR 1981, 285; Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, 2007, 10. Kapitel. Eine ausführliche, früher noch ansetzende Darstellung findet sich auch bei Roitzsch, Der Minderheitsschutz im Verbandsrecht, 1981, S. 15–31. Die Situation im ADHGB von 1861 mit seinem Konzessionssystem ist dargestellt bei Pahlow, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band I, 2007, 8. Kapitel, Rn. 87 ff.
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§ 1 Grundsätze des Minderheitsschutzes, Zielsetzung und Methodik der Bearbeitung
zesbegründung energisch gegen die Einführung eines Minderheitsschutzes aus: Individualrechte der Aktionäre müssten, sofern sie überhaupt zugelassen seien, immer als eine notgedrungene Ausnahme erscheinen.2 Dem lag die Vorstellung zugrunde, im Regelfall werde das Kapital der Gesellschaften zu etwa gleichen Teilen von mehreren Personen aufgebracht, so dass im Laufe des Gesellschaftslebens wechselnde Mehrheiten über die Geschicke der Gesellschaft entscheiden würden.3 Auch ging der Gesetzgeber davon aus, im Regelfall würden die Gesellschaftsorgane die ihnen durch Gesetz oder Statut verliehenen Befugnisse verantwortungsbewusst ausüben. Es sei davon auszugehen, dass die Hauptversammlung (damals noch Generalversammlung) in ihren Mehrheitsbeschlüssen nicht die Sonderinteressen einzelner Aktionäre, sondern das Interesse des Ganzen verfolge. Auf diesen Prinzipien und Grundannahmen beruhe das Wesen einer Aktiengesellschaft und ihre Organisation.4 Daraus wurde abgeleitet, dass eine uneingeschränkte Mehrheitsmacht im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liege und jede Form der Beschränkung der Mehrheitsmacht auf eine richterliche Ermessenskontrolle hinauslaufe, die es im Interesse der Verbandsautonomie gerade zu vermeiden gelte.5 Diese Einstellung teilte das Reichsgericht zunächst und befürwortete einen uneingeschränkten Herrschaftsanspruch der Aktionärsmehrheit zulasten der Minderheit. Die Tatsache, dass dem Aktienrecht das Mehrheitsprinzip zugrunde liege, bedeute für die Aktionäre, dass die Mehrheit über die Verwaltung der Gesellschaft und darüber entscheide, was im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre zu tun und zu lassen sei, selbst wenn dies der Minderheit als verkehrt, wirtschaftlich nachteilig und für ihre eigenen Bestrebungen schädigend erscheine.6 ___________ 12
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Siehe die allgemeine Begründung zum „Entwurf eines Gesetzes, betreffend die KGaA und AG (1884)“, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 407, 466. Dazu auch die Darstellung von Schubert/Hommelhoff, a. a. O., S. 101 f. Zugleich verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, den Schutz der Anleger zu verstärken, was jedoch (ausschließlich) durch zwingende Vorschriften zur Finanzverfassung erreicht werden sollte, vgl. Bayer, Gutachten E zum 67. Deutschen Juristentag, 2008, S. E 23. Diese Entwicklung liegt dort nahe, wo der Anteilsbesitz breit gestreut ist, also kein einzelner Mehrheitsgesellschafter über eine wesentliche Beteiligung verfügt. Die heutige Wirklichkeit sieht in Deutschland für die Aktiengesellschaft anders aus: Es ist durchaus üblich, dass ein Aktionär 40% und mehr des Aktienkapitals hält, während etwa in Großbritannien nur selten Anteile an public limited companies von mehr als 10% gehalten werden, vgl. Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, § 13, Fn. 30 (m. w. N.); Becht/Röell, 43 European Economic Review 1049, 1051–1055 (1999); Böhmer, Der Schutz der Minderheitsaktionäre bei Übernahme börsennotierter Gesellschaften in Europa, 2004, S. 11; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 646 f.; Davies, ZGR 2001, 268, 290; ders., Introduction to Company Law, 2002, p. 2215; Mertens, AG 1990, 49, 52; Hopt, in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 29, 36. Hierzu auch sogleich unter B. So wiederum die allgemeine Begründung zum „Entwurf eines Gesetzes, betreffend die KGaA und AG (1884)“, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 407, 466. So die Bewertung von Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 408. RGZ 68, 235, 245 f. (Hibernia) aus dem Jahr 1907: „(. . . ) und im übrigen sind die in Angelegenheiten der Gesellschaft mit der erforderlichen Stimmenzahl gefassten Beschlüsse der
A. Begriff, Wirkungsweise und Schutzrichtung des Minderheitsschutzes
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Obwohl sich in der Folgezeit die Grundannahme des Gesetzgebers, das Gesellschaftswohl werde sich regelmäßig im Hauptversammlungsbeschluss niederschlagen, als falsch erwies, da sich die Aktienmehrheit häufig in den Händen nur eines Aktionärs befand und dieser nicht die Interessen der Gesellschaft zu seinen eigenen, sondern die eigenen zu denen der Gesellschaft machte, musste sich die Gesellschafterminderheit doch über Jahrzehnte hinweg dem Willen der Mehrheit beugen, selbst wenn diese selbstsüchtig ihre Eigeninteressen und Sondervorteile verfolgte.7 Da es an einem sachlichen Minderheitsschutz fehlte, blieb die schon damals bestehende Befugnis zur Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen im Ergebnis wirkungslos.8 Die Gerichte prüften zwar einen Verstoß gegen Gesetz und Satzung, ließen dabei die Beweggründe und Ziele der beschließenden Mehrheit aber außer Acht.9 Hinzu kamen die Beweisschwierigkeiten der Minderheitsaktionäre, da ein Recht auf Auskunft über die Geschäftsvorgänge nicht existierte. Ein solches gestand das Reichsgericht nur der Aktionärsmehrheit zu, die in tatsächlicher Hinsicht jedoch nicht auf förmliche Anfragen im Rahmen der Generalversammlung angewiesen war, sondern hierzu andere Wege zu nutzen wusste.10 Eine Rechtsprechungsänderung wurde eingeläutet, als das Reichsgericht seiner Sittenwidrigkeitsrechtsprechung klarere Konturen verlieh und von seinem für den Minderheitsschutz so fatalen Ausgangspunkt, der Mehrheitswille in der Aktiengesellschaft sei unangreifbar, zaghaft abrückte. Das Gericht ging von der Sittenwidrigkeit eines Gesellschafterbeschlusses aus, wenn bewusst eigennützige Zwecke zum Nachteil der Minderheit unter Außerachtlassung des Wohls der Gesellschaft verfolgt wurden.11 Diese Anforderungen waren hoch und schienen für die Minderheit kaum beweisbar; dennoch war damit der Grundstein für einen auf angemessenen Ausgleich angelegten Minderheitsschutz gelegt. Eigennütziges Handeln der Mehrheit zum Nachteil der Minderheit war zumindest im Grundsatz angeprangert und das Gesellschaftsinteresse als Bezugspunkt eines Interessenausgleichs im Kon___________
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Mehrheit für die Minderheit auch dann maßgebend, wenn sie dieser als verkehrt, wirtschaftlich nachteilig und die Bestrebungen der Minderheit schädigend erscheinen. (. . . ) Seinen Willen als maßgebenden durchzusetzen vermag er nur, wenn er in der Generalversammlung mit der Mehrheit der Stimmen aufzutreten in der Lage ist. Die Unterwerfung der Minderheit unter den Willen der Mehrheit ist (. . . ) die unmittelbare und notwendige Folge der geltenden gesetzlichen Bestimmungen und verletzt die der Minderheit vom Gesetze tatsächlich zuerkannte Berechtigung nicht.“ Im Ergebnis bestätigt durch RGZ 105, 373, 375 f.; RGZ 107, 67, 70 f. Vgl. die Darstellung und Bewertung von Fischer, in: Minderheitsschutz bei deutschen Kapitalgesellschaften, 1967, S. 59, 60. Siehe auch Meyer-Landrut, FS Schilling, 1973, S. 235. Schon in Art. 222, 190 a HGB war das Anfechtungsrecht als Individualrecht vorgesehen, siehe dazu Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 97. Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 414. Vgl. Fischer, in: Minderheitsschutz bei deutschen Kapitalgesellschaften, 1967, S. 59, 61; Spindler, Recht und Konzern, 1993, S. 54. Zur Aussichtslosigkeit der Anfechtung durch den Minderheitsaktionär auch Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 97. In der GmbH war die Lage ursprünglich ebenso misslich, dazu Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 44 f. RGZ 68, 314, 317; RGZ 81, 37, 40; RGZ 107, 202, 204; RGZ 113, 188, 192 f.
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§ 1 Grundsätze des Minderheitsschutzes, Zielsetzung und Methodik der Bearbeitung
flikt der Gesellschafter untereinander entdeckt worden.12 Als die Formulierung dahin gehend abgeändert wurde, die Mehrheit habe im Rahmen des Gesamtinteresses auch die berechtigten Belange der Minderheit zu berücksichtigen und dürfe deren Rechte nicht über Gebühr verkürzen, waren den Minderheitsaktionären auch erste Erfolge beschert.13 Ein wesentlicher Durchbruch zugunsten der Minderheit gelang mit der Entwicklung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, die seitdem einen zentralen Stellenwert im gesellschaftsrechtlichen Minderheitsschutz einnimmt.14 Gerade in den Kapitalgesellschaften, vor allem in der Aktiengesellschaft, brauchte es jedoch Jahrzehnte, bis anerkannt war, dass auch dort die Gesellschafter in einem relevanten Rechtsverhältnis zueinander stehen und daher die Mehrheit Pflichtbindungen durch die Treuepflicht unterliegt.15 Auf gesetzgeberischer Seite lag der Schwerpunkt der Gesetzesnovelle von 1937 auf der Neuregelung eines anderen Binnenkonflikts, dem von Aktionären und Vorstand.16 Zugunsten erweiterter Befugnisse des Vorstands wurden die Rechte der Aktionäre beschnitten. Damit wurde die Erkenntnis umgesetzt, dass die Vorgänge im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Aktiengesellschaft zu komplex sind, um von einer auf Kapitalrendite konzentrierten Aktionärsversammlung entschieden zu werden. Zugleich wurde die Position des Minderheitsaktionärs zaghaft aufgewertet, indem jedem Aktionär ein Auskunftsrecht gegenüber der Verwaltung zuerkannt wurde, wenngleich ein im Ermessen des Vorstands stehendes Auskunftsverweigerungsrecht diesen Anspruch faktisch entwertete. Erst mit dem Aktiengesetz von 1965 trug der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass sich Kapitalgeber nur dann zur Investition in eine Aktiengesellschaft bereit finden, wenn auch ihre Rechtsstellung Schutz genießt.17 Nunmehr wurde der einzelne Aktionär und seine Eigentümerstellung in den Mittelpunkt der gesetzgeberischen Reformen ___________ 12 13 14
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Zur Fortentwicklung dieses Prinzips ausführlich unter §§ 3 f. RGZ 132, 149, 163 (Victoria); bestätigend BGHZ 21, 354, 357. Zu dieser ausführlich unter § 2. Zur Diskussion um die Treuepflicht im GmbH-Gesetz im Ausschuss für GmbH-Recht von 1937 siehe Stupp, GmbH-Recht im Nationalsozialismus, 2002, S. 292–300. Siehe zur GmbH BGH JR 1955, 462, 464; BGHZ 65, 15, 18 f. (ITT); zur Aktiengesellschaft zunächst BGHZ 18, 350, 365 (keine rechtlichen Beziehungen persönlicher Art), dann jedoch BGHZ 103, 184 = AG 1988, 135, 138 (Linotype), und BGHZ 129, 136 (Girmes). Ausführlich dazu unter § 2 A. Siehe auch die Darstellung bei Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 426 ff.; ders., ZHR 162 (1998), 235, 237. Vgl. hierzu und im Folgenden Dettling, Die Entstehungsgeschichte des Konzernrechts im Aktiengesetz von 1965, 1997, S. 75 f.; Fischer, in: Minderheitsschutz bei deutschen Kapitalgesellschaften, 1967, S. 59, 67; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 60 f. Dazu auch die Protokolle der Verhandlungen im Aktienrechtsausschuss, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, 1987, S. 582 ff.; Bayer, Gutachten E zum 67. Deutschen Juristentag, 2008, S. E 24. So die Wertung von Fischer, in: Minderheitsschutz bei deutschen Kapitalgesellschaften, 1967, S. 59, 67. Dazu auch sogleich unter III 2.
A. Begriff, Wirkungsweise und Schutzrichtung des Minderheitsschutzes
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gerückt. Die Mitsprache- und Kontrollrechte des Aktionärs sollten nur soweit eingeschränkt werden dürfen, wie dies zur Sicherung der Funktionsfähigkeit und Zweckerreichung des Zusammenschlusses notwendig war.18 Dass trotz dieser Veränderungen erhebliche Lücken und offene Fragen verblieben sind, soll sogleich unter B. näher dargestellt werden.
II. Begriffsbestimmungen 1. Der Minderheitsbegriff Die Gesellschafter üben ihren Einfluss hauptsächlich im Wege der Beschlussfassung aus, weswegen die Stimmrechtsmacht für den Minderheitsschutz zentrale Bedeutung besitzt. Davon ausgehend ist ein Minderheitsgesellschafter ein Verbandsmitglied, das sich bei der Willensbildung nicht durchzusetzen vermag. Damit fällt jedenfalls ein Gesellschafter, der bei Geltung des Mehrheitsprinzips aufgrund seiner eigenen Beteiligungshöhe von über 50% des stimmberechtigten Kapitals die Geschicke der Gesellschaft aus eigener Kraft zu bestimmen vermag, nicht unter den Begriff des Minderheitsgesellschafters.19 Umgekehrt bedeutet eine darunter liegende Beteiligung nicht zugleich, dass kein bestimmender Einfluss auf die Gesellschaft ausgeübt werden kann. In Publikumsgesellschaften mit hohem, regelmäßig in der Gesellschafterversammlung nicht vertretenem Streubesitz kann schon eine Beteiligung von weit unter 50% ausreichen, um Gesellschafterbeschlüsse für sich zu entscheiden.20 Daran wird deutlich, dass es nicht nur auf die Höhe der eigenen Beteiligung, sondern auch auf die der übrigen Gesellschafter ankommt. Bei mindestens drei Gesellschaftern mit annähernd gleicher Beteiligung vermag sich keiner von ihnen allein durchzusetzen. Bei jeder Abstimmung bilden sich vielmehr zwei Blöcke heraus, ein im Sinne des Beschlussantrages stimmender, ein anderer, der den Antrag ablehnt. Jeder Gesellschafter, der in dieser Situation mit seinem Abstimmungsverhalten unterliegt, befindet sich in einer Minderheitsposition und ist daher im Einzelfall potentiell schutzbedürftig. Eine ganz andere Dimension erreicht die Schutzbedürftigkeit des Gesellschafters, wenn sich Stimmblöcke verfestigt haben und er sich dauerhaft in einer Position wiederfindet, die es ausschließt, die Geschicke der Gesellschaft zu beeinflus___________ 18 19
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Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 62. Dazu, dass es sich bei dem Minderheitsgesellschafter um einen an keinem anderen Unternehmen beteiligten Gesellschafter ebenso wie um ein herrschendes Unternehmen i. S. d. §§ 15 ff. AktG und auch den Staat und Körperschaften des öffentlichen Rechts handeln kann, siehe Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, S. 417. Zum Begriff der Hauptversammlungsmehrheit vgl. m. w. N. Koppensteiner, in: KölnerKomm.AktG, Band 1, 2. Aufl. 1986, § 17, Rn. 41. Für Publikumsgesellschaften ist es gerade charakteristisch, dass weder die einzelnen Gesellschafter zusammenwirken noch ein einzelner oder eine Gruppe von Gesellschaftern eine beherrschende Rolle ausübt, vgl. Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, S. 295. Zu Zahlen in Publikumsgesellschaften Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88.
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sen. Vermag er sich in Gesellschafterbeschlüssen niemals oder jedenfalls regelmäßig nicht durchzusetzen, wird seine Beteiligung dauerhaft zum Objekt der Fremdbestimmung. Daraus wird abgeleitet, dass unter einem Minderheitsgesellschafter ein Verbandsmitglied zu verstehen ist, das dauerhaft und institutionell im Verband keinen rechtlichen Einfluss gewinnen kann und dessen Angelegenheiten daher ständig von der Mehrheit wahrgenommen werden.21 Eine solche Begriffsbestimmung birgt jedoch die Gefahr, für den Schutz des überstimmten Gesellschafters eine zu hohe Hürde zu errichten, da ein nur vereinzelter Eingriff in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung nicht erfasst wird. Sie entspricht, wie zu zeigen sein wird, auch den von der Rechtsprechung und h. M. etablierten Schutzmechanismen nicht: Die zumeist auf die Treuepflicht gestützten Schranken der Mehrheitsmacht stellen auf das Kräfteverhältnis in einer konkreten, die Rechtsstellung einzelner Gesellschafter empfindlich treffenden Situation ab.22 Da schon ein einzelner Gesellschafterbeschluss mit erheblichen Auswirkungen auf die Mitgliedschaft der Gesellschafter verbunden sein kann, muss ein bei der Beeinträchtigung der Mitgliedschaft ansetzender Minderheitsschutz auf die Stimmverteilung bei dem streitigen Gesellschafterbeschluss abstellen, unabhängig davon, ob sich die überstimmten Gesellschafter nur in diesem Fall oder regelmäßig in einer Minderheitsposition befinden.23 Vorzugswürdig ist daher folgende Differenzierung: Da ein Minderheitsschutz situationsbedingt eingreifen muss, ist unter einem Minderheitsgesellschafter ein Gesellschafter zu verstehen, dessen Rechte gegen seinen Willen durch die Gesellschaft oder andere Gesellschafter beeinträchtigt werden. Auf den Einzelfall bezogen kann daher gelten: Mehrheit ist, wer in der konkreten Situation die Gesellschaft und ihre Organe kontrolliert, Minderheit, wer nicht kontrollieren kann und damit die Maßnahmen der kontrollierenden Gruppe hinnehmen muss.24 Damit ist auch der Begriff des Mehrheitsgesellschafters bzw. der Mehrheit ausgewiesen: Es handelt sich um den Gesellschafter, der sich in einer Entscheidung mit seinem Willen durchzusetzen vermag, oder, allgemeiner gesprochen, die Geschicke der Gesellschaft in einer konkreten Situation zu kontrollieren vermag. Im US-amerikanische Recht ist daher auch der Begriff des controlling shareholder verbreitet. ___________ 21
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In diesem Sinne die Begriffsbestimmung von Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 6. Vgl. auch Davies, Introduction to Company Law, 2002, S. 216. Zur grundsätzlichen Unterscheidung nach gelegentlich auftretenden oder strukturell verfestigten Minderheiten unter Berufung auf den Ansatz im belgischen Recht auch Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 21; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 417. So knüpft die sog. materielle Beschlusskontrolle, hier als inhaltliche Rechtfertigungskontrolle bezeichnet, an die Beteiligungsverhältnisse in der jeweiligen Beschlusssituation an, siehe dazu ausführlich unter § 4 A. Zu diesem Ansatz im Rahmen der Entwicklung der inhaltlichen Rechtmäßigkeitsanforderungen an einen Gesellschafterbeschluss unter § 4 A. Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften, 1967, S. 21.
A. Begriff, Wirkungsweise und Schutzrichtung des Minderheitsschutzes
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Gleichwohl kommt es für einzelne Rechte und auch den Inhalt konkreter Schutzmaßnahmen durchaus darauf an, ob die Fremdbestimmung nur gelegentlich auftritt oder sich verfestigt hat. Insoweit ist schon an dieser Stelle auf das Institut des Austrittsrechts aus wichtigem Grund25 und die Einbeziehung aller maßgeblichen Gesichtspunkte im Rahmen der Interessenabwägung bei Eingriffen in die Mitgliedschaft26 hinzuweisen.
2. Der Begriff des Minderheitsschutzes Unter dem Begriff des Minderheitsschutzes sind im Gesellschaftsrecht diejenigen Mechanismen zu verstehen, die den Minderheitsgesellschafter in seiner Rechtsposition als Miteigentümer der Gesellschaft vor (rechtswidriger) Fremdbeeinflussung schützen.27 Dabei existieren als Minderheitsrechte gekennzeichnete Rechtsbehelfe und andere Schutzmechanismen im Gesetz, die von Gesellschaftern, die alleine oder zusammen eine gewisse Quote erreichen, geltend gemacht werden können.28 Dabei handelt es sich um die sog. formellen Minderheitsrechte. Auf diese wird an entsprechender Stelle einzugehen sein. Schon vorab kann der Bewertung zugestimmt werden, wonach diese weder praktisch von großer Bedeutung noch wissenschaftlich von besonderem Interesse sind.29 Deutlich wirkungsvoller und von ungleich höherer Relevanz sind die faktischen Minderheitsrechte, die keine Minderheitsstellung in der Gesellschaft voraussetzen. Es handelt sich um Individualrechte der Gesellschafter, die sich in tatsächlicher Hinsicht minderheitsschützend auswirken, da sie allgemein dem Schutz des Gesellschafters gegenüber Maßnahmen der Verbandsleitung oder der übrigen Gesellschafter dienen und damit wesentlich dem Minderheitsgesellschafter zugute kommen. Diese letzten Normen werden bei einer förmlichen Abgrenzung nicht zu den Minderheitsrechten gezählt. Bei vorzugswürdiger funktioneller Betrachtung sind sie jedoch wegen ___________ 25 26 27 28
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Dazu ausführlich unter § 10 B. Siehe die Darstellung unter § 4 A. III. Zu den Ansätzen im US-amerikanischen Recht die Darstellung unter § 4 A. I. 4. So für den Schutz des Aktionärs Bayer, in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Corporate Governance, 2002, S. 137, 139. Zu einer Aufteilung der einzelnen Minderheitsrechte in Gruppen nach den damit verfolgten Interessen siehe Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 31. Danach existieren aggressive und defensive Rechte, je nachdem, ob sie auf Veränderung oder Erhaltung des status quo gerichtet sind. Mitgliedschaftliche Rechte sind mit der Mitgliedschaft typischerweise verknüpft. Mit verbandsnützlichen Interessen wird das Verbandsinteresse verfolgt. Hingegen unterscheidet Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 387, nach (stärker) formellen und materiellen Rechten, wobei die auf Information und Mitwirkung gerichteten Rechte der ersten, die auf Korrektur von Entscheidungen oder Ausgleich für Nachteile der zweiten Kategorie zugerechnet werden sollen. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 469; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 420, spricht ihnen zumindest ein „praktisches Interesse“ zu.
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§ 1 Grundsätze des Minderheitsschutzes, Zielsetzung und Methodik der Bearbeitung
ihrer elementaren Bedeutung für die Gesellschafter mit Minderheitsbeteiligung einzubeziehen.30 Es sind jedoch vor allem die ungeschriebenen, von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Institute wie etwa die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen (auch materielle Beschlusskontrolle genannt), die eine zentrale Bedeutung für den gesellschaftsrechtlichen Minderheitsschutz besitzen. Ziel ist es, zu gewährleisten, dass das Mehrheitsprinzip nicht zum Nachteil der Minderheit missbraucht werden kann, und durch effektive Mechanismen die Anreize für opportunistisches Verhalten der Mehrheit auszuschalten. Dahinter steht die aus dem Recht der Treuhand entstammende Vermutung, dass sich ein Treuhänder in Abwesenheit finanzieller Anreize für selbstsüchtiges Verhalten von redlichen Antriebsgründen leiten lassen wird.31 Regelmäßig reicht es auch nicht aus, den Minderheitsgesellschafter darauf zu verweisen, sich eine starke Position bei den Eintrittsverhandlungen zu sichern oder anderenfalls die nachteiligen Konsequenzen seines Scheiterns tragen zu müssen.32 Das hierzu erforderliche Gewicht kommt ihm allenfalls in den Personengesellschaften und der GmbH, nur ausnahmsweise auch in einer Aktiengesellschaft mit überschaubarem Aktionärskreis zu.33 Dessen ungeachtet lassen sich nicht alle Eventualitäten der Gesellschafterverbindung zum Zeitpunkt des Gesellschafterbeitritts vorhersehen, insbesondere da es sich bei einem nur geringen Investment, wie es jedenfalls für einen durchschnittlichen Aktionär typisch ist, kaum lohnt, hohe ___________ 30
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Vgl. dazu Hopt, in: Liber Amicorum Guy Horsmans (2004), S. 533, 537 f. und 554. Andererseits ist der Kreis minderheitsschützender Vorschriften und Grundsätze auch nicht zu weit zu ziehen. Vielmehr können nur solche Mechanismen einbezogen werden, deren wesentlicher Schutzmechanismus zugunsten der Minderheit entfaltet wird. Was hingegen vornehmlich anderen Zwecken dient und nur reflexartig auch eine minderheitsschützende Komponente aufweist, wird nicht erfasst. Siehe dazu Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 24: “That the entire company law may be relevant to minority protection is beyond any doubt. As a matter of fact, the rules regarding the structure, the operation and the control of a limited company constitute a full set of checks and balances that, directly or indirectly, can protect the minority”. Vgl. Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Davies/u. a., The Anatomy of Corporate Law, 2004, p. 27: “The trusteeship strategy assumes that, in the absence of strongly focused – or ‘highpowered’ – monetary incentives to behave opportunistically, agents will respond to the ‘lowpowered’ incentives of conscience, pride, and reputation, and are thus more likely to manage in the interests of their principals”. Dazu auch Wiedemann, Minderheitsschutz und Aktienhandel, 1968, S. 5. Dies betont vor allem der Delaware Supreme Court, so etwa in Nixon v. Blackwell, 626 A. 2 d 1366 (Del. 1993), dazu näher unter § 2 B. Siehe auch Cheffins, Company Law, 1997, p. 66, der jedoch auch betont, dass der Gesellschafter nur selten Gelegenheit finden wird, seine Position auszuhandeln. So auch Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1129 seq. (1999). Dazu Cheffins, Company Law, 1997, p. 66: “Shareholders ordinarily only get the opportunity to buy equity on a ‘take it or leave it’ basis since negotiating about the terms of the corporate constitution prior to buying shares will usually be impracticable.” Wie noch unter § 2 B. III. 6. darzustellen sein wird, neigt jedoch auch der Delaware Supreme Court dazu, die Minderheitsgesellschafter einer close corporation darauf zu verweisen, sich bei Eintritt in die Gesellschaft eine starke Rechtsposition zu sichern.
A. Begriff, Wirkungsweise und Schutzrichtung des Minderheitsschutzes
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Kosten für umfassende Information und Beratung aufzuwenden. Die Beziehungen der Gesellschafter untereinander werden wegen der Unvorhersehbarkeit der in Zukunft (potentiell) auftretenden Sachverhalte in den Gesellschaftsverträgen daher häufig auch nur in groben Zügen geregelt.34
III. Zielrichtung und ratio des Minderheitsschutzes 1. Minderheitsschutz als Beschränkung der Mehrheitsmacht Der Minderheitsschutz im Gesellschaftsrecht dient vornehmlich der Begrenzung der Mehrheitsherrschaft und kann als ein Fundus von Ausgleichsmechanismen zum Mehrheitsprinzip angesehen werden. Dieses herrscht in den Kapitalgesellschaften nach §§ 133 I AktG, 47 I GmbHG als gesetzliches Regelprinzip vor und kann nach § 119 II HGB auch in den Personengesellschaften durch entsprechende Klauseln im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden. Einigkeit besteht darüber, dass es jedenfalls bei den Kapitalgesellschaften, daneben in Teilbereichen auch in den Personengesellschaften, im Interesse an einer effektiven Teilnahme der Gesellschaft am Wirtschaftsleben keine Alternative zum Mehrheitsprinzip geben kann, da die Zustimmungspflicht oder ein Vetorecht eines jeden Gesellschafters zu beträchtlichen Abstrichen bei der effektiven Steuerung der Gesellschaft führen würde.35 Hätte sich der Gesetzgeber am Leitbild der BGBGesellschaft mit ihrem Einstimmigkeitsprinzip orientiert und dieses in allen Gesellschaftsformen vorgesehen, könnten Entscheidungen insbesondere in Publikumsgesellschaften, aber auch in kleineren Verbänden nur unter unverhältnismäßigem Einigungsaufwand getroffen werden.36 Resultat wäre die Handlungsunfähigkeit des Verbandes, da dem einzelnen Gesellschafter ein Gewicht verliehen würde, das dem Anteil seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen nicht entsprechen und ihn in die Lage versetzen würde, aus opportunistischen Gründen eine systematische Blockadepolitik zu verfolgen.37 ___________ 34 35
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Vgl. Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, S. 36. Vgl. etwa Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 48; Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 132 f.; Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 26 f.; Roitzsch, Der Minderheitsschutz im Verbandsrecht, 1981, S. 15. Für das anglo-amerikanische Recht Cheffins, Company Law, 1997, p. 68; Davies, Introduction to Company Law, 2002, p. 223. Anders noch die Situation im 19. Jh., als überwiegend davon ausgegangen wurde, dass Verträge und Satzungen nicht abgeändert werden können, dazu die Übersicht bei Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 115 f. Ein (kurzer) Überblick über die historische Entwicklung findet sich auch bei Schockenhoff, Gesellschaftsinteresse und Gleichbehandlung beim Bezugsrechtsausschluß, 1988, S. 1 f. Auch damals schon zur praktischen Notwendigkeit des Mehrheitsbeschlusses Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, S. 329 f. (Mehrheitsprinzip im Naturrecht begründet). Vgl. Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 26 f. Für das anglo-amerikanische Recht Cheffins, Company Law, 1997, p. 68.
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Daneben wird das Mehrheitsprinzip verbreitet auch mit einer Richtigkeitsvermutung begründet. Wie schon unter I. dargestellt, gingen der historische Gesetzgeber und das Reichsgericht davon aus, dass sich die inhaltlich richtige Entscheidung als Mehrheitsentscheidung durchzusetzen vermag und die Minderheit durch die Unterordnung unter den Mehrheitswillen davon abgehalten wird, eigensüchtige Motive zu verfolgen.38 Zurückhaltender formuliert soll die Verbindlichkeit des Mehrheitswillens für den Minderheitsgesellschafter daraus folgen, dass seine Ansicht, die er schließlich in der Gesellschafterversammlung vorbringen konnte, auch im Mehrheitsbeschluss berücksichtigt werde, auch wenn sie sich im Ergebnis nicht niederschlage.39 Diese Überlegungen finden ihre Parallele in der philosophischen Diskussion um die Rechtfertigung des Mehrheitsprinzips als Basis der Willensbildung im Staat, die deshalb kurze Erwähnung finden soll. Jean Jacques Rousseau sieht die Mehrheit als Vertreterin des Gemeinwillens. Unter der Prämisse, dass zwischen den Bürgern keine Verbindungen existieren und sie wohlinformiert sind, gehe trotz zugleich verfolgter (geringer) Privatinteressen aus den Beschlüssen doch immer der Gemeinwille, die volonté générale, hervor. Dies garantiere ihre Richtigkeit. Sofern sich jedoch Gruppierungen bildeten, gebe es nur noch so viele Stimmen wie Gruppen. Gelange eine Gruppe zu solcher Größe, dass sie alle anderen dominiere, gebe es keinen Gemeinwillen mehr, sondern eine Privatansicht, die dank der Masse, die sie hinter sich zu scharen vermöge, obsiege.40 Das entspricht der Ansicht von Johann Gottlieb Fichte. Solange jedes Mitglied einer Gruppe sich dieser mit dem Ziel anschließe, deren gemeinsamen Zweck zu verfolgen, seien der gemeinsame und der private Zweck identisch, und der Wille des Einzelnen, sich mit anderen zu einer gemeinsamen Macht zu verbinden, halte die Macht des Einzelnen in Schranken. Hierdurch werde ein vollkommenes Gleichgewicht im Ganzen erreicht. Sobald sich jedoch mehrere zusammenschließen, um einen oder einzelne Schwächere zu unterdrücken, handeln sie zwar mit gemeinschaftlichem Willen, der jedoch nicht mit dem gemeinsamen Willen der Verbundenen übereinstimmt, da die Unterdrückten ihre Zustimmung gerade nicht zu den Akten der Unterdrückung gegeben haben.41 Friedrich Karl von Savigny wendet sich (nunmehr für die Willensbildung in den juristischen Personen) jedenfalls in ihrer Absolutheit gegen die Annahme, die Gesellschafter bildeten in ihrer Gesamtheit den Willen der Gesellschaft. Davon ausgehend bestreitet er den Ansatz, dass die Mehrheit den Willen des Verbandes ___________ 38
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Siehe dazu die allgemeine Begründung zum „Entwurf eines Gesetzes, betreffend die KGaA und AG (1884)“, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 407, 466; BegrRegE AktG 1965, in: Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 373. Dazu auch der Bericht von Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 408. Zur Rechtsprechung des RG oben Fn. 6 und 11. Ausführlich zu der Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsbeschlüssen in Kapitalgesellschaften Flume, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, Band I/2, 1983, S. 209 f. So der Bericht von Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 408. Vgl. die Formulierung bei Scholz/Priester, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 53, Rn. 55. Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, 2. Buch, Nachdruck 2006, S. 64 f. Fichte, Fichtes Werke III (Zur Rechts- und Sittenlehre I), Nachdruck 1971, S. 154 f.
A. Begriff, Wirkungsweise und Schutzrichtung des Minderheitsschutzes
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formuliere und repräsentiere. Der (unbedingte) Mehrheitswille könne zwar (notgedrungen) in Angelegenheiten der laufenden Verwaltung ausschlaggebend sein, nicht jedoch bei Vorgängen, die in den Zustand der juristischen Person oder ihres Vermögens verändernd eingreifen.42 Diese Bedenken entsprechen den modernen Erkenntnissen. Danach wird der Ansatz, die Mehrheit verbürge zwingend oder auch nur regelmäßig die inhaltliche Richtigkeit des Beschlusses, angezweifelt. Es bestehe kein Gleichlauf von pars maior und pars sanior. Die größere Einsichtsfähigkeit bei der Mehrheit zu vermuten, sei nicht zwingend. Daher könne nicht unterstellt werden, der Beschluss sei richtig und daher geeignet, die mit ihm verfolgte Aufgabe sachgerecht zu erfüllen.43 Tatsächlich hat sich die Annahme, dass sich die Gesellschafter bei der Entscheidungsfindung (ausschließlich oder überwiegend) von sachlichen Kriterien zum Wohle der Gesellschaft leiten lassen und sich wechselnde Mehrheiten bilden, als nur bedingt zutreffend erwiesen. Dementsprechend wird gerade nicht vermieden, dass einzelne Gesellschafter an den Rand der Gesellschaft gedrängt und damit von der Mitwirkung an der Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden. Zwar werden sich die Gesellschafter unter der Prämisse, dass sie ausschließlich rational handeln, bei der Abstimmung in der Gesellschafterversammlung (und auch sonstigem Handeln) am Wohl der Gesellschaft orientieren und sich für die ökonomisch beste unter den zur Auswahl stehenden Optionen entscheiden (Kriterium der Pareto-Superiorität).44 In der Rechtswirklichkeit bestimmen jedoch häufig die Zugehörigkeit zu bestimmten Interessengruppen und taktische Überlegungen das Abstimmungsverhalten. Mitunter bilden sich Blöcke von Gesellschaftern heraus, die einzelne andere Verbandsmitglieder ausschließen und ihnen jede Möglichkeit nehmen, an der Willensbildung in der Gesellschaft teilzuhaben. Ein einzelner Gesellschafter mit Kontrollbeteiligung kann versucht sein, die Geschicke der Gesellschaft alleine und ohne Rücksicht auf die Minderheit zu bestimmen.45 Er wird die Geschäftsleitung beherrschen, entweder durch eigene Besetzung der Geschäftsführerposten oder durch Wahrnehmung einer (möglicherweise auch nur faktisch be___________ 42
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Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 97, S. 331 f. (zur Differenz von Mehrheits- und Verbandswillen), §§ 98, 99, S. 339–351 (zur Unterscheidung von Geschäften der laufenden Verwaltung und solchen von grundlegender Bedeutung). Zur weiteren Entwicklung im beginnenden 20. Jahrhundert siehe die Darstellung von Baltzer, Der Beschluß als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, 1965, S. 210–212. Siehe zu den Grundannahmen der Institutionenökonomik Kirchner, FS Immenga, 2004, S. 607, 611. Zu den hier angeführten Argumenten Baltzer, Der Beschluß als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, 1965, S. 213–215. Dazu Crone, ZBJV 1997, 73, 92 f. Flume, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, Band I/2, 1983, S. 209 f.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 227; Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band 7 (§§ 222–277), 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 48; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 81; Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, Einl., Rn. 77; Schockenhoff, Gesellschaftsinteresse und Gleichbehandlung beim Bezugsrechtsausschluß, 1988, S. 2; Wiedemann, ZGR 1999, 857, 870; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2003, S. 166; Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 133.
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§ 1 Grundsätze des Minderheitsschutzes, Zielsetzung und Methodik der Bearbeitung
stehenden) Weisungsmacht. Ein solcher Bruch der in den Aktiengesellschaften vorgesehenen Trennung von Eigentum und Kontrolle führt regelmäßig zu einem Dauerkonflikt der herrschenden Mehrheit mit der außenstehenden Minderheit.46 Egoistische Motive verhindern allzu oft, dass der Mehrheitswille tatsächlich der Gesellschaft und allen Gesellschaftern zum Besten gereicht.47
2. Die Gründe für einen wirksamen Minderheitsschutz Dafür, nicht bei den Anfängen der Reichsgerichts-Rechtsprechung stehen zu bleiben, sondern zum Ausgleich der Mehrheitsherrschaft einen (wirkungsvollen) Minderheitsschutz zu etablieren, streiten rechtspolitische, ökonomische und rechtsdogmatische Gründe. In rechtspolitischer Hinsicht ist die praktische Notwendigkeit anzuführen, Investitionsanreize auch für kleine Kapitalgeber zu schaffen, die zwar bereit sind, die unternehmerischen Risiken mitzutragen, aber nicht zugleich auch zu tolerieren, der Willkür der Gesellschaftermehrheit schutzlos ausgeliefert zu sein.48 Existiert ein wirksamer Minderheitsschutz, wird der Minderheitsgesellschafter zugleich zum Sachwalter der Gesellschaftsinteressen. Unter einer missbräuchlichen Mehrheitsherrschaft leidet nicht nur er, sondern auch die Gesellschaft. Grund ist, dass der Kapitalmarkt solche Gesellschaften abstraft, bei denen sich ein fester Mehrheitsblock gebildet hat, der die Gesellschaft beherrscht, wenn nicht zugleich wirksame Mechanismen zum Schutz der Minderheit bestehen. Der Markt diskontiert den Wert der Minderheitsbeteiligung, da die betroffenen Anteilsinhaber über die Geschicke der Gesellschaft nicht mehr (bzw. kaum noch) mitentscheiden und Gefahr laufen, keine lohnende Rendite zu erhalten, somit in letzter Konsequenz „ausgehungert“ zu werden. Damit sinken die Möglichkeiten der Gesellschaft, durch Außenfinanzierung (vornehmlich über die Börse) an Kapital zu gelan___________ 46 47
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Vgl. die Darstellung (unter übernahmerechtlichen Gesichtspunkten) bei Möslein, Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 379. Diese Konflikte sind in allen Rechtssystemen gleichermaßen bekannt, vgl. für den angloamerikanischen Rechtskreis Cheffins, Company Law, 1997, p. 65; Hamilton, Corporations including Partnerships and Limited Liablity Companies, Cases and Materials, 7th ed. 2001, p. 442; ibid., The Law of Corporations in a nutshell, 5th ed. 2000, p. 347 seq.; Rock/Wachter, 24 J. Corp. L. 913, 914 (1999). Aus rechtsvergleichender Sicht Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 15, 21; Hopt, FS Wiedemann, 2002, S. 1013, 1016. Dieser Gedanke verbindet den verbandsrechtlichen Minderheitsschutz und den kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz. Für die kapitalmarktrechtliche Seite etwa Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 114; Bayer, in: Hommelhoff/u. a., Corporate Governance, 2002, S. 137, 139. Zur Aktiengesellschaft als Kapitalsammelbecken Bayer, Gutachten E zum 67. Deutschen Juristentag, 2008, S. 11 f. Mehr aus verbandsrechtlicher Sicht Fischer, in: Minderheitsschutz bei deutschen Kapitalgesellschaften, 1967, S. 59, 67. Zur Theorie, dass es gesetzlicher Vorgaben nicht bedarf, da die Marktgesetze für ausreichenden Schutz zu sorgen vermögen, Fischel, 54 Univ. Chic. L. Rev., 119, 128 seq. (1987).
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gen.49 In letzter Konsequenz handelt es sich um einen der Faktoren, an denen eine Volkswirtschaft Schaden nehmen kann. Existieren zu viele vom Kapitalfluss abgeschnittene Gesellschaften, fließt benötigtes Kapital in andere Volkswirtschaften mit effektiverer Gesellschaftsstruktur.50 Damit dient ein wirksamer Minderheitsschutz den Interessen der Gesellschaften an einer wirkungsvollen und günstigen Unternehmensfinanzierung und in letzter Konsequenz auch den Interessen der gesamten Volkswirtschaft an einem funktionierenden Markt zur Unternehmensfinanzierung.51 Dabei kommt dem Minderheitsgesellschafter nicht zuletzt deshalb ein besonderer Stellenwert zu, weil in Deutschland eine Aufsichtsbehörde nur über kapitalmarktrechtliche, nicht aber genuin gesellschaftsrechtliche Angelegenheiten wacht.52 Zu beachten ist auch, dass Minderheitsgesellschafter nicht nur um ihrer selbst willen, sondern auch zum Wohle anderer Gruppen schützenswert erscheinen. Die Gesellschafter bilden insbesondere in der Aktiengesellschaft ein notwendiges Gegengewicht zur Unternehmensleitung. Wie bereits unter 1. angesprochen, vermag der kontrollierende Mehrheitsgesellschafter, bei festen Mehrheitsverhältnissen die Unternehmensführung zu übernehmen bzw. zu steuern.53 Sein Einfluss auf die Unternehmensleitung kann dazu führen, dass sich ein gemeinsamer Block aus Mehrheitsgesellschafter und Management bildet. Damit wird zwar einerseits das Principal-Agent-Problem zwischen Management und Unternehmensinhaber gelöst, ein anderes, noch gefährlicheres aber geschaffen: das zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter. Durch umfassende und privilegierte Informationsmöglichkeiten sowie Direktions- und Kontrollbefugnisse kumuliert sich alle Macht in den Händen des Mehrheitsgesellschafters. Diese Machtkonzentration liegt regelmäßig nicht im Interesse der Gesellschaft und schadet allen dahinter stehenden Interessengruppen.54 Soweit der Minderheitsgesellschafter dem mittels eines wirksamen Schutzinstrumentariums Schranken zu setzen vermag, unterstützt er damit auch andere Gruppen, die durch egoistisches Handeln der Mehrheit Nachteile erleiden können, etwa die Arbeitnehmer und Gläubiger der Gesellschaft.55 ___________ 49 50
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Vgl. Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Davies/Hansmann/etal, The Anatomy of Corporate Law, 2004, p. 22. Dazu im Ganzen die Darstellung bei Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 645 ff.; vgl. auch Hopt, FS Wiedemann, 2002, S. 1013, 1016; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 406. Vgl. dazu Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 12; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre bei privaten Kontrollaktionen, 1991, S. 258; Guntz, Treubindungen von Minderheitsaktionären, 1997, S. 107; Davies, Introduction to Company Law, 2002, p. 216; Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 26. Im Ansatz auch Bayer, NJW 2000, 2609, 2617; Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 445. Dazu, dass keine realistischen Aussichten bestehen, dass jemals ein „Aktienamt“ eingeführt werden könnte, siehe Hopt, in: Amicorum Guy Horsmans, 2004, S. 533, 554. Siehe etwa Davies, Introduction to Company Law, 2002, p. 216 seq. Dazu Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 646 f. Der „Bericht der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa“ vom 4. 11. 2002 bezeichnet die Aktionäre als watchdogs, die durch ihre Ausrichtung auf die Vermögensbildung
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Auch rechtsökonomische Gründe sprechen für einen effektiven Minderheitsschutz. Ausgehend von der Einordnung des Gesellschaftsvertrages als unvollständiger Vertrag besteht Einigkeit darüber, dass die unvermeidlichen späteren Anpassungen und Ergänzungen nicht im freien Belieben der Mehrheit, sondern anhand generalklauselartiger Maßstäbe vollzogen werden müssen, um die Kontrollkosten gering zu halten und die Gewinnfähigkeit der Gesellschaft zu erhöhen.56 Hinzu tritt der Gedanke, dass bei Marktversagen regelnd einzugreifen ist, wobei auf die vertragsrechtlichen Grundlagen des Verbandsrechts zurückzugreifen ist. Der privatautonomen Parteibestimmung sind Grenzen zu ziehen, wenn ein strukturelles Ungleichgewicht besteht und wegen fehlender Parität der Parteien ein wirksamer Verhandlungsmechanismus ausscheidet. Dieses Phänomen tritt in Organisationsverträgen ebenso auf wie in Austauschverträgen, und die besondere Charakteristik der Organisationsverträge lässt einen regelnden Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Beteiligten besonders dringlich erscheinen.57 Organisationsverträge unterscheiden sich von Austauschverträgen darin, dass eine nachteilige Situation Dauercharakter annimmt. Im Austauschvertrag bezieht sich eine ungünstige Verhandlungsposition (mit Ausnahme der Dauerschuldverhältnisse) auf eine kurze Vertragsdauer, regelmäßig einen einmaligen Leistungsaustausch. Der Charakter des Organisationsvertrages bringt es hingegen mit sich, dass ein einmal begangener Fehler, etwa als Gesellschafter durch den Beitritt in eine schwache Position eingerückt zu sein, auf lange Zeit nachteilige Wirkungen entfaltet. Gerade deshalb ist es unbefriedigend, den Gesellschafter mit dem Hinweis darauf, er hätte auf bessere Rahmenbedingungen bestehen müssen, schutzlos zu stellen. Regelmäßig wird derjenige die besten Konditionen aushandeln, der die relevanten Informationen besitzt. Das aber ist regelmäßig wiederum der kontrollierende Gesellschafter, da sich der Kostenaufwand für ihn aufgrund des von ihm eingebrachten höheren Kapitaleinsatzes lohnt, während er sich für den Minderheitsgesellschafter als unverhältnismäßig erweisen kann.58
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nicht nur ihre eigenen Belange wahrnehmen, sondern regelmäßig auch die anderer Betroffener, vgl. S. 50. Siehe auch Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 445, mit dem Hinweis, dass sich rechtsethische Maßstäbe in der Gesellschaft nur dann entwickeln können, wenn sie die Regeln ihres Zentralorgans, der Gesellschafterversammlung, beherrschen. Nur wenn dem Minderheitsgesellschafter eine angemessene Behandlung zuteil werde, könne davon ausgegangen werden, dass auch andere Konflikte, insbesondere die zwischen Unternehmensleitung und Anteilsinhabern, aber auch zwischen Unternehmensführung und Arbeitnehmerrepräsentanz, zufriedenstellend gelöst werden können. Dazu auch Roitzsch, Der Minderheitsschutz im Verbandsrecht, 1981, S. 11 f. Dazu die Darstellung bei Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 197. Dazu grundlegend Hirschman, Exit Voice and Loyalty, 1970, S. 2. Zu diesem Fragenkreis ausführlich unter § 3. Im Einzelnen zum Kostenaufwand detaillierter Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag Rock/ Wachter, 24 J. Corp. L. 913, 926 (1999). Aus diesen Gründen versagt auch der von A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1797, gepriesene Selbstregulierungsmechanismus durch die gegenseitigen egoistischen Motive.
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Andererseits ist nicht zu übersehen, dass eine ökonomische Bewertung des Mehrheits-Minderheits-Konflikts ambivalent ausfällt. Wird das schlichte Mehrheitsprinzip durch zusätzliche Hürden wie qualifizierte Mehrheits- und Zustimmungserfordernisse oder durch inhaltliche Rechtfertigungskriterien mit entsprechenden Rechtsbehelfen angereichert, kann sich dies für die Gesellschaft als kostspielig erweisen. Dies kann zwar nicht dem Minderheitsschutz per se die Berechtigung absprechen, muss jedoch dazu führen, dass wirtschaftliche Erwägungen an entsprechender Stelle in die Überlegungen einfließen müssen. Dies wird vor allem bei der Diskussion um eine Absenkung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabs auf eine Überschreitung unternehmerischen Ermessens und eine Reduzierung auf vermögensrechtliche Ansprüche bei Anlegern, die keines darüber hinausgehenden Schutzes bedürfen, relevant werden.59 Neben diesen Gründen spricht entscheidend für einen effektiven Minderheitsschutz, dass eine unbeschränkte Mehrheitsherrschaft mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Beteiligung des einzelnen Gesellschafters nicht zu vereinbaren wäre. Das Mehrheitsprinzip bringt es mit sich, dass die Gesellschaftermehrheit nicht nur über das von ihr aufgewendete, sondern auch über das von der Minderheit eingebrachte Kapital verfügt.60 Der Mehrheitsgesellschafter externalisiert damit Kosten zulasten der Minderheit, ein Phänomen, das, wie schon erwähnt, als eine Form des Principal-Agent-Konflikts in den Rechtsordnungen aller großen Industrienationen diskutiert wird.61 An dieser Stelle soll dazu der Hinweis genügen, dass sich Mehrheit und Minderheit wechselseitig auf ihre vom Eigentumsschutz umfasste Mitgliedschaft berufen können. Im Gegensatz zu anderen gesellschaftstypischen Konflikten, etwa denen der Gesellschafter zu den Gesellschaftsorganen oder zu Gesellschaftsgläubigern, geht es daher nicht um den Ausgleich von Eigentums- und Gemeinwohl- oder Drittinteressen, sondern um den Ausgleich widerstreitender Eigentümerpositionen.62 B. Die Zielsetzung der Bearbeitung
B. Die Zielsetzung der Bearbeitung Dass der Konflikt von Mehrheit und Minderheit im deutschen Gesellschaftsrecht brisant und aktuell ist, zeigt sich nicht nur an den zahlreichen (und in den Folgekapiteln zu erörternden) Urteilen zu dieser Thematik, sondern lässt sich anschaulich auch durch einen Blick auf eine hierfür bezeichnende Größe feststellen: Ein ___________ 59 60 61
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Siehe dazu unter § 4 B. I. Dazu Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 406. Vgl. Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Davies/Hansmann/etal., The Anatomy of Corporate Law, 2004, p. 21. Freilich ist Wiedemann, ZGR 2006, 240, 244 f., darin zuzustimmen, dass es sich dabei um die Benennung eines Problems handelt, für das Lösungsmuster erst gefunden werden müssen, insbesondere da der Mehrheitsaktionär nicht reiner Agent ist, sondern zugleich Principal seines selbst eingebrachten Kapitals. Dazu auch Röpke, Gläubigerschutzregime im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, 2007, S. 19. Vgl. Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1383.
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§ 1 Grundsätze des Minderheitsschutzes, Zielsetzung und Methodik der Bearbeitung
gewichtiger Indikator für die Effektivität des Minderheitsschutzes einer Rechtsordnung ist der sog. Paketzuschlag, den ein Käufer für die Mehrheitsbeteiligung an einer Gesellschaft über die bloße Summe aus dem Verkehrswert der einzelnen hierin enthaltenen Beteiligungen (vor allem Aktien) hinaus zu bezahlen bereit ist.63 Die Vermutung lautet, dass in Volkswirtschaften mit effektivem Minderheitsschutz solche Aufschläge nicht anfallen.64 Dieser Paketaufschlag soll in Deutschland bei etwa 10–15% des reinen Verkehrswertes liegen. Damit befindet sich die Bundesrepublik im europäischen Mittelfeld, da es Länder mit niedrigen Aufschlägen auf rund 4%, solche mit hohen auf über 25% bringen.65 Zugleich unterscheidet sich auch die Realstruktur der Aktiengesellschaften in Deutschland von der in anderen Staaten, allen voran der hier vornehmlich interessierenden US-amerikanischen. In Deutschland ist es, ebenso wie in anderen kontinentaleuropäischen Staaten, verbreitet, dass Aktiengesellschaften von einem kontrollierenden Aktionär beherrscht werden, während die Konzentration des Aktienbesitzes auf den anglo-amerikanischen Kapitalmärkten deutlich geringer ausfällt.66 Die Aktiengesellschaft dient in Deutschland auch als Kapitalsammelbecken zum Betrieb von Großunternehmen, deutlich häufiger aber als Rechtsform für einen personalistisch geprägten Gesellschafterkreis.67 Dennoch wird die Aktiengesellschaft klassischerweise mit den publicly held corporations in den USA verglichen, die typischerweise einen hohen Streubesitz aufweisen. Dieser Befund erklärt, weshalb Konflikte in den großen US-amerikanischen Gesellschaften regelmäßig im Ver___________ 63 64
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Dazu BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769, 3771 (DAT-Altana); Jung, Der Unternehmergesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 215 f. Dazu das Fazit von Schmidt/Grohs, in: Grundmann, Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, 2000, S. 145, 159, wonach der Minderheitsschutz im deutschen Kapitalmarkt- und Gesellschafsrecht unterentwickelt ist. So auch McCahery/Renneboog/Ritter/Haller, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymersch, Reforming Company and Takeover Law in Europe, 2004, p. 595–598. Zu diesen Zahlen vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 646. Danach sollen das Vereinigte Königreich und Schweden am unteren, Italien und Frankreich am oberen Ende der Aufschlagsskala liegen. Der europäische Durchschnitt wird bei 20% angesiedelt. Zu einer Zahlenübersicht Becht/Röell, 43 European Economic Review 1049, 1051–1055 (1999); Böhmer, Der Schutz der Minderheitsaktionäre bei Übernahme börsennotierter Gesellschaften in Europa, 2004, S. 11; dazu auch Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 646 f.; Davies, ZGR 2001, 268, 290; Davies, Introduction to Company Law, 2002, p. 2215; Wackerbarth, ZGR 2005, 686, 708. Vgl. zum Aktienbesitz privater Haushalte in Deutschland auch Mertens, AG 1990, 49, 52; Hopt, in: Hommelhoff/Hopt/ Werder, Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 29, 36. Zur Situation in Deutschland und den USA auch Hill, 48 Am. J. Comp. L. 39, 41 (2000). Ganz anders hingegen die Situation in Kanada, wo starke Mehrheitsgesellschafter den Regelfall bilden. Dazu DeMott, 56–WTR LCPR 181 (1993). Eine Übersicht zur Situation bei börsennotierten Aktiengesellschaften in Belgien findet sich bei Wymeersch/Jakhian/Caeymaex, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 166. Hierzu die aktuellen Daten bei Bayer, Gutachten E zum 67. Deutschen Juristentag, 2008, S. E 22 ff.
B. Die Zielsetzung der Bearbeitung
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hältnis der Anteilseigner zur Geschäftsleitung auftreten, in den deutschen Aktiengesellschaften jedoch deutlich häufiger im Verhältnis von Mehrheit und Minderheit. Dem entspricht die Situation in den kleinen US-amerikanischen Kapitalgesellschaften, den closely held corporations, die in ihrem Zuschnitt den personalistisch geprägten Kapitalgesellschaften im deutschen Recht vergleichbar sind.68 Dies äußert sich in einer ausgeprägten Kasuistik zu den Pflichtbindungen der Gesellschafter in Gesellschaften mit geschlossenem Gesellschafterkreis im US-amerikanischen Recht.69 Die aus den genannten Zahlen herauszulesenden Defizite des deutschen Rechts lassen sich jedenfalls auch damit erklären, dass es bis heute an einer geschlossenen Systematik zum Minderheitsschutz fehlt. Zwar regelt das Gesetz an unterschiedlichen Stellen einzelne Aspekte des Minderheitsschutzes, vermag dabei jedoch nicht einmal annähernd die Vielzahl der minderheitsrelevanten Konfliktsituationen zu beantworten. Im Bereich dieser Lücken hat sich die Rechtsprechung des Minderheitsschutzes im Wege zahlreicher Entscheidungen zu unterschiedlichen Aspekten angenommen. Dabei sind bei genauer Untersuchung durchaus über die Besonderheiten des Einzelfalls hinausgehende Strukturen erkennbar, insgesamt vermag jedoch auch die Rechtsprechung kein stringentes Konzept zu den vielfältigen Facetten des Minderheitsschutzes vorzuweisen, sondern nur zur Entwicklung eines solchen beizutragen. In der Literatur wiederum sind Ansätze zu Einzelfragen des Minderheitsschutzes in beträchtlicher Zahl zu finden, seltener auch Ansätze zu Lösungskonzepten, die mehrere der vielfältigen Fragenkreise ins Auge fassen.70 Auf die Grundpfeiler der bestehenden Lösungsansätze wurde dabei schon hingewiesen: Der Minderheitsschutz besteht zum einen aus einzelnen Rechten der Minderheit, die in konkreten Situationen Ansprüche verleihen, zum anderen aus ungleich bedeutenderen Abwehrrechten gegenüber der Mehrheitsmacht.71 Die Herausforderung an die Rechtswissenschaft besteht darin, ein rechtsformübergreifendes Konzept zu entwickeln, das flexibel gehandhabt werden kann und wirksamen und ausgleichenden Rechtsschutz in unterschiedlichen Konfliktlagen zu vermitteln vermag. Diese Aufgabe leistet nach den in der Rechtsprechung und Literatur vorhandenen Ansätzen vornehmlich die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, ähnlich einer – im englischen Recht vorhandenen – Generalklausel.72 ___________ 68 69 70
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Zur Struktur der closely held corporations ausführlich unter § 2 B. Dazu die Darstellung von Hopt, FS Wiedemann, 2002, S. 1013, 1015 f.; ders., ZHR 171 (2007), 199, 211; ders., FS Canaris, Band II, 2007, S. 105, 110. Dazu ausführlich unter § 2 B. Vgl. dazu auch die Bewertung von Hopt, in: Liber Amicorum Guy Horsmans (2004), S. 533, 537; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 314. Dies entspricht der Situation im US-amerikanischen Recht, dazu vor allem unter § 2 B. Siehe auch die Bewertung von Wiedemann, Minderheitsschutz und Aktienhandel, 1968, S. 8 f. Auf die Grundlagen und Funktionen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht wird sogleich unter § 2 ausführlich einzugehen sein. Zum englischen Recht: Sec. 459 Companies Act 1985 gewährt dem Minderheitsgesellschafter ein Klagerecht mit der Beschwerde, die Angelegenheiten der Gesellschaft seien zum Nachteil aller oder einzelner Gesellschafter geführt worden. Dazu Brinkman, 14 European Business Law Review, 5 (2003); Dawson/Stephenson, The Pro-
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§ 1 Grundsätze des Minderheitsschutzes, Zielsetzung und Methodik der Bearbeitung
Ein solches in sich stimmiges und die verschiedenen minderheitsrelevanten Situationen erfassendes System zu entwickeln, wird Aufgabe dieser Bearbeitung sein. Dazu sind zunächst in einem allgemeinen Teil die Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Binnenordnung zu klären. Das Phänomen der Fremdbestimmung unter dem Regime des Mehrheitsstimmrechts bringt es mit sich, dass die mit dem Beitritt zur Gesellschaft eingeräumten Rechte auch gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters entzogen oder beeinträchtigt werden können. Im Mittelpunkt steht die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsstellung des einzelnen Gesellschafters. Davon ausgehend sind die Rechtmäßigkeitsanforderungen an beeinträchtigende Maßnahmen im Wege von Gesellschafterbeschlüssen, Entscheidungen der Geschäftsleitung oder faktischem Handeln eines kontrollierenden Gesellschafters zu bestimmen. Einen Schwerpunkt bildet dabei nicht nur die Frage nach der materiellen Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen, sondern auch nach effektivem Rechtsschutz in Form von Klage- und Austrittsrechten. Im besonderen Teil werden die im allgemeinen Teil gefundenen Ergebnisse auf einzelne, standardisiert auftretende minderheitsrelevante Situationen anzuwenden sein. Zu nennen sind dabei die Auswirkungen der Mehrheitsmacht für die Minderheit bei strukturändernden Maßnahmen, was Unwandlungsvorgänge im Sinne des UmwG, Börsengang und Börsenrückzug und die Bildung von Konzernstrukturen einschließt. Indem die Gesellschaft ihre ursprüngliche Struktur einbüßt, wird die mitgliedschaftliche Rechtsstellung der opponierenden Minderheitsgesellschafter erheblich betroffen. Selbstredend stellt daneben auch der zwangsweise Ausschluss der Minderheitsgesellschafter einen überaus minderheitssensiblen Bereich dar.73 Daneben existieren Methoden der Mehrheit, die Beteiligung der Minderheit durch eine Entwertung der vermögensrechtlichen Seite der Mitgliedschaft unattraktiv zu gestalten, häufig mit dem Endziel, sie zu einer Veräußerung unter Wert zu bewegen. Hierzu zählen die Entwertung des Gewinnbezugsrechts durch exzessive Thesaurierung gepaart mit hohen Gehältern an die geschäftsführenden Kontrollgesellschafter, Kapitalerhöhungsmaßnahmen mit Bezugsrechtsausschluss74 und der Entzug des Liquidationsvermögens unter Wert.75 Inwieweit überhaupt allgemeine Regeln für die Gesamtheit der Gesellschaften entwickelt werden können, beantwortet die Grundkonzeption des Gesellschaftsrechts. Zwar sieht dieses verschiedene Typen von Gesellschaftsformen vor, derer sich der Rechtsverkehr bedienen kann. Dabei dominiert jedoch das einende Element über die gesetzestypisch vorgesehenen Unterschiede: Jede Form von gesellschaftlicher Verbindung dient stets dem Zweck, ein gemeinsames Ziel durch (re___________
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tection of Minority Shareholders, 1993; Hollington, Minority Shareholders’ Rights, 3rd ed. 1999. Zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 197; ders., Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 421; anders noch ders., Minderheitsschutz und Aktienhandel, 1968, S. 7. Dazu ausführlich unter § 9. Wohlgemerkt handelt es sich dabei um eine Maßnahme, die auch für die Mitverwaltungsrechte der Minderheit empfindliche Auswirkungen besitzen kann, dazu im Einzelnen unter § 15 B. Dazu § 9 C. V.
B. Die Zielsetzung der Bearbeitung
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gelmäßig) den Zusammenschluss mehrerer Personen in einer rechtlichen Organisation zu verfolgen.76 Daraus ist zu schließen, dass eine rechtsformübergreifende Ordnung existiert, innerhalb derer verschiedene Rechtsformen als Grundtypen der angestrebten Zielverfolgung bereitgestellt werden. In vielen grundlegenden Fragen laufen daher nicht nur die Konflikte in den verschiedenen Gesellschaftsformen parallel, sondern können wegen der gemeinsamen Grundlagen auch einheitlich gelöst werden. Davon bestehen Ausnahmen, die es notwendig machen, nach den Gesellschaftsformen zu unterscheiden. Das liegt zum einen an der unterschiedlichen gesetzlichen Konzeption. Während das AktG in großen Teilen zwingend ist und hierdurch ein Mindestmaß an Minderheitsschutz zu erreichen sucht, stellt das größtenteils dispositive GmbHG den Minderheitsgesellschafter gegenüber Benachteiligungen in der Satzung weitgehend schutzlos.77 Einend wirkt jedoch, dass in den Kapitalgesellschaften wegen des Mehrheitsprinzips die auf Information und Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung gerichteten Mitgliedschaftsrechte stark entwertet werden, wenn sich feste Mehrheiten gebildet haben.78 Daher sind die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen beeinträchtigender Maßnahmen sowie die Rechtsbehelfe der Minderheit von elementarer Bedeutung. Die Personengesellschaften gehen im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften davon aus, dass Entscheidungen in den Angelegenheiten der Gesellschaft unter Beteiligung der Gesellschafter und einstimmig getroffen werden. Der Minderheitsschutz soll daher primär durch Zustimmungserfordernisse und Widerspruchsrechte gewährleistet werden. Für abweichende Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag hat die Rechtsprechung die Kernbereichslehre79 und den Bestimmtheitsgrundsatz80 entwickelt. Auch hat die personalistische Struktur der Personengesellschaft Auswirkungen auf die Voraussetzungen und Folgen von Veränderungen im Gesellschafterbestand, während sich die Aktiengesellschaft hier am flexibelsten zeigt und die GmbH dazwischen anzusiedeln ist. Hinzu kommt, dass es die große Bandbreite der mit dem Zusammenschluss verfolgten Ziele mit sich bringt, dass innerhalb einer gesetzlich vorgesehenen Rechts___________ 76 77 78 79
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Statt aller Lutter, AcP 180 (1980), 84, 106; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 57. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Band I, 8. Aufl. 1992, Einl., Rn. 37. Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 390. Dazu BGH NJW 1995, 194, 195; BGH NJW 1985, 972, 973; BGH NJW 1983, 1056; BGH WM 1975, 662, 663; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 119, Rn. 36; Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, 188–200, insb. 200; Haar, Die Personengesellschaft im Konzern, S. 96–119. Ausführlich unter § 4 B. I. 1. Dazu BGHZ 8, 35, 41 f.; BGH NJW 1985, 972, 973; BGHZ 85, 350, 355 f. = NJW 1983, 1056, 1057; BGH WM 1973, 100, 101; BGH ZIP 2007, 475, 476 f.; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 119, Rn. 37; H. P. Westermann, AcP 175 (1975), 375, 417–419; U. Schneider, AG 1979, 57, 62; Brändel, FS Stimpel, 1995, S. 95, 102–104; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004, S. 3, 317 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 411 f.; R. Fischer, FS Barz, 1974, S. 33, 41 f.; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 388. Ausführlich unter § 4 B. I. 1.
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§ 1 Grundsätze des Minderheitsschutzes, Zielsetzung und Methodik der Bearbeitung
form ganz unterschiedliche Strukturen auftreten. Publikumsgesellschaften werfen andere Fragen auf als Familiengesellschaften, solche mit großem Streubesitz unterscheiden sich wesentlich von Gesellschaften, die ein einzelner Gesellschafter dominiert. Daher ist nicht nur der Rechtsform, sondern auch der Realstruktur der einzelnen Gesellschaft Rechnung zu tragen.81 Damit ist die generelle Weichenstellung dieser Bearbeitung vorgezeichnet: Die Mechanismen und Methoden des Minderheitsschutzes können als allgemeine Regeln rechtsform- und strukturübergreifend entwickelt werden, da der grundsätzliche Konflikt das einende Element darstellt. In der konkreten Ausgestaltung und Anwendung auf einzelne typisiert auftretende Konfliktsituationen wird es hingegen häufig erforderlich werden, den grundlegenden Unterschieden Rechnung zu tragen. Es verbleibt ein Abgrenzungsproblem: Der Schutz der Minderheitsgesellschafter gegen Beeinträchtigungen ihrer Rechtsstellung durch die Mehrheit ist traditionell im Gesellschaftsrecht, nicht im Kapitalmarktrecht verortet, da es sich um einen Konflikt im Binnenverhältnis der Gesellschaft handelt. Das Kapitalmarktrecht zielt demgegenüber auf den Schutz eines jeden Teilnehmers am Kapitalmarkt ab, unabhängig von seiner bestehenden oder zukünftigen Beteiligungsquote. Kapitalmarktrechtliche Regelungen dienen dazu, das Vertrauen in Anlagen zu festigen, indem Investitionen auf verlässlicher Informationsgrundlage erfolgen und Manipulationen zulasten der Anleger ausgeschlossen werden sollen. Adressaten der kapitalmarktrechtlichen Pflichten sind in erster Linie die Vorstände der Aktiengesellschaften und in der Risikosphäre der Aktiengesellschaften tätige Dritte.82 Diese klassische Trennung verdient aufgrund der hybriden Stellung des Aktionärs jedoch, kritisch hinterfragt zu werden.83 In börsennotierten Gesellschaften ergibt sich gerade erst aus der Interaktion der beiden Rechtsbereiche der volle Schutz der Minderheitsaktionäre.84 Bei den Folgerungen hieraus driften die Mei___________ 81
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Ausführlich zum Ganzen Lutter, AcP 180 (1980), 84, 105 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 49 ff.; Böhmer, Der Schutz der Minderheitsaktionäre bei Übernahme börsennotierter Gesellschaften in Europa, 2004, S. 36. Auch im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht wird die Notwendigkeit gesehen, der Realstruktur der Gesellschaft besondere Aufmerksamkeit zu schenken. In close corporations setzen die Gerichte die Treuepflichten der Gesellschafter mit denen unter Partnern einer partnership gleich, da diese Form der corporation faktisch doch nur eine incorporated oder chartered partnership darstelle und in beiden Rechtsformen das Gelingen des vereinbarten Zwecks von Loyalität, Vertrauen und Verlässlichkeit unter den Gesellschaftern abhänge. Siehe Hamilton, Corporations including Partnerships and Limited Liablity Companies, Cases and Materials, 7th ed. 2001, p. 440 seq.; Helms v. Duckworth, 249 F. 2 d 482 (U. S. App. 1957); Kruger v. Gerth, 210 N. E. 2 d 355, 356 (N. Y. 1965); kritisch Rock/Wachter, 24 J. Corp. L. 913 (1999). Ausführlich dazu unter § 2 B. Zu allem Vorstehenden Bayer, in: Hommelhoff/u. a., Corporate Governance, 2002, S. 137, 139; Schwark, FS Raisch, 1995, S. 269, 282; ders., FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1090. Siehe etwa die Analyse von Eidenmüller, JZ 2007, 487, 488. Zur Situation im europäsichen Gesellschaftsrecht Grundmann, ZIP 2004, 2401, 2410 f. Dabei handelt es sich um keine deutsche Besonderheit. Vielmehr ist dieses Zusammenspiel in vielen Rechtsordnungen zu beobachten, vgl. dazu den Bericht von Perakis, in: Perakis (ed.), Protection of Minority Shareholders, 2005, p. 25.
B. Die Zielsetzung der Bearbeitung
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nungen stark auseinander. Für Publikumsgesellschaften und börsennotierte Aktiengesellschaften wird befürwortet, statt auf zwingende Regeln des Minderheitsschutzes vielmehr auf eine Regulierung durch Marktgesetze zu setzen.85 Das Argument lautet, dass die Aktionärsdemokratie in erster Linie auf dem Kapitalmarkt stattfinde. Das auf einzelne Mitgliedsrechte ausgerichtete verbandsrechtliche Denken stoße an seine Grenzen, wo es um einen funktionierenden Kapitalmarkt mit effektiven Kontrollmechanismen gehe. Die Exit-Option sei in (Publikums-)Aktiengesellschaften ein wirksamer Mechanismus,86 der nicht nur das Management, sondern auch die (Mehrheits-)Aktionäre diszipliniere. Für den Kleinanleger, dessen Beteiligung den Aufwand, sich über seine Verwaltungsrechte (Voice-Option) zu schützen, kaum lohne, sei das jederzeitige Austrittsrecht elementar. Daher würden die Marktmechanismen disziplinierende Wirkung in allen Fällen des Principal-Agent-Konflikts entfalten und auch als Kontrollmechanismus zugunsten der Gesellschafterminderheit wirken, da deren Beeinträchtigung nachteilige Wirkung auf den Kapitalzufluss entfalte.87 Dies hat Auswirkungen auf die Bearbeitung: Anhand der vorgetragenen Argumente wird zu überlegen sein, für (bestimmte Arten von) Aktiengesellschaften ein stärker kapitalmarktrechtlich orientiertes Leitbild zu entwickeln. Nichtsdestotrotz verbleibt es im Ansatz bei der herkömmlichen Konzeption, wonach der Minderheitsschutz als rechtsformübergreifendes Prinzip im Gesellschaftsrecht verortet ist. Kapitalmarktrechtliche Fragen werden erörtert, soweit sie für den Schutz der bestehenden Mitgliedschaft des Minderheitsgesellschafters von Relevanz sind, etwa beim Delisting, bei Übernahmetransaktionen oder dem Konkurrenzverhältnis kapitalmarktrechtlicher Rückabwicklungsansprüche mit Kapitalerhaltungsgrundsätzen. Zu erklären bleibt der rechtsvergleichende Ansatz.88 Das US-amerikanische Recht wird vergleichend und unterstützend herangezogen, wenn die deutsche Rechtslage ungeklärt oder in ihren Ergebnissen oder Methoden zweifelhaft ist. Dies entspricht der Zielsetzung dieser Arbeit, die gerade keinen vollständigen Rechts___________ 85
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So etwa Ekkenga, Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt, 2003, S. 30; dezidiert Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 2001, S. 205; Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 13; sympathisierend Mertens, AG 1990, 49, 52 f. Zu Überlegungen, die Satzungsstrenge abzuschaffen oder zu lockern, Hirte, in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, 1997, S. 61, 74 ff. So auch die Forderung von Hopt, FS Canaris, Band II, 2007, S. 105, 115. So insbesondere Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 354–356; ders., FS Ulmer, 2003, S. 433 ff.; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 390. Grundlegend zum Verhältnis von Voice und Exit der Beitrag von Hirschman, Exit, Voice and Loyalty, 1970, p. 30. Dazu Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, S. 37; Mann, Corporate Governance Systeme, 2003, S. 91 ff.; Ekkenga, Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt, 2003, S. 30. Mitunter werden die US-amerikansichen Grundsätze herangezogen, um den minderheitsschützenden Instituten des deutschen Rechts klarere Strukturen zu verleihen. Dazu, dass dies verfassungsrechtlich unproblematisch ist, siehe Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 405 ff.
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§ 1 Grundsätze des Minderheitsschutzes, Zielsetzung und Methodik der Bearbeitung
vergleich beider Rechtssysteme anstrebt, sondern ein geschlossenes System des gesellschaftsrechtlichen Minderheitsschutzes im deutschen Recht zu entwickeln sucht. Daher kann das US-amerikanische Recht sinnvoll hinzugezogen werden, wenn im deutschen Recht offene Fragen und Entwicklungspotential bestehen, regelmäßig also in den gesetzgeberisch nicht (vollständig) durchdrungenen Bereichen. Daher finden sich Verweise auf die Rechtslage in den USA im allgemeinen Teil häufig, im besonderen Teil, der sich stark an den gesetzgeberischen Vorgaben orientiert, eher punktuell. Hinzu kommt, dass der Schutz des Minderheitsgesellschafters (nur) in Einzelbereichen des US-amerikanischen Rechts ernsthaft thematisiert wird. Diese Bereiche werden in dieser Arbeit darzustellen sein. Ein geschlossenes, alle relevanten Bereiche durchdringendes System existiert in den USA nicht.
1. Kapitel: Die Grundlagen der Gesellschafterverbindung
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Allgemeiner Teil: Die Allgemeinen Grundsätze zum Schutz des Minderheitsgesellschafters Allgemeiner Teil: Die Allgemeinen Grundsätze zum Schutz des Minderheitsgesellschafters 1. Kapitel: Die Grundlagen der Gesellschafterverbindung
1. Kapitel: Die Grundlagen der Gesellschafterverbindung: Minderheitsschutz als Ausfluss der Bestandsgarantie des Art. 14 GG und die Wirkungsweise von Generalklauseln im Gesellschaftsverhältnis Der Minderheitsschutz im Gesellschaftsrecht betrifft das Innenverhältnis der Gesellschaft. Er betrifft die Frage, welchen Schranken ein Gesellschafter unterliegt, wenn er die ihm durch seine Stellung in der Gesellschaft eingeräumten Kompetenzen ausübt, dabei Eigeninteressen verfolgt und die Mitgesellschafter in ihren mitgliedschaftlichen Rechten beeinträchtigt. In dem hierdurch entstehenden Konflikt berufen sich beide Gesellschafter auf ihre mitgliedschaftliche Rechtsstellung, wobei der eine die Kompetenzordnung, vornehmlich das Mehrheitsprinzip, heranzieht, um hierauf die von ihm gewünschten Ergebnisse zu stützen, während der andere aus der Mitgliedschaft einen Anspruch auf Schutz der eigenen Rechtsstellung abzuleiten versucht. Vom gesetzgeberischen Standpunkt betrachtet ist die Prämisse eindeutig: Mehrere Privatrechtssubjekte geraten bei der Ausübung ihrer eigentumsrechtlich geschützten Rechte in Konflikt zueinander, so dass ein verträglicher Ausgleich gefunden werden muss. Die praktische Umsetzung stößt jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten: Die Vielgestaltigkeit denkbarer und tatsächlich auftretender Konfliktsituationen schließt es mehr noch als in vielen anderen Rechtsgebieten aus, diese vollständig und abschließend durch detaillierte gesetzliche Vorgaben zu regeln. Als Lösung kommt in Betracht, eine Generalklausel zu kreieren, die durch tatbestandliche Weite und breite Einzelfallkasuistik konkrete Lösungen zu liefern vermag. Diesen Weg, darauf wurde schon einleitend hingewiesen, gehen Rechtsprechung und Lehre seit einigen Jahrzehnten und ziehen der Mehrheitsmacht mit dem Institut der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht Grenzen. Zunehmend wird daneben aber auch auf die Bedeutung des durch Art. 14 I GG garantierten eigentumsrechtlichen Schutzes für das Innenverhältnis der Gesellschafter abgestellt, und zwar nicht nur als Schutzauftrag an den Gesetzgeber, sondern als dem Privat-
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Allgemeiner Teil: Die Allgemeinen Grundsätze zum Schutz des Minderheitsgesellschafters
rechtssubjekt gezogene Schranke, die der Richter bei seiner Entscheidung über einen Konflikt im Gesellschafterverhältnis beachten muss. Im Folgenden sollen zunächst die Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht in Deutschland und den USA dargestellt (unter § 2) und anschließend untersucht werden, ob ein verfassungsrechtlicher Ansatz nicht besser geeignet ist, über den Einzelfall hinausgehende Lösungsparameter für minderheitsrelevante Gesellschafterkonflikte zu entwickeln (unter § 3).
A. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im deutschen Recht
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes im deutschen und US-amerikanischen Recht Die Notwendigkeit, im Innenverhältnis der Gesellschafter in auftretenden Konfliktsituationen praktische Konkordanz herzustellen, ist im deutschen und USamerikanischen Recht gleichermaßen anerkannt. Auch der Ansatz, hierzu Pflichtbindungen der Gesellschafter zu kreieren, stellt ein einendes Element dar. In der rechtsdogmatischen Konstruktion und praktischen Reichweite unterscheiden sich der deutsche (unter A.) und US-amerikanische Ansatz (unter B.) jedoch. A. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im deutschen Recht
A. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im deutschen Recht Die folgende Darstellung gibt den gesicherten Erkenntnisstand zur gesellschafsrechtlichen Treuepflicht im deutschen Recht wieder. Sie kann aus zwei Gründen knapp gehalten werden: Zum einen sind ihre Grundlagen in zahlreichen Monographien und Aufsätzen umfassend durchdrungen worden.89 Zum anderen wird das hier entwickelte System eines Minderheitsschutzes nur punktuell auf die Treuepflicht gestützt. Auf die danach relevanten Grundlagen wird an entsprechender Stelle genauer einzugehen sein.
I. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes Um Pflichtbindungen im Binnenverhältnis der Gesellschaft zu konstruieren, greifen Rechtsprechung und Lehre regelmäßig auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht zurück, insbesondere wenn es darum geht, einen kontrollierenden Gesellschafter zu verpflichten, bei der Wahrnehmung seiner Rechte auf die Interessen der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen. Von ihrer rechtstatsächlichen Wirkungsweise betrachtet, erweist sie sich daher auch als ein Institut des materiellen Minderheitsschutzes. Regelmäßig beruft sich der Minderheitsgesellschafter auf die ___________ 89
In einer Habilitationsschrift zuletzt von Wimmer-Leonhard, Konzernhaftungsrecht, 2004.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
Treuepflicht, um den Mehrheitsgesellschafter zu disziplinieren, nur im Ausnahmefall geschieht es umgekehrt.90
1. Versuch einer Begriffsbestimmung Definitorisch ist die Treuepflicht aufgrund ihrer Weite und Vielgestaltigkeit schwer zu erfassen. Ein Vorschlag lautet etwa, sie als besondere gesellschaftsrechtliche Rücksichtnahme- und Loyalitätspflicht der Gesellschafter als Partner einer rechtlichen Sonderverbindung zu verstehen.91 Den Disziplinierungseffekt für die Mehrheit stärker betonend, bezeichnet sie eine andere Definition als generalklauselartige Verhaltenspflicht der Gesellschafter, die sich vornehmlich an die Mehrheit wendet und ihr als Ausgleich für ihre Einflussmacht Beschränkungen auferlegt.92 Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass die Mehrheit nicht ausschließlicher Regelungsadressat ist, sondern die Treuepflicht sämtliche mitgliedschaftlichen Rechte und Kompetenzen in ihrer Ausübung zu begrenzen vermag. Dementsprechend bindet und berechtigt sie grundsätzlich jeden Gesellschafter.93 Entscheidend ist die Wirkung, die von seiner Rechtsausübung für die Gesellschaft und die übrigen Gesellschafter ausgeht. Daher kann auch ein Minderheitsgesellschafter durch die Treuepflicht zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet sein.94 Nimmt er formale Minderheitsrechte wahr oder verfügt er über eine Sperrminorität, kann dem im ___________ 90
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Zur Wirkung der Treuepflicht unter den Gesellschaftern grundlegend BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype); BGH NJW 1992, 3167, 3171 (Scheich Kamel); Dreher, ZHR 157 (1993) 150, 153; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 53 a, Rn. 42; Grundmann, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2008, § 136, Rn. 48; Henze/Notz, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2004, Anh. § 53 a, Rn. 21; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 53 a, Rn. 17; ders., FS Steindorff, 1996, S. 59, 67 f.; Nodoushani, Die Treuepflicht der Aktionäre und ihrer Stimmrechtsvertreter, 1997, S. 51–110; Wiedemann/Hirte, ZGR 1986, 163, 169; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 67 f. Zu den Mechanismen, aus denen sich faktische bzw. materielle Minderheitsrechte herleiten lassen, aus rechtsvergleichender Sicht Perakis, in: Perakis (ed..), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 28. Zur Tatsache, dass es dem Minderheitsgesellschafter im Gegensatz zum Mehrheitsgesellschafter regelmäßig an der Möglichkeit fehlt, treuwidrig Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft zu nehmen, Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 156; Wellkamp, Aktionärsschutz, 1998, S. 21 Siehe Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 165–167; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 194. Ausführlich zu den Grundlagen der Treuepflicht auch Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 53–58; Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, 2004, S. 170–177; Zwissler, Treuegebot – Treuepflicht – Treuebindung, 2002, S. 7 f. Martens, GmbHR 1984, 265, 267; Wellkamp, Aktionärsschutz, 1998, S. 20; Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 237. Fleischer, WM 2003, 1045, 1047; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 241; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 165; Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 22. Siehe auch die in Fn. 90 Genannten. Grundlegend BGHZ 129, 136, 142 (Girmes); zustimmend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 593; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 241; Timm, WM 1991, 481, 483; Lutter, JZ 1995, 1053, 1054.
A. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im deutschen Recht
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Übrigen einflusslosen Minderheitsgesellschafter ein erhebliches Störpotential zukommen, das es notwendig macht, auch ihn im Interesse der Gesellschaft und Mitgesellschafter disziplinieren zu können.95 Auch verstärkt sich der Einfluss des einzelnen Minderheitsgesellschafters, wenn er sich mit anderen zusammenschließt und dadurch sein Gewicht vergrößert, was als Indikator für eine verstärkte Bindung an die Treuepflicht gelten kann.96 Insbesondere bei Stimmbindungsverträgen, mit denen das Stimmverhalten von Minderheitsgesellschaftern koordiniert wird, können wegen des gesteigerten Stimmgewichts in der Gesellschafterversammlung auch gesteigerte Treuepflichten entstehen.97 Daher müssen die Grenzen weiter gezogen werden: Allgemein gesprochen schränkt die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht die Gesellschafter ein, wenn sie ihre Mitgliedschaftsrechte ausüben, indem sie ihnen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf Fremdinteressen auferlegt. Sie tritt damit ergänzend zu den gesetzlich bestimmten Verhaltenspflichten hinzu. Ihre wesentliche Funktion besteht darin, bestehende Schutzlücken zu schließen.98 Trotz ihres generalklauselartigen Charakters wird ihr die Bedeutung eines korrigierenden Rechtssatzes, der bei jeder Form von Minderheitsbenachteiligung eingreift, abgesprochen.99 Vielmehr ist die Treuepflicht zu den Bestimmungen, die Gesellschafterkonflikte regeln, subsidiär, um die gesetzlichen Wertungen nicht zu unterlaufen. Außerdem soll sie auch im Bereich bestehender Schutzlücken nur moderate und punktuelle Anwendung finden, um das im Gesetz (teilweise) vorhandene System aus Kompetenzzuweisungen und Einzelbeschränkungen nicht durch eine exzessive Anwendung der Treuepflicht aufzuweichen.100
___________ 195 196 197
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100
Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 157. Dass daneben auch von Individualrechten wie der Anfechtungsbefugnis erhebliches Störpotential ausgehen kann, zeigt BGHZ 129, 136 (Girmes). Vgl. Nonn, Zustimmungspflichten des Kapitalgesellschafters, 1995, S. 21 f. Zu diesen BGHZ 48, 163, 166; BGH NJW 1983, 1910, 1911; OLG Koblenz GmbHR 1986, 430, 431 f; OLG Köln WM 1988, 974, 977 f.; Grundmann, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2008, § 136, Rn. 65 ff.; Habersack ZHR 164 (2000), 1, 8; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 133, Rn. 27; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 176; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 16, Rn. 86–90. Aus der US-amerikanischen Rechtsprechung Clarke Memorial College v. Monaghan Land Co., 257 A2 d 234 (Del. Ch. 1969); Selig v. Wexler, 247 N. E. 2 d 567 (Mass. 1969). Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 28, Rn. 35; Wellenhofer-Klein, RabelsZ 2000, 564, 566. Dezidiert Grundmann, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2008, § 136, Rn. 50; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 177. Demgegenüber wird teilweise befürwortet, sie zu einem eigenen System weiterzuentwickeln, Henze/Notz, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2004, Anh. § 53 a, Rn. 19. Zur Einordnung als richterliche Generalklausel, die eine Ermächtigung zu richterlicher Rechtsfortbildung enthält, Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 53 a, Rn. 46; Henze, ZHR 162 (1998), 162, 186, 191; Mäusl, Der Austritt eines GmbH-Gesellschafters auf schadensrechtlicher Grundlage, S. 104 f.; Hüffer, FS Steindorff, 1990, S. 59, 69–73. Vgl. Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 177.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
2. Die Unterarten der Treuepflicht Inhaltlich entfaltet sich die Treuepflicht in zwei Richtungen. Sie besteht im Verhältnis der Gesellschaft zu den einzelnen Gesellschaftern ebenso wie im Verhältnis der Gesellschafter untereinander.101 Im Verhältnis zur Gesellschaft wird der Gesellschafter durch die Treuepflicht einerseits angehalten, bei der Wahrnehmung der eigenen Rechte auf die Gesellschaft Rücksicht zu nehmen (Schrankenfunktion), andererseits den Gesellschaftszweck zu fördern oder drohenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden (Förderfunktion). Die Schrankenfunktion besteht in dem Gebot, die mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte und Einflussmöglichkeiten nur verantwortungsvoll auszuüben.102 Demgegenüber folgt aus der Förderpflicht das Gebot, zum Gelingen des Gesellschaftszwecks beizutragen.103 Die weitere Dimension der Treuepflicht entfaltet sich unter den Gesellschaftern. Sie beschränkt den einzelnen Gesellschafter darin, zum Nachteil der Mitgesellschafter seine Eigeninteressen zu verfolgen.104 Dabei handelt es sich um die lange Zeit umstrittene Unterart der Treuepflicht (dazu sogleich unter II.). Grundmann weist zu Recht darauf hin, dass die Bezeichnung der unter den Gesellschaftern bestehenden Pflichtbindungen als Treuepflicht terminologisch zweifelhaft ist, da es, anders als im Verhältnis von Geschäftsführern und Gesellschaft, nicht (primär) um die Übertragung eines fremdnützigen Aufgabenfeldes zur eigenständigen Wahrnehmung geht.105 Während die für die Gesellschaft handelnden Organe das von den Gesellschaftern eingebrachte Vermögen fremdnützig verwalten, liegen die Grundlagen der Gesellschafterbeziehung ungleich komplizierter: Primär verwalten die Gesellschafter bei Ausübung ihrer mitgliedschaftlichen Rechte das von ihnen ___________ 101
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BGHZ 103, 184, 194 (Linotype); BGHZ 129, 136, 142 (Girmes); BGHZ 107, 296 (Kochs Adler); Dreher, ZHR 157 (1993) 150, 151; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 53 a, Rn. 48; Hüffer, 9. Aufl. 2010, § 53 a, Rn. 19; Lutter ZHR 153 (1989) 446, 452–457; Reiff/Ettinger, DStR 2004, 1258, 1260. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 61; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 13, Rn. 33. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 109; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 53 a, Rn. 54 f.; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2003, S. 167; Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 36. Zur lebhaften Diskussion zu der Frage, ob aus der Treuepflicht auch positives Tun, insbesondere eine positive Stimmpflicht gefordert werden kann, siehe verneinend etwa Altmeppen, NJW 1995, 1749 f.; differenzierend Windbichler, Gesellschaftsrecht, 22. Aufl. 2009, S. 64, Rn. 3, und S. 417 f., Rn. 33–35 (bejahend für Personengesellschaften, wohl ablehnend für Aktionäre); zweifelnd Kort, ZIP 1990, 294, 297; bejahend hingegen BGHZ 44, 40, 41 f.; BGHZ 68, 81, 82 f. (Ausschließung eines Personengesellschafters); BGHZ 98, 276, 280 (Kapitalerhöhung in der GmbH); BGH NJW 1987, 952, 954 (Zumutbarkeit entscheidend); Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 167; ders., AcP 180 (1980), 84, 103; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 616 und 1036 f. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 194. Zur Unterscheidung von Interessenwahrungs- und Rücksichtnahmepflichten anhand der Quotenveränderung des Aktionärs Grundmann, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2008, § 136, Rn. 52. Ausführlich dazu, wenn auch nicht auf die Treuepflicht gestützt, unter § 3 D. IV. 2. Grundmann, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2008, § 136, Rn. 48.
A. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im deutschen Recht
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selbst eingebrachte Vermögen. Zugleich bewirkt das Mehrheitsprinzip, dass im Beschlusswege auch das Schicksal der Minderheit bestimmt wird, so dass durchaus auch ein Aspekt fremdnütziger Verwaltung hinzutritt. Daran liegt es, dass, wie schon eingangs unter § 1 erwähnt, das Gesellschafterverhältnis um den Ausgleich konfligierender Eigentümerinteressen bemüht sein muss. Dies stellt einen der Gründe dar, warum im weiteren Verlauf die Mechanismen zum Schutz der Minderheit auf eine verfassungsrechtliche Eingriffsdogmatik, nicht auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gestützt werden sollen.106
3. Abhängigkeit von Rechtsform, Gesellschaftszweck und Realstruktur Art und Umfang der Treuepflicht richten sich für beide Unterarten nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages, insbesondere dem Gesellschaftszweck, der Rechtsform und der Realstruktur der Gesellschaft sowie der Stellung des Gesellschafters in dieser.107 Als generelle Leitlinie kann gelten, dass der Umfang der Treuepflicht mit dem Maß der individuellen Einwirkungsmöglichkeit auf die Leitung der Gesellschaft zunimmt, sog. Korrelation zwischen Rechtsmacht und Verantwortung.108 Daher bestimmt die Treuepflicht den Umgang der Gesellschafter untereinander in höherem Maße bei Verbänden mit stärker personalistischer denn kapitalistischer Prägung,109 wobei sie, darauf wird zugleich zurückzukommen sein, nicht davon abhängig ist, dass ein persönliches Verhältnis der Gesellschafter untereinander existiert.110 Als weiterer Aspekt kann hinzutreten, dass die Minderheit in ihren Interessen beeinträchtigt und einer nachhaltigen Fremdbestimmung ausgesetzt wird.111 Häufig wird der Inhalt der Treubindung auch ausgehend von der Art des beeinträchtigten Mitgliedschaftsrechts ermittelt. Die Mitgliedschaftsrechte werden klassischerweise in uneigennützige Rechte, auch gesellschaftsbezogene Rechte ge___________ 106 107
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110 111
Dazu die §§ 3, 4, teilweise auch die §§ 6, 7. BGH WM 1985, 195, 196; BGH WM 1985, 256, 257 (beide unter Betonung der Besonderheiten von Publikumsgesellschaften); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 592; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 62, und § 28, Rn. 38; Roth, in: MünchKomm.-BGB, Band 2, 5. Aufl. 2007, § 242, Rn. 166; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 194; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 109; ders., JZ 1976, 225, 230. Dies kommt zum Ausdruck in BGHZ 103, 184, 195 (Linotype); BGHZ 129, 136, 145 ff. (Girmes). Zum Grundsatz Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 452 f.; Timm, WM 1991, 481, 483; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 176; Wellenhofer-Klein, RabelsZ 2000, 564, 572 f.; Wellkamp, Aktionärsschutz, 1998, S. 20; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 194; rechtsvergleichend auch Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 34. Einschränkend Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 237 f. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 112; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 800; Nonn, Zustimmungspflichten des Kapitalgesellschafters, 1995, S. 22 f.; Roth, in: MünchKomm.BGB, Band 2, 5. Aufl. 2007, § 242, Rn. 172. BGH NJW 1985, 972, 973; BGH NJW 1985, 974, 975; BGHZ 103, 183 = AG 1988, 135, 138 (Linotype). BGHZ 103, 183 = AG 1988, 135, 138 (Linotype); Lutter, AcP 180 (1980), 84, 114.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
nannt, und eigennützige Rechte, teilweise als gesellschafterbezogene bezeichnet, unterteilt.112 Die Rechte der ersten Gruppe dienen neben den Interessen des Rechtsinhabers auch der Förderung des Gesellschaftszwecks. In diese Gruppe gehören die Herrschafts- und Informationsrechte, etwa die Geschäftsführungsbefugnis und das Stimmrecht. Hingegen stehen die der zweiten Gruppe im Individualinteresse des Gesellschafters. Es handelt sich hierbei um die Vermögensrechte des Gesellschafters,113 beispielsweise den Gewinnanspruch, aber auch das Recht, sich von der Gesellschaft zu lösen. Während Rechte von hohem Verbandsinteresse starke Treubindungen des Gesellschafters auslösen, soll der Gesellschafter bei stärkerer Ausprägung des Individualinteresses freier, mitunter gar nur durch das Willkürverbot beschränkt sein.114 Dass diese Unterscheidung untauglich ist, in minderheitsrelevanten Konfliktsituationen einen tragfähigen Konsens in der Gesellschaft herbeizuführen, wird noch zu begründen sein.115
II. Die Anerkennung der Treuepflicht in den verschiedenen Rechtsformen Die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander wurde ursprünglich mit der personalistischen Struktur einer Gesellschaft in Verbindung gebracht und daher zunächst nur in den Personengesellschaften anerkannt.116 Über die GmbH hielten die Treuepflichten anschließend jedoch Einzug in das Kapitalgesellschaftsrecht. Als Ansatz hierzu diente die Tatsache, dass auch die GmbH regelmäßig aus einem überschaubaren Gesellschafterkreis besteht und es dem kontrollierenden GmbHGesellschafter möglich ist, zum Nachteil der Minderheit auf die Geschäftsführung Einfluss zu nehmen.117 ___________ 112
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Henze, BB 1996, 489, 493 f.; Mäusl, Der Austritt eines GmbH-Gesellschafters auf schadensrechtlicher Grundlage, 2001, S. 103; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbHRecht, 1988, S. 23 f.; R. Fischer, NJW 1954, 777, 778 ff. Wellkamp, Aktionärsschutz, 1998, S. 2. Henze, BB 1996, 489, 493 f.; Hüffer, Zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht als richterlicher Generalklausel, 1990, S. 62; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 168; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 176; Rothnauer, NZG 2001, 115, 117 f.; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 349 ff. Siehe dazu unter § 3 D. IV. Die Rechtsprechung entwickelte die Treuepflichten der Gesellschafter zunächst im Recht der Personengesellschaften, vgl. RGZ 162, 388, 394; RGZ 169, 153, 156; RGZ 171, 51, 54; BGHZ 30, 195, 201; BGHZ 44, 40, 41; BGHZ 64, 253, 257; BGHZ 68, 81, 82; BGH NJW 1986, 584; BGH NJW-RR 1986, 256. Ausführlich und rechtsformübergreifend zur geschichtlichen Entwicklung der Treuepflichten im Gesellschaftsrecht Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 159–162; knapper Schmiedel, ZHR 134 (1970), 173 f.; Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, 2004, S. 167–169. BGHZ 9, 157, 163 = BGH NJW 1953, 780; BGHZ 14, 25, 38 = NJW 1954, 1401; BGHZ 65, 15, 18 = NJW 1976, 191 (ITT); Henze, BB 1996, 489.
A. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im deutschen Recht
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Lange Zeit angezweifelt wurde die Geltung der Treuepflicht unter den Gesellschaftern in der Aktiengesellschaft, da wegen der vereinsrechtlichen Struktur Beziehungen persönlicher Art unter den Gesellschaftern nicht den Regelfall bilden.118 Die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft wird durch Rechtsbeziehungen zur Gesellschaft, nicht aber durch Verhandlungen mit den übrigen Aktionären begründet. Dieser Befund führte dazu, dass eine Rechtsbeziehung und damit auch Treuepflichten zu den Mitaktionären ausscheiden sollten.119 Schließlich wurde jedoch, vor allem mit dem Argument, die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter könnten sich bei einem Rechtsformwechsel der Gesellschaft (etwa von einer Personengesellschaft in eine Aktiengesellschaft) nicht plötzlich auflösen,120 anerkannt, dass auch die Aktionäre in einer Sonderbeziehung zueinander stehen. Zunächst sollte dies von der jeweiligen Realstruktur der Aktiengesellschaft abhängen, bald wurde auch diese Einschränkung jedoch aufgegeben.121 Als Anknüpfungspunkt dient nunmehr verbreitet das besondere Einflusspotential eines Gesellschafters in der Gesellschaft, insbesondere bei der Beschlussfasung.122 So erklärt sich, dass die wohl bedeutendste Funktion der Treuepflicht in allen Rechtsformen darin besteht, die kontrollierenden Gesellschafter in ihre Schranken zu verweisen, wenn sie ihre Einflussmacht zum Nachteil der Minderheit ausüben.123 ___________ 118
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RGZ 158, 248, 254 f.; BGHZ 9, 157, 163; BGHZ 18, 350, 365; BGH JZ 1976, 561, 562 = WM 1976, 449 (Audi/NSU); zur Entwicklungsgeschichte in den Kapitalgesellschaften siehe Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 151 (Fn. 4); Henze, BB 1996, 489 f.; Hüffer, FS Steindorff, 1990, S. 59, 62 f.; Martens, in: K. Schmidt, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, 251; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 592. Ablehnend für einen Idealverein BGHZ 110, 323, 334. Dazu grundlegend Flume, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, Band I/2, 1983, S. 258 ff., v. a. S. 259. Als Bestandsaufnahme auch Henze, ZHR 172 (2008), 127, 129. So die Argumentation in BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype). Siehe auch BGH NJW 1992, 3167, 3171 (Scheich Kamel). Gegen diese Begründung Martens, in: K. Schmidt, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, S. 251, 256. BGHZ 129, 136 (Girmes) betont die für alle Aktionäre geltende Bindung an die Treuepflicht im Verhältnis zu den Mitaktionären. Grundlegend zu den Treuepflichten in der Aktiengesellschaft Lutter, JZ 1976, 225, 229–232. Zweifelnd aber noch immer etwa Altmeppen, NJW 1995, 1749 f. Mit unterschiedlicher Gewichtung, teilweise als „mehrheitsbezogene Treuepflicht“ darauf beschränkt, dass Gesellschafter mit ihrem Stimmrecht die Geschicke der Mitgesellschafter gestalten können und daher (zu sehr) in die Nähe einer Missbrauchskontrolle gerückt werden, mitunter auch auf wesentliche Strukturentscheidungen beschränkt Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 950; ders., DB 1993, 141, 143 f.; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 16 f.; Lutter AcP 80 (1980), 84, 122; Timm, ZGR 1987, 403, 408 f.; vgl. auch Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn 21; Nodoushani, Die Treuepflicht der Aktionäre und ihrer Stimmrechtsvertreter, 1997, S. 56 f.; Schön, FS Wiedemann, 2002, S. 1271, 1279; Semler/Volhard, Arbeitshandbuch der Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 14, Fn. 82; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 335 ff. Dazu OLG Stuttgart, NZG 2000, 156, 157; Henze/Notz, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2004, Anh. § 53 a, Rn. 19; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 56;
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
III. Die dogmatischen Grundlagen zur Herleitung und Inhaltsbestimmung der Treuepflicht Als dogmatische Grundlage der Treuepflicht diente zunächst das besondere Vertrauensverhältnis der Gesellschafter untereinander.124 Damit kam es für die Geltung von Treuepflichten auf die Gesellschaftsform und die konkrete Ausgestaltung der Gesellschaft an. Diese Beschränkungen werden durch die mittlerweile herrschenden Auffassungen überwunden. Die Details sind dabei nach wie vor umstritten, besitzen jedoch keine größere praktische Relevanz,125 so dass die Ausführungen dazu knapp und vereinfacht gehalten werden können. Einigkeit herrscht darüber, dass die Treuepflicht jedenfalls in der Mitgliedschaft wurzelt.126 Die durch den Organisationsvertrag bzw. spätere Beitrittsverträge begründeten Sonderbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern sowie unter den Gesellschaftern bilden die Grundlage der Treuepflicht.127 Ihr Inhalt wird ausgehend von der Zweckerreichungsabrede im Sinne von § 705 BGB und der daraus resultierenden Förderpflicht bestimmt.128 Teils ergänzend, teils ausschließlich wird § 242 BGB herangezogen. Für Treu und Glauben als Grundlage der Treuepflicht spreche, dass es sich bei dieser um die gesellschaftsrechtliche Ausprägung der in jeder Sonderverbindung geltenden Rücksichtnahme- und Loyalitätspflicht handele.129 ___________ 124
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129
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 592 m. w. N.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 194. Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947, S. 12–14. Ähnlich der Ansatz des US-amerikanischen Rechts: dort wird die Verbindung der Partner einer Partnership zur gemeinsamen Zweckverfolgung als Grundlage der Treuepflicht angesehen, siehe Knapp, Die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften und Directors von Corporations, 2004, S. 45. Siehe zu einer ausführlichen Darstellung der dogmatischen Grundlagen aus jüngster Zeit Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 162–193. Allgemeines Fazit, siehe etwa Henze, BB 1996, 489, 491. Ulmer, in: Staub, Großkomm.-HGB, §§ 105–113, 4. Aufl. 1988, § 105, Rn. 232. In diesem Sinne BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype); Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 153; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 53 a, Rn. 45 f.; Hüffer, FS Steindorff, 1990, S. 59, 65–68; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 61; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 588; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 67 ff.; Wastl, NZG 2005, 17, 19. In diesem Sinne Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 ff.; ders., ZGR 1981, 171, 174 f.; ders., ZHR 153 (1989), 446, 454; ihm folgend Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 36; Staudinger/Habermeier, BGB, 13. Bearb. 2003, § 705, Rn. 50; Reiff/Ettinger, DStR 2004, 1258, 1260. Kritik daran üben Hüffer, FS Steindorff, 1990, S. 59, 70; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 229; Flume, ZIP 1996, 161, 164. Mit im Einzelnen unterschiedlichen Schattierungen Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228 ff.; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004, S. 329; Nodoushani, Die Treuepflicht der Aktionäre und ihrer Stimmrechtsvertreter, 1997, S. 94 ff.; Roth, in: MünchKomm.-BGB, 4. Aufl. 2003, § 242, Rn. 166; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 12–15; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 335 ff.
A. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im deutschen Recht
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Zur inhaltlichen Konkretisierung kann die legitime Verhaltenserwartung der Gesellschafter dienen, dass die mit dem Mehrheitsprinzip verbundene Einwirkungsmöglichkeit nur schonend und interessengerecht eingesetzt werden darf.130 Daraus wird erneut die Bedeutung der Realstruktur der Gesellschaft deutlich. Die konkrete Zusammensetzung und Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses bestimmt Reichweite und Inhalt der Treuepflicht. Personalistisch geprägte Gesellschaften binden die Gesellschafter in stärkerem Maße als kapitalistisch geprägte, und mit der Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft erhöht sich die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Mitgesellschafter.131 Darin gleichen sich der deutsche und US-amerikanische Ansatz, wie sogleich unter B. darzustellen sein wird.
IV. Der Rechtsfolgen bei Verletzung der Treuepflicht Die Rechtsfolgen einer Treuepflichtverletzung sind ebenso vielfältig wie ihr Inhalt. Liegt der Treuepflichtverstoß im Stimmvehalten, ist eine treuwidrig abgegebene Stimme ungültig,132 während eine treuwidrig verweigerte Zustimmung als erteilt gilt.133 Gerichtliche Klärung erfolgt, abhängig von der Rechtsform, im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens bzw. eines positiven Beschlussfeststellungsverfahrens.134 Je nach Art der Pflichtverletzung können jedoch auch Leistungs-, Unterlassungs-, und Schadensersatzansprüche in Betracht kommen.135 Da sich die Treuepflicht auf zwei Ebenen auswirkt, kommen als Parteien eines Konflikts um die Treuebindungen die Gesellschaft und jeder der Gesellschafter in Betracht.136 Drei Konstellationen lassen sich dabei unterscheiden. Es kommt vor, ___________ 130
131 132
133 134
135 136
Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 342 f.; ihm folgend Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 70. Siehe auch Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 169. So etwa BGH NJW 1976, 191. Ausführlich Friedewald, Die personalistische Aktiengesellschaft, 1991, S. 131–138. BGHZ 103, 184, 193 (Linotype); BGHZ 142, 167, 169 (Hilgers); Fleischer, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, 2008, § 53 a, Rn. 64; Henze/Notz, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2004, Anh. § 53 a, Rn. 135; Hüffer, Aktiengesetz, 9. Aufl. 2010, § 53 a, Rn. 21. BGHZ 97, 28, 30 f.; Grundmann, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2008, § 136, Rn. 59; Henze/ Notz, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2004, Anh. § 53 a, Rn. 137. Grundmann, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2008, § 136, Rn. 59; Bungeroth, in: MünchKomm.-AktG, 4. Aufl. 2004, Vor § 53 a, 32; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I, 2008, § 53 a, Rn. 64; Henze/Notz, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2004, Anh. § 53 a, Rn. 135– 137; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 68. Im Einzelnen hierzu unter § 5. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 68. Zu den beiden Dimensionen der Treuepflicht nochmals der Hinweis auf Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 53 a, Rn. 14 m. w. N.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 242 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 13, Rn. 32; Rosenbach, in: Müller/ Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 17, Rn. 167; vgl. auch Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 79.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
dass sich nur die Gesellschafter als Kontrahenten gegenüberstehen, die Gesellschaft aber unbeteiligt ist.137 In einem zweiten Fall geht nur ein Gesellschafter gegen die Gesellschaft vor, etwa wenn ein positives Tun von der Verwaltung eingefordert wird, beispielsweise ein Auskunftsanspruch,138 oder die Gesellschafter bilden einen geschlossenen Block gegen die Gesellschaft.139 In der dritten Konstellation kann hingegen die Gesellschaft einem der Gesellschafterlager zugeordnet werden, so dass Partikular- und (vermeintliche) Allgemeininteressen auf einer Seite zusammentreffen. Übt der Mehrheitsgesellschafter seinen Einfluss auf die Organe der Gesellschaft zum Nachteil des Minderheitsgesellschafters aus, geht die Beeinträchtigung unmittelbar von der Gesellschaft aus, so dass diese Partei eines Rechtsstreits mit dem Minderheitsgesellschafter wird, obwohl es faktisch um einen Mehrheits-Minderheits-Konflikt geht.140 Umgekehrt kann der Minderheitsgesellschafter zum Sachwalter der geschädigten Gesellschaft werden und in deren Namen gegen den schädigenden Einfluss des Mehrheitsgesellschafters vorgehen.141 B. Bindungen der Gesellschafter durch Fiduciary Duties im US-amerik. Gesellschaftsrecht
B. Die Bindungen der Gesellschafter durch die Fiduciary Duties im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht I. Keine Richtigkeitsgewähr mangels ausgehandelter Vertragsbedingungen Das US-amerikanische Recht geht, wie auch das deutsche,142 davon aus, dass die an einem Austauschvertrag Beteiligten auf gleicher Augenhöhe verhandeln und ihre Eigeninteressen zu wahren wissen. Jede Partei darf ihre Eigeninteressen verfolgen und ist erst dann gehalten, den Grundsatz des good faith and fair dealing zu beachten, wenn das Verhandlungsgleichgewicht gestört ist und eine Partei schutzwürdig erscheint.143 Anders liegt die Situation hingegen in den Treuhandverhält___________ 137 138 139
140 141 142 143
Dazu unter § 7. Zu diesen etwa Roth, in: MünchKomm.-BGB, 4. Aufl. 2003, § 242, Rn. 169. Dabei geht es hauptsächlich um Kompetenzstreitigkeiten, dazu unter § 6 B. Dort auch zur sogenannten organschaftlichen Treuepflicht, mit der die Bindung der geschäftsführenden und kontrollierenden Organe an die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft beschrieben wird. Dazu auch Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 950. Dazu in den Folgekapiteln, gestützt auf die zu entwickelnde verfassungsrechtliche Eingriffsdogmatik, nicht die Treuepflicht. Dazu unter § 7, wobei zu klären sein wird, ob der Gesellschafter tatsächlich aus der gegenüber der Gesellschaft verletzten Treuepflicht vorgeht. Zur Diskussion in Deutschland noch unter § 3 C. II. 3. Frankel, 71 Cal. L. Rev. 795, 799 seq. (1983): “The law provides each party to a contract with equal legal freedom to make independent decisions as to what to bargain for, and what to give in exchange. Contract frees each party from domination by the other, making them more independent than in a status relation; but its price is the absence of security. No party to a contract has a general obligation to take care of the other, and neither has the right to be taken care of”.
B. Bindungen der Gesellschafter durch Fiduciary Duties im US-amerik. Gesellschaftsrecht
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nissen (fiduciary relationships). Da der Treunehmer (fiduciary) Befugnisse eingeräumt erhält, die es ihm ermöglichen, auf die Rechtsgüter des Treugebers (beneficiary) einzuwirken, erscheint der beneficiary verwundbar und mithin schutzwürdig, woraus etliche Beschränkungen für den fiduciary resultieren.144 Eine Parallele von beneficiary und Gesellschafter wird darin gesehen, dass beide ihr investiertes Kapital in fremde Hände geben und nur begrenzt Einfluss auf dessen Verwendung nehmen können.145 Ein Vergleich des Gesellschaftsverhältnisses mit einer Treuhänderbeziehung ist jedoch, darauf wurde schon hingewiesen, nur bedingt tragfähig. Der Mehrheitsgesellschafter ist mehr als nur ein fiduciary der Gesellschaft und des Minderheitsgesellschafters, da er auch über die von ihm selbst eingebrachten Finanzmittel entscheidet. Wie noch zu zeigen sein wird, kann er nur teilweise als Treuhänder des Gesellschaftsvermögens und der Interessen der Mitgesellschafter eingeordnet werden.146 Gleichwohl illustriert der Vergleich, dass auch im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht die Fremdbestimmung des (Minderheits-)Gesellschafters als Problem eingeordnet wird, für das andere Schutzmechanismen gefunden werden müssen als die für Austauschverträge zur Verfügung stehenden.147 ___________ 144
145
146 147
Frankel, 71 Cal. L. Rev. 795, 801 (1983): “In contrast to contract and status relations, in which both parties seek to satisfy their own needs and desires through the relation, fiduciary relations are designed not to satisfy both parties’ needs, but only those of the entrustor. Thus, a fiduciary may enter into a fiduciary relation without regard to his own needs. (. . . ) Accordingly, the law of fiduciary relations should, if possible, preserve the best aspects of status and contract relations. It is desirable for the entrustor to depend on the fiduciary to satisfy certain needs. But it would not be desirable for fiduciary law to impose the relation on either party or to allow the fiduciary to abuse his power. Therefore, fiduciary law should permit the parties to enter into the relation freely and ensure that the fiduciary will not coerce the entrustor.” DeMott, 1988 Duke L. J. 879, 882: “If a person in a particular relationship with another is subject to a fiduciary obligation, that person (the fiduciary) must be loyal to the interests of the other person (the beneficiary). The fiduciary’s duties go beyond mere fairness and honesty; they oblige him to act to further the beneficiary’s best interests. The fiduciary must avoid acts that put his interests in conflict with the beneficiary’s.” Siehe auch Brudney, 38 B.C. L. Rev. 595, 601 seq. (1997). Brudney, 38 B. C. L. Rev. 595, 612 (1997), zieht den Vergleich wie folgt: “The stockholder, like the settlor of a trust, is unable to specify the opportunistic behavior against which he or she needs protection and is not much more able than the trust beneficiary to monitor the decisions being made under such restrictions or enforce compliance with those terms. Nor does the public stockholder have the capacity of a commercial principal to specify limits, monitor management, select officers or threaten, much less terminate, their tenure. And while in theory stockholders elect “independent” directors to perform those functions, the latter are likely to owe their selection more to managers than to stockholders and are not easily removable by stockholders.” Siehe zum deutschen Recht auch Fleischer, WM 2003, 104, der die (für die Geschäftsleiter geltenden) Treuepflichten im Gesellschaftsrecht mit den deutlich schwächeren Nebenpflichten im übrigen Rechtsverkehr vergleicht. Dazu unter § 3. Ausführlich zu den Prinzipien im Austauschvertrag und den Unterschieden zum Gesellschaftsvertrag unter § 3 C. II. 3.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
II. Überblick über die konfliktträchtigen Situationen und Lösungsansätze Den Schwerpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung im Konflikt zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter in den USA scheinen die Versuche des Mehrheitsgesellschafters zu bilden, sich unter Benachteiligung der Minderheitsgesellschafter das Vermögen der Gesellschaft einzuverleiben oder Chancen der Gesellschaft anzueignen.148 In der Antwort der Gerichte darauf lassen sich (im Wesentlichen) zwei unterschiedliche Ansätze ausmachen, die auch den wissenschaftlichen Diskurs bestimmen. Eine starke Beschränkung des Mehrheitsgesellschafters in closely held corporations (auch close corporations genannt) durch Treuepflichten kommt vor allem in Entscheidungen des Supreme Court von Massachusetts zum Ausdruck.149 Diese Rechtsprechungstradition besitzt durchaus beachtliche Bedeutung: Die Dominanz Delawares besteht im Bereich der public corporations, während closely held corporations als kleine Gesellschaften regelmäßig in dem Staat inkorporiert werden, in dem sie ihre Geschäftstätigkeit entfalten.150 Dem steht der in Delaware verfolgte Ansatz gegenüber, selbstsüchtiges Handeln des Mehrheitsgesellschafters zu unterbinden, etwa über den intrinsic fairness test bei Geschäften mit der Gesellschaft. Dieser Test überprüft die Neutralität des Geschäftes anhand der arm’s length-Methode.151 ___________ 148 149
150 151
Zu einer Illustration der typischen Probleme im US-amerikanischen Recht siehe Rock/Wachter, 24 J. Corp. L. 913, 914 seq. (1999). Zu nennen sind insbesondere Donahue v. Rodd Electrotype Co., 328 N. E. 2 d 505 (Mass. 1975), und Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976). Die Dominanz dieser Fälle ist dem Umstand geschuldet, dass sie die Doktrin wohl am klarsten zum Ausdruck bringen und daher Eingang in die Lehrbücher gefunden haben, obgleich es eine Vielzahl anderer, den Grundsatz bestätigender Entscheidungen aus anderen Staaten gibt, auf die im Folgenden in den Fußnoten hinzuweisen sein wird. Zur Bedeutung Delawares bei der Inkorporierung US-amerikanischer Großunternehmen Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 476 f. Lebold v. Inland Steel Co., 125 F. 2 d 373, 374 (Ct. App. 7th Cir. 1941): “The essence of the test is whether or not under all the circumstances the transaction carries the earmarks of an arm’s length bargain. (. . .) He who is in such a fiduciary position cannot serve himself first and his cestuis second. He cannot manipulate the affairs of his corporation to their detriment and in disregard of the standards of common decency and honesty. He cannot by the intervention of a corporate entity violate the ancient precept against serving two masters. (. . .) He cannot utilize his inside information and his strategic position for his own preferment. He cannot violate rules of fair play by doing indirectly through the corporation what he could not do directly. He cannot use his power for his personal advantage and to the detriment of the stockholders and creditors no matter how absolute in terms that power may be and no matter how meticulous he is to satisfy technical requirements. For that power is at all times subject to the equitable limitation that it may not be exercised for the aggrandisement, preference, or advantage of the fiduciary to the exclusion or detriment of the cestuis.” So auch Jones v. H. F. Ahmanson & Co., 460 P. 2 d 464 (Cal. 1969). At arms’ length stehen sich gewöhnlich die auf unterschiedliche Interessen fixierten Vertragspartner eines Austauschvertrages gegenüber,
B. Bindungen der Gesellschafter durch Fiduciary Duties im US-amerik. Gesellschaftsrecht
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Unabhängig von dem gewählten Ansatz verfolgen die Gerichte die Strategie, die Anreize für selbstsüchtiges Verhalten des Mehrheitsgesellschafters zu minimieren, um so sein Interesse an einer erfolgreichen Zweckverfolgung der Gesellschaft zu wecken und damit einen Gleichlauf der Interessen aller Gesellschafter sicherzustellen.152 Nicht zu übersehen ist dabei, dass die unterschiedlichen Beteiligungsstrukturen in den USA und Deutschland auch unterschiedliche Schwerpunkte bei den innergesellschaftlichen Konflikten bedingen. Wie schon unter § 1 B angesprochen, weisen die großen Aktiengesellschaften in den USA einen breiten Streubesitz auf, während in Deutschland dominierende Gesellschafter überwiegen.153 Der Konflikt unter den Gesellschaftern tritt in den USA daher typischerweise in der closely held corporation, deutlich seltener in der publicly held corporation auf. So erklärt sich, dass sich ein nennenswertes Konzept der Treuepflichten des Mehrheitsgesellschafters gegenüber Minderheitsgesellschaftern auch nur für die closely held corporation herausgebildet hat. Auslöser und Voraussetzung von Schutzmechanismen zugunsten der Minderheit sind Pflichtverletzungen gegenüber dem Minderheitsgesellschafter, traditionellerweise die Fälle der sog. oppression of the minority, insbesondere bei versuchtem minority freezeout. Darunter werden von der Rechtsprechung, verallgemeinert gesprochen, Situationen verstanden, in denen die Minderheit in ihrer Rechtsstellung durch das Verhalten der Mehrheit empfindlich betroffen wird.154 Die Gerichte setzen dabei unterschiedliche Schwerpunkte: Zuweilen kommt es auf das Verhalten des Mehrheitsgesellschafters an, während in anderen Fällen stärker die für den Minderheitsgesellschafter eintretenden Folgen bewertet werden. So verstehen einige Gerichte unter oppression “a burdensome, harsh and wrongful conduct (. . .), a visible departure from the standards of fair dealing and a violation of fair play on which every shareholder who entrusts his money to a company is entitled to rely“.155 Stärker noch ist das Gewicht der Minderheitserwartungen, wenn die Gerichte auf ein Verhalten abstellen, “that defeats the reasonable expectations held by minority shareholders in committing their capital to the particular enterprise”.156 Diese Entwicklung in der Rechtsprechung geht mit der gesetzgeberischen Entscheidung einher, bei statutarisch angeordneten Rechtsbehelfen die berechtigten Erwartungen der Gesellschafter zugrunde zu legen. Auf die verschiedenen Ansätze wird noch unter II.4. näher einzugehen sein. ___________ 152 153 154 155 156
vgl. Knapp, Die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften und Directors von Corporations, 2004, S. 45. Dazu die Erkenntisse aus der Studie von Holderness/Sheehan, Constraints on Large Block Shareholders, Working Paper, 1998. Siehe dazu auch Hopt, ZHR 171 (2007), 199, 211. Vgl. Donahue v. Rodd Electrotype Co., 328 N. E. 2 d 505 (Mass. 1975); Crosby v. Beam, 548 N. E. 2 d 217, 221 (Ohio 1989). Skierka v. Skierka Bros., Inc., 629 P. 2 d 214, 221 (Mont. 1981); Fix v. Fix Material Co., 538 S. W. 2 d 351, 358 (Mo. App. 1976). In re Kemp & Beatley, Inc., 473 N. E. 2 d 1173, 1179 (N. Y. 1984). Zu einer Zusammenstellung siehe Fletcher, in: 12B Fletcher Cyc. Corp. (2006), § 5820.11.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
Bei einem minority freeze out handelt es sich um einen Missbrauch der beherrschenden Stellung oder auch der Geschäftsführungsbefugnis, der zu dem Ziel erfolgt, die Minderheit durch systematische Benachteiligung zum Austritt aus der Gesellschaft zu bewegen.157 Häufig setzt sich dieser aus einer Beeinträchtigung beider klassischer Elemente der Mitgliedschaft, der Verwaltungs- und Vermögensrechte, zusammen. Der Minderheitsgesellschafter wird von der Willensbildung in der Gesellschaft und von der Gewinnziehung ausgeschlossen oder jedenfalls bei Ausübung seiner Rechte und bei Geltendmachung seiner Ansprüche behindert.158 Notwendig ist dies hingegen nicht. Solange die Beeinträchtigung nicht unwesentlich ist, kann es genügen, dass nur eine Facette der Mitgliedschaftsrechte berührt wird, um Rechtsbehelfe des Minderheitsgesellschafters auszulösen.159 Daneben existieren gesetzliche Regelungen, die einen Interessenausgleich in den closely held corporations ermöglichen sollen (sog. safe harbor rules). Es lassen sich drei Ansätze unterscheiden: (1) Einige Staaten verfolgen den Ansatz, keine besonderen Vorschriften für closely held corporations zu erlassen, die bestehenden statutes aber im Lichte der rechtstatsächlichen Besonderheiten anzuwenden. (2) Demgegenüber bestehen in einer zweiten Gruppe von Staaten Vorschriften, die nur auf nicht-börsennotierte Gesellschaften Anwendung finden, etwa N. Y. Bus. Corp. Law § 620(c). (3) In Delaware schließlich greifen einzelne Vorschriften nur dann ein, wenn die betroffenen Gesellschaften sowohl bestimmte Voraussetzungen erfüllen und zugleich für einen Sonderstatus votieren, siehe Del. Gen. Corp. Law §§ 341–356.160 Die sich daran anschließende Frage lautet, ob neben diesen Bestimmungen auch die Grundsätze des Common Law zur Anwendung kommen; sie soll unter III. 6. beantwortet werden.
III.
Die Fiduciary Duties des Mehrheitsgesellschafters
Im US-amerikanischen Recht besteht, anders als im deutschen Recht, keine allgemeine, jeden Gesellschafter treffende Treuepflicht, deren konkreter Inhalt von den Umständen determiniert wird.161 Vielmehr hängt schon die Existenz einer Treue___________ 157 158 159
160 161
Dazu etwa Sugarman v. Sugarman, 797 F. 2 d 3 (1st cir. 1986). Ausführlich dazu die Darstellung bei Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1107–1119 (1999). So etwa Brenner v. Berkowitz, 634 A. 2 d 1019 (N. J. 1993), wo der Ausschluss des Minderheitsgesellschafters vom Board of Directors für oppression ausreichte. In Davis v. Sheerin, 754 S. W. 2 d 375 (Tex. App. 1988) entschied das Gericht, dass oppression auch ganz ohne eines der klassischen Elemente vorliegen könne, im vorliegenden Falle, wenn Mittel der Gesellschaft ausschließlich zum Vorteil des Mehrheitsgesellschafters Verwendung finden. Siehe dazu Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 256 seq. So lautet das Fazit von Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1135 (1999): “Generally, shareholders have no rights or obligations relative to the corporation or the other shareholders save those contained in their stock contracts.” Siehe aus der Rechtsprechung Freese v. Smith, 428 S. E. 2 d 841, 847 (N. C. Ct. App. 1993); vgl. auch Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, 2004, S. 152.
B. Bindungen der Gesellschafter durch Fiduciary Duties im US-amerik. Gesellschaftsrecht
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pflicht von den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere der Rechtsform der Gesellschaft, deren Realstruktur und der Stellung des einzelnen Gesellschafters ab. Verallgemeinert gesprochen lässt sich vorwegnehmen, dass einen kontrollierenden Gesellschafter aufgrund seiner Stellung in einer closely held corporation regelmäßig die Pflicht trifft, vor allem die Interessen der Mitgesellschafter, daneben reflexartig auch die der Gesellschaft162 berücksichtigen zu müssen.163
1. Vorüberlegung: Fiduciary Duties als Treuepflichten Das US-amerikanische Recht spricht im Zusammenhang mit den Pflichtenbindungen im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis von fiduciary duties, die ins Deutsche als „treuhänderische Pflichten“, aber auch als „Treuepflichten“ übersetzt werden können. Damit beginnt bereits bei der Übersetzung die vergleichende und interpretatorische Arbeit. Von „Treuhänderpflichten“ geht das deutsche Recht in Situationen aus, in denen ein Treuhänder eine Rechtsstellung ausschließlich im Fremdinteresse hält. Daran fehlt es im Verhältnis der Gesellschafter zueinander jedoch (regelmäßig), da diese, darauf wurde schon hingewiesen,164 mit ihrem Abstimmungsverhalten bei Gesellschafterbeschlüssen vornehmlich über die Verwendung des von ihnen selbst eingebrachten Vermögens befinden und daher insoweit auch Eigeninteressen wahrzunehmen berechtigt sind. Daher bestehen Rücksichtnahmepflichten gegenüber den Mitgesellschaftern, die nach gängigem Verständnis im deutschen Recht der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unterfallen.165 Soweit nicht weitere Umstände hinzutreten, kann nicht von einer echten Interessenwahrungspflicht ausgegangen werden, wie sie für ein treuhänderisches Verhältnis typisch ist.166 Dem entspricht die mitunter anzutreffende Kritik von US-amerikanischer Seite, wonach die Terminologie nicht zu der von den Gerichten angenommenen Pflichtbindung passe. Bei einer fiduciary duty handele es sich um die Pflicht, in uneigennütziger Weise ausschließlich im Interesse des Treuhänders zu handeln, was auf die Situation von Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter nicht passe, da auch ___________ 162
163 164
165
166
Siehe Jennings/Buxbaum, Corporations, 5th ed. 1979, p. 442, wonach (in Anlehnung an die deutsche Konzeption) die Interessen der Gesellschaft, die Interessen der “enterprise in and of itself“, losgelöst von denen ihrer Eigner, der “enterprise community“, zumeist keine Rolle spielen. Dazu auch Rankin v. Frebank Co., 47 Cal. App. 3 d 75 (Cal. App. 1975). Siehe O’Neal/Thompson, O’Neal’s Close Corporations, 3rd ed. 1987, § 8.08(3). Siehe unter A I. 3. Dort auch schon zur Kritik am Begriff der Treuepflicht, der ebenfalls wegen seiner Assoziation mit der Wahrnehmung von Fremdinteressen unglücklich gewählt erscheint. Da der Gesellschafter auch über das von ihm selbst eingebrachte Vermögen entscheidet und damit eigene Interessen wahrnimmt, fehlt es an der für ein Treuhänderverhältnis typischen Auseinanderfallen von äußerer Rechtsmacht und innerer Endberechtigung, dazu Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, 2004, S. 177 f.; Wiedemann, Minderheitsschutz und Aktienhandel, 1968, S. 7 f. Zu den Konstellationen, in denen ausnahmsweise echte Interessenwahrungspflichten bestehen, siehe Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 269 ff., und unter § 3 D. IV. 2.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
der Mehrheitsgesellschafter (legitime) Eigeninteressen verfolgen dürfe. Es handele sich daher nur um eine “duty to act fairly toward other shareholders“.167 Bei genauerer Analyse der Urteile zu den fiduciary duties der Gesellschafter zeigt sich, dass die Gerichte häufig nur eine Treuepflicht im Sinne einer Rücksichtnahme-, nicht einer darüber hinausgehenden Interessenwahrungspflicht zugrunde legen. Deutlich wird dies etwa in der Formulierung, die Mehrheit habe in gewissem Umfang das Recht zu selbstsüchtigem Eigentum, das mit der fiduciary duty zugunsten der Mitgesellschafter abgewogen werden müsse.168 In diese Richtung geht auch die Aussage, die Gesellschafter seien gehalten, “(. . .) to discharge the duties affecting their relationship in good faith with a view to furthering the interests of one another as to the matters within the scope of the relationship; (. . .) to not use their position, influence or knowledge respecting the affairs and organization that are subject to the relationship to gain any special privilege or advantage over the other person or persons involved in the relationship“.169 Für eine Gleichstellung der fiduciary duties mit Treuhänderpflichten spricht demgegenüber, dass etliche US-amerikanischen Gerichte die Pflichtbindungen des Mehrheitsgesellschafters aus einer Parallelwertung zu den Pflichten der Direktoren ableiten, da diese gehalten sind, ausschließlich im Interesse der Gesellschaft tätig zu sein und ihre duty of loyalty einer fiduciary duty gegenüber der Gesellschaft entspricht.170 Aufgrund seiner dominanten Stellung, die ihm ermöglicht, die ___________ 167
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Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q., 1099, 1104 seq. (1999); siehe auch Comment, in: 12B Fletcher Cyc. Corp. (2006), § 5820.11: “Although controlling shareholders are not fiduciaries in the strict sense, the general concepts of fiduciary law are useful in measuring the conduct of those in control, particularly in the context of a small closely held corporation”. Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976): “The majority, concededly, have certain rights to what has been termed ‘selfish ownership’ in the corporation which should be balanced against the concept of their fiduciary obligation to the minority”. Rosenthal v. Rosenthal, 543 A. 2 d 348 (Me. 1988). North American Catholic Educational Programming Foundation, Inc. v. Gheewalla, 930 A. 2 d 92 (Del. 2007); Reinhardt v. Owensboro Planting Mill Co., 215 S. W. 523, 524 (Ky. App. 1919): “Directors are bound to exercise nothing short of the uberrima fides of the civil law. They must not in any degree allow their official conduct to be swayed by their private interest or welfare, unless that interest be one they have in the good of the company in common with all the stockholders”; Perlman v. Feldmann, 219 F. 2 d 173 (2nd cir. 1955): “They must not, in any degree, allow their official conduct to be swayed by their private interest, which must yield to official duty. (. . .) The responsibility of the fiduciary is not limited to a proper regard for the tangible balance sheet assets of the corporation, but includes the dedication of his uncorrupted business judgment for the sole benefit of the corporation, in any dealings which may adversely affect it”; Chelrob, Inc. v. Barrett 57 N. E. 2 d 825 (NY 1944): “The directors of each corporation (. . .) may authorize corporate action (. . .) if in their considered opinion such action will promote the best interests of that corporation and is fair to it. That is a fiduciary obligation to the corporation and indirectly to its stockholders (. . .)”; siehe auch Jackson v. Ludeling, 22 L. Ed. 492 (U. S. 1874); Guth v. Loft, Inc., 5 A 2 d 503 (Del. 1939). Aus dem Schrifttum Cox/Hazen/O’Neal, Corporations, 1997, p. 251 seq.; Henn/Alexander, Laws of Corporations, 3rd ed. 1983, p. 652; DeMott, 1988 Duke L. J. 879. Die Beziehung von Director und Corporation wird als fiduciary relationship angesehen. Zu Definition
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Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen, wird der Mehrheitsgesellschafter zum Treuhänder der Gesellschaftsinteressen erhoben und auf die Interessen der Gesellschaft verpflichtet.171 Da er zugleich, ähnlich einem Direktor, auch die Mitgliedschaft seiner Mitgesellschafter beeinflussen kann, ist er überdies angehalten, auf deren Interessen Rücksicht zu nehmen.172 Dies geht auf die Grundsätze der equity zurück, wonach eine überlegene Stellung über einen anderen, der zur Ausübung seiner Rechte auf die überlegene Partei angewiesen ist, zur Rücksichtnahme verpflichtet, worauf die Gerichte mitunter hinweisen.173 Nach allem sind doch aus funktionaler Sicht die fiduciary duties der deutschen Pflicht zur Rücksichtnahme ähnlich. Da diese in der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht wurzelt, die gerade keine treuhänderische Bindung voraussetzt, sollen auch die US-amerikanischen fiduciary duties einheitlich als Treuepflichten bezeichnet werden.
2. Die Bedeutung von Rechtsform und Realstruktur der Gesellschaft für die Treuepflichten des Mehrheitsgesellschafters Es wurde schon darauf hingewiesen, dass es im US-amerikanischen Recht für die Geltung von Treuepflichten entscheidend auf die Rechtsform und Realstruktur der Gesellschaft ankommt. Nur in den partnerships werden generelle Treuepflichten angenommen, während deren Geltung in den corporations von der Realstruktur der Gesellschaft abhängt.
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und Inhalt derselben auch Knapp, Die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften und Directors von Corporations, 2004, S. 49 f. Brick Co. v. Remillard-Dandini Co., 109 Cal. App. 2 d 405 (Cal. App. 1952); Jones v. H.F. Ahmanson & Co., 460 P. 2 d 464 (Cal. 1969); sinngemäß Haldeman v. Haldeman et al., 197 S.W. 376 (Ky. App. 1917); Southern Pacific Co. v. Bogert, 250 U. S. 483 (US 1919); Jackson v. Ludeling, 22 L. Ed. 492 (U. S. 1874); Geddes v. Anaconda Copper Mining Co., 65 L.Ed. 425 (U. S. 1921). Lebold v. Inland S. S. Co., 82 F. 2 d 351 (7th cir. 1936): “Majority stockholders do not, by mere reason of the holdings, thereby become trustees for the minority stockholders under any and all situations. However, the circumstances may be such that equity will impose upon them the obligations of trustees because of their conduct. (. . . ) Stated otherwise, the action of the majority must be fair to the corporation, and to all stockholders thereof, for the majority becomes in effect the corporation itself and charged with the trust obligations thereof.” So auch Ervin v. Oregon Ry. & Nav. Co. (C. C.), 27 F. 625 (C. C. N. Y. 1886). Siehe etwa Southern Pac. Co. v. Bogert, 250 U. S. 483, 487 seq. (US 1919): “ (. . .) The rule of corporation law and of equity invoked is well settled and has been often applied. The majority has the right to control; but when it does so, it occupies a fiduciary relation toward the minority, as much so as the corporation itself or its officers and directors.” Siehe auch Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, 2004, S. 156–159.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
a) Konzeptionelle Unterschiede von Partnerships und Corporations Die unterschiedliche Rechtslage in partnerships und corporations hängt mit deren unterschiedlicher Konzeption und, daraus abgeleitet, den andersartigen Verhältnissen der Gesellschafter untereinander zusammen. In general partnerships sind alle Partner zur Geschäftsführung berufen.174 Im Innenverhältnis bedürfen Entscheidungen über gewöhnliche Geschäftsvorgänge (ordinary matters connected with the partnership business) der einfachen Stimmenmehrheit, während außergewöhnliche Maßnahmen, die sich außerhalb des Üblichen bewegen oder gar den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages widersprechen, dem Einstimmigkeitserfordernis unterliegen. Im Außenverhältnis kann hingegen jeder Gesellschafter die Gesellschaft und seine Mitgesellschafter auch in diesen Angelegenheiten berechtigen und verpflichten.175 Gewinne werden pro Kopf verteilt und keine Gehälter für die Geschäftsführung bezahlt.176 Der Beitritt eines neuen Partners und daher die Veräußerung der Beteiligung an einen Interessenten bedarf der Zustimmung aller Partner. Partnerships werden entweder auf bestimmte Zeit eingegangen und mit Ablauf dieser Zeitspanne aufgelöst oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. In letzterem Fall kann jeder Partner jederzeit die Auflösung verlangen. Sich von der Beteiligung zu trennen, fällt dem Partner daher leicht. Er kann ohne Angabe von Gründen die Beendigung der Zusammenarbeit in der partnership betreiben. Dies führt entweder zur Auflösung (wind up) oder zu seinem Ausscheiden gegen Abfindung (buy out).177 Die corporations unterscheiden sich von den partnerships konzeptionell grundlegend. In ihnen obliegt die Geschäftsführung den Direktoren. Dividende wird pro rata bezahlt, die Anteile sind frei veräußerlich, und die Auflösung der regelmäßig auf unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft ist von hohen Voraussetzungen abhängig. Häufig ist der Minderheitsgesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen, was sich insbesondere dann als misslich erweist, wenn der Gewinn der Gesellschaft überwiegend über Vergütungen an die Direktoren (in Form von Gehältern, Boni oder Altersvorsorgeplänen), weniger über Dividenden verteilt wird.178 ___________ 174
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§ 9 (1) UPA, § 301 (1) RUPA. Zu diesen im Folgenden aufgeführten Grundsätzen Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, S. 325– 327; ibid, The Structure of the Corporation, 1976, p. 10 seq.; Knapp, Die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften und Directors von Corporations, 2004, S. 44–47. § 18 (e) UPA. § 18 (a) UPA, § 401 (b) RUPA. § 31 UPA; §§ 602, 701 RUPA (1997); zur Abgrenzung von Auflösung und Ausscheiden Creel v. Lilly, 729 A. 2 d 385 (App. Md. 1999); Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 84–87; Karjala, 73 WASH. U. L. Q. 455, 466 (1995), dort auch zu den Folgen, wenn dies zur Unzeit geschieht. Dass dies häufig vorkommt, illustriert Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976); ausführlich dazu Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q., 1099, 1108–1111 (1999). Siehe zu diesen und anderen typischen Konfliktszenarien die Darstellung von Rock/Wachter, 24 J. Corp. L. 913, 914–916 (1999).
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Diese Grundsätze sind nicht (gänzlich) zwingend, vielmehr handelt es sich teilweise um default rules, von denen die Gesellschafter durch anderweitige Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag abweichen können. Als allgmeine Regel gilt, dass in den partnerships individuelle Regelungen sehr weitgehend, in den corporations hingegen nur eingeschränkt vereinbart werden können, dabei in den closely held in stärkerem Maße als in den publicly held corporations. So gestattet etwa Delaware in Del. Gen. Corp. Law § 343, dass Gesellschaften, die nach der Definition in § 342 als closely held gelten, einen entsprechenden Status als closely held corporation wählen können, der ihnen nach den Bestimmungen in Subchapter XIV größere Vertragsfreiheit gewährt.179 b) Treuepflichten in der partnership Für die partnership ist die grundlegende Empfehlung in RUPA (1997) § 404 enthalten, wonach die duty of loyalty gegenüber der partnership und den Partnern einen Bestandteil der Mitgliedschaft darstellt.180 Hintergrund ist die Überlegung, dass sich regelmäßig nur ein kleiner Kreis von Partnern zu partnerships zusammenschließt, um im persönlichen Einvernehmen und Vertrauen auf die Fähigkeiten der anderen gemeinsam eine Geschäftsidee zu verfolgen. Diese Treuepflicht wird als eine finest loyalty aufgefasst, die in einen hohen Verhaltensstandard (honor the most sensitive) mündet.181 Die Partner schulden sich gegenseitig the utmost good faith and loyalty182 und sind gehalten, die Interessen der anderen in weitaus stärkerem Maße zu berücksichtigen, als dies in (sonstigen) Vertragsbeziehungen der Fall ist, da dort von einem Geschäft at arms’ length auszugehen ist und das vertragsrechtliche Gebot des good faith and fair dealing den Vertragspartnern vergleichsweise geringe Rücksichtnahmepflichten auferlegt.183 Einschränkungen ergeben sich durch die business judgment rule bei Geschäftsführungsmaßnahmen.184 Darüber hinaus befürwortet eine Ansicht eine weitgehende Gestaltungsfreiheit dahin, die Treuepflichten durch partnership agreement lockern oder ganz ausschließen zu können.185 Die überwiegende Ansicht steht dem ablehnend gegenüber und versteht ___________ 179 180 181 182 183 184 185
Näher dazu unter 7. Eine entsprechende Möglichkeit gewährt auch § 158 Cal. Corp. Code. Die im Folgenden dargestellten Grundsätze gelten auch in der Limited Liability Partnership (LLP), dazu Meinhardt, 40 Wash. L. J., 289, 307 (2001). So Meinhard v. Salmon, 164 N. E. 545 (N. Y. 1928): “Not honesty alone, but the punctilio of an honor the most sensitive, is then the standard of behavior”. Cardullo v. Landau, 105 N. E. 2 d 843 (Mass. 1952); Meinhard v. Salmon, 164 N. E. 545 (N. Y. 1928); siehe auch Johnson v. Peckham, 120 S. W. 2 d 786 (Tex. 1938). Knapp, Die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften und Directors von Corporations, 2004, S. 45; ausführlich Brudney, 38 B. C. L. Rev. 595, 607–610 (1997). Bane v. Ferguson, 890 F. 2 d 11 (Ct. App. 7th cir. 1989). Singer v. Singer, 634 P. 2 d 766 (Okla. App.1981): “We find the defendants had a contract right to do precisely what they did (. . .). Paragraph 8 is designed to allow and is uniquely drafted to promote spirited, if not outright predatory competition between the partners. Its strong wording leaves no doubt in our minds that its drafters intended to effect such a result. (. . .) We construe it to legitimize and extend free competition between the partners to partnership prospects and opportunities (. . .)”.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
die Treuepflichten der Partner als zwingenden Bestandteil der eingegangenen Verbindung.186 c) Treuepflichten in der close corporation Aus der personellen Trennung von Beteiligung und Geschäftsführung und der Möglichkeit, die Dividende auszuschließen oder knapp zu halten und stattdessen hohe Vergütungen an die Geschäftsführer zu bezahlen, resultiert die besondere Anfälligkeit der Minderheitsgesellschafter einer close corporation für missbräuchliche Praktiken der Mehrhreit.187 Eine (systematische) Benachteiligung durch den Mehrheitsgesellschafter (oppression by the majority) wird möglich, wenn dieser in der Funktion eines Direktors, durch Weisungsrechte an die Direktoren oder auch nur faktisch durch seinen Einfluss in der Gesellschaft die Geschäftsführung kontrolliert. Auch fällt es den Minderheitsgesellschaftern schwer, sich von ihrer Beteiligung zu trennen, da es, anders als in einer publicly held corporation, häufig an einem (funktionierenden) Markt für ihre Beteiligung fehlt. Die Auflösung der Gesellschaft zu betreiben, scheitert an den hierzu erforderlichen Voraussetzungen, da es einer Beschlussmehrheit von jedenfalls 50% der Gesellschafter und häufig zusätzlich eines entsprechenden Willensaktes durch die Direktoren bedarf.188 ___________ 186 187
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Hamilton, Corporations including Partnerships an Limited Liability Companies, Cases and Materials, 7th ed. 2001, p. 82 (m. w. N.). Darunter wird gängigerweise eine Gesellschaft verstanden, die eine geringe Zahl von Gesellschaftern besitzt, deren Anteile nicht an einem geregelten Markt gehandelt werden und bei der ein Mehrheitsgesellschafter einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung besitzt. Siehe etwa Donahue v. Rodd Electrotype Co., 328 N. E. 2 d 505 (Mass. 1975); Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 325; Moll, 53 Vand. L. Rev. 749, 756 seq. (2000); Rock/Wachter, 24 J. Corp. L. 913, 914 seq. (1999): “there are few shareholders; no public market for the shares; and a substantial overlap between suppliers of capital and suppliers of labor.” Teilweise sind die Voraussetzungen auch gesetzlich bestimmt, so in Cal. Corp. Law § 158: (A) “Close corporation” means a corporation whose articles contain, in addition to the provisions required by Section 202, a provision that all of the corporation’s issued shares of all classes shall be held of record by not more than a specified number of persons, not exceeding 35, and a statement “This corporation is a close corporation”. In Del. Gen. Corp. Law § 342 wird die close corporation durch zwei Vorausetzungen bestimmt: “A close corporation is a corporation organized under this chapter whose certificate of incorporation contains the provisions required by § 102 of this title and, in addition, provides that: (1) All of the corporation’s issued stock of all classes shall be represented by certificates and shall be held of record by not more than a specified number of persons, not exceeding 30; and (2) All of the issued stock of all classes shall be subject to 1 or more of the restrictions on transfer permitted by § 202 of this title; and (3) The corporation shall make no offering of any of its stock of any class which would constitute a “public offering” within the meaning of the United States Securities Act of 1933”. Siehe zu den Voraussetzungen einer dissolution Cal. Corp. Code § 1900(a); Del. Gen. Corp. Law § 275; M. B. C. A. §§ 14.02, 14.03; Rock/Wachter, 24 J. Corp. L. 913, 921 (1999). Zu dem Dilemma der Minderheitsgesellschafter Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976); Donahue v. Rodd Electrotype Co., 328 N. E. 2 d 505 (Mass. 1975); In re Kemp v.Beatley, Inc., 473 N. E. 2 d 1173, 1178 (N. Y. 1984); Sugerman v. Sugarman, 797 F. 2 d 3 (1st Cir. 1986). Aus der Literatur Moll, 53 Vand. L. Rev. 749, 790
B. Bindungen der Gesellschafter durch Fiduciary Duties im US-amerik. Gesellschaftsrecht
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Der Minderheitsgesellschafter einer closely held corporation ist daher auf wirksame Schutzmechanismen besonders angewiesen.189 Ein verbreiteter Lösungsansatz der Gerichte besteht darin, die Treuepflichten des Mehrheitsgesellschafters in einer closely held corporation mit denen der Partner einer partnership gleichzusetzen.190 Das Argument lautet, die closely held corporation sei nichts weiter als eine incorporated oder chartered partnership. In beiden Rechtsformen hänge das Gelingen des vereinbarten Zwecks von Loyalität, Vertrauen und Verlässlichkeit unter den Gesellschaftern ab.191 Auch in der corporation sollen daher Treuepflich___________
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(2000); Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 451; Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 447 seq.; Meinhardt, 40 Wash. L. J. 289, 294 (2001); Rock/Wachter, 24 J. Corp. L. 913, 916 seq. (1999): “ (T)he close corporation is the functional equivalent of the partnership (. . .). The problem with close corporation law (. . .) is that despite this functional equivalence, shareholders cannot exit their investment as easily as partners who always have the power to trigger a buyout by dissolving the partnership by the express will of any partner at any time. (. . .) (T)he difficulty of exit is a flaw in the legal structure (. . .). (A) proposed solution is legislation that provides shareholders of close corporations with the same exit option that partners classically possess.” Zusammenfassend dazu Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q., 1099, 1103 (1999). Donahue v. Rodd Electrotype Co., 328 N. E. 2 d 505 (Mass. 1975). Zu Umständen, die für und gegen die Entwicklung von Konflikten in close corporations sprechen, auch Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, p. 229 seq. Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976); Donahue v. Rodd Electrotype Co., 328 N. E. 2 d 505 (Mass. 1975): “Stockholders in the close corporation owe one another substantially the same fiduciary duty in the operation of the enterprise that partners owe to one another”. Folgend Sugerman v. Sugarman, 797 F. 2 d 3 (1st Cir. 1986). Nach Rosenthal v. Rosenthal, 543 A. 2 d 348 (Me.1988) schulden sich die Gesellschafter einer closely held corporation 4 Pflichten: (1) To act with that degree of dilligence, care and skill which ordinarily prudent persons would exercise under similar circumstances in like positions; (2) To discharge the duties affecting their relationship in good faith with a view to furthering the interests of one another as to the matters within the scope of the relationship; (3) To disclose and not withhold from one another relevant information affecting the status and affairs of the realtionship; (4) To not use their position, influence or knowledge respecting the affairs and organization that are subject to the relationship to gain any special privilege or advantage over the other person or persons involved in the relationship. So auch in Perlman v. Feldmann, 219 F. 2 d 173 (2nd Cir. 1955): “Both as director and as dominant stockholder, Feldmann stood in a fiduciary relationship to the corporation and to the minority stockholders as beneficiaries thereof”. Die Pflichten als Direktoren “(. . . ) should apply to his fiduciary duties as majority stockholder, for in that capacity he chooses and controls the directors, and thus is held to have assumed their liability.” Siehe auch Walta v. Gallegos Law Firm, P. C., 40 P.3 d 449 (N. M. Ct. App. 2001). Für eine Zwei-Mann-Gesellschaft Helms v Duckworth, 249 F. 2 d 482 (U. S. App. D. C. 1957): “In an intimate business venture (. . .), stockholders of a close corporation occupy a position similar to that of joint adventures and partners.” In diesem Sinne auch Kruger v. Gerth, 210 N. E. 2 d 355, 356 (N. Y. 1965): “Such small corporations, being really partnerships between two or three people who contribute their capital, skills, experience and labor should be treated by a court of equity as partnerships in many respects. (. . .) Here the relationship between the shareholders is very much akin to that which exists between partners or joint venturers. (. . .) On this analysis, they become not only entitled to the benefits of the re-
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
ten im Sinne einer finest loyalty bestehen, die, ganz wie in der partnership, den Verhaltensstandard eines honor the most sensitive bedingen.192 Auch die Gesellschafter der closely held corporation schulden sich danach gegenseitig the utmost good faith and loyalty.193 Diese Grundsätze haben breite Anerkennung erfahren,194 nicht jedoch in Delaware, worauf unter 6. einzugehen sein wird. Auch unter dem Gesichtspunkt der ökonomischen Analyse des Rechts werden Einwände erhoben. Die Grundsätze der partnership auf die corporation zu übertragen, bedeute, den grundlegenden Unterschied, der von den Gesellschaftern der corporation doch gerade als elementar bewertet wurde, zu missachten. Ausgangspunkt jeder Überlegung müsse stets der hypothetische Wille der Parteien bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages sein. Aus diesem ergebe sich jedoch gerade, dass die Parteien eine corporation, nicht eine partnership gründen wollten. Daher sei es ausgeschlossen, der partnership eigentümliche Besonderheiten auf die corporation anzuwenden, etwa, sich jederzeit von dem eingegangenen Investment lösen zu können.195 Ein Austrittsrecht, wie in der Donahue-Entscheidung postuliert,196 erweise sich als erheblicher Kostenfaktor für die Gesellschaften, da die beständige Gefahr des Kapitalabzugs von den Gläubigern negativ bewertet werde.197 ___________ 192
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lationship but equally subject to its burdens, including the power of a court of equity to dissolve the venture and, in so doing, to impose terms”. Für Partnerships Meinhard v. Salmon, 164 N. E. 545 (N. Y. 1928): “Not honesty alone, but the punctilio of an honor the most sensitive, is then the standard of behavior”; für closely held corporations Donahue v. Rodd Electrotype Co., 328 N. E. 2 d 505 (Mass. 1975). Für die partnership Cardullo v. Landau, 105 N. E. 2 d 843 (Mass. 1952); Meinhard v. Salmon, 164 N. E. 545 (N. Y. 1928). So die Bewertung von Hamilton, Corporations including Partnerships and Limited Liablity Companies, Cases and Materials, 7th ed. 2001, S. 447; Moll, 53 Vand. L. Rev. 749, 791 (2000): “Protecting the value of the close corporation shareholders’ investment (. . . ) should be understood as the focus of the shareholder oppression doctrine. Just as the market protects the value of the public corporation shareholders’ investment, the oppression doctrine should protect the value of the close corporation shareholders’ investment”; die allgemeine Zustimmung berichtend, selbst jedoch dezidiert ablehnend Rock/Wachter, 24 J. Corp. L. 913, 915– 917 (1999). Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, p. 228–252. Donahue v. Rodd Electrotype Co., 328 N. E. 2 d 505 (Mass. 1975). Rock/Wachter, 24 J. Corp. L. 913, 920 (1999): “A legal rule favoring easy exit threatens to shift the engine for raising new money into reverse, forcing capital to be retired under unfavorable conditions. Similarly, the lock-in of the corporate form is important to creditors. In a setting of limited liability, creditors cannot be repaid from the individual wealth of the owners of a bankrupt company. In return, and in distinction to the rules of partnership, they are protected by the existence of an entity that is difficult to dissolve by the current owners. It is only with this protection that the squabbles among those who manage the company will be of limited interest to the creditors. (. . .) In such a setting, easy dissolution or buyout increases the risk of bankruptcy, thereby reducing the creditworthiness of the company. The traditional judicial reluctance to order dissolution or a buyout of minority shareholders lowers the credit risk of close corporations and allows them to borrow at more favorable terms”.
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Zutreffend an dieser Kritik ist sicherlich, dass die Interessen der Minderheitsgesellschafter nicht einseitig durchgesetzt und hierdurch die Gesellschaftsinteressen beeinträchtigt werden dürfen. Auf diese Bedenken hat die Rechtsprechung in den USA jedoch bereits breitflächig reagiert. Wie zu zeigen sein wird, kann von einem die Gesellschaftsinteressen beeinträchtigenden Diktat der Minderheit nicht einmal unter der im Vergleich zu Delaware minderheitsfreundlichen Rechtsprechung in Massachusetts die Rede sein (dazu sogleich unter 3.). Umgekehrt wird zu Recht auf ein ökonomisches Gegenargument hingewiesen, wonach sich die Kapitalaufbringungskosten der Gesellschaft erheblich verteuern, wenn die Bereitschaft der Minderheitsgesellschafter, Kapital zur Verfügung zu stellen, wegen fehlender Schutzmechanismen in der closely held corporation sinkt.198 Inhaltlich haben die Gerichte nicht nur die Mehrheitsmacht beschränkt, sondern zugleich auch die Rechte der Minderheitsgesellschafter um Positionen erweitert, die regelmäßig nur den Partnern einer partnership zustehen. Beispielsweise kann der Gesellschafter einer closely held corporation in misslicher Lage auch unterhalb der 50%-Schwelle die Auflösung der Gesellschaft beschließen.199 Umgekehrt kann dem Mehrheitsgesellschafter im Extremfall untersagt sein, die Gesellschaft aufzulösen, obwohl er über die dafür erforderliche Mehrheit verfügt.200 Außerdem wird mit der Treuepflicht auch ein Anspruch des Gesellschafters auf Gleichbehandlung begründet. Erwirbt die Gesellschaft eigene Anteile von ihrem Mehrheitsgesellschafter, muss sie auch den Minderheitsgesellschaftern die Möglichkeit geben, einen identischen Anteil ihrer Beteiligung zu gleichen Konditionen an die ___________ 198
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Wiederum Rock/Wachter, 24 J. Corp. L. 913, 930 (1999). Zu diesem Argument außerdem schon oben unter § 1 A. Insoweit auch nochmals der Hinweis auf Bayer, in: Hommelhoff/ u. a., Corporate Governance, 2002, 137, 139; Fischer, in: Minderheitsschutz bei deutschen Kapitalgesellschaften, 1967, S. 59, 67; Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 114. So etwa, auf Auflösung der Gesellschaft zu klagen, wenn diese ihre Geschäftstätigkeit nicht mehr wirksam ausüben kann und ihr Zweck daher tatsächlich nur noch darin besteht, das Gesellschaftskapital dadurch aufzubrauchen, dass dem Mehrheitsgesellschafter sein (überhöhtes) Gehalt als Direktor bezahlt wird, siehe Kruger v. Gerth 263 N. Y. S. 2 d 1 (N. Y. 1965). In re Security Finance Co., 317 P. 2 d 1 (Cal. 1957). Das Gericht urteilte, die Mehrheit könne daran gehindert sein, die Gesellschaft aufzulösen, auch wenn die Voraussetzungen für eine Auflösung (hier nach Cal. Corp. Code § 4600 a. F., jetzt § 1900) gegeben sind. Zwar gebe es kein über die Gesellschafterinteressen hinausgehendes Gesellschaftsinteresse an ihrem Bestand, doch könne die Auflösung im Interesse der Mitgesellschafter “equitable limitations“ unterliegen. Zugleich ist nicht zu übersehen, dass die Entscheidung in den USA als “outsider“ gilt. Zu den Grundsätzen einer involuntary dissolution nach Cal. Corp. Code § 1800 Stuparich v. Harbor Furniture Manufacturing, Inc. 100 Cal. Rptr. 2 d 313 (Cal. App. 2000); zu diesem Urteil Buxbaum/McGinsey, 23 Cal. Bus. L. Rep. 9 seq. (2001). Zu den Grundsätzen einer Entscheidung, die es der Mehrheit erlaubt, die Gesellschaft aufzulösen, es sei denn, das gewünschte Resultat kann auch auf minderheitssensiblere Weise erreicht werden, Jones v. Ahmanson & Co., 460 P. 2 d 464, 473 (Cal. 1969).
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
Gesellschaft zu veräußern. Für die praktische Verwirklichung hat der die Geschäfte leitende Mehrheitsgesellschafter Sorge zu tragen.201 Besonders aufmerksam wachen die Gerichte auch darüber, dass die Gesellschafter bei der Gewinnverteilung gleich behandelt werden, wobei es auf den Verteilungsmodus in der jeweiligen Gesellschaft ankommt. Soweit etwa die Gewinnverteilung über das Gehalt als Geschäftsführer erfolgt, darf ein Gesellschafter nicht willkürlich abberufen und sein Gehalt einbehalten werden.202 Dieser gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wurde vom Massachusetts Supreme Court dahingehend fortentwickelt, eine Gleichbehandlung nicht schrankenlos einzufordern, sondern Ungleichbehandlungen im Gesellschaftsinteresse zuzulassen.203
3. Verletzung der Treuebindung in der Closely Held Corporation: Majority and Minority Perspective Um eine Unterdrückung der Minderheit (oppression of the minority) und damit einen Verstoß gegen die Treuepflichten in der closely held corporation festzustellen, folgen die Gerichte unterschiedlichen Ansätzen. Dabei lassen sich zwei wesentliche Strömungen ausmachen, die als Mehrheitsperspektive (majority perspective) und Minderheitsperspektive (minority perspective) bezeichnet werden können. Die Mehrheitsperspektive bewertet das Verhalten des Mehrheitsgesellschafters. Dieser ist danach gehalten, bei seinem Handeln auf die Wirkungen für die Minderheitsgesellschafter Rücksicht zu nehmen und im Ansatz nachteilige Wirkungen für diese zu vermeiden. Nachteilige Maßnahmen sind gleichwohl erlaubt, wenn sie durch berechtigte Interessen der Gesellschaft gerechtfertigt sind. Soweit eine Maßnahme verspricht, sich auf die Gesellschaft erfolgssteigernd auszuwirken, kann sich die Minderheit ihr nicht entgegen stellen.204 Liefert etwa der Minderheitsgesellschafter als Direktor einer closely held corporation keine zufriedenstellende ___________ 201
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Donahue v. Rodd Electrotype Co., 328 N. E. 2 d 505 (Mass 1975); anders noch Ryder v. Bamberger, 172 Cal. 791 (Cal. 1916): (A majority shareholder possesses) “the perfect right to dispose of their stock (. . .) without the slightest regard to the wishes and desires or knowledge of the minority stockholders.” Eine derartige Gleichbehandlung wurde von anderen Gerichten abgelehnt, insbesondere vom Delaware Supreme Court in Nixon v. Blackwell, 626 A. 2 d 1366 (Del. 1993); daneben auch in Toner v. Baltimore Envelope Co., 498 A. 2 d 642 (App. Md. 1985); Sundberg v. Lampert Lumber Co., 390 N. W. 2 d 352 (Minn. App. 1986), mit der Begründung, es handele sich nicht um eine close corporation im Sinne der Begriffsbestimmung von Minnesota. Ablehnend i. E. auch Delahoussaye v. Newhard, 785 S. W. 2 d 609 (Mo. App. 1990). Aus der Literatur siehe Cox/Hazen/O’Neil, Corporations, 1997, p. 252 seq. Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N. E. 2 d 657, 662–664 (Mass. 1976). Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N. E. 2 d 657, 663 (Mass. 1976). Dazu sogleich näher unter 3. Crosby v. Beam, 548 N. E. 2 d 217, 221 (Ohio 1989); Zidell v. Zidell, Inc., 560 P. 2 d 1086, 1089 (Or. 1977).
B. Bindungen der Gesellschafter durch Fiduciary Duties im US-amerik. Gesellschaftsrecht
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Arbeit ab, liegt es im Interesse der Gesellschaft, dass er ersetzt wird.205 Für Dividendenzahlungen gilt, dass sie ausbleiben dürfen, wenn ein plausibler Grund im Gesellschaftsinteresse dafür spricht, Gewinne nicht auszuschütten.206 Die Minderheitsperspektive beurteilt den Konflikt von der entgegengesetzten Warte aus. Der Mehrheitsgesellschafter verletzt seine Treuepflichten, wenn er den Minderheitsgesellschafter in dessen rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt. Diese Interessen werden aus einer ex ante-Perspektive bestimmt. Entscheidend ist, welche Rechtsstellung der Minderheitsgesellschafter zum Zeitpunkt seines Beitritts zur Gesellschaft erwarten durfte. Die Gerichte ermitteln, welchen Inhalt seine Beteiligung nach dem Willen aller Gesellschafter (zum Gründungs- oder Beitrittszeitpunkt) besitzen sollte.207 Dabei umfassen die Interessen des Minderheitsgesellschafters regelmäßig das, was häufig als „traditionelle“ Gesellschafterrechte verstanden wird, insbesondere das Recht zur Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, das Stimmrecht (etwa das Recht auf cumulative voting208), den Zugang zu Verwaltungspositionen in der Gesellschaft, das Recht auf Information, insbesondere über die Finanzsituation der Gesellschaft, sowie das Recht auf Dividende.209 ___________ 205
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Priebe v. O’Malley, 623 N. E. 2 d 573 (Ohio Ct. App. 1993). Der Mehrheit soll dabei sogar der Vorteil des Zweifels zugute kommen, wenn die Kompetenz des Minderheitsgesellschafters als Direktor zweifelhaft ist. In einer solchen Konstellation könne nicht von einem “freeze out” ausgegangen werden, Ueltzhoffer v. Fox Fire Development Co., No. 9871, 1991 Del. Ch. LEXIS 204 (Del. Ch. 1991). Zidell v. Zidell, Inc., 560 P sd 1086, 1089 (Or. 1977). Meiselman v. Meiselman, 307 S. E. 2 d 551, 563 (N. C. 1983): “(. . .) we hold that a complaining shareholder’s ‘rights or interests’ in a close corporation include the ‘reasonable expectations’ the complaining shareholder has in the corporation. These (. . .) are to be ascertained by examining the entire history of the participants’ relationship. That history will include the ‘reasonable expectations’ created at the inception of the participants’ relationship; those ‘reasonable expectations’ as altered over time; and the ‘reasonable expectations’ which develop as the participants engage in a course of dealing in conducting the affairs of the corporation. The interests and views of the other participants must be considered in determining ‘reasonable expectations’. (. . .) In order for (. . .) expectations to be reasonable, they must be known to or assumed by the other shareholders and concurred in by them. Privately held expectations which are not made known to the other participants are not ‘reasonable’. Only expectations embodied in understandings, express or implied, among the participants should be recognized by the court.” In re Kemp & Beatley, Inc., 473 N. E. 2 d 1173, 1179 (N. Y. 1984): “Oppression should be deemed to arise (. . .) when the majority conduct substantially defeats expectations that, objectively viewed, were both reasonable under the circumstances and were central to the petitioner’s decision to join the venture”. Verpflichtend ist das cumulative voting in Kalifornien mit Ausnahme von börsennotierten Gesellschaften, Cal. Corp. Code § 708 (Regel), § 301.5(a) (Ausnahme). In den meisten Staaten kann es durch gesellschaftsvertragliche Bestimmung eingeführt werden, so in Delaware nach Del. Gen. Corp. Law § 214. Dies sieht auch RMBCA § 7.28 vor. Zu einer Übersicht über die Regelungen in den 50 Staaten Gordon, 94 Columb. L. Rev. 124, 181 seq. (1994). Näher zur Rechtslage in den USA und dem optionalen cumulative voting in der Schweiz Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaften, 2000, S. 190 ff. Zum Grundsatz und zur Aufzählung einzelner Positionen Meiselman v. Meiselman, 307 S. E. 2 d 551, 565 (N. C. 1983).
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
Eine oppression, gegen die der Minderheitsgesellschafter vorgehen kann, liegt schon dan vor, wenn seine auf diese Art bestimmten Interessen beeinträchtigt werden. Sein eigener Verursachungsbeitrag sowie die berechtigten Interessen der Gesellschaft finden demgegenüber keine Beachtung.210 Damit erweist sich jede Abweichung von der intendierten Ausgestaltung der Minderheitsbeteiligung als unzulässiger Eingriff, der aus Sicht der strengen Minderheitsperspektive nicht gerechtfertigt werden kann. Eine von der Mehrheit getragene Maßnahme kann daher auch dann nicht gegen den Willen der Minderheit durchgesetzt werden, wenn sie im Interesse der Gesellschaft liegt. Das Argument dafür lautet, dass sich ein Minderheitsgesellschafter niemals darauf eingelassen hätte, dass die von ihm vorausgesetzte Art seiner Beteiligung gegen seinen Willen verändert werden kann.211 Daher muss er auch lediglich nachweisen, dass ihm nach dem Willen aller Gesellschafter eine bestimmte Rechtsposition eingeräumt und erhalten werden sollte, etwa die Gelegenheit, in der Gesellschaft mitzuarbeiten und hierdurch zumindest einen Teil seines Lebensunterhaltes zu verdienen. Gelingt dies, bestimmt das Gericht, auf welche Weise seine Interessen gewahrt werden können (zu den Rechtsfolgen von Treuepflichtverletzungen noch ausführlich unter 7.).212 Im Ergebnis kann jeder der beiden Ansätze zu einer einseitigen Bevorzugung einer der beteiligten Gruppen führen.213 Das ist bei der Minderheitsperspektive offensichtlich, die zu einem verbandsschädlichen Gesellschafteregoismus führen kann, der (aus deutscher Sicht) mit der Verpflichtung jedes Gesellschafters auf die Interessen des Verbandes unvereinbar ist. Der Mehrheitsperspektive, die diesem Grundsatz Rechnung trägt, ist vorzuwerfen, dass sie Gefahr läuft, schwere Eingriffe in die Rechte der Minderheit zuzulassen, solange nur irgendein Gesellschaftsinteresse dafür streitet. Wiederum aus deutscher Sicht gesprochen vernachlässigt sie daher den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Zweck und Mittel. Diese Bedenken werden von etlichen Gerichten geteilt, die daher die skizzierten Ansätze nur unter Einschränkungen anwenden. Eine Methode, die man als „modifizierte Minderheitsperspektive“ bezeichnen könnte,214 lässt die Minderheit beeinträchtigende Maßnahmen zu, wenn sie auf ein für die Gesellschaft nachteiliges Verhalten der Minderheit zurückzuführen sind, namentlich Fehlverhalten und, vor ___________ 210
211 212 213 214
Balvik v. Sylvester, 411 N. W. 2 d 383, 384 (N.D. 1987): ”We find little relevance in whether (the majority shareholder) discharged (the minority shareholder) from employment for cause (. . .). The ultimate effect of these actions is that (the minority shareholder) clearly has been frozen out of a business in which he reasonably expected to participate.” Diese Entscheidung steht damit in offenem Gegensatz zur Entscheidung Priebe v. O’Malley, 623 N. E. 2 d 573 (Ohio App. 1993). Siehe auch In re Topper, 433 N. Y. S. 2 d 359, 362 (N. Y. Sup. Ct. 1980); McCallum v. Rosen’s Diversified, Inc., 153 F.3 d 701 (US Ct. App. 8th cir. 1998). Moll, 53 Vand. L. Rev. (2000) 749, 826. Meiselman v. Meiselman, 307 S. E. 2 d 551, 562 (N. C. 1983). Siehe etwa zu den unterschiedlichen Ergebnissen, zu denen derselbe Fall nach dem einen oder anderen Ansatz führen kann, Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q., 1099, 1121 seq. (1999). Zugleich sei betont, dass es sich hierbei um eine freie Begriffsschöpfung handelt, die sich nirgends im US-amerikanischen Recht findet.
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allem bei Beschäftigung des Minderheitsgesellschafters als Direktor, Inkompetenz (misconduct or incompetence).215 Außerdem werden beide Ansätze in sinnvoller Weise von den Gerichten kombiniert, die zugleich die Notwendigkeit eines wirkungsvollen Minderheitsschutzes und die Gefahren einer übermäßigen Beschränkung der Mehrheitsherrschaft erkennen. Der Supreme Court von Massachusetts betont, die Pflicht, auf die Minderheitsgesellschafter Rücksicht zu nehmen, dürfe nicht dazu führen, dass die Gesellschaft nicht mehr effektiv geführt werden könne. Die Begründung spricht wesentliche Gesichtspunkte an: Es liege im Interesse aller Beteiligten, dass die Gesellschaft effektiv geleitet werde. Außerdem habe auch der Mehrheitsgesellschafter durchaus ein Recht auf eigennützige Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte (selfish ownership). Die Lösung dieses Konfliktes sieht das Gericht in einem Ausgleich (balance) der Interessen.216 Auch andere Gerichte differenzieren danach, ob der Mehrheitsgesellschafter legitime Gründe im Gesellschaftsinteresse (legitimate business purposes) vorbringen kann.217 Teilweise wird dabei ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt (large measure of discretion), etwa bei der Frage, ob Dividende ausgeschüttet wird, ob Umstrukturierungen vorgenommen oder Unternehmensbeherrschungen begründet werden sollen, ebenso bei der Bestimmung der Gehälter der Direktoren wie auch bei deren Ernennung und Entlassung.218 Dabei ist auch die bisherige Übung in der Gesellschaft als wesentlicher Faktor zu berücksichtigen.219 Ist nach diesen Grundsätzen ein legitimes Interesse an der Maßnahme anzuerkennen, obliegt dem Minderheitsgesellschafter der Gegenbeweis, dass dem verfolgten Interesse auch auf andere, auf die Minderheitsinteressen schonender wirkende Weise Rechnung getragen werden kann.220 Das Gericht hat sodann über die Praktikabilität dieser Alternative zu entscheiden.221 Diese Rechtsprechung verfolgt einen konsequenten Ansatz, der den Gesellschafterkonflikt durch eine mehrstufige Prüfung zu lösen versucht: Zunächst gilt es, im Sinne der Minderheitsperspektive die berechtigten Interessen, anders formuliert die geschützte Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters zu bestimmen. Soweit von einer Beeinträchtigung dieser Rechtsstellung auszugehen ist, kommt es darauf an, ob der Minderheitsgesellschafter diese hinnehmen muss. Dabei steht im Vordergrund, dass auch er auf die Interessen der Gesellschaft ver___________ 215 216 217
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Ausführlich Moll, 53 Vand. L. Rev. 749, 775–788 (2000). Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976). Dazu Bryan v. Brock & Blevins Co., 343 F.Supp. 1062, 1068 (N.D.Ga. 1972), aff’d, 490 F. 2 d 563, 570–571 (5th Cir. 1974); Schwartz v. Marien 335 N. E. 2 d 334 (N. Y. App. 1975); Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976). Siehe auch Merola v. Exergen Corp., 668 N. E. 2 d 351 (Supr. Jud. Mass. 1996). Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976). Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976); Merola v. Exergen Corp., 668 N. E. 2 d 351 (Supr. Jud. Mass. 1996). Zimmermann v. Bogoff, 402 Mass. 650, 524 N. E. 2 d 849 (1988); Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976). Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976).
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
pflichtet ist. In einem letzten Schritt kann es zu einer Abwägung der beteiligten Interessen gegeneinander kommen.222 Ungeachtet verbleibender Kritik an den Prüfungsdetails vermag dieser Ansatz wertvolle Impulse für die Entwicklung eines praktikablen Lösungsschemas im deutschen Recht zu liefern, worauf unter §§ 3 und 5 zurückzukommen sein wird. Vor allem die Verteilung der Beweislast verdient Beachtung: Die Beweislast für einen proper business purpose, einen legitimen Zweck im Interesse der Gesellschaft, obliegt nach dem Supreme Court von Massachusetts der in die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters eingreifenden Mehrheit. Gelingt dieser Nachweis, ist es nunmehr an der Minderheit zu beweisen, dass dieser Zweck auch auf weniger belastende Weise erreicht werden könnte, es also an der Erforderlichkeit der Maßnahme fehlt.223 Darauf wird zurückzukommen sein.
4. Häufig auftretende Anwendungskonstellationen Eine Systematisierung der Konstellationen, in denen die Gerichte von einer Bindung des Mehrheitsgesellschafters an Treuepflichten ausgegangen sind, trifft wegen der Vielgestaltigkeit der Anwendungsfälle auf die gleichen Probleme wie im deutschen Recht. Die entschiedenen Fälle stehen häufig im Zusammenhang mit der Akquisition von Unternehmensgegenständen durch den Mehrheitsgesellschafter, weil es zu einer gleichheitswidrigen Bereicherung am Gesellschaftsvermögen gekommen ist. Dazu zählt der Vorgang, dass sich der Mehrheitsgesellschafter das von der Gesellschaft geführte Unternehmen einverleibt. Er verletzt seine Treuepflicht, wenn er daraus einen einseitigen Vorteil zieht, vor allem einen zu geringen Preis bezahlt,224 und zwar selbst dann, wenn er hierzu einen vom Gesetz vorgesehenen Weg einschlägt.225 Um seiner Treuepflicht zu genügen, muss er die Minderheit an den erzielten Vorteilen teilhaben lassen.226 ___________ 222 223 224
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Schon an dieser Stelle der Hinweis auf Gimpel v. Bolstein, 477 N. Y. S. 2 d 1014 (N. Y. 1984). Näher zu dieser Entscheidung unter 9. Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976). Lebold v. Inland S. S. Co., 82 F. 2 d 351 (7th Cir. 1936): “In forcing disposition of assets, they may not overreach the minority stockholder and derive benefit from disposition of the assets, to the detriment of the minority stockholder, without being liable for the deprivation thus incurred by the latter. The minority must receive its pro rata share of the common property and the fruits of the capital investment. (. . .). And if, as a result of action by the majority, the latter reaps a benefit from the assets in which the minority does not share, the latter has its remedy against those thus illegally profiting at its expense, and they may be compelled to make restitution. (. . .) Thus the majority may not force a sale to itself at less than the full value”. Lebold v. Inland Steel Co.125 F. 2 d 369, 373 seq. (Ct. App. 7th Cir. 1941): “However proper a plan may be legally, a majority stockholder can not, under its color, appropriate a business belonging to a corporation to the detriment of the minority stockholder. The so-called dissolution was a mere device by means of which defendant appropriated for itself the transportation business of the Steamship Company to the detriment of plaintiffs. That the source of this power is found in a statute, supplies no reason for clothing it with a superior sanctity, or vest-
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Auch kann der Mehrheitsgesellschafter zu Aufklärung und Information verpflichtet sein, wenn anderenfalls seinem eigenen Vorteil ein finanzieller Nachteil der Minderheit gegenübersteht. Dies wurde für die Konstellation bejaht, dass die Gesellschaft mit den Stimmen des Mehrheitsgesellschafters eine Kaufoption zum Erwerb der von der Minderheit gehaltenen Anteile ausübt. Dabei wurde den Minderheitsgesellschaftern verschwiegen, dass der Liquidationswert ihrer Beteiligung weit über dem Kaufpreis lag. Der Mehrheitsgesellschafter liquidierte nach dem Ausscheiden der Minderheit die Gesellschaft und übernahm den gesamten Liquidationswert.227 Eine Aufklärungspflicht besteht daneben auch, wenn der Minderheitsgesellschafter eine Option zum Verkauf seiner Anteile an die Gesellschaft zum Buchwert in Unkenntnis eines bevorstehenden (und mit einer deutlich höheren Abfindung verbundenen) merger ausübt. Die closely held corporation trifft hierbei die Pflicht, den Gesellschafter über diesen als material fact bezeichneten merger zu informieren.228 Eine weitere wichtige Fallgruppe bilden von der Mehrheit wahrgenommene Geschäftschancen der Gesellschaft, auf die gesondert unter § 7 A. I. einzugehen sein wird. Die Gewinnverteilung stellt den wohl sensibelsten Bereich dar, in dem Treuepflichten zu beachten sind.229 Die Treuepflicht wird nicht nur verletzt, wenn Gewinn gleichheitswidrig ausgeschüttet wird, sondern auch, wenn Dividendenzahlungen trotz erwirtschafteter Gewinne und ohne plausiblen Grund im Gesellschaftsinteresse ausbleiben.230 Wird der Minderheitsgesellschafter von einem Direktorenposten abberufen, kann ein Verstoß gegen die Treuepflicht vorliegen, wenn es an einem (wichtigen) Grund im Interesse der Gesellschaft fehlt.231 Die US-amerikanischen Gerichte rich___________ 226
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ing it with the attributes of tyranny.” Inhaltlich auch Allied Chemical & Dye Corp. v. Steel & Tube Co. of America, 120 A. 486 (Del. Ch. 1923). Southern Pacific Co. v. Bogert, 250 U. S. 483, 487 seq. (US 1919): “If through that control a sale of the corporate property is made and the property acquired by the majority, the minority may not be excluded from a fair participation in the fruits of the sale.” Inhaltlich auch Menier v. Hooper’s Telegraph Works, L. R. 9 Ch. App. 350, 354 (CA Ch. App. 1874); Ervin v. Oregon Ry. & Nav. Co. (C. C.) 20 Fed. 577 (C. C. N. Y. 1884); Farmers’ Loan & Trust Co. v. New York & Northern Ry. Co., 150 N. Y. 410 (N. Y. 1896); Sparrow v. E. Bement & Sons, 105 N. W. 881 (Mi. 1905). Zahn v. Transamerica Corp., 162 F. 2 d 36 (3rd Cir. 1947). Jordan v. Duff & Phelps, Inc., 815 F. 2 d 429 (7th Cir. 1987); cert. denied, 485 U. S. 901 (U. S. 1988). Lebold v. Inland Steel Co. 125 F. 2 d 369, 373 seq. (Ct. App. 7th Cir. 1941): “(The majority shareholders were) failing to perform their duties as stockholders and directors (. . . ), were faithless to that company and to the minority stockholders. The latter were powerless to help themselves; they rightfully complain of the breach of trust upon the part of defendant resulting in damage”. Zidell v. Zidell, Inc., 560 P sd 1086, 1089 (Or. 1977). Priebe v. O’Malley, 623 N. E. 2 d 573 (Ohio Ct. App. 1993). Der Mehrheit soll dabei sogar der Vorteil des Zweifels zugute kommen, wenn die Kompetenz des Minderheitsgesellschaf-
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ten besonderes Augenmerk auf die finanzielle Situation des Minderheitsgesellschafters. Soweit er eine angemessene Rendite für seinen Kapitaleinsatz erzielt, gestehen sie der Mehrheit einen weiteren Handlungsspielraum bei seiner Abberufung als Direktor zu. Wird die Gewinnbeteiligung hingegen im Wesentlichen über die Direktorengehälter verteilt, bedarf es triftiger Gründe im Gesellschaftsinteresse, um dem Minderheitsgesellschafter einen Direktorenposten vorzuenthalten.232 Schließlich erfährt auch die Veräußerung der Kontrollmehrheit im amerikanischen Recht besondere Aufmerksamkeit. Bei diesem Vorgang schuldet der Gesellschafter seiner Gesellschaft und den Mitgesellschaftern Treuepflichten. Diese hindern ihn zwar nicht daran, seine Desinvestitionsentscheidung nach eigenem Gutdünken auszuüben.233 Er ist jedoch gehalten, bei dieser Veräußerung Schaden von der Gesellschaft und den Minderheitsgesellschaftern fernzuhalten.234 Ist ihm bekannt, dass der Erwerber die Beteiligung zum eigenen Vorteil und Schaden der Minderheit ausnutzen wird, ist ihm aufgrund der ihn gegenüber seinen Mitgesellschaftern treffenden Treuepflicht die Veräußerung untersagt, und er wird bei Verstoß gegenüber den Minderheitsgesellschaftern schadensersatzpflichtig.235
5. Eine Randbemerkung: Die Treuebindung des Minderheitsgesellschafters Nicht nur der Mehrheits-, sondern auch der Minderheitsgesellschafter kann durch die Treuepflicht gebunden sein. Sieht ein Beschlussgegenstand qualifizierte Mehrheitserfordernisse vor und kann der Minderheitsgesellschafter durch eine Sperrminorität wichtige Maßnahmen verhindern, ist er gehalten zuzustimmen, sofern dies im Interesse der corporation oder der übrigen Gesellschafter erforderlich ist. Dies ist durch Abwägung der relevanten Gesichtspunkte zu ermitteln.236 Auch kann der Minderheitsgesellschafter verpflichtet sein, auf eine – möglicherweise sogar begründete – Klage gegen die Gesellschaft vorübergehend zu verzichten, wenn diese eine erforderliche Sanierung verhindern oder gefährden ___________
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ters als Direktor zweifelhaft ist. In einer solchen Konstellation könne nicht von einem freeze out ausgegangen werden, Ueltzhoffer v. Fox Fire Development Co, No. 9871, 1991 Del. Ch. LEXIS 204 (Del. Ch. 1991). Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976); Merola v. Exergen Corp., 668 N. E. 2 d 351 (Supr. Jud. Mass. 1996). Zetlin v. Hanson Holdings, Inc. 48 N. Y. 2 d 684 (N. Y. 1979); Clagett v. Hutchison, 583 F. 2 d 1259 (4th cir. 1978); Andrews, 78 Harv. L. Rev. 505 (1965): “A stockholder is ordinarily free to hold or sell his shares solely according to the dictates of his own interests as he conceives them. Further, he is free to determine for himself the price at which he will sell, and below which he will not”. Zu den Grundsätzen Zetlin v. Hanson Holdings, Inc. 48 N. Y.2 d 684 (N. Y. 1979); Hamilton, Corporations including Partnerships an Limited Liablity Companies, Cases and Materials, 7th ed. 2001, p. 589. Ausführlich hierzu unter § 7 A. II. Gerdes v. Reynolds, 28 N. Y. S. 2 d 622 (N. Y. 1941); Insuranshares Corp. v. Northern Fiscal Corp., 35 F.Supp. 22 (E.D. Pa. 1940); De Baun v. First Western Bank & Trust Co., 46 Cal. App. 3 d 686 (Cal. App. 1975). Dazu Smith v. Atlantic Properties Inc., 422 N. E. 2 d 798 (Mass. App. 1981).
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könnte.237 Die übrigen Gesellschafter können Schadensersatz fordern, wenn der Minderheitsgesellschafter seine Treuepflicht verletzt.238 Dieses Beispiel verdeutlicht, dass sich die Treuepflicht auch im US-amerikanischen Recht in zwei Richtungen entfaltet und nicht nur im Verhältnis zur Gesellschaft, sondern auch in der Sonderbeziehung der Gesellschafter zueinander wurzelt.
6. Die Besonderheiten in Delaware a) Keine Treuepflichten in closely held corporations? Der Supreme Court von Delaware vertritt im Vergleich zu der bisher dargestellten Rechtsprechung eine restriktivere Haltung. In seiner Entscheidung Nixon lehnte das Gericht eine Übernahme der von den anderen Gerichten entwickelten Treuepflicht mit der Begründung ab, das Common Law kenne keine besonderen Regeln für closely held corporations.239 Dem ist der Supreme Court von Kansas beigetreten: Ein Gesellschafter dürfe im Eigeninteresse handeln und sei nicht auf die Interessen der Gesellschaft verpflichtet. Das Common Law kenne keine closely held corporation, und da das Gesetz in Kansas besondere Vorkehrungen für closely held corporations vorsehe, scheide es auch aus, weitergehende Grundsätze zu entwickeln.240 Die US-amerikanische Literatur interpretiert diese Urteile als Gegenposition zu dem minderheitsfreundlichen Trend der Rechtsprechung in anderen Staaten.241 Zugleich lässt sich die restriktive Rechtsprechung der beiden Supreme Courts auch als Reaktion auf die Tatsache verstehen, dass in Delaware und Kansas ein ___________ 237 238 239
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Shettland v. Roberts, 16 P. 3 d 1062 (Mont. 2000). So in Shettland v. Roberts, 16 P. 3 d 1062 (Mont. 2000). Nixon v. Blackwell, 626 A. 2 d 1366, 1380 (Del. 1993). Das hatte der Delaware Chancery Court noch anders gesehen. In Litle v. Waters, No. 12155, 1992 Del. Ch. LEXIS 25 (Del. Ch. 1992) entschied das Gericht, dass dem Mehrheitsgesellschafter einer closely held corporation Treuepflichten obliegen, die es ausschließen, freezout techniques zum Nachteil des Minderheitsgesellschafters anzuwenden. Ausgehend von der minority perspective kam das Gericht zu dem Schluss, dass es einen Verstoß gegen die Treuepflicht darstelle, den Minderheitsgesellschafter von der Geschäftsführung auszuschließen und die Gewinne der Gesellschaft nur über Geschäftsführergehälter, nicht über Dividende auszuschütten, den Minderheitsgesellschafter also auszutrocknen. Hunt v. Data Management, 985 P. 2 d 730, 731 (Kan. Ct. App. 1999): “[T]he law does not impose a strict fiduciary duty on a shareholder to act in the best interests of the corporation; a shareholder is free to act in his or her own self-interest. (. . .) There is no common law close corporation in Kansas, and that to create protective rules for minority shareholders where a legislative remedy exists in close corporation statutes would be inappropriate judicial legislation.” Dabei beruft sich das Gericht ausdrücklich auf die (in seinen Augen) überzeugende Rechtsprechung des Delaware Supreme Court, da die Gesetzgebung in Kansas von der in Delaware abgeleitet ist, a. a. O., p. 733. Meinhardt, 40 Washburn Law Journal 289, 290 (2001); Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1100 (1999): “one area in which Delaware corporate law is starkly at odds with the rest of the nation”.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
gesetzlich eingeräumtes Wahlrecht für einen besseren Minderheitsschutz in closely held corporations existiert.242 Der Supreme Court von Kansas zieht dieses Wahlrecht ausdrücklich als Begründung heran, um sich gegen die Geltung von Treuepflichten auszusprechen. Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass empirische Untersuchungen zeigen, dass diese Wahlmöglichkeit von den Gesellschaftern nur selten wahrgenommen wird.243 Ein solches Wahlrecht existiert auch in anderen Staaten.244 Dort nehmen die Gerichte gleichwohl einen anderen Standpunkt ein: Soweit der Status einer closely held corporation nicht gewählt wird, können die allgemeinen Grundsätze des common law zu den Treuepflichten angewandt werden.245 Das Wahlrecht, die Gesellschaft zu einer closely held corporation zu erklären, wird daher als safe harbor für die hierfür optierenden Gesellschaften verstanden, die fortan auf die gesetzlichen Vorgaben vertrauen können, ohne die Grundsätze des common law fürchten zu müssen.246 Allerdings berücksichtigte der Delaware Supreme Court auch die Umstände des Einzelfalles und bezog sie in seine Bewertung ein. Es wies generell darauf hin, dass nicht jeder Gesellschafter einer closely held corporation verlangen könne, ausbezahlt zu werden, wenn er an seiner Mitgliedschaft kein Interesse mehr besitze, prüfte jedoch auch, ob nicht besondere Gründe einen derartigen Anspruch zu rechtfertigen vermochten. In Betracht kam ein Anspruch auf Gleichbehandlung, da der Mehrheitsgesellschafter seine Beteiligung an die Gesellschaft veräußert hatte. Dies lehnte das Gericht jedoch mit dem Hinweis auf die Unterschiede der ___________ 242
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Del. Gen. Corp. Law subch. XIV, sec. 341–356. Insbesondere gestattet § 354, “to treat the corporation as if it were a partnership or to arrange relations among the stockholders or between the stockholder and the corporation in a manner that would be appropriate only among partners”. Dazu müssen die Gesellschafter im Statut der Gesellschaft diese Option wählen, die Gesellschaft darf nicht mehr als 20 Gesellschafter zählen, nicht börsennotiert sein, und es müssen Beschränkungen für die Übertragung der Anteile existieren, siehe Meinhardt, 40 Washburn Law Journal 289, 293 (2001). Zu den Vorschriften zum Schutz der Minderheitsgesellschafter unter den Bestimmungen des Del. Code. im Detail O’Neal/Thompson, O’Neal’s Close Corporations, 3rd ed. 1987, ch. 7. Zu dem zutreffenden Hinweis, dass Vorkehrungen für alle Konstellationen minderheitsbeeinträchtigender Maßnahmen unmöglich sind, wiederum Meinhardt, a. a. O., p. 294. Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 257; Meinhardt, 40 Washburn Law Journal 289, 292 (2001); Wortman, 70 N. Y. U. L. Rev. 1362, 1385 seq. (1995). In den Staaten lassen sich drei gesetzgeberische Konzepte unterscheiden: (1) keine besonderen Vorschriften für closely held corporations zu erlassen, die bestehenden statutes aber im Lichte der rechtstatsächlichen Besonderheiten anzuwenden; (2) einzelne Vorschriften auf Gesellschaften zu beschränken, die nicht notieren, etwa N. Y. Bus. Corp. Law § 620 (c), RMBA § 7.32; (3) besondere Vorschriften für den Fall vorzusehen, dass einzelne Gesellschaften sowohl bestimmte Voraussetzungen erfüllen und zugleich für einen Sonderstatus votieren, so in Delaware nach Del. Gen. Corp. Law § 342. Siehe dazu Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 256 seq. Ramos v. Estrada, 10 Cal.Rptr.2 d 833 (Cal. App. 1992). Siehe dazu Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 258.
B. Bindungen der Gesellschafter durch Fiduciary Duties im US-amerik. Gesellschaftsrecht
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verschiedenen Aktiengattungen, die von Mehrheit und Minderheit gehalten wurden, und die unterschiedlichen Regelungen zu diesen in der Satzung ab.247 Dies legt es nahe, die Rechtsprechung des Supreme Court von Delaware nicht als generelle Absage an den Minderheitsschutz in closely held corporations zu bewerten. Betrachtet man die Besonderheiten des Falles, insbesondere, dass sich gute Gründe dafür finden ließen, die Gesellschafter unterschiedlich zu behandeln, liegt die Vermutung nahe, dass auch andere Gerichte zu keinem anderen Ergebnis gelangt wären. Insoweit ist auf die soeben skizzierte Rechtsprechung des Supreme Court von Massachusetts zu verweisen. Daher liegt der Schluss nahe, dass auch für den Delaware Supreme Court in Sachen Minderheitsschutz in closely held corporations das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.248 Die später ergangene Entscheidung Riblet bestätigte lediglich den in Nixon aufgestellten Grundsatz: “The fact that Riblet is closely held does not, for this purpose, alter the duties of stockholders inter se from those which prevail for publicly held corporations”.249 Im Übrigen ließ das Gericht die Frage nach den Treuepflichten der Gesellschafter offen, da nicht das Verhältnis der Gesellschafter untereinander, sondern die arbeitsvertragliche Beziehung des Minderheitsgesellschafters zur corporation streitentscheidend war.250
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Nixon v. Blackwell, 626 A. 2 d 1366, 1380 (Del. 1993): “The case at bar points up the basic dilemma of minority stockholders in receiving fair value for their stock as to which there is no market and no market valuation. It is not difficult to be sympathetic, in the abstract, to a stockholder who finds himself or herself in that position. A stockholder who bargains for stock in a closely-held corporation and who pays for those shares can make a business judgment whether to buy into such a minority position, and if so on what terms. (. . .) Moreover, in addition to such mechanisms, a stockholder intending to buy into a minority position in a Delaware corporation may enter into definitive stockholder agreements, and such agreements may provide for elaborate earnings tests, buy-out provisions, voting trusts, or other voting agreements. (. . .) The tools of good corporate practice are designed to give a purchasing minority stockholder the opportunity to bargain for protection before parting with consideration. It would do violence to normal corporate practice and our corporation law to fashion an ad hoc ruling which would result in a court-imposed stockholder buy-out for which the parties had not contracted”; dazu die Anmerkung von Hamilton, Corporations including Partnerships an Limited Liablity Companies, Cases and Materials, 7th ed. 2001, p. 451 seq. Siehe dazu die Analyse von Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1101 seq., 1127–1131 (1999). Riblet Products Corp. v. Nagy, 683 A. 2 d 37, 39 (Del. 1996). Riblet Products Corp. v. Nagy, 683 A. 2 d 37, 40 (Del. 1996): “This is not a case of breach of fiduciary duty to Nagy qua stockholder. To be sure, the majority stockholders may well owe fiduciary duties to Nagy as a minority stockholder. But that is not the issue here. Nagy does not allege that his termination amounted to a wrongful freeze out of his stock interest in Riblet, nor does he contend that he was harmed as a stockholder by being terminated. Moreover, this is not an attempt to bring a derivative suit by Nagy as a stockholder on behalf of the corporation for actionable injury to it arising out of the termination of the employment agreement”.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
b) Reiner Vermögensschutz beim Minority Freezeout Aufgrund dieser restriktiven Haltung des Supreme Court von Delaware ist es von Bedeutung, seinen Ansatz zum minority freezeout näher zu untersuchen. Das Gericht gestattet, anders als andere US-amerikanische Gerichte,251 Transaktionen, etwa freezeout mergers,252 die nur dem Zweck dienen, die Minderheit aus der Gesellschaft auszuschließen.253 Der Schutz der Minderheitsgesellschafter soll in diesen Fällen nur über eine angemessene Abfindung und damit die vermögensrechtliche Seite der Beteiligung sichergestellt werden.254 Es lassen sich im Wesentlichen drei Fallgruppen unterscheiden, in denen der Delaware Supreme Court nur darauf achtet, dass der Minderheitsgesellschafter keinen Vermögensschaden erleidet.255 Die erste Gruppe umfasst die Fälle, in denen der Mehrheitsgesellschafter ein Insichgeschäft tätigt, ohne für ein faires Verfahren zu sorgen (failure to apply procedures that replicate independent, armslength bargaining).256 Von einem fairen Verfahren ist auszugehen, wenn in einer publicly held corporation neutrale Mitglieder des Board eingeschaltet werden257 oder die Mehrheit der unbeteiligten Gesellschafter zustimmt258. In einer closely held corporation, in der es häufig an unparteiischen Direktoren oder Gesellschaftern fehlt, kann durch Bewertung durch neutrale Gutachter ein objektives Verfahren erreicht werden.259 In die zweite Gruppe fallen Konstellationen, in denen der Mehrheitsgesellschafter dem Minderheitsgesellschafter Informationen vorenthält, was in einen Vermö___________ 251 252 253
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Missbilligend Bryan v. Brock & Blevins Co., 490 F. 2 d 563 (5th Cir. 1974), unter Anwendung des Rechts von Georgia. Zu diesen noch näher im Zusammenhang mit den Austrittsrechten des Gesellschafters unter § 10 D. So etwa in dem Fall, dass der Mehrheitsgesellschafter 70% der Anteile an einer Corporation hält und unter Ausschluss der Minderheitsgesellschafter – wie nach Del. Code Ann. tit. 8, § 259(a) (1998) möglich – diese Gesellschaft auf eine andere, in seinem Alleineigentum stehende Gesellschaft verschmilzt, so die Konstellation in Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701 (Del. 1983). Zur Kritik daran, den Minderheitsgesellschafter einer closely held corporation nur durch property rules (the shareholder may be deprived of his stock only upon payment of fair compensation) statt durch liability rules (the shareholder may not be deprived of his stock involuntarily) zu schützen, siehe Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1138–1142 (1999); Crago, 40 Okla. L. Rev. 1 (1996). So das Ergebnis der systematischen Analyse von Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1138– 1142 (1999). Seagraves v. Urstadt Property Co., No. 10307, 1996 Del. Ch. LEXIS 36 (Del. Ch. 1996); MacLane Gas Co., v. Enserch Corp., No. 10760, 1992 Del. Ch. LEXIS 260 (Del. Ch. 1992). Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701, 709 (Del. 1983); Sealy Mattress Co. v. Sealy, Inc., 532 A. 2 d 1324, 1337 (Del. Ch. 1987). Ryan v. Tad’s Enterprises, Inc., 709 A. 2 d 682, 692 (Del. Ch. 1996): danach ist ein zustimmender Beschluss der Mehrheit der übrigen Gesellschafter zwar nicht erforderlich, aber doch ein von den Gerichten berücksichtigter Faktor. Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1139 (1999).
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gensschaden mündet (failure to make full disclosure).260 Die dritte Gruppe betrifft den Versuch der Mehrheit, die Höhe der etwa bei einem (freezeout) merger geschuldeten Abfindung zu drücken, beispielsweise durch eine Manipulation der Marktpreise oder durch Transaktionen zur Unzeit (majority uses its power to place the minority in an unfavorable bargaining position).261 Gemeinsam ist diesen Situationen, dass der Mehrheitsgesellschafter seine Absicht offen legt, eine Transaktion als Mittel für einen minority freeze out nutzen zu wollen. Davon sind die Fälle zu unterscheiden, in denen dieser Zweck auf subtilere Weise verfolgt wird. Mit unterschiedlichen Maßnahmen wird der Verbleib in der Gesellschaft so unattraktiv gestaltet, dass der Minderheitsgesellschafter bereit ist, seine Beteiligung (unter Wert) aufzugeben. Während die übrigen Gerichte dieses Verhalten mit den gesteigerten Treuepflichten des Mehrheitsgesellschafters schon im Ansatz zu unterbinden versuchen,262 kennt Delaware nur die Verpflichtung, dem Minderheitsgesellschafter bei strukturändernden Maßnahmen alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen, und das Verbot, ihn durch die Anwendung von Zwang zum Austritt zu bewegen. Zuwiderhandlungen haben wiederum nur Auswirkungen auf die Höhe der Abfindung.263 Die Unterschiede der Lösungsansätze in und außerhalb von Delaware werden auch an den Fällen der vom Minderheitsgesellschafter missbilligten Dividendenpolitik der Mehrheit deutlich. Veranlasst die Mehrheit die Gesellschaft aus eigensüchtigen Motiven dazu, Gewinne auszuschütten, die im Interesse der Gesellschaft besser thesauriert oder re-investiert werden sollten, vermag der Minderheitsgesellschafter nach den Grundsätzen anderer US-Gerichte die Dividendenpolitik der Mehrheit anzugreifen, da sie den Interessen der Gesellschaft widerspricht und da___________ 260 261
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Dazu Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701, 708 seq. (Del. 1983); Sealy Mattress Co. v. Sealy, Inc., 532 A. 2 d 1324, 1339 (Del. Ch. 1987). Zur Marktpreismanipulation Sealy Mattress Co. v. Sealy, Inc., 532 A. 2 d 1324, 1336 (Del. Ch. 1987). Andere Urteile betreffen v.a. zeitliche Faktoren, so MacLane Gas Co., v. Enserch Corp., No. 10760, 1992 Del. Ch. Lexis 260 (Del. Ch. 1992): Zeitpunkt der Transaktion nutzte der Mehrheit. In Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701, 706 seq., 711 (Del. 1983) verblieb der Minderheit kaum Zeit, sich mit der Transaktion vertraut zu machen. In Rabkin v. Philip A. Hunt Chemical Corp., 498 A. 2 d 1099 (Del. 1985) hielt sich der Mehrheitsaktionär nicht an den von ihm angekündigten Zeitraum für den geplanten merger. Insoweit nochmals der Hinweis auf die Entscheidung Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976). Solomon v. Pathe Communications Corp., 672 A. 2 d 35, 39–40 (Del. 1996): “In the absence of coercion or disclosure violations, the adequacy of the price in a voluntary tender offer cannot be an issue”; In re Marriott Hotel Properties II Ltd. Partnership Unitholders Litig., No. 14961, 1996 Del. Ch. LEXIS 60 (Del. Ch. 1996): “If the transaction is seen as nonvoluntary, then plainly, the fiduciary would act under a duty only to pay a fair price in the tender offer”; Kahn v. United States Sugar Corp., No. 7313, 1985 Del. Ch. LEXIS 522 (Del. Ch. 1985): “Because of the highly leveraged nature of the transaction it was coercive and therefore defendants had an obligation to offer a fair price”; Joseph v. Shell Oil Co., 482 A. 2 d 335, 341 (Del. Ch. 1984): Ansprüche des Minderheitsgesellschafters wurden daran geknüpft, dass ein unfairer Preis angeboten wurde und die Informationen ungeeignet waren, die Aufmerksamkeit des Minderheitsgesellschafters auf die fehlende Fairness zu lenken.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
her einen Verstoß gegen die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern darstellt. In Delaware kommt es für den Fairness-Test hingegen nur darauf an, dass die Ausschüttung gleichmäßig an alle Gesellschafter erfolgt und damit alle Anteile gleich behandelt werden.264 Für den Delaware Supreme Court ist daher irrelevant, ob der Mehrheitsgesellschafter aus eigensüchtigen Motiven handelt und eine treuwidrige Strategie verfolgt. Dieser Ansatz versperrt den Blick auf die hinter der Dividendenausschüttung stehenden Motive.265 Aus gutem Grunde wird der Ansatz des Delaware Supreme Court daher als ineffektiv kritisiert, da sich das Gericht gegenüber den raffinierten Ansätzen subtiler freeze out-Bemühungen verschließt. Die Rechtsprechung der Gerichte anderer Staaten ist hier ausgewogener.266 Im umgekehrten Fall, im dem der Mehrheitsgesellschafter die Dividende zurückhält, um den Minderheitsgesellschafter auszuhungern, kommt zwar in Betracht, dass dieses Vorgehen in Delaware als Zwang bewertet wird und dem schließlich ausscheidenden Minderheitsgesellschafter eine höhere Abfindung sichert. Die Defizite der Rechtsprechung in Delaware zeigen sich jedoch an einer in Massachusetts entschiedenen Konstellation, für die in Delaware keine Handhabe bestanden hätte: Ein mit 25% an einer closely held corporation beteiligter Gesellschafter nahm ihm selbst drohende Steuernachteile zum Anlass, sein Veto gegen die von der Mehrheit beschlossene Dividendenpolitik auszuüben und damit Ausschüttungen an alle Gesellschafter zu verhindern. Dies führte bei der Gesellschaft zu steuerlichen Nachteilen und bei den Mitgesellschaftern zu einer Enttäuschung ihrer Dividendenerwartungen. Ein Gericht in Massachusetts analysierte alle relevanten Umstände und kam zu dem Ergebnis, dass der Gesellschafter die gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern bestehenden Treuepflichten verletzt hatte, und verurteilte ihn zu Schadensersatz an die Gesellschaft.267
7. Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Treuepflicht Ein Verstoß gegen die Treuepflicht in closely held corporations führt generell zu einem Anspruch des betroffenen Minderheitsgesellschafters gegen die Gesellschaft oder den Mehrheitsgesellschafter auf Schadensersatz und Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen. Soweit der Schaden des Gesellschafters nur mittelbar ist, schuldet der Mehrheitsgesellschafter der Gesellschaft den Schadensersatz.268 ___________ 264 265
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So das Urteil in Sinclair Oil, Corp. v. Levien 280 A. 2 d 717, 721 seq. (Del. 1971). Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1145 (1999): “Sinclair Oil is representative of a strain of Delaware law that considers the impact of corporate action by measuring its effect on shares and refuses to look through the shares to measure the impact on shareholders. So long as the shares themselves are treated equally, any disproportionate impact on shareholders is irrelevant”. Siehe die fundierte Kritik von Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q., 1099, 1146 seq. (1999). Dort auch zu etlichen Nachweisen zu der vorzugswürdigen Rechtsprechung aus anderen Staaten. Smith v. Atlantic Properties, Inc., 422 N. E. 2 d 798, 802 (Mass. App. 1981). Hierzu die Übersicht bei Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1118 (1999). Für die Abberufung eines Minderheitsgesellschafters von seinem Geschäftsführerposten wird Wiedereinsetzung
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In jüngerer Zeit sind die Gerichte dazu übergegangen, darüber hinaus unter bestimmten Voraussetzungen auch das Ausscheiden des Minderheitsgesellschafters unter angemessener Abfindung anzuordnen. Diese Gerichte gehen davon aus, auch ohne gesetzliche Grundlage und gestützt auf ihre general equity powers einen buy-out269 oder specific performance anstelle einer Auflösung anordnen zu können.270 Dabei bestimmen die Gerichte die Höhe der Abfindung, wenn sich die Parteien nicht einigen können.271 Hintergrund ist, dass sie die herkömmlichen Rechtsbehelfe als nicht ausreichend bewerten. Häufig hat der Konflikt schon zu einer bleibenden Zerrüttung geführt, und nur bei (praktisch kaum zu leistender) ständiger Überwachung des ___________
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und/oder Lohnausfall zugesprochen, so Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976). Für vorenthaltene Dividende wird eine angemessene Ausschüttung gewährt, Patton v. Nicholas, 279 S. W. 2 d 848 (Tex. 1955). Werden die Teilnahmerechte verletzt, wird dem Gesellschafter die vorenthaltene Teilhabe oder der Zugang zu Information zugestanden, Brenner v. Berkowitz, 634 A. 2 d 1019, 1033 (N. J. 1993). Bei rechtswidrigen Insichgeschäften des Mehrheitsgesellschafters stehen die Ersatzansprüche der Gesellschaft zu, und der Minderheitsgesellschafter profitiert nur mittelbar, so in dem Fall, dass die Gesellschaft exzessiv hohe Vergütungen zurückfordert, Williams v. Shatz Mfg. Co., 449 F. Supp. 147 (S. D. N. Y. 1977); siehe auch Hirsch v. Cahn Elec. Co., 694 So. 2 d 636 (La. Ct. App. 1997). Zur Abgrenzung unmittelbarer und mittelbarer Schäden des Gesellschafters im USRecht ausführlich unter § 7 B. III. Dabei stellt sich das Problem, welcher Gesellschafter das Recht oder die Pflicht erhält, die Beteiligung des anderen zu übernehmen. Dazu Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 477–480. Davis v. Sheerin. 754 S. W. 2 d 375 (Tex. Ct. App. 1988); Brenner v. Berkowitz, 634 A. 2 d 1019 (1993): Der Kläger wandte sich gegen seine Abwahl als Direktor der corporation. Das Gericht entschied, dass seine Wiedereinsetzung gegenüber einer Auflösung vorzugswürdig sei. In Patten v. Nicholas, 279 S. W. 2 d 848 (Tex. 1955), ordnete das Gericht die von der Mehrheit abgelehnte Dividendenzahlung an. Nach Meiselman v. Meiselman, 307 S. E. 2 d 551, 564 (N. C. 1983) vermag das Gericht, wenn der Gesellschafter nach den statutes in North Carolina Auflösung verlangt, dem folgen oder stattdessen einen anderen Rechtsbehelf wählen, etwa “(1) Canceling or altering any provision contained in the charter or the bylaws of the corporation; or (2) Canceling, altering, or enjoining any resolution or other act of the corporation; or (3) Directing or prohibiting any act of the corporation or of shareholders’, directors’, officers’ or other persons’ action; or (4) Providing for the purchase at their fair value of shares of any shareholder, either by the corporation or by other shareholders, such fair value to be determined in accordance with such procedures as the court may provide”. Das Gericht hat danach zu entscheiden, ob ein solcher Rechtsbehelf oder die Auflösung der Gesellschaft angemessen ist. Siehe aber auch Gianotti v. Hamway, 387 S. E. 2 d 725 (1990), wonach nur die in den statutes angeordneten Maßnahmen sollen verhängt werden dürfen. Dabei wird nicht einheitlich beurteilt, ob ein „Minderheitsabschlag“ vorzunehmen ist, wie ihn ein Dritter aufgrund des fehlenden Marktes für die Beteiligung aushandeln könnte. Dagegen spricht, dass ein oppresive conduct der Mehrheit, das gerade zu dem Austrittswunsch des Minderheitsgesellschafters geführt hat, hierdurch honoriert würde, dazu Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 480; Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 459 seq. Der Supreme Court of Rhode Island sprach sich in Charland v. Country View Golf Club, Inc., 588 A. 2 d 609 (R. I.), gegen einen solchen Abschlag aus. Ablehnend auch Brudney/Chirelstein, 88 Harv. L. Rev. 297 (1974). Hierzu auch noch unter § 11 B. II.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
Mehrheitsgesellschafters durch die Gerichte scheint der Minderheit ein Verbleib in der Gesellschaft zumutbar. Ordnet ein Gericht an, dass die Beteiligung von der Gesellschaft oder dem Mehrheitsgesellschafter unter angemessener Abfindung zu übernehmen ist, kann der schwelende Konflikt unter den Gesellschaftern beendet, zugleich aber auch die Auflösung der Gesellschaft, an der dem Mehrheitsgesellschafter nicht gelegen ist, vermieden werden.272 Zurückgehend auf MBCA Sec. 14.34, der den corporations oder übrigen Gesellschaftern die Möglichkeit eröffnet, dem die Auflösung betreibenden Gesellschafter seine Anteile zu einem fair value of the stock abzukaufen, ist dies mittlerweile in einigen Staaten auch gesetzlich vorgesehen.273 Weitaus häufiger sehen die Gesetze der Staaten vor, dass die Gerichte in den Fällen der Unterdrückung der Minderheit (oppression of the minority) die Auflösung der corporation anordnen können.274 Dafür ist in der Mehrzahl der Staaten ___________ 272
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274
Dazu Alaska Plastics, Inc. v. Coppock, 621 P. 2 d 270 (Alaska 1980); Sauer v. Moffitt, 363 N. W. 2 d 269 (Iowa Ct. App. 1984); Maddox v. Norman, 669 P. 2 d 230 (Mont. 1983); Mc Cauley v. Tom McCauley & Son, Inc., 724 P. 2 d 232 (N. M. Ct. App. 1986); Muellenberg v. Bikon Corp., 669 A. 2 d 1382 (N. J. 1996); In re Wiedy’s Furniture Clearance Ctr. Co., 487 N. Y. S. 2 d 901 (N. Y. App. Div. 1985); Delaney v. Georgia-Pacific Corp., 564 P. 2 d 277 (Or. 1977); Baker v. Commercial Body Builders, Inc., 507 P. 2 d 387 (Or. 1973); Davis v. Sheerin, 754 S. W. 2 d 375 (Tex. App. 1988); a. A. aber Gianotti v. Hamway, 387 S. E. 2 d 725 (Va. 1990): gesetzliche Rechtsbehelfe sollen ausschließliche Wirkung entfalten und die Gerichte daran hindern, ein buy out anzuordnen. Im Ausnahmefall, hier aufgrund einer Vereinbarung der Gesellschafter, kann auch der Minderheitsgesellschafter ermächtigt werden, den Mehrheitsgesellschafter auszulösen, siehe Muellenberg v. Bikon Corp., 669 A. 2 d 1382 (N. J. 1996). Aus der Literatur insbesondere Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 452–454; Moll, 53 Vand. L. Rev. 749, 759 und 821 seq., fn. 184 und 282 (2000): “The prevalent remedy for sharholder oppression is a buyout of the oppressed investor’s holdings”; Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1117–1119 (1999); Thompson, 48 Bus. Law. 699, 718–722 (1993). So in Kalifornien nach Cal. Corp. Code § 2000 und in New York nach N. Y. Bus. Corp. Law §§ 1104-a, 1118. In anderen Staaten wiederum kann das Gericht die Rechtsfolge einer oppression bestimmen, näher dazu Moll, 53 Vand. L. Rev. 749, 759 und 821 seq., Fn. 184, 282 (2000). M. B. C. A. § 14.30(2)(ii), (iv). Zu einer Zusammenstellung der Staaten, die entsprechende Bestimmungen vorsehen, siehe Thompson, 48 Bus. Law. 699, 709 (1993); Fletcher, in: 12B Fletcher Cyc. Corp. (2006), § 5820.10. Daraus ergibt sich: Alabama: Ala Code § 10-2B14.30(2)(ii); Arkansas: Ark Code Ann § 4-27-1430; Illinois: 805 ILCS 5/12.50(b)(2); Iowa: Iowa Code § 490.1430; Kentucky: Ky Rev Stat Ann § 271B.14-300; Maine: Me Rev Stat Ann tit 13-A, § 1115; Maryland: Md Corps & Ass’ns Code Ann § 3-413; Michigan: MCL § 450.1489; Minnesota: Minn Stat § 302A.751; Mississippi: Miss Code Ann § 79-4-14.30; Missouri: Mo Rev Stat § 351.494; Montana: Mont Code Ann § 35-1-938; New Hampshire: NH Rev Stat Ann § 293-A:14.30; New Jersey: NJ Rev Stat § 14A:12-7(1)(c); New Mexico: NM Stat Ann § 53-16-16; New York: NY Bus Corp Law § 1104-a; North Dakota: ND Cent Code § 10-19.1-115; Oregon: Or Rev Stat § 60.661; Rhode Island: RI Gen Laws § 7-1.1-90; South Carolina: SC Code Ann § 33-14-300; South Dakota: SD Codified Laws Ann § 47-734; Tennessee: Tenn Code Ann § 48-24-301; Utah: Utah Code Ann § 16-10a-1430; Vermont: Vt Stat Ann tit 11A, § 14.30; Virginia: Va Code Ann § 13.1-747; Washington: Wash Rev
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keine Mindestbeteiligung des klagenden Gesellschafters erforderlich. Vielmehr überantwortet der Gesetzgeber den Gerichten die Aufgabe, die Besonderheiten des Einzelfalles zu würdigen und eine Auflösung bei rein opportunistischem Verhalten des Minderheitsgesellschafters zu unterbinden.275 Eine Ausnahme bildet wiederum Delaware, wo die Gerichte nur einen custodian oder einen provisorischen Direktor einsetzen können.276 Schon oben wurde das Problem angesprochen, dass über den Begriff oppression keine Einigkeit besteht, es insbesondere an Legaldefinitionen fehlt, und es daher der Auslegung der Gerichte überlassen ist, hierfür Voraussetzungen aufzustellen. Einheitlich beurteilt wird jedoch, dass jedenfalls substantielle und andauernde Verstöße gegen die Treuepflicht ausreichen.277 Dabei sind wiederum die schon beschriebenen Ansätze der Mehrheits- und Minderheitsperspektive von Bedeutung. Zumeist werden die Voraussetzungen des oppressive behavior aus dem Verhalten des Mehrheitsgesellschafters oder auch der Direktoren abgeleitet.278 In Ausnahme hiervon legen die Gesetze einiger Staaten ebenso wie einige Gerichte verstärktes Gewicht auf die Situation des klagenden Minderheitsgesellschafters. Entscheidend kommt es danach darauf an, ob dieser durch das Verhalten der Mehrheit oder der Direktoren in seinen berechtigten Erwartungen enttäuscht wurde.279 Dabei sollen nicht rein subjektive Vorstellungen zugrunde gelegt werden, sondern vielmehr die vernünftige Erwartung an die mitgliedschaftliche Rechtsstellung, von der auch die Mehrheit wusste oder hätte wissen müssen.280 Diese Erwartungen können sich im Laufe der Beteiligung ändern. Erforderlich soll es daher sein, sämtliche Vorfälle in der Gesellschaft über die gesamte Beteiligungsdauer hinweg zu würdigen.281 Daher können selbst in den Fällen, in denen eine Veränderung der Grundlagen der Mitgliedschaft von der Person oder dem Verhalten des Minderheitsgesellschafters ausgeht, etwa sein (Fehl-)Verhalten zu seiner Abberufung als Direktor führt, weitere Umstände, etwa die Verweigerung von Dividendenzahlung durch die Mehrheit, ein oppressive behavior begründen.282 ___________ 275
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Code § 23B.14.300; West Virginia: W Va Code § 31-1-41; Wisconsin: Wis Stat § 180.1430; Wyoming: Wyo Stat § 17-16-1430. Siehe dazu Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 475. Kalifornien setzt hingegen eine gewisse Mindestbeteiligung des die Auflösung suchenden Gesellschafters voraus, Cal. Corp. Code § 1800(a)(2). Delaware General Corporation Law §§ 226, 353. So auch MBCA sec. 14.32. Dazu Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 471. Baker v. Commercial Body Builders, Inc., 507 P. 2 d 387, 394 (Or. 1973). Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 471. Dort auch zu dem Hinweis, dass es wegen der unbestimmten Formulierung in den Gesetzen letztlich von dem Gutdünken der Richter abhängt, ob diese von einem Auflösungsgrund ausgehen. Etwa Minn. Stat. § 302 A. 751 subd. 3 a. Aus der Rechtsprechung Matter of Kemp & Beatley, Inc., 473 N. E. 2 d 1173 (N. Y. 1984). So das Gericht in Matter of Kemp & Beatley, Inc., 473 N. E. 2 d 1173 (N. Y. 1984): Siehe Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 472 zu dem Hinweis, dass diese Interpretation den Grundsätzen der objektiven Vertragstheorie entspricht. Meiselman v. Meiselman, 307 S. E. 2 d 551 (N. C. 1983). Vgl. Gimpel v. Bolstein, 477 N. Y. S. 2 d 1014 (N. Y. 1984).
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
8. Schutzdefizite in LLCs und publicly held corporations Die bislang dargestellten Grundsätze konzentrierten sich ganz auf die partnerships und close corporations und ließen die Rechtslage bei den nunmehr anzusprechender limited liability company und public corporation außer Betracht. a) Minderheitsschutz in der Limited Liability Company Die limited liabilty company (LLC) verbindet den Vorteil beschränkter Haftung mit der für partnerships geltenden steuerlichen Behandlung. Sie zeichnet sich durch besonders flexible Gestaltungsmöglichkeiten aus. Abweichungen von den gesetzlichen Regeln sind weitergehend als bei corporations möglich. Das gilt vor allem für das Recht von Delaware. Dort können die Pflichten der Manager und Gesellschafter in den Statuten des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich geregelt werden. Nach der Intention des Gesetzes gilt ein hoher Vertrauensschutz zugunsten der Manager und Gesellschafter, die sich ganz auf diese Bestimmungen sollen verlassen können, während der Schutz der Minderheitsgesellschafter dahinter zurücktreten soll.283 Soweit die nach den Grundsätzen von Common Law und Equity anerkannten Treuepflichten gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen oder herabgesetzt werden, ist der Minderheitsgesellschafter (bewusst) schutzlos gestellt. Dieser Zustand sieht sich der Kritik der Literatur ausgesetzt.284 Soweit der Minderheitsgesellschafter es versäumt, sich bei seinem Beitritt vorteilhafte Passagen in den Statuten auszubedingen, ist er der Mehrheitsmacht schutzlos ausgeliefert. Solche Situationen sind keine Seltenheit, da gerade der Minderheitsgesellschafter regelmäßig nicht über das Wissen verfügt, das notwendig ist, um seine Interessen wirkungsvoll wahrnehmen zu können.285 ___________ 283
284 285
Del. Limited Liability Corp. Act § 18-1101 bestimmt: “(a) The rule that statutes in derogation of the common law are to be strictly construed shall have no application to this chapter. (b) It is the policy of this chapter to give the maximum effect to the principle of freedom of contract and to the enforceability of limited liability company agreements. (c) To the extent that, at law or in equity, a member or manager or other person has duties (including fiduciary duties) and liabilities relating thereto to a limited liability company or to another member or manager: (1) Any such member or manager or other person acting under the limited liability company agreement shall not be liable to the limited liability company or to any such other member or manager or the any other such person for the member’s or manager’s or other person’s good faith reliance on the provisions of this limited liability company agreement; and (2) The member’s or manager’s or other person’s duties and liabilities may be expanded or restricted by provisions in an operating agreement.” Dazu Elf Atochem North America, Inc. v. Jaffari, 727 A. 2 d 286, 295 (Del. 1999): “We hold that, because the policy of the Act is to give the maximum effect to the principle of freedom of contract and to the enforceability of LLC agreements, the parties may contract to avoid the applicability of (the general rules)”. Meinhardt, 40 Wash. L. J. 289, 303 (2001); Cohen, 51 Okla. L. Rev. 427, 462 seq. (1998). Zur Tatsache, dass gerade Minderheitsgesellschafter es häufig versäumen, auf günstige Bedingungen bei Beitritt zur Gesellschaft zu bestehen, schon unter 6.a) und nochmals der Hinweis auf Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 257; Meinhardt, 40 Washburn Law Journal, 289, 292 (2001); Wortman, 70 N. Y. U. L. Rev. 1362, 1385 seq. (1995). Zum Vorschlag, die Grundsätze der unconscionabi-
C. Zusammenfassung und Bewertung des Treuepflichtansatzes
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b) Minderheitsschutz in der publicly held corporation Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen: Der Schwerpunkt der Konflikte in der publicly held corporation liegt in den USA auf dem Verhältnis der Gesellschafter zur Geschäftsleitung, deutlich seltener auf dem Innenverhältnis der Gesellschafter.286 Dies hängt mit der eingangs (unter § 1 B) beschriebenen Struktur der publicly held corporation im Gegensatz zur deutschen Aktiengesellschaft zusammen, in der es regelmäßig an einem beherrschenden Mehrheitsgesellschafter fehlt. Als weiterer Grund, dem der Mangel an Entscheidungen zu den Treuepflichten des Mehrheitsgesellschafters bei diesen Gesellschaften geschuldet ist, wird das Phänomen der Aktionärsapathie benannt. Die Minderheitsgesellschafter begnügen sich regelmäßig damit, jederzeit ihre Investition durch Veräußerung der Beteiligung an den Kapitalmärkten beenden zu können, statt sich um eine Durchsetzung ihrer Rechte im Klagewege zu bemühen.287 C. Zusammenfassung und Bewertung des Treuepflichtansatzes
C. Zusammenfassung und Bewertung des Treuepflichtansatzes Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist eine im deutschen wie auch US-amerikanischen Recht ungeschriebene Generalklausel, die der Lösung von Binnenkonflikten dient. Ihre Aufgabe besteht vor allem darin, die Gesellschafter und Organe der Gesellschaft zu einer rücksichtsvollen Ausübung ihrer Rechte und Kompetenzen anzuhalten, um Belastungen für die Gesellschaft und Mitgesellschafter zu vermeiden bzw. gering zu halten. Das US-amerikanische Gesellschaftsrecht ähnelt dem deutschen darin, dass es die Notwendigkeit erkennt, innergesellschaftliche Konflikte durch einen flexiblen Mechanismus zu regeln, der widerstretitende Interessen in einen angemessenen Ausgleich bringt. Hierzu dienen vornehmlich die fiduciary duties, die sich zuvörderst an denjenigen wenden, der über einen beherrschenden Einfluss in der Gesellschaft verfügt. Dabei sind die Unterschiede unter den verschiedenen Gesellschaftsformen gewaltig. Wegen der ausgeprägten persönlichen Verbundenheit der partner gelten in der partnership strenge Vorgaben, die zu ausgeprägten Rücksichtnahmepflichten führen. Demgegenüber wird die Mitgliedschaft in der corporation als bloße Kapitalbeteiligung angesehen. Der große Gesellschafterkreis führt zu Anonymität und verhindert, dass sich ausgeprägte Pflichtbindungen ergeben. In der publicly held corporation liegt das Augenmerk daher auch darauf, dass die Organe ihre Kompetenzen nicht überschreiten und sich beherrschende Gesellschafter nicht auf Kosten ___________ 286 287
lity doctrine in Anlehnung an die kaufrechtliche Regelung in U. C. C. § 2–302 zugunsten des Minderheitsgesellschafters heranzuziehen, siehe Meinhardt, 40 Wash. L. J. 289, 304 (2001). Dazu die Darstellung von Eisenberg, The Structure of the Corporation, 1976, p. 30–36. Zusammenfassend Meinhardt, 40 Washburn Law Journal, 289, 291 seq. (2001); Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1102 (1999). Ausführlich zur Aktionärsapathie unter § 4 B. I. 2. d).
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
der Gesellschaft bereichern.288 Die closely held corporation nimmt wegen ihres überschaubaren Gesellschafterkreises und ihres darauf beruhenden persönlichen Einschlags eine Sonderstellung ein. In einigen Staaten, allen voran Delaware, existieren gesetzliche Bestimmungen, die ein Sonderregime für diese Gesellschaften begründen. Zugleich hängt dessen Anwendung von einer ausdrücklichen Rechtswahl der Gesellschafter ab. Unterbleibt diese, wirkt sich dies zum Nachteil der Minderheitsgesellschafter aus. Allerdings ist die Entwicklung in Delaware im Fluss, was zu Unsicherheit beiträgt. Schwerer noch wiegt in dieser Hinsicht das Gefälle unter den einzelnen Staaten. Etliche Gerichte außerhalb Delawares lehnen die Pflichtbindungen der Gesellschafter an die Grundsätz in partnerships an und folgern daraus beträchtliche Rücksichtnahmepflichten. Es sind vor allem die Ansätze dieser Gerichte, aus denen sich Impulse für die weitere Untersuchung ergeben. Die Unterscheidung nach Mehrheits- und Minderheitsperspektive legt nahe, dass nur im Wege einer Abwägung berechtigter Interessen ein verträglicher Ausgleich im Gesellschafterinnenverhältnis gefunden werden kann. Hierauf wird sogleich unter § 3 zurückzukommen sein. Die Stärke der Konzeption der Treuepflicht als Generalklausel mitgliedschaftlicher Verhaltenspflichten ist zugleich ihre Schwäche: ihre Unbestimmtheit. Die Fortschritte, die im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht seit den BGH-Entscheidungen Linotype, Scheich Kamel und Girmes erzielt wurden, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass über die konkrete Wirkungsweise der Treuepflicht keine Einigkeit erzielt werden konnte.289 Gerade weil sie nunmehr als Regulat zur Begrenzung der Mehrheitsmacht verstanden wird, erscheint die Frage nach ihrer Anwendbarkeit mit einer Vielzahl von Vorzeichen überfrachtet: So sollen die Rechtsform, Realstruktur und konkrete Einflussmacht der beteiligten Gesellschafter nicht nur über die Rechtsfolge, sondern nach verbreiteter Ansicht schon über die Anwendbarkeit oder jedenfalls den Inhalt der Treuepflicht entscheiden. Bei einem derartigen Verständnis ist die deutsche Rechtslage kaum systematischer als die US-amerikanische und erklärt, warum über die Pflichtbindungen der Aktionäre nach wie vor Uneinigkeit besteht.290 ___________ 288 289
290
Dazu ausführlich unter § 7 A III 4. Siehe beispielhaft die Aussage von Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 960: „In welchem Umfang die Treuepflicht zur Kontrolle und Korrektur von Mehrheitsentscheidungen in Kapitalgesellschaften eingesetzt werden soll, ist vielen zweifelhaft“. Länger zurückliegend auch Roitzsch, Der Minderheitsschutz im Verbandsrecht, 1981, S. 38. Insbesondere der regelmäßig anzutreffende Verweis auf den „Missbrauch der Mehrheitsmacht“, der teilweise als Untergruppe der Treuepflicht, teilweise als Voraussetzung ihrer Anwendbarkeit in Publikumsgesellschaften verstanden wird, trägt hierzu bei. Siehe zu den verschiedenen Ansätzen etwa Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 165; ders., ZHR 153 (1989), 446, 449 f.; ders., AcP 180 (1980), 84, 123 ff.; K. Schmidt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 243, Rn. 45; Timm ZGR 1987, 403, 408 f.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243 Rn 21; Schön, FS Wiedemann, 2002, S. 1271, 1279; Semler/Volhard, Arbeitshandbuch der Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 14, Fn. 82; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 335 ff. Zu einer sehr klaren Konzeption, zugleich aber die vielen nach wie vor offenen Fragen der Bedeutung
C. Zusammenfassung und Bewertung des Treuepflichtansatzes
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Diese Unsicherheiten im Ansatz schlagen auf die Lösung dringender Einzelfragen des Minderheitsschutzes durch. Wie unter § 4 auszuführen sein wird, besteht über die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen (verbreitet materielle Beschlusskontrolle genannt) keine Einigkeit, was nicht zuletzt dem Umstand geschuldet ist, dass auch dieses Institut des Minderheitsschutzes seine Grundlage in der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht finden soll. Dies setzt sich bei anderen allgemeinen Fragen wie der nach der grundsätzlichen Beweislastverteilung bei Beeinträchtigungen der Mitgliedschaft, aber auch bei der rechtlichen Beurteilung von konkreten minderheitsrelevanten Strukturmaßnahmen fort. Hinzu kommt der schon mehrfach angesprochene Mangel, dass die überkommene Dogmatik zur Treuepflicht nicht überzeugend zwischen treuhänderischen Interessenwahrungspflichten und bloßen Rücksichtnahmepflichten zu unterscheiden weiß. Sollen Pflichten zu echter Interessenwahrung und solche zu bloßer Rücksichtnahme mit demselben (konturschwachen) Institut erfasst werden, läuft dieses Gefahr, dass ihm gerade bei den gravierenden Eingriffen in elementare Mitgliedschaftsrechte die erforderliche Überzeugungskraft fehlt. Demgegenüber lässt sich vor allem in jüngster Zeit ein Trend beobachten, bei den Wirkungen des Gesellschafts- und Mehrheitshandelns auf die Mitgliedschaft der Minderheitsgesellschafter abzustellen und die auftretenden Interessenkollisionen über die verfassungsrechtliche Dimension der Mitgliedschaft zu lösen. Diesem Ansatz soll im Folgenden nachgegangen werden. Wie sich zeigen wird, kann den vielfältigen Fragen des Minderheitsschutzes besser Rechnung getragen werden, wenn eine Unterscheidung danach getroffen wird, ob eine Beeinträchtigung die Schwelle zu einem Eingriff in die Mitgliedschaft überschreitet oder darunter bleibt. Während das verfassungsrechtliche Schutzgebot im ersteren Fall zu klaren Vorgaben zwingt, ist die unbestimmte Weite der Treuepflicht im letzteren Fall akzeptabel. Zugleich bedeutet dies, dass die überkommenen Erkenntnisse zur Treuepflicht im deutschen und US-amerikanischen Recht insoweit herangezogen werden können, wie sie zur Entwicklung eines verfassungsrechtlich gestützten Ansatzes beizutragen vermögen.
___________ der Treuepflicht für den Minderheitsschutz beklagend Wiedemann, DB 1993, 141, 143 f.; ders., FS Heinsius, 1991, S. 949.
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§ 2 Die Treuepflicht als Generalklausel des Minderheitsschutzes
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht und der Schutz der Rechtsstellung durch Art. 14 I GG Die Diskussion um den Schutz der Minderheitsgesellschafter vor der Mehrheitsmacht kommt nicht ohne die Einbeziehung der grundrechtlichen Dimension dieser Problematik aus. Dreh- und Angelpunkt zur Bestimmung der Schranken der Mehrheitsmacht ist der in Art. 14 I GG verankerte Schutz des Eigentums. Wesentliche Fragen sind dabei bislang nicht (abschließend) geklärt. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG richtet an den Gesetzgeber den Auftrag, den Inhalt der gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft näher auszugestalten, insbesondere die konfligierenden Interessen der Anteilsinhaber untereinander, aber auch im Verhältnis zu den Organen der Gesellschaft auszugestalten. Außerdem wirkt Art. 14 GG als Abwehrrecht und zieht der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit Grenzen, indem die Eigentumsfreiheit nur in dem verfassungsrechtlich zulässigen Maße eingeschränkt werden darf (dazu unter A). Diese Grundsätze betreffen das Verhältnis des Gesellschafters zum Staat, beschreiben jedoch nicht, welche weiteren verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Innenverhältnis der Gesellschaft existieren, wenn die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern und unter den Gesellschaftern nur ansatzweise gesetzlich geregelt sind und daher von privatautonomen Regelungen beherrscht werden. Eine weitere, bislang wenig ergründete Dimension erlangt Art. 14 GG durch die Überlegung, ob er nicht nur den Gesetzgeber, sondern auch den einzelnen Gesellschafter als Normadressaten im Blickfeld hat. Damit ist das Problem angesprochen, in welcher Weise die Eigentumsgarantie im Verhältnis der Anteilseigner untereinander wirkt, insbesondere danach, ob dieses Grundrecht im direkten Verhältnis der Gesellschafter zueinander Direktwirkung entfaltet, die sich aus den allgemeinen privatrechtlichen Grundsätzen und den Unterschieden von Organisationsverfassung im Gesellschaftsrecht und Vertragsfreiheit im sonstigen Privatrecht ableitet. Daher ist die Frage zu klären, ob die aus dem Verhältnis von Bürger und Staat bekannten Mechanismen herangezogen werden können, um einen Interessenausgleich im Innenverhältnis der Gesellschaft herbeizuführen. Die Antwort ist abhängig von einer Untersuchung der anerkannten Dogmatik zur Wirkung der Verfassungsprinzipien im Privatrecht (unter B) sowie einer Bewertung des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses und seiner Besonderheiten gegenüber sonstigen Privatrechtsverhältnissen (unter C). In den Mittelpunkt der Betrachtung rückt
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
dabei die Antinomie zwischen Gestaltungsfreiheit und Kontrolle, zwischen dem Recht auf Selbstbestimmung und der Forderung nach Einzelfallgerechtigkeit.291 A. Die Vorgaben des Art. 14 GG an den Zivilgesetzgeber
A. Art. 14 GG als Abwehrrecht, Schutzgebot und Gestaltungsauftrag an den Zivilgesetzgeber Neben der Abwehrkomponente der Grundrechte, die sich auch an den Zivilgesetzgeber wendet und die Vorgabe enthält, dass privatrechtliche Normen, soweit sie in Grundrechte eingreifen, den Vorgaben an einen verfassungsgemäßen Eingriff genügen müssen,292 besitzt der Staat gegenüber dem Bürger im Anwendungsbereich der Grundrechte einen Schutzauftrag,293 dem alle Institutionen, also auch der Zivilgesetzgeber und der Zivilrichter, unterliegen.294 Art. 14 GG betont diesen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber in Abs. 1 S. 2, daneben gleichermaßen die Bestandsgarantie des Eigentums als Element der persönlichen Freiheit des Einzelnen in Abs. 1 S. 1 und den Grundsatz der Sozialpflichtigkeit des Eigentums in Abs. 2.295 Durch die Kombination dieser Komponenten gibt er die Anforderungen an den Gestaltungsauftrag vor. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums bedeutet, dass der Regelgeber nicht nur der Bedeutung des Privateigentums für die individuelle Freiheitsentfaltung des Einzelnen gerecht werden, sondern sich zugleich auch am Wohl der Allgemeinheit orientieren muss, das sowohl Grund als auch Grenze einer Beschränkung des Eigentümers darstellt. Im Zusammenspiel beider Elemente bedeutet dies, dass das zulässige Ausmaß einer Sozialbindung vom Eigentum her bestimmt und beide Faktoren in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden müssen.296 Für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis ist der Schutzauftrag von besonderer Bedeutung. Dieses Innenverhältnis wird vom Konflikt der wechselseitig wirkenden Eigentümerinteressen und damit der Notwendigkeit geprägt, Regelungen zum Ausgleich dieses Konflikts zu erlassen.297 Die Schutzfunktion bedeutet für den Regelungsauftrag des Staates, dass dieser die widerstreitenden Interessen der ___________ 291 292 293 294
295 296 297
Wiedemann, ZGR 1980, 147, 152. Statt aller Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1563; Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 212. Dazu vor allem BVerfGE 39, 1, 42 und 55 ff. (Schwangerschaftsurteil); BVerfGE 88, 203, 251; BVerfG NJW 1995, 2343; BVerfG NJW 2001, 957, 958. BVerfGE 39, 1, 41ff.; BVerfGE 53, 30, 57; BVerfGE 88, 203 ff.; BVerfGE 81, 242, 256; BVerfGE 89, 214, 229 ff.; BVerfG NJW 1994, 408; Canaris, AcP 184 (1984), 228, 232 ff.; ders., JuS 1989, 161, 164; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 02/2005, Art. 1 Abs. 3, Rn. 65; Hermes, NJW 1990, 1764, 1768; Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht, 2005, S. 85; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 938 ff. Ablehnend Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 11. BVerfGE 50, 290, 340 spricht von einem unlösbaren Zusammenhang. BVerfGE 50, 290, 340 f.; BVerfGE 25, 112, 118 (Niedersächsisches Deichgesetz); BVerfGE 31, 229, 240. Vgl. BVerfGE 89, 214, 229 ff.
A. Die Vorgaben des Art. 14 GG an den Zivilgesetzgeber
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Gesellschafter in einen angemessenen Ausgleich bringen muss.298 Dies bedingt den doppelseitigen Charakter vieler gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen, die sich für den einen begünstigend, für den anderen hingegen belastend auswirken können. Als prominentes Beispiel mag der Mehrheitsgrundsatz dienen, durch den die Möglichkeit der Mehrheit geschaffen wird, in die Rechte der Mitgesellschafter einzugreifen. Dieser wird in seiner Wirkungsweise für die betroffene Minderheit als Eigentumsbeschränkung im Sinne von Art. 14 I 2 GG aufgefasst.299 Der Schutzauftrag zugunsten des Minderheitsgesellschafters würde vernachlässigt, wenn der einzelne Gesellschafter den Eingriffen in seine Rechtsstellung durch die Mitgesellschafter schutzlos ausgeliefert wäre. Dies geht aus der Rechtsprechung des BVerfG zur übertragenden Auflösung hervor, auf die noch ausführlich einzugehen sein wird. Das Gericht entschied, die vorrangige Berücksichtigung der Interessen des Großaktionärs sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn dies mit hinreichenden Schutzrechten auch für die Minderheitsaktionäre verbunden sei. Deren Beeinträchtigung sei im Rahmen des Art. 14 I GG gegen die rechtlich geschützten Interessen des Großaktionärs abzuwägen.300 Die Folgerung hieraus kann nur lauten, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen keine uneingeschränkte Mehrheitsherrschaft zulasten der Minderheit geben darf.301 Im Ausgangspunkt deckt sich dies mit den Grundsätzen der Rechtsprechung zu der Wirkung von Grundrechten in Austauschverträgen, wie im Einzelnen (unter B) noch darzustellen sein wird. Dort zieht das BVerfG die Grenzen der Vertragsfreiheit zugunsten einer Anwendung von Verfassungswerten (unter anderem) dort, wo ein besonderes Schutzbedürfnis der Teilnehmer am Rechtsverkehr besteht. Davon geht das Gericht aus, wenn den Privatrechtssubjekten eine eigenverantwortliche Sorge um die Wahrung ihrer Grundrechtspositionen nicht mehr zugetraut bzw. zugemutet werden kann, weil die Vertragsfreiheit nachhaltig und mit einem gewissen Maß an Typizität gestört ist. In diesen Fällen sind die Voraussetzungen für eine wirkungsvolle Funktionsweise der Privatautonomie typischerweise nicht gewährleistet,302 so dass von einer Richtigkeitsgewähr der ausgehandelten ___________ 298
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300 301
302
Für das Aktienrecht BVerfG NJW 2007, 3268, 3269 (Rn. 20): „Bei der Ausgestaltung des Aktienrechts muss der Gesetzgeber die Interessen der Beteiligten gerecht ausgleichen und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen (. . .). Er muss zu allen Aktionären die gleiche Distanz wahren“. Grundlegend Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1362 f.; Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften, 1967, S. 203, dort auch zugleich zu den Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsauftrages. BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 = NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter). Dezidiert Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, S. 705 f. Siehe auch Windbichler, AG 1981, 169: „Das Mehrheitsprinzip steht (. . .) nicht ernsthaft zur Debatte, wohl aber dessen Grenzen, insbesondere der Minderheitsschutz bei Eingriffen in mitgliedschaftliche Positionen. Der Minderheitsschutz ist zwar verfassungsmäßig geboten, die konkrete Ausgestaltung aber obliegt dem einfachen Recht“. Dazu Singer, JZ 1995, 1133, 1137.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Vereinbarungen303 nicht ausgegangen werden kann. Es geht mithin darum, dem Phänomen zu begegnen, dass zwar einerseits Selbstbestimmung ohne Selbstverantwortung nicht funktionieren kann, andererseits aber auch die Rechtsordnung ihren Schutzauftrag bei Imparitäten zu verwirklichen hat.304 Im Ausgangspunkt geht es auch im Gesellschaftsrecht um die Grenzen der Privatautonomie. Im Mittelpunkt der privatautonomen Freiheit steht der Gesellschaftsvertrag, der die Rechtsbeziehungen der Mitglieder regelt. Die Parteien sind frei darin, dieses Rechtsverhältnis nach ihrem Willen auszugestalten, und zwar im Grundsatz in allen Rechtsformen, wenn auch in der konkreten Reichweite in unterschiedlichem Ausmaß.305 Schon mehrfach wurde jedoch auf das besondere Dilemma des Gesellschaftsrechts hingewiesen. Einerseits trifft jeder Gesellschafter seine Investitionsentscheidung autonom und mit der Möglichkeit, sich über alle relevanten Tatsachen seiner zukünftigen Mitgliedschaft im Verband zu informieren und den Inhalt seiner Rechtsstellung auszuhandeln. Primär obliegt es daher dem Gesellschaftsvertrag, für Interessenausgleich zu sorgen. Andererseits handelt es sich hierbei um den Idealzustand, der praktisch allenfalls in Gesellschaften mit kleinem Gesellschafterkreis und auch dort nur in der Gründungssatzung erreicht wird, während große Gesellschafterkreise und spätere Änderungen der Satzung bzw. Erweiterungen oder Änderungen des Gesellschafterbestandes einen solchen Konsens nicht erwarten lassen. Hierdurch unterscheiden sich die Gesellschaftsverträge von gewöhnlichen Austauschverträgen, aber auch von anderen Vertragswerken, die eine Vielzahl von Rechtssubjekten binden und dabei dem Einzelnen keine Möglichkeit einräumen, auf den Inhalt Einfluss zu nehmen: Das insoweit wichtigste Beispiel, der Tarifvertrag, wird durch kollektive Kräfte auf gleicher Augenhöhe ausgehandelt, was durchaus für eine Richtigkeitsvermutung spricht.306 Der Gesellschafter ist demgegenüber auf sich allein gestellt, und der Minderheitsgesellschafter sieht sich regelmäßig einem deutlich besser informierten Mehrheitsgesellschafter gegenüber.307 ___________ 303
304 305 306
307
Zu dieser Richtigkeitsgewähr und ihren Ausnahmen im Einzelnen Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, v.a. 156 f.; ausführlich und grundlegend Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl. 1996, S. 314 ff. zu den Grundlagen und der Augangsthese, S. 323 ff. zu den Zweifeln daran und den Situationen, in denen es jedenfalls an einer Richtigkeitsgewähr fehlt. So die Formulierung von Singer, JZ 1995, 1133, 1138. Schön, FS Ulmer 2003, S. 1359, 1376. Daher unterliegen sie (grundsätzlich) auch keiner Inhaltskontrolle, allerdings aber einer Kontrolle durch die Grundrechte. Dieser Ansatz ist zugleich sehr umstritten. Vgl. mit etlichen Nachweisen aus Rspr. und Literatur Singer, ZfA 1995, 611, 612 ff. Zur ökonomischen Sicht, wonach ein Interesse an gesetzlicher Regelung in den Bereichen typischer Lücken in Gesellschaftsverträgen, die im Sinne des hypothetischen Willens der Gesellschafter geschlossen werden müssen, besteht und die danach insbesondere angezeigt sind, wenn von der Unternehmensverfassung negative externe Effekte ausgehen, die einer privaten Verhandlungslösung nicht zugänglich sind und auch nicht durch die Mechanismen der Märk-
A. Die Vorgaben des Art. 14 GG an den Zivilgesetzgeber
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Ergibt sich aus diesem Befund die grundsätzliche Notwendigkeit, die Regelung des gesellschafterlichen Innenverhältnisses nicht alleine der Privatautonomie zu überlassen, so beschränkt doch umgekehrt die Abwehrfunktion des Grundrechts die staatliche Einwirkung. Art. 14 GG setzt dem Gesetzgeber Grenzen bei seinem Auftrag, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen308 und schützt den Gesellschafter vor unverhältnismäßigen Eingriffen in sein Gesellschaftseigentum, da jeder staatliche Eingriff dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen und die Institutsgarantie des Eigentums wahren muss309. Da Gesellschaften gegründet werden, um (erlaubte und) allein im Belieben der Gesellschafter stehende Zwecke zu verfolgen, müssen diese auch die Freiheit besitzen, Gegenstand und Modalitäten dieser Zweckverfolgung selbst zu bestimmen. Daraus folgt die Vorgabe an den Regelgeber, seinen Auftrag mit Bedacht wahrzunehmen, um die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft nicht zu gefährden.310 Schließlich sind aus ökonomischer Sicht bei der Ausgestaltung des Regelungsauftrages auch die Kosten zu beachten, die mit der Regulierung des Gesellschaftsverhältnisses einhergehen. Bestimmungen, die eine Regelung im Gesellschaftsvertrag notwendig machen, erhöhen die Beratungs- und Abschlusskosten, vermögen aber regelmäßig Streitschlichtungskosten zu verhindern oder zu senken. Rechtsbehelfe überantworten die inhaltliche Prüfung von gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen, Beschlüssen und sonstigen Maßnahmen dem Richter und bürden den Parteien die damit verbundenen Kosten auf. Informationspflichten führen zu einem erhöhten Bearbeitungsaufwand des Informationsträgers, verringern jedoch regelmäßig das Konfliktpotential und vermögen dadurch ebenfalls, Streitschlichtungskosten zu senken. Generell gesprochen lässt sich sagen, dass überschießende Regelung ebenso schädlich ist wie unzureichende, da im ersten Fall überflüssige Kosten für Prävention anfallen, im zweiten für exzessive Streitschlichtung.311 Seinen Regelungsauftrag hat der Gesetzgeber vielfältig umgesetzt, wobei insbesondere zwingende Normen einen Mindestschutz der Minderheitsgesellschafter garantieren sollen. Indem einerseits typischerweise auftretende Konflikte abstrakt und generell geregelt und zwingende Schutzvorschriften geschaffen werden, im Übrigen aber Gestaltungsfreiheit besteht, versucht der Gesetzgeber, die verschiedenen Komponenten des Art. 14 GG in Ausgleich zu bringen.312 Hinzu kommt der ___________ 308 309
310 311 312
te geschlossen werden, Röpke, Gläubigerschutzregime im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, 2007, S. 52 f., m. N. zur ökonomischen Literatur. Dazu grundlegend Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften, 1967. Vgl. etwa BVerfG ZIP 1990, 228, 230; allgemein für Eingriffe in das Eigentum BVerfGE 21, 150, 155; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 14, Rn. 4. Näher dazu auch Jung, Der Unternehmergesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 235 ff. Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1373. Im Einzelnen Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 158. Für zwingende Schutzvorschriften spricht sich Stumpf, NJW 2003, 9, 15, aus. In der Tendenz anders Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1377, der den Gesellschafter darauf verweist, vor seinem Beitritt eine abwägende Entscheidung danach zu treffen, ob der erhoffte Nutzen die
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
geltende Grundsatz des Numerus Clausus der Gesellschaftsformen. Dieser wird notwendig, da zwingende Normen ohne Typenzwang nicht möglich sind.313 Zugleich kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Bedarf nach innergesellschaftlichem Interessenausgleich durch den Gesetzgeber nicht abschließend gelöst wurde. Gerade weil die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter in so hohem Maße (und aus gutem Grund) vom Gesetzgeber gewahrt wird, ist der Schutz nur lückenhaft, und es bedarf wirkungsvoller Mechanismen, mit denen im Einzelfall ein Interessenausgleich herbeigeführt werden kann, wenn die vom Gesetzgeber vorgesehenen abstrakt-generellen Regelungen nur unzureichend schützen. Wenn sich jedoch die gesetzgeberische Konfliktlösung am Maßstab des Art. 14 GG ausrichtet, so liegt die Überlegung nahe, dass diese Bestimmung auch im ungeregelten Bereich einen angemessenen Interessenausgleich zu bewirken vermag. Im Mittelpunkt der weiteren Untersuchung wird daher die Frage stehen, welche Schutzwirkung Art. 14 GG entfaltet, wenn die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters durch Maßnahmen der Gesellschaft und des kontrollierenden Gesellschafters beeinträchtigt wird.
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schon erkennbaren und in Zukunft zu erwartenden Nachteile einer Unterordnung unter den Mehrheitswillen zu rechtfertigen vermag. Zum Typenzwang Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 115. Als Randbemerkung ist darauf hinzuweisen, dass gleichwohl nicht nur die Gesellschaftsformen deutschen Rechts zur Verfügung stehen, sondern unter der Prämisse, dass im Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV auf jede in Deutschland ansässige Gesellschaft ihr Gründungsrecht Anwendung findet, dazu EuGH Rs. C-212/97 Centros, Slg. 1999, I-1459; EuGH Rs. C-167/01 Inspire Art, NJW 2003, 3331; EuGH Rs. C-208/00 Überseering, Slg. 2002, I-9919, 9974, Tz. 92, auch die Gesellschaftsformen einer ganzen Vielzahl ausländischer Rechtsordnungen, so jedenfalls die zur Zeit 26 weiteren Rechtsordnungen der EU. Hinzu treten die Gesellschaftsformen, die nach US-amerikanischem Recht gegründet werden können, da nach BGHZ 153, 353 (und zustimmend OLGR Koblenz 2004, 161) eine in den Vereinigten Staaten von Amerika wirksam gegründete und noch bestehende Kapitalgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland rechtsfähig ist, gleichgültig, wo ihr effektiver Verwaltungssitz liegt. Dies folgt nach Ansicht des BGH aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB in Verbindung mit dem Freundschafts-, Handelsund Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 (BGBl. II 1956, 487 f.). Siehe außerdem zu den Veränderungen im deutschen Recht schon den Hinweis von Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 116–122, (unter Vergleich mit der Verwässerung des Typenzwangs im Sachenrecht), vornehmlich zu der Vermischung von Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht durch das Gebilde der GmbH & Co KG (mit dem Hinweis, dass hierdurch der strenge Typenzwang von Gesellschaften mit beschränkter Haftung nicht aufgeweicht würde, a. a. O., S. 122), und zu der Aufgabe der Verbandsform einer Gesellschaft bei der Einmann-Kapitalgesellschaft, a. a. O., S. 118.
B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte
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B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte
Der speziellen Frage nach der Wirkungsweise von Art. 14 GG im Innenverhältnis der Gesellschafter muss die allgemeinere Frage vorausgehen, welche Wirkung Verfassungsprinzipien, insbesondere Grundrechte, in Privatrechtsverhältnissen generell entfalten.
I. Die Allgemeine Grundrechtsdogmatik zur Privatrechtswirkung von Grundrechten Die Diskussion um die Wirkung der Grundrechte in Privatrechtsverhältnissen ist in letzter Zeit neu belebt worden.314 Ursprünglich hatte sich die Diskussion darauf konzentriert zu erörtern, ob eine solche Drittwirkung überhaupt existiert,315 gerade weil die Schöpfer des Grundgesetzes, insbesondere nach den Erfahrungen im Dritten Reich, nur den Staat als Adressaten im Blickfeld hatten.316 Im Ergebnis setzte sich die Ansicht durch, dass aus Gründen effektiver Geltung der Grundrechtsnormen317 auch das Privatrechtsverhältnis nicht ganz von grundrechtlicher Beeinflussung frei gehalten werden kann, eine Dritt- oder Horizontalwirkung318 der Grundrechte also zu befürworten ist. Obgleich aus der Schutzfunktion der ___________ 314
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Davon zeugen etwa die Beiträge von Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999; Cherednychenko, in: Grundmann (ed.), Constitutional Values and European Contract Law, 2008, p. 35; Colombi Ciacchi, in: Furrer, Europäisches Privatrecht im wissenschaftlichen Diskurs, 2006, 231; Neuner, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 159; Singer, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 245. Vgl. die umfangreichen Nachweise bei Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1518, Fn. 33; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 310, Fn. 63. Aus neuerer Zeit stammt die Kritik an und die Ablehnung gegenüber der Drittwirkung im Vertragsrecht von Zöllner, AcP 196 (1996), 1, insb. 7 f. und 36. Zu den Anfängen der Grundrechtswirkung in Privatrechtsverhältnissen siehe die Rechtsprechung des Reichsgerichts, RG JW 1926, 980, 981; RGZ 128, 92, 95 f., und den historischen Aufriss bei Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, S. 7–19. Dazu Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1520 ff., und für die Zeit vor Gründung der BRD S. 1515–1518. Siehe auch Neuner, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 159, 161–163. Diese ursprünglich vor allem von der Lehre einer unmittelbaren Drittwirkung ins Feld geführten Argumente sind heute anerkanntes Allgemeingut, vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1540, wobei die von dieser Lehre postulierten Folgerungen von der h. M. nicht übernommen wurden, wie unter 3. auszuführen sein wird. Zu den Begrifflichkeiten und den drei gängigen Begriffsbildungen Drittwirkung, Horizontalwirkung und Geltung der Grundrechte im Privatrecht siehe Stern, Das Staatsrecht der BRD, Band III/1, 1988, S. 1513 f.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Grundrechte,319 wie sie insbesondere in Art. 1 I 2 GG zum Ausdruck kommt,320 die Aufgabe des Gesetzgebers folgt, das Privatrechtssubjekt vor einer Beeinträchtigung seiner Grundrechte zu schützen und in Wahrnehmung dieses Auftrages einen angemessenen Ausgleich konfligierender Grundrechtspositionen einfachgesetzlich zu regeln, ist doch aus praktischen Gründen eine abschließende, jede denkbare Grundrechtsbeeinträchtigung erfassende Regelungsdichte unmöglich.321 Zugleich ist das Phänomen, dass es auch in Privatrechtsverhältnissen zu Unterdrückungen der schwächeren Vertragspartei kommen kann, die so weit gehen können, dass grundrechtlich geschützte Positionen verletzt werden,322 heute unbestritten.323 Den Grundrechtsträger allein auf den gesetzgeberischen Schutzauftrag zu verweisen, würde bedeuten, ihn dort schutzlos zu stellen, wo der Staat diesem Schutzauftrag nicht wirksam nachkommt. Das Ziel lautet daher, diese verbleibende „offene Flanke“324 des Grundrechtsschutzes durch eine effektive Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Grundrechte auf Privatrechtsverhältnisse zu schließen. Die grundrechtlichen Güter werden so vor tatsächlichen Beeinträchtigungen durch andere Privatrechtssubjekte bewahrt und ihre Funktionsfähigkeit gewährleistet.325 Auch dabei handelt es sich um die Entfaltung des den Grundrechten innewohnenden Schutzauftrages.326 Besteht über diesen Ausgangspunkt Einigkeit, so werden doch Reichweite, Voraussetzungen und Modalitäten der Privatrechtswirkung von Grundrechten kontrovers diskutiert. Dabei gelangen die unterschiedlichen Auffassungen häufig zu denselben oder zumindest ähnlichen Ergebnissen.327 Dennoch handelt es sich nicht ___________ 319
320
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325 326 327
BVerfGE 39, 1, 41 ff.; BVerfGE 53, 30, 57; BVerfGE 88, 203 ff.; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 226; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 02/2005, Art. 1 Abs. 3, Rn. 65; Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht, 2005, S. 85; Neuner, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 159, 170; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 938 ff. Dazu Hamel, Die Bedeutung der Grundrechte im sozialen Rechtsstaat, 1957, S. 20; Pieroth/ Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Rn. 176; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1529 f. Neuner, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 159, 160 f. Dazu die Beispiele bei Singer, JZ 1995, 1133, 1135. Zu Diskussion und Meinungsstand v.Münch, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Vorb. Art. 1–19, Rn. 29. Siehe auch Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, 25. Aufl. 2009, Rn. 176 und 183; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Staatsrecht III/1, 1988, S. 1586–1595. Zum Machtgefälle in der Privatrechtsordnung Großfeld/Ebke, AG 1977, 57, 63. So die plastische Formulierung bei Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht, 2005, S. 82. Siehe auch dazu, dass dem Privatrecht keine funktionelle Geschlossenheit innewohnt und der Richter gemäß Art. 20 III GG zur Rechtsfortbildung berechtigt und verpflichtet ist, Neuner, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 159, 161. So Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 75. Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, 25. Aufl. 2009, Rn. 183. So das Fazit vieler Stimmen, vgl. zum Meinungsstand etwa Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 483 f.; a. A. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Staats-
B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte
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nur um einen rein dogmatischen und wirkungstheoretischen Streit, da die Modalitäten der Grundrechtsanwendung durchaus in Einzelfragen, etwa auch in Einzelgebieten des Privatrechts, zu unterschiedlichen Gewichtungen führen können, wie für das Gesellschaftsrecht anschließend (unter C.) auszuführen sein wird.
1. Die Rechtsprechung des BVerfG zur Wirkungsweise von Grundrechten im Privatrecht Die wiederholte Beschäftigung des BVerfG mit der Frage der Drittwirkung von Grundrechten ist Ausdruck des bekannten Phänomens, dass privatautonomes Handeln keine uneingeschränkte Richtigkeitsgewähr für sich in Anspruch nehmen kann, sondern die freie Selbstbestimmung der Vertragsparteien, die das deutsche Privatrecht voraussetzt, im Wirtschaftsverkehr der Gegenwart nicht immer gewährleistet ist. Die häufig anzutreffende wirtschaftliche und informationelle Überlegenheit eines Vertragspartners führt zu einer Machtkonzentration auf einer Vertragsseite, die es ausschließt, dass der andere Vertragspartner seine eigenen Interessen selbstbestimmt und wirkungsvoll wahrzunehmen vermag.328 Im Ausgangspunkt sieht das BVerfG gleichwohl einen sachgerechten Interessenausgleich durch den übereinstimmenden Willen der Vertragspartner gewährleistet. Ein Vertrag zeichne sich dadurch aus, dass die Parteien ihre Freiheit zum Vertragsschluss durch wechselseitige Bindung ausüben. Der hierbei zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lasse in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen.329 Für den Regelungsauftrag des Zivilgesetzgebers ergibt sich daraus das Gebot, die grundrechtlich verbürgte Privatautonomie zu respektieren.330 Diese wird zugleich nicht durch einen völligen Rückzug des Gesetzgebers verwirklicht. Dessen Aufgabe besteht vielmehr darin, für praktische Konkordanz unter den Teilnehmern am Privatrechtsverkehr zu sorgen: Da alle Beteiligten des Zivilrechtsverkehrs den Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG genießen und sich gleichermaßen auf die grundrechtliche Gewährleistung ihrer Privatautonomie berufen können, darf nicht das Recht des Stärkeren gelten, sondern sind die kollidierenden Grundrechtsposi___________ 328 329 330
recht, Band III/1, 1988, S. 1556: „größer als bisweilen angenommen und von substantieller Natur“. Dazu etwa Kötz, Gutachten zum 50. DJT, 1974, S. A 36; Kramer, ZHR 146 (1982), 105 ff.; Schneider, ZGR 1978, 1, 7 ff.; für Tarifverträge Thiele, FS Larenz, 1973, S. 1043, 1053. BVerfGE 103, 89, 100; BVerfG NJW 2005, 2363 (Rn. 133); BVerfGE 114, 73 (Rn. 59) = NJW 2005, 2376. BVerfG JZ 1994, 408, 409: „Die Privatautonomie ist notwendigerweise begrenzt und bedarf der rechtlichen Ausgestaltung. Privatrechtsordnungen bestehen deshalb aus einem differenzierten System aufeinander abgestimmter Regelungen und Gestaltungsmittel, die sich in die verfassungsmäßige Ordnung einfügen müssen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Privatautonomie zur beliebigen Disposition des Gesetzgebers stünde und ihre grundrechtliche Gewährleistung infolgedessen leer liefe. Vielmehr ist der Gesetzgeber bei der gebotenen Ausgestaltung an die objektiv-rechtlichen Vorgaben der Grundrechte gebunden“.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
tionen in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.331 Relevant wird dieser Schutzauftrag, wenn ein Verhandlungsungleichgewicht besteht, das es einem der Vertragspartner ermöglicht, den Vertragsinhalt faktisch einseitig zu bestimmen, der Vertragspartner also in eine Rolle der Fremdbestimmung einrückt.332 In solchen Fällen scheidet es aus, auf die Privatautonomie der Vertragsparteien zu verweisen; vielmehr muss ein angemessener Interessenausgleich auf andere Weise sichergestellt werden.333 Fehlt es an einem einfach-gesetzlichen Konfliktausgleich, entfalten die Grundrechte ihre besondere Bedeutung als objektive Werteordnung, die auf das bürgerliche Recht ausstrahlt.334 Außerhalb des Anwendungsbereichs ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen zum Schutz der schwächeren Vertragspartei wird der Schutz nach dem BVerfG regelmäßig durch die Anwendung der Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuchs gewährleistet. Besonders den §§ 138, 242 BGB kommt nach Aussage des BVerfG eine zentrale Bedeutung zu: Das geltende Recht halte Instrumente bereit, die es möglich machten, auf strukturelle Störungen der ___________ 331 332
333
334
BVerfGE 89, 214, 232. BVerfG NJW 2005, 2363, 2366; BVerfGE 114, 73 (Rn. 60) = NJW 2005, 2376; BVerfGE 103, 89, 100 f.; BVerfGE 89, 214, 232 = JZ 1994, 408; BVerfGE 81, 242, 255. Zum Freiheitsparadoxon, wonach unbeschränkte Freiheit des Privatrechtssubjekts notwendigerweise zu Freiheitsbeschränkung bei anderen führt, etwa Wagner-von Papp, AcP 205 (2005), 342, 344 f. Ausführlich, unter Darstellung der Wandelung mit Aufkommen der „industriellen Massengesellschaft“ und der „Bedrohung des einzelnen durch Verbände, große Unternehmen und einzelne Mächtige“ Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 16 f. und S. 19. Allgemein zu der Bedrohung grundrechtlicher Positionen durch Private etwa Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht, 2005, S. 82. BVerfGE 89, 214, 232; vgl. auch Limbach, JuS 1985, 10, 11 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 216–219; umfassend Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982; ablehnend dazu Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 14. Diesen Ansatz schränkt das BVerfG dahin ein, dass nicht jede Beeinträchtigung des Verhandlungsgleichgewichts ausreichend sei. Nicht bei jeder Störung dürfe ein Vertrag in Frage gestellt oder korrigiert werden. Vielmehr seien dafür typisierbare Fallgestaltungen erforderlich, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lassen, wobei die Folgen des Vertrages für den unterlegenen Vertragsteil ungewöhnlich belastend sein müssten. Dann habe die Zivilrechtsordnung darauf zu reagieren und Korrekturen zu ermöglichen, BVerfGE 89, 214, 232 = JZ 1994, 408. 409. Kritisch zu diesen Kriterien Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 49 (Fn. 147); Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 28, die stattdessen zu Recht darauf abstellen, ob und inwieweit die Entscheidungsfreiheit des schwächeren Vertragpartners faktisch beeinträchtigt ist. So zuerst in BVerfGE 7, 198, 205 (Lüth); bestätigt und fortentwickelt in BVerfGE 14, 263, 277 f. (Feldmühle); BVerfGE 24, 278, 282; BVerfGE 25, 256, 263; BVerfGE 30, 173, 187 ff.; BVerfGE 34, 269, 280; BVerfGE 35, 202, 214; BVerfGE 42, 143, 148; BVerfGE 46, 325, 334 ff.; BVerfGE 49, 89, 142; BVerfGE 52, 131, 165 f.; BVerfGE 54, 129, 135 ff.; BVerfGE 60, 234, 239; BVerfGE 73, 261, 269. Zu einer Übersicht über die Rechtsprechung des BGH zur Grundrechtswirkung in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten siehe die Darstellung von Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1548. Auf die Entscheidungen im Gesellschaftsrecht wird im Einzelnen unter C. einzugehen sein.
B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte
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Vertragsparität angemessen zu reagieren.335 Der Zivilrichter stehe deshalb in der Pflicht, bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln darauf zu achten, dass Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung dienten. Regelmäßig erübrige sich eine weitergehende Inhaltskontrolle, wenn die Vertragspartner eine an sich zulässige Regelung vereinbart hätten. Sei aber der Inhalt des Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, dürften sich die Gerichte nicht mit der Feststellung „Vertrag ist Vertrag“ begnügen, sondern seien angehalten zu klären, ob die Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke ist, und müssten mithilfe der Generalklauseln des Zivilrechts korrigierend eingreifen. Wie sie dabei zu verfahren haben und zu welchem Ergebnis sie gelangen müssen, sei in erster Linie eine Frage des einfachen Rechts, dem die Verfassung einen weiten Spielraum lasse.336 Ein Verstoß gegen die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie komme in Betracht, wenn das Problem gestörter Vertragsparität gar nicht gesehen oder seine Lösung mit untauglichen Mitteln versucht werde.337 ___________ 335 336
337
BVerfGE 89, 214, 233 f. = JZ 1994, 408, 410; so auch schon BVerfG NVwZ-RR 1992, 491; BVerfGE 7, 198, 206 f. Nach Aussage von BVerfGE 42, 143, 148 = NJW 1976, 1677, grenzen die ordentlichen Gerichte grundrechtlich verbürgte Positionen Privater gegeneinander ab, argumentieren grundrechtsbezogen und wenden bei der Interpretation von Generalklauseln und anderer Einbruchstellen der Grundrechte in das Privatrecht Verfassungswerte an. BVerfGE 89, 214, 234 = JZ 1994, 408, 410. Siehe zudem BVerfGE 89, 214, 229 f.: „Das Grundgesetz enthält in seinem Grundrechtsabschnitt verfassungsrechtliche Grundentscheidungen für alle Bereiche des Rechts. Diese Grundentscheidungen entfalten sich durch das Medium derjenigen Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, und haben vor allem auch Bedeutung bei der Interpretation zivilrechtlicher Generalklauseln (vgl. BVerfGE 7, 198, 205 f.; BVerfGE 42, 143, 148). Indem § 138 uns § 242 BGB ganz allgemein auf die guten Sitten, die Verkehrssitte sowie Treu und Glauben verweisen, verlangen sie von den Gerichten eine Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden. Deshalb sind die Zivilgerichte von Verfassungs wegen verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln die Grundrechte als „Richtlinien“ zu beachten. Verkennen sie das und entscheiden sie deshalb zum Nachteil einer Prozesspartei, so verletzen sie diese in ihren Grundrechten (vgl. BVerfGE 7, 198, 206 f.).“ In BVerfG NVwZ-RR 1992, 491 heißt es ganz ähnlich: „Auch bei der privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen wirkt sich der objektive Schutzgehalt der Grundrechte aus. Privatautonomie besteht nur im Rahmen der geltenden Gesetze und diese sind ihrerseits an die Grundrechte gebunden. Das Grundgesetz will keine wertneutrale Ordnung sein, sondern hat in seinem Grundrechtsabschnitt objektive Grundentscheidungen getroffen, die für alle Bereiche des Rechts, also auch für das Zivilrecht gelten. Keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu den Prinzipien stehen, die in den Grundrechten zum Ausdruck kommen. Das gilt vor allem für diejenigen Vorschriften des Privatrechts, die zwingendes Recht enthalten und damit der Privatautonomie Schranken setzen. Der Rechtsprechung bieten sich zur Realisierung dieses Einflusses vor allem die Generalklauseln an (BVerfGE 7, 198, 205 f.; BVerfGE 81, 242, 254). Hier kommt in erster Linie § 242 BGB in Betracht, der die privatautonome Gestaltung von Rechtsverhältnissen an die Grundsätze von Treu und Glauben bindet und damit auch die Beachtung der objektiven Schutzfunktion der Grundrechte einfordert“.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Im Ergebnis wirken die Grundrechte daher in allen Bereichen des Rechts und entfalten sich durch das Medium derjenigen Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen.338 Als objektive Grundentscheidungen der Rechtsordnung werden sie daher auch in das Zivilrecht einbezogen.339 Ihr Hauptanwendungsbereich besteht bei den offenen Tatbeständen, den Generalklauseln, die im Lichte der Grundrechte interpretiert werden.340
2. Die Grundrechte als objektive Werteordnung Dieser Ansatz des BVerfG hat sich zur herrschenden Grundrechtsdogmatik entwickelt. Die Entdeckung der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte veränderte deren Beurteilung.341 Das auch vom BVerfG betonte Phänomen, dass neben dem Staat auch Private die Freiheit des Einzelnen bedrohen, bedingt die Einsicht, dass sich die Rolle der Grundrechte nicht darin erschöpfen kann, in den klassischen drei Funktionen zu dienen, als Abwehrrechte gegen den Staat, als an den Gesetzgeber adressierte Schutzaufträge und (seltener) als subjektiv-öffentliche Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat. Sie besitzen daneben die Funktion von Ordnungssätzen und Grundsatznormen, die in ihrer Gesamtheit eine objektive Werteordnung verkörpern, die auf alle Bereiche des Rechts ausstrahlt.342 Grundrechte sind höchste Werte, die einzelne Aspekte der Menschenwürde verkörpern. Diesem besonderen Wert und Schutzauftrag entspricht ein allseitiger Schutz, der gleichmäßig in alle Richtungen gewahrt werden muss.343 Auch das Privatrecht ist daher, wie Stern anhand von Art. 9 III 2 GG und Art. 48 II 1 GG feststellt, nicht grundrechtsdistanziert.344 Auch im Bereich des Zivilrechts ist nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch der Richter in diesen Umsetzungsauftrag eingebunden.345 Dies ergibt sich nicht nur ___________ 338
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340 341 342
343 344 345
Für ausländisches Recht und ausländische Urteile bringt der Gesetzgeber diesen Grundsatz zum Ausdruck, wenn er in Art. 6 S. 2 EGBGB und § 328 I Nr. 4 ZPO solches Recht und solche Urteile von der Anwendung ausnimmt, die mit den Grundrechten nicht vereinbar sind. Siehe hierzu Becker, Der unfaire Vertrag, 2003, S. 16. Zustimmend Dürig, FS Nawiasky, 1956, S. 157, 176; Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, S. 126 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 134 ff.; ablehnend Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 217, wonach die Grundrechte Abwehrrechte sind und aus ihnen durch ihre Qualifizierung als Grundwerte eine völlig andere Kategorie mit anderen Rechtsfolgen wird; kritisch insbesondere wegen der Vagheit des Begriffs der „objektiven Grundentscheidung“ Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 9. BVerfGE 89, 214, 233 = BVerfG NJW 1994, 36 = BVerfG JZ 1994, 408. Volkmann, JZ 2005, 261, 263. BVerfGE 7, 198, 205; BVerfGE 39, 1, 41; BVerfGE 73, 261, 269; Nipperdey, RdA 1950, 121, 124; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 333; v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Vorb. Art. 1–19, Rn. 22; ähnlich auch BAGE 1, 185, 193 f. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 333. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1553. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 11; Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 1, Rn. 34; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 1, Rn. 63;
B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte
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aus Art. 1 III GG, sondern auch aus der Möglichkeit, gegen die Entscheidungen der Zivilgerichte Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4 a GG zu erheben, was notwendigerweise bedingt, dass die Zivilgerichte materiellrechtlich an die Grundrechte gebunden sind.346 Die Entscheidungen der Zivilgerichte sind damit ebenso an den Grundrechten zu messen wie zivilrechtliche Gesetze.347
3. Die Wirkungsweise der Grundrechte im Privatrecht a) Theorie von der Mittelbaren und Unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte Bei der Frage nach der konkreten Wirkungsweise der Grundrechte im Privatrecht gehen die Meinungen auseinander. Ausgehend von der bereits skizzierten Rechtsprechung des BVerfG vertritt die h. M. die Lehre von einer indirekten Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht. Danach wirken Grundrechte, so der Ausgangspunkt, im Verhältnis von Bürger und Staat,348 während das Privatrecht, vom Grundsatz privatautonomer Gestaltungsfreiheit geprägt, nur durch die Impulse, die von der objektiven Werteordnung für Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung ausgehen, betroffen wird. Bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten werden nicht durch eine unmittelbare Anwendung von Grundrechten gelöst, sondern mittelbar, indem die das jeweilige Rechtsgebiet beherrschenden Vorschriften als Medium der Grundrechtsanwendung dienen.349 Als solches Medium wirken nicht sämtliche Vorschriften, sondern nur die offenen Tatbestände von Generalklauseln, die daher auch als „Einbruchstellen der Grundrechte in das Privatrecht“ bezeichnet werden.350 Für diese Wirkungsweise hat sich der Begriff der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten im Privatrecht herausgebildet.351 Das BVerfG, das hat die Dar___________ 346 347 348
349 350 351
Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht, 2005, S. 77; Stern, Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1565 und 1583. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 25. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 26. Dass dabei auch der Zivilgesetzgeber unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist, wird von der ganz h.L. und dem BVerfG vertreten, vgl. dazu Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 16 ff.; ders., AcP 184 (1984), 212 ff.; BVerfGE 72, 155, 173; BVerfGE 79, 256, 272 f.; BVerfG NJW 1998, 1475; Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, 1961, S. 79. BVerfGE 42, 143, 148; so auch die Rspr. des BGH, vgl. etwa NJW 1986, 2944. BVerfGE 7, 206. Ipsen, Staatsrecht II – Grundrechte, 12. Aufl. 2009, Rn. 70; Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 1, Rn. 54; Sachs, GG-Kommentar, 3. Aufl. 2003, Vor Art. 1, Rn. 32; Guckelberger, JuS 2003, 1151, 1154; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Loseblatt Stand 02/2005, Art. 1 Abs. 3, Rn. 59; Dürig, FS Nawiasky, 1956, S. 157, 176 f.; Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 110; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1552 ff.; Canaris, AcP 184 (1984), 210; Becker, Der unfaire Vertrag, 2003, S. 18; i. E. auch Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat, 1974, S. 60. Heute nicht mehr vertreten wird hingegen die Ansicht, Grundrechte besäßen eine ausschließliche Staatsrichtung, dazu die zahlreichen Nachweise bei Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 310 (Fn. 63),
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
stellung unter 1. gezeigt, neigt diesem Ansatz zu, indem in seiner Rechtsprechung die Generalklauseln zwar nicht das ausschließliche, aber doch wesentliche Medium für den Eingang der grundrechtlichen Werteordnung in das Zivilrecht darstellen.352 Folge und Schwäche dieser Grundrechtsdogmatik ist, darauf wird noch einzugehen sein, dass die Anwendung von Grundrechten im Privatrechtsverhältnis zwingend voraussetzt, dass einfach-gesetzliche Normen existieren, über die sich die Grundrechte entfalten können.353 Die Gegenansicht steht auf dem Standpunkt, dass Grundrechte im Verhältnis Privater untereinander mehr sind als nur Leitsätze oder Auslegungsregeln. Ausgehend von ihrer allseits anerkannten Reichweite, nicht lediglich subjektiv-öffentliche Rechte zu umfassen und daher als Verteidigung gegen den Staat zu dienen, sondern vielmehr auch eine Institutsgarantie zu beinhalten,354 sollen sie Maßstab und Grenze jedes privatrechtlichen Handelns darstellen.355 Werde ihnen die Wirkung von Ordnungssätzen und Grundsatznormen für die gesamte Rechtsordnung zuerkannt, so könne ihre Wirkung nicht mittelbar sein und darauf beschränkt werden, sich über einfache Gesetze, die gerade erst in Ausführung der Grundsatznormen erlassen wurden, zu entfalten. Vielmehr seien sie absolut zu beachten und enthielten damit für Rechtsgebiete außerhalb des Verfassungsrechts nicht nur Leitsätze oder Auslegungsregeln, sondern regelten selbst und unmittelbar die gesamte Rechtsordnung.356 Sie sollen daher unmittelbar normativ wirken, sämtliche Normen des Privatrechts, gleichgültig ob Generalklauseln oder bestimmte Rechtsnormen, modifizieren oder gar neue Regeln, seien es Verbote, Gebote, subjektive Rechte, Schutzgesetze oder Rechtfertigungsgründe, schaffen.357 Diese ältere Lehre von der unmittelbaren oder direkten Wirkung von Grundrechten hat sich trotz bestechender Argumente nicht durchgesetzt, da sie entscheidender Begrenzungen bedarf, um den gesetzgeberischen Willen und die Entscheidung des Grundgesetzes für den Grundsatz der Privatautonomie der Vertragsparteien nicht zu unterlaufen, wie unter d) und e) auszuführen sein wird. Sie ist gleichwohl nicht Makulatur. Die heute h. M. konzentriert ihre Betrachtung auf die Wirkung von Grundrechten in Austauschverträgen und schweigt zu den Organisationsverträgen. Um hier eine tragfähige Theorie zu entwickeln, sind alle Begründungsansätze unter Bewertung ihrer Argumente einzubeziehen. ___________ 352 353 354 355
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und bei Vogt, Die Drittwirkung der Grundrechte und Grundrechtsbestimmungen des Bonner Grundgesetzes, 1960, S. 125 ff. So auch die Bewertung von Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1547. Guckelberger, JuS 2003, 1151, 1156. Ausführlich Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 13 f. Nipperdey, in: Bettermann/Nipperdey, Die Grundrechte, Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, 4. Band. 2. Halbband, 2. Aufl. 1972, 741, 753 f.; ders., Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 14; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 378; früher auch ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. die Rechtsprechungsübersicht bei v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Band 1, 5. Aufl. 2000, Vorb. Art. 1–19, Rn. 30. Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 14 f. Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 17 f.
B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte
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Im Übrigen sind sich heutzutage beide Ansichten im Ausgangspunkt einig: In ihrer Wirkungsweise beschränken sich die Grundrechte nicht darauf, das Verhältnis von Staat und Bürger auszugestalten, sondern können auch im Privatrechtsverkehr von Bedeutung sein. Auch werden die Grundrechte einhellig als Ordnungssätze und Grundsatznormen beurteilt, nach denen sich das gesamte Recht zu richten hat. Darüber hinaus sind, wie schon oben angedeutet und noch näher darzustellen sein wird, die praktischen Unterschiede keineswegs so gravierend, wie man annehmen sollte.358 Die Grenzen verwischen zunehmend, da die Notwendigkeit, den Besonderheiten des Privatrechts, insbesondere der Vertragsfreiheit, bei der Grundrechtsanwendung Rechnung zu tragen, ebenso anerkannt wird359 wie der Bedarf, über die Generalklauseln hinaus weitere Anwendungsfälle zu schaffen.360 b) Einwände gegen die Ansätze der unmittelbaren Drittwirkung Die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte wird traditionellerweise mit Einwänden bekämpft, die nach den Erkenntnissen zur rechtsgebietsübergreifenden Bedeutung der Grundrechte an Überzeugung verloren haben.361 So verhält es sich mit dem häufig anzutreffenden Argument, wonach aus Art. 1 III GG hervorgehe, dass nur die staatliche Gewalt an die Grundrechte gebunden sei und den Grundrechten allgemein erkennbar die Konzeption eines Abwehrrechtes gegen staatliche Eingriffe zugrunde liege.362 Dieser Ansatz kann allenfalls dann überzeugen, ___________ 358 359
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Nochmals der Hinweis auf Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 483 f.; a. A. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1556. Etwa Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, insb. S. 491 f.; Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961, an etlichen Stellen, so z. B. auf S. 18 f.: „Durch die hier vertretene These wird (. . .) die gesunde Privatautonomie keineswegs ‚an der Wurzel’ getroffen, (. . .). Die Gegner der absoluten Wirkung übersehen, daß die Wirkungsstärke der Grundrechte im Verhältnis des einzelnen zum Staat eine etwas andere ist als im Verhältnis der Privatrechtssubjekte zueinander. In der Staatsrichtung gelten die Grundrechte uneingeschränkt, weil hier dem Grundrechtsträger ausschließlich der an die Grundrechte gebundene Staat gegenübersteht. Dagegen ist im Verhältnis der Privatrechtssubjekte zueinander zu beachten, daß jeder von ihnen Grundrechtsträger ist und sich auf die Freiheitsrechte berufen kann“. So etwa Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1556 ff., insb. S. 1558; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 62. Ursprünglich wurde jedwede Horizontalwirkung vor allem mit den Argumenten bekämpft, die Grundrechte seien reine Abwehrrechte gegen den Staat und die Konfliktlösung unter den Privatrechtssubjekten ausschließlich der gesetzgeberischen Entscheidung überlassen. Eine Horizontalwirkung von Grundrechten hebele die einfachgesetzlichen Mechanismen aus und führe, da der Richter über deren Anwendung zu entscheiden habe, zu einer Verletzung der Gewaltenteilung. Siehe hierzu die Darstellung von Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 311 f. und 316 f.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1530. So etwa Canaris, AcP 184 (1984), 201, 203 f.; ders., AcP 185 (1985), 9; Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 225; Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, 1961, S. 79; Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat, 1974, S. 60; Neuner, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 159, 169; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, 25. Aufl. 2009, Rn. 173–175; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland,
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wenn jede Drittwirkung und auch der aus den Grundrechten abgeleitete Schutzauftrag des Staates abgelehnt wird. Die ganz h. M. erkennt jedoch nicht nur den Schutzauftrag des Staates an, sondern wendet auch die in den Grundrechten verkörperte Werteordnung über Generalklauseln auf privatrechtliche Verhältnisse an, obwohl dies doch angesichts Art. 1 III GG nicht eben offensichtlich ist.363 Mit Leisner ist daher zu erwidern: „Wollte man annehmen, die Grundrechte bänden die einzelnen überhaupt nicht, so wären alle Grundpflichten weggewischt und der einzelne könnte seinen Rechtsgenossen wenigstens in dessen staatsgerichteten Freiheiten ungestört beeinträchtigen, was nie Sinn der Verfassungsbestimmung sein kann. Art. 1 III GG schafft, umgekehrt, mittelbar für die Drittwirkung eine wichtige Voraussetzung: er beweist die grundsätzlich-allgemeine Möglichkeit einer Anwendung von Grundrechten in unmittelbarer Weise (ohne sich über die Richtung auszusprechen) und beseitigt damit das traditionelle Vorurteil, nach dem solches wegen des Generalklauselcharakters der Grundrechte nicht möglich sei.“364 Aus dem Wortlaut des Art. 1 III GG sollte daher nur gefolgert werden, dass der Staat der primäre Adressat der Grundrechte ist, woraus vor allem der gesetzgeberische Regelungsauftrag und der noch näher zu beleuchtende Vorrang des gesetzgeberischen Willens folgen. Konsequenz daraus ist wiederum, dass sich die Wirkung der Grundrechte im Verhältnis von Bürger und Staat von der im Verhältnis der Bürger untereinander unterscheidet (zu den Anwendungsmaßstäben im Einzelnen unter 4. und vor allem unter D.). Auch mit den Folgen einer unmittelbaren Anwendung wird verbreitet argumentiert. Es führe zu unhaltbaren Ergebnissen, die Grundrechte unmittelbar anzuwenden und damit die Grundrechte zu Eingriffsverboten und Abwehrrechten gegenüber anderen Privatrechtssubjekten zu erheben.365 Dürig spitzt diese Kritik zu, indem er mahnt, das Zivilrecht werde einen nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden, wenn die Privatautonomie als die Freiheit, in vom Staat ungehinderter Weise unter gleichgeordneten Privaten von Grundrechtssätzen abweichen zu können, in Frage gestellt werde.366 Darauf ist zu antworten: Dass die Wirkung der ___________
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Band III/1, 1988, S. 1570 f.; Guckelberger, JuS 2003, 1151, 1153; Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht, 2005, S. 91; Jellinek, BB 1950, 425 f. Dagegen mit historischer Auslegung Bleckmann, DVBl. 1988, 938, 939. Erwähnt sei an dieser Stelle auch der Standpunkt von Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, insb. S. 14 ff., wonach auch bei privatrechtlichen Ansprüchen durch staatliche Gewalt in Form von Geboten oder Verboten in Grundrechte der Privatrechtssubjekte eingegriffen werde, da jede Regelungslücke eine staatliche Duldung privat vermittelter Grundrechtsbeeinträchtigung darstelle, so dass Grundrechte im Privatrechtsverkehr schon aufgrund von Art. 1 III GG gelten sollen, sog. „etatische Konvergenztheorie“. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 315. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 34 f.; ähnlich Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, S. 25. Dürig, FS Nawiasky, 1956, S. 157, 158 f.; so auch Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 1–19, Rn. 98; Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, 1961, S. 79; ähnlich Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Loseblatt Stand 2/2005, Art. 1 Abs. 3,
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Grundrechte im Privatrecht relativiert ist, weil mit der Privatautonomie grundrechtlich geschützte Positionen der Vertragspartner aufeinander treffen,367 muss außer Frage stehen und wird auch von Vertretern der unmittelbaren Drittwirkung nicht bestritten. Auch dieser Einwand führt damit nur wieder zu der Feststellung, dass Grundrechte nicht wie im Verhältnis zum Staat, sondern unter Beachtung der Besonderheiten des Privatrechts, also modifiziert angewandt werden dürfen. Im Übrigen ist Canaris beizupflichten, der die allseits betonte Eigenständigkeit des Zivilrechts insoweit relativiert, als er darauf hinweist, dass andere Rechtsbereiche, die zweifellos von unmittelbarer Grundrechtsanwendung beherrscht werden, auch nur dazu dienen, widerstreitende Interessen Privater in Einklang zu bringen, wie etwa das öffentliche Baurecht, wo der Staat vielfach nur als Mittler zwischen den Privaten fungiert.368 Eine weitere Befürchtung bezieht sich darauf, dass Grundrechte in äußerster Konsequenz zu selbständigen Anspruchsgrundlagen Privater gegen Private werden könnten.369 Eine unmittelbare Anwendung von Grundrechten führe außerhalb der anerkannten Bereiche, insbesondere dem der Daseinsvorsorge, zu Kontrahierungszwängen370 und damit zu einem weitgehenden Verlust der von Art. 2 I GG geschützten Privatautonomie.371 Doch diese Befürchtung einer Aushöhlung des Privatrechtssystems durch selbständige Anspruchsgrundlagen aus Grundrechten ist nur unter der Prämisse gerechtfertigt, dass der Vorrang des gesetzgeberischen Willens und Ermessensspielraums außer Acht gelassen und das gesamte Zivilrecht quasi auf die Grundrechte der beteiligten Parteien minimiert wird. Dieser Gefahr ist jedoch für jede Art von Grundrechtsanwendung, sei sie mittelbar oder unmittelbar, durch die Bildung eindeutiger Schranken vorzubeugen. c) Schwächen der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung Wie schon angesprochen, besteht die Gefahr einer rein mittelbaren Anwendung von Grundrechten in ihrem beschränkten Anwendungsbereich: Bedarf es des Mediums einer Generalklausel, nach anderer Ansicht jedenfalls einer auslegungszu___________
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Rn. 59: Folge sei eine Freiheitsbeschränkung. Zur Privatautonomie als der Freiheit Privater, ihre Rechtsverhältnisse ohne hoheitliche Intervention eigenverantwortlich gestalten zu können, und der Einschränkung, diesen Rechtsgestaltungsfreiraum nur innerhalb der geltenden Rechtsordnung wahrnehmen zu dürfen, etwa Badura, FS Rittner, 1991, S. 1–7; Zur Privatautonomie im Verhältnis zum EG-Recht, insbesondere der Rechtsprechung des EuGH Cherednychenko, ERPL 2006, 23, 42 f.; Rittner, JZ 1990, 838, 846; Zöllner, JuS 1988, 329. Mit arbeitsrechtlichem Fokus Boemke, NJW 1993, 2083 ff.; ders., NZA 1993, 532 f. So Dürig, FS Nawiasky, 1956, S. 157, 176; zustimmend Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1553. Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201, 212. Floren, Grundrechtsdogmatik im Vertragsrecht, 1999, S. 28; vgl. auch Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, 1961, S. 79: „führt falsche Maßstäbe in das Zivilrecht ein“. Vgl. Guckelberger, JuS 2003, 1151, 1153, für inhaltliche Differenzierungen in Verträgen. Zu den Gründen, die gegen eine unmittelbare Anwendung sprechen sollen, etwa Medicus, AcP 192 (1992), 35, 43.
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gänglichen Norm,372 um die in den Grundrechten verkörperte Werteordnung zur Anwendung zu bringen, könnte eine gefährliche Schutzlücke dadurch entstehen, dass es nicht nur an detaillierten Einzelregelungen, sondern auch an offenen Tatbeständen, die einer Interpretation zugänglich sind, fehlt. Dies widerspricht den eingangs betonten Effizienzüberlegungen, die gerade zu der Einsicht geführt haben, dass auch das Privatrecht nicht völlig ohne die Anwendung von Grundrechten auf Privatrechtsverhältnisse auskommt. Grundrechtlich geschützte Positionen sind zu wertvoll, als dass sie im einfachgesetzlich ungeregelten Bereich dem Mächtespiel der Vertragsparteien überlassen werden könnten. Dass derartige Lücken auftreten können, die sich nicht durch Generalklauseln und sonstige offene Tatbestände schließen lassen, zeigt sich etwa am Beispiel der Parabolantennen-Entscheidung.373 Der Lösungsvorschlag der h. M. lautet, diese Lücken im Wege einer Rechtsfortbildung durch ungeschriebene Zivilrechtsnormen nach den Geboten der Grundrechte zu schließen.374 Faktisch handelt es sich dabei um eine unmittelbare Anwendung von Grundrechten im Bereich verbliebener Lücken.375 Auf ein Weiteres ist hinzuweisen: Die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte verstrickt sich in einen Widerspruch, der sich nicht auflösen lässt. Ihren Ausgangspunkt, die Rechtsbeziehung der Privatrechtssubjekte grundsätzlich von jeder Grundrechtsgeltung freizuhalten, will die h. M. dadurch bewahren, dass zwar nicht die Vertragsparteien, wohl aber der dem Gebot des Art. 1 III GG unterworfene Zivilrichter, der über das Rechtsverhältnis entscheidet, den Vorgaben der Grundrechte unterworfen ist.376 Das aber widerspricht dem Prinzip, dass der ___________ 372
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Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1557 f., weist darauf hin, dass eine Beschränkung auf Generalklauseln, selbst auf unbestimmte Rechtsbegriffe den Anwendungsbereich der grundrechtskonformen Auslegung zu stark beschränkt, vielmehr jede auslegungsfähige Norm des Privatrechts einer mittelbaren Drittwirkung offen steht. So auch Canaris, AcP 184 (1984), 201, 223. Zugleich halten es beide auch für möglich, Grundrechte in verbleibenden Lücken anzuwenden, dazu sogleich in Fn. 377. BVerfGE 90, 27, 36 f.; BVerfG NJW-RR 2005, 661, 662: „Das Interesse ständig in Deutschland lebender Ausländer am Empfang von Rundfunkprogrammen ihrer Heimatländer ist bei der Abwägung zwischen den Mieter- und Vermieterbelangen zu berücksichtigen. Die grundlegende Bedeutung des Grundrechts auf Informationsfreiheit wird verkannt, wenn dem Eigentümerinteresse von vornherein ein Vorrang vor dem Mieterinteresse am Empfang von Rundfunkprogrammen des Heimatlandes eingeräumt wird, ohne dass dies durch besondere Umstände zu rechtfertigen ist“; dazu auch BGH NJW-RR 2007, 1243; BGH NJW 2004, 937; BGH NJW-RR 2005, 596; BGH Urt. v. 16. 5. 2007 – VIII ZR 207/04; OLG Frankfurt NJW 1992, 2490; OLG Karlsruhe NJW 1993, 2815; aus dem Schrifttum etwa Horst, NJW 2005, 2654. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1558; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 62; ein anderes Beispiel sind die aus einer heterologen Insemination folgenden gegenläufigen Interessen von Samenspender und gezeugtem Kind, die im Gesetz keine (ausreichende) Behandlung finden. So auch die Bewertung von Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1558. Dazu BVerfGE 52, 203, 207. Das Gericht betont in dieser Entscheidung die Verpflichtung des Zivilrichters zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung. Wie Pieroth/Schlink, Grund-
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Richter nur feststellen kann, was im materiellen Rechtsverhältnis der Privaten gilt.377 Das Gericht hat, wie griffig formuliert wurde,378 Grundrechte zu beachten, soweit sie gelten; nicht etwa gelten sie, weil ein Gericht entscheidet. Es wirkt daher nicht nur gezwungen, sondern ist höchst zweifelhaft, eine Geltung der Grundrechte unter Privaten abzulehnen, da diese nicht Adressaten der Grundrechte seien, andererseits aber der Notwendigkeit, untragbare Ergebnisse zu vermeiden, dadurch Rechnung zu tragen, dass dem Zivilrichter durch den Schutzauftrag der Grundrechte aufgegeben wird, den Grundrechten auch im Verhältnis Privater zueinander Geltung zu verschaffen, obwohl doch der vom Zivilrichter festgestellte Eingriff durch eines der Privatrechtssubjekte erfolgt.379 Der Richter muss folglich nach Ansicht der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte solche Grundsätze auf Privatrechtsverhältnisse anwenden, denen die Parteien selbst nicht unterliegen sollen. Nur weil ein (staatlicher) Richter über einen Sachverhalt entscheidet, finden plötzlich Grundsätze Anwendung, die anderenfalls nicht zu beachten sind.380 Unterwerfen sich die Vertragsparteien daher etwa einer Schiedsgerichtsklausel, entscheidet keine staatliche Stelle über den Sachverhalt381, und das Ergebnis weicht signifikant von demjenigen ab, das ein staatlicher Richter feststellen müsste. Der Versuch der h. M., diesen Widerspruch (durch eine ausgesprochen komplizierte Formel) aufzulösen, überzeugt nicht: Die Privatrechtssubjekte seien zwar nicht als Verpflichtete der Grundrechte anzusehen, da Art. 1 III GG nicht an sie adressiert sei, die Grundrechtsnormen seien jedoch als unmittelbar geltendes Recht im öffentlichen und privaten Bereich anzusehen, so dass sich aus dieser objektiv-rechtlichen Rechtsgeltung der Schutz der in diesen Rechtsnormen geschützten Rechtsgüter als solcher, unabhängig von Angriffssubjekt und Angriffsrichtung, ergebe.382 Vielmehr vermag nur eine Bindung auch privater Rechtssubjekte an die Grundrechte das auch von der h. M. zu Recht erstrebte Ergebnis wirklich zu begründen.383 Erneut ist darauf hinzuweisen, dass die Argumentation der h. M. kon___________ 377 378 379 380
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rechte Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Rn. 179, zu Recht hervorheben, sind davon nicht nur die prozessualen Grundrechte der Art. 19 IV, 101, 103 GG betroffen. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 24; vgl. auch Starck, JuS 1981, 237, 244. Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1984, S. 209; zustimmend Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1551. So aber Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 37 f., stellvertretend für die h.M, dazu die Nachweise a. a. O., Fn. 91. Diese Kritik klingt auch bei Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 204, an, wenn er ausführt, entweder sei Art. 5 I GG auf das Verhältnis von Vermieter und Mieter unmittelbar anzuwenden oder, wenn man sich dazu aus interpretatorischen Gründen nicht verstehen wolle, es lasse sich auch die mittelbare Drittwirkung handlungstheoretisch nicht rechtfertigen. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Loseblatt Stand 02/2005, Art. 1 Abs. 3, Rn. 98; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 1, Rn. 63. So Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1575; inhaltlich auch Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, 25. Aufl. 2009, Rn. 179–181. Die Linie des Bundesverfassungsgerichts ist nicht eindeutig. Während BVerfGE 7, 198, 205 f.; BVerfGE 73, 261, 269, von der h. M. in der Literatur für deren Konstruktion angeführt werden, spricht die Blinkfüer-Entscheidung, BVerfGE 25, 256, für die hier vertretene Bindung der Privatrechtssubjekte selbst. Das BVerfG stellt darin fest, der Boykott des Springer-
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sequenterweise dazu führen müsste, nicht nur eine Bindung der Privatrechtssubjekte an Grundrechte zu verneinen, sondern daraus zugleich zu folgern, dass sich auch eine mittelbare Bindung in einem normativen Sinne nicht begründen lässt.384 d) Beachtung der gesetzgeberischen Entscheidung Wie mehrfach betont, kommt es unabhängig von dem gewählten Ansatz entscheidend darauf an, die Grundrechte nur unter Beachtung der Besonderheiten des Zivilrechts in Privatrechtsverhältnisse einzuführen. Leisner weist darauf hin, dass auch eine unmittelbare Bindung der Privatrechtssubjekte an die Grundrechte nicht mit zwar logischer, aber rücksichtsloser Konsequenz bis zu einer wahren Vergewaltigung des Privatrechts angewandt werden dürfe.385 Und auch Stern ist uneingeschränkt zuzustimmen, wenn er betont, der Wert der spezifischen Ausgleichsinstrumente des Privatrechts und die Balance der Zivilgesetzgebung dürften nicht durch einen Rückriff auf die Grundrechte vernachlässigt werden.386 Daraus folgt, dass zum einen der gesetzgeberische Regelungsauftrag, für praktische Konkordanz der widerstreitenden Grundrechtspositionen zu sorgen, zu beachten ist. Eine umfassende unmittelbare Anwendung der Grundrechte auf Privatrechtsverhältnisse ließe sich mit diesem Regelungsauftrag nicht vereinbaren. Da die Judikative über Reichweite und Ergebnis einer unmittelbaren Anwendung der Grundrechte zu entscheiden hat, würde eine uneingeschränkte Anwendung dazu führen, dass sie sich auch über gesetzgeberische Wertungen hinwegsetzen könnte, was mit dem Verwerfungsmonopol des BVerfG und dem Grundsatz der Gewaltenteilung unvereinbar wäre.387 Der Gesetzgeber hat in einer Vielzahl von Fällen das Ergebnis einer Abwägung widerstreitender Grundrechtspositionen pauschaliert vorweggenommen. Ihm kommt dabei ein weiter Einschätzungsspielraum zu, der nur durch Maximalgrenzen beschränkt wird, die durch das Übermaßverbot, das einen allzu belastenden Eingriff verbietet, und den Schutzauftrag, der jedenfalls einen Minimalschutz fordert, gezogen werden.388 Eine verträgliche Abstimmung bedingt daher, der Anwendung von Grundrechten nur im Bereich verbliebener Lücken Raum zu geben. Dort, wo der Gesetzgeber Konflikte abschließend gewürdigt hat, bleibt es bei dieser Entscheidung auch im Einzelfall. Die Rechtssicherheit389 gebietet es, der klaren Linie des Gesetzge___________
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Verlages verstoße gegen die dem Boykottadressaten gewährleistete Pressefreiheit, und sieht daher den Verlag als Adressaten dieses Grundrechts an, der dessen Bedeutung für die Grundrechtsträger beachten müsse. Hiergegen richtet sich die Kritik von Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 58. So konsequent Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 7. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 215. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1554 f. Guckelberger, JuS 2003, 1151, 1153; Ramm, JZ 1988, 489, 490; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Staatsrecht III/1, 1988, S. 1555. Vgl. dazu Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 20; Neuner, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 159, 167. Dazu etwa Klein, JZ 1990, 53, 58 f.: „Nur durch das Gesetz wird staatliches Handeln vorhersehbar und berechenbar. Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des Rechts sind notwendige
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bers zu folgen und Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Normen ausschließlich mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen vor dem BVerfG zu verfolgen.390 Bei einem derartigen Verständnis der unmittelbaren Anwendung sind die Unterschiede zur mittelbaren gering. Wer Generalklauseln als „Einfallstore der Grundrechte“ ansieht, räumt ein, dass der Gesetzgeber seinen Regelungsauftrag nicht vollständig ausgefüllt hat, wohl auch gar nicht umfassend ausfüllen kann, und bejaht damit den Bedarf nach lückenfüllender Anwendung von Grundrechten im Privatrechtsverhältnis.391 Die h. M. behilft sich mit einer uferlos weiten Interpretation der Generalklauseln, um Lücken zu vermeiden. Indem §§ 138, 242 BGB das Vertragsrecht und § 826 BGB das Deliktsrecht beherrschen, können Lücken größtenteils vermieden werden. Zugleich zeigt gerade die Einordnung von § 242 BGB392 als Einfallstor der Grundrechte, dass die Anknüpfung der Grundrechtswirkung an tatbestandlich offene Normen zu keiner wesentlichen Beschränkung gegenüber einer unmittelbaren Anwendung führt. Durch die Verweisung der Privatrechtsnorm auf die Werteordnung der Grundrechte wird deren gesamter Inhalt in den Tatbestand der „Einfallstore“ und damit in das gesamte Vertrags- und Deliktsrecht aufgenommen, was praktisch einer unmittelbaren Drittwirkung nahekommt.393 Da dieser Ansatz zugleich aber auch die – theoretische – Gefahr in sich trägt, mangels eines Anknüpfungspunktes in grundrechtsrelevanten Situationen keine praktikable Lösung bereitzuhalten, ist er abzulehnen. Verstößt ein Vertragsinhalt gegen Grundgesetze, darf die Nichtigkeit seiner Bindungen nicht davon abhängen, dass zivilrechtliche Normen zur Verfügung stehen, an die angeknüpft werden kann.394 Die Normenhierarchie gebietet nicht, das Privatrecht vom Einfluss der ___________ 390
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Elemente des Rechtsstaatsprinzips; denn Freiheit verlangt nach Rechtssicherheit ebenso sehr wie nach Gerechtigkeit“. I. E. ähnlich Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 492, wonach dem Richter allerdings auch die Möglichkeit eingeräumt sein soll, von der gesetzgeberischen Wertung abzuweichen, wobei er dann jedoch die Argumentationslast trage. Mit der hier vertretenen Ansicht erübrigen sich auch die Bedenken von Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 229, wonach beim Gutglaubenserwerb im Einzelfall besondere Eigentümerinteressen oder gar der Schutz von Ehe und Familie eine Korrektur der durch Gutglaubensvorschriften bewirkten Ergebnisse herbeiführen könnten. Zur Entstehungsgeschichte des § 242 BGB als Norm für kodifikatorisch unnormierbare Fälle Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 236. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 364, bezeichnet den Tatbestand zutreffend als Verweisungsnorm auf Grundrechte, da ihm, ebenso wie dem des § 138 BGB, jedes Minimum an rechtlich-konkretem Norminhalt fehle, das interpretierbar wäre, also keine Auslegung des Tatbestands durch die Wertordnung der Grundrechte in Betracht komme, sondern nur eine echte Sinnerfüllung, mithin eine Übernahme der Norminhalte der Grundrechte in das Privatrecht, und zwar – und hierbei handelt es sich um die einzige verbleibende Einschränkung – im Rahmen und Umfang, der durch die aufnehmende Norm festgelegt wird. Zur weiter gehenden Kritik Leisners, Sittenwidrigkeit werde mit Rechtswidrigkeit gleichgesetzt, vgl. a. a. O., S. 366 f. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 369. Hager, JZ 1994, 373, 379: So ergebe sich die Nichtigkeit einer Verpflichtung, sich nicht scheiden zu lassen, schon aus dem Widerspruch zu dem in Art. 6 GG verankerten Grund-
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Grundrechte völlig freizuhalten oder es auf Generalklauseln zu beschränken.395 Die Lückenhaftigkeit der gesetzgeberischen Entscheidung muss damit notwendiges, aber auch hinreichendes Kriterium einer unmittelbaren Anwendung von Grundrechten sein. Auch das BVerfG betont, dass Grundrechte „in erster Linie“ durch die einfachen Gesetze wirken,396 also, so lässt sich ergänzen, nicht zwingend ausschließlich.397 Insgesamt gilt daher: Jede zivilrechtliche Norm steht auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, muss also grundrechtskonform sein und kann vom BVerfG für nichtig erklärt werden. Zudem sind Generalklauseln besonders grundrechtssensibel, da sie bewusst unbestimmt gehalten sind und dem Richter den Auftrag geben, sie durch allgemeine Wertungen auszuformen. Über diese Grundsätze besteht Einigkeit. Hinzu kommen muss (und insoweit einschränkend gegenüber einer echten unmittelbaren Anwendung von Grundrechten), dass der gesetzgeberische Wille zu beachten ist und nicht durch die Anwendung von Grundrechten (außer bei Verfassungswidrigkeit) außer Kraft gesetzt werden darf.398 Des Weiteren sind (insoweit erweiternd gegenüber vielen Vertretern der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten) Grundrechte auf alle auslegungsfähigen Normen anzuwenden399 und bestehende Lücken durch eine unmittelbare Anwendung von Grundrechten zu schließen.400 Bei diesen Lücken ist wie bei der Bildung von Analogien darauf zu achten, dass es sich um planwidrige Lücken handelt. Sollte der Gesetzgeber bewusst von einer Regelung abgesehen haben, würde eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte durch den Zivilrichter einer Auslegung contra legem bzw. einer Analogiebildung außerhalb planwidriger Lücken gleichkommen, also zu einer Kompetenz___________
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recht, über die Partnerwahl in seinem zukünftigen Leben frei bestimmen zu können, nicht erst aus der Anwendung bürgerlich-rechtlicher Normen. I. E. auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Staatsrecht III/1, 1988, S. 1558. Hager, JZ 1994, 373, 376. BVerfG JZ 1994, 408, 410. Siehe dazu Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 6, der die Rechtsprechung des BVerfG kritisch dahingehend bewertet, dass sie einer unmittelbaren Geltung der Grundrechte gleichkomme. Vielfach, so etwa in BVerfGE 96, 56 = JZ 1997, 777, hat das BVerfG betont, dass die aus den Grundrechten folgenden Schutzpflichten der staatlichen Organe von diesen in eigener Verantwortung wahrzunehmen sind. Zum gesetzgeberischen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsermessen BVerfGE 56, 54, 81; BVerfGE 77, 170, 214 f.; BVerfGE 79, 174, 202. Dazu Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1556 f., wonach das gesamte Privatrecht verfassungskonform auszulegen ist. Eine Beschränkung der Grundrechtswirkung auf Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe lehnt er deswegen ab, da jede auslegungsfähige Norm das Medium darstellen könne, über das die Grundrechte in das Privatrechte einwirken. So auch wiederum Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1558: „Schließlich kann nicht ausgeschlossen werden, unmittelbar auf Grundrechte zurückzugreifen, wenn es an privatrechtlichen Regelungen überhaupt fehlt. Ist das Privatrechtsgesetz nämlich lückenhaft, so kann dies ebenfalls zu privatrechtlichen Freiheitsbeeinträchtigungen führen, die im Widerspruch zu den hinter den Grundrechten stehenden Werten stehen“.
B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte
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überschreitung führen. Eine Verletzung des staatlichen Schutzauftrages festzustellen, fällt jedoch in die ausschließliche Kompetenz des BVerfG,401 so dass dem Zivilrichter nur die Möglichkeit bleibt, nach Art. 100 GG vorzulegen. Dass die Grenzen zwischen verfassungskonformer Auslegung und Auslegung contra legem schwierig zu bestimmen sind, steht außer Frage, stellt jedoch kein Spezifikum der Drittwirkungsproblematik dar. Für die weitere Erörterung bedeutend ist die Feststellung, dass sich zur Lückenfüllung insbesondere der für das Gesellschaftsverhältnis besonders relevante Art. 14 GG anbietet, da er einerseits eine Sozialbindung des Eigentums anordnet und damit einen die Individualinteressen übersteigenden Prüfungsparameter aufweist, zum anderen weil sein Schutzbereich durch einfachgesetzliche Ausformung des Privatrechtsgesetzgebers geprägt ist.402 Darauf wird im Einzelnen sogleich unter C. einzugehen sein. e) Schutzgebotsfunktion der Grundrechte Nach allem sind die klassischen Konzeptionen einer unmittelbaren bzw. direkten oder mittelbaren bzw. indirekten Anwendung der Grundrechte abzulehnen. Während eine schrankenlose unmittelbare Grundrechtswirkung die Systematik der Privatrechtsgesetzgebung und den Grundsatz der Privatautonomie auszuhebeln droht, führt die strikt mittelbare Drittwirkung zu Erklärungsdefiziten und gefährlichen Schutzlücken. Der hier vertretene Mittelweg kann als „eingeschränkt unmittelbare Drittwirkung“ bezeichnet werden und verfolgt den Zweck, eine an den Schutzzielen der Grundrechte ausgerichtete effektive Wirkungsweise im Privatrecht sicherzustellen.403 In seiner Wirkungsweise ähnelt er einer neueren Lehre, die für die ___________ 401
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Zu potentiellen Verletzungen der Schutzgebotsfunktion von Grundrechten BVerfGE 56, 54, 81; BVerfGE 77, 170, 214 f.; BVerfGE 79, 174, 202. Zu einer potentiellen Schutzrechtsverletzung auch BVerfG NJW 1996, 651 f. Zum Verwerfungsmonopol des BVerfG auch Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, S. 21. Vgl. i. E. Ramm, JZ 1988, 489; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Staatsrecht III/1, 1988, S. 1577 und 1585, der außerdem die für das Gesellschafterinnenverhältnis ebenfalls relevanten Art. 2, 3, 12 GG, daneben auch die gänzlich irrelevanten Art. 1, 5, 6 und 9 GG nennt. Zu einer grundlegenden Untersuchung der Sozialbindung des Eigentums Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, 1989, S. 176–212. Zur Sozialbindung einzelner Grundrechte Neuner, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 159, 172 f. Wiederum nur am Rande ist darauf hinzuweisen, dass die Diskussion um die Drittwirkung von Grundrechten keinen Alleingang des deutschen Rechts darstellt, sondern vielmehr auch in anderen Rechtsordnungen bekannt ist. Eine Übersicht über den Diskussionsstand in Europa bietet Colombi Ciacchi, in: Furrer, Europäisches Privatrecht im wissenschaftlichen Diskurs, 2006, S. 231, 233–239. Siehe auch Cherednychenko, in: Grundmann (ed.), Constitutional Values and European Contract Law, 2008, p. 35, 36 seq. Hinzuweisen ist insbesondere auf die Rechtslage in Irland. Dort war der Supreme Court zunächst von einer uneingeschränkten Wirkung der Verfassungswerte in Privatrechtsverhältnissen ausgegangen, hatte dann jedoch aufgrund der damit verbundenen Beeinträchtigung für die Privatautonomie wichtige Einschränkungen postuliert. So sollen die Wertungen des Gesetzgebers ebenso zu beachten sein wie die des Common Law, so dass Verfassungsrecht nur dort eingreift, wo das exis-
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Drittwirkung der Grundrechte den Begriff der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte verwendet, diesen Terminus also nicht nur für das unter A. dargestellte Gebot an den Gesetzgeber, grundrechtsschützende Vorschriften zu erlassen, gebraucht, sondern ebenso für das Gebot an den Zivilrichter, den in dem Grundrecht wurzelnden Schutzauftrag auf ebenso adäquate wie effektive Weise zu verwirklichen.404
4. Die Modalitäten der Grundrechtsanwendung: privatautonomes Handeln und praktische Konkordanz Neben der Beachtung der gesetzgeberischen Wertungen geht es bei der Anwendung von Grundrechten darum, den Besonderheiten des Privatrechts, insbesondere der Privatautonomie der Vertragsparteien, ausreichend Rechnung zu tragen. Die in Art. 2 I GG verankerte Privatautonomie berechtigt gerade dazu, dass gleichgeordnete Private von Grundrechtssätzen, die für staatliches Handeln unabdingbar sind, abweichen können.405 Gemeinwohlbelange oder das öffentliche Interesse spielen in Privatrechtsbeziehungen regelmäßig keine Rolle. Das gilt für die Regelungen des Zivilgesetzgebers, die vornehmlich dem Interessenausgleich der Parteien, weniger Gemeinwohlbelangen zu dienen bestimmt sind,406 und besitzt ebenso für die Anwendung der Grundrechte in privatrechtlichen Beziehungen Richtigkeit. Demgegenüber ist von staatlichen Eingriffen in Grundrechte zu fordern, dass sie vom Gemeinwohlgedanken getragen sind. Der Staat hat auf Eigenmacht und Eigennutz, Selbstverwirklichung und Subjektivität zu verzichten und sachbezogen und unparteiisch dem Gemeinwohl zu dienen.407 Ein Vorgang kann danach durchaus einmal als rechtswidrig, ein anderes Mal als rechtmäßig eingeordnet werden, wenn es an einer Rechtfertigung durch das Gemeinwohlinteresse fehlt, eben abhängig davon, ob der Staat oder ein Privater handelt und die grundrechtlich geschützte Position eines Privatrechtsträgers bedroht. Daher ist die Aussage, dass ein Vorgang in der Drittrichtung rechtmäßig sein könne, obwohl er bei staatlichem Handeln rechtswidrig wäre,408 zutreffend. Umgekehrt erweist sich die Annahme ___________
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tierende Recht einen wirksamen Schutz von Verfassungswerten nicht zu garantieren vermag, siehe dazu mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung O’Cinneide, 4 Hibernian Law Journal 77, 94 (2003); O’Callaghan, in: Furrer, Europäisches Privatrecht im wissenschaftlichen Diskurs, 2006, S. 249, 258–260. Zum US-amerikanischen Ansatz unter Beachtung der gesellschaftsrechtlichen Vorzeichen unter C. II. 5. Vgl. dazu Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 484 ff.; Canaris, AcP 184 (1984), S. 225 ff.; Neuner, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 159, 171–174; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1560. So zutreffend der expliziteste Vertreter der mittelbaren Drittwirkung Dürig, FS Nawiasky, 1956, S. 157, 158 f. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 22, für die Prüfung der Vereinbarkeit von Privatrecht mit den Grundrechten. Klein, JZ 1990, 53, 59. Dürig, FS Nawiasky, 1956, S. 157, 167 f.
B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte
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als unrichtig, dass eine (unmittelbare) Grundrechtsanwendung das Privatrechtssubjekt (stets) dem Legitimationszwang des Staates unterwerfe, diesem also eine Rechtfertigung für jeden Grundrechtseingriff abverlange.409 Soweit die Voraussetzungen der Privatautonomie bestehen, ist es gerade Voraussetzung der Richtigkeitsvermutung, dass die Vertragsparteien ihre eigenen Interessen verfolgen und sich gegen die der Vertragspartner durchsetzen. Die Privatautonomie berechtigt daher zum Eingriff in eigene und fremde Grundrechte.410 Daraus folgt, dass die Grundrechte, worüber sich die Vertreter aller Ansichten einig sind, vor der Vertragsfreiheit auch nur unter erhöhten Voraussetzungen geschützt sind.411 Die Beachtung der Privatautonomie führt dazu, dass die im Verhältnis zum Staat absolut wirkenden Grundrechte in ihrer Drittwirkung zugunsten von Individualautonomie und Eigenverantwortung relativiert sind.412 Daher scheidet auch aus, die Prüfungssystematik staatlich veranlasster Grundrechtseingriffe einschränkungslos zu übernehmen. Vielmehr müssen eigenständige Prüfungsschritte entwickelt werden, die dem Grundsatz Rechnung tragen, dass sich privatautonom handelnde Grundrechtsträger gegenüberstehen.413 Die Anwendung der Grundrechte in Privatrechtsverhältnissen muss daher, ganz im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG, voraussetzen, dass die Wirkung der einschlägigen einfachen Gesetze hinter dem Schutzauftrag der Grundrechte im Einzelfall zurückbleibt, dem Grundrechtsträger das erforderliche Mindestmaß an Schutz also vorenthält und damit durch das Vorgehen eines anderen Privatrechtssubjekts in den Schutzbereich des Grundrechts eingegriffen wird (Schutzbereichsund Eingriffsebene).414 Im Bereich des Vertragsrechts kommt es hier wesentlich darauf an, dass besondere Gründe vorliegen, die eine Berufung auf die Privatautonomie ausschließen, etwa die schon oben erwähnte wirtschaftliche, institutionelle oder evtl. informationelle Unterlegenheit eines Vertragspartners, die zu einer Fremdbestimmung führt.415 Hierüber können die Bürgschaften naher Familienangehöriger,416 wegen der fehlenden Möglichkeit zur Einflussnahme des Erben auch grundrechtsrelevante Erbklauseln und wegen des regelmäßigen Verhandlungsungleichgewichts auch Bestimmungen in Arbeitsverträgen fallen. Daneben kommt ___________ 409 410 411
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So und deswegen ablehnend gegenüber einer unmittelbaren Grundrechtswirkung Floren, Grundrechtsdogmatik im Vertragsrecht, 1999, S. 30. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 329 f. Für die unmittelbare Drittwirkung Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 332; Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 20; für die mittelbare Drittwirkung BVerfGE 89, 214, 232–235; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 48; Singer, JZ 1995, 1133, 1138. Dürig, FS Nawiasky, 1956, S. 157, 176. Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Staatsrecht III/1, 1988, S. 1553 f. Konzeptionell ähnlich Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 39 ff. Insoweit nochmals der Hinweis auf BVerfG NJW 2005, 2363, 2366; BVerfGE 114, 73 (Rn. 60) = NJW 2005, 2376; BVerfGE 103, 89, 100 f.; BVerfGE 89, 214, 232 = JZ 1994, 408; BVerfGE 81, 242, 255. Ausführlich Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 320 und S. 378 ff. (insb. S. 384). Nochmals der Hinweis auf BVerfGE 89, 214.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
auch in Betracht, dass ein Grundrecht besonders empfindlich betroffen ist und dem Grundrechtsträger eine Vermeidung dieser Betroffenheit, etwa durch die Suche nach einem anderen Vertragspartner, unmöglich, unzumutbar oder nur unter Inkaufnahme unverhältnismäßiger Opfer möglich ist. Davon werden etwa die Parabolantennenentscheidungen des BVerfG417 erfasst, aber auch der Anspruch des Kindes gegen die Mutter, den Namen des biologischen Vaters zu nennen.418 Schließlich ist zu erwägen, weitere Beschränkungen der Privatautonomie zuzulassen, wenn die Beeinträchtigung des Grundrechtsträgers in seiner grundrechtlich geschützten Rechtsstellung das ausschließliche oder zumindest wesentliche Motiv des Vertragspartners darstellt. Hiervon sind etwa die Klauseln in Eheverträgen mit reinem Sanktionscharakter erfasst. Um den hiernach festgestellten Eingriff zu rechtfertigen, muss der Eingreifende bei seiner privatrechtlichen Betätigung zulässige Ziele verfolgen. Die Zulässigkeit bestimmt sich danach, ob er sich seinerseits auf den Schutzebreich eines Grundrechts berufen kann und Mittel einsetzt, die zur Erreichung des erstrebten Zwecks zulässig sind (Rechtfertigungsebene).419 Dieser erstrebte Zweck darf nunmehr durchaus (insoweit anders als bei Eingriffen von staatlicher Seite) in einer rein eigennützigen Verfolgung eigener Grundrechtspositionen bestehen. Eine Rechtfertigung durch die grundrechtliche Garantie der Privatautonomie alleine scheidet jedoch aus, da deren Grenzen nach den Feststellungen auf Schutzbereichs- und Eingriffsebene gerade überschritten wurden. In Betracht kommen hier jedoch etwa die für den Eingreifenden streitenden Grundrechte aus Art. 4, 5, 12 oder 14 GG. Die Zulässigkeit der eingesetzten Mittel bestimmt sich im Wege einer Abwägung der sich widersprechenden Grundrechte im Einzelfall, wobei der Schutzfunktion der betroffenen Grundrechte ein besonderer Stellenwert zukommt.420 Im Ergebnis kommt daher, zugeschnitten auf die Besonderheiten des Privatrechts, die Troika Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit i. e. S. zur Anwendung.421 Nach anderer Ansicht soll praktische Konkordanz allein durch eine (freie) Güterabwägung erzielt werden.422 Die Abwägung der widerstreitenden Grundrechte ___________ 417 418 419 420 421
422
BVerfGE 90, 27, 36 f.; BVerfG NJW-RR 2005, 661, 662. BVerfGE 96, 56, 61 ff. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 59, am Beispiel der Blinkfüer-Entscheidung. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 61, am Beispiel der Parabolantennen-Entscheidung (BVerfGE 90, 27). So auch Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 384; Singer, JZ 1995, 1133, 1136; a. A. Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 20, wonach nur eine Abwägung der Vertragsfreiheit mit dem betroffenen Grundrecht stattfinden und die – grundsätzlich zulässige – Selbstbeschränkung erst dort ihre Grenze finden soll, wo die Abwägung ein anderes grundrechtlich geschütztes Rechtsgut als höherwertig erscheinen lässt. Hager, JZ 1994, 373, 377. Nach Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1585, ist der besondere Fall unter Wahrung der Eigenständigkeit des Privatrechts zu lösen, ohne dass die Schutzfunktion des Grundrechts vernachlässigt werden darf. Offenbar auch BVerfGE 36, 1, wenn es dort heißt: „Ein Ausgleich, der sowohl den Lebensschutz des nasciturus gewährleistet als auch der Schwangeren die Freiheit des Schwangerschaftsabbruchs belässt, ist nicht möglich, da Schwangerschaftsabbruch immer Vernichtung des ungeborenen Lebens bedeutet. Bei der deshalb erforderlichen Abwägung sind beide Ver-
B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte
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hat anhand der Schutzfunktion dieser Grundrechte zu erfolgen. Dabei kommt es nicht nur auf den Rang der betroffenen Grundrechte, sondern auch auf die Intensität der drohenden Gefahr an. Canaris formuliert: „Je höher der Rang des betroffenen Grundrechts, je schwerer der drohende Eingriff, je intensiver die Gefahr, je geringer die Möglichkeit seines Trägers zu effizientem Selbstschutz und je schwächer das Gewicht gegenläufiger Grundrechte und Interessen ist, desto eher ist eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht zu bejahen.“423 Entscheidend kann dabei sein, dass ein Grundrechtsträger zur grundrechtlichen Betätigung zwingend darauf angewiesen ist, dass sich der andere Grundrechtsträger zu einem grundrechtlichen (Teil-)Verzicht bereit findet.424 Besondere Bedeutung besitzt die Privatautonomie für Diskriminierung und Gleichbehandlung. Die Privatautonomie gebietet, dass außerhalb des Anwendungsbereichs einfachgesetzlicher Regelungen, etwa des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, des Kontrahierungszwanges im Bereich der Daseinsvorsorge und arbeitsrechtlichen Fragen,425 Vertragspartner ungleich behandelt werden dürfen, Art. 3 GG also keine Anwendung findet.426 Dies ist jedenfalls insoweit richtig, wie es die Freiheit über die Entscheidung betrifft, eine Vertragsbeziehung einzugehen. Einschränkungen ergeben sich hingegen in bestehenden Vertragsbeziehungen.427 Dies zeigt sich, wie noch unter D. auszuführen sein wird, gerade auch an der Beziehung der Gesellschafter zueinander.428 ___________
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fassungswerte in ihrer Beziehung zur Menschenwürde als dem Mittelpunkt des Wertsystems der Verfassung zu sehen. So i. E. für die Rundfunkfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch BVerfGE 35, 202, 225. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 80. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 78, wiederum am Beispiel der Parabolantennen-Entscheidung, aber auch unter Hinweis darauf, dass ein Kind die Identität seines biologischen Vaters nur erfahren kann, wenn die Mutter Einschränkungen ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinnimmt (oder vielmehr hinnehmen muss). Zur Gleichbehandlung im Arbeitsrecht etwa BAG JZ 55, 117, 120; BAG NJW 1955, 684; Nipperdey, RdA 1950, 121, 124–128; ders., Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 25 f. So die ganz h. M., vgl. etwa Dürig, FS Nawiasky, 1956, S. 157, 160; Classen, AöR 122 (1997), 65, 93; Neuner, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 159, 169; ders., JZ 2003, 57, 58 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1581: Unterschied von Grundrechtswidrigkeit und Privatrechtswidrigkeit. Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 25, betont dabei jedoch, dass die Entscheidung darüber, Verträge einzugehen oder davon abzusehen, frei von Willkür sein müsse. Dazu für die bestehenden Arbeitsverhältnisse und vor allem für die Lohngleichheit von Mann und Frau bei gleicher Arbeit Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 25; ders., RdA 1950, 121. Einschränkend aber Jellinek, BB 1950, 425 ff. Nur am Rande sind die Besonderheiten des deliktsrechtlichen Bereichs zu erwähnen, da diese für die weitere Betrachtung nicht von Bedeutung sind. Um privatautonomes Handeln, bei dem der Betroffene auf seinen grundrechtlichen Schutz (teilweise) verzichtet, geht es im deliktsrechtlichen Bereich nicht. Vielmehr sieht sich der Grundrechtsträger durch einen Privaten in ähnlicher Weise beeinträchtigt wie häufig bei staatlichen Eingriffen, nämlich unabhängig von eigener Willensbildung. Zu zahlreichen Beispielen aus dem deliktsrechtlichen Bereich vgl. Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 22 ff. Hervorgehoben sei die
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Ein wichtiger Gesichtspunkt im Rahmen der Abwägung sind die Verursachungsbeiträge der Grundrechtsträger. Soweit die sich gegen den Eingriff zur Wehr setzende Partei zunächst in grundrechtlich geschützte Positionen des anderen Teils – mit zivilrechtlichen Mitteln – eingegriffen, also eine Situation grundrechtlicher Relevanz herbeigeführt hat, kann dieser initiierende Beitrag bei der Ergebnisfindung nicht unbeachtet bleiben. So kann sich ein Hausbesetzer gegenüber dem Anspruch des Eigentümers aus § 985 BGB zwar auf seine Grundrechte berufen;429 er wird damit aber nicht gegen den Herausgabeanspruch durchdringen, da er die grundrechtsgefährdende Position durch Eingriff in das Eigentum des Herausgabegläubigers selbst herbeigeführt hat. Ganz anders liegt die Situation in bestehenden Vertragsverhältnissen, wenn sich der Mieter zum Schutz vor einer Räumungsvollstreckung auf seine Grundrechte beruft. Bei der hier zu treffenden Abwägung muss berücksichtigt werden, dass der Mieter erst nach einer Kündigung in die durch Art. 14 I GG geschützte Position des Vermieters eingreift, nun aber unfreiwillig, etwa weil er selbst oder ein nahestehender Mensch nicht ohne erheblichen Schaden für grundrechtlich geschützte Positionen ausziehen kann. Hier ist auch das Ergebnis denkbar, dass der Mieter bleiben darf, aber natürlich nur, wenn die Räumung schwere Schäden an elementaren Grundrechten bewirken würde. Dass besonders grundrechtssensible Rechtsgebiete wie das Mietrecht generell stark von Wertungsgesichtspunkten und Abwägungsvorgängen beeinflusst werden, liegt auf der Hand. Die hohe Dichte von Einzelfallentscheidungen des BVerfG, die in Gesetzeskraft erwachsen, zeigt dabei nur, wie lückenhaft dieser Bereich des BGB geregelt ist. Daraus wird teilweise gefolgert, die Anwendung von Grundrechten auf das Privatrecht und die Rechtsprechung des BVerfG zu Einzelaspekten des Zivilrechts seien verfehlt.430 Doch ist das Gegenteil der Fall: Eine Nichtberücksichtigung grundrechtlicher Wertungen im Privatrecht überfordert den Zivilgesetzgeber und führt letztlich dazu, dass grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des schwächeren Vertragsteils geopfert werden. Gerade grundrechtssensible Bereiche wie das Mietrecht zeigen, dass es unmöglich ist, alle denkbaren Konflikte im Verhältnis der Privatrechtssubjekte zueinander abstrakt-generell vorzuzeichnen und allein durch Anwendung der Zivilgesetze zu lösen.
II. Hinweis auf die Diskussion um die Direktwirkung der Grundfreiheiten des AEU-Vertrages Eine ganz ähnliche Diskussion wird zu der Wirkung der Grundfreiheiten des AEUV geführt. Auch dort hat sich herausgesellt, dass wesentliche und gefährliche Beschränkungen nicht nur von staatlicher, sondern auch privater Seite ausgehen kön___________ 429 430
Blinkfüer-Entscheidung, BVerfGE 25, 256, in welcher der mächtige Springer-Verlag zum Boykott gegen den Blinkfüer-Verlag aufrief. Dieses Beispiel ist dem Beitrag von Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 213 f. entnommen. So Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 219 f.
B. Die Wirkung von Grundrechten im Verhältnis privater Rechtssubjekte
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nen. Von der ursprünglichen Auffassung, durch die Grundfreiheiten werde ausschließlich die öffentliche Hand gebunden, sind heute bereits zahlreiche Ausnahmen anerkannt, so die Bindung von Privatrechtssubjekten, wenn diese aufgrund staatlich delegierter Kompetenzen tätig werden,431 wenn im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit Kollektivregelungen aufgestellt werden und die unmittelbare Anwendung der Art. 45, 56 AEUV (ex-Art. 39, 49 EG) zur Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr erforderlich ist,432 im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV (ex-Art. 39 EG) für Stellenausschreibungen privater Arbeitgeber433 und für die Wirkungen des Arbeitskampfes zwischen Gewerkschaften und Unternehmen auf die Niederlassungsfreiheit434. Ob darüber hinaus eine weitere Ausdehnung auf Privatrechtsverhältnisse möglich und zu begrüßen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Die Argumente gegen eine Ausweitung dieser Direktwirkung sind aus der Diskussion um die Wirkung der Grundrechte hinreichend bekannt. So sollen auch die Grundfreiheiten nach Wortlaut und Rechtfertigungsgründen (ausschließlich) auf Hoheitsträger zugeschnitten sein435 und eine unmittelbare Anwendung die Privatautonomie beschränken, die durch die Grundfreiheiten doch gerade gegen staatliche Bevormundung geschützt werden solle.436 Das hindert andere Stimmen nicht daran, eine (behutsame) Aus___________ 431
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EuGH Rs. 271/82 Ministère Public/Auer, Slg. 1983, 2727; EuGH verb. Rs. 266/87 u. 267/87 The Queen/Royal Pharmaceutical Society, Slg. 1989, 1294; EuGH Rs. 302/88 Hennen Olie, Slg. 1990, I-4625; EuGH Rs. C-292/92 Hünermund, Slg. 1993, I-6787. EUGH Rs. 36/74 Walrave, Slg. 1974, 1405, 1419, Rn. 16/19, wonach die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gefährdet wäre, wenn privatrechtliche Vereinigungen oder Einrichtungen kraft ihrer rechtlichen Autonomie bereits von staatlicher Seite beseitigte Hindernisse privatrechtlich aufrichten. Zentral und viel diskutiert EuGH Rs. C-425/93 Bosman, Slg. I-1995, 4921, worin der EuGH ein allgemeines Beschränkungsverbot durch private Kollektivmaßnahmen aufstellt. Bestätigt durch EuGH verb. Rs. C-51/96 und C-197/97 Deliège, Slg. I-2000, 2549; EUGH Rs. C-176/96 Lehtonen, Slg. I-2000, 2681. Dazu etwa Röthel, EuZW 2000, 379; dies., EuR 2001, 908; Streinz, JuS 2000, 1015. EuGH Rs. C-281/98 Angonese, Slg. I-2000, 4139, 4173, Rn. 36: „Das in Art 49 des Vertrages angesprochene Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit gilt somit auch für Privatpersonen.“ Dabei entspricht Art. 49 a. F. dem jetzigen Art. Zu diesem Urteil Förster, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2006, S. 37 f.; zustimmend Forsthoff, EWS 2000, 389; kritisch Körber, EuR 2000, 932, 940 ff.; Streinz/Leible, EuZW 2000, 459, 460. Zur Niederlassungsfreiheit Cherednychenko, ERPL 2006, 23, 37–39; Förster, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2006, S. 40; Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 49–51. EuGH Rs. C-438/05 Viking Line, Slg. 2007, I-10779; EuGH Rs. C-341/05 Laval, Slg. 2007, I-11767. Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 92 f.; Riesenhuber, Europäisches Privatrecht, 2. Aufl. 2006, S. 48, Rn. 100; ders., System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, S. 103; W. Roth, FS Everling, Band II, 1995, S. 1231, 1241 f.; Streinz/ Leible, EuZW 2000, 459, 463 f. Alle zumeist unter Betonung, dass die Rechtfertigungsgründe ganz auf staatliches Handeln zugeschnitten sind. Burgi, EWS 1999, 327, 330 (mit dem weiteren Argument, dass durch eine unmittelbare Anwendung ein Kompetenzproblem entstehe, wenn sich der Bürger in sämtlichen Rechtsgebrei-
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
weitung auf Privatrechtssubjekte aus dem Grundsatz des effet utile zu befürworten.437 Dabei ist entscheidend, dass die auf staatliches Handeln zugeschnittenen Rechtfertigungsgründe eben, ganz wie in der Drittwirkungsdogmatik im deutschen Verfassungsrecht, privatrechtskonform und daher ihrem Sinn entsprechend angewandt werden müssen, so dass der hierauf gestützte Einwand gegen eine unmittelbare Drittwirkung438 ebenso wie in der deutschen Grundrechtsdogmatik überwunden werden kann.439 Im Gesellschafts(binnen)recht befindet sich die Rechtslage zur Zeit im Fluss. Der EuGH hat bereits mehrfach die Grundfreiheiten auf das Gesellschafterinnenverhältnis angewandt, wenn der private Satzungsgeber aufgrund seiner besonderen Machtstellung die Satzungsbedingungen einseitig bestimmen konnte und den satzungsunterworfenen Privatrechtssubjekten die Einflussnahme praktisch unmöglich war (golden shares-Urteile).440 Dabei ging es zumeist um staatlichen Einfluss in der Gesellschaft, der hoheitlich wahrgenommen wurde, jedoch nicht ausschließlich: In einer jüngeren Entscheidung nahm der Staat wie ein privater Mehrheitsge___________
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chen auf die Wirkung der Grundfreiheiten berufen könne, so dass die Gesetzgebungskompetenz der Mitgliedstaaten leer laufe); Graber, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 125–134; Herdegen, Europarecht, 11. Aufl. 2009, § 15, Rn. 12 f.; Körber, EuR 2000, 932, 945 f.; Langenbucher, in: Langenbucher, Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008, § 1, Rn. 39 f. (i. E. für eine mittelbare Drittwirkung); Michaelis, NJW 2001, 1841, 1842; Montag, NJW 2001, 1613, 1615; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 103 f. Förster, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2006, insb. S. 194 f.; Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 84–119; Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6, 17–23, die sich für eine umfassende Drittwirkung sämtlicher Grundfreiheiten mit Ausnahme der Warenverkehrsfreiehit aussprechen. Bemerkenswert ist dabei die Einbeziehung der Paralleldiskussion im deutschen Recht um die Wirkung der Grundrechte in Privatrechtsverhältnissen, so a. a. O., S. 20. Die Terminologie unterscheidet sich bei den Grundfreiheiten von der deutschen zur Wirkung von Grundrechten im Privatrecht. Eine unmittelbare Drittwirkung bedeutet, die Grundfreiheiten ohne vermittelnde nationale Normen auf ein Privatrechtsverhältnis anzuwenden, während die mittelbare Wirkung nur die nationalen Vorschriften im Lichte der Grundfreiheiten auslegt, dazu Langenbucher, in: Langenbucher, Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008, § 1, Rn. 41. Wie auch die (klassische) mittelbare Drittwirkung von Grundrechten begibt sich dieser Ansatz ganz in die Hand des nationalen Gesetzgebers, von dessen Willen und Tätigkeit es abhängt, ob die Grundfreiheiten praktische Wirkung im Privatrechtsverhältnis zu entfalten vermögen. Zur Kritik an diesem Ansatz im nationalen Recht schon unter § 3 B. I 3 c). Zu den Grundfreiheiten erscheint es höchst zweifelhaft, ob dieser Ansatz dem effet utile genügen kann. Steindorff, FS Lerche, 1993, S. 575, 584 f. EuGH Rs. C-367/98 Kommission/Portugal, Slg. 2002, I-4731; EuGH Rs. C-483/99 Kommission/Frankreich, Slg. 2002, I-4781; EuGH Rs. C-503/99 Kommission/Belgien, Slg. 2002, I-4809; EuGH Rs. C-463/00 Kommission/Spanien, Slg. 2003, I-4581; EuGH Rs. C-98/01 Kommission/Großbritannien, Slg. 2003, I-4641; EuGH Rs. C-174/04 Kommission/Italien, Slg. 2005, I-4933. Die in Deutschland viel beachtete Entscheidung zum VW-Gesetz, EuGH Rs. C-112/05 Kommission/Deutschland, Slg. 2007, I-8995, ist in diesem Zusammenhang uninteressant.
C. Bedeutung der Grundrechte für die Mitgliedschaft
99
sellschafter seine Rechte in der Gesellschaft wahr.441 Diese Entscheidung verdeutlicht, nunmehr für den Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit, dass der (private) Satzungsgeber durch einseitige Regelsetzung Befugnisse wahrnimmt und Macht über Kapitalanleger ausübt, die in ihrer Wirkungsweise durchaus eine Parallele zum Machtgefälle zwischen Staat und Bürger aufweisen und daher ähnlich gefährlich für die Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit zu sein vermögen. Daher wird vertreten, dass die Kapitalverkehrsfreiheit auch Aktionäre vor nachteiligen Bestimmungen in der Satzung und damit Beeinträchtigungen durch die Mitaktionäre schützt: Unter den vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen entfalte die Kapitalverkehrsfreiheit ihren Schutz auch im Verhältnis der Aktionäre und damit privater Rechtssubjekte zueinander.442 Für die Anwendung der Grundfreiheiten wird daher nicht die Herkunft der beeinträchtigenden Wirkung, sondern die Wirkung für das beeinträchtigte Privatrechtssubjekt zugrunde gelegt. Im Interesse einer wirksamen Durchsetzung der Vertragsziele leuchtet dies ein. C. Bedeutung der Grundrechte für die Mitgliedschaft
C. Die Bedeutung der Grundrechte für die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters Die bisherigen Feststellungen zur Wirkungsweise von Grundrechten im Verhältnis Privater bilden den Ausgangspunkt für die weitere Frage, welche Wirkungen die Grundrechte im Verhältnis der Gesellschafter zueinander entfalten. Im Grundsatz gelten die bislang erarbeiteten Grundsätze auch im Gesellschaftsrecht, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen bestehen: Die Gesellschafter handeln bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages, wie auch bei späterem Beitritt zur Gesellschaft privatautonom. Außerdem ist das Gesellschaftsrecht, wie einleitend dargestellt aus gutem Grunde, mehr noch als andere Bereiche des Privatrechts lückenhaft geregelt, indem es die Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses in sämtlichen Gesellschaftsformen, freilich deutlich stärker für die Personengesellschaften und die GmbH als die Aktiengesellschaft, den Parteien überlässt.443 Der soeben festgestellte Bedarf nach einer ausfüllenden und ergänzenden Anwendung der in den Grundrechten verkörperten Werteordnung, um im Einzelfall zu einem verträglichen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu gelangen, ist daher besonders groß. Dabei ist es vor allem die Eigentumsgarantie des Art. 14 I GG als Grundlage für einen umfassenden Schutz der mitgliedschaftlichen Rechtsposition, der eine herausragende Bedeutung zukommt, daneben auch der allgemeine Gleichbehand___________ 441 442
443
EuGH Rs. C-282/04 und 283/04 Kommission/Niederlande, Slg. 2006, I-9141. So Möslein, ZIP 2007, 208, 214; zurückhaltender noch ders., Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 256 f.; Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6, 17–23 (dort auch zu der Frage, in welchem Verhältnis mitgliedstaatlicher Schutzpflichtauftrag und unmittelbare Drittwirkung zueinander stehen). Zutreffend daher Stumpf, NJW 2003, 9, 10, wonach der Gesetzgeber verfassungsrechtlich weder ein optimales Aktienrecht noch den Ausschluss jeglicher Missbrauchsmöglichkeit und jeden Defizits durch den Erlass von Schutzvorschriften schuldet.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
lungsgrundsatz und, in seltenen und besonders gelagerten Fällen, die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG. Der Schutz des Eigentums nach Art. 14 I GG nimmt den entscheidenden Stellenwert ein, wenn die widerstreitenden Interessen der Gesellschafter in einen angemessenen Ausgleich zu bringen sind. Jeder Gesellschafter kann sich bei Entfaltung seiner mitgliedschaftlichen Beteiligung einerseits zur Rechtfertigung seines Handelns, andererseits aber auch zum Schutz vor Beeinträchtigungen auf seine durch Art. 14 I GG geschützte Rechtsposition berufen. Hinzu kommt der Grundsatz der Sozialpflichtigkeit des Eigentums in Art. 14 GG, der darauf abstellt, dass sich ein Grundrechtsträger auf überindividuelle Interessen verweisen lassen muss. Das Gesellschaftsrecht unterscheidet sich von anderen Bereichen des Privatrechts darin, dass mit dem Gesellschaftsinteresse eine über die individuellen Parteiinteressen hinausgehende Ebene, die als Bezugspunkt für Einschränkungen der Individualinteressen dienen kann, existiert. Darauf wird im Folgenden zurückzukommen sein.
I. Die Rechtsprechung des BVerfG zur Wirkung von Verfassungswerten im Gesellschaftsrecht 1. Die Rechtsprechung des BVerfG zu Inhalt und Grenzen des mitgliedschaftlichen Eigentums Die bereits erwähnte doppelte Wirkungsweise des Art. 14 GG, sich einerseits in der Funktion eines Schutzauftrages mit einem Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber zu wenden, andererseits als Abwehrrecht und Eingriffsschranke zu fungieren, kommt auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Einzelfragen des Gesellschaftsrechts zum Ausdruck. Vor allem in der viel zitierten Feldmühle-Entscheidung444 hat das BVerfG zu diesen grundsätzlichen Fragen Stellung genommen. In dieser Entscheidung ging es um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Mehrheitsumwandlung einer Aktiengesellschaft in eine andere Aktiengesellschaft, die der Aktionärsmehrheit dazu diente, das von der Gesellschaft geführte Unternehmen unter Ausschluss der Minderheit zu übernehmen. Das BVerfG beleuchtete dabei gleichermaßen den Inhalt der geschützten Aktionärsstellung wie auch die Schranken dieses Schutzes. Danach gewährt die Aktie dem Aktionär neben den mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechten vermögensrechtliche Ansprüche auf Gewinnbeteiligung, gegebenenfalls auf Bezug junger Aktien und auf die Abwicklungsquote; sie ist insofern gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum. Als Vermögensrecht genießt sie den Schutz des Art. 14 GG.445 ___________ 444 445
BVerfGE 14, 263 (Feldmühle). Dazu auch schon BVerfGE 4, 7, 26; bestätigt durch BVerfG NZG 2007, 587, 588 (Rn. 18); BVerfG WM 2003, 1813 (DAB/Hansa); ausführlich zur Bedeutung des Grundrechts aus Art. 14 GG etwa BVerfGE 50, 290, 341 (Mitbestimmung); BVerfGE 24, 367, 389 (Hamburgisches Deichordnungsgesetz); BVerfGE 31, 229, 239; BVerfGE 24, 367, 389; BVerfGE 42, 263, 294 (Contergan).
C. Bedeutung der Grundrechte für die Mitgliedschaft
101
Allerdings ist das in der Aktie verkörperte gesellschaftsrechtliche Eigentum in seinem Bestand gegen Beschlüsse der Mehrheit nicht unbedingt gesichert.446 Aufgrund des komplexen Charakters der Aktie, die sowohl Vermögensrecht wie Mitgliedschaftsrecht ist, muss es dem Gesetzgeber überlassen bleiben, die eine oder andere Seite der Aktie zum wesentlichen Kriterium seiner Entscheidung zu machen.447 So kann ein Aktionär gegen seinen Willen aus der Gesellschaft gedrängt werden, wobei er einen vermögensrechtlichen Anspruch auf Entschädigung erhält, während sein Anteil am Gesellschaftsvermögen dem Großaktionär zuwächst.448 Das BVerfG betonte dabei die vermögensrechtliche Seite der Aktionärsstellung. Das Gericht wandte sich ausdrücklich gegen die Auffassung, dass der Entzug des aktienrechtlichen Eigentums ohne Legitimation durch einen von der Rechtsordnung anerkannten Zweck und ohne zwingenden Grund niemals, auch nicht unter angemessener Entschädigung gerechtfertigt sein könne, was insbesondere bei strukturändernden Maßnahmen gelten solle, bei denen es möglich sei, die Minderheit in den neuen Rechtsträger zu integrieren.449 Auch der Forderung, dass die Rechte der Aktionäre nur soweit eingeschränkt werden dürften, wie dies zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft unentbehrlich sei, keinesfalls aber individuelle, noch so verständliche Interessen eine Entziehung des Eigentums rechtfertigen dürften, wurde vom Gericht für den entschiedenen Fall eine Absage erteilt.450 Zugleich sind die Besonderheiten des entschiedenen Falles nicht zu übersehen: Das BVerfG kam für den Kleinaktionär mit Beteiligung an einer konzernbeherrschten Gesellschaft zu dem Schluss, dass sich sein Interesse weitgehend auf Rendite und Kursgewinne beschränke, weswegen die Aktie für ihn typischerweise mehr reine Kapitalanlage als unternehmerische Beteiligung sei.451 Der Gesetzgeber könne es aus gewichtigen Gründen des gemeinen Wohls für angebracht halten, den Schutz des Eigentums der Minderheitsaktionäre hinter die Interessen der Allgemeinheit an einer freien Entfaltung der unternehmerischen Initiative im Konzern zurücktreten zu lassen.452 Diese Entscheidung ergebe sich aus einer Abwägung zwischen der Bedeutung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG im Rahmen einer konzernabhängigen Gesellschaft.453 Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser gesetzgeberischen Wertung sei jedoch, dass die berechtigten Interessen der zum Ausscheiden gezwungenen Minderheit gewahrt seien. Dazu gehöre einmal, dass ihr wirksame Rechtsbehelfe gegen einen Missbrauch der wirtschaftlichen Macht zur Verfügung stünden; zum anderen müsse Vorsorge getroffen sein, dass sie für den Verlust ihrer Rechtsposition wirtschaftlich voll ent___________ 446 447 448 449 450 451 452 453
BVerfGE 14, 263, 278 (Feldmühle). BVerfGE 14, 263, 278 (Feldmühle). BVerfGE 14, 263, 278 (Feldmühle). BVerfGE 14, 263, 279 (Feldmühle). BVerfGE 14, 263, 279 (Feldmühle). BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle). BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle). BVerfGE 14, 263, 282 (Feldmühle).
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
schädigt werde.454 Als angemessene Abfindung müsse der Aktionär erhalten, was seine gesellschaftliche Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert sei. Allein diese Auslegung sei auch mit Art. 14 GG vereinbar; denn wenn auch Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG für die Enteignung durch den Hinweis auf die Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten eine geringere als die volle Entschädigung zulasse, fehle doch jeder Grund für eine solche Abwägung im Verhältnis zwischen Gleichstehenden, zumal wenn der zur Entschädigung führende Sachverhalt im Eigeninteresse des Großaktionärs liege und von ihm herbeigeführt worden sei.455 Im Moto Meter-Beschluss456 entschied das BVerfG über Zulässigkeit und Voraussetzungen eines Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern bei einer übertragenden Auflösung. Zunächst betonte das Gericht, eine übertragende Auflösung tangiere die mitgliedschaftliche Stellung der Minderheitsaktionäre wie auch deren vermögensrechtliche Position.457 Es entschied jedoch, der Gesetzgeber habe das Anliegen, eine kleine Zahl von Minderheitsaktionären aus der Gesellschaft auszuschließen, als grundsätzlich berechtigt anerkannt, wie sich aus den Vorschriften zur Mehrheitseingliederung und zu den verschiedenen Formen der Umwandlung ergebe.458 Ergänzend betonte das Gericht, Art. 14 I GG gewähre keinen Schutz dagegen, aus der Gesellschaft hinausgedrängt zu werden.459 Diese Grundsätze wurden im Beschluss zur Verfassungsmäßigkeit der aktienrechtlichen Bestimmungen zum Squeeze out (§§ 327a ff. AktG) bestätigt.460 Auch im Moto Meter-Beschluss betonte das BVerfG die überwiegend vermögensrechtliche Position der Minderheitsaktionäre. Ihren Interessen müsse nur hinsichtlich der Vermögenskomponente ihrer Beteiligung Rechnung getragen werden.461 Die Herrschaftskomponente des Aktieneigentums sei bei ihnen nur begrenzt bedeutsam, während die Vermögenskomponente der Anlage im Vordergrund stehe. Es genüge daher, den Aktionären die Mittel an die Hand zu geben, um eine vergleichbare Beteiligung zu erwerben, da die mit ihrer konkreten Beteiligung verbundenen Gewinnerwartungen ohnehin nicht vom Schutzbereich des Art. 14 GG erfasst seien.462 Jüngst war auch der österreichische Verfassungsgerichtshof mit ähnlichen Fragen befasst.463 Der OGH hatte dem Verfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob einzelne Bestimmungen des österreichischen Spaltungsgesetzes, die eine Spaltung unter Ausschluss der Minderheitsaktionäre (Squeeze out) ermöglichen, verfas___________ 454 455 456 457 458 459 460 461 462 463
BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle). BVerfGE 14, 263, 284 (Feldmühle). BVerfG ZIP 2000, 1670 (Moto Meter). BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto Meter). BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto Meter). BVerfG ZIP 2000, 1670, 1673 (Moto Meter). BVerfG NJW 2007, 3268. BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto Meter); bestätigt durch BVerfG NJW 2007, 3268. BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 (Moto Meter); zustimmend OLG Düsseldorf AG 2005, 293, 294. Urteil vom 16. 6. 2005, Rs. G 129/04-17, G 63/05-3, G 64/05-2, G 65/05-2, G 66/05-2.
C. Bedeutung der Grundrechte für die Mitgliedschaft
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sungsgemäß sind. Dabei stellte der VfGH zunächst fest, dass die Möglichkeit, Aktionäre aus einer Gesellschaft hinauszudrängen, einen Eingriff in deren Eigentum darstellt, der einer Rechtfertigung in Bezug auf das öffentliche Interesse, auf Adäquanz und Verhältnismäßigkeit bedarf. Als Rechtfertigung soll dabei neben dem öffentlichen Interesse an einer Strukturbereinigung auch das Interesse der Mehrheitsgesellschafter, Minderheitsgesellschafter zu möglichst günstigen Bedingungen hinauszudrängen, dienen. Allerdings müsse dabei sichergestellt sein, dass die ausscheidenden Gesellschafter angemessen abgefunden werden.464 Diese Rechtsprechung erinnert an die „post Weinberger“-Rechtsprechung in Delaware. Auch dort wird, wie oben (unter § 2 B III 6 b) dargestellt, der Minderheitsgesellschafter ganz auf die vermögensrechtliche Seite seiner Beteiligung verwiesen und gegen oppression durch den Mehrheitsgesellschafter nur durch Ansprüche auf angemessenen Vermögensausgleich geschützt.465 Im deutschen Recht wurden die Aussagen des BVerfG zur unternehmerischen Tätigkeit des Mehrheitsaktionärs und lediglich vermögensrechtlichen Beteiligung des Kleinaktionärs vielfach zum Ausgangspunkt genommen, dessen Rechtsstellung von der anderer Minderheitsgesellschafter abzugrenzen. Inwieweit die Aussagen des BVerfG einen solchen Ansatz tragen und ob dieser Unterstützung verdient, wird an entsprechender Stelle ausführlich zu erörtern sein.466
2. Die Rechtsprechung des BVerfG zu strukturellem Ungleichgewicht der Vertragsparteien Schon unter B. wurde die Rechtsprechung des BVerfG zu den verfassungsrechtlichen Konsequenzen von strukturellen Ungleichgewichten in Privatrechtsbeziehungen angesprochen.467 Dabei ging es um die Fragestellungen, inwieweit ein Vertragsschluss vom Grundsatz der Privatautonomie gedeckt ist, ob der privatautonome Unterwerfungsakt eines Vertragsteils als Verzicht auf seinen grundrechtlichen Schutz verstanden werden kann und welche Mechanismen zum Schutz des schwächeren Vertragsteils ergriffen werden müssen. Zwei jüngere Entscheidungen zum Schutz des Versicherungsnehmers bei der Übertragung eines Bestandes von Lebensversicherungsverträgen auf ein anderes ___________ 464 465
466
467
VfGH, a. a. O., S. 19 f. Insoweit auch nochmals der Hinweis auf die Rechtsprechung in Delaware Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701 (Del. 1983); Seagraves v. Urstadt Property Co., No. 10307, 1996 Del. Ch. LEXIS 36 (Del. Ch. 1996); MacLane Gas Co., v. Enserch Corp., No. 10760, 1992 Del. Ch. LEXIS 260 (Del. Ch. 1992). Dazu unter § 4 B. I. 2. Zur Kritik an dem Urteil des BVerfG schon hier der Hinweis auf Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften, 1967, S. 218 (und S. 119); Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 444 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 445. Zum Ansatz des BVerfG, dass die Rechte des Mehrheitsgesellschafters mit zunehmender Beteiligung geradezu überproportional ansteigen und daher weitergehende Eingriffsbefugnisse auslösen, unter § 4 A. III. 5. Dazu schon oben unter A.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Versicherungsunternehmen468 bzw. zur Beteiligung der Versicherungsnehmer an den erwirtschafteten Überschüssen469 verdienen in diesem Zusammenhang Beachtung, da gewisse Parallelen zur Problematik im Gesellschafterinnenverhältnis und der Situation des Minderheitsgesellschafters, der dem Mehrheitswillen unterworfen ist, bestehen. So beschreibt das BVerfG die Natur des Versicherungsverhältnisses als ein auf lange Zeit ausgerichtetes, für die weitere Lebensgestaltung besonders wichtiges Vertragsverhältnis, das häufig der privaten Zukunftssicherung dient und dessen Inhalt weitgehend durch allgemeine Geschäftsbedingungen vorgeprägt ist. Zudem sei es den Versicherungsnehmern unmöglich, ihre vom Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art. 14 I GG erfassten Interessen durchzusetzen.470 Zwar könnten die Versicherungsnehmer beim Vertragsschluss die Prämien und die in Aussicht gestellten Leistungen verschiedener Versicherer vergleichen und danach ihre Auswahlentscheidung treffen. Hingegen seien die Vertragsbedingungen heute praktisch nicht verhandelbar.471 Hinzu komme, dass nach Vertragsschluss die Möglichkeiten, auf das Vertragsverhältnis Einfluss zu nehmen, sehr begrenzt seien.472 Auch gehe das von den Versicherungsnehmern gezahlte Vermögen in das Eigentum der Versicherungsunternehmen über, das von diesen in unternehmerischer Eigenverantwortung verwaltet werde.473 Das BVerfG betont die Notwendigkeit, den Versicherungsnehmer vor unangemessenen Benachteiligungen im Zuge der Vertragsübernahme durch ein anderes Versicherungsunternehmen bzw. durch Vorenthaltung der Überschussgewinne zu schützen. Im Ergebnis mahnt das BVerfG an, der Gesetzgeber müsse wirksame Mechanismen zum Schutz der Versicherungsnehmer schaffen.474 Diesem Gebot kann in auf Einzelfälle zugeschnittenen Situationen, wie sie den Entscheidungen zugrunde lagen, ohne Weiteres nachgekommen werden. Für das Gesellschaftsverhältnis wurde hingegen bereits darauf hingewiesen, dass vielfach generelle Prinzipien an die Stelle detaillierter Einzelfallregelungen treten müssen, um den Gesellschaftern den notwendigen Handlungsspielraum zu belassen. Insoweit ist den Urteilen die Mahnung zu entnehmen, dass ein in privatrechtlichen Vertragsbeziehungen bestehendes Ungleichgewicht ernst genommen und darauf mit allgemeinen und flexiblen Schutzmechanismen reagiert werden muss.475 ___________ 468 469 470 471 472 473 474 475
BVerfGE 114, 1 = NJW 2005, 2363. BVerfGE 114, 73 = NJW 2005, 2376. BVerfGE 114, 1 = NJW 2005, 2363 (Rn. 140–142); BVerfGE 114, 73 = NJW 2005, 2376 (Rn. 68). BVerfGE 114, 73 = NJW 2005, 2376 (Rn. 75). BVerfGE 114, 73 = NJW 2005, 2376 (Rn. 74 ). BVerfGE 114, 73 = NJW 2005, 2376 (Rn. 69). BVerfGE 114, 1 = NJW 2005, 2363 (Rn. 140–142); BVerfGE 114, 73 = NJW 2005, 2376 (Rn. 67 und 79). Eine andere Lehre ziehen demgegenüber Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 619: Die besondere Bedeutung der Entscheidungen für andere Rechtsgebiete wird darin gesehen, dass sie einen Aufbruch zu einer allgemeinen Angemessenheitskontrolle solcher zivilrechtlicher Vereinbarungen darstelle, die nicht individuell ausgehandelt werden.
C. Bedeutung der Grundrechte für die Mitgliedschaft
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II. Gesellschaftsrecht als Bestandteil der grundrechtsunterworfenen Rechtsordnung Diese Ausführungen des BVerfG betreffen in erster Linie die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlagen, nach denen sich die Rechtstellung der Minderheitsgesellschafter in der Gesellschaft richtet. Sie dienen vornehmlich dem Gesetzgeber als Leitlinie für seine Ausgestaltung des Gesellschafterinnenverhältnisses. Zugleich geben sie Anhaltspunkte für die hier ungleich wichtigere Frage, inwieweit die Schutzfunktion der Grundrechte in Privatrechtsverhältnissen den ungeregelten Bereich und damit den Mehrheits-Minderheits-Konflikt zu bestimmen vermag.
1. Die mitgliedschaftliche Grundrechtsgarantie und der Eingriff bei Ausübung der gesetzlich eingeräumten Gestaltungskompetenzen Der Rechtsprechung des BVerfG ist hierzu keine ausdrückliche Aussage zu entnehmen, doch wird zweierlei aus den Urteilen deutlich. Zum einen existiert die Mitgliedschaft des Gesellschafters nicht nur in der Form, die sie durch einfachgesetzliche Ausgestaltung erfahren hat; vielmehr umfasst die Gesellschafterstellung schon qua verfassungsrechtlicher Eigentumsgarantie wesentliche Grundprinzipen – anderenfalls würde sich die verfassungsrechtliche Prüfung von Ermächtigungsnormen, aufgrund derer sich die Mehrheit zulasten der Minderheit betätigt, erübrigen. Folglich muss sich der Gesetzgeber bei jeder Beschränkung der verfassungsrechtlich garantierten Rechtsstellung an Art. 14 GG messen lassen und darf die Schranken des mitgliedschaftlichen Eigentums nur unter Beachtung ihrer verfassungsrechtlichen Dimension bestimmen, insbesondere unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Zur Untermauerung dieser Thesen eignet sich neben den schon angesprochenen Entscheidungen das Informationsrecht des Aktionärs. Dieses Informationsrecht des Aktionärs stellt nach der Rechtsprechung des BVerfG in den Entscheidungen Wenger/Daimler-Benz und Scheidemandel II einen wesentlichen Bestandteil seines Mitgliedschaftsrechts dar. Die gesetzgeberische Ausgestaltung dieses Informationsrechts in zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht durch § 131 AktG wird dementsprechend als eine Inhalts- und Schrankenbestimmung bewertet, die anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf ihre Zulässigkeit hin zu überprüfen ist. Das Gericht urteilt gerade nicht, der Auskunftsanspruch werde überhaupt erst zum Bestandteil der verfassungsrechtlich garantierten Mitgliedschaft, weil der Gesetzgeber diesen im AktG verankere, und damit auch nur in der eingeschränkten Form, die der Gesetzgeber ihm zuspreche.476 Vielmehr lässt sich die Formulierung ___________ 476
Die insoweit relavanten Formulierungen lauten in BVerfG ZIP 1999, 1798, 1799 (Wenger/ Daimler-Benz): „Die Einschränkung des Auskunftsrechts (. . .) hat der Gesetzgeber damit gerechtfertigt, dass (. . .)“ und „(Der Gesetzgeber) muss (. . .) den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten. Das ist bei § 131 I 1 AktG geschehen.“ Deutlicher noch BVerfG ZIP 1999, 1801, 1802 (Scheidemandel II): „Die Vorschrift (§ 131 III 1 Nr. 3 AktG) beschränkt den Aus-
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
des BVerfG nur so deuten, dass der Informationsanspruch bereits als allgemeines Prinzip jeder Mitgliedschaft auch ohne gesetzgeberischen Willensakt existiert und jede zeitliche und gegenständliche Beschränkung durch den Gesetzgeber einen Eingriff in den Schutzbereich der durch Art. 14 I GG geschützten Mitgliedschaft darstellt, der sich an der Eigentumsgarantie messen lassen und daher den Schrankenbestimmungen des Art. 14 I GG genügen muss. Wichtiger noch ist ein zweiter Aspekt, der noch deutlicher aus allen angeführten Entscheidungen hervorgeht. Die Rechtsprechung des BVerfG gibt zu erkennen, dass ein im Gesetz angelegtes Mehrheitsprinzip, mit dessen Hilfe die Rechtsposition der überstimmten Minderheit entwertet werden kann, nicht zugleich eine prüfungsfreie immanente Schranke des Aktieneigentums darstellt. Stattdessen wird die zum Zeitpunkt des Gesellschafterbeitritts bestehende rechtliche Ausgestaltung der Mitgliedschaft zum verfassungsrechtlich geschützten Bestand des Gesellschaftereigentums erhoben, in welche die Mehrheit durch nachteilige Veränderungen eingreift.477 Obwohl allen Entscheidungen immanent, wird dies besonders deutlich an einem Beschluss zu den Abfindungs- und Ausgleichsansprüchen von Minderheitsaktionären. Dem lag zugrunde, dass die Aktionärsmehrheit von der Ermächtigung in §§ 291 ff. AktG Gebrauch machte und Unternehmensverträge abschloss. Das BVerfG ging nicht etwa davon aus, dass die Mitgliedschaft Schutz nur in den Grenzen der gesetzlichen Ausformung vorsehe und die gesetzlich verankerte Möglichkeit der Mehrheit, Unternehmensverträge abzuschließen, daher aus dem Schutzbereich der Mitgliedschaft herausfalle. Vielmehr erkannte das Gericht im Abschluss derartiger Unternehmensverträge eine Beeinträchtigung des Kleinaktionärs in seiner durch Art. 14 I GG geschützten Mitgliedschaft und prüfte, ob dieser Eingriff in die Mitgliedschaft gerechtfertigt war.478 Ebenso wird die übertragende Auflösung im Moto Meter-Beschluss nicht etwa als gesetzlich vorgesehene Beschränkung der Mitgliedschaft, sondern vielmehr als Beeinträchtigung der Mitgliedschaft bewertet und einer Rechtfertigungskontrolle unterzogen.479 Dies bestä___________ 477
478
479
kunftsanspruch in inhaltlicher Hinsicht und berührt mithin die Schutzverbürgung des Grundrechts“. Siehe dazu auch noch unter § 8 A. III. 1. So auch die Interpretation von Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1385, der zutreffend darauf hinweist, dass diese Sichtweise des BVerfG in dessen allgemeine zivilrechtliche Dogmatik passt, wonach etwa auch die Position des Mieters dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterfällt und die Eingriffsbefugnisse des Vermieters nicht als dem Gesetz immanente Inhalts- und Schrankenbestimmungen abgetan werden können (dazu BVerfGE 89, 1, 5 ff.). A. A. wohl Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 627. Dazu die prägnante Formulierung in BVerfG ZIP 1999, 532, 533 = NJW 1999, 1699: „Die Regelungen der §§ 291 ff. AktG greifen in die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition der ‚außenstehenden Aktionäre’ einer Aktiengesellschaft ein“. Dazu vor allem die Formulierung in BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto Meter): „Die ‚übertragende Auflösung‘, wie sie von der Großaktionärin im vorliegenden Fall praktiziert und von den Gerichten gebilligt worden ist, tangiert sowohl die mitgliedschaftliche Stellung der Minderheitsaktionäre, weil diese gegen ihren Willen die Beteiligung an der Gesellschaft verlieren, als auch deren vermögensrechtliche Position (. . .)“.
C. Bedeutung der Grundrechte für die Mitgliedschaft
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tigt zum einen die bereits eingangs genannte Aussage, dass ein effektiver Minderheitsschutz aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist. Hinzu tritt eine weitere Dimension, die der Zivilrechtsprechung und gesellschaftsrechtlichen Literatur zugrunde liegt, jedoch nie ausdrücklich beim Namen genannt wird:480 Die Mehrheit bewegt sich bei Wahrnehmung der gesetzlich eingeräumten Befugnisse, etwa dem Abschluss eines Beherrschungsvertrages oder einem Squeeze out, nicht etwa in einem verfassungsrechtlich irrelevanten Bereich, sondern greift mit derartigen Maßnahmen in die durch Art. 14 I GG geschützte Rechtsstellung der Minderheit ein. Dies weiter zu eruieren und hieraus ein allgemein gültiges Prüfungsmodell für Beeinträchtigungen der Rechtsposition des (Minderheits-)Gesellschafters zu entwickeln, wird Gegenstand der weiteren Erörterung in diesem Kapital sein.
2. Der soziale Bezug des mitgliedschaftlichen Eigentums Richtungsweisend sind auch die Feststellungen des BVerfG zur Sozialgebundenheit der gesellschafterlichen Mitgliedschaft. Bei der Beschreibung des Regelungsauftrages an den Gesetzgeber berücksichtigt das Gericht die soziale Funktion des geschützten Eigentumsobjekts als entscheidenden Faktor. Die Befugnis des Gesetzgebers, durch Inhalts- und Schrankenbestimmung auf die Mitgliedschaft einzuwirken, ist umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht. Grund ist, dass die Nutzung des Eigentums bei solchermaßen vorhandenen sozialen Bezügen nicht lediglich innerhalb der Sphäre des Eigentümers liegt, sondern auch die Belange anderer Rechtssubjekte berührt, die auf die Nutzung des Eigentumsobjekts angewiesen sind.481 Für das Gesellschaftsverhältnis betont das Gericht, dass die bedeutende soziale Funktion des Anteilseigentums auf der Hand liege, da sich sein sozialer Bezug bereits darin zeige, dass der einzelne Gesellschafter in der Regel in der Gemeinschaft mit anderen Gesellschaftern stehe.482 ___________ 480
481 482
Besonders deutlich wird dies an der Entscheidung BGH ZIP 2003, 387 (Macrotron), auf die unter § 13 A. ausführlich einzugehen sein wird. Aus der Liteartur etwa Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 445. Dieser stützt das Erfordernis einer Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen auf die grundrechtlich aufgegebene Sozialbindung des Aktieneigentums im Verhältnis der Gesellschafter untereinander. Zur inhaltlichen Rechtfertigunsgkontrolle von Gesellschafterbeschlüssen ausführlich unter § 4. Gängig ist die Verwendung der Eingriffsund Verhältnismäßigkeitsterminologie für Beeinträchtigungen der Minderheit durch Maßnahmen der Mehrheit, so etwa in BGHZ 9, 157, 159 und 177, sowie bei Jung, Der Unternehmensgesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 235, Fn. 623; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 454. BVerfGE 50, 290, 340 f. (Mitbestimmung); BVerfGE 21, 73, 83; BVerfGE 31, 229, 242; BVerfGE 36, 281, 292; BVerfGE 37, 132, 140; BVerfGE 42, 263, 294. Zu dieser Konnexität BVerfGE 50, 290, 342 (Mitbestimmung). Daraus geht auch hervor, dass die Maßstäbe, die das BVerfG für das Verhältnis von Eigentümer und Nichteigentümer aufstellt, auch für das Verhältnis der in der Gesellschaft verbundenen Anteilsinhaber, die
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Rein faktisch betrachtet zeichnet sich das Gesellschaftsverhältnis im Gegensatz zu anderen Vertragsbeziehungen dadurch aus, dass jede Wahrnehmung eigener mitgliedschaftlicher Rechte Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Mitgesellschafter und häufig auch der Gesellschaft besitzt. Wegen des im Gesellschaftsrecht vorhandenen Regelungsdefizits muss hieraus nicht nur folgen, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des mitgliedschaftlichen Eigentums von der innergesellschaftlichen Zweckbindung auszugehen hat, sondern auch, dass im ungeregelten Bereich die Vorgaben des Art. 14 GG die Konfliktlösung im Binnenverhältnis der Gesellschaft determinieren. Die Schutzfunktion des Art. 14 GG im unter B. beschriebenen Sinne gebietet es, die Wertungen des Art. 14 GG auf die Beziehung des Gesellschafters zur Gesellschaft und zu den übrigen Gesellschaftern anzuwenden. Die Wirkungen dieses Ansatzes sind, wie ausführlich darzustellen sein wird, nicht neu. Beispielhaft sei schon an dieser Stelle auf eine viel diskutierte BGHEntscheidung aus jüngerer Zeit hingewiesen. Im Macrotron-Urteil483 heißt es: „Hat der Verkehrswert einschließlich der Verkehrsfähigkeit des Aktienanteils aber Teil an der Eigentumsgarantie des Art. 14 I GG, so ist dieser Schutz auch im Verhältnis der Gesellschaft zu den Aktionären zu beachten. Unter dieser Voraussetzung betrifft er keineswegs nur das außermitgliedschaftliche Rechtsverhältnis des Aktionärs zu Dritten; er ist vielmehr bei börsennotierten Gesellschaften unerlässlicher Bestandteil des Rechtsverhältnisses zwischen Aktiengesellschaft und Aktionär.“484 Der BGH leitet daraus die (mangels gesetzlicher Regelung im Gesellschaftsrecht) ungeschriebene Pflicht der Aktiengesellschaft oder des Hauptaktionärs ab, bei einem Börsenrückzug den Minderheitsaktionär angemessen abfinden zu müssen. Das Gericht setzt sich dabei nicht mit den Vorgaben des Art. 14 GG an den Gesetzgeber auseinander. Es vermag mangels gesellschaftsrechtlicher Regelungen zur Lösung gerade dieses Konflikts auch keine Vorschriften im Lichte des Art. 14 GG auszulegen.485 Vielmehr sucht der BGH im gesetzlich ungeregelten Bereich nach Regeln und Mechanismen, die einen interessengerechten Ausgleich der gegensätzlichen Aktionärspositionen herbeizuführen vermögen und findet diese in ___________ 483 484 485
über ihre Beteiligung Miteigentümer der Gesellschaft sind, gelten kann. Siehe auch Mülbert/ Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 624. BGH ZIP 2003, 387 (Macrotron). Zu den Einzelheiten der Entscheidung ausführlich unter § 13. BGH ZIP 2003, 387, 390 (Macrotron). So jedoch Möslein, Grenzen unternehmerischer Leistungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 120: „kryptische“ Ausführungen des BGH sollen lediglich verfassungskonforme Auslegung des Aktiengesetzes bedeuten. v.Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 434, erkennt in dem Urteil einen unmittelbaren Rückgriff auf das Verfassungsrecht. Im Übrigen kreist die Diskussion um die vom BGH bejahte Hauptversammlungszuständigkeit, dazu K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603. Zu den ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten unter Berücksichtigung des Macrotron-Urteils unter § 6 B.
C. Bedeutung der Grundrechte für die Mitgliedschaft
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den wechselseitig wirkenden Vorgaben des Art. 14 GG, anhand derer die Interessen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden.486 Neu ist damit vor allem, dass ein Phänomen als solches bezeichnet und systematisch behandelt wird: Die Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis der Gesellschaften sind notwendigerweise lückenhaft geregelt und zugleich höchst konfliktträchtig. Soweit ein Konflikt die grundrechtliche Garantie der Mitgliedschaft betrifft, ist der Bedeutung der betroffenen Grundrechte, regelmäßig des Art. 14 GG, bei der Problemlösung Rechnung zu tragen.487
3. Systematisches Machtgefälle: Verschiedenartigkeit von Austausch- und Gesellschaftsvertrag Der Träger des Grundrechts aus Art. 14 I GG besitzt die Freiheit, über dieses Grundrecht disponieren, auf seinen Schutz also auch verzichten zu können.488 Entscheidend kommt es dabei darauf an, den Umfang dieses Verzichts zu bestimmen, da dessen Voraussetzungen nur bei einer privatautonomen, bewussten und zwanglosen Entscheidung vorliegen. Um die Ergebnisse unter B. zu resümieren: Davon kann bei Austauschverträgen regelmäßig ausgegangen werden, weswegen dort auch die Hauptleistungspflichten der Vertragsparteien nicht überprüft werden. Die Annahme, dass die Parteien beiderseits ihre Interessen wahrnehmen, verbietet jede Inhaltskontrolle. Diese haben im Grundsatz diametral gerichtete Interessen und begründen einen Kompromiss, der beide Seiten zu befriedigen vermag.489 Im Gesellschaftsrecht bestehen Parallelen, aber auch Unterschiede dazu. Die Gründung der Gesellschaft erfolgt durch einen Organisationsakt. Sie ist mehr als eine bloße Aneinaderreihung stets neuer Austauschverträge, die dem Zweck dienen, den jeweiligen Marktverhältnissen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu begegnen (on the spot contracts). Vielmehr basiert sie auf einem Organisationsvertrag,490 der sich durch Dauerhaftigkeit und rechtliche Verfestigung auszeichnet.491 ___________ 486 487
488 489
490 491
Dazu noch ausführlich unter § 13 A. Siehe dazu Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht. 2008, S. 145, Rn. 5, die für die verfassungsrechtliche Prüfung des Mehrheitshandelns jedoch eine hohe Hürde errichtet. Nur soweit das verfassungsrechtliche Untermaßverbot verletzt ist, soll eine Bindung der Mehrheit an die Grundrechte bestehen. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 389. Dazu kurz Guntz, Treubindungen von Minderheitsaktionären, 1997, S. 100. Ausführlich für gestörte Vertragsparität im Arbeitsvertragsrecht Singer, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 249–251. Vgl. etwa Lutter, AcP 180 (1980), 84, 97 f.; Windbichler, Gesellschaftsrecht, 22. Aufl. 2009, S. 56–60. Vgl. Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, S. 35, mit dem Hinweis auf das Verständnis der Gesellschaft als dauerhaftes Vertragsnetz (nexus of contracts); zu dieser Theorie des Vertragsnetzwerke Easterbrook/Fischel, 89 Colum. L. Rev. 1416 (1989); vgl. auch Kirchner, FS Immenga, 2004, S. 607, 618; Wiedemann, ZGR 2006, 240, 243; Windbichler, 2 EBOR 795, 805–807 (2001); Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 114–117; Röpke, Gläubigerschutzregime im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, 2007, S. 13.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Hierdurch entsteht die Gesellschaft, die als Kapitalgesellschaft eigene Rechtspersönlichkeit erhält und auch als Personengesellschaft eine von ihren Mitgliedern unabhängige rechtliche Verfestigung aufweist.492 Hinzu kommt, dass sich die Gesellschafter zusammenschließen, um durch ihre Verbindung gemeinsam einen festgelegten Zweck zu erreichen.493 Der Gesellschaftsvertrag494 ist ein Vertragswerk der Gründer, das im späteren Verlauf für diese ebenso wie für neu eintretende Gesellschafter als Grundordnung des Unternehmens abstrakt-generell das Leben der Gesellschaft regelt. Dieser Vertrag vermittelt die Wirkungen einer privat gesetzten Rechtsordnung und entfaltet daher für die gebundenen Gesellschafter Wirkungen, die gesetzlichen Vorschriften ähnlich sind.495 ___________ 492
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Der Verband kann beanspruchen, seine innere Ordnung in freier Selbstbestimmung zu regeln, wie sich aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 I GG ergibt, Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004, S. 11. Hierzu und zu den Unterschieden zum Austauschvertrag Lutter, AcP 180 (1980), 84, 92; Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 260–263; zur Unterordnung der Gesellschafter unter den gemeinsamen Zweck ausführlich Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, S. 134–136; die schuldvertragsrechtliche Seite betont Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004, S. 4. Die hier skizzierten Unterschiede zwischen Austausch- und Gesellschaftsvertrag bestehen gleichermaßen im US-amerikanischen Recht, da auch dort im Austauschvertrag gegenläufige, im Gesellschaftsvertrag gleichlaufende Interessen verfolgt werden, dazu Knapp, Die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften und Directors von Corporations, 2004, S. 45. Der Begriff des Gesellschaftsvertrages wird hier durchgehend als Oberbegriff der vertraglichen Grundlage für die Verbindung in allen Gesellschaftsformen verwandt, also auch für die Aktiengesellschaft. Wie aus § 2 AktG hervorgeht, verwendet auch der Gesetzgeber die Begriffe Satzung und Gesellschaftsvertrag synonym. Damit soll nicht die Frage aufgeworfen werden, welchen staatspolitischen Bindungen Gesellschaften, insbesondere wegen ihrer Wirtschaftsmacht, unterliegen, da hier nur das Innenverhältnis, die Binnenverfassung der Gesellschaft, untersucht wird. Siehe zu den einenden Elementen von Staats- und Gesellschaftsrecht Wieacker, FS Huber, 1973, S. 339, 372 f.; H. P. Westermann, AcP 175 (1975), 375, 399 f.; Schwark, FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1090; inhaltlich auch Riesenhuber/Möslein, in: Riesenhuber, Perspektiven des europäischen Vertragsrechts, 2008, S. 1, 11. Zum Theorienstreit zwischen Vertrags- und Normtheorie und der zutreffenden Erkenntnis, dass der Gesellschaftsvertrag beide Elemente in seinen Wirkungen vereint, vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 160 ff.; Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 109–113. Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004, S. 42, hebt die vertragsrechtliche Seite hervor und lehnt jeden normähnlichen Charakter dezidiert ab. Zu den Grundsätzen des Common Law, das die vertragsrechtliche Natur der Gesellschaftsgründung und -verfassung deutlich stärker betont als das Civil Law, vgl. Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 39 seq. Auch in der Literatur aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis wird der Vergleich der Gesellschaft mit dem Staatswesen gezogen, so etwa von Hill, 48 Am. J. Comp. L. 39, 51 (2000). Zum Meinungsstand im (ähnlich gelagerten) Arbeitsrecht siehe die Darstellung von Singer, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 245, 251 f. Der Unterschied der Gesellschafter zu den Tarifvertragsparteien besteht freilich darin, dass Letztere
C. Bedeutung der Grundrechte für die Mitgliedschaft
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Hier zeigt sich deutlich der Unterschied zum Austauschvertrag: Dieser hat in der einmal abgeschlossenen Form solange Bestand, bis er durch zustimmende Willenserklärung aller Vertragsparteien geändert wird (und gleiches gilt auch für schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen496). Die Parteien legen die Modalitäten der vertraglichen Bindung und damit auch die Reichweite eines eventuellen Rechtsverzichts im Detail fest. Im Gegensatz hierzu können im Gesellschaftsvertrag nur die allgemeinen Grundlagen der künftigen Zusammenarbeit niedergelegt werden, während sich jedenfalls die Details der Rechtsbeziehung der Gesellschafter einer verbindlichen Festlegung für die Zukunft entziehen.497 Es werden keine Endzustände festgelegt, sondern Grundregeln bestimmt, die für die weitere Interaktion der Akteure maßgeblich sind.498 Dies gilt für alle hier untersuchten Gesellschaftsformen, die Aktiengesellschaft, GmbH, OHG, KG und wirtschaftlich tätige BGB-Gesellschaft, gleichermaßen.499 Diesem unausweichlichen Regelungsdefizit wird dadurch begegnet, dass der Gesellschafterversammlung die Möglichkeit dauernder Einwirkung auf die Rechtsposition des einzelnen Gesellschafters eingeräumt wird, was zu nicht vorhersehbaren zukünftigen Entwicklungen der Gesellschafterstellung führt500 und außer in den Fällen zwingend einstimmiger Beschlüsse zu einer Fremdbeherrschung des Minderheitsgesellschafters führen kann.501 Dass dabei der bloße Beitritt zur Gesellschaft und die damit verbundene Unterwerfung unter den Mehrheitswillen nicht als genereller, in alle Zukunft wirkender Grundrechtsverzicht zu verstehen ist, wurde bereits angesprochen und wird an entsprechender Stelle noch näher auszuführen sein (vgl. unter III 5).502 Gerade der rein kapitalistisch beteiligte Investi___________ 496 497
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regelmäßig gleich mächtig sind, das im Gesellschafterverhältnis bestehende Machtgefälle daher nicht besteht. Dazu König, ZGR 2005, 417, 420. Zum ökonomischen Hintergrund Richter/Furubotn, Neue Institutenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 194; Röpke, Gläubigerschutzregime im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, 2007, S. 21. Röpke, Gläubigerschutzregime im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, 2007, S. 39. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass die Unterschiede von Personen- und Kapitalgesellschaften es nicht rechtfertigen, bei den allgemeinen Grundlagen der Gesellschafterverbindung zu differenzieren. Wie der Gesetzgeber in §§ 190–304 UmwG klarstellt, sind identitätswahrende Rechtsformwechsel möglich, was den Schluss nahe legt, dass alle hiervon betroffenen Gesellschaftsformen auf vergleichbare Grundlagen zurückzuführen sein müssen. Dazu Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004, S. 21 f. Dazu etwa Lutter, AcP 180 (1980), 84, 92; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 639: Gesellschaftsvertrag als symbiotischer und langfristiger Vertrag, der stets unvollständig ist und bei dessen Vertragsschluss langfristige Risiken nicht vorherzusehen sind. Vgl. Riesenhuber/Möslein, in: Riesenhuber, Perspektiven des europäischen Vertragsrechts, 2008, S. 1, 11; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 341. Siehe zur strukturellen Unterlegenheit des Gesellschafters und der daraus folgenden Vergleichbarkeit mit den Grundsätzen der BVerfG-Rechtsprechung Wiedemann, Anm. zu BVerfG v. 19. 10. 1993, JZ 1994, 411, 412. Dieser Gedanke findet sich außerdem bei Schön, FS Ulmer,
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
tionsgesellschafter besitzt gar keine Möglichkeit, bei seinem Beitritt auf Änderungen des Gesellschaftsvertrages hinwirken und damit für eine Verbesserung seiner zukünftigen Situation Sorge tragen zu können.503 In allen Gesellschaftsformen ist die Unterwerfung unter den Mehrheitswillen daher nur als Willensentschluss zu verstehen, die selbstbestimmte Wahrnehmung der Eigeninteressen in den Grenzen des rechtlich Zulässigen einzuschränken – unter der Annahme, dass die Mehrheit ihre Rechtsstellung nach den Grundsätzen fairer Zusammenarbeit ausüben wird.504 Daraus ergibt sich, dass die Einführung des Mehrheitsprinzips als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG zwar im Ansatz verfassungsrechtlich unbedenklich ist, dass hiervon jedoch die Anforderungen an die Ausübung des Stimmrechts im Einzelfall streng zu unterscheiden sind. Würde man sich auf den Standpunkt stellen, dass die von Art. 14 I 1 GG geschützte Eigentumsposition des einzelnen Gesellschafters wegen dieser Inhalts- und Schrankenbestimmung von Anfang an eingeschränkt, der Schutzbereich also von den Konsequenzen des Mehrheitsprinzips determiniert wäre,505 würde der (wohl allseits akzeptierte) Ausgangspunkt, dass eine uneingeschränkte Mehrheitsherrschaft verfassungswidrig wäre, konterkariert. Weder für die von der h. M. angenommenen Treuebindungen bei der Ausübung des Stimmrechts noch für die von der Rechtsprechung mitunter geprüfte materielle Beschlusskontrolle wäre unter dieser Prämisse Raum.506 Dies passt sich auch in den soeben unter 2. dargestellten Ansatz des BVerfG ein, wonach die Inhalts- und Schrankenbestimmungen Eingriffe in den Schutzbereich der von Art. 14 I GG erfassten Mitgliedschaft bedeuten. Die Richtigkeitsgewähr des gefundenen Konsenses, von der man bei Austauschverträgen regelmäßig ausgehen kann, besteht bei Gesellschaften wegen der Unterwerfung unter einen Mehrheitswillen daher nicht. Das Regel-AusnahmeVerhältnis kehrt sich um: Während bei Austauschverträgen vor allem Informationsdefizite im Ausnahmefall dazu führen, dass der ausgehandelte Konsens keine Richtigkeitsgewähr besitzt, besteht die beständige Gefahr, dass auch ein umfassend informierter Gesellschafter gegen seinen Willen einer durch egoistische Motive beeinflussten irrationalen Entscheidung der Mehrheit unterworfen wird.507 Auch sind Leistung und Gegenleistung nicht wie bei Austauschverträgen aneinander gekoppelt. Vielmehr fallen die Erträge bei der Gesellschaft an und werden über die Verteilungsregeln in Erträge der einzelnen Gesellschafter umgesetzt. Der ___________
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2003, S. 1359, 1385. Auch besteht eine Parallele zur Rechtsprechung des BGH zum Bestimmtheitsgrundsatz im Personengesellschaftsrecht, für den der BGH gerade darauf hinweist, dass der Minderheit nicht unterstellt werden könne, sich blindlings unter Inkaufnahme möglicherweise weittragender Folgen der Mehrheit zu unterwerfen, so BGH ZIP 1983, 303, 304. Ähnlich auch die Argumentation bei Ausschlussklauseln zur Kündigung von Gesellschaftsverträgen, siehe BGH NJW 2007, 295, 296. Möslein, ZIP 2007, 208, 214. So inhaltlich auch Comment, Freezing out Minority Shearholders, 74 Harv. L. Rev. 1630, 1634. (1961). So aber die Anklänge bei Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 627. Zur inhaltlichen Beschlusskontrolle ausführlich unter § 4. Vgl. dazu Riesenhuber, NZG 2004, 15, 21.
C. Bedeutung der Grundrechte für die Mitgliedschaft
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Minderheitsgesellschafter tritt insoweit in Vorleistung. Er leistet seine Einlage sofort und erhält dafür auch sogleich seine Mitgliedschaft, vermag jedoch weder über das Schicksal seiner Einlage noch über das seiner Mitgliedschaft zukünftig allein zu bestimmen, da die Einlage ganz der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wird und über die Zukunft seiner Mitgliedschaft andere Akteure in der Gesellschaft (mit-)entscheiden.508 Er kann daher nur darauf vertrauen, dass er eine gerechte Partizipation an den von der Gesellschaft erwirtschafteten Gewinnen eingeräumt erhält und seine Rechtsstellung in der Form, wie sie zum Beitrittszeitpunkt bestand, fortbestehen wird.509 Diese dauerhafte Einbindung in die Gesellschaft und die dort bestehenden Mehrheitsverhältnisse stellen den Grund dar, warum der bloße Verweis auf die Privatautonomie einen Ausschluss der Grundrechtsbindung im Innenverhältnis der Gesellschafter weniger noch als in sonstigen Privatrechtsbeziehungen zu rechfertigen vermag. Vielmehr ist es verfassungsrechtlich geboten, den Gesellschafter vor den Auswirkungen uneingeschränkter Fremdbeeinflussung zu schützen.510 Die mit dem Gesellschaftsbeitritt verbundene Unterordnung unter den Mehrheitswillen ist ein so wesentlicher Unterschied zum gewöhnlichen Schuldvertrag, dass unterschiedliche Grundsätze gelten müssen, was allgemeine Anerkennung erfahren hat und die unter § 2 dargestellte h. M. dazu führt, Treuepflichten auf die Beziehung der Gesellschafter anzuwenden,511 nach dem hier vertretenen Ansatz aber die Voraussetzungen dafür schafft, die Schutzfunktion des Art. 14 GG auf das Innenverhältnis der Gesellschafter anzuwenden.
4. Zwischenfazit Zusammenfassend ist daher von folgendem Modell auszugehen: Soweit im Gründungsstadium oder auch bei späterem Beitritt ein Verhandlungsgleichgewicht un___________ 508 509 510
511
Siehe zum Ressourcenpoolmodell Röpke, Gläubigerschutzregime im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, 2007, S. 41, m. N. zur ökonomischen Literatur. Röpke, Gläubigerschutzregime im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, 2007, S. 24 und 38. Vgl. dazu Westermann, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band II, 2000, S. 245, 249; vgl. auch Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 378 ff. (insb. S. 384). Zur Ausbeutungs- und Opportunismusgefahr Röpke, Gläubigerschutzregime im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, 2007, S. 21 f. Siehe Singer, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 245, 251, zur vergleichbaren Situation in Arbeitsverhältnissen. Die Parallele besteht in den Gestaltungsbefugnissen des Arbeitgebers in bestehenden Arbeitsverträgen. Singer begründet die Schranken der Gestaltungsbefugnisse aus der grundrechtlichen Schutzpflichtlehre. So ausdrücklich Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 341 ff., und Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 289. Besonders hinzuweisen ist auf eine Aussage Zöllners, a. a. O., S. 341: Es gehe um die Stärke des durch die Aufnahme von Gemeinschaftsbeziehungen dem Einzelnen anvertrauten Einflusses auf die Angelegenheiten der Gesamtheit. Beim gewöhnlichen Schuldvertrag, bei dem die gegenseitigen Hauptleistungen genau abgegrenzt seien, sei dieser Einfluss so gering, dass die Vertrauensgrundlage gar nicht in Erscheinung trete.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
ter den Gesellschaftern besteht, können die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages als von dem beitretenden Gesellschafter akzeptiert angesehen und insoweit von einem Verzicht auf umfassenden Grundrechtsschutz ausgegangen werden. Problematischer sind die Fälle, insbesondere bei Beitritten zu Publikumsgesellschaften, in denen es dem Einzelnen an einem Einfluss fehlt. Zugleich kann sich der Gesellschafter in diesem Stadium ausreichend über die Grundlagen und den Inhalt seiner Mitgliedschaft informieren und muss sich auf diese Möglichkeit auch verweisen lassen, soweit sein Beitritt freiwillig erfolgt. Er geht sehenden Auges eine ungünstige Bindung ein. Diese Tatsache erlaubt lediglich eine Korrektur bei wesentlicher Beeinträchtigung seiner verfassungsrechtlich geschützten Rechte, wie sie auch in anderen Bereichen des Privatrechts gilt und über eine Kontrolle anhand der Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB, daneben in Ausnahmefällen auch nach den Regeln zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen,512 ausgeübt wird (hierzu im Einzelnen die Ausführungen zur Inhaltskontrolle von Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages unter § 9 A II. 1.). Eine gänzlich andere Dimension struktureller Unterlegenheit ist hingegen betroffen, wenn im Verlauf der bestehenden Gesellschafterbeziehung die Rechtsposition des einzelnen Gesellschafters im Wege des Mehrheitsbeschlusses gegen seinen Willen verändert wird. Der bloße Beitritt zur Gesellschaft in Kenntnis des Mehrheitsprinzips beinhaltet keinen Grundrechtsverzicht. Der verfassungsrechtlich verbürgte Schutz der Beteiligung gebietet es, im Bereich der vom Gesetzgeber (notwendigerweise) belassenen Lücken dem Schutzauftrag des Art. 14 I GG Rechnung zu tragen und daraus für das Rechtsverhältnis der Gesellschafter das beschränkende Gebot abzuleiten, dass diese bei Maßnahmen mit beeinträchtigender Wirkung für die Mitgesellschafter der verfassungsrechtlichen Dimension ihres Handelns Rechnung tragen müssen. Wie dieses Gebot konkret umzusetzen ist, wird im Folgenden zu untersuchen sein. Zuvor wird jedoch der Blick auf das US-amerikanische Recht zeigen, dass auch diesem die hier dargestellten Ansätze nicht ganz fremd sind, es sich jedoch stellenweise noch auf dem Stand des in Deutschland überwundenen Prinzips eines „alles oder nichts“ zum Zeitpunkt des Gesellschaftsbeitritts befindet.
5. Der verfassungsrechtliche Schutz der Gesellschafterstellung im US-amerikanischen Recht Die verfassungsrechtliche Diskussion zu Fragen des Eigentumsschutzes des Gesellschafters kreiste im US-amerikanischen Recht zunächst um die Frage, ob der Gesetzgeber bestehende Eigentumsrechte durch Gesetzesänderung beseitigen darf (unter a). Daran schloss sich die Diskussion um den Eigentumsschutz bei Gewinn___________ 512
Ständige Rechtsprechung seit BGHZ 64, 238 für die Fälle, in denen die Kommanditisten einer Publikums-KG in der Öffentlichkeit geworben werden und, wenn sie beitreten wollen, nur einen Gesellschaftsvertrag unterzeichnen können, der fertig vorformuliert ist und auf dessen Inhalt sie keinen irgendwie gearteten mitgestaltenden, ihre Interessen wahrenden Einfluss ausüben können.
C. Bedeutung der Grundrechte für die Mitgliedschaft
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bezugsrechten des Gesellschafters mit Recht auf bevorzugte Dividende (preferred stocks) an (unter b). Obgleich die Aussagekraft der Urteile entsprechend beschränkt ist, sind doch auch in anderen Bereichen Ansätze erkennbar, die – wenig explizit – eine gewisse Relevanz für den Eigentumsschutz der Gesellschafterstellung besitzen (unter c).513 a) Kompetenz des Gesetzgebers zur Veränderung der Grundlagen der Gesellschafterbeziehung Den Anfang in der Auseinandersetzung der US-amerikanischen Rechtsprechung mit verfassungsrechtlichen Fragen im Gesellschaftsrecht bildete die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages gegen den Willen einzelner Gesellschafter verändert werden können. Das Problem wurde dabei auf zwei Stufen diskutiert: Zum einen, ob der Gesetzgeber durch nachträgliche Gesetzgebung die Grundlagen der gesellschafterlichen Verbindung verändern darf, und zum anderen, ob er, ebenfalls nachträglich, durch Einführung des Mehrheitsprinzips für bestimmte Vertragsänderungen die Voraussetzungen dafür schaffen darf, dass ein Mehrheitsbeschluss gegen den Willen einer widersprechenden Minderheit die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages verändert. Diese Fragen wurden von der Rechtsprechung zunächst verneint.514 Da die corporate charter als Vertrag zwischen der Gesellschaft und dem Staat der Inkorporierung galt, wurde jeder Versuch des Staates, durch Legislativakt die Vertragsbestimmungen zu verändern, als Eigentumsverletzung und daher verfassungswidrige Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen bewertet.515 Mehr noch: Da die corporate charter auch als Vertrag der Gesellschafter untereinander eingestuft wurde, sollte es die vertraglichen Rechte widersprechender Gesellschafter verletzen, wenn den Direktoren oder dem Mehrheitsgesellschafter mehr Kompetenzen durch Gesetzesänderung zugesprochen wurden.516 Als Reaktion darauf gingen die Gesetzgeber dazu über, eine als reserved power bezeichnete Klausel in die Verfassungen oder Gesellschaftsstatute aufzunehmen, die eine rückwirkende Veränderung der rechtlichen Grundlagen für Gesellschaften ausdrücklich für zulässig erklärte. Während eine Gruppe von Gerichten in diesen Vorschriften eine Ermächtigung nicht nur an den Gesetzgeber, sondern auch an den Entscheidungsträger in der Gesellschaft erkannte, nachteilige Maßnahmen für ___________ 513
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Zur Tatsache, dass auch das US-amerikanische Recht praktisch nicht ohne eine Drittwirkung von Verfassungswerten auszukommen vermag, zugleich jedoch den Konflikt, dass der Grundsatz, wonach nur die staatliche Gewalt an diese gebunden sein soll, nur durch eine exzessive Ausdehnung des Begriffs der staatlichen Gewalt zu lösen vermag, siehe Barby, DVBl. 1971, 333. Dartmouth College v. Woodward, 4 L.Ed. 629 (U. S. 1819) für corporations; Natusch v. Irving, 2 Coop.T.Cott 358 (U. S. 1824) für partnerships. Dartmouth College v. Woodward, 4 L.Ed. 629 (U. S. 1819). Siehe zu allem die berichtende Darstellung von Dodd/Baker, Cases and Materials on Corporations, 2nd ed. 1951, p. 1319; Jennings/Buxbaum, Corporations, Cases and Materials, 5th ed. 1979, p. 1016.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
widersprechende Minderheitsgesellschafter treffen zu dürfen,517 beschränkt die Gegenansicht ihre Reichweite auf eine Kompetenz des Gesetzgebers.518 b) Verlust der Gewinnbezugsrechte bei Umwidmung der Aktien Eine zweite Gruppe von Entscheidungen ist mit der Frage befasst, ob durch eine Umwidmung von Aktien eigentumsrechtliche Positionen entzogen werden dürfen. Hintergrund der Entscheidungen ist die Situation, dass Gesellschaften über Jahre hinweg Verluste anhäuften. Das hierdurch ausgelöste Ausschüttungsverbot führte dazu, dass die Gewinnansprüche der Gesellschafter mit Vorzugsrechten jahrelang nicht befriedigt werden konnten und daher zu kumulierten Ansprüchen auf vorweggenommene Befriedigung aus einem zukünftig erwirtschafteten Gewinn führten. Eine Ausschüttung an die übrigen Aktionäre wurde hierdurch auf unbestimmte Zeit blockiert oder gemindert.519 In dieser Situation gingen einerseits die Gesetzgeber dazu über, der Gesellschaft eine Umwidmung der Aktien ausdrücklich zu erlauben,520 andererseits nutzten die Gesellschaften jeden gestalterischen Freiraum, um die Rechte der Vorzugsaktionäre zu beschneiden.521 Die Klagen der Vorzugsaktionäre führten dazu, dass sich die Gerichte mit der Frage nach dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz der Gesellschafterstellung auseinander setzten. Den Ausgangspunkt bildete dabei die Aussage, dass der Gesetzgeber bei Eingriffen in das Eigentum der Gesellschaft und Gesellschafter Schranken unterliege.522 Die grundsätzliche Befugnis zu solchen Eingriffen wurde jedoch mit dem Argument begründet, der Staat habe das Privileg körperschaftlicher Existenz verliehen und dürfe folglich die Grundlagen des Verbandes verändern und hierdurch ___________ 517
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Durfee v. Old Colony & Fall River R. R., 5 Allen 230 (Mass. 1862); Buffalo New York City R. Co. v. Dudley, 14 N. Y. 336 (N. Y. 1856); Hinckley v. Schwartzchild & Sulzberger Co., 95 N. Y. S. 357 (N. Y. App. Div. 1st Dep. 1905); Perkins v. Coffin, 79 Atl. 1070 (Conn. 1911). Zabriski v. Hackensack & N. Y.R. Co., 18 N.J.Eq. 178 (N. J. Ch. 1867); Dow v. Northern R. R., 36 Atl. 510 (N. H. 1887); Kenosha R. & R. Co. V. Marsh, 17 Wis. 13 (Wis. 1863); Garey v. St. Joe Min. 91 P. 369 (Utah 1907); Yukon Mill & Grain Co. V. Vose, 206 P. 2 d 206 (Okla. 1949); State ex rel Swanson v. Perham, 191 P. 2 d 689 (Wash. 1948). Illustriert durch den Sachverhalt in Barnett et al. v. Denver Tramway Corporation, 53 F. Supp. 198 (Del. Dist. C. 1943). Dies liegt McNulty v. Sloane, 54 N. Y. S. 2 d 253 (N. Y. 1945) zugrunde, wo durch Gesetzesänderung die Grundlage dafür geschaffen wurde, durch Umqualifizierung der Beteiligung im Wege eines Mehrheitsbeschlusses den Vorzugsaktionären ihren Anspruch auf vorweggenommene Befriedigung aus zukünftigen Gewinnen zu nehmen. So etwa auf subtile Art durch Verschmelzungen unter Veränderung der Aktienklassen, dazu Langfelder et al. v. Universal Laboratories, Inc., 163 F. 2 d 804 (Circ. App. 3rd. Circ. 1947). Der direkte Weg bestand darin, Vorzugsaktien schlichtweg umzuwidmen, so in Bowman v. Armour & Co., 160 N. E. 2 d 753 (Ill. 1959). McNulty v. Sloane, 54 N. Y. S. 2 d 253, 257 (N. Y. 1945): “This power to amend is, to be sure, at all times subject to the fundamental mandate that property shall not be taken without due process of law. The corporation, under the ‘reserved power,’ cannot be deprived of its property nor can the rights of third parties be taken away”.
C. Bedeutung der Grundrechte für die Mitgliedschaft
117
auch die Rechte der Gesellschafter beeinflussen (ebenfalls als reserved power bezeichnet).523 Wie der Schutzbereich der gesellschaftsrechtlichen Eigentumsgarantie zu bestimmen ist, deutet sich nur an. Einen Anhaltspunkt bilden die Ausführungen zur Entziehung der Ansprüche auf aufgelaufene, aber bislang nicht ausgeschüttete Dividende: “All preferential rights of stockholders (. . .) are all property rights founded upon contract. (. . .) The Supreme Court of Delaware held that the statute did not allow abolition of accrued cumulative dividends, and went on to say that these are property rights which are protected by constitutional guarantees. (. . .) So far as Delaware is concerned, therefore, accrued cumulative dividends cannot be abolished through a reclassification of the stock, but this is solely because the Legislature has not specifically granted this privilege to a corporation. When the statute afforded such an opportunity, as in the merger statutes, accrued dividends could be abolished.”524 Die Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag sollen also eine elementare Quelle zur Bestimmung der Rechte des Gesellschafters darstellen. Zugleich können diese Rechte, da sie ja nur vertraglicher Natur sind, durch Gesetzgebungsakt entzogen werden: “The contract between stockholders inter sese is not an unconditional contract. It is a contract subject to a condition that it may be changed or altered in the manner prescribed or authorized by the Legislature. (. . .) The very essence of the reserved power of the Legislature is to enable it to change preferential rights of the different classes of stock in a corporation.”525 Außerdem soll auch der Gesellschaftsvertrag Eingriffsbefugnisse vorsehen können.526 Soweit der Gesetzgeber diese Eingriffsbefugnisse wahrnimmt, muss er nicht nur das öffentliche Interesse an funktionierenden Unternehmen beachten, sondern be___________ 523
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McNulty v. Sloane, 54 N. Y. S. 2 d 253, 258 (N. Y. 1945): “According to the majority view, all the elements of the contract between the shareholders with reference to their interest in the corporation and to its internal management may be altered by amendment to the charter, as being within the conditions upon which the state grants the privilege of corporate existence.” I. E. auch A. P. Smith Mfg. Co. v. Barlow, 98 A. 2 d 581 (N. J. Sup. Ct. 1953); Hinckley v. Schwarzschild & Sulzberger Co., 95 N. Y. S. 357, 363 (N. Y. App. Div. 1st Dep. 1905). McNulty v. Sloane, 54 N. Y. S. 2 d 253, 260 (N. Y. 1945), unter Bezugnahme auf Keller v. Wilson & Co., 190 A. 115 (Del. 1936). Bowman v. Armour & Co., 160 N. E. 2 d 753, 755 (Ill. 1959), spricht dabei den Grundsatz aus, dass ein Gesellschaftsvertrag auch unbenannt die gesetzlichen Grundlagen einer Gesellschafterverbindung einschließt: “The express nature of the contract is not limited to the specific language found in the articles of incorporation but the contract in its entirety includes the statutory provisions in force when the charter is granted as though those statutory provisions were literally recited in the contract”. McNulty v. Sloane, 54 N. Y. S. 2 d 253, 260 seq. (N. Y. 1945). So auch Bowman v. Armour & Co., 160 N. E. 2 d 753, 755 (Ill. 1959): “The holders of the prior stock thus held rights and privileges as expressed in the articles prior to the amendment subject at all times to variation, modification or change to the extent that the articles could be amended from time to time as authorized by the Business Corporation Act”. Bowman v. Armour & Co., 160 N. E. 2 d 753, 755 (Ill. 1959): ”(. . .) the articles of incorporation, or the pertinent provisions of the applicable corporation act, provide that a prescribed majority of the shareholders, voting by classes, as necessary, shall have the power to alter or change the ‘rights and preferences’ of the preferred stock (. . .)”.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
sitzt auch die Aufgabe, die widerstreitenden Interessen der verschiedenen Interessengruppen, insbesondere von Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern, in Einklang zu bringen.527 Die Gerichte überprüfen, ob bei Anwendung der Gesetzlage die Interessen der Beteiligten aureichend gewürdigt werden oder nach den Grundsätzen der Equity Abhilfe im Einzelfall erforderlich erscheint. Essentiell ist dabei, welche Schutzmechanismen das Gesetz für die benachteiligten (Minderheits-)Gesellschafter vorsieht.528 Was diese Rechtsprechung vermissen lässt, sind Vorgaben für Eingriffsschranken der Gesellschaftermehrheit. Die Aussage “(. . .) rights and privileges of shareholders are defeasible by the adoption of amendments to articles of incorporation”529 klingt nach schrankenlosen Eingriffsbefugnissen. Dieser Schluss wird durch Ausführungen gestützt, die eine Umgehungskontrolle ausschließen, wenn die Mehrheit ein missbilligtes Ergebnis, die Umqualifizierung von Vorzugsaktien in Stammaktien, gegen den Willen der Minderheit durch eine Verschmelzung unter Ausgabe neuer Stammaktien herbeiführt. Die Argumentation erinnert an den gerade abgelehnten und im deutschen Recht von der heute ganz h. M. überwundenen Standpunkt, wonach der in der Gesellschafterversammlung unterliegenden Minderheit nicht geholfen werden müsse, da sie sich doch sehenden Auges den Gefahren ausgesetzt habe, die mit ihrer Minderheitsposition einhergehen.530 Legt man die deutsche Dogmatik zugrunde, klingt ein Grundrechtsverzicht an: “The shareholder has notice that the corporation whose shares he has acquired may be merged with another corporation if the required majority of the shareholders agree. He is informed that the merger agreement may prescribe the terms and conditions of the merger, the mode of carrying it into effect, and the manner of converting the shares of the constituent corporations into the shares of the resulting corporation. A well understood meaning of the word ‘convert’, is to alter in form, substance or quality. Substantial rights of shareholders, as is well known, may include rights in respect of voting, options, preferences and dividends. The average intelligent mind must be held to know that dividends may accumulate on preferred stock, and that in the event of a merger of the corporation issuing the stock with another corporation, the various rights of shareholders, including the right to dividends on preference stock accrued but unpaid, may, and perhaps must, be the subject of reconcilement and adjustment; for, in many cases, it would be impracticable to effect a merger if the rights attached to the shares could not be dealt with.”531 ___________ 527 528 529 530 531
McNulty v. Sloane, 54 N. Y. S. 2 d 253, 261 (N. Y. 1945). Auch dies folgert aus den Ausführungen des Gerichts in McNulty v. Sloane, 54 N. Y. S. 2 d 253, 262 (N. Y. 1945). Bowman v. Armour & Co., 160 N. E. 2 d 753, 757 (Ill. 1959). Etwa das RG in der Hibernia-Entscheidung, RGZ 68, 235, 245 f. Zur Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen unter § 1 A. Langfelder et al. v. Universal Laboratories, Inc., 163 F. 2 d 804, 806 seq. (App. 3rd. Circ. 1947), unter Anwendung des Rechts von Delaware.
C. Bedeutung der Grundrechte für die Mitgliedschaft
119
Zugleich ist nicht zu übersehen, dass hier (durch ein Bundesgericht) das Recht des Staates Delaware angewandt wurde. Dass diese Sichtweise von anderen Gerichten nicht geteilt wird, hat die Darstellung zu den fiduciary duties (unter § 1 B) deutlich gemacht. c) Verfassungsrechtliche Fragen bei anderen mehrheitlich getragenen Gesellschafterbeschlüssen In einer lange zurückliegenden Entscheidung erklärte der Supreme Court von Missouri eine mit den Stimmen der Mehrheit beschlossene Auflösung der Gesellschaft wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtlich garantierte Eigentumsrecht der Minderheitsgesellschafter für rechtswidrig. Die Mehrheit hatte bezweckt, sich das Vermögen der Gesellschaft auf dem Umweg einer Auflösung einzuverleiben, weil die eigentlich bezweckte consolidation532 mit einer weiteren Gesellschaft nach der damaligen Rechtslage nicht möglich war. In dieser Situation entschied das Gericht, das in der Mitgliedschaft verkörperte Privateigentum könne ohne Zustimmung der betroffenen Gesellschafter nicht durch die Mehrheit entzogen werden, nicht einmal gegen Abfindung.533 In einer jüngeren Entscheidung warf dasselbe Gericht die Frage auf, ob eine Zusammenlegung von Aktien (reverse stock split), die zur Verdrängung einzelner Gesellschafter führte, mit der verfassungsrechtlichen Garantie des Privateigentums vereinbar war.534 Die Kläger sahen in ihrer Verdrängung durch die Zusammenlegung der Anteile eine Enteignung, die gegen die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie verstoße. Das Gericht folgte dem jedoch nicht, sondern sah in der gesetzlich vorgesehen Möglichkeit, mit den Stimmen der Mehrheit und unter Beachtung der Grundsätze des good faith eine Kapitalveränderung zu beschließen, eine ausreichende Ermächtigung für das Vorgehen der Mehrheit. Die Kläger hätten sich diesen Bedingungen mit ihrem Beitritt zur Gesellschaft unterworfen.535 Indem das Gericht anschließend (knapp) die Besonderheiten der Maßnahme anprüfte und zudem betonte, ein Gesellschafter erkläre sich stillschweigend damit einverstanden, dass die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages geändert werden könnten, um der Gesellschaft eine Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit in profitablerer Weise zu ermöglichen, ließ es (vorsichtig) anklingen, dass die gesetzlich eingeräumten Befugnisse nicht schrankenlos, sondern zum Wohle der Gesellschaft
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533 534 535
Der Vorgang der consolidation entspricht heute einer Verschmelzung durch Neugründung, indem zwei oder mehr Gesellschaften auf eine bislang nicht existierende Gesellschaft verschmolzen werden. Siehe dazu unter § 10 D. I. sowie Del. Gen. Corp. Law § 251 (a); Jennings/Buxbaum, Corporations, Cases and Materials, 5th ed. 1979, p. 1042. In re Doe Run Lead Co., 223 S. W. 600 (Mo. 1920). Zur Beurteilung der übertragenden Auflösung nach deutschem Recht ausführlich unter § 9 C. V. Smith Gaddy v. Phels County Bank, Inc., 20 S. W. 3 d 511 (Mo. banc 2000). Smith Gaddy v. Phels County Bank, Inc., 20 S. W. 3 d 511, 514 (Mo. banc 2000).
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
und unter Berücksichtigung der beeinträchtigten Interessen der Minderheit ausgeübt werden müssen.536 d) Weitere Entscheidungen Die Diskussion im US-amerikanischen Recht zeigt, dass sich dieses mit der Verbindung verfassungsrechtlicher und vertragsrechtlicher Positionen in der Mitgliedschaft des Gesellschafters schwerer tut als das deutsche Recht, das mit der Sozialbindung des Eigentums einen wirkungsvollen Hebel besitzt, um den Grundrechtsträger auf ein über seine Individualinteressen hinausgehendes Kollektivinteresse zu verpflichten. Die unversöhnliche Diametralität, die in den US-Entscheidungen anklingt, kann hierdurch überwunden werden.537 Zugleich werden auch im US-amerikanischen Recht Ansätze vertreten, die dem hier entwickelten nahe kommen. Wenn die Rechtsprechung betont, dass eine Entziehung mitgliedschaftlicher Positionen nur gegen angemessene Abfindung zulässig ist, rekurriert sie damit stärker auf ein verfassungsrechtliches denn vertragsrechtliches Prinzip.538 Derartige Beispiele sind gerade in der Rechtsprechung des Delaware Supreme Court zahlreich vorhanden. Das Gericht rechtfertigt unterschiedliche Mechanismen der Mehrheit, die Grundlagen der gesellschafterlichen Verbindung zum Nachteil der widersprechenden Minderheit zu verändern, mit dem Recht der Minderheit, gegen vollwertige Abfindung aus der Gesellschaft ausscheiden zu können.539 Auch der Ansatz der fiduciary duties, eine Beeinträchtigung der Interessen der Minderheitsgesellschafter nur unter besonderen Voraussetzungen, die vornehmlich in den Interessen der Gesellschaft zu finden sind, zuzulassen, läuft auf eine Forderung nach inhaltlicher Rechtfertigung von Maßnahmen, die eigentumsrechtliche Positionen beeinträchtigen, hinaus. Zwar wird dieser Begriff nicht verwendet, sondern allgemein von Rechten der Gesellschafter gesprochen. Wären diese jedoch rein vertraglicher Natur, wäre nicht zu erklären, weshalb die Gerichte nach höherrangiger Rechtfertigung fragen und auf angemessene Kompensation drängen. Ein breach of contract würde voraussetzen, dass Rechtspositionen eingeräumt und vereinbarungswidrig entzogen werden. An solchen Absprachen fehlt es regelmäßig aber. Außerdem würde es aus vertragsrechtlicher Sicht genügen, die Unterwerfung unter das Diktat der Mehrheit als Rechtfertigung anzuführen. Dieser Hinweis verdeutlicht: Geht man zutreffend davon aus, dass die in der Mitgliedschaft wurzelnden Rechtspositionen der Minderheit durch den Mehrheits___________ 536
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Smith Gaddy v. Phels County Bank, Inc., 20 S. W. 3 d 511, 514 (Mo.banc 2000). Zu den Kriterien einer Änderung der Satzung auch Midland Truck Lines v. Atwood, 241 S. W. 2 d 903, 907 (Mo. 1951). Zu diesem Aspekt näher im Anschluss unter § 3 D. IV. III. Dazu ausführlich Manning, 72 Yale L. Y. 223 (1962), bezogen auf Lauman v. Lebanon Valley R. R., 30 Pa. 42 (1858); Eisenberg, The structure of the corporation, 1976, p. 75 seq., mit Darstellung der Gegenansicht, die die Grundlage vielmehr im Gebot vertraglicher Fairness erblickt. Siehe hierzu die Darstellung unter § 2 B. III. 6.
D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
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gesellschafter nicht ohne Rechtfertigung entzogen werden dürfen, führt dies zu einer Verflechtung verfassungs- und vertragsrechtlicher Prinzipien. Diese Prinzipien können am besten dadurch in Einklang gebracht werden, dass die vertraglichen Grundlagen der Gesellschafterbeziehung zu einer wesentlichen Grundlage der Schutzbereichsbestimmung erklärt werden und außerdem die Kriterien der Rechtfertigungsprüfung determinieren.540 Dies wird im Folgenden darzustellen sein. D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
D. Die Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter I. Anwendung der Prüfungsdogmatik des Art. 14 I GG auf die Gesellschafterbeziehung als Ausfluss der Schutzgebotsfunktion Wie unter B. verdeutlicht, resultiert aus der grundrechtlichen Schutzgebotsfunktion die Vorgabe, einen effektiven Grundrechtsschutz unter Beachtung der gesetzgeberischen Wertungen und der privatautonomen Entscheidungen der Privatrechtssubjekte zu gewährleisten, unabhängig davon, ob auslegungsfähige Privatrechtsnormen existieren oder eine Regelung gänzlich fehlt. Das Gesellschaftsrecht verdeutlicht, dass Schutzlücken entstehen, wenn der Standpunkt der mittelbaren Drittwirkung, die Werteordnung der Grundrechte könne sich nur über Generalklauseln entfalten, uneingeschränkt befolgt wird. Die Lehre versagt, wie die Macrotron-Entscheidung des BGH für den Bereich des Delisting verdeutlicht, wenn es an offenen Tatbeständen fehlt. Eine Anwendung der §§ 138, 242 BGB und deren Interpretation im Lichte der Grundrechte kann im Austauschvertrag regelmäßig zu angemessenen Ergebnissen führen, da nur der Austausch der im Vorhinein feststehenden Leistungspflichten geschuldet ist. In der Gesellschafterbeziehung geht es demgegenüber darum, die Verhaltenspflichten im Hinblick auf die Zweckförderung zu konkretisieren, eine Aufgabe, bei der die Vorgaben der §§ 138, 242 BGB nur bedingt dienlich sind. Gerade deswegen wurde die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht entwickelt, die wegen ihres generalklauselartigen Charakters auch als Einfallstor der Grundrechte dienen kann. Der Bedeutung des Art. 14 I GG für die Innenverhältnisse der Gesellschaft kann dadurch Rechnung getragen werden, dass im Sinne der Grundsätze zur mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten die Treuepflicht im Lichte der Vorgaben des Art. 14 GG ausgelegt wird.541 Zum einen wirkt es jedoch gezwungen, eine ungeschriebene und durch Rechtsfortbildung kreierte Generalklausel heranzuziehen, um den Grundrechten zu ihrer ___________ 540 541
Insoweit ist auch bestärkend auf die unter B. I. 4. gefundenen Ergebnisse zu verweisen. Diesen Ansatz verfolgen vor allem Lutter, ZGR 1981, 171, 174 ff.; ders., ZGR 1979, 401, 411 ff.; ders., AcP 180 (1980), 84, 90 f.; und Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 191–202. Siehe auch Stumpf, NJW 2003, 9, 10, der für eine strikte Anwendung der mittelbaren Drittwirkung auf das Aktienrecht plädiert.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
gebotenen Anwendung zu verhelfen. Zum anderen ist die Treuepflicht mit einer Vielzahl streitiger Detailfragen belastet. Ein effektiver Grundrechtsschutz sollte von solchen Vorfragen jedoch unbelastet bleiben. Schließlich unterscheiden sich auch die Schutzrichtungen von Treuepflicht und Schutzgebotsfunktion der Grundrechte. Während die Treuepflicht eine allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Beteiligten darstellt, verhindert die Schutzgebotsfunktion des Art. 14 I GG, dass in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit durch privatrechtliches Handeln in rechtswidriger Weise eingegriffen wird. Einen (rechtswidrigen) Grundrechtseingriff als Treuepflichtverstoß zu qualifizieren, überdehnt die Funktion der Treuepflicht. Daher ist es vorzugswürdig, ein Prüfungsmodell für grundrechtsrelevante Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung unabhängig von den Vorgaben der Treuepflicht zu entwickeln. In welchen Fällen von einer verfassungsrechtlich relevanten Maßnahme auszugehen ist, bestimmt sich nach den Vorgaben des Art. 14 GG für den Schutzbereich der gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft (unter II.) sowie der zugrunde zu legenden Eingriffsdogmatik (unter III). Ob diese Maßnahme die Eigentumsgarantie verletzt, hängt davon ab, ob sie durch anerkennenswerte Ziele gerechtfertigt ist (unter IV.).
II. Die Bestimmung des Schutzbereichs der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung 1. Gesetzgeberische Vorgaben, Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses und Realstruktur Nach herrschender Grundrechtsdogmatik zu Art. 14 GG unterfallen dem Schutz des Eigentums alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung so zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse in eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.542 Die Besonderheit des Art. 14 GG im Vergleich zu den übrigen Grundrechten besteht darin, dass nach Abs. 1 S. 2 nicht nur die Schranken, sondern auch der Inhalt durch die Gesetze bestimmt wird. Erst durch einfachgesetzliche Ausgestaltung von Inhalt und Reichweite des Eigentums wird daher der Schutzbereich des grundrechtlich geschützten Eigentums festgelegt. Daraus folgt, dass der Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG in allen Gesellschaftsformen mit der durch die Mitgliedschaft vermittelten Rechtsstellung identisch ist.543 Anders formuliert werden alle mitgliedschaftlich vermit___________ 542 543
BVerfGE 79, 174, 191; BVerfGE 83, 201, 209; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 14, Rn. 4 und 12. Für die Aktie BVerfG WM 1999, 1666, 1667 = ZIP 1999, 1436, 1439 (DAT/Altana): „Art. 14 I GG gewährleistet das Eigentum. Dazu gehört auch das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum, das im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet ist (. . .). Der Schutz erstreckt sich auf die
D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
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telten Rechte des Gesellschafters, durch die auf die Geschicke der Gesellschaft Einfluss genommen werden kann, von der Eigentumsgarantie umfasst.544 Zur Bestimmung des Schutzbereichs der Gesellschafterstellung sind daher jedenfalls die einfachgesetzlichen Bestimmungen des Gesellschaftsrechts maßgebend, also die konkrete Ausgestaltung des Gesellschaftseigentums durch den Gesetzgeber. Dessen Wertungen definieren die Rechtsstellung des Gesellschafters zumindest in ihren groben Zügen. Zugleich ist an das bereits mehrfach erwähnte Faktum zu erinnern, dass es dem Gesetzgeber gerade im Gesellschaftsrecht unmöglich ist, alle Facetten der mitgliedschaftlichen Beteiligung und damit den Schutzbereich der Mitgliedschaft umfassend einfachgesetzlich zu regeln. Vielmehr wird den Parteien die Möglichkeit belassen, die Rechtsstellung der Gesellschafter privatautonom im Gesellschaftsvertrag auszugestalten. Der individuelle Zuschnitt der Mitgliedschaft wird daher auch durch die gesetzgeberisch eingeräumte Regelungsbefugnis der Gesellschafter bestimmt.545 Der Gesellschaftsvertrag legt die Einzelheiten der konkreten Beteiligung und damit entscheidende Merkmale der Rechtsposition des einzelnen Gesellschafters fest. ___________
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mitgliedschaftliche Stellung in einer AG, die das Aktieneigentum vermittelt. Aus der mitgliedschaftlichen Stellung erwachsen dem Aktionär im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Gesellschaftssatzung sowohl Leitungsbefugnisse als auch vermögensrechtliche Ansprüche (. . .). Die Leitungsbefugnis beruht darauf, daß das Aktienrecht die Aktionärsversammlung als zentrales Organ der Gesellschaft vorsieht. Die vermögensrechtliche Stellung ist in dem gesetzlichen Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er zur Verteilung kommt, in dem Recht zum Bezug neuer Aktien bei Kapitalerhöhungen sowie dem Recht auf Teilnahme an dem Liquidationserlös begründet. Bei dieser handelt es sich um seine personen- und vermögensrechtliche Stellung in der Gesellschaft. Mit ihr sind eine Reihe von Rechten in der Gesellschaft verbunden, für die eine Vielzahl unterschiedlicher Einordnungen existieren.“ Zustimmend BVerfG WM 2007, 1520, 1521; inhaltlich auch BVerfGE 14, 263, 276 f. = NJW 1962, 1667 (Feldmühle); BVerfGE 50, 290, 341 f. (Mitbestimmung); BVerfG ZIP 1999, 1798, 1799 (Wenger/Daimler-Benz); BVerfG ZIP 1999, 1801, 1802 (Scheidematel II); BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto-Meter); Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 06/02, Art. 14, Rn. 195; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 8, Rn. 44. Allgemein zu diesen Grundsätzen etwa Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1368. Siehe auch BVerfG NZG 2000, 192, 193: dem Aktionär stehen aus seiner Mitgliedschaft im Verband im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und der Gesellschaftssatzung Leitungsbefugnisse und vermögensrechtliche Ansprüche zu, die vom Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG erfasst werden. Zur ökonomischen Begründung der aus der Mitgliedschaft folgenden Rechte des Gesellschafters vgl. Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, 2. Aufl. 2004, S. 264 f. Zu den Besonderheiten gegenüber dem Sacheigentum vgl. BVerfGE 50, 290, 342. BVerfGE 14, 263, 276 (Feldmühle); BVerfGE 25, 371, 407 (Aktie als gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum); BVerfGE 50, 290, 342 f.; BVerfG ZIP 1999, 1798, 1799 (Wenger/ Daimler-Benz); BVerfG ZIP 1999, 532, 533; BVerfG 1999, 1436, 1439; BVerfG ZIP 1999, 1801, 1802 (Scheidemandel II); BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 14, Rn. 22; Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 219. Siehe dazu BGHZ 110, 323, 327, wonach es zu den Mitgliedschaftsrechten jedes Vereinsmitglieds (in einem Idealverein) gehört, nicht „entgegen den geltenden vereinsrechtlichen Bestimmungen behandelt zu werden“.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Der Schutzbereich des Anteileigentums des einzelnen Gesellschafters umfasst daher alle subjektiven Rechte, wie sie durch Gesetz und Gesellschaftsvertrag eingeräumt werden. Entscheidender Zeitpunkt ist dabei der Beitritt des Gesellschafters.546 Dies bedeutet zugleich, dass der Schutzbereich für jeden einzelnen Gesellschafter gesondert zu bestimmen ist und dieser nicht nur von der eines Gesellschafters der gleichen Rechtsform, sondern sogar den eigenen Mitgesellschaftern abweichen kann, wenn diese der Gesellschaft zu einem anderen Zeitpunkt beigetreten sind, zu dem die Mitgliedschaft noch anders ausgestaltet war, etwa noch keine später für Neugesellschafter vorgesehene Vinkulierung der Anteile bestand.547 Bei genauer Betrachtung geht auch aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH hervor, dass die Gerichte implizit zur Bestimmung des Schutzbereichs die individuelle, von allen Besonderheiten des Einzelfalls abhängige Situation des Gesellschafters zugrunde legen. Um die Frage beurteilen zu können, ob die Schlechterstellung der Kleinaktionäre durch den Abschluss eines Unternehmensvertrages548 oder bei Beschlüssen über übertragende Auflösungen549 verfassungsgemäß sind, musste das BVerfG zunächst den Bezugspunkt seiner Prüfung festlegen und ging dabei von der bisherigen Rechtsstellung des Aktionärs in seiner Gesellschaft ohne die beeinträchtigende Maßnahme aus.550 Gleiches gilt für den BGH und seine Macrotron-Entscheidung zum Delisting,551 in der das Gericht den Schutzbereich der von Art. 14 I GG geschützten Mitgliedschaft nach den tatsächlichen Verhältnissen, die in der betroffenen Aktiengesellschaft die Börsennotierung der Aktien einschlossen, bestimmte. Daraus wird ersichtlich, dass sogar eine dritte Komponente hinzutritt: Nicht nur die Vorgaben des Gesellschaftsvertrages, sondern auch rein tatsächliche Umstände können für die Bestimmung des Schutzbereichs bedeutsam werden, wenn sie, wie im Falle der Börsennotierung oder der Begründung von Abhängigkeit und Beherrschung,552 die Grundlagen der Beteiligung (wesentlich) verändern und für die Rechtsstellung der Gesellschafter von elementarer Bedeutung sind. ___________ 546 547 548
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Vgl. Jung, Der Unternehmergesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 235. Zu den Problemem der (nachträglichen) Vinkulierung ausführlich unter § 10 A. II. 1. c). BVerfGE 14, 263, 277 ff. = NJW 1962, 1667; BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769 (DAT/ Altana); BGH NJW 1997, 2242, 2243: Danach stellen die Regelungen über Beherrschungsund Gewinnabführungsverträge „(. . .) einen Eingriff in das nach Art. 14 I GG geschützte Anteilsrecht des Aktionärs dar, der nur unter der Voraussetzung zulässig ist, daß die berechtigten Interessen der außenstehenden Aktionäre gewahrt werden“. BVerfG ZIP 2000, 1670 (Moto Meter). Siehe auch BVerfG ZIP 1999, 1798, 1799 (Wenger/Daimler-Benz), wo es heißt: „Aus der mitgliedschaftlichen Stellung erwachsen dem Aktionär im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Gesellschaftssatzung sowohl Leitungsbefugnisse als auch vermögensrechtliche Ansprüche“. Damit unvereinbar OLG Stuttgart AG 1997, 136, 137 („Moto Meter II“), wonach Art. 14 GG bei einer übertragenden Auflösung nicht berührt sein soll, „da das Anteilseigentum schon immer mit der Möglichkeit belastet war, daß es durch Mehrheitsbeschlüsse eine Entwicklung nimmt, die (. . .) den Interessen des einzelnen Aktionärs nicht entspricht“. BGH WM 2003, 533. Zu Listing und Delisting ausführlich unter § 13, zur Unternehmensbeherrschung unter § 14.
D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
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Die h. M. trägt dem im Rahmen der Treuepflicht Rechnung. Dort ist anerkannt, dass Art und Umfang der gegenüber den Mitgesellschaftern bestehenden Pflichten von den berechtigten Erwartungen der Gesellschafter abhängen, die sich im Laufe der Zeit in der bestehenden Gesellschaft verändern können. So verstärkt eine lange und funktionierende Zusammenarbeit die berechtigten Erwartungen an eine rücksichtsvolle Ausübung der Mitgliedschaftsrechte.553 Dem folgt auch der Ansatz der minority perspective zur Bestimmung der fiduciary duties im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht.554 Zugleich wird daran auch die Bedeutung der Realstruktur der Gesellschaft ersichtlich. Nur soweit sich überhaupt ein Vertrauensverhältnis herausbilden kann, können faktische Umstände relevant werden. In einer GmbH mit wenigen Gesellschaftern etwa, in der über lange Zeit hinweg alle Gesellschafter zur Geschäftsführung berufen sind, entsteht die berechtigte Erwartung, dass dieser Zustand nicht ohne berechtigten Grund beendet wird. Die Stellung des (Minderheits-)Gesellschafters als Geschäftsführer wird daher Bestandteil seiner Mitgliedschaft und damit vom Schutzbereich erfasst.555
2. Typische Mitgliedschaftsrechte in den einzelnen Rechtsformen Trotz dieser Einzelfallabhängigkeit können doch typische Mitgliedschaftsrechte festgelegt werden, die teilweise zwingend, teilweise regelmäßig vom Schutzbereich der Gesellschafterstellung umfasst sind. Sie werden rechtsformübergreifend in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe umfassen dabei die Vermögensrechte, darunter das Recht auf Teilhabe an ausgeschütteten Erträgen und am Liquidationserlös. Daneben existieren die Lösungsrechte, die das Recht zum Austritt oder zur Auflösung beinhalten. Die übrigen Rechte werden als Verwaltungsrechte qualifiziert und dabei mitunter weiter in Kontroll- und Beteiligungsrechte unterteilt. In diese Gruppe fallen das Stimmrecht, das Recht auf Einberufung der Gesellschafterversammlung, das Recht zur Beteiligung an der Geschäftsführung sowie die Auskunfts- und Einsichtsrechte.556 Auf die einzelnen vom Schutzbereich umfassten Rechte wird in den Folgekapiteln ausführlich einzugehen sind. Die anschließende Übersicht dient nur als knappe systematische Übersicht über die typischen Mitgliedschaftsrechte in den einzelnen Rechtsformen.
___________ 553 554 555
556
Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 169. Siehe dazu die Darstellung unter § 2 B. III. 3. Dies entspricht im praktischen Ergebnis der h. M., wonach der Gesellschafter durch die Treuepflicht davor geschützt wird, ohne gewichtigen Grund abberufen zu werden, siehe BGH DStR 1994, 214, 215 f. mit Anm. Goette; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 168 f. Zu einer derartigen Systematisierung Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 366; ders., WM 1992, SB 7, S. 1, 23; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 557–560; Röpke, Gläubigerschutzregime im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, 2007, S. 41; Henze, BB 1996, 489, 492.
126
§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
a) Die Aktionärsrechte Im Aktienrecht bringt es der Grundsatz der Satzungsstrenge mit sich, dass sich die Rechtsstellung des Aktionärs und damit der Schutzbereich der von Art. 14 GG geschützten Mitgliedschaft weitgehend nach den Vorgaben des Aktiengesetzes richtet. Hinzu kommt, dass den Kleinaktionären in großen Publikumsgesellschaften regelmäßig keine Sonderrechte in der Satzung eingeräumt werden, sondern allenfalls in einem mit § 23 V AktG zu vereinbarendem Umfang die dispositiv vorgesehenen Rechte beschränkt werden. Der nachfolgende Überblick skizziert die wesentlichen Rechte, die das AktG als Bestandteile der Mitgliedschaft vorsieht. Die Rechte des Aktionärs werden traditionell in versammlungsgebundene und versammlungsungebundene Rechte eingeteilt, wobei letztere vor einem anderen Forum als der Hauptversammlung vorzubringen sind und alle Rechte beinhalten, die nicht der ersten Gruppe unterfallen.557 Naturgemäß unterfällt der ersten Gruppe die Mehrzahl der mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte, während die zweite die Vermögensrechte, aber auch einzelne Verwaltungs- und Hilfsrechte umfasst. Die Vermögensrechte schließen das Recht auf Dividendenbezug nach beschlossener Gewinnausschüttung, das gesetzliche Aktienbezugsrecht nach beschlossener Kapitalerhöhung und den Anspruch auf den anteiligen Liquidationsüberschuss ein, §§ 58, 186 II, 271 I AktG. Die versammlungsungebundenen Verwaltungsrechte beinhalten die Klagerechte, insbesondere das Anfechtungsrecht nach §§ 243, 245 AktG, die versammlungsvorbereitenden Individualrechte nach §§ 126 I, 127 S. 1 AktG, das Stimmrecht nach § 12 I AktG, das Teilnahme- und Rederecht nach § 118 I AktG, das Auskunftsrecht nach § 131 I AktG und die Informations- und Kontrollrechte nach §§ 125 II, IV, 175 II 2, 293f II AktG (sowie § 63 III UmwG). Die besonderen Minderheitsrechte des Aktionärs umfassen das Recht auf Einberufung der Hauptversammlung nach §§ 122 I 1, 138 S. 3 AktG, auf Ergänzung der Tagesordnung nach §§ 122 II, 138 S. 3 AktG, auf Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses bei übermäßiger Thesaurierung gem. § 254 II 3 AktG und auf Geltendmachung von Ersatzansprüchen gemäß § 147 II 2 2. Alt. AktG. Daneben knüpft das Aktienrecht die Bestellung von Sonderprüfern in bestimmten Situationen an Minderheitsbeteiligungen, so in §§ 142 II 1, IV 1, 258 I, 315 S. 2 AktG.
___________ 557
Hierzu und im Folgenden Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 118, Rn. 5–8; Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 118, Rn. 46–49; Mülbert, in: Großkomm.-AktG, Stand 1999, § 118, Rn. 11–22; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 118, Rn. 13– 17. Zu einer groben Einteilung auch Schibel, Die Rechtsstellung des Aktionärs, 1962, S. 11– 17. Zu den mitunter vorhandenen europäischen Grundlagen der Aktionärsrechte Grundmann, European Company Law, 2007, p. 243–247. Speziell zum Auskunftsrecht nach § 131 I AktG als Mitverwaltungsrecht Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 71.
D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
127
b) Die Mitgliedschaftsrechte des GmbH-Gesellschafters Weit weniger detailliert als das AktG regelt das GmbHG die mitgliedschaftliche Stellung des Gesellschafters. Grund dafür ist, dass das GmbHG den Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 V AktG) nicht kennt und es wegen der unterschiedlichen Struktur – die GmbH ist in der Regel keine Publikumsgesellschaft – dem GmbHGesellschafter leichter fällt als dem Aktionär, seine Rechtsstellung auszuhandeln und für ihn wichtige Positionen in der Satzung zu verankern. Daraus folgt, dass in der GmbH die Bestimmungen der Satzung, daneben aber auch berechtigte Erwartungen für den Schutzbereich der Mitgliedschaft von wesentlicher Bedeutung sind. Zu den vom GmbHG vorgesehenen (Verwaltungs-)Rechten zählen das Einberufungsrecht nach § 50 I GmbHG, das Recht nach § 50 II GmbHG, über die Tagesordnung zu entscheiden, das hierauf bezogene Selbsthilferecht nach § 50 III GmbHG, das Auskunfts- und Einsichtsrecht nach § 51a f. GmbHG und das Recht nach § 61 GmbHG, die Auflösungsklage zu erheben. Die Vermögensrechte umfassen den Anspruch auf Beteiligung am Gewinn, § 29 GmbHG, und am Liquidationserlös, § 72 GmbHG, sowie das (ungeregelte, aber allgemein anerkannte) Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen. Daneben gehören auch das nicht ausdrücklich vorgesehene Stimmrecht, das Recht zur Teilnahme an allen Gesellschafterversammlungen, das Anfechtungsrecht und das Austrittsrecht aus wichtigem Grund zu den festen Bestandteilen der Mitgliedschaft.558 c) Personengesellschaften In den Personengesellschaften fallen die gesetzlichen Regelungen zu den Mitgliedschaftsrechten besonders lückenhaft aus. Hier sind es nicht nur die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, sondern vor allem die allgemeinen und grundlegenden Prinzipien des Gesellschaftsrechts, die den Schutzbereich der von Art. 14 GG geschützten Mitgliedschaft des Personengesellschafters ausmachen. Zu den Rechten auf Teilhabe an der kollektiven Willensbildung zählen das Einberufungs-, Teilnahme-, Rede- und Stimmrecht, zum Recht auf Teilnahme an der kollektiven Verwaltung das Recht, Geschäftsführungsaufgaben wahrzunehmen, zu den Vermögensrechten die Ansprüche auf Teilhabe am Gewinn und am Auseinandersetzungsguthaben. Diese Rechte sind in den §§ 721, 722 BGB, 120–122, 167–169 HGB geregelt. Daneben bestehen die Informationsrechte, die ausgeprägter als in den Kapitalgesellschaften und teilweise gesetzlich ausgestaltet sind, so in den §§ 716 BGB, 118, 166 HGB. Der Gesellschafter kann verlangen, in Angelegenheiten der Gesellschaft umfassende Auskunft zu erhalten und die Bücher einzusehen. Daneben ___________ 558
Zu systematischen Einteilungen der Mitgliedschaftsrechte in der GmbH Bayer, in: Luttter/ Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 14, Rn. 11; Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 45–48, 61; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 45, Rn. 2 f.; Winter/Seibt, in: Scholz, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 14, Rn. 14.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
bestehen die Klagerechte und das Lösungsrecht nach §§ 723 I, III BGB, 133 HGB.559
3. Bestimmung des Schutzbereichs bei mittelbarer Betroffenheit Die bisherigen Feststellungen beziehen sich auf die unmittelbaren Bestandteile der Mitgliedschaft. Daneben kann auch das mittelbare Eigentum des Gesellschafters, sein über die Gesellschaft vermittelter Anteil am Gesellschaftsvermögen, betroffen sein. Auch dieser ist nicht ganz ohne Schutz, wie aus der Rechtsprechung des BVerfG hervorgeht, da jedenfalls der als unmittelbarer Bestandteil der Mitgliedschaft zu qualifizierende Anspruch auf den (angemessenen) Liquidationserlös durch Schädigungen des Gesellschaftsvermögens beeinträchtigt wird und auch diese daher die Mitgliedschaft betreffen.560 Gleiches ergibt sich aus der Rechtsprechung des BGH, da hiernach sowohl Beeinträchtigungen einzelner Rechte in mitgliedschafts- und vermögensrechtlicher Hinsicht als auch über die Beteiligung vermittelte wirtschaftliche Nachteile Komponenten des Schutzbereichs der Mitgliedschaft ausmachen.561 Problematisch ist dabei, die irrelevanten, lediglich reflexartigen Beeinträchtigungen des Beteiligungswertes von den Fällen, in denen sich die Nachteile zu einem relevanten Eingriff verdichten, abzugrenzen. Die Abgrenzung kann nach quantitativen oder qualitativen Kriterien erfolgen. Verringert sich der Wert der Beteiligung beträchtlich, ist der Gesellschafter quantitativ erheblich betroffen. Das kann im laufenden Geschäftsbetrieb jederzeit geschehen. Als geklärt kann gelten, dass bloße Gewinnerwartungen dem Schutzbereich nicht unterfallen.562 Soweit ___________ 559
560
561
562
Zu einer Übersicht über die Rechte des Personengesellschafters Grunewald, Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2008, S. 107–124; Staudinger/Habermeier, BGB, 13. Bearb. 2003, § 705, Rn. 33–36; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 109, Rn. 4 ff.; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, 12. Aufl. 2004, S. 121 f., 181 ff. Dies geht aus BVerfGE, 14, 263, 276 f. (Feldmühle); BVerfGE 100, 289, 301 f. = NJW 1999, 3769, 3770 (DAT/Altana); BVerfG NJW 2001, 279, 281 = ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto Meter) hervor. Siehe BGH NJW 1998, 2054, 2055 (Sachsenmilch): „Soweit ein Kapitalherabsetzungsbeschluß nach § 222 AktG auf der ersten Stufe (Abs. 4 Nr. 1) das Grundkapital durch Zurückführung des Nennbetrags auf den Mindestnennbetrag herabsetzt, liegt kein Eingriff in die mitgliedschafts- und vermögensrechtliche Stellung der Aktionäre vor. Denn einmal wird lediglich ihre ziffernmäßige Beteiligung am Grundkapital geändert; hingegen bleiben ihre Beteiligungsquote und das Verhältnis ihrer Mitgliedschaftsrechte untereinander erhalten. Sie erleiden zum anderen auch keinen wirtschaftlichen Nachteil. Wird den Aktionären der von der Herabsetzung umfaßte Betrag anteilig zurückgezahlt (§ 222 III AktG), steht ihnen entsprechendes Vermögen frei von der gesellschaftlichen Zweckbindung zur Verfügung“. BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter): „Bloße, in dem aktuellen Wert des konkreten Eigentums noch nicht abgebildete Gewinnerwartungen und in der Zukunft liegende Verdienstmöglichkeiten sowie Chancen und Gegebenheiten, innerhalb derer ein Unternehmer seine Tätigkeit entfaltet, liegen grundsätzlich außerhalb des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie (. . .); dies gilt auch für das Aktieneigentum.“ Siehe auch BVerfGE 45, 142, 173 = NJW
D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
129
Wertverluste der Beteiligung durch einen Vermögensverfall in der Gesellschaft vermittelt werden, der von gewöhnlichen Geschäftsführungsvorgängen ausgeht, spiegelt sich darin vielmehr nur das gewöhnliche Investitionsrisiko wider.563 Ein quantitatives Kriterium ist daher ungeeignet. Qualitative Kriterien erlauben hingegen eine Wertung, die alle relevanten Umstände in eine Gesamtbetrachtung aufzunehmen vermag, um den Gesellschafter in den Fällen nicht schutzlos zu stellen, in denen ein unmittelbarer Eingriff geschickt vermieden, seine Beteiligung aber durch Entwertung geschädigt und für Investoren uninteressant gemacht wird. Gerade die Beispiele aus der US-amerikanischen Rechtsprechung zeigen, dass derartige Vorgänge dazu dienen, den Minderheitsgesellschafter durch ein freeze out aus der Gesellschaft zu drängen.564 Einen verfassungsgerichtlich geklärten Fall relevanter mittelbarer Beeinträchtigung stellt es dar, wenn die Gesellschaft, ausgelöst durch Interessenkonflikte, Vermögen unter Wert veräußert. In dieser Situation wird der Schutzbereich der Mitgliedschaft der Gesellschafter betroffen.565 Die Begründung des BVerfG legt dabei einen qualitativen, bewertenden Ansatz nahe. Das BVerfG bemängelt die Wertminderung nicht allgemein, sondern nur in Verbindung mit dem angewandten Verfahren, das Gesellschaftsvermögen unter Wert zu veräußern. Damit fallen auch Beeinträchtigungen der Mitgliedschaft, die über eine im Gesellschaftsvermögen eintretende Wertminderung vermittelt werden, in den Schutzbereich des Art. 14 GG, aber nur unter der Einschränkung, dass dies durch eine entsprechende Wertung geboten erscheint. Welche Faktoren für diese Wertung entscheidend sind, wird im Rahmen des Eingriffs zu erörtern sein.
___________ 563 564 565
1977, 2024; BVerfGE 68, 193, 222 = NJW 1985, 1385; BVerfGE 77, 84, 118 = NJW 1988, 1195. Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 289. Siehe hierzu die Falldarstellung unter § 2 B. III. 4. BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter): „Das wirft im Regelfall keine verfassungsrechtlichen Probleme auf, weil bei einer Veräußerung des Gesellschaftsvermögens an einen unbeteiligten Dritten ein Schutzbedürfnis für die Minderheitsaktionäre nicht besteht. Der Schutz der Minderheitsaktionäre besteht dann regelmäßig darin, dass auch der Großaktionär einen möglichst hohen Preis für das Gesellschaftsvermögen erzielen will. Dieser Schutz versagt aber in grundsätzlicher Weise, wenn – wie im vorliegenden Fall – das Gesellschaftsvermögen letztlich an den Großaktionär verkauft wird und dadurch zwischen den Gesellschaftergruppen in Bezug auf den Veräußerungserlös keine Interessenhomogenität, sondern ein Interessenkonflikt besteht. Die schutzwürdigen Rechte der zum Ausscheiden gezwungenen Minderheitsaktionäre würden in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt, wenn der Großaktionär diesen Interessengegensatz ohne jede gerichtliche Kontrolle nach seinem Belieben auflösen könnte“.
130
§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
III. Die Bestimmung des Eingriffs in den Schutzbereich von Art. 14 GG 1. Die Eingriffsterminologie Art. 14 GG schützt den Grundrechtsträger vor einer Entziehung seines Eigentums. Dies setzt nach der Rechtsprechung des BVerfG einen Eingriff in Form eines staatlichen (Hoheits- oder Real-)Aktes voraus.566 Gleichwohl wird, insoweit ist auf oben zu verweisen, in der ganz herrschenden Zivilrechtsdogmatik davon ausgegangen, dass Grundrechtsträger auch vor Schädigungen durch Privatrechtsträger zu schützen sind. Dabei wird teilweise der Begriff des Grundrechtseingriffs verwendet,567 häufig aber vermieden und stattdessen eine andere, umschreibende Formulierung gewählt.568 Tatsächlich fehlt es in diesen Fällen zwar an einem staatlichen Akt, der Grundrechtsträger wird jedoch von privater Seite beeinträchtigenden Wirkungen ausgesetzt, die denen bei staatlichem Handeln gleichkommen. Stellt man auf diese Wirkung ab, lässt sich auch beim Handeln eines Privatrechtssubjekts von einem Eingriff, nunmehr einem privatrechtlichen, sprechen. Für den durch Art. 14 GG gebotenen effektiven Schutz des Grundrechtsträgers bedeutet die Einbeziehung einer privatrechtlichen Dimension, dass der Schutz nicht von Begrifflichkeiten, insbesondere der Definition der Enteignung abhängen darf. Wer auf einen staatlichen Akt besteht, unterliegt einer petitio principii. Ist die Notwendigkeit, den Grundrechtsträger vor Beeinträchtigungen durch Private zu schützen, erst einmal erkannt, kann der notwendige Schutz nicht daran scheitern, dass die im privatrechtlichen Bereich noch immer unausgereifte Verfassungsdogmatik keine entsprechenden Begriffsbestimmungen bereithält. Es ist daher überflüssig und wirkt gezwungen, nach einem staatlichen Akt zu suchen, der dem ___________ 566
567
568
Eine Enteignung der Gesellschafterminderheit durch die Mehrheit wurde bei einem Umwandlungsbeschluss vom BVerfG im Feldmühle-Beschluss mit der Begründung abgelehnt, eine solche müsse stets vom Staat oder von einem mit staatlichen Zwangsrechten beliehenen Unternehmer ausgehen, vgl. BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667. Zur Begrenzung des Eingriffs auf einen staatlichen Akt auch BGHZ 6, 270, 289 f.; LG Wuppertal AG 2004, 161, 162. Zur Abgrenzung von Inhaltsbestimmung und Enteignung anhand der Schwere des Eingriffs BVerwGE 5, 143, 145; BVerwGE 7, 297, 299. Hager, JZ 1994, 373, 379; Hillgruber, AcP 191 (1991), 69, 72. So auch die allenthalben anzutreffende Terminologie der Rechtsprechung, siehe etwa BayObLG BB 2003, 275, 279: „Hierdurch würde man den Aktionären der übertragenden Gesellschaft die Möglichkeit eröffnen, in das verfassungsmäßig geschützte Eigentumsrecht der Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft einzugreifen.“ Siehe auch BGH NJW 1998, 2054, 2055 (Sachsenmilch); BGH ZIP 1985, 1137, 1138; i. E. BGH WM 2003, 533, 535; umgekehrt zeigt sich, zu welchen Schwierigkeiten es führt, wenn Autoren die Qualifikation der Beeinträchtigung als Eingriff wegen der scheinbar besetzten Begrifflichkeit ablehnen, so etwa Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 79 f. und 82 einerseits, S. 77 andererseits. Siehe unter Hinweis darauf, dass im privatrechtlichen Kontext häufig von Eingriff gesprochen wird, und mit der Einschränkung, dass im Zusammenhang mit dem Eigentumsrecht dies am ehesten zu überzeugen vermag, Classen, AöR 122 (1997), 65, 79.
D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
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Mehrheitsgesellschafter zugerechnet werden kann,569 oder die Zurechnung des Handelns des Mehrheitsgesellschafters an den Staat daran anknüpfen zu wollen, dass der Gesetzgeber einen Handlungsfreiraum geschaffen hat.570
2. Abgrenzung unmittelbarer und mittelbarer Eingriffe Ausgehend von den Feststellungen zum Schutzbereich der Mitgliedschaft ist darauf zurückzukommen, dass unmittelbare und mittelbare Eingriffe zu unterscheiden sind. a) Unmittelbare Eingriffe Jede unmittelbar wirkende Beseitigung, Verkürzung oder sonstige Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen Rechte des Gesellschafters stellt einen unmittelbaren Eingriff dar. Insbesondere hilft die Zielrichtung einer beeinträchtigenden Maßnahme: Geht es zumindest auch darum, die Rechte eines Gesellschafters zu beschneiden, etwa weil sich andere Gesellschafter oder auch ein Verwaltungsorgan der Gesellschaft hieraus reflexartige Vorteile für sich selbst oder die Gesellschaft versprechen, spricht schon diese Zielrichtung der Maßnahme für einen unmittelbaren Eingriff. Beispielhaft und unter Einbeziehung verschiedener Rechtsformen ist von einem unmittelbaren Eingriff auszugehen: bei Entzug der Mitgliedschaft, da hierdurch in den Bestand der Mitgliedschaft eingegriffen wird (Squeeze Out nach §§ 327a ff. AktG, Mehrheitseingliederung nach § 320 AktG, Einziehung und Ausschluss aus wichtigem Grunde, übertragende Auflösung als Mittel des Ausschlusses),571 bei Beeinträchtigungen der vermögensrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft als Eingriff in das relative Beteiligungsrecht (Dividendenrecht, Anspruch auf den ___________ 569
570
571
Falkenberg, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften, 1967, S. 111 f.; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 99, argumentiert für den Delisting-Beschluss streng formalistisch mit dem Verwaltungsakt der Börsenzulassungsstelle; im Gegensatz dazu hebt Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 138–140, die unübersehbaren Parallelen von Verfassungsrecht als Regulator für staatliche Mehrheitsherrschaft und Gesellschaftsrecht als Regulator für gesellschafterliche Mehrheitsherrschaft hervor und bejaht eine den Besonderheiten der privatrechtlichen Verbindung angemessene Heranziehung verfassungsrechtlicher Grundsätze für das Gesellschaftsrecht. Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, insb. S. 14 ff. Dagegen BVerfGE 14, 263 (Feldmühle) für den Fall der Umwandlung: „Wenn der Gesetzgeber der Hauptversammlung generell die Befugnis gibt, eine Mehrheitsumwandlung zu beschließen, so verleiht er nicht eine Enteignungsbefugnis, sondern ermächtigt die Hauptversammlung zu einer Umgestaltung der privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Aktionären“. Dazu ausführlich unter § 9 C. und als Beispiel aus der Rechtsprechung BGHZ 82, 188. An dieser Stelle schon der Hinweis darauf, dass die Regelung des § 179 a AktG erkennen lässt, dass Vermögensübertragungen die Mitgliedschaft grundsätzlich nur mittelbar betreffen, diese aber dennoch Relevanz für die individuelle Mitgliedschaft des Gesellschafters besitzen.
132
§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Liquidationsanteil),572 bei einem Bezugsrechtsausschluss als Verwässerung des Vermögenswerts der Beteiligung,573 bei Verhinderung oder Erschwerung der Beteiligung des Aktionärs an der Hauptversammlung,574 bei Ausschluss und Beschränkung des Stimmrechts, bei Verweigerung von Information, Auskunft, Einsicht und Gegenanträgen,575 bei Veränderung der Grundlagen des gesellschafterlichen Zusammenschlusses, wie sie bei Umstrukturierungen im Sinne des UmwG576 und beim Abschluss von Unternehmens- und Gewinnabführungsverträgen577 vorkommen, bei einem Wegfall der mit der Börsennotierung verbundenen besonderen Verkehrsfähigkeit der Aktie (Delisting), bei Börsengängen,578 bei Übertragungen des (nahezu) gesamten Vermögens der Gesellschaft579 und bei Missachtung der Kompetenzordnung in der Gesellschaft580. Daneben sind nach dem oben zum Schutzbereich Gesagten auch die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages und die berechtigten Erwartungen der Gesellschafter zu beachten. Soweit darin besondere Rechte oder Vorteile eingeräumt werden, sind auch diese von der Mitgliedschaft umfasst, und ihr Entzug oder ihre (wesentliche) Beschränkung stellen einen Eingriff dar. b) Mittelbare Eingriffe Mittelbare Eingriffe zeichnen sich demgegenüber dadurch aus, dass die Rechtsstellung des Gesellschafters im Grundsatz unverändert bleibt, es insbesondere an einem zielgerichteten Entzug einer Rechtsposition fehlt. Das die Beeinträchtigung auslösende Gesellschaftsorgan oder der Mehrheitsgesellschafter verfolgen nicht primär das Ziel, die Rechtsstellung des betroffenen Gesellschafters zu beeinträchtigen. Die negativen Wirkungen treten vielmehr als Nebenfolge ein. Zugleich kommt es zu einer spürbaren Beeinträchtigung in vermögensrechtlicher Hinsicht. Zum Schutzbereich (unter II.3.) wurde schon festgestellt, dass im Wege einer Wertung zu bestimmen ist, ob ein Gesellschafter durch eine Maßnahme mittelbar berührt ist und von einem mittelbaren Eingriff auszugehen ist. Bei dieser Wertung können die unter § 1 B dargestellten Ansätze zur Bestimmung von Treuepflichten unter den Gesellschaftern im US-amerikanischen Recht herangezogen werden. ___________ 572 573 574 575 576 577 578 579 580
Dazu ausführlich unter §§ 16, 17 und als Beispiel aus der Rechtsprechung BGH NJW 1996, 1678. Dazu ausführlich unter § 15 B. und als Beispiel aus der Rechtsprechung BGHZ 71, 40 (Kali und Salz). Dazu als Beispiel aus der Rechtsprechung BGH ZIP 1982, 568, 573 (Holzmüller). Dazu ausführlich unter § 8 A. III. 1. und als Beispiel aus der Rechtsprechung BGH ZIP 1992, 1227. Dazu ausführlich unter § 11. Dazu ausführlich unter § 14 und als Beispiel aus der Rechtsprechung BVerfGE 14, 263, 277 ff. = NJW 1962, 1667; BGH NJW 1997, 2242, 2243. Dazu ausführlich unter § 13 A. und als Beispiel aus der Rechtsprechung BGHZ 153, 47 = ZIP 2003, 387 (Macrotron). Dazu ausführlich unter § 9 C. V. und als Beispiel aus der Rechtsprechung BGHZ 82, 188. Dazu ausführlich unter § 6 B. und als Beispiel aus der Rechtsprechung BGHZ 83, 122 (Holzmüller).
D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
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Die Kombination der Minder- und Mehrheitsperspektive führt dazu, dass einerseits die berechtigten Erwartungen der Minderheit zu bewerten sind, andererseits das Verhalten des handelnden Mehrheitsgesellschafters oder Gesellschaftsorgans auf seine Angemessenheit gegenüber den (Minderheits-)Gesellschaftern, insbesondere auf Verstöße gegen innergesellschaftliche Pflichtbindungen untersucht werden muss. Aus dieser Kombination ergibt sich, dass Vorgänge, die mit den innergesellschaftlichen Pflichten zu vereinbaren sind, dennoch aber einen Vermögensverlust für den Gesellschafter mit sich bringen, nur das allgemeine Investitionsrisiko widerspiegeln, während Pflichtverstöße, die sich vermögensmindernd auf die Beteiligung des Gesellschafters auswirken, darüber gerade hinausgehen und Eingriffscharakter besitzen. Allerdings muss weiterhin (und insoweit an den Ansatz der Minderheitsperspektive angelehnt) danach unterschieden werden, wem die verletzte Pflicht geschuldet ist, so dass, worauf noch einzugehen sein wird, bei den Geschäftsleiterpflichten nach der duty of care und der duty of loyalty zu unterscheiden ist. Außerdem ist zu betonen, dass die geschäftsführenden Organe einer treuhänderischen Bindung unterliegen, die eine Wahrnehmung von Eigeninteressen ausschließt.581 Im Gegensatz dazu kommt es, soweit der (Mehrheits-)Gesellschafter handelt, entscheidend darauf an, inwieweit er Eigeninteressen wahrnehmen darf.
IV. Die Rechtfertigungsprüfung Noch einmal ist auf die Besonderheit des Gesellschaftsverhältnisses im Vergleich zu sonstigen Privatrechtsverhältnissen hinzuweisen. Da sich die Gesellschafter zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließen,582 ordnen sie die eigenen Belange dem Gemeinschaftsinteresse im notwendigen Umfang unter. Durch die Verbandszugehörigkeit entsteht eine Gesellschaftssphäre, innerhalb derer sich die Handlungen und Entscheidungen der Mitglieder nicht mehr allein am freien Gutdünken ausrichten dürfen. Die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des einzelnen Gesellschafters wird hierdurch beschnitten, der Beitritt zur Gesellschaft begründet einen Souveränitätsverzicht und bewirkt eine Autonomiebeschränkung.583 ___________ 581
582
583
Schon hier ist darauf hinzuweisen, dass sich ein weiteres Problem stellt: Soweit der Eingriff nur mittelbar erfolgt, können Fälle eines Doppelschadens auftreten. Hier stellt sich die Frage, ob dem Gesellschafter neben der Gesellschaft eigene Schadensersatzansprüche zustehen. Dazu allgemein K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 57 ff.; für Personengesellschaften ausführlich Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, S. 134–136. Dazu, dass die Zweckbindung auch unabhängig von einer Treubindung anzuerkennen ist, Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 239 f. Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, S. 134; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004, S. 11 f.; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 106; Schockenhoff, Gesellschafts-
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Zugleich entsteht damit auch ein gemeinsamer Nenner der privatrechtlichen Verbindung oder, anders ausgedrückt, ein neutraler Bezugspunkt, an dem Beeinträchtigungen der Rechtspositionen gemessen werden können.584 Ein solcher neutraler Bezugspunkt fehlt hingegen beim Austauschvertrag, da dort nur Einzelinteressen der Vertragsparteien existieren, die nicht gleichgerichtet sind. Damit besteht eine weitere Besonderheit, die das Gesellschaftsrecht stärker als andere privatrechtliche Bereiche für Bindungen an Art. 14 I GG empfänglich macht. Wie schon unter B. herausgearbeitet, scheitert eine unreflektierte Übernahme der verfassungsrechtlichen Prüfungsparameter in das Privatrechtsverhältnis daran, dass die Vorgaben für rechtmäßige Eingriffe an den Befugnissen und Möglichkeiten des Staates ausgerichtet sind, während kollidierende Grundrechte mehrerer Privatrechtssubjekte unter Beachtung der Privatautonomie und durch Interessenabwägung in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden müssen.585 Das ist für das Gesellschaftsverhältnis und Art. 14 I GG anders. Die Vorgaben der verfassungsrechtlichen Prüfungsdogmatik lauten, dass die Inhalts- und Schrankenbestimmungen an den Belangen der Allgemeinheit auszurichten sind.586 Für das Gesellschafterverhältnis bedeutet dies, dass sich jeder Eingriff in die Rechte des Grundrechtsträgers an Interessen ausrichten muss, die über die Individualinteressen hinausgehen. Da mit dem Gesellschaftsinteresse ein solches über die Individualinteressen hinausgehendes Kollektivinteresse existiert, bedarf es nicht wie bei sonstigen Grundrechten einer Abwägung der Individualinteressen, um praktische Konkordanz zu erzielen. Vielmehr wird dieses zu einem entscheidenden Bezugspunkt der Rechtmäßigkeitsprüfung.
1. Das Gesellschaftsinteresse als Legitimation und Schranke von Eingriffen Das erklärt nunmehr erneut das Phänomen der Mehrheitsherrschaft und den fehlenden Bestandsschutz der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung: Die Rechtsposition des Gesellschafters ist nicht grenzenlos vor Beeinträchtigungen geschützt. Vielmehr sind Eingriffe möglich, soweit sie übergeordneten Zielen, nämlich dem ___________ 584
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interesse und Gleichbehandlung beim Bezugsrechtsausschluß, 1988, S. 1; Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 138. Nach Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 52 f., ist die (nicht konzernierte) Gesellschaft ausschließlich in ihrem eigenen Interesse zu führen und haben die Aktionäre ein „Grundrecht“ darauf, dass der Gesellschaftszweck unter den organisatorischen Bedingungen des gesetzlichen Normalstatuts verfolgt wird. So auch Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 454 f. Siehe unter I. 4. Dazu auch nochmals der Hinweis auf BVerfGE 36, 1 (Nasciturus); BVerfGE 90, 27 (Parabolantenne); Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 59–61; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 384; Singer, JZ 1995, 1133, 1136; Hager, JZ 1994, 373, 377; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1585. Vgl. dazu BverwGE 7, 297, 299; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 14, Rn. 59.
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Gesellschaftsinteresse, dienen.587 Umgekehrt wird der Eingriff einer Rechtfertigungskontrolle unterzogen, die wiederum selbstsüchtiges Verhalten ausschließt und sicherstellt, dass der betroffene Gesellschafter nur soweit beeinträchtigt wird, wie dies durch seinen privatautonomen Verzichtsakt, die Unterwerfung unter die gemeinsame Zweckverfolgung, auch gedeckt ist. Die Mehrheit muss es wegen ihrer Verpflichtung auf den Gesellschaftszweck und ihrer mit den übrigen Gesellschaftern eingegangenen Verbindung hinnehmen, dass ihre durch die Höhe der Kapitalbeteiligung vermittelte Mehrheitsmacht nicht grenzenlos gewährt wird, sondern der Bindung an die Gesellschaftsinteressen unterliegt. Gewinnt damit das Gesellschaftsinteresse zentrale Bedeutung, bedarf es auch der Klärung, was darunter zu verstehen ist. Die Gesellschaft ist zwar ein bloßes Rechts- und Gedankenkonstrukt, das selbst keine wirklichen Interessen an seinem Bestand und Erfolg besitzen kann. Vielmehr sind es nur die dahinter stehenden Personen und Interessengruppen, allen voran die Gesellschafter, denen am Wohlstand der Rechtsperson gelegen ist.588 Um unter den häufig entgegengesetzten Interessen der Anteilseigner einen für alle Seiten akzeptablen Ausgleich zu schaffen, wird mit dem Gesellschaftsinteresse jedoch eine Metaebene eingeführt, die es ermöglicht, die Interessen zu verobjektivieren und auf den gemeinsamen Nenner der effektiven Zweckverfolgung auszurichten.589
___________ 587 588
589
So auch etwa Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 132. Dazu Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 212; Raisch, FS Hefermehl, 1976, S. 347, 361 f. zum Unternehmensinteresse selbst, das nur die (langfristige) Kapitalerhaltung als Minimum der erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung verlange, S. 348 ff., zu den Partikularinteressen der Interessengruppen; Röpke, Gläubigerschutzregime im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, 2007, S. 12; Schwark, FS Raisch, 1995, S. 269, 283. Zu diesen verschiedenen Interessen ausführlich Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 17 ff. (insb. 38 ff.); aus der anglo-amerikanischen Literatur Hill, 48 Am. J. Comp. L. 39, 54 f. (2000); Jennings/Buxbaum, Corporations, 5th ed. 1979, S. 442; vgl. auch Perakis, in: Perakis, Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 36, wonach die Bündelung dieser vielfältigen Interessen unterschiedlicher Interessengruppen zum Gesellschaftsinteresse ein international anerkanntes Prinzip darstellt. Genannt werden zudem als weitere an einer erfolgreichen Gesellschaft interessierte Gruppen die Angestellten und Gläubiger der Gesellschaft (sowie mitunter auch der Fiskus). Da deren Interessen jedoch durch spezielle Gläubiger- und Arbeitnehmerschutzbestimmungen Rechnung getragen wird, können sie als Schutzobjekte aus der weiteren Untersuchung ausgeblendet werden. Grundlegend BVerfG ZIP 1999, 1801, 1802 f. (Scheidemandel II); Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1377 f.; Mülbert, ZGR 1997, 129, 141–143; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 19 f.; Kübler/ Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, S. 178 f.; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluß im Gesellschaftsrecht, 2000, S. 210 f.; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004, S. 12. Zu den für diesen Ansatz nicht unbedeutenden Theorien um das Wesen der juristischen Person siehe Raiser, AcP 199 (1999), 104; Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 206 ff.; Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band II, 1840, S. 329 ff.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Diese als Gesellschaftsinteresse bezeichnete gedanklich Bezugsgröße ist im Ergebnis allgemein anerkannt.590 Hinzuweisen ist auf die zahlreichen Stellen im Gesetz, in denen die Kapitalgesellschaft zum Schutzobjekt vor Schädigungen durch Organe, Gesellschafter, Dritte oder ein herrschendes Unternehmen erklärt wird und zu ihrem Schutz (mit unterschiedlicher Terminologie) auf die Gesellschaftsinteressen verwiesen wird, so etwa in §§ 121 I, 131 III Nr. 1, 308 I, 309 II, 311 I, 312 I 3, 313 I Nr. 2, 315 S. 1 Nr. 3 und S. 2, 317 I 1, 318 I 1 AktG, § 49 II GmbHG. In etlichen Entscheidungen, insbesondere zum Konzernrecht, hat auch die Rechtsprechung keinen Zweifel daran gelassen, dass sie neben Gesellschafterund Gläubigerinteressen auch ein Gesellschaftsinteresse anerkennt.591 Dass es hierbei jedoch nicht um den Bestandsschutz der Gesellschaft geht, wird daran deutlich, dass die Gesellschaft gegenüber einer Desinvestitionsentscheidung der Gesellschafter keinen Schutz genießt, diese vielmehr ihre Liquidation jederzeit beschließen können (dazu ausführlich unter § 17 A. und unter § 4 A. I. 1. b) aa)).592 Vielmehr wird etwa am Aktienkonzernrecht offenbar, dass der Bezug auf ein Gesellschaftsinteresse dem Ziel eines angemessenen Interessenausgleichs unter den Gesellschaftern und damit dem Minderheitsschutz zu dienen bestimmt ist. Als Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz, wonach die Gesellschafter an das Wohl der Gesellschaft gebunden sind, darf das herrschende Unternehmen nach § 308 I AktG Weisungen erteilen, die für die Gesellschaft nachteilig sind, wenn sie dem herrschenden Unternehmen oder den mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienlich sind. Weiter ordnet § 309 AktG an, dass Maßnahmen, die nicht im Konzerninteresse liegen, für die beherrschte ___________ 590
591 592
Vgl. für die GmbH etwa BGHZ 122, 123, 130 = BGH NJW 1993, 1200, 1202 (TBB); BGH NJW 2001, 3622, 3623 (Bremer Vulkan); Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 67 und 191 ff.; für die AG Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 52. Zur davon teilweise abgegrenzten Frage, ob auch ein eigenständiges Unternehmensinteresse bestehen kann, siehe Jung, Der Unternehmergesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 188 f.; Junge, FS Caemmerer, 1978, S. 548, 551; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 220–223, 231–239 und 257 f.; Zöllner, Die Schranken der Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 73. Vgl. etwa BGHZ 64, 325, 331; BGHZ 83, 106, 120 (beide zum Unternehmensinteresse). Dazu grundlegend BGHZ 76, 352, 353; BGHZ 103, 184, 189–192 (Linotype). Zustimmend etwa Henze, ZIP 1995, 1473, 1476; Lutter, ZGR 1981, 171, 177; ders., ZHR 153 (1989), 446, 449; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 261; Windbichler, in: Timm, Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 35, 47; für die GmbH ausführlich Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 154 ff. Im US-amerikanischen Recht siehe In re Security Finance Co., 317 P. 2 d 1, 5 (Cal. 1957): “There is nothing sacred in the life of a corporation that transcends the interests of its shareholders (. . .).” Übernommen in Jones v. Ahmanson, 460 P. 2 d 464 (Cal. 1969). Die Aussagekraft ist jedoch begrenzt, da sich die Entscheidung auf eine Zweimanngesellschaft bezog, die einer partnership ähnlich ausgestaltet war. Außerdem ist der Standpunkt wohl eine Einzelmeinung (outsider) geblieben. Siehe zur Unterscheidung danach, ob die Gesellschafter im Rahmen der Desinvestition die ihnen zustehende Quote einhalten Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 276. Ausführlich zum Minderheitsschutz bei Auflösung der Gesellschaft unter § 17 A.
D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
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Gesellschaft eine rechtswidrige und ausgleichspflichtige Schädigung darstellen.593 Seine Berechtigung findet dies in den vom Gesetzgeber angeordneten anderweitigen Schutzmechanismen zugunsten der Minderheitsaktionäre, die gerade einen Ausgleich dafür darstellen sollen, dass ein Handeln im Gesellschaftsinteresse nicht gefordert wird.594 Dies lässt den Rückschluss darauf zu, dass im Übrigen eine Bindung an das Gesellschaftsinteresse zum Schutz der Minderheit besteht. Soweit es hingegen an Minderheitsgesellschaftern fehlt, besteht allenfalls aus Gründen des Gläubigerschutzes Grund zur Achtung eines Gesellschaftsinteresses. Daher darf ein herrschendes Unternehmen, das die Minderheitsaktionäre im Wege der Mehrheitseingliederung ausgeschlossen hat und zum Alleineigentümer der Gesellschaft geworden ist, durch seinen Vorstand der eingegliederten Gesellschaft nach § 323 I AktG beliebige Weisungen bis zur Grenze der Gesetzes- und Satzungswidrigkeit erteilen.595
2. Die Struktur der Interessenabwägung Ausgehend von den beteiligten Interessen entscheidet sich, ob ein Eingriff in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung gerechtfertigt ist. Das Gesellschaftsinteresse bildet dabei den entscheidenden Bezugspunkt der Prüfung. Jede Maßnahme muss, um den damit verbundenen Eingriff in die Rechtsstellung widersprechender Gesellschafter zu rechtfertigen, zur Verfolgung eines legitimen Zwecks dienen. Legitim ist ein Zweck jedoch nur dann, wenn er im Gesellschaftsinteresse liegt. Derart am Maßstab des Gesellschaftsinteresses ausgerichtete Eingriffe müssen zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich sein und zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i. e. S. wahren. Ausnahmen bestehen für solche Maßnahmen, für die ein Bezug zu den Interessen der Gesellschaft ausscheidet, vor allem die Fälle der Desinvesititionsentscheidung der Gesellschafter, wenn diese beschließen, die Gesellschaft aufzulösen und zu liquidieren. Darin gleicht die gesellschaftsrechtliche Eingriffsprüfung der Prüfung zur Drittwirkung von Grundrechten (in Austauschverträgen), die sich (jedenfalls nach hier vertretener Auffassung) ebenfalls an der grundrechtlichen Prüfungstroika Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit i. e. S. ausrichtet.596 Zugleich besteht ein entscheidender Unterschied: Der legitime Zweck besteht im Gesellschaftsrecht nicht in der Verfolgung grundrechtlich geschützter Eigeninteressen, vor allem der Vertragsfreiheit, daneben etwa der Meinungs-, Presse- oder Infor___________ 593 594 595 596
Dazu BGH NJW 1980, 231, 232 (Gervais); Altmeppen, ZHR 171 (2007), 320, 326 f.; Kropff, FS Bezzenberger, 2000, S. 233. Dazu ausführlich unter § 14. Dazu BegrRegE 1965 in Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 427; Koppensteiner, in: KölnerKomm.-AktG, Band 6, 3. Aufl. 2004, § 323, Rn. 2, 4; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 323, Rn. 3. So auch Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 384; als Faktum bestätigend, zugleich aber kritisch Singer, JZ 1995, 1133, 1136; a. A. Hager, JZ 1994, 373, 377; Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 20: lediglich Abwägung der beteiligten Grundrechte oder der Vertragsfreiheit mit dem betroffenen Grundrecht, siehe dazu oben unter B. I. 4.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
mationsfreiheit. Greift die Gesellschaft in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung der Gesellschafter ein, wie es beim Organhandeln sowie bei Mehrheitsbeschlüssen der Fall ist, kommt ausschließlich eine Berufung auf die Gesellschaftsinteressen in Betracht. Dass es sich dabei nicht wirklich um die Individualinteressen der Gesellschaft handelt, sondern vielmehr um die kollektivierten Zweckerreichungsinteressen der Gesellschaftergesamtheit, wurde schon ausgeführt. Im Detail folgt daraus, dass die in die Mitgliedschaft des Gesellschafters eingreifende Maßnahme geeignet sein muss, um den im Gesellschaftsinteresse liegenden und damit legitimen Zweck zu erreichen (Geeignetheitsprüfung). Sie muss zudem erforderlich sein, so dass kein gleich effektives, jedoch milderes, die Mitgliedschaft der betroffenen Gesellschafter weniger belastendes Mittel zur Verfügung stehen darf (Erforderlichkeitsprüfung). Für die Angemessenheitsprüfung kommt es schließlich auf eine Abwägung der beteiligten Interessen an. Nur im Wege dieser Angemessenheitskontrolle kann der notwendige Ausgleich der verschiedenen und mannigfaltigen Interessen in einer für alle Beteiligten verträglichen Weise erzielt werden.597 Zwar handelt es sich bei dem Gesellschaftsinteresse um das kollektivierte Zweckerreichungsinteresse aller Gesellschafter; dieses kann dem individuellen Eigentumsinteresse des einzelnen Gesellschafters in einer konkreten Situation jedoch zuwider laufen. Daher sind im Rahmen der Abwägung neben den Interessen der Gesellschaft auch die Interessen der durch den Eingriff betroffenen Minderheitsgesellschafter und ebenso die Interessen der übrigen Gesellschafter zu berücksichtigen. Letzteres trägt dem Umstand Rechnung, dass die Maßnahmen der Gesellschaft regelmäßig der Disposition über das von allen Gesellschaftern gemeinsam eingebrachte Vermögen dienen, so dass auch die Interessen aller Gesellschafter einbezogen werden müssen. Dies wird für den weitaus bedeutendsten Anwendungsfall, den Gesellschafterbeschluss, unter § 4 ausführlich darzustellen sein. Dieses Prinzip der wechselseitigen Interessenbeeinflussung vermag auch zu erklären, welchen Pflichtbindungen die Gesellschafter unterliegen und inwieweit diese die Verfolgung von Eigeninteressen beschränken: Ein Gesellschafter darf bei der Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte seine Eigeninteressen verfolgen. Das folgt aus der Tatsache, dass er selbst Eigenvermögen beigesteuert hat und über dessen Verwendung mitentscheidet. Soweit er aber, wie stets im Rahmen von Gesellschafterbeschlüssen, zugleich über das Vermögen der Mitgesellschafter entscheidet und deren Interessen entgegenstehen können, müssen auch die Grenzen der Handlungsmacht des einzelnen Gesellschafters bestimmt werden. Schon aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Verbot des § 243 II AktG, Sondervorteile zu verfolgen, ergibt sich, dass die Eigeninteressen nur soweit reichen dürfen wie die eigene Beteiligung.598 ___________ 597 598
Zu den verschiedenen Interessen und Interessengruppen Hill, 48 Am. J. Comp. L. 39, 54 seq. (2000). Vgl. Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 272 f., der die Bestimmungen als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens versteht, wonach ein Übergriff auf die Beteiligung der Mitgesellschafter durch Quotenveränderung untersagt ist.
D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
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Die Lösung dieses Konflikts wurde bereits gefunden: Aus der jeden Gesellschafter bindenden Zweckerreichungsabrede und der daraus folgenden Verpflichtung auf das Gesellschaftsinteresse folgt, dass auch über die von den Mitgesellschaftern eingebrachte Beteiligung und daher, um die Terminologie Grundmanns599 zu verwenden, über deren Quote bestimmt werden darf, solange sich dies mit den Interessen der Gesellschaft deckt und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird. Die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Mitgesellschafter hindert die Wahrnehmung von Eigeninteressen nicht, solange ein Eingriff im Gesellschaftsinteresse geboten und erforderlich ist und sich (auch unter Berücksichtigung der Interessen der eingreifenden Mehrheit) gegen die Interessen der beeinträchtigten Gesellschafter durchsetzt und daher als angemessen erweist. Davon sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der Gesellschafter nicht auch die in seiner Mitgliedschaft wurzelnden und aus seinem Kapitalbeitrag resultierenden Rechte, sondern vielmehr eine Treuhänderstellung wahrnimmt, die ihn streng und ausschließlich an Fremdinteressen bindet. Es handelt sich dabei um Situationen, in denen der Gesellschafter Vorteile erstrebt oder erhält, die nicht lediglich in einer Gegenleistung für die von ihm eingebrachte Beteiligung bestehen.600 So darf er etwa Informationen, auf die er als Gesellschafter Anspruch hat, um beurteilen zu können, ob das von ihm investierte Kapital zweckentsprechend verwendet wird, nicht dazu verwenden, zum Nachteil der Gesellschaft Profit zu schlagen.601 Auch soweit der Gesellschafter versucht, die Beteiligungsquote zu seinen Gunsten zu verändern, geht er über die in seinem Kapitalbeitrag wurzelnden Interessen hinaus. Der Gesellschafter hat nur die seinem Kapitaleinsatz entsprechende Quote zur Wahrnehmung im eigenen Interesse erhalten und darf zwar im Interesse der Gesellschaft über die Quote der anderen bestimmen, nicht jedoch seine Quote zulasten der anderen erweitern.602 Danach richtet sich die Weichenstellung für die Rechtfertigungsprüfung. Während einen Gesellschafter, der neben seinen eigenen auch die Interessen der Gesellschaft wahrnimmt, nur die Pflicht trifft, auf die Interessen der übrigen Gesellschafter Rücksicht zu nehmen, besteht eine Interessenwahrungspflicht, wenn er sich außerhalb des Gesellschaftsinteresses bewegt. Diese Interessenwahrungspflicht bedeutet, dass Eigeninteressen nicht verfolgt werden dürfen, wenn die Interessen anderer Gesellschafter beeinträchtigt werden. Jeder Verstoß gegen die Interessenwahrungspflicht bedeutet einen Eingriff, der nicht gerechtfertigt werden kann. Dies wird im Einzelnen vor allem für die Fälle darzustellen sein, in denen sich der Gesellschafter Geschäftschancen, die der Gesellschaft oder der Gesamtheit aller Gesellschafter zustehen, aneignet.603 ___________ 599 600 601 602 603
A. a. O. (Fn. 601). Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 271. Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 271. So wiederum Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 274. Dazu unter § 7 A. I. Dort auch zu der weiteren Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gesellschafter Rechtsbehelfe geltend machen kann.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Wiederum andere Grundsätze gelten, wenn aufgrund der Natur einer Maßnahme ausscheidet, dass diese im Gesellschaftsinteresse liegen kann. Wann dies im Einzelnen anzunehmen ist, wird im Besonderen Teil dieser Arbeit herauszustellen sein.604 Soweit mit solchen Maßnahmen Eingriffe in die Rechtsstellung eines Gesellschafters verbunden sind, scheidet eine Prüfung anhand der Kriterien Gebotenund Erforderlichkeit aus. Vielmehr kann eine Interessenabwägung nur die Belange des betroffenen und der übrigen Gesellschafter einbeziehen. Insofern gleicht dieser Fall der Konstellation in Austauschverträgen, bei denen es gerade an einem übergeordneten Interesse fehlt und die grundrechtlich fundierten Partikularinteressen in einen adäquaten Ausgleich zu bringen sind. Zumeist ist in diesen Fällen allerdings, wie ebenfalls im Besonderen Teil darzustellen sein wird, bereits durch gesetzgeberische Wertungen die Interessenabwägung vorweggenommen, und es existieren besondere Ausgleichsmaßnahmen. Eine weitere Differenzierung ist erforderlich, soweit ein mittelbarer Eingriff vorliegt. Hier liegt der Schwerpunkt der Prüfung, wie schon ausgeführt, auf der Eingriffsprüfung, da nur in besonderen Konstellationen aus qualitativen Wertungsgesichtspunkten ein Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft bejaht werden kann. Zugleich fließen dabei bereits alle bei unmittelbaren Eingriffen auf Rechtfertigungsebene relevanten Fragen in die Eingriffsprüfung ein. Nur Verstöße gegen die innergesellschaftlichen Pflichtbindungen können danach als mittelbare Eingriffe qualifiziert werden. Bei solchen Verstößen scheidet eine Rechtfertigung jedoch aus. Sie sind vielmehr ohne Weiteres rechtswidrig.
3. Die Bedeutung der Privatautonomie für das Gesellschaftsverhältnis Wie unter B. festgestellt, ist bei der Anwendung von Grundrechten in Privatrechtsverhältnissen dem Grundsatz der Privatautonomie der gebührende Stellen___________ 604
Daher ergibt sich gegenüber der von Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 272–274, vertretenen Auffassung eine Abweichung. Während dieser den Bezugsrechtsausschluss wegen der Quotenerhöhung als Treuhänderfall behandelt, ist dies nach dem hier vertretenen Ansatz nicht der Fall. Vielmehr bedarf es einer Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse, wobei im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung vornehmlich die Interessen der Gesellschaft den Interessen der von dem Bezugsrechtsausschluss betroffenen Gesellschafter gegenüber gestellt werden. Soweit der Mehrheitsgesellschafter jedoch Interessen der Gesellschaft vertritt, nimmt er die ihm durch seine Beteiligung eingeräumten Kompetenzen wahr. Solange er sich nur auf tragende Interessen der Gesellschaft berufen kann, ist es ihm auch nicht verwehrt, zugleich Eigeninteressen zu verfolgen. Siehe dazu im Einzelnen unter § 15 B. Ähnlich liegt es in den Fällen der Umwandlung: Auch hier ist entgegen der h. M. der Beschluss über die Maßnahme wiederum an einem höherrangigen Interesse auszurichten. Hinzu kommt, dass sich das Umtauschverhältnis streng an dem wahren Wert der Beteiligung orientieren muss, was Quotenerhöhungen zu vermeiden hilft. Dazu im Einzelnen unter § 12. Ebenso verhält es sich bei der übertragenden Auflösung, die, abweichend von dem Grundsatz, dass ein Auflösungsbeschluss rechtfertigungsfrei ist, wegen der tatsächlichen Wirkung, der Fortsetzung des Unternehmensbetriebes unter Ausschluss der Minderheitsgesellschafter, der besonderen Rechtfertigungsprüfung unterliegt. Dazu ausführlich unter § 9 C. V.
D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
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wert einzuräumen. Da die Gesellschafter die Möglichkeit besitzen, sich zu jedem erlaubten Zweck zusammenzuschließen und ihre Verbindung – innerhalb der Vorgaben des numerus clausus der Gesellschaftsformen – frei auszugestalten, besitzt dieser Grundsatz im Gesellschaftsrecht besondere Bedeutung und ist daher auch sorgsam zu beachten. Die Reichweite der Privatautonomie hängt jedoch vom Stadium ab, in dem sich Gesellschaft und Gesellschafter befinden. Im Gründungsstadium sind die Parteien darin frei, sich zur gemeinsamen Zweckerreichung zu verbinden und das Gesellschaftsverhältnis nach ihren Vorstellungen auszugestalten. In diesem Stadium herrscht daher weitgehende Privatautonomie.605 Die Grundsätze über strukturelle Ungleichgewichte, die eine Einschränkung des Prinzips rechtfertigen und gebieten, greifen in diesem Stadium nur bedingt. Die Investitionsentscheidung trifft jeder Gesellschafter autonom und mit der Möglichkeit, sich über alle relevanten Tatsachen seiner zukünftigen Mitgliedschaft im Verband zu informieren. Vor seinem Eintritt ist er gehalten, seine Rechtsstellung auszuhandeln. Sofern dies, wie regelmäßig bei den Publikumsgesellschaften, nicht möglich ist, muss er eine abwägende Entscheidung treffen, ob der erhoffte Nutzen die schon erkennbaren und in Zukunft zu erwartenden Nachteile einer Unterordnung unter den Mehrheitswillen bzw. die Zweckerreichungsabrede und Gesellschaftsinteressen aufzuwiegen vermag.606 Entsprechendes gilt für den Entschluss, einer bereits bestehenden Gesellschaft zu nicht verhandelbaren Bedingungen beizutreten. Der Privatautonomie wird durch den Umstand Rechnung getragen, dass sich der Schutzbereich der nach Art. 14 I GG geschützten Mitgliedschaft nach den Vereinbarungen des Gesellschaftsvertrages und der tatsächlichen Ausgestaltung der Beteiligung zum Beitrittszeitpunkt richtet. Beschränkungen bestehen nur in dem auch für andere Vertragstypen anerkannten Maße durch die Anwendung von §§ 134, 138 BGB, evtl. i. V. m. grundrechtlichen Wertungen (im Einzelnen dazu unter § 9 A. II. 1.).607 Im weiteren Verlauf des bestehenden Gesellschaftsverhältnisses ändern sich diese Vorzeichen jedoch beträchtlich. Für den Gesellschafter besteht zwar weiterhin die Möglichkeit, über die Modalitäten seiner Mitgliedschaft mitzuentscheiden, nun jedoch nicht mehr als gleichberechtigter Partner wie zum Zeitpunkt des Gesellschaftsbeitritts, sondern nur noch als Repräsentant seiner Beteiligung in deren jeweiliger Höhe, so dass er fortan der Mehrheitsmacht ausgesetzt ist. Wie schon ___________ 605
606 607
Dazu Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1376; vgl. auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 94; Jung, Der Unternehmergesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 217, mit dem zutreffenden Hinweis, dass bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages keine (gesteigerte) Pflicht besteht, die Interessen der Verhandlungsgpartner und künftigen Mitgesellschafter wahrzunehmen. Allgemein zur Privatautonomie als Mittel privater Rechtssetzung Bachmann, Private Ordnung, 2006, § 11. Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1377. Zur Korrektur einer von Anfang an bestehenden Unangemessenheit oder Ungleichgewichtigkeit einer Regelung, die durch Anwendung von § 138 BGB korrigiert werden muss und kann, vgl. Westermann, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band II, 2000, S. 245, 253; Scholz/ H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, Einl., Rn. 28–30.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
begründet, kann dieses Problem nicht über den Einwand, wer sich einmal der Herrschaft einer Mehrheit unterordne, gebe selbst gewählt seine Autonomie und seinen Schutz auf, gelöst werden. Zwar geht ein Investor dann, wenn er in eine Gesellschaft eintritt, eine bewusste Entscheidung ein, sich dem Mehrheitswillen unterzuordnen. Er nimmt damit bewusst seinen grundrechtlichen Schutzanspruch zurück. Im Gegenzuge erhält er über seine Beteiligung Vermögens- und Verwaltungsrechte, die den Gegenwert dafür darstellen, dass er sich seiner freien Verfügungsbefugnis über den auf die Gesellschaft übertragenen Vermögensgegenstand begibt.608 Dieser Verzicht ist zwar auch im weiteren Verlauf des Gesellschaftslebens zu beachten. Er vermag wegen der bedeutenden Unterschiede zwischen Vertrags- und Gesellschaftsrecht jedoch nicht zu rechtfertigen, den Gesellschafter jedes grundrechtlichen Schutzes zu entheben, da es sich um eine Unterwerfung unter den Mehrheitswillen, nicht aber um einen Grundrechtsverzicht handelt.609 Trotz Mehrheitsprinzips stellt die Verbindung der Gesellschafter im Ausgangspunkt einen partnerschaftlichen, auf gemeinsame Zweckförderung angelegten Zusammenschluss, nicht einen Unterwerfungsakt, der eine Über- und Unterordnung begründen soll, dar.610 Von seiner Autonomie will jeder Gesellschafter nur so viel aufgeben, wie zur Erreichung und Förderung des Gesellschaftszwecks erforderlich ist.611 Das rechtfertigt, um es erneut zu betonen, nur solche Eingriffe in die Mitgliedschaft, die von überwiegenden Gesellschaftsinteressen getragen sind. In der bestehenden Gesellschaft ist der Stellenwert der Privatautonomie daher deutlich geringer als im Gründungs- und Beitrittsstadium. Der einzige Willensakt, für den eine regelmäßig uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit verbleibt, ist der Entschluss, in der Gesellschaft zu verbleiben oder diese zu verlassen (Desinvestitionsentscheidung). In den übrigen Fällen unterliegt er in seinem Beschlussverhalten Bindungen, die ihm durch die gemeinsame Verbindung der Gesellschafter im Verband auferlegt werden. Da sein Abstimmungsverhalten rechtlich geschützte Positionen seiner Mitgesellschafter beeinträchtigen kann, steht es ihm nicht frei, unter Berufung auf die ihm durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumten Befugnisse die Belange der übrigen Gesellschafter zu ignorieren. ___________ 608 609
610 611
Stumpf, NJW 2003, 9, 11. So auch Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften (AG und GmbH), 1967, S. 11; vgl. auch Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1385: „Es lässt sich bei Aufnahme des Aktienengagements regelmäßig nicht erkennen, welche Vorteile und Nachteile sich aus der zufälligen Entwicklung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und seiner Mehrheitsverhältnisse ergeben. Dies schließt eine Kontrollfreiheit dieser Maßnahmen unter dem Aspekt der pauschalen freiwilligen Unterwerfung aus.“ Nach Stumpf, NJW 2003, 9, 10 f., nimmt der Aktionär seinen grundrechtlichen Schutzanspruch im Verhältnis zu seinen Mitaktionären und gegenüber der Aktiengesellschaft zwar zurück, jedoch nur insoweit, wie er überhaupt in seiner Entscheidung über den Gesellschaftseintritt frei ist und die Konsequenzen vorherzusehen vermag. Vgl. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 97. Siehe auch Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 61 f., am Beispiel des Konzernrechts. Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, S. 137.
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Auch unter Beachtung der Privatautonomie verbleibt es daher bei dem bisherigen Ergebnis: Jeder Gesellschafter wird im Stadium zwischen Begründung und Beendigung der Mitgliedschaft in seiner privatautonomem Entscheidung beschränkt. Er darf weiterhin seine Eigeninteressen verfolgen, jedoch nur insoweit, wie dies entweder die Rechtsstellung der Mitgesellschafter nicht beeinträchtigt oder sich mit den Interessen der Gesellschaft deckt.
4. Die Berufung auf den unternehmerischen Ermessensspielraum (business judgment rule) Soweit der Eingriff in die Rechtsstellung eines Gesellschafters von Geschäftsführungsmaßnahmen ausgeht, ist zu beachten, dass sich das handelnde Organ auf die bei diesen Maßnahmen zugestandenen Erleichterungen durch den unternehmerischen Ermessensspielraum (business judgment rule) berufen kann. Die Geschäftsleiter sind zwar ausschließlich dem Gesellschaftswohl verpflichtet,612 dürfen sich bei ihrer Entscheidungsfindung jedoch auf ein unternehmerisches Ermessen berufen.613 Soweit die Gesellschafter Aufgaben der Geschäftsführung wahrnehmen, liegt es nahe, dass diese Privilegierung auch ihnen zugute kommt.614 Der Ermessensspielraum vermeidet, dass eine unternehmerische Entscheidung der Geschäftsführung durch eine detaillierte Prüfung der Gerichte ersetzt und damit die Richter an die Stelle der Verwaltungsorgane der Gesellschaft gerückt werden. Er dient damit einerseits zur Vereinfachung der gerichtlichen Entscheidungsfindung, da die Gerichte nicht zu tief in betriebswirtschaftliche Entscheidungsvorgänge einzudringen brauchen. Der Hauptzweck besteht jedoch darin, die Geschäftsführung vor Schadensersatzansprüchen zu schützen und sie damit nicht vor couragierten Maßnahmen im vermeintlichen Interesse der Gesellschaft abzuhalten. Letzteres ist für die Abwehr von Eingriffen in die Rechtsstellung des Gesellschafters irrelevant. Es geht nicht um die Haftung der Geschäftsleitung, sondern um die Wirksamkeit der Maßnahme zulasten des Gesellschafters. Den unternehmerischen Ermessensspielraum auf die Eingriffsprüfung anzuwenden, kann daher nur dem Ziel dienen, eine Behinderung der Entscheidungsfindung in der Gesellschaft durch eine aufwändige Analyse des Geschäftsleiterhandelns zu verhindern. ___________ 612
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Als Organ der Gesellschaft verwalten die Geschäftsführer fremdes Vermögen, so dass sich ihre Stellung mit der eines Treuhänders vergleichen lässt. Von ihnen ist daher eine “undivided loyalty and disinterested representation“ zu fordern. Dazu Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 193 und 199. Die duty of care verpflichtet den Geschäftsführer zu sorgfältigem und gewissenhaftem Handeln als Unternehmensführer, wobei die business judgement rule zu beachten ist, die eine gerichtliche Nachprüfung der unternehmerischen Entscheidung ausschließt, soweit die Entscheidung nicht von eigenen Interessen beeinflusst wurde, sich der Geschäftsleiter hinreichend über die Angelegenheit informiert und nachvollziehbar im besten Interesse des Unternehmens zu handeln geglaubt hat. Siehe dazu Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 193. Ausführlicher noch unter § 6 A. Zur Parallele von Geschäftsführer- und Gesellschafterhandeln Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 96.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Außerdem setzt eine solche Privilegierung voraus, dass auch die Voraussetzungen Anwendung finden. Da die Geschäftsleitung streng auf die Interessen der Gesellschaft verpflichtet ist, muss dies auch für die Gesellschafter gelten. Soweit diese Eigeninteressen verfolgen, muss eine Berufung auf die business judgment rule daher ausscheiden. Das entspricht zumindest in der Tendenz den Ansätzen des US-amerikanischen Rechts zum intrinsic fairness test, wonach ein Gesellschafter nur insoweit die business judgment rule für sich in Anspruch nehmen darf, wie er die Interessen der Gesellschaft zu verfolgen beabsichtigt.615 Nimmt der Gesellschafter hingegen (auch) Eigeninteressen wahr, müssen die Anforderungen an den Nachweis darüber, dass die Maßnahme zudem auch den Interessen der Gesellschaft dient, höher angesetzt werden. Die Erleichterungen durch die business judgment rule scheiden daher aus.
5. Gesetzliche Wertungen und Vorgaben des Gesellschaftsvertrages Auch ist auf die unter B. allgemein für Privatrechtsverhältnisse erörterte Frage zurückzukommen, welchen Stellenwert die gesetzgeberischen Wertungen besitzen. Das dort gefundene Ergebnis lautete, dass eine Anwendung von Grundrechten im Privatrechtsverhältnis ausscheidet, soweit der Gesetzgeber abschließende Wertungen getroffen hat, die durch eine Anwendung von Grundrechten zunichte gemacht würden. Für das Gesellschafterinnenverhältnis bedeutet dies: Während grundsätzlich Eingriffe in die Rechtspositionen der Gesellschafter nur insoweit zulässig sind, als der Eingriff im Interesse der Gesellschaft erfolgt und eine Abwägung der beteiligten Interessen zulasten des betroffenen Gesellschafters ausfällt, kann diese Prüfung durch gesetzliche Vorgaben obsolet werden. Für etliche Konstellationen hat der Gesetzgeber Voraussetzungen aufgestellt, die in typischen Konfliktsituationen einen gerechten Ausgleich bewirken sollen. Diese gesetzgeberischen Wertungen dürfen nicht durch die Anwendung der Grundsätze des Art. 14 GG zum Schutz der Gesellschafter unterlaufen werden. Nur soweit die Regelungen lückenhaft sind, also keine abschließende Konfliktbewältigung enthalten, ist ergänzend auf die dargestellten Prinzipien zurückzugreifen. Im Besonderen Teil wird auf diese gesetzgeberischen Wertungen einzugehen sein, insbesondere im Konzern- und Umwandlungsrecht. Hingegen wird die Frage, ob qualifizierte Mehrheitserfordernisse tatsächlich, wie verbreitet angenommen wird, eine Inhaltskontrolle obsolet machen, schon im Allgemeinen Teil zu klären sein (dazu unter § 4 A. III. 5.). Diese Ansicht geht auf die Annahme zurück, dass Gesellschafterbeschlüsse, die mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, dem Gesellschaftsinteresse gleichgestellt sind, insbesondere wenn die Interessen der dissentierenden Minderheit über Abfindungsansprüche geschützt werden.616 ___________ 615 616
Dazu die Darstellung unter § 7 A. III. 4. Vgl. das Feldmühle-Urteil, BVerfGE 14, 263, 282, zur Wertung des Gesetzgebers, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der qualifizierten (3/4 nach § 15 UmwG von 1956) Mehrheit den Vorrang vor dem Eigentumsrecht der Minderheit einzuräumen und diese auf Abfindungsansprüche zu verweisen.
D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
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Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass die Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit nur dort einen Eingriff zu rechtfertigen vermögen, wo dieser durch eine Ermächtigung gedeckt oder jedenfalls nicht durch ein Verbot untersagt ist. Wenn schon der Eingriff als solcher gegen eine Bestimmung des Gesetzes oder der Satzung verstößt, etwa erforderliche Mehrheitserfordernisse nicht eingehalten werden oder Einberufungs- und Informationsrechte missachtet werden, bleibt kein Raum für eine weitere Prüfung. Ein wegen Verstoßes gegen Satzung oder Gesetz rechtswidriger Eingriff wird auch nicht dadurch rechtmäßig, dass er im Gesellschaftsinteresse liegt.617 Ergeben sich aus der Befolgung der gesellschaftsvertraglichen Vorgaben Widersprüche zu den Interessen der Gesellschaft, muss zunächst im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben eine Vertragsänderung herbeigeführt werden, bei der die Gesellschafter auf ihre Pflicht, bei der Stimmabgabe die Interessen der Gesellschaft zu berücksichtigen, verwiesen sind.618
V. Zusammenfassung Die Mitgliedschaft des Gesellschafters unterfällt dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Die Untersuchung zur Wirkung von Grundrechten im Privatrecht hat ergeben, dass grundrechtliche Positionen allseitig gegen Eingriffe geschützt sind und ihre Wirkung daher auch in privatrechtlichen Verbindungen entfalten können. Dabei sind zugleich die privatautonomen Entscheidungen der Privatrechtssubjekte zu beachten, mit denen diese ihren grundrechtlichen Schutz zurücknehmen. Die Anwendung von Grundrechten vermag daher nur unter besonderen Voraussetzungen zu einer Beeinflussung der privatrechtlichen Beziehungen zu führen. Erforderlich ist ein Element der Fremdbeeinflussung, das zu einer Beeinträchtigung der privatautonomen Entscheidungsfreiheit führt. Eben dieses ist im Gesellschaftsverhältnis nicht nur vorhanden, sondern besonders ausgeprägt. Mit dem Beitritt zur Gesellschaft unterwirft sich der Gesellschafter einer Fremdbeeinflussung seiner mitgliedschaftlichen Rechtsstellung, die vor allem durch das Prinzip der Mehrheitsherrschaft begründet wird. Um den Gesellschaftern die Freiheit zu belassen, das Innenverhältnis der Gesellschaft eigenverantwortlich auszugestalten, sind die gesetzlichen Regelungen ___________ 617
618
RGZ 40, 33, 35: „Aber was statuten- und gesetzwidrig ist, wird dadurch nicht zulässig, daß es nützlich und sittlich oder sozial geboten ist.“ Siehe auch Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt, 1975, S. 239, 244. Insoweit nochmals der Verweis auf die streitige Ansicht, ob Gesellschafter aus der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Treuepflicht zu einem fördernden Verhalten verpflichtet sein können, siehe unter § 2 A I 2 und BGHZ 44, 40, 41 f.; BGHZ 68, 81, 82 f.; BGHZ 98, 276, 280; BGH NJW 1987, 952, 954; Altmeppen, NJW 1995, 1749 f.; Windbichler, Gesellschaftsrecht, 22. Aufl. 2009, S. 64, Rn. 3, S. 417 f., Rn. 33–35; Kort, ZIP 1990, 294, 297; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 167; ders., AcP 180 (1980), 84, 103; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 616 und 1036 f.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
fragmentarisch gehalten. Dieses bewusste Regelungsdefizit bedingt es, dass die von Art. 14 I GG ausgehende Schutzwirkung betroffen ist, wenn in die Mitgliedschaft eines Gesellschafters eingegriffen wird. Dabei eignet sich die für hoheitliches Handeln des Staates entwickelte Prüfungsdogmatik in ihren Grundzügen auch für das privatrechtliche Verhältnis der Gesellschafter, was in der Tatsache begründet liegt, dass sich die Gesellschafter nicht nur dem Diktat der Mehrheit unterwerfen, sondern auch zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks und zur Achtung des Gesellschaftsinteresses und damit eines über die Einzelinteressen erhöhten Bezugspunkts verpflichten. Daraus folgt, dass der klassische Dreierschritt einer Grundrechtsprüfung auch auf Eingriffe in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters angewandt werden kann. In einem ersten Schritt geht es darum, den Schutzbereich der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung zu ermitteln. Dieser wird nicht nur von den gesetzlichen Vorschriften, sondern auch den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag bestimmt. Den zweiten Schritt stellt die Eingriffsprüfung dar. Hierbei ist zwischen unmittelbaren und mittelbaren Eingriffen zu unterscheiden. Unmittelbare Eingriffe zeichnen sich dadurch aus, dass die Rechte des Gesellschafters beseitigt, verkürzt oder auf sonstige Weise unmittelbar beeinträchtigt werden. Bei mittelbaren Eingriffen liegt eine Maßnahme vor, die nicht primär auf eine Beeinträchtigung der individuellen Mitgliedschaft abzielt, von der jedoch spürbare faktische Nachteile ausgehen. Bei diesen muss die irrelevante Enttäuschung von Exspektanzen von relevanten Rechtseingriffen abgegrenzt werden. Den Schwerpunkt der Prüfung bildet regelmäßig die Rechtfertigungskontrolle. Eine Maßnahme, die in den Schutzbereich der Gesellschafterstellung eingreift, bedarf der Rechtfertigung durch über den Partikularinteressen angesiedelte Kollektivinteressen. Als solche kommen nur die der gemeinsamen Zweckabrede zugrunde liegenden Gesellschaftsinteressen in Betracht. Sofern eine Maßnahme geeignet ist, die Interessen der Gesellschaft durchzusetzen, kein milderes Mittel zur Verfügung steht und außerdem die Einzelinteressen des beeinträchtigten Rechtsinhabers in einer Gesamtabwägung zurückstehen, ist der Eingriff gerechtfertigt. Alle Rechtsfragen sind dabei vollständig überprüfbar, während die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen als unternehmerischer Ermessensspielraum einer gerichtlichen Überprüfung nur eingeschänkt unterliegen. Auf die Details wird sogleich unter § 4 einzugehen sein. Die Wirkung des Art. 14 GG im Gesellschafterinnenverhältnis ist daher doppelseitig: Zum einen schützt die Verankerung der mitgliedschaftlichen Stellung des Gesellschafters in Art. 14 GG diesen vor willkürlicher Entwertung seiner Rechtsstellung. Zum anderen ermöglicht sie durch den Bezug der Mitgliedschaft auf das förderliche Zusammenwirken in der Gesellschaft, die Rechtsstellung des Gesellschafters zu dessen Nachteil zu verändern. Im Grundsatz muss dieser jeden Eingriff in seine Rechtsstellung erdulden, solange er nach den hier aufgestellten Kriterien als zumutbar beurteilt werden kann, was im Wege einer Einzelfallprüfung zu ermitteln ist. Da nach dem hier vertretenen Ansatz stets der Wille des Gesetzgebers vorrangig zu beachten ist, können sich aus den einfachgesetzlichen Vorgaben Abwei-
D. Modalitäten der Anwendung von Art. 14 I GG im Innenverhältnis der Gesellschafter
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chungen ergeben. Auch ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass jeder Gesellschafter als Verwalter seiner eingebrachten Beteiligung auch Eigeninteressen verfolgen darf. In den folgenden Abschnitten sind aus den hier entwickelten Grundsätzen zunächst allgemeine Folgerungen für die Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen (§ 4), das übrige Gesellschafterhandeln (§ 7) und das Verwaltungshandeln (§ 6) abzuleiten. Daran schließt sich jeweils die Darstellung der einschlägigen Rechtsbehelfe an (§§ 5, 6 C., 7 B.), um sicherzustellen, dass die entwickelten Kriterien auch einer wirksamen Rechtsdurchsetzung zugänglich sind.
VI. Eine Randbemerkung: Die Bedeutung des Art. 12 GG im Gesellschafterinnenverhältnis Nur marginal im Vergleich zu Art. 14 I GG ist die Bedeutung der durch Art. 12 I GG geschützten Berufsausübungsfreiheit. Beeinträchtigungen der Rechtsstellung eines Gesellschafters besitzen allenfalls dann eine in dieser Hinsicht relevante Komponente, wenn der Gesellschafter seine Arbeitskraft in die Gesellschaft einbringt.619 Wird dem Gesellschafter diese Möglichkeit zu beruflicher Betätigung entzogen, sind die Wertungen des Art. 12 I GG zu beachten. Danach ist es durchaus möglich, die Freiheit zur Berufsausübung zu beinträchtigen, soweit dies aus wichtigen Gründen im Interesse der Gesellschaft geboten und erforderlich erscheint. Anders als bei Eingriffen in die Eigentumsgarantie bedarf es jedoch nur dann einer Abwägung der beteiligten Interessen im Einzelfall, wenn die Beschäftigung des Gesellschafters aufgrund Vereinbarung unter den Gesellschaftern oder stillschweigender Übung zum Bestandteil der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung erhoben wurde. Dann gelten die soeben dargestellten Prüfungsgrundsätze auch für Eingriffe in den Schutzbereich von Art. 12 I GG. Relevant ist dabei insbesondere, ob dem Gesellschafter Verfehlungen vorzuwerfen sind, die zu einer Beeinträchtigung der Gesellschaftsinteressen geführt haben, und ob weitere Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Bei einer Abwägung ist die Schwere dieser Beeinträchtigungen mit den für den Gesellschafter zu erwartenden Nachteilen abzuwägen. Der Gesellschafter obsiegt, wenn im Vergleich zu seiner persönlichen Betroffenheit die Beeinträchtigungen der Gesellschaft unbedeutend erscheinen, ihr ein allenfalls sehr geringer Schaden entstanden ist und eine Wiederholung unwahrscheinlich ist. Den wohl relevantesten Anwendungsfall bilden Klauseln im Gesellschaftsvertrag von Personengesellschaften, mit denen das ordentliche Kündigungsrecht bei auf Zeit eingegegangenen Gesellschaften ausgeschlossen wird. Üben die Gesellschafter ihre Berufstätigkeit in der Gesellschaft aus, kann eine übermäßig lange ___________ 619
Zur Bedeutung des Art. 12 GG im Gesellschaftsrecht, der Betroffenheit der Berufsausübung bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen und der Beschränkung auf unternehmerische Beteiligungen vgl. Stumpf, NJW 2003, 9, 13 f.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
Bindung an die Gesellschaft zu Verstößen gegen die Berufsausübungsfreiheit führen.620 Da es, wie dargestellt, keinem Gesellschafter versagt ist, zusätzlich zu den Interessen der Gesellschaft auch seine Eigeninteressen zu verfolgen, kann die Berufsausübungsfreiheit im Rahmen einer umfassenden Abwägung jedoch auch zugunsten des Mehrheitsgesellschafters streiten, wenn dieser eine die Minderheit beeinträchtigende Maßnahme durchsetzen möchte, die nicht nur im Gesellschaftsinteresse liegt, sondern auch seine berufliche Beteiligung an der Gesellschaft zu sichern oder zu stärken vermag. E. Verhältnis der verfassungsrechtl. Eingriffskontrolle zu anderen ges.-rechtl. Instituten
E. Das Verhältnis der verfassungsrechtlichen Eingriffskontrolle zu anderen gesellschaftsrechtlichen Instituten Die verfassungsrechtlich begründete Eingriffskontrolle bildet den primären Mechanismus zum Schutz der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung des einzelnen Gesellschafters. Damit ergibt sich die Frage nach ihrem Verhältnis zu den anerkannten minderheitsrelevanten Instituten, mit denen das Innenverhältnisses der Gesellschafter reglementiert wird, dem Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs, der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und dem gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
I. Das Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauch Das Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs wurzelt nach h. M. in einer teleologisch orientierten Norminterpretation und verfolgt das Ziel, eine dem Normweck widersprechende Umgehung oder Erschleichung der Rechtsfolgen einer gesetzlichen Bestimmung zu vermeiden.621 Ein geschlossenes Konzept zum Minderheitsschutz muss das Ziel verfolgen, weitgehend ohne ein derartiges Verbot auskommen zu können. Soweit der Schutz des Minderheitsgesellschafters in allen typischerweise minderheitsrelevanten Situationen verwirklicht wird, werden Umgehungen uninteressant. Vor allem der im Anschluss (unter § 4) darzustellenden Beschlusskontrolle, daneben aber auch den Rechtsbehelfen gegen Maßnahmen der Geschäftsleitung (unter § 6) kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Hierdurch können allgemeine Prüfungsanforderungen aufgestellt werden, die vom einzelnen Beschlussgegenstand unabhängig sind, und damit einheitliche Bedingungen für unterschiedliche Arten von Beeinträchtigungen geschaffen werden. Daneben wird auch eine den Minderheitsgesellschafter schutzlos stellende Instru___________ 620 621
BGH NJW 2007, 295 f., zu einer Rechtsanwaltssozietät, in der das Kündigungsrecht nach § 723 III BGB für die Dauer von 30 Jahren ausgeschlossen war. Siehe zu den Grundlagen und zu Verweisen auf den Meinungsstand Schön, FS Wiedemann, 2002, S. 1271, 1282; Timm, ZGR 1987, 403, 413; ders., JZ 1980, 665, 670 (am Beispiel des Auflösungsbeschlusses).
E. Verhältnis der verfassungsrechtl. Eingriffskontrolle zu anderen ges.-rechtl. Instituten
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mentalisierung der Geschäftsleitung durch den Mehrheitsgesellschafter vermieden. Schon hier ist darauf hinzuweisen, dass eine strikte Prüfung anhand der unter D. entwickelten Kriterien für Eingriffe in die Mitgliedschaft Umgehungen weitgehend zu verhindern vermag.622 Mitunter sind jedoch, wie sich im Einzelnen im Besonderen Teil zeigen wird, die gesetzgeberischen Wertungen problematisch. Soweit der Gesetzgeber die Prüfungsanforderungen abschließend vorgegeben hat, kann es ausscheiden, die allgemeinen Prüfungskriterien, insbesondere die Inhaltskontrolle von Beschlüssen, in besonderen Situationen anzuwenden, wodurch sich ein Schutzdefizit ergeben kann, wenn der Mehrheitsgesellschafter ein geringen Anforderungen unterliegendes Institut zu sachfremden Zwecken missbraucht. Hier muss das Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs zur Vermeidung von Umwegsrepressionen Anwendung finden. Dem betroffenen Gesellschafter muss der Nachweis offen stehen,623 dass gesetzesfremde Ziele verfolgt wurden. In diesen Fällen sind ergänzend die Voraussetzungen zu prüfen, die an einen Beschluss mit dem tatsächlich erstrebten Zweck nach allgemeinen Kriterien zu stellen sind. Um den häufigsten Anwendungsfall hierfür zu benennen: Wählt der Mehrheitsgesellschafter einen Beschlussgegenstand, der aufgrund gesetzgeberischer Vorgaben keinen inhaltlichen Beschlussanforderungen unterliegt, und weist der Minderheitsgesellschafter eine Umgehung nach, findet die Beschlusskontrolle anhand der tatsächlich verfolgten Ziele statt.624 Schon an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass sich dies für einen der wichtigsten Umgehungsversuche im US-amerikanischen Recht mit den dort vertretenen Grundsätzen deckt. Soweit Umgehungen angenommen werden, die einer Vermeidung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines merger dienen, finden die Rechtsfolgen Anwendung, die durch die tatsächlich bezweckte Maßnahme ausgelöst worden wären, so dass etwa ein appraisal right eingeräumt wird.625
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Dies wird insbesondere in den §§ 4, 9 C., 13 C. deutlich. Bei der Substantiierungs- und Beweislast unterscheiden sich Inhaltskontrolle (rechtswidrig, wenn nicht gerechtfertig) und Missbrauchskontrolle (rechtmäßig, wenn nicht ausnahmsweise ungerechtfertigter Eingriff in subjektive Rechte der Minderheit) damit für den Anfechtungskläger erheblich. Nach welchen Kriterien sich bestimmt, welche Beschlüsse einer Inhaltskontrolle unterliegen, wird im Anschluss unter § 4 zu klären sein. Dazu etwa Farris v. Glen Alden Corporation, 143 A. 2 d 25 (Pa. 1958); in der konkreten Fallgestaltung gegensätzlich Hariton v. Arco Electronics, Inc., 188 A. 2 d 123 (Del. 1963). Im Grundsatz teilt der Delaware Supreme Court diesen Ansatz jedoch, Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701 (Del. 1983). Zu den Voraussetzungen eines merger und zu den appraisal rights im amerikanischen Recht unter § 10 D. I.
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§ 3 Die Bedeutung der Eigentumsgarantie im Gesellschaftsrecht
II. Der gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz 1. Rechtsdogmatische Grundlagen Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist als wesentliche Säule des Minderheitsschutzes anerkannt,626 und zwar in allen Rechtssystemen der großen Industriestaaten.627 Er ist im Gesellschaftsrecht seit langem als inhärente Begrenzung der Mehrheitsmacht verankert628 und als zwingendes Recht auch nicht durch Satzungsbestimmung abdingbar.629 In der Aktiengesellschaft hat er, zurückgehend auf Art. 42 der EG-Kapitalrichtlinie (Zweite Gesellschaftsrechtliche Richtlinie),630 in § 53 a AktG eine ausdrückliche Regelung erfahren.631 Rechtsdogmatisch wird er nach einer Ansicht632 aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, nach anderer Ansicht633 aus der gemeinsamen Unternehmensverbindung hergeleitet. Mit dem hier vertretenen Ansatz stimmt es überein, den Gleichbehandlungsgrundsatz mit einer dritten Ansicht als die Konkretisierung des Art. 3 I GG im Gesellschaftsrecht zu qualifizieren.634 Dies stellt auch keinen Widerspruch zu den oben beschriebenen Grundlagen dar. Während sich aus Art. 3 GG allein kein Anspruch auf Vertragsabschluss herleiten lässt, bindet er in der bestehenden Gesellschafterbeziehung die Gesellschaft und ihre Organe.635 Wie noch zu begründen sein wird, kann sich das Gebot zur Gleichbehandlung aber auch auf ___________ 626
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Aus rechtsvergleichender Sicht wird er als „one of the most popular bases for the protection of the minority“ bezeichnet, so Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 28. Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Davies/Hansmann/etal., The Anatomy of Corporate Law, 2004, p. 26. Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 37; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 462 ff.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2009, § 53 a, Rn. 1; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 427; aus rechtsvergleichender Sicht Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 29. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2009, § 53 a, Rn. 5. Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13.12.1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EG 1977 L 26/1. Wie viele nationale Gesetzgeber ging der deutsche dabei über die Vorgaben der Richtlinie hinaus. Zu den Vorgaben der Richtlinie Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, Rn. 402; Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 29; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 427. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2009, § 53 a Rn. 2 f.; Winter/Seibt, in: Scholz, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2009, § 14, Rn. 41. In rechtsvergleichender Betrachtung auch Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 33. Hachenburg/Raiser, Band I, 8. Aufl. 1992, § 14, Anm. 69; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 69. Behnke, NZG 1999, 934 (Anm. zu BVerfG DAT/Altana); Henn, AG 1985, 240. H. M., siehe Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2009, § 53 a, Rn. 4; in rechtsvergleichender Betrachtung Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 32.
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den einzelnen Gesellschafter erstrecken, wenn dieser nicht als Gesellschaftsorgan Aufgaben der Gesellschaft wahrnimmt, sondern seine eigenen Rechte als Anteilsinhaber wahrnimmt. Insoweit ist auf § 7 zu verweisen.636
2. Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes Als Ausfluss des Grundsatzes verteilender Gerechtigkeit wird der Inhaber von Macht in der Gesellschaft durch den Gleichbehandlungsgrundsatz dazu verpflichtet, bei der Ausübung seiner Kompetenzen nicht einseitig Einfluss- und Erwerbschancen wahrzunehmen, zuzuteilen oder zu entziehen, sondern die seinem Einfluss unterworfenen Gesellschafter gleichmäßig zu behandeln.637 Damit dient das Gleichbehandlungsgebot einer Regulierung des Agency-Problems zwischen Mehrheit und Minderheit: Die Gesellschaftermehrheit verfolgt im Regelfall mit von ihr beschlossenen Maßnahmen das Ziel der Gewinnmaximierung in der Gesellschaft. Ist sie aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes daran gebunden, den von der Gesellschaft erwirtschafteten Gewinn gleichmäßig nach Anteilen unter den Gesellschaftern aufzuteilen, erzielt die Minderheit für das von ihr eingebrachten Kapital, über das die Mehrheit als Agent mitbestimmt, dieselbe Rendite wie die Mehrheit. Die Minderheit partizipiert daher an ihren Erfolgen.638 Trotz aller schon mehrfach angeführten Zweifel an der Qualifikation der Mehrheit als Treuhänder der Minderheit kann doch sinngemäß gelten: Durch das Gebot zur Gleichbehandlung wird das ökonomische Prinzip von positiven Anreizstrukturen in Treuhandbeziehungen erfolgreich umgesetzt. Es besteht die Vermutung, dass sich ein Treuhänder von redlichen Antriebsgründen leiten lassen wird, wenn es sich für ihn nicht lohnt, opportunistisch zu handeln.639 Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist daher ein allgemeines Willkürund Diskriminierungsverbot. Ohne sachlichen Grund ist eine Ungleichbehandlung der Gesellschafter nicht gestattet, wohingegen in sachlich begründeten Fällen Differenzierungen sehr wohl zulässig bzw. sogar geboten sind. Danach ist jedes Mitglied der Gesellschaft ebenso zu behandeln wie die übrigen Mitglieder oder, um es negativ auszudrücken, eine unsachliche Differenzierung unter den Gesellschaftern verboten.640 Daraus ergibt sich eine zweistufige Prüfung potentieller Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz: Voraussetzung ist zum einen eine Ungleichbehand___________ 636 637 638 639
640
Dies wird anhand der Ausnutzung von Geschäftschancen, insb. bei Paketzuschlägen darszustellen sein, vgl. unter § 7 A. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 69. Vgl. Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Davies/Hansmann/etal, The Anatomy of Corporate Law, 2004, p. 26. Vgl. Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Davies/Hansmann/etal, The Anatomy of Corporate Law, 2004, p. 27: “The trusteeship strategy assumes that, in the absence of strongly focused – or ‘high-powered’ – monetary incentives to behave opportunistically, agents will respond to the ‘low-powered’ incentives of conscience, pride, and reputation, and are thus more likely to manage in the interests of their principals”. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 427.
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lung bzw. ungerechtfertigte Gleichbehandlung der Gesellschafter. Zum anderen ist zu fragen, ob für diese Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund besteht. Ein sachlicher Grund kann sich aus dem Gesetz (etwa aus §§ 12 I, 139 ff. AktG für die Sonderbehandlung von Vorzugsaktien oder aus §§ 308, 311, 323 AktG für die Sonderstellung des herrschenden Unternehmens im Konzern), dem Gesellschaftsvertrag oder auch den Umständen ergeben.641 Die Anforderungen an die Rechtfertigung sind umso strenger, je stärker der Eingriff in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung wiegt.642 Die Gleichbehandlung bemisst sich teilweise nach Kapitalanteilen, teilweise aber auch nach bloßer Mitgliedschaft. So berechnet sich der Anspruch auf Gewinnbeteiligung und der auf ein Recht zum Bezug neuer Anteile bei einer Kapitalerhöhung in den Kapitalgesellschaften nach dem Anteil am Grundkapital, der auf Teilnahme an Gesellschafterversammlungen und Auskunft nach Personen. Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz führen zur Anfechtbarkeit eines Beschlusses und zu einem Anspruch auf Unterlassung oder Rückgängigmachung der diskriminierenden Maßnahme. Gibt es für die Beseitigung der Verletzung keine andere Lösung, kann auch ein Anspruch auf Ausgleich bestehen.643 Die wesentlichen Schwäche des Gleichbehandlungsgrundsatzes folgt aus seinem Wesen als Willkürverbot. Unter der Voraussetzung, dass sich ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung findet, verstößt eine Begünstigung der Mehrheit nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot, da die Minderheit durch den Grundsatz nur vor unverhältnismäßigen Nachteilen geschützt wird. Das wurde oben schon anhand der Rechtsprechung in Delaware dargestellt.644 Als Abhilfe wird daher in solchen Fällen auf andere Grundsätze, insbesondere die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, zurückgegriffen.645 Sinnvoller ist es, für den Gleichbehandlungsgrundsatz einen Prüfungsaufbau zu fordern, der dem bei Eingriffen in die durch Art. 14 I GG geschützte Rechtsstellung entspricht. Ungleichbehandlungen sind danach nur hinzunehmen, wenn sie einen im Interesse der Gesellschaft liegenden Zweck erfüllen, mildere Mittel jedenfalls nicht gleich effektiv sind und sich unter Abwägung aller beteiligten Interessen eine für den diskriminierten Gesellschafter
___________ 641 642 643
644 645
Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 71. BGHZ 71, 40, 45 (Kali & Salz). Vgl. BGH WM 1972, 931, 933 (für die GmbH); BGH WM 1960, 1007, 1009 (für die Genossenschaft). Wegen der strengeren Kapitalerhaltungsvorschriften erweist sich dies jedoch als problematisch für die Aktiengesellschaft, dazu Diekgräf, Sonderzahlungen an opponierende Kleinaktionäre im Rahmen von Anfechtungs- und Spruchstellenverfahren, 1990, S. 206. Siehe unter § 2 B. III. 6. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 430, nennt als Beispiel einen Vertrag, der zwischen einer beherrschten Gesellschaft und der Eignermehrheit geschlossen wird, weil diese ein weiteres Unternehmen betreibt. Wenn es hieran bei den Minderheitsgesellschaftern fehlt, scheiden sie als Vertragspartner aus. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung liegt dann zwar vor; hält der Vertragsschluss einem Drittvergleich jedoch nicht stand, müssen die Interessen der Minderheit anderweitig geschützt werden.
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nicht unverhältnismäßige Situation ergibt.646 Doch selbst dann verbleibt es bei der Schwäche, dass ein wirksamer Minderheitsschutz ausscheidet, wenn es an jeder Ungleichbehandlung fehlt, weil alle Gesellschafter zwar gleich, dabei aber gleichermaßen schlecht behandelt werden,647 etwa wenn es die Mehrheit im Hinblick auf Langzeitperspektiven hinnimmt, selbst Einbußen zu erleiden, da sie eine Durststrecke leichter verkraften kann als eine Minderheit, die schon nach kurzer Zeit zur Aufgabe – also zum freiwilligen Ausscheiden – gezwungen sein kann. Hier hilft nur, den Gesamtvorgang zu betrachten und als Eingriff in die Rechtsstellung zu bewerten. Das infolge dessen zur Anwendung gelangende Rechtfertigungserfordernis aus Art. 14 I GG vermeidet, dass die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters über das zur Durchsetzung wichtiger Gesellschaftsinteressen erforderliche Maß hinaus beeinträchtigt wird.
III. Der verbleibende Anwendungsbereich der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht Gegenüber dem Ansatz der h. M., die der Treuepflicht den Charakter einer Generalklausel verleiht, verbleibt nach dem hier gewählten Ansatz nur ein geringer Anwendungsbereich für die Treuepflicht. Unterhalb der Schwelle eines Eingriffs in die Mitgliedschaft kann die Treuepflicht zu Rücksichtnahmepflichten führen. Daneben lassen sich die Pflichten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft auch am besten durch die Treuepflicht bestimmen. Dabei geht ihr Hauptanwendungsbereich jedoch bereits in der Eingriffsprüfung auf. Dass der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft verpflichtet ist, zur Förderung des vereinbarten Zweckes ihre Interessen zu wahren und solchermaßen auch Eingriffe in seine Rechtsstellung zu erdulden, ergibt sich bereits aus der (auf das Gesellschaftsverhältnis zugeschnittenen) Gemeinwohlbindung seiner Mitgliedschaft. Diese Grundsätze sollen nun auf die drei Situationen abgewandt werden, in die sich Eingriffe in die Mitgliedschaft des Gesellschafters einteilen lassen: Eingriffe im Wege des Gesellschafterbeschlusses (§ 4), Eingriffe durch Geschäftsleiterhandeln (§ 6) und Eingriffe durch den Mehrheitsgesellschafter (§ 7).
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Weniger weitgehend, im Ansatz jedoch ähnlich für das Schweizer Recht Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 260. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006, S. 195.
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A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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2. Kapitel: Eingriffe durch Stimmrechtsausübung und Rechtsbehelfe gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse § 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung Mit seiner Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung erhält der Gesellschafter Gelegenheit, seinen Willen kundzutun und über die Geschicke der Gesellschaft zu entscheiden. Das Stimmrecht stellt daher ein besonders elementares Mitgliedschaftsrecht dar. Zugleich kann die Gesellschafterversammlung die Grundlagen des Verbandslebens verändern und hierdurch die durch Art. 14 I GG geschützte Rechtsstellung des einzelnen Gesellschafters (auch) zu dessen Nachteil beeinflussen. Daher stellt der Gesellschafterbeschluss auch das Hauptinstrument der Mehrheit dar, die eigene Rechtstellung zulasten der Minderheit auszuweiten.648 Da es sich bei dem Recht auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung und der Abstimmung um ein in der Mitgliedschaft wurzelndes elementares Mitgliedschaftsrecht handelt, kann sich der Gesellschafter bei seiner Ausübung auf Art. 14 I GG berufen.649 ___________ 648
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Zum rechtlichen Charakter des Beschlusses, insbesondere seiner Einordnung als Rechtsgeschäft Baltzer, Der Beschluß als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, 1965, S. 171–178. Dies folgt aus der Rechtsstellung des Gesellschafters, wonach Art. 14 I GG sämtliche Teilhaberechte umfasst; vgl. dazu für die Aktie BVerfG WM 1999, 1666, 1667; BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (Feldmühle); BVerfGE 50, 290, 341 f. (Mitbestimmung); BVerfGE 100, 289, 301 f. = NJW 1999, 3769, 3770 (DAT/Altana); BVerfG ZIP 1999, 1798, 1799 (Wenger/Daimler-Benz); BVerfG ZIP 1999, 1801, 1802 (Scheidematel II); BVerfG NJW 2001, 279 = ZIP 2000, 1670 (Moto-Meter); allgemein zur Gesellschafterstellung etwa Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1368; BVerfG NZG 2000, 192, 193: dem Aktionär stehen aus seiner Mitgliedschaft im Verband im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und der Gesellschaftssatzung Leitungsbefugnisse und vermögensrechtliche Ansprüche zu, die vom Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG erfasst werden; zur ökonomischen Begründung der aus der Mitgliedschaft folgenden Rechte des Gesellschafters vgl. Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, 2. Aufl. 2004, S. 264 f.; zu den Besonderheiten gegenüber dem Sacheigentum vgl. BVerfGE 50, 290, 342. Siehe dazu auch noch unter § 8. Wegen ihrer Bedeutung für eine wirksame Zweckverfolgung durch die Gesellschaft wird die Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung überdies als uneigennütziges bzw. gesellschaftsbezogenes Mitglied-
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
Die Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung ist daher in besonderem Maße von dem Konflikt gekennzeichnet, dass einerseits jeder Gesellschafter seinen eigenen Interessen Ausdruck verleihen will, andererseits die Rechtsstellung der Mitgesellschafter hierdurch Beeinträchtigungen ausgesetzt werden kann. Der allgemeine Ansatz, praktische Konkordanz der widerstreitenden Interessen durch einen verträglichen Ausgleich herbeizuführen, besitzt daher bei der Stimmrechtsausübung in Gesellschafterbeschlüssen einen besonderen Stellenwert und soll daher hier in der gebotenen Breite behandelt werden. Im Folgenden wird zunächst der bisherige Meinungsstand getrennt nach Rechtsprechung und Literatur darzustellen sein, bevor, aufbauend auf den unter § 3 erarbeiteten Grundlagen, das eigene Konzept entwickelt wird (unter A. III.). A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen I. Echte Inhalts- oder schlichte Missbrauchskontrolle nach Rechtsprechung und Literatur Ausgehend von dem gesicherten Erkenntnisstand, dass der Mehrheitswille dem Gesellschaftswillen nicht gleichzusetzen ist, wie es anfänglich der Rechtsprechung des Reichsgerichts entsprach,650 besteht Einigkeit darüber, dass ein Gesellschafterbeschluss einer Inhaltskontrolle grundsätzlich zugänglich sein muss. In welchen Situationen dies der Fall ist und nach welchen Kriterien sich eine derartige Inhaltsprüfung richtet, wird jedoch unterschiedlich beurteilt. Dabei lassen sich verallgemeinernd zwei Ansätze unterscheiden. Soweit eine bloße Missbrauchskontrolle erfolgt, ist im Ansatz von der Richtigkeitsgewähr eines mehrheitlich gefassten und formell ordnungsgemäß zustanden gekommenen Beschlusses auszugehen und nur im Einzelfall unter besonderen Voraussetzungen der Einwand zugelassen, dass ein Verstoß gegen Pflichten zu Rücksichtnahme und Interessen___________
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schaftsrecht eingeordnet. Der Gesellschafter unterliegen bei ihrer Ausübung nach allg. Meinung besonderen (gegenüber den eigennützigen Rechten erhöhten) Ausübungsschranken, vgl. Wellkamp, Aktionärsschutz, 1998, S. 2; Mäusl, Der Austritt eines GmbH-Gesellschafters auf schadensrechtlicher Grundlage, 2001, S. 103; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 23 f.; R. Fischer, NJW 1954, 777, 778 ff. Nach hier vertretener Ansicht (dazu § 3 D. IV. 2.) spielt diese Einordnung der Mitgliedschaftsrechte nach ihrer Zweckrichtung bei der Abwägung eine (gewisse) Rolle, da gemeinnützige ein höheres, eigennützige ein geringeres Gewicht besitzen. Neben dem Verweis auf §§ 1 A., 3 kann insoweit auch auf Röhricht, ZGR 1999, 445, 472, hingewiesen werden, der den heutigen Erkenntnisstand damit beschreibt, dass dem Aktiengesetz der Gedanke zugrunde liege, dass Entscheidungen der Gesellschaftsorgane, insbesondere Hauptversammlungsbeschlüsse, dem Interesse der Gesellschaft zu dienen haben und nicht den partikulären Interessen einzelner Organmitglieder, Aktionäre oder Aktionärsgruppen. Zur frühen Rechtsprechung des RG nochmals der Hinweis auf RGZ 68, 235, 245 f. (Hibernia).
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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wahrung vorliegt, der einzelne Gesellschafter in deren mitgliedschaftlichen Rechten verletzt. Wird hingegen eine echte Inhaltskontrolle zugrunde gelegt, bedarf es in jedem Einzelfall einer Überprüfung des Gesellschafterbeschlusses auf seine inhaltliche Richtigkeit anhand strenger Kriterien. Der Ausgangspunkt ist dabei gerade entgegengesetzt gewählt: Für eine Beeinträchtigung der Gesellschafter besteht keine anfängliche Richtigkeitsvermutung; vielmehr bedarf er einer legitimierenden Begründung. Der entscheidende Unterschied besteht für die überstimmten Gesellschafter darin, dass sie bei Geltung des ersten Ansatzes regelmäßig unterliegen werden, da die Vermutung inhaltlicher Richtigkeit gegen sie streitet, während ihre Erfolgsaussichten unter dem zweiten Ansatz deutlich besser ausfallen, da der Beschluss unter einem Rechtfertigungszwang steht. Für die beiden Ansätze sollen hier die Begriffe Missbrauchskontrolle und inhaltliche Rechtfertigungskontrolle (häufig materielle Beschlusskontrolle genannt) verwendet werden.
1. Die BGH-Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen Der BGH hat sich mit der Inhaltsprüfung von Gesellschafterbeschlüssen in einer Reihe von Entscheidungen befasst und sich dabei mal für eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle, mal für eine bloße Missbrauchskontrolle ausgesprochen. a) Beschlussgegenstände mit inhaltlicher Rechtfertigungskontrolle aa) Rechtfertigungskontrolle bei Ausschluss des Bezugsrechts Am häufigsten hat sich der BGH für den Ausschluss des Bezugsrechts auf neue Aktien mit den inhaltlichen Rechtmäßigkeitsanforderungen an einen Gesellschafterbeschluss befasst.651 Das Gericht urteilte hierzu, dass ein Bezugsrechtsausschluss nicht im freien Ermessen der Mehrheit stehe, sondern aufgrund der Auswirkungen auf die Rechtsstellung der betroffenen Aktionäre einer sachlichen Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse bedürfe. Im Wege einer Abwägung der beteiligten Interessen seien die Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck zu überprüfen.652 Als Ausgangspunkt dieser Prüfungsanforderungen betonte der BGH die besonders gravierenden Nachteile für die Rechtsstellung des betroffenen Aktionärs, die mit dem Bezugsrechtsausschluss einhergehen.653 ___________ 651 652
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Zum Minderheitsschutz beim Bezugsrechtsausschluss ausführlich unter § 15 B. BGHZ 33, 175, 186; BGHZ 71, 40, 44–46; BGHZ 83, 319, 321 = NJW 1978, 1316, 1317 (Kali + Salz); BGHZ 125, 239, 241 für die gewöhnliche Kapitalerhöhung gegen Einlagen und Kapitalbeschaffung durch genehmigtes Kapital nach §§ 202 ff. AktG. Zur Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit Art. 29 der Zweiten Richtlinie EuGH Rs. C-42/95 (Siemens/Nold), Slg. 1996-I 6017 = NJW 1997, 721. Vgl. dazu auch unter § 15 B. und die Nachweise in Fn. 2631. BGH NJW 1978, 1316, 1317 (Kali + Salz): „Der Ausschluß dieses Rechts führt stets dazu, daß der Anteil der betroffenen Aktionäre am Gesellschaftsvermögen mit dem entsprechenden Gewinn- und Liquidationsanteil mindestens relativ absinkt; zugleich verschieben sich die
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
Diese Rechtsprechung ist überwiegend auf Zustimmung gestoßen654 und wird auf den Bezugsechtsausschluss in der GmbH entsprechend angewandt.655 Der BGH hat an ihnen im Grundsatz auch in seinem Siemens/Nold-Urteil festgehalten, wenn sie auch im Interesse an einer flexiblen und handlungsfähigen Unternehmensführung beim genehmigten Kapital gelockert wurden. Der BGH führt aus, den Gesellschaften müsse es auf dem nationalen wie internationalen Markt möglich sein, rasch und erfolgreich auf vorteilhafte Angebote oder sonstige Gelegenheiten reagieren und Möglichkeiten zur Unternehmenserweiterung ausnutzen zu können.656 Dies sei unmöglich, wenn bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung feststehen müsse, dass der Ausschluss durch sachliche Gründe im Gesellschaftsinteresse gerechtfertigt sei, und alle maßgeblichen Einzelheiten den Aktionären schon zu diesem Zeitpunkt offen zu legen seien.657 Daher müsse es ausreichen, dass die Maßnahme, zu der die Hauptversammlung den Vorstand ermächtige, allgemein umschrieben und der Hauptversammlung bekannt gegeben werde. Anhand aller ihr bekannter Umstände habe die Hauptversammlung zu diesem Zeitpunkt zu prüfen, ob die Maßnahme im Gesellschaftsinteresse liege, und zwar anhand konkreter oder auch nur abstrakter Umstände, ja nachdem, welche Details ihr vor der Beschlussfassung mitgeteilt wurden.658 Darüber hinaus sei auch der Vorstand gehalten, anhand der ihm bekannten (detaillierteren) Informationen zu entscheiden, ob der Sachverhalt ausreiche, den Bezugsrechtsausschluss im Interesse der Gesellschaft zu rechtfertigen. In gleicher Weise habe er zu verfahren, wenn er aufgrund einer vorweggenommenen Ermächtigung der Hauptversammlung einen Bezugsrechtsausschluss der Aktionäre beschließe.659 ___________
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Stimmrechtsquoten, und zwar entweder zu Lasten aller Aktionäre, wenn nur Außenstehende bezugsberechtigt sind, oder bereits im Verhältnis der bisherigen Aktionäre untereinander, wenn sich – wie im vorliegenden Fall – das Bezugsrecht auf einen oder einen Teil von ihnen beschränkt. Das kann sich unter Umständen als Verlust einer Sperrminorität oder sogar von Minderheitsrechten, wie sie z. B. in §§ 93 IV 3, 142 II, 147 I oder § 309 III AktG bestimmt sind, auswirken. Auf der anderen Seite kann die Gesellschaft bei Zuteilung der neuen Aktien an einen Großaktionär (. . .) von diesem abhängig werden oder eine schon bestehende Abhängigkeit sich noch verstärken. Das kann wiederum für die nicht bezugsberechtigten Aktionäre einen Kursverlust zur Folge haben. Aber auch sonst erleiden die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre häufig insofern einen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil, als der innere Wert ihrer Beteiligung, je nach den Ausgabebedingungen für die neuen Aktien, verwässert wird, ohne daß sie hierfür in Gestalt des Bezugsrechts einen unmittelbaren Ausgleich erhalten.“ Dazu auch Bungert, WM 1995, 1, 9; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 186, Rn. 25 ff.; Lutter, ZGR 1979, 401, 403; Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 443; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 902 f. Siehe etwa Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2003, S. 283; Hommelhoff, ZHR 151 (1987), 493, 507–509; Lutter, ZGR 1979, 401; Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 442 ff. Siehe Hirte, in: Großkomm.-AktG, Stand 2001, § 202, Rn. 18; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 55, Rn. 26 f.; Priester, DB 1980, 1925, 1928 ff. Ausführlich dazu unter § 16 B. IV. BGHZ 136, 133, 136 = NJW 1997, 2815. BGHZ 136, 133, 137. BGHZ 136, 133, 139; bestätigend BGH NZG 2006, 229, 230. BGHZ 136, 133, 139.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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Damit hat der BGH die inhaltliche Prüfung des Bezugsrechtsausschlusses aus Praktikabilitätsgründen zwar teilweise von der Hauptversammlung auf den Vorstand verlagert, dabei am grundsätzlichen Erfordernis der sachlichen Rechtfertigung im Interesse der Gesellschaft aber festgehalten. Zugleich wurde das Erfordernis einer Abwägung der beteiligten Interessen aufgegeben. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Vorgaben wird im Besonderen Teil erfolgen.660 An dieser Stelle ist lediglich festzuhalten, dass die Rechtsprechung für den Bezugsrechtsausschluss von einem generellen inhaltlichen Rechtfertigungsbedarf ausgeht, wenn dessen Prüfungsintensität in den jüngsten Entscheidungen auch stark abgewertet wurde. bb) Befreiung von einem Wettbewerbsverbot Ein zweiter Beschlussgegenstand, den der BGH einem inhaltlichen Rechtfertigungszwang unterworfen hat, ist die Befreiung eines GmbH-Gesellschafters von einem in der Satzung bestimmten Wettbewerbsverbot durch einen Mehrheitsbeschluss, der die Gefahr begründet, dass die GmbH in die Abhängigkeit geführt wird. Nach Aussage des BGH „stellt die Abhängigkeit eine derart starke Gefahr für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit und damit den Bestand des Unternehmens dar, dass die Zustimmung zu einer in die Abhängigkeit führenden Befreiung vom Wettbewerbsverbot nicht im freien Ermessen der Mehrheit liegt“. Daraus folgt das Gericht, dass eine solche Befreiung grundsätzlich rechtswidrig ist, falls keine Rechtfertigung durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft besteht. Dabei handele es sich um eine zum reinen Mehrheitserfordernis hinzutretende sachliche Wirksamkeitsvoraussetzung der Befreiung vom Wettbewerbsverbot, die eine Abwägung der Interessen und die Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck einschließe.661 cc) Gewinnverwendungsbeschlüsse Einen weiteren Bereich, in dem Mehrheitsbeschlüsse nach der BGH-Rechtsprechung einer inhaltlichen Rechtfertigung bedürfen, stellen Gewinnverwendungsbeschlüsse dar. Nach Aussage des Gerichts steht die Entscheidung über die Ergebnisverwendung bei einer Kommanditgesellschaft nicht im Belieben der Gesellschafter, sondern sind die Ausschüttungsinteressen der einzelnen Gesellschafter gegenüber den Bedürfnissen der Selbstfinanzierung und Zukunftssicherung der Gesellschaft abzuwägen. Kriterium ist für den BGH, ob die Bildung von Rücklagen notwendig und überdies gegenüber dem Ausschüttungsinteresse der Gesellschafter als vor___________ 660 661
Unter § 15 B. III. BGHZ 80, 69, 74 = NJW 1981, 1512, 1514 (Süssen). I. E. ähnlich auch die Rechtslage in den USA, wo aus den fiduciary duties zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern ein grundsätzliches Wettbewerbesverbot gefolgert wird, unter besonderen Umständen und bei Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag jedoch Ausnahmen bestehen können, siehe McDonell v. Hunt Sports Enterprises, 725 N.E. 2 d 1193 (Ohio App. 1999).
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
rangig einzuordnen ist.662 Diese Grundsätze können für alle Personengesellschaften und die GmbH verallgemeinert werden, während für die Aktiengesellschaft andere Grundsätze gelten.663 Die inhaltliche Prüfung des Thesaurierungsbeschlusses wird von der Literatur dahingehend konkretisiert, dass sich das Gesellschaftsinteresse an einer Thesaurierung primär am Gesellschaftszweck und den zu seiner Realisierung erforderlichen Mitteln auszurichten hat. Die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, insbesondere ihre Ausstattung mit Eigenkapital und bereits vorhandene Rücklagen, sind von Bedeutung, während gesellschaftsfremde Interessen der Gesellschaftermehrheit, und zwar auch Konzerninteressen, außer Betracht bleiben. Auf Minderheitsseite ist demgegenüber nur das gesellschaftsbezogene Gewinnbezugsinteresse zu berücksichtigen, während sonstige Privatinteressen (etwa die individuelle Ausgabenplanung) unbeachtlich sind.664 Dabei ist als Maßstab eine objektive kaufmännische Beurteilung zugrunde zu legen.665 dd) Ausschluss des Gesellschafters Besonders nachhaltig wird ein Gesellschafter in seinen Mitgliedschaftsrechten betroffen, wenn ihn die Mehrheit gegen seinen Willen aus der Gesellschaft ausschließt. Ob ein entsprechender Ausschließungsbeschluss einer Rechtfertigung in Form eines wichtigen Grundes bedarf, wurde vom BGH zunächst verneint, dann jedoch bejaht. Die ablehnende Haltung wurde damit begründet, dass Vereinbarungen in Personengesellschaftsverträgen, wonach Gesellschafter ohne wichtigen Grund ausgeschlossen werden können, grundsätzlich ohne Weiteres zulässig seien.666 Das sollte auch für Kommanditisten gelten, die lediglich kapitalistisch betei___________ 662
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BGHZ 132, 263 = NJW 1996, 1678, 1681 unter Verweis auf RGZ 116, 119, 133; BGH BB 1976, 661; BGH WM 1973, 844, 846; vgl. auch OLG Hamm DB 1991, 2477 f.; Priester, FS Quack, 1991, S. 373, 391, wonach § 253 IV HGB die gesetzgeberische Wertung entnommen werden könne, dass den Thesaurierungsinteressen der Gesellschaft der Vorrang vor den Ausschüttungs- und Entnahmeinteressen der Gesellschafter zukomme; zustimmend die h.L, vgl. etwa Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl. 2010, § 29, Rn. 32; Schmidt-Diemitz, in: Schmidt/Riegger, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 79, 87 f. Hierzu im Einzelnen im Besonderen Teil unter § 16 A. Hommelhoff, ZGR 1986, 418, 426; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 29, Rn. 33. Vgl. Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 29, Rn. 21–26; zu Details des Abwägungsvorgangs und zulässiger Satzungsregelungen Schmidt-Diemitz, in: Schmidt/Riegger, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 79, 88 ff.; so auch OLG Hamm DB 1991, 2477. BGH WM 1962, 462, 463; BGH WM 1973, 326 f.; BGH WM 1973, 842: Es ist zulässig, im Gesellschaftsvertrag zu bestimmen, dass ein Kommanditist durch Beschluss der Gesellschaftermehrheit ohne Nachweis eines wichtigen oder sachlichen Grundes aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann. Wenig aussagekräftig demgegenüber die oft zitierte Entscheidung BGH WM 1961, 171, da der entzogene Gesellschaftsanteil unentgeltlich gewährt worden war.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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ligt waren, obwohl doch, wie das Gericht betonte, das Bedürfnis, einen solchen Gesellschafter auszuschließen, im Allgemeinen weniger groß sei.667 Seit einer Entscheidung aus dem Jahr 1978 steht der BGH nunmehr jedoch auf dem Standpunkt, dass eine Ausschlussklausel, die ohne sachlichen Grund ausgeübt werden kann, nichtig ist.668 Dies wird, wie im Einzelnen noch auszuführen sein wird, von der Literatur aus dem Grund gebilligt, dass eine Gesellschafterstellung, die unter der ständigen Bedrohung willkürlicher Beendigung steht, nicht wirksam wahrgenommen werden kann. Außerdem lasse sich der Widerspruch, einen Gesellschafter zwar einerseits aufzunehmen, andererseits aber „unter das Damoklesschwert ständiger Kündigungsmöglichkeit zu setzen“, nicht erklären.669 Der hiernach erforderliche sachliche Grund für den Ausschluss muss stets gesellschaftsbezogen sein, da das Gesellschaftsinteresse zwingend den Bezugspunkt einer Angemessenheitsprüfung bildet; dabei kommen auch personenbezogene Aspekte zum Tragen, da ein den Unternehmenszweck gefährdendes Verhalten des Gesellschafters stets auch dem Gesellschaftsinteresse zuwiderläuft. Bei dieser Prüfung ist nach der Art der Beteiligung zu differenzieren. Bei einem unternehmerisch beteiligten Gesellschafter spielt es eine Rolle, wie lange und mit welchem Erfolg er für das Unternehmen tätig war, während auf Seiten des Kapitalanlegers entscheidend sein kann, ob er den Ausschluss durch gesellschaftswidriges Verhalten selbst veranlasst hat.670 Diese Entscheidung steht zugleich an der Schnittstelle zweier unterschiedlicher Inhaltskontrollen, der des Gesellschaftsvertrages und der des Gesellschafterbeschlusses. Sie ist gleichwohl im hier interessierenden Zusammenhang bedeutsam, da die gesellschaftsvertraglich geschaffene Ermächtigung richtigerweise durchaus abstrakt gehalten sein kann, der konkrete Beschluss im Einzelfall jedoch einem inhaltlichen Rechtfertigungszwang unterliegt.671 ee) Eingriffe in den Kernbereich der Mitgliedschaft bei Personengesellschaften Im Personengesellschaftsrecht hat die Rechtsprechung zum Schutz des Minderheitsgesellschafters vor Mehrheitsbeschlüssen die Kernbereichslehre entwickelt. Werden im Gesellschaftsvertrag entgegen dem gesetzlichen Leitbild in §§ 115, 119 HGB einzelne Beschlussgegenstände dem Mehrheitsprinzip unterworfen, ist diese Abweichung regelmäßig zulässig. Davon nimmt die Rechtsprechung jedoch ___________ 667 668
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BGH WM 1973, 842, 843. Dazu BGHZ 16, 317, 322 f.; BGHZ 80, 346, 348 f.: Das Recht zur Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grunde beruht auf der Treuepflicht der Gesellschafter und dem vorgehenden Interesse der Gesellschafter an der Fortführung der Gesellschaft; für den Widerruf der Kommanditistenstellung BGHZ 68, 212, 214 f.; bestätigt in BGH WM 1978, 1044, wo zudem auch für Abfindungsklauseln danach unterschieden wurde, ob Kündigung mit oder ohne wichtigen Grund erfolgte. Wiedemann, ZGR 1980, 147, 154; ähnlich auch Schilling, ZGR 1979, 419, 422. Wiedemann, ZGR 1980, 147, 154. Ausführlich dazu unter § 9 A. II.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
solche Beschlussgegenstände aus, die sich als Eingriffe in den Kernbereich der Mitgliedschaft darstellen. Diese gelten regelmäßig als unentziehbar und bedürfen daher einer Zustimmung des betroffenen Gesellschafters.672 Eine Gegenausnahme lässt der BGH jedoch in den Fällen zu, in denen ein Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft zum Wohle der Gesellschaft erforderlich ist. Dieser Beschluss unterliegt dann jedoch einer strengen Inhaltskontrolle. Der damit verbundene Eingriff muss nach der Rechtsprechung des BGH im Gesellschaftsinteresse geboten sein und darf den Kläger unter Berücksichtigung seiner eigenen schützenswerten Belange nur im erforderlichen und verhältnismäßigen Maße belasten. Es darf also kein weniger belastendes Mittel zur Verfügung stehen, und eine Abwägung der Interessen von Gesellschaft und beeinträchtigtem Gesellschafter muss zugunsten der Gesellschaft ausfallen.673 b) Beschlussgegenstände mit reiner Missbrauchskontrolle aa) Auflösungsbeschlüsse nach BGH und BVerfG Dem steht eine zweite Gruppe von Beschlüssen gegenüber, die der BGH nur einer Missbrauchskontrolle unterworfen hat. Am häufigsten wurde dies für Auflösungsbeschlüsse ausgesprochen. Diese sollen nach einhelliger Rechtsprechung als autonome Entscheidung der Gesellschaftermehrheit, das investierte Kapital aus der Gesellschaft abzuziehen, von keiner sachlichen Rechtfertigung abhängig sein. Vielmehr trage ein Auflösungsbeschluss seine Rechtfertigung in sich.674 In den Schranken des Rechtsmissbrauchs dürfe die Mehrheit den Gesellschaftszweck daher beenden und zugleich die Rechte der Minderheit beseitigen.675 Nur soweit be___________ 672
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Vgl. BGH NJW 1995, 194, 195; BGH NJW 1985, 972, 973; BGH WM 1975, 662, 663; aus der gesellschaftlichen Treuepflicht kann sich jedoch die Verpflichtung der Minderheit zur Zustimmung ergeben, vgl. BGH NJW 1961, 724. BGH NJW 1983, 1056, 1059, ist nur noch bzgl. der Ausführungen zum Kernbereich einschlägig, Die übrigen Aussagen werden nunmehr durch die gesetzgeberischen Vorgaben im UmwG überlagert. Überholt ist daher, dass eine Umwandlung von der Mehrheit nicht dazu ausgenutzt werden dürfe, weitere, nicht durch die Umwandlung selbst oder ihre Gründe notwendig veranlasste Veränderungen der bestehenden Gesellschaftsstruktur zu beschließen. Ebenso, dass vielmehr der Charakter der Familiengesellschaft, die Grundzüge der Gesellschaftsorganisation, die Kompetenzen der Gesellschaftsorgane und die Rechtspositionen der einzelnen Gesellschafter im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen zu erhalten oder anzupassen und notwendige Veränderungen nur nach den Grundsätzen des geringstmöglichen Eingriffs vorzunehmen seien. Zu den Wertungen im UmwG näher im Besonderen Teil unter § 12. Zu diesen Kriterien und der aus der Treuepflicht abgeleiteten Duldungspflicht des Gesellschafters vgl. BGH NJW 1995, 194, 195; BGH NJW 1961, 724 f.; für Publikums-Kommanditgesellschaften BGH NJW 1985, 974, und BGH NJW 1985, 972, 973. Ausführlich zur Kernbereichslehre noch unter B. I. BGHZ 76, 352, 353. BGHZ 14, 26, 38; BGHZ 103, 184, 190 f. (Linotype); BGH ZIP 1988, 303, 304; zustimmend Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 305: die vermögensmäßige Gleichbehandlung aller Gesellschafter sei schon durch die gesetzlichen Liquidationsregeln gesichert.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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sondere Umstände vorliegen, die nicht bereits in der Entscheidung des Mehrheitsgesellschafters gesehen werden können, die Gesellschaft gegen den Willen der am Fortbestand interessierten Minderheit aufzulösen, kann nach dem BGH von einem derartigen Missbrauch ausgegangen werden.676 Für einen speziellen Fall eines Auflösungsbeschlusses, nämlich die übertragende Auflösung, wurde dies vom BVerfG bestätigt. Der Gesetzgeber habe das Anliegen, eine kleine Anzahl von Minderheitsaktionären aus der Gesellschaft auszuschließen, als grundsätzlich berechtigt anerkannt.677 Aus verfassungsrechtlichen Gründen, nämlich zum Schutz der Mitgliedschaft des Minderheitsaktionärs aus Art. 14 I GG, sei es nicht geboten, den Hauptversammlungsbeschluss einem sachlichen Rechtfertigungserfordernis zu unterwerfen. Vielmehr sei der Minderheitsaktionär nur gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht zu schützen, der aber nicht schon darin liege, dass ein Mehrheitsaktionär mit seiner Stimmenmehrheit das Ziel verfolge, sich der wenigen noch verbliebenen Minderheitsaktionäre zu entledigen, da es hierfür durchaus legitime Gründe geben könne.678 Schon an dieser Stelle ist auf die Besonderheiten des Falles hinzuweisen, wonach der Mehrheitsgesellschafter über eine Mehrheit von rund 99% des Aktienkapitals verfügte. Dabei handelt es sich, wie noch darzustellen sein wird, um eine Sondersituation, in der dem Mehrheitsgesellschafter eine „Beinahe- oder QuasiAlleineigentümerstellung“ zukommt. In diesem besonderen Fall erscheint es in der Tat angebracht, die Interessen des Mehrheitsgesellschafters an einem Ausschluss der Minderheit zu billigen und den Schutz der geradezu bedeutungslosen Mitverwaltungsrechte des Minderheitsaktionärs zu vernachlässigen. Unter der Voraussetzung, dass die Mehrheitsbeteiligung überragend ausfällt, kann die Kontrolle gänzlich auf die Vermögensinteressen des ausgeschlossenen Aktionärs verlagert werden.679
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BGHZ 76, 352, 353 f. = NJW 1980, 1278 f. Zu dieser Entscheidung, in der ein GmbHGesellschafter noch in der werbenden Phase den Übergang des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens auf sich betrieb, noch unter § 17. BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto Meter). BVerfG ZIP 2000, 1670, 1673 = NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter). Auf die Kritik an dieser Rechtsprechung, wonach das BVerfG die Interessen der Gesellschaftermehrheit überbetone und die der Minderheit herunterspiele, so Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1389 f., wird noch an anderer Stelle einzugehen sein. In der Tat unterschlägt das BVerfG, dass der Beteiligung als Aktionär nicht nur Erwartungen an den Kapitalmarkt zugrunde liegen, sondern auch eine Entscheidung für ein bestimmtes Unternehmen bestehen kann, jedenfalls bei nicht-notierten Aktiengesellschaften. Welche Konsequenzen sich daraus ableiten, wird unter B. I. 2. zu untersuchen sein. Damit kann über die Aussage des BVerfG ZIP 2000, 1670, 1673, wonach der Minderheitsaktionär gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht zwar geschützt werden muss, dem Mehrheitsaktionär jedoch durchaus legitime Gründe für den Ausschluss der Minderheit zustehen können, sogar hinausgegangen werden und gerade vom Erfordernis eines legitimen Eigeninteresses abgesehen werden. Siehe im Einzelnen hierzu unter § 9 C. II.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
bb) Börsenrückzug (Delisting) Auch für den Rückzug der Aktiengesellschaft von der Börse hat sich der BGH ausdrücklich gegen eine Rechtfertigungskontrolle ausgesprochen. Er betonte die rein vermögensorientierte Beteiligung des Aktionärs, die nur erfordere, dass er angemessen abgefunden werde.680 Der den Börsenrückzug betreffende Hauptversammlungsbeschluss solle inhaltlich nur darauf überprüft werden, ob ein Abfindungsangebot (überhaupt) abgegeben wurde. Gestützt auf die Annahme, der Aktionär einer börsennotierten Gesellschaft besitze nur ein Interesse daran, seinen Vermögenswert zu wahren und zu steigern, verfolge jedoch keine unternehmerischen Ziele, lehnte der BGH eine darüber hinausgehende Inhaltskontrolle und Interessenabwägung ab.681 cc) Nachträgliche Einführung eines Höchststimmrechts In einem anderen Fall hatte der BGH über die nachträgliche Einführung eines Höchststimmrechts zu entscheiden und urteilte, dass ein solches auch ohne Zustimmung der betroffenen Aktionäre zulässig sein müsse, da eine starke Mehrheit übergeordnete Unternehmensziele verfolgen und der Gesetzgeber diese auch bei Berücksichtigung des Gemeinwohls als gerechtfertigt betrachten dürfe. Dabei klingen die Urteilsgründe nach einer reinen Missbrauchskontrolle: „Auch bringt es die körperschaftliche Verfassung der Aktiengesellschaft mit sich, daß ein Aktionär unter Umständen selbst solche Eingriffe in sein Mitgliedschaftsrecht, die ihn unter den konkreten Umständen des Einzelfalles zugleich stärker als andere Gesellschafter belasten, in gewissen Grenzen hinnehmen muß, wenn eine genügend große Mehrheit es im Gesamtinteresse des Unternehmens für notwendig hält, der Gesetzgeber das damit verfolgte Ziel als schutzwürdig anerkennt und Willkür ausgeschlossen ist.“682 Auch eine andere Stelle deutet darauf hin: Der BGH fordert zwar einen legitimen Zweck im Interesse der Gesellschaft ein, lässt hinter diesen jedoch die Interessen der betroffen Gesellschafter ohne Einzelfallabwägung zurücktreten.683 ___________ 680 681 682 683
BGHZ 153, 47 = ZIP 2003, 387, 391 (Macrotron). BGHZ 153, 47 = ZIP 2003, 387, 391. BGHZ 70, 117, 125 (Mannesmann). BGHZ 70, 117, 125 = NJW 1978, 540, 541: „Auf der anderen Seite konnte von jeher für eine Aktiengesellschaft die Notwendigkeit auftreten, sich gegen eine Überfremdung vom Inland oder Ausland her abzuschirmen, die Unabhängigkeit des Vorstands zu stärken, Kleinaktionäre gegen einen zu großen Einfluß von Paketinhabern zu schützen und so den Charakter einer Publikumsgesellschaft, dem ursprünglichen gesetzlichen Leitbild entsprechend, zu wahren. Ein Mittel hierzu ist auch die Stimmrechtsbeschränkung. Eine Lage, die den Einsatz dieses Mittels angezeigt erscheinen läßt, kann sich aber nicht nur bei Gründung der Gesellschaft, sondern vor allem auch später und gerade dann ergeben, wenn einer oder mehrere Gesellschafter bereits ein größeres Aktienpaket besitzen. Es bestanden daher hinreichende Gründe, § 252 I HGB und § 114 I AktG 1937 dahin auszulegen, daß es – abgesehen von dem später aufgestellten Erfordernis der behördlichen Genehmigung – der freien Entscheidung der Gesellschaften überlassen war, den Schutz des Unternehmens und der Kleinaktionäre vor uner-
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
165
dd) Kapitalherabsetzung durch Zusammenlegung von Aktien In einer weiteren Entscheidung bejahte der BGH ausdrücklich den Eingriff in die mitgliedschaftliche Stellung der Aktionäre, wenn das Grundkapital durch Zusammenlegung von Aktien herabgesetzt wird und den Minderheitsaktionären nur Spitzen verbleiben. Eine sachliche Rechtfertigung des Beschlusses sei jedoch nicht erforderlich, da diese bereits in der gesetzlichen Regelung enthalten sei, die zu diesem Vorgehen ermächtige.684 Mit anderen Worten drückt der BGH in dieser Entscheidung aus, dass an sich zwar eine sachliche Rechtfertigung erforderlich ist, diese jedoch vom Gesetzgeber für den Regelfall in einer Bestimmung vorweggenommen wurde, so dass eine Einzelfallprüfung nicht mehr als rechtfertigende Inhaltskontrolle erfolgt, sondern nur noch die Besonderheiten des Einzelfalls im Wege einer Missbrauchskontrolle zu überprüfen sind. c) Bewertung der Ansätze des BGH Wie gezeigt, hat sich der BGH in einigen Entscheidungen mit verallgemeinerungsfähiger Begründung für eine sachliche Rechtfertigung ausgesprochen, hiervon in anderen Fällen aber fast ebenso breitenwirksam Abstand genommen. Der Rechtsprechung des BGH wird vereinzelt entnommen, dass in die Mitgliedschaft einzelner Gesellschafter eingreifende Beschlüsse einer rechtfertigenden Inhaltskontrolle bedürfen, sofern nicht Ausnahmen – insbesondere eine vorweggenommene Wertungsentscheidung des Gesetzgebers – dieses Kriterium überflüssig machen.685 Tatsächlich lässt sich in den angeführten Entscheidungen eine derartige Tendenz erkennen. Auffällig ist, dass der BGH in den Fällen einer Inhaltskontrolle regelmäßig die besonders gravierende Wirkung des Eingriffs in die mitgliedschaftlichen Rechte des betroffenen Gesellschafters betont. So drohen in den Fällen des Bezugsrechtsausschlusses die Verringerung des Anteils der betroffenen Aktionäre am Gesellschaftsvermögen, die Verschiebung der Stimmrechtsquoten, der potentielle Verlust von Sperrminoritäten oder Minderheitsrechten und jedenfalls ein mit der Verwässerung der Beteiligung einhergehender wirtschaftlicher Nachteil.686 Gleiches gilt für den Ausschluss des Gesellschafters als wohl gravierendsten Eingriff in die Mitgliedschaft.687 Selbstredend wiegen auch Eingriffe in ___________ 684 685
686 687
wünschten Einflüssen höher zu bewerten als das Interesse einzelner Aktionäre an der Erhaltung oder Verstärkung ihrer vollen Stimmrechtsmacht (. . .)“. BGHZ 138, 71, 76 (Sachsenmilch). Zu dieser Entscheidung ausführlich im Besonderen Teil unter § 9 C. VI. So das Fazit von Krieger, ZGR 2000, 885, 888; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 32. Nach anderer Ansicht fehlt es hingegen an einem klaren Konzept, vgl. Baums, Ausschluss von Minderheitsaktionären, 2001, S. 42. Hieraus wird mitunter gefolgert, dass sich die Rechtsprechung gegen eine generelle Inhaltskontrolle von Mehrheitsentscheidungen ausgesprochen habe und vielmehr nur für einzelne Beschlussgegenstände eine Rechtfertigung fordere, siehe Timm, ZGR 1987, 403, 415. BGH NJW 1978, 1316, 1317 (Kali + Salz). BGHZ 9, 157, 163; BGHZ 16, 317, 322; BGHZ 80, 346, 348 f.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
den Kernbereich der Mitgliedschaft besonders schwer.688 Bei der Befreiung von einem Wettbewerbsverbot sind es die gravierenden Auswirkungen für die Gesellschaft und reflexartig die übrigen Gesellschafter, die eine Inhaltskontrolle notwendig machen.689 Bei den Gewinnverwendungsbeschlüssen ist entscheidend, dass in den Personengesellschaften die Ausschüttung des gesamten Gewinns den Regelfall bildet und der vermögensrechtliche Anspruch des Gesellschafters daher empfindlich betroffen ist.690 Im Gegensatz hierzu reicht eine bloße Missbrauchskontrolle jedenfalls in den Fällen aus, in denen der Gesetzgeber nach Interpretation des BGH eine abschließende Interessenabwägung vorgenommen und den Eingriff daher generell gebilligt hat. Davon geht das Gericht bei Auflösungsbeschlüssen, der Einführung von Höchststimmrechten und der Zusammenlegung von Aktien aus.691 Daneben soll der rein vermögensorientierte Aktionär des in der Inhaltskontrolle wurzelnden Schutzes nicht bedürfen, da er nur an einer vollwertigen Abfindung interessiert sein kann.692 Ob das im Einzelnen Zustimmung verdient, soll an dieser Stelle noch offen bleiben. Hierzu werden der eigene Ansatz unter III. und die Darstellungen im Besonderen Teil Aufschluss geben. Nach allem lässt sich daher festhalten, dass sich in der Rechtsprechung des BGH die Tendenz erkennen lässt, jedenfalls bei gravierenden Eingriffen in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters, daneben aber auch bei gravierenden Beeinträchtigungen des Gesellschaftsinteresses eine Inhaltskontrolle zu fordern, bei abschließender Interessenabwägung im Gesetz oder reiner Anlagebeteiligung des Gesellschafters hingegen nur eine Missbrauchskontrolle zuzulassen.693
2. Die Literaturstimmen zur Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen Für die Literatur wird die Frage nach einer inhaltlichen Rechtfertigung des Gesellschafterbeschlusses von dem Konflikt bestimmt, dass einerseits jeder Gesellschaf___________ 688 689 690 691
692 693
Dazu nochmals der Hinweis auf BGH NJW 1995, 194, 195; BGH NJW 1961, 724 f.; BGH NJW 1985, 974; BGH NJW 1985, 972, 973. BGHZ 80, 69, 74 = NJW 1981, 1512, 1514 (Süssen): starke Gefahr für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit und damit den Bestand des Unternehmens. BGHZ 132, 263 = NJW 1996, 1678, 1681. Nochmals der Hinweis auf BGHZ 14, 26, 38; BGHZ 76, 352, 353; BGHZ 103, 184, 190 f. (Linotype); BGH ZIP 1988, 303, 304 (Auflösungsbeschlüsse); BGHZ 70, 117, 125 (Höchststimmrechte); BGHZ 138, 71, 76 (Kapitalherabsetzung durch Zusammenlegung von Aktien). BGHZ 153, 47 = ZIP 2003, 387, 391 (Macrotron). K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 614 f.; ders., in: Großkomm.-AktG, Stand 1996, § 243, Rn. 46, interpretiert die Rechtsprechung dahin, dass Beschlüsse, von denen keine gezielte Beeinträchtigung der Minderheit ausgeht oder die in gesetzlichen Ermächtigungen vorgeprägt sind, keiner sachlichen Rechtfertigung bedürfen. Insgesamt ist Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 310, in seiner Bewertung beizutreten, dass die Fragen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Anforderungen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer Inhaltskontrolle zu unterwerfen sind, als bislang nicht abschließend geklärt gelten müssen.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
167
ter seine Stimme nach eigenem Gutdünken abgeben dürfen soll, andererseits aber die Pflichtbindungen in der Gesellschaft Verhaltensregeln vorgeben, zu denen auch Stimmbindungen gehören können. Eine generelle Stimmbindung wird nahezu einhellig abgelehnt, da es hierzu an einer Grundlage fehle, insbesondere die Verpflichtung auf den Gesellschaftszweck alleine eine Pflicht zu zweckmäßiger Stimmabgabe nicht zu begründen vermöge.694 Das verdient im Grundsatz auch Zustimmung. Soweit es nur um die strategische Ausrichtung der Gesellschaft geht, die Geschäftsleitung zur Wahl steht oder Entlastung begehrt oder allgemein Vorgänge der Geschäftsführung zur Abstimmung stehen, gibt es zwar häufig betriebswirtschaftlich sinnvolle und weniger sinnvolle Entscheidungen, doch kann dies nicht zum entscheidenden Kriterium erhoben werden. Im Ausgangspunkt muss die Gesellschaft ihre inneren Angelegenheiten autonom handhaben können, so dass Beschneidungen der Abstimmungsfreiheit der Gesellschafterversammlung und Übergriffe des Zivilrichters auf die Bereiche unternehmerischen Handelns und Ermessens soweit zu vermeiden sind, wie dies mit verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist.695 Dieser privatautonome Freiraum darf jedoch, das wurde unter § 3 ausführlich begründet, nicht dazu benutzt werden, die Eigeninteressen zu fördern und jedem Gesellschafter schrankenlos zu gestatten, sich rücksichtslos von seinen eigenen Vorstellungen leiten zu lassen. Die unter § 3 entwickelten Vorgaben des Verfassungsrechts gebieten, die Schranken der Binnenautonomie dort zu ziehen, wo die Rechte der Mitgesellschafter unmittelbar oder mittelbar betroffen werden. Etliche Stimmen in der Literatur sprechen sich daher zugunsten einer Inhaltskontrolle in den Fällen aus, in denen die überstimmte Minderheit in ihrer mitgliedschaftlichen Rechtsstellung beeinträchtigt wird. Wegen zahlreicher dabei angenommener Ausnahmen unterscheiden sich diese Stimmen jedoch bei Reichweite und dogmatischem Ansatz mitunter bedeutend. Vor allem wird die Frage, inwieweit ein finanzieller Ausgleich von inhaltlichen Rechtfertigungszwängen zu befreien vermag, unterschiedlich beantwortet. a) Inhaltskontrolle bei Rechtseingriffen Nach Lutter696 bedürfen Mehrheitsentscheidungen einer sachlichen Rechtfertigung, wenn sie zu einem schwerwiegenden Eingriff in die Mitgliedschaft der ___________ 694
695
696
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 614 f. Wie im Folgenden zu erörtern sein wird, ist es nach h. M. vielmehr der mit dem Beschluss verbundene Eingriff in die Mitgliedschaft der Mitgesellschafter, der eine Stimmpflicht begründen kann. Auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 90 f., zieht die Zweckbindung nur heran, wenn zusätzlich ein Eingriff in die Mitgliedschaft vorliegt, dazu sogleich unter a). Im Grundsatz Jung, Der Unternehmergesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 211, der die Einschränkung der verfassungsrechtlichen Vorgaben jedoch nicht erwähnt und diesen Ausgangspunkt verwendet, um sich gegen eine inhaltliche Beschlusskontrolle auszusprechen. Lutter, ZGR 1981, 171, 174 ff.; ders., ZGR 1979, 401, 411 ff.
168
§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
Minderheitsgesellschafter führen.697 Sie sind nur soweit zulässig, wie sie durch sachliche Gründe im Gesellschaftsinteresse gerechtfertigt sind, wobei sich die Prüfung der Rechtfertigung anhand einer Abwägung der beteiligten Interessen und der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck vollzieht.698 Beachtlich ist dabei vor allem, ob sich der Gesellschafter auch an anderen Gesellschaften unternehmerisch beteiligt. Diese außergesellschaftliche Position der Mehrheit kann zu einer graduellen Abstufung der Rechtfertigungsintensität führen: Je stärker sich die Mehrheit auch in anderen Gesellschaften unternehmerisch engagiert, desto höher müssen die Anforderungen an die Rechtfertigung eines die Minderheit beeinträchtigenden Beschlusses ausfallen. Angeknüpft wird dieser Rechtfertigungszwang an der Tatsache, dass der Mehrheitsgesellschafter ebenso wie jeder andere Gesellschafter dazu verpflichtet ist, den gemeinsamen Zweck zu fördern.699 Dabei will ihm Lutter allerdings einen unternehmerischen Ermessensspielraum zugestehen.700 Wegen seiner Komplexität und der besonderen Prognoseschwierigkeiten entziehe sich unternehmerisches Handeln weitgehend der judiziellen Kontrolle. Daher müsse vermieden werden, dass sich die richterliche Rechtskontrolle zu einem externen Durchgriff auf die unternehmenspolitische Entscheidungsautonomie entwickele.701 Folglich könne und dürfe ein Gericht nicht jede Maßnahme im Detail auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftszweck überprüfen. Im Bereich geschäftsführungsrelevanter Beschlüsse reduziere sich die richterliche Überprüfungszuständigkeit vielmehr auf die Kontrolle von Ermessensfehlgebrauch.702 Schließlich scheidet eine materielle Beschlusskontrolle nach Lutter ganz aus, wenn der Gesetzgeber bereits die notwendige Abwägung zwischen den Belangen der Gesellschafter und dem Interesse der Gesellschaft vorweggenommen hat.703 Dem schließt sich Timm an: Im Grundsatz bedürfe jeder Eingriff der Mehrheit in Positionen der Minderheit einer sachlichen Rechtfertigung unter den Gesichtspunkten der Erforderlichkeit und der Angemessenheit. Diese Abwägung könne aber vom Gesetz vorweggenommen worden sein, insbesondere indem das Gesetz selbst ___________ 697 698
699 700
701 702 703
Lutter, ZGR 1979, 401, 411. Siehe dazu auch Flume, ZIP 1996, 161, 164, der aus der Machtstellung der Mehrheit, zugleich auch für die Minderheit beschließen zu können, folgert, dass die Ausübung des Stimmrechts auf das Gesellschaftsinteresse gerichtet sein muss. Zu der Begründung der Zweckförderungspflicht aus der Mitgliedschaft und ihrem Inhalt näher Lutter, AcP 180 (1980), 84, 90 f. Darauf weist auch etwa Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 446, in aller Deutlichkeit hin: „Das Defizit an normativer Pflichtbindung beruht (. . .) auch auf der Erkenntnis, daß unternehmerisches Handeln wegen seiner Komplexität und der besonderen Prognoseschwierigkeiten sich einer judiziellen Kontrolle weitgehend entzieht“. Lutter, ZGR 1979, 401 407 f. Lutter, ZGR 1981, 171, 174 ff. Lutter, ZGR 1979, 401, 411, mit dem zutreffenden Verweis darauf, dass der BGH in der Mannesmann-Entscheidung (BGHZ 70, 117) darauf hingewiesen habe, dass im Gegensatz zum Bezugsrechtsausschluss die Einführung von Höchststimmrechten keiner sachlichen Rechtfertigung bedürfe, weil der Gesetzgeber dort die notwendige Abwägung schon vorweggenommen habe.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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für einen ausreichenden materiellen Ausgleich der Minderheitsaktionäre sorge wie etwa in §§ 291 ff., 305 ff. AktG. Außerdem scheide eine sachliche Rechtfertigung aus, wenn die gemeinsame Zweckbindung der Gesellschafter nicht mehr bestehe.704 Auch Zöllner plädiert für eine Inhaltskontrolle von Beschlüssen, wenn durch diese die mitgliedschaftlichen Rechte einzelner Gesellschafter beeinträchtigt oder sogar entzogen werden. Beim Bezugsrechtsausschluss, bei der Zusammenlegung von Aktien, der Verschmelzung, der Verpflichtung zur Gewinnabführung, der Eingliederung durch Mehrheitsbeschluss und bei verschiedenen Formen der Umwandlung müsse der Beschluss den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entsprechen. Die mitgliedschaftlichen Interessen der Mitgesellschafter dürften nur in angemessenem Verhältnis zu dem angestrebten Ziel betroffen sein und nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit nur das schonendste Mittel angewandt werden.705 Was die Verfolgung von Eigeninteressen angeht, unterscheidet Zöllner: Bei Maßnahmen der Geschäftsführung schließt er aus, dass die Gesellschafter Eigeninteressen verfolgen. Vielmehr dürfen sie ihr Abstimmungsverhalten nur an den Verbandsinteressen ausrichten. Anders sei dies jedoch bei Maßnahmen, bei denen aus der Natur der Sache ausscheide, sich am Gesellschaftsinteresse zu orientieren, weil der Beschluss diesem Interesse notwendigerweise gerade widerspreche. Als Anwendungsfall führt er die Auflösung der Gesellschaft an, die jederzeit und nicht etwa nur dann möglich sei, wenn der Gesellschaftszweck erreicht oder unmöglich werde. In den dazwischen liegenden Fällen komme es auf die Relation der beteiligten Interessen und die Intensität der individuellen Betroffenheit im Einzelfall an, wobei für die Verpflichtung, das Verbandsinteresse zu beachten, entscheidend sei, wie nahe der Beschlussgegenstand seinem Wesen nach an dem Gegenstand des verfolgten Zwecks liege. Dabei bestehe eine Relation zwischen dem Maß des Einflusses in der Gesellschaft und der Verpflichtung auf das Verbandsinteresse. Namentlich bei der Verkürzung mitgliedschaftlicher Rechte der Mitgesellschafter durch Satzungsänderungen sei der beherrschende Mehrheitsgesellschafter auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verwiesen.706 Martens weist für die Aktiengesellschaft darauf hin, dass die Besonderheiten der gesellschafterlichen Verbindung außer Acht blieben, wenn man Beschlüsse nur einer allgemeinen zivilrechtlichen Kontrolle anhand des Verbots sittenwidriger Schädigung und der Verfolgung von Sondervorteilen unterwerfe. Dies laufe darauf hinaus, nur die allgemeinen Schranken jeden privatrechtlichen Handelns anzuwenden. Ein solches Verständnis bedeute jedoch Willkürfreiheit der Mehrheit. Eine inhaltliche Beschlusskontrolle trage hingegen der grundrechtlich aufgegebenen Sozialbindung der Rechtsbefugnisse, die mit der Gesellschafterstellung ___________ 704 705 706
Timm, JZ 1980, 665, 667 f. Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 349 ff. Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 344 ff.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
verbunden sind, Rechnung. Auch garantiere sie, dass sich die unternehmerische Binnenordnung an gerechten Prinzipien orientiere und insgesamt funktioniere.707 Daher müsse materielle Verantwortlichkeit nicht nur einen punktuellen, sondern den allgemeinen Maßstab für das gesamte Verhalten bei Ausübung aktienrechtlicher Beschlusskompetenzen bilden. Graduell sei dabei danach abzustufen, mit welcher Intensität der konkrete Mehrheitsbeschluss auf die Interessen der Minderheitsaktionäre einwirke und wie hoch diese Minderheitsinteressen im Vergleich zu den gegenläufigen Mehrheitsinteressen zu bemessen seien. Liege ein massiver Eingriff vor, reiche es nicht etwa aus, dem Aktionär Abfindungs- und Ausgleichsansprüche zuzugestehen. Vielmehr könne aus einer Entschädigungspflicht keine sachliche Rechtfertigung für den Eingriffstatbestand abgeleitet werden.708 Auch Hüffer709 vertritt die Auffassung, dass im Grundsatz sämtliche für die Minderheit nachteiligen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer materiellen Beschlusskontrolle zugänglich sind.710 Grundlage hierfür sei die jedem Gesellschafter obliegende mitgliedschaftliche Treuepflicht. Die Treuepflicht gebiete, nur dann in die Mitgliedschaft eines Gesellschafters einzugreifen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt sei. Jeder Eingriff sei daher unter Bezug auf das Gesellschaftsinteresse am Maßstab der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu messen.711 Daher sollen alle Grundlagenbeschlüsse einer materiellen Kontrolle bedürfen, da in diesem Bereich die Treuebindungen der Gesellschafter besondere Bedeutung besitzen.712 Eine Beschlusskontrolle scheide hingegen aus, wenn sich aus dem Gesetz eine gegenteilige Wertung ergebe. Das sei der Fall, wenn das Gesetz einen Eingriff in die Mitgliedschaft rechtfertigungsfrei stelle oder die Rechtfertigung in einer normativen Abwägung vorwegnehme.713 Um den Minderheitsgesellschafter auch in diesen Fällen vor Willkür zu schützen, verbleibe es bei einer Kontrolle anhand allgemeiner Grundsätze, nämlich dem Gleichbehandlungsgebot und dem Verbot des ___________ 707 708
709
710 711 712 713
Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 444 ff. Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 444–446; ders., ZGR 1979, 493, 496 f. Siehe rechtskonstruktiv ähnlich für den Bezugsrechtsausschluss auch Natterer, AG 2001, 629, 632: „Erkennt man das Bezugsrecht als Recht des Aktionärs auf weitere Beteiligung an seiner Gesellschaft, so bedarf es zur Begründung der sachlichen Kontrolle des Entzugs dieses Rechts keines Rückgriffs auf Treuepflichten oder ‚übergeordnete Rechtsprinzipien’. Aus der Ausgestaltung des Bezugsrechts als aus der Mitgliedschaft fließendes subjektives Recht des Aktionärs auf weitere Beteiligung folgt, dass dieses durch den Beitritt dem Mitglied eingeräumte subjektive Recht diesem nicht beliebig entzogen werden kann“. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 22–28; ders., in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 53–56; im Ganzen zustimmend Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 14, Rn. 26–33. Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 63. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 24; ders., in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 57. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 27; ders., in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 55–57. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 24; ders., in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 57.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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Ermessensmissbrauchs („Kontrolle erster Stufe“).714 Stets sei auch auf die Realstruktur der Gesellschaft einzugehen und zwischen mitglieds- und personenbezogenen Gesellschaften einerseits und Publikumsgesellschaften mit Großunternehmen andererseits zu differenzieren.715 Ähnlich argumentiert Wiedemann.716 Er geht davon aus, dass ein Gesellschafterbeschluss in den Fällen der Beeinträchtigung der Minderheit rechtfertigungsbedürftig ist. Die Mehrheit müsse nachweisen, dass ihr Vorgehen im Gesellschaftsinteresse sachlich vertretbar sei und auf die mitgliedschaftlichen Interessen der Minderheit angemessen Rücksicht nehme. Habe nun der Gesetzgeber die Abwägung der Belange der betroffenen Gesellschafter bereits vorweggenommen, genüge der Mehrheitsbeschluss als solcher, ohne dass eine Rechtfertigung hinzutreten müsse. Eine Grenze bilde dann nur das allgemeine Missbrauchsverbot.717 Nach Bachmann bedürfen alle Gesellschafterbeschlüsse, die nicht vom Konsens aller getragen werden, wegen der damit verbundenen Zwangswirkung als zusätzliche Legitimation einer inhaltlichen Rechtfertigung, auch wenn dies, wie von vielen Stimmen abgelehnt, auf eine generelle Inhaltskontrolle aller Mehrheitsbeschlüsse hinausläuft. Der Gesellschafter unterliege in jedem Gesellschaftstyp gegenüber der Gesellschaft und den übrigen Gesellschaftern einem allgemeinen Ausbeutungsverbot. Entscheidend sei daher stets, dass bei einem Beschluss das Gruppenwohl bei jeder Abweichung vom Prinzip des Generalkonsenses gewahrt werde. Der Regelsetzer, hier die den Beschluss tragende Mehrheit, müsse das Gruppenwohl verfolgen und handele als Treuhänder des Regelunterworfenen, also der dissentierenden Minderheit. Die überstimmte Minderheit wiederum sei durch die auch sie treffende Verpflichtung auf das Gemeinwohl an die mit den Stimmen der Mehrheit gefassten Beschlüsse gebunden, soweit sie einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle standhalten. Nur ausnahmsweise könne auf eine inhaltliche Rechtfertigung verzichtet werden, wenn die Gesetze des Marktes und Entschädigungspflichten dafür sorgen, dass eine Ausbeutung der Minderheitsgesellschafter verhindert wird.718 Auch Flume verpflichtet die Mitglieder der juristischen Person auf deren Interessen. Dies folge jedoch nicht aus der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Mitgesellschafter, sondern daraus, dass die Entscheidungsautonomie den Mitgliedern nur „als Befugnis zustehe, den Willen der juristischen Person in der Verfolgung der Interessen der juristischen Person herzustellen“.719 ___________ 714 715 716
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Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 27 i. V. m. Rn. 26, 29. Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 55. Wiedemann, ZGR 1980, 147, 157; ähnlich Guntz, Treubindungen von Minderheitsaktionären, 1997, S. 103: „Der Grundsatz der Gemeinverantwortung ist (. . .) allen Rechten immanent, die aus der Mitgliedschaft folgen; denn nur im Interesse der Funktionsfähigkeit des Ganzen, nicht aber zur Befriedigung ihrer Partikularinteressen, gewährt das Aktienrecht einzelnen Mitgliedern die Befugnis, auch über die Interessen der anderen mitzuentscheiden“. So auch BVerfGE 14, 263 (Feldmühle); BGHZ 71, 40, 45 (Kali + Salz). Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 208–214. Flume, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, Band I/2, 1983, S. 210–212.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
b) Freie Entscheidungsgewalt nur bei Wahrnehmung der eigenen Quote Grundmann unterscheidet Bereiche, in denen die Gesellschafter Eigeninteressen zu verfolgen berechtigt sind, von solchen, in denen sie Fremdinteressen treuhänderisch wahrnehmen. 720 Die Grenze verlaufe bei der Veränderung der mit eigenem Kapitaleinsatz erworbenen Quote zu Lasten der Mitgesellschafter. Außerhalb der eigenen Quote sei das Stimmverhalten des Gesellschafters an die Interessen der Mitgesellschafter gebunden, während innerhalb zwar Eigeninteressen verfolgt werden dürften, die Verpflichtung auf den gemeinsamen Zweck dem freien Stimmrechtausübungsermessen jedoch auch hier Grenzen ziehe. Grundlage dieser inhaltlichen Stimmrechtsbindung sei daher die Zweckförderungspflicht der Gesellschafter. Zwar sei der Mehrheit auch dabei ein Entscheidungsspielraum zuzugestehen; dieser sei jedoch überschritten, wenn sich eine Entscheidung finden lasse, die zur Umsetzung des Gesellschaftszwecks unzweifelhaft geeigneter ist und zudem für die dissentierende Minderheit weniger beeinträchtigend wirkt. c) Inhaltskontrolle bei Verschiebung der Machtbalance Nach T. Raiser721 kommt es für eine materielle Beschlusskontrolle entscheidend darauf an, ob sich die Position der Minderheitsgesellschafter, ihr Einfluss auf das Unternehmen oder ihre Chancen auf Beteiligung am Unternehmensertrag nachhaltig und strukturell verschlechtern. Daher scheide eine Beschlusskontrolle für Maßnahmen der gewöhnlichen Geschäftsführung aus.722 Hingegen befürwortet er eine sorgfältige Analyse aller über die laufende Geschäftsführung hinausgehender Beschlüsse, welche die Struktur der Gesellschaft verändern und hierdurch den Einfluss der Minderheitsgesellschafter auf die Geschäftspolitik und ihre Gewinnchancen nachhaltig vermindern können. Hiervon seien in erster Linie Grundlagenbeschlüsse, etwa die Änderung des Unternehmensgegenstandes oder Umwandlungsvorgänge erfasst, aber auch andere Beschlüsse, durch welche sich Herrschaftspositionen strukturell verfestigen, soweit die Minderheit diese nicht hinzunehmen brauche. Als Beispiele führt er die nachträgliche Vinkulierung von Geschäftsanteilen, die Begründung von Sonderrechten zugunsten einzelner Gesellschafter und die Bestellung zum Geschäftsführer mit erheblichen Kompetenzen und schwer widerruflicher Position an. Insgesamt könne als Kriterium dienen, ob der Beschluss die im Gesellschaftsvertrag begründete Balance zwischen den Gesellschaftern oder Gesellschaftergruppen verschiebt.723 Wimmer-Leonhardt sieht den Grund für die materielle Beschlusskontrolle, die darin liegende Anknüpfung an die aus dem öffentlichen Recht bekannten Kriterien und die Anwendung der Grundsätze des Grundgesetzes in dem Machtgefälle von Mehrheit und Minderheit. Dieses Machtgefälle führe zu gesteigerten Treuepflichten des beherrschenden Mehrheitsgesellschafters und zu einer materiellen Be___________ 720 721 722 723
Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 269–278, insb. 276 f. Hachenburg/Raiser, GmbHG, Band II, 8. Aufl. 1997, Anh § 47, Rn. 123–129. Hachenburg/Raiser, GmbHG, Band II, 8. Aufl. 1997, Anh § 47, Rn. 127. Hachenburg/Raiser, GmbHG, Band II, 8. Aufl. 1997, Anh § 47, Rn. 129.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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schlusskontrolle. Der Mehrheitsgesellschafter sei bei Ausübung seiner besonderen Machtposition einer Verhältnismäßigkeitskontrolle zu unterwerfen. Dabei müsse eine Entscheidung, die in die Rechte anderer Mitglieder eingreife, umso stärker aus dem gemeinsamen Ziel heraus legitimiert sein, je stärker der Eingriff ausfalle. In den übrigen Fällen trage eine Mehrheitsentscheidung ihre Rechtfertigung hingegen in sich.724 Ähnlich im Ansatz will Hirte725 eine inhaltliche Beschlusskontrolle auf die Fälle beschränken, in denen die Beteiligungsverhältnisse in der Aktiengesellschaft verändert werden, insbesondere in den Fällen, in denen in diese zugunsten bislang außenstehender Dritter eingegriffen wird. d) Inhaltskontrolle als Ausnahmeerscheinung K. Schmidt726 unterscheidet Mehrheitsentscheidungen, die eine sachliche Rechtfertigung in sich tragen, von solchen, die einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen. Erstere sollen nur einer Kontrolle anhand der Treuepflicht unterliegen, letztere einer inhaltlichen Beschlusskontrolle, mit der die objektive Rechtfertigung, insbesondere die Zweckmäßigkeit des Beschlusses überprüft wird. Zur ersten Gruppe sollen insbesondere die gesetzlich standardisierten Grundlagenbeschlüsse zählen, im Einzelnen Beschlüsse über Unternehmensverträge, formwechselnde Umwandlungsbeschlüsse, Verschmelzungsbeschlüsse und Spaltungsbeschlüsse nach dem UmwG. Der Gesetzgeber überlasse die Entscheidung über Desinvestition oder Strukturänderung der freien Entscheidung einer qualifizierten Mehrheit, die daher vom Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung ausgenommen sei. Jeder Beschluss unterliege aber einer Rechtsmissbrauchskontrolle, mit der Verletzungen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht geltend gemacht werden können. Daneben greifen die Beschränkungen durch zwingendes Recht und die guten Sitten, den Gleichbehandlungsgrundsatz und den Verbandszweck.727 In der praktischen Anwendung wird die Inhaltskontrolle damit zur Ausnahmeerscheinung. Mülbert setzt bei der Funktion der Gesellschafterversammlung als Organ der Gesellschaft an. Davon ausgehend betont er, dass jeder Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung nur als Teil der Gesellschaft wirkt, das Abstimmungsergebnis also nur den Willensbildungsakt der Gesellschaft darstellt und nicht die Mehrheit, sondern die Gesellschaft selbst durch einen Beschluss ihres Organs in die mitgliedschaftliche Position der Minderheit eingreift.728 Da die Gesellschaft und mit ihr die Organe auf den ihr von den Gesellschaftern verliehenen Zweck verpflichtet sei, dürfe sie selbst die mitgliedschaftliche Rechtsstellung der Gesellschafter nur aus Gründen des vereinbarten Gesellschaftszwecks beeinträchtigen. Daraus ergebe sich eine Sachkontrolle für alle Beschlüsse der Gesellschafterver___________ 724 725 726 727 728
Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 289–292. Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986, S. 147–150. K. Schmidt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1996, § 243, Rn. 45–50. K. Schmidt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1996, § 243, Rn. 47; ders., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 615. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 231.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
sammlung, die daher auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftszweck zu untersuchen seien. Jedes eigensüchtige Verhalten der Mehrheit stelle damit eine unzulässige Instrumentalisierung seiner Wahrnehmungszuständigkeit in der Gesellschaft dar, so dass der Minderheitsgesellschafter einen nicht durch den Gesellschaftszweck gedeckten Beschluss anfechten könne. 729 Eine für den Minderheitsgesellschafter nachteilige Folge dieses Ansatzes besteht darin, dass er sämtliche ihn beeinträchtigenden Beschlüsse hinnehmen muss, wenn sich diese nur im Rahmen des Gesellschaftszwecks halten. Indem Mülbert jedem Gesellschafter jedoch zugesteht, neben seiner Verpflichtung zur Zweckförderung in eingeschränktem Maße auch eigene Interessen verfolgen zu dürfen, da seine Beteiligung an der Gesellschaft keinen Selbstzweck darstelle, sondern er vielmehr eigenen Interessen verschiedener Art nachgehe, erweitert er sowohl den Handlungsspielraum der Mehrheit als auch die Schutzwirkung seines Modells zugunsten der Minderheit. Es komme auch bei den am Gesellschaftszweck ausgerichteten Beschlüssen auf die Auswirkungen an, die ein solcher Beschluss im Einzelfall zum Nachteil einzelner Gesellschafter entfalte. Daher seien die Auswirkungen des Beschlusses auf das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit zu berücksichtigen. Auch nach seiner Konstruktion müssen sich Beschlüsse daher am Maßstab der im Gesellschaftsinteresse liegenden Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit messen lassen.730 Soweit der Beschlussgegenstand außerhalb des Gesellschaftszwecks liegende Umstände betrifft, unterwirft er auch diese zweckfreien oder zweckändernden Beschlüsse gewissen, aber doch nur schwachen Beschränkungen zugunsten der Gesellschafterminderheit: Diese Beschlüsse seien auf ihre Angemessenheit im Innenverhältnis der Gesellschafter zu überprüfen, wobei als Maßstab jedenfalls das Gleichbehandlungsgebot nach § 53 a AktG und das Verbot nach § 243 II AktG, Sondervorteile zu verfolgen, anzuwenden seien.731 Dem kommt die Ansicht von Roth nahe, der trotz einer damit verbundenen Gefahr, der Rechtsunsicherheit Vorschub zu leisten, das Bedürfnis nach einer materiellen Beschlusskontrolle unter zwei Voraussetzungen bejaht: Die Minderheit müsse gravierend betroffen sein und zugleich auf Seiten der Mehrheit die Trennlinie zwischen unzulässiger Verfolgung externer Partikularinteressen und zulässiger Gesellschaftsinteressen verwischt werden, indem sie das Gesellschaftsinteresse zu ihrem Vorteil definiere. Ein gangbarer Weg sei es daher, eine sachliche Rechtfertigung von der Intensität und Atypik eines Eingriffs in die Mitgliedschaftsinteressen der Minderheit abhängig zu machen. Zugleich könne jedoch ein vollwertiger Vermögensausgleich (im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG) durchaus eine Alternative dazu darstellen.732 ___________ 729 730 731 732
Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 229 ff. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 235. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 237. Roth, in: MünchKomm.-BGB, Band 2, 5. Aufl. 2007, § 242, Rn. 440. Dass gerade auch Mülbert einen Vermögensausgleich in die Rechtmäßigkeitsbewertung einbezieht, wird unter B. I. 2. noch ausführlich darzustellen sein.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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3. Die dogmatischen Grundlagen einer Inhaltskontrolle nach Rechtsprechung und Literatur Von der Rechtsprechung wurde die Rechtsgrundlage einer inhaltlichen Beschlusskontrolle bislang nicht grundlegend untersucht.733 Mitunter wurde auf die Intensität des Eingriffs, insbesondere wenn dieser in den Kernbereich der Gesellschafterstellung erfolgte, verwiesen.734 Ergänzend dazu oder auch anstelle dessen finden sich Verweise auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.735 Das stimmt mit dem Ansatz der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum überein, wie teilweise bei der Darstellung unter 2. schon angesprochen wurde.736 Das Hauptargument lautet dabei, die Treuepflicht biete als Generalklausel die nötige Flexibilität, um Einzelfallgerechtigkeit vor allem unter Beachtung der Realstruktur der Gesellschaft herstellen zu können. Die Realstruktur der Gesellschaft bestimme das Maß der zulässigen Einflussnahme auf die mitgliedschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder und zugleich auch den Umfang der Rechtskontrolle bei Eingriffen in mitgliedschaftliche Interessen. Im Gegensatz zu institutionellen Begründungsversuchen vermöge dieser Ansatz daher, einen differenzierten Beurteilungsmaßstab für eine inhaltliche Beschlusskontrolle zu liefern.737 Soweit hingegen eine echte Inhaltskontrolle ausscheiden soll, wird die dann einschlägige Missbrauchskontrolle im Einzelfall auf das Institut des institutionellen Rechtsmissbrauchs gestützt. Das Mehrheitsprinzip werde als Rechtseinrichtung missbraucht, wenn die Mehrheit die ihr anvertraute Regelungsfreiheit zur Durchsetzung ihrer Partikularinteressen nutze.738 ___________ 733
734 735 736
737 738
So auch die Bewertung der Rechtsprechung bei Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 216. Eine tragfähige Grundlage nach dem Stand der bisherigen Diskussion vermisst etwa auch Käpplinger, Inhaltskontrolle von Aktienoptionsplänen, 2003, S. 90. Der Schlussfolgerung hieraus, deren Aufgabe zu fordern, kann selbstredend nicht beigetreten werden. So etwa in BGH NJW 1995, 194, 195. Etwa in den oben angeführten Entscheidungen BGHZ 80, 346, 348 f.; BGH NJW 1995, 194, 195. Dazu Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 150 und 153; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, Band V, 1984, § 243, Rn. 47; Timm, JZ 1980, 665, 667; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 289–292; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 124: Mehrheit als Treuhänder der anderen Mitglieder; so auch Timm, ZGR 1987, 403, 405: Mehrheit befindet sich in Treuhandposition gegenüber der Minderheit, aus der entsprechende Treuepflichten abzuleiten sind; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 960 ff.; ders., DB 1993, 141, 143 f.; Martens GmbHR 1984, 265, 267; Timm ZGR 1987, 403, 408 f.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn 21 ff.; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrchtlichen Personenverbänden, 1963, S. 335 ff.; Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 14, Fn. 82. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 232–237, sieht den Grund für die Beschlusskontrolle in der Überschreitung der vom Verbandszweck begrenzten Entscheidungsmacht der Hauptversammlung. Timm, ZGR 1987, 403, 408 f. Siehe jedoch auch Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 212, der für die Inhaltskontrolle das allgemeine Ausbeutungsverbot als Grundlage heranzieht. Hüffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, Band V, 1984, § 243, Rn. 50.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
Hierzu ist anzumerken, dass dem auf die Treuepflicht gestützten Ansatz zuzugeben ist, dass er in der Tat die für eine Einzelfallbetrachtung notwendige Flexibilität zu gewährleisten vermag und die Realstruktur einen entscheidenden Gesichtspunkt zur Beurteilung des Beschlussinhalts darstellt. Zugleich wird zu zeigen sein, dass an dem oben allgemein entwickelten Verhältnis von Eingriffskontrolle aus Art. 14 GG und gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht auch für die Beschlusskontrolle festgehalten werden kann.
4. Zum Vergleich: Die Inhaltskontrolle im US-amerikanischen Recht Abgeleitet aus der Tatsache, dass es sich bei der Beteiligung des Gesellschafters um Privateigentum handelt, entspricht es der einhelligen Auffassung im US-amerikanischen Recht, dass jeder Gesellschafter bei Wahrnehmung seines Stimmrechts im Grundsatz frei ist und eigene Interessen verfolgen darf.739 Davon bestehen jedoch für den Mehrheitsgesellschafter gewichtige Ausnahmen, wobei die Rechtsprechung, wie üblich, noch kasuistischer ausfällt als die im deutschen Gesellschaftsrecht. Die bereits dargestellten Ansätze zu den fiduciary duties bestimmen auch die Grundsätze zu einer Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen. Soweit von einer Treuepflicht des beherrschenden Gesellschafters auszugehen ist, wird der Beschlussinhalt von den Gerichten, mitunter akribisch, auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit überprüft, wobei sich die Blickrichtung nach dem dabei verfolgten Ansatz, also der Mehrheits- oder Minderheitsperspektive bzw. dem kombinierten Ansatz richtet. Soweit Treuepflichten bestehen, wird der Mehrheitsgesellschafter in der Ausübung seiner Rechte mitunter stark beschränkt, indem ihm die einen Geschäftsleiter treffenden Pflichten auferlegt werden. Dies schlägt auch auf sein Stimmrecht durch, wie der folgende Auszug aus einem Urteil zeigt: “The right of a stockholder to vote becomes a power in trust when he owns the majority and assumes and exercises domination and control over corporate affairs. Such majority stockholder’s vote must not be so antagonistic to the corporation as a whole as to indicate that their interests are wholly outside of the interest of the corporation and destructive of the interests of the minority shareholders. (. . . ) The vote of every director and of every majority stockholder must be directed to and controlled by the guiding question of what is best for the corporation, for which he is, to all legal intents and purposes, trustee, in his voting,
___________ 739
Zahn v. Transamerica Corp., 162 F. 2 d 36 (3rd Cir. 1947); Haldeman v. Haldeman et al., 197 S.W. 381 (Ky. App. 1917): “A stockholder may in a stockholders’ meeting vote with the view of his own benefit; he represents himself only”; Lebold v. Inland S. S. Co., 82 F. 2 d 351 (7th Cir. 1936): “The judgment of the majority is not to be interfered with, in the absence of circumstances creating a fiduciary relationship as mentioned or effectuating a fraud upon the minority, (. . . ). In short, a court of equity may not interfere with the statutory right of the majority to force dissolution and sale of the assets unless the evidence discloses an unfair advantage over the minority stockholders, with resulting injury to the latter, which they are powerless to prevent”; aus dem Schrifttum Henn/Alexander, Laws of Corporations, 3rd ed. 1983, S. 653; Hill, 48 Am. J. Comp. L. 39, 64 (2000).
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in his management, he is bound to be wholeheartedly, earnestly and honestly faithful to his corporation and its best interests; his own selfish interests must be ignored. If when he votes he does so against the interest of his company, against the interest of his minority and in favor of his own interest, by such selfish action, by omission of fidelity to his own duty as a trustee, he forfeits approval in a court of equity.”740
Derart radikale Beschränkungen der Stimmrechtsfreiheit sind jedoch nicht die Regel, und das zurecht, da sie außer Acht lassen, dass der Mehrheitsgesellschafter eben gerade nicht wie ein Geschäftsführer bloßer Treuhänder ist, sondern vielmehr über das von ihm eingebrachte Kapital mitentscheidet und daher im Ansatz auch Eigeninteressen verfolgen darf.741 Vielmehr gilt (vereinfacht gesprochen) außerhalb von Delaware: Beschlüsse werden auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft, sofern die Gerichte vom Bestehen von Treuepflichten ausgehen. Dabei kommt es darauf an, dass es sich um eine partnership oder um eine closely held corporation handelt. Die Voraussetzungen hierfür müssen zunächst von den klagenden Minderheitsgesellschaftern dargelegt, notfalls auch bewiesen werden. Gelingt dies, prüfen die Gerichte den Beschluss auf seine inhaltliche Richtigkeit, indem die damit verfolgten Ziele ebenso wie die Auswirkungen auf die Gesellschaft und die unterschiedlichen Gesellschaftergruppen beleuchtet werden. Der vorzugswürdige kombinierte Ansatz, der die Schranken der Mehrheitsmacht mit den berechtigten Erwartungen der Minderheit verbindet, untersucht dabei, ob ein legitimer Zweck im Gesellschaftsinteresse verfolgt wird und mangels einer weniger belastenden Alternative auch erforderlich ist. Mitunter werden die beteiligten Interessen auch sogleich gegeneinander abgewogen.742 Vorzugswürdig erscheint hierbei die Rechtsprechung des Supreme Court von Massachusetts, der dieser Inhaltskontrolle anhand seines kombinierten Ansatzes klarere Konturen als andere Gerichte verliehen hat.743 Er bleibt hinter der Prüfung des BGH in den Fällen der Inhaltskontrolle jedoch zurück, da dem Mehrheitsgesellschafter ein weiter Ermessensspielraum bei der Bestimmung des Gesellschaftsinteresses eingeräumt wird. Auch obliegt dem Minderheitsgesellschafter die Darlegungs- und Beweislast nicht nur für die Voraussetzungen, die ein Eingreifen der fiduciary duties begründen, sondern auch für ein milderes, ihn weniger belastendes Mittel.744 ___________ 740 741 742
743
744
Lebold v. Inland Steel Co. 125 F. 2 d 373, 374 (App. 7 Cir. 1941). Dazu die Darstellung unter § 1 A und § 3 D. IV. So in Gimpel v. Bolstein, 125 Misc.2 d 45 (N. Y. 1984). Zur Inhaltskontrolle bei “cash out mergers“, die zur Rechtfertigung einen “proper purpose“ voraussetzen, siehe Wiedemann, ZGR 1999, 857, 868 f. Am deutlichsten Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976); daneben auch Donahue v. Rodd Electrotype Co., 328 N. E. 2 d 505 (Mass. 1975); Bryan v. Brock & Blevins Co., 343 F. Supp. 1062, 1068 (N. D. Ga. 1972), aff’d, 490 F. 2 d 563, 570– 571 (5th Cir. 1974); Schwartz v. Marien, 335 N. E. 2 d 334 (N. Y. 1975); Merola v. Exergen Corp., 668 N. E. 2 d 351 (Supr. Jud. Mass. 1996). Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976); Zimmermann v. Bogoff, 524 N. E. 2 d 849 (Mass. 1988); Schwartz v. Marien, 335 N. E. 2 d 334 (N. Y. 1975). Zur Beweislastverteilung im deutschen Recht noch ausführlich unter B. II.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
Besser gestellt wird der Minderheitsgesellschafter nach den Grundsätzen der reinen Minderheitsperspektive,745 schlechter nach denen der reinen Mehrheitsperspektive.746 Beide Ansätze wurden wegen ihrer stark einseitigen Sichtweise bereits abgelehnt und sollen daher auch zur Entwicklung eines allgemeinen Konzepts zur Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen nicht herangezogen werden. In Delaware, auch das wurde bereits dargestellt, wird die Anwendung von Treuepflichten nach den Grundsätzen des Common Law (und der Equity) hingegen verneint. Die Rechtsprechung befindet sich zwar im Fluss, nach heutigem Stand der Erkenntnis reduziert der Supreme Court den Minderheitsschutz jedoch gänzlich auf die Gesetze Delawares, die von einer entsprechenden Rechtswahl im Gesellschaftsvertrag abhängen. Dementsprechend werden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung auch nur unter erhöhten Voraussetzungen inhaltlich überprüft. Das kann der Fall sein, wenn die Voraussetzungen für einen minority freeze out vorliegen, wobei die Gerichte im Wesentlichen nur prozedurale Anforderungen aufstellen und den Schwerpunkt der Prüfung auf die Frage legen, ob der aus der Gesellschaft gedrängte Minderheitsgesellschafter angemessen abgefunden wird.747 Auf eine Inhaltsprüfung im Sinne der hier vorgenommenen Begriffsbildung läuft das nicht hinaus. In allen Staaten führt daneben der intrinsic fairness test (auch entire fairness test) zu einer Inhaltskontrolle von Beschlüssen. Soweit ein Gesellschafter im Wege eines Gesellschafterbeschlusses zulasten der Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter seinen eigenen Vorteil verfolgt, wird der Beschluss inhaltlich voll überprüft, wobei auch der unternehmerische Ermessensspielraum nicht zu seinen Gunsten eingreift.748 Da dies vor allem bei verdeckten Vermögenszuwendungen an einen Gesellschafter relevant wird, sollen die Grundsätze dieses Instituts auch im Zusammenhang mit diesen Vorgängen dargestellt und untersucht werden (dazu unter § 7 A. III. 4.).
___________ 745
Vertreten in Meiselman v. Meiselman, 307 S. E. 2 d 551, 563 (N. C. 1983); In re Kemp & Beatley, Inc., 473 N. E. 2 d 1173, 1179 (N. Y. 1984); Balvik v. Sylvester, 411 N. W. 2 d 383, 384 (N. D. 1987); In re Topper, 433 N. Y. S. 2 d 359, 362 (N. Y. 1980); McCallum v. Rosen’s Diversified, Inc., 153 F. 3 d 701 (US Ct. App. 8th cir. 1998). 746 Vertreten in Crosby v. Beam, 548 N. E. 2 d 217, 221 (Ohio 1989); Zidell v. Zidell, Inc., 560 P. 2 d 1086, 1089 (Or. 1977); Priebe v. O’Malley, 623 N. E. 2 d 573 (Ohio Ct. App. 1993); Ueltzhoffer v. Fox Fire Development Co, 1991 Del. Ch. LEXIS 204 (Del. Ch. 1991). 746 Zidell v. Zidell, Inc., 560 P. 2 d 1086, 1089 (Or. 1977). 747 Siehe dazu die Darstellung oben unter § 2 B. III. 6. 748 Dazu aus der Rechtsprechung Delawares Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701, 703 (Del. 1983); Kahn v. Lynch Communications Sys. Inc., 638 A. 2 d 1110, 1117 (Del. 1994); Kahn v. Tremont Corp., 694 A. 2 d 422, 429 (Del. 1997); Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A. 2 d 1156 (Del. 1995); Sterling v. Mayflower Hotel Corp., 93 A. 2 d 107 (Del. 1952); Puma v. Marriott, 283 A. 2 d 693 (Del. Ch. 1971). Zu anderen Staaten Efron v. Kalmanovitz, 38 Cal. Rptr. 148 (Cal. Ct. App. 1964); Crowley v. Communications for Hosps., Inc., 573 N. E. 2 d 996 (Mass. App. Ct.).
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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5. Eine Randbemerkung: Die Ansätze in weiteren Rechtsordnungen Auch in anderen Rechtsordnungen ist die Notwendigkeit, Gesellschafterbeschlüsse einer rechtfertigenden Inhaltskontrolle zu unterziehen, anerkannt. Ähnlich wie im deutschen Recht erkennt eine Literaturansicht zum belgischen Recht den primären Konflikt bei Gesellschafterbeschlüssen darin, dass die Mehrheit mit ihrer Stimmabgabe über das Schicksal des selbst eingebrachten Vermögens entscheidet, zugleich aber auch die Interessen der Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter zu beeinträchtigen imstande ist. Zur Lösung wird vorgeschlagen, dass jeder Gesellschafter, unabhängig von seinem Stimmgewicht, sein Stimmrecht nur im Interesse der Gesellschaft ausüben darf.749 Auch das schweizerische Recht unterwirft die Gesellschafterbeschlüsse einer Inhaltskontrolle. Ein Beschluss kann nicht nur dann angefochten werden, wenn Gesetze oder die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages verletzt werden, sondern auch, wenn in unsachlicher Weise die Rechte von Aktionären entzogen oder beschränkt werden oder die Aktionäre in einer durch den Gesellschaftszweck nicht gerechtfertigten Weise benachteiligt werden.750 Erforderlich ist daher, dass sich ein Gesellschafterbeschluss an sachlichen Kriterien orientiert, wovon dann auszugehen ist, wenn er einen Beitrag dazu leistet, den Gesellschaftszweck zu erreichen. Daran fehlt es, wenn er an Partikularinteressen orientiert ist, also dem Ziel dient, einzelne Gesellschafter(gruppen) zu bevorzugen oder zu benachteiligen, insbesondere wenn die Machtverhältnisse in der Gesellschaft verändert werden sollen.751 Zudem ist auch die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Gesellschafterstellung zu untersuchen. Auch unter Beachtung der Tatsache, dass sich der Gesellschafter mit dem Beitritt zur Gesellschaft dem Mehrheitswillen für zukünftige Entscheidungen unterworfen hat, muss jede Veränderung verhältnismäßig bleiben, darf also nicht außer Verhältnis zu dem geschaffenen kollektiven Nutzen stehen. Dazu wird vertreten, ein finanzieller Ausgleich solle im Einzelfall möglich sein, um diese Verhältnismäßigkeit zu erzielen, also ein „dulde und liquidiere“ postuliert.752 Das englische Recht steht einer Inhaltskontrolle eher ablehnend gegenüber. Die Ansicht, der Gesellschafter übe in der Gesellschafterversammlung mit seinem Stimmrecht sein Eigentumsrecht aus und dürfe daher Eigeninteressen verfolgen, ist weit verbreitet. Daher bestehen starke Vorbehalte gegen eine Verpflichtung des ___________ 749
750 751 752
Zum Meinungs- und Erkenntnisstand im belgischen Recht Wymeersch/Jakhian/Caeymaex, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 174. Im französischen Recht herrscht hingegen der Grundsatz vor, dass Beschlüsse der Gesellschafterversammlung rechtsmissbräuchlich sind, wenn sie mit nachteiligen Folgen für die Minderheit verbunden und nicht vom (zwingenden) Gesellschaftsinteresse getragen sind. Dazu Perakis, in Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 35. So die Regelung in Art. 706 VI Nr. 1–3 OR. Crone, SZW 1994, 1, 3. Siehe auch Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 38. Ob davon, wie Roth und Mülbert (oben unter 2. d)) vertreten, auch im deutschen Recht ausgegangen werden kann, wird unter B. I. 2. zu untersuchen sein.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
Gesellschafters auf das Gesellschaftsinteresse und eine daraus abgeleitete Kontrolle der Gesellschafterbeschlüsse auf ihre inhaltliche Richtigkeit.753 Zugleich existiert durchaus die Forderung nach einer Beschränkung der freien Stimmmacht durch eine Pflicht zur Berücksichtigung der Interessen der Mitgesellschafter.754 In der Rechtsprechung schlägt sich dies vereinzelt in einer Unterscheidung nach dem Beschlussgegenstand nieder. Nur soweit der Gesellschafter über Angelegenheiten der Geschäftsführung entscheidet, soll er den Bindungen unterworfen sein, die auch für Geschäftsführer gelten, und sich damit nicht auf Eigeninteressen berufen können. In den übrigen Fällen soll er nur die in seiner Beteiligung wurzelnden Rechte ausüben und keinen Beschränkungen unterliegen, etwa bei der Wahl eines Geschäftsführers.755 ___________ 753
754
755
Re Astec (BSR) plc (1998) 2 B.C.L.C. 556, 584–585: “The starting point is the proposition that in general the right of a shareholder to vote his shares is a right of property which the shareholder is free to exercise in what he regards as his own best interests. He is not obliged to cast his vote in what others may regard as the best interests of the general body of shareholders, or in the best interests of the company as an entity in its own right“; Pender v Lushington (1877) 6 Ch. D. 70, 75–76: “There is (. . .) no obligation on a shareholder of a company to give his vote merely with a view to what other persons may consider the interests of the company at large. He has a right (. . .) to give his vote from motives or promptings of what he considers his own individual interest”; Re Ringtower Holdings plc (1989) 5 B.C.C. 82, 101: “The law is not so foolish as to prevent a shareholder from voting in his own interests provided that the resolution is not discriminatory”; i. E. auch Philips v Manufacturers Securities Ltd (1917) 116 LT 290, 297; Peters American Delicacy Co Ltd v Heath (1938–1939) 61 C.L.R. 457, 504; zum Ganzen Hollington, Shareholders’ Rights, 4th ed. 2004, p. 8, 74–79; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 8th ed. 2008, p. 653 seq. Diese Überzeugung kommt auch in der Diskussion um Stimmrechtsausschlüsse zum Ausdruck, siehe North-West Transportation Co Ltd v Beatty (1887) 12 App Cas 589 (Privy Council): “Every shareholder has a perfect right to vote upon any such question, although he may have a personal interest in the subject-matter opposed to, or different from, the general or particular interests of the company“. Ebenfalls zum Stimmrechtsausschluss die Vorschläge im Rahmen des vom DTI in Auftrag gegebenen Company Law Review (CLR), Completing the Structure, 2000, paras 5.85–5.86. Dazu ausführlich Davies, Introduction to Company Law, 2002, S. 220. Siehe auch Gower/ Davies, Principles of Modern Company Law, 8th ed. 2008, p. 654: “The controlling shareholders may not be required to exercise their powers in the best interests of the non-controlling shareholders, but this does not mean they may trample over the interests of the latter with impubity”. Vgl. dazu Unisoft Group Ltd (No. 3) (1994) 1 B. C. L. C. 609, 622. Siehe auch die Entscheidung des High Court of Australia, Gambotto v WCP Ltd (1995) 182 CLR 432. Danach ist eine sachliche Rechtfertigung für einen Gesellschafterbeschluss dann erforderlich, wenn Minderheitsgesellschafter aus der Gesellschaft gedrängt werden sollen. Im vom Gericht zu entscheidenden Fall besaßen die Mehrheitsgesellschafter einer limited liability company 99,7% der Gesellschaftsanteile. Die Satzung sah zunächst nicht vor, dass Minderheitsgesellschafter gegen ihren Willen aus der Gesellschaft gedrängt werden konnten. Durch Satzungsänderung, bei der die Mehrheitsgesellschafter für die Änderung votierten, wurde jedoch eine Regelung eingeführt, wonach Gesellschafter mit einer Mehrheit von 90% zu einem von unabhängigen Sachverständigen geprüften Preis die Anteile der Minderheit auch gegen deren Willen erwerben durften. Das Gericht urteilte, eine solche Änderung des Gesellschaftsvertra-
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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II. Zusammenfassung: Die gemeinsamen Grundlagen der dargestellten Grundsätze Soweit eine Inhaltskontrolle in der Rechtsprechung des BGH befürwortet wird, sticht ein Aspekt hervor, der zur Voraussetzung erhoben wird: der (erhebliche) Eingriff in die Rechtsstellung aller oder – häufiger – einzelner Gesellschafter. Eine Missbrauchskontrolle lässt der BGH hingegen dann genügen, wenn der Gesetzgeber eine abschließende Interessenabwägung vorweggenommen hat. In der praktischen Anwendung kommen dem die Ansätze in der Literatur nahe, die sämtliche Strukturänderungen einer Inhaltskontrolle unterwerfen. Derartige Vorgänge bedingen erhebliche Veränderungen der Grundlagen der Verbindung, die sich auf die mitgliedschaftlichen Rechte des einzelnen Gesellschafters mehr als nur unerheblich auswirken. Mit diesem Ansatz sind zwei problematische Fragen verbunden: Für jeden Beschlussgegenstand muss die Wirkung auf die Rechtsstellung der Gesellschafter ermittelt werden. Hierzu ist auf die unter § 3 dargestellten Grundsätze zur Bestimmung von Schutzbereich und Eingriff zu verweisen. Dabei wird die dort schon allgemein erörterte Frage relevant, nach welchen Grundsätzen sich ein mittelbarer Eingriff in die Rechtsstellung bestimmt, also ein Eingriff in die Mitgliedschaft, der durch einen Wertverlust im Gesellschaftsvermögen vermittelt wird (dazu unter § 3 D. III. 2.). Die zweite Frage bezieht sich auf den unternehmerischen Ermessensspielraum, der in den Geschäftsführungsangelegenheiten allen entscheidenden Organen und damit auch der Gesellschafterversammlung zugestanden werden muss. Auch diese Frage wurde schon unter § 3 allgemein erörtert und ist nunmehr für Gesellschafterbeschlüsse konkret (unter III. 4.) zu beantworten. Einigkeit besteht über den Bezugspunkt der Inhaltkontrolle. Sofern eine Rechtfertigung erforderlich ist, kann diese nur im Interesse der Gesellschaft als dem über die Partikularinteressen hinausgehenden Gemeininteresse gefunden werden. Soweit sich Rechtsprechung und Literatur darüber hinaus auch zu den Details einer Inhaltsprüfung äußern, wird zumeist nicht nur ein sachlicher Grund im Interes___________ ges sei nur dann zulässig, wenn die Enteignung der Minderheit aus einem sachlichen Grund erfolge. Ein solcher liege vor, wenn der Ausschluss notwendig sei, um Nachteile oder Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, insbesondere um überhaupt die Möglichkeit zu schaffen, dass weiterhin der Gesellschaftszweck verfolgt werden könne (etwa wenn behördliche Konzessionen nur erteilt würden, wenn die Minderheit nicht mehr beteiligt ist). Keinesfalls ausreichend sei es dafür, dass die Mehrheit nur ihren Einfluss erweitern wolle. Ebenso wenig seien steuerliche Vorteile oder eine Vereinfachung der Unternehmensleitung ausreichend. Weiter müsse hinzukommen, dass der Ausschluss der Minderheit auf faire Weise erfolge. Dies sei nur dann gewährleistet, wenn die Minderheit umfassend über die Gründe, die zu ihrem Ausschluss herangezogen werden, aufgeklärt und angemessen abgefunden werde. Dies setze voraus, dass der Wert ihrer Beteiligung von einem unabhängigen Experten beurteilt werde. Hierbei sei nicht nur der Marktwert des Anteils zugrunde zu legen, sondern auch die Vermögenswerte der Gesellschaft, die Dividende und die zukünftige Entwicklung seien in die Bewertung einzubeziehen.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
se der Gesellschaft gefordert, sondern der Eingriff in die Mitgliedschaft der Gesellschafter auch darauf untersucht, ob er sich als erforderlich und bei Abwägung des Gesellschaftsinteresses mit den Interessen der betroffenen Minderheit auch als verhältnismäßig erweist.756 Sieht hingegen das Gesetz einen Eingriff in die Mitgliedschaft ohne sachliche Voraussetzungen vor oder nimmt es die Abwägung unter Berücksichtigung der Interessen der betroffenen Gesellschafter vorweg, scheidet eine Inhaltskontrolle aus.757
III. Der eigene Ansatz: Dogmatische Grundlage und System einer Beschlusskontrolle 1. Fehlende Eignung der Treuepflicht als Grundlage der Beschlusskontrolle Die h. M. stützt die Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.758 Die Treuepflicht soll als Generalklausel des gesellschafterlichen Miteinanders auch Kriterien zur inhaltlichen Rechtfertigung bei Eingriffen in die Rechtsstellung der Gesellschafter im Beschlusswege liefern. Unklar bleibt bei diesem Ansatz, welchen Prüfungsschritten eine Eingriffskontrolle folgen soll. Zwar wird stets auf einen geeigneten Zweck im übergeordneten Gesellschaftsinteresse verwiesen, der sich am Grundsatz der Erforderlichkeit ausrichten und überdies im Rahmen einer allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung bewähren muss; weder der BGH noch die Literaturstimmen erklären jedoch, aus welchen Gründen sie anerkannte verfassungsrechtliche Prüfungsparameter heranziehen, um die Vorgaben der Treuepflicht bei der inhaltlichen Beschlusskontrolle zu bestimmen.759 ___________ 756
757
758 759
Vgl. Timm, ZGR 1987, 403, 409 f.; Lutter, ZGR 1979, 401, 403 ff.; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, Band V, 1984, § 243, Rn. 51; Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 14, Rn. 30–33; Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 382. BGHZ 70, 117, 123 ff. (Mannesmann), für die Einführung von Höchststimmrechten durch satzungsändernden Mehrheitsbeschluss ohne Zustimmung der betroffenen Aktionäre wegen der Wertung des § 134 I S. 2 AktG, die keine Einschränkungen erkennen lasse, und zwar wohlgemerkt gerade für den Fall, dass hiervon schon zum Zeitpunkt des Beschlusses einzelne Gesellschafter betroffen sind; zustimmend Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 134, Rn. 8; so auch BGHZ 76, 352, 353 ff., für die Auflösung einer GmbH, wonach sich aus § 60 I Nr. 2 GmbHG ergibt, dass die Auflösung einer GmbH an keine weiteren Voraussetzungen als an das in § 60 I Nr. 2 GmbHG oder in der Satzung vorgesehene Mehrheitserfordernis geknüpft ist. Die Entscheidung betont jedoch zugleich, dass weitere, von der gesetzlichen Wertung nicht erfasste Umstände hinzukommen und einen Missbrauch der Mehrheitsmacht (in Form einer Treuepflichtverletzung) begründen können, dazu BGH a. a. O., S. 355 ff. Ergänzend zu allen bereits angeführten Stimmen ist auf die Darstellung von Kreß, Gerichtliche Beschlußkontrolle im Kapitalgesellschaftsrecht, 1996, S. 14–16, hinzuweisen. Derartige Prüfungsparameter finden sich bei vor allem in BGHZ 33, 175, 186; BGHZ 71, 40, 44–46; BGHZ 83, 319, 321 = NJW 1978, 1316, 1317 (Kali + Salz); BGHZ 125, 239, 241 (alle zum Bezugsrechtsausschluss); BGHZ 80, 69, 74 = NJW 1981, 1512, 1514 (Süssen) (zur
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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Hingegen fügen sich diese Prüfungskriterien nahtlos in das hier vertretene System ein, wonach Eingriffe in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung wegen ihrer grundrechtlichen Dimension anhand der Prüfungsparameter zu lösen sind, die sich in der verfassungsrechtlichen Dogmatik herausgebildet haben. Zugleich verfügt dieser Ansatz gegenüber einer Herleitung aus der Treuepflicht über klarere Konturen, da er die jeweilige Struktur der Gesellschafterversammlung gänzlich außer Acht lassen kann, da die verfassungsrechtlichen Eingriffsschranken nur von der Wirkung der Maßnahme, dem bewirkten Eingriff in die Rechtsstellung eines Gesellschafters, abhängig sind. Wie die den Beschluss tragenden Mehrheiten zustande kommen, ist unbedeutend. Anders sieht dies die Ansicht, die eine Anwendung der Treuepflicht auf einen Missbrauch der Mehrheitsmacht stützt. Schutzmechanismen greifen danach nur ein, wenn ein die Minderheit stetig und nachhaltig unterdrückender Mehrheitsblock existiert.760 Wenn hingegen allein der Eingriff in mitgliedschaftliche Rechte Schutzmechanismen auslöst, kommt es darauf nicht an. Haben sich nur im Einzelfall spontane Mehrheiten gebildet, von denen eine einmalige Benachteiligung ausgeht, gelten die gleichen Grundsätze wie in den Fällen, in denen ein einzelner Mehrheitsgesellschafter oder ein verfestigter Mehrheitsblock in die Rechtsstellung des dauerhaft in die Position des Minderheitsgesellschafters gedrängten Mitgesellschafters eingreift. Selbst einen (im Regelfall selbst benachteiligten) Minderheitsgesellschafter treffen daher die Gebote des Art. 14 GG in gleicher Weise, so dass auch ein sonst begünstigter Gesellschafter den Beschluss wegen der ihn treffenden nachteiligen Wirkungen angreifen kann, sofern diesem die inhaltliche Rechtfertigung fehlt. Zu einer derartigen Situation kann es etwa kommen, wenn ein Stimmrechtsverbot greift und die üblichen Mehrheitsverhältnisse verändert werden oder qualifizierte Mehrheitserfordernisse Sperrminoritäten erzeugen, die den Mehrheitsgesellschafter in seiner Rechtsstellung betreffen, indem sie etwa seinem Interesse und auch dem Wohle der Gesellschaft dienende Veränderungen behindern.
2. Beschlusskontrolle als Ausprägung der allgemeinen Eingriffsdogmatik Da es sich bei einem in die Rechtsstellung des Gesellschafters eingreifenden Beschluss um einen der Hauptanwendungsfälle handelt, in denen die Mitgliedschaft des Gesellschafters durch eine Maßnahme der Gesellschaft beeinträchtigt wird und zugleich die Notwendigkeit besteht, entgegengesetzte Positionen in einen verträglichen Ausgleich zu bringen, finden die unter § 3 für Eingriffe entwickelten Prüfungskriterien Anwendung. Es bedarf dann einer am Gesellschaftsinteresse ___________
760
Zulässigkeit der Befreiung von einem Wettbewerbsverbot und dadurch begründeter Gefahr der Abhängigkeit). Aus der Literatur v.a Lutter, ZGR 1979, 401 ff. Nach Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 289–292, werden „aus dem öffentlichen Recht bekannte Kriterien“ als Antwort auf das Machtgefälle von Mehrheit und Minderheit angewendet. So vor allem nach den Ansätzen der US-amerikanischen Dogmatik, siehe die Darstellung unter § 2 B.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
ausgerichteten Rechtfertigung, wenn der Gesellschafterbeschluss in den Schutzbereich der Mitgliedschaft eingreift. Die mit dem Beschluss verfolgte Maßnahme muss zur Durchsetzung eines im Gesellschaftsinteresse liegenden legitimen Zwecks geeignet, mangels milderer Mittel erforderlich und unter Abwägung der Interessen der betroffenen Gesellschafter angemessen sein. Dieser Ansatz kommt dem von Lutter am Beispiel des Bezugsrechtsausschlusses entworfenen und auf die Treuepflicht gestützten Modell nahe.761 Auch er nimmt das Gesellschaftsinteresse zum Bezugspunkt seiner Prüfung, so dass es zunächst eines legitimen Ziels bedarf, das nach sorgfältiger Abwägung verspricht, der Gesellschaft zum Besten zu dienen. Dieses muss zugleich erforderlich sein, also das zur Zielerreichung beste Mittel darstellen. Andere, ebenso brauchbare oder gar bessere Wege dürfen daneben nicht zur Verfügung stehen. Dieses somit geeignete und erforderliche Mittel muss schließlich auch den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck genügen, wobei das Gesellschaftsinteresse und die widerstreitenden Interessen der beeinträchtigten Minderheit abzuwägen sind. Bei der Abwägung soll nicht nur der durch die Maßnahme erzielte Nutzen den Nachteilen, die der Minderheit durch die Maßnahme bevorstehen, gegenübergestellt werden. Daneben soll weiterhin der bei unterbleibender Maßnahme zu erwartende Schaden ermittelt und mit den Nachteilen für die Minderheit bei Durchführung der Maßnahme abgewogen werden. Letzteres stellt einen insbesondere bei strukturändernden Maßnahmen wichtigen Teilaspekt der Abwägungsprüfung dar. Wie noch auszuführen sein wird, kann dies mit der Verpflichtung der Geschäftsführung einhergehen, zu der vorgeschlagenen (Struktur-)Maßnahme einen die Minderheit nicht oder weniger belastenden Alternativvorschlag und dessen Auswirkungen auf die zukünftige Entwicklung darzustellen.762 Wie schon an anderer Stelle begründet, ist ein von den Interessen der Anteilsinhaber losgelöstes Gesellschaftsinteresse im bloßen Bestandsinteresse der Gesellschaft nicht anzuerkennen. Die Gesellschafter können daher einstimmig jeden Beschlussgegenstand unterstützen, ohne anderen als den gesetzlich vorgeschriebenen Schranken zu unterliegen. Die Belange der übrigen im Gesellschaftsinteresse repräsentierten Gruppen (Arbeitnehmer und Gläubiger) werden durch entsprechende Bestimmungen gewahrt. Bei der Inhaltskontrolle geht es demgegenüber ausschließlich um den angemessenen Interessenausgleich im Gesellschafterinnenverhältnis. Damit erweist sich auch der Einwand der Gegenansicht, die eine Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen grundsätzlich ablehnt und den Gefahren für die Minderheit mit einer reinen Missbrauchskontrolle im Einzelfall begegnen will, als unbegründet. Nach dieser Ansicht soll es ein Gebot der Privatautonomie darstellen, nur solche Nachteile für die Minderheit auszugleichen, die daraus resultieren, dass die Mehrheit ihren eigenen Nutzen verfolgt. Demgegenüber dürfe eine Maß___________ 761 762
Lutter, ZGR 1979, 401, 404 ff. zu allem Nachstehenden. Dies wird bei Umwandlungsbeschlüssen relevant, siehe dazu § 12.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
185
nahme nicht allein deshalb verhindert werden, weil es an einem gemeinwohlorientierten sachlichen Grund fehle.763 Aus Sicht der Mehrheit wirkt sich die am Eingriff orientierte Inhaltskontrolle disziplinierend, aber nicht sanktionierend aus. Ein Gesellschafter, der im Sinne der Inhaltskontrolle falsch stimmt, wird mit einem anfechtbaren Beschluss und damit einer evtl. Verzögerung der angestrebten Maßnahme „bestraft“. Schadensersatzansprüche können daran per se noch nicht geknüpft werden, dazu bedarf es weiterer Voraussetzungen.764 Im Übrigen muss den Interessen der Gesellschaft an Rechtssicherheit im Rahmen der prozessualen Anforderungen an eine Beschlussanfechtung Rechnung getragen werden, worauf unter § 5 einzugehen sein wird.
3. Zulässige Interessen und deren Gewichtung Der verbreitete Hinweis in der Literatur, wonach der Gesellschafter keinesfalls denselben Pflichtenbindungen unterliege wie die geschäftsführenden Organe und daher bei seinem Abstimmungsverhalten auch Eigeninteressen verfolgen dürfe,765 ist Ausdruck der Bedeutung des Stimmrechts als Bestandteil des mitgliedschaftlichen Eigentums und verdient Zustimmung. Wie unter § 3 dargestellt, müssen auch die Eigeninteressen der Gesellschafter auf Abwägungsebene berücksichtigt werden, soweit es sich um mitgliedschaftliche Interessen der Gesellschafter handelt. Daneben können die privaten Interessen des betroffenen Gesellschafters nur ausnahmsweise in die abwägende Entscheidung einbezogen werden. Durch ihre gemeinsame Zweckerreichungsintention verpflichten sich die Gesellschafter regelmäßig nur zur Rücksichtnahme auf in der Mitgliedschaft wurzelnde Belange der Mitgesellschafter.766 Zugleich zeigt sich in Einzelfällen, so insbesondere bei Ausschluss und Austritt aus wichtigem Grund,767 dass eine vollständige Trennung von mitgliedschaftlicher und privater Sphäre weder zweckdienlich noch möglich ist. Private Belange werden dabei vornehmlich in personell geprägten Gesellschaften stärker, bei hohem Anonymisierungsgrad schwächer zu berücksichtigen sein. Die Ansicht, wonach private Interessen von Mitgesellschaftern nur ausnahmsweise dann zu beachten sind, wenn enge persönliche Beziehungen bestehen, aus denen sich ein gegenseitiges persönliches Vertrauen und die Verpflichtung ergibt, auf ___________ 763 764 765 766
767
So die Ansicht von Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1387; ähnlich auch Stumpf, NJW 2003, 9, 11. Dazu noch näher unter § 7 B. Etwa Fleischer, WM 2003, 1045, 1047. Röhricht, ZGR 1999, 445, 472, weist für das Aktiengesetz darauf hin, dass dem Gesetz der Gedanke zugrunde liege, dass Entscheidungen der Gesellschaftsorgane, insbesondere Hauptversammlungsbeschlüsse, dem Interesse der Gesellschaft zu dienen haben und nicht den partikulären Interessen einzelner Organmitglieder, Aktionäre oder Aktionärsgruppen. Auch die Kritiker einer generellen Berücksichtigung privater Belange müssen Ausnahmen in jedenfalls diesen Bereichen einräumen, siehe Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 28 einerseits und S. 49 andererseits.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
außerhalb der Mitgliedschaft liegende Interessen Rücksicht zu nehmen,768 verdient daher Zustimmung. Das entspricht auch dem Gedanken der US-amerikanischen minority perspective.769 Der Beschlussgegenstand ist für die Anwendung der Inhaltskontrolle irrelevant. Eine Unterscheidung nach Grundlagenbeschlüssen und gewöhnlichen Geschäftsführungsangelegenheiten trägt eine komplizierte Abgrenzungsfrage in die Inhaltskontrolle hinein und geht am Kern des Problems vorbei. Der Konflikt der widerstreitenden Positionen von Mehrheit und Minderheit, die sich gleichermaßen auf den Schutz des Art. 14 I GG berufen dürfen, kann bei Strukturmaßnahmen, Grundlagenbeschlüssen oder gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen auftreten. Jeder Beschluss trägt das Potential in sich, in die Mitgliedschaft einzelner Gesellschafter empfindlich einzugreifen. Der hier entwickelte Ansatz geht von der Wirkung des Beschlusses auf die mitgliedschaftliche Stellung der Gesellschafter aus. Dass diese bei Strukturmaßnahmen und Grundlagenbeschlüssen regelmäßig gravierender ausfallen als bei Maßnahmen der Geschäftsführung, führt praktisch dazu, dass erstere regelmäßig, letztere selten eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle auslösen werden, ändert jedoch nichts daran, dass alle Beschlussarten den hier vertretenen allgemeinen Grundsätzen unterliegen. Relevant wird die Einstufung der Maßnahme allerdings auf Abwägungsebene. Bei gesellschaftsbezogenen Rechten, die neben den Interessen des Rechtsinhabers auch der Förderung des Gesellschaftszwecks dienen,770 muss der Gesellschafter zum Wohle der Gesellschaft in stärkerem Maße Eingriffe hinnehmen. Die Anforderungen an das überwiegende Gesellschaftsinteresse sind daher niedriger anzusetzen. Hingegen verdienen die im Individualinteresse des Gesellschafters bestehenden Mitgliedschaftsrechte771 einen höheren Schutz, so dass die Anforderungen an die Gründe im Gesellschaftsinteresse bei diesen Rechten höher anzusiedeln sind und eine Abwägung im Zweifelsfall zugunsten des Gesellschafters ausfällt.
___________ 768 769 770
771
Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 349. Zu diesem Ansatz unter § 2 B. III. 3. Hierzu gehören etwa Herrschafts- und Informationsrechte, etwa die Geschäftsführungsbefugnis das Zustimmungs- und Widerspruchsrecht in Geschäftsführungsangelegenheiten nach §§ 709, 711 BGB, das Recht zur Durchführung der Liquidation nach § 730 II BGB, das Stimmrecht, vgl. Wellkamp, Aktionärsschutz, 1998, S. 2; Mäusl, Der Austritt eines GmbHGesellschafters auf schadensrechtlicher Grundlage, 2001, S. 103; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 23 f.; R. Fischer, NJW 1954, 777, 778 ff.; Hüffer, Zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht als richterlicher Generalklausel, 1990, S. 62; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 349 ff.; Rothnauer, NZG 2001, 115, 117 f.; Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, S. 99 f. Etwa die Vermögensrechte des Gesellschafters, beispielsweise der Gewinnanspruch, aber auch das Recht, sich von der Gesellschaft zu lösen und das Recht auf Liquidationserlös. Zu Nachweisen vgl. die vorstehende Fn.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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4. Begrenzung der Inhaltskontrolle durch unternehmerische Einschätzungsprärogative Nach einer verbreiteten Ansicht in der Literatur haben die Gerichte bei der Anfechtung von Beschlüssen nur zu überprüfen, ob ein Abstimmungsverhalten unter Beachtung der unternehmerischen Einschätzungsprärogative zulässig war. Was aus ex ante-Sicht gerechtfertigt erscheine, könne nicht zur Rechtswidrigkeit eines Beschlusses führen.772 Dem Richter wird daher nicht die Kontrolle über die objektive Richtigkeit der Entscheidung eingeräumt; vielmehr wird er nur ermächtigt, das unternehmerische Urteil auf seine Vertretbarkeit hin zu untersuchen.773 Für diesen Ansatz sprechen gute Gründe. Auf diese Weise kann auch zumindest ansatzweise den häufig geäußerten Bedenken begegnet werden, der Richter werde mit Fragen betraut, die er nicht, jedenfalls nicht besser als ein professionell handelnder Unternehmer, beurteilen könne.774 Auch ist zu erwarten, dass der Gesellschaftermehrheit eine Einschätzung des Gesellschaftswohls leicht fallen wird, da sie in ungleich stärkerem Maße als die Minderheit am Tagesgeschäft der Gesellschaft teilnimmt. Daher findet sich auch die Überlegung, dass ein Mehrheitsbeschluss ansatzweise eine Richtigkeitsgewähr in sich trägt, wieder. Nochmals ist jedoch zu betonen, dass diese Erleichterung in einer Parallelwertung zur Privilegierung des Geschäftsleiters durch die business judgment rule in Angelegenheiten der Geschäftsführung wurzelt. Ebenso wie dieser muss der Gesellschafter daher auch auf die Gesellschaftsinteressen verpflichtet werden, um die Voraussetzungen für eine Parallelwertung bejahen zu können. Nimmt er hingegen ausschließlich oder überwiegend Eigeninteressen wahr, fehlt es an jedem Ansatzpunkt, um von einer Richtigkeitsvermutung zugunsten des mehrheitlich gefassten Beschlusses ausgehen zu können. Hierzu ist auf die (im Einzelnen noch unter § 7 A. III. 4. darzustellenden) Wertungen des US-amerikanischen Rechts zum intrinsic fairness test zu verweisen, wonach sämtliche Privilegierungen durch die business judgment rule davon abhängen, dass der Mehrheitsgesellschafter nicht (einseitig) von einer Maßnahme profitiert. Zudem ist der Anwendungsbereich auf die ökonomischen Fragen beschränkt. Nur soweit die Einschätzung der für das Gesellschaftsinteresse und die Gesell___________ 772
773 774
Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 96. So kann den häufig geäußerten Bedenken, der Richter werde mit Fragen betraut, die er nicht, jedenfalls nicht besser als ein professionell handelnder Unternehmer, beurteilen könne, begegnet. Vgl. etwa Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 328 f.; H. P. Westermann, FS Semler, 1993, S. 651, 667 (für Verschmelzungsbeschlüsse); Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 227. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz „iura novit curia“ und dem Behelf mit Erwägungen zur Plausibilisierung von Prognoseentscheidungen Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 243 f. Lutter, ZGR 1979, 401 407 f. Zu diesen Bedenken Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 328 f.; H. P. Westermann, FS Semler, 1993, S. 651, 667 (für Verschmelzungsbeschlüsse); Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 227.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
schafterbelange wesentlichen Auswirkungen einer Maßnahme in Frage steht, dürfen sich die Gesellschafter auf eine nachvollziehbare und begründete Einschätzung berufen. Hingegen sind die mit einem Eingriff in die Rechtsstellung einzelner Gesellschafter verbundenen Rechtsfragen, so vor allem, ob ein Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft vorliegt, gerichtlich voll überprüfbar. Auch muss das Gericht die beteiligten Interessen abwägen.775 Lediglich insoweit, als es um die Frage nach einem legitimen Zweck im Gesellschaftsinteresse, dessen Erforderlichkeit und seine Auswirkungen auf die zukünftige Unternehmensentwicklung geht, können die Erleichterungen durch eine unternehmerische Einschätzungsprärogative eingreifen.
5. Beachtung der gesetzgeberischen Wertungen a) Abschließende Interessenabwägung durch den Gesetzgeber Nach den unter § 3 entwickelten allgemeinen Grundsätzen sind stets die gesetzgeberischen Wertungen zu beachten und vermögen die allgemeinen Grundsätze der Eingriffskontrolle zu durchbrechen. Da sich auch die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Beschlüssen nach dem hier vertretenen Ansatz aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 14 I GG ableitet, folgt dies bereits aus dem allgemeinen Grundsatz, dass der Richter aus Gründen des Gewaltenteilungsprinzips die gesetzgeberischen Entscheidungen nicht zugunsten einer Anwendung von Grundrechten außer Acht lassen darf. Abhängig vom Beschlussgegenstand und den hierfür einschlägigen Bestimmungen ist daher zu eruieren, ob der Beschluss allein aufgrund der erforderlichen Mehrheitsverhältnisse und eventueller Schutzmechanismen zugunsten der dissentierenden Minderheit seine Rechtfertigung durch abschließende gesetzliche Wertungen, auch als gesetzliche Vorprägung des Interessenkonflikts bezeichnet,776 in sich trägt.777 Davon ist nach der h. M. im Schrifttum insbesondere dann auszugehen, wenn der Gesetzgeber besondere Sicherungsmaßnahmen gegen unangemessene Benachteiligungen, insbesondere einen Vermögensausgleich vorgesehen hat.778
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Vgl. Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 222 f., der – ganz ähnlich – nach Rechtsvoraussetzungs- und Rechtsfolgeermessen differenziert. So die Formulierung von K. Schmidt, Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 243, Rn 45. I. E. angenommen von BGHZ 70, 117, 121 ff. (Mannesmann). BGHZ 138, 71, 76 (Sachsenmilch); im Grundsatz auch BGHZ 103, 184, 189 ff. (Linotype); Hüffer AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn 27. Am Beispiel des Auflösungsbeschlusses Lutter ZGR 1981, 171, 177; ders., ZGR 1979, 401, 411; generell Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 33 f; für Verschmelzung und Formwechsel Happ/ Göthel, in: Lutter/Winter, UmwG, Band II, 4. Aufl. 2009, § 233, Rn 52 f.; Landrut/Kiem, WM 1997, 1361, 1365; Timm, ZGR 1987, 403, 410 f.; Röhricht, ZGR 1999, 445, 472. Nach Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 259 ff., bestehen solche anderweitigen Sicherungsmechanismen für das gesamte Aktienrecht.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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b) Qualifizierte Mehrheitserfordernisse Qualifizierte Mehrheitserfordernisse werden verbreitet als derartige gesetzgeberische Wertungen eingeordnet. Qualifizierte Mehrheitserfordernisse sind im deutschen Gesellschaftsrecht in der Regel bei 75% angesiedelt. Diese Schwelle garantiert, dass entweder die Beteiligung des Mehrheitsgesellschafters hoch ausfallen oder ein beträchtlicher Teil der Minderheit für die Maßnahme stimmen muss. Dies gewährleistet, dass ein Mehrheitsgesellschafter, der allein nicht über eine entsprechende Mehrheit verfügt, Minderheitsgesellschafter auf seine Seite ziehen muss, was bei rationalem Gesellschafterverhalten allein dadurch zu erreichen ist, dass er im Interesse der Gesellschaft und damit zum objektiv Besten aller Verbandsmitglieder handelt. Zugleich würde er damit auch die Kriterien einer rechtfertigenden Inhaltskontrolle bestehen, so dass eine Befreiung hiervon keine Vorteile bietet. Vielmehr dient eine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen nur dem Mehrheitsgesellschafter, der diese Schwelle alleine erreicht. Gerade diese Fälle implizieren jedoch die größten Gefahren für die verbleibenden Minderheitsgesellschafter, die auch zusammen keine Sperrminorität von 25% erreichen und daher von einer Willkürherrschaft der Mehrheit besonders bedroht sind.779 Daher ist die Ansicht, wonach dem Aktien- und Umwandlungsgesetz die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen sei, dass es eine gegenüber satzungsändernden Mehrheiten abgesicherte Rechtsposition der verbleibenden Kleinaktionäre jedenfalls in offenen Publikumsgesellschaften nicht geben könne, abzulehnen.780 Vielmehr basieren die einzelnen Strukturmaßnahmen, die qualifizierte Mehrheiten von 75% voraussetzen, auf unterschiedlichen gesetzgeberischen Konzeptionen, so dass in jedem Einzelfall zu untersuchen ist, ob zu dem qualifizierten Mehrheitserfordernis andere Mechanismen hinzutreten, die eine abschließende Interessenbewertung durch den Gesetzgeber nahe legen. Bei Strukturmaßnahmen lässt sich gerade umgekehrt argumentieren, dass wegen der besonders belastenden Wirkung und Umgestaltung der essentiellen Grundlagen der Gesellschafterverbindung ein Einstimmigkeitserfordernis zu erwarten wäre und nur unter hohen Voraussetzungen hiervon abgewichen werden darf. Das aber spricht gerade dafür, zusätzlich zu qualifizierten Mehrheiten eine Inhaltskontrolle als weiteren und ungleich effektiveren Schutzmechanismus zu fordern.781 Bei qualifizierte Mehrheiten voraussetzenden Strukturmaßnahmen kann daher nur unter erhöhten Voraussetzungen von den allgemeinen Grundsätzen abgewichen werden, insbesondere wenn der Gesetzgeber die Vermögensseite der Mitgliedschaft über Abfindungsrechte schützt. Dies wird bei den einzelnen Maßnah-
___________ 779 780 781
Zu dieser Bewertung aus rechtsvergleichender Sicht Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/ Davies/Hansmann/etal, The Anatomy of Corporate Law, 2004, p. 57. Röhricht, ZGR 1999, 445, 472. So erfordern auch die Grundsätze des Common Law bei strukturändernden Maßnahmen einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss, der freilich durch die US-amerikanische Gesetzgebung vielfach überlagert wird, siehe dazu unter § 10 D. I. 1.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
men zu erörtern sein.782 Außerdem wäre es grotesk, wie Luther783 formuliert, wenn die Mehrheit die Basis der Zusammenarbeit ohne materielle Begründung grundlegend ändern könnte, bei Fortbestand der regulären Zusammenarbeit Maßnahmen aber sachlich rechtfertigen müsste. Im Ergebnis ist somit zu folgern, dass qualifizierte Mehrheitserfordernisse nur dazu dienen, einen Missbrauch der Mehrheitsherrschaft zu erschweren, weitere Rechtmäßigkeitsanforderungen jedoch nicht zu ersetzen vermögen.784 Diese Lösung hat zugleich den Vorteil, verschiedene Wege, die der Mehrheit offen stehen, um die Rechtsstellung der Minderheit zu beschneiden, gleichzubehandeln und damit Versuche, höhere Beschlussanforderungen zu umgehen, einfach zu verhindern.785 Sie dient außerdem zugleich dem Schutz der Mehrheit vor einer Blockadehaltung qualifizierter Minderheiten. Wären qualifizierte Mehrheitsbeschlüsse von einer Inhaltskontrolle ausgenommen, ließe sich schwerlich eine positive Stimmpflicht der Minderheit in den Fällen, in denen ein Beschluss im Interesse der Gesellschaft geboten ist, begründen. c) Überragende Mehrheiten Davon besteht jedoch eine Ausnahme: Sofern qualifizierte Mehrheiten das in der Gesellschaft gebundene Kapital beinahe ausschließlich selbst aufgebracht haben und daher nur noch zu einem geringen Teil über fremdes Kapital entscheiden, muss sich dies in einem entsprechenden Stimmgewicht niederschlagen. Je höher die Mehrheit und das von ihr in die Gesellschaft eingebrachte Kapital ausfällt, desto stärker muss auch ihr Gewicht in der Gesellschaft sein. Es lässt sich sogar davon sprechen, dass sich Gesellschaftsinteresse und Mehrheitsinteresse mit zunehmender Mehrheit annähern können. Wenn mit Gesellschafterbeschlüssen zu einem überragenden Anteil über das in der Gesellschaft gebundene Kapital der Mehrheit entschieden wird, muss diese auch das Recht haben, eigenmächtig entscheiden und das Gesellschafts- und Minderheitsinteresse in stärkerem Maße als im Regelfall außer Acht lassen zu dürfen.786 Ein wichtiger Anwendungsfall hierfür sind Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft über strukturändernde Maßnahmen, wenn diese nur mit einer überragend qualifizierten Mehrheit von mindestens 95% beschlossen werden dürfen. Das Gesellschaftsinteresse tritt hinter dem Mehrheitsinteresse ab einer ge___________ 782 783 784
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Zu den Anwendungsbeispielen hierzu vgl. die Darstellung zu Umwandlungen und Eingliederungen unter § 10 C. Lutter, ZGR 1981, 171, 180 f. Vgl. Hüffer, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, Band V, 1984, § 243, Rn. 55. Zur weiteren Aussage, wonach auch Ausgleichsansprüche der Minderheit ein rechtmäßiges Handeln voraussetzen und es nicht etwa ersetzen, unter B. I. 2. d). So auch die Überlegung bei Timm, ZGR 1987, 403, 417; vgl. auch für verschiedene Strukturentscheidungen Martens, GmbHR 1984, 265, 269. Davon geht auch das BVerfG aus, wenn es im Feldmühle-Beschluss, BVerfGE 14, 263, der freien Entfaltung der Persönlichkeit der Mehrheit den Vorrang vor dem Eigentumsrecht der Minderheit einräumt.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
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wissen Beteiligungsquote zurück bzw. nähert sich diesem an. Dahinter steckt nicht nur eine pragmatische Notwendigkeit, um Investitionsanreize zu schaffen, sondern auch der hier stets betonte Gedanke praktischer Konkordanz der widerstreitenden Interessen, der gebietet, sämtlichen beteiligten Positionen einen adäquaten Stellenwert einzuräumen. Die Interessen der Mehrheit werden bei qualifizierten Mehrheiten in besonderem Maße durch Art. 14 I GG geschützt. Es erscheint unverhältnismäßig, eine überragende Mehrheit durch die Bindung an Gesellschaftsinteressen an der freien Entfaltung ihrer Eigentumsfreiheit zu hindern. Vielmehr ist es in diesen Fällen angemessen, die verbleibende Minderheit nur vor Vermögensverlusten zu schützen. Zugleich ist erforderlich, dass der Mehrheitsgesellschafter diese Mehrheit alleine erreicht, wobei Zurechnungen nur in dem von § 16 IV AktG gestatteten Maße erlaubt sind, da nur in diesen Fällen von einer Quasi-Eigentümerstellung eines Gesellschafters ausgegangen werden kann, der einer verschwindend kleinen Gruppe von Minderheitsgesellschaftern gegenübersteht.787 d) Insbesondere: Qualifizierte Mehrheitserfordernisse bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages Wegen seiner besonderen Bedeutung für die Mitgliedschaft der Gesellschafter soll das prominenteste Beispiel eines Beschlusses, der nur mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden kann, genauer untersucht werden, der satzungsändernde Beschluss. Der Dauerschuldcharakter der Gesellschaft bringt es mit sich, dass die Grundlagen der Verbindung an die im Laufe der Zeit sich verändernden Umstände angepasst werden müssen. Notwendigerweise ist es daher regelmäßig unmöglich, im Gründungsstadium die Rechtsbeziehung für alle Zukunft abschließend zu regeln. Der Gesellschaftsvertrag stellt vielmehr nach der Einordnung durch die Institutenökonomik einen unvollständigen Vertrag dar, der im weiteren Verlauf der Vertragsbeziehung der Anpassung bedarf.788 Im Kapitalgesellschaftsrecht bedarf es zur Satzungsänderung nach §§ 179 II 1 AktG, 53 II 3 GmbHG neben einer einfachen Stimmenmehrheit auch einer qualifizierten Kapitalmehrheit von 75%. Diese Quote kann bei der Aktiengesellschaft in der Satzung bis zur einfachen Mehrheit herabgesetzt,789 bei der GmbH nicht abgeändert werden.790 Im Personengesellschaftsrecht müssen Änderungsbeschlüsse
___________ 787 788
789 790
Hierzu die Wertungen in §§ 320 I, 327a I AktG. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 116; dazu, dass die Änderbarkeit der Satzung auch nicht ausgeschlossen werden kann, siehe Stein, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2006, §§ 179–221, Rn. 56. Unstr., BGH NJW 1975, 212 f.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 179, Rn. 19; KölnerKomm.AktG/Zöllner, 2. Aufl. 1989, § 179, Rn. 153. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Band III, 8. Aufl. 1997, § 53, Rn. 52; Scholz/Priester/Veil, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 53, Rn. 78; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 53, Rn. 13.
192
§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
nach §§ 709 BGB, 119 HGB zwar grundsätzlich einstimmig ergehen, doch kann hiervon durch Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag abgewichen werden.791 Inhaltlich kann sich die Änderung auf alles erstrecken, was in der ursprünglichen Satzung festgelegt werden kann. Für die GmbH, die vom Grundsatz der Satzungsautonomie beherrscht wird, bedeutet dies eine weitgehende Freiheit bei der Ausgestaltung der Grundlagen und der Regelung der Mitgliedsrechte. Die Grenzen werden nur durch zwingende Vorschriften und die Prinzipien, die das Wesen der GmbH ausmachen, gezogen.792 Im Aktienrecht ergibt sich demgegenüber aus § 23 V 1 AktG die Einschränkung, dass Abweichungen von den gesetzlichen Bestimmungen nur insoweit zulässig sind, wie sie ausdrücklich vom Gesetz gestattet werden.793 Das Gesetz ergänzende Regelungen sind nach § 23 V 2 AktG zulässig, soweit sich nicht deutlich aus dem Gesetz ergibt, dass die gesetzliche Regelung abschließend ist.794 Ob dies allein einen ausreichenden Schutz der Gesellschafter gewährleistet, ist umstritten. Die h. M. lehnt eine materielle Beschlusskontrolle bei satzungsändernden Beschlüssen ab.795 Die Argumente sind die gleichen, die gegen eine Inhaltskontrolle bei qualifizierten Mehrheiten generell angeführt werden, insbesondere die Tatsache, dass qualifizierte Mehrheiten die Gefahren des Mehrheitsprinzips für die Minderheit insofern abschwächen, als sich eine höhere Mehrheit für den Beschluss aussprechen muss. Auch das überzeugende Gegenargument ist bekannt: Soweit der Mehrheitsgesellschafter über die erforderliche Mehrheit verfügt, bildet diese Schwelle keinen Schutz für die verbleibende, nicht unbeträchtliche Minderheit.796 Soweit Satzungsänderungen als besonders einschneidende und für die Mitgliedschaft elementar wichtige Beschlüsse nicht dem Einstimmigkeitserfordernis unterworfen sind, bedarf es allgemeiner Schutzmechanismen, die eine Rechtmäßigkeitskontrolle für Eingriffe in die Mitgliedschaft garantieren. Ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis vermag diese Anforderung nicht zu erfüllen.
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792 793 794 795
796
Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 116 f., dort auch zu Nachweisen zu den umstrittenen Einzelheiten. Für die Kapitalgesellschaften gilt umgekehrt, dass auch ein Einstimmigkeitserfordernis festgeschrieben werden kann, so etwa Stein, in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2006, Band IV, § 179, Rn. 96 (m. w. N.). BGH NJW 1954, 1563. BGHZ 70, 117 (Mannesmann). Ausdrücklich zum Deutlichkeitserfordernis RGZ 77, 255, 259; RGZ 68, 235, 240; BGHZ 70, 117 (Mannesmann). So ausdrücklich Hüffer, MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 64; Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 41; andere Autoren erwähnen eine inhaltliche Kontrolle mit keinem Wort und geben dadurch (offenbar) zu verstehen, dass sie eine solche für ausgeschlossen halten, so Stein, in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2006, Band IV, §§ 179–221, § 179, Rn. 55–157. Vgl. Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 108. Tendenziell auch Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 135.
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
193
6. Fehlendes oder unbeachtliches Gesellschaftsinteresse Hingegen scheidet eine am Gesellschaftsinteresse ausgerichtete Inhaltskontrolle per se bei Beschlussgegenständen aus, für die es an einem Bezugspunkt einer derartigen Prüfung fehlt, weil die beschlossene Maßnahme grundsätzlich nicht im Gesellschaftsinteresse liegen kann, den Gesellschaftern aber dennoch möglich sein muss. Dies ist zum einen bei Auflösungsbeschlüssen der Fall,797 die den Zweck der (werbenden) Gesellschaft beenden. In anderen Fällen scheidet es aus, dass sich die Kontrolle am Interesse der Gesellschaft (in ihrer bisherigen Form) orientiert. An dessen Stelle tritt jedoch ein anderer Bezugspunkt. Davon sind die Fälle der Abhängigkeit, Beherrschung und Umwandlung betroffen. a) Auflösung der Gesellschaft Der Auflösungsbeschluss findet seine Rechtfertigung in der Tatsache, dass es jedem Gesellschafter offen steht, eine Desinvestitionsentscheidung zu treffen, wenn ihm seine Beteiligung nicht mehr rentabel erscheint. Weder aus Gründen des Gesellschaftsinteresses noch des Minderheitsschutzes ist es gerechtfertigt, für diese Entscheidung des Gesellschafters, auch des Mehrheitsgesellschafters, eine inhaltliche Rechtfertigung zu fordern.798 Erforderlich sind daher nur die vom Gesetz geforderten Mehrheiten, im Aktien- und GmbH-Recht eine Mehrheit von 75% nach §§ 262 I Nr. 2 AktG, 60 I Nr. 2 GmbHG. Im Personengesellschaftsrecht wird die Desinvestitionsentscheidung durch die Kündigungserklärung ausgeübt, die bei der BGB-Gesellschaft nach § 723 I 1 BGB zur Auflösung der Gesellschaft führt, bei den Personenhandelsgesellschaften hingegen nach § 131 III Nr. 3 HGB zum Ausscheiden des Gesellschafters. Die Auflösung der Gesellschaft setzt bei den Personenhandelsgesellschaften einen einstimmigen Beschluss der Gesellschafter nach §§ 131 I Nr. 2 HGB voraus, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes bestimmt.799 Strengere Kriterien anzulegen, würde bedeuten, den Gesellschafter, der über die erforderliche Mehrheit verfügt, zu verpflichten, sein Vermögen mitunter auf Dauer in der Gesellschaft belassen zu müssen. Eine derartige Beschränkung ist jedoch auch im Interesse der Minderheit nicht geboten, da diese ihrerseits den ihr zustehenden Anteil des noch vorhandenen Kapitals zurückerhält und anderweit investieren kann. Das ergibt sich daraus, dass der Grundsatz, sich nach eigenem Willen von seiner Investition lösen zu dürfen, den mit dem Auflösungsbeschluss verbundenen Eingriff in die Rechtsstellung der dissentierenden Minderheit ___________ 797
798
799
Lutter, ZGR 1981, 171, 177; ders., ZHR 153 (1989), 446, 449; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 261; für die GmbH ausführlich Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbHRecht, 1988, 154 ff. Diese Aussage bezieht sich nur auf die kontrollfrei rechtmäßige Mehrheitsentscheidung, sagt jedoch nichts über ein generelles Sell-out-Recht des einzelnen Gesellschafters aus. Zu diesem vgl. § 10 D. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 131, Rn. 12.
194
§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
rechtfertigt und daher eine Inhaltskontrolle des Beschlusses ausscheidet. Ergänzend greifen jedoch die allgemeinen Schranken ein, die sich aus dem Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs, dem Gleichbehandlungsgrundsatz, dem Verbot, Sondervorteile zu verfolgen und der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergeben.800 Daher gilt: Nur eine Desinvestitionsentscheidung ist rechtfertigungsfrei. Es kommt entscheidend darauf an, ob eine die Auflösung der Gesellschaft betreibende Mehrheit tatsächlich desinvestieren will oder vielmehr einen Weg sucht, sich das Gesellschaftsvermögen unter Ausschluss der Minderheit einzuverleiben.801 Wird ein Auflösungsbeschluss und damit eine Desinvestitionsentscheidung nur vorgeschoben, um in Wirklichkeit eine Minderheit aus der Gesellschaft zu drängen, handelt es sich um einen Fall von institutionellem Rechtsmissbrauch. Der Beschluss unterliegt den Anforderungen, die an den wirklich verfolgten Zweck zu stellen sind, was zu einer Inhaltskontrolle führen kann. Da diese Anforderungen (regelmäßig) nicht erfüllt sind, ist der Auflösungsbeschluss rechtswidrig – und damit je nach Rechtsform nichtig bzw. anfechtbar.802 Die Darlegungs- und Beweislast liegt in diesen Fällen bei der Minderheit. Diese muss den Nachweis führen, das an sich zulässige Mittel werde von der Mehrheit zu sachfremden Zwecken missbraucht (dazu im Einzelnen unter § 9 C. V. und § 17 A.).803 Dies entspricht einem teilweise vertretenen Grundsatz im US-amerikanischen Recht. Danach setzt die Auflösung einer corporation voraus, dass die gesetzlich vorgeschriebene Mehrheit für eine Auflösung stimmt.804 Die Interessen der Gesellschaft sind unbeachtlich, da diese keine vom Willen der Gesellschafter unabhängige Existenzberechtigung besitzt.805 Wegen der Unumkehrbarkeit („Finalität“) der Auflösungsentscheidung ist die Mehrheit jedoch gehalten, ihre Stimmrechtsmacht nach den Grundsätzen des good faith auszuüben.806 Dies läuft auf eine Missbrauchskontrolle im Einzelfall hinaus, für die alle relevanten Umstände in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Insbesondere gilt es dabei zu verhindern, dass ___________ 800 801 802 803
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Dazu Wiedemann, ZGR 1980, 147, 157; Timm, JZ 1980, 665, 670. Vor allem zu „Umwegspressionen“ Wiedemann/Hirte, ZGR 1986, 163, 169. Relevant in der Entscheidung BGHZ 76, 352, dazu unter § 17 A. Lutter, ZGR 1981, 171, 178; Timm, JZ 1980, 665, 670. Ist dieser Missbrauch aber erst dargelegt (und bewiesen), geht der Mehrheit das Privileg der Auflösungssituation verloren und sie trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass doch eine sachliche Rechtfertigung für ihren Beschluss greift, vgl. Lutter, ZGR 1981, 171, 181. In Kalifornien nach sec. 1900 Corporations Code mindestens 50% der stimmberechtigten Anteile 1900: “Any corporation may elect voluntarily to wind up and dissolve by the vote of shareholders holding shares representing 50% or more of the voting power”. In re Security Finance Co., 317 P. 2 d 1, 5 (Cal. 1957): “There is nothing sacred in the life of a corporation that transcends the interests of its shareholders (. . .).” Übernommen in Jones v. Ahmanson, 460 P. 2 d 464 (Cal. 1969). Wohlgemerkt handelt es sich um einen sehr begrenzten Anwendungsbereich, da sich die Entscheidung auf eine Zweimanngesellschaft bezog, die einer partnership ähnlich ausgestaltet war. Außerdem wurde schon oben darauf hingewiesen, dass dieser Standpunkt eine Einzelmeinung (outsider) geblieben ist. In re Security Finance, 317 P. 2 d 1, 5 (Cal. 1957).
A. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen
195
die Mehrheit die Auflösung dazu missbraucht, die Minderheit im Wege eines minority freeze out loszuwerden.807 b) Zweckänderung, Konzernrecht und Umwandlungen Soweit durch einen Beschluss der Gesellschaftszweck geändert wird, scheidet es regelmäßig ebenfalls aus, eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle an den Interessen der Gesellschaft auszurichten. Bei Umstrukturierungen im Unternehmensverbund steht vielmehr das Konzerninteresse im Mittelpunkt, bei Umwandlungen das Interesse der neu entstehenden Rechtsform(en). Die Interessen der einzelnen Gesellschaft stehen diesen Vorgängen häufig gerade entgegen.808 Wie an entsprechender Stelle bei der Untersuchung dieser Maßnahmen im Besonderen Teil zu begründen sein wird, verbleibt es gleichwohl dabei, dass ein mit diesen Beschlüssen verbundener Eingriff in die Rechtsstellung der Gesellschafter rechtfertigungsbedürftig ist. Welche Interessen dabei als legitimer Zweck gelten können und im Rahmen der Angemessenheitsprüfung mit den Interessen der nachteilig betroffenen Gesellschafter abzuwägen sind, wird genauerer Untersuchung bedürfen.809
7. Zusammenfassung Die unter § 3 entwickelten Grundlagen vermögen auch zu beantworten, welche Anforderungen an die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen zu stellen sind. Gesellschafterbeschlüsse bedürfen einer inhaltlichen Rechtfertigung, wenn sie in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung eines oder mehrerer Gesellschafter eingreifen, was sich anhand der unter § 3 entwickelten Kriterien beurteilt. Davon sind Beschlüsse aller Art erfasst, gleichgültig, ob sie die Grundlagen der Gesellschaft betreffen oder sich auf gewöhnliche Geschäftsführungsangelegenheiten beziehen. Auch die inhaltlichen Kriterien der Rechtfertigungsprüfung orientieren sich an den unter § 3 entwickelten Grundsätzen. Die beschlossene Maßnahme muss einen im Gesellschaftsinteresse liegenden legitimen Zweck verfolgen, hierzu erforderlich sein und sich im Rahmen einer Interessenabwägung gegen die Belange der beeinträchtigten Gesellschafter durchsetzen. Dabei sind sämtliche Interessen berücksichtigungsfähig, insbesondere als Ausfluss der Eigentumsgarantie auch die Eigeninteressen der Gesellschafter, jedenfalls die mitgliedschaftlicher Art, daneben marginal auch die privater Natur. Ein unternehmerischer Ermessensspielraum, der die gerichtliche Überprüfungsdichte des Beschlusses beschränkt, besteht nur insoweit, wie die Interessen der Gesellschaft verfolgt werden. Nimmt die den Beschluss tragende Mehrheit dem___________ 807 808
809
In re Security Finance, 317 P. 2 d 1, 5 (Cal. 1957). Zu dieser Entscheidung schon unter § 2 B. Lutter, ZGR 1981, 171, 180, der hieraus folgert, dass vom Erfordernis einer materiellen Legitimation deshalb abzusehen sei. Vgl. auch Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 81 ff. Vgl. für das Konzernrecht unter § 14 und für Umwandlungen unter § 12.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
gegenüber ausschließlich oder überwiegend Eigeninteressen wahr, ist der Beschluss in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Im Übrigen erstreckt sich der Ermessensspielraum nur auf betriebswirtschaftliche, niemals aber auf rechtliche Fragen. Nur die Beurteilung, ob der Beschluss einen legitimen und erforderlichen Zweck im Gesellschaftsinteresse verfolgt, ist daher von der beschränkten Überprüfungstiefe betroffen. Auch sind die gesetzgeberischen Wertungen bei der Rechtfertigungskontrolle zu berücksichtigen. Soweit der zugrunde liegende Interessenkonflikt durch gesetzliche Regelungen pauschalierend vorab entschieden wurde, bedarf es keiner Rechtfertigung im Einzelfall. Eine solche Vorprägung wird von der Rechtsprechung und einigen Stimmen in der Literatur allzu großzügig bejaht. Qualifizierte Mehrheiten tragen entgegen dieser Meinung keine Rechtfertigung in sich. Sie sind ungeeignet, einen hinreichenden Schutz überstimmter Gesellschafter zu gewährleisten und lassen keinen Interessenausgleich erkennen. Da sie regelmäßig bei Strukturmaßnahmen vorgesehen sind, kommt in ihnen vielmehr zum Ausdruck, dass wegen der besonderen Eingriffsintensität zu den allgemeinen Grundsätzen als weiterer Schutzmechanismus ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis hinzutritt. Das gilt auch für satzungsändernde Beschlüsse, die daher ebenfalls einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle unterliegen. Anders sind demgegenüber überragende Mehrheiten zu beurteilen. Sofern die Mehrheit das in der Gesellschaft gebundene Kapital beinahe ausschließlich selbst aufgebracht hat und daher nur noch zu einem geringen Teil über fremdes Kapital entscheidet, nähern sich Gesellschaftsinteresse und Mehrheitsinteresse an. Ab einer Mehrheit von 95% scheidet eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle daher aus. Der Schutz der verbleibenden Minderheit beschränkt sich auf die Vermögensseite ihrer Beteiligung. Eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle scheidet auch aus, wenn der Beschlussgegenstand notwendigerweise nicht im Interesse der Gesellschaft liegen kann, weil es an einem solchen gänzlich fehlt oder es der Maßnahme wesensnotwendig entgegensteht. In diesen Fällen liegt das Augenmerk auf der Prüfung, ob der beschrittene Weg nicht als Umgehung gewählt wird, etwa die Auflösung der Gesellschaft nur beschlossen wird, um Minderheitsgesellschafter auszuschließen, während tatsächlich keine Desinvestititionsentscheidung der Gesellschaftermehrheit vorliegt. Soweit an die Stelle des Gesellschaftsinteresses ein anderes, über ein Individualinteresse hinausgehendes Interesse rückt, etwa das Konzerninteresse, wird dieses zum Bezugspunkt der Rechtfertigungsprüfung. Dies wird im Besonderen Teil näher zu untersuchen sein.
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
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B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
I. Besonderheiten bei einzelnen Rechtsformen und Gesellschaftstypen Im Grundsatz gelten die hier aufgestellten Prinzipien für sämtliche Gesellschaftsformen, unabhängig von ihrer Rechtsform und Realstruktur. Für zwei Rechtsformen erscheint dies jedoch nicht selbstverständlich, da Besonderheiten gelten, die eine Inhaltskontrolle gegebenenfalls überflüssig erscheinen lassen. Zum einen basiert die Entscheidungsfindung in den Personengesellschaften auf dem Einstimmigkeitsprinzip, weswegen die Rechtsprechung besondere Anforderungen an die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips im Gesellschaftsvertrag stellt (dazu 1.). Zum anderen wird die Beteiligung des Minderheitsgesellschafters in den Publikumsgesellschaften häufig als reine Kapitalbeteiligung bewertet, woraus die Frage resultiert, ob eine Wahrung ihrer Vermögensinteressen genügt und die Mitverwaltungsrechte vernachlässigt werden dürfen (dazu 2.). Diese Frage wird für die börsennotierte Aktiengesellschaft wegen deren Besonderheiten gesondert zu erörtern sein (unter 3.).
1. Die Anforderungen an das Mehrheitsprinzip im Recht der Personengesellschaften Dass der Personengesellschafter häufig nicht nur Vermögensanleger, sondern unternehmerisch beteiligt ist und mitunter seine Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft stellt, unterscheidet ihn von einem typischen Aktionär, jedoch weniger von einem typischen GmbH-Gesellschafter.810 Dennoch weichen die Willensbildungsprozesse in den Personengesellschaften mit dem hier vorherrschenden Einstimmigkeits- und den Kapitalgesellschaften mit ihrem dominierenden Mehrheitsstimmrecht signifikant voneinander ab. Wird in den Personengesellschaften das nach §§ 116 II, 119 I HGB geltende Einstimmigkeitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip ersetzt, entsteht für die Minderheit aus zwei Gründen ein gegenüber der Situation bei Kapitalgesellschaften erhöhter Schutzbedarf. Wer nachteilige Veränderungen seiner Rechtsstellung durch ein Veto verhindern kann, benötigt keinen weiteren Schutz seiner Minderheitsbeteiligung.811 Daher verzichten die Bestimmungen im Personengesellschaftsrecht auf die im Kapitalgesellschaftsrecht vorhandenen Schutzmechanismen. Bei Einführung des Mehrheitsprinzips durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarung kollabiert das gesetzlich vorgesehene System daher, und der Minderheitsgesellschafter fällt in ein Schutzvakuum. Hinzu kommt, dass für BGB-Gesellschafter und Komplementäre eine über die Risiken der Beteiligung an Kapitalgesellschaf___________ 810 811
Zur typischen Beteiligung eines GmbH-Gesellschafters R. Fischer, FS Barz, 1974, S. 33, 40 f. Vgl. Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, S. 136–138.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
ten hinausgehende Gefahr darin besteht, dass sie persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften und damit auch über ihre Kapitaleinlage hinaus für die Folgen einzustehen haben, die gegen ihren Willen beschlossen werden. Daran wird deutlich, dass die Geltung des Mehrheitsprinzips in den Personengesellschaften mit effektiven Schutzinstrumenten einhergehen muss. a) Die Kernbereichslehre Die Rechtsprechung hat auf diese Gefahren für den Personengesellschafter mit der Kernbereichslehre und dem Bestimmtheitsgrundsatz reagiert, wovon PublikumsKommanditgesellschaften812 bzw. Personengesellschaften mit großem Gesellschafterkreis813 wegen anders gelagerter Interessen ausgenommen sind. Nach den Grundsätzen der Kernbereichslehre sind Eingriffe in den Kernbereich der Mitgliedschaft von einem im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Mehrheitsprinzip ausgenommen und vielmehr von einer Zustimmung der betroffenen Gesellschafter abhängig.814 Eingriffe in den Kernbereich stellen alle „individuellen, dem Gesellschafter nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag zustehenden wesentlichen Gesellschafterrechte, die seine Stellung in der Gesellschaft maßgeblich prägen, (. . .)“, daneben auch „Eingriffe in die individuelle Rechtsstellung des Gesellschafters, d. h. seine rechtliche und vermögensmäßige Position in der Gesellschaft“ dar.815 Im Einzelnen sind davon jedenfalls Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Eingriffe in das Gewinn-, Geschäftsführungs- und Liquidationsbeteiligungs- und Informationsrecht sowie der Entzug und die Begründung von Sonderrechten erfasst.816 In diesem besonders geschützten Kernbereich sind Eingriffe in die Stellung des Gesellschafters nur insoweit zulässig, wie sie im Gesellschaftsinteresse geboten und dem Kläger unter Berücksichtigung seiner eigenen schützenswerten Belange zumutbar sind, wobei kein weniger belastendes Mittel zur Verfügung stehen darf und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Unter diesen Voraussetzungen wird aus der Treuepflicht eine Duldungspflicht des Gesellschafters eingefordert.817 Diese Anforderungen fügen sich in das hier entwickelte Modell einer generellen Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen ein, wonach Eingriffe in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung einer Rechtfertigung bedürfen, bei deren Vorliegen ___________ 812 813 814
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BGHZ 71, 53, 58; BGH NJW 1985, 972, 973; BGH NJW 1985, 974; zustimmend Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 411 f.; Stimpel, FS R. Fischer, 1979, S. 771, 779. Zu einer Personengesellschaft mit 133 Personen BGHZ 85, 350, 356 ff. (Freudenberg-Urteil). BGH NJW 1995, 194, 195; BGH NJW 1985, 972, 974. Der BGH geht dabei davon aus, dass sich aus der Treuepflicht die Verpflichtung der Minderheit ergeben kann, einem in die Mitgliedschaft, auch in deren Kernbereich, eingreifenden Beschluss zuzustimmen, vgl. BGH NJW 1961, 724; BGHZ 44, 40, 41 f. BGH NJW 1995, 194, 195. Vgl. die Aufzählung in BGH NJW 1995, 194, 195; so auch Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 119, Rn. 36; vgl. auch Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, S. 188–200, insb. 200. Zum Gewinnrecht BGH ZIP 2007, 475, 477. Dazu und zum Vorstehenden BGH NJW 1995, 194, 195; BGH NJW 1961, 724 f.; für Publikums-Kommanditgesellschaften BGH NJW 1985, 974, und BGH NJW 1985, 972, 973.
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
199
aber auch von dem betroffenen Gesellschafter hinzunehmen sind. Eine Beschränkung dieser Kriterien auf einen sog. Kernbereich ist hingegen abzulehnen. Die nicht abschließende Aufzählung des BGH der von diesem Kernbereich jedenfalls erfassten Rechte zeigt bereits, dass damit ein kompliziertes Abgrenzungsproblem als Vorfrage einer Inhaltskontrolle eingeführt wird, das die Aufgabe der Gerichte gegenüber dem hier vertretenen Modell verkompliziert. Dieses Dilemma zeigt sich an der Aussage des BGH, wonach sich „(d)er Kreis der (. . .) nicht ohne weiteres durch Mehrheitsbeschluß entziehbaren Rechte (. . .) nicht abstrakt und ohne Berücksichtigung der konkreten Struktur der jeweiligen Personengesellschaft und der besonderen Stellung des betroffenen Gesellschafters umschreiben (läßt).“818 Außerdem zeigt sich an der Aufzählung des BGH und seiner Orientierung an Obergruppen der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung, dass er praktisch alle Mitverwaltungs- und Vermögensrechte der Personengesellschafter einbezieht. Eine wirkliche Beschränkung auf stärker oder schwächer schützenswerte Aspekte der Mitgliedschaft ist darin nicht zu erkennen. Im Ergebnis muss es daher dabei verbleiben, dass jeder nicht nur unwesentliche Eingriff in den Schutzbereich der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung einen Rechtfertigungszwang auslöst, der auch bei mehrheitlich gefassten Beschlüssen in den Personengesellschaften eine Inhaltskontrolle anhand der allgemeinen Prüfungskriterien auslöst. Die Bedeutung des betroffenen Rechts wird dabei ohnehin berücksichtigt. Soweit es sich um ein elementares Recht handelt, im Sinne der Rechtsprechung also der Kernbereich der Mitgliedschaft betroffen ist, bedarf es besonders wichtiger Gründe im Interesse der Gesellschaft, damit die Abwägungsentscheidung zugunsten der Gesellschaft ausfällt. b) Der Bestimmtheitsgrundsatz aa) Die Rechtsprechungsgrundsätze des BGH Als weiteres Schutzinstrument wendet der BGH den sog. Bestimmtheitsgrundsatz an. Für jeden Beschlussgegenstand, für den der Einstimmigkeitsgrundsatz durch das Mehrheitsprinzip ersetzt werden soll, muss danach ein entsprechender Parteiwille eindeutig feststellbar sein.819 Zwar ergebe sich aus § 119 II HGB, dass das Einstimmigkeitsprinzip dispositiv sei und es den Gesellschaftern daher freistehe, in Wahrnehmung der Privatautonomie und im Interesse gesteigerter Flexibilität das Einstimmigkeits- durch das Mehrheitsprinzip zu ersetzen.820 Doch müsse dem im Einstimmigkeitsprinzip zum Ausdruck gebrachten Schutzgedanken Rechnung ___________ 818 819
820
Insoweit nochmals der Hinweis auf BGH NJW 1995, 194, 195. BGH NJW 1985, 972, 973; BGHZ 85, 350, 356 = NJW 1983, 1056, 1057; BGHZ 8, 35, 41; BGHZ 48, 251, 253; auch schon BGH WM 1975, 662, 663; BGH WM 1973, 100, 101; RGZ 163, 385, 391; weniger ausdrücklich, doch i. E. ebenso RGZ 91, 166, 168; RGZ 136, 236, 243; zustimmend OLG Düsseldorf BB 1983, 459, 460. Dazu Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 119, Rn. 37; Westermann, AcP 175 (1975), 375, 417–419; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 388. BGH ZIP 2007, 475, 476.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
getragen werden. Nur dann, wenn im Gesellschaftsvertrag die beschlossene Maßnahme geregelt sei, könne davon ausgegangen werden, dass der Minderheitsgesellschafter die Folgen der Änderung bedacht und ihr vorweggenommen zugestimmt habe. Schließlich sei nicht davon auszugehen, dass sich die Minderheit innerhalb der Personengesellschaft blindlings der Mehrheit unter Inkaufnahme möglicherweise weittragender Folgen unterwerfe.821 Allerdings folgt daraus nicht, dass eine Mehrheitsklausel minutiös die betroffenen Beschlussgegenstände auflisten muss. Vielmehr soll genügen, wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, und sei es auch im Wege der Auslegung, dass der in Frage stehende Beschlussgegenstand einem Mehrheitsentscheid unterliegen soll.822 Diese Rechtsprechung führt zu folgender Differenzierung: Wird im Gesellschaftsvertrag nur pauschal das Mehrheitsprinzip angeordnet, sind davon nur Beschlüsse über die Geschäftsführung erfasst. Sollen auch andere Maßnahmen, etwa Vertragsänderungen erfasst sein, muss sich dies für den jeweiligen Beschlussgegenstand zweifelsfrei aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, entweder ausdrücklich oder im Wege der Vertragsauslegung.823 Dem dissentierenden Gesellschafter steht dabei der Einwand offen, die Mehrheit habe sich nicht an die inhaltlichen Grenzen der ihr erteilten Ermächtigung gehalten und treuwidrig über beachtenswerte Belange der Minderheit hinweggesetzt. Dies führt nach dem BGH jedoch nicht dazu, dass der Mehrheit der Nachweis der inhaltlichen Rechtfertigung des Mehrheitsbeschlusses obliegt. Vielmehr soll die Minderheit den Nachweis führen müssen, dass die Mehrheitsentscheidung treupflichtwidrig ist.824 Auch soll der aus dem Bestimmtheitsgrundsatz resultierende Minderheitsschutz nach Auffassung des BGH den Nachteil aufwiegen, dass bei fehlender Bestimmtheit auch im Gesellschaftsinteresse dringend gebotene Maßnahmen nicht gegen den Willen der widersprechenden Minderheit durchgesetzt werden können.825 Allerdings erkennt auch der BGH die Notwendigkeit an, im Einzelfall dringende Beschlüsse gegen den Willen Einzelner fassen zu können. In solchen Fällen soll die Minderheit aus der Treuepflicht gehalten sein, einem Beschluss zuzustimmen.826 bb) Kritik an diesem Ansatz und Alternativvorschläge Dieses Konzept der Rechtsprechung ist nicht unwidersprochen geblieben. Einerseits wird die damit für die Gesellschaft verursachte Inflexibilität, die im Interesse der Gesellschaft gebotene Veränderungen verhindert oder jedenfalls erheblich er___________ 821 822 823 824 825 826
Zu allem BGHZ 85, 350, 356 = NJW 1983, 1056, 1057 f. BGH ZIP 2007, 475, 476; BGHZ 8, 35, 42; BGHZ 85, 350, 356. Vgl. die systematisierende Aufarbeitung der Rechtsprechung etwa bei Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, S. 44. BGH ZIP 2007, 475, 477. BGH ZIP 1983, 303, 304 f.; BGH NJW 1995, 194, 195. Für dem Bestimmtheitsgrundsatz wie auch dem Kernbereich unterfallende Beschlussgegenstände gleichermaßen BGH NJW 1995, 194, 195. Implizit zustimmend OLG Düsseldorf BB 1983, 459, 461.
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
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schwert,827 andererseits der nicht ausreichend verwirklichte Minderheitsschutz angemahnt.828 Dieser Kritik ist in beiderlei Sinne zuzustimmen: Der BGH setzt ganz auf die Warnfunktion der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages und versagt zugleich darüber hinausgehenden Schutz. Dahinter steht der Gedanke, dass derjenige, der im Voraus weiß, in welchem Umfang er sich der Mehrheitsherrschaft unterwirft, nach dem Prinzip der privatrechtlichen Selbstbestimmung keines weiteren Schutzes bedarf. Zwar kann, soweit in einem klar formulierten Text auf den Umfang der Gefährdung für die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters aufmerksam gemacht wird, von privatrechtlicher Selbstbestimmung ausgegangen werden. Der Gesellschafter weiß im Voraus, in welchem Umfang er sich der Mehrheitsherrschaft unterwirft. Zu Recht wird jedoch darauf hingewiesen, dass mangelnde Sachkunde oder ungünstige Verhandlungspositionen die Minderheitsgesellschafter dazu verleiten können, sich kaum oder gar nicht selbstbestimmt einem Mehrheitsprinzip in dem vom Gesellschaftsvertrag bestimmtem Umfang unterzuordnen.829 Hinzu kommt, dass Gesellschafter, die im Wege der Rechtsnachfolge in die Gesellschaft einrücken, gerade keinen Einfluss auf die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nehmen konnten und daher aus dem Bestimmtheitsgrundsatz keinerlei Vorteile ziehen. Im Übrigen lässt es sich durchaus vereinbaren, den Minderheitsgesellschafter mit der Notwendigkeit zu konfrontieren, im Interesse der Gesellschaft das Einstimmigkeits- durch das Mehrheitsprinzip zu ersetzen, ihm gleichzeitig jedoch zuzugestehen, eine am Gesellschaftswohl orientierte Ausübung des Mehrheitsprinzips einfordern zu dürfen. Genau das scheidet nach der Konzeption des BGH, wonach im Einzelfall nur der Missbrauchseinwand erhoben werden kann, jedoch aus. Als Alternative zur Konzeption des BGH wird vorgeschlagen, den Bestimmtheitsgrundsatz durch eine umfassende Treuepflicht der Mitglieder zu ersetzen, um einen Gleichlauf mit den körperschaftlich strukturierten Gesellschaften zu erreichen. Dies garantiere einerseits, dass die Mehrheitsgesellschafter auf die Belange der überstimmten Minderheit Rücksicht nehmen müssen, zugleich aber auch, dass die Minderheit ihre Zustimmung zu notwendigen Vertrags- und Strukturänderungen nicht versagen dürfe. Insbesondere dann, wenn der Gesellschaftsvertrag Mehrheitsklauseln für umfangreiche Kataloge von Beschlussgegenständen vorsehe, hel___________ 827
828
829
Grds. zustimmend, teilweise jedoch wegen Inflexibilität kritisierend Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 119, Rn. 39; auf die Blockierung notwendiger Maßnahmen hinweisend U.H.Schneider, AG 1979, 57, 62; Brändel, FS Stimpel, 1985, S. 95, 102–104; den Gesichtspunkt fehlender Vorhersehbarkeit im Einzelfall betonend Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004, S. 3, 317 f. Weitergehenden Schutz der Minderheitsgesellschafter anmahnend Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 411 f.; R. Fischer, FS Barz, 1974, S. 33, 41f.; Immenga, ZGR 1974, 385, 424; zu den Argumenten beider Ansichten ausführlich Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, S. 78–96. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 411 f.; ders., FS H.Westermann, 1974, S. 585, 590; R. Fischer, FS Barz, 1974, S. 33, 41 f.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
fe dem Minderheitsgesellschafter nur noch eine Ausübungskontrolle anhand der Grundsätze von Treu und Glauben.830 cc) Inhaltliche Rechtfertigungskontrolle auch im Personengesellschaftsrecht Der begründeten Kritik kann durch Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur Inhaltskontrolle von Beschlüssen Rechnung getragen werden. Sie vermag sowohl den Schutz des Minderheitsgesellschafters, vor rechtswidrigen Eingriffen bewahrt zu sein, als auch die Notwendigkeit, im Interesse der Gesellschaft liegende Veränderungen auch gegen den Widerstand einzelner Gesellschafter durchzusetzen, zu verwirklichen. Es ist nicht zu leugnen, dass die Warnfunktion für den Minderheitsgesellschafter durch die Aufzählung einzelner Beschlussgegenstände besser erreicht wird als durch die bloße Nennung des Mehrheitsprinzips. Die Rechtsprechung hat dieses Kriterium jedoch aufgeweicht, wohl angesichts der Tatsache, dass es kaum möglich ist, alle denkbaren Beschlussgegenstände, die zukünftig auch gegen den Widerstand einzelner Gesellschafter notwendig werden können, in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Geht die Gesellschaft auf Nummer sicher und entwirft einen umfangreichen Katalog denkbarer Beschlussgegenstände, leidet hierunter die Übersichtlichkeit, und die Warnfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes verblasst. Durch die rechtfertigende Inhaltskontrolle findet das Mehrheitsprinzip hingegen eine minderheitsverträgliche Ausgestaltung, die dieses rechtsformübergreifend zu einem praktikablen Prinzip erhebt. Auch die Besonderheit der Personengesellschaften, dass BGB-Gesellschafter und Komplementäre persönlich haften, kann im Wege inhaltlicher Beschlusskontrolle ausreichend berücksichtigt werden. Im Rahmen der Folgenabwägung muss dieser Umstand erschwerend zugunsten des Minderheitsgesellschafters ins Gewicht fallen. Als weitere Hürde zusätzlich am Bestimmtheitsgrundsatz festzuhalten, ist auch aus Gründen des Minderheitsschutzes nicht gerechtfertigt.831 Dennoch kann auch im Rahmen des hier vertretenen Modells der Bestimmtheit der Beschlussgegenstände im Gesellschaftsvertrag eine rechtliche Relevanz zukommen. Bei der im Rahmen der Ausübungskontrolle erforderlichen Abwägung wird zu berücksichtigen sein, ob der betroffene Gesellschafter auf einen entsprechenden Mehrheitsbeschluss vorbereitet war. Befindet sich eine entsprechende Stelle im Gesellschaftsvertrag, erscheint der einzelne Gesellschafter weniger schutzwürdig, und die Anforderungen an einen rechtmäßigen Eingriff müssen in___________ 830
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H. P. Westermann, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band II, 2000, S. 245, 265; im Grundsatz auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 412; ders., FS H.Westermann, 1974, S. 585, 590; R. Fischer, FS Barz, 1974, S. 33, 41; Brändel, FS Stimpel, 1985, S. 95, 103; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004, S. 340–347; sinngemäß auch Immenga, ZGR 1974, 385, 424. A. A. Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, S. 225, wonach nur Bestimmtheitsgrundsatz und materielle Beschlusskontrolle gemeinsam einen ausreichenden Schutz der Minderheitsgesellschafter gewährleisten sollen.
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sofern sinken, als sich weniger dringende Interessen der Gesellschaft gegen die Gesellschafterinteressen durchzusetzen vermögen.
2. Publikumsgesellschaften und börsennotierte Aktiengesellschaften Eine weitere Ausnahme kommt für Publikumsgesellschaften wegen der großen Zahl von beteiligten Kleinanlegern in Betracht. Schon mehrfach wurde angesprochen, dass daraus der Schluss gezogen wird, dass es zur Rechtfertigung eines in die Rechtsstellung einzelner Gesellschafter eingreifenden Beschlusses ausreiche, wenn die Betroffenen angemessen für ihren Rechtsverlust entschädigt werden. Nicht die inhaltliche Rechtfertigung, sondern allein die finanzielle Kompensation wird damit zum Rechtmäßigkeitskriterium. a) Unterschiedliche Schutzrichtung von Inhaltskontrolle und Abfindung Abfindungsansprüche des Gesellschafters in Form von Ausgleichs- und Entschädigungszahlungen finden sich im Gesetz an zahlreichen Stellen. Sie dienen als Kompensation für die durch Gesellschafterbeschlüsse ausgelösten (Vermögens-) Nachteile. Der Gesetzgeber ordnet in etlichen Fällen die Minderheits- den Mehrheitsinteressen unter. Der Gesellschafter darf unter bestimmten Voraussetzungen gegen Abfindung ausgeschlossen werden. Hinzu treten die Situationen, in denen die Grundlagen seiner Beteiligung so wesentlich verändert werden, dass ein weiterer Verbleib unzumutbar erscheint und ihm ein Austrittsrecht unter Abfindung zusteht. Diese Ansprüche auf Abfindung tragen der Tatsache Rechnung, dass überwiegende Interessen der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter im Lichte des Art. 14 I GG zwar einen Rechtsverlust der Minderheit rechtfertigen können, niemals aber einen Vermögensnachteil. Ein mit dem Rechtsverlust einhergehender Vermögensnachteil muss daher stets durch entsprechende Ausgleichszahlungen kompensiert werden.832 Im Grundsatz verfolgt der Gesetzgeber dabei das Konzept, dem Minderheitsgesellschafter bei einer wesentlichen Veränderung der Grundlagen das Wahlrecht zu belassen, in der Gesellschaft zu verbleiben oder gegen Abfindung auszuscheiden. Regelmäßig geht dem ein Beschluss voraus, der von 75% des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals getragen wird, so vor allem bei Umwandlungsvorgängen, die das Austrittsrecht nach § 29 I 1. Hs. UmwG auslösen,833 sowie bei dem Abschluss von Unternehmensverträgen nach §§ 293 I 2, 305 AktG. Höhere Mehrheiten sind erforderlich, wenn der Gesellschafter ausgeschlossen wird und auch nicht das Angebot erhält, eine neue Beteiligung an einer anderen (unabhängigen) Gesellschaft einzugehen, so beim Squeeze out nach § 327a II ___________ 832
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Dies ergibt sich aus der Parallele zur staatlich durchgeführten Enteignung. Auch dort ist der Rechtsverlust hinzunehmen, der Vermögensverlust aber durch eine Entschädigung auszugleichen. Dazu BVerfGE 45, 63 ff.; BVerfGE 46, 285; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 14, Rn. 68. Zur Rechtsprechung des BVerfG im Gesellschaftsrecht und den Grundlagen der Abfindungsbemessung ausführlich unter § 11. Zu diesen Umwandlunsgvorgängen näher unter § 12.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
AktG, daneben aber auch bei der Mehrheitseingliederung nach §§ 320, 320b AktG.834 Dieses Konzept ist nicht ohne Ausnahmen. So kann ein Unternehmensvertrag in den Fällen des § 305 II Nr. 3 AktG, in denen nur in bar abgefunden werden muss, mit einer Dreiviertelmehrheit abgeschlossen werden. Hier sprechen gute Gründe dafür, die erforderliche Mehrheit auf 95% heraufzusetzen, da kaum ein außenstehender Aktionär in der Gesellschaft verbleiben wird, so dass die Wirkung eines Ausschlusses gegen Barabfindung erzielt wird. Schwerer noch wiegt, dass andere Maßnahmen, die zu einer wesentlichen Veränderung der Grundlagen führen können, keinen Austritt unter Abfindung vorsehen, so etwa die Vermögensveräußerung nach § 179 a AktG.835 In das hier entwickelte System passen Entschädigungszahlungen nur insoweit, als im Rahmen einer Abwägung der gegenseitigen Interessen und der drohenden Nachteile für alle Beteiligten auch die Auswirkungen auf die Vermögenslage zu berücksichtigen sind. Werden drohende Vermögensnachteile ausgeglichen, besitzt dies Relevanz im Rahmen der Abwägung und kann einen Aspekt darstellen, der den Ausschlag für eine Eingriffsrechtfertigung gibt. Voraussetzung dafür, überhaupt zu einer Einzelfallabwägung gelangen und damit auch die Abfindungsregelung berücksichtigen zu können, ist die vorrangige Feststellung, dass mit dem Eingriff überhaupt legitime Zwecke verfolgt werden. b) Keine gesetzgeberischen Wertungen gegen eine Inhaltskontrolle Damit stellt sich die Frage, ob diese Grundsätze einer Modifikation dahingehend bedürfen, dass eine Entschädigungszahlung ohne Weiteres zur Rechtfertigung eines Eingriffs ausreicht. Für staatliche Eingriffe in die Eigentumsfreiheit wurde dem Prinzip eines „dulde und liquidiere“ vom Bundesverfassungsgericht eine generelle Absage erteilt.836 Für das Gesellschaftsrecht wird dies hingegen von einer Literaturansicht befürwortet und die §§ 243 II, 320b, 304, 305 AktG als Beleg dafür herangezogen, dass der Gesetzgeber im Aktienrecht ein Prinzip des rechtfertigenden Vermögensausgleichs verfolge.837 Den genannten Bestimmungen lässt sich jedoch keine allgemeine Wertung entnehmen, dass Abfindungsansprüche der beeinträchtigten Minderheitsgesellschafter eine inhaltliche Rechtfertigung des Mehrheitsbeschlusses ersetzen können.838 ___________ 834
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Eine Barabfindung ist nach § 320 b I AktG anzubieten, wenn die Hauptgesellschaft eine abhängige Gesellschaft ist. Anders als in den Fällen des § 305 II Nr. 2 AktG besteht hingegen keine Verpflichtung, Aktien der Konzernmutter anzubieten. Zu den Überlegungen, de lege ferenda Austrittsrechte zu schaffen, ausführlich unter § 10 D. Zu den offenen Fragen der sog. übertragenden Auflösung unter § 9 C. V. BVerfGE 58, 300, 324 = NJW 1982, 745, 747 (Nassauskiesungsbeschluss). Siehe zu den Folgerungen daraus für das Gesellschafsrecht auch Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 136. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 354– 356. So auch für mergers im US-amerikanischen Recht Brudney/Chirelstein, 88 Harv. L. Rev. 297, 306 seq. (1974), bezogen auf Situationen, in denen kein Interessenkonflikt vorliegt: “Finally, appraisal is merely an option-out alternative, and as such it focuses on the premerger
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
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Eine Mehrheitseingliederung nach § 320 I AktG setzt ebenso wie ein Squeeze out nach § 327 a I AktG einen Beschluss voraus, der von 95% des Grundkapitals getragen wird. Wie soeben unter III. 5. c) begründet, handelt es sich bei diesem Mehrheitserfordernis um eine Sondersituation, da sich das Interesse des Mehrheitsgesellschafters wegen dessen überragender Bedeutung dem Gesellschaftsinteresse annähert. Dies ist der (verfassungsrechtlich legitimierte) Grund, weshalb eine Inhaltskontrolle bei diesen Beschlüssen ausscheidet. Die Abfindungsregeln treten hinzu, da auch in einer solchen Situation dem Kleinaktionär kein Vermögensschaden entstehen darf.839 Es lässt sich vielmehr umgekehrt argumentieren, dass diese Vorschriften gerade zum Ausdruck bringen, dass ein ohne rechtfertigende Gründe (etwa die überragende Beteiligung der Mehrheit) bewirkter Ausschluss des Gesellschafters auch dann nicht zulässig ist, wenn dieser angemessen abgefunden wird.840 Vielmehr bedarf es stets weiterer Voraussetzungen, die einen solchen Ausschluss rechtfertigen, und ein Abfindungsanspruch tritt als Rechtsfolge hinzu, da auch sachliche Ausschlussgründe einen Vermögensverlust des Minderheitsgesellschafters nicht zu rechtfertigen vermögen. Die §§ 304, 305 AktG bringen demgegenüber zum Ausdruck, dass die mit einem Unternehmensvertrag verbundenen Gefahren zu besonderen Vorkehrungen zugunsten der Minderheit führen müssen, nämlich zu Ausgleichszahlungen und einem Austrittsrecht. Über das Verhältnis von Inhaltskontrolle und Abfindung ist dabei nichts ausgesagt. Wie noch zu begründen sein wird, handelt es sich vielmehr um eine Situation, in der wegen der nachhaltigen Gefahren für die Minderheit zu der (vom Gesetzgeber eingeschränkten) Inhaltskontrolle weitere Schutzmechanismen hinzutreten müssen.841 Zu § 243 II 2 AktG ist zu sagen: Die in dieser Vorschrift vorgesehene Kompensationsmöglichkeit bezieht sich nur auf die Situation des § 243 II 1 AktG, in der Sondervorteile verfolgt werden. Hingegen werden die Fälle des Abs. 1, wonach ein Beschluss wegen Gesetzes- oder Satzungsverletzungen angefochten werden kann, nicht erfasst. Die Systematik der Vorschrift wird daher zu Recht dahin ge___________ 839
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value of the aquired company’s shares. It neither serves nor is designed to serve as a remedy for the fiduciary misbehavior at which the fairness challenge is directed“. Siehe auch Habersack, AG 2005, 137, 140, der die hohe Beteiligusquote beim Squeeze out hervorhebt und sich darauf gestützt dagegen ausspricht, in den Vorschriften eine Abkehr von der Konzeption des AktG, die die Aktionärsstellung als mitgliedschaftliche Beteiligung, nicht als bloße Kapitalanlage ansieht, zu erkennen. Für Mülbert, FS Ulmer, 2003, S. 433, 450; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeezeout), 2003, S. 78 f., sind diese Vorschriften hingegen Ausdruck einer gesetzgeberischen Entscheidung für ein freies Lösungsrecht der Gesellschaft bzw. des Großaktionärs von der verbliebenen Minderheit und der Herabstufung des Kleinaktionärs zu einem Anleger. Näher zu diesen Vorschriften unter § 9 C. Darauf weist auch Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 136 f., hin. Siehe dort auch zu dem Hinweis, dass die Rechtsprechung des BGH zum Bezugsrechtsausschluss zunächst nach einer sachlichen Rechtfertigung fragt und als weiteren Schritt zusätzlich sicherstellt, dass keine finanzielle Benachteiligung vorliegt. Dazu unter § 10 C. IV. und § 14.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
hend ausgelegt, dass eine Anfechtung nach § 243 I AktG den primären Rechtsbehelf gegen fehlerhafte Beschlüsse darstellt. Nur soweit der Anwendungsbereich der Norm nicht eröffnet ist, zugleich aber die Voraussetzungen von Abs. 2 vorliegen, kann der einen Sondervorteil erstrebende Aktionär die Anfechtung durch einen angemessenen Ausgleich abwehren.842 Die besseren Gründe sprechen dafür, die sachliche Rechtfertigung und die Abfindung nicht in ein Alternativverhältnis zueinander zu setzen, sondern beide Mechanismen nebeneinander und ergänzend anzuwenden, da ihre Schutzrichtungen unterschiedlich sind. Die Inhaltskontrolle dient dem durch Art. 14 I GG auch verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Gesellschafters gegen seine Mitgesellschafter auf Einhaltung des wechselseitig abgegebenen Versprechens zur gemeinsamen Verfolgung des Gesellschaftszwecks unter Wahrung des Gesellschaftsinteresses. Der Abfindungsanspruch schützt hingegen vor Vermögensnachteilen, die mit wesentlichen Veränderungen in der Rechtsstellung des Gesellschafters einhergehen und im Interesse des Verbandes oder überwiegender Mehrheitsinteressen (ausnahmsweise) hingenommen werden müssen. Wann der eine oder andere Mechanismus ausgelöst wird, ist grundsätzlich im Einzelfall anhand der jeweiligen Schutzrichtung gesetzlicher Bestimmungen zu ermitteln. Dafür streiten auch die Regelungen in §§ 305 V 1, 320 b II 1 AktG, daneben auch in §§ 32, 210 UmwG, wonach die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses nur insoweit ausgeschlossen wird, als die Angemessenheit der Abfindung in Frage steht, wegen anderer Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aber unberührt bleibt.843 An dieser Stelle kann der bisherige Befund daher nur bestätigt werden: Ein Abfindungsanspruch betroffener Gesellschafter schließt nicht per se aus, dass der zugrunde liegende Beschluss einer Inhaltskontrolle unterzogen wird.844 c) Ausnahmen für Publikumsgesellschaften? Besteht danach kein Grund, in den Fällen von Ausgleichszahlungen für erlittene Beeinträchtigungen von den allgemeinen Kriterien generell abzuweichen, kommen solche Ausnahmen doch bei besonders gelagerter Realstruktur in Betracht, ___________ 842
843 844
Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 36; ders., MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 56; ders., in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, Band V, 1984, § 243, Rn. 112; ders., FS Kropff, 1997, S. 127, 130. Zu Anwendungsfällen in der jüngeren Rechtsprechung vgl. etwa die Diskussion um Steuervorteile, die für den Hauptaktionär aus Umwandlungen resultieren, OLG Düsseldorf ZIP 2001, 1717, 1720 f. (rkr.); LG Hanau AG 2002, 2261 (rkr.); zu einer Sonderdividende und dadurch finanziertem Squeeze out LG Frankfurt AG 2005, 545 (n. rkr.). Zu dieser Bewertung gelangt auch Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 171. So i. E. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 446 f.; Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 446; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 170–172; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 136: Dort auch zu seinem Argument, dass auch niemand aus der Existenz eines Schadensersatzanspruchs auf die Zulässigkeit der Eigentumsverletzung schließen würde.
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nämlich bei großen Publikumsgesellschaften und börsennotierten Aktiengesellschaften. Auf die besondere Bedeutung der Realstruktur einer Gesellschaft für die Eingriffskontrolle wurde schon unter § 3 hingewiesen. Eine personalistisch geprägte Gesellschaft unterscheidet sich von einer Publikumsgesellschaft845 darin, dass die persönliche Verbindung der Gesellschafter eine bedeutende Rolle spielt. Die Gesellschafter kennen sich untereinander, und zumeist kommt es für die Beitrittsentscheidung des Einzelnen gerade darauf an, dass Personen seines Vertrauens an der Gesellschaft beteiligt sind. Im Gegensatz dazu bleiben die Gesellschafter in Publikumsgesellschaften wegen der Vielzahl der beteiligten Personen gewöhnlich anonym. Die Person des Einzelnen tritt in den Hintergrund. Die Aktiengesellschaft stellt den gesetzlichen Prototypen einer Publikumsgesellschaft dar. Sie wurde vom Gesetzgeber als ein Instrument kollektiver Eigentumsnutzung ausgestaltet. Häufig sind an einer Aktiengesellschaft eine solche Vielzahl von Aktionären beteiligt, dass eine ausgeprägte Nähebeziehung unter den Gesellschaftern ausscheidet.846 Damit hängt es zusammen, dass die Regelung des Innenverhältnisses weniger als bei anderen Gesellschaftsformen der individuellen Vereinbarung durch die Gesellschafter überlassen wurde, sondern der Gesetzgeber den Ausgleich konfligierender Interessen weitaus häufiger als in der GmbH und den Personengesellschaften durch teils zwingende, teils dispositive Vorschriften geregelt hat. Eine weitere Besonderheit der Aktiengesellschaft stellt die (besondere) Fungibilität der Beteiligung dar. Deren Konsequenz ist es, dass der Aktionär in der Regel einfacher als die Gesellschafter anderer Gesellschaftsformen ausscheiden kann, sobald die Verhältnisse in der Gesellschaft seinen Vorstellungen nicht mehr entsprechen. Hinzu kommt, dass die Entwicklungen im Aktienrecht die Tendenz erkennen lassen, die börsennotierte Aktiengesellschaft stärker als Leitbild der Aktiengesellschaft zu etablieren. Das heutige Aktiengesetz orientiert sich verglichen mit seinen älteren Fassungen deutlich stärker am Anleger als am Verbandsmitglied.847 ___________ 845
846 847
Bei Publikumsgesellschaften handelt es sich um Gesellschaften, in denen weder die Gesellschafter zusammenwirken noch ein oder einige Gesellschafter eine beherrschende Rolle ausüben, siehe Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, S. 295. Etwa Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1381. Dazu die ausführliche Darstellung von Bayer, Gutachten E zum 67. Deutschen Juristentag, 2008, S. E 22 ff. (zugleich mit einem Befund, dass der Gesetzgeber dabei an den Rechtstatsachen vorbei normiert); Mülbert, FS Ulmer, 2003, S. 433, 434 f.; Fleischer, ZIP 2006, 451, 454 f. So haben etwa die Vorschriften über die Rechungslegung der AG ein zunehmend kapitalmarktrechtliches Gepräge erhalten, vgl. dazu Zöllner, AG 1994, 336 ff.; Seibert, AG 2002, 417 ff.; Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1270; Seibt, Gesellschaftsrecht, 2000, S. 37, 40 f. Zu nennen sind auch zahlreiche Änderungen des Aktienrechts, mit denen das Aktiengesetz stärker an die Anforderungen der Kapitalmärkte angepasst werden sollte, so das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2. 8. 1994, BGBl. I, 1961, das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich v. 27. 4. 1998, BGBl. I, 786 (KonTraG), das Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) v. 18. 1. 2001, BGBl. I, 123, dazu die Begr.-RegE, ZIP 2000, 937, und das Transparenz-und Publizitätsgesetz (TransPuG), dazu Begr.-RegE, NZG 2002, 213. Zu den
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
Daraus folgert eine Literaturansicht, dass die Beteiligung eines Kleinaktionärs als reine Kapitalanlage anzusehen ist und daher auch nur die Vermögensseite der Beteiligung des Kleinaktionärs, nicht aber die übrigen Aspekte seiner Mitgliedschaft schützenswert seien. Dementsprechend sollen die mitgliedschaftlichen Rechte ohne weitere Voraussetzungen entzogen werden und sogar ein vollständiger Ausschluss aus der Gesellschaft bewirkt werden können, sofern der Rechtsverlust nur wirtschaftlich angemessen kompensiert wird.848 Diese Ansicht wird teilweise auf die Ausführungen des BVerfG in den Entscheidungen „Moto Meter“849, „DAT/Altana“850 und dem Beschluss zu den Squeeze outVorschriften851 gestützt. Diese Entscheidungen wurden bereits unter § 3 D. angesprochen. Ihre Verallgemeinerungsfähigkeit in Bezug auf den von der zitierten Literaturansicht hervorgehobenen Ansatz erscheint fraglich. In zwei Fällen verfügte der Mehrheitsaktionär über eine überragende Mehrheitsbeteiligung (in einem Fall rund 99%, im anderen mehr als 95%), während es sich im dritten Fall um eine börsennotierte Aktiengesellschaft handelte. Dass eine Quasi-Alleineigentümerstellung des Mehrheitsgesellschafters aus verfassungsrechtlichen Gründen besondere Prinzipien rechtfertigt, wurde bereits begründet,852 und auf die Besonderheiten börsennotierter Aktiengesellschaften, die in der Tat einen Sonderfall darstellen, wird sogleich (unter d)) einzugehen sein. Daneben ist auch die Feldmühle-Entscheidung des BVerfG zu erwähnen, der die bislang nicht kategorisierte Sonderkonstellation zugrunde lag, dass der Kleinaktionär an einer konzernangehörigen Untergesellschaft beteiligt war. Da die Geschicke der konzernangehörigen Gesellschaft ohnehin von der herrschenden Gesellschaft bestimmt werden,853 wertete das ___________ 848
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852 853
parallel verlaufenden Entwicklungen im europäischen Gesellschaftsrecht Grundmann, ZIP 2004, 2401, 2410 ff.; Großfeld, NZG 2005, 1 ff. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 259 ff. Andeutungsweise bei Schwark, FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1095; ders., AG 1999, 442, 446. Aus dem anglo-amerikanischen Schrifttum etwa Hill, 48 Am. J. Comp. L. 39, 58 seq. (2000); siehe auch OLG Frankfurt AG 2007, 357, 358, wonach das mitgliedschaftliche Bestandsinteresse der Kleinaktionäre von begrenzter Bedeutung sei, da bei ihnen die Vermögenskomponenete im Vordergrund stehe. Dezidiert hiergegen etwa Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 78 f.; Habersack, AG 2005, 137, 139 f.; ablehnend auch Bayer, NJW 2000, 2609, 2615; Drygala, AG 2001, 291, 298; Kindler, ZGR 1998, 35, 51. BVerfG ZIP 2000, 1670. BVerfG ZIP 1999, 1436 (DAT/Altana). BVerfG NJW 2007, 3268, 3270 (Rn. 23): „Das Mitgliedschaftsinteresse eines Aktionärs kann der Gesetzgeber indes in der Regel umso niedriger bewerten, je geringer dessen Anteil an der Gesellschaft ausfällt. Relevanten Einfluss auf die Unternehmenspolitik können Minderheitsaktionäre in der Regel nicht ausüben. Für sie stellt die Aktie typischerweise eher eine Kapitalanlage als eine unternehmerische Beteiligung dar (. . .). Angesichts dessen ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, die Schutzvorkehrungen zugunsten des Minderheitsaktionärs auf die vermögensrechtliche Komponente der Anlage zu konzentrieren, wenn er – wie beim Squeeze-out – einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre an ein Quorum von 95 vom Hundert Aktienbesitz beim Hauptaktionär knüpft“. Nochmals der Hinweis auf oben III. 5. c). Dazu ausführlich unter § 14.
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BVerfG die Beteiligung des Kleinaktionärs nicht als unternehmerische Beteiligung, sondern als Kapitalanlage, die sich dadurch auszeichne, dass die Interessen des Minderheitsaktionärs weitgehend auf Rendite und Kurs beschränkt seien.854 Darauf gestützt betonte das Gericht nur das Erfordernis einer angemessenen Abfindung des Kleinaktionärs.855 Nach allem ist es daher zweifelhaft, aus den Entscheidungen des BVerfG ein für jeden Kleinaktionär geltendes Ausnahmekonzept zu entwickeln. Eine pauschalierende Sonderbehandlung des Kleinaktionärs lässt ohnehin den Umstand außer Acht, dass die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des einzelnen Aktionärs nicht nur von seiner Beteiligungsquote abhängt, sondern ebenso von der Realstruktur seiner Aktiengesellschaft. Wegen der erheblichen Strukturunterschiede der in Deutschland gegründeten Aktiengesellschaften gibt es keinen verallgemeinerungsfähigen Kleinaktionär, sondern vielmehr einen Kleinaktionär in personalistisch zugeschnittenen Aktiengesellschaften, in Aktiengesellschaften vom Zuschnitt einer Publikumsgesellschaft und, als deren Untergruppe, in börsennotierten Aktiengesellschaften. Dabei stellt der Kleinaktionär in der personalistisch geprägten Aktiengesellschaft keineswegs eine vernachlässigbare Ausnahmeerscheinung dar. Eine Studie aus jüngster Zeit zeigt vielmehr, dass der Aktiengesetzgeber mit seiner beständig fortschreitenden Ausrichtung des Grundtyps der Aktiengesellschaft auf die börsennotierte Gesellschaft an der Realität vorbei normiert: Eine kleine Anzahl zumeist börsennotierter Publikumsgesellschaften steht einem Heer an Aktiengesellschaften kleinen, personalistisch geprägten Zuschnitts gegenüber.856 Da der Aktionär einer personalistisch ausgerichteten Aktiengesellschaft jedoch ebenso wenig wie ein GmbH-Gesellschafter zum reinen Kapitalanleger herabgestuft werden kann, kommt allenfalls in Betracht, auf den Kleinaktionär einer Aktiengesellschaft vom Zuschnitt einer Publikumsgesellschaft besondere Grundsätze anzuwenden. Gleiches würde dann für den Kommanditisten einer Publikums-KG gelten können. Doch sprechen die besseren Gründe auch gegen eine derartige Sonderbehandlung von Publikumsgesellschaftern. Nimmt man die börsennotierte Aktiengesellschaft, auf deren Besonderheiten unter d) zurückzukommen ist, aus der Betrachtung aus, ist den Gesellschaftern in personalistisch geprägten Verbänden und in Publikumsgesellschaften gemeinsam, dass die Gesellschafter ein (relativ) langfristiges Engagement einzugehen beabsichtigen, da es an der jederzeitigen Veräußerbarkeit der Beteiligung fehlt. Um jedoch über einen längeren Zeitraum von der Mitgliedschaft profitieren zu können, ist es von Bedeutung, durch Wahrnehmung der Mitverwaltungsrechte auf die Geschicke der Gesellschaft Einfluss zu nehmen, was in der personalistisch geprägten Gesellschaft evident ist, in abgeschwächter Form aber auch für die Publikumsgesellschaft gilt. Auch bei Letzterer ist zwar ___________ 854 855 856
BVerfGE 14, 263, 283 = NJW 1962, 1667, 1668 (Feldmühle). BVerfGE 14, 263, 283 = NJW 1962, 1667, 1668 (Feldmühle). Hierzu die Zahlen und Ausagen bei Bayer, Gutachten E zum 67. Deutschen Juristentag, 2008, S. E 20 und E 27. Danach sind von 15.242 inländischen Aktiengesellschaften gerade einmal 656 börsennotiert.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
eine gewisse Apathie der Anleger, ähnlich der sogleich unter d) zu behandelnden Situation des Aktionärs in der börsennotierten Aktiengesellschaft, zu beobachten.857 Sie beruht aber, anders als die rationale Aktionärsapathie in börsennotierten Gesellschaften, nicht auf einem rationalen Verhalten, da die Veräußerlichkeit der Anteile bei der Publikums-Kommanditgesellschaft ebenso wie bei der nichtnotierten Kapitalgesellschaft längst nicht so einfach möglich ist, als dass sich ein uninformiertes und inaktives Verhalten durch schnellen und verlustarmen Ausstieg kompensieren ließe.858 Daher ist es rational, sich vor dem Beitritt zur Gesellschaft mit deren Verhältnissen und den Modalitäten der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung vertraut zu machen, seine voice option auszuüben und sich gegen rechtswidrige Eingriffe zur Wehr zu setzen. Ist dem rational handelnden Gesellschafter jedoch daran gelegen, dass seine Rechtsstellung gegen rechtswidrige Eingriffe durch die Gesellschaft und Mehrheit geschützt wird, gilt nicht nur in der personalistisch geprägten, sondern auch in der Publikumsgesellschaft das bisher Gesagte: An dem Erfordernis einer generellen Inhaltskontrolle von Beschlüssen ist festzuhalten.859 Ein Vermögensausgleich vermag nur dazu zu dienen, einen nach allgemeinen Kriterien als rechtmäßig zu beurteilenden Vermögensverlust auszugleichen. Zur Klarstellung ist nochmals darauf hinzuweisen, dass es für die konkrete Prüfung im Einzelfall durchaus eine wichtige Rolle spielt, ob es sich um eine Publikumsgesellschaft mit anonymem Gesellschafterkreis oder eine personalistisch geprägte Gesellschaft handelt, da das Maß der Pflicht zur Rücksichtnahme, wie es in der Abwägung der beteiligten Interessen zum Ausdruck kommt, in letzterer stärker ausgeprägt ist.860 Auch soll erneut auf die gesetzgeberischen Wertungen im Aktienrecht eingegangen werden: Diese sind nicht zwingend als Herabstufung des Kleinaktionärs zu einem nur vermögensrechtlich zu schützenden Kleinanleger zu verstehen; näher liegt, sie als Entscheidung zugunsten eines besonders dominanten Großaktionärs zu werten. Die Minderheitsrechte sind im Aktienrecht an Beteiligungsquoten von 10%, so in §§ 147 I 1, 142 II 1 AktG, und 5%, nämlich in §§ 122 I 1, II 1, 254 II 3, 258 II 3 i. V. m. 260 I 1, 265 III 1 AktG, geknüpft. Diese Minderheitsrechte setzen nicht voraus, dass sich die Beteiligung in den Händen eines Minderheitsaktionärs befindet, sondern können bei gemeinsamem Vorgehen verschiedener Kleinaktionäre ausgeübt werden. Daraus wird deutlich, dass der Schutzumfang der ___________ 857 858 859
860
So etwa Wiedemann, FS H.Westermann, 1974, S. 585, 591. Vgl. dazu auch Brinkmann, 14 European Business Law Review 5, 55 seq. (2003); Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 26. Siehe zu dem Argument, die gesetzgeberischen Entscheidung, Beeinträchtigungen des Kleinaktionärs im Vergleich zu anderen Minderheitsgesellschaftern vereinfacht zuzulassen, gebe Anlass dazu, seinen Schutz in den übrigen, nicht ausdrücklich geregelten Fällen besonders ernst zu nehmen, dezidiert Bayer, in: Hommelhoff/u. a., Corporate Governance, 2002, S. 137, 140; ders., ZHR 163 (1999), 505, 530 ff. Dies entspricht i. E. der ganz h. M., die für die Intensität der zu beachtenden Treuepflicht auf die Realstruktur der Gesellschaft abstellt. Vgl. etwa Wastl, NZG 2005, 17, 20, wonach Treuepflichten unter den Gesellschaftern in einer anonymen Publikums-AG deutlich seltener zum Tragen kommen als in einer (börsennotierten) Familien-AG.
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
211
Mitgliedschaft des Kleinaktionärs weniger von der Höhe der eigenen Beteiligung, sondern stärker von der des Mehrheitsgesellschafters abhängt. Verhindert dessen Beteiligung die Wahrnehmung wichtiger Minderheitsrechte auch in den Fällen eines Zusammenschlusses aller verbleibenden Kleinaktionäre, wird deren Position erheblich entwertet. Dies deckt sich mit dem schon vielfach ausgeführten Prinzip, dass dem Quasi-Alleineigentümer der Gesellschaft eine besonders starke Rechtsstellung zukommt bzw. dass die Rechte der verbleibenden Minderheit in diesen Fällen stärkeren Einschränkungen ausgesetzt sind als bei niedrigeren Beteiligungen des Hauptgesellschafters. d) Die Besonderheiten bei börsennotierten Aktiengesellschaften Die börsennotierte Aktiengesellschaft unterscheidet sich von allen übrigen Gesellschaftsformen durch die jederzeit mögliche Veräußerlichkeit der Beteiligung. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein börsentäglicher Handel mit den Aktien stattfindet, also für große Aktiengesellschaften mit nicht unerheblichem Streubesitz. In diesen Fällen verfügt der Aktionär über eine jederzeitige Austrittsmöglichkeit (opt out/ exercising the Wall Street Option). Dabei handelt es sich, wie im Folgenden zu begründen sein wird, um einen wesentlichen Gesichtspunkt, an dem sich die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines in die Rechtsstellung der Minderheit eingreifenden Beschlusses orientieren müssen. aa) Reine Vermögensanlage und rationale Aktionärsapathie Als Ausgangspunkt ist erneut auf die soeben erwähnten Urteile des BVerfG in den Rechtssachen Feldmühle und Moto Meter861 einzugehen. Dort wird die Doppelnatur der Aktie als Vermögens- und Mitgliedschaftsrecht betont und daraus abgeleitet, dass die eine Seite, die mitgliedschaftliche, auch starken Beeinträchtigungen ausgesetzt werden darf, solange nur die andere, die vermögensrechtliche, gewahrt bleibt.862 Grund hierfür ist, dass das BVerfG den Minderheitsaktionär als einen Gesellschafter ansieht, der sein Interesse weitgehend auf Rendite und Kurs beschränkt. Dementsprechend müsse für ihn die Aktie typischerweise mehr reine Kapitalanlage als unternehmerische Beteiligung sein.863 Daraus folgert das Gericht, den Interessen der Minderheitsaktionäre müsse nur hinsichtlich der Vermögenskomponente ihrer Beteiligung Rechnung getragen werden, während die Herrschaftskomponente des Aktieneigentums bei ihnen nur begrenzt bedeutsam sei.864 Es genüge daher, den Aktionären die Mittel an die Hand zu geben, um eine vergleichbare Beteiligung zu erwerben865 bzw. ihnen als angemessene Abfindung das ___________ 861 862 863 864 865
BVerfGE 14, 263 (Feldmühle); BVerfG ZIP 2000, 1670 (Moto Meter). BVerfGE 14, 263, 278 (Feldmühle). BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle). BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto Meter). BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 (Moto Meter); zustimmend OLG Düsseldorf AG 2005, 293, 294.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
zu bezahlen, was ihre gesellschaftliche Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist.866 Während eine generelle Anwendung dieser Grundsätze auf alle Arten von Aktionären soeben abgelehnt wurde, ist ihnen für die Inhaber börsennotierter Aktien zuzustimmen. Der Kleinaktionär einer börsennotierten Gesellschaft nimmt, da eine Pflicht, die Mitverwaltungsrechte auszuüben, nicht besteht,867 häufig oder sogar regelmäßig am unternehmerischen Leben der Gesellschaft nur insoweit teil, wie seine Interessen an einem hohen Kapitalertrag seiner Beteiligung betroffen sind. Seine Aufmerksamkeit gilt der Dividende und der Entwicklung des Aktienkurses.868 Aufgrund des Phänomens der rationalen Aktionärsapathie findet er sich schneller zum Ausstieg, der exit option, als zur Verfolgung der Mitverwaltungsrechte, der voice option, bereit.869 Deren Wahrnehmung erweist sich regelmäßig als zu zeit- und kostenintensiv,870 insbesondere da die Anleger regelmäßig nicht nur eine einzelne Beteiligung halten, sondern über ein diversifiziertes Aktienportfolio verfügen. Infolge der Streuung des Aktienbesitzes bringt vermehrtes Augenmerk auf eine bestimmte Aktie einen unverhältnismäßigen Aufwand mit sich.871 Zugleich kann es sich derjenige Kleinanleger, der sein Kapital der Aktiengesellschaft jederzeit wieder entziehen kann, auch erlauben, sich nur für die kapitalistische Seite seiner Beteiligung zu interessieren. Die exit option schafft ein hohes Maß an Schutz und diszipliniert gleichzeitig nicht nur das Management, sondern ___________ 866 867 868
869
870 871
BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle); ebenso österreichischer VfGH, Urteil vom 16. 6. 2005, Rs. G 129/04-17, G 63/05-3, G 64/05-2, G 65/05-2, G 66/05-2, S. 19 f. Vgl. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 8, Rn. 36. Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 11; Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 105; Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 52. Zum US-amerikanischen Recht Buxbaum, 45 Ohio St. L.J. 515, 526 (1984); Hamiltion, The Law of Corporations in a Nutshell, 5th ed. 2000, p. 394–396; Moll, 53 Vand. L. Rev. (2000) 789; Hill, 48 Am. J. Comp. L. 39, 58–61 (2000); Windbichler, in: Timm, Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 35, 48 f. Dazu etwa Siems, ZVglRWiss 104 (2005), 376, 385 f.; Ekkenga, Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt, 2003, S. 30; Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 120 f.; Röhricht, ZGR 1999, 445, 472; Mertens, AG 1990, 49, 52; Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 2001, S. 199; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 79; aus ökonomischer Sicht grundlegend Easterbrook/ Fischel, 26 J. Law and Economics, 395, 396 (1983); ausführlich auch Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 174–177. Siehe jedoch auch die Bestandsaufnahme von Decher, ZHR 171 (2007), 126, 130, wonach die Zahl aktiver Aktionäre zunimmt und insbesondere Hedge Fonds, Pension Fonds aber auch vermögende Privatpersonen versuchen, Einfluss in der Hauptversammlung und auf den Vorstand auszuüben. Zugleich ist nicht zu übersehen, dass es sich allenfalls bei letzteren um Kleinanleger im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG handeln mag. Hopt, FS Wiedemann, 2002, S. 1013, 1026; Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 13. Vgl. Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 121.
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
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auch den Mehrheitsaktionär, da beiden Gruppen daran gelegen ist, einen Kapitalexodus zu verhindern.872 Damit existieren Marktmechanismen, die den PrincipalAgent-Konflikt kontrollieren und zugunsten der Minderheitsaktionäre wirken.873 Aus diesem Grund wird in der Literatur erwogen, mitunter auch bereits befürwortet, bei börsennotierten Aktiengesellschaften die Regulierung des Innenverhältnisses den Marktgesetzen zu überantworten.874 Als weiterer Gesichtspunkt tritt hinzu, dass sich der Aktionär einer börsennotierten Gesellschaft an der Schnittstelle von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht bewegt und daher nicht nur durch die Vorschriften des Gesellschaftsrechts, sondern auch die des Kapitalmarktrechts geschützt wird.875 Das Kapitalmarktrecht stellt sicher, dass er die Informationen über kurs- und ertragsrelevante Tatsachen erhält, derer er bedarf, um seine exit option effektiv wahrnehmen zu können.876 Auch der europäische Gesetzgeber konzentriert sich in seinen Regelungen ganz auf die börsennotierte Aktiengesellschaft, so dass auch hierdurch ein weiterer Schutzmechanismus hinzutritt.877 Dieser Bestand spricht dafür, den gesellschaftsrechtlichen Schutz des Aktionärs zurückfahren, wenn auch nicht gänzlich auszuschalten.878
___________ 872
873 874
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876 877 878
Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 13; aus dem anglo-amerikanischen Schrifttum Hill, 48 Am. J. Comp. L. 39, 58 (2000); für den Bereich der Corporate Governance zur efficient market capital theory Hopt, FS Wiedemann, 2002, S. 1013, 1025. Dazu Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, S. 37. So etwa Ekkenga, Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt, 2003, S. 30; Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 13; Röhricht, ZGR 1999, 445, 474 f., sieht den Schutz des Aktionärs dadurch gewährleistet, dass neben den Marktmechanismen nur die „altehrwürdigen Instrumente“ der Rechtsordnung, etwa das Verbot sachfremden und rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, zur Anwendung gelangen; ansatzweise Lutter, FS Zöllner, Band I, 1998, S. 363, 375; Mertens, AG 1990, 49, 52; Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 2001, S. 200 ff. In der US-amerikanischen Literatur ist diese Diskussion eher noch weiter fortgeschritten, siehe etwa Hill, 48 Am. J. Comp. L. 39, 58 seq. (2000) m. w. N. Zur Verzahnung von Aktiengesetz und Kapitalmarktrecht vgl. etwa Schwark, FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1090 f., der zugleich aber auch darauf hinweist, dass entscheidende Bereiche des Kapitalmarktrechts wie die Finanzierungsfunktion der Gesellschafter und die außerhalb der Gesellschaft liegenden Probleme der Kapitalbeschaffung und -nutzung im Gesellschaftsrecht weitgehend ungeregelt sind. So auch die Situation in den USA, siehe etwa Hill, 48 Am. J. Comp. L. 39, 58 f. (2000). Röhricht, ZGR 1999, 445, 475. Hierzu der Bericht von Bayer, Gutachten E zum 67. Deutschen Juristentag, 2008, S. E 61–64. So zutreffend etwa Bayer, in: Hommelhoff/u.a, Corporate Governance, 2002, S. 137, 139 f.; ders., NJW 2000, 2609, 2619: nach wie vor ist die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Aktiengesellschaft mehr als nur eine finanzielle Beteiligung, wie sie etwa bei Anleihen, Options- oder Genussscheinen zugrunde liegt.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
bb) Ausgleich der Vermögensinteressen als Rechtfertigung von Eingriffen Der Kleinaktionär einer börsennotierten Gesellschaft ist daher tatsächlich überwiegend als Anleger zu qualifizieren. Er investiert sein Geld weniger in die Gesellschaft, als vielmehr in eine besondere Anlage.879 Er bedarf infolgedessen nur eines verminderten Schutzes, der auf die für ihn relevante, nämlich vermögensrechtliche Seite der Beteiligung beschränkt werden kann. Ergänzend ist auf einen Vergleich mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Gesetzgeber hinzuweisen, der ebenfalls für eine Differenzierung nach vorhandener oder fehlender Börsennotierung spricht. Die Reichweite der Befugnis des Gesetzgebers, in das Anteilseigentum eingreifen zu dürfen, richtet sich nach der Rechtsform und Realstruktur der Gesellschaft. Je stärker ausgeprägt die unternehmerische Beteiligung des Gesellschafters ausfällt, desto schonender muss der Eingriff in die Rechtsposition ausfallen.880 Für das Innenverhältnis der Gesellschaft kann daraus abgeleitet werden, dass stärkere Eingriffe der Gesellschafterversammlung im Beschlusswege möglich sind, wenn die Beteiligung des Gesellschafters stark kapitalistisch ausfällt. Diesen Besonderheiten ist es geschuldet, dass für den Aktionär einer börsennotierten Aktiengesellschaft die Hauptargumente, mit denen das Modell einer Rechtfertigungskontrolle von Eingriffen in die Mitgliedschaft begründet wurden, nicht greifen. Wenn ihn nur die vermögensrechtliche Seite seiner Beteiligung interessiert, ist es ausreichend, ihn bei Eingriffen in seine Rechtsstellung durch Ausgleichszahlungen zu entschädigen. Die Gesellschaft hat daher ein Wahlrecht, ob sie eine Rechtfertigung nach den allgemeinen Grundsätzen oder durch eine Entschädigungszahlung herbeizuführen beabsichtigt. Der angemessene Vermögensausgleich wird in diesen Fällen zur Rechtmäßigkeitsbedingung des Hauptversammlungsbeschlusses. Das gilt zugleich nur solange, wie in von der rationalen Aktionärsapathie betroffene Rechte eingegriffen wird und der Kleinaktionär über eine jederzeitige Austrittsmöglichkeit verfügt. Daher ist nach verwaltungs- und vermögensrechtlichen Mitgliedschaftsrechten zu unterscheiden. Nur bzgl. seiner Mitverwaltungsrechte befindet sich der Aktionär einer börsennotierten Gesellschaft in einer Sondersituation, während sich seine beschriebene Apathie nicht auf die vermögensrechtliche Seite der Beteiligung bezieht, sondern hier gerade der Schwerpunkt seines Anlageinteresses liegt. Auch die Möglichkeit zum jederzeitigen Austritt ist nicht ausreichend, um Beeinträchtigungen der vermögensrechtlichen Seite seiner Beteiligung zu kompensieren. Beim Gewinnverwendungsbeschluss gelten daher die allgemeinen Grundsätze, während beispielsweise der Bezugsrechtsausschluss im Wesentlichen die Verwaltungskomponente der Mitgliedschaft betrifft. Beschlüsse, die gerade die Handelbarkeit der Aktien an der Börse betreffen (zu den Anforderungen an den Delisting-Beschluss unter § 14 A. IV.), unterliegen einer besonders strengen Inhaltskontrolle, da die besondere Anlageentscheidung des Aktionärs, der Wert auf ___________ 879 880
Buxbaum, 45 Ohio St. L. J. 515, 526 (1984). Papier, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Stand 06/2002, Art. 14, Rn. 195.
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
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die exit option legt, durch derartige Beschlüsse konterkariert werden kann. Auch ist das Handelsvolumen der Aktien an den Börsen relevant. Nimmt dieses derart ab, dass auch die Börsennotierung keine jederzeitige Ausstiegsmöglichkeit mehr garantiert, leben die allgemeinen Grundsätze wieder auf.881
3. Positive Stimmpflichten des Gesellschafters Den Schwerpunkt der Diskussion über die Eingriffswirkung von Gesellschafterbeschlüssen bildet wegen ihrer praktischen Relevanz die Abwehr beeinträchtigender Beschlussinhalte. Den widersprechenden Gesellschaftern geht es um die Beseitigung des Beschlusses, um dessen nachteiligen Wirkungen zu entgehen.882 Demgegenüber kommt es nur selten vor, dass es auf das Stimmverhalten der Minderheit ankommt, um eine im Gesellschaftsinteresse liegende Maßnahme beschließen zu können. Dies kann jedoch der Fall sein, wenn qualifizierte Mehrheiten erforderlich sind, über die der dominierende Gesellschafter alleine nicht verfügt. Der Minderheitsgesellschafter wird folglich nicht nur zur Duldung einer gegen seinen Willen zustande gekommenen Maßnahme, sondern zur aktiven Mitwirkung an dem ihm drohenden Eingriff verpflichtet. Ein prominentes Beispiel bildet die Girmes-Entscheidung des BGH.883 Der BGH hatte den Minderheitsaktionär für verpflichtet angesehen, einer Sanierungsmaßnahme nicht zu widersprechen, die für jeden Altaktionär mit einer beträchtlichen Vermögenseinbuße verbunden war, jedoch die einzige Alternative zur Insolvenz (vormals Konkurs) der Gesellschaft und zum Totalverlust des eingebrachten Kapitals für sämtliche Aktionäre darstellte. Begründet wurde dies mit der Treuepflicht des Aktionärs gegenüber seinen Mitgesellschaftern, die dann eingreife, wenn er (ausnahmsweise) imstande ist, die Durchsetzung bestimmter Rechte zu erzwingen oder die Fassung wirksamer Beschlüsse zu verhindern,884 gleichgültig, ___________ 881
882 883
884
Durch diese moderate Beschränkung der Instrumentarien zum Schutz der Kleinaktionäre wird keine „Zweiklassengesellschaft“ von Aktionären gebildet, so der Vorwurf Habersacks, AG 2005, 137, 140, gegenüber dem von Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 54 ff., entwickelten Modell, das jedoch über das hier entwickelte weit hinausreicht und, wie dargestellt, den Kleinaktionär, unabhängig von der Börsennotierung der Aktiengesellschaft, zu einem reinen Kapitalanleger erklärt und mit einschneidenden Beschränkungen des Minderheitsschutzes reagiert. Siehe zum Vergleich auch die Rechtslage in Kalifornien, die auf einem ähnlichen Rechtsgedanken beruht: Nach Cal. Corp.Code § 1300 (b) hängen die Austrittsrechte bei einem merger vom Handelsvolumen der börsennotierten Anteile ab. Siehe hierzu die Darstellung unter § 10 D. I. Hierzu ausführlich unter § 5. BGHZ 129, 137 = NJW 1995, 1739 (Girmes). Ein Kleinaktionär hatte gegen einen Stimmrechtsvertreter auf Schadensersatz geklagt, weil die geplante Sanierung durch dessen Verweigerungshaltung nicht zustande gekommen und die Gesellschaft in Konkurs gefallen war, wodurch die Aktionäre ihr eingesetztes Kapital verloren hatten. BGHZ 129, 137, 145. Zur Diskussion über die Frage, ob aus der Treuepflicht eine positive Stimmpflicht abgeleitet werden kann, siehe bejahend BGHZ 44, 40, 41 f.; BGHZ 68, 81, 82 f. (Ausschließung eines Personengesellschafters); BGHZ 98, 276, 280 (Kapitalerhöhung in der
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
ob ihm dies aus eigener Kraft oder nur im Wege der Stimmrechtsbündelung gelingt.885 Der BGH untersagte dem Aktionär jedoch nur, die Sanierung aus eigennützigen Motiven zu verhindern. Voraussetzung der Zustimmungspflicht sei neben deren Erforderlichkeit und Angemessenheit daher, dass die Stellung des Aktionärs bei Scheitern der Sanierung nicht günstiger sei als bei deren Durchführung.886 Dem Aktionär ist es mit anderen Worten nicht untersagt, zum Schaden der Mitgesellschafter zu handeln, solange er damit nur seinen eigenen Vorteil verfolgt. Dem kann nur teilweise zugestimmt werden. Die Verpflichtung des Gesellschafters zu positiver Stimmabgabe folgt nach dem hier vertretenen Konzept nicht aus der Treuepflicht, sondern aus der durch den Zusammenschluss eröffneten Möglichkeit, durch das Stimmverhalten in die Rechtsstellung der Mitgesellschafter einzugreifen, und den daraus folgenden verfassungsrechtlichen Beschränkungen. Hieraus kann sich auch die Verpflichtung eines Gesellschafters zu positiver Stimmabgabe ergeben. Erweist sich das Interesse der Gesellschaft bzw. der Mitgesellschafter an einer Maßnahme als überragend und handelt es sich bei der zur Abstimmung stehenden Maßnahme um ein erforderliches, also alternativloses Mittel, muss der Gesellschafter die ihm zumutbaren Folgen in Kauf nehmen und für den Beschluss stimmen. Werden einzelnen Gesellschaftern höhere Belastungen aufgebürdet als anderen und wäre eine gleichmäßige Lastenverteilung möglich, darf sich der über das erforderliche Maß hinausgehend beeinträchtigte Gesellschafter verweigern und gegen einen entsprechenden Beschluss stimmen.887 Fehlt es hingegen an einer weniger belastenden Alternative, kann eine Stimmpflicht nicht nur in den Fällen bestehen, in denen ihm keine oder nur geringe Folgen drohen. Selbst substantielle Nachteile werden in Kauf zu nehmen sein, wenn diese im Rahmen der Abwägung zurücktreten, weil sie verglichen mit den der Gesellschaft bzw. den Mitgesellschaftern drohenden Nachteilen als geringfügig erscheinen. Damit ist, das sei nochmals betont, noch nichts darüber ausgesagt, ob eine Verweigerungshaltung des Gesellschafters auch Schadensersatzansprüche auslöst. Dabei ist dem Ausgangspunkt, dass jeder Gesellschafter Eigeninteressen verfolgen darf, in besonderem Maße bei der Frage nach einer Pflichtverletzung Rechnung zu ___________
885
886 887
GmbH); BGH NJW 1987, 952, 954 (Zumutbarkeit entscheidend); Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 240 f.; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 167; ders., AcP 180 (1980), 84, 103; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 616 und 1036 f; verneinend Altmeppen, NJW 1995, 1749 f.; zweifelnd Kort, ZIP 1990, 294, 297; differenzierend Windbichler, Gesellschaftsrecht, 22. Aufl. 2009, S. 64, Rn. 3, S. 417 f., Rn. 33–35. BGHZ 129, 137, 147; vgl. auch Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 158: entscheidend ist, welche Gefahren sich für die anderen Gesellschafter in concreto ergeben – auch das läuft auf die hier geforderte Abwägung hinaus. Siehe auch BGHZ 98, 276, worin der BGH den GmbH-Gesellschafter für verpflichtet hielt, einer Kapitalerhöhung zuzustimmen, um das Kapital der GmbH an das durch die GmbH-Novelle 1980 heraufgesetzte Kapital anzupassen. BGHZ 129, 137 = NJW 1995, 1739, 1743 (Girmes); so auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 134. Vgl. zu Sanierungskonflikten (in der GmbH) das Anschauungsbeispiel von Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 170 f. Die Ansicht des Autors entspricht der hier vertretenen Ansicht im Ergebnis. Siehe zu den prozessualen Fragen bei rechtswidrig verweigerter Zustimmung unter § 5.
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tragen. Vor allem kommt es auf Verschuldensebene darauf an, ob der Gesellschafter die Folgen seines Handelns und seine Pflichtverletzung erkennen konnte.888
II. Die Verteilung der Beweislast bei eingreifenden Gesellschafterbeschlüssen Die sich an diese Feststellungen anschließende Frage ist die nach der Beweislastverteilung bei in die Mitgliedschaft eingreifenden Gesellschafterbeschlüssen, von der die praktische Durchsetzung der aufgestellten Kriterien ganz wesentlich abhängt. Für die Beweislastverteilung kommt es entscheidend auf den dogmatischen Ansatz einer Rechtmäßigkeitsprüfung von Beschlüssen an. Wer die hier vertretene allgemeine Inhaltskontrolle ablehnt und stattdessen eine an den Grundsätzen der Treuepflicht ausgerichtete Missbrauchskontrolle postuliert, geht von einer regelmäßigen Richtigkeitsgewähr des Mehrheitsbeschlusses aus. Folglich obliegt dem betroffenen Gesellschafter die Darlegungs- und Beweislast, wenn er diese Richtigkeit anzweifelt und eine (treuwidrige) Ausnutzung der Mehrheitsmacht behauptet. Nach dem hier vertretenen Ansatz ist hingegen danach zu unterscheiden, ob der Regelfall einer obligatorischen Inhaltskontrolle des Beschlusses vorliegt oder eine der Ausnahmen eingreift, so dass die als Missbrauchskontrolle bezeichneten außerordentlichen Schutzmechanismen relevant werden können. Dieser Unterscheidung sind die in der US-amerikanischen Rechtsprechung vertretenen Grundsätze in einer knappen Darstellung voranzustellen.
1. Die Beweislastverteilung nach US-amerikanischem (und australischem) Recht In den USA ist die Beweislastverteilung bei innergesellschaftlichen Auseinandersetzungen an die Vorfrage gekoppelt, ob fiduciary duties bestehen. Nach dieser Vorfrage richtet sich die Beweislast. Als konsequente Folge des Ansatzes in Delaware, wonach die Gerichte der Geltung von fiduciary duties unter den Gesellschaftern skeptisch gegenüberstehen, spricht eine widerlegliche Vermutung für ein rechtmäßiges Verhalten der Mehrheit.889 Dem entspricht die Rechtsprechung in ___________ 888
889
Die h. M. fordert daher auch Vorsatz, zumindest dolus eventualis, bzgl. der Rechtswidrigkeit der Stimmabgabe, siehe BGHZ 129, 136, 162 ff. = NJW 1995, 1739, 1745 (Girmes); Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 53 a, Rn. 70; Grundmann, in: GroßKomm.-AktG, Stand 2008, § 136, Rn. 61; a. A. Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 257. Gegen jede Haftung des Aktionärs aufgrund seiner Stimmrechtsausübung Altmeppen, NJW 1995, 1749, 1750. Gropper v. North Cent. Tex. Oil Co., 114 A 2.d 231 (Del. Ch. 1955) für die Veräußerung von Gesellschaftsvermögen: „Where informed stockholders ratify a contract approved by interested directors of corporation, in absence of fraud, objecting stockholder has the burden of proving such contract unfair.“ Bennett v. Breuil Petroleum Corp., 99 A. 2 d 236 (Del. Ch.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
weiteren Staaten, in denen dem Minderheitsgesellschafter der Nachweis obliegt, dass die Mehrheit ihre beherrschende Stellung missbraucht hat.890 Andere Gerichte gehen hingegen davon aus, dass die Mehrheit nachweisen muss, dass sie ihre gegenüber der Minderheit bestehenden Treuepflichten nicht verletzt hat.891 Eine weitere Gruppe von Gerichten differenziert: Der Mehrheitsgesellschafter muss nachweisen, dass eine die Minderheit beeinträchtigende Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt.892 Ihm kommt dabei jedoch ein weiter Beurteilungsspielraum zu, den auch das Gericht berücksichtigt.893 Kann der Mehrheitsgesellschafter nach diesen Grundsätzen eine Maßnahme rechtfertigen, trifft den Minderheitsgesellschafter die Beweislast dafür, dass das im Interesse der Gesellschaft liegende Ziel auch auf andere, weniger belastende Weise erreicht werden kann.894 Dabei kann die bisherige Übung in der Gesellschaft eine wesentliche Rolle spielen. Die Mehrheit muss erklären, warum sie von dieser zum Nachteil der Minderheit abweicht.895 Am Rande sei noch auf die Rechtsprechung des australischen High Court in der Rechtssache Gambotto hingewiesen. Das Gericht fordert in seiner Entscheidung nicht nur, dass die Enteignung eines Aktionärs durch zwingende Gründe im Interesse der Gesellschaft getragen ist (necessary to avoid serious detriment to the company) und dem enteigneten Aktionär ein faires Verfahren zuteil wird, wozu insbesondere gehört, dass seine Abfindung dem Wert seiner Beteiligung entspricht, sondern bürdet auch dem Mehrheitsgesellschafter die volle Beweislast für diese Voraussetzungen auf.896 ___________ 890 891
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1953) für die Kapitalerhöhung: „(. . .) fact that a defendant was controlling stockholder did not shift the burden of showing good faith and proper purpose to such defendant“. So etwa Kavanaugh v. Kavanaugh Knitting Co., 123 N.E. 148 (N. Y. 1919) für die Auflösung der Gesellschaft. Pepper v. Litton, 308 U. S. 295, 306 (U. S. 1939); Perlman v. Feldman, 219 F. 2 d 173 (2nd Cir. 1955): “This, however, cannot avail the defendants who (. . .) had the burden of proof on this issue, since fiduciaries always have the burden of proof in establishing the fairness of their dealings with trust property.“ Siehe auch Geddes v. Anaconda Copper Mining Co., 254 U. S. 590 (U. S. 1921); Mayflower Hotel Stockholders Protective Committee v. Mayflower Hotel Corp., 173 F. 2 d 416 (U. S. App. DC 1949). Bryan v. Brock & Blevins Co., 343 F.Supp. 1062, 1068 (N.D.Ga. 1972), aff’d, 490 F. 2 d 563, 570–571 (5th Cir. 1974); Schwartz v. Marien, 335 N. E. 2 d 334 (N. Y. App. 1975); Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976). Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976); Gottfried v. Gottfried, 73 N. Y. S. 2 d 692, 695 (N. Y. Sup. Ct. 1947). Zimmermann v. Bogoff, 524 N. E. 2 d 849 (Mass. 1988); Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976). I. E. auch Gaines v. Long Mfg. Co., 67 S. E. 2 d 350 (N. C. 1951). Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976); Merola v. Exergen Corp., 668 N. E. 2 d 351 (Supr. Jud. Mass. 1996). Gambotto v WCP Ltd 182 CLR 432 (High Court of Australia 1995): Die Intention, Steuern zu sparen, reichte nicht als Rechtfertigung aus. Die Entscheidung ist auch unter einem anderen Aspekt von großer Bedeutung. Der High Court erteilte in dieser Entscheidung allen Versuchen in der Literatur, den Aktionär als reinen Investor anzusehen und ihm die Stellung als Eigentümer mit wirklichen Eigentumsrechten zu versagen, eine klare Absage. Siehe dazu und
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
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2. Die Beweislastverteilung in den Fällen der Inhaltskontrolle Die Grundsätze zur Beweislastverteilung sind für die Erfolgsaussichten der Minderheit in den Fällen der Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen von elementarer Bedeutung, da inhaltliche Mängel anders als etwa Verfahrensfehler nur feststellbar sind, wenn die zu ihrer Beurteilung erforderlichen Tatsachen umfassend ermittelt wurden, was im Einzelfall mit einem hohen Aufwand verbunden sein kann. a) Die grundsätzliche Verteilung der Beweislast aa) Die Beweislastverteilung auf Schutzbereichs- und Eingriffsebene Erst ein substantieller Eingriff in den Schutzbereich der Rechtsstellung des Gesellschafters löst den Rechtfertigungszwang für den Gesellschafterbeschluss aus. Da dieser Eingriff das Recht der übrigen Gesellschafter auf freie Stimmrechtsausübung beschränkt und die für den betroffenen Gesellschafter vorteilhaften Rechtfertigungsanforderungen auslöst, ist dieser nach den allgemeinen Grundsätzen der Normentheorie, wonach jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zu beweisen hat,897 hierfür beweispflichtig.898 Er muss daher darlegen und beweisen, dass der Beschluss in den Schutzbereich seiner Mitgliedschaft eingreift. Das wird ihm bei unmittelbaren Eingriffen nicht weiter schwer fallen. Bei nur mittelbaren Beeinträchtigungen der Mitgliedschaft kann hier jedoch der Schwerpunkt der Prüfung liegen, da im Wege einer umfassenden Interessenabwägung zu bestimmen ist, ob nur die allgemeinen Investitionsrisiken betroffen sind oder von einem Eingriff auszugehen ist. Die bei unmittelbaren Eingriffen erst im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung erheblichen Umstände werden daher schon auf Eingriffsebene relevant. Da bei nur mittelbaren Beeinträchtigungen im Ansatz davon auszugehen ist, dass sich ein allgemeines Beteiligungsrisiko verwirklicht, obliegt die Darlegungs- und Beweislast dem Gesellschafter.899 ___________
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auch zur Kritik an den als übertrieben empfundenen Kriterien des High Court Hill, 48 Am. J. Comp. L. 39, 64–67 (2000) (und Fn. 196 zu den Auswirkungen jüngster Legislativakte auf diese Rechtsprechung). Zu diesem Grundsatz etwa OLG München AG 2003, 452, 453; Hüffer, in: MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 134; ders., AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 59; Hachenburg/ Raiser, GmbHG, Band II, 8. Aufl. 1997, Anh. § 47, Rn. 217. So auch Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 142, für die Darlegungsund Beweislast des Klägers in den Fällen, in denen er in gleicher Weise wie in den Fällen des Bezugsrechtsausschlusses beeinträchtigt wird und daher ein „Aufgreifkriterium“ für die materielle Beschlusskontrolle einwendet. Auch Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 965, unterscheidet nach unmittelbaren und mittelbaren Eingriffen. Seine Abgrenzung entspricht jedoch nicht der hier zugrunde gelegten und unter § 3 ausführlich dargestellten Unterscheidung. Nur der Bezugsrechtsausschluss, die Stimmrechtsbeschränkungen, die Entscheidungen zur Übertragbarkeit vinkulierter Geschäftsanteile und die Änderung von Vorzugsrechten sollen unmittelbare Eingriffe darstellen, während übliche Satzungs- und Strukturänderungen nur mittelbare Beeinträchtigungen bedeuten
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
Zugleich ist zu berücksichtigen, dass der Minderheit der Zugang zu entscheidungserheblichen Informationen der Gesellschaft, insbesondere deren Geschäftsunterlagen, regelmäßig verwehrt ist.900 Beweiserleichterungen sind daher, soll der Rechtsschutz nicht faktisch versagt werden, unumgänglich. Einzelfallabhängig sollte daher die Substantiierungslast dem Minderheitsgesellschafter auch nur insoweit aufgebürdet werden, wie er ihren Anforderungen tatsächlich nachzukommen vermag. Dabei helfen die in allen Gesellschaftsformen bestehenden Informationsrechte, die auf Auskunft und Einsicht in die Bücher der Gesellschaft gerichtet sind.901 Diese Informationsquellen muss der Gesellschafter vollständig ausschöpfen. Das alleine wird häufig jedoch nicht ausreichen: Insbesondere der Kleinaktionär ist wegen der strikten Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft stärker noch als andere Minderheitsgesellschafter vom Tagesgeschäft der Gesellschaft ausgeschlossen. Auch die ihm zustehenden Informationsrechte können daher nicht effektiv wahrgenommen werden, wenn ihm die für eine gezielte Suche erforderlichen Anhaltspunkte fehlen. Daher kommt es auf die einzelfallabhängigen Umstände unter Berücksichtigung der Rechtsform und Realstruktur der Gesellschaft an, inwieweit ein allgemein gehaltener Vortrag des klagenden Minderheitsgesellschafters ausreicht, um davon auszugehen, dass er seiner Darlegungs- und Beweislast nachgekommen ist. Sind die Gerichte der Ansicht, dass die Informationsquellen des Gesellschafters ausgeschöpft sind, werden sie der Gesellschaft aufgeben müssen, die im Vortrag des Klägers enthaltenen Vorwürfe durch die Präsentation gegenläufiger Tatsachen zu widerlegen.902 bb) Die Beweislastverteilung auf Rechtfertigungsebene Steht nach diesen Grundsätzen ein Eingriff fest, kommt es in einem weiteren Schritt auf dessen Rechtfertigung und die dafür geltende Beweislastverteilung an. Soweit der BGH eine Inhaltskontrolle des Gesellschafterbeschlusses fordert, geht er auch auf Rechtfertigungsebene (für den Fall des Bezugsrechtsausschlusses in der Aktiengesellschaft) von der Beweislast des Anfechtungsklägers aus. Dieser habe, wie auch sonst, einen sachrechtlichen Mangel als Klagegrundlage zu beweisen. Auch der beachtliche Gesichtspunkt des Minderheitsschutzes rechtfertige keine andere Beweislastverteilung. Sonst wäre einem Hauptversammlungsbeschluss auf Kosten der Rechtssicherheit und des ebenfalls schutzwürdigen Vertrauens der Aktionärsmehrheit, des Rechtsverkehrs und der Öffentlichkeit in dessen Bestand schon dann die Wirksamkeit abzusprechen, wenn sich ein vom Kläger behaupteter Mangel zwar nicht völlig ausschließen, aber auch nicht beweisen lasse. ___________ 900 901 902
sollen. Bei Letzteren soll der Minderheitsaktionär nachweisen müssen, dass eine sachliche Rechtfertigung ausscheidet. Siehe die Darstellung von Heinze, in: Riesenhuber, Perspektiven des europäischen Schuldvertragsrechts, 2008, S. 161, 164–169. Dazu unter § 8 A. Vgl. dazu BGH WM 1984, 1424, 1425; auch BGHZ 71, 40, 48 (Kali und Salz), dazu sogleich unter bb).
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
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Allerdings folge aus der Tatsache, dass die Gesellschaft im Gegensatz zum klagenden Aktionär über alle zu einer Klärung erforderlichen Unterlagen und Informationen verfüge, während der Aktionär gerade keinen Zugang zu diesen habe, dass die Gesellschaft die für die angefochtene Entscheidung maßgebenden Gründe im Einzelnen darzulegen habe. Der Anfechtungskläger sei im Gegenzug gehalten, die Stichhaltigkeit dieser Gründe zu widerlegen.903 Der BGH verankert damit die Darlegungslast bei der Gesellschaft, die Beweislast hingegen bei dem klagenden Aktionär.904 Eine Ausnahme erkennt er nur in den Fällen an, in denen eine Personengesellschaft durch den Beschluss in die Abhängigkeit geführt wird. In diesem Fall soll das herrschende Unternehmen die Beweislast für die Gebotenheit und Erforderlichkeit der beeinträchtigenden Maßnahme treffen. 905 Die Regel des BGH, dem Aktionär die Beweislast aufzubürden, ist nicht mit dem auch vom BGH vertretenen Grundsatz vereinbar, dass eine sachliche Rechtfertigung gerade Voraussetzung dafür ist, dass die Gesellschaft durch einen mehrheitlich gefassten Beschluss in die Rechtsposition des Minderheitsgesellschafters eingreifen darf. Wenn es sich bei der inhaltlichen Rechtfertigung um eine positive Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Beschlusses handelt, folgt aus den allgemeinen Grundsätzen der Normentheorie, dass die Gesellschaft im Anfechtungsprozess um die Rechtmäßigkeit des Beschlusses darlegungs- und beweisbelastet ist.906 Sie hat daher die eine sachliche Rechtfertigung tragenden Tatsachen und darüber hinaus, falls erforderlich, auch die hieraus für die Gesellschaft zu erwartenden Folgen, also eine Bewertung der ergriffenen Maßnahme im Hinblick auf die Interessen der Gesellschaft darzulegen und zu beweisen. Allerdings ist, wie sogleich zu behandeln sein wird, der unternehmerische Ermessensspielraum zu beachten. Bei der Abwägung der widerstreitenden Belange handelt es sich hingegen um eine Rechts___________ 903 904
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BGHZ 71, 40, 48 = BGH NJW 1978, 1316, 1318 (Kali und Salz). So auch die Deutung von Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 220 f., mit dem Hinweis, dass diese auf Sphärengedanken beruhende Argumentation den Schluss nahe gelegt hätte, der Gesellschaft auch die Beweislast aufzuerlegen. BGHZ 80, 69, 74 = NJW 1981, 1512, 1514 (Süssen). Zustimmend Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 106 f.; Emmerich, AG 1991, 303, 305; Lutter, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 22; Timm, ZGR 1987, 403, 424 f.; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 416–418, beschränkt auf die personalistisch strukturierte GmbH, dort auch zu Satzungsgestaltungen und anderen Konstellationen, die einen Gesellschafterbeschluss notwendig machen. A. A. U. H. Schneider, in: Hommelhoff/u. a., Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 121, 128 f.: reine Missbrauchskontrolle, wonach den überstimmten Minderheits-, nicht jedoch den Mehrheitsgesellschafter die Begründungslast treffen soll, wenn er sich auf ein missbräuchliches Verhalten der Mehrheit beruft. Siehe dazu noch unter § 14 C. I. Für die anerkannten Fälle einer materiellen Beschlusskontrolle, vornehmlich den Bezugsrechtsausschluss, so auch die h.L., Lutter, ZGR 1981, 171, 174; ders., ZGR 1979, 401, 413; ders., ZHR 153 (1989), 446, 470; Timm, ZGR 1987, 403, 412; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 964–966; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 220 f.; Hüffer, FS Fleck, 1988, S. 151, 166 f.; ders., AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 64; Timm, JZ 1980, 665, 668 f.; mit einem allgemeinen Grundsatz sympathisierend Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 141.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
frage, die anhand der beigebrachten Tatsachen vom Gericht zu beantworten ist.907 Nach dem Vortrag und Beweis der Gesellschaft muss die Maßnahme dem Gericht geeignet, erforderlich und angemessen esrcheinen. Erscheint der Eingriff nach diesen Grundsätzen gerechtfertigt, zweifelt jedoch der Minderheitsgesellschafter die Erforderlichkeit der Maßnahme an, liegt es an ihm, alle Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die seinen Einwand, wonach es an der Erforderlichkeit der Maßnahme fehlt, belegen.908 Hierbei kann es wiederum erforderlich werden, dass die Gesellschaft substantiiert bestreitet und durch nur ihr zugängliche Informationen an der Aufklärung mitwirkt. Die vom BGH angeführten Bedenken hinsichtlich der hierdurch beeinträchtigten Rechtssicherheit sind nur die unausweichliche Konsequenz der Rechtmäßigkeitsanforderungen an einen Gesellschafterbeschluss sowie der prozessrechtlichen Grundsätze, wonach ein rechtswidriger Beschluss anfechtbar ist. Dass diese Anfechtungsmöglichkeit jedoch, anders als der BGH anzunehmen scheint, den Rechtsverkehr nicht übermäßig belastet, etwa wegen der kurzen Anfechtungsfrist des § 246 I AktG,909 wird unter § 5 darzustellen sein.910 b) Die Erleichterungen durch den unternehmerischen Ermessensspielraum Auch im Rahmen der Beweislastverteilung ist jedoch dem Grundsatz Rechnung zu tragen, dass sich die Gesellschaft bei Maßnahmen der Geschäftsführung auf ihr unternehmerisches Ermessen berufen darf. Schon oben wurde die Reichweite des Einschätzungsspielraums dargestellt. Nur die betriebswirtschaftlichen Fragen, nämlich die Prognose der für das Gesellschaftsinteresse und die Gesellschafterbelange wesentlichen Auswirkungen der beschlossenen Maßnahme werden erfasst. Daher unterliegt die Frage nach einem legitimen Zweck im Gesellschaftsinteresse und nach den Auswirkungen der Maßnahme auf die zukünftige Unternehmensentwicklung den Erleichterungen des Einschätzungsspielraums. Die Darstellungen der Gesellschaft müssen aus ex ante-Sicht nachvollziehbar sein und dürfen keine Ermessensfehler erkennen lassen. Alle relevanten Tatsachen müssen ermittelt und ausgewertet und die Entscheidung auf einer ausreichenden Informationsgrundlage getroffen worden sein. Dabei kann es nicht ausreichen, dass die relevanten Informationen nur der Geschäftsleitung zur Verfügung standen und darüber hinaus vielleicht auch dem Mehrheitsgesellschafter bekannt waren. Vielmehr muss die Gesellschafterversammlung imstande gewesen sein, eine sorgfältige, an allen sachgerechten Gesichtspunkten ausgerichtete Entscheidung zu treffen, was voraussetzt, dass sie die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der entscheidungsrelevanten Informa___________ 907 908
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Vgl. Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 221. Dies entspricht der sogleich näher zu erläuternden Linie einiger US-Gerichte, Zimmermann v. Bogoff, 524 N. E. 2 d 849 (Mass. 1988); Wilkes v. Springside Nursing Home Inc., 353 N. E. 2 d 657 (Mass. 1976). Dazu Moll, 53 Vand. L. Rev. 749, 772 seq. (2000). Für die GmbH und die Personengesellschaften gilt diese Frist zwar nicht, vgl. dazu § 5 III. und IV.; zugleich verhindert die hierbei maßgebliche Treuepflicht jedoch auch in diesen Gesellschaftsformen, dass unzumutbare Rechtsunsicherheit entsteht. Ähnlich Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 221.
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
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tionen besaß.911 Unter diesen Voraussetzungen kann der Vollbeweis der Richtigkeit dieser Wertungen nicht verlangt werden.912 Sind diese Voraussetzungen hingegen nicht erfüllt, muss sich das zulasten der Gesellschaft auswirken und eine geringere Prüfungsdichte aufgrund der Privilegierung durch den unternehmerischen Entscheidungsspielraum ausscheiden. Wird die Entscheidungsgrundlage nach diesen Grundsätzen gebilligt, müssen die Gerichte überprüfen, ob der unterstellte Zweck und die prognostizierten Auswirkungen der Maßnahme der Trias Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit genügen. Alle mit dem Eingriff in die Rechtsstellung einzelner Gesellschafter verbundenen Rechtsfragen, so vor allem, ob der Schutzbereich der Mitgliedschaft berührt ist, sind gerichtlich voll überprüfbar. Auch die abschließende Interessenabwägung wird nur insoweit von dem Einschätzungsspielraum beeinflusst, als die hier einzubeziehende Interessenlage der Gesellschaft und die durch die Maßnahme zu erwartenden Auswirkungen wiederum anhand des gebilligten Vortrags der Gesellschaft beurteilt werden. Der Gesellschafter kann gegen die nur geringe Überprüfungsdichte Einwände erheben. Er kann vortragen, die Gesellschaft habe sich außerhalb der Grenzen des ihr zugestandenen unternehmerischen Ermessens bewegt, insbesondere weil sie entscheidungserhebliche Umstände nicht berücksichtigt habe. Auch kann er die von der Gesellschaft erwarteten Auswirkungen angreifen und geltend machen, der Eingriff sei nicht geeignet, den angeführten legitimen Zweck im Gesellschaftsinteresse zu erreichen, oder sei nicht erforderlich, weil mildere Mittel zur Verfügung stehen. Insoweit obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast. c) Keine Relevanz von Austrittsrechten Auch bei der Beweislastverteilung wird den Austrittsrechten des Gesellschafters mitunter Bedeutung beigemessen. So wird vertreten, die Beweislast den klagenden Gesellschaftern aufzuerlegen, wenn diesen ein Recht zum Austritt aus der Gesellschaft unter angemessener Abfindung zusteht.913 Soweit davon ausgegangen wird, dass mit einem Austrittsrecht den Belangen des Minderheitsschutzes ausreichend Rechnung getragen wird, ein Beschluss mit Abfindungslösung daher eine Richtigkeitsgewähr in sich trägt und eine Anwendung der Inhaltskontrolle von beeinträchtigenden Beschlüssen daneben ausscheidet, ist dies konsequent.914 Der klagende Gesellschafter kann unter diesen Prämissen nur mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs im Einzelfall gehört werden. Die hier vertretene Konzeption zum Verhältnis der inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle zu den Austrittsrechten lässt einen derartigen Schluss hingegen nicht zu. Nur kurz sei resümiert: Soweit Austrittsrechte und Abfindungsansprüche bestehen, verfolgen sie einen von der inhaltlichen Rechtfertigung zu unterschei___________ 911 912 913 914
Lutter, ZGR 1979, 401, 407 f. Vgl. zu einer ähnlichen Differenzierung Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 222 f.; Lutter, ZGR 1979, 401, 414. So von Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 173. Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 173–176.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
denden Schutzzweck, der es nicht erlaubt, das eine Institut gegen das andere auszutauschen. Dementsprechend ist auch die Darlegungs- und Beweislast für die Inhaltskontrolle von Beschlüssen unabhängig von einem eventuellen Austrittsrecht zu bewerten. Soweit sich aus einem Austritts- oder Abfindungsrecht abwägungsrelevante Umstände ergeben, muss die Gesellschaft die Voraussetzungen und damit verbundenen Vorteile für den Gesellschafter darlegen und beweisen.
3. Die Beweislastverteilung in den Fällen der Missbrauchskontrolle Nach der hier vertretenen Konzeption beschränken sich die inhaltlichen Anforderungen an einen Gesellschafterbeschluss nur dann auf eine reine Missbrauchskontrolle anhand der Kriterien des institutionellen Rechtsmissbrauchs, des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, wenn eine Inhaltskontrolle wegen anderer, regelmäßig gesetzlich vorgesehener Schutzmechanismen ausscheidet.915 In diesen Fällen ist von der inhaltlichen Richtigkeit des mehrheitlich gefassten Beschlusses auszugehen, da der Gesetzgeber die Interessenabwägung pauschaliert vorweggenommen hat. Nur in besonders gelagerten Fällen liegt ein rechtswidriger Eingriff in die Rechtsstellung des Gesellschafters vor. Daraus ergibt sich, dass der Gesellschafter die Beweislast dafür trägt, dass derartige Umstände vorliegen. Wendet der klagende Gesellschafter außergewöhnliche Umstände ein, die einen institutionellen Missbrauch der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten im Einzelfall nahe legen, ist er hierfür darlegungs- und beweispflichtig. 916 Bei Verstößen gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist der Kläger mit dem Nachweis belastet, dass eine im betroffenen Einzelfall bestehende Treuepflicht verletzt wurde. Bei Verstößen gegen den gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist nach den Tatsachen zu unterscheiden, aus denen sich die Ungleichbehandlung ergibt, und denen, die eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermögen. Während erstere den Inhaltsfehler des Beschlusses erst begründen, dienen letztere der Rechtfertigung des angegriffenen Beschlussverhaltens. Dementsprechend obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die Ungleichbehandlung dem Kläger, für deren Rechtfertigung der Gesellschaft.917 In den Fällen des institutionellen Rechtsmissbrauchs schließlich muss der Kläger darlegen und beweisen, dass ein gesetzlich vorgesehenes Institut, dem die Ausnahmen für die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle gerade entspringen, nur vorgeschoben wurde, während tatsächlich ein sachfremdes Ziel, das strengeren Anforderungen unterliegt, verfolgt wurde. Gelingt dies, werden die für das tatsächlich verfolgte Ziel geltenden Anforderun___________ 915
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Auch der BGH scheint unausgesprochen von einem Stufenverhältnis der Prüfungsmechanismen auszugehen. In BGHZ 120, 141 = NJW 1993, 400 prüft er zunächst, ob eine Inhaltskontrolle angezeigt ist, anschließend einen potentiellen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, schließlich gegen das Willkürverbot. So auch Timm, ZGR 1987, 403, 412 f. Hüffer, FS Fleck, 1988, S. 151, 164; ders., AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 139; Hachenburg/ Raiser, GmbHG, Band II, 8. Aufl. 1997, Anh. § 47, Rn. 220.
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
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gen angewandt, und der Gesellschaft obliegt nach den allgemeinen Grundsätzen der Beweis, dass ein damit verbundener Eingriff inhaltlich gerechtfertigt war.
III. Zusammenfassung 1. Für Personengesellschaften und Publikumsgesellschaften stellt sich die Frage nach Ausnahmen von den allgemeinen Grundsätzen. In den Personengesellschaften findet die Willensbildung nach dem Willen des Gesetzgebers einstimmig statt. Wird stattdessen das Mehrheitsprinzip eingeführt, bedarf es besonderer Schutzmechanismen, da die dispositive Gesetzeslage für diesen Fall nicht vorgesorgt hat. Nach den Grundsätzen der Kernbereichslehre sind Eingriffe in den Kernbereich der Mitgliedschaft von einem im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Mehrheitsprinzip ausgenommen und vielmehr von einer Zustimmung der betroffenen Gesellschafter abhängig. Hierunter sollen die wesentlichen Gesellschafterrechte fallen, die der Gesellschafterstellung ihre Prägung geben. Eingriffe in diesen Kernbereich sind danach nur insoweit zulässig, wie sie im Gesellschaftsinteresse geboten und dem Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schützenswerten Belange zumutbar sind, wobei kein weniger belastendes Mittel zur Verfügung stehen darf und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Diese Unterscheidung eines Kernbereichs von der übrigen Rechtsstellung verdient keine Unterstützung. Sie bietet keinen Mehrwert gegenüber den hier entwickelten allgemeinen Grundsätzen, sondern verkompliziert die Rechtslage ohne Grund. Daneben hat die Rechtsprechung den Bestimmtheitsgrundsatz entwickelt, wonach für jeden Beschlussgegenstand, für den der Einstimmigkeitsgrundsatz durch das Mehrheitsprinzip ersetzt werden soll, ein entsprechender Parteiwille eindeutig feststellbar sein muss. Zumindest im Wege der Auslegung müsse sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, dass für den Beschlussgegenstand ein Mehrheitsentscheid ausreichen soll. Dieser Ansatz wird als unflexibel und für die Zwecke eines effektiven Minderheitsschutzes unzureichend kritisiert, und das zu Recht. Wiederum vermag der hier entwickelte allgemeine Ansatz den Konflikt wirkungsvoller zu lösen. Die Benennung einzelner Beschlussgegenstände im Gesellschaftsvertrag ist nur insoweit relevant, als von ihr eine Warnfunktion für die Gesellschafter ausgeht, die im Rahmen der Interessenabwägung Berücksichtigung finden muss. In den Publikumsgesellschaften wird aus der anonymen Gesellschafterstruktur und den mit der Beteiligung verfolgten Anlageinteressen auf einen abgesenkten Minderheitsschutz geschlossen. Da die Gesellschafter nur an der Vermögenskomponente ihrer Anlage interessiert seien, genüge eine angemessene Abfindung, um Eingriffe in die Rechtsstellung zu rechtfertigen. Im Grundsatz gilt jedoch, dass eine angemessene Abfindung einen Eingriff in die Rechtsstellung nicht zu rechtfertigen vermag. Inhaltskontrolle und Abfindung besitzen verschiedene Schutzrichtungen und sind daher kumulativ, nicht alternativ anzuwenden. Hiervon darf nur abgewichen werden, wenn besondere Gründe eine Sonderbehandlung rechtfertigen. An solchen fehlt es bei Publikumsgesellschaften jedoch. Auch in Publikumsgesellschaften gehen die Gesellschafter ein langfristiges Engagement ein, so-
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
fern die Beteiligung mangels Börsennotierung nicht ohne Weiteres veräußerlich ist. Daher ist es von Bedeutung, durch Wahrnehmung der Mitverwaltungsrechte auf die Geschicke der Gesellschaft Einfluss nehmen zu können. Das setzt voraus, dass inhaltlich fehlerhafte Beschlüsse angegriffen werden können. Das ist bei börsennotierten Aktiengesellschaften anders. Wegen der jederzeitigen Austrittsmöglichkeit kann es sich ein Aktionär börsennotierter Gesellschaften leisten, eine kurzfristige Anlagestrategie zu verfolgen oder sich auf die Vermögenskomponente seiner Beteiligung zu konzentrieren. Das bekannte Phänomen der Aktionärsapathie ist unter diesen Voraussetzungen rational. Dies führt dazu, dass der Aktionär nicht schutzwürdig erscheint, wenn die Gesellschaft bei Eingriffen in seine Rechtsstellung einen angemessenen Vermögensausgleich herbeiführt. Zugleich ist streng danach zu unterscheiden, in welche Rechte der Eingriff erfolgt. Nur solche, die von der rationalen Aktionärsapathie betroffen sind, können dem Privileg des angemessenen Vermögensausgleichs unterfallen. Das sind die Mitverwaltungsrechte, nicht aber die vermögensrechtliche Seite der Beteiligung. Außerdem unterliegen Beschlüsse, die gerade die Handelbarkeit der Aktien an der Börse betreffen, einer besonders strengen Inhaltskontrolle, da die besondere Anlageentscheidung des Aktionärs, der Wert auf die exit option legt, durch derartige Beschlüsse konterkariert werden kann. 2. Der klagende Gesellschafter muss zunächst darlegen und beweisen, dass ein Beschluss in den Schutzbereich seiner Mitgliedschaft eingreift. Das gilt trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten auch bei mittelbaren Beeinträchtigungen, da der Gesellschafter die Vermutung, dass sich nur ein allgemeines Beteiligungsrisiko verwirklicht, widerlegen muss. Gewisse Erleichterungen ergeben sich jedoch daraus, dass er zwar alle ihm zur Verfügung stehenden Informationsquellen ausschöpfen, die Gesellschaft die Vorwürfe jedoch substantiiert bestreiten muss, soweit sie besseren Zugang zu den relevanten Tatsachen besitzt. Auf Rechtfertigungsebene erweist sich die Rechtsprechung des BGH als inkonsequent. Soweit ein Eingriff in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung rechtfertigungsbedürftig ist, muss der eingreifenden Gesellschaft auch der Beweis obliegen, dass die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung vorliegen. Das ergibt sich aus einer Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Normentheorie. Daher muss die Gesellschaft beweisen, dass sich die Maßnahme eignet, um legitime Ziele im Interesse der Gesellschaft erreichen zu können, kein milderes Mittel zur Verfügung steht und sich auch gegen die entgegenstehenden Interessen durchzusetzen vermag. Gelingt dieser Nachweis und wendet der Gesellschafter dennoch ein, dass mildere Mittel zur Verfügung stehen, ist er für diesen Einwand beweispflichtig. Wiederum sind die Erleichterungen durch den unternehmerischen Ermessensspielraum zu beachten. Die Fragen nach einem legitimen Zweck im Gesellschaftsinteresse und nach den Auswirkungen der Maßnahme auf die zukünftige Unternehmensentwicklung unterliegen den Erleichterungen des Einschätzungsspielraums. Die Darstellungen der Gesellschaft müssen daher nur aus ex ante-Sicht nachvollziehbar sein und dürfen keine Ermessensfehler erkennen lassen. Alle Rechtsfragen sind demgegenüber gerichtlich voll überprüfbar. Der Gesellschafter
B. Rechtsformbedingte Ausnahmen und Beweislast
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kann gegen diese begrenzte Überprüfungsdichte Einwände erheben. Er kann vortragen, die Gesellschaft habe sich außerhalb der Grenzen des ihr zugestandenen unternehmerischen Ermessens bewegt, insbesondere weil sie entscheidungserhebliche Umstände nicht berücksichtigt habe. Auch kann er die von der Gesellschaft erwarteten Auswirkungen angreifen und geltend machen, der Eingriff sei nicht geeignet, den angeführten legitimen Zweck im Gesellschaftsinteresse zu erreichen, oder sei nicht erforderlich, weil mildere Mittel zur Verfügung stehen. Insoweit obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast. In den USA ist die Rechtslage heterogen und davon abhängig, welchen Standpunkt die Gerichte zur Vorfrage einnehmen, ob die Gesellschafter an Treuepflichten gegenüber den Mitgesellschaftern gebunden sind. Soweit dies bejaht wird, kommen einige Gerichte bei der Beweislastverteilung zu ähnlichen Ansätzen wie den hier vertretenen. Außerhalb der inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle obliegt dem klagenden Gesellschafter der Nachweis dafür, dass besondere Umstände vorliegen, die einen Missbrauch der Mehrheitsmacht begründen. Gründet sich dies auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, muss der Kläger beweisen, dass im besonderen Einzelfall relevante Treuepflichten bestanden und verletzt wurden. Bei Verstößen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz muss der Kläger die Ungleichbehandlung, die Rechtfertigung demgegenüber die Gesellschaft beweisen. In den Fällen des institutionellen Rechtsmissbrauchs muss der Kläger darlegen und beweisen, dass ein gesetzlich vorgesehenes Institut nur vorgeschoben wurde, während tatsächlich ein sachfremdes Ziel, das strengeren Anforderungen unterliegt, verfolgt wurde.
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§ 4 Die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Stimmrechtsausübung
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§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse
§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse Die Wirkung eines Ansatzes zum Schutz des Minderheitsgesellschafters reicht nur soweit wie seine prozessuale Durchsetzbarkeit. Für die unter § 4 entwickelte Inhaltskontrolle ist daher zu untersuchen, im Rahmen welcher Rechtsbehelfe sie zu überprüfen ist. Wenn, wie der BGH im Holzmüller-Urteil ausspricht, der Aktionär einen verbandsrechtlichen Anspruch darauf hat, dass die Gesellschaft seine Mitgliedsrechte achtet und alles unterlässt, was ihn über das durch Gesetz und Satzung gedeckte Maß hinaus beeinträchtigt,918 ergibt sich nicht zuletzt aus Art. 6 EMRK919, der für die zivilrechtlichen Ansprüche einer Person ein faires Verfahren vor einem Gericht einfordert, dass bei einer Verletzung der Mitgliedsrechte auch wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen müssen. Neben Verstößen gegen (hier zu vernachlässigende) Formalien sind es Inhaltsmängel, die zur Fehlerhaftigkeit eines Gesellschafterbeschlusses führen. Aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen ist ein Beschluss inhaltlich fehlerhaft, wenn er ungerechtfertigt in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters eingreift, wenn mit dem Beschluss ein sachfremder Zweck verfolgt wird und daher ein Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs vorliegt, wenn der Beschluss gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt oder wenn die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verletzt wird. Die h. M., die für die Treuepflicht einen deutlich weiteren Anwendungsbereich vorsieht, geht von einem inhaltlichen Beschlussmangel aus, wenn das Stimmrecht treuwidrig abgegeben wird920 oder ein Verstoß ___________ 918 919
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BGHZ 83, 122, 133 (Holzmüller). Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren): (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder – soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält – wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. Einhellige Ansicht, siehe etwa Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 44; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 98; dazu, dass die spezielle Anfechtungsbefugnis nach § 243 II 2 AktG einer Anfechtung nach § 243 I
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§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse
gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt921. Abweichend von den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre, die im Personengesellschaftsrecht relevant werden und daher auch dort erörtert werden sollen (dazu unter C.), gelten im Kapitalgesellschaftsrecht besondere Prinzipien. Für den Aktionär hält das Aktiengesetz den Rechtsbehelf der Anfechtungsklage bereit (dazu unter A.). Deren besondere Bedeutung resultiert aus der bereits mehrfach hervorgehobenen Tatsache, dass die Mehrzahl der Beeinträchtigungen der Gesellschafterstellung von Beschlüssen ausgeht.922 Zugleich gelten die unter § 4 dargestellten Grundsätze, die zum Schutz vor rechtswidrigen Eingriffen in die Mitgliedschaft eine Inhaltskontrolle von Beschlüssen einfordern, auch für die Gesellschafter anderer Rechtsformen. Da es für die GmbH an einem geregelten Verfahren zur Überprüfung von Beschlüssen fehlt, muss diese Lücke im Sinne eines wirksamen Minderheitsschutzes geschlossen werden. Ebenso wie in der Aktiengesellschaft ist es in der GmbH elementar, effektive Rechtsbehelfe zur Verfügung zu stellen, mit denen die Gesellschafterbeschlüsse auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden können (dazu unter B.). A. Anfechtung fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse in der Aktiengesellschaft
A. Die Anfechtung fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse in der Aktiengesellschaft Im Aktiengesetz sind die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen gesetzlich geregelt. Aus der Systematik der §§ 243 ff. AktG ergibt sich, dass ein Beschluss nur dann nach § 249 AktG nichtig ist, wenn er an einem besonders schweren Mangel leidet. Von einem nichtigen Beschluss ist der unwirksame Beschluss zu unterscheiden, der nicht an einem (besonders schweren) inhaltlichen Fehler leidet, sondern unvollständig ist. Die Unwirksamkeit wird durch formlose Einrede oder im Wege einer Feststellungsklage im Sinne von § 256 ZPO und daher außerhalb der in §§ 243 ff. AktG vorgesehenen besonderen Verfahren geltend gemacht. 923 In den übrigen Fällen ist ein Beschluss lediglich anfechtbar und muss durch ein Gerichtsurteil für nichtig erklärt werden. § 243 AktG bestimmt in Abs. 1, dass die Vereinbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen mit Gesetz und Satzung im ___________ 921
922
923
AktG wegen Verstoßes gegen die Treuepflicht nicht entgegen steht, siehe etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 437. Ebenso einhellig vertretene Ansicht, siehe etwa Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 76; Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 45, 67; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 91. Daher wird die gegen Gesellschafterbeschlüsse gerichtete Anfechtung zu Recht auch als „wirksamste Waffe des Aktionärs“ bezeichnet, Bayer, NJW 2000, 2609, 2617, – und daraus lässt sich verallgemeinernd für alle Gesellschaftsformen sagen, dass der gegen den Gesellschafterbeschluss gerichtete Rechtsbehelf die wirksamste Waffe des Minderheitsgesellschafters darstellt. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 20.
A. Anfechtung fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse in der Aktiengesellschaft
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Wege der Anfechtungsklage überprüft wird. Nach Abs. 2 können sich benachteiligte Aktionäre gegen Hauptversammlungsbeschlüsse wehren, mit denen einzelne Aktionäre ungerechtfertigte Sondervorteile verfolgen. Die Vorschrift des § 243 AktG begründet für das Recht der Aktiengesellschaften im Interesse der Rechtssicherheit ein formalisiertes Verfahren, mit dem Beschlussmängel anzugreifen sind. Im Gegensatz zu den Minderheitsrechten924 ist zur Erhebung der Anfechtungsklage nach § 243 AktG kein Quorum erforderlich. Schon die Aktionärsstellung als solche begründet die Anfechtungsbefugnis.925 Es handelt sich somit um ein Individualrecht des Aktionärs.926 Auch der Nachweis persönlicher Betroffenheit ist nicht erforderlich, da im Hinblick auf die erweiterte Rechtskraftwirkung nach §§ 248 I 1, 249 I 1 AktG schon das Interesse eines jeden Gesellschafters daran, dass Hauptversammlungsbeschlüsse mit Gesetz und Satzung im Einklang stehen, zur Erhebung der Klage genügt.927 Sie erfüllt damit eine Doppelfunktion als zugleich eigennütziger und altruistischer Rechtsbehelf, indem einerseits der Aktionär zum Wahrer der Verbandsinteressen berufen ist, andererseits dieser Umstand nichts daran ändert, dass er sich der Anfechtungsklage zur Verteidigung seiner individuellen Mitgliedschaftsrechte bedienen darf.928 Die minderheitsrelevanten Eingriffe in die Mitgliedschaft, Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, die Treuepflicht und das Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs führen zu Inhaltsmängeln des Hauptversammlungsbeschlusses, gegen die mit der Anfechtungsklage nach § 243 I AktG vorgegangen werden kann. 929
I. Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage nach § 243 I AktG Mit der Anfechtungsklage nach § 243 I AktG werden rechts- oder satzungswidrige, aber wirksame Beschlüsse angegriffen, während bei nichtigen Beschlüssen nur ___________ 924 925 926
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So etwa die Bestellung von Sonderprüfern nach §§ 142 II, 258 II AktG, die Aktien in Höhe von 1% des Grundkapitals oder einem Gegenwert von 100.000 EUR voraussetzen. Statt aller Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 3. Dieser Status quo sieht sich heftiger Kritik ausgesetzt. Mit der Begründung, der einzelne Aktionär könne durch die Erhebung der Anfechtungsklage im Gesellschaftsinteresse notwendige Maßnahmen verhindern, wird die Einführung eines Quorums und daher die Ausgestaltung als Minderheitsrecht gefordert. So etwa von Boujong, FS Kellermann, 1991, S. 1, 14; Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 10 ff.; ders., FS Brandner, 1996, S. 57, 64–70; Noack, BB 2007, Heft 32, „Die erste Seite“; Schlaus, AG 1988, 113, 117; dagegen etwa Bayer, NJW 2000, 2609, 2617. Zu dieser Frage noch näher unter III. BGHZ 70, 117, 118 = NJW 1978, 540 (Mannesmann); BGHZ 43, 261, 265 f.; BGH WM 1964, 1188, 1191; BGHZ 43, 261, 265 f. = NJW 1965, 1378; BGH NJW 1989, 2689, 2691 (Kochs Adler). Windbichler, in: Timm, Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, 35, 49. Für die Treuepflicht und den Gleichbehandlungsgrundsatz einhellig vertretene Ansicht, siehe Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 76; Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 45, 67.
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§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse
die Rechtswidrigkeit festgestellt zu werden braucht. Wurde jedoch das Beschlussergebnis vom Versammlungsleiter förmlich festgestellt, ist stets die Anfechtungsklage statthaft. Dies wird damit begründet, dass von einer förmlichen Beschlussfeststellung eine vorläufige Verbindlichkeit und ein Rechtsschein ausgehen, auf den sich die an der Beschlussfassung Beteiligten so lange verlassen dürfen, wie der Rechtsschein nicht im Wege einer Anfechtungsklage zerstört wurde.930 Fehlt es hingegen an einer derartigen Beschlussfeststellung, kann die Wirksamkeit des Beschlusses nicht im Wege einer Anfechtungsklage geklärt werden, da es an einem Anfechtungsgegenstand fehlt.931 Die streitige Frage, ob ein Beschluss eines bestimmten Inhalts überhaupt gefasst wurde, ist vielmehr im Wege einer Feststellungsklage zu verfolgen.932 Für diese Beschlussfeststellungsklage gelten die noch für die Anfechtung von Beschlüssen in der GmbH darzustellenden Grundsätze über die Ausschlussfrist, wonach es entscheidend auf die Treuepflicht des Gesellschafters ankommt, Gesellschaft und Mitgesellschafter nicht über Gebühr über seine Klageabsichten im Unklaren zu lassen.933
II. Die Verbindung von Anfechtungs- und positiver Feststellungsbzw. Leistungsklage Mitunter lässt sich das Klageziel des Gesellschafters nicht dadurch erreichen, dass der Beschluss auf die erfolgreiche Anfechtungsklage hin für unwirksam erklärt wird. Ist dem klagenden Gesellschafter daran gelegen, dass der Beschluss mit einem anderen als dem festgestellten Ergebnis für wirksam erklärt wird, muss die Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage verbunden werden. Anerkannt ist dies für den Fall, dass der Beschluss unter Mitwirkung einzelner Gesellschafter getroffen wurde, die tatsächlich von der Stimmabgabe ausgeschlossen waren,934 oder dass der Versammlungsleiter ein fal___________ 930
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BGH ZIP 1995, 1982, 1983; BGH NJW 1980, 1465, 1467; BGHZ 153, 285, 287; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 118 f.; Hachenburg/Raiser, GmbHG, Band II, 8. Aufl. 1997, Anh. § 47, Rn. 90 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 47, Rn. 43. BGH ZIP 1995, 1982. Dazu BGHZ 104, 66, 69; BGH ZIP 1995, 1982; BGH NZG 2003, 284 f.; BGH NJW 1980, 1465, 1467; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 118 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 45, Rn. 50 f., 98; Hachenburg/Raiser, GmbHG, Band II, 8. Aufl. 1997, Anh. § 47, Rn. 91, 251. Die Rspr. geht für die Beschlussfeststellungsklage davon aus, dass dieser nur der Verwirkungseinwand entgegen gesetzt werden kann: BGH ZIP 1995, 1982, 1983, betont die Notwendigkeit zeitnaher Erhebung; nach BGH ZIP 1999, 656 (Rn. 10), ist nur dann von Verwirkung auszugehen, wenn der Rechtsinhaber über einen längeren Zeitraum sein Recht nicht geltend macht und dadurch bei der Gegenseite den Eindruck erweckt, diese brauche mit der Inanspruchnahme des Rechts in Zukunft nicht mehr zu rechnen. BGH NJW 1984, 489, 491; BGHZ 76, 154, 156 ff. = NJW 1980, 1527; BGH NJW 1986, 2051, 2052; K. Schmidt, NJW 1986, 2018, 2020 f. Zu Beispielen auch Zöllner, Die Schranken
A. Anfechtung fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse in der Aktiengesellschaft
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sches Abstimmungsergebnis verkündet hat.935 Mit dieser positiven Beschlussfeststellungsklage wird gerichtlich festgestellt, dass der vermeintlich abgelehnte Beschlussantrag in Wirklichkeit von der Gesellschafterversammlung angenommen wurde. Für eine derartige Verbindung hat die Rechtsprechung ein unabweisbares Bedürfnis anerkannt, da sie einen Ausgleich zu der dem Versammlungsleiter aus Gründen der Rechtssicherheit eingeräumten Macht schafft, das Beschlussergebnis mit vorläufiger Bestandskraft festzulegen. Erst diese positive Beschlussfeststellungsklage ermöglicht es dem Anfechtungskläger, das zutreffende Ergebnis feststellen zu lassen und sich nicht lediglich gegen das falsche zur Wehr zu setzen.936 Die positive Beschlussfeststellungsklage ist keine Feststellungsklage im herkömmlichen Sinne, da ihr insofern rechtsgestaltende Wirkung zukommt, als das Urteil das Beschlussergebnis mit Wirkung inter omnes und mit Rechtskrafterstreckung nach § 248 AktG analog feststellt.937 Unproblematisch ist dies in den Fällen des Stimmrechtsausschlusses, da in diesen keine positive Stimmabgabe eingefordert wird, sondern nur die unzulässigerweise abgegebene Stimme aus dem Abstimmungsergebnis herausgerechnet wird. Hier ist der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gewahrt, sofern dem Gesellschafter als betroffenem Dritten die Gelegenheit eingeräumt wird, dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beizutreten,938 während seine Beteiligung nicht zwingend ist.939 In diesen Fällen ist es zutreffend und aus prozessökonomischen Gründen vorzugswürdig, die Anfechtungsklage mit der Beschlussfeststellungsklage zu verbinden und dem betroffenen Gesellschafter nur die Gelegenheit einzuräumen, Einwendungen zu erheben.940 Die Gesellschaft ist verpflichtet, ihn von dieser Möglichkeit zu unterrichten.941 Problematischer sind demgegenüber die Fälle, in denen der Gesellschafter geltend macht, eine den Beschlussgegenstand ablehnende Stimmabgabe verletze seine Rechte. Soweit er einen zustimmenden Beschluss anstrebt und sich ein solcher ___________ 935 936 937
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941
mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 367 f. BGH NJW 1984, 489, 491; BGHZ 76, 191, 197 ff. = NJW 1980, 1465. BGH NJW 1980, 1465, 1467; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 410. BGH NJW 1980, 1465, 1467, sieht keine Bedenken dagegen, in entsprechender Anwendung des § 248 AktG einer mit der Anfechtungsklage verbundenen positiven Feststellungsklage die gleiche Rechtskraftwirkung zuzusprechen, sofern die Feststellungsklage in derselben Frist erhoben und in demselben Prozess behandelt wird; bestätigend BGH NJW 1986, 2051, 2052; so auch K. Schmidt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1996, § 248, Rn. 19; ders., NJW 1986, 2018, 2019; Tielmann, WM 2007, 1686, 1690; Winter, in: K. Schmidt/Riegger, Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 37, 41; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 414, Fn. 59. BVerfGE 60, 7, 13 ff. = NJW 1982, 1635; Tielmann, WM 2007, 1686, 1688. K. Schmidt, NJW 1986, 2018, 2020. BGH NJW 1986, 2051, 2052; BGH NJW 1984, 489, 492; BGH NJW 1980, 1465, 1467; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 414 f. (Beitritt zur Gesellschaft als Nebenintervenient möglich). Sicher gestellt wird dies durch eine analoge Anwendung des § 246 IV AktG in AG und GmbH. Dazu K. Schmidt, NJW 1986, 2018, 2021.
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§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse
nicht schon daraus ergibt, dass die Stimmabgabe der gegen den Beschluss stimmenden Gesellschafter wegen Stimmrechtsverboten für ungültig erklärt wird, kann er sein Klageziel nur erreichen, wenn festgestellt wird, dass diese Gesellschafter hätten zustimmen müssen. Relevant wird dies in den Fällen, in denen er eine Leistung der Gesellschaft einfordert und es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, wenn diese vorenthalten wird, oder wenn er seine Anteile veräußern möchte und (etwa wegen einer Vinkulierungsklausel) hierzu der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf. Wie unter § 10 ausgeführt wird, stellt es einen rechtswidrigen Eingriff in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters dar, wenn diese Zustimmung grundlos verweigert wird. In dieser Konstellation sind zwei Klagen gegen unterschiedliche Beklagte zu verbinden: Zunächst gilt es, den belastenden Beschluss mit einer gegen die Gesellschaft gerichteten Anfechtungsklage zu beseitigen. In einem zweiten Schritt müssen die den Beschlussgegenstand ablehnenden Gesellschafter im Wege einer Leistungsklage auf Zustimmung verklagt werden.942 Bereits im Anfechtungsprozess sind alle relevanten Fragen, insbesondere die Interessen auf Seiten der Gesellschaft, die des ausscheidungswilligen Gesellschafters und die der Mitgesellschafter zu erörtern, um über die Rechtmäßigkeit des mit der Ablehnung verbundenen Eingriffs in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des klagenden Gesellschafters entscheiden zu können. Steht danach fest, dass die Versagung der Zustimmung rechtswidrig ist, ist damit regelmäßig festgestellt, dass nur eine Zustimmung rechtmäßig sein kann. Im Rahmen der Anfechtungsklage werden damit alle Fragen erörtert, auf die es auch im Rahmen der Leistungsklage ankommt. Die Verbindung beider Klagen stellt sicher, dass alle Gesellschafter Gehör finden. Ansonsten wäre das widersprüchliche Ergebnis nicht auszuschließen, dass die berechtigten Interessen der Mitgesellschafter erst im Rahmen der Leistungsklage zur Sprache kommen und – im Extremfall – das im Rahmen der Anfechtungsklage gefundene Ergebnis widerlegen, d. h. zu einer Abweisung der Leistungsklage führen. Überflüssig und daher unzulässig ist die Verbindung von Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage, wenn sich der Kläger gegen ein positives Beschlussergebnis wendet, da mit der erfolgreichen Anfechtung des Beschlusses zugleich feststeht, dass der Beschluss nicht zustande kam. Der Feststellungsklage fehlt daher das Rechtsschutzbedürfnis.943
III. Der Schutz der Gesellschaft vor Missbrauch der Anfechtungsmöglichkeit Problematisch an der Konzeption der Anfechtungsklage als Individualrecht ist, dass ein einzelner Gesellschafter die Durchführung des Hauptversammlungsbeschlusses (zeitweise) verhindern kann, wenn die beschlossene Maßnahme einer ___________ 942 943
K. Schmidt, NJW 1986, 2018, 2020 f.; Winter, in: K. Schmidt/Riegger, Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 37, 44. BGH WM 2003, 443, 444.
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konstitutiven Eintragung im Handelsregister bedarf und das Registergericht hierzu eine Negativerklärung fordert.944 Das hierdurch geschaffene Potential der Anfechtungsklage, wichtige und im Gesellschaftsinteresse liegende Veränderungen blockieren zu können, wird daher auch vielfach kritisiert und die Gefahr des Missbrauchs der Anfechtungsmöglichkeit durch einzelne Aktionäre beklagt.945 Dies geht auf die zahlreichen aus der Praxis bekannt gewordenen Fälle zurück, in denen sich die Gesellschaft freizukaufen versucht und, um direkte Sonderzahlungen zu vermeiden, Beratungs- und andere Dienstleistungsverträge mit den opponierenden Gesellschaftern abschließt.946 Daher ist auch zu untersuchen, wie das Erpressungspotential der Anfechtungsklage eingeschränkt werden kann, ohne ihr zugleich ihre bedeutende Funktion als Säule des Minderheitsschutzes zu nehmen.947
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Im Einzelnen dazu Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 57. Etwa in BVerfG NJW 2007, 3268, 3270 (Rn. 22); Marsch-Barner, in: Grundmann/u. a., Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, S. 105, 108; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 196–200; mit Zahlen belegt von Baums/Vogel/Tacheva, ZIP 2000, 1649, 1655; Windbichler, in: Timm, Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 35; dies., in: Baums/Hopt/Horn (ed.), Liber Amicorum Buxbaum, 2000, S. 617, 625; berichtend auch Henze, ZIP 2002, 97, 100 f.; Lutter, ZGR 1978, 347, 348 f. Siehe aber auch die Mahnungen bei Mestmäcker, BB 1961, 945, 951. Im historischen Überblick Meyer-Landrut, FS Schilling, 1973, S. 235, 236; Zöllner, AG 1994, 336, 339. Zu einer statistischen Untersuchung Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629. Zu einem Anschauungsbeispiel etwa „Ein Kleinaktionär kann ein Unternehmen in den Ruin treiben“, FAZ vom 25. 11. 2004, S. 24: Die Kapitalerhöhung des angeschlagenen Karstadt-Quelle Konzerns im Jahre 2004 stellte ein Paradebeispiel dafür dar, wie Minderheitsaktionäre zum Zünglein an der Waage werden und über das Schicksal eines Großunternehmens entscheiden können. Um die Insolvenz zu vermeiden, einigten sich Vorstand, Aktionärsmehrheit von 99,76% und Gläubigerbanken auf eine Kapitalerhöhung, um dem Konzern die nötige Finanzspritze zukommen zu lassen. Lediglich fünf Aktionäre widersprachen, woraufhin, in Anbetracht drohender Anfechtungsklagen, die Banken erklärten, die neu zu emittierenden Aktien nicht zeichnen zu wollen. Der Vorstand verhandelte mit den dissentierenden Aktionären – und bewegte diese schließlich zum Einlenken, wobei über die Details, insbesondere evtl. „Abfindungen“, nichts bekannt wurde. Vgl. Hopt, Liber Amicorum Guy Horsmans, 2004, S. 533, 542; Ulmer, ZGR 1999, 751, 764. Ausführlich Baums/Drinhausen, Weitere Reform des Rechts der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, Arbeitspapier Nr. 7010/2007, S. 4 f. Typischerweise geht es in solchen Fällen den Aktionären bei Klageerhebung nicht darum, Fehler des Hauptversammlungsbeschlusses zu sanktionieren und damit auch präventiv zu bekämpfen, sondern darum, noch vor Entscheidung des Gerichts über die Begründetheit der Anfechtungsklage durch gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich Geld zu verdienen. Aufgrund der institutionellen Gegebenheiten, insbesondere der Registersperre, verspricht sich der Kläger ein schnelles Einlenken der Gesellschaft. Insoweit nochmals der Hinweis auf die statistischen Daten bei Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629. Siehe zudem Lutter, ZGR 1978, 347, 349, der zurecht darauf hinweist, dass es nicht nur um den Schutz der Minderheitsaktionäre geht, sondern die Anfechtungsmöglichkeit zudem ein Mittel ist, um die Legalität der innergesellschaftlichen Vorgänge in den sich selbst verwaltenden großen Korporationen auch im allgemeinen öffentlichen Interesse sicherzustellen.
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§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse
1. Beschränkungen der Anfechtungsbefugnis de lege lata a) Einwand des individuellen Rechtsmissbrauchs Nach den hier entwickelten allgemeinen Grundsätzen darf ein Gesellschafter bei der Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte Eigeninteressen nur insoweit verfolgen, wie ein Gleichlauf mit den Interessen der Gesellschaft besteht oder zumindest die mitgliedschaftlichen Rechte der Mitgesellschafter nicht beeinträchtigt werden. Diese strengen Maßstäbe können auf die Erhebung der Anfechtungsklage nicht angewandt werden, da sie gerade das elementare Mittel darstellt, mit dem sich die Gesellschafter gegen Beeinträchtigungen ihrer Rechtsstellung verteidigen können. Sie würden auch der Konzeption der Anfechtungsklage als Individualrecht, das von keinen weiteren Voraussetzungen als der bloßen Mitgliedschaft abhängt, widersprechen und diese zu einem rein altruistischen Rechtsbehelf und den Aktionär zum reinen Hüter der Verbandsinteressen umgestalten. Es handelt sich um einen der ausdrücklich in das Konzept aufgenommenen Ausnahmefälle, wonach die gesetzgeberischen Wertungen den allgemeinen Grundsätzen stets vorgehen und diese modifizieren oder ganz ausschließen können. Zugleich ist der einhelligen Ansicht beizutreten, dass die Anfechtungsbefugnis jedenfalls für extreme Fälle einschränkbar sein muss. Die Grenze verläuft dort, wo es dem Gesellschafter weder um die Verteidigung der eigenen mitgliedschaftlichen Rechte noch der Interessen der Gesellschaft geht, sondern er darüber hinausgehende und daher mit der Intention der Anfechtungsbefugnis unvereinbare Ziele verfolgt.948 Unter geltendem Recht wird der Anfechtungsklage des Aktionärs im Einzelfall mit dem Einwand des individuellen Rechtsmissbrauchs begegnet, sofern er die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen beabsichtigt, auf die er keinen Anspruch hat.949 Die Rechtsprechung gesteht der Gesellschaft in langer Tradition den Einwand des Rechtsmissbrauchs zu, wenn der Aktionär seine Rechte selbstsüchtig und zu gesellschaftsfremden Zwecken ausübt.950 Das gilt selbst dann, wenn der angegriffene Beschluss an einem Mangel leidet und die Anfechtungsklage daher begründet wäre.951 ___________ 948
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Vgl. Windbichler, in: Timm, Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 35, 50; zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der rechtsmissbräuchlichen Anfechtungsklage auch LG Frankfurt a. M. ZIP 2007, 2034, 2035 (n.rkr.). Hüffer, in: Geßler/Hefermehl/u. a., AktG, 1984, § 245 Rn. 50; ders., AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 22: Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 45, Rn. 137; Lutter, FS 40 Jahre Der Betrieb, 1988, S. 194, 208–210; Henze, ZIP 2002, 97, 100 f.; Hirte, BB 1988, 1469, 1471 ff.; Tielmann, WM 2007, 1686, 1688; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 161. RGZ 146, 385, 395; BGH BB 1962, 426; BGHZ 36, 121, 135 f.; BGH NJW 1989, 2689, 2691 (Kochs Adler). Nach den Erkenntnissen der Studie von Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629, 1630, soll dieser Einwand jedoch wirkungslos sein, da sich der individuelle Rechtsmissbrauch nicht in praktisch relevantem Umfang belegen lasse. Sehr str., aber h. M. BGHZ 107, 296, 302 ff. (Anfechtung begründet) und 308 ff. (dennoch Einwand des Rechtsmissbrauchs zulässig); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 16, Rn. 170; Windbichler, in: Timm, Mißbräuchliches Aktionärsverhalten,
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b) Spruchverfahren bei Streit über die Höhe der geschuldeten Abfindung Auch hat der Gesetzgeber mit dem Spruchverfahren bereits einen erfolgreichen Weg zu einer weiteren Entschärfung der Folgen der Anfechtungsklage beschritten.952 Streitigkeiten über die Höhe einer von der Gesellschaft (oder auch dem Mehrheitsgesellschafter) geschuldeten Abfindung werden in einem besonderen Verfahren, nicht im Rahmen einer Anfechtungsklage überprüft. Der Hauptversammlungsbeschluss selbst wird nicht angegriffen, und da kein Grund für eine Verzögerung der beschlossenen Maßnahme besteht, tritt mit der Einleitung des Spruchverfahrens keine Registersperre ein.953 Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs über die gesetzlich geregelten Fälle954 hinaus wird für Konstellationen diskutiert, in denen keine gesetzliche Verweisung auf dieses Verfahren vorgesehen ist, jedoch ebenfalls der Streit über die Abfindungshöhe im Vordergrund steht. Dies wird jedoch insbesondere dann als problematisch angesehen, wenn das Spruchverfahren nicht im Wege einer Analogie zu einer materiellrechtlichen Anspruchsgrundlage, die in das Spruchstellenverfahren verweist, angewandt werden kann.955 Bis zur Macrotron-Entscheidung des BGH956 wurde der Weg ins Spruchverfahren daher von den Gerichten auch nur über eine solche Analogie befürwortet.957 Tatsächlich stößt eine Analogiebildung in den Bereichen an ihre Grenzen, die gesetzlich umfassend geregelt sind oder die zwar Lücken aufweisen, den vornehmlich strukturändernden Maßnahmen, für die ein Verweis auf das Spruchstellenverfahren existiert, jedoch nicht vergleichbar sind.958 ___________
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955 956
957 958
1990, S. 35, 41; a. A. OLG Hamm, ZIP 1988, 1051, 1056 f. (n.rkr.); Bokelmann, BB 1972, 733, 737; wohl auch Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 14: „Die begründete Anfechtungsklage dient ausschließlich dem Ziel, eine Rechtswidrigkeit zu korrigieren. Diese Funktion ist von den Motiven des Aktionärs ganz unabhängig (. . .).“ Nach der Ansicht, die der Klage bei Rechtsmissbrauch die Zulässigkeit versagt, so Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 45, Rn. 137, kommt es auf die Begründetheit der Anfechtung nicht an. Die Rechtsgrundlage des Einwandes ist ebenfalls streitig. Nach der hier vertretenen Konzeption liegt das Verbot des institutionellen Missbrauchs zugrunde, wonach ein vom Gesetz zur Verfügung gestelltes Rechtsmittel nicht in einer Weise eingesetzt werden darf, die der Gesetzesintention widerspricht, so auch Raiser/Veil, a. a. O. Zu den Ansätzen der equity Mestmäcker, BB 1961, 945, 951 f.: “He who comes to equity must come with clean hands“. Siehe im Einzelnen auch Neye, FS Wiedemann, 2002, S. 1127. Siehe näher zum Spruchverfahren unter § 12 C. I. Dabei handelt es sich um die Fälle des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages (§§ 304 III, IV, 305 V AktG), die der Eingliederung (§ 320 VI, VII AktG), der Umwandlung, insb. Verschmelzung (§ 375 II AktG, §§ 12, 15, 19 III, 20, 22 III UmwG, § 352 c AktG) und die Fälle des Squeeze out (§ 327 b I 1, 327 f S. 2 AktG). Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 801. BGH WM 2003, 533, 535 (Macrotron). Siehe auch die obergerichtliche Rechtsprechung zum Delisting, BayObLG NZG ZIP 1998, 2002, 2004; BayObLG NZG 2003, 313, 316; BayObLG NZG 2004, 1111, 1114. Für andere Fälle ablehnend daher OLG Stuttgart ZIP 1997, 362 ff.; zusammenfassend Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 255. Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 256.
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§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse
Insgesamt mehren sich jedoch die Stimmen, die eine Ausweitung des Spruchverfahrens mit dem Hinweis darauf fordern, den Parteien werde durch die restriktive Haltung der Rechtsprechung das ihren Interessen am besten dienende Verfahren verwehrt.959 Diese Stimmen können sich durch die Klarstellung des Gesetzgebers, unter Hinweis auf die Macrotron-Entscheidung den Katalog des § 1 SpruchG nicht als abschließend zu betrachten,960 bestätigt fühlen. Tatsächlich handelt es sich bei dem Spruchstellenverfahren um ein effektives prozessuales Mittel, das den Minderheitsschutz in den Fällen, in denen nicht eine beeinträchtigende Maßnahme als solche, sondern lediglich die Höhe einer geschuldeten Abfindung Gegenstand der Auseinandersetzung ist, ausreichend wahrt, ohne die Gesellschaft über Gebühr zu belasten. Auch den Minderheitsaktionären ist in diesen Fällen an einem schnellen, auf die von ihnen angegriffenen Fragen konzentrierten Verfahren gelegen. Die Aufgabe der Gerichte besteht nunmehr darin, über eine konsequente Verweisung der allein die Abfindungshöhe betreffenden Streitigkeiten in dieses besondere Verfahren zu wachen.961
2. Einschränkungen der Klagemöglichkeit de lege ferenda a) Minderheitsquoren und Nachweis individueller Betroffenheit Diese unter geltendem Recht bestehenden Möglichkeiten, die Wirkungen der Anfechtungsbefugnis einzudämmen, gehen etlichen Stimmen nicht weit genug. Insbesondere wird der Einwand des individuellen Rechtsmissbrauchs als ineffektiv bewertet, da er einen im Einzelfall schwierigen Nachweis voraussetzt. Als Alternative wird vor allem ein als „Seriositätsschwelle“ bezeichnetes Quorum gefordert, das etwa bei 1% Anteilswert oder 100.000 EUR Börsenwert anzusiedeln sein könnte.962 Die Anfechtungsklage würde damit von einem Individual- zu einem Minderheitsrecht herabgestuft. Dieser Vorschlag wird daher zu Recht, gerade auch vom Gesetzgeber, unter Hinweis auf die Eigentümerstellung des Aktionärs und die Bedeutung der Anfechtungsklage für den Schutz seiner mitgliedschaftlichen Rechte abgelehnt.963 Entgegen einer verbreiteten Ansicht ist die Ausgestaltung der Anfech___________ 959 960 961
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963
Etwa von Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 266; vgl. auch BVerfG NZG 2000, 1117, 1119. Hierzu die Gesetzesbegründung zur Reform des Spruchverfahrensrechts durch das SpruchG 2003, BT-Drs. 15/371, S. 11. Darauf, dass dies nicht immer befolgt wird, weisen Baums/Drinhausen, Weitere Reform des Rechts der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, Arbeitspapier Nr. 7010/2007, S. 15, hin. So der Vorschlag von Noack, BB 2007, Heft 32, „Die erste Seite“. Zu verschiedenen Quoren Boujong, FS Kellermann, 1991, S. 1, 14; Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band. 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 10 ff.; ders., FS Brandner, 1996, S. 57, 64–70; Schlaus, AG 1988, 113, 117. Vgl. auch Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 202 f. Überzeugend etwa Bayer, NJW 2000, 1609, 1619.
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tungsklage als Individualrecht auch verfassungsrechtlich geboten.964 Es würde der verfassungsrechtlichen Vorgabe, dem Aktionär einen wirksamen Schutz gegen Beschlüsse, die rechtswidrig in seine Rechtsstellung eingreifen, an die Hand zu geben,965 nicht genügen, wenn die Erhebung der Anfechtungsklage von einem Quorum abhängig wäre. Allenfalls insoweit, wie nach den unter § 4 B. entwickelten Prinzipien ausschließlich Vermögensinteressen des Kleinaktionärs einer börsennotierten Aktiengesellschaft betroffen sind und zu deren Wahrung ein anderes Verfahren, etwa ein Spruchverfahren, besteht, können derartige Beschränkungen der Individualanfechtungsbefugnis zulässig sein. Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt es hingegen, die Anfechtungsbefugnis an eine Klagebefugnis und damit das Kriterium individueller Betroffenheit zu knüpfen.966 Zugleich würde diese Einschränkung ein bedeutendes Problem, nämlich die Frage nach der mittelbaren Betroffenheit des Aktionärs in den Fällen der Schädigung des Gesellschaftsvermögens durch einen rechtswidrigen Beschluss in die Zulässigkeitsprüfung hineintragen.967 Bei aktionärsfreundlicher Handhabung wäre nichts gewonnen: Da der Wert der Beteiligung durch eine rechtswidrige Maßnahme regelmäßig betroffen sein wird und damit eine mittelbare Beeinträchtigung im Raume stünde, wäre von diesem Kriterium keine wesentliche Einschränkung der Klagebefugnis zu erwarten. Treffend ist auch der Hinweis, dass nach der Konzeption des Kapitalgesellschaftsrechts die Entscheidung über das Gesellschaftsvermögen der Verwaltung und Gesellschaftermehrheit überantwortet ist und die Klageberechtigung die einzige Möglichkeit des Minderheitsgesellschafters darstellt, einen geringen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zu nehmen und dabei zugleich Rechtswidrigkeiten zu korrigieren.968 Wie schon angesprochen, ist der Minderheitsgesellschafter durch die Anfechtungsbefugnis zum Sachwalter der Interessen der Allgemeinheit an einer rechtmäßigen Verwaltung großer Finanzmittel, von denen Arbeitsplätze und die volkswirtschaftlich sinnvolle Verwendung privater Ersparnisse abhängen, erhoben.969 b) Ausweitung des Freigabeverfahrens Die Lösung muss vielmehr darin bestehen, Hauptversammlungsbeschlüssen in den Fällen, in denen durch Verzögerungen Gefahren für die Gesellschaft drohen, trotz ___________ 964 965 966 967
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So jedoch Baums/Drinhausen, Weitere Reform des Rechts der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, Arbeitspapier Nr. 7010/2007, S. 4. Dazu die schon oben unter § 3 besprochene Entscheidung BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 (Moto Meter). Zöllner, AG 1994, 336, 339. Siehe auch zu dem Hinweis, dass es dem Kläger regelmäßig gelingen wird, seine individuelle Betroffenheit geltend zu machen, Baums/Drinhausen, Weitere Reform des Rechts der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, Arbeitspapier Nr. 7010/2007, S. 9. Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 14; MeyerLandrut, FS Schilling, 1973, S. 235, 238. Meyer-Landrut, FS Schilling, 1973, S. 235, 239.
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§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse
schwebender Anfechtungsklage zur Durchsetzung zu verhelfen.970 Soweit das individuelle Rechtsschutzinteresse des klagenden Aktionärs gegenüber dem Vollzugsinteresse der Mehrheit zurücktritt, muss die Registersperre überwunden und ein eventueller Nachteil für den Kläger im Nachhinein ausgeglichen werden.971 Dies kann im Wege eines summarischen Vorverfahrens, in dem ein Gericht die Rechtsverfolgung auf ihre Aussichten und die drohenden nachteiligen Wirkungen auf beiden Seiten überprüft, erreicht werden.972 Dieses Konzept wurde durch die Freigabeverfahren nach §§ 246 a, 319 VI, 327 e II AktG, 16 III 2 UmwG für wichtige Strukturänderungsmaßnahmen bereits umgesetzt.973 Die Möglichkeit, eine Transaktion trotz rechtshängiger Anfechtungsklage bindend freizugeben, besteht nunmehr bei Unternehmensverträgen, Maßnahmen der Kapitalbeschaffung oder Kapitalherabsetzung, Eingliederungen, Squeeze out-Maßnahmen und Verschmelzungen. Die anhängige Anfechtungsklage hindert die Eintragung und damit Wirksamkeit der beschlossenen Maßnahme nicht, wenn das Prozessgericht die Klage für unzulässig oder offensichtlich unbegründet hält oder eine Interessenabwägung zugunsten der Gesellschaft trifft. Dabei sind alle der Gesellschaft im Falle der Nichteintragung drohenden Schäden und Nachteile gegen die Schwere der vom Kläger behaupteten Rechtsverletzung und die auf seiner Seite denkbaren Schäden bei Eintragung der Maßnahme abzuwägen.974 Wird die Maßnahme auf Anordnung des Gerichts eingetragen, ordnet § 246 a IV AktG die Wirksamkeit des Beschlusses auch für den Fall an, dass sich die Anfechtungsklage im Hauptsacheverfahren als begründet erweist, und verweist den Kläger auf einen Schadensersatzanspruch. Eine Eintragung ist also möglich, wenn selbst bei begründeter Anfechtungsklage die der Gesellschaft durch eine Versagung der Eintragung insgesamt drohenden Nachteile den Schaden überwiegen, den der Anfechtungskläger durch eine Eintragung und Durchführung des rechtswidrigen Hauptversammlungsbeschlusses zu befürchten hat. Umgekehrt kann nur die besondere Schwere der drohenden Rechtsverletzung eine abweichende Entscheidung zugunsten des Anfechtungsklägers rechtfertigen.975 Dieser Ansatz erscheint auch für andere Beschlüsse sinnvoll. Das Gericht prüft im Freigabeverfahren alle relevanten Faktoren und kann dabei insbesondere die hier stetig betonten Besonderheiten der Mitgliedschaft des klagenden Gesellschafters berücksichtigen. Die ihm und der Gesellschaft drohenden Nachteile werden wesentlich von der Realstruktur der Gesellschaft und der Art seiner Beteiligung ___________ 970 971 972 973 974 975
Hirte, in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, 1997, S. 61, 94 f.; Ulmer, ZGR 1999, 751, 766. Baums/Drinhausen, Weitere Reform des Rechts der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, Arbeitspapier Nr. 7010/2007, S. 8. Wiedemann, ZGR 1999, 857, 870; ders. JZ 1997, 1058, 1059; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 306; Müller, ZVglRWiss. 96 (1997), 217, 240; Bayer, NJW 2000, 1609, 1619. Zu diesem im Umwandlungsrecht Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006, Rn. 6.147– 6.149. RegE UMAG vom 17.11.2004, Begr. zu § 246 a AktG, abgedruckt in ZIP 2004, 2455, 2471. Baums/Drinhausen, Weitere Reform des Rechts der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, Arbeitspapier Nr. 7010/2007, S. 10.
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bestimmt. Während der Kleinanleger in einer börsennotierten Aktiengesellschaft ohnehin als reiner Kapitalanleger nur an einer profitablen Kapitalanlage interessiert ist976 und daher durch die Beschränkungen auf einen als Schadensersatz gewährten Finanzausgleich nicht beeinträchtigt wird, ist der Unternehmergesellschafter, dessen finanzielle und berufliche Existenz mit der Gesellschaft verknüpft ist, darauf angewiesen, dass rechtswidrige Maßnahmen der Gesellschaft, die in seine Rechtsstellung erheblich eingreifen, nicht in Rechtskraft erwachsen. Insgesamt vermag das Freigabeverfahren dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der gerade nach der hier entwickelten Konzeption, aber wohl auch nach gängiger Einschätzung im Gesellschaftsrecht eine elementare Funktion wahrnimmt,977 auch bei den prozessualen Aspekten eine wichtige Bedeutung beizumessen. Was die Begründetheit der Anfechtungsklage angeht, ist dem Ansatz des Gesetzgebers in § 246 a AktG jedoch nur eingeschränkt zu folgen. Nur dem Kleinaktionär einer börsennotierten Aktiengesellschaft ist es zuzumuten, die Wirkungen eines rechtswidrigen Beschlusses hinnehmen zu müssen und mit einer Abfindung abgespeist zu werden. In den übrigen Fällen muss danach unterschieden werden, aus welchen Gründen ein Beschluss angefochten wird. Steht ein nicht lediglich unwesentlicher Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft im Raum, muss es bei dem unter § 4 betonten Grundsatz bleiben, dass rechtswidrige Beschlüsse keinen Bestand haben dürfen. Eine Freigabe kommt in diesen Fällen nur in Betracht, wenn der Beschluss aufgrund summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig ist. Die Tatsachen sind im Interesse an einer zügigen Entscheidung nur glaubhaft zu machen.978 Bei Zweifeln ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Anfechtungsklage vom Gesetzgeber als schneidiges Individualrecht des Aktionärs ausgestaltet hat,979 so dass es bei der Registersperre bleiben muss. Werden diese Grundsätze beachtet, fällt die Bewertung des Freigabeverfahrens positiv aus. Ein solches vermag nicht nur die Fälle des individuellen Rechtsmissbrauchs zu eliminieren (in diesen Fällen fehlt es schon an der Zulässigkeit oder die Klage ist offensichtlich unbegründet, jedenfalls aber sind die dem Kläger drohenden Nachteile gering), sondern kann darüber hinaus schon in einem frühen Stadium Schäden von den Beteiligten abwenden. Diese Forderung nach einer Erweiterung des Feigabeverfahrens ist vor allem im Zusammenhang mit der noch zu diskutierenden Überlegung, die Klagerechte des Aktionärs zu erweitern, zu sehen (dazu unter §§ 6 C., 7 B.). Dem berechtigten Einwand, dass eine Vermehrung der Einzelklagebefugnisse die Gefahr bedingt, höhere Missbrauchsanreize zu schaffen,980 kann hierdurch wirksam begegnet werden. ___________ 976 977 978 979 980
Dazu unter § 4 B. I. 2. Zöllner, AG 1994, 336, 339. So auch im Rahmen des § 246 a AktG, siehe RegE UMAG vom 17. 11. 2004, Begr. zu § 246 a AktG, abgedruckt in ZIP 2004, 2455, 2470. Daran sollte auch das UMAG und die Einführung des § 256 a AktG nichts ändern, so RegE UMAG vom 17. 11. 2004, Begr. zu § 246 a AktG, abgedruckt in ZIP 2004, 2455, 2471. Windbichler, in: Timm, Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 35, 49.
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§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse
IV. Die Verfolgung von Sondervorteilen Einen schon unter § 4 erwähnten Sonderfall der Beschlussanfechtung betrifft § 243 II 2 AktG. Danach kann eine Anfechtung darauf gestützt werden, dass ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen sucht. Ein solcher Sondervorteil i. S. v. § 243 II 1 AktG ist jedweder Vorteil, der bei Gesamtwürdigung eine sachwidrige Bevorzugung darstellt981 oder, anders ausgedrückt, nicht allen zufließt, die sich in einer gleichartigen Situation befinden.982 Als Kehrseite dieser Bevorzugung eines oder einzelner Aktionäre muss den übrigen Aktionären ein echter Schaden bzw. Nachteil entstanden sein.983 Einer solchen Prüfung, ob zulasten der Minderheit ein Sondervorteil des Mehrheitsaktionärs besteht, kommt insbesondere in dem Fall besondere Bedeutung zu, in dem eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle ausscheidet, weil das Gesetz die Abwägung vorweggenommen und ein zusätzliches Rechtfertigungserfordernis ausgeschlossen hat.984 Hingegen verbleibt kaum Raum für Sondervorteile zu Lasten der Aktionäre, wenn das Gesetz umfassende Vorkehrungen für einen Vermögensausgleich vorsieht. Hier ist darauf zu achten, dass durch eine Anwendung des § 243 II AktG nicht etwa an anderer Stelle verankerte gesetzliche Wertungen unterlaufen werden.985 Daher muss stets geprüft werden, ob sich die Vorteile eines Aktionärs nicht als gesetzestypische Folge ergeben. Von einem Sondervorteil kann nur ausgegangen werden, wenn von einem Aktionär ein Effekt angestrebt wird, der darüber hinausgeht und ihm untypische Vorteile verschafft, von denen nur er profitiert.986 Auch wurde unter § 4 darauf hingewiesen, dass der Schutz durch § 243 II AktG für die Minderheitsaktionäre nur lückenhaft ausfällt, da § 243 II AktG im Hinblick ___________ 981
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985 986
BGHZ 138, 71, 80 f.; LG Hamburg AG 1996, 233, 234; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 35. Das in § 243 II 1 AktG enthaltene Verbot, Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter zu verfolgen, stellt einen allgemeinen Grundsatz des Verbandsrechts dar, der nach einer Ansicht in der Treuepflicht des Gesellschafters wurzelt, so etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 615, nach anderer Ansicht hingegen ein selbständiges Verbot an den Gesellschafter darstellt, siehe Flume, ZIP 1996, 161, 164. OLG Frankfurt BB 1973, 863, 864; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 802. K. Schmidt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 243, Rn. 57. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 243, Rn. 36; ders., in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, Band V, 1984, § 243, Rn. 112; zu Anwendungsfällen in der jüngeren Rechtsprechung vgl. etwa die Diskussion um Steuervorteile, die für den Hauptaktionär aus Umwandlungen resultieren, OLG Düsseldorf ZIP 2001, 1717, 1720 f. (rkr.); LG Hanau AG 2002, 2261 (rkr.); zu einer Sonderdividende und dadurch finanziertem Squeeze-out LG Frankfurt AG 2005, 545 (n. rkr.). K. Schmidt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 243, Rn. 60. Dazu etwa BGHZ 76, 352, 356 f.: Einen Sondervorteil stellt es dar, wenn der Mehrheitsgesellschafter schon zu Zeiten der werbenden Gesellschaft Vorbereitungen trifft, um sich das Betriebsvermögen in der Liquidation der Gesellschaft einzuverleiben und damit eine anderweitige Verteilung vereitelt. Siehe auch die ähnliche Konstelation in BGHZ 103, 184, 193– 195 (Linotype). Näher zu diesen Urteilen unter § 17.
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auf dessen Satz 2 keine inhaltliche Rechtmäßigkeit des Beschlusses einfordert, sondern den Minderheitsaktionären nur einen Anspruch auf Vermögensschutz zuspricht. Daher kann § 243 II 2 AktG auch nur ergänzend eingreifen und nicht etwa bedeuten, dass der Aktionär bei Eingriffen in seine durch Art. 14 I GG geschützte Rechstellung auf einen Vermögensausgleich verwiesen wäre.987 Ein solcher Ansatz wurde schon oben generell abgelehnt.988 Bei Beschlussmängeln verbleibt es vielmehr bei der nach § 243 I AktG eröffneten Möglichkeit, den rechtswidrigen Beschluss als solchen anzugreifen, während das weitergehende Verbot des § 243 II AktG, Sondervorteile ohne entsprechende Kompensation der Minderheitsaktionäre zu verfolgen, nur ergänzend hinzutritt. Im Anwendungsbereich des § 243 II AktG scheidet eine Beschlussanfechtung nach S. 2 aus, soweit die von dem Beschlussinhalt benachteiligten Aktionäre einen angemessenen Ausgleich erhalten. Davon ist auszugehen, wenn der Ausgleich bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nach Art und Umfang geeignet ist, die erlittene Einbuße zu kompensieren.989 Sie muss daher bereits tatbestandlich eine Vorteilserlangung zum Schaden der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter ausschließen.990 Als Schuldner der Ausgleichszahlung kommt nur in Betracht, wer an dem durch den Beschluss vermittelten Sondervorteil interessiert ist, da sich bei einer Ausgleichspflicht der Gesellschaft der Gewinnanspruch der ausgleichsberechtigten Aktionäre verringern würde und kein Rechtsgrund erkennbar ist, warum die Gesellschaft den Sondervorteil einzelner Aktionäre oder Dritter finanzieren sollte.991 B. Die Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse im GmbH-Recht
B. Die Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse im GmbH-Recht Im GmbHG fehlt es an Regelungen zu den Rechtsbehelfen der Gesellschafter gegen fehlerhafte Beschlüsse der Gesellschafterversammlung. Nach den allgemeinen (unter C. dargestellten) Grundsätzen wäre daher von der Nichtigkeit des Beschlusses und einer Klärung im Wege einer Feststellungsklage auszugehen.992 Die h. M., allen voran der BGH, wendet jedoch die Regeln des Aktiengesetzes auf die GmbH
___________ 987
988 989 990 991 992
Hüffer, MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 72, 90 f., 100; K. Schmidt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 243, Rn. 59. Zur Bewertung der Vorschrift auch Hüffer, FS Kropff, 1997, S. 127, 130 m. w. N. Siehe unter § 4 B. I. 2. Hüffer, MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 96. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 89, für die GmbH, als Grundsatz aber verallgemeinerungsfähig. So Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 98; K. Schmidt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 243, Rn. 61. Insoweit nochmals der Hinweis auf die gegensätzlichen Ansichten von (bejahend) Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 323, und (ablehnend) Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 47, Rn. 2.
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§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse
analog an.993 Die Bestimmungen zur Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen werden von dieser Ansicht als allgemeine Grundsätze des Kapitalgesellschaftsrechts aufgefasst. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei es geboten, die Gesellschafterbeschlüsse in allen Kapitalgesellschaften so lange als wirksam zu behandeln, wie sie nicht wirksam angefochten wurden. Das Kontrollverfahren müsse formalisiert und zeitlichen Schranken unterworfen werden. Daher begründet nach dieser Ansicht auch erst das Anfechtungsurteil wegen seiner Publizitätswirkung die Unwirksamkeit des Beschlusses.
I. Bedürfnis nach analoger Anwendung der Regeln des Aktiengesetzes? Die Notwendigkeit dieser Analogie ist vielfach angezweifelt worden.994 Der BGH, Verfechter einer analogen Anwendung, liefert selbst stichhaltige Argumente gegen eine solche.995 Dabei ist zunächst auf die Nachteile hinzuweisen, die eine analoge Anwendung für den GmbH-Gesellschafter mit sich bringt. Die kurze Frist zur Klageerhebung belässt dem Gesellschafter wenig Zeit, die Erfolgsaussichten einer Klage zu beurteilen. Wie der BGH zutreffend betont, kann die Fehlerhaftigkeit eines Beschlusses von komplexen Rechts- und Tatsachenfragen abhängen, die nicht ohne Weiteres in kurzer Zeit von einem Gesellschafter eruiert werden können. Das gilt zwar gleichermaßen für die Aktiengesellschaft. Ein entscheidender Unterschied besteht jedoch darin, dass die Aktiengesellschaft regelmäßig einen großen, für Anonymität sorgenden Aktionärskreis umfasst, woran es bei der GmbH in der Regel fehlt. Bei einem überschaubaren, von persönlicher Verbindung geprägten Gesellschafterkreis besteht ein Interesse des Gesellschafters daran, Zurückhaltung bei der Klagerhebung zu üben und sicherzustellen, dass die von ihm erhobenen Vorwürfe stichhaltig sind. Die in der Aktiengesellschaft nicht vorhandenen persönlichen Beziehungen unter den Aktionären schließen eine derartige psychologische Hemmschwelle aus. Wichtiger noch ist, dass in der Aktiengesellschaft die Nachteile des Anfechtungsregimes damit gerechtfertigt werden können, dass der regelmäßig unüberschaubare Kreis der Aktionäre und die herausragende Bedeutung der Aktiengesellschaft am Kapitalmarkt und im Wirtschaftsleben eine längere Unsicherheit über die Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen nicht dulden. Die strukturell eher den Personengesellschaften vergleichbare GmbH lässt diese Notwendigkeit nicht erkennen. Das sieht auch der BGH, rückt von der analogen Anwendung der Anfechtungsvorschriften auf die GmbH jedoch ___________ 993 994
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BGHZ 51, 209; BGHZ 104, 66; BGH NJW 1996, 259; BGH NJW 1999, 2268; BGH NJW 1999, 2115; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 45, Rn. 91. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 3–5; Zöllner/Noack, ZGR 1989, 525, 526 ff.; Hachenburg/Raiser, GmbHG, Band II, 8. Aufl. 1997, Anh. § 47, Rn. 9–11; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 324. Siehe auch die Darstellung bei Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 113 ff. Zu allen folgenden Argumenten BGHZ 104, 66, 70 f.
B. Die Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse im GmbH-Recht
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nicht ab, sondern zieht nur Schlüsse für die Fristen, innerhalb derer eine Anfechtungsklage im GmbH-Recht erhoben werden muss.996 Unter der Vorgabe, dass die Unterschiede zwischen einem GmbH-Gesellschafter und einem Aktionär Beachtung finden, soll die analoge Anwendung der Vorschriften über die Anfechtungsklage auf GmbH-Beschlüsse jedoch nicht weiter bekämpft werden.997
II. Die Voraussetzungen für eine Anfechtung des GmbH-Beschlusses Zur Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses ist jeder Gesellschafter der GmbH befugt. Die einschränkenden Voraussetzungen des § 245 AktG sollen keine analoge Anwendung finden, da diese (geringe) Einschränkung wegen der unterschiedlichen Interessenlage von Aktionär und GmbH-Gesellschafter für nicht notwendig erachtet wird: Die in der GmbH regelmäßig bestehende engere persönliche Bindung des Gesellschafters an die Gesellschaft soll pauschale Vorschriften zum Ausschluss von Missbrauchsmöglichkeiten überflüssig machen.998 Anfechtungsbefugt ist daher, wer zum Zeitpunkt der Klageerhebung Gesellschafter der GmbH ist und sich mit seiner Klageerhebung nicht in Widerspruch zu seinem vorherigen Verhalten setzt, also dem Beschluss nicht zugestimmt und diesen auch nicht nachträglich gebilligt hat. Daneben scheidet eine Anfechtung wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses auch aus, wenn objektiv keinerlei Bedürfnis erkennbar ist, den Beschluss für nichtig zu erklären. Außerdem gelten die für einen Missbrauch des Anfechtungsrechts zur Aktiengesellschaft dargestellten Grundsätze entsprechend.999 Von hoher praktischer Bedeutung ist die Frage, innerhalb welcher Fristen die Anfechtungsklage erhoben werden muss, um eine Heilung des Beschlussmangels im Innenverhältnis zu verhindern. Da aufgrund der aufgezeigten Unterschiede die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung fehlen, kann die Ausschlussfrist von einem Monat in § 246 AktG nicht übernommen werden.1000 Vielmehr hat sich ___________ 1996 1997
1998 1999 1000
BGHZ 104, 66, 70 f. Zu einem Alternativkonzept etwa Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 3–15; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 113 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 153, 466 f.; Casper, ZHR 163 (1999), 54, 60 ff.; Raiser, FS Heinsius, 1991, S. 645, 655 ff. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 136. Zu allem Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 45, Rn. 128 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 135 und 160 f. So i. E. die ganz h. M., Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 45, Rn. 142; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 145; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 47, Rn. 139; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 47, Rn. 62. Abzulehnen ist jedoch die von der h. M. vertretene „Leitbildfunktion“ der Vorschrift. Diese vertritt auch die ständige Rechtsprechung, die zwar die Frage offen lässt, ob § 246 I AktG auf die GmbH analog anzuwenden ist – so BGHZ 104, 66, 69; BGHZ 80, 212, 217 (dort zugleich zur analogen Anwendung von § 242 II 1 AktG); BGH WM 1987, 1071, 1072 –, die Vorschrift aber häufig als Leitbild
246
§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse
die Bemessung der Frist daran zu orientieren, dass der Gesellschafter aufgrund der Treuepflicht gehalten ist, die Gesellschaft und seine Mitgesellschafter nicht über Gebühr über seine Anfechtungsabsicht im Unklaren zu lassen. Dabei handelt es sich um die gesellschaftsspezifische Ausgestaltung des allgemeinen Verwirkungsgedankens.1001 Von Bedeutung sind daher die Besonderheiten des Einzelfalls. Wesentlich ist dabei, welche Schwierigkeiten die Sach- und Rechtslage aufwirft1002 und wie kooperativ sich die Gesellschaft verhält.1003 Wird dem Gesellschafter der Zugang zu den für die Entscheidung wesentlichen Informationen erschwert, verwirkt die Gegenseite ihrerseits ihr berechtigtes Interesse an einer zügigen Klärung der Streitfrage. Der Lauf einer Ausschlussfrist beginnt erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der Gesellschafter von den anfechtungsrelevanten Umständen Kenntnis erlangen konnte und ihm eine Kenntnisnahme zumutbar war. An diesen Grundsätzen sind auch Satzungsbestimmungen über Ausschlussfristen zu messen. Der ganz h. M. ist darin zu folgen, dass die Ausschlussfrist keinesfalls unter die Monatsfrist abgesenkt werden darf, da die Regelung des § 246 AktG insoweit eine Leitbildfunktion besitzt und jede weitere Verkürzung einen unzulässigen Eingriff in ein schrankenloses und unverzichtbares Gesellschafterrecht bedeuten würde, der auch von der Satzungsautonomie nicht gedeckt ist.1004
III. Die Verfolgung von Sondervorteilen in der GmbH § 243 II AktG wird, ebenso wie Abs. 1 der Bestimmung, auf die GmbH analog angewandt. Auch ein Beschluss der GmbH-Gesellschafterversammlung ist danach anfechtbar, wenn einzelne Gesellschafter mit dem Beschlussgegenstand einen Sondervorteil zum Schaden der Gesellschaft oder der übrigen Gesellschafter erstreben, es sei denn, dass ein Ausgleich im Sinne des S. 2 geleistet wird. Insgesamt gelten die zur Aktiengesellschaft entwickelten Grundsätze.1005
___________
1001 1002 1003 1004 1005
zur Bemessung einer angemessenen Ausschlussfrist heranzieht, siehe etwa BGH ZIP 1999, 656 (Rn. 10); BGHZ 101, 113, 117; BGHZ 104, 66, 71 f.; BGHZ 111, 224, 226; BGH GmbHR 1999, 714, 715; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Fn. 262, zu weiteren Nachweisen. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 45, Rn. 143; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 150. BGH NZG 2005, 551, 553; OLG München NZG 2000, 105; OLG Saarbrücken GmbHR 2005, 546, 547; OLG Brandenburg GmbHR 1998, 1037, 1038. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 151. So BGHZ 104, 66, 71 f. Siehe Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47, Rn. 89.
C. Die Feststellung rechtswidriger Beschlüsse in den Personengesellschaften
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C. Die Feststellung rechtswidriger Beschlüsse in den Personengesellschaften C. Die Feststellung rechtswidriger Beschlüsse in den Personengesellschaften
Anders als im Kapitalgesellschaftsrecht verbleibt es für Gesellschafterbeschlüsse im Personengesellschaftsrecht nach h. M. bei den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre. Ein Gesellschafterbeschluss ist fehlerhaft, wenn er ungerechtfertigt in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters eingreift, wenn mit dem Beschluss ein sachfremder Zweck verfolgt wird und daher ein Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs vorliegt, wenn der Beschluss gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt oder wenn die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verletzt wird. Soweit man diese zwingenden Prinzipien des Gesellschaftsrechts als Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB einordnet, ergibt sich daraus für das hier interessierende Innenverhältnis, dass der Gesellschafterbeschluss bei einem Verstoß nichtig ist.1006 Problematisch ist daran, dass sich nach der hier vertretenen Konzeption, i. E. aber ebenso nach dem Ansatz der h. M., die sämtliche Konflikte über die Treuepflicht zu lösen versucht, der Schutzbereich der Mitgliedschaft nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages richtet. Über die Qualifizierung als Schutzbereich der Mitgliedschaft bzw. nach h. M. über die Ausgestaltung der Generalklausel Treuepflicht bestimmen daher privatautonom gesetzte Bestimmungen den Inhalt von Verbotsgesetzen. Da bei den Rechtsfolgen fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse jedoch nach dem Innen- und Außenverhältnis unterschieden werden muss, kann dem hier interessierenden Innenverhältnis auch ein auf dessen Besonderheiten ausgelegtes Verständnis des § 134 BGB zugrunde gelegt werden. Die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages können daher als die privatautonom geschaffenen „Gesetze“ angesehen werden, nach denen sich die Gesellschafter richten wollen.1007 Rechtswidrige Eingriffe in den so bestimmten Schutzbereich verstoßen gegen Art. 14 I GG, der wiederum als Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB fungiert, so dass der entsprechende Beschluss nichtig ist. Zur gerichtlichen Klärung steht daher die Feststellungsklage im Sinne von § 256 ZPO zur Verfügung.1008 Die Mindermeinung, die auf die Grundsätze zur Anfechtung von Beschlüssen in Kapitalgesellschaften zurückgreifen will,1009 verdient keine Zustimmung. Der Grundsatz der Rechtssicherheit vermag aus guten Gründen bei großen Aktiengesellschaften Vorrang vor dem Minderheitsschutz be___________ 1006
1007 1008
1009
Str., bejahend Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 323; ablehnend Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 47, Rn. 2. Zur Rechtsnatur des Gesellschafterbeschlusses und seiner Einordnung als Rechtsgeschäft Zöllner, a. a. O., § 47, Rn. 4 und Anh. § 47, Rn. 1. Zu den Grundsätzen zum Schutze außenstehender Dritter etwa Wiedemann, a. a. O., S. 323. So i. E. überzeugend Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 323. BGH NJW 1999, 3113, 3114; zu den Grundsätzen auch BGHZ 59, 369, 372; Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 47; Scholz, WM 2006, 897 f. A. A. K. Schmidt, Gesellschaftrecht, 4. Aufl. 2002, S. 448 und 647. K. Schmidt, AG 1977, 243, 251 ff.; ders., NJW 1986, 2018, 2019.
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§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse
sitzen. Wie schon zur Rechtslage in der GmbH ausgeführt, handelt es sich jedoch um keinen allgemeinen Grundsatz des Verbandsrechts, dessen analoge Anwendung auf alle Gesellschaftsformen gerechtfertigt wäre.1010 Im Recht der Personengesellschaften kann allenfalls bei großen Publikumsgesellschaften erwogen werden, fehlerhaften Beschlüssen bis zu ihrer Anfechtung Wirksamkeit zuzuerkennen. Mit dem BGH ist jedoch einzuwenden, dass eine analoge Anwendung zu dem Zweck, die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft aufrecht zu erhalten, nicht einmal in diesen Fällen zwingend ist.1011 Eine Ausnahme leuchtet allenfalls für solche Beschlüsse ein, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Bestand der Gesellschaft auch im Innenverhältnis einen besonderen Bestandsschutz verdienen, namentlich strukturändernde und konstituierende Beschlüsse.1012 Das bedeutet, dass die gegen einen Beschluss gerichtete Klage im Regelfall nicht innerhalb einer bestimmten Frist erhoben werden muss, da auch für eine analoge Anwendung der Monatsfrist des § 246 AktG keine Gründe bestehen1013 und daher nur eine Verwirkung in Betracht kommt1014. Eine solche Verwirkung setzt voraus, dass die Klageerhebung als Verletzung der gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern bestehenden Treuepflicht zu bewerten ist. Das lange Abwarten stellt dabei lediglich ein Kriterium dar. Zu der zeitlichen Komponente müssen weitere Umstände hinzutreten, die das Vertrauen der Gegenseite rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen.1015 Schließlich müssen sich gesellschaftsvertraglich vorgesehene Ausschlussfristen für die Klageerhebung an dem Leitbild des § 246 I AktG orientieren und dürfen die darin bestimmte Monatsfrist nicht unterschreiten.1016 D. Zusammenfassung
D. Zusammenfassung Die Anfechtungsklage nach § 243 I AktG ist bei rechtswidrigen, aber wirksamen Beschlüssen statthaft, daneben auch bei unwirksamen, solange nur das Beschlussergebnis vom Versammlungsleiter förmlich festgestellt wurde. Sie kann auch mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage verbunden werden, wenn der Beschluss mit einem anderen als dem festgestellten Ergebnis für wirksam erklärt werden soll. Geht es dem Aktionär darum, einen positiven Beschluss herbeizuführen, müssen zwei Klagen gegen unterschiedliche Beklagte verbunden werden. Ne___________ 1010
1011 1012 1013 1014 1015 1016
Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 324, wirft denn auch die Frage auf, ob nicht umgekehrt bei der personalistischen GmbH auf eine analoge Anwendung verzichtet werden sollte. BGH NJW 1999, 3113, 3114; siehe auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 324: keine analoge Anwendung auf geschlossene Personengesellschaften. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 324 f. BGH NJW 1999, 3113, 3114; BGH WM 1990, 675, 676. BGH NJW 1999, 3113, 3114; BGH WM 1990, 675 f.; BGHZ 112, 339, 344. BGH NJW 1999, 3113, 3114 f.; BGHZ 25, 47, 51 f. Zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Satzungsbestimmungen über Ausschlussfristen BGH NJW 1999, 3113, 3114; BGH ZIP 1995, 460; BGHZ 68, 212, 216.
D. Zusammenfassung
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ben der Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Beschluss müssen die ablehnenden Gesellschafter im Wege einer Leistungsklage auf Zustimmung verklagt werden. Die Ausgestaltung der Anfechtungsklage als Individualklage sieht sich wegen ihres Erpressungspotentials zunehmender Kritik ausgesetzt. De lege lata hilft hier der Einwand des individuellen Rechtsmissbrauchs, der verbreitet als unzureichend bewertet wird. Weitere Abhilfe verspricht die sich abzeichnende Tendenz, das Spruchstellenverfahren über die geregelten Bereiche hinaus auf Fälle anzuwenden, in denen nicht eine beeinträchtigende Maßnahme als solche, sondern lediglich die Höhe einer geschuldeten Abfindung Gegenstand der Auseinandersetzung ist. Gegen den Vorschlag de lege ferenda, die Anfechtungsklage zu einem Minderheitsrecht herabzustufen, sprechen gewichtige, vor allem verfassungsrechtliche Gründe. Es wäre allenfalls denkbar, die Geltendmachung einer individuellen Betroffenheit im Rahmen der Klagebefugnis einzufordern. Das wäre zugleich wenig effektiv, da auch die Behauptung, mittelbar beeinträchtigt zu sein, genügen müsste, um der Bedeutung des Anfechtungsrechts für den Eigentumsschutz des Aktionärs gerecht zu werden. Unterstützung verdient demgegenüber der Vorschlag, das Freigabeverfahren über die geregelten Fälle hinaus zu einer generellen Voraussetzung der Anfechtungsklage auszuweiten. Dies hätte den Vorteil, dass Hauptversammlungsbeschlüsse bei drohender Gefahr für die Interessen der Gesellschaft trotz schwebender Anfechtungsklage durchgesetzt werden könnten. § 243 II AktG kann nicht die Wertung entnommen werden, dass ein Vermögensausgleich eine Beschlussanfechtung nach § 243 I AktG ausschließt. Rechtswidrige Beschlüsse werden durch die Zahlung eines Vermögensausgleichs nicht rechtmäßig. Daher kann § 243 II 2 AktG neben § 243 I AktG nur ergänzend eingreifen. Die ganz h. M. wendet die Anfechtungsgrundsätze auf Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH analog an. Die hiergegen vorgebrachten Einwände erscheinen plausibel. Zugleich ist hier nicht der Ort, diese Frage abschließend zu klären. Entscheidend ist, dass auch die Anfechtungsklage ein ausreichendes Maß an Rechtsschutz für den GmbH-Gesellschafter bereitzustellen vermag. Grundsätzlich finden danach die für die Aktiengesellschaft geltenden Grundsätze auch auf die GmbH Anwendung. Eine Ausnahme bildet die Anfechtungsfrist. § 246 AktG soll nach h. M. nicht schematisch, sondern nur als Leitbild herangezogen werden. Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass die Anfechtungsfrist nicht unter die Frist von einem Monat abgesenkt werden darf. Im Übrigen muss darauf geachtet werden, dass die Monatsfrist nicht als Leitbild schematisch herangezogen wird, sondern vielmehr eine Klage nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls unter Verwirkungsgesichtspunkten versagt wird. Da es im Personengesellschaftsrecht an Sonderregelungen fehlt, kommen die allgemeinen Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre zur Anwendung. Danach ist ein rechtswidriger Beschluss zugleich nichtig. Diese Nichtigkeit muss im Wege einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend gemacht werden. Dieser Klage kann der Grundsatz der Verwirkung entgegen gehalten werden, wenn sich bei der Gegenseite das berechtigte Vertrauen herausgebildet hat, der Gesellschafter werde seine Einwände nicht mehr geltend machen.
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§ 5 Die Rechtsbehelfe des Gesellschafters gegen rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse
3. Kapitel: Minderheitsschutz bei Verwaltungshandeln und Ausübung der Mehrheitsmacht
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3. Kapitel: Minderheitsschutz bei Verwaltungshandeln und Ausübung der Mehrheitsmacht 3. Kapitel: Minderheitsschutz bei Verwaltungshandeln und Ausübung der Mehrheitsmacht
3. Kapitel: Der Minderheitsschutz bei Verwaltungshandeln und bei der Ausübung der Mehrheitsmacht außerhalb der Gesellschafterversammlung Obgleich die Mehrzahl der Eingriffe in die Rechtsstellung der Minderheit im Wege des Gesellschafterbeschlusses erfolgt, können Beeinträchtigungen unterschiedlichen Schweregrades auch von anderen Maßnahmen des Mehrheitsgesellschafters sowie der Verwaltungsorgane ausgehen. Die Anfechtungsklage nach § 243 AktG ist jedoch nur gegen Gesellschafterbeschlüsse statthaft, nicht aber gegen sonstiges Gesellschafterhandeln außerhalb der Gesellschafterversammlung oder gegen Beschlüsse der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane.1017 In allen Rechtsformen fehlt es vielmehr an (effektiven) gesetzlichen Regelungen zum Rechtsschutz des Gesellschafters gegen Maßnahmen der Geschäftsführung (dazu §§ 6 f.), und die Vorkehrungen gegen Gesellschafterhandeln beschränken sich auf Vorschriften zum Schutz der Kapitalerhaltung im Gläubigerinteresse (im Einzelnen unter §§ 7 f.). Diese Lücken1018 gilt es vor allem im Interesse des Minderheitsgesellschafters zu schließen. Eine Bemerkung ist voranzustellen, da sie alle Unterpunkte dieses Kapitels erfasst. Eingriffe durch die Geschäftsleitung oder auch durch einzelne Gesellschafter können nicht nur die Mitgliedschaft eines einzelnen Gesellschafters betreffen, sondern zugleich die aller oder mehrerer Gesellschafter. Soweit es sich dabei um Abwehransprüche handelt, ist dies unproblematisch, da ein Unterlassungsanspruch des einzelnen die Rechtsstellung der übrigen Gesellschafter in gleicher Situation unberührt lässt. Aber auch soweit ein Anspruch auf Leistung eingeklagt wird und auch andere Gesellschafter sachbefugt sind, etwa bei der Feststellung des Jahresabschlusses, der Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung oder der Rechnungslegung,1019 steht die Aktivlegitimation der Mitgesellschafter der Einzelklage nicht entgegen. Den übrigen Gesellschaftern droht hierdurch kein Nachteil. Sie haben die Möglichkeit zum Klagebeitritt oder zur Nebenintervention. Ein stattge___________ 1017 1018
1019
BGH JZ 2007, 367, 370; Hüffer, MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 9 f. So für den Rechtsschutz gegen Vorstandshandeln ausdrücklich BGH NJW 2006, 374, 376; zustimmend Lutter, JZ 2007, 371 f.; die besondere Schutzwürdigkeit der Gesellschafter gegenüber Maßnahmen der Direktoren beschreibt Knapp, Die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften und Directors von Corporations, 2004, S. 53 f. Zu einschlägigen Konstellationen Zöllner, ZGR 1988, 392, 400. Zu Beschlussfeststellung und Gewinnverwendungsbeschluss unter § 16.
252 3. Kapitel: Minderheitsschutz bei Verwaltungshandeln und Ausübung der Mehrheitsmacht bendes Urteil kommt auch ihnen zugute, wenn die Gesellschaft zur beantragten Leistung verpflichtet wird, während ein ablehnendes Urteil keine Wirkung inter omnes entfaltet. Daher bestehen keine Bedenken gegen eine Individualklagebefugnis des Gesellschafters.1020 Nur soweit von der Gesellschafterversammlung ein bestimmter Beschlussinhalt gefordert wird, gelten besondere Grundsätze, die schon unter § 5 behandelt wurden.
___________ 1020
Im Ergebnis auch ohne Bedenken Zöllner, ZGR 1988, 392, 416–420 (dort auch näher zu den Anforderungen an die Klage).
A. Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung rechtmäßigen Verwaltungshandelns
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln A. Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung rechtmäßigen Verwaltungshandelns
A. Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung rechtmäßigen Verwaltungshandelns I. Die Beeinträchtigung der Gesellschafterstellung durch Maßnahmen der Geschäftsleitung Einleitend wurde festgestellt, dass das Gesellschaftsrecht keine speziellen Rechtsbehelfe der Gesellschafter gegen Maßnahmen der Geschäftsführung vorsieht. Hiervon bestehen einzelne Ausnahmen, die jedoch von geringer Bedeutung sind. Das Aktienrecht regelt lediglich die Schadensersatzklagen der Gesellschaft ausführlich und abschließend. Vorstand und Aufsichtsrat sind wechselseitig verpflichtet, die vom jeweils anderen Organ verursachten Schäden einzufordern, wie sich aus §§ 78, 93, 116, 111, 112 AktG ergibt. Bleiben die Verwaltungsorgane untätig, kann die Hauptversammlung nach § 147 I 1 Hs. 1 AktG mit einfacher Mehrheit oder nach § 147 II 1 AktG mit einem Minderheitsquorum von 10% beschließen, dass Haftungsansprüche gegen den Vorstand oder Aufsichtsrat geltend gemacht werden.1021 Ausnahmsweise sieht § 117 I 2 AktG auch Schadensersatzansprüche der Aktionäre gegen Schädiger und damit auch gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder vor, wenn ihnen ein Schaden entstanden ist, der über den der Gesellschaft hinausgeht.1022 Außerdem ist für die Ansprüche auf Auskunft und Einsicht nach §§ 131 AktG, 51a GmbHG in den §§ 132 AktG, 51b GmbHG ein besonderes Antragsverfahren vorgesehen.1023 Für alle übrigen Fälle, in denen die Geschäftsleitung in die Mitgliedschaft eingreift, fehlt es an Regelungen.
___________ 1021 1022 1023
Zu § 147 AktG ausführlich Hölters, FS Wiedemann, 2002, S. 975; Winter, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2003, 2004, S. 457, 461 ff. Näher zu § 117 AktG etwa Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 117, Rn. 8; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 57 m. N. aus der Rspr. Dazu unter § 8 A. III. 1. c).
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
1. Beeinträchtigung der Gesellschafter in ihrer Rechtsstellung Obgleich in allen Gesellschaftsformen problematisch, führt dieses Schweigen des Gesetzes vor allem in der GmbH zu einem bedenklichen Schutzdefizit.1024 Während der Vorstand der Aktiengesellschaft von den Aktionären unabhängig ist und die gesetzliche Konzeption daher verspricht, dass er regelmäßig eine neutrale und dem Gesellschaftsinteresse verpflichtete Stellung einnimmt, sind die Geschäftsführer der GmbH den Weisungen der Gesellschafter unterworfen. Nach §§ 37 I, 46 Nr. 6 GmbHG können die Gesellschafter im Beschlusswege umfassende Weisungen aussprechen und zudem die Geschäftsführer jederzeit ersetzen. Sie bestimmen die allgemeinen Richtlinien der Geschäftspolitik und können über Einzelfragen der Geschäftsführung beschließen, wenn ihnen diese von der Satzung zugewiesen werden oder sie den Beschlussgegenstand kurzerhand aufgrund der ihnen zukommenden Allzuständigkeit an sich ziehen.1025 Daher fehlt es auch an einem Aufsichtsorgan, das über die Geschäftsführer wacht, da diese Funktion unmittelbar von den Gesellschaftern wahrgenommen wird. Dies erhöht das Gewicht des Mehrheitsgesellschafters in der Gesellschafter und schwächt zugleich die Position der Minderheit. Die Geschäftsführer können im Extremfall zum ausführenden Arm des Mehrheitsgesellschafters werden. Das ändert gleichwohl nichts daran, dass die Beeinträchtigung (in letzter Konsequenz) von der Geschäftsführung ausgeht und die beeinträchtigten Gesellschafter wirksamen Rechtsschutzes gegen deren Handeln bedürfen.1026 Bei fehlendem Rechtsschutz gegen die Maßnahmen der Geschäftsführer bietet sich für den Mehrheitsgesellschafter ein einfacher und effektiver Weg an, um sich jeden störenden Einflusses durch die Minderheit zu entledigen. Die Vertragsfreiheit des § 45 GmbHG erlaubt es, die vom Gesetz der Gesellschafterversammlung zugewiesenen Aufgaben auf andere Organe zu übertragen, soweit dem kein zwingendes Recht entgegen steht.1027 Unmöglich ist es danach zwar, die Geschäftsführer über strukturändernde Maßnahmen entscheiden zu lassen, da es ureigenste Aufgabe der Gesellschafter ist, über Bestand, Rechtsform und Verfassung der Gesellschaft zu befinden.1028 Auch die Überwachungsfunktion der Gesellschafterversammlung gegenüber der Geschäftsführung muss erhalten bleiben.1029 Im Übrigen ___________ 1024
1025 1026
1027 1028 1029
Die GmbH verdient besondere Aufmerksamkeit, da sie besonders streitträchtig ist, vgl. die Analyse von Schwark, JuS 1987, 443, 446 f.; Winter, in: K. Schmidt/Riegger, Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 37, 38 f. Nonn, Zustimmungspflichten des Kapitalgesellschafters, 1995, S. 67 f.; Priester, FS H. P. Westermann, 2008, S. 1281, 1286. A. A. offenbar v. Gerkan, ZGR 1988, 441, 448, der das Verhalten der Geschäftsführer der GmbH dem Mehrheitsgesellschafter zurechnen und den Konflikt im Verhältnis der Gesellschafter zueinander verorten möchte. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 45, Rn. 8; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 45, Rn. 1. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 45, Rn. 8. Vgl. auch Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 45, Rn. 6. BGHZ 43, 261, 264; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 45, Rn. 12.
A. Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung rechtmäßigen Verwaltungshandelns
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steht es den Gesellschaftern jedoch frei, unter Verzicht auf eigene Kompetenzen der Geschäftsführung weitere Zuständigkeiten zu übertragen. Soweit die Geschäftsführer die Entscheidungen treffen und sich dabei dem Willen des Mehrheitsgesellschafters unterordnen, verfehlt die Anfechtungsklage ihren dem Minderheitsgesellschafter dienenden Schutzzweck. Die Schwäche des GmbHG besteht darin, dass dieses in § 43 GmbHG zwar die Schutzwürdigkeit der Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern erkannt hat, was regelmäßig im Insolvenzfalle den Gläubigern zugute kommt, zu dem nicht minder dringenden Schutzbedürfnis des einzelnen (Minderheits-)Gesellschafters gegen ihn beeinträchtigende Maßnahmen der Geschäftsführung jedoch schweigt. Auch die Grundsätze zur actio pro socio helfen nicht weiter, da auch deren Schutzobjekt die Gesellschaft ist. Das Recht der Gesellschafterversammlung, die Geschäftsführer zu kontrollieren, hilft wiederum nur zur Abgrenzung der Kompetenzen der einzelnen GmbH-Organe, nicht aber dem einzelnen Gesellschafter als Abwehrrecht gegen Beeinträchtigungen seiner Rechtsposition, die mit Billigung des Mehrheitsgesellschafters von der Geschäftsführung vorgenommen werden.1030 Schließlich ist auch der Informationsanspruch nach § 51a GmbHG wertlos, wenn Beeinträchtigungen mit seiner Hilfe zwar aufgedeckt, aber nicht bekämpft werden können. In der Aktiengesellschaft und den Personengesellschaften ist es ungleich schwerer für den Mehrheitsgesellschafter, die Geschäftsführung zur Unterdrückung der Minderheit zu instrumentalisieren. Dafür ist die schon angesprochene Struktur der Aktiengesellschaft verantwortlich. In den Personengesellschaften verhindert die dispositive Gesetzeslage, die grundlegende Entscheidungen den Gesellschaftern zur einstimmigen Beschlussfassung überträgt, jedenfalls für den Komplementär im Regelfall Szenarien wie in der GmbH. Gleichwohl ist auch in der Aktiengesellschaft und den Personengesellschaften keineswegs ausgeschlossen, dass die Geschäftsleitung in die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters eingreift. Versagt das Instrumentarium der Aktiengesellschaft und gelingt es dem Vorstand, den einzelnen Aktionär zu schädigen, erweist sich das Aktienrecht mit seiner strengen Kompetenzordnung als schwerfällig, da es einer Individualklage des Aktionärs ablehnend gegenübersteht. Für die außenstehenden Aktionäre kann daher auch die Aktie eine gefährliche Investitionsform darstellen, wenn nicht für praktikable Rechtsbehelfe gegen rechtswidriges Verwaltungshandeln gesorgt ist.
2. Die Reichweite des Schutzbedürfnisses Zwei Gruppen von Beeinträchtigungen sind zu unterscheiden: Greift die Geschäftsleitung in die Mitgliedschaft des Gesellschafters ein, handelt es sich um ___________ 1030
Auch das Recht der Gesellschafterversammlung, die Geschäftsführer zu kontrollieren, dazu Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 46, Rn. 50, hilft wiederum nur zur Abgrenzung der Kompetenzen der einzelnen GmbH-Organe, nicht aber den einzelnen Gesellschaftern gegen Beeinträchtigungen ihrer Rechtsposition gegen Maßnahmen der Geschäftsführung.
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
eine unmittelbare Beeinträchtigung. Davon sind die Fälle zu unterscheiden, in denen die Gesellschaft geschädigt wird und der Nachteil nur reflexartig die Mitgliedschaft des Gesellschafters berührt. Während für die erste Fallgruppe zu diskutieren ist, wie der Rechtsschutz der Gesellschafter gewährleistet werden kann (dazu II. und C I., II.), geht es in den anderen Fällen darum, ob die Gesellschafter überhaupt Schutz genießen und auf Rechtsbehelfe zurückgreifen können (dazu C. III.).
II. Rechtmäßigkeitsanforderungen für Eingriffe Eingriffe in die Gesellschafterstellung treten auf, wenn der Geschäftsleitung die Kompetenz zukommt, die mitgliedschaftliche Rechtsstellung der Gesellschafter zu beeinträchtigen. Die prominentesten Beispiele aus der deutschen Rechtsprechung werden im Besonderen Teil noch zu diskutieren sein. Es handelt sich um die Fälle, in denen die Geschäftsleitung ihre Kompetenzen überschreitet und die Wahrnehmungszuständigkeit der Gesellschafter missachtet, die Informations-, Beteiligungsund Anhörungsrechte beschränkt,1031 das Bezugsrecht beim genehmigten Kapital ausschließt und durch exzessive Thesaurierung das Gewinnbezugsrecht beeinträchtigt.1032 Anschauliche Beispiele aus der Rechtsprechung des Delaware Supreme Court betreffen Fälle, in denen die Direktoren den Gesellschafterbeschlüssen ihre Wirkung nehmen und damit das Stimmrecht der Gesellschafter entwerten.1033 Im Ansatz gilt nach den unter § 3 entwickelten allgemeinen Grundlagen: Eingriffe in den Schutzbereich der Mitgliedschaft bestimmen sich nach der Wirkung einer Maßnahme. Daher ist die mitgliedschaftliche Rechtsstellung gegen Maßnahmen des geschäftsführenden Organs ebenso geschützt wie gegen solche der Gesellschafterversammlung, zugleich aber nicht absolut, sondern wegen der Rechtfertigungskontrolle nur relativ.1034 Wie schon bei Eingriffen im Wege von Gesellschafterbe___________ 1031
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Insoweit nochmals der Hinweis darauf, dass im Anwendungsbereich der §§ 131 AktG, 51a GmbHG ein besonderes Antragverfahren nach §§ 132 AktG, 51 b GmbHG vorgesehen ist und eine Leistungsklage ausscheidet. Zu einer Aufzählung auch Zöllner, ZGR 1988, 392, 399, und zum Grundsatz 429. In Blasius Indus., Inc. v. Atlas Corp., 564 A. 2 d 651 (Del. Ch. 1988) wehrte sich die Geschäftsleitung durch die Ernennung neuer Direktoren gegen eine Auswechslung der Direktoren durch die Gesellschafter und entwertete damit das Recht der Gesellschafter, die Direktorenposten (neu) zu besetzen, das der Supreme Court neben dem Recht auf exit als fundamentales Gesellschafterrecht bezeichnete. In Stroud v. Grace, 606 A. 2 d 75, 91 (Del. 1992) ging es um Fälle, in denen die Direktoren Gesellschafterbeschlüssen ihre Wirkung zu nehmen versuchten: “(. . .) situations where boards of directors deliberately employed various legal strategies either to frustrate or completely disenfranchise a shareholder vote. (. . .) There can be no dispute that such conduct violates Delaware law”. So BGH NJW 2006, 374, 375, der für die Entscheidung des Vorstands beim genehmigten Kapital mit Bezugsrechtsausschluss nach §§ 203 f. AktG betont, die Ermächtigung des Vorstands zur Entscheidung über den Bezugsrechtsausschluss dürfe nicht zu einer die Mitgliedschaftsrechte ungerechtfertigt verkürzenden und unkontrollierten Blankettermächtigung der
A. Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung rechtmäßigen Verwaltungshandelns
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schlüssen sind daher auch für das Verwaltungshandeln die Voraussetzungen zu bestimmen, nach denen sich die Rechtmäßigkeit eines Eingriffs richtet. Im Ausgangspunkt gilt auch hier, dass ein Gesellschafter nur einen im Gesellschaftsinteresse gebotenen und erforderlichen Eingriff, der unter Berücksichtigung der besonderen Folgen verhältnismäßig ausfällt, hinnehmen muss.1035 Als Besonderheit tritt hinzu, dass für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns besondere Grundsätze gelten. Nur eine wirksame und rechtmäßige Maßnahme kann einen im Gesellschaftsinteresse gebotenen und erforderlichen Eingriff darstellen, so dass diese Prüfung inzidenter erfolgen muss.
1. Treuhänderische Bindungen der geschäftsführenden Organe Die Geschäftsleitung ist in allen Rechtsformen streng auf die Interessen der Gesellschaft verpflichtet. Sie darf in den Angelegenheiten der Gesellschaft nur deren Wohl und nicht ihren eigenen Vorteil verfolgen1036 und übernimmt mit ihrem Amt eine treuhänderische Stellung gegenüber der Gesellschaft.1037 Dieser Ausgangspunkt ist unstreitig, während die inhaltliche Reichweite dieser Treuhänderstellung von ihrer Schutzrichtung abhängt. Erschöpft sie sich darin, die Gesellschaft davor zu bewahren, durch eigensüchtiges Handeln der Geschäftsleitung geschädigt zu werden, kann die Treuhänderbindung auf ein Verbot eigennützigen Handelns beschränkt werden.1038 Rücken hingegen die vielfältigen von der Geschäftsführung zu berücksichtigenden Interessen in den Vordergrund, weitet sich die Treuhänderstellung zu einer echten Interessenwahrungspflicht aus.1039 Diese zweite Ansicht fügt sich in das System der hier vertretenen Grundlagen ein. Die Rücksichtnahmeund Interessenwahrungspflichten des Mehrheitsgesellschafters gegenüber den Mitgesellschaftern werden darauf gestützt, dass ihm durch das Prinzip der Mehrheitsherrschaft die Befugnis eingeräumt wird, über die Verwendung des von ande___________ 1035 1036
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Geschäftsleitung führen, und der Beschluss des Vorstands könne eine Verletzung der durch Art. 14 GG geschützten Mitgliedschaft des Aktionärs bewirken. Insoweit ist auf die allgemeinen Ausführungen unter § 3 D. zu verweisen. Dazu etwa Fleischer, WM 2003, 1045, 1049; als Fazit aus rechtsvergleichender Sicht Möslein, Grenzen unternehmerischer Leistungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 128. Ausführlich regelt § 138 Nevada Corp. Code die Verpflichtung der Direktoren und Officers auf das Gesellschaftsinteresse und erwähnt dabei als Einzelinteressen, die Berücksichtigung finden dürfen, die Interessen der Angestellten, Lieferanten, Gläubiger und Kunden, der Volkswirtschaft, der Volksgemeinschaft sowie die kurz- und langfristigen Interessen der Gesellschafter, insbesondere unter Einbeziehung der Frage, ob diese Interessen am besten durch fortbestehende Unabhängigkeit der Gesellschaft gewahrt werden können. OLG Hamm AG 1995, 512, 514; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 84, Rn. 9, und § 93, Rn. 4; Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 127–132. Im US-amerikanischen Recht etwa North American Catholic Educational Programming Foundation, Inc. v. Gheewalla, 930 A. 2 d 92 (Del. 2007) mit der Klarstellung, dass sich daran auch nichts ändert, wenn die Gesellschaft sich der Insolvenz nähert. Siehe dazu Dunne, 12 Bankr. Dev. J. 355 (1996). Vgl. die Darstellung von Fleischer, WM 2003, 1045, 1049 f. Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 277.
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
ren aufgebrachten Vermögens zu entscheiden. Die gesellschaftsrechtliche Kompetenzverteilung gesteht gleiches den geschäftsführenden Organen zu. Auch ihnen muss daher die Pflicht obliegen, die Interessen der Gesellschafter als Kapitalgeber zu wahren, wodurch eine Treuhänderstellung im Sinne einer Interessenwahrungspflicht begründet wird, die über das Verbot eigennützigen Handelns hinausgeht. Die Verpflichtung der Geschäftsleitung auf das Wohl der Gesellschaft kommt in der Sorgfaltspflicht (duty of care), die als Schranke gegen Ermessensmissbrauch der Geschäftsleitung verstanden wird, zum Ausdruck.1040 Die Interessenwahrungspflichten werden überwiegend in der Treuepflicht (duty of loyalty) gebündelt. Sie umfasst die Vorgabe, neben den Interessen der Gesellschaft auch die der beteiligten Akteure, namentlich der Gesellschafter, daneben etwa der Gläubiger und Arbeitnehmer, zu berücksichtigen und in die Entscheidungen einzubeziehen. Unter mehreren nach den Vorgaben der Sorgfaltspflicht zulässigen Optionen ist daher diejenige zu wählen, die diesen Interessen (am effektivsten) zur Geltung verhilft.1041 Der konkrete Inhalt dieser Interessenwahrungspflicht ist komplex, in den Details umstritten und kann hier nur in groben Zügen dargestellt werden. Aus rechtsvergleichender Sicht überschreiten im Wesentlichen die Fälle eigennützigen, befangenen und zweckwidrigen Handelns die Grenzen des zulässigen Verwaltungshandelns.1042 Von eigennützigem Handeln ist auszugehen, wenn Geschäftsleiter Eigengeschäfte tätigen oder sonst im Eigeninteresse handeln, insbesondere in den Fällen der noch zu diskutierenden Wahrnehmung von Geschäftschancen.1043 Das deutsche Gesellschaftsrecht legt den Schwerpunkt bei Insichgeschäften auf die Wirk___________ 1040
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Zu Sorgfalts- und Treuepflicht in rechtsvergleichender Betrachtung Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 168–182. In Abgrenzung zur Treue- oder Interessenwahrungspflicht beschränkt Möslein, Grenzen unternehmerischer Leistungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 131–153, die Sorgfaltspflicht auf formale Pflichten und unterscheidet drei Komponenten, die Pflicht zu hinreichender Entscheidungsvorbereitung, insbesondere ausreichender Informationsbeschaffung und Einhaltung von Verfahrensregeln, die Pflicht zu Legalität und die Pflicht zu ordnungsgemäßer Überwachung delegierter Aufgaben. So das Ergebnis der einleuchtenden Analyse von Möslein, Grenzen unternehmerischer Leistungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 153 f. Dort auch zu den Ursprüngen dieser Herleitung der Interessenwahrungspflicht aus der dem Vorstand eingeräumten Verfügungsmacht über fremde Vermögensinteressen, dazu Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 342 f.; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Recht der Aktionäre, S. 214 f.; vgl. auch Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 269. Zu einer ausführlichen rechtsvergleichenden Analyse unter Bildung etlicher Fallgruppen siehe Möslein, Grenzen unternehmerischer Leistungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 153–178. Zu den gängigen Fallgruppen im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht, die vor allem Probleme der Interessenkollision, Wettbewerbsverstöße und eigennütziges Handeln erfassen, Scholz/U.H.Schneider, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 43, Rn. 300 f.; im Aktienrecht dominiert das eigennützige Handeln, dazu Krieger/Sailer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Band I, 2008, § 93, Rn. 16; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 14, Rn. 92. Dazu unter § 7 A. I.
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samkeitsfrage,1044 bei der Aneignung fremder Geschäftschancen auf Schadensersatzforderungen der Gesellschaft wegen Verletzung der Pflicht zu ordnungsgemäßer Geschäftsführung.1045 Verstöße gegen die Interessenwahrungspflicht liegen darüber hinaus nahe, wenn die Geschäftsführer zwar keine Eigeninteressen verfolgen, aber bei der Entscheidungsfindung befangen sind, etwa wegen persönlicher Verbundenheit zum Geschäftspartner der Gesellschaft. Schließlich sind die Fälle erfasst, in denen der Geschäftsleiter nicht im guten Glauben handelt, die allerdings kaum eigenständige Bedeutung haben, denn regelmäßig wird er zugleich Eigeninteressen verfolgen oder befangen sein.1046 Bei der hiernach erforderlichen inhaltlichen Prüfung muss dem in § 93 I 2 AktG enthaltenen Rechtsgedanken der business judgment rule, wonach die Prognoseunsicherheit nicht den Geschäftsleitern aufgebürdet werden darf, Rechnung getragen werden.1047 Es kommt daher darauf an, dass die Entscheidung aus der Sicht ex ante keine Vorteile für die Gesellschaft erwarten ließ. Ein Vorwurf resultiert nicht aus einem Verlustgeschäft, das sich als unternehmerische Fehlentscheidung darstellt, sondern aus einer Maßnahme, die jenseits nachvollziehbarer Erwägungen im Rahmen des unternehmerischen Ermessens getroffen wurde und zu einer Verschwendung von Gesellschaftsvermögen führt.1048 Die US-amerikanischen Gerichte differenzieren für corporations nach dem intrinsic fairness test, wie noch näher darzustellen sein wird. Vorweggenommen lässt sich schon an dieser Stelle der we___________ 1044
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Bei der Aktiengesellschaft ist insoweit umstritten, ob das Geschäft nach § 134 BGB nichtig, so OLG Hamburg WM 1986, 972; Mertens, in: KölnerKomm.-AktG, 2. Aufl. 1996, § 112, Rn. 5, oder schwebend unwirksam und genehmigungsfähig ist, so OLG Celle AG 2003, 433; Werner, ZGR 1989, 369, 392–395; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2010, § 112, Rn. 7. Für die GmbH wird von schwebender Unwirksamkeit und Genehmigungsfähigkeit ausgegangen, siehe etwa Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 35, Rn. 30 b und 109; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 281; Beckmann/Hofmann, JA 2005, 270, 271 f. (m. w. N.). Vgl. BGH NJW 1986, 584 f. Davon zeugen die von Möslein, Grenzen unternehmerischer Leistungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 171 f., angeführten Beispiele. Hinzu kommt, dass es sich durchweg um Fälle handelt, in denen der Verstoß der Geschäftsführung gerade in einem Eingriff in die Rechtsstellung der Minderheitsgesellschafter bestand, der nach der hier gewählten Abgrenzung als unmittelbar zu bewerten ist. Ausführlich Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 172–179. Dies folgert Möslein, Grenzen unternehmerischer Leistungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 170 f., aus einer Vielzahl von Rechtsprechungsbeispielen, so OLG München DStR 1991, 1291 (für GmbH): rechtsgrundlose Zahlung einer Geschäftsleitervergütung; BGH NJW 1997, 741 (für GmbH): teure Rechtsberatung durch Rechtsreferendar; BGH NJW 1980, 1629 (für Aufsichtsratsmitglied): Gefälligkeitswechsel; BGH WM 1981, 440, 441 f. (für GmbH): Warenkredit ohne ausreichende Solvenzprüfung; OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 172, 175 f. (für GmbH): aussichtslose Klage gegen Gesellschafter aus Treuepflichtverletzung; KG Berlin GmbHR 1959, 257 (für GmbH): keine Klageerhebung vor Verjährungseintritt; BGH WM 1986, 789 (für GmbH): Warenverkauf ohne Aussicht auf Gegenleistung; BGH NZG 1998, 726 (727): Leasing von Hardware zu einem Preis, der den Kaufpreis um mehr als das Dreifache übersteigt. Zu Sonderinteressen und sachfremden Einflüssen Fleischer, ZIP 2004, 685, 690 f.; ders., FS Wiedemann, 2002, S. 827, 843–846. Zur business judment rule auch Horn, FS H. P. Westermann, 2008, S. 1053.
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sentliche Grundsatz dieser Rechtsprechungstradition damit zusammenfassen, dass eine Berufung auf ein unternehmerisches Ermessen ausscheidet, soweit die Voraussetzungen eines eigennützigen Geschäfts vorliegen, was zu einer umfassenden inhaltlichen Überprüfung des Geschäfts führt.1049 Resümierend ist festzuhalten, dass die Geschäftsleitung bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht (duty of care) unternehmerische Fehlentscheidungen trifft, sich der Verstoß gegen die von ihr zu beachtenden Interessen aber darin erschöpft. Bei der Verletzung von Treuepflichten (duty of loyalty) kommt zur Nachteiligkeit der getätigten Maßnahme für die Gesellschaft hinzu, dass nicht die Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen im Vordergrund steht, sondern andere, mit der Treuhänderstellung nicht zu vereinbarende Motive.
2. Schutz der Gesellschafter bei Verstößen gegen die treuhänderische Bindung Die Diskussion zu den Interessenwahrungspflichten der geschäftsführenden Organe konzentriert sich üblicherweise darauf, inwieweit sich diese auf die business judgment rule berufen dürfen und daher auf den zur Anwendung gelangenden gerichtlichen Überprüfungsmaßstab. Die aus Sicht des (Minderheits-)Gesellschafters vorgelagerte Frage lautet, in welchen Fällen er sich gegen rechtswidriges Verwaltungshandeln zur Wehr setzen kann. In der deutschen wie auch US-amerikanischen Rechtswissenschaft überwiegt die Ansicht, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft bzw. die directors einer corporation nur der Gesellschaft und daneben der Gesamtheit aller Aktionäre, nicht aber dem einzelnen Aktionär die Wahrung ihrer Sorgfalts- und Treuepflichten schulden.1050 Dies wird im US-amerikanischen Recht im Wesentlichen auf den Wortlaut von § 8.30 (a) RMBCA gestützt, der nur das Interesse der corporation (in the best interest of the corporation) erwähnt.1051 Die Rechtsprechung, die durchaus auch die shareholders in den Schutzbereich der Vorstandspflichten einbezieht,1052 wird dahingehend interpretiert, dass hiermit
___________ 1049 1050
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Siehe dazu unter § 7 A. III. 4. und Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 825, 844. Der Grund für diese einhellige Parallelbeurteilung im deutschen und US-amerikanischen Recht liegt, wie Fleischer, WM 2003, 1045, 1048 f., zutreffend feststellt, daran, dass in beiden Systemen die ökonomischen Grundlagen übereinstimmen, nämlich der Vorstand bzw. die Direktoren als Agents des Prinzipals Aktionär tätig werden. Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 273 and 304 seqs.; Henn/Alexander, Law of Corporations and other Business Enterprises, 3rd ed. 1983, p. 613. So der Delaware Supreme Court in Malone v. Brincat, 722 A. 2 d 5 (Del. 1998): “The directors of Delaware corporations stand in a fiduciary relationship not only to the stockholders but also to the corporations upon whose boards they serve. The director’s fiduciary duty to both the corporation and its shareholders has been characterized by this Court as a triad: due care, good faith, and loyalty”.
A. Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung rechtmäßigen Verwaltungshandelns
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nur die Gesamtheit der Aktionäre gemeint sei.1053 Tatsächlich wird dies von einigen Gerichten so auch ausdrücklich erklärt.1054 Aus dem Schweigen der Gerichte in anderen Entscheidungen den generellen Schluss abzuleiten, dass auch diese ein derartiges Konzept verfolgen, erscheint jedoch zweifelhaft. Tragfähiger ist da schon die Überlegung, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet, nur dem Wohl der Aktionärsgesamtheit zu dienen und die Interessen des einzelnen Aktionärs unberücksichtigt zu lassen, um diesen nicht einseitig zu bevorzugen. Daraus ergibt sich zugleich aber auch, dass individuelle Interessenwahrungspflichten sehr wohl bestehen können, wenn der einzelne Aktionär qualifiziert und daher gerade anders als seine Mitgesellschafter betroffen ist. Im deutschen Schrifttum überwiegen die Bedenken gegen eine Einbeziehung des einzelnen Aktionärs aus der Sorge, hierdurch könne diesem ein Einfluss auf die Geschäftsführung des Vorstands erwachsen.1055 Diese Sichtweise lässt jedoch den entscheidenden Umstand außer Acht, dass Eingriffe in die Rechtsstellung der Gesellschafter nicht mit bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen abgetan werden können. Vielmehr ist zu unterscheiden: Der Vorstand ist bei seiner gewöhnlichen Geschäftsführung nur an die Interessen der Gesellschaft und, soweit sich hieraus eine Abweichung ergeben sollte, die der Gesamtheit der Aktionäre gebunden. Anderes gilt, wenn der Vorstand bei seiner Geschäftsführung in die Rechtsstellung des einzelnen Aktionärs eingreift. Das ergibt sich schon daraus, dass er hierbei als Organ der Aktiengesellschaft tätig wird und sich seine Kompetenzen aus der Rechtsbeziehung der Aktiengesellschaft zu den Aktionären ableiten. Die Aktiengesellschaft ist jedoch nach allgemeiner Ansicht durch die wechselseitig bestehenden Treuepflichten gehalten, auf die berechtigten Belange der Aktionäre Rück___________ 1053
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Referierend Knapp, Die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften und Directors von Corporations, 2004, S. 54; Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn. 822. So etwa Goodwin v. Agasiz, 186 N.E. 659 (Mass. 1933): Die Aussage des Gerichts, “The directors of a commercial corporation stand in a relation of trust to the corporation and are bound to exercise the strictest good faith in respect to its property and business (. . .). The contention that directors also occupy the position of trustee toward individual stockholders in the corporation is plainly contrary to repeated decisions of this court and cannot be supported (. . .)”, bezieht sich auf eine (potentielle) Insider-Konstellation und ist daher auf diesen Zusamenhang beschränkt. Das Gericht folgerte daraus, dass es einer face-to-face transaction bedürfe, um eine Aufklärungspflicht zu begründen. In Delahoussaye v. Newhard, 785 S. W. 2 d 609 (Mo. App. 1990), wird für die i. E. abgelehnte Pflicht, beim Rückkauf von Anteilen alle Gesellschafter gleich zu behandeln, die fiduciary relationship auf die corporation und die Gesamtheit der Gesellschafter beschränkt. Siehe zum Meinungsstand Bayer, NJW 2000, 2609, 2611; Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt, 1975, S. 239, 248; Fleischer, WM 2003, 1045, 1046; Kuntz, Der Konzern 2007, 802, 803 f.; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 7 ff; Flume, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, Band I/2, 1983, S. 310 f.; Scholz/U.H.Schneider, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 43, Rn. 300 f.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 398 und 421–423. Für ein Recht des einzelnen Aktionärs auf rechtmäßiges Handeln der Verwaltungsorgane Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 314 ff.
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
sicht zu nehmen.1056 Damit wird zugleich den Bedenken Rechnung getragen, dass sich eine solche Rechtspflicht gegenüber den Gesellschaftern zu einer allgemeinen und uferlosen Klagebefugnis ausweiten könnte. Wie noch zu begründen sein wird, ist bei jeder Gesellschafterklage ein individueller Rechtseingriff erforderlich.1057 Eine Popularklage etwa, mit der ein Aktionär die Einhaltung der ihn nicht betreffenden Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat einklagen kann, wird hiervon nicht erfasst.1058 Auch die Rechtsprechung des BGH in der Holzmüller-Entscheidung legt diesen Ansatz zugrunde. Dort heißt es: „(W)ie jeder Aktionär hat der Kläger einen verbandsrechtlichen Anspruch darauf, daß die Gesellschaft seine Mitgliedsrechte achtet und alles unterläßt, was sie über das durch Gesetz und Satzung gedeckte Maß hinaus beeinträchtigt. Dieser Anspruch wird verletzt, wenn der Vorstand die Hauptversammlung und damit auch die einzelnen Aktionäre bei einer Entscheidung von der nach der Sachlage gebotenen Mitwirkung ausschließt.“1059 Daraus folgt zum einen, dass die Aktiengesellschaft die Rechtsstellung des Aktionärs achten muss, und zum anderen, dass der Vorstand diese Pflicht wahrnimmt und bei Zuwiderhandlung die Rechte der Aktionäre verletzt.
3. Prüfungsaufbau zur Bestimmung der Rechtmäßigkeit des Eingriffs Verglichen mit den Gesellschafterbeschlüssen ist die Rechtslage bei Beschlüssen der Geschäftsleitung einfach: Jedenfalls im Innenverhältnis der Gesellschaft sind nur rechtmäßige Beschlüsse wirksam, rechtswidrige hingegen unwirksam.1060 Für den Prüfungsaufbau ergibt sich daraus, dass die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns schon auf Eingriffsebene geprüft werden kann, da nur von einer wirksamen Maßnahme überhaupt ein Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft ausgehen kann. Zugleich ist nicht zu übersehen, dass einem unwirksamen Beschluss bis zur Feststellung seiner Unwirksamkeit der Schein der Wirksamkeit anhaftet und daher für den betroffenen Gesellschafter beeinträchtigende Wirkungen faktischer Natur ausgehen. Hinzu kommt, dass die Rechtswidrigkeit des Beschlusses nur aufgrund einer aufwändigen Prüfung unter Einbeziehung der Interessen al___________ 1056
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Siehe dazu etwa BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype); BGHZ 129, 136, 142 (Girmes); BGHZ 107, 296 (Kochs Adler); Dreher ZHR 157 (1993) 150, 151; Fleischer, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, 2008, § 53 a, Rn. 48; Hüffer, 9. Aufl. 2010, § 53 a, Rn. 19; Lutter ZHR 153 (1989) 446, 452–457; Reiff/Ettinger, DStR 2004, 1258, 1260; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 592 m. w. N.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 194. Siehe dazu unter 3. So das Beispiel von Zöllner, ZGR 1988, 392, 426, der ebenso wie hier die Verletzung einer mitgliedschaftlichen Position einfordert. BGH NJW 1982, 1703, 1706 (Holzmüller). Allgemein für Vorstandsbeschlüsse Bartels, ZGR 2008, 723, 735. Für einen besonderen Fall, die Ausnutzung des genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss, ganz h. M. und durchaus verallgemeinerungsfähig, siehe zur h. M. BGH NJW 2006, 374, 375; Hirte, in: Großkomm.-AktG, Stand 2001, § 203, Rn. 128; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 204, Rn. 8; Lutter, in: KölnerKomm.-AktG, 2. Aufl. 1995, § 203 Rn. 45.
B. Die Kompetenzverteilung in den Kapitalgesellschaften
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ler Beteiligten festgestellt werden kann. Diese Prüfung lässt sich jedoch am besten auf Rechtfertigungsebene anhand der allgemeinen Prüfungsdogmatik durchführen. Daher erscheint es sinnvoller, die Wirksamkeit der Maßnahme zunächst zu unterstellen und davon ausgehend den Eingriff zu prüfen, soweit die Rechtswidrigkeit nicht offensichtlich ist. Auf Rechtfertigungsebene gilt: Für die Gebotenheit der Maßnahme reicht ein legitimes Gesellschaftsinteresse aus, für die Erforderlichkeit, dass keine milderen Mittel in Betracht kommen. Die umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung kann schließlich unter Einbeziehung der Interessen der betroffenen Gesellschafter auf Ebene der Abwägung erfolgen. Wie schon im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit von Gesellschafterbeschlüssen ist dabei wiederum die gerichtliche Überprüfungsdichte durch die business judgment rule begrenzt. Wiederum ist an die hier vertretene Ansicht zu erinnern, dass deren Schutzzweck nur teilweise eingreift: Soweit sich ein Gesellschafter im Wege einer Unterlassungs- oder Feststellungsklage gegen eine Maßnahme der Geschäftsleitung wehrt oder von der Gesellschaft Schadensersatz fordert, kommt der elementare Schutzzweck der Grundsätze, die Geschäftsleitung durch die Gefahr eventueller Schadensersatzforderungen nicht zu stark in ihrer Entscheidungsfreudigkeit zu behindern, nicht zur Anwendung. Vielmehr geht es darum, ob sich das Interesse der Gesellschaft oder der Gesellschafter durchsetzt. Die business judgment rule ist daher nur als Ermessensspielraum, der im Sinne praktikabler Lösungen eine tiefgehende betriebswirtschaftliche Analyse durch die Gerichte begrenzt, anzuwenden. Erst im Rahmen eventueller Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsleitung entfaltet der in § 93 I 2 AktG enthaltene Grundsatz seine volle Bedeutung. B. Die Kompetenzverteilung in den Kapitalgesellschaften
B. Die Kompetenzverteilung in den Kapitalgesellschaften Ein Anwendungsfall, an dem sich in der Praxis der Streit zwischen Gesellschafter und Geschäftsleitung entzündet und der daher auch in der juristischen Literatur große Beachtung gefunden hat, soll wegen seiner großen praktischen Bedeutung an dieser Stelle eingeschoben werden. In den Kapitalgesellschaften gilt nicht das Prinzip der (Gesamt-)Geschäftsführung durch die Gesellschafter, wie es § 709 BGB vorsieht. Vielmehr bedingt es die körperschaftliche Verfassung, wie sie in den §§ 26 ff. BGB zum Ausdruck kommt, dass die Geschäftsleitung in gewöhnlichen, alltäglichen Angelegenheiten auf ein hierzu berufenes Organ übertragen wird. In der Aktiengesellschaft ist dies der Vorstand, in der GmbH der Geschäftsführer. Zugleich wird der Bedeutung der Gesellschafter als Eigentümer des Verbandes dadurch Rechnung getragen, dass die Gesellschafterversammlung das oberste Willensbildungsorgan bei Grundlagenentscheidungen darstellt. Darin gleichen sich die beiden Kapitalgesellschaftsformen. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass den GmbH-Gesellschaftern auch im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung bedeutende Kompetenzen zukommen, während die Geschäftsführung in der Aktiengesellschaft nach § 76 I AktG allein beim Vorstand liegt. Daraus resultiert ein Kompetenzkon-
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
flikt in Angelegenheiten, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen. Die Kriterien, nach denen sich eine außergewöhnliche Hauptversammlungszuständigkeit bestimmt, sind hochumstritten.
I. Die Rechtslage in der GmbH und den Personengesellschaften Um zunächst die unproblematischen Gesellschaftsformen vorwegzunehmen: Es wurde schon betont, dass die Stellung der GmbH-Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern sehr stark ausgebildet ist. Die Gesellschafter bestimmen nicht nur die allgemeinen Richtlinien der Geschäftspolitik, sondern können auch über die im GmbHG vorgesehenen Fälle hinaus Einzelfragen der Geschäftsführung an sich ziehen, entweder weil sie der Gesellschafterversammlung durch Satzungsbestimmungen zugewiesen sind oder schlicht aufgrund der ihnen zukommenden Allzuständigkeit.1061 Sie verfügen nach §§ 37 I, 46 Nr. 6 GmbHG über eine umfassende Weisungsbefugnis gegenüber den Geschäftsführern, die sie zudem jederzeit ersetzen können. Ein Kompetenzdefizit der Gesellschafterversammlung scheidet damit in der GmbH aus.1062 Daher besteht auch kein Bedürfnis dazu, die Stellung der GmbH-Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus durch ungeschriebene Kompetenzen der Gesellschafterversammlung zu stärken.1063 Das entspricht dem auch für die Personengesellschaften zu ziehenden Fazit. Dort bestimmt § 116 I, II HGB, dass außer in den Fällen gewöhnlicher Geschäftsführung, mithin den Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt, ein Beschluss sämtlicher Gesellschafter erforderlich ist, und sorgt damit für eine erhebliche Kompetenzbündelung bei den Gesellschaftern.
II. Die Rechtslage in der Aktiengesellschaft 1. Beschränkte Wahrnehmungszuständigkeiten der Hauptversammlung Die Aktiengesellschaft ist diametral konzipiert: Die Aufgaben der Geschäftsführung sind der Hauptversammlung gänzlich entzogen. Hintergrund ist die Erkennt___________ 1061
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Dazu Nonn, Zustimmungspflichten des Kapitalgesellschafters, 1995, S. 67 f. Zur Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung und deren Grenzen Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 43, Rn. 30–32 und 50–53. Liebscher, ZGR 2005, 1, 2; Priester, FS H. P. Westermann, 2008, S. 1281, 1286. Zu einer Sonderkonstellation, in der von der eingliedrigen zur mehrgliedrigen GmbH übergegangen wird, siehe Habersack, AG 2005, 137, 148. Zur Rechtsprechung, wonach dem Alleingesellschafter einer GmbH nachteilige Einflussnahmen auf die GmbH bis hin zur Existenzvernichtung gestattet sind, er sich bei der mehrgliedrigen GmbH jedoch jeder nachteiligen Einflussnahme enthalten muss BGHZ 149, 10, 16 f. Zur Frage, welche Grenzen bei der Übertragung von Kompetenzen auf die Geschäftsführer bestehen, siehe Priester, FS H. P. Westermann, 2008, S. 1281, 1289 ff.
B. Die Kompetenzverteilung in den Kapitalgesellschaften
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nis, dass sie in Anbetracht ihrer inhomogenen, dem Zufall überlassenen Zusammensetzung und der fehlenden Fachkundigkeit der Aktionäre ihrer Struktur nach ungeeignet ist, die Leitung der Aktiengesellschaft in Geschäftsführungsangelegenheiten innezuhaben. Ihre Funktion ist daher im Wesentlichen auf eine Grundlagenkompetenz bei wesentlichen Strukturmaßnahmen beschränkt. Der BGH führt dazu aus: „In einer global vernetzten Wirtschaftsordnung, in der es darauf ankommt, sich bietende Chancen umgehend zu nutzen oder aufkommenden Gefahren sogleich zu begegnen, wäre eine zu enge Bindung an jeweils einzuholende Entschließungen der nicht ständig präsenten, sondern regelmäßig nur mit erheblichem Aufwand an Zeit und Kosten einzuberufenden Hauptversammlung gänzlich unpraktikabel und hätte eine Lähmung der Gesellschaft zur Folge.“1064 Daher wird die Hauptversammlung nur dann mit Fragen der Geschäftsführung befasst, wenn der Vorstand es nach § 119 II AktG verlangt. Außerdem ist die Außenwirkung ihrer Beschlüsse beschränkt. Sie wird auch im Rahmen ihrer Zuständigkeit nur als Willensbildungsorgan tätig, während der Beschluss durch den Vorstand umgesetzt werden muss. Eine organschaftliche Vertretungsmacht kommt ihr nur bei rein verbandsinternen Maßnahmen zu, namentlich der Bestellung und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern und der Entlastung der Organmitglieder, eine nach außen wirkende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht allein bei der Bestellung besonderer Vertreter nach § 147 III AktG.1065 Die wichtigsten Fälle, in denen die Zuständigkeit der Hauptversammlung begründet ist, betreffen gerade Maßnahmen außerhalb der Geschäftsführung. Es handelt sich um Satzungsänderungen, §§ 119, I Nr. 5, 179 I AktG, Kapitalerhöhungsmaßnahmen, §§ 182 I 1, 192 I, 202 II 2, 207 I AktG, Kapitalherabsetzungsmaßnahmen, §§ 119 I Nr. 6, 222 I, 229 I bzw. 119 I Nr. 6 AktG, den Auflösungsbeschluss, §§ 119 I Nr. 8, 262 I Nr. 2 AktG, die vertragliche Verpflichtung, das gesamte Vermögen zu übertragen, § 179 a AktG, umwandlungsrechtliche Vermögensübertragungen, §§ 174 ff. i. V. m. 65 I UmwG, Beschlüsse, die Gesellschaft nach beschlossener Auflösung fortzusetzen, § 274 I AktG, Abschluss und Änderung von Unternehmensverträgen, §§ 293 I, 295 I AktG, Eingliederungen sowohl für die einzugliedernde, §§ 319 I 1, 320 I 3 AktG, als auch für die Hauptgesellschaft, §§ 319 II 1, 320 I 3 AktG, ein Squeeze out, § 327a AktG, Verschmelzungen, §§ 65 I, 73 UmwG, Spaltungen, §§ 125, 65 II UmwG, Rechtsformumwandlungen, §§ 226, 193 I UmwG, die Zustimmung zu Erwerb oder Veräußerung von eigenen Aktien, § 71 I Nr. 8 AktG, die Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen und Bestellung besonderer Vertreter hierfür, § 147 I 1, II 1 AktG, den Vertrauensentzug gegenüber dem Vorstand, § 84 III 2 AktG, und die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern, § 103 I AktG.1066
___________ 1064 1065 1066
So und vorstehend BGHZ 159, 30 = NJW 2004, 1860, 1864 (Gelatine). Dazu Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 19. Für eine vollständige Liste der Zuständigkeiten siehe Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 13–16; siehe auch Becker/Horn, JuS 2005, 1067, 1068.
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
2. Ungeschriebene Zuständigkeiten a) BGH in Sachen Holzmüller und Gelatine Dieser beschränkte Zuständigkeitskatalog bringt es mit sich, dass die Aktionäre mitunter weitere Zuständigkeiten für die Hauptversammlung beanspruchen. Der BGH hat der Hauptversammlung in seiner Holzmüller-Entscheidung ungeschriebene Kompetenzen für den Fall zuerkannt, dass die Aktiengesellschaft einen Betrieb, der den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens darstellte (80%), auf eine zu diesem Zweck gegründete (und gleiches gilt für eine schon bestehende)1067 Tochtergesellschaft ausgliederte. Der BGH begründete die Zuständigkeit der Hauptversammlung mit allgemein gehaltenen Ausführungen. Die Anteilseigner sollten die unabänderliche Kompetenz besitzen, über Maßnahmen, die tief in ihre Mitgliedsrechte und ihr im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, selbst zu bestimmen.1068 Außerdem bestimmte der BGH, dass die Hauptversammlung späteren Kapitalmaßnahmen in der umgehängten Tochter zustimmen müsse.1069 Dabei hob der BGH den Minderheitsschutz hervor, indem er auf die Tendenz des Aktienrechts hinwies, die Minderheitsaktionäre auf mannigfache Weise vor einer Entwertung ihrer Mitgliedschaft durch unmittelbare oder mittelbare Eingriffe der Mehrheit und einer von ihr beeinflussten Verwaltung, gerade auch im Konzernverbund, zu schützen. Daraus leitete er die Notwendigkeit ab, den Minderheitsschutz auch in den Fällen der vorliegenden Art zu wahren, da die Minderheitsaktionäre von faktischen Verschiebungen der Zuständigkeits- und Vermögensordnung mit Hilfe von Konzernbildungen weit stärker als die Mehrheit betroffen seien. Die Mehrheit sei viel leichter imstande, ihre Interessen gegenüber dem Vorstand zu wahren, zum Beispiel, indem sie den Verwaltungsorganen die Entlastung versage oder dem Vorstand in der Hauptversammlung das Vertrauen entziehe. ___________ 1067 1068
1069
Marsch-Barner, in: Grundmann/u. a., Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, S. 105, 112. BGHZ 83, 122 (Holzmüller) = BGH NJW 1982, 1703, 1705. Die Zustimmung der Hauptversammlung sollte dabei nicht nur für die Ausgliederung selbst, sondern auch die spätere Entscheidung über eine Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft erforderlich sein. BGH NJW 1982, 1703, 1707 f.: „Der somit schon im geltenden Recht angelegte Schutz der Aktionäre läßt sich bei dem vorliegenden Sachverhalt sinnvoll und wirksam in der Weise erreichen, daß die Aktionäre der Obergesellschaft, wie im Schrifttum vorgeschlagen, Anspruch darauf haben, bei grundlegenden, für ihre Rechtsstellung bedeutsamen Entscheidungen in der Tochtergesellschaft über ihre Hauptversammlung so beteiligt zu werden, wie wenn es sich um eine Angelegenheit der Obergesellschaft selbst handelte. Dieser Anspruch steht aus den zu II 1 erörterten Gründen jedem einzelnen Aktionär gegen seine Gesellschaft zu. (. . .) Aus guten Gründen wird denn auch die Kapitalerhöhung (. . .) als ein Hauptfall behandelt, in dem die Gesellschaft, bevor sie eine solche Änderung der Kapitalstruktur in der Tochtergesellschaft herbeiführt oder zuläßt, verpflichtet sein kann, die Zustimmung ihrer Hauptversammlung einzuholen. In der Tat ist eine solche interne Beteiligung des obersten Beschlußorgans zum Schutz der Aktionäre bei dem hier vorliegenden Sachverhalt unentbehrlich“.
B. Die Kompetenzverteilung in den Kapitalgesellschaften
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Diese vom BGH begründete ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit hat eine Flut von Stellungnahmen ausgelöst. Der Grundsatz, wonach es ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten geben soll, wird dabei überwiegend akzeptiert, während über die dogmatischen Grundlagen der Zuständigkeitsbegründung1070 und die Fallgruppen dieser außerordentlichen Zuständigkeit keine Einigkeit erzielt werden konnte.1071 Sie wird vor allem für die Veräußerung erheblicher Vermögenswerte unterhalb der Grenze des § 179 a AktG gegen Geld oder Gesellschaftsrechte (Fälle der Konzernumbildung), Einflussverschiebungen innerhalb eines bestehenden Konzerngebildes, für Veräußerungen und den Erwerb nennenswerter Beteiligungen und den Börsengang und das Delisting bejaht.1072 In seiner darauf folgenden Gelatine-Entscheidung1073 hat der BGH die Voraussetzungen und Grenzen der ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz konkretisiert und den Aktionärsschutz zugleich stark relativiert. Eine Hauptversammlungskompetenz trete jedenfalls in den Fällen der „Mediatisierung“ des Aktionärseinflusses ein, wenn „entscheidend wichtige Teile“ des von der Gesell___________ 1070
1071
1072
1073
Der BGH hatte eine Verdichtung des Vorstandsermessens nach § 119 II AktG zu einer Vorlagepflicht angenommen, BGH NJW 1982, 1703, 1705; dagegen etwa Marsch-Barner, in: Grundmann/u. a., Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, 105, 110. So das Fazit des BGH NJW 2004, 1860, 1862; ebenso Habersack, AG 2005, 137; Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 35 f.; Altmeppen, DB 1998, 49; Arnold, ZIP 2005, 1573; Marsch-Barner, in: Grundmann/u. a., Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, S. 105, 106; Liebscher, ZGR 2005, 1, 2. Siehe zu den Zuständigkeiten im Einzelnen aus der Instanzrechtsprechung für unterschiedliche Strukturmaßnahmen OLG Stuttgart NZG 2003, 778, 782 ff.; OLG Celle NZG 2001, 409; OLG München AG 1995, 232, 233; OLG Köln NJW-RR 1993, 804; LG Karlsruhe ZIP 1998, 385, 387 f.; LG Frankfurt AG 2001, 431, 433; LG Frankfurt AG 1993, 287, 288; LG Stuttgart AG 1992, 236, 237 f. Aus der Literatur Lutter, FS Stimpel, 1985, S. 825, 832 ff.; Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, Vor § 311, Rn. 33–55; Henze, FS Ulmer, 2003, S. 211; Hüffer, FS Ulmer, 2003, S. 279; Großfeld/Bondics, JZ 1982, 589; Heinsius, ZGR 1984, 383; Semler, BB 1983, 1566, 1570–1573; Weißhaupt, NZG 1999, 804; Werner, ZHR 147 (1983), 429; Westermann, ZGR 1984, 352, 357 ff. Nach Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 416 ff.; ders., in: Großkomm.-AktG, Stand 1999, § 119, Rn. 33, kommt es darauf an, ob Vermögensinteressen der Aktionäre betroffen sind. Zusammengefasst werden Maßnahmen der Konzernbildung, die Mitwirkung an der Konzernleitung im Hinblick auf Strukturmaßnahmen in der Tochtergesellschaft, die Veräußerung wesentlicher Unternehmensteile oder Beteiligungen, der Börsengang und das Delisting, die Befreiung des Vorstands vom Neutralitätsgebot des § 33 WpHG zur Abwehr eines (feindlichen) Übernahmenagebots diskutiert, siehe Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 31 ff.; Liebscher, ZGR 2005, 1, 8. Dazu ausführlich Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 31. In diesem Zusammenhang werden nicht nur juristische, sondern auch ökonomische Argumente vorgebracht. Werden die Kosten im Bereich der Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aktionärsversammlung miteinander verglichen, die eine Beteiligung der Aktionäre im Vorfeld einer wichtigen Entscheidung einerseits und eine Auseinandersetzung zwischen Gesellschaft und Anteilseigner im Nachhinein andererseits mit sich bringen, fällt das Urteil zugunsten erweiterter Hauptversammlungszuständigkeiten aus. Siehe Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaften, 2000, S. 181 ff. BGHZ 159, 30–48 = NJW 2004, 1860–1865 (Gelatine).
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
schaft betriebenen Unternehmens auf nachgelagerte Beteiligungsgesellschaften ausgelagert werden (wie es in der Holzmüller-Konstellation der Fall war). Eine solche Mediatisierung könne auch eintreten, wenn auf den unteren Ebenen umstrukturiert werde. Ausgehend von dem Principal-Agent-Phänomen, wonach der Vorstand das ihm von den Aktionären anvertraute Geld bei seiner Leitungstätigkeit verwaltet,1074 sieht der BGH den dogmatischen Ansatz einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit in einem tiefgreifenden Eingriff in die mitgliedschaftlichen Befugnisse der Aktionäre und deren Rechtsgrundlage in einer „offenen Rechtsfortbildung“.1075 Erforderlich ist eine Maßnahme, die an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rührt und in ihren Auswirkungen nahezu einem Zustand entspricht, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann. Die Maßnahme muss dabei in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft den Ausmaßen der Ausgliederung in der Holzmüller-Entscheidung entsprechen.1076 Zugleich hat der BGH der Ansicht eine Absage erteilt, die seine Holzmüller-Entscheidung im Sinne einer allgemeinen Konzernkontrolle durch die Aktionäre der Hauptgesellschaft aufgefasst hatte.1077 Wenn sich durch die ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz auch ein größerer Einfluss der Aktionäre der Hauptgesellschaft auf den Konzernverbund ergebe, so handele es sich dabei nur um einen bloßen Reflex der aufgestellten Grundsätze. Es gehe nur darum, die Aktionäre davor zu schützen, dass der Wert ihrer Beteiligung durch grundlegende Entscheidungen des Vorstands geschwächt werde, und ihnen eine Präventivkontrolle einzuräumen.1078 Die Einbringung gehaltener Beteiligungen an dritten Gesellschaften in eine Tochtergesellschaft besitzt nach dem BGH zwar einen solchen Mediatisierungseffekt, da die dritten Gesellschaften nunmehr zu Enkelgesellschaften werden und ihre Leitungsorgane die Vorgaben für ihr Handeln nicht mehr durch den von der Hauptversammlung kontrollierten Vorstand der Muttergesellschaft, sondern von dem organschaftlichen Vertreter der zwischengeschalteten Tochtergesellschaft erhalten. Eine Beeinträchtigung der Aktionäre soll hiermit jedoch nur verbunden sein, wenn der Anteil der dritten Gesellschaften an Bilanzsumme, Eigenkapital, ___________ 1074 1075
1076 1077
1078
BGH NJW 2004, 1860, 1863. NJW 2004, 1860, 1863 (zu Eingriff und Rechtsgrundlage). Zu den Voraussetzungen der Rechtsfortbildung allgemein BGHZ 108, 305, 309 f. In der Literatur war für die Holzmüller-Konstellation mehrheitlich eine Gesamtanalogie zu den aktien- und umwandlungsrechtlichen Vorschriften, die eine Mitwirkung der Hauptversammlung anordnen, insbesondere zu den Bestimmungen über Strukturentscheidungen, vorgeschlagen worden, so Priester, ZHR 163 (1999), 187, 195; Mülbert, in: Großkomm.-AktG, Stand 1999, § 119, Rn. 23; Lutter, FS Fleck, 1988, S. 169, 182. Demgegenüber ablehnend Joost, ZHR 163 (1999), 164, 173–177. BGH NJW 2004, 1860, 1864. Lutter, FS Stimpel, 1985, S. 825, 832 ff.; ähnlich Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 135 ff., 165 ff.; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 162 ff.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 52, Rn. 32. BGH NJW 2004, 1860, 1863.
B. Die Kompetenzverteilung in den Kapitalgesellschaften
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Umsatz und Ergebnis vor Steuern der (ehemaligen) Muttergesellschaft weit über 30% liegt.1079 Soweit sich nach diesen Grundsätzen ausnahmsweise eine Hauptversammlungszuständigkeit ergibt, muss der Beschluss mit einer Mehrheit von 3/4 des vertretenen Grundkapitals zustande kommen.1080 Der BGH leitet dies aus der Nähe des Beschlussgegenstandes zu einer Satzungsänderung und den geregelten Fällen, in denen für eine Geschäftsführungsmaßnahme im weiteren Sinne eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, ab.1081 Diese qualifizierte Mehrheit soll zwingend sein und auch durch eine allgemeine Konzernöffnungsklausel nicht ausgeschlossen werden.1082 b) BGH in Sachen Macrotron Nicht einen „Mediatisierungseffekt“, sondern einen Börsenrückzug betraf die (schon mehrfach erwähnte) Entscheidung des BGH in der Rechtssache Macrotron1083, die noch an anderer Stelle ausführlich zu erörtern sein wird.1084 Der BGH begründete auch in diesem, auf ein Delisting der Gesellschaft bezogenen Fall die ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit mit dem durch die Maßnahme bewirkten Eingriff in die durch Art. 14 I GG geschützte Mitgliedschaft. Anders als ___________ 1079 1080
1081
1082
1083 1084
BGH NJW 2004, 1860, 1864 f. Zustimmend (und teilweise schon zuvor) Fleischer, NJW 2004, 2335, 2339; Hübner, FS Stimpel, 1985, S. 791, 795–797; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 199 f.; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 172; Altmeppen, DB 1998, 49, 51; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 5. Aufl. 2010, § 16, Rn. 18; a. A. (einfache Mehrheit ausreichend) Hüffer FS Ulmer, 2003, S. 279, 298. BGH NJW 2004, 1860, 1864: „Entscheidend ist vielmehr, daß Gegenstand der Beschlußfassung eine Maßnahme ist, die zwar noch keine Satzungsänderung erfordert, ihr aber angesichts der tief in die mitgliedschaftliche Stellung der Aktionäre eingreifenden Wirkung so nahe kommt, daß die an sich gegebene Gestaltungsmacht des Vorstands hinter der gebotenen Mitwirkung der Hauptversammlung zurücktreten muß. In diesem Sinn hat der Gesetzgeber auch für andere nicht die Verfassung, sondern Geschäftsführungsmaßnahmen im weiteren Sinn betreffende Angelegenheiten – etwa für den Abschluß von Unternehmensverträgen (. . .) oder für die inhaltlich verwandten Umstrukturierungen nach dem Umwandlungsgesetz 1994 – nicht nur die Zustimmung der Hauptversammlung überhaupt angeordnet, sondern bestimmt, daß eine qualifizierte Mehrheit hierfür erreicht werden muß“; zu Ansätzen in der Literatur siehe etwa Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 41–45: Analogie zu § 179 AktG, da der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand die äußerste Grenze für autonomes Vorstandshandeln bilde. Jede Maßnahme, die davon nicht gedeckt sei, weil die Satzung schweige oder die Maßnahme nur sehr pauschal beschreibe, müsse von einem Beschluss der Hauptversammlung getragen sein. Zu allem BGH NJW 2004, 1860, 1864, zur zwingenden Rechtsnatur: „Angesichts der Schwere der möglichen Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre kann die Satzung zu ihren Lasten das Quorum für die Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme nicht absenken, vielmehr ist das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit hier nicht anders als z. B. in den Fällen der §§ 179a I 2, 293 I 3, 319 II 3 AktG zwingend.“. BGH WM 2003, 533, 535. Siehe die Ausführungen zum Delisting unter § 13 A.
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
in den Entscheidungen Holzmüller und Gelatine soll der Beschluss über das Delisting jedoch mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst werden können. Diese Entscheidung ist nicht minder kontrovers diskutiert worden, hat gegenüber den in der praktischen Reichweite abstrakter gehaltenen Urteilen in Sachen Holzmüller und vor allem Gelatine jedoch einen deutlichen Zuwachs an Rechtssicherheit bewirkt. Das hängt damit zusammen, dass sich die Börsenotierung der Aktie als unmittelbarer Bestandteil der Mitgliedschaft einordnen lässt,1085 während die Veränderungen im Gesellschaftsvermögen den Aktionär nur mittelbar in seiner Mitgliedschaft betreffen.
3. Stellungnahme zu diesen Grundsätzen a) Eingriff in die Mitgliedschaft und gesetzliche Wertung Auch nach Gelatine und Macrotron ist die Reichweite ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten weiterhin ungeklärt.1086 Immerhin ist nunmehr gesichert, dass der Schutzzweck des Zustimmungserfordernisses nicht in einem Konzernierungsvorgang als solchem, sondern der Verwässerung mitgliedschaftlicher Rechte zu sehen ist.1087 Als durchaus tragfähig im Ansatz ist die Begründung des BGH zu bewerten, wonach eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit von einem schweren Eingriff in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Aktionärs ausgelöst wird.1088 Zugleich ist diese Wirkung alleine nicht ausreichend. Hinzukommen muss vielmehr ein weiterer Aspekt: Es muss sich aus den Wertungen des Gesetzes ergeben, dass eine derartige Situation in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen muss. Ansonsten würden auch andere Konstellationen schwerer Eingriffe, insbesondere Vorgänge, die das Vermögen der Gesellschaft entwerten und daher den Wert der Beteiligung wesentlich reduzieren, unter die Hauptversammlungszuständigkeit fallen, was jedoch, wie sogleich noch zu begründen sein wird, ausscheidet, wie sich aus der Wertung des § 179 a AktG ergibt. ___________ 1085 1086 1087
1088
Sehr str., siehe näher dazu unter § 13 A. III. So etwa Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576–1579; Liebscher, ZGR 2005, 1, 2; Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch der Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 41, Rn. 32. Habersack, AG 2005, 137, 139; Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337; Liebscher, ZGR 2005, 1, 3, weist darauf hin, dass der Unternehmensgegenstand der Konzernmutter für den gesamten Konzernverbund gilt, der Vorstand daher auch durch seine Tätigkeit in Tochter- und Beteiligungsgesellschaften nicht über diesen hinausgehen darf. Näher dazu Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 136 f. In BGHZ 83, 122 = BGH NJW 1982, 1703, 1705 (Holzmüller) als Maßnahme, die tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und ihr im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreift, bezeichnet. So auch BGH NJW 2004, 1860, 1863 (Gelatine): Vorstandshandeln, das „tief in die Mitgliedschaft der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreift“; OLG Celle ZIP 2001, 613, 615; Kubis, in: MünchKomm.AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 43; Liebscher, ZGR 2005, 1, 3.
B. Die Kompetenzverteilung in den Kapitalgesellschaften
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Für die aus der Holzmüller- und Gelatine-Rechtsprechung herzuleitende Hauptversammlungskompetenz kommt es darauf an, dass sich die Möglichkeit der Aktionäre, auf innerhalb einer Konzernstruktur verschobene Vermögensgegenstände Einfluss zu nehmen, wesentlich verschlechtert. Es handelt sich um Fälle, in denen eine nur mittelbare Verschlechterung der mit der Beteiligung vermittelten Vermögensstellung ausnahmsweise als so gravierend bewertet wird, dass sie in die Kompetenz der Hauptversammlung fallen und eine Missachtung dieser Hauptversammlungskompetenz einen Eingriff in die Mitgliedschaft des Aktionärs darstellen soll. Zur Ermittlung der dogmatischen Grundlage muss hier neben dem wesentlichen Eingriff in die Mitgliedschaft auf die Wertungen des Umwandlungsrechts zurückgegriffen werden, aus denen hervorgeht, dass die Gesellschafter über Maßnahmen der Vermögensverschiebung selbst bestimmen sollen.1089 Macrotron beruht hingegen auf einer anderen Grundlage. Dort ist es die mit einem Wegfall der Börsennotierung verbundene Veränderung der Realstruktur der Gesellschaft, die der Beteiligung ihren ursprünglichen Charakter nimmt. Auch hier ist es nicht nur der gravierende Eingriff in die Mitgliedschaft, sondern daneben die einem Umwandlungsvorgang oder einer (sonstigen) Satzungsänderung vergleichbare Veränderung der wesentlichen Grundlagen, die eine Kompetenzverlagerung begründet. b) Einzelne Anwendungsfälle Mithilfe dieser dogmatischen Grundlage können nunmehr die einzelnen Fälle, in denen die Mediatisierungswirkung in einen Eingriff in die Zuständigkeitsverteilung umschlägt, bestimmt werden. Diskutiert werden Beteiligungsveräußerungen, Unternehmensverträge von Tochterunternehmen, Beteiligung Dritter am Gesellschaftsvermögen, teilweise auch jede Art von Umstrukturierungen.1090 Angesichts der Formulierungen des BGH in Gelatine wird man neben der Holzmüller-Konstellation der Ausgliederung jedenfalls Umgestaltungen der bereits vorhandenen Konzernstrukturen, insb. das sog. „Umhängen“ (Einbringung einer Beteiligung an einer Tochtergesellschaft in eine andere Konzerngesellschaft) zu ___________ 1089
1090
Aus diesem Grunde wird auch für die Holzmüller- und Gelatine-Fälle verbreitet eine Gesamtanalogie zu den Vorschriften, die eine Mitwirkung bei Strukturmaßnahmen anordnen, vertreten, etwa Hübner, FS Stimpel, 1995, S. 791, 795–797; Liebscher, ZGR 2005, 1, 22; Mülbert, Großkomm.-AktG, Stand 1999, § 119 AktG, Rn. 23; erwägend Rehbinder, ZGR 1983, 92, 98. Am Rande sei angemerkt, dass aus dieser Heranziehung der Wertungen des UmwG nicht folgt, dass die fehlende Kompetenz im Innenverhältnis auch auf das Außenverhältnis durchschlägt. Siehe dazu Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337: „Richtigerweise verlangt eine Analogie nicht notwendig eine vollständige Übernahme der Referenzvorschrift, sondern lässt in einzelnen Punkten durchaus Anpassungen zu“. Zu unterschiedlichen Aufzählungen siehe Marsch-Barner, in: Grundmann/u. a., Anlegerund Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, 2006, S. 105, 109; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576–1579; Becker/Horn, JuS 2005, 1067, 1070; zu weiteren, im Ergebnis zu Recht abgelehnten Gestaltungen Reichert, AG 2005, 150, 157 f. Zu einer breiten Darstellung siehe Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 61–91. Zu Überlegungen, bei faktischer Konzernierung eine Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung in der herrschenden Aktiengesellschaft und GmbH zu begründen, Emmerich, AG 1991, 303, 307.
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
den betroffenen Maßnahmen zählen können. Die mit dieser Verwässerung des Aktionärseinflusses einhergehende Hauptgefahr besteht darin, dass das Recht auf Dividende durch übermäßige Rücklagenbildung verkürzt werden kann. Als weiterer Anwendungsfall kommt der Beteiligungserwerb gegen Barmittel oder sonstiges Gesellschaftsvermögen in Betracht. Die Hauptversammlungszuständigkeit wird aus der Parallele zu einer Ausgliederung wesentlicher Vermögensteile abgeleitet. Die Mittel der Gesellschaft gehen in die Verwaltung der Gesellschaft, deren Anteile erworben werden, über, so dass auch hier ein (gewisser) Mediatisierungseffekt eintritt.1091 Allerdings bleiben die für die Aktionäre nachteiligen Wirkungen dieses Vorgangs weit hinter denen einer Ausgliederung oder anderer Beteiligungsverschiebungen zurück, da die Mittel ohnehin nur in sehr eingeschränktem Umfang, nämlich bei der Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns, der Kontrolle der Hauptversammlung unterliegen. Im Übrigen handelt es sich bei der Verwaltung der liquiden Mittel um eine der originären Wahrnehmungszuständigkeiten des Vorstands. Es liegt daher eher fern, hier eine Hauptversammlungszuständigkeit anzunehmen.1092 Problematisch sind auch die Fälle der Beteiligungsveräußerung, für die verbreitet unter der Voraussetzung, dass die Wesentlichkeitsschwelle überschritten ist, eine Hauptversammlungskompetenz bejaht wird.1093 Auf den ersten Blick besticht der Vergleich mit den Wirkungen der anerkannten Gestaltungen, insbesondere den Ausgliederungsfällen. Eine Ungleichbehandlung dieser Fälle würde bedeuten, dass der Verbleib wesentlichen Gesellschaftsvermögens bei Einbringung in eine andere Konzerngesellschaft einen höheren Aktionärsschutz auslösen soll als dessen vollständiges Ausscheiden durch Veräußerung. Das aber erscheint widersinnig, wenn als dogmatischer Ausgangspunkt auf die Auswirkungen des Vorgangs auf die mitgliedschaftliche Situation des Aktionärs abgestellt wird, die im zweiten ___________ 1091
1092 1093
Etwa Habersack, AG 2005, 137, 144; Liebscher, ZGR 2005, 1, 23 f.; Henze, FS Ulmer, 2003, S. 211, 229 f.; Simon, in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, 2003, § 4, Rn. 6467. Für ein freiwilliges Angebot nach § 1 WpÜG Stohlmeier, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch der Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 39, Rn. 10. So auch Reichert, AG 2005, 150, 156 f. OLG Celle ZIP 2001, 613, 615; OLG München, AG 1995, 232, 233 (in beiden Fällen Übertragung des gesamten Grundvermögens als einzig nennenswerter werthaltiger Vermögensgegenstand der Aktiengesellschaft); für den Verkauf des gesamten Vermögens der Tochtergesellschaft an ein anderes Konzernunternehmen LG Hannover DB 2000, 1607 (n. rkr.); LG Frankfurt a.M. ZIP 1997, 1698, 1701 f. (Veräußerung des gesamten Vermögens der Tochtergesellschaft, was zugleich für die Mutter ein wichtiges Geschäft darstellt); Henze, FS Ulmer, 2003, S. 211, 230 f. Die Wesentlichkeit wird bejaht, wenn Dritten durch die Veräußerung zumindest eine Sperrminorität in der Tochtergesellschaft zukommt: Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 135–140; Liebscher, ZGR 2005, 1, 24; Reichert, AG 2005, 150, 156. Differenzierend nach konzerninternen Veräußerungen und solchen an Dritte Simon, in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, 2003, § 4, Rn. 71. Verneint von LG Düsseldorf AG 1999, 94, 95 (n. rkr.), für die Veräußerung einer Beteiligung, die unter der Schwelle von 50% der Aktiva bleibt. Generell ablehndend Groß, AG 1994, 266, 275 f.
B. Die Kompetenzverteilung in den Kapitalgesellschaften
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Fall gravierender ausfallen.1094 Auch dass der Aktiengesellschaft für die Veräußerung Geldmittel zufließen, stellt keinen hinreichenden Differenzierungsgrund dar.1095 Diese Mittel können in freier Verantwortung des Vorstands und daher an der Hauptversammlung vorbei investiert werden. Auch der Ansatz Fleischers zur Erklärung der Holzmüller-Zuständigkeit spricht für eine Einbeziehung der Beteiligungsveräußerung. Mit der Begründung, das Aktienrecht fuße auf dem Konzept, den Vorstand dort entscheiden zu lassen, wo er die größere Sachkompetenz besitze und eine Befassung der Hauptversammlung zu umständlich wäre, spricht er sich dafür aus, die Aktionäre bei Transaktionen von beträchtlicher Größenordnung, die mindestens ebenso eine Investment- wie eine Managemententscheidung darstellen, entscheiden zu lassen. Auf diese Weise lasse sich legitimieren, dass bestimmte Vorstandsentscheidungen, welche die wirtschaftlichen Interessen des Aktionärs nachhaltig beeinflussen können, als typische Managemententscheidungen keiner Hauptversammlungszustimmung bedürfen, wohl aber strategische Neuausrichtungen, über die sich ein Aktionär bei der Zusammenstellung seines Portfolios gleichermaßen ein Bild machen kann und bei denen eine Aktionärsapathie nicht zu befürchten ist.1096 Im Sinne dieses Ansatzes ist nicht ersichtlich, weshalb eine Umstrukturierung im Sinne einer Ausgliederung oder eines Umhängens von Beteiligungen eine grundlegendere Investmententscheidung darstellen soll als die Veräußerung wesentlichen Gesellschaftsvermögens. Auch Fleischers weiteres Argument, wonach es sinnvoll und geboten sein könne, den vom BGH selbst hervorgehobenen Präventivschutz durch Mitwirkung der Hauptversammlung dort zu verstärken, wo sich das notorische PrincipalAgent-Problem in besonderer Zuspitzung stellt, nämlich in Situationen, bei denen sich der Vorstand bei seiner Entscheidungsfindung beträchtlichen Interessenkonflikten ausgesetzt sieht, spricht dafür, den hier betonten Widerspruch aufzuheben und die Vermögensveräußerung und den Beteiligungserwerb als ungeschriebene Kompetenzen anzuerkennen.1097 Eine stichhaltige Begründung gegen eine Einbeziehung bietet gleichwohl Habersack: Der BGH kann nur dort Rechtsfortbildung betreiben, wo der Gesetzgeber eine entsprechende Lücke gelassen hat. Eine solche Lücke besteht jedoch nur außerhalb des Anwendungsbereichs von § 179 a AktG. Von dessen Wertung werden sämtliche Vermögensübertragungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge erfasst. Die Veräußerung des gesamten Vermögens und nach herrschender und zutreffender Auffassung auch Veräußerungen, nach denen nur unwesentliches Vermögen ___________ 1094 1095
1096 1097
So i. E. die Argumentation von Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 63. So aber Reichert, AG 2005, 150, 156; Habersack, AG 2005, 137, 145 (der jedoch auch, wie sogleich auszuführen sein wird, das schlagende Argument anführt, dass für Rechtsfortbildung ein gesetzgeberischer Freiraum bestehen muss). BGH NJW 2004, 2335, 2336, teilweise unter Berufung auf die Begründung des RegE, siehe dazu Kropff, AktG, 1965, S. 96. So spricht sich i. E. auch Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336, für eine Einbeziehung aus.
274
§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
bei der Gesellschaft zurückbleibt,1098 begründen danach eine Hauptversammlungszuständigkeit. Jede andere Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge liegt im Umkehrschluss in der alleinigen Kompetenz des Vorstands. Außerhalb der Sperrwirkung des § 179 a AktG liegen hingegen die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge, daher die vom UmwG erfassten oder umwandlungsähnlichen Gestaltungen, also auch Ausgliederungen im Wege der Neugründung und Einzelrechtsübertragung.1099 Die Konsequenz dieser gesetzlichen Wertung lautet, dass Gesellschaftsvermögen vom Vorstand ohne Befassung der Hauptversammlung investiert, nicht aber im Konzerngeflecht für die Aktionäre der Hauptgesellschaft mediatisierend umgeschichtet werden darf. Gleiches gilt für Teilveräußerungen.1100 Dieses unbefriedigende Ergebnis1101 ist der zweifelhaften Regelung des § 179 a AktG1102 und daher dem Gesetzgeber anzulasten. Die Veräußerung von Beteiligungen stellt damit keinen Fall einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit dar. Vielmehr sind die Aktionäre in diesen – wie auch anderen ebenso problematischen – Fällen über wirkungsvolle Kontrollrechte gegenüber dem Vorstand zu schützen (dazu unter C. im Anschluss).1103 Für die Holzmüller-/Gelatine-Konstellationen kann als Fazit aus der Rechtsprechung des BGH und der überwiegenden Zahl der Stellungnahmen in der Literatur zusammengefasst werden, dass es einer Verschiebung wesentlicher Vermögenswerte innerhalb eines Konzerngeflechts bedarf, die mit einer wesentlichen Verschlechterung der Möglichkeit der Aktionäre zur Einflussnahme auf das Schicksal dieser verschobenen Vermögensgegenstände einhergeht.1104 Die Macrotron-Konstellation wird noch ausführlich unter § 14 zu erörtern sein.
4. Die Anforderungen an den Hauptversammlungsbeschluss Soweit eine Hautversammlungszuständigkeit besteht, kommen die hiefür geltenden Grundsätze zur Anwendung. Dies bedeutet zum einen, dass die gewöhnlichen, ___________ 1098
1099 1100 1101
1102 1103 1104
Näher dazu unter § 9 C. V. und nochmals der Hinweis auf BGHZ 83, 122, 128 f. (Holzmüller); OLG München AG 1995, 232 f.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 179 a, Rn. 5; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 927 f.; Mertens, FS Zöllner, 1998, S. 385, 386–395. So Habersack, AG 2005, 137, 146; vgl. auch Joost, ZHR 163 (1999), 164, 185 f. Wiederum Habersack, AG 2005, 137, 147. Davon zeugen die Versuche, die Aktionäre der Muttergesellschaft vor einer Verschleuderung von Gesellschaftsvermögen zu schützen, vgl. die Heranziehung des Rechtsgedankens des § 186 I 1, 3 AktG bei Lutter, FS H.Westermann, 1974, S. 347, 365, und Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986, S. 183 ff. Zur Rechtslage in den USA bei Übertragung des Gesellschaftsvermögens siehe die Darstellung unter § 10 D I 2. Dazu auch Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337. So mahnend auch Fleischer, NJW 2004, 2335, 2339. Liebscher, ZGR 2005, 1, 13: Hauptversammlungszuständigkeit nur ausnahmsweise und in engen Grenzen, wenn eine Umstrukturierung an die Kernkompetenzen der Hauptversammlung, die Verfassung der AG zu bestimmen, heranreicht, indem einer Satzungsänderung ähnliche Veränderungen bewirkt werden.
B. Die Kompetenzverteilung in den Kapitalgesellschaften
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für die Vorbereitung und Einberufung von Hauptversammlungen einzuhaltenden Informationspflichten des Vorstands bestehen.1105 Darüber hinaus trifft den Vorstand die Pflicht, der Hauptversammlung analog § 124 II 2 AktG den wesentlichen Vertragsinhalt bekannt zu geben. Das Argument, die Aktionäre seien hierauf angewiesen, um eine sachgerechte Entscheidung über die vorgeschlagene Maßnahme treffen zu können, leuchtet ein.1106 Außerdem unterliegt die Ausübung des Stimmrechts den allgemeinen Schranken, so dass der Hauptversammlungsbeschluss bei Eingriffen in die Rechtsstellung der (bzw. einzelner) Aktionäre einer Inhaltskontrolle unterworfen wird.1107 Da es nach allgemeinen Grundsätzen auf den Inhalt des gefassten Beschlusses ankommt, ist die pauschale Aussage, ein durch eine außerordentliche Hauptversammlungszuständigkeit ausgelöster Beschluss unterliege keiner Inhaltskontrolle, nicht haltbar.1108 Vielmehr wird eine Doppelprüfung ausgelöst, die auf der ersten Stufe nach dem Eingriff in die Hauptversammlungszuständigkeit als Bestandteil der Mitgliedschaft des Aktionärs fragt. Davon hängt es ab, ob der Vorstand die Hauptversammlung einberufen und entscheiden lassen muss. In einem zweiten Schritt ist der Beschlussgegenstand darauf zu untersuchen, ob er andere Facetten der Mitgliedschaft beeinträchtigt. Soweit dies der Fall ist, unterliegt er einem inhaltlichen Rechtfertigungszwang.1109 Die dagegen vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Zum einen wird eingewandt, es handele sich bei der Begründung ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen nicht um eine Frage des Minderheitsschutzes, sondern des Schutzes der Aktionäre in ihrer Gesamtheit als Organ der Aktiengesellschaft, weswegen Argumente des Minderheitsschutzes verfehlt seien. Zum anderen handele es sich wesensmäßig um eine Geschäftsführungsmaßnahme, die nur ausnahmsweise in die Zuständigkeit der Hauptversammlung falle. Der Vorstand unterliege bei seinem Handeln jedoch keinen Rechtfertigungszwängen.1110 Auf den ersten Einwand ist zu erwidern, dass der Minderheitsschutz dort ansetzt, wo die Rechtsstellung des Minderheitsaktionärs durch einen Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft beeinträchtigt wird. Auf diese Schutzrichtung kommt es an, nicht auf die Rechtsnatur der beeinträchtigenden Maßnahme. Die entwickelten Mechanismen zu einem effektiven Minderheitsschutz greifen daher unabhängig ___________ 1105
1106
1107 1108
1109 1110
Zu diesen im Einzelnen Henze, FS Ulmer, 2003, S. 211, 232. Siehe auch Hommelhoff/Riesenhuber, in: Grundmann, Systembildung und Systemlücken im Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, 2000, S. 274. Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 50; Reichert, AG 2005, 150, 158 f.; Hüffer, FS Ulmer, 2003, S. 279, 300; Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch der Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 41, Rn. 36–39. Zu den Einschränkungen bei börsennotierten Aktiengesellschaften unter § 4 B. II. 2. So jedoch etwa Henze, FS Ulmer, 2003, S. 211, 224, der jedoch zumindest fordert, die Maßnahme müsse sich am Unternehmenswohl orientieren, also im Interesse der Gesellschaft liegen. So jedenfalls im Grundsatz auch Simon, in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, 2003, § 4, Rn. 54. Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 56.
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
von Zuständigkeitsfragen. Der zweite Einwand lässt zum einen außer Betracht, dass Aktionäre bei ihrem Abstimmungsverhalten nach den unter § 4 dargestellten Grundsätzen stets einer Rechtfertigung bedürfen, wenn der Beschluss in die Rechtsstellung von Aktionären eingreift. Soweit es sich um eine Geschäftsführungsmaßnahme handelt, kommen den Aktionären zwar gewisse Erleichterungen durch den unternehmerischen Einschätzungsspielraum zugute, sie werden von den allgemeinen Grundsätzen jedoch nicht entbunden. Im Übrigen deutet dieser Einwand einen weiteren Aspekt an, der schon angesprochen wurde, im weiteren Verlauf jedoch noch weiter zu untersuchen sein wird: die Schutzrichtung der Vorstandspflichten.1111 Schließlich ist die vom BGH geforderte Abstimmungsmehrheit von 3/4 des vertretenen Grundkapitals abzulehnen.1112 Weder besteht eine Parallele zu sonstigen, eine derartige Mehrheit statuierenden Maßnahmen, insbesondere fehlt es an den Wirkungen einer Satzungsänderung, noch bedarf es eines derartigen Mehrheitserfordernisses aus Gründen des Aktionärsschutzes. Das hier geforderte Kriterium einer Inhaltskontrolle bei Eingriffen in die Mitgliedschaft vermag den individuellen Aktionärsschutz effektiv zu verwirklichen.1113 C. Die Rechtsbehelfe gegen fehlerhaftes Verwaltungshandeln
C. Die Rechtsbehelfe gegen fehlerhaftes Verwaltungshandeln Stehen damit die Grundsätze fest, nach denen sich Eingriffe der Geschäftsleitung in die Mitgliedschaft der Gesellschafter beurteilen, stellt sich die Frage nach den Rechtsbehelfen, mit denen der Gesellschafter gegen rechtswidrige Eingriffe vorgehen kann.
I. Anerkanntes Bedürfnis nach effektivem Rechtsschutz Das Bedürfnis des Aktionärs nach effektivem Rechtsschutz gegen beeinträchtigendes Vorstandshandeln wurde vom BGH in mehreren Urteilen anerkannt. Den richtungsweisenden Anfang bildete dabei die Holzmüller-Entscheidung. Dem lag der schon dargestellte Kompetenz-Konflikt zugrunde,1114 und der BGH hatte über die Feststellungsklage eines Aktionärs zu entscheiden, mit der dieser beantragte, die Nichtigkeit des Vorstandshandelns festzustellen. Die für die hier interessierende Problematik wohl bedeutendste Aussage des BGH lautete dabei, dass eine materiell begründete Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht daran scheitern dürfe, dass die Rechtsbehelfe des Aktiengesetzes tatbestandsmäßig nicht einschlägig seien. Vielmehr müsse der in seinen Rechten verletzte Aktionär auf die Rechtsbehel___________ 1111 1112 1113 1114
Hierzu sogleich unter C. A. A. Fleischer, NJW 2004, 2335, 2339. Insoweit ist auf die allgemeine Auseinandersetzung mit dem Erfordernis qualifizierter Mehrheiten zu verweisen, dazu § 4 A. III. 5. b). Siehe ausführlich unter § 6 B.
C. Die Rechtsbehelfe gegen fehlerhaftes Verwaltungshandeln
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fe zurückgreifen können, die ihm die allgemeinen Gesetze zur Verfügung stellten. Ein solcher Rückgriff scheide nur aus, wenn die Anwendung der allgemeinen Vorschriften gerade durch den Sinn der aktienrechtlichen Bestimmungen ausgeschlossen sei.1115 Ein solcher Rückgriff auf allgemeine prozessuale Rechtsbehelfe wird erforderlich, da es, wie schon eingangs ausgeführt, an speziellen Rechtsbehelfen des einzelnen Aktionärs gegen das Vorstandshandeln im Aktienrecht fehlt. In den Entscheidungen Siemens/Nold und Mangusta/Commerzbank II trat der lückenhafte Minderheitsschutz im Aktienrecht bei einem vom Vorstand nach §§ 203, 204 AktG angeordneten Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital zutage, der – wie regelmäßig – die Minderheitsaktionäre ungleich empfindlicher traf als den Mehrheitsaktionär.1116 Abhilfe versprach hier nur eine (vorbeugende) Unterlassungsklage sowie eine auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Organhandelns gerichtete allgemeine Feststellungsklage mit der Gesellschaft als Klagegegner.1117 Der BGH betonte die Notwendigkeit einer angemessenen und systemkonformen gerichtlichen Kontrollmöglichkeit und folgerte daraus, dass die Feststellungsklage in einer Situation, in der es gerade darum geht, im schutzwürdigen Interesse der Gesellschafter eine Gesetzeslücke zu schließen, auch nicht gegenüber der Leistungsklage subsidiär ist.1118 Wenn der BGH solchermaßen in der Entscheidung Siemens/Nold die Unterlassung- und Feststellungsklage über ihren mit der Holzmüller-Entscheidung ursprünglich eröffneten Anwendungsbereich, den Kompetenzkonflikt zwischen Vorstand und Aktionären, hinaus ausdehnt, kann davon ausgegangen werden, dass diese Grundsätze allgemeine Aussagekraft besitzen sollen. Die Aussagen des BGH in Siemens/Nold sind denkbar allgemein gehalten und nehmen die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Aktionärs allgemein in den Blick. Auch handelt es sich bei dem Bezugsrecht um ein gewöhnliches Aktionärsrecht, also eines von vielen von der Mitgliedschaft erfassten Rechten. Im Übrigen spricht der BGH auch in der Holzmüller-Entscheidung keineswegs nur von dem Kompetenzkonflikt, sondern allgemein davon, dass der Aktionär „einen verbandsrechtlichen Anspruch darauf (hat), dass die Gesellschaft seine Mitgliedschaft achtet und alles unterlässt, was sie über das durch Gesetz und Satzung gedeckte Maß hinaus beeinträch___________ 1115 1116 1117
1118
BGHZ 83, 122, 126 f. (Holzmüller). Zu den Wirkungen und Voraussetzungen von Bezugsrechtsausschlüssen ausführlich unter § 15 B. BGH NJW 2006, 374, 375 (Mangusta/Commerzbank II); BGHZ 136, 133, 140 f. = BGH NJW 1997, 2815, 2816 (Siemens/Nold); siehe auch Kindler, ZGR 1998, 35, 66 f. I. E. ähnlich auch OLG Koblenz AG 1991, 363, 364, für die GmbH. BGH NJW 2006, 374, 375 f. (Mangusta/Commerzbank II), unter Betonung, dass die durch die Siemens/Nold-Entscheidung beabsichtigte und bewirkte Erleichterung bei der Herbeiführung eines Ermächtigungsbeschlusses zur Schaffung von genehmigtem Kapital nicht zu einer die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre, darunter insbesondere das Bezugsrecht, ungerechtfertigt verkürzenden und unkontrollierten Blankettermächtigung der Geschäftsleitung führen dürfe. Zu den Einzelheiten einer Klage des Aktionärs bei Bezugsrechtsausschlüssen beim genehmigten Kapital Cahn, ZHR 164 (2000), 113.
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
tigt“.1119 Die Folgerung daraus lautet, dass die Rechtsbehelfe des Aktionärs gegen das Vorstandshandeln nicht auf die Situation des Kompetenzstreits begrenzt sind, sondern auch die Verletzung des einzelnen Aktionärs in anderen Facetten seines Mitgliedschaftsrechts, etwa dem Bezugsrecht, erfassen.1120 Auch die Entscheidung Mangusta/Commerzbank II bestärkt diese Folgerungen: Der BGH leitet das Feststellungsinteresse des Aktionärs aus der Verletzung seiner individuellen Mitgliedschaftsrechte, insbesondere seiner Mitverwaltungs- und Vermögensrechte ab.1121 Auch erwähnt er die Notwendigkeit, den einzelnen Aktionär vor einer Verletzung in seinen durch Art. 14 GG geschützten Mitgliedschaftsrechten durch das Vorstandshandeln zu bewahren.1122 Umgekehrt sprechen die von der Gegenansicht angeführten Hinweise auf die Missbrauchsmöglichkeit des Klagerechts und die Funktion des Aufsichtsrates als Kontrollorgan nicht gegen eine Individualklage des Aktionärs.1123 Das Aktienrecht enthält, wie sich insbesondere aus § 243 AktG ergibt, eine Entscheidung zugunsten einer Individualklagebefugnis des in seinen Rechten verletzten Aktionärs. Ein den Minderheitsschutz wahrendes Aufsichtsamt existiert nicht, und auch die Konzeption des Aktienrechts vermag einen effektiven Aktionärsschutz nicht zu gewährleisten, da der Aufsichtsrat zwar den Vorstand überwacht und daher regelmäßíg im Gesamtinteresse der Aktionäre tätig wird. Beherrscht ein Mehrheitsaktionär die Gesellschaft jedoch erst, kontrolliert er alle Organe.1124 Im Übrigen kann auch der Aufsichtsrat irren oder gemeinsame Sache mit dem Vorstand machen,1125 so dass eine rechtswidrige und in die Rechte des Aktionärs eingreifende Maßnahme nicht unangreifbar sein darf. Effektiver Rechtschutz ist nur durch externe gerichtliche Kontrolle möglich. Schließlich kann auf einen wirkungsvollen Schutz der Aktionärsrechte auch nicht im Interesse an einer Vereinfachung und Beschleunigung der vom Vorstand beschlossenen Maßnahmen verzichtet werden, zumal eine sofortige Vollzugshemmung ohnehin nur im Wege einer Verbindung der Unterlassungsklage mit Anträgen auf vorläufigen Rechtsschutz zu erreichen ist. Die berechtigten Interes___________ 1119 1120
1121 1122 1123 1124
1125
BGHZ 83, 122, 133 (Holzmüller). Für einen generellen, auf alle Eingriffe in die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs anwendbaren Rechtsbehelf daher auch Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 522; Habersack, DStR 1998, 533, 534 f.; Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357. Jedenfalls in der Tendenz auch Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1997, S. 529 ff.; Lutter, JZ 2007, 371. BGH NJW 2006, 374, 375 (Mangusta/Commerzbank II). BGH NJW 2006, 374, 375 (Mangusta/Commerzbank II). So jedoch eindringlich Waclawik, ZIP 2007, 397. Selbst der Kompetenzstreit kann zu einer Auseinandersetzung der Minderheitsaktionäre mit Vorstand und Mehrheitsaktionär führen, wenn sich der Mehrheitsaktionär Vorteile durch Mediatisierungseffekte verspricht. Die von BGH NJW 2006, 374, 375 (Mangusta/Commerzbank II) angesprochenen Disziplinierungsmaßnahmen, etwa Entlastungsverweigerung oder Schadensersatzansprüche im Namen der Gesellschaft, greifen nur, wenn der Aktionärsblock dem Vorstand (mehr oder minder) geschlossen gegenüber steht. So Lutter, JZ 2007, 371, Fn. 9, und Zöllner, ZGR 1988, 392, 416.
C. Die Rechtsbehelfe gegen fehlerhaftes Verwaltungshandeln
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sen der Gesellschaft müssen dabei im Rahmen der obligatorischen Abwägung sowohl im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als auch im Hauptssacheverfahren berücksichtigt werden. Zu betonen bleibt noch, dass diese Grundsätze über das Aktienrecht hinaus auch in den übrigen Gesellschaftsformen gelten können. Wie eingangs dargestellt, besteht vor allem in der GmbH ein dringendes Bedürfnis dazu. Auch die h. M. in der Literatur kommt mit der Begründung, jeder über den Schaden der Gesellschaft hinausgehende Schaden des Gesellschafters könne von diesem eingeklagt werden, zu einem entsprechenden Ergebnis.1126 Uneinigkeit herrscht dabei über die Person des Beklagten. Mit dem Argument, dass auch bei den Beschlussmängelklagen die Gesellschaft als Beklagte fungiert, kommt die überwiegende Ansicht zu dem auch hier vertretenen Ergebnis, dass nicht die Geschäftsleitung, sondern die Gesellschaft Prozessgegnerin sein muss.1127
II. Leistungs- und Feststellungsklagen als prozessuale Rechtsbehelfe des Gesellschafters Nach dem Ansatz des BGH wird der Minderheitsaktionär durch Rückgriff auf die allgemeinen prozessualen Rechtsbehelfe geschützt. Eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die besonderen aktienrechtlichen Rechtsbehelfe ihrer Anwendung nicht entgegenstehen dürfen. Derartige Hindernisse sind jedoch nicht erkennbar: Die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage passen nicht in den Fällen, in denen sich der Aktionär gegen Maßnahmen des Vorstands zur Wehr setzt. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass es an einem fehlerhaften Hauptversammlungsbeschluss fehlt.1128 Einer analogen Anwendung steht zudem entgegen, dass sich die Schutzrichtungen wesentlich unterscheiden, da der Gesellschafter in den Fällen der Beschlussanfechtung gegen die Entscheidungen des Gesamtorgans, am dem er selbst teilhat, vorgeht, soweit er sich gegen die Beeinträchtigung durch das Vorstandshandeln wehrt, aber die Maßnahme eines anderen Gesellschaftsorgans angreift. Auch gegenüber einer auf Schadensersatz gerichteten Klage nach § 117 AktG oder § 147 AktG ist die Feststellungsklage nach Aussage des BGH nicht subsidiär, da die Erfolgsaussichten solcher Klagen äußerst unsicher seien.1129 ___________ 1126
1127 1128 1129
Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 43, Rn. 44; Windbichler, Gesellschaftsrecht, 22. Aufl. 2009, S. 355 f.; Mertens, ZGR 1972, 254, 276 ff. Siehe auch Godin, AcP 141 (1935), 212, 223; Schwark, FS Raisch, 1995, S. 269, 288. Zum Meinungsstand m. w. N. Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 43, Rn. 59; a. A. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 142. BGH NJW 2006, 374 (Mangusta/Commerzbank II); zustimmend Bartels, ZGR 2008, 723, 735. BGHZ 83, 122, 127 (Holzmüller); bestätigt durch BGH NJW 2006, 374 (Rn. 16). Zur Zulässigkeit der Feststellungsklage auch schon ausführlich BGHZ 76, 191, 198 f.
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
1. Bestimmung der statthaften Klageart nach dem Begehr des Gesellschafters Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehr des Gesellschafters. Setzt er sich gegen Beeinträchtigungen durch Beschlüsse oder anderes aktives Tun der Geschäftsleitung zur Wehr, kommen Unterlassungs- und Feststellungsklagen in Betracht.1130 Geht seine Rechtsverletzung hingegen von unterlassenen Begünstigungen aus, kann er Leistungsklage auf Erbringung der gewünschten Leistung erheben. Bedarf er etwa bei vinkulierten Anteilen der Genehmigung zur Veräußerung und ist die Geschäftsleitung für deren Erteilung zuständig,1131 kann er auf positive Entscheidung klagen.1132 Auch für einen Anspruch auf Gleichbehandlung ist die Leistungsklage statthaft.1133
2. Zweifelsfragen bei Schadensersatzforderungen im Wege der Leistungsklage Ist hingegen durch den Eingriff in die Rechtsstellung bereits ein Schaden eingetreten, ist grundsätzlich die Leistungsklage, gerichtet auf dessen Ersatz, statthaft. Anspruchsgrundlage ist § 823 I BGB, da die Mitgliedschaft als geschütztes Rechtsgut anerkannt ist.1134 Daneben kommen § 823 II BGB i. V. m. einem Schutzge___________ 1130
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Dazu nochmals der Hinweis auf BGHZ 83, 122, 126 (Holzmüller); BGH NJW 1997, 2815, 2816 (Siemens/Nold); Bayer, NJW 2000, 2609, 2611; v. Gerkan, ZGR 1988, 441, 442; Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 23, Rn. 66. Zur Zuständigkeitsordnung bei der Zustimmung zu einer Anteilsveräußerung unter § 10 A. II. 2. Bezogen auf den Anspruch auf Gleichbehandlung Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 76: Wurde einem Gesellschafter gestattet, seine vinkulierten Namensaktien zu veräußern, kann auch ein anderer Gesellschafter eine entsprechende Genehmigung verlangen, sofern keine sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung sprechen. Unabhängig davon kann der Gesellschafter jedoch auch eine rechtmäßige Entscheidung zu seinem Veräußerungsansinnen einklagen, wenn die Gesellschaft diese verweigert. Bei Verstößen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz kann der Gesellschafter, dessen Recht auf Gleichbehandlung verletzt wurde, gegen die Gesellschaft einen Anspruch auf Wiederherstellung der Gleichbehandlung geltend machen, etwa BGH GmbHR 1972, 224, 225 f.; BGH NJW 1960, 2142, 2143 (für Genossenschaft); Bayer, NJW 2000, 2609, 2611. RGZ 158, 248, 255; BGHZ 110, 323, 327 f. und 334 f. = NJW 1990, 2877 (2878); Bayer, NJW 2000, 2609, 2611; Habersack, DStR 1998, 533, 534; K. Schmidt, JZ 1991, 157, 158 f.; ders., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 651 f. A. A. Zöllner, ZGR 1988, 392, 429, wonach die Besonderheit, dass die einzelnen Rechtspositionen gerade erst durch das Verbandsrecht gekürt werden, einen deliktischen Schutz im Innenverhältnis ausschließt. Hingegen scheidet ein Schadensersatzanspruch wegen Eingriffs in den nach § 823 I BGB geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb jedenfalls bei Kapitalgesellschaftern aus, da nur die Gesellschaft Inhaberin des Gewerbebetriebs ist, nicht jedoch die Gesellschafter, deren Beteiligung als reine Vermögensverwaltung qualifiziert wird, so die ständige Rechtsprechung, siehe für die GmbH BGH ZIP 2006, 317 (Rn. 91); BGHZ 133, 71, 78; BGHZ 133, 220, 223; BGH ZIP 2006, 68, 69; a. A. für den GmbH-Gesellschafter OLG München NJWRR 1991, 928, 929.
C. Die Rechtsbehelfe gegen fehlerhaftes Verwaltungshandeln
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setz1135 und evtl. gar § 826 BGB in Betracht.1136 Streitig ist dabei, ob dieser deliktische Schutz allein dann zum Zuge kommen soll, wenn sich die Maßnahme gegen den rechtlichen Bestand der Mitgliedschaft richtet,1137 oder hierfür schon eine Entwertung der Mitgliedschaft ausreicht.1138 Die von der ersten Ansicht geäußerte Sorge, die Wertungen des BGB, wonach reine Vermögensschäden im Deliktsrecht nur unter erhöhten Voraussetzungen ersatzfähig sind, würden ausgehebelt, ist nur insoweit begründet, wie ausschließlich deliktische Ansprüche des Aktionärs gegen den Anspruchsgegner bestehen. Das soll mangels einer Sonderbeziehung im Verhältnis von Vorstand und Aktionären gelten, wenn der Aktionär unmittelbar gegen den Vorstand im Wege der Individualklage vorgeht.1139 Diese Bedenken beziehen sich jedoch nur auf den Fall, dass der Aktionär gegen den Vorstand persönlich vorgeht (dazu noch unter III. 2.). Sie sind hingegen nicht einschlägig, wenn er Schadensersatz von der Gesellschaft fordert, weil ihr das Vorstandshandeln nach § 31 BGB zuzurechnen ist und infolgedessen die Gesellschaft zum Ersatz des durch den Eingriff in die Mitgliedschaft entstandenen Schadens verpflichtet ist.1140 Im Verhältnis von Aktionär und Gesellschaft ist die Sonderbeziehung anerkannt,1141 so dass eine Verletzung der in dieser Sonderbeziehung bestehenden Pflichten zu einem Schadensersatzanspruch nach § 280 I BGB und damit zum Ersatz reiner Vermögensschäden führen kann. Dies wird auch von der ersten Ansicht nicht geleugnet.1142 Die Bedenken sind daher nicht stichhaltig, und im Grundsatz kann der Aktionär jeden durch einen unmittelbaren Eingriff in seine Mitgliedschaft ausgelösten Schaden von der Gesellschaft fordern.1143 Auch können diese Grundsätze auf alle Gesellschaftsformen ausgedehnt werden und daher für ___________ 1135 1136
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1139 1140 1141 1142 1143
Etwa § 133 I 1 AktG bei fehlerhaften Auskünften, siehe zum Meinungsstand Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 131, Rn. 152. Da es sich bei den deliktsrechtlichen Bestimmungen um offene Tatbestände handelt, bedarf es ihrer Ausformung, etwa durch verfassungsrechtliche Grundsätze als allgemeine Werteordnung im Sinne der unter § 3 B. dargestellten Verfassungsrechtsprechung. Die als Rechtsgut geschützte Mitgliedschaft kann daher, wiederum als allgemeiner Rechtsbegriff, durch die verfassungsrechtlichen Wertungen, die unter § 3 D. II. herausgearbeitet wurden, ausgefüllt und daher der oben als Schutzbereich gekennzeichnete Schutzumfang auch hier zugrunde gelegt werden. Dieser Ansicht LG Bonn, AG 2001, 484, 485; Hopt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1999, § 93, Rn. 471; abgeschwächt K. Schmidt, JZ 1991, 157, 159: die in der Mitgliedschaft zusammengefassten Herrschafts-, Teilhabe- und Vermögenszuständigkeiten müssen beseitigt oder verkürzt werden. Ausreichend nach Mertens, in: KölnerKomm.-AktG, Band 2, 2. Aufl. 1996, § 93, Rn. 174, 192; ders., FS R. Fischer, 1979, S. 461, 471 f.; i. E. auch Habersack, Die Mitgliedschaft, subjektives und „sonstiges Recht“, 1996, S. 261 f. Hopt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1999, § 93, Rn. 471. BGH NJW 2006, 374, 375 (Mangusta/Commerzbank II); BGHZ 110, 323, 327; BGHZ 83, 122, 126 und 134 (Holzmüller); Zöllner, ZGR 1988, 392, 432. Siehe etwa BGHZ 110, 323, 334. Ausdrücklich Hopt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1999, § 93, Rn. 473. Vgl. für Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz Zöllner, ZGR 1988, 392, 405. Zu den mittelbaren Schäden unter III.
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
alle Eingriffe von Seiten der Geschäftsführung in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters gelten.
3. Die Klagebefugnis des Gesellschafters Streitig ist zudem, welchen Anforderungen die Klagebefugnis des Gesellschafters bei diesen Rechtsbehelfen genügen muss, insbesondere wann bei der Feststellungsklage nach § 256 ZPO von einem Feststellungsinteresse des Gesellschafters auszugehen ist. Die Alternativen lauten, die mögliche Verletzung eines subjektiven, durch die Mitgliedschaft vermittelten Rechtes zu fordern oder sich schon mit einer möglichen objektiven Pflichtverletzung durch das Management zu begnügen. Für letzteres spricht der Vergleich mit der Anfechtungsklage, die an keine weiteren Voraussetzungen als die des § 245 AktG gebunden ist und gerade keine subjektive Beschwer des klagenden Aktionärs voraussetzt. Außerdem ist die Geschäftsleitung wie alle übrigen Gesellschaftsorgane verpflichtet, sich gesetzesund satzungsmäßig zu verhalten. Diese Verpflichtung besteht jedenfalls gegenüber der Gesellschaft, die ein entsprechendes Verhalten im Wege der Leistungsklage einfordern und bei Verletzung Schadensersatzansprüche gelten machen kann. Wie schon oben angesprochen, geht die überwiegende Ansicht davon aus, dass diese Pflicht nur der Gesamtheit der Gesellschafter, nicht dem Individuum geschuldet ist. Das Argument lautet, die Gefahr, dass die Geschäftsführung im Prozess unternehmensinterne Entscheidungsgründe preisgeben müsste, bedinge es, hohe Anforderungen an die Klagebefugnis zu stellen.1144 Außerdem werde die gesetzlich vorgesehene Kompetenzverteilung gestört und die Gefahr versuchter Einflussnahme durch den einzelnen Gesellschafter erhöht, wenn der einzelne Gesellschafter im eigenen Namen von der Geschäftsführung ein bestimmtes Verhalten einfordern könnte.1145 Die Gegenansicht führt an, der einzelne Gesellschafter habe seinen Kapitaleinsatz der Verwaltung durch die Gesellschaftsorgane nur unter der Voraussetzung unterstellt, dass diese unter Beachtung ihrer Pflichten darüber verfügten.1146 Daraus sei zu folgern, dass sie auch ihm gegenüber eine entsprechende Pflicht besäßen und ohne weitere Voraussetzungen ein gesetz- und satzungsmäßiges Handeln der Geschäftsführung eingeklagt werden könne.1147 Der Streit ist im Sinne der schon oben vertretenen Differenzierung aufzulösen: Die Geschäftsleiterpflichten bestehen regelmäßig im Gesamtinteresse aller Gesell___________ 1144 1145
1146 1147
So jedoch Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, 361. BGH NJW 2006, 374, 375 (Mangusta/Commerzbank II); BGHZ 159, 30, 43 (Gelatine); Bayer, NJW 2000, 2609, 2611; Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, 361 f.; KnobbeKeuk, FS Ballerstedt, 1975, S. 239, 253, die daraus ableitet, dass die Klagebefugnis auf die Fälle faktischer Satzungsänderung durch die Geschäftsführung beschränkt ist; Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 354; K. Schmidt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 243, Rn. 49; Zöllner, ZGR 1988, 392, 398. Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt, 1975, S. 248. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 314 ff.; Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1997, S. 613 ff.
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schafter. Einer Verletzung der Geschäftsleiterpflichten, etwa dadurch, dass sie mit Duldung der Mehrheit die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ignorieren,1148 muss daher über eine altruistische Klage im Gesellschaftsinteresse begegnet werden. Dies ändert sich, wenn ein Gesellschafter in einer Sondersituation betroffen ist, die sich von der aller übrigen oder einzelner anderer Gesellschafter, regelmäßig der Mehrheit, unterscheidet. Dies sind die Fälle, in denen das Geschäftsleiterhandeln einen Eingriff in die Mitgliedschaft darstellt. Zulässigkeitsvoraussetzung einer Gesellschafterklage muss es daher sein, dass der klagende Gesellschafter geltend machen kann, durch das Verhalten der Geschäftsleitung in seiner Rechtsstellung betroffen zu sein.1149 Dies entspricht auch der jüngsten Rechtsprechung des BGH zur Feststellungsklage des Aktionärs. Nochmals sei darauf hingewiesen, dass er das Feststellungsinteresse aus der Verletzung individueller Mitgliedschaftsrechte, insbesondere der Mitverwaltungs- und Vermögensrechte, ableitet.1150 Dieses Zwischenergebnis führt zu der weiteren Frage, welche Qualität die Beeinträchtigung aufweisen muss. Wird etwa nur eine undifferenzierte Berufung auf die Mitgliedschaft verlangt, kommt dies einer umfassenden objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle gleich.1151 Daher ist von dem Gesellschafter zu fordern, dass er substantiiert vorträgt, durch einen Eingriff in seiner durch Art. 14 GG geschützten Rechtsstellung beeinträchtigt zu sein.1152 Dabei gelten die allgemeinen, unter § 3 entwickelten Grundsätze, wonach sich der Gesellschafter auf alle von der Mitgliedschaft umfassten Verwaltungs- und Vermögensrechte berufen kann, und zwar jedenfalls insoweit, als er durch das Verhalten der Geschäftsführung unmittelbar betroffen ist. Die nur mittelbaren Beeinträchtigungen werfen demgegenüber weitere Probleme auf, die sogleich (unter III.) näher zu untersuchen sein werden. Für die Klageerhebungsfrist können die für die Anfechtungsklage bei der GmbH entwickelten Grundsätze herangezogen werden.1153 Danach gilt eine auf den Verwirkungsgedanken gegründete Ausschlussfrist, die zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem der Gesellschafter von den anfechtungsrelevanten Umständen Kenntnis erlangen konnte und ihm eine Kenntnisnahme zumutbar war. Aus der Treuepflicht folgt die Verpflichtung, die Gesellschaft und die Mitgesellschafter nicht über Gebühr über die Anfechtungsabsicht im Unklaren zu lassen.1154 Damit ___________ 1148 1149 1150
1151 1152
1153 1154
Zu dieser Problematik näher Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt, 1975, S. 248. So auch Habersack, DStR 1998, 533, 534 f. BGH NJW 2006, 374, 375; siehe auch schon BGH NJW 1982, 1703, 1705 (Holzmüller): „Die Klagebefugnis des Aktionärs beruht vielmehr darauf, daß er, wie hier, geltend macht, durch eine unzulässige Ausschaltung der Hauptversammlung in seiner eigenen Mitgliedsstellung betroffen zu sein“. Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, 363; Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 354. Bayer, NJW 2000, 2609, 2611: rechtswidriger Eingriff in die Rechte und Interessen der Aktionäre, nicht der AG als solche; Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, 363; vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 651. Siehe dazu unter § 5 B. II. So i. E. auch Bayer, NJW 2000, 2609, 2611, wonach die Klagen nach dem Rechtsgedanken des § 246 AktG innerhalb angemessener Frist geltend zu machen sind und als Ausfluss der
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
dürfte auch den Vorgaben des BGH genügt sein, der fordert, der Aktionär müsse einen Anspruch ohne unangemessene Verzögerung geltend machen, was sich aus dem Grundsatz ergebe, dass der Aktionär bei rechtswidrigem Verwaltungshandeln seine Rechte nicht unter Verletzung der Rücksichtnahmepflicht gegenüber der Gesellschaft missbräuchlich ausüben dürfe.1155
III. Die Geltendmachung mittelbarer Schäden durch den Gesellschafter Problematisch bleibt die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gesellschafter nicht nur den unmittelbar in seiner Person entstandenen Schaden, sondern auch den bloßen Reflexschaden, der auf eine Schädigung der Gesellschaft zurückgeht und sich für den Gesellschafter nur im Wege einer Entwertung seiner Beteiligung auswirkt, geltend machen kann. Auch dazu ist wiederum auf die Pflichtbindungen zurückzukommen.
1. Bestimmung der relevanten Eingriffe anhand der Abgrenzung von Sorgfalts- und Treuepflichten Schädigt die Geschäftsleitung das Gesellschaftsvermögen und hierdurch nur mittelbar die Mitgliedschaft, kommt ein Anspruch des Gesellschafters überhaupt nur in Betracht, wenn eine ihm gegenüber bestehende Pflicht verletzt wird. Die eben zu den unmittelbaren Eingriffen vertretene Differenzierung scheidet bei mittelbaren Eingriffen nunmehr jedoch aus, da eine Sondersituation des einzelnen Gesellschafters bei Schädigungen der Gesellschaft nicht bestehen kann. Hieraus lässt sich die Folgerung ableiten, dass Ansprüche des Gesellschafters gänzlich ausscheiden.1156 Diesen Standpunkt scheint der BGH zu vertreten. In einer Entscheidung bejahte das Gericht einen Anspruch des Gesellschafters gegen den Geschäftsführer wegen mittelbarer, da primär im Vermögen der Gesellschaft eingetretener Schäden nur unter der Voraussetzung, dass zwischen den Parteien unmittelbare Rechtsbeziehungen bestanden, gegen die der Schädiger in einer seine Haftung begründenden Weise verstoßen hatte.1157 Im Allgemeinen sei ein Gesellschafter nicht befugt, den Schaden, den ein Dritter und daher auch ein Geschäftsführer der GmbH zugefügt habe, als eigenen geltend zu machen. Anders liege es aber, wenn ein Geschäftsführer durch sein unrechtmäßiges Handeln zum Schaden der Gesellschaft zugleich eine Rechtspflicht verletzt habe, die er aufgrund beson___________ 1155 1156 1157
mitgliedschaftlichen Stellung dem allgemeinen Vorbehalt der Treuepflicht unterliegen; auch Zöllner, ZGR 1988, 392, 432. BGH NJW 2006, 374, 376 f. I. E. LG Bonn AG 2001, 484; Bayer, NJW 2000, 2609, 2611; Habersack, Die Mitgliedschaft – subektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 206. BGH ZIP 1982, 1203.
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derer gesellschafts- oder schuldrechtlicher Beziehungen gegenüber dem mitbetroffenen Gesellschafter zu beachten habe. Dann könne auch dieser Gesellschafter berechtigt sein, den Schädiger im eigenen Namen, aus eigenem Recht und in seinem wie auch im Interesse der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen.1158 Von einer solchen Rechtspflicht ging das Gericht in dem entschiedenen Fall, in dem sich die Geschäftsführer an dem Gesellschaftsvermögen bereichert hatten, jedoch nicht schon wegen eines Verstoßes gegen die Treuepflicht aus. Vielmehr sprach der BGH den Anspruch deshalb zu, weil sich die Geschäftsführer zuvor in einem gerichtlichen Vergleich auch gegenüber dem klagenden Gesellschafter dazu verpflichtet hatten, nur mit seiner Zustimmung Beträge über die festgesetzten Geschäftsführervergütungen hinaus aus der Gesellschaftskasse zu entnehmen.1159 Eine derart restriktive Haltung lässt jedoch die Unterschiede bei der Kategorisierung der Geschäftsleiterpflichten unberücksichtigt. Ausgehend von den obigen Ausführungen stellt die der Geschäftsleitung obliegende Sorgfaltspflicht (duty of care) eine Pflicht zu ordentlicher Geschäftsführung im Gesamtinteresse der Gesellschaft dar. Allein die Gesellschaft sollte daher diese Pflicht einfordern können. Hingegen nimmt die Treuepflicht (duty of loyalty) die Interessen der einzelnen Akteure in der Gesellschaft stärker in den Blick. Auch betrifft sie nicht die bloßen „Kunstfehler“ der Geschäftsleitung, die sich als Investitionsrisiko des Gesellschafters einordnen lassen, sondern eigennütziges Verhalten und damit außergewöhnliche Vorgänge. Daher scheint eine Unterscheidung nach Sorgfalts- und Treuepflicht angemessen: Verletzt die Geschäftsleitung die Treuepflicht, verstößt sie nicht nur gegen die gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber den Gesellschaftern bestehenden Pflichten.1160 Soweit sich hierdurch der Wert der Beteiligung vermindert, stellt der Pflichtverstoß einen mittelbaren Eingriff in die Mitgliedschaft dar. Dieser ist nach den unter § 3 entwickelten Grundsätzen auch rechtswidrig, da sich die Geschäftsleitung bei Treuepflichtverstößen gerade außerhalb der Gesellschaftsinteressen bewegt und ohnehin nicht berechtigt ist, Eigeninteressen wahrzunehmen. Dem Gesellschafter steht daher im Ansatz ein eigener Anspruch gegen die Geschäftsleitung zu. ___________ 1158 1159
1160
So nahezu wörtlich BGH ZIP 1982, 1203, 1204. BGH ZIP 1982, 1203, 1204. Ganz stringent ist die BGH-Rechtsprechung jedoch nicht, da durchaus Anklänge zu finden sind, die auf eine auch dem Gesellschafter geschuldete Pflichtbindung schließen lassen. Siehe BGH ZIP 1985, 1137, 1138, wonach der Verzicht auf einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Geschäftsführungspflichten gleichzeitig einen Eingriff in gesellschaftsvertragliche Rechte des einzelnen Gesellschafters bedeuten soll. Dies legt den Schluss nahe, dass der Schadensersatzanspruch selbst auch schon dem einzelnen Gesellschafter zugestanden haben kann. Auch BGH NJW 1987, 1077, 1078; LG Hamburg AG 1998, 432, 433, enthalten Anklänge, die einen Anspruch des Gesellschafters wegen Verletzung der Pflichtbindung durch die Geschäftsleitung nahe legen. Weiter einschränkend Mertens, in: KölnerKomm.-AktG, Band 2. 2. Aufl. 1996, § 93, Rn. 170 f.; ders., FS R. Fischer, 1979, S. 461, 474, wonach nur Ansprüche nach § 266 StGB i. V. m. § 823 II BGB und nach § 826 BGB von den Aktionären geltend gemacht werden können, und zwar gerichtet auf Leistung an die Gesellschaft.
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2. Ausgleich in das Gesellschaftsvermögen bei Doppelschäden Das führt zu der weiteren Frage, wie die Doppelschäden zu behandeln sind, die dadurch entstehen, dass durch das rechtswidrige Handeln der Geschäftsleitung ein Schaden im Vermögen der Gesellschaft sowie reflexartig durch Wertverluste der Beteiligung beim Gesellschafter entsteht. Ein Anspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft scheidet aus: Dürfte der Gesellschafter seinen Schaden liquidieren, müsste die Gesellschaft ihm diesen ersetzen, soweit ihr das Verhalten der Geschäftsleitung nach § 31 BGB zugerechnet werden kann, und würde dadurch den eigenen Schaden noch vertiefen, der dann wiederum in einem zweiten Schritt bei der Geschäftsleitung eingeklagt werden müsste. In Betracht kommt jedoch, dass der Gesellschafter seinen Schaden unmittelbar gegen die Geschäftsführung einklagt.1161 Ob dafür, wie von der h. M. vertreten, als Anspruchsgrundlagen nur §§ 823 I, 826 BGB in Betracht kommen, hängt davon ab, ob jede Sonderbeziehung zwischen Gesellschafter und Geschäftsleitung verneint wird.1162 Ob die Geschäftsleitung mit Gesellschaftern besetzt ist, ist dabei nicht entscheidend, da diese nicht in ihrer Funktion als Mitgesellschafter, sondern als Verwaltungsorgane der Gesellschaft in Anspruch genommen werden.1163 Für eine Sonderbeziehung spricht jedoch, dass nach hier vertretener Auffassung die duty of loyalty der Geschäftsleitung auch gegenüber den Gesellschaftern besteht und daher diesen gegenüber verletzt werden kann, so dass auch ein Anspruch aus § 280 I BGB bestehen kann. Die praktisch ungleich wichtigere Feststellung lautet jedoch, dass der Geschäftsführer nicht zweimal in Anspruch genommen werden kann, da der Schaden nicht doppelt entsteht, sondern sich nur mittelbar im Vermögen der Gesellschafter bemerkbar macht. Bei Zahlung an die Gesellschafter würde sich der Schaden der Gesellschaft zu einem dauerhaften Vermögensentzug verfestigen und einer Einlagenrückgewähr an den Gesellschafter gleichkommen. Der Klageausschluss in § 117 I 2, II AktG wegen mittelbarer Schäden des Aktionärs1164 bringt daher zu Recht den allgemeinen Grundsatz der Naturalherstellung zum Ausdruck, wonach
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So i. E. auch Gerkan, ZGR 1988, 441, 443. So BGHZ 83, 122, 134 = NJW 1982, 1703, 1706 (Holzmüller); Gerkan, ZGR 1988, 441, 447 f. Davon hängt es ab, ob die oben angeführten Bedenken einschlägig sind, dass es entgegen der Wertungen des BGB zu einem Ersatz reiner und entfernter Vermögensschäden kommen könnte, siehe Hopt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1999, § 93, Rn. 471. Dazu nochmals der Hinweis auf BGH ZIP 1982, 1203, 1204, worin der BGH ausnahmsweise von einer Sonderbeziehung ausging, wenn sich die Geschäftsführer gegenüber dem klagenden Gesellschafter verpflichtet hatten, nur mit seiner Zustimmung Beträge über die festgesetzten Geschäftsführervergütungen hinaus aus der Gesellschaftskasse zu entnehmen. Siehe dazu auch Habersack, Die Mitgliedschaft – subektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 202; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 43, Rn. 41; Raiser, ZHR 153 (1989), 1, 25 f. Dazu BGHZ 94, 55, 58 = NJW 1985, 1777, 1778; Gerkan, ZGR 1988, 441, 443.
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ein Schadensausgleich zwingend in das Vermögen der Gesellschaft stattfinden muss.1165 Hieraus folgt, dass der Gesellschafter aus eigenem Recht nur auf Zahlung an die Gesellschaft klagen darf. Relevant wird dies vor allem, wenn die zuständigen Organe untätig bleiben und daher die Gefahr besteht, dass der Schaden der Gesellschaft nicht ausgeglichen wird.1166 Die h. M. in der Literatur sieht das konstruktiv anders. Nach ihr liegt kein Eingriff in die Rechtsstellung des Gesellschafters vor, so dass der Gesellschafter auch nicht aus eigenem Recht klagen kann. Im praktischen Ergebnis sind die Unterschiede jedoch gering, da nach dieser Ansicht in der GmbH und den Personengesellschaften auf die Grundsätze über die actio pro socio zurückzugreifen ist, wonach der Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen den Anspruch der Gesellschaft als Prozessstandschafter einklagen darf.1167
3. Besonderheiten in der Aktiengesellschaft In der Aktiengesellschaft gelten hiervon abweichende Besonderheiten. Die Gesellschafter- und Minderheitsklage finden sich in §§ 147 f. AktG. In § 147 I AktG ist das Klageerzwingungsrecht der Aktionäre durch Sonderbeschluss mit einfacher Mehrheit geregelt.1168 ___________ 1165
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Zu diesem Grundsatz BGH NJW 1987, 1077, 1079 f.; BGH NJW 1987, 3121, 3122; BGH NJW 1985, 1900; BGH NJW 1985, 1777, 1778 (auch zu einer Ausnahme); BGH WM 1987, 425; Baums, ZGR 1987, 554, 558; Gerkan, ZGR 1988, 441, 446; Martens, ZGR 1972, 254, 279 f.; Kropff, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Band II, 1973, § 117, Rn. 38; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Band II, 1973, § 93, Rn. 97; Hachenburg/Mertens, GmbHG, Band II, 8. Aufl. 1992, § 43 Rdnr. 103; ders., FS R. Fischer, 1979, S. 461, 474 f.; Windbichler, Liber Amicorum Buxbaum, 2000, S. 617, 623; Winter, ZHR 148 (1984), 579, 596. Zu einer Übersicht über den Meinungsstand auch Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, 1998, S. 104–108. BGH ZIP 1982, 1203, 1204: Schadensersatzansprüche der GmbH können von einem Gesellschafter verfolgt werden, „(. . .) wenn eine Schadensersatzklage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse in der Gesellschaft so erschwert ist, daß es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, müßte er die Gesellschaft erst zu einer Haftungsklage zwingen.“ So auch LG Hamburg AG 1998, 432, 433 (n. rkr., OLG Hamburg AG 1999, 380 hat in diesem Punkt nicht widersprochen). Zu den Grundsätzen der actio pro socio BGH NJW 1990, 2627; OLG Köln NJW-RR 1994, 616; zu ihrer Anerkennung und Anwendung in der GmbH, darunter teilweise auch zu ihrer Anwendung auf Ansprüche der GmbH gegen Geschäftsführer, BGH NJW 1990, 2627, 2628; OLG Köln, GmbHR 1993, 816; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 173; OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 689, 695 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 13, Rn. 26 ff.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 46, Rn. 161; Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 123; Berger, ZHR 149 (1985), 599, 606; Eickhoff, Die Gesellschafterklage im GmbH-Recht, 1988, S. 33 ff.; Kort, DStR 2001, 2162, 2163; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 459–462; Roitzsch, Der Minderheitsschutz im Verbandsrecht, 1981, S. 164–169. Hölters, FS Wiedemann, 2002, S. 975, 977.
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Um der Gefahr zu begegnen, dass das zuständige Gesellschaftsorgan die Durchsetzung der Ansprüche der Gesellschaft nicht ordnungsgemäß betreibt, bestellt ein Gericht nach § 147 II 2 AktG auf Antrag einer Minderheit von 10% des Grundkapitals (oder 1 Mio. €) besondere Vertreter, wenn ihm dies zweckmäßig erscheint, wobei es dabei nur auf die sachgerechte Verfolgung des Anspruchs ankommt, nicht auf die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits.1169 § 148 I AktG erlaubt Anträge der Aktionäre auf Zulassung zur Rechtsverfolgung im eigenen Namen, wenn ein solcher Antrag von Aktionären, deren Anteile im Zeitpunkt der Antragstellung zusammen 1% des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000 Euro erreichen, gestellt wird. Daraus wird gefolgert, dass das Aktienrecht die innere Zuständigkeitsordnung für Klagen gegen Verwaltungsorgane umfassend und die Klagebefugnisse einer Minderheit abschließend geregelt hat. Klagen eines einzelnen Aktionärs gegen den Vorstand oder Aufsichtsrat mit dem Ziel, Ansprüche der Gesellschaft einzufordern, etwa im Wege einer actio pro socio, sollen daher de lege lata ausgeschlossen sein.1170 Diese h. M. beruht freilich, wie soeben unter 2. dargestellt, auf der Annahme, dass dem Aktionär bei nur mittelbarer Schädigung keine eigenen Ansprüche gegen den Vorstand zustehen, sondern er allenfalls Ansprüche der Gesellschaft einklagen kann. Dem wird man trotz der abweichenden Anspruchskonstruktion beitreten müssen. § 117 I 2 AktG bringt zum Ausdruck, dass Klagen des Aktionärs nur bei über den Schaden der Aktiengesellschaft hinausgehenden Schäden zugelassen sein sollen. Außerdem geht aus §§ 147 f. AktG hervor, dass auch in den Fällen der Doppelschäden die Klage auf Zahlung an die Gesellschaft als Minderheits-, nicht als Individualrecht ausgestaltet ist. Diese Wertung ist unabhängig davon zu beachten, ob der Aktionär zum Schutzadressaten der Pflichtbindungen der Verwaltungsor___________ 1169
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KG NZG 2005, 319; OLG Frankfurt a. M. NZG 2004, 95, 96; Hölters, FS Wiedemann, 2002, S. 975, 985; Winter, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2003, 2004, S. 457, 461. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 641; Hölters, FS Wiedemann, 2002, S. 975; Hopt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1999, § 93, Rn. 469; Zöllner, ZGR 1988, 392, 408; mit Ausnahmen Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93, Rn. 19; Mertens, in: KölnerKomm.-AktG, Band 2, 2. Aufl. 1996, § 93, Rn. 169; in der Essenz auch Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 356; Bayer, NJW 2000, 2609, 2612; Habersack, DStR 1998, 533. Siehe die beiden Letzteren auch zu dem Hinweis darauf, dass die Problematik dem Gesetzgeber im Vorfeld der Aktienrechtsreform von 1998 bekannt war und dieser mit dem neu geschaffenen § 147 III AktG (Art. 1 Nr. 20 KonTraG-E, abgedruckt in ZIP 1997, 2059, 2065) die Aktionärsklage im Gesellschaftsinteresse weiterhin von einem Minderheitsquorum abhängig gemacht hat. Dort auch zur Ausnahme im Konzernrecht, der Prozessstandschaft nach §§ 309 IV 1, 2, 310, 317 IV, 318 IV AktG. Nur bedingt hilft es, dass Aktionäre aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gehalten sein können, einen Beschluss über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen zu unterstützen, siehe dazu K. Schmidt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 243, Rn. 50, da hierzu ein weiterer, höchst aufwendiger Prozess geführt werden muss. Zu einem weiteren Argument, wonach in § 179 a AktG zum Ausdruck komme, dass Verschlechterungen im Gesellschaftsvermögen keinen Eingriff in die Mitgliedschaft darstellen, siehe Habersack, AG 2005, 137, 146.
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gane gezählt wird. Nur im Konzernrecht sieht das Gesetz in §§ 309 f., 317 f. AktG eine Ausnahme vor, indem es jeweils in Abs. 4 dieser Vorschriften dem einzelnen Aktionär ein Klagerecht gegen die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens, gerichtet auf Zahlung an die Gesellschaft, zugesteht. Zugleich ist diese Gesetzeskonzeption höchst zweifelhaft. Dahinter steht die Annahme, dass die Wahrung der Interessen der Gesellschaft durch die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates sichergestellt wird und daher den Aktionären eine untergeordnete Funktion eingeräumt werden kann.1171 Nach Berichten aus der Praxis fehlt diesem Konzept jedoch die erhoffte Effizienz. Von einem Organ gegen das andere erhobene Klagen existieren im Aktienrecht kaum, da Aufsichtsrat und Vorstand regelmäßig gleichermaßen Pflichtverletzungen anzulasten sind (so lässt sich vermuten, dass der Aufsichtsrat bei ausreichender Sorgfalt die Pflichtverletzung des Vorstands frühzeitig hätte erkennen können). Hinzu kommt, dass sie sich zumindest in den großen DAX-Unternehmen wegen der gängigen Überkreuzvergabe der Ämter ohnehin wohlgesonnen sind. Außerdem sind die institutionellen Anleger ihrerseits regelmäßig im Aufsichtsrat vertreten, oder es sitzen Vorstandsmitglieder der Gesellschaft in den Aufsichtsräten dieser Aktionäre.1172 Daher erscheint Abhilfe geboten, die allerdings nur de lege ferenda möglich ist. Dazu wird vorgeschlagen, jedem Aktionär die Klagebefugnis zuzugestehen, im Weg der abgeleiteten Klage Ansprüche der Aktiengesellschaft gegen Vorstand und Aufsichtsrat geltend machen zu können.1173 Angesichts der skizzierten Situation ist dem zuzustimmen. Da die Rechtmäßigkeitskontrolle im Aktienrecht nicht von einem staatlichen Aufsichtsorgan wahrgenommen wird, sondern privat organisiert ist, muss sichergestellt sein, dass Schäden durch privatrechtliche Initiative ausgeglichen werden können. Die Schwellenwerte des § 148 AktG stellen hierfür ___________ 1171
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Der Aufsichtsrat besitzt nach BGH NJW 1997, 1926, 1927 (ARAG) die Pflicht, Schadensersatzansprüche der AG gegen den Vorstand durchzusetzen. Dazu etwa Habersack, DStR 1998, 533, 534. So die Argumentation von Bayer, NJW 2000, 2609, 2612; siehe auch Müller, ZvglRWiss 96 (1997), 217, 220 und 239; Sünner, ZHR 163 (1999), 364, 366. Im Gegensatz dazu betont Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 178, dass Minderheitsaktionäre mit geringer Beteiligung nur allzu leicht vom Management geködert werden können. Professionelle Anleger hingegen könnten sachfremde Versüßungen oder Drohungen des Vorstands leichter auf ihre Stichhaltigkeit und Auswirkungen hin beurteilen als dies bei Kleinanlegern der Fall sei, da diese weniger in Informationen über die Gesellschaft investieren. Das mag richtig sein, stützt jedoch nur die hier vertretene Lösung: Die institutionellen Anleger werden ihre Interessen vornehmlich in der Hauptversammlung wahrnehmen, insbesondere bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder. Die Kleinaktionäre sind hingegen entscheidend auf ihre prozessualen Möglichkeiten angewiesen. Zum Sachstand auch Winter, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2003, 2004, S. 457, 461, 463. Unter Hinweis auf die Funktion des Aufsichtsrates dezidiert gegen Klagerechte des Aktionärs Habersack, DStR 1998, 533, 534. Bayer, NJW 2000, 2609, 2618 f.; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 300, 320 und 329 ff. Müller, ZvglRWiss 96 (1997), 217, 240, fordert die Absenkung der Beteiligungsschwelle, kombiniert mit einem richterlichen Vorverfahren. Entschieden gegen eine Ausweitung der Klagebefugnis Sünner, ZHR 163 (1999), 364, 372–374.
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
ein geradezu unüberwindliches Hindernis dar. Die danach klageberechtigten Aktionäre besitzen regelmäßig einen bereits zu gewichtigen Einfluss in der Aktiengesellschaft, insbesondere durch die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, um an einer Klageerhebung auch tatsächlich interessiert zu sein. Hinzu kommt, dass es sich häufig um institutionelle Anleger handelt, die mit der Aktiengesellschaft die beschriebene Vernetzung aufweisen. Es ist somit gerade der Kleinaktionär, dem die gewichtige Rolle im System des Privatklageverfahrens zukommt. Zugleich spricht die Aktionärsapathie dagegen, dass sich die erforderliche Anzahl an Kleinaktionären zusammenfindet, um gemeinsam vorzugehen.1174 Missbräuchlichem Verhalten könnte bei einer Individualklage wiederum dadurch vorgebeugt werden, dass in einem Freigabeverfahren summarisch die Prozesschancen, die Höhe des Schadens und die Lauterkeit des Aktionärs geprüft werden.1175 Die Diskussion läuft freilich in die entgegengesetzte Richtung, wie die Darstellung des Meinungsstandes zu potentiellen Beschränkungen der Anfechtungsklage unter § 5 gezeigt hat. Daher ist abschließend festzuhalten, dass es eine Klage des Gesellschafters auf Zahlung an die Gesellschaft im geltenden Aktienrecht nicht gibt und voraussichtlich auch in absehbarer Zeit nicht geben wird. D. Zusammenfassung
D. Zusammenfassung I. Rechtsschutz der Gesellschafter gegen das Geschäftsleiterhandeln ist nur lückenhaft vorhanden. Das ist nicht nur, aber vor allem in der GmbH wegen des weit reichenden Weisungsrechts der Gesellschafter im Beschlusswege problematisch, da die Mehrheit hierdurch über die Geschäftsleitung auf die Minderheit einzuwirken vermag. Bei unmittelbaren Eingriffen der Geschäftsleitung in die Rechtsstellung der Gesellschafter gelten die allgemeinen Grundsätze. Der Gesellschafter muss (nur) einen im Gesellschaftsinteresse gebotenen, erforderlichen und angemessenen Eingriff erdulden. Gegenüber den Gesellschafterbeschlüssen ergibt sich dabei die Besonderheit, dass die Geschäftsleitung strengen Pflichtbindungen unterliegt und der Gesellschafter allenfalls rechtmäßiges Geschäftsleiterhandeln hinnehmen muss. Wegen seiner treuhänderischen Stellung muss der Geschäftsleiter die Grundsätze der duty of care und duty of loyalty beachten. Während erstere sich dadurch auszeichnen, dass die Geschäftsleitung unternehmerische Fehlentscheidungen trifft, tritt bei letzterer neben die Nachteiligkeit der Maßnahme für die Gesellschaft hinzu, dass nicht die Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen im Vordergrund steht, sondern andere, mit der Treuhänderstellung nicht zu vereinbarende Motive. Entgegen der wohl h. M. im deutschen wie auch US-amerikanischen Recht ist der Gesellschafter jedenfalls insoweit in den Pflichtenkreis der Geschäftsleitung als Schutzobjekt einzubeziehen, wie er durch deren Maßnahme unmittelbar in seiner mitgliedschaftlichen Rechtsstellung betroffen ist. Die Rechtmäßigkeitsprüfung ___________ 1174 1175
Siems, ZvglRWiss 104 (2005), 376, 385 f. Siehe dazu die Darstellung unter § 5 A. III. 2.
D. Zusammenfassung
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orientiert sich an den unter § 3 entwickelten allgemeinen Grundsätzen: Die Maßnahme der Geschäftsleitung bedarf einer Rechtfertigung im Verbandsinteresse. Für die Gebotenheit der Maßnahme reicht ein legitimes Gesellschaftsinteresse aus, für die Erforderlichkeit, dass keine milderen Mittel in Betracht kommen. Die umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung erfolgt auf Abwägungsebene unter Einbeziehung der Interessen der betroffenen Gesellschafter. Ebenfalls den allgemeinen Grundlagen entsprechend, ist die business judgment rule als Ermessensspielraum, der im Interesse praktikabler Lösungen eine tiefgehende betriebswirtschaftliche Analyse durch die Gerichte vermeidet, anzuwenden. II. Der Kompetenzkonflikt zwischen Hauptversammlung und Vorstand stellt den Bereich dar, in dem wie in keinem anderen die Rechtmäßigkeit des Geschäftsleiterhandelns gegenüber den Gesellschaftern diskutiert wird. Die Grundsätze zu ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten werden aus drei BGH-Entscheidungen abgeleitet, Holzmüller, Gelatine und Macrotron. Neben dem von der Rechtsprechung geforderten Kriterium eines schweren Eingriffs in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung der Aktionäre bedarf es nach hier vertretener Auffassung eines weiteren Merkmals, um eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit zu begründen. Auch die Wertungen des Gesetzes müssen eine solche Kompetenz erkennen lassen, da die Hauptversammlungszuständigkeiten sonst uferlos wären. In den Holzmüller- und Gelatine-Konstellationen wird einerseits die durch die Beteiligung des Aktionärs vermittelte Vermögensstellung mittelbar so gravierend verschlechtert, dass dies eine Kompetenz der Hauptversammlung auslöst. Andererseits können die Wertungen des Umwandlungsrechts herangezogen werden, aus denen hervorgeht, dass die Gesellschafter über Maßnahmen der Vermögensverschiebung selbst bestimmen sollen. Bei Macrotron ist es die mit einem Wegfall der Börsennotierung verbundene Veränderung der Realstruktur der Gesellschaft, die einen gravierenden Eingriff in die Mitgliedschaft auslöst. Hinzu kommt die Wertung des Gesetzes, dass wesentliche Veränderungen der Grundlagen eine Kompetenzverlagerung begründen. Von dieser Kompetenzfrage sind die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsanforderungen an diesen Hauptversammlungsbeschluss zu unterscheiden. Dies löst eine Doppelprüfung aus, die auf erster Stufe nach dem Eingriff in die Hauptversammlungszuständigkeit als Bestandteil der Mitgliedschaft des Aktionärs, auf zweiter Stufe nach den Wirkungen des Beschlussgegenstands auf die Mitgliedschaft fragt. Ersteres löst die Kompetenz der Hauptversammlung aus, letzteres die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle anhand der allgemeinen, hier entwickelten Kriterien. Die vom BGH geforderte Abstimmungsmehrheit von ¾ des vertretenen Grundkapitals ist demgegenüber abzulehnen. III. Auch die gesetzlichen Regelungen zu Rechtsbehelfen der Gesellschafter gegen rechtswidriges Geschäftsleiterhandeln sind lückenhaft. Es bedarf daher der Anwendung der allgemeinen prozessualen Rechtsbehelfe, also Leistungsklage – vor allem in Form der Unterlassungsklage – und Feststellungsklage. Soweit der Gesellschafter wegen eines unmittelbaren Eingriffs in seine Rechtsstellung gegen die Gesellschaft klagt, unterliegen auch Schadensersatzforderungen keinen Einschrän-
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§ 6 Der Minderheitsschutz bei rechtswidrigem Geschäftsleiterhandeln
kungen. Im Rahmen der Klagebefugnis ist der substantiierte Vortrag zu fordern, dass der Gesellschafter durch einen Eingriff in seine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsstellung beeinträchtigt wurde. Dabei kann sich der Gesellschafter auf alle von der Mitgliedschaft umfassten Verwaltungs- und Vermögensrechte berufen. Problematisch ist, inwieweit der Gesellschafter auch mittelbare Schäden einklagen kann. Dabei handelt es sich um die bloßen Reflexschäden, die auf Schädigungen der Gesellschaft zurückgehen und sich für den Gesellschafter nur im Wege einer Entwertung seiner Beteiligung auswirken. Richtigerweise und entgegen der h. M. ist nach der Art der verletzten Pflicht zu unterscheiden. Verletzt die Geschäftsleitung die duty of loyalty, verstößt sie nicht nur gegen ihre gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber den Gesellschaftern bestehenden Pflichten. Soweit sich hierdurch der Wert der Beteiligung vermindert, stellt der Pflichtverstoß einen mittelbaren Eingriff in die Mitgliedschaft dar. Im Gegensatz dazu scheiden Ansprüche der Gesellschafter aus, wenn nur die gegenüber der Gesellschaft geschuldete duty of care verletzt wird. Hierdurch entsteht ein Folgeproblem. Soweit die Gesellschafter berechtigt sind, ihre mittelbaren Schäden geltend zu machen, vermögen sie einen Schaden, der unmittelbar der Gesellschaft entstanden ist, zu liquidieren. Klagen gegen die Gesellschaft scheiden aus, da hierdurch deren eigener Schaden noch vertieft würde. Vielmehr kommen nur unmittelbare Klagen gegen die Geschäftsleitung in Betracht. Diese sind regelmäßig auf Leistung an die Gesellschaft gerichtet, um eine Liquidierung an der Gesellschaft vorbei zu verhindern. Dabei handelt es sich entgegen h. M. nicht um eine actio pro socio, sondern um eine Klage im eigenen Namen aus eigenem Recht, da mit dem Verstoß gegen die duty of loyalty die auch unmittelbar gegenüber dem Gesellschafter bestehenden Pflichten verletzt wurden. In der Aktiengesellschaft stehen dem die rechtspolitisch zweifelhaften Vorschriften der §§ 117 I 2, 147 f. AktG entgegen.
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
A. Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters als Eingriffe in die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters Die bisherige Untersuchung hat sich auf Eingriffe in die Mitgliedschaft durch nachteilige Maßnahmen der Gesellschaft konzentriert. Die unter § 3 entwickelte Dogmatik wurde in den vorausgehenden Abschnitten auf Eingriffe durch Gesellschafterbeschlüsse und durch Maßnahmen der Geschäftsleiter angewandt. Davon unterschieden sich die Fälle, in denen dem Minderheitsgesellschafter kein Nachteil droht, sondern ein Vorteil vorenthalten wird. Ob auch damit Eingriffe in die Mitgliedschaft verbunden sein können, hängt davon ab, ob ein in der Mitgliedschaft wurzelnder Anspruch des Minderheitsgesellschafters auf diesen Vorteil besteht. Dazu ist die Verletzung von Interessenwahrungspflichten durch den Mehrheitsgesellschafter von typischen Investitionsrisiken abzugrenzen (unter I. und II.). Daneben sind es die Geschäfte des Mehrheitsgesellschafters, die sich nachteilig auf die Mitgliedschaft des Minderheitsgesellschafters auswirken können. Vertragsschlüsse zwischen dem Mehrheitsgesellschafter und der Gesellschaft bringen die Gefahr mit sich, dass der Gesellschafter Konditionen zugestanden bekommt, die einem Drittvergleich nicht standhalten. Hier geht es erneut, wie schon im Zusammenhang mit dem Handeln der Geschäftsleitung, um die mittelbaren Schäden des Minderheitsgesellschafters, die sich nur über eine Verminderung des Gesellschaftsvermögens bei diesem auswirken (unter III.). Da es sich um die Untersuchung spezifischer Konstellationen handelt, könnte sie auch dem Besonderen Teil zugeordnet werden. Sie passt gleichwohl besser in den Allgemeinen Teil, da hier die Darstellung allgemeiner Grundsätze zu den drei minderheitssensiblen Bereichen Gesellschafterbeschlüsse, Maßnahmen der Geschäftsleitung und Maßnahmen des Mehrheitsgesellschafters verortet ist. In diesem Teil der Bearbeitung bietet sich eine direkte Gegenüberstellung der deutschen und US-amerikanischen Rechtslage mehr als in anderen Bereichen an. Hintergrund ist, dass es in beiden Rechtssystemen an (unmittelbar einschlägigen) gesetzlichen Bestimmungen fehlt, so dass die bestehenden Lücken durch die Anwendung allgemeiner und ungeschriebener Grundsätze des Gesellschaftsrechts geschlossen werden müssen. Da hier beide Systeme vor derselben Aufgabe stehen, ist ein direkter Vergleich sinnvoll, und die reiche Zahl an Urteilen im US-amerikanischen Recht unterstützt die Lösungssuche dort, wo sich im deutschen Recht nur wenige Ansätze finden.
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
I. Die Wahrnehmung von Geschäftschancen der Gesellschaft durch den Gesellschafter Den Anfang machen dabei die Fragen der Geschäftschancenlehre. Bietet sich der Gesellschaft ein gewinnversprechendes Geschäft, kann es zum Konflikt mit der Geschäftsleitung oder einzelnen Gesellschaftern kommen, die dieses selbst für eigene Rechnung und unter Ausschluss der Gesellschaft wahrnehmen möchten.
1. Die Zuordnung der Geschäftschance zur Gesellschaft Der Schwerpunkt der Diskussion um die Geschäftschancenlehre liegt nicht im Verhältnis der Gesellschafter zueinander, sondern vielmehr dem der Geschäftsleiter zur Gesellschaft.1176 Diese Lehre verfolgt das Ziel, durch strenge Verhaltensvorgaben opportunistische Verhaltensspielräume der Geschäftsleiter einzuengen und die Kontrollkosten der Gesellschafter zu senken.1177 Da sich ein Geschäftsführer ausschließlich und uneigennützig für den Gesellschaftszweck einsetzen muss, ist er gehalten, alle Maßnahmen zu ergreifen, um im Interesse der Gesellschaft liegende Geschäfte für diese wahrzunehmen, und umgekehrt alles zu unterlassen, was die Verwirklichung der Geschäftschance gefährdet.1178 Daher verletzt er seine treuhänderischen Pflichten, wenn er die Geschäftschance an sich zieht.1179 Die Begriffsbestimmung durch den Delaware Supreme Court lautet: “An opportunity that becomes known to the director, fits the corporation’s business, falls within the capabilities of the corporation, and which the corporate officer takes for herself is a corporate opportunity.”1180 Im deutschen wie im amerikanischen Recht werden als Geschäftschancen der Gesellschaft bereits konkretisierte Geschäftsaussichten (sog. expectancy test) und abstrakte Erwerbsaussichten im Tätigkeitsbe-
___________ 1176
1177 1178 1179
1180
Aus der deutschen Rechtsprechung für die Ausnutzung einer Geschäftschance der Gesellschaft durch den Geschäftsführer einer GmbH BGH WM 1967, 679; BGH WM 1977, 361, 362; BGH NJW 1986, 585 f.; BGH WM 1985, 1443 f. Zum Verhältnis von GmbH und Alleingesellschafter BGH NJW 2001, 3622, 3623 (Bremer Vulkan). Fleischer, NZG 2003, 985 f. BGH NJW 1986, 584, 585. Aus US-amerikanischer Sicht Meinhardt, 40 Washburn Law Journal, 289, 298 (2001). Aus Sicht des deutschen Rechts BGH WM 1967, 679; BGH WM 1977, 361, 362; BGH WM 1983, 498; BGH NJW 1986, 584 f.; BGH NJW 1986, 585, 586; BGH WM 1989, 1335, 1339; rechtsvergleichend Fleischer, WM 2003, 1045, 1054–1056; ders., NZG 2003, 985; Kübler, FS Werner, 1984, S. 437, 438; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 166. Guth v. Loft, Inc., 5 A. 2 d 503, 511 (Del. 1939); bestätigt durch Yiannatsis v. Stephanis, 653 A. 2 d 275 (Del. 1995); Science Accessories Corp. v. Summagraphics Corp., 425 A. 2 d 957 (Del. 1980); Kaplan v. Fenton, 278 A. 2 d 834, 834 (Del. 1971); Equity Corp. v. Milton, 221 A. 2 d 494 (Del. 1966); Johnston v. Greene, 121 A. 2 d 919, 919 (Del. 1956); Broz v. Cellular Information Systems, Inc., 673 A. 2 d 148, 155 (Del. 1996); Thorpe by Castleman v. Cerbco, Inc., 676 A. 2 d 436, 443 (Del. Supr. 1996).
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
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reich und den Geschäftsfeldern der Gesellschaft angesehen (sog. line of business test).1181 Nach den Grundsätzen der deutschen Rechtsprechung liegt eine Geschäftschance der Gesellschaft jedenfalls vor, wenn ein Vertragsabschluss erfolgt ist, wenn die Verhandlungen so weit fortgeschritten sind, dass der Vertragsabschluss reine „Formsache“ ist, wenn der Geschäftsleiter für die Gesellschaft Vertragsverhandlungen führt und wenn die Gesellschaft einen Beschluss gefasst hat, die Geschäftschance wahrzunehmen, oder jedenfalls bereits ihr Interesse an Geschäften dieser Art bekundet hat.1182 Die Gesellschafter werden in gleichem Maße wie die Geschäftsführer dem Verbot, Geschäftschancen der Gesellschaft zu nutzen, unterstellt. So darf etwa ein Kommanditist unabhängig von § 165 HGB keine Geschäfte an sich ziehen, die in den Geschäftsbereich der Gesellschaft fallen und dieser bereits zugeordnet sind, was mit der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht begründet wird. Ist die Gesellschaft als erste mit dem Geschäft in Berührung gekommen und hat der Kommanditist in seiner Eigenschaft als Gesellschafter von den Umständen des Geschäfts erfahren, etwa dadurch, dass er mit den betreffenden Vorgängen befasst war oder aufgrund seines Informationsrechts davon Kenntnis erlangt hat, ist die Geschäftschance der Gesellschaft zugeordnet.1183
2. Wahrnehmungskompetenz des Gesellschafters Die Geschäftschance ist der Gesellschaft nur zugeordnet, wenn sie willens und imstande ist, die Geschäftschance selbst zu nutzen, also die Kapazität zu ihrer Wahrnehmung vorhanden ist.1184 Die Voraussetzungen, unter denen von einem Verzicht oder der Unfähigkeit der Gesellschaft, die Geschäftschance wahrzunehmen, ausgegangen werden kann, sind umstritten. Eine Ansicht zum amerikanischen Recht lässt genügen, dass die Gesellschaft von der Geschäftschance Kenntnis erlangt und sie mit stichhaltiger Begründung ausgeschlagen hat, wofür es auf ___________ 1181
1182 1183
1184
Vgl. Fleischer, NZG 2003, 985, 986; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 168–170; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 430. Siehe auch Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 410; Timm, GmbHR 1981, 177, 181; Weisser, Corporate Opportunities, 1991, p. 191–199. Aus der US-amerikanischen Rechtsprechung Lagarde v. Anniston Lime & Stone Co., 28 So. 199 (Ala. 1900); Guth v. Loft, Inc., 5 A. 2 d 503 (Del. 1939). So die Zusammenstellung bei Fleischer, NZG 2003, 985, 986, unter Darstellung der Urteile BAG BB 1968, 504; BGH NJW 1989, 2687, 2688; BGH WM 1976, 77. BGH NJW 1989, 2687 f. Zu dieser Entscheidung Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162. Für den Geschäftsführer (der GmbH) gilt sogar, dass es keine Rolle spielt, ob er privat oder in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer mit der Geschäftschance in Berührung gekommen ist, BGH NJW 1986, 585 f. Auf die Art der Kenntniserlangung stellt auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 116, entscheidend ab. Vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2004, S. 599 f. Dazu die Analysen in der Literatur, etwa Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 362–367; Möslein, Grenzen unternehmerischer Leistungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 158; Weisser, Corporate Opportunities, 1991, p. 47–72.
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
die Erklärungen der zuständigen Geschäftsleiter ankommen soll.1185 Großzügiger noch verfährt, wer ausreichen lässt, dass zwar keine Kenntnis bestand, der Geschäftsführer bzw. Gesellschafter jedoch nachweisen kann, dass die Gesellschaft die sich bietende Gelegenheit ohnehin nicht hätte wahrnehmen können.1186 Der BGH geht über diese Kriterien hinaus und fordert einen ausschlagenden Beschluss der Gesellschafterversammlung,1187 und zwar selbst dann, wenn ein Geschäftsführer im privaten Umfeld von der Geschäftschance Kenntnis erlangt hat, da die Sorgfalts- und Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft unteilbar seien.1188 Für diesen Beschluss wird von Seiten der Literatur eine inhaltliche Rechtfertigung gefordert: Sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft müssen positiv für die Freigabe sprechen, und die Interessen der Minderheit dürfen nicht unverhältnismäßig betroffen sein.1189 Demgegenüber stellt der Delaware Supreme Court deutlich geringere Anforderungen. Der Mehrheitsgesellschafter, der zugleich Aufgaben als Geschäftsführer wahrnimmt, ist zwar verpflichtet, neutrale Direktoren davon zu unterrichten, dass ein Investor sein Interesse angemeldet hat, von der Gesellschaft gehaltene Beteiligungen an einer Tochtergesellschaft zu erwerben. Unterlässt er dies, begeht er einen Verstoß gegen seine ihm gegenüber der Gesellschaft als Geschäftsführer obliegende Treuepflicht. Er darf jedoch bei einer anschließenden Abstimmung über die Veräußerung der Beteiligung aus Eigeninteresse mit Nein stimmen und darauf hoffen, dass der mit seinem Ziel gescheiterte Investor nunmehr seine eigene Beteiligung erwerben wird.1190 Das Gericht billigt ein solches Stimmverhalten des Mehrheitsgesellschafters im Ergebnis, obwohl dieser eigensüchtige Motive verfolgt. Selbst wenn der Mehrheitsgesellschafter die Unterrichtung der Direktoren unterlässt, verneint es einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft, da es an der Kausalität der bejahten Pflichtverletzung (die nur in der unterlassenen Aufklärung, nicht jedoch dem Stimmverhalten gesehen wird) für den Schaden (der in der gescheiterten Veräußerung der von der Gesellschaft gehaltenen Anteile besteht) fehlen soll. Diese Entscheidung ist schon nach den Grundsätzen des US-amerikanischen Rechts bedenklich. Die Bindungen aus der Geschäftschancenlehre auf eine Pflicht ___________ 1185 1186 1187
1188
1189 1190
Energy Resources Corp., Inc. v. Porter, 438 N. E. 2 d 391 (Mass. App. 1982). Dazu Ostrowski v. Avery, 703 A. 2 d 117 (Conn. 1997). BGH NJW 1986, 584, 585: Danach darf der Geschäftsführer die Geschäftschance erst dann selbst wahrnehmen, wenn alle Gesellschafter gemeinsam nach einer Möglichkeit zur Realisierung für die Gesellschaft gesucht, eine solche nicht gefunden und die Geschäftschance damit aufgegeben haben. Zustimmend Fleischer, NZG 2003, 985, 988. Der BGH lässt daher eine Kenntniserlangung im privaten Umfeld nicht als Rechtfertigung gelten, BGH NJW 1986, 585, 586; dem folgend OLG Frankfurt a. M., GmbHR 1998, 376, 378. Zustimmend etwa Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 169; ablehnend Fleischer, NZG 2003, 985, 988. Die US-Gerichte sind hier großzügiger und berücksichtigen die Art der Kenntniserlangung als Abwägungskriterium, siehe Broz v. Cellular Information Systems, Inc., 673 A. 2 d. 148, 155 (Del. 1996). Vgl. Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 410. Thorpe by Castleman v. Cerbco, Inc., 676 A. 2 d 436, 443–445 (Del. 1996). Siehe dazu auch Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn. 945–951.
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
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zur Information zu beschränken und dem Gesellschafter ein eigensüchtiges Stimmverhalten zu gestatten, konterkariert den Ansatz der corporate opportunity doctrine. Der Chancery Court als Vorinstanz hatte noch die Grundsätze der entire fairness angewandt, was durchaus in die Systematik der Rechtsprechung in Delaware passte, da der Mehrheitsgesellschafter Eigeninteressen verfolgt hatte.1191 Der Supreme Court lehnte das mit der Begründung ab, die Geschäftschancenlehre passe besser. Das ist im Ansatz zwar zutreffend; das Gericht hätte jedoch nicht bei der Feststellung, der Mehrheitsgesellschafter dürfe bei der Abstimmung über die Veräußerung der Beteiligung seine Eigeninteressen verfolgen, stehen bleiben dürfen. Vielmehr kam es gerade darauf an, ob der Gesellschafter durch Treuepflichten daran gehindert war, seine Eigeninteressen wahrzunehmen. Andere Gerichte hätten dies zulasten des Mehrheitsgesellschafters bejaht.1192 Im Übrigen hätte auch der vom Chancery Court zugrunde gelegte entire fairness test weitergeholfen, da auch die Gerichte in Delaware dabei die Fairness des Vorgangs untersucht und im Ergebnis den vom Supreme Court unterstellten Ausgangspunkt, dass der Mehrheitsgesellschafter in seiner Entscheidung frei sei, verneint hätten.
3. Die Rechtmäßigkeitskriterien eines Verzichtsbeschlusses Zum Schutz der Gesellschaft (und reflexartig der Minderheitsgesellschafter) vor einer Übervorteilung durch den Mehrheitsgesellschafter erscheint die Forderung des BGH nach einem Beschluss der Gesellschafterversammlung im Ansatz effektiv. Im Ergebnis hängt die Reichweite des hierdurch vermittelten Schutzes jedoch von den inhaltlichen Rechtmäßigkeitsanforderungen an diesen Beschluss ab. Nach den unter § 4 entwickelten Kriterien kommt es entscheidend darauf an, ob ein Beschluss, mit dem die Gesellschaft zugunsten eines Gesellschafters auf eine Geschäftschance verzichtet, in den Schutzbereich der Mitgliedschaft der übrigen Gesellschafter eingreift. Es handelt sich aus Sicht der Minderheitsgesellschafter um einen Fall, in dem nicht ihre bestehende Rechtsposition beschnitten wird, sondern sich eine gewinnträchtige Chance der Gesellschaft nicht verwirklicht und daher die eigenen Vermögensinteressen nur mittelbar betroffen werden. Nach den allgemeinen Grundsätzen bedarf es hier einer wertenden Entscheidung, um einen mittelbaren Eingriff von einer bloßen Exspektanz abzugrenzen. Die Kriterien hierfür sind unter § 3 D. III. 2. unter Anknüpfung an Grundmann entwickelt worden. Soweit ein Gesellschafter durch eine Maßnahme Vorteile erhält, die nicht lediglich in einer Gegenleistung für die von ihm eingebrachte Beteiligung bestehen, findet er sich in einer Treuhänderstellung wieder, die ihn streng und ausschließlich an Fremdinteressen bindet.1193 Aus Sicht der Minderheit bedeutet dies, dass ein Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft vorliegt, wenn ___________ 1191 1192 1193
Zu diesen Grundsätzen unter III. 4. Zu den Pflichtbindungen in anderen Staaten siehe die Darstellung unter § 2 B. Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 271.
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
der Mehrheitsgesellschafter unter Verstoß gegen seine treuhänderische Bindung die eigene Quote zulasten der Mitgesellschafter erweitert. Dieser ist mittelbarer Natur, wenn der Nachteil im Vermögen der Gesellschaft eintritt und sich nur reflexartig im Wert der Beteiligung niederschlägt. Da Geschäftschancen ausschließlich der Gesellschaft zugeordnet sind und den Kapitaleinsatz aller Gesellschafter kollektiv widerspiegeln, erweitert der Mehrheitsgesellschafter seine Quote zulasten der Mitgesellschafter, wenn er diese selbst wahrnimmt. Ebenso wie der Geschäftsführer Geschäftschancen, die der Gesellschaft zuzuordnen sind, nicht nutzen darf, ist auch der einzelne Gesellschafter darauf beschränkt, nur solche Geschäftschancen selbst zu nutzen, die einen Ausfluss seiner Kapitalbeteiligung darstellen, während die der Gesellschaft oder der Gesamtheit der Gesellschafter zustehenden Geschäftschancen von ihm nicht einseitig realisiert werden dürfen. Handelt er dem zuwider, erweitert er seine Quote zulasten der Mitgesellschafter.1194 Dies begründet eine Treuhänderstellung, die den Gesellschafter ausschließlich an Fremdinteressen bindet. Er darf daher bei seiner Stimmabgabe nur die Interessen der Gesellschaft, nicht jedoch seine eigenen verfolgen. Daraus folgt, dass ein Beschluss, mit dem die Gesellschaft auf eine Geschäftschance verzichtet, nur dann rechtmäßig ist, wenn deren Wahrnehmung nicht den Gesellschaftsinteressen entspricht. Da dieses Interesse mit den Interessen der Minderheitsgesellschafter deckungsgleich ist und der an der Geschäftschance interessierte Gesellschafter nur im Fremdinteresse stimmen darf, scheidet auch eine Abwägung aus. Die Prüfung ist daher nur einstufig: Unter Einbeziehung sämtlicher relevanter Umstände ist zu entscheiden, ob es dem Interesse der Gesellschaft entspricht, die Geschäftschance wahrzunehmen. Ist das der Fall und stimmt die Mehrheit dennoch für einen Verzicht, ist der Beschluss rechtswidrig. Ein entscheidender abwägungsrelevanter Umstand ist dabei die Fähigkeit der Gesellschaft, das Geschäft zu finanzieren. Ganz in diesem Sinne fordert der BGH, dass alle Finanzierungsmöglichkeiten erwogen und von der Gesellschafterversammlung verworfen sein müssen, bevor der Geschäftsführer oder Gesellschafter eine Geschäftschance der Gesellschaft selbst nutzen darf.1195 ___________ 1194
1195
Ausführlich Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 421–457, insb. S. 421–425 zu den (dogmatischen) Grundlagen und der pointierten Inhaltsdarstellung auf S. 444: „Die Geschäftschancenlehre schützt die Informationsposition, welche die Gesellschaft dem Treupflichtigen gegenleistungsfrei überlassen hat.“ Siehe auch auf S. 454, wonach nur die rechtsgeschäftliche Freigabe einer Geschäftschance den Treuhänder zu deren Nutzung berechtigt. Rechtsfolge ist neben der Anfechtbarkeit eines Beschlusses auch, dass eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft vorliegt, die Schadensersatzansprüche auslöst, ausführlich dazu Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 446 f. BGH NJW 1986, 584, 585. In dem entschiedenen Fall ging es um den Ankauf eines Grundstücks, das die Gesellschaft zum Betrieb ihres Unternehmens benötigte, der geschäftsführende Gesellschafter jedoch seiner Ehefrau zuschob. Der BGH nannte als zu erwägende Finanzierungsmöglichkeiten die Aufnahme von Krediten oder eines kapitalkräftigen Partners, Nachschüsse der Gesellschafter, den Abschluss stiller Gesellschaftsverträge oder die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens.
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
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Die US-Gerichte, die keinen Verzichtsbeschluss der Gesellschafter einfordern, bewerten die fehlende Finanzierungsfähigkeit der Gesellschaft als Rechtfertigungsgrund zugunsten des Geschäftsführers.1196 Teilweise wird den Geschäftsführern die Beweislast hierfür auferlegt1197 und ihnen untersagt, sich auf den finanziellen Engpass der Gesellschaft zu berufen, wenn eigenes sorgfaltswidriges Verhalten (lack of diligence) hierfür verantwortlich ist1198. Nach der gegenteiligen Ansicht darf die finanzielle Situation der Gesellschaft hingegen niemals als Rechtfertigung für den Geschäftsführer dienen.1199
II. Die Veräußerung der (beherrschenden) Beteiligung Einen weiteren konfliktträchtigen Bereich stellt die Veräußerung einer beherrschenden Stellung dar, wenn hierdurch eine Kontrollprämie erzielt (unter 2.) oder den übrigen Gesellschaftern ein Vorteil vorenthalten (unter 3.) wird.
1. Der Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung Im Ausgangspunkt stimmen das deutsche und US-amerikanische Recht darin überein, dass ein Gesellschafter seine Beteiligung nach eigenem Gutdünken ver___________ 1196
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1198 1199
Multimedia Technologies, Inc. v. Wilding, 586 S. E. 2 d 74 (Ga. App. 2003); Landon v. S & H Marketing Group, Inc., 82 S.W.3 d 666 (Tex. App. Eastland 2002); Collie v. Becknell, 762 P. 2 d 727 (Colo. Ct. App. 1988); Securities and Exchange Commission v. Insurance Securities, Inc., 254 F. 2 d 642 (9th Cir. 1958); Morad v. Coupounas, 361 So. 2 d 6 (Ala. 1978); Penney v. Speake, 54 So. 2 d 709 (Ala. 1951); New v. New, 306 P. 2 d 987 (2nd Dist. 1957); Industrial Indem. Co. v. Golden State Co., 256 P. 2 d 677 (1st Dist. 1953); Science Accessories Corp. v. Summagraphics Corp., 425 A. 2 d 957 (Del. 1980); Schreiber v. Bryan, 396 A. 2 d 512 (Del. Ch. 1978); Guth v. Loft, Inc., 5 A. 2 d 503 (Del. Ch. 1939); Lussier v. Mau-Van Development, Inc., 667 P. 2 d 804 (Haw. App. 1983); Melgard v. Moscow Idaho Seed Co., 251 P. 2 d 546 (Idaho 1952); Patient Care Services, S. C. v. Segal, 337 N. E. 2 d 471 (1st Dist. 1975); Rowen v. Le Mars Mut. Ins. Co. of Iowa, 282 N. W. 2 d 639 (Iowa 1979); Schildberg Rock Products Co. v. Brooks, 140 N. W. 2 d 132 (Iowa 1966); Ontjes v. MacNider, 5 N. W. 2 d 860 (Iowa 1942); Miller v. Miller, 222 N. W. 2 d 71 (Minn. 1974); Hubbard v. Pape, 203 N. E. 2 d 365 (1st Dist. Hamilton County 1964); Hill v. Hill, 420 A. 2 d 1078 (Pa. Super 1980); Tennessee Dressed Beef Co. v. Hall, 519 S. W. 2 d 805 (Tenn. Ct. App. 1974). So in Canion v. Texas Cycle Supply, Inc., 537 S. W. 2 d 510 (Tex. Civ. App. 1976). Skeptisch wegen der unerwünschten Anreizstruktur und den Schwierigkeiten für außenstehende Gesellschafter, die Angaben der Geschäftsführer zu überprüfen, Fleischer, NZG 2003, 985, 988. Daloisio v. Peninsula Land Co., 127 A. 2 d 885 (N.J. App. Div. 1956). W. H. Elliott & Sons Co. v. Gotthardt, 305 F. 2 d 544 (1st Cir. 1962); Morad v. Coupounas, 361 So. 2 d 6 (Ala. 1978); Anest v. Audino, 773 N. E. 2 d 202 (2 d Dist. 2002), Faraclas v. City Vending Co., 194 A. 2 d 298 (1963); Klinicki v. Lundgren, 678 P. 2 d 1250 (1984); W. H. Elliott & Sons Co. v. Gotthardt, 305 F. 2 d 544 (1st Cir. 1962); Irving Trust Co. v. Deutsch, 73 F. 2 d 121 (C. C. A. 2 d Cir. 1934). Zum Meinungsstand siehe auch den Überblick bei Möslein, Grenzen unternehmerischer Leistungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 160 f.
300
§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
äußern darf.1200 Die US-amerikanische Rechtsprechung gesteht im Grundsatz jedem Gesellschafter das Recht zu, seine Beteiligung zu dem Preis zu veräußern, den er am Markt erzielen kann, ohne diesen mit den Mitgesellschaftern teilen zu müssen.1201 Die ganz h. A. weicht hiervon nur in besonderen Konstellationen ab.1202 Ist dem Mehrheitsgesellschafter bekannt, dass die Veräußerung seiner Beteiligung den Interessen der übrigen Gesellschafter zuwiderläuft, weil der Erwerber beabsichtigt, sie unter Schädigung der Minderheit zum eigenen Vorteil zu verwenden, ist ihm aufgrund der gegenüber den Mitgesellschaftern bestehenden Treuepflicht die Veräußerung untersagt. Verstöße gegen dieses Verbot führen zu Ansprüchen der Mitgesellschafter auf Schadensersatz. Dabei wird ihm mitunter sogar die Pflicht auferlegt, die Intention des Erwerbers zu erkunden, wenn Anzeichen für einen Konflikt mit den Interessen der Minderheit bestehen, etwa wenn der Erwerber einen überhöhten Preis für die Beteiligung bietet und ein gesteigertes Interesse an den liquiden Mitteln und dem leicht veräußerlichen Eigentum der Gesellschaft besitzt,1203 oder wenn dem Erwerber bekanntermaßen die Mittel fehlen, für die Anteile zu bezahlen, und er überdies für zwielichtige Transaktionen bekannt ist.1204 Im deutschen Recht werden die Beschränkungen der Desinvestitionsentscheidung hingegen regelmäßig im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft und der Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf den Mehrheitsgesellschafter diskutiert.1205 Darüber hinaus kann der Gesellschafter in seiner Freiheit, die Beteiligung an der Gesellschaft zu veräußern, ausnahmsweise beschränkt werden, wenn sich aus der Veräußerung unzumutbare und im Vergleich zu den Interessen des Veräußerers unverhältnismäßige Nachteile für die übrigen Gesellschafter ergeben. Die h. M. stützt dies auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.1206 Nach dem hier ___________ 1200
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Andrews, 78 Harv. L. Rev. 505 (1965): “A stockholder is ordinarily free to hold or sell his shares solely according to the dictates of his own interests as he conceives them. Further, he is free to determine for himself the price at which he will sell, and below which he will not.” Zu den Ausnahmen für vinkulierte Anteile siehe unter § 10 A. II. Zetlin v. Hanson Holdings, Inc. 48 N. Y.2 d 684 (N. Y. 1979); Barnes v Brown, 80 NY 527 (N. Y. 1880); Levy v American Beverage Corp., 38 N. Y. S. 2 d 517 (N. Y. A. D. 1 Dept. 1942); Essex Universal Corp. v Yates, 305 F2 d 572 (App. 2nd Cir. 1962); Clagett v. Hutchison, 583 F. 2 d 1259 (4th Cir. 1978); Hamilton, The Law of Corporations in a Nutshell, 5th ed. 2000, p. 518. Zetlin v. Hanson Holdings, Inc. 48 N. Y. 2 d 684 (N. Y. 1979); Hamilton, Corporations including Partnerships an Limited Liablity Companies, Cases and Materials, 7th ed. 2001, p. 589. Gerdes v. Reynolds, 28 N. Y. S. 2 d 622 (N. Y. 1941); Insuranshares Corp. v. Northern Fiscal Corp., 35 F. Supp. 22 (E. D. Pa. 1940). Eine Pflicht zur Nachfrage besteht mangels derartiger Anzeichen hingegen nicht, Derartige Informationen sind insbesondere bei Kreditinstituten häufig vorhanden, so auch in De Baun v. First Western Bank & Trust Co., 46 Cal. App. 3 d 686 (Cal. App. 1975). Dazu noch ausführlich unter § 9 C. V. und zum Grundsatz der freien Veräußerlchkeit ausführlich unter § 10 A. Vgl. Lutter, ZGR 1981, 171, 177 f.; ders., ZHR 153 (1989), 446, 461; ders., ZHR 162 (1998), 164, 173–175; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 67 (mit
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
301
vertretenen Ansatz folgen die Beschränkungen hingegen aus den grundrechtlichen Eingriffsschranken, wonach ein Gesellschafter, dem die Möglichkeit zu Eingriffen in die geschützte Rechtsstellung anderer Gesellschafter eingeräumt wurde, diese Rechtsmacht nur unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Rechtsinhaber ausüben darf. Soweit sich aus der Veräußerung der eigenen Beteiligung schwerwiegende Nachteile für die Mitgesellschafter und damit eine Beeinträchtigung ihrer grundrechtlich geschützten Mitgliedschaft ergeben, muss das eigene Recht auf Desinvestition mit dem Interesse der Mitgesellschafter an ungetrübter Beibehaltung ihrer Rechtsstellung abgewogen werden. Nur schwerwiegende und anhaltende Nachteile der Mitgesellschafter vermögen es dabei zu rechtfertigen, einem Gesellschafter das Recht zu versagen, sich von seiner Beteiligung im Wege der Veräußerung zu trennen. Zugleich bleibt das Recht zur Desinvestition bestehen. Der Gesellschafter kann daher unter Übernahme seiner Anteile durch die Gesellschaft oder Mitgesellschafter aus wichtigem Grund ausscheiden.1207 Scheidet auch dies aus, bleibt als letzter Ausweg nur die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft. Für den dazu erforderlichen Auflösungsbeschluss kann sich eine positive Stimmpflicht der Mitgesellschafter ergeben.1208 Die Weigerung der Mitgesellschafter, die Auflösungsentscheidung des zur Desinvestition entschlossenen Gesellschafters mitzutragen, würde nunmehr, nachdem er von der Veräußerung seiner Beteiligung wegen der Interessen der übrigen Gesellschafter abgehalten wurde, einen unverhältnismäßigen Eingriff in seine Rechtsstellung bedeuten. Zweifellos handelt es sich dabei um seltene Extremsituationen. Weitaus häufiger treten hingegen Fälle auf, bei denen der Mehrheitsgesellschafter mit der Anteilsveräußerung nicht nur den seiner Beteiligung innewohnenden Wert, sondern darüber hinausgehende Positionen zu Geld zu machen versucht. Nur die offensichtlichen Gestaltungen sind unstreitig: Ein Gesellschafter verstößt gegen die nach den Grundsätzen des US-amerikanischen Rechts bestehende Treuepflicht, wenn er dem Erwerber mit seiner Beteiligung zugleich die Kontrolle über die Gesellschaft einräumt und diese Kontrolle nicht schon der veräußerten Beteiligung innewohnt. Einen Anwendungsfall stellt es dar, dass der Gesellschafter zugunsten des Erwerbers aus der Geschäftsleitung ausscheidet und sich hierfür bezahlen lässt oder dazu verpflichtet, die von seinem Vertragspartner gewünschten Geschäftsleiter zu wählen.1209 Näherer Untersuchung bedürfen hingegen die umstrittenen Konstellationen, in denen der Mehrheitsgesellschafter mit der Veräußerung seiner Beteiligung eine ___________ 1207 1208 1209
Unterscheidung nach GmbH und AG); Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre bei privaten Kontrollaktionen, 1991, S. 261 ff. Zu diesem Institut ausführlich unter § 10 B. Zu den Grundsätzen einer positiven Stimmpflicht unter § 4 B. I. 3. Zu den prozessualen Fragen siehe unter § 5 A II. Porter v. Healy, 244 Pa. 427 (Pa. 1914); Caplan v. Lionel Corp., 20 A. D. 2 d 301, aff’d, 14 N. Y. 2 d 679 (N. Y. 1964). Soweit die Beteiligung hingegen groß genug ist, um die vom Veräußerer eingeleiteten Maßnahmen als Erwerber selbst herbeizuführen, liegt kein Missbrauch der beherrschenden Stellung vor, Essex Universal Corp. v. Yates, 30 F 2 d 572 (2nd Cir. 1969).
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
Kontrollprämie erwirbt (sogleich unter 2. und 3.) oder die Minderheit besonderer Informationen bedarf, um drohenden Nachteilen zu entgehen (unter 4.). Eher in einer Randbemerkung soll schließlich auch das Problem der Aktienkursmanipulation aus gesellschaftsrechtlicher Sicht angesprochen werden (unter 5.).
2. Veräußerung der Beteiligung unter Ausschöpfung des Unternehmenswertes (Kontrollprämien) Wiederum um vorenthaltene Vorteile geht es bei den Kontrollprämien. Eine Kontrollbeteiligung kann regelmäßig mit einem Aufschlag veräußert werden. Die mit der Mehrheitsherrschaft zusammenhängenden Vorteile werden als preisbildender Faktor bewertet und daher dem rechnerischen Verkehrswert der Beteiligung, wie er sich als prozentualer Anteil an dem Gesamtunternehmenswert ergibt, als sog. Kontrollprämie (control premium) hinzugeschlagen.1210 Ob diese Kontrollprämie dem Mehrheitsgesellschafter alleine zusteht oder anteilig mit den Minderheitsgesellschaftern geteilt werden muss, ist ein Problem, dem sich der anglo-amerikanische Rechtskreis engagiert,1211 der deutsche eher in einer Randbemerkung widmet, weshalb ein Lösungsansatz auch auf Grundlage der US-amerikanischen Erkenntnisse unter Beachtung der deutschen Stellungnahmen entwickelt werden soll. Die stiefmütterliche Behandlung im deutschen Recht erstaunt insoweit, als die Frage in Deutschland wegen der realen Beteiligungsstrukturen1212 ungleich häufiger auftreten sollte. Nur im Anwendungsbereich des WpÜG ist die Frage zugunsten der Minderheitsaktionäre geregelt. Die Gleichpreisregel führt hier zu einer Partizipation der Minderheitsaktionäre an einem Paketzuschlag. Hat der Bieter innerhalb von drei Monaten vor der Veröffentlichung des Pflichtangebots für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft einen höheren Preis bezahlt als den, der sich aus der in § 31 I WpÜG geregelten Börsenkursberechnung ergibt, führen die Bestimmungen in § 31 III, IV, V, VI WpÜG zu einem Anspruch der Minderheitsaktionäre auf Zuzahlung.1213 a) Kontrollprämien als Gleichbehandlungsproblem Erzielt der Mehrheitsgesellschafter bei einer Veräußerung seiner Beteiligung eine Prämie für die Übertragung der Kontrollmehrheit, scheint er jedenfalls auf den ersten Blick nur die Bewertung seiner Beteiligung am Markt zum eigenen Vorteil ___________ 1210 1211
1212 1213
Zu dieser Tatsache etwa Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn. 933. Zur US-amerikanischen Rechtslage sogleich und zusätzlich der Hinweis auf Kanada, wo der Ontario Securities Act, 11 R. S. O. Ch. S-5, §§ 93(1)(c), 95 (1990) einen Paketzuschlag verbietet, dazu DeMott, 56–WTR LCPR 181, 185 (1993). Zu diesen oben unter § 1 A. III. Dazu Fleischer, NZG 2002, 545, 547; Traugott/Schaefer, NZG 2004, 158. Ablehnend zur Herleitung eines Austrittsrechts der Minderheit zu Konditionen, die dem Großaktionär gewährt wurden, aus einem europarechtlichen Gleichbehandlunsgebot EuGH NZG 2009, 1350 Audiolux.
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
303
auszunutzen. An der Beteiligung des Minderheitsgesellschafters ändert sich durch den Paketverkauf des Mehrheitsgesellschafters nichts.1214 Die Gesellschaft bleibt dieselbe,1215 nur dass an die Stelle des alten ein neuer Mehrheitsgesellschafter tritt. Daher scheidet etwa aus, den Minderheitsgesellschaftern in Anlehnung an die Regelungen zu strukturändernden Maßnahmen eine Abfindung anzubieten.1216 Zugleich ist mit dieser Feststellung ein Eingriff in die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters noch nicht abgetan. Das Unbehagen über die einseitige Zuteilung der Kontrollprämie entspringt der Tatsache, dass der Mehrheitsgesellschafter die am Markt gebildete Bewertung des Gesamtunternehmens einseitig abzuschöpfen vermag. Die mit der Mehrheitsherrschaft erzielten Vorteile entspringen der gesamten Unternehmenssphäre und werden nicht nur mit dem von der Mehrheit eingebrachten Vermögen erzielt. Sie reflektieren vielmehr auch den Kapitaleinsatz der Minderheit. Im Kern handelt es sich um ein Problem der Gleichbehandlung: Kommen die durch den Unternehmenswert und daher die Gesamtheit des investierten Kapitals vermittelten Vorteile bei der Unternehmensführung im Falle der Veräußerung nur dem Mehrheitsgesellschafter zugute, wird die Minderheit ungleich behandelt. Dabei ist zunächst die Tatsache von Bedeutung, dass die mit der Mehrheitsherrschaft einhergehenden Vorteile gesetzesimmanent sind, da die auf dem Mehrheitsprinzip beruhende Rechtslage den Mehrheitsgesellschafter privilegiert und ihm eine weitgehende Kontrolle des Gesellschaftslebens überträgt.1217 Daraus folgert jedoch nicht automatisch, dass auch eine Ungleichbehandlung bei der Verteilung der Kontrollprämie gerechtfertigt ist. Vielmehr kommt es darauf an, wem die in der Kontrollprämie zum Ausdruck kommende Geschäftschance zuzuordnen ist. b) Geteiltes Fazit bei ökonomischer Betrachtung Ob es aus ökonomischer Sicht sinnvoll ist, dem Mehrheitsgesellschafter die Prämie zu belassen, wird unterschiedlich beurteilt. Eine Ansicht befürwortet, Anreize für einen verkaufswilligen Mehrheitsgesellschafter auch in Form von Kontrollprämien zu schaffen. Sei ein Käufer bereit, die Beteiligung auch für eine Prämie zu erwerben, verspreche er sich von der Übernahme der Anteile Effizienzsteigerungen bei der Unternehmensführung, die im Gesellschaftsinteresse liegen. Auf ___________ 1214 1215
1216 1217
Wiedemann, Minderheitsschutz und Aktienhandel, 1968, S. 64. Die denkbare Konstellation, dass durch den neuen Mehrheitsgesellschafter eine Abhängigkeit oder Beherrschung begründet wird, kann zu weiteren minderheitsrelevanten Fragen führen, auf die unter § 14 eingegangen wird, steht jedoch mit der hier interessierenden Frage nach einer anteiligen Verteilung der Kontrollprämie nicht in Zusammenhang. Wiedemann, Minderheitsschutz und Aktienhandel, 1968, S. 70. Wiedemann, Minderheitsschutz und Aktienhandel, 1968, S. 71–73; aus diesem Grund steht eine starke Meinung einer Umverteilung der Kontrollprämie ablehnend gegenüber, so Baums, ZIP 1989, 1376, 1379 (mit Einschränkungen); Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106, 108; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 462; ders., ZHR 162 (1998), 164, 171 f. (dort auch zu der Ausnahme, wenn qualifizierte Abhängigkeiten begründet werden). Zu Verbundvorteilen Werner, FS Steindorff, 1990, S. 303.
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
lange Sicht profitiere daher auch der Minderheitsgesellschafter.1218 Hinzu komme, dass der unter Aufschlag gezahlte Preis für die Beteiligung korrekt am Markt gebildet sei, da der Markt den für die Machtposition gewährten Zuschlag als geldwerte Position bewerte.1219 Die Gegenansicht betont demgegenüber die positiven Effekte für einen wirkungsvollen Minderheitsschutz, die mit der Aufteilung der Kontrollprämie auf alle Gesellschafter einhergehen. Die zugrundeliegende Vermutung lautet, dass die Kontrollprämie für Vorteile bezahlt wird, die sich für die Mehrheit aus einem ineffizienten Minderheitsschutz ergeben. In einer idealen Gesellschaft, in der die Mehrheit als Agent mit dem von der Minderheit als Prinzipal anvertrauten Vermögen verantwortungsvoll und zum gleichmäßigen Vorteil aller Gesellschafter umgeht, besteht kein Anlass, über den bloßen Marktwert des einzelnen Anteils hinausgehende Prämien zu bezahlen.1220 Mit anderen Worten wird der Mehrheitsgesellschafter durch die Aussicht auf eine Kontrollprämie animiert, zum Nachteil der Minderheit eine Situation zu schaffen, die dem potentiellen Erwerber seiner Beteiligung als besonders vorteilhaft erscheint. Die Möglichkeiten hierzu sind vielfältig, doch sei exemplarisch der Versuch genannt, Kosten zu externalisieren und den Gewinn der Gesellschaft an der Minderheit vorbei an sich selbst und damit in Zukunft an den neuen Mehrheitsgesellschafter auszuschütten.1221 Die Verpflichtung, die Kontrollprämie mit den Minderheitsgesellschaftern zu teilen, mindert die Anreize zu selbstsüchtigem Verhalten und trägt daher zu einem wirkungsvolleren Minderheitsschutz bei.1222 Damit bestreitet diese Ansicht gerade das Argument der Gegenmeinung, dass ein Verbleib der Kontrollprämie beim Mehr___________ 1218
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1222
Die zugrunde liegende Hypothese lautet, dass die im Durchschnitt bei 50% liegende Kontrollprämie den Beweis dafür liefert, dass die Käufer – insbesondere durch ein effektiver arbeitendes Management – eine erhebliche Gewinnsteigerung in der Zielgesellschaft erwarten und diese Übernahmen daher effizienzsteigernd wirken. Dazu Easterbrook/Fischel, 94 Harv. L. Rev. 1161, 1173–74 (1981); dies., 91 Yale L. J. 698, 705 f. (1982). Hingegen betont Stout, 99 Yale L. J. 1235, 1236 (1990), dass es sich lediglich um eine Erscheinung des AngebotNachfrage-Phänomens handele, wonach durch die Nachfrage nach der Mehrzahl eines Gutes, hier der Anteile an einer Gesellschaft, der Marktpreis unwillkürlich steige. Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 462; Windbichler, in: Timm, Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, 35, 43. Dazu die ausführliche Darstellung bei Buxbaum, FS Wiedemann, 2002, S. 769, 774–777. Siehe auch Habersack/Tröger, NZG 2010, 1, 2. Zu diesen Möglichkeiten Buxbaum, FS Wiedemann, 2002, S. 769, 776, Fn. 32; Wiedemann, Minderheitsschutz und Aktienhandel, 1968, S. 65; vgl. auch Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre bei privaten Kontrolltransaktionen, 1991, S. 133–138. Choper/Coffee/Gilson, Cases and Materials on Corporations, 6th ed. 2004, p. 1099; vgl. auch Jennings, 44 Calif. L. Rev. 1, 38 seq. (1956). Die Übernahmeregelungen des englischen Rechts beruhen auf dieser Ansicht. Die Kontrollprämie soll in Übernahmetransaktionen mit den Minderheitsgesellschaftern geteilt werden, um sicherzustellen, dass nur solche Übernahmen stattfinden, die Effizienssteigerungen erwarten lassen, und solche ausscheiden, in denen der Mehrwert für die übernehmende Mehrheit nur in einer Ausbeutung der Minderheit besteht. Dieses Konzept hat der europäische Gesetzgeber in die Übernahme-Richtlinie aufgenommen. Siehe dazu mit zahlreichen Nachweisen Grundmann, European Company Law, 2007, p. 598–600.
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
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heitsgesellschafter volkswirtschaftlich wünschenswert sei, da ein besserer Minderheitsschutz die effektive Kapitalisierung der Gesellschaften sichert und damit die Volkswirtschaft unterstützt. c) Die Entscheidung Perlman v. Feldmann In der US-Rechtsprechung wird die Diskussion von der viel beachteten Entscheidung Perlman v. Feldmann1223 beherrscht. Die Gesellschaft befand sich in einer besonders vorteilhaften Marktposition, die durch die Veräußerung der Mehrheitsbeteiligung an ein Konsortium, das aus den Hauptkunden der Gesellschaft bestand, aufgegeben wurde. Die Käufer waren an der Beteiligung besonders interessiert, da das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen ein stark nachgefragtes Produkt (Stahl) herstellte, auf das die Käufer für ihren Geschäftsbetrieb angewiesen waren. Durch den Kauf der Kontrollbeteiligung sicherten sie sich eine reibungslose Versorgung mit diesem Produkt. Das Gericht entschied, dass die Kontrollprämie mit den Minderheitsgesellschaftern zu teilen war und stellte dabei auf die Tatsache ab, dass es sich um eine außergewöhnliche Situation handelte, in der die Gesellschaft ihren Marktvorteil aufgab und hiervon ausschließlich der Mehrheitsgesellschafter profitierte.1224 Das Gericht sah den Mehrheitsgesellschafter, der zugleich als Direktor der Corporation tätig war, in dieser Situation als Treuhänder der Gesellschafts- und Mitgesellschafterinteressen an und leitete daraus eine hohe Pflicht zu Rücksichtnahme und Loyalität ab.1225 Als Rechtsfolge stand den Minderheitsgesellschaftern ein ihrer Beteiligungsquote entsprechender Anteil an der Kontrollprämie zu.1226 ___________ 1223 1224
1225
Perlman v. Feldmann, 219 F. 2 d 173 (2nd Cir. 1955). Perlman v. Feldmann, 219 F. 2 d 173 (2nd Cir. 1955): “We do not mean to suggest that a majority stockholder cannot dispose of his controlling block of stock to outsiders without having to account to his corporation for profits or even never do this with impunity when the buyer is an interested customer, actual or potential, for the corporation’s product. But when the sale necessarily results in a sacrifice of this element of corporate good will and consequent unusual profit to the fiduciary who has caused the sacrifice, he should account for his gains. So in a time of market shortage, where a call on a corporation’s product commands an unusually large premium, in one form or another, we think it sound law that a fiduciary may not appropriate to himself the value of this premium. Such personal gain at the expense of his coventurers seems particularly reprehensible when made by the trusted president and director of his company”. Perlman v. Feldmann, 219 F. 2 d 173 (2nd Cir. 1955): “We have here no fraud, no misuse of confidential information, no outright looting of a helpless corporation. But on the other hand, we do not find compliance with that high standard which (. . .) we and other courts have come to expect and demand of corporate fiduciaries. In the often-quoted words of Judge Cardozo: ‘Many forms of conduct permissible in a workaday world for those acting at arm’s length, are forbidden to those bound by fiduciary ties. A trustee is held to something stricter than the morals of the market place. Not honesty alone, but the punctilio of an honor the most sensitive, is then the standard of behavior.’ As to this there has developed a tradition that is unbending and inveterate. Uncompromising rigidity has been the attitude of courts of equity when petitioned to undermine the rule of undivided loyalty by the ‘disintegrating erosion’ of particular exceptions.” Das Zitat bezieht sich auf die Aussage von Judge
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
d) Anwendung der Grundsätze über die Geschäftschancenlehre und Treuhänderpflichten Während das Gericht in der Entscheidung Perlman v. Feldmann auf die Besonderheiten des Einzelfalls abstellte, kann die Frage nach der Verteilung der Kontrollprämien anhand der Grundsätze zur Geschäftschancenlehre allgemein und für sämtliche Fallgestaltungen beantwortet werden. Mit der Kontrollprämie werden die mit der Mehrheitsmacht verbundenen Vorteile vergütet, die über den bloßen Kapitalwert der Beteiligung hinausgehen. Der Mehrheitsgesellschafter hat nur einen der Summe seiner Anteile entsprechenden Kapitalbeitrag selbst aufgebracht und die damit verbundene Einflussmacht als unentgeltliche Zugabe erhalten. Diese Einflussmacht dient, das wurde mehrfach begründet, einer unkomplizierten Entscheidungsfindung und damit den Interessen der Gesellschaft. Aus den vielfältigen Beschränkungen, denen der Mehrheitsgesellschafter bei der Ausübung dieser Mehrheitsmacht unterliegt, geht auch hervor, dass sie keine Zugabe zur freien Verfügung darstellt. Dann aber kann dieser auch bei der Veräußerung seiner Beteiligung nicht berechtigt sein, die Kontrollprämie gänzlich abzuschöpfen. Da sie die Einflussmacht in der Gesellschaft widerspiegelt, handelt es sich um eine allen Gesellschaftern gemeinsam zustehende Geschäftschance. Daher erweitert der Mehrheitsgesellschafter zulasten seiner Mitgesellschafter die eigene Quote, wenn er von der Kontrollprämie gänzlich alleine profitiert.1227 Das führt zu der weiteren Frage, wie der Ausgleich unter den Gesellschaftern bei einer Veräußerung der Kontrollbeteiligung zu vollziehen ist. Wird der Erwerber nach dem Vorbild des WpÜG verpflichtet, zwar nicht alle Anteile zu erwerben, jedoch die von ihm erstrebte Mehrheit allen veräußerungswilligen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligungsquote abzukaufen, werden diese gleichmäßig an der Kontrollprämie beteiligt, verbleiben jedoch in der Gesellschaft, und der bisherige Mehrheitsgesellschafter rückt regelmäßig in eine Minderheitsposition ein.1228 Die ___________
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Cardozo in Mainhard v. Salmon, 164 N. E. 545, 546 (N. Y. 1928). A. A. hingegen der dissentierende Richter Swan: ”The actions of defendants in siphoning off for personal gain corporate advantages to be derived from a favorable market situation do not betoken the necessary undivided loyalty owed by the fiduciary to his principal”. Diese Rechtsfolge sah sich der Kritik des dissentierenden Richters Swan ausgesetzt, da doch der Gesellschaft, nicht den Gesellschaftern die Geschäftsschance zustehe: “The final conclusion of my brothers is that the plaintiffs are entitled to recover in their own right instead of in the right of the corporation. This appears to be completely inconsistent with the theory advanced at the outset of the opinion, namely, that the price of the stock ‘included compensation for the sale of a corporate asset.’ If a corporate asset was sold, surely the corporation should recover the compensation received for it by the defendants”. So zutreffend Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 479. Dazu die Darstellung von Cox/Hazen/O’Neal, Corporations, 1997, p. 261. Nach einer Ansicht soll der einrückende Gesellschafter sogar verpflichtet sein, der Minderheit ihre gesamte Beteiligung abzukaufen, siehe Behrens, ZGR 1975, 433, 447; für Übernahmesituationen Adams, AG 1990, 243, 249 f. Dies ist abzulehnen, da es dem geltenden Konzern- und Übernahmerecht, das eine Pflicht zur Übernahme der Anteile austrittswilliger Gesellschafter nur im Ausnahmefall anerkennt, zuwiderläuft. Kritisch zur Erwerbspflicht bei Übernahmen
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
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Beteiligung des Erwerbers an diesem Modell wird aus der Anwendung der Grundsätze über die Drittwirkung von Verträgen abgeleitet.1229 Stattdessen scheidet der Mehrheitsgesellschafter bei einem anderen Lösungsweg tatsächlich aus. Er darf seine gesamte Beteiligung auf den Erwerber übertragen und dafür den um die Kontrollprämie erhöhten Kaufpreis in Empfang nehmen, muss von diesem jedoch einen an den Beteiligungsverhältnissen bemessenen Anteil an die Mitgesellschafter auskehren. Die Grundlage zur Ausgleichspflicht im Innenverhältnis der Gesellschafter liegt darin begründet, dass die Kontrollprämie dem Mehrheitsgesellschafter nur anteilsmäßig zusteht, er den über seine Beteiligungsquote hinausgehenden Anteil rechtsgrundlos erhalten und daher nach Bereicherungsgrundsätzen herauszugeben hat. Vorzugswürdig ist letzteres, wonach den Minderheitsgesellschaftern nur ein Ausgleichsanspruch zugestanden wird. Die anteilsmäßige Übernahmepflicht stellt einen unverhältnismäßig starken Eingriff in die Freiheit des Veräußerers dar, über seine Beteiligung frei verfügen zu dürfen. Zwar besteht ihr besonderer Charme darin, dass der Mehrheitsgesellschafter, der zukünftig in der Gesellschaft als Minderheitsgesellschafter verbleibt, dafür Sorge tragen wird, dass der Erwerber seine neue Mehrheitsmacht nicht zum Nachteil der Gesellschaft und Minderheitsgesellschafter ausnutzen wird.1230 Allein wegen der Kontrollprämie seine Beteiligung (möglicherweise) nicht als Ganzes veräußern zu können, sondern an eine Minderheitsbeteiligung gebunden zu bleiben, benachteiligt ihn jedoch über Gebühr und verträgt sich kaum mit dem Grundsatz, die Desinvestitionsentscheidung eines Gesellschafters generell zu respektieren und die Suche nach einem Käufer dem Verhandlungsgeschick des einzelnen Gesellschafters zu überlassen. Der Minderheitsgesellschafter hat zwar Anspruch auf Beteiligung an der Kontrollprämie, nicht aber darauf, dass von dritter Seite ein Abnehmer für seine Anteile gefunden wird. Das Risiko der Veräußerlichkeit seiner Minderheitsbeteiligung braucht ihm der Mehrheitsgesellschafter nicht abzunehmen. Zugleich verbleibt es auch bei der Anreizwirkung für einen ggf. im Gesellschaftsinteresse aus Effektivitätsgründen wünschenswerten Kontrollwechsel, da dem Mehrheitsgesellschafter ein seiner Quote am Gesellschaftsvermögen entsprechender Anteil an der Prämie verbleibt.1231
3. Ausgleichsansprüche bei Einbringung der Beteiligung in eine Obergesellschaft Ähnlich gelagerte Fragen stellen sich für das Problem, dass die Mehrheit unter Ausnutzung von Marktchancen ihre Beteiligung in eine Obergesellschaft einbringt und deren Anteile gewinnbringend veräußert. Auch hier geht es um potentielle ___________ 1229 1230 1231
Grunewald, WM 1989, 1233, 1238; Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106, 109–111; Mertens, AG 1990, 252, 257 f.; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 460. Dazu und zum im Folgenden beschriebenen Bereicherungsausgleich Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 477. So eines der Argumente von Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 481. Choper/Coffee/Gilson, Cases and Materials on Corporations, 6th ed. 2004, p. 1099.
308
§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
Ausgleichsansprüche der Minderheitsgesellschafter, und auch diese Konstellation wurde von der US-amerikanischen Justiz entschieden.1232 a) Die Entscheidung des kalifornischen Supreme Court in Jones v. Ahmanson Der Supreme Court von Kalifornien war mit einem Sachverhalt befasst, wonach die Anteile einer closely held corporation wegen deren Stückelung nur schwer veräußerlich waren. Da nur wenige Anteile ausgegeben worden waren, lag der Wert pro Anteil zu hoch für interessierte Anleger. Zugleich boten sich gute Chancen, bei einer Veränderung dieser Stückelung Anteile an der Gesellschaft zu einem attraktiven Preis absetzen zu können, da das Unternehmen am Markt gut etabliert war und von Seiten potentieller Investoren großes Interesse bestand, sich an der Gesellschaft zu beteiligen. Statt nunmehr die bestehenden Hindernisse zu beseitigen und damit sämtliche Anteile leichter veräußerlich zu stellen, entschloss sich die Mehrheit dazu, ihre Anteile in eine dazu gegründete Holding einzubringen und deren Anteile teilweise am Markt anzubieten. Hierdurch wurde der Minderheit die Möglichkeit genommen, an den sich bietenden Marktchancen teilzuhaben. Diese blieb vielmehr an ihre schwer veräußerliche Beteiligung gebunden. Das Gericht entschied, dass der Mehrheitsgesellschafter durch dieses Vorgehen seine Mehrheitsmacht missbräuchlich zum Schaden der Minderheit ausgeübt habe. Als entscheidend sah es das Gericht an, dass keine zwingenden Gesellschaftsinteressen für dieses Vorgehen sprachen.1233 Auch betonte das Gericht die nachteiligen Wirkungen, die mit der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse einhergingen. Durch die Übertragung der Beteiligung des Mehrheitsgesellschafters auf die Holding habe sich die Minderheit fortan in der Gesellschafterversammlung nicht mehr mit dem Mehrheitsgesellschafter auseinander zu setzen, sondern mit (den Direktoren) einer public company, die von einer Vielzahl von Gesellschaftern gehalten wurde. Zukünftig würden die Interessen der Gesellschaft daher von den Interessen der Holding bestimmt. Damit finde sich die Minderheit in einer Gesellschaft wieder, die sich von der ursprünglichen, in die sie investiert hatte, wesentlich unterscheide.1234 Daher hätte der Mehrheitsgesellschafter eine Maßnahme wählen müssen, die es auch der Minderheit ermöglicht hätte, ihre Beteiligung unter Ausnutzung der vorteilhaften Marktlage zu veräußern.1235 ___________ 1232 1233
1234 1235
Jones v. Ahmanson, 460 P. 2 d 464, 476 (Cal. 1969). Jones v. Ahmanson, 460 P. 2 d 464, 476 (Cal. 1969): “Thus defendants chose a course of action in which they used their control of the Association to obtain an advantage not made available to all stockholders. They did so without regard to the resulting detriment to the minority stockholders and in the absence of any compelling business purpose. Such conduct is not consistent with their duty of good faith and inherent fairness to the minority stockholders. Had defendants afforded the minority an opportunity to exchange their stock on the same basis or offered to purchase them at a price arrived at by independent appraisal, their burden of establishing good faith and inherent fairness would have been much less”. Jones v. Ahmanson, 460 P. 2 d 464, 477 (Cal. 1969). Jones v. Ahmanson, 460 P. 2 d 464, 476 (Cal. 1969).
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
309
Als Rechtsfolge dieser Verletzung gewährte das Gericht der Minderheit einen Anspruch gegen den Mehrheitsgesellschafter auf Schadensersatz. Dieser sollte sich nach der Differenz aus dem tatsächlichen Wert ihrer Beteiligung und dem Wert der an den Markt gebrachten Anteile an der Obergesellschaft berechnen.1236 Ein Austrittsrecht (appraisal right) sah das Gericht demgegenüber als nicht ausreichend an. Dieses schütze den Gesellschafter nur dahingehend, dass er zu einem angemessenen Preis aus der Gesellschaft ausscheiden könne. Hier aber stehe es der Minderheit zu, an den Vorteilen, von denen die Mehrheit profitierte, teilzuhaben.1237 b) Einseitige Nutzung der Geschäftschancen als Eingriff in die Mitgliedschaft Wird diese Konstellation nach deutschem Recht bewertet, fällt wiederum zunächst auf, dass sich die Beteiligung des Minderheitsgesellschafters durch das Vorgehen der Mehrheit, ihre Beteiligung in eine Holding einzubringen, nicht verändert. Dass fortan, wie der kalifornische Supreme Court ausführt, die Geschäftsführung der Holding deren Interessen in der Gesellschafterversammlung wahrnimmt, ist eine zwar potentiell nachteilige, jedoch unweigerliche Auswirkung eines im Grundsatz zulässigen Veräußerungsvorganges, der nur die Anteile des Mehrheitsgesellschafters betrifft und die Beteiligung des Minderheitsgesellschafters unberührt lässt. Der Minderheitsgesellschafter hat keinen Anspruch darauf, dass die Mitgesellschafter ihre Beteiligungen (unverändert) behalten. Ebenso wie diese frei darin sind, ihre Anteile zu veräußern, können sie ihre Beteiligungen auch umschichten und in andere Gesellschaften einbringen. Wie im konzernrechtlichen Abschnitt noch auszuführen sein wird,1238 ist die Konzerneingangskontrolle im deutschen Recht schwach ausgeprägt und nur über Schutzklauseln im Gesellschaftsvertrag oder strenge Rechtfertigungskontrollen abhängigkeitsbegründender Beschlüsse zu leisten. Existieren etwa Vinkulierungsklauseln, ist die Situation zu berücksichtigen, die durch eine genehmigte Anteilsveräußerung für die Gesellschaft und die verbleibenden Gesellschafter entsteht und mit dem Veräußerungsinteresse abzuwägen.1239 Vorgänge rein faktischer Art, die sich außerhalb der Gesellschafterversammlung vollziehen, können hingegen nicht verhindert werden, soweit nicht weitere Umstände hinzutreten. Solche Umstände liegen in der Konstellation, über die in der Rechtssache Jones v. Ahmanson zu entscheiden war, jedoch vor. Hinzu tritt die weitere Komponente, dass der Mehrheitsgesellschafter die sich bietenden Marktchancen einseitig aus___________ 1236 1237
1238 1239
Jones v. Ahmanson, 460 P. 2 d 464, 476 seq. (Cal. 1969). Jones v. Ahmanson, 460 P. 2 d 464, 478 (Cal. 1969): “Appraisal rights protect the dissenting minority shareholder against being forced to either remain an investor in an enterprise fundamentally different than that in which he inested or sacrifice his investment by sale of his shares at less than fair value. Plaintiff here (. . .) was entitled to more (. . .).” Siehe zu dieser Entscheidung kritisch etwa Hazen/Markham, Corporations and Other Business Enterprises (abridged edition), 2003, p. 399. Berichtend Grossmann, AG 1975, 158. Siehe unter § 14. Hierzu auch noch unter § 10 A. II. 2.
310
§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
nutzt und der Minderheit ihre Beteiligung daran vorenthält. Wiederum greift der Grundsatz ein, dass ein Gesellschafter die der Gesellschaft oder der Gesamtheit der Gesellschafter zustehenden Chancen nicht einseitig zu seinem eigenen Vorteil ausnutzen darf. Gerade das geschieht jedoch, wenn die bestehenden Marktchancen, die in dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen wurzeln und daher allen Gesellschaftern gleichermaßen zustehen, von einem Gesellschafter unter Ausschluss der übrigen Gesellschafter ausgenutzt werden. Die in der Gesellschaft eingeschlossenen Minderheitsgesellschafter können zwar weiterhin an den Gewinnen des betriebenen Unternehmens partizipieren, an der weitaus interessanteren Wertsteigerung ihrer Beteiligung hingegen nicht. Vielmehr profitiert der Mehrheitsgesellschafter sogar von diesem Ausschluss, da die von der Minderheit gehaltenen Anteile eben nicht auf den Markt gelangen und er daher zum ausschließlichen Anbieter einer (über die Holding vermittelten) Beteiligung an dem Unternehmen wird. Soweit die Geschäftschance den Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit zusteht, stellt sie auch einen Bestandteil der Mitgliedschaft dar. Der Mehrheitsgesellschafter greift daher in die Mitgliedschaft ein, wenn er die Geschäftschance einseitig nutzt.1240 Daraus ergibt sich ein auf Ersatz des durch den Eingriff entstandenen Schadens gerichteter Schadensersatzanspruch des Minderheitsgesellschafters, der jedenfalls auf § 823 I BGB gestützt werden kann. Daneben kommt unter der Voraussetzung, dass unter den Gesellschaftern eine Sonderbeziehung besteht und diese auch die Realisierung von Geschäftschancen erfasst, auch § 280 I BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Nach dem hier vertretenen Ansatz, wonach die in der Ausnutzung von Geschäftschancen liegende Quotenerweiterung besondere Interessenwahrungspflichten begründet, ist dies zu bejahen. Soweit Sonderbeziehungen nur auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gestützt werden, wird deren Erstreckung auf Veräußerungsvorgänge, denen die hier vorliegende Umstrukturierung vergleichbar ist, in Frage gestellt, da es sich um einen Vorgang des Außenverhältnisses, nicht des innergesellschaftlichen Bereichs handele.1241 Die Gegenansicht bejaht Treuepflichten auch im mitgliedschaftlich vermittelten Außenbereich und folgert dies aus einem erst-recht-Schluss: Wenn in Situationen der Vertragsanbahnung auf Schutz und Sorgfalt gerichtete Pflichten bestehen, muss auch die Beziehung der Partner eines (Groß-)Verbandes von solchen Pflichten durchdrungen sein.1242 Dem ist zuzustimmen und ergänzend auf die Nähe zur Situation in laufenden Geschäftsverbindungen hinzuweisen: Dort wird aus der Tatsa___________ 1240
1241 1242
Zu konstruktiv anderen, i. E. aber ähnlichen Ansätzen vgl. Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 320, wonach der Mehrheitsgesellschafter in derartigen Konstellationen gegen die ihm im Verhältnis zu den Kleinaktionären obliegende Rücksichtnahmepflicht verstößt. Siehe auch Zöllner, ZGR 1988, 392, 406, mit dem sich argumentieren ließe, dass sich kein Gesellschafter zum Nachteil anderer einen gleichbehandlungswidrigen Vorteil verschaffen darf. I. E. für diesen Fall auch Lutter, JZ 1976, 225, 231, mit der Begründung, der Großaktionär verletze seine gegenüber den Minderheitsgesellschaftern bestehende Treuepflicht, wenn er die Marktverhältnisse verändere und diese in der Gesellschaft einmauere. BGH WM 1976, 449, 450; Mertens, AcP 178 (1978), 227, 243. Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 173; ders., AcP 180 (1980), 84, 126 f.; ders., JZ 1976, 225, 231 f.
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
311
che, dass eine dauerhafte Geschäftsbeziehung besteht, ein gesetzliches Schuldverhältnis mit besonderen Pflichten abgeleitet.1243 Gegenüber einem Vertragspartner, mit dem eine laufende Geschäftsverbindung existiert, bestehen weiter gehende Pflichten als gegenüber einem gewöhnlichen Vertragspartner in ansonsten vergleichbarer Situation.1244 Die Parallele im Gesellschaftsrecht besteht darin, dass sich die Gesellschafter – und zwar auch die Aktionäre – durch ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft gerade nicht wie beliebige Parteien eines gewöhnlichen Austauschvertrages gegenüber stehen. Der Mehrheitsgesellschafter darf sich daher nicht wie ein beliebiger Teilnehmer am Rechtsverkehr rein opportunistisch verhalten. Um den Schaden zu bestimmen, ist die vom Mehrheitsgesellschafter durch den Eingriff herbeigeführte Situation mit der Konstellation zu vergleichen, die bestehen würde, wenn sich der Mehrheitsgesellschafter rechtmäßig verhalten hätte. Dabei ist genau zu unterscheiden: Dem Mehrheitsgesellschafter war es nicht aufgegeben, die Geschäftschance für den Minderheitsgesellschafter bereitzustellen. Der Minderheitsgesellschafter hätte nicht fordern können, dass der Mehrheitsgesellschafter, etwa durch einen satzungsändernden Beschluss, die Voraussetzungen schafft, unter denen der Minderheitsgesellschafter seine Beteiligung veräußern kann. Solange der Mehrheitsgesellschafter die Geschäftschance nicht selbst nutzt, verfügt der Minderheitsgesellschafter nur über eine nicht konkretisierte Exspektanz, die vom Schutz seiner Mitgliedschaft nicht umfasst wird.1245 Nutzt der Mehrheitsgesellschafter die Geschäftschance jedoch, muss er dafür sorgen, dass die daraus resultierenden Vorteile allen Gesellschaftern (anteilig) zugute kommen. Dabei ist es eine Frage des Einzelfalls, auf welchem Weg der Mehrheitsgesellschafter diese Vorgabe erfüllt. In Betracht kommt etwa, dass er die gesellschaftsvertraglichen Grundlagen schafft, die jedem Gesellschafter eine Veräußerung der Beteiligung gleichermaßen ermöglichen oder erleichtern, oder auch, dass den Minderheitsgesellschaftern die Möglichkeit eingeräumt wird, sich an der neu geschaffenen Holding zu beteiligen. Im Zweifel schuldet er die Übernahme der Anteile zu dem Preis, der sich bei freier Veräußerlichkeit hätte erzielen lassen. Dabei ist der für die Holding-Anteile ___________ 1243
1244
1245
Ernst, in: MünchKomm.-BGB, Band 2, 5. Aufl. 2007, § 280, Rn. 122 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl. 2010, § 280, Rn. 8; ausführlich Müller-Graff, Rechtliche Auswirkungen einer laufenden Geschäftsverbindung im amerikanischen und deutschen Recht, 1974, S. 247 ff. Auch gegenüber dem Vertragspartner aus laufender Geschäftsverbindung verbleibt es bei der rechtlichen Selbständigkeit einzelner Verträge, vgl. BGHZ 87, 27, 32, so dass der abzuschließende Vertrag grundsätzlich nicht anders zu beurteilen ist als der Erstvertrag mit einem neuen Vertragspartner. Lediglich die Begleitumstände sind unterschiedlich, woraus gesteigerte Pflichten resultieren können. Das wird von den Vertretern einer extensiven Treuepflicht im innergesellschaftlichen Verhältnis sicherlich anders gesehen. Nach der hier zugrunde gelegten Dogmatik setzen Leistungsrechte des Gesellschafters jedoch voraus, dass ein Unterlassen in einen Eingriff in die Mitgliedschaft mündet. Zur Abgrenzung bloßer Exspektanzen und mitgliedschaftlicher Rechte unter § 3 D. III. 2.
312
§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
erzielte Preis zugrunde zu legen, da dieser die Bewertung der Beteiligung am Unternehmen durch den Markt am besten wiedergibt.1246 Dass dies letztlich auf ein Recht zum außerordentlichen Austritt hinausläuft, ist mit den Grundlagen dieses Instituts vereinbar: Voraussetzung eines Austrittsrechts ist, das wird an anderer Stelle noch ausführlich darzustellen sein,1247 dass ein weiterer Verbleib in der Gesellschaft unter Abwägung der Interessen der beteiligten Parteien unzumutbar ist. Dafür spricht weniger der Zustand selbst, dass der Minderheitsgesellschafter in der Gesellschaft eingeschlossen ist und seine Beteiligung nicht zu angemessenen Bedingungen veräußern kann,1248 sondern vielmehr, dass die Mehrheit diese Situation ihrerseits zu vermeiden wusste und die Minderheit um die ihr zustehende Beteiligung an den Geschäftschancen gebracht hat. Die vom kalifornischen Supreme Court betonten Nachteile durch die Beteiligungsverschiebungen stellen hingegen für sich noch keinen Grund für einen außerordentlichen Austritt dar. Vor Abschluss eines Unternehmensvertrages ist auch die Holding wie jeder andere Gesellschafter nach den allgemeinen Grundsätzen gehalten, sich bei ihrem Abstimmungsverhalten streng an den Interessen der Gesellschaft auszurichten, so dass der Inhaberwechsel nicht per se mit (unzumutbaren) Nachteilen für den Minderheitsgesellschafter verbunden ist.
4. Pflicht zur Information über preisbildende Faktoren Doch nicht nur die Veräußerung der Beteiligung an Dritte, auch das Angebot der Gesellschaftermehrheit, die Anteile der Minderheit zu übernehmen,1249 trägt nicht unerhebliches Konfliktpotential in sich. Außerhalb des Anwendungsbereichs des WpÜG, das die Preisfindung in seinem Anwendungsbereich im Einzelnen regelt, geht es vor allem darum zu vermeiden, dass der Minderheitsgesellschafter zum Verkauf unter Wert veranlasst wird. Der Schwerpunkt liegt daher auf den Informationspflichten des Mehrheitsgesellschafters und den Grundsätzen der Abfindungsbemessung. In der US-amerikanischen Rechtsprechung wird es als Verstoß gegen die Treuepflicht des Mehrheitsgesellschafters bewertet, wenn dieser zunächst der Minderheit die Anteile für einen unter dem Liquidationswert liegenden Preis abkauft und ___________ 1246
1247 1248
1249
Eine Unternehmensbewertung wird sich erübrigen, da der Mehrheitsgesellschafter die Holding-Anteile nur zu einem Preis weitergeben wird, der zumindest dem Wert seiner Beteiligung am Unternehmen entspricht. Wird dies vom Minderheitsgesellschafter bestritten, trägt er hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Siehe zu den Grundsätzen der Bewertung unter § 11. Vgl. unter § 10 B. II. Diese auch vor Gründung der Holding bestehende Situation entstand ohne Zutun der Mehrheit und wurde sehenden Auges von der Minderheit in Kauf genommen, da die durch die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages geschaffene Realstruktur hierfür verantwortlich war. Dies allein konnte ohne weitere Umstände einen außerordentlichen Austritt der Minderheit nicht rechtfertigen. Vgl. SEC v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F. 2 d 833 (2 d Cir. 1968).
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
313
danach das Gesellschaftsvermögen liquidiert.1250 Dem entspricht es, dass der Mehrheitsgesellschafter die Anteile der Minderheit erwirbt, um diese zu einem höheren Preis an einen Interessenten zu veräußern. Das stimmt mit den Grundlagen im deutschen Recht überein. Nach dem hier vertretenen Ansatz lassen sich diese Fälle als unzulässige Quotenerweiterungen zulasten der Minderheitsgesellschafter qualifizieren. Aus der hieraus resultierenden Interessenwahrungspflicht folgt die Pflicht, den Minderheitsgesellschafter über die relevanten Umstände aufzuklären.1251 Davon ist die in der Audi/NSU-Entscheidung1252 relevant gewordene Frage zu den Informationspflichten des Mehrheitsgesellschafters über künftige Angebotserhöhungen zu unterscheiden. Der Mehrheitsaktionär bot den Minderheitsgesellschaftern die Übernahme ihrer Anteile zu einem angemessenen Preis an, worauf einige von ihnen auch eingingen. Danach wurde der Preis für die noch verbliebenen Aktionäre erhöht. Die zuvor ausgekauften Minderheitsaktionäre waren der Ansicht, der Mehrheitsaktionär hätte sie vor Übernahme ihrer Anteile über seine Bereitschaft zu dieser Preiserhöhung aufklären müssen.1253 Eine solche Pflicht wurde vom BGH schon mit der Begründung verneint, dass ein Veräußerungsvorgang nur zu Vermögensnachteilen jenseits des innergesellschaftlichen Bereichs führen könne und in diesem Bereich gerade keine Bindungen durch Treuepflichten bestünden.1254 Davon unterscheidet sich der hier vertretene Ansatz jedoch, wonach nicht formalistisch nach der Handlungssphäre des Mehrheitsgesellschafters, sondern nach der Wirkung auf die Mitgliedschaft der betroffenen Minderheitsgesellschafter abzustellen ist.1255 Die Verpflichtung des Mehrheitsgesellschafters zur Aufklärung über die Bereitschaft zu weiterer Preiserhöhung hängt denn auch davon ab, ob dieser mit dem Kaufvorgang die eigene Quote zum Nachteil der Mitgesellschafter erhöht und damit eine Treuhänderstellung mit den daran geknüpften Interessenwahrungspflichten begründet. Dagegen spricht die Tatsache, dass der gezahlte Kaufpreis angemessen war. Zum Schutzbereich der Mitgliedschaft gehört nur der Anspruch auf eine angemessene Abfindung. Die bloße Erwartung, die Beteiligung zu einem möglichst hohen Preis veräußern zu können, nimmt an diesem Schutz nicht teil, auch nicht als in ___________ 1250 1251
1252
1253 1254 1255
Zahn v. Transamerica Corp., 162 F. 2 d 36 (3rd Cir. 1947). Dieses Ergebnis würde die h. M. aus der Treuepflicht folgern. Zur Sonderverbindung unter den Aktionären BGHZ 103, 184 (Linotype); BGHZ 129, 136 (Girmes). Allgemein zur Geltung der Treuepflicht unter § 2 A. BGH WM 1976, 449. Siehe auch EuGH Urt. v. 15.10.2009 – Rs. C-101/08 Audiolux , ZIP 2009, 2241, wonach im Gemeinschaftsrecht kein allgemeiner Rechtsgrundsatz existiert, der die Gleichbehandlung von Aktionären vorschreibt und Schutzwirkung zu Gunsten der Minderheitsaktionäre einer Gesellschaft derart entfaltet, dass diese im Fall der Übernahme der Kontrolle der Gesellschaft zur Veräußerung ihrer Anteile zu denselben Bedingungen wie die anderen Aktionäre berechtigt sind. Dazu Habersack/Tröger, NZG 2010, 1. Dazu ausführlich Lutter, AcP 180 (1980), 84, 125; ders., JZ 1976, 225, 231 f. BGH WM 1976, 449, 450. Ausdrücklich für die NSU-Konstellation gegen die Ansicht des BGH i. E. auch Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 173.
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
der Beteiligung enthaltene Geschäftschance, die nur von dem jeweiligen Anteilsinhaber verwirklicht werden darf. Lässt sich der Gesellschafter auf ein Angebot des Mehrheitsgesellschafters ein, ohne dabei durch Anwendung von Druck, Täuschung oder sachfremde Gründe zu einer Veräußerung unter Wert bewegt zu werden, und stellt sich später heraus, dass es lukrativer gewesen wäre abzuwarten, realisiert sich hierdurch nur ein allgemeines Spekulationsrisiko.1256
5. Kursmanipulationen Um eine gänzlich andere Fragestellung geht es bei der Manipulation des Aktienkurses durch einen der Aktionäre. Als Anschauungsbeispiel kann der Fall der Deutsche Börse AG dienen, die vorhatte, die London Stock Exchange zu erwerben. Dies wurde durch eine Gruppe von Aktionären der Deutsche Börse AG verhindert, die damit zwei Ziele verfolgte: Zum einen versprachen sich die Aktionäre durch ihre Blockadehaltung eine Kurssteigerung der Aktien an der Deutsche Börse AG, da sie die Übernahme jedenfalls zu dem angestrebten Kurs für schädlich hielten und erwarteten, die Börsen würden ein Scheitern der Übernahme positiv bewerten. Zum anderen spekulierten sie auf fallende Kurse bei der London Stock Exchange und beabsichtigten, durch Leerverkäufe von Anteilen an dieser Gewinne realisieren zu können.1257 Neben den kapitalmarktrechtlichen Fragen, namentlich einem Verstoß gegen § 14 I Nr. 1 WpHG (Verwendung von Insiderinformation) und als „Scalping“ auch gegen das Verbot der Marktmanipulation,1258 wirft der Vorgang auch im Gesellschaftsrecht angesiedelte Fragen des Minderheitsschutzes auf. Die übrigen Aktionäre der Deutsche Börse AG sahen sich einer Entwertung ihrer Beteiligung ausgesetzt, wenn die geplante Übernahme im Interesse der Gesellschaft gelegen und den Kurs der Aktie positiv beeinflusst hätte. Die Gesellschafter der London Stock Exchange wiederum erfuhren eine Abwertung ihrer Beteiligung. Maßnahmen, die nur den Wert der Beteiligung beeinträchtigen und daher nur mittelbar auf die Mitgliedschaft einwirken, stellen nicht per se einen Eingriff in die Rechtsstellung der übrigen Aktionäre dar. Insoweit ist nach oben zu verweisen.1259 Entscheidend ist vielmehr der Gesichtspunkt, ob der die Beeinträchtigung ___________ 1256
1257
1258
1259
I. E. a. A. aufgrund bejahter Treuepflicht Lutter, JZ 1976, 225, 232. Da der Hauptaktionär alle für das Angebot relevanten Daten gesetzt habe und ihm diese Möglichkeit nur aufgrund seines besonderen Einfusses in der Aktiengesellschaft zustand, war er aufgrund der Treuepflicht gehalten, diese Daten nicht beliebig, sondern unter Beachtung der gegenüber der Minderheit bestehenden Treuepflicht zu verändern. Diese Vorgänge aus dem Jahr 2006 sind der damaligen Tages- und Fachpresse entnommen, Ob sich die Vorgänge tatsächlich wie hier dargestellt ereignet haben, ist von untergeordneter Bedeutung, da es sich anderenfalls um einen fiktiven Anschauungsfall handeln soll. Siehe zum Sachverhalt auch Engert, ZIP 2006, 2105. Unter diesen Gesichtspunkten die Bewertung des Falles von Engert, ZIP 2006, 2105, 2107– 2110. Näher zu Scalping und Marktmanipulationen Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2008, § 16, Rn. 26. Siehe vor allem unter § 6 C., aber auch § 3 D. III. 2.
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
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auslösende Aktionär zumindest auch Interessen der Gesellschaft wahrnimmt oder sich außerhalb des Gesellschaftsinteresses bewegt und ausschließlich Eigeninteressen verfolgt. Diese Unterscheidung führt zu unterschiedlichen Pflichten, solchen zu bloßer Rücksichtnahme und solchen zu echter Interessenwahrung, und davon abhängig zu unterschiedlichen Rechtfertigungsanforderungen.1260 Im hier gebildeten Fall nimmt die eine Beschlussmehrheit bildende Aktionärsgruppe auch Interessen der Gesellschaft wahr, wenn sie die Übernahme als nachteilig bewertet und daher Schaden abzuwenden beabsichtigt. Soweit diese Einschätzung unter Berücksichtigung eines unternehmerischen Einschätzungsspielraums haltbar erscheint, trifft sie nur die Pflicht, auf die Interessen der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen. Ein Gericht hat daher darüber zu befinden, ob die Berufung auf das unternehmerische Ermessen haltbar erscheint. Geht das Gericht hiervon aus, kommt es entscheidend auf eine Gewichtung der Aktionärsinteressen an. Da die eine Übernahme befürwortenden Aktionäre sich nur eine Kurssteigerung erhoffen und damit Exspektanzen geltend machen, sind ihre Interessen gegenüber denen der opponierenden Aktionäre an einer Beibehaltung des status quo, die sich ihrerseits Kurssteigerungen von ihrer Verweigerungshaltung versprechen, nicht vorrangig. Im Verhältnis zu den shareholders der London Stock Exchange fällt die Analyse hingegen anders aus, wobei zu Illustrationszwecken hier unterstellt sei, dass sich die Rechtslage im Gesellschafterinnenverhältnis nach deutschem Recht richtet. Die opponierenden Aktionäre der Deutsche Börse AG verfolgen ausschließlich eigensüchtige Interessen, die denen der Gesellschaft nicht entsprechen. Daraus resultiert eine Interessenwahrungspflicht gegenüber den Mitgesellschaftern und das Verbot, die Rechtsstellung der übrigen Aktionäre unmittelbar oder mittelbar zu beeinträchtigen. Da diese jedoch einen Kursverlust hinnehmen müssen, liegt eine derartige Beeinträchtigung vor. Zugleich scheidet bei derartigen von reinen Eigeninteressen getragenen Eingriffen eine Rechtfertigung aus. Die opponierenden Aktionäre können daher in ihrer Rolle als Aktionäre der London Stock Exchange von ihren Mitgesellschaftern aus §§ 280 I, 823 I BGB (evtl. auch §§ 823 II, 826 BGB) auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.
III. Verdeckte Vermögenszuwendungen an einzelne Gesellschafter 1. Begriff der verdeckten Vermögenszuwendung Eine weitere Fallgruppe ist wegen ihres Potentials zu mittelbarer Minderheitsschädigung von Bedeutung. Bei Geschäften zwischen der Gesellschaft und ihrem Mehrheitsgesellschafter kann es zu Schädigungen des Gesellschaftsvermögens und einer darüber vermittelten mittelbaren Schädigung der Beteiligung des Minderheitsgesellschafters kommen. Der Mehrheitsgesellschafter kann als Geschäftsführer oder aufgrund seines Einflusses in der Gesellschaft versucht sein, sich deren ___________ 1260
Dazu im Einzelnen unter § 3 D. IV. 2.
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
Vermögen an den übrigen Gesellschaftern vorbei einzuverleiben. Es handelt sich dabei in den Kapitalgesellschaften primär um ein Problem der Vermögensbindung, bei dem nicht allein die Minderheitsinteressen, sondern auch die Interessen anderer Interessengruppen, vor allem der Gläubiger, betroffen sind.1261 Zugleich berührt nur eine Gefährdung der Bonität der Gesellschaft die Gläubigerinteressen, während die berechtigten Vermögensinteressen der Minderheitsgesellschafter bei jeder Bereicherung des Mehrheitsgesellschafters zulasten des Gesellschaftsvermögens betroffen sind.1262 Gerade die unter dem Schlagwort intrinsic oder entire fairness test als Problem des Minderheitsschutzes intensiv geführte Diskussion zu Geschäften zwischen Gesellschaft und Mehrheitsgesellschafter im US-amerikanischen Recht macht dies deutlich (zu dieser sogleich unter 4.). Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass offene Gewinnausschüttungen, die gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, einen unmittelbaren Eingriff in die Rechtsstellung der benachteiligten Gesellschafter darstellen und daher nicht der in diesem Abschnitt behandelten Problematik unterfallen.1263
2. Die Kapitalerhaltungsgrundsätze in den verschiedenen Gesellschaftsformen Das Vermögen der Gesellschaft dient ausschließlich zur Verfolgung des vereinbarten Gesellschaftszwecks und darf nur in den vom Gesetz zugelassenen Fällen an die Gesellschafter ausgekehrt und damit anderweitig verwendet werden. Wird bei Geschäften zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter für Waren oder Leistungen der Gesellschaft ein zu geringer Preis berechnet oder umgekehrt der Wert einer Leistung des Gesellschafters zu hoch angesetzt, handelt es sich um eine verdeckte Vermögenszuwendung an den Gesellschafter. Dies wird im Wege eines Drittvergleichs ermittelt (arm’s length-Methode). Maßstab ist dabei, ob die Gesellschaft unter sonst gleichen Umständen bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters das entsprechende Geschäft mit einem gesellschaftsfremden Dritten abgeschlossen hätte.1264 Das gilt auch, wenn nicht der Gesellschafter selbst, sondern ein ihm nahestehender Dritter Vertrags-
___________ 1261 1262 1263 1264
Allg. Meinung, siehe etwa Schwark, FS Raisch, 1995, S. 269, 281. Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 171 f. Zu den hierbei geltenden Grundsätzen unter § 16. BGH NJW 1996, 589 f.; BGH WM 1987, 348, 349; OLG Düsseldorf GmbHR 1990, 134; Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, 2005, S. 227 ff.; Bitter, ZHR 168 (2004), 302, 309; Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 29, Rn. 50; Fleck, ZHR 156 (1992), 81, 82; Fleischer, WM 2007, 909, 912; Wassermeyer, GmbHR 1998, 157, 158 f. Aus dem US-amerikanischen Recht Lebold v. Inland Steel Co., 125 F. 2 d 373, 374 (Ct. App. 7th Cir. 1941); Jones v. H. F. Ahmanson & Co., 460 P. 2 d 464 (Cal. 1969); Knapp, Die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften und Directors von Corporations, 2004, S. 45. Siehe ausführlich sogleich unter 4.
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
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partner der Gesellschaft wird. Relevant wird dies insbesondere bei konzernverbundenen Unternehmen und nahen Familienangehörigen.1265 Anfällig für verdeckte Vorteilsgewährungen ist insbesondere die GmbH. Vermögenszuwendungen an die Gesellschafter sind solange zulässig, wie das Stammkapital nicht angetastet wird. Damit sind Entnahmen solange möglich, wie kein Verstoß gegen § 30 GmbHG vorliegt. In der Aktiengesellschaft unterliegt demgegenüber das gesamte Sondervermögen einer Kapitalbindung und darf daher nur als ordnungsgemäß festgestellter und zur Verteilung freigegebener Bilanzgewinn an die Aktionäre ausgeschüttet werden.1266 Auch besteht insbesondere bei der GmbH die Gefahr, dass der Gesellschafter als Geschäftsführer mit sich selbst kontrahiert und dabei seinen eigenen Vorteil verfolgt oder seinen Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt, um sich zulasten des Gesellschaftsvermögens zu bereichern.1267 In der weder beherrschten noch abhängigen Aktiengesellschaft sind Bereicherungen einzelner Aktionäre wegen der rechtlichen Unabhängigkeit des Vorstands wohl seltener, gerade in Gesellschaften kleineren Zuschnitts wegen des oftmals vorhandenen faktischen Einflusses jedoch nicht ausgeschlossen. Anfälliger ist die abhängige Aktiengesellschaft, da der Vorstand nach § 308 I, II AktG seine Unabhängigkeit einbüßt. Gegenüber dem GmbH-Recht bietet das Aktienrecht jedoch einen höheren Schutz, weniger wegen des vorhandenen Aufsichtsrates, dessen Kontrollfunktion wegen seiner Wahl durch die Hauptversammlung bei einem dominierenden Aktionär stark relativiert wird, sondern wegen der in § 57 AktG zum Ausdruck kommenden starken Kapitalbindung, die bei Unternehmensverträgen jedoch nach § 291 III AktG ausgeschlossen ist. Auch im faktischen Konzern gelten Einschränkungen, da der Schutz des § 57 AktG durch die Pflicht zum Nachteilsausgleich nach § 311 AktG ersetzt und daher der Schutzstandard stark abgesenkt wird.1268 Hinzu tritt in allen Aktiengesellschaften der Schutz durch das Verbot nach § 243 II AktG, Sondervorteile zu verfolgen, und die europarechtliche Dimension des Kapitalerhaltungsschutzes, da die Kapitalrichtlinie auch verdeckte Vermögenszuwendungen zu verhindern sucht.1269 ___________ 1265
1266 1267
1268 1269
Zu konzernverbundenen Unternehmen Lutter, FS Stiefel, 1987, S. 505, 530–532; Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 29, Rn. 50. Zu nahen Familienangehörigen BGH WM 1987, 348, 349. Zu den Unterschieden im GmbH- und Aktienrecht ausführlich Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 30, Rn. 7. Nach umstrittener Auffassung handelt es sich dabei um ein Insichgeschäft im Sinne des § 181 BGB, das schwebend unwirksam ist. Zur Entscheidung über dieses Rechtsgeschäft ist die Gesellschafterversammlung berufen, wobei der betroffene Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen ist. Siehe für die Aktiengesellschaft OLG Celle AG 2003, 433; Werner, ZGR 1989, 369, 392–395; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 112, Rn. 7; a. A. OLG Hamburg WM 1986, 972. Für die GmbH geht die h. M. von schwebender Unwirksamkeit und Genehmigungsfähigkeit aus, siehe etwa Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 35, Rn. 30b und 109; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 281; Beckmann/Hofmann, JA 2006, 270, 271 f. (m. w. N., auch zur Gegenansicht). Dazu die Analyse von Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 172 f. Dies ergibt sich aus einer Orientierung am effet utile, wonach die Zweite Richtlinie 77/91/ EWG, ABl. EG 1976 L 26/1, umfassend das Ziel verfolgt, das gebundene Kapital im Inte-
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
In den Personengesellschaften dient die Kapitalerhaltung ausschließlich den Interessen der Gesellschafter.1270 Die Entnahme von Gesellschaftsvermögen ist in §§ 111, 122 II HGB geregelt. Daraus ergibt sich, dass über die Maßgabe des § 122 I HGB hinausgehend und daher unbefugt aus der Gesellschaftskasse entnommenes Geld an die Gesellschaft zurückzugewähren ist. Was zur Gesellschaftskasse gehört, wird durch einen Widmungsakt bestimmt, der sich im Gesellschaftsvertrag oder einem Gesellschafterbeschluss finden kann.1271
3. Die Lösung im deutschen Recht: Interessenwahrungspflicht und Eingriffsprüfung Verdeckte Vermögenszuwendungen stellen nach ganz h. M. einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft dar. Darauf gestützt kann die Gesellschaft die gewährte Leistung zurückverlangen und den darüber hinausgehenden Schaden ersetzt verlangen.1272 Unter erhöhten Voraussetzungen kommt auch eine Haftung des Gesellschafters aus § 826 BGB wegen Existenzvernichtung in Betracht, die eine missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens voraussetzt.1273 Im Verhältnis zu den Mitgesellschaftern wird die verdeckte Vorteilsgewährung von der h. M. nicht nur als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz,1274 sondern wegen der unter den Gesellschaftern anerkannten Sonderbeziehung auch als Verletzung der Treuepflicht verstanden.1275 Nach der hier zugrunde gelegten ___________
1270
1271 1272
1273 1274 1275
resse des Gläubigerschutzes zu erhalten. Siehe dazu Fleischer, WM 2007, 909, 912; Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, S. 153; Schön, FS Kropff, 1997, S. 285, 291. Zur Richtlinie auch noch unter § 15 B. Wegen der persönlichen Haftung der Komplementäre liegt es nicht im Gläubigerinteresse, sondern in dem der Mitgesellschafter, dass keine offenen oder verdeckten Verlagerungen von Gesellschaftsvermögen in das Privatvermögen einzelner Gesellschafter erfolgen, vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 385; Bitter, ZHR 168 (2004), 302, 322 f. Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz stellt die Rückzahlung der Kommanditisteneinlage dar, die auch eine Gläubigerschutzdimension aufweist. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 385. Für die GmbH BGHZ 65, 15; Scholz/Emmerich, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 29, Rn. 102; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 29, Rn. 78. Zu Rückgewähransprüchen aus § 62 AktG analog in der GmbH Bitter, ZHR 168 (2004), 302, 316 ff. Die Rechtsgrundlage ist dabei streitig, siehe etwa Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 29, Rn. 54, die § 31 I GmbHG analog anwenden. Zu Beispielen verdeckter Vorteilsgewährung etwa Henze, in: Großkomm.-AktG, Stand 2000, § 57, Rn. 48. Zu den Grundlagen im Personengesellschaftsrecht Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000, S. 291–303; ders., ZHR 168 (2004), 302, 323 f. BGH NJW 2007, 2689. Dazu näher im Abschnitt zum Schutz bei Unternehmensbeherrschung, § 14. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 29, Rn. 73; Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 173; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 281; Zöllner, ZGR 1988, 392, 405. BGHZ 65, 15, 18 f. (ITT); Scholz/Emmerich, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 29, Rn. 102; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 29, Rn. 74; im
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
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Konstruktion tritt neben den Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz die Verletzung der gegenüber den Mitgesellschaftern bestehenden Interessenwahrungspflicht. Soweit dem Gesellschafter der Zugriff auf das Vermögen der Gesellschaft offen steht, verfügt er über fremdes Vermögen und rückt damit in eine Treuhänderstellung gegenüber seinen Mitgesellschaftern ein. Deren Pflichtinhalt besteht darin, mit dem Vermögen der werbenden Gesellschaft nur in deren Interesse und bei Liquidation oder Gewinnverteilung unter gleichmäßiger Einbeziehung aller Gesellschafter umzugehen. Soweit er sich außerhalb des vorgeschriebenen Ausschüttungsverfahrens an dem Gesellschaftsvermögen bereichert, erweitert er seine Quote zulasten der Mitgesellschafter und verletzt daher seine Pflicht zur Interessenwahrung. Aus Sicht der Mitgesellschafter besteht ein Anspruch gegen den Mehrheitsgesellschafter auf Befolgung dieser Interessenwahrungspflicht, der einen Bestandteil der Mitgliedschaft darstellt. Wird die Interessenwahrungspflicht verletzt, greift der Mehrheitsgesellschafter daher unmittelbar in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters ein. Das bedeutet zugleich nur, dass er im eigenen Namen Ansprüche geltend machen kann, vor allem auf Unterlassung einer andauernden oder bevorstehenden Beeinträchtigung. Für Schadensersatzansprüche tritt hingegen das aus der Erörterung unter § 6 C. III. bekannte Problem des Doppelschadens auf: Indem unmittelbar das Vermögen der Gesellschaft geschädigt wird, vermindert sich zugleich der Wert der Beteiligung. Trotz des unmittelbaren Eingriffs in die Mitgliedschaft entsteht daher nur ein mittelbarer Schaden. Die damit verbundenen Fragen werden unter B. zu erörtern sein.
4. Die Lösung im US-amerikanischen Recht: der Intrinsic bzw. Entire Fairness Test Im US-amerikanischen Recht dient der Intrinsic oder Entire Fairness Test einem fairen Umgang unter den Gesellschaftern. Er wird typischerweise in Situationen angewandt, in denen die Angemessenheit einer Leistung der Gesellschaft an den Mehrheitsgesellschafter in Frage steht, weil dieser seinen Einfluss zum eigenen Vorteil ausgenutzt hat, also gerade in den hier problematischen Fällen der Bereicherung des Mehrheitsgesellschafters am Gesellschaftsvermögen.1276 ___________ 1276
Grundsatz auch Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 43, Rn. 41. Die Beschreibung des Delaware Supreme Court in Thorpe by Castleman v. Cerbco, Inc., 676 A. 2 d 436, 443 (Del. Supr. 1996) lautet etwa: “(. . .) the entire fairness test is usually applied in a situation where minority shareholders have actually received some value in return for their shares, but the value was determined as a result of a bargaining process in which the controlling shareholder was in a position to influence both bargaining parties.” Daneben spielt der Test eine nicht minder wichtige Bedeutung bei der Überprüfung der Tätigkeit der Direktoren, siehe dazu Möslein, Grenzen unternehmerischer Leistungsmacht im marktoffenen Verband, 2007, S. 155 f. (m. w. N. aus der US-amerikanischen Literatur). Die Grundsätze entsprechen dabei den hier für den Mehrheitsgesellschafter dargestellten, nur bei der Ver-
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
Das Gebot an den Gesellschafter, sich gegenüber seinen Mitgesellschaftern fair zu verhalten, gilt unabhängig von der Struktur der Gesellschaft und wird daher auf closely ebenso wie auf publicly held corporations angewandt. Auch ist der Grundsatz, soweit ersichtlich, in allen Staaten bekannt. Faktisch besitzt er jedoch in Delaware wegen der zurückhaltenden Rechtsprechung des Delaware Supreme Court zu den Treuepflichten in den closely held corporations besondere Bedeutung für den Minderheitsschutz in kleinen Gesellschaften mit geschlossenem Gesellschafterkreis. Daneben stellt er eine wesentliche Säule des Minderheitsschutzes in allen Staaten für die Gesellschafter der publicly held corporations dar.1277 Den Ausgangspunkt bildet der Umstand, dass Entscheidungen der Gesellschafter über Geschäftsführungsangelegenheiten der Gesellschaft, sei es im Wege des Gesellschafterbeschlusses oder als directors der corporation, nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Vielmehr wird dem Gesellschafter ebenso wie der Geschäftsleitung ein unternehmerischer Ermessensspielraum zugestanden, der nicht im Sinne der hier vertretenen Ansicht lediglich die Überprüfungsdichte begrenzt, sondern die Gerichte gänzlich davon abhält, eine Maßnahme einer Inhaltskontrolle zu unterwerfen.1278 Neben den Besonderheiten, die sich aus der Anwendung der fiduciary duties ergeben, greift eine Ausnahme, wenn der Gesellschafter mit einer Maßnahme seinen eigenen Vorteil verfolgt, insbesondere wenn er ein Insichgeschäft abschließt (self-dealing betreibt), das nur ihm selbst zum Vorteil gereicht und die Minderheitsgesellschafter von den Vorteilen ausschließt (to the exclusion and detriment of the minority shareholders).1279 Liegen diese Voraussetzungen vor, wird das Geschäft inhaltlich voll überprüft.1280 Der dabei angewandte Test setzt sich üblicherweise aus den Elementen fair price und fair dealing zusammen. Die Fairness des Preises ist anhand aller wirtschaftlicher und finanzieller Faktoren, die hierfür relevant sein können, zu beurteilen.1281 Fair dealing bedeutet demgegenüber, dass der Grundsatz der Fairness ___________ 1277
1278 1279
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gütung gilt anderes, da sie gerade die Gegenleistung für die jeweilige Leitungshandlung darstellt und es gerade kein iustum praetium gibt. So die Bewertung für die public corporation Cox/Hazen/O’Neil, Corporations, 1997, p. 253. Zur Behandlung der close corporation in Delaware unter § 2 B. III. 6., zu den Grundlagen der public corporation unter § 2 B. III. 8. Sinclair Oil Corp. v. Levien, 280 A. 2 d 717, 720 (Del. 1971). So die Kriterien des Delaware Supreme Court in Sinclair Oil Corp. v. Levien, 280 A. 2 d 717, 720 (Del. 1971): Da an alle Gesellschafter Dividende in gleicher Höhe ausgeschüttet wurde, durfte sich der Mehrheitsgesellschafter auf sein unternehmerisches Ermessen berufen. Folgend Trans World Airlines, Inc. v. Summa Corp. 374 A. 2 d 5 (Del. Ch. 1977). Anders Litle v. Waters, No. 12155, 1992 Del. Ch. Lexis 25 (Del. Ch. 1992). Dort untersagte das Gericht dem Mehrheitsgesellschafter, sich auf sein unternehmerisches Ermessen zu berufen, weil seine Dividendenpolitik vom Gericht als Insichgeschäft eingeordnet worden war, so dass der entire fairness test zur Anwendung kam. Siehe auch Cox/Hazen/O’Neal, Corporations, 1997, p. 254. Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701, 703 (Del. 1983); Kahn v. Lynch Communications Sys. Inc., 638 A. 2 d 1110, 1117 (Del. 1994); Kahn v. Tremont Corp., 694 A. 2 d 422, 429 (Del. 1997). Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701, 711 (Del. 1983).
A. Eingriffscharakter der Bereicherungen
321
in allen Phasen des Geschäftes gewahrt wurde und vor allem den Minderheitsgesellschaftern alle zur Beurteilung des Geschäfts wesentlichen Informationen zur Verfügung gestellt wurden. Im Zusammenspiel führen diese beiden Faktoren dazu, dass sowohl der Inhalt einer Maßnahme als auch das Vorgehen bei ihrer Durchsetzung den Minderheitsgesellschaftern gegenüber fair sein muss. Dies führt zu einer Gesamtbetrachtung aller Umstände, die sich für den Minderheitsschutz als relevant erweisen können.1282 Beweisrechtlich bestehen für den Minderheitsgesellschafter jedoch erhebliche Herausforderungen: Der Nachweis auf der ersten Stufe, auf der darüber entschieden wird, ob sich der Mehrheitsgesellschafter auf sein unternehmerisches Ermessen berufen darf, obliegt dem Minderheitsgesellschafter. Wer behauptet, dass aufgrund besonderer Umstände nicht davon auszugehen ist, dass sich die Mehrheit innerhalb der Grenzen der business judgment rule bewegt hat, ist hierfür beweispflichtig. Gelingt dieser Beweis, verschiebt sich die Beweislast auf der zweiten Stufe. Nunmehr hat der Mehrheitsgesellschafter zu beweisen, dass er die Grundsätze der entire fairness beachtet hat.1283 Er muss darlegen und beweisen, wann und wie die Transaktion eingeleitet, verhandelt, den Direktoren unterbreitet und ggf. die Zustimmung der Direktoren und der übrigen Gesellschafter eingeholt wurde.1284 Im Übrigen kann eine inhaltliche Prüfung anhand der Grundsätze zum entire fairness test auch dann erfolgen, wenn sich der Mehrheitsgesellschafter auf der ersten Stufe auf sein unternehmerisches Ermessen berufen darf, weil keine (ersten) Anzeichen für ein Geschäft zu seinem Vorteil sprechen, etwa weil es an einem wirtschaftlichen Vorteil fehlt oder weil neutrale Parteien (disinterested directors or shareholders)1285 das Geschäft genehmigt haben.1286 Die Beweislastverteilung ___________ 1282
1283 1284 1285
1286
Dazu Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701, 711 (Del. 1983): “The test for fairness is not a bifurcated one as between fair dealing and fair price. All aspects of the issue must be examined as a whole since the question is one of entire fairness.” Kahn v. Lynch Communications Sys., Inc., 669 A. 2 d 79 (Del. 1995) (finding the entire fairness test satisfied despite coercive conduct by a controlling shareholder); Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A. 2 d 1156 (Del. 1995); Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q., 1099, 1136, Fn. 191 (1999): “Although cases generally analyze the entire fairness test in terms of its fair dealing and fair price prongs, the test is theoretically unitary in that the court will weigh the totality of all factors relating to either prong to arrive at a determination of whether a self-dealing transaction is entirely fair. (. . .) The majority can satisfy its burden of proving entire fairness even if some misconduct is found”. Cinerama, Inc. v. Technicolor Inc. 663 A. 2 d 1156 (Del. 1995). Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701, 711 (Del. 1983). Rechtskonstruktiv ähnlich für das schweizerische Recht Crone, SZW 1994, 1, 5 ff. Für neutrale Gesellschafter Efron v. Kalmanovitz, 38 Cal. Rptr. 148 (Cal. Ct. App. 1964); Sterling v. Mayflower Hotel Corp., 93 A. 2 d 107 (Del. 1952); für neutrale Direktoren Weinberger v. UOP, inc., 457 A. 2 d 701, 709 (Del. 1983); Puma v. Marriott, 283 A. 2 d 693 (Del. Ch. 1971). Erste Anzeichen liegen vor, wenn die Transaktion mit unverhältnismäßigen Gewinnen für den Gesellschafter verbunden ist, Crowley v. Communications for Hosps., Inc., 573 N. E. 2 d 996 (Mass. App. Ct.); Cox/Hazen/O’Neal, Corporations, 1997, p. 252.
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
fällt dann jedoch anders aus, da der klagenden Partei die Beweislast für die Unangemessenheit des Geschäfts, also die Beweislast auf zweiter Stufe, auferlegt wird.1287 B. Rechtsbehelfe bei Doppelschäden im Gesellschafts- und Anteilsvermögen
B. Rechtsbehelfe bei Doppelschäden im Gesellschafts- und Anteilsvermögen I. Unterschiedliche Interessenlage gegenüber Schädigungen durch die Geschäftsleitung Zur Beantwortung der noch offenen Frage nach der Behandlung der Doppelschäden bei Pflichtverletzungen des Mehrheitsgesellschafters ist auf die Ergebnisse unter § 6 für die bereits diskutierte mittelbare Schädigung durch das Verhalten der Geschäftsleitung zurückzukommen: Soweit die Situation eines Doppelschadens entsteht, ist es mit der ganz h. M. im Regelfall ausgeschlossen, dass der Gesellschafter seinen mittelbaren Schaden einklagt. Erneut ist an die anderenfalls entstehende Kollision mit dem Grundsatz der Kapitalerhaltung, der durch eine Zahlung vorbei an der Gesellschaft (erneut) verletzt würde, an einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gesellschafter, an einen Widerspruch zu der gemeinsamen Zweckwidmung des Gesellschaftsvermögens und die Wertung des § 117 I 2 AktG zu erinnern.1288 Vielmehr werden die Interessen der Gesellschafter gewahrt, wenn eine Ausgleichszahlung des bereicherten Gesellschafters an die Gesellschaft erfolgt.1289 Soweit die Schädigung des Gesellschaftsvermögens zugleich eine Pflichtverletzung gegenüber dem Gesellschafter und damit einen Eingriff in seine Rechtsstellung darstellt, kann der Gesellschafter daher zwar aus eigenem Recht, aber nur auf Zahlung an die Gesellschaft klagen. Eine Ausnahme gilt für die Aktiengesellschaft, die eine Individualklagebefugnis bei Schädigungen des Gesellschaftsver___________ 1287
1288
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Efron v. Kalmanovitz, 38 Cal. Rptr. 148 (Cal. Ct. App. 1964); Sterling v. Mayflower Hotel Corp., 93 A. 2 d 107 (Del. 1952); Weinberger v. UOP, inc., 457 A. 2 d 701, 709 (Del. 1983); Puma v. Marriott, 283 A. 2 d 693 (Del. Ch. 1971). Zu einer Übersicht siehe Cox/Hazen/ O’Neal, Corporations, 1997, p. 255. Insoweit nochmals der Hinweis auf BGH NJW 1987, 1077, 1079 f.; BGH NJW 1987, 3121, 3122; BGH NJW 1985, 1900; BGH NJW 1985, 1777, 1778; BGH WM 1987, 425; Baums, ZGR 1987, 554, 558; Gerkan, ZGR 1988, 441, 446; Martens, ZGR 1972, 254, 279 f.; Kropff, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Band II, 1973, § 117, Rn. 38; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Band II, 1973, § 93, Rn. 97; Hachenburg/Mertens, GmbHG, Band II, 8. Aufl. 1997, § 43 Rn. 103; ders., FS R. Fischer, 1979, S. 461, 474 f.; ders., ZGR 1972, 254, 279; Windbichler, Liber Amicorum Buxbaum, 2000, S. 617, 623; Winter, ZHR 148 (1984), 579, 596. Zöllner, ZGR 1988, 392, 405, für nicht bewirkte Einlagen. Zu dem Vorschlag, das Gericht solle in diesen Fällen ähnlich wie bei Verschmelzungen einen Prüfer bestellen, dessen Bericht anders als bei § 313 AktG auch den Aktionären offen gelegt wird, siehe Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 184.
B. Rechtsbehelfe bei Doppelschäden im Gesellschafts- und Anteilsvermögen
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mögens ausschließt. Dessen ungeachtet können eigene Schäden in allen Gesellschaftsformen eingeklagt werden, wenn sie über den Schaden der Gesellschaft hinausgehen. Davon ist auszugehen, wenn der Schwerpunkt der rechtswidrigen Maßnahme auf der Schädigung der individuellen Mitgliedschaft liegt. Das kommt auch in Betracht, wenn vordergründig eine Schädigung des Gesellschaftsvermögens besteht, die Gesamtschau aller Vorgänge jedoch ergibt, dass in letzter Konsequenz nicht die Gesellschaft, jedenfalls nicht auf lange Sicht, sondern vielmehr der Minderheitsgesellschafter geschädigt werden soll. Zielt etwa ein Pflichtverstoß des Mehrheitsgesellschafters darauf ab, den Wert der Aktien über eine Entwertung des Gesellschaftsvermögens zu senken, um die Voraussetzungen für eine günstige Übernahme der Aktien der Minderheit zu schaffen, liegt ein solcher Fall vor.1290 Zudem hat der BGH eine Klage des Gesellschafters auf Leistung an sich anerkannt, wenn er den Schaden der Gesellschaft mit eigenen Mitteln beseitigt hat.1291 In den übrigen und weitaus häufiger auftretenden Fällen führt das Gesellschafterhandeln zu einer Schädigung des Gesellschaftsvermögens, die sich in den Ansprüchen der Gesellschafter auf Gewinnziehung und Teilhabe an dem Liquidationserlös, darüber hinaus auch in der Bewertung der Beteiligung und einem verminderten Veräußerungserlös als Wertminderung niederschlägt. Wird hier in Anwendung der unter § 6 C. III. zum Geschäftsleiterhandeln entwickelten Grundsätze nur eine Klage auf Leistung an die Gesellschaft zugelassen, tritt ein Sonderproblem auf. Ausgleichszahlungen an die Gesellschaft drohen gerade in den problematischen Fällen zu versagen, in denen der Mehrheitsgesellschafter die Organe der Gesellschaft kontrolliert und bereits erfolgreich das Vermögen der Gesellschaft durch eine verdeckte Gewinnausschüttung geschädigt hat. Anders als in den Fällen der Schädigung durch die Geschäftsleitung, in denen die Gesellschafter gemeinsame Interessen verfolgen, fehlt es bei der Bereicherung des Gesellschafters mit Billigung der von ihm beherrschten Geschäftsleitung an einer Überwachung durch eine gegenläufige Interessen verfolgende Instanz. Da auch eine externe Kontrolle durch eine neutrale Stelle in Deutschland nur für kapitalmarktrechtliche Fragen und im Übrigen erst zum Schutz der Gläubiger im Insolvenzverfahren existiert,1292 ist die Gesellschaft einem böswilligen Mehrheitsgesellschafter schutzlos ausgeliefert. Das an die Gesellschaft zurückgeführte Kapital ist daher erneut dem Belieben des Mehrheitsgesellschafters ausgesetzt. Ein ausschließlich auf Kapitalrückführung an die Gesellschaft gerichteter Rechtsbehelf vermag daher die Interessen der Minderheit nicht (ausreichend) zu wahren. ___________ 1290 1291
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Dazu Hamilton, The Law of Corporations in a Nutshell, 5th ed. 2000, p. 537 seq. Darauf beruhte auch das soeben dargestellte Beispiel unter A II 5. Nach BGH NJW 1987, 1077, 1079 f., setzt dies voraus, dass der Gesellschafter darlegt und beweist, dass er durch seine Zahlung an die Gesellschaft deren Schaden und damit deren Ansprüche gegen den die Schädigung auslösenden Gesellschafter beseitigt hat. Zustimmend Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 29, Rn. 56. Anders ist dies in den USA, wo die Gerichte nur einen custodian oder einen provisorischen Direktor einsetzen können, der die Wahrung der Minderheitsinteressen sicherstellen soll, siehe Delaware General Corporation Law §§ 226, 353; MBBA sec. 14.32. Näher dazu Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 471.
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
II. Erweiterte Informationspflichten als Lösungsvorschlag für das deutsche Recht Um diesem Defizit zu begegnen, wird de lege ferenda vorgeschlagen, die einzelnen Mitglieder des Verwaltungsorgans stärker in die Pflicht zu nehmen und zugleich die Geschäftsleitung als Gesamtorgan zu stärken, um ein wirkungsvolles Gegengewicht zum Mehrheitsgesellschafter zu etablieren. Vor allem soll für ausreichenden Informationsfluss gesorgt werden müssen, um dem zur Entscheidung über das Geschäft zwischen Mehrheitsgesellschafter und Gesellschaft berufenen Organ eine objektive Entscheidung zu ermöglichen. Darüber hinaus wird es als elementar bewertet, Verletzungen der Informationspflichten zu sanktionieren, indem der Mehrheitsgesellschafter in seiner Funktion als Mitglied der Geschäftsleitung bzw. die seine Interessen wahrnehmenden Organmitglieder für unzureichende oder gar falsche Informationen haften, etwa nach § 93 AktG.1293 Diese Forderung nach verstärkten Publizitätspflichten verdient Unterstützung. Sie versprechen, das Geschehen in das Bewusstsein der beteiligten Interessengruppen zu rücken, und bringen die damit unweigerlich verbundenen Disziplinierungseffekte mit sich. Das alleine reicht jedoch nicht aus, um den Schutz der Minderheitsgesellschafter sicherzustellen. An der beherrschenden Stellung des Mehrheitsgesellschafters und der damit verbundenen Zurückhaltung der geschäftsführenden Organe, gegen diesen vorzugehen, ändert sich auch durch Informationspflichten nichts. Nur soweit die Minderheitsgesellschafter selbst berechtigt sind, unter Einschaltung der Gerichte ihre Interessen wahrzunehmen, kann von einem effektiven Minderheitsschutz ausgegangen werden. Dann erst tragen auch die Informationspflichten des Mehrheitsgesellschafters zu einer wirkungsvollen Rechtsdurchsetzung bei.
III. Die Rechtslage in den USA als Wertungsgrundlage im deutschen Recht Auch das US-amerikanische Recht kennt das Problem der Doppelschäden und die daraus resultierende Frage, ob dem Gesellschafter ein Recht auf Zahlung in das eigene Vermögen zugestanden werden kann.1294 Im Gegensatz zur deutschen Rechtslage (unter 1.) ist die Rechtsprechung reich an Urteilen, die sich mit dieser Frage auseinandersetzen, weshalb diese Darstellung auch breit ausfällt (dazu 2.) und als Grundlage für die Entwicklung eines eigenständigen Ansatzes im deutschen Recht dienen soll (dazu 3.). ___________ 1293 1294
Zu diesen Forderungen Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 183, 185. Ausführlich zur Dogmatik im englischen Recht und der dort (trotz Kritik noch immer) vorherrschenden Grundregel nach Foss v. Harbottle Müller, ZVglRWiss 96 (1997), 217, 219– 238.
B. Rechtsbehelfe bei Doppelschäden im Gesellschafts- und Anteilsvermögen
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1. Direktklagen in der deutschen Rechtsprechung Die deutsche Rechtsprechung zu der Situation eines Doppelschadens wurde bereits unter § 6 C. dargestellt. Unabhängig davon, ob die Schädigung von der Geschäftsleitung oder dem Mehrheitsgesellschafter ausgegangen ist, wird dem Gesellschafter danach allenfalls zugestanden, den Schaden im eigenen Namen für Rechnung der Gesellschaft im Wege der actio pro socio einzuklagen. Eine richtungsweisende Entscheidung des BGH soll näher untersucht werden. Es handelt sich um einen Fall, in dem der BGH eine unmittelbare Klage des Minderheitsgesellschafters gegen den Mehrheitsgesellschafter einer Zweimann-GmbH auf Schadensersatz an eine KG zuließ. Der Mehrheitsgesellschafter der GmbH veranlasste die GmbH, ihren Einfluss in zwei Kommanditgesellschaften, deren Komplementärin sie war, dazu auszuüben, Zahlungen an ihn zu veranlassen, die der BGH als verdeckte Gewinnausschüttungen bewertete. Der Minderheitsgesellschafter der GmbH war zugleich Kommanditist in den Kommanditgesellschaften. Die verdeckte Gewinnausschüttung schädigte daher die Kommanditgesellschaften unmittelbar und den Minderheitsgesellschafter der GmbH in seiner Eigenschaft als Kommanditist der KGs. Eventuelle mittelbare Schäden der GmbH blieben hingegen unberücksichtigt. Dennoch wertete der BGH das Vorgehen des Mehrheitsgesellschafters als Treuepflichtverletzung innerhalb der GmbH, da die Verflechtung der Gesellschaften es rechtfertige, die Gesamtstruktur der Beteiligungsverhältnisse bei der Bestimmung der Treuepflichten in der GmbH zu berücksichtigen. Der Schaden des Minderheitsgesellschafters in seiner Eigenschaft als Kommanditist wurde als aus dieser Treuepflichtverletzung resultierender unmittelbarer Schaden anerkannt, da sich der Substanzwert seiner Anteile und der verteilbare Reingewinn vermindert hatten.1295 Der Minderheitsgesellschafter klagte die Rückzahlungsansprüche der Kommanditgesellschaften im eigenen Namen ein. Der BGH billigte dies, da er es als unnötigen Umweg ansah, zunächst im Klagewege die GmbH veranlassen zu müssen, die Rückzahlungsansprüche der Kommanditgesellschaften gegen den GmbH-Mehrheitsgesellschafter durchzusetzen. Dieser Vorgang wurde in der Literatur als eine actio pro socio des Minderheitsgesellschafters zugunsten der GmbH interpretiert, die auf Schadensausgleich dort, wo er entstanden war, nämlich im Vermögen der Kommanditgesellschaften, gerichtet war.1296 Dies deckt sich nur dann mit den Grundlagen der actio pro socio, wonach ein Gesellschafter im eigenen Namen einen der Gesellschaft zustehenden Anspruch einklagt, wenn man auf den mittelbaren Schaden der GmbH abstellt, der dieser dadurch entstanden ist, dass sich ihre Ansprüche auf den Gewinn- und Liquida___________ 1295
1296
Zu allem Vorstehenden BGHZ 65, 15, 17 ff. = NJW 1976, 191 f. Auch in BGH NJW 1973, 134 wurde ein Direktanspruch vorbei an der geschädigten GmbH anerkannt, jedoch in einer gänzlich anderen (und nicht minderheitsrelevanten) Situation, in der ein Anspruch gegen einen nicht an der Gesellschaft beteiligten Dritten von dem Alleingesellschafter erhoben wurde. Ulmer, NJW 1976, 192, 193 (Anm. zu BGH NJW 1976, 191).
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tionserlös der KG verringert haben. Die GmbH hätte diesen Schaden als Komplementärin der KG einklagen können. Alternativ kam eine actio pro socio für die Kommanditgesellschaft in Betracht. Diese hätte jedoch nicht auf die Treuepflicht unter den GmbH-Gesellschaftern gestützt werden können, da der Kläger dann nicht seine Ansprüche als GmbH-Gesellschafter, sondern als Kommanditist die Ansprüche der Kommanditgesellschaften geltend gemacht hätte. Zwischen diesen und dem GmbH-Mehrheitsgesellschafter fehlte es jedoch an einer rechtlichen Verbindung, die als Grundlage der Treuepflicht hätte dienen können. Der Ausgangspunkt der Entscheidung lässt sich hingegen stimmig mit den hier vertretenen Grundsätzen begründen. Danach verletzt ein Gesellschafter eine gegenüber den Mitgesellschaftern bestehende Pflicht, wenn er die Gesellschaft schädigt, so dass diese Mitgesellschafter aus eigenem Recht auf Rückzahlung klagen können. Das leitet wiederum zu dem eigentlichen Problem über: Der BGH ordnete als Rechtsfolge die Zahlung an die beiden Kommanditgesellschaften an. Er verfolgte mit seinem Urteil daher den Grundsatz der Naturalrestitution: Der Ausgleich erfolgte dort, wo der Schaden unmittelbar eingetreten war. Der Eingriff in die Rechtsstellung des GmbH-Minderheitsgesellschafters war demgegenüber nur doppelt mittelbar, da auch der Schaden bei der GmbH als Komplementärin nur mittelbarer Natur war.
2. Direct Suit und Derivative Action im US-amerikanischen Recht Das US-amerikanische Recht sieht zwei Arten von Gesellschafterklagen vor, die direct suit (auch direct action) und die derivative action (auch derivative suit). Während der Gesellschafter bei der direct suit im eigenen Namen aus eigenem Recht auf Leistung an sich klagt, ist die derivative action eine Klage auf Leistung an die Gesellschaft.1297 Die derivative action dient dabei als Überwachungsmechanismus in Gesellschaften, in denen es an neutralen Direktoren fehlt und daher die Ansprüche der Gesellschaft gegen Direktoren, Mehrheitsgesellschafter oder Dritte praktisch nur dann eingefordert werden, wenn den Minderheitsgesellschaftern ein Klagerecht eingeräumt wird.1298 Zugleich besteht die Sorge, dass die vorgesehene Kompetenzverteilung durchbrochen und ein potentieller Missbrauch durch die Gesellschafter zum Schaden der Gesellschaft ermöglicht wird. Daher ist die derivative action von hohen Voraussetzungen abhängig.1299 ___________ 1297
1298
1299
Etwa Tooley v. Donaldson, Lufkin & Jenrette, Inc., 845 A. 2 d 1031 (Del. 2004): The derivative action “(. . .) enables a stockholder to bring suit on behalf of the corporation for harm done to the corporation. Because a derivative suit is being brought on behalf of the corporation, the recovery, if any, must go to the corporation.” Vgl. auch Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 303. Sax v. World Wide Press, Inc., 809 F. 2 d 610 (9th cir. 1989); Ross v. Bernard, 24 L. Ed.2 d 729 (US 1970); Buxbaum, 68 Cal.L.Rev. 1122 (1980); Eisenberg, Corporations and other Business Organizations, 9th ed. 2005, p. 653; Hazen/Markham, Corporations and Other Business Enterprises (abridged edition), 2003, p. 774. Zu diesen Voraussetzungen im Einzelnen siehe Choper/Coffee/Gilson, Cases and Materials on Corporations, 6th ed. 2004, p. 851–922; Eisenberg, Corporations and other Business Or-
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a) Direkte und indirekte Schädigungen Zur Bestimmung der statthaften Klage unterscheidet auch das US-amerikanische Recht danach, ob der Gesellschafter einen individuellen Schaden erlitten hat oder nur den unmittelbar der Gesellschaft entstandenen und sich auf seine Beteiligung wertmindernd auswirkenden Schaden einklagt. Die Gesetze der Staaten schweigen hierzu. Zwar sind in ihnen regelmäßig Schadensersatzansprüche der corporation gegen Gesellschafter und Direktoren vorgesehen. Ob daneben jedoch auch klagbare Ansprüche einzelner Gesellschafter bestehen, lassen sie, ähnlich dem in diesem Punkt regelungsdefizitären deutschen Gesellschaftsrecht, unbeantwortet. Die USGerichte haben zu dieser Frage hingegen zahlreich Stellung bezogen. Bei direkter Betroffenheit in seiner Rechtsstellung darf der Gesellschafter im Wege der direct suit vorgehen. Für einige Gerichte ist dabei entscheidend, dass sich der Gesellschafter in einer Sondersituation befindet, die ihn anders betrifft als die übrigen Gesellschafter.1300 Das ist zum einen der Fall, wenn eine Beziehung zwischen ihm und dem Schädiger besteht, die nicht allein in seiner Beteiligung an der Gesellschaft begründet ist.1301 Ein Beispiel stellt die Konstellation in Sutter v. General Petroleum Corp. dar, in der ein geschädigter Gesellschafter durch Betrug dazu bewegt wurde, sein eigentliches Investitionsvorhaben aufzugeben und stattdessen in die Gesellschaft zu investieren.1302 In solchen Konstellationen ist der Gesellschafter jedoch wie ein gesellschaftsfremder Dritter betroffen, so dass sie nicht den Kern des Problems treffen.1303 ___________
1300 1301
1302 1303
ganizations, 9th ed. 2005, p. 641, 667–710; Buxbaum, 68 Cal. L.Rev. 1122–1133 (1980); Hazen/Markham, Corporations and Other Business Enterprises (abridged edition), 2003, p. 776–793; Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1997, S. 113 ff. In Kalifornien sind die Voraussetzungen in Cal. Corp. Code § 800(b)(2) geregelt. Aus der Rechtsprechung siehe Tooley v. Donaldson, Lufkin & Jenrette, Inc., 845 A. 2 d 1031 (Del. 2004): “For example, if an action is derivative, the plaintiffs are then required to comply with the requirements of Court of Chancery Rule 23.1, that the stockholder: (a) retain ownership of the shares throughout the litigation; (b) make presuit demand on the board; and (c) obtain court approval of any settlement.” In re Kauffman Mutual Fund Actions, 479 F. 2 d 257 (1st Cir. 1973); Dansie v. City of Herriman, 134 P.3 d 1139 (Utah 2006). Dazu, dass in der solventen Gesellschaft die derivative suit gegen die directors von den Gesellschaftern, in der insolventen hingegen von den Gläubigern geltend gemacht werden kann, North American Catholic Educational Programming Foundation, Inc. v. Gheewalla, 930 A. 2 d 92 (Del. 2007). Diesen Aspekt betont Bokat v. Getty Oil Co. 262 A. 2 d 246 (Del.1970). Shaw v. Empire Savings & Loan Assn., 186 Cal.App.2 d 401 (Cal. 1960); Shenberg v. DeGarmo, 143 P. 2 d 74 (Cal. 1943); Corwin v. Bresler, 741 F2 d 410, 415 (CA DC 1984); DeMott, Shareholder Derivative Actions, Loseblatt, Stand 9/2003, § 2.3: “When the wrong alleged violates a fiduciary duty owed to the plaintiff independent of the fiduciary duties owed to him along with all other shareholders and when the wrong causes an injury to shareholders distinct from any injury to the corporation itself”. Sutter v. General Petroleum Corp., 170 P. 2 d 898 (Cal. 1946). Ähnlich Citibank, N.A. v. Data Lease Financial Corp., 828 F. 2 d 686 (11th Cir. 1987): Ein Gesellschafter hatte seine Anteile verpfändet, der Pfandgläubiger hatte die Geschäftsleitung mit eigenen Direktoren besetzt und der Gesellschafter verklagte diese wegen Missmanage-
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Im Übrigen wird eine direct suit zugelassen, wenn persönliche Rechte des Gesellschafters verletzt wurden.1304 Dies bestimmen die Gerichte regelmäßig danach, bei wem durch eine Maßnahme ein Schaden unmittelbar eintritt bzw. wer von dem Klageziel unmittelbar profitieren wird.1305 Daneben ist es auch von Bedeutung, gegenüber wem die verletzte Pflicht bestand.1306 Mit überzeugender Begründung wird hingegen ein anderer Ansatz abgelehnt, wonach sich die Situation des einzelnen Gesellschafters von der seiner Mitgesellschafter unterscheiden müsse.1307 Die Ablehnung stützt sich darauf, dass es nur darum gehen könne, solche Fälle aus dem Anwendungsbereich einer direct suit auszunehmen, in denen sich die Betroffenheit des klagenden Gesellschafters nur als Reflex einer Schädigung der Gesellschaft ergebe. Daher sei es unschädlich, wenn der klagende Gesellschafter ebenso wie alle seine Mitgesellschafter unmittelbar betroffen sei. Auch in diesen Fällen könne eine direct suit statthaft sein.1308 ___________
1304
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ments, nachdem er seine Anteile an den Pfandgläubiger verloren hatte. In dieser Situation, so das Gericht, sei der einzelne Gesellschafter nicht wie seine Mitgesellschafter betroffen. So auch Empire Life Ins. Co. v. Valdak Corp., 468 F. 2 d 330 (5th Cir. 1972). Ausdrücklich gegen die Abgrenzung in Shaw v. Empire Savings & Loan Assn,, 186 Cal. App. 2 d 401 (Cal. 1960), wonach der klagende Gesellschater anders betroffen sein muss als die übrigen Geselschafter Jones v. Ahmanson & Co., 460 P. 2 d 464 (Cal. 1969); Jennings/Buxbaum, Corporations, 5th ed. 1979, p. 623. Anders auch die Abgrenzung in Knapp v. Bankers Securities Corp., 230 F. 2 d 717 (3rd Cir. 1956), die vielmehr lautet: “The question then is whether in such an action the shareholder is seeking relief from a personal wrong done to him and thus is enforcing a primary or personal right of his own or is seeking to redress a wrong done to the corporation and thus is enforcing a secondary right derived from the corporation.“ Auf die verletzte Pflicht abstellend auch Johnson v. American General Ins. Co., 296 F.Supp. 802, 807 (D.D.C. 1969); Schumacher v. Schumacher, 469 N. W. 2 d 793, 798 (N.D.1991) und Noakes v. Schoenborn, 841 P. 2 d 682 (Or. App. 1992) stellen darauf ab, dass es sich um “a breach of a special duty owed by the defendant to the shareholders” handelt. Tooley v. Donaldson, Lufkin & Jenrette, Inc., 845 A. 2 d 1031, 1033 (Del. 2004): “That issue must turn solely on the following questions: (1) who suffered the alleged harm (the corporation or the suing stockholders, individually); and (2) who would receive the benefit of any recovery or other remedy (the corporation or the stockholders, individually)?” Elster v. American Airlines Inc., 100 A2 d 219 (Del. Ch 1953); Kramer v. Western Pacific, 546 A. 2 d 348, 352 (Del. 1988). Vgl. DeMott, Shareholder Derivative Actions, Loseblatt, Stand 9/2003, § 2.3. Vor allem von der älteren Rechtsprechung in Delaware vertreten, so in In Lipton v. News International, Plc., 514 A. 2 d at 1075 (Del. 1986). Jones v. Ahmanson & Co., 460 P 2 d, 464, 465 (Cal. 1969); Tooley v. Donaldson, Lufkin & Jenrette, Inc., 845 A. 2 d 1031, 1037 (Del. 2004) bezeichnet den (zuvor teilweise selbst vertretenen) Ansatz als verwirrend und inkorrekt: “Experience has shown this concept to be confusing and inaccurate. It is confusing because it appears to have been intended to address the fact that an injury to the corporation tends to diminish each share of stock equally because corporate assets or their value are diminished. In that sense, the indirect injury to the stockholders arising out of the harm to the corporation comes about solely by virtue of their stockholdings. It does not arise out of any independent or direct harm to the stockholders, individually. That concept is also inaccurate because a direct, individual claim of stockholders that does not depend on harm to the corporation can also fall on all stockholders equally,
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Im Gegensatz dazu darf nur im Wege einer Klage auf Leistung an die Gesellschaft vorgegangen werden, wenn der individuelle Schaden des Gesellschafters nur in einer Wertminderung seiner Beteiligung besteht. Die Bedenken gegen eine Individualklage lauten, deren Zulassung würde in eine Vielzahl von Klagen einzelner Gesellschafter ausufern, das Verbandsprinzip außer Acht lassen, die Gesellschaftsgläubiger gefährden, indem der Gesellschaft Kapital entzogen wird, einzelne Gesellschafter bevorzugen und andere benachteiligen und im Übrigen dem klagenden Gesellschafter mehr zusprechen als er verloren hat, nämlich direkten Ausgleich statt einer Wertsteigerung seiner Beteiligung.1309 Der dogmatische Ansatz einer auf Leistung an die Gesellschaft gerichteten Klage ist nicht minder problematisch als im deutschen Recht. Einige Gerichte scheinen den auch hier vertretenen Ansatz zu verfolgen, wonach sie die Schädigung des Mehrheitsgesellschafters als eine Pflichtverletzung gegenüber den Mitgesellschaftern bewerten und daher eine Klage aus eigenem Recht bejahen, die jedoch sekundärer Natur und daher nur auf Leistung an die Gesellschaft gerichtet ist.1310 Die überwiegende Meinung entspricht der h. M. im deutschen Recht und verneint eine eigene Rechtsverletzung des Minderheitsgesellschafters.1311 Mit der derivative ac___________
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without the claim thereby becoming a derivative claim.” Kritik übt diese Entscheidung auf S. 1038 (zu Recht) auch an In Lipton v. News International, Plc., 514 A. 2 d at 1075 (Del. 1986): Anstatt auf die Sondersituation des Gesellschafters abzustellen, wäre es sinnvoll gewesen festzustellen, dass die angegriffene Maßnahme den Gesellschafter direkt und individuell beschädigte, ohne die Gesellschaft zu belasten. Watson v. Button, 235 F. 2 d 235 (9th Cr. 1956); Eisenberg, Corporations and other Business Organizations, 9th ed. 2005, p. 653. Zu einzelnen Aspekten Sutter v. General Petroleum Corp., 170 P. 2 d 898 (Cal. 1946): “Generally, a stockholder may not maintain an action in his own behalf for a wrong done by a third person to the corporation on the theory that such wrong devalued his stock and the stock of the other shareholders, for such an action would authorize multitudinous litigation and ignore the corporate entity.” Bestätigend und ergänzend Shaw v. Empire Savings & Loan Association, 186 Cal.App.2 d 401 (Cal. 1960): “(. . .) it is a well-established general rule that a stockholder of a corporation has no personal or individual right of action against third persons, including the corporation’s officers or directors, for a wrong or injury to the corporation which results in the destruction or depriciation of the value of the stocks, since the wrong thus suffered is merely incidential to the wrong suffered by the corporation and effects all stockholders alike.” I. E. auch Coronado Development Corp. v. Millikin, 22 N. Y. S. 2 d 670, 674 (N. Y. 1940); Noakes v. Schoenborn, 841 P. 2 d 682 (Or. App. 1992). Zu einer systematischen Darstellung Gebauer, 10 A. L. R. 6th 293 (2006). Die Abgrenzung in Knapp v. Bankers Securities Corp., 230 F. 2 d 717 (3rd Cir. 1956) lautet: “The question then is whether in such an action the shareholder is seeking relief from a personal wrong done to him and thus is enforcing a primary or personal right of his own or is seeking to redress a wrong done to the corporation and thus is enforcing a secondary right derived from the corporation.“ So auch Lyon v. Campbell, 33 Fed. Appx. 659 (4th Cir. 2002) für eine close corporation, in der, wie sogleich unter b) auszuführen sein wird, besondere Grundsätze gelten. Ausdrücklich Johnson v. American General Ins. Co., 296 F.Supp. 802, 807 (D.D.C. 1969), obwohl es sich um einen Verstoß des director gegen die duty of loyalty handelte. Dieser
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tion wird daher, ähnlich der actio pro socio, nur ein der Gesellschaft zustehender Anspruch von dem einzelnen Gesellschafter eingeklagt.1312 b) Sonderkonstellationen Wie schon bei der Frage nach der Geltung von fiduciary duties nimmt die closely held corporation auch bei den Klagemöglichkeiten der Gesellschafter eine Sonderstellung ein. Soweit der Mehrheitsgesellschafter seine Pflichten gegenüber einer closely held corporation verletzt, soll der Minderheitsgesellschafter nach den Principles of Corporate Governance des American Law Institute (ALI) im Wege einer direct action gegen ihn vorgehen dürfen. Voraussetzung ist, dass hierdurch der beklagte Gesellschafter nicht unfairly einer Vielzahl von Klagen ausgesetzt wird, die Interessen der Gesellschaftsgläubiger nicht beeinträchtigt werden und das im Klagewege erlangte Vermögen gerecht unter den Gesellschaftern verteilt wird.1313 Dem haben sich vereinzelt Gerichte angeschlossen.1314 Auch gelten besondere Grundsätze, wenn der Gesellschafter erst von den eine derivative action begründenden Umständen erfährt, nachdem er seine Beteiligung bereits veräußert hat. Da die derivative action voraussetzt, dass der Kläger auch zum Urteilszeitpunkt Verbandsmitglied der geschädigten Gesellschaft ist, ist eine solche Klage nach Veräußerung seiner Beteiligung präkludiert. Stattdessen darf er zu diesem Zeitpunkt im Wege einer direct suit die Wertminderung einklagen, die seine Beteiligung durch eine Pflichtverletzung erfahren hat.1315 Das leuchtet ebenso ein wie die weitere anerkannte Ausnahme für den Fall, dass die Gesellschaft vor Kenntniserlangung aufgelöst und eine derivative action aus diesem Grund unmöglich wurde.1316 Im Ansatz interessant, im Ergebnis aber abzulehnen ist eine Entscheidung des obersten Gerichts von New York (New York Court of Appeals). Sie betraf einen Fall, in dem ein Direktor, der sich am Vermögen der Tochtergesellschaft bereichert hatte, auch dem Gesellschafter der Tochter auf Ausgleich des Wertverlustes seiner Anteile haften sollte. Das Problem des Doppelschadens und die daraus resultierende Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme verneinte das Gericht mit der ___________ 1312 1313 1314 1315 1316
Schluss liegt auch bei Shaw v. Empire Savings & Loan Assn., 186 Cal. App. 2 d 401 (Cal. 1960) nahe. Vgl. Tooley v. Donaldson, Lufkin & Jenrette, Inc., 845 A. 2 d 1031, 1038 (Del. 2004); Kramer v. Western Pacific Industries, Inc., 546 A. 2 d 348, 352 (Del.1988). A. L. I. Prin. Corp. Gov. § 7.01 (d). Barth v. Barth, 659 N. E. 2 d 559 (Ind. 1995). Hingegen bleibt es nach Bagdon v. Bridgestone, Firestone, Inc., 916 F. 2 d 379 (7th Cir. 1990) bei den allgemeinen Abgrenzungskriterien. Watson v. Button, 235 F. 2 d 235 (9th Cir. 1956). Donofrio v. Matassini, 503 So.2 d 1278 (Fla. Dist. Ct. App. 2nd Dist. 1987). Zugrunde lag der Sachverhalt, dass der Mehrheitsgesellschafter das Gesellschaftsvermögen vor Auflösung der Gesellschaft beiseite geschafft und die Minderheitsgesellschafter damit um ihren vollen Liquidationserlös gebracht hatte. Das Gericht ging zwar, wegen Verletzung der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Pflichten, von Ansprüchen der Gesellschaft und damit der Situation einer derivative suit aus, ließ die direct action aber zu, weil die Gesellschaft nicht mehr bestand.
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Begründung, die verursachten Schäden seien unterschiedlicher Natur. Der Schaden der Gesellschaft bestehe in dem Verlust des entzogenen Vermögens, der des Gesellschafters in dem Wertverlust seiner Beteiligung. Dementsprechend erkannte das Gericht auch verschiedene Pflichtverletzungen: Die gegenüber der Gesellschaft sollte darin bestehen, sich an ihrem Vermögen bereichert zu haben, die gegenüber deren Gesellschafter darin, ihn nicht vor einer Entwertung seiner Anteile bewahrt zu haben.1317 Zugleich fehlt es in dieser Entscheidung an einer Auseinandersetzung mit der Frage, warum die Geschäftsleitung der Mutter gegenüber den Gesellschaftern der Tochter eine als fiduciary duty bezeichnete Pflicht haben soll, diese vor einer Entwertung ihrer Beteiligung zu bewahren. Dieser Ansatz ließe sich freilich begründen, indem ganz im Sinne der hier vertretenen Ansicht der Kreis der Schutzadressaten der duty of loyalty über die Gesellschaft hinaus erweitert und andere Interessengruppen, die den durch eine Pflichtverletzung ausgelösten Schäden typischerweise ausgesetzt sind, einbezogen werden. Das Problem des Doppelschadens kann mit der Begründung des Gerichts jedoch nicht umgangen werden. Soweit die Wertminderung der Beteiligung nur als Reflex einer Schädigung des Gesellschaftsvermögens eintritt, sieht sich der Schuldner zwei Ansprüchen ausgesetzt, die, wenn sie beide befriedigt werden, zu einer Bereicherung der Gesellschafter führen. Dementsprechend handelt es sich auch um dieselbe Pflicht des Inhalts, sich am Vermögen der Gesellschaft nicht bereichern zu dürfen. Diese ist sowohl der Gesellschaft als auch den Gesellschaftern, die hierdurch typischerweise mittelbar geschädigt werden, geschuldet. Aus diesem Grund ließ der Delaware Supreme Court in einer ähnlich gelagerten Entscheidung die Klage des Gesellschafters einer Tochtergesellschaft gegen die Muttergesellschaft wegen Missmanagements in der Tochtergesellschaft auch nur als derivative action des Gesellschafters für die Tochtergesellschaft zu.1318 c) Exemplarische Einzelfälle Anhand dieser allgemeinen Grundsätze haben die Gerichte im Einzelfall entschieden: Die Forderung eines Gesellschafters nach (persönlicher) Einsicht in die Bücher der Gesellschaft wird im Wege einer direct suit verfolgt.1319 Auch die Klage auf Ausschüttung einer Dividende ist eine direct suit, da die Vorenthaltung einer ___________ 1317
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General Rubber Co v. Benedict, 215 N. Y. 18 (N. Y. 1915): “We must keep in mind steadfastly the essential nature of the cause of action. It is not an action to restore to the subsidiary company the money that has been abstracted. It is an action to restore to the (plaintiff) the diminished value of its shares. (. . .) Nothing has been taken directly from the plaintiff. What has been taken belongs to the subsidiary company. The defendant is not sued for a wrongful taking. He is sued for the wrongful failure to preserve the value of the plaintiff’s shares. Only to the extent that the taking has made the individual shares less valuable, has a liability arisen”. Bokat v. Getty Oil Co. 262 A. 2 d 246 (Del.1970). Choper/Coffee/Gilson, Cases and Materials on Corporations, 6th ed. 2004, p. 924 seq.
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Gewinnausschüttung eine primäre Verletzung der Mitgliedschaft darstellt.1320 Einen weiteren Anwendungsfall stellt es dar, wenn die Stimmrechtsmacht infolge von Umstrukturierungen beeinträchtigt wird.1321 Besonders relevante Anwendungsfälle der direct suit sind Klagen, mit denen Verletzungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes gerügt werden, so etwa wenn der Mehrheitsgesellschafter Vorteile aus seiner Beteiligung zieht, die den Minderheitsgesellschaftern (grundlos) vorenthalten werden.1322 Diese Vorgänge können durchaus mit einer gleichzeitigen Verletzung der Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft einhergehen, solange nur die Rechtsverletzung gegenüber dem Gesellschafter unabhängig von der gegenüber der Gesellschaft, nicht lediglich als deren mittelbares Resultat, festgestellt werden kann.1323 Daher scheidet umgekehrt eine direct suit aus, wenn die Verletzung gegenüber der Gesellschaft begangen wird und der klagende Gesellschafter nur einen hierüber vermittelten Wertverlust seiner Beteiligung erleidet.1324 Diese Trennung wird jedoch nicht immer konsequent eingehalten. Nach Meinung des Supreme Court von Delaware soll eine Klage gegen die Direktoren der Gesellschaft wegen überhöhter Gehälter und sonstiger Verschwendung von Gesellschaftsvermögen eine derivative action, die Klage gegen eine Vereinbarung der Direktoren mit dem CEO, dessen Entscheidungen nicht anzuzweifeln, jedoch eine direct suit begründen, letzteres mit dem untauglichen Abgrenzungsargument, der Kläger verlange nur die Erklärung, dass die Vereinbarung unwirksam sei, nicht aber eine Zahlung an sich oder die Gesellschaft.1325 Ebenso zweifelhaft ist es, dass der Streit um Bezugsrechte der Minderheitsgesellschafter bei Übernahme aller neuen Anteile durch den Mehrheitsgesellschafter und der Streit um die Angemessenheit des Ausgabepreises für neue Anteile nicht im Wege der direct suit ausgetragen werden soll.1326 Konsequent ist es demgegenüber, die Vergabe von ___________ 1320 1321 1322
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Knapp v. Bankers Securities Corp., 230 F. 2 d 717 (3rd Cir. 1956). Eisenberg v. Flying Tiger Line, Inc., 451 F. 2 d 267 (2nd Cir. 1971). Dazu nochmals der Hinweis auf die oben schon vielzitierte Entscheidung Donahue v. Rodd Electrotype Co. of New England, Inc., 328 N. E. 2 d 505 (Mass. 1975). Zu der Einschränkung der “per se“-rule, wonach jede Ungleichbehandlung einen Treuepflichtverstoß darstellen sollte, durch die weitere Rechtsprechung schon oben unter § 2 B. III. 4. Dazu Grimes v. Donald, 673 A. 2 d 1207 (Del. 1996); Orsi v. Sunshine Art Studios, Inc., 874 F. Supp. 471 (U. S. Dist. Ct. Mass. 1995) unter Anwendung des (wie oben beschrieben, minderheitsfreundlichen) Rechts von Massachusetts; Bennett v. Breuil Petroleum Corp., 99 A. 2 d 236 (Del. Ch. 1953); Eisenberg, Corporations and other Business Organizations, 9th ed. 2005, p. 654. DeMott, Shareholder Derivative Actions, Loseblatt, Stand 9/2003, § 2.3. Grimes v. Donald, 673 A. 2 d 1207 (Del. 1996). Shaw v. Empire Savings & Loan Assn., 186 Cal. App. 2 d 401 (Cal. 1960). Vielmehr sollte im Wege einer derivative action gegen den Mehrheitsgesellschafter vorgegangen werden. Im deutschen Recht ist der Streit um das Bezugsrecht mit der Gesellschaft zu führen, da diese das Bezugsrecht der Minderheit beeinträchtigt, siehe dazu unter § 15 B. Ein zu niedrig bemessener Ausgabepreis wäre als verdeckte Vermögenszuwendung hingegen primär im Verhältnis von Gesellschaft und Mehrheitsgesellschafter auszugleichen. Hier gelten daher die im Folgenden unter 3. dargestellten Grundsätze.
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stock options, die unter Wert emittiert werden, im Wege der derivative action anzugreifen, da dieser Vorgang in erster Linie das Gesellschaftsvermögen schädigt.1327 Mit den Besonderheiten, die in closely held corporations gelten, ist zu erklären, dass auch Eigengeschäfte eines Gesellschafters mit der Gesellschaft, durch die er sich das Vermögen der Gesellschaft unter Wert einverleibt, also Situationen verdeckter Vermögenszuwendungen, als Verletzung der gegenüber den Mitgesellschaftern geschuldeten fiduciary duties eine primäre Rechtsverletzung des Mitgesellschafters bedeuten und im Wege einer direct suit geltend gemacht werden können.1328 Andere Gerichte, die eine Sonderbehandlung von closely held corporations ablehnen, bewerten einen derartigen Vorgang als einen Fall des nur mittelbaren (sekundären) Schadens und lassen daher regelmäßig nur eine derivative action zu.1329 Als generelle Linie lässt sich daher ausmachen, dass eine derivative action statthaft ist, wenn in erster Linie Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt werden, und eine direct suit, wenn die Verletzung primär den Gesellschafter betrifft. Von dieser Weichenstellung existieren jedoch nicht nur die schon angesprochenen Abweichungen; mitunter sollen auch beide Klagen alternativ zur Verfügung stehen, wenn die duty of loyalty gegenüber der Gesellschaft und zugleich auch den Mitgesellschaftern verletzt wurde. Ein Fall, in dem das Gericht von einer solchen kumulativen Klagebefugnis von Gesellschaft und Gesellschafter im eigenen Namen und auf Zahlung an sich selbst ausging, betraf eine Bereicherung des Mehrheitsgesellschafters am Gesellschaftsvermögen. Der Mehrheitsgesellschafter hatte zunächst den Minderheitsgesellschafter von jeder Mitwirkung an der Geschäftsführung der Gesellschaft ausgeschlossen und sodann eine übertragende Auflösung beschlossen und sich dabei das Gesellschaftsvermögen unter Wert einverleibt.1330
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Elster v. American Airlines Inc., 100 A. 2 d 219 (Del. Ch 1953). Zu einer Aufzählung von Fallgestaltungen, die im Wege einer direct suit verfolgt werden, Hazen/Markham, Corporations and Other Business Enterprises (abridged edition), 2003, p. 775 seq. Lyon v. Campbell, 33 Fed. Appx. 659 (4th Cir. 2002), unter Anwendung des Rechts von Maryland, das die oben erläuterten Treuepflichten der Gesellschafter einer closely held corporation anerkennt. So etwa Interlake Porsche & Audi, Inc. v. Bucholz, 728 P. 2 d 597 (Wash. App. 1986); Norman v. Nash Johnson & Sons’ Farms, Inc., 537 S. E. 2 d 248 (N. C. App. 2000); Rosenfeld v. Rosenfeld, 648 S. E. 2 d 399 (Ga. App. 2007). Noakes v. Schoenborn, 841 P. 2 d 682 (Or.App. 1992): “When the majority shareholders of a closely held corporation use their control over the corporation to their own advantage and exclude the minority from the benefits of participating in the corporation, absent a legitimate business purpose, the actions constitute a breach of their fiduciary duties of loyalty, good faith and fair dealing. Because actions such as those alleged in this case result in both derivative and individual harm, an action brought by minority shareholders may proceed as a derivative or a direct action”.
334
§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
d) Wirkungsweise der alternativen Klagearten als Abgrenzungskriterium Während die bisher dargestellten Entscheidungen stark formalistisch abgrenzten, stellt eine andere Gruppe von Entscheidungen auf die Wirkungsweise der einen oder anderen Klageart für die beteiligten Interessengruppen ab. Eine dieser Entscheidungen betraf eine Dreimanngesellschaft. Zwei der Gesellschafter hatten sich selbst Boni zugesprochen, bei denen es sich tatsächlich um verdeckte Gewinnausschüttungen handelte. Das Gericht ließ es zu, dass der benachteiligte Gesellschafter den ihm zustehenden Teil an der gesamten Gewinnausschüttung direkt bei den Mitgesellschaftern abschöpfte. Grund war, dass es sich bei dem dritten Gesellschafter um den einzigen verletzten Gesellschafter handelte, so dass weder eine Vielzahl von Gesellschafterklagen noch die Benachteiligung anderer Gesellschafter zu befürchten stand. Außerdem wäre der Gesellschafter nicht ausreichend entschädigt worden, wenn die Zahlung an die Gesellschaft erfolgt wäre, und die Gefährdung von Gläubigeransprüchen schied ebenfalls aus.1331 Diese Kriterien erscheinen auch in deutschen Kapitalgesellschaften entsprechende Konstellationen zufriedenstellend lösen zu können, wobei die zwei entscheidenden Prämissen hervorzuheben sind: Zum einen beeinträchtigte das Vorgehen der beiden Gesellschafter den Gewinnanspruch des dritten Gesellschafters und war daher als unmittelbarer Eingriff in dessen Rechtsstellung zu bewerten.1332 Zum anderen lag eine Situation vor, in der die häufig gegen eine Direktklage des Gesellschafters bei nur mittelbaren Schäden vorgebrachten Argumente nicht einschlägig waren. Hierauf wird sogleich unter 3. zurückzukommen sein. Ähnlich argumentierte ein anderes Gericht, wenn auch mit anderem Ausgang.1333 Der Mehrheitsgesellschafter hatte Vermögen der Gesellschaft zu seinem eigenen Vorteil verbraucht und dadurch, nach Feststellung des Gerichts, seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft verletzt. Eine derivative action war daher jedenfalls möglich. Eine direct suit lehnte das Gericht hingegen ab, da diese zu einer Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter führen würde. Zwar sei eine solche Verteilung nicht gänzlich unzulässig, setze jedoch voraus, dass hierdurch Drittinteressen von übergeordneter Bedeutung nicht beeinträchtigt werden. Da es jedoch die Interessen der Gläubiger beeinträchtigt sah, entschied das Gericht gegen eine direct suit. In einer weiteren Entscheidung sah ein Gericht die Gefahr, dass bei einer derivative action die gerade von dem Mehrheitsgesellschafter zurückgeführten Mittel wiederum in dessen Hände geraten, als Grund an, eine direct suit zuzulassen. Der Mehrheitsgesellschafter hatte sich unter Verstoß gegen seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft deren Vermögen, unter anderem im Wege verdeckter Ge___________ 1331
1332 1333
Thomas v. Dickson, 301 S. E. 2 d 49 (Ga. 1983); diese Kriterien wurden auch angewandt in Brown v. Mailman, 1996 WL 42229 (D. Kan. 1996); Dunaway v. Parker, 453 S. E. 2 d 43 (GA App. 1994); Caswell v. Jordan, 362 S. E. 2 d 769 (GA App. 1987); W & W Equipment Co., Inc. v. Mink, 568 N. E. 2 d 564 (Ind. Ct. App. 1st Dist. 1991). Zum Gewinnanspruch noch ausführlich unter § 16. Interlake Porsche & Audi, Inc. v. Bucholz, 728 P. 2 d 597 (Wash. App. 1986). Siehe auch die Kriterien in Rosenfeld v. Rosenfeld, 648 S. E. 2 d 399 (Ga. Ct. App. 2007).
B. Rechtsbehelfe bei Doppelschäden im Gesellschafts- und Anteilsvermögen
335
winnausschüttungen, einverleibt. Unter den Voraussetzungen, dass die Gesellschaft nicht insolvent ist, die Gläubiger nicht benachteiligt werden und keine Vielzahl von Einzelklagen droht, gestattete das Gericht eine direct suit des Minderheitsgesellschafters.1334 Auch ein weiteres Gericht ließ die direct suit zu, da bei einer Rückführung der Vermögenswerte an die Zweimanngesellschaft der Konflikt unter den Gesellschaftern angedauert und der Minderheitsgesellschafter mangels Marktes für seine Beteiligung kaum eine Möglichkeit gehabt hätte, diesem unter Wahrung seiner Interessen zu entgehen.1335
3. Folgerungen für das deutsche Recht Einige Aspekte der dargestellen Rechtslage in den USA verdienen, zur Problemlösung im deutschen Recht herangezogen zu werden: die in der Rechtsprechung zur closely held corporation zum Ausdruck kommende Unterscheidung nach der Realstruktur der Gesellschaft sowie die stark wirkungsbezogene Argumentation, mit der die stark formalistische Unterscheidung durchbrochen und eine direct suit auch in den Fällen zugelassen wird, in denen primär die Gesellschaft geschädigt wurde. Vor allem führen die in der US-amerikanischen Rechtsprechung vertretenen Bedenken gegen eine Rückführung des Kapitals an die Gesellschaft zur bereits einleitend angesprochenen Feststellung zurück: Das Gesellschaftsvermögen ist auch weiterhin dem Zugriff des Mehrheitsgesellschafters ausgesetzt. Ist es einmal gelungen, sich daran zu bereichern, besteht die nicht fernliegende Gefahr, dass es zu weiteren Bereicherungen kommen wird und die Rückzahlung daher nur temporärer Natur ist. a) Bedeutung der Einwände gegen eine Direktklage Diesem Dilemma kann dadurch Rechnung getragen werden, dass der Minderheitsgesellschafter seine Wertminderung an der Gesellschaft vorbei einklagen darf. Die zahlreichen Bedenken, die einem derartigen Vorgehen entgegen gesetzt werden, sind unterschiedlich gewichtig. So wurde der Einwand, dass es zu einem unzulässigen Ersatz reiner und entfernter Vermögensschäden kommen würde,1336 bereits beantwortet. Da eine Sonderbeziehung unter den Gesellschaftern besteht, sind auch derartige Schäden durchaus ersatzfähig. Schwerer wiegt hingegen, dass der Anspruch auf Schadensersatz bei der Gesellschaft untergehen und dieser daher auf Dauer ersatzlos entzogen würde, was zu einer Einlagenrückgewähr an den Ge___________ 1334
1335 1336
Norman v. Nash Johnson & Sons’ Farms, Inc., 537 S. E. 2 d 248 (N. C. App. 2000). Ähnliche Erwägungen bewegten das Gericht auch in Dunaway v. Parker, 453 S. E. 2 d 43 (GA App. 1994) dazu, eine direct suit zuzulassen. W & W Equipment Co., Inc. v. Mink, 568 N. E. 2 d 564 (Ind. Ct. App. 1st Dist. 1991). Insoweit der Hinweis auf die sich im Verhältnis zur Geschäftsleitung stellenden Fragen unter § 6 C. und auf Hopt, in: Großkomm.-AktG, Stand 1999, § 93, Rn. 471.
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
sellschafter führen würde.1337 In letzter Konsequenz würde sich der rechtswidrige Kapitalentzug des Mehrheitsgesellschafters daher manifestieren, wenn der Schadensausgleich an der Gesellschaft vorbei erfolgen würde. Die Grundsätze der Kapitalerhaltung sind gleichsam nicht Selbstzweck, sondern dienen vor allem dem Gläubigerschutz und daneben den Interessen der Gesellschafter an einer wirksamen Erfüllung der Zweckabrede und einer gleichmäßigen Verteilung des erwirtschafteten Vermögens. In beiderlei Hinsicht bestehen erhebliche Unterschiede unter den verschiedenen Gesellschaftsformen.1338 Der Gläubigerschutz besitzt in den Personengesellschaften wegen der persönlichen Haftung der Komplementäre und BGB-Gesellschafter eine allenfalls untergeordnete Bedeutung. Lediglich dann, wenn die Gefahr droht, dass Gläubiger mit ihren Ansprüchen bei der Inanspruchnahme der persönlich haftenden Gesellschafter ausfallen werden, muss ein Kapitalabfluss im Gläubigerinteresse verhindert werden. Die Unterschiede zwischen GmbH und Aktiengesellschaft im Kapitalgesellschaftsrecht wurden bereits angesprochen. In der GmbH ist die Kapitalbindung eher schwach ausgebildet. Nur das Stammkapital dient dem Gläubigerschutz, während Zugriffe auf das Vermögen oberhalb dieser Schwelle die Mitgliedschaft der Gesellschafter beeinträchtigen können. Demgegenüber kommt in § 57 AktG ein strenges Kapitalerhaltungsregime zum Ausdruck.1339 Insoweit unterscheiden sich auch das deutsche und US-amerikanische Recht nicht grundlegend. Zwar kennt das US-amerikanische Gesellschaftsrecht keine dem deutschen Recht vergleichbaren Kapitalerhaltungsregeln, doch trägt auch die Rechtsprechung in den USA den Interessen der Gläubiger und Gesellschafter an einer Erhaltung des Kapitals Rechnung. Dies haben die soeben dargestellten Grundsätze, in denen die Wirkungen eventueller Ausgleichszahlungen auf die Ansprüche der Gläubiger und Mitgesellschafter untersucht wurden, gezeigt. Insbesondere anhand der dargestellten Entscheidung des Supreme Court von Georgia zu einer Dreimanngesellschaft wird dies deutlich, da für die Zulässigkeit der Direktklage auf die Interessen der Gläubiger und an der Klage unbeteiligter Mitgesellschafter abgestellt wurde.1340 Unter der Voraussetzung, dass diese Interessen gewahrt werden, stehen die Kapitalerhaltungsgrundsätze einer Direktzahlung an die geschädigten Mitgesellschafter daher nicht zwingend entgegen. ___________ 1337
1338 1339 1340
Hierzu nochmals der Hinweis auf die Bedenken der ganz h. M., BGH NJW 1987, 1077, 1079 f.; BGH NJW 1987, 3121, 3122; BGH NJW 1985, 1900; BGH NJW 1985, 1777, 1778; BGH WM 1987, 425; Baums, ZGR 1987, 554, 558; Gerkan, ZGR 1988, 441, 446; Martens, ZGR 1972, 254, 276–282; Kropff, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Band II, 1973, § 117, Rn. 38; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Band II, 1973, § 93, Rn. 97; Hachenburg/Mertens, GmbHG, Band II, 8. Aufl., § 43 Rn. 103; ders., FS R. Fischer, 1979, S. 461, 474 f.; Windbichler, Liber Amicorum Buxbaum, 2000, S. 617, 623; Zu einer Übersicht über den Meinungsstand auch Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, 1998, S. 104–108. Siehe dazu die Darstellung unter § 10 B. II. 5. c). Dazu nochmals der Hinweis auf die Darstellung von Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 30, Rn. 7. Thomas v. Dickson, 301 S. E. 2 d 49 (Ga. 1983).
B. Rechtsbehelfe bei Doppelschäden im Gesellschafts- und Anteilsvermögen
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Es verbleibt das Argument, der (im US-amerikanischen Recht unbekannte) Grundsatz der Naturalrestitution in § 249 BGB werde durch eine Zahlung an der Gesellschaft vorbei aufgegeben. Schon §§ 250 f. BGB zeigen jedoch, dass hiervon Ausnahmen möglich sind, in den gesetzlich geregelten Fällen allerdings unter der Voraussetzung, dass sich die Naturalrestitution als unverhältnismäßig erweist. Dies ist in den Fällen, in denen die Gesellschaft von einem räuberischen Mehrheitsgesellschafter beherrscht wird, der sich möglicherweise an dem Gesellschaftsvermögen erneut vergreifen wird, zwar nicht der Fall; eine Rückführung an die Gesellschaft ist in diesen Fällen nicht unverhältnismäßig, sondern unzweckmäßig. Gleichwohl erscheint es angebracht, den Grundsatz der Naturalrestitution in einem solchen Fall, in dem der Gesetzeszweck bei Gesamtbetrachtung verfehlt wird, im Wege einer teleologischen Reduktion durch eine den Gesetzeszweck besser garantierende Lösung zu ersetzen. Schließlich wird auf den Einwand der Zweckverfehlung und den eines Verstoßes gegen das Verbandsprinzip auf Rechtsfolgenseite einzugehen sein. b) Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Direktklage Die berechtigten Bedenken stehen einer Direktklage dann nicht grundsätzlich entgegen, wenn aus ihnen die Voraussetzungen für eine derartige Klage abgeleitet werden. aa) Voraussetzungen einer Direktklage Zunächst muss der Gesellschafter vortragen, dass eine Zahlung an die Gesellschaft seine Interessen nicht ausreichend zu wahren vermag. Hierfür kann es ausreichen, dass die Gesellschaft von demselben Gesellschafter, von dem die rechtswidrige Schädigung ausging, auch weiterhin beherrscht wird. Dem steht es gleich, wenn sich die Beherrschung durch eine Zusammenrechnung nach § 16 IV AktG oder durch eine Beteiligung naher Familienangehöriger, die regelmäßig einen Abstimmungsblock bilden, ergibt. Es ist unerlässlich, dass die Besonderheiten des Einzelfalls unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände von den Gerichten bewertet werden. Angelehnt an die Grundsätze im US-amerikanischen Recht zur Minderheits- und Mehrheitsperspektive ist dabei das Verhalten des Mehrheitsgesellschafters unter Einbeziehung der berechtigten Erwartungen des Minderheitsgesellschafters zu berücksichtigen.1341 Sämtliche Vorfälle in der Gesellschaft während der gesamten Dauer, während derer die Beteiligung des klagenden Minderheitsgesellschafters bestand, können dabei Berücksichtigung finden.1342 In einem weiteren Schritt muss eine Gläubigerbenachteiligung ausscheiden, wovon in der Personengesellschaft mangels besonderer Umstände stets auszugehen ist, in der GmbH und Aktiengesellschaft hingegen nur dann, wenn der Anspruch der Gesellschaft nicht benötigt wird, um die Verbindlickeiten der Gesell___________ 1341 1342
Dazu Matter of Kemp & Beatley, Inc., 473 N. E. 2 d 1173 (N. Y. 1984). Siehe ausführlich unter § 2 B III. 3. Dazu Meiselman v. Meiselman, 309 N. C. 279, 307 S. E. 2 d 551 (1983).
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
schaft zu erfüllen. Als besonderer Umstand ist es anzusehen, dass den Gläubigern ein konkret erkennbarer Nachteil droht, insbesondere bei konkurrierenden Ansprüchen der Gläubiger gegen den bereicherten Gesellschafter wegen existenzbedrohenden Eingriffs aus § 826 BGB.1343 bb) Regelmäßiges Ausscheiden des klagenden Gesellschafters als Rechtsfolge Die Rechtsform und Realstruktur besitzen daher, wie schon in vielen anderen Zusammenhängen, auch für die Direktklage des Gesellschafters eine entscheidende Bedeutung. Soweit Gesellschafter vorhanden sind, die an der Klage nicht beteiligt sind, muss diesem Umstand auf Rechtsfolgenseite Rechnung getragen werden. Eine Direktleistung an den klagenden Gesellschafter darf nicht dazu führen, dass dieser einen individuellen Wertausgleich erhält und zugleich an einer Wertsteigerung seiner Beteiligung durch eine Ausgleichsleistung an die Gesellschaft partizipiert. Aus Sicht der unbeteiligten Gesellschafter wäre ein solcher Zustand gleichheitswidrig. Dem kann am besten durch einen Austritt des klagenden Gesellschafters Rechnung getragen werden. Diese Rechtsfolge sieht das US-amerikanische Recht zwar nicht für die anerkannten Fälle der direct suit vor. Sie findet sich jedoch an anderer Stelle, nämlich den Fällen, in denen von einem oppressive behavior against the minority auszugehen ist.1344 Soweit das Verhältnis der Gesellschafter zerrüttet ist, steht der Grundsatz der Zweckbindung des Gesellschaftskapitals einer Direktzahlung an den klagenden Gesellschafter und dessen Ausscheiden nicht entgegen, da eine gemeinsame Zweckverfolgung kaum noch realistisch erscheint. Unter den Beschränkungen aus der Kapitalbindung, die auch für einen Austritt aus wichtigem Grund gelten, wird den Interessen der Beteiligten dadurch Rechnung getragen, dass ein Schadensersatzanspruch an ein Ausscheiden des Minderheitsgesellschafters gekoppelt wird. Der klagende Gesellschafter erhält danach einen seiner Quote entsprechenden Direktanspruch gegen den Mehrheitsgesellschafter und scheidet zugleich aus der Gesellschaft unter angemessener Abfindung (bemessen an dem Vermögen der Gesellschaft ohne den Ausgleichsanspruch) aus. Macht der Gesellschafter seinen mittelbaren Schaden geltend und klagt dabei auf Leistung an sich, erklärt er damit zugleich seinen Austritt aus der Gesellschaft. ___________ 1343 1344
Dazu grundlegend BGH NJW 2007, 2689. Vgl. zu den konzernrechtlichen Fragen unter § 14 C. IV. Dazu Cal. Corp. Code § 2000; N. Y. Bus. Corp. Law §§ 1104-a, 1118; Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 452–454; Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 477–480; Moll, 53 Vand. L. Rev. 749, 759 and 821 seq. (2000), und die Entscheidungen Alaska Plastics, Inc. v. Coppock, 621 P. 2 d 270 (Alaska 1980); Sauer v. Moffitt, 363 N. W. 2 d 269 (Iowa Ct. App. 1984); Maddox v. Norman, 669 P. 2 d 230 (Mont. 1983); McCauley v. Tom McCauley & Son, Inc., 724 P. 2 d 232 (N. M. Ct. App. 1986); Muellenberg v. Bikon Corp., 669 A. 2 d 1382 (N. J. 1996); In re Wiedy’s Furniture Clearance Ctr. Co., 487 N. Y. S. 2 d 901 (N. Y. App. Div. 1985); Delaney v. GeorgiaPacific Corp., 564 P. 2 d 277 (Or. 1977); Baker v. Commercial Body Builders, Inc., 507 P. 2 d 387 (Or. 1973); Davis v. Sheerin, 754 S. W. 2 d 375 (Tex. App. 1988). Siehe im Einzelnen die Darstellung unter § 2 B. III. 7.
B. Rechtsbehelfe bei Doppelschäden im Gesellschafts- und Anteilsvermögen
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Dies stimmt auch mit den allgemeinen Grundlagen des Rechtsinstituts im deutschen Recht überein: Die rechtswidrige Bereicherung des Mehrheitsgesellschafters und die aus der situativen Besonderheit abgeleitete Möglichkeit, dass es zu weiteren Verstößen kommen kann, stellen regelmäßig einen ausreichenden Grund im Sinne der Grundsätze zum Austritt aus wichtigem Grund dar;1345 bei geringfügigen Schäden kann davon nicht ausgegangen werden, wobei es in diesen Fällen schon an den Voraussetzungen für eine Direktklage fehlt und der Gesellschafter auch auf Zahlung an die Gesellschaft klagen muss. Einen Teil seiner Abfindung liquidiert der Gesellschafter damit unmittelbar bei dem Mehrheitsgesellschafter, während ihm der Rest aus dem Gesellschaftsvermögen zu gewähren ist. Dem Gericht fällt die Aufgabe zu, über beide Ansprüche, den Schadensersatzanspruch gegen den Mehrheitsgesellschafter und den Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft zu entscheiden. Für beide Ansprüche ist, wie schon betont, nach den allgemeinen Grundsätzen sicherzustellen, dass die Gläubiger der Gesellschaft nicht benachteiligt werden. Auf ein Ausscheiden des Gesellschafters kann nur verzichtet werden, wenn, wie in der Konstellation der erwähnten Entscheidung des Supreme Court von Georgia,1346 tatsächlich alle Gesellschafter in zwei Lager aufgeteilt werden können, nämlich das der schädigenden und das der klagenden Gesellschafter. In diesen Fällen kann den klagenden Gesellschaftern die Wahl überlassen bleiben, ob sie bevorzugen, in der Gesellschaft zu verbleiben oder auszuscheiden. cc) Abschließende Bewertung der Grundsätze des BGH Nach diesen Feststellungen ist auf die eingangs angesprochene Entscheidung des BGH1347 zurückzukommen: Vorbehaltlich in der Entscheidung nicht angesprochener Nachteile für die Gläubiger wäre eine Direktklage des Minderheitsgesellschafters zulässig und ein Austritt aus der GmbH sowie aus den Kommanditgesellschaften fakultativ gewesen. Dies folgt aus dem zutreffenden Ansatz des BGH, aufgrund der Verflechtungen der Gesellschaften eine Gesamtbetrachtung zu bevorzugen. Dieser Austritt war fakultativer Natur, da außer dem schädigenden Mehrheits- und dem klagenden Minderheitsgesellschafter keine weiteren Gesellschafter an den Gesellschaften beteiligt waren. c) Beweislastverteilung Entscheidend für die Erfolgsaussichten einer Klage gegen den Mehrheitsgesellschafter ist wiederum die Verteilung der Beweislast. Auch hier besteht das Prob___________ 1345
1346 1347
Zu den Grundsätzen unter § 10 B. II.; da in den einschlägigen Fällen zumeist die Situation eines qualifiziert faktischen Konzerns vorliegen wird, siehe auch unter § 14 B. III. und C. IV. Zum Recht auf Austritt beim qualifiziert faktischen GmbH-Konzern Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 414; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 89. Thomas v. Dickson, 301 S. E. 2 d 49 (Ga. 1983). BGHZ 65, 15 = NJW 1976, 191 f. Dazu unter 1.
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
lem, dass der Minderheitsgesellschafter, insbesondere wenn er, wie regelmäßig, nicht an der Geschäftsführung beteiligt ist, keinen Einblick in die Geschäftsinterna hat und daher die Pflichtverletzung des Mehrheitsgesellschafters nur schwer beweisen kann. Nach den (unter § 4 B. II. dargestellten) allgemeinen Grundsätzen zur Eingriffsdogmatik müsste er gleichwohl die Pflichtverletzung beweisen, da diese gerade erst den Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft eröffnet, woraus sich seine Anspruchsberechtigung und seine Klagebefugnis ableiten. Dass ihm damit zumeist Unmögliches aufgebürdet würde, ist offensichtlich. Sinnvoll und durchaus realistisch erscheint es, bei Geschäften zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft eine Ausnahme von diesen allgemeinen Grundsätzen zu befürworten. Soweit der Gesellschafter über einen hohen Einfluss in der Gesellschaft verfügt, werden solche Geschäfte nicht ohne Grund generell argwöhnisch betrachtet. Dies äußert sich vor allem im US-amerikanischen Recht darin, dass sie dem intrinsic/entire fairness test unterworfen werden.1348 Teilweise ziehen die US-amerikanischen Gerichte hieraus beweisrechtliche Konsequenzen, die über die oben zum entire fairness test dargestellten Grundsätze hinausgehen: Soweit die behauptete Verletzung der Mitgliedschaft gerade darin bestehen soll, dass sich der Mehrheitsgesellschafter durch ein Geschäft mit der Gesellschaft bereichert hat, sollen sich auch die Beweisgrundsätze umkehren: Regelmäßig ist es an der Partei, die einen Verstoß gegen die Treuepflicht behauptet, diesen auch zu beweisen.1349 In Ausnahme hierzu soll ein Gesellschafter bei Geschäften mit der Gesellschaft beweisen müssen, dass er keine bevorzugte Behandlung aufgrund seiner Gesellschafterstellung erhalten hat.1350 Dies kann dadurch erfolgen, dass er die Neutralität des Geschäfts im Sinne eines Drittvergleichs der Konditionen darlegt und beweist, aber auch, indem er darlegt und beweist, dass auf Seiten der Gesellschaft neutrale Mitglieder der geschäftsführenden Organe beteiligt waren und den Vorgang gebilligt haben, also ein Neutralität versprechendes Verfahren eingehalten wurde. Diese Grundsätze versprechen auch für das deutsche Recht eine interessengerechte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Der klagende Gesellschafter muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der beklagte Gesellschafter über einen beherrschenden Einfluss in der Gesellschaft verfügt und ein Geschäft mit der Gesellschaft getätigt hat, wobei dem Mehrheitsgesellschafter aufzugeben ist, ___________ 1348
1349 1350
Dazu die Darstellung unter A. III. 4. Insoweit auch nochmals der Hinweis auf die wohl relevanteste Entscheidungen in diesem Zusammenhang, Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701, 703 (Del. 1983); Cinerama, Inc. v. Technicolor Inc. 663 A. 2 d 1156 (Del. 1995). Lyon v. Campbell, 33 Fed. Appx. 659, 664 (4th cir. 2002). Chesapeake Constr. Corp. v. Rodman, 261 A. 2 d 156, 158 (Md.1970); Lyon v. Campbell, 33 Fed. Appx. 659, 664 (4th cir. 2002): “Significantly, when a director or officer enters into a contract or transaction with the corporation such that his or her personal interest differs from that of the corporation, the burden of proving that the contract is fair, adequate and equitable is upon the officer or director.” Dieser Grundsatz gilt für beherrschende Gesellschafter wie auch officers und directors, Lyon v. Campbell, 33 Fed. Appx. 659, 664 (4th cir. 2002); Lynch v. Buchanan, 377 A. 2 d 592 (Md. App. 1977).
C. Zusammenfassung
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wegen seiner erheblich größeren Sachnähe substantiiert bestreiten zu müssen.1351 Gelingt dieser Nachweis, muss der beklagte Gesellschafter die Neutralität des Geschäfts nachweisen. Steht damit die Pflichtverletzung fest, obliegt es dem klagenden Gesellschafter, die hier aufgestellten Anforderungen an eine Direktklage auf Leistung des Ausgleichs an der Gesellschaft vorbei zu beweisen. C. Zusammenfassung
C. Zusammenfassung I. Einen ersten Bereich, in dem sich der Mehrheitsgesellschafter zum Nachteil der Minderheit bereichert, stellt die Wahrnehmung von der Gesellschaft zustehenden Geschäftschancen dar. Darunter fallen bereits konkretisierte Geschäftsaussichten ebenso wie noch abstrakte Aussichten im Tätigkeitsbereich und den Geschäftsfeldern der Gesellschaft. Der Gesellschafter darf die Geschäftschancen nur an sich ziehen, wenn die Gesellschaft sie nicht selbst wahrgenommen hätte, wobei die Voraussetzungen für einen Verzicht der Gesellschaft umstritten sind. Vorzugswürdig ist es, vor allem entgegen der (bedenklichen) Rechtsprechung des Delaware Supreme Court einen Beschluss der Gesellschafterversammlung zu fordern, der einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle unterliegt. Hierbei gilt die Besonderheit, dass der an der Geschäftschance interessierte (Mehrheits-)Gesellschafter eine Treuhänderstellung innehat und daher bei seiner Abstimmungsentscheidung nur die Interessen der Gesellschaft, nicht seine eigenen verfolgen darf. II. Zu dem Grundsatz, wonach ein Gesellschafter seine Beteiligung nach eigenem Gutdünken veräußern darf, bestehen Ausnahmen. Davon erfasst werden im USamerikanischen Recht die Fälle, in denen der Erwerber (bekanntermaßen) der Gesellschaft schaden will. Im deutschen Recht müssen sich die Schranken wiederum an der hier entwickelten Eingriffskontrolle ausrichten. Die grundrechtlich relevanten Nachteile für die Mitgesellschafter müssen gegen das Interesse des Gesellschafters an einer Veräußerung seiner Beteiligung abgewogen werden. Scheidet danach eine Veräußerung aus, bleibt ein Recht auf Austritt aus wichtigem Grund oder, in letzter Konsequenz, die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft. Ist mit der Veräußerung eine Kontrollprämie verbunden, tritt die Frage auf, ob diese mit den Mitgesellschaften zu teilen ist. Darunter versteht man den Preisaufschlag, der für die mit der Mehrheitsherrschaft zusammenhängenden Vorteile bezahlt wird. Es handelt sich um ein Problem der Gleichbehandlung, wonach die Minderheit ungleich behandelt wird, wenn die durch den Unternehmenswert vermittelten Vorteile nur dem Mehrheitsgesellschafter zugute kommen. Auch dieses ist nach den Grundsätzen zur Geschäftschancenlehre zu beantworten. Die Kontrollprämie spiegelt nur die Einflussmacht in der Gesellschaft wider, weswegen es sich ___________ 1351
Das deutsche Schrifttum lässt Beweiserleichterungen zu, wenn die Schädigung gegenüber einer beherrschten Gesellschaft durch das herrschende Unternehmen erfolt, dazu Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000, S. 279–281, und unter § 14 B. II. 3.
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
um eine allen Gesellschaftern gemeinsam zustehende Geschäftschance handelt. Der Mehrheitsgesellschafter greift daher in die Rechtsstellung der Mitgesellschafter ein, wenn er sich die Kontrollprämie gänzlich einverleibt. Den Minderheitsgesellschaftern steht daher ein Ausgleichsanspruch gegen den Mehrheitsgesellschafter zu. Auf die gleichen Grundlagen ist auch der Fall zurückzuführen, dass der Mehrheitsgesellschafter Marktchancen einseitig ausnutzt, indem er seine Beteiligung in eine Holding einbringt und deren Anteile vermarktet. Auch in diesen Fällen erweitert der Mehrheitsgesellschafter die ihm zustehende Quote an den Geschäftschancen der Gesellschaft zulasten der Mitgesellschafter, wenn er diese von den Potentialen, die eine günstige Entwicklung der Marktsituation beinhaltet, ausschließt. Von einer solchen Quotenerweiterung ist ebenfalls auszugehen, wenn die Mehrheit die Beteiligung der Minderheit aufkauft und dabei verschweigt, dass der gebotene Preis unter dem Liquidations- oder Verkehrswert der Beteiligung liegt. III. Verdeckte Vermögenszuwendungen stellen neben einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz auch eine Verletzung der gegenüber den Mitgesellschaftern bestehenden Interessenwahrungspflicht dar. Soweit dem Gesellschafter der Zugriff auf das Vermögen der Gesellschaft offen steht, verfügt er über fremdes Kapital und rückt damit in eine Treuhänderstellung gegenüber seinen Mitgesellschaftern ein. Deren Pflichtinhalt besteht darin, mit dem Vermögen der Gesellschaft nur in deren Interesse umzugehen. Soweit er sich außerhalb des vorgeschriebenen Ausschüttungsverfahrens an dem Gesellschaftsvermögen bereichert, erweitert er seine Quote zulasten der Mitgesellschafter und verletzt daher seine Pflicht zur Interessenwahrung. Diese können daher im eigenen Namen und aus eigenem Recht Ansprüche geltend machen. Das US-amerikanische Recht löst diese Fälle über den intrinsic bzw. entire fairness test. In Abweichung von dem Grundsatz, dass Entscheidungen der Gesellschafter über Geschäftsführungsangelegenheiten der Gesellschaft keiner inhaltlichen Richtigkeitskontrolle unterworfen werden, unterliegen Geschäfte, mit denen ein Gesellschafter seinen eigenen Vorteil verfolgt, einer genauen inhaltlichen Kontrolle. Der bezahlte Preis muss fair sein und in allen Phasen des Geschäfts ein faires Verfahren gewahrt worden sein. IV. Soweit der Minderheitsgesellschafter nach diesen Grundsätzen gegen den Mehrheitsgesellschafter wegen Verletzung einer ihm gegenüber bestehenden Pflicht vorgeht, tritt erneut das Problem des Doppelschadens auf. Unmittelbar wurde das Vermögen der Gesellschaft geschädigt, und die Beeinträchtigung des Mitgesellschafters ist nur mittelbarer Natur. Daher kann er regelmäßig auch nur Zahlung an die Gesellschaft fordern, sofern sein Schaden nicht über den der Gesellschaft hinausgeht. Problematisch ist daran, dass eine Rückführung des Schadens an die Gesellschaft erneut den Zugriff des Mehrheitsgesellschafters darauf eröffnet. Abhilfe ist nur denkbar, wenn der Minderheitsgesellschafter seinen mittelbaren Schaden unmittelbar beim Mehrheitsgesellschafter liquidieren darf. Von der Unterscheidung von derivative action und direct suit im US-amerikanischen Recht können wichtige Impulse für das deutsche Recht ausgehen: Unter der Voraussetzung, dass weder die Gläubiger der Gesellschaft noch die Mitgesell-
C. Zusammenfassung
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schafter benachteiligt werden, kommt eine Direktklage gegen den schädigenden Mehrheitsgesellschafter in Betracht. Soweit der Gesellschafter Gründe vorbringen kann, warum eine Zahlung an die Gesellschaft seine Interessen nicht ausreichend zu wahren vermag, kommt es darauf an, ob eine Direktzahlung an ihn die Gläubiger der Gesellschaft benachteiligen würde. Daneben ist von Bedeutung, ob andere Gesellschafter gleichheitswidrig benachteiligt würden, was dann der Fall ist, wenn neutrale Gesellschafter, die weder auf Kläger-, noch auf Beklagtenseite stehen, vorhanden sind. Dann muss mit der Direktklage ein Ausscheiden des klagenden Gesellschafters aus wichtigem Grund verbunden werden.
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§ 7 Minderheitsschutz bei Bereicherungen des Mehrheitsgesellschafters
A. Bestehende Rechte auf Information
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4. Kapitel: Die Bedeutung von Information für den Minderheitsschutz § 8 Minderheitsschutz durch Information und Teilhabe am Willensbildungsprozess
§ 8 Minderheitsschutz durch Information und Teilhabe am Willensbildungsprozess Schon vielfach wurde die Bedeutung von Information für den Willensbildungsprozess, aber auch für die prozessuale Durchsetzung der Ansprüche der Gesellschafter angesprochen. Während die relevanten Einzelfragen an entsprechender Stelle erörtert werden, sind die allgemeinen Grundlagen in diesem Kapitel zusammengefasst. A. Bestehende Rechte auf Information
A. Bestehende Rechte auf Information I. Die Schutzrichtungen der Informationsrechte Informationsrechte dienen dazu, den Gesellschaftern die Entscheidungsfindung zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Sie sollen in die Lage versetzt werden, über das Schicksal des von ihnen eingebrachten Kapitals zu befinden. Dies geschieht in kollektiver Weise durch Gesellschafterbeschlüsse, daneben aber auch als Individualentschluss, indem der Gesellschafter, Veräußerungsmöglichkeiten oder Austrittsrechte vorausgesetzt, über die Fortsetzung oder Beendigung seiner Investition entscheidet. Daher handelt es sich bei dem Recht auf Information um ein typisches Individualrecht des Gesellschafters.1352 Unter der Prämisse, dass ein auf informierter Basis gefällter Willensentschluss zu einer vernünftigen Entscheidung im besten gemeinsamen Interesse an einer wirkungsvollen Verfolgung des Gesellschaftszwecks führen wird, liegt eine informierte Entscheidung des Gesellschafters auch im Interesse der Gesellschaft und der Mitgesellschafter, so dass die Informationsrechte zugleich auch gemeinnützige Rechte des Gesellschafters darstellen.1353 ___________ 1352 1353
Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 43. Vgl. Zetzsche, Aktionärsinformation in der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2006, S. 1–4; Hoffmann-Becking, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, 2001, S. 55, 57;
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Während der Mehrheitsgesellschafter wegen seines Einflusses in der Gesellschaft regelmäßig auf förmliche Informationsrechte nicht angewiesen ist, verfügt der Minderheitsgesellschafter über keine oder nur sehr begrenzte Möglichkeiten, um an relevante Informationen zu gelangen.1354 Er ist daher auf förmliche Informationsrechte besonders angewiesen. Wegen dieser Wirkung können die Informationsrechte daher zu den faktischen Minderheitsrechten gezählt werden. Informationsrechte besitzen auch eine deregulierende Komponente: Indem durch effektiven Informationsfluss Informationsasymetrien abgebaut werden und Marktversagen vorgebeugt wird, kann der regulierende Eingriff zum Schutz der schwächeren Beteiligten zurückgefahren werden, soweit diese in Kenntnis der für sie relevanten Umstände eine selbstbestimmte Abwägung zu treffen vermögen.1355 Dieser Ansatz findet sich in der Rechtsprechung des EuGH für sämtliche Bereiche des Europäischen Privatrechts1356 und in besonderer Ausprägung im Gesellschaftsrecht1357. In den Urteilen zeichnet sich als generelle Regel ab, dass die Möglichkeit zu informierter Selbstentscheidung zwingenden Verhaltensregeln vorzuziehen ist, soweit die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen eine relevante Information in eine inhaltlich zutreffende Entscheidung umgesetzt werden kann. Soweit die schützenswerte Partei mit geringem Aufwand die informationellen Voraussetzungen rationaler Entscheidung herstellen kann, scheidet ein regulierender Eingriff zu ihrem Schutz aus.1358 Dieses Ziel erreicht oftmals eine an die Märkte gerichtete Information. Mit dieser werden potentielle Investoren über die Verhältnisse der Gesellschaft unterrichtet. Zugleich ermöglicht sie es den bestehenden Gesellschaftern, ihre Investition zu überdenken und unter der Voraussetzung, dass ein Markt für ihre Beteiligung besteht, diese auch zu beenden.1359 Dementsprechend zeichnet sich das Kapitalmarktrecht durch besondere Informationspflichten der Marktakteure aus. Zudem ist die Funktion effektiver Information zur Konfliktvermeidung nicht zu überse___________
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Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 90. Zur Einteilung der Informationsrechte in solche kollektiver bzw. gemeinnütziger und individueller bzw. eigennütziger Natur K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 15 f.; Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 28–33. Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 49–51. Kalss, 27 Int. Rev. of Law and Econ. 70, 74 seq. (2007); Zetzsche, Aktionärsinformation in der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2006, S.1. Zum Phänomen der Informationsasymetrie im Innenverhältnis der Gesellschaft auch Kirchner, FS Immenga, 2004, S. 607, 619. Hier ist insbesondere die Entscheidung EuGH Rs. 120/78 Cassis de Dijon, Slg. 1979, 649, 664, zu nennen. Repräsentativ etwa EuGH Rs. C-212/97 Centros, Slg. 1999, I-1459, 1495; EuGH Rs. C-167/ 01 Inspire Art, NJW 2003, 3331. Ausführlich Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, S. 38; ders., DStR 2004, 232 f.; ders., FS Lutter, 2000, S. 61, 63; Grundmann/Möslein, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, 2007, 2. Kapitel, Rn. 104 f. Zetzsche, Aktionärsinformation in der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2006, S.1 f., zu einer rein marktgesteuerten Informationsverteilung S. 5 m. w. N.; mit Fokus auf dem Konzernrecht Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 162.
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hen, da auf informierter Basis getroffene Entscheidungen weniger häufig angefochten werden.1360 Im Gesellschafterinnenverhältnis vermag dieses Informationsmodell jedoch nur bedingt den intendierten Schutz zu erreichen. Ein Gleichlauf von Information und vernünftiger und damit inhaltlich richtiger Entscheidung scheitert, wenn die Interessen der Gesellschafter auseinanderlaufen.1361 Geht es nicht darum, den Gesellschaftszweck gemeinsam zu erreichen, sondern den eigenen Vorteil unter Benachteiligung der übrigen Gesellschafter zu suchen, ist der Schutz der Minderheitsgesellschafter in einer dem Mehrheitsprinzip folgenden Gesellschaft auch bei gesichertem Informationsfluss nicht gewährleistet. Der Vergleich mit den gläubigerschützenden Vorschriften des Gesellschaftsrechts macht dies besonders deutlich. Dass der EuGH die Kapitalerhaltungs- und Kapitalaufbringungsregeln nicht als zwingende Gründe des Allgemeininteresses anerkennt,1362 liegt daran, dass ein Gläubiger bei ausreichender Information erkennen kann, dass er es mit einer Rechtsform zu tun hat, die eher laxen Regeln über die Aufbringung und Erhaltung des gesellschaftseigenen Kapitals unterliegt. Er vermag daher eine bewusste Entscheidung darüber zu treffen, welche Bedeutung Kapitalschutzvorschriften für ihn besitzen. Regelmäßig stehen ihm eine Vielzahl potentieller Vertragspartner unterschiedlicher Rechtsform und damit echte Wahlmöglichkeiten zur Verfügung. Für den Gesellschafter ist dies anders. Die wirksame Präventivwirkung von Information besteht im Gesellschafterinnenverhältnis nur zum Zeitpunkt des Beitritts zur Gesellschaft. Dem Gesellschafter sind die Grundlagen seiner Beziehung zu der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern vor seinem Beitritt erkennbar. Er kann den Schutzbereich seiner Mitgliedschaft anhand der gesetzlichen Vorgaben und der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages vollständig ermitteln. Dies gewährleistet, dass er eine bewusste Entscheidung unter Kenntnis aller wesentlichen Umstände zu treffen vermag und sich, ähnlich einem potentiellen Vertragspartner und damit Gläubiger der Gesellschaft, unter verschiedenen Angeboten das günstigste heraussuchen kann. Daher richtet sich der Schutzbereich der vor Eingriffen in seine Mitgliedschaft schützenden Eigentumsgarantie (unter anderem) auch nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages.1363 Gegenüber den im weiteren Verlauf eintretenden Beeinträchtigungen muss er hingegen durch wirksame zusätzliche Mechanismen geschützt werden. Information erfüllt dabei eine unverzichtbare Hilfsfunktion. Die dem Gesellschafter zur Verfügung stehenden Rechte, allen voran die prozessualen Rechtsbehelfe und das außerordentliche Austrittsrecht, können nur unter der Voraussetzung wirksam wahrgenommen werden, dass er über die Information verfügt, derer es zur Beur___________ 1360 1361 1362 1363
Dazu Brudney/Chirelstein, 88 Harv. L. Rev. 297, 300 seq. (1974). Dazu von der Crone, ZBJV 1997, 73, 92 ff. EuGH Rs. C-212/97 Centros, Slg. 1999, I-1459, 1495; EuGH Rs. C-167/01 Inspire Art, NJW 2003, 3331. Dazu die Ausführungen unter § 3 D. II. 1.
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teilung der Erfolgsaussichten dieser Rechtsbehelfe bedarf.1364 Diese weitere Funktion der Informationsrechte kann als Rechtsverfolgungsfunktion bezeichnet werden. Ihrem Ansatz wurde bei den Ausführungen zur Beweislastverteilung bereits vielfach Rechnung getragen.1365
II. Die Konzeption der Informationsrechte Bei den Informationsrechten der Gesellschafter trägt das Gesetz den Besonderheiten der Gesellschaftsformen und Gesellschafterstellungen Rechnung. Das Gesetz orientiert sich dabei an dem Umfang der Partizipation des Gesellschafters an der Geschäftsleitung. Da ein Aktionär überhaupt nicht, ein GmbH-Gesellschafter mit Minderheitsbeteiligung nur vereinzelt und ein Personengesellschafter als Komplementär und BGB-Gesellschafter regelmäßig an der Geschäftsführung beteiligt ist, verfügt der Aktionär über die geringsten, der Personengesellschafter über die am stärksten ausgeprägten Informationsrechte. Hinzu kommt, dass ein persönlich haftender Gesellschafter umfassender Information wegen seines persönlichen Haftungsrisikos bedarf.1366 Dass sich jedoch insbesondere im Aktienrecht aus den nur punktuellen Informationsrechten ein bedenkliches Informationsdefizit ergeben kann, wird an entsprechender Stelle auszuführen sein. Im Aktienrecht sieht das Gesetz eine Unterrichtung der Aktionäre nur in ausgewählten Situationen vor, da die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands dem Aufsichtsrat übertragen ist. Neben eine Reihe punktueller Unterrichtungspflichten der Leitungsorgane tritt ein begrenztes Auskunftsrecht in der Hauptversammlung nach § 131 I AktG.1367 Dieses spiegelt das Leitbild des § 118 I AktG wider, wonach die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung ausüben.1368 Ein allgemeines Einsichtsrecht existiert demgegenüber nicht, da alle auf Einsicht gerichteten Vorschriften des AktG nur besondere Unterlagen erfassen, so etwa §§ 120 II, 131 I 3, 175 II, 176 I AktG, 325 IIa HGB den Jahresabschluss, den Lagebericht, den Bericht des Aufsichtsrats und den Gewinnverwendungsvorschlag, § 52 II AktG den Nachgründungsvertrag, § 129 IV AktG das Teilnehmerverzeichnis, § 145 IV 4 AktG den Sonderprüfungsbericht, §§ 293 III, 295 I 2 AktG den Unternehmensvertrag und § 337 III AktG den Konzernabschluss und ___________ 1364
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Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 12; für das Auskunftsrecht des Aktionärs nach § 131 AktG Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 131, Rn. 1; vgl. auch Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 162. Sieh dazu hauptsächlich unter § 4 B. II. Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 21. Zur gänzlich unterschiedlichen Konzeption von Unterrichtungspflichten der Organe und Informationsrechten der Gesellschafter Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 44. Sie vermögen jedoch vor allem in der Aktiengesellschaft nur im Zusammenspiel einen (spürbaren) Beitrag zum Minderheitsschutz zu leisten und sind daher gemeinsam zu betrachten. Zetzsche, Aktionärsinformation in der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2006, S.16.
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Konzernlagebericht.1369 Hinzu tritt die ungeschriebene Unterrichtungspflicht des Vorstands bei strukturändernden Maßnahmen nach der Holzmüller-Doktrin.1370 Bei strukturändernden Maßnahmen sieht das Gesetz wegen ihrer Wirkung, die Verwaltungs- und Vermögensrechte der außenstehenden Aktionäre stark zu beeinträchtigen, besondere Publizitätspflichten vor, die vor allem dazu dienen, die Aktionäre, teilweise auch die GmbH- und Personengesellschafter in die Lage zu versetzen, die Angemessenheit einer ihnen zustehenden Abfindung beurteilen zu können. Auf diese wird an entsprechender Stelle einzugehen sein.1371 Der Informationsfluss ist in der Aktiengesellschaft damit regelmäßig dreistufig ausgestaltet.1372 Auf der ersten Stufe erteilt die Gesellschaft eine schriftliche Vorabinformation, teilweise ergänzt durch den Prüfungsbericht sachverständiger Prüfer.1373 Diese schriftlichen Informationen werden auf der zweiten Stufe in der Hauptversammlung mündlich erörtert. Auf der dritten Stufe besteht schließlich das individuelle Fragerecht des Aktionärs in der Hauptversammlung. In der GmbH besteht demgegenüber ein weitergehendes Informationsrecht des Gesellschafters. Nach § 51a GmbHG kann der GmbH-Gesellschafter von den Geschäftsführern Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen und ihre Bücher und Schriften einsehen. Bei diesem Anspruch handelt es sich um einen umfassenden Informationsanspruch des Gesellschafters, der nur insoweit beschränkt wird, als sich die begehrte Auskunft auf Angelegenheiten der Gesellschaft beziehen muss.1374 Im Personengesellschaftsrecht garantiert ein weder zeitlich noch räumlich beschränkter Anspruch auf persönliche Unterrichtung nach §§ 716 BGB, 118 HGB eine umfassende Unterrichtung der Gesellschafter über die Angelegenheiten der Gesellschaft. Auf die Gründe wurde schon hingewiesen: Nicht nur ist der Personengesellschafter regelmäßig an der Geschäftsführung beteiligt, sondern zudem
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Siehe die Aufzählung von Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 9. Siehe zu dieser unter § 6 B. und Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 119, Rn. 50; Reichert, AG 2005, 150, 158 f.; Hüffer, FS P.Ulmer, 2003, S. 279, 300; Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch der Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 41, Rn. 36–39. So vor allem im 2. Kapitel des Besonderen Teils. Dazu die Darstellungen bei Hommelhoff, ZHR 151 (1987), 493, 509; Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 138–140. So bei Abschluss eines Unternehmensvertrages nach § 293a I AktG, bei der Eingliederung nach §§ 319 III Nr. 3, 320 IV 1 AktG, bei der Verschmelzung und Vermögensvollübertragung nach § 8 I UmwG, bei der Spaltung und Vermögensteilübertragung nach § 177 I UmwG und beim Formwechsel nach § 192 I UmwG. Ausgeschlossen sind daher Fragen, die sich auf rein private Umstände beziehen, so OLG Jena NZG 2004, 1156, 1157. Damit gilt auch, dass sein Informationsbegehren nicht auf Umstände gerichtet sein darf, die für ihn nicht in seiner Funktion als Gesellschafter, sondern als außenstehender Dritter von Bedeutung sind, siehe Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 69.
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droht ihm, persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Anspruch genommen zu werden.1375
III. Im Einzelnen: Die wichtigsten Auskunfts- und Einsichtsrechte 1. Im Aktienrecht Das für den Aktionär wichtigste Informationsrecht ist sein Anspruch auf Auskunft in der Hauptversammlung nach § 131 AktG.1376 Dieser Anspruch ist als elementares Mitgliedsrecht ausgestaltet, das unentziehbar und unbeschränkbar ist.1377 Es steht zwingend jedem Aktionär zu,1378 kann nur während der Hauptversammlung ausgeübt werden und ist in erster Linie darauf gerichtet, dem Aktionär die sinnvolle Ausübung seines Stimmrechts zu ermöglichen1379. Es richtet sich gegen die Gesellschaft und ist vom Vorstand zu erfüllen. Dieser muss die Auskunft vollständig und inhaltlich zutreffend erteilen.1380 Nach Aussage des BVerfG stellt es einen wesentlichen Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts dar und wird vom Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG umfasst, da Informationen für den Gesellschafter eine unerlässliche Voraussetzung für die Wahrnehmung seiner mitgliedschaftlichen Rechte darstellen und nur ein über die Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichteter Gesellschafter die ihm obliegenden Aufgaben im Rahmen des gemeinsamen Gesellschaftszwecks erfüllen kann. Doch auch mit den vermögensrechtlichen Ansprüchen, die durch die Gesellschaftsbeteiligung vermittelt werden, steht es in untrennbarem Zusammenhang: Die Dispositionsfreiheit über den Eigentumsgegen___________ 1375 1376
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Zur Einordnung als umfassendes Informationsrecht Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 42 f. m. w. N.; Enzinger, in: MünchKomm.-HGB, 2. Aufl. 2006, § 118, Rn. 1. Dazu auch Art. 9 I der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften vom 11.7.2007, ABl. EG 2007 L 184/17. Dazu Grundmann/Winkler, ZIP 2007, 1421, 1426. Zu potentiellen Veränderungen im Aktienrecht Pluskat, WM 2007, 2135, 2137 ff. Dies folgt aus der Anordnung in § 23 V 1 AktG, siehe Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 131, Rn. 158 f. Siehe dort auch zur Zulässigkeit ergänzender Bestimmungen in der Satzung. Wegen § 23 V AktG darf es nicht etwa an eine Mindestbeteiligung gebunden werden, Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 131, Rn. 2: Einschränkungen allenfalls bzgl. der Modalitäten der Rechtsausübung; Geißler, NZG 2001, 539. In anderen Rechtssystemen ist es hingegen mitunter als Minderheitsrecht ausgestaltet, so etwa in Griechenland, wo Auskunftsansprüche nur einer Minderheit von 5% des Aktienkapitals, qualifizierte Auskunftsrechte sogar nur einer solchen von 1/3 zustehen, vgl. Perakis, in: Perakis (ed.), Rights of Minority Shareholders, 2002, p. 22. Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 131, Rn. 1. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 131, Rn. 5 f.; Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 48; K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 50; Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 13, Rn. 15, 19, 32.
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stand, die das Grundrecht schützt, liefe praktisch leer, wenn ein Aktionär gehindert wäre, sich ein Bild von dem Unternehmen, an dem er beteiligt ist, machen zu können.1381 Der effektive Bestand des Auskunftsrechts für den Minderheitsschutz wird dadurch garantiert, dass Verletzungen empfindlich bestraft werden. Die drohende Anfechtbarkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse nach § 243 AktG bei unzureichender oder falscher Information diszipliniert die Gesellschaft und zwingt dazu, aus Präventionsgründen relevante Informationen aufzudecken.1382 a) Die Voraussetzungen des Auskunftsrechts Das Auskunftsrecht des Aktionärs dient dem Interesse der Hauptversammlung an kollektiver Willensbildung. Das ändert jedoch nichts an seinem Charakter als eigennütziges Individualrecht, das der Aktionär vorrangig an seinen eigenen mitgliedschaftlichen Interessen ausrichten darf.1383 Zur Wahrnehmung braucht er sich daher nicht auf verbandsrechtliche Interessen zu berufen. Seine Motivationslage ist irrelevant, so dass die Wahrnehmung seines Auskunftsrechts keiner Begründung bedarf.1384 Dennoch ist der Anspruch im Interesse an einer geordneten Abwicklung der Hauptversammlung von zwei Voraussetzungen abhängig. Die begehrte Auskunft muss sich auf Angelegenheiten der Gesellschaft beziehen und erforderlich sein, um Tagesordnungspunkte sachgemäß beurteilen zu können.1385 Dabei ist auf einen vernünftig denkenden Durchschnittsaktionär abzustellen, der die Gesellschaftsverhältnisse nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt.1386 ___________ 1381
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BVerfG NJW 2000, 349, 350 (Scheidemandel-Beschluss); i. E. auch schon BGHZ 86, 1, 19. Zur Diskussion in der Literatur Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 42–46. Dazu Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 120. BayObLG DB 2001, 1138, 1139; LG Berlin WM 1990, 978, 980; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 131, Rn. 2; K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 24; Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 64. Ebenroth, Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 33; Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 131, Rn. 4. Zu diesen Kriterien BayObLG AG 2000, 131; BayObLG WM 1996, 2147, 2150 f.; LG Heidelberg AG 1996, 523; LG München WM 1995, 2033; LG Berlin AG 1994, 40, 42; LG Frankfurt WM 1994, 1931, 1932 f.; Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 15–18; Ebenroth, Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 34–43; Groß, AG 1997, 97, 104 f.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 131, Rn. 11 f.; ders., ZIP 1996, 401, 406 f.; Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 13, Rn. 22; Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 70–72. Zur Auskunft über die Angelegenheiten konzernangehöriger Gesellschaften siehe U.H.Schneider, FS Lutter, 2000, S. 1193, 1195 ff. Ganz h. M., etwa OLG München AG 2002, 294, 295; BayObLG AG 2001, 424, 425; BayObLG AG 1996, 563; KG AG 2001, 421; OLG Karlsruhe NZG 1999, 604, 605; OLG Zwei-
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Bei der Prüfung dieser Merkmale ist der besonderen Bedeutung des Auskunftsrechts für den Aktionär Rechnung zu tragen, da es sich bei der Hauptversammlung um den einzigen Zeitpunkt handelt, zu dem dieser Gelegenheit erhält, von der Gesellschaft Auskünfte einzufordern. Hinzu kommt, dass die ratio legis des § 131 AktG nicht nur darin besteht, den Aktionär auf seine Stimmabgabe vorzubereiten, sondern ihm daneben auch Aufschluss darüber vermitteln soll, wie der Vorstand mit dem von den Aktionären zur Verfügung gestellten Kapital gewirtschaftet hat.1387 Das wirkt sich auf die Reichweite des Anspruchs aus: Auch Fragen zu mittelbaren Gesellschaftsangelegenheiten müssen zugelassen werden, wenn der Aktionär darlegen kann, dass sie einen Bezug zur Gesellschaft und einem der Tagesordnungspunkte besitzen.1388 Unübersehbar ist das Wechselspiel mit den Informationspflichten des Vorstands. Kommt dieser seiner Publizitätspflicht durch hinreichende Erläuterung nach, wird auch das individuelle Auskunftsbegehren des Aktionärs befriedigt. Der Aktionär hat insoweit aus § 131 AktG nur einen Anspruch auf sinnvolle Ergänzung der Ausführungen des Vorstands, nicht auf eine Wiederholung seiner Angaben.1389 b) Die Einschränkungen des Auskunftsrechts Das Auskunftsrecht wird nicht grenzenlos gewährt, sondern im Interesse der Aktiengesellschaft Schranken unterworfen. Das BVerfG hat dazu entschieden, dass die Einschränkung des Auskunftsrechts in das Anteilseigentum der Aktionäre eingreift, dabei jedoch eine dem Schutz der Interessen der übrigen Aktionäre und des Unternehmens dienende verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellt.1390 Eines der Hauptargumente, mit denen das BVerfG die Beschränkbarkeit des Auskunftsrechts begründet, lautet, dass die Aktionäre, anders als die Gesellschafter einer GmbH nach § 46 Nr. 6 GmbHG, keine Kontrollfunktion gegen___________
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brücken AG 1990, 496; OLG Düsseldorf AG 1987, 21, 23; zu den Einzelheiten siehe Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 131, Rn. 39; Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 18–21. So die Gesetzesbegründung zu § 131 AktG, BegRegE 1965 in Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 184–186; diesen Aspekt hebt auch BayObLG DB 1996, 130 hervor. Kubis, in: MünchKomm-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 131, Rn. 35. Ein Anwendungsfall hierfür sind die wirtschaftlichen Angelegenheiten verbundener Unternehmen, soweit sich deren wirtschaftliche Lage auf die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft auswirken kann, KG ZIP 1994, 1267, 1271; KG ZIP 1993, 1618, 1620. Ausführlich zum Meinungsstand Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 10–14. Zu den besonderen Auskunftsrechten bei Unternehmensverträgen sogleich unter § 14 B. I. 3. Der Frage, ob es dieser besonderen Auskunftsrechte überhaupt bedarf, soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Siehe dazu wiederum Bälz, a. a. O., S. 139 f.; K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 34. OLG Düsseldorf AG 1992, 34, 36; LG Köln AG 1990, 280 (Vorinstanz); Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 131, Rn. 7. BVerfG WM 1999, 2160, Rn. 19–21 (Scheidemandel-Beschluss). Dazu etwa Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 25, Rn. 63.
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über der Geschäftsführung wahrnehmen, da deren Kontrolle hauptsächlich durch den Aufsichtsrat ausgeübt wird und die Aktionäre nach der zwingenden Organisationsverfassung nur mittelbar über ihr Stimmverhalten in der Hauptversammlung Einfluss auf die Geschäfte der Gesellschaft nehmen können.1391 Das BVerfG stuft das uneingeschränkte Auskunftsrecht in der Hauptversammlung als elementaren Bestandteil der aktienrechtlichen Mitgliedschaft ein, der nur aus zwingenden Gründen im Interesse der Gesellschaft und nur in für den einzelnen Aktionär verhältnismäßigem Umfang eingeschränkt werden darf. Rechtskonstruktiv stellt jede Beschränkung des Auskunftsrechts somit einen Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft dar, der einer Rechtfertigung im Interesse der Gesellschaft bedarf.1392 Daraus ergibt sich auch, dass der Gesellschaft in einem späteren Anfechtungs- oder Auskunftserzwingungsverfahren die Beweislast dafür obliegt, dass Verweigerungsgründe vorlagen.1393 In § 131 III AktG sind die wichtigsten Verweigerungsgründe aufgeführt.1394 Von besonderer Bedeutung ist dabei das Geheimhaltungsinteresse der Aktiengesellschaft nach Nr. 1, das deswegen exemplarisch herausgegriffen werden soll. aa) Das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft Nach § 131 III Nr. 1 AktG darf die Auskunft verweigert werden, wenn ihre Erteilung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Dieser Nachteil muss aufgrund der von der Gesellschaft darzulegenden Tatsachen dem entscheidenden Gericht nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung als plausibel erscheinen.1395 Dieses Geheimhaltungsinteresse stellt den le___________ 1391 1392
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BVerfG WM 1999, 2160, Rn. 21 (Scheidemandel-Beschluss). Hierzu auch schon oben unter § 3 B. I. 1. Nach der Gegenansicht soll der Gesetzgeber durch die Beschränkung des Auskunftsrechts in § 131 I 1 AktG den Inhalt der aktienrechtlichen Mitgliedschaft gerade erst ausgeformt und damit den Schutzbereich der von Art. 14 I 1 GG erfassten Rechtsstellung erst definiert haben, weshalb die Beschränkungen keinen Eingriff in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung darstellen sollen, Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 622. Das folgt aus den hier vertretenen allgemeinen Grundsätzen zur Verteilung der Beweislast, dazu unter § 4 B., und entspricht der h. M., wobei diese Erleichterungen gewährt, indem die Verweigerungsgründe nur plausibel gemacht zu werden brauchen, siehe BGH ZIP 1992, 1227, 1232; OLG Köln ZIP 1998, 994, 997; Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 154; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 131, Rn. 25; Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 13, Rn. 54; teilweise a. A. Ebenroth, Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 80. Zu einer detaillierten Aufzählung der von der Rechtsprechung entschiedenen Streitfälle Ebenroth, Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 104–124; Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 13, Rn. 55 f. Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 13, Rn. 43; ausführlich Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 149–
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gitimen Zweck dar, aufgrund dessen die Gesellschaft durch die Verweigerung der Auskunft in das Fragerecht des Aktionärs eingreifen darf. Nach allgemeinen Grundsätzen kommt es darauf an, ob die Verweigerung erforderlich und unter Berücksichtigung der Aktionärsinteressen angemessen ist.1396 Einen gewichtigen Gesichtspunkt bildet es dabei, ob der Gesellschafter selbst ein konkurrierendes Unternehmen betreibt oder an einem solchen beteiligt ist.1397 bb) Rechtsmissbrauch und übermäßige Rechtsausübung Über die in § 131 III AktG genannten Fälle hinaus kann die Auskunft außerdem dann verweigert werden, wenn der Aktionär mit seinem Ersuchen zumindest überwiegend selbstsüchtige, nicht auf eine sachliche Aufklärung gerichtete Zwecke verfolgt. In diesen Fällen überschreitet er die durch die Treuepflicht und das Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs gezogenen Grenzen eines eigennützigen Individualrechts.1398 Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus dem Verbot übermäßiger Rechtsausübung. Soweit die Zeit knapp erscheint und der Aktionär eine Vielzahl von Fragen stellt, ist jede einzelne daran zu messen, ob sie in Bezug zu den Angelegenheiten der Gesellschaft steht und für den jeweiligen Tagesordnungspunkt erheblich erscheint. Selbst wenn das der Fall ist, kommt eine Beschränkung in Betracht, soweit die übrigen Aktionäre in ihrem Anspruch auf Auskunft durch eine ganze Litanei von Fragen eines einzelnen Aktionärs beeinträchtigt werden.1399 Um in diesen Fällen eine praktisch handhabbare Lösung bereitzustellen, wird in der Literatur vorgeschlagen, eine gewisse Höchstzahl von Fragen festzusetzen, so etwa 20 zu einem Tagesordnungspunkt, und dem Aktionär die Darlegungslast da-
___________ 1396
1397 1398
1399
155; vgl. auch Ebenroth, Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 82. Dies ergibt sich aus den hier generell zugrunde gelegten Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs in die Mitgliedschaft. In Rechtsprechung un Literatur ist es demgegenüber streitig, ob eine Abwägung von drohendem Nachteil für die Gesellschaft und voraussichtlichem Nutzen der Auskunft für den Aktionär, also eine Angemessenheitsprüfung, erforderlich ist. Bejahend OLG Düsseldorf AG 1992, 34, 37; Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 13, Rn. 44; i. E. auch Zöllner, in: Baumbach/Hueck, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 17; dezidiert dagegen Ebenroth, Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 83. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 17. BayObLG NZG 1999, 1218, 1219; Geißler, NZG 2001, 539, 541 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 845 f.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 131 AktG, Rn. 33–35; Joussen, AG 2000, 241, 250 ff.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 64. Ausführlich zu Fallgruppen der rechtsmissbräuchlichen Ausübung von Informationsrechten Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 195–211. OLG Frankfurt AG 1984, 25; Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 186– 188; Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 13, Rn. 51–53.
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für aufzubürden, warum er sein relevantes Auskunftsbegehren nicht in 20 gezielte Fragen zu bündeln vermag.1400 Im Interesse der Gesellschaft und aller Aktionäre an einer geordneten Abwicklung der Hauptversammlung steht dem Versammlungsleiter außerdem die Kompetenz zu Ordnungsmaßnahmen zu. Er ist gehalten, die Hauptversammlung in angemessener Zeit abzuwickeln und die Gesellschaft und übrigen Aktionäre vor einem Missbrauch des Fragerechts durch einzelne Aktionäre zu schützen. So kann und muss er im Interesse aller Aktionäre dafür sorgen, dass die zur Verfügung stehende Zeit möglichst gerecht verteilt und nicht durch Beiträge oder Fragen einzelner Aktionäre, die ersichtlich nicht auf Erkenntnisgewinn in Bezug auf einen zur Entscheidung anstehenden Tagesordnungspunkt gerichtet sind, verbraucht wird. Zu diesem legitimen Zweck kann er die Redezeit beschränken, das Wort entziehen und gegebenenfalls sogar einen Aktionär des Versammlungsraums verweisen. Nach zutreffender Ansicht stehen diese Maßnahmen in einem Stufenverhältnis. Eine höhere Stufe darf nur beschritten werden, wenn der legitime Zweck nicht auf einer niedrigeren erreicht werden kann.1401 Dabei handelt es sich um den Erforderlichkeitsgrundsatz, der nach den allgemeinen Kriterien für Eingriffe in mitgliedschaftliche Rechte gilt. Zudem bedarf es nach den allgemeinen Grundsätzen einer Abwägung, und nur soweit diese zugunsten der Gesellschaftsinteressen ausfällt, ist der mit der Ordnungsmaßnahme verbundene Eingriff in die Rechtsstellung des Aktionärs gerechtfertigt. c) Rechtsbehelfe bei pflichtwidrigem Informationsverhalten der Aktiengesellschaft Eine pflichtwidrig vorenthaltene Information kann der Aktionär in einem speziellen Verfahren nach § 132 AktG erzwingen. Dieses Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass es in der Hauptversammlung gefasste Gesellschafterbeschlüsse in ihrem Bestand und ihrer Durchsetzbarkeit unberührt lässt. Will der Gesellschafter zugleich gegen den Beschluss vorgehen, kann er die Verletzung seines Auskunftsrechts mit der Anfechtungsklage rügen. Dabei steht ihm ein Wahlrecht zu; er ist nicht etwa gehalten, vorrangig das Auskunftsverfahren anzustrengen.1402 Eine wesentliche Einschränkung bringt jedoch § 243 IV 1, 2 AktG mit sich. Nach Satz 1 kann nur angefochten werden, wenn ein objektiv urteilender Aktionär die vorenthaltene Information als wesentliche Voraussetzung dafür angesehen hätte, seine Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte wirksam wahrzunehmen. Nach Satz 2 ist die Anfechtungsklage ausgeschlossen, wenn sich der Aktionär gegen die Höhe seiner Abfindung wehrt und das Gesetz diesen Streit in das Spruchverfahren verweist.1403 Dies ist bei Umwandlungen, Unternehmensverträgen, bei der Eingliede___________ 1400 1401 1402 1403
Kubis, in: MünchKomm.-AktG, Band IV, 2. Aufl. 2004, § 131, Rn. 59. Ebenroth, Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 26–31. BGHZ 86, 1, 3 ff. Siehe im Einzelnen die Darstellung von Kersting, ZGR 2007, 319.
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rung und im Squeeze out-Verfahren der Fall.1404 Im Spruchverfahren steht nicht die Information selbst im Vordergrund, sondern dient vielmehr als Mittel, den angemessenen Abfindungsbetrag zu ermitteln.1405
2. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht des GmbH-Gesellschafters Der Konzeption des GmbH-Rechts entsprechend, wonach die Gesellschafter regelmäßig unternehmerisch an der GmbH beteiligt sind und über die Geschäftsführer wachen,1406 stellt § 51a GmbHG dem GmbH-Gesellschafter ein verglichen mit § 131 I AktG breites Informationsrecht zur Verfügung. Jeder GmbH-Gesellschafter kann nach § 51a GmbHG von den Geschäftsführern Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen und die Bücher und Schriften der Gesellschaft einsehen. Der Anspruch dient dem vom Gesetz als umfassend eingestuften Informationsinteresse des Gesellschafters und ist daher nur insoweit beschränkt, als sich die begehrte Auskunft auf Angelegenheiten der Gesellschaft beziehen muss.1407 Er kann jederzeit erhoben werden1408 und ist nach § 51a III GmbHG zwingend.1409 Um ihm nachzukommen, müssen die Geschäftsführer dem Gesellschafter alle relevanten schriftlichen Unterlagen und elektronisch gespeicherten Daten zur Einsichtnahme in den Geschäftsräumen der GmbH zugänglich machen.1410 Hier geht das GmbH-Recht weiter als das US-amerikanische Recht der corporations. Auch dort sehen der RMBA und die Kodifizierungen in den Staaten das Recht des Gesellschafters auf Einsicht in die Bücher der Gesellschaft vor.1411 Dieser Anspruch ist jedoch von Voraussetzungen abhängig. In Delaware fordert etwa Del. Code Ann. tit. 8, § 220(b) (1998), dass sich der Minderheitsgesellschafter auf einen proper purpose berufen kann. Unter einem solchen soll nach der Legaldefinition ein Grund oder Zweck zu verstehen sein, der vernünftigerweise mit dem In___________ 1404 1405 1406
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1408 1409 1410 1411
Dazu noch unter § 12 C. Zum Delisting siehe außerdem unter § 13 A.V. Hoffmann-Becking, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, 2001, S. 55, 60. Dazu auch noch bei den einzelnen Maßnahmen im Besonderen Teil. Aus dieser in § 46 Ziff. 6 GmbHG bestimmten Überwachungsfunktion resultieren gesonderte, der Gesellschafterversammlung zustehende Kollektivrechte, siehe Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 97. Dennoch erscheint es nahe liegend, dass sich diese Überwachungsfunktion auch in dem Individualrecht nach § 51a GmbHG niedergeschlagen hat. Er ist daher auch nicht von einem Informationsbedürfnis des Gesellschafters abhängig, KG ZIP 1988, 714, 715. Ausgeschlossen sind jedoch Fragen, die sich auf rein private Umstände beziehen, so OLG Jena NZG 2004, 1156, 1157. Damit gilt auch, dass sein Informationsbegehren nicht auf Umstände gerichtet sein darf, die für ihn nicht in seiner Funktion als Gesellschafter, sondern als außenstehender Dritter von Bedeutung sind, siehe Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 69. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 27, Rn. 10. So auch ausdrücklich BGH WM 1988, 1789, 1790. Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 80. Siehe Revised Model Bus. Corp. Act. §§ 16.01–16.04 (1997).
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teresse der beantragenden Person als Gesellschafter der corporation in Zusammenhang steht.1412 Die Gesellschafterstellung allein reicht hierfür nicht aus, vielmehr bedarf es des Vortrags besonderer Gründe, die ein Informationsbedürfnis nahe legen, etwa der Verdacht gegen den Mehrheitsgesellschafter, sich auf Kosten der Gesellschaft und unter Benachteiligung des Minderheitsgesellschafters zu bereichern.1413 Soweit Informationen erteilt werden, müssen diese zutreffend sein. Mit falschen Informationen verletzt die Geschäftsleitung ihre Treuepflicht gegenüber den Gesellschaftern.1414 Das GmbH-Recht verfolgt den umgekehrten Ansatz und stellt keine Voraussetzungen auf, sondern errichtet Schranken für das generelle Recht auf Auskunft und Einsicht. So bestimmt § 51 a II 1 GmbHG, dass die Gesellschafterversammlung beschließen kann, die Auskunft zu verweigern, soweit Grund zur Besorgnis besteht, dass der Gesellschafter die Auskunft zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der GmbH oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen könnte, wobei der Maßstab eines ordnungsgemäß handelnden Gesellschafters zugrunde zu legen ist.1415 Zu beachten ist dabei, dass der Gesellschafter aus der Treuepflicht gehalten ist, Stillschweigen über die durch Auskunft oder Einsicht erlangten Informationen zu bewahren.1416 Erforderlich ist daher, dass Anzeichen dafür bestehen, dass der Gesellschafter dieser Pflicht zuwiderhandeln wird. Da es sich bei der Verweigerung der Auskunft und Einsicht um einen Eingriff in ein von der Mitgliedschaft erfasstes Recht des Gesellschafters handelt, obliegt der Gesellschaft nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Eingriff gerechtfertigt ist. Daher wird zu Recht gefordert, dass die Gesellschaft anhand konkreter Tatsachen nachweist, dass eine Nachteilszufügung wahrscheinlich ist.1417 Nach allgemeinen Grundsätzen ziehen außerdem die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht und das Verbot des Rechtsmissbrauchs dem Informationsrecht weite___________ 1412
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Del. Code Ann. tit. 8, § 220 (b) (1998): “Any stockholder, in person or by attorney or other agent, shall, upon written demand under oath stating the purpose thereof, have the right during the usual hours for business to inspect for any proper purpose the corporation’s stock ledger, a list of its stockholders, and its other books and records, and to make copies or extracts therefrom. A proper purpose shall mean a purpose reasonably related to such person’s interest as a stockholder”. Zu den Voraussetzungen State ex rel. Pillsbury v. Honeywell, Inc., 191 N. W. 2 d 406 (Minn. 1971); im Sonderfall zur Vorbereitung eines proxy fight Highland Select Equity Fund, L. P. v. Motient Corporation, 906 A. 2 d 156 (Del. Ch. 2006); als Übersicht Rock/Wachter, 24 Journal of Corporation Law 913, 946 (1999). Malone v. Brincat, 722 A. 2 d 5 (Del. 1998). Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 81; Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 160. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 27, Rn. 23; Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 71; Lutter, ZIP 1997, 613, 615 f. Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 81; Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 163.
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re Grenzen.1418 Die berechtigten Interessen der GmbH können seinem Anspruch jederzeit entgegen gesetzt werden, so dass im Wege einer Interessenabwägung zu entscheiden ist, ob sich der Auskunftsanspruch hiergegen durchsetzt. Daher ist es möglich, die begehrte Information im Einzelfall zu verweigern, wenn der Aufwand, den die Unterrichtung des Gesellschafters bedeutet, ganz außer Verhältnis zu seinem Interesse an der Information steht.1419 Dabei ist, wie stets, den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. Soweit die Beteiligung des Gesellschafters die Züge einer bloßen Kapitalanlage trägt, reichen regelmäßig geringere Gründe im Interesse der GmbH aus als bei einer unternehmerischen Beteiligung.1420 Auch kann der Gesellschafter im Einzelfall darauf verwiesen werden, an einer zeitnahen Gesellschafterversammlung teilzunehmen und seine Fragen dort zu stellen, sofern seinem Informationsbedürfnis hierdurch ausreichend Rechnung getragen werden kann,1421 allerdings nur, sofern die Auskunft im Vorfeld für die Gesellschaft mit einer nicht unerheblichen Belastung einhergehen würde. Bloße Verfahrensregelungen, die den materiellen Gehalt des Informationsrechts unberührt lassen und für den Gesellschafter allenfalls unbedeutende Ausübungsanforderungen begründen, sind ohne Weiteres zulässig. Sie bleiben unterhalb der Eingriffsschwelle und bedürfen daher keiner besonderen Rechtfertigung, so etwa wenn die Anfrage schriftlich formuliert werden muss. Anders ist dies, wenn die Geschäftsführer ein geordnetes Informationssystem aufbauen, das eine fortlaufende Information der Gesellschafter garantiert. In diesen Fällen soll ein Auskunfts- und Einsichtsverlangen von der Darlegung eines wichtigen Grundes abhängig gemacht werden dürfen.1422 Dem kann nur eingeschränkt zugestimmt werden: Zwar scheidet aus, dass ein Gesellschafter die bereits in dem Bericht der Geschäftsführung aufgeführten Informationen erneut einfordert. Soweit er jedoch darüber hinausgehende Informationen fordert, darf die Geschäftsführung weitere Auskunft oder die Einsichtsnahme nur verweigern, wenn sie ihrerseits darlegt, dass alle für die Gesellschafter relevanten Informationen in den Berichten enthalten sind und die Zweifel des Gesellschafters substantiiert widerlegen kann. Ein Informationsbedürfnis des Gesellschafters zu fordern,1423 stellt hingegen einen Eingriff in den Anspruch dar, der nicht gerechtfertigt werden kann. Das Ge___________ 1418
1419 1420 1421 1422 1423
Siehe BGHZ 135, 48, 50; OLG Köln GmbHR 1986, 385, 386; KG ZIP 1988, 714, 715; BayObLG GmbHR 1989, 201, 203; BayObLG ZIP 2000, 18, 19; Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 70. Dazu OLG Jena NZG 2004, 1156; BayObLG GmbHR 1989, 201, 203. Ohne diese Unterscheidung mit Forderung nach hohen Voraussetzungen Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 70. Insoweit OLG Jena NZG 2004, 1156. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 27, Rn. 15; Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 67. Als Hauptvertreter dieser Ansicht gefordert von K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 35 ff.; ders., FS Kellermann, 1991, S. 389; ders., Gesellschaftrecht, 4. Aufl. 2002, S. 628; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007,
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setz gibt in § 51a GmbHG zu erkennen, dass es die Überwachungsfunktion der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung als generellen Informationsgrund genügen lässt und den Gesellschafter daher nur unter erhöhten Voraussetzungen von seinem Recht ausschließt.1424 Auch wird vertreten, dass zwischen dem Auskunfts- und Einsichtsrecht ein Stufenverhältnis bestehe. Da eine Auskunft die Gesellschaft weniger stark belaste, könne der Gesellschafter auch nur diese, nicht aber Einsicht verlangen, wenn sie zu seiner Information ausreichend sei.1425 Dem kann in dieser Pauschalität nicht zugestimmt werden. Da jede Verweigerung einen Eingriff in die Rechte des Gesellschafters darstellt, muss sie den soeben dargestellten Grundsätzen genügen. Verweigert die GmbH die Einsicht in die Bücher, muss dies durch überwiegende Interessen gerechtfertigt sein. Dass stattdessen zumindest Auskunft erteilt wird, kann als wesentlicher Gesichtspunkt im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden. Wie auch dem Aktionär nach § 132 AktG steht dem GmbH-Gesellschafter ein auf die Auskunft oder das Einsichtsrecht gerichtetes Erzwingungsverfahren nach § 51 b GmbHG zu.
3. Der Auskunftsanspruch des Personengesellschafters Die Rechtslage im Personengesellschaftsrecht entspricht dem im Wesentlichen. Nach §§ 716 BGB, 118 HGB besteht ein auf die Mitgliedschaft gestütztes gesetz___________
1424 1425
§ 51 a, Rn. 8; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 51 a, Rn. 27; BayObLG BB 1993, 1547. Telweise wird das Recht aus § 51 a GmbHG als „Fremdkörper des GmbH-Rechts“ sogar gänzlich in Frage gestellt. Es stelle einen durch nichts gerechtfertigten Eingriff in das auf privatautonome Regelung des Gesellschaftsverhältnisses angelegte GmbHRecht dar. Der Minderheitsgesellschafter werde unverhältnismäßig „zwangsbeglückt“, was über den erforderlichen Minderheitsschutz weit hinausgehe. Vielmehr hätte sich der Gesetzgeber an einer ausdifferenzierten Gestaltung wie im Recht der Personenhandelsgesellschaften ausrichten sollen. Dort werde sorgfältig zwischen einem ordentlichen und dispositiven Informationsrecht und einem außerordentlichen, zwingenden unterschieden. Letzteres beziehe sich auf die Fälle, in denen Grund zu der Annahme unredlicher Geschäftsführung bestehe. Diese Unterscheidung treffe einen wohltuenden Kompromiss zwischen dem erforderlichen Minderheitsschutz und der Regelungsautonomie der Gesellschafter. Siehe Martens, Minderheitsschutz in der GmbH, in: 100 Jahre GmbHG, S. 622. So auch die h. M., siehe Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989, S. 76 f., mit Nachweisen zum Meinungsstand. Wohl ü. A., wobei teilweise ganz im hier vertretenen Sinne eine Erforderlichkeitsprüfung gefordert und daher eine Subsidiarität der Einsicht nur bejaht wird, wenn die Beschränkung auf die Auskunft den Gesellschafter nicht unverhältnismäßig belastet. Siehe etwa Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 51 a, Rn. 7; Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 72. Zöllner, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 51 a, Rn. 26 (allerdings nur im Regelfall). Den gegenteiligen Standpunkt, wonach die Einsicht stärker belaste als die Auskunft, vertreten BGHZ 14, 53, 56 ff. (zur alten Rechtslage); Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 51 a, Rn. 12.
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liches Informationsrecht.1426 Dieses ist dem Wortlaut nach jedoch nur auf Einsicht, nicht aber auf Auskunft gerichtet. Das daneben bestehende Auskunftsrecht nach §§ 713, 666 BGB ist lediglich ein kollektives Auskunftsrecht, das der Gesellschaft gegenüber dem geschäftsführenden Gesellschafter zusteht, nicht jedoch ein Individualrecht des Personengesellschafters.1427 Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass daneben auch ein über den als zu eng empfundenen Wortlaut der §§ 716 BGB, 118 HGB hinausgehendes individuelles Informationsrecht des (persönlich haftenden) Personengesellschafters bestehen muss. Streitig sind dessen Voraussetzungen, da es nach wohl h. M. nur ausnahmsweise unter der Voraussetzung bestehen soll, dass die erforderlichen Angaben nicht aus den Büchern und Papieren der Gesellschaft ersichtlich sind.1428 Einleuchtend ist demgegenüber das Argument der Gegenmeinung, dass der Individualanspruch aus §§ 716 BGB, 118 HGB das in der Mitgliedschaft per se wurzelnde jederzeitige und umfassende Auskunfts- und Einsichtsrecht nur unzureichend wiedergibt, aber nicht hindert.1429 Nur so kann dem berechtigten Interesse des von einer persönlichen Inanspruchnahme bedrohten Personengesellschafters, sich über die Verhältnisse der Gesellschaft ein umfassendes Bild machen zu können, Rechnung getragen werden.1430 Ein wesentlicher Unterschied zur Rechtslage in den Kapitalgesellschaften besteht darin, dass der Anspruch aus §§ 716 BGB, 118 HGB dispositiv ist. Er kann daher durch entsprechende Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen werden, so dass sich der Anspruch auf die Situation des §§ 716 II BGB, 118 II HGB beschränkt.1431 Das stimmt mit den Grundlagen überein: Soweit der Gesellschaftsvertrag das Einsichts- und Auskunftsrecht beschränkt oder (soweit zulässig) ausschließt, wird es aus dem Schutzbereich der individuellen Mitgliedschaft herausgenommen. Im Personengesellschaftsrecht ist auch sichergestellt, dass Gesellschafter nicht gegen ihren Willen zu derartigen Modifikationen der dispositiven Gesetzeslage gezwungen werden, da Grundlagengeschäfte nur mit Zustimmung aller Gesellschafter ergehen können.1432 Soweit der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt, greifen weitere Schutzmechanismen. Nach Rechtsprechung und h.L. sind die durch die Kernbereichslehre und den Bestimmtheitsgrundsatz gezogenen Grenzen zu beachten, während es nach hier vertretener Ansicht auf eine ___________ 1426 1427 1428 1429
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1432
Enzinger, in: MünchKomm.-HGB, 2. Aufl. 2006, § 118, Rn. 1; K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 13 f., 61 f. Enzinger, in: MünchKomm.-HGB, 2. Aufl. 2006, § 118, Rn. 12. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 118, Rn. 7; Ulmer, in: Staub, HGB, Stand 1999, § 118, Rn. 24, jeweils m. w. N. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1749 (für die BGB-Gesellschaft) und S. 1398 für die OHG und KG. Zustimmend Enzinger, in: MünchKomm.-HGB, 2. Aufl. 2006, § 118, Rn. 12. Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 375 f.; ders., WM 1992, SB 7, 1, 45. Siehe dort auch zur Situation und Rechtslage der (hier vernachlässigten) Kommanditisten. BGH WM 1988, 1789, 1790; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 118, Rn. 17; Enzinger, in: MünchKomm.-HGB, 2. Aufl. 2006, § 118, Rn. 32; Ulmer, in: Staub, HGB, Stand 1999, § 118, Rn. 42. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 114, Rn. 3.
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strenge Inhaltskontrolle eines belastenden und mit der Mehrheit der Stimmen gefassten Gesellschafterbeschlusses ankommt.1433 Auch dabei ist wiederum dem Umstand Rechnung zu tragen, dass dem persönlich haftenden Personengesellschafter die Inanspruchnahme droht, so dass sein Interesse an umfassender Information entsprechend hoch anzusetzen ist. Nur besonders gewichtige Gründe im Interesse der Gesellschaft vermögen sich hiergegen durchzusetzen.
IV. Der Anspruch auf Information gegen den Mitgesellschafter Ein Anspruch auf Information kann sich nicht nur gegen die Gesellschaft, sondern auch gegen den Mitgesellschafter richten, wie der BGH bislang für die BGBGesellschaft und GmbH festgestellt hat.1434 Die Rechtsgrundlage hierfür sieht der BGH in dem Verhältnis der Gesellschafter zueinander und der darin wurzelnden Treuepflicht. Danach ist ein Gesellschafter aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht verpflichtet, einen Mitgesellschafter über Vorgänge, die dessen mitgliedschaftliche Vermögensinteressen berühren und ihm nicht bekannt sein können, vollständig und zutreffend zu informieren.1435 Davon sind die Beziehungen des Gesellschafters zu dritten Unternehmen erfasst, um die Mitgesellschafter auf mögliche Interessenkonflikte und daraus resultierende Gefahren aufmerksam zu machen.1436 Daneben erstreckt sich die Mitteilungspflicht auch auf verdeckte Sondervorteile, die an Mitgesellschafter geleistet wurden und Rückforderungsansprüche der Gesellschaft auslösen können.1437 Dies entspricht den Grundsätzen des US-amerikanischen Rechts. Sofern zwischen den Gesellschaftern Treuepflichten bestehen,1438 kann der Mehrheitsgesellschafter daraus verpflichtet sein, den Minderheitsgesellschafter über für diesen relevante Umstände aufzuklären, wenn diesem anderenfalls zugunsten des Mehrheitsgesellschafters ein finanzieller Vorteil entgehen oder ein finanzieller Nachteil entstehen könnte.1439 Bemerkenswert zur Rechtslage in Deutschland ist auch folgendes: Wird die Pflicht zur Auskunft verletzt, resultiert daraus nach dem BGH ein Schadensersatzanspruch des zur Information berechtigten Gesellschafters gegen den befragten ___________ 1433 1434 1435 1436 1437 1438 1439
Siehe dazu die ausführliche Darstellung unter § 4 B. I. 1. Dazu auch schon die problematischen Fallgestaltungen unter § 7 A. II. 4. BGH ZIP 2003, 73, 74 (BGB-Gesellschaft); BGH ZIP 2007, 268, 269 (GmbH). Schmiegelt, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 3, Rn. 95. BGH ZIP 2007, 257, 258; BGH ZIP 2007, 268, 269. Zu den Voraussezungen die Darstellung unter § 2 B. So, wenn der Mehrheitsgesellschafter dem Minderheitsgesellschafter verschweigt, dass er sich in Übernahmeverhandlungen mit einem Investor befindet und der Minderheitsgesellschafter in Unkenntnis dieser Vorgänge seine Beteiligung an die Gesellschaft veräußert, wodurch ihm der vom Investor gebotene höhere Preis entgeht. Dazu Michaels v. Michaels, 767 F. 2 d 1185, 1194–1197 (7th Cir. 1985); Holmes v. Bateson, 583 F. 2 d 542, 558 (1st Cir. 1978); Rochez v. Rhoades, 527 F. 2 d 880, 887–888 (3rd Cir. 1975); Thomas v. Duralite Co., 524 F. 2 d 577, 584 (3rd Cir. 1975).
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§ 8 Minderheitsschutz durch Information und Teilhabe am Willensbildungsprozess
Gesellschafter.1440 Der berechtigte Gesellschafter braucht sich in diesen Fällen also nicht darauf verweisen zu lassen, dass der Schaden primär im Vermögen der Gesellschaft eintritt und sich nur mittelbar auf seine Beteiligung auswirkt. Es handelt sich daher um eine Durchbrechung des von der ganz h. M. vertretenen Grundsatzes, dass dem Gesellschafter untersagt sein soll, die ihm mittelbar entstandenen Schäden im eigenen Namen und für eigene Rechnung geltend zu machen.1441 In das hier vertretene und soeben unter § 7 B dargestellte System fügt sich dies ein. B. Forderungen nach einer Erweiterung der Informationsrechte
B. Forderungen nach einer Erweiterung der Informationsrechte Wiederum ist es, das kann nach der bisherigen Darstellung feststehen, der Aktionär, der gegenüber den Gesellschaftern anderer Rechtsformen eine vergleichsweise schwache Rechtsstellung innehat. Ob dies durch die strukturellen Besonderheiten der Aktiengesellschaft gerechtfertigt ist oder vielmehr im Interesse an einer wirksamen Wahrnehmung der Aktionärsrechte weitere Auskunftsansprüche über Angelegenheiten der laufenden Verwaltung geschaffen werden sollten, wird unterschiedlich beurteilt.1442 Für eine Erweiterung spricht die hier vertretene Grundannahme, dass nur der Aktionär einer börsennotierten Aktiengesellschaft als reiner Kapitalanleger behandelt werden kann und sich daher nur bei diesem rechtfertigen lässt, ihm eine dem GmbH-Gesellschafter vergleichbare Stellung zu verweigern. Die Existenz des Aufsichtsrates vermag Einschränkungen gegenüber dem Konzept des GmbH-Rechts zu rechtfertigen, wohl aber nicht in dem extremen Maße, wie es das AktG mit seinen Beschränkungen auf Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung vorsieht. Ein Vorschlag zur Stärkung der Aktionärsstellung lautet, die Berichtspflichten des Vorstands zu erweitern, indem in Gesamtanalogie zu den normierten Berichtspflichten, insbesondere denen aus §§ 186 IV 2, 293 a AktG, §§ 8, 127, 192 UmwG eine Verpflichtung begründet wird, die Aktionäre bei geplanten, aber noch nicht endgültig ausgearbeiteten Planungen von bedeutender Tragweite detailliert unterrichten zu müssen.1443 Dieser Gedanke soll für einen bedeutenden Teilbereich, die Informationspflichten der Geschäftsführung bei geplanten Umstrukturierungen, die in den Anwendungsbereich des UmwG fallen, unter § 12 aufgegriffen ___________ 1440
1441 1442
1443
In der vom BGH entschiedenen Fallgestaltung kam es darauf an, ob Zahlungen an den dritten Gesellschafter zu Unrecht erfolgten, da nur dann ein Anspruch der Gesellschaft bestand und sich damit die Vermögenslage der Mitgesellschafter (mittelbar) verbessern konnte. Nur in diesem Fall bestand überhaupt ein Interesse des Gesellschafters an dieser Information, so dass dieses auch nur unter dieser Voraussetzung verletzt werden konnte, zu den Details BGH ZIP 2007, 268 269 f. Hierzu ausführlich unter § 6 C. Kritik klingt etwa an bei Hopt, Liber Amicorum Guy Horsmans, 2004, S. 533, 543; hingegen lobt Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG und das Informationsbedürfnis des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, 2001, S. 92, die durch die beschränkten Rechte entstehende Chancengleichheit unter den Aktionären. Weißhaupt, AG 2004, 585, 588 f.
C. Zusammenfassung
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werden. Wie dort darzustellen sein wird, sind informierte Entscheidungen der Anteilseigner nur möglich, wenn die Geschäftsleitung auch Alternativgestaltungen vorstellt und bewertet. De lege lata helfen die hier zugrunde gelegten Grundsätze zur Beweislastverteilung bei der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen und der Erhebung von Unterlassungsklagen gegen das Vorstandshandeln, um die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters zu stärken. Selbst in der Aktiengesellschaft erhält der Gesellschafter über die allgemeinen Publizitätspflichten der Geschäftsführung und sein (begrenztes) Auskunftsrecht ein ausreichendes Maß an Information, um die Erfolgsaussichten seiner Klage einschätzen zu können. Was ihm unmöglich ist, bleibt der Gesellschaft vorbehalten, nämlich das Interesse der Gesellschaft an der beeinträchtigenden Maßnahme darzulegen und zu beweisen. Sie hat außerdem die Interessenlage der übrigen Gesellschafter darzulegen und zu beweisen, soweit es auf diese im Rahmen der Abwägung ankommt.1444 Dies garantiert zumindest, dass eine wirksame Durchsetzung der mitgliedschaftlichen Rechte nicht an einem Informationsdefizit scheitert. C. Zusammenfassung
C. Zusammenfassung Information ist unerlässlich, um dem Gesellschafter eine wirkungsvolle Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte zu ermöglichen. Da der Minderheitsgesellschafter kaum andere Informationsquellen besitzt, ist er auf förmliche Informationsrechte besonders angewiesen. Im Gesellschafterinnenverhältnis vermag Information zugleich nur bedingt zu angemessenen Ergebnissen zu führen. Information entfaltet ihre präventive Wirkung zum Zeitpunkt des Gesellschafterbeitritts, so dass hier eine bewusste und aufgeklärte Entscheidung unter Kenntnis der wesentlichen Umstände getroffen werden kann. Im Verlauf der bestehenden Beteiligung erfüllt Information zwar eine wichtige Hilfsfunktion, die dem Gesellschafter bei seiner Entscheidungsfindung hilft. Sie alleine vermag ihn gegen Eingriffe in seine Rechtsstellung jedoch nicht zu schützen, wie in den vorstehenden Abschnitten begründet wurde. Die Informationsrechte orientieren sich an den Gesellschaftsformen und der Ausgestaltung der Gesellschafterstellungen. Je mehr Verantwortung ein Gesellschafter in der Gesellschaft besitzt, desto höher bewertet das Gesetz zu Recht auch seinen Informationsbedarf. Im Aktienrecht verfolgt der Gesetzgeber einen dreistufigen Ansatz. Auf eine schriftliche Vorabinformation folgen die mündliche Erörterung in der Hauptversammlung und schließlich das individuelle Fragerecht des Aktionärs. Demgegenüber besitzt der GmbH-Gesellschafter nach § 51 a GmbHG einen Anspruch gegen die Geschäftsführer auf Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft und Einsicht in die Bücher und Schriften. Das Personengesellschaftsrecht geht mit seinem weder zeitlich noch räumlich beschränkten Anspruch auf persönliche Unterrichtung nach §§ 716 BGB, 118 HGB am weitesten. ___________ 1444
Dazu die ausführliche Darstellung unter § 4 B.
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§ 8 Minderheitsschutz durch Information und Teilhabe am Willensbildungsprozess
Das Informations-Regime des Aktienrechts wird verbreitet als unzureichend kritisiert. Dieser Kritik ist nach dem hier vertretenen Ansatz, wonach nur der Aktionär einer börsennotierten Aktiengesellschaft als reiner Kapitalanleger anzusehen ist, beizupflichten. Dies wird insbesondere bei den noch darzustellenden Strukturentscheidungen zu beachten sein. Außerdem vermag die hier vertretene Beweislastverteilung schon einen wesentlichen Beitrag zu einer Verbesserung der Informationsflüsse zu bewirken.
C. Zusammenfassung
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Besonderer Teil: Typische minderheitssensible Konstellationen – Die Anwendung der Allgemeinen Grundsätze in konfliktträchtigen Situationen In den §§ 1–8 wurden die allgemeinen Grundlagen geschaffen, um die einzelnen minderheitsrelevanten Konstellationen in den Personengesellschaften, GmbHs und Aktiengesellschaften lösen zu können. Die Zielsetzung bestand darin, ein einzelfallübergreifendes System zu entwickeln, das auf Einzelfälle angewendet werden kann und dort tragfähige Lösungen zu entwickeln vermag. Dabei war es unvermeidlich, dass schon etliche Einzelfragen angesprochen und einer Lösung zugeführt werden konnten. In den Folgekapiteln werden besonders konfliktträchtige und typische Konstellationen angesprochen und das entwickelte Konzept auf sie angewandt. Diese Kapitel dienen damit einerseits dazu, konkrete Antworten zu liefern, zum anderen aber auch als Bewährungsprobe für das im Allgemeinen Teil entwickelte System. Das im Folgenden unter §§ 9 f. darzustellende Ausscheiden des Gesellschafters auf unfreiwilliger und freiwilliger Basis wurde in den Besonderen Teil aufgenommen, da es Situationen umfasst, die massenhaft auftreten und wegen der verbreiteten Beschränkungen der Lösungsmöglichkeit zu typischen Minderheitskonflikten führen. Das Recht auf Lösung von der Beteiligung unter § 10 eignet sich zugleich als Bindeglied zum Allgemeinen Teil, da die Austrittsrechte einen elementaren und schon mehrfach angesprochenen Rechtsbehelf des Minderheitsgesellschafters darstellen, der eine einzelfallübergreifende Dimension aufweist.
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§ 8 Minderheitsschutz durch Information und Teilhabe am Willensbildungsprozess
C. Zusammenfassung
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1. Kapitel: Freiwilliges und unfreiwilliges Ausscheiden des Gesellschafters: Ausschluss und Austritt unter Einschluss der Abfindungsgrundsätze § 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters In keiner anderen Situation werden die Rechte des Gesellschafters so stark beeinträchtigt wie bei seinem Ausschluss aus der Gesellschaft. Seine Mitgliedschaft endet und damit alle mit dieser verbundenen Teilhaberechte mitverwaltungs- und vermögensrechtlicher Natur. An ihre Stelle tritt ein Abfindungsanspruch. Das bereits geschilderte Phänomen, dass die dauerhafte Verbindung der Gesellschafter in einem Verband ständigen Veränderungen unterworfen ist, kann im Extremfall einen Fortbestand der Gesellschaft in der bisherigen Ausgestaltung unmöglich machen oder erschweren. In einer solchen Lage kann der Ausschluss eines Gesellschafters die einzige oder zumindest beste Möglichkeit zur Konfliktbewältigung darstellen.1445 Dementsprechend hat sich der Gesetzgeber der Frage angenommen und für verschiedene Gesellschaftsformen, aber auch unterschiedliche Situationen Ausschlusstatbestände geschaffen. Indem der Gesetzgeber den Ausschluss einzelner Gesellschafter in bestimmten Situationen, vor allem in der Aktiengesellschaft, zulässt, nimmt er seinen Gestaltungsauftrag wahr. Die Verfassungsmäßigkeit solcher Ausschlusstatbestände wurde bereits mehrfach geprüft und bejaht,1446 worauf an entsprechender Stelle einzugehen sein wird. Problematischer ist der Ausschluss in den Fällen, die nicht von einer gesetzlichen Bestimmung geregelt werden oder in denen die Gesellschafter vom gesetzlichen Leitbild abweichen und die Voraussetzungen eines Ausschlusses autonom festlegen, da die Gesellschaftermehrheit hierbei nicht lediglich eine ihr vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit zum Eingriff wahrnimmt. Dabei ist zu unterscheiden: Fragen des Minderheitsschutzes werden bei Verlust der Gesellschafterstellung relevant, wenn der Gesellschafter gegen seinen Willen ausgeschlossen wird und damit seine Mitgliedschaft verliert. Ist er hingegen mit ___________ 1445 1446
Vgl. etwa Stumpf, NJW 2003, 9, 11 f. So von BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671; ZIP 1999, 1436, 1439 (DAT/Altana). Zu weiteren Nachweisen zu den Squeeze out-Regelungen siehe Fn. 1640.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
dem Verlust seiner Mitgliedschaft einverstanden, dient ihm der Ausschluss als Mittel zu dem angestrebten Zweck, aus der Gesellschaft auszuscheiden. Für seinen ausreichenden Schutz kann er in diesen Fällen selbst sorgen, da er nur dann zustimmen wird, wenn seinen Vorstellungen entsprochen wird.1447 Wird der Anteil des Gesellschafters kaduziert, weil er seine Einlageleistung und damit seine Kardinalpflicht nicht erbracht hat, werden notwendige Maßnahmen eingeleitet, die nicht nur den allgemeinen Grundgedanken des Leistungsstörungsrechts entsprechen, sondern auch aus Gründen des Gläubigerschutzes geboten sind, da die Kaduzierung der Sicherung der Kapitalaufbringung dient.1448 Da es in diesen Fällen an dem Verlust einer Mitgliedschaft, die mittels eines freiwilliges Vermögensopfers erworben wurde, fehlt, erscheint der Gesellschafter nicht schutzwürdig, so dass auch dieser Bereich unerörtert bleiben kann. Vielmehr hat sich die Betrachtung auf den Ausschluss des Gesellschafters gegen seinen Willen durch entsprechende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag (dazu A.) oder aus wichtigem Grund (dazu B.) zu konzentrieren. In einem dritten Abschnitt (unter C.) werden sodann die gesetzlich vorgesehenen Ausschlusstatbestände erörtert werden. A. Regelungen zum Gesellschafterausschluss im Gesellschaftsvertrag
A. Regelungen zum Gesellschafterausschluss im Gesellschaftsvertrag I. Die Zulässigkeit von Ausschlussklauseln in Gesellschaftsverträgen Bei der Untersuchung von Ausschlussklauseln in Gesellschaftsverträgen tritt als Vorfrage zunächst das Problem auf, ob in den Gesellschaftsvertrag überhaupt Bestimmungen aufgenommen werden können, die einen Gesellschafterausschluss ermöglichen. Der schon mehrfach betonte Grundsatz der größtenteils unbeschränkten Gesellschafterautonomie in den Personengesellschaften beantwortet diese Frage für die BGB-Gesellschaft, OHG und Kommanditgesellschaft positiv.1449 In der GmbH besteht eine ähnlich weitgehende Satzungsautonomie, die nur ausnahmsweise durch zwingende Vorschriften durchbrochen wird. § 34 GmbHG macht die Einziehung von GmbH-Anteilen von einer Satzungsermächtigung abhängig. Die Vorschrift besitzt Leitbildfunktion für alle aufgrund einer Satzungsermächtigung erfolgenden Gesellschafterausschlüsse. ___________ 1447
1448 1449
Daher scheiden aus dieser Betrachtung alle Institute aus, mittels derer der Gesellschafter seine Beteiligung freiwillig aufgibt, in der GmbH daher die Abtretung nach § 15 GmbHG, die Zurverfügungstellung nach § 27 I 1 GmbHG und die Einziehung mit Zustimmung des Betroffenen nach § 34 GmbHG. Vgl. zur GmbH etwa Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 21, Rn. 1. Hierzu statt aller K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1474.
A. Regelungen zum Gesellschafterausschluss im Gesellschaftsvertrag
369
Ungleich problematischer ist die Aktiengesellschaft wegen des in § 23 V AktG enthaltenen Grundsatzes der Satzungsstrenge. Der Ausschluss des Aktionärs auf der Grundlage einer Satzungsbestimmung wird vom AktG in § 237 AktG im Wege der Einziehung zugelassen. Eine solche Einziehung vernichtet den Gesellschaftsanteil und ist an strenge Voraussetzungen gebunden, insbesondere an eine Kapitalherabsetzung.1450 Um dieses komplizierte Verfahren zu vermeiden, sind Satzungsbestimmungen denkbar, die einen Ausschluss auf anderem Wege, nämlich durch Übernahme der Aktien durch die AG nach § 71 Nr. 8 AktG, andere Aktionäre oder Dritte vorsehen. Die Zulässigkeit eines solchen Erwerbs unter Vermeidung einer Kapitalherabsetzung hängt davon ab, dass der Grundsatz der limitierten Satzungsautonomie in § 23 V AktG und das Verbot nach § 57 I AktG nicht entgegen stehen. In Betracht kommt, die im AktG geregelten Formen des Aktionärsausschlusses, insbesondere die Einziehung nach § 237 AktG und das Squeeze out nach § 327a ff. AktG als abschließenden Kanon der Ausschlussmöglichkeiten anzusehen und ihnen daher eine Sperrwirkung nach § 23 V 2 AktG beizumessen.1451 Dies ist für die Vorschriften über das Squeeze out jedoch wegen der gänzlich verschiedenen Anwendungsvoraussetzungen zu verneinen, da der Ausschluss im Wege des Squeeze out gerade nicht auf einer Satzungsermächtigung beruht.1452 Anders ist dies bei der Zwangseinziehung nach § 237 AktG, da Abs. 1 S. 2 der Vorschrift gerade voraussetzt, dass eine zur Zwangseinziehung ermächtigende Bestimmung vor dem Zeitpunkt, zu dem der betroffene Aktionär seine Aktien erworben hat, in der Satzung enthalten war. Eine Sperrwirkung dieser Vorschrift kann jedoch mit ihrer Rechtsnatur verneint werden. Es handelt sich um eine besondere Form einer ordentlichen Kapitalherabsetzung,1453 wie sich vor allem aus dem europäischen Ursprung der Vorschrift ergibt. Sie geht auf Art. 36 der Zweiten Richtlinie 77/791/EWG1454 zurück und ist dort innerhalb der Vorschriften über die Herabsetzung des Kapitals verankert. Daher lässt sich begründen, dass sie keine Sperrwirkung gegenüber Gestaltungen entfaltet, welche die betroffenen Aktien in
___________ 1450 1451 1452 1453
1454
Näher etwa Habersack, ZIP 2001, 1230; Pentz, FS Ulmer, 2003, S. 451. Vor Einfügung der Vorschriften des Squeeze out verneinend Becker, ZGR 1986, 383, 393. Gleiches gilt für die Mehrheitseingliederung. Zu diesen Ausschlussmöglichkeiten im Aktienrecht unter C. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 237, Rn. 1. Dies ergibt sich vor allem aus ihrem europäischen Ursprung. Die Zwangseinziehung von Aktien nach § 237 AktG geht auf Art. 36 der Zweiten Richtlinie 77/791/EWG des Rates vom 13.12.1976, ABl. EG 1977 L 26/1, zurück und wird dort innerhalb der Vorschriften über die Herabstezung des Kapitals geregelt. Zweite Richtlinie des Rates vom 13. 12. 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschaft sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EG 1977 L 26/1.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
ihrem Bestand unberührt lassen.1455 Treffender noch ist es aber, der Vorschrift zu entnehmen, dass dem Aktienrecht eine statutarische Klausel mit Ausschlusswirkung nicht fremd ist. Den Ausschluss von Aktionären anordnende Satzungsbestimmungen weichen vom Leitbild des § 237 AktG nur insoweit ab, als sie dessen Rechtsfolge, die Kapitalherabsetzung, durch andere Bestimmungen ersetzen, die sich als weniger kompliziert und für die Aktiengesellschaft, den betroffenen Aktionär oder die Mitaktionäre als günstiger und einfacher darstellen können.1456 Daneben dient § 54 I AktG dem Schutz des Aktionärs, der davor bewahrt werden soll, andere als die in §§ 54, 55 AktG enthaltenen Pflichten auferlegt zu bekommen. Die Regelungen sind daher abschließend und entfalten eine zwingende Sperrwirkung für darüber hinausgehende Aktionärspflichten.1457 Ein Konflikt dieser Vorschriften mit einer zum Aktionärsausschluss ermächtigenden Satzungsbestimmung wird darin gesehen, dass der betroffene Aktionär zur Abtretung seiner Aktien an die Aktiengesellschaft oder einen sonstigen Erwerber verpflichtet und ihm damit eine über seine Einlagepflicht (und die übrigen in § 55 AktG bestimmten Pflichten) hinausgehende Leistungspflicht auferlegt wird.1458 Diese Verpflichtung besteht jedoch in einer reinen Förmlichkeit, deren Wirkung nicht über das hinausgeht, was auch das Einziehungsverfahren bewirkt, den Verlust der Mitgliedschaft. Nicht die Abtretungsverpflichtung, sondern der Verlust der Mitgliedschaft belastet den Aktionär. Daher muss das Augenmerk der Prüfung auch auf den Voraussetzungen eines Aktionärsauschlusses liegen, während die rein formalen Voraussetzungen, mit denen der Ausschluss vollzogen wird, von untergeordneter Bedeutung sind.1459 Im Übrigen zeigen die allgemein anerkannten und unter § 2 dargestellten Treuepflichten, daneben aber auch die Zweckförderungspflichten, dass sich die Exklusivität der Leistungspflichten nach § 54 I AktG auf Beitragspflichten als Gegenleistung für den Erwerb der Mitgliedschaft beschränkt.1460 Gleiches gilt grundsätzlich auch für die GmbH. Im Übrigen ist dort eine Vermehrung der Leistungspflichten nach § 53 III GmbHG möglich, allerdings nur mit Zustimmung der betroffenen Gesellschafter. Dies führt zu der Frage, unter welchen ___________ 1455
1456 1457 1458 1459
1460
So das Argument von Reinisch, Der Ausschluß von Aktionären aus der Aktiengesellschaft, 1992, S. 30; im Rahmen teleologischer Wertungen gelangt auch Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S.43 f., zu diesem Ergebnis. Becker, ZGR 1986, 383, 394–397. BayObLG DB 1989, 214, 215; Bungeroth, in: MünchKomm.-AktG, Band 2, 2. Aufl. 2003, § 54, Rn. 22; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 237, Rn. 5. Krieger, in: MünchKomm.-AktG, Band 2, 2. Aufl. 2004, § 62, Rn. 1; Lutter, in: KölnerKomm.-AktG, Band 5/1, 2. Aufl. 1993, § 237, Rn. 10; i. E. auch ablehnend RGZ 49, 77, 79. Vgl. dazu Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 199; Reinisch, Der Ausschluß von Aktionären aus der Aktiengesellschaft, 1992, S. 31; inhaltlich ähnlich RGZ 120, 177, 180; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 237, Rn. 2. Vgl. Becker, ZGR 1986, 383, 390–393; Reinisch, Der Ausschluß von Aktionären aus der Aktiengesellschaft, 1992, S. 31; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 45.
A. Regelungen zum Gesellschafterausschluss im Gesellschaftsvertrag
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Voraussetzungen Ausschlussgründe nachträglich in die Satzung aufgenommen werden können, die im Folgenden beantwortet werden wird. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass auch in der Aktiengesellschaft eine Satzungsvereinbarung über einen Aktionärsausschluss möglich ist. Die weitere Frage lautet, welchen Anforderungen solche Ausschlussklauseln unterliegen, insbesondere wenn sie zu einem Druckmittel ausarten können, das den Aktionär entgegen § 54 I AktG faktisch zu weiteren Leistungen anhält.
II. Die Grundsätze für wirksame Ausschlussklauseln in Gesellschaftsverträgen 1. Allgemeine Grundsätze zu nachteiligen Klauseln in Gesellschaftsverträgen An dieser Stelle bietet sich an, als Vorfrage die bereits unter §§ 3 f. mehrfach angesprochene Frage zu vertiefen, inwieweit für einzelne oder alle Gesellschafter nachteilige, insbesondere von der dispositiven Gesetzeslage abweichende Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden können. a) Satzungsautonomie als Ausprägung der Privatautonomie der Gesellschafter Kein anderer Bereich der gesellschafterlichen Beziehung ist stärker vom Grundsatz der Privatautonomie gepägt als die Gestaltung des Gesellschaftsvertrages. Ein Gründungsgesellschafter nimmt auf die Gestaltung des Gesellschaftsvertrages Einfluss, ein eintretender Gesellschafter kennt die Bedingungen, denen seine Beteiligung unterliegt, und kann jedenfalls in kleineren Gesellschaften auf sie Einfluss nehmen oder sie doch zumindest als Ganzes ablehnen. Dieser Bestand entspricht den praktischen Bedürfnissen der Gesellschafter. Im Personengesellschaftsrecht entspricht es nicht nur dem gesetzlichen Leitbild, sondern nach wie vor der Rechtswirklichkeit, dass Komplementäre und BGB-Gesellschafter unternehmerisch tätig sind und das Gesellschaftsleben aktiv mitgestalten. Besonders diese Gesellschaftsformen bedürfen daher einer ausgeprägten Gestaltungsfreiheit, um der Vielgestaltigkeit der möglichen Gesellschaftszwecke und Interessen der Gesellschafter Rechnung tragen zu können.1461 Nichts anderes gilt für die GmbH, deren Gesellschafter ebenfalls regelmäßig unternehmerisch beteiligt sind. Auf die Kontrolle der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages hat dies entscheidende Auswirkungen. Nach den unter § 3 dargestellten Grundsätzen bedarf es immer dann eines verfassungsrechtlichen Schutzes, wenn ein Gesellschafter seine eigenen Interessen durch ein Kräfteungleichgewicht nicht ausreichend selbst zu wahren vermag und daher Eingriffe in seine Rechtsstellung gegen seinen Willen möglich werden. Von einem Eingriff in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters ist dann auszugehen, wenn die Grenze privatautonomen Ver___________ 1461
Ausführlich dazu R. Fischer, FS Barz, 1974, S. 33, 35–37.
372
§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
zichts überschritten wird und stattdessen Fremdbestimmung eintritt. Hat der Gesellschafter jedoch Gelegenheit, die Bestimmungen auszuhandeln, fehlt es an einer Fremdbestimmung. Außerdem wird, auch das wurde unter § 3 begründet, der Schutzbereich der von Art. 14 I GG geschützten Mitgliedschaft gerade erst durch die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages vollends definiert. Daher bestehen entscheidende Unterschiede zu der aus dem Mehrheitsprinzip resultierenden Fremdbestimmung bei Gesellschafterbeschlüssen. Die Überprüfung gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen kann sich daher im Regelfall an den für Austauschverträge geltenden allgemeinen Prinzipien ausrichten. Das bedeutet, dass es ausreicht, die Inhaltskontrolle von gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen auf außergewöhnliche Fälle zu beschränken.1462 Als Ausnahme hiervon wird erwogen, in familiär geprägten Personengesellschaften eine stärkere Inhaltskontrolle einzufordern. Da die Rechtsstellung der Gründungsmitglieder regelmäßig im Wege der Erbfolge auf Familienmitglieder übergehe, seien diese gezwungen, ein Regelwerk zu akzeptieren, auf dessen Gestaltung sie nie Einfluss nehmen konnten.1463 Dagegen spricht jedoch, dass durch einen derivativen Erwerb nur die zunächst unter voller Inanspruchnahme der Privatautonomie entstandene Gesellschafterstellung des Rechtsvorgängers auf den Nachfolger übergeht. Die Rechtsstellung des Nachfolgers nimmt daher an der Richtigkeitsgewähr, die für die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers gilt, teil. Alles andere würde bedeuten, den Rechtsnachfolger grundlos besser zu stellen als den Rechtsvorgänger.1464 Gleiches gilt für die GmbH. Bei der Gründung einer GmbH ebenso wie bei Eintritt in eine bestehende GmbH sind im Regelfall keine Gründe ersichtlich, die eine Inhaltskontrolle der Satzungsbestimmungen notwendig machen sollten.1465 Beim Eintritt in eine GmbH besteht nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Möglichkeit, sich mit den Modalitäten der GmbH-Satzung vertraut zu machen. Ein typisches Kontrollversagen wie etwa bei den sogleich (unter d) zu erörternden Publikumspersonengesellschaften besteht nicht. Hinzu kommt, dass bei Übertragung eines Gesellschaftsanteils durch das Erfordernis notarieller Beurkundung ein Mindestmaß an rechtlicher Aufklärung und Beratung sichergestellt ist.1466 Bei großen Aktiengesellschaften hingegen scheidet jede Möglichkeit des einzelnen Aktionärs, auf die Satzungsgestaltung Einfluss zu nehmen, aus, und zwar im Gründungs- und erst Recht in einem späteren Beitrittsstadium. Der Gesetzgeber ist diesem Defizit an Verhandlungsmacht und damit an Richtigkeitsgewähr mit dem Prinzip der Satzungsstrenge begegnet, das bereits für ein ausreichendes Maß an Kontrolle sorgt und für Missbräuche der Satzungsautonomie wenig Raum lässt.1467 ___________ 1462 1463 1464 1465 1466 1467
Ganz überwiegende Ansicht, vgl. etwa Wiedemann, ZGR 1980, 147, 155. Wiedemann, FS H. Westermann, 1974, S. 585, 589 f. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 135. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2003, S. 43, weist zudem auf § 310 IV 1 BGB hin. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 137. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 172. Zu Alternativüberlegungen ausführlich Hirte, in: Lutter/Wiedemann), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, 1997, S. 61, 74 ff.
A. Regelungen zum Gesellschafterausschluss im Gesellschaftsvertrag
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Hinzu tritt außerdem in allen Gesellschaftsformen, dass bestimmte Mitgliedschaftsrechte untrennbar mit der Beteiligung verbunden sind und daher selbst mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters nicht entzogen werden können, sog. unverzichtbare Rechte.1468 Dabei handelt es sich um das Recht auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung, auf Gewinnteilhabe, auf Klagemöglichkeit bei fehlerhaften Beschlüssen und auf Austritt aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund unter angemessener Abfindung.1469 Hinzu kommt das Recht auf Auskunft und Einsicht, das zwar modifiziert werden kann, in seinen wesentlichen Zügen jedoch ebenfalls unverzichtbar ist, wie § 51a III GmbHG zum Ausdruck bringt.1470 b) Nichtigkeit der Vertragsbestimmungen mangels privatautonomen Verzichts und bei unverhältnismäßiger Benachteiligung Die Wirkungen dieser privatautonomen Gestaltung wurden schon unter § 3 näher bestimmt: Die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters richtet sich nach der dispositiven Gesetzeslage in ihrer Ausformung durch den Gesellschaftsvertrag. Eine von der Privatautonomie gedeckte und daher zulässige Abweichung greift nicht in den Schutzbereich des Art 14 I GG ein, sondern definiert ihn vielmehr erst. Die Grenze der Privatautonomie wird überschritten, wenn die Regelungen des Gesellschaftsvertrages sich vom gesetzlichen Leitbild beträchtlich entfernen und die betroffenen Gesellschafter nachhaltig beeinträchtigen.1471 In diesen Fällen wird der Schutzbereich des Art. 14 I GG nicht durch die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ausgestaltet, sondern vielmehr in den Schutzbereich, wie er durch die ungeschriebenen Grundlagen der Mitgliedschaft und die dispositive Gesetzeslage definiert wird, eingegriffen. Ein solcher Eingriff bedarf einer Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse und muss einer Prüfung von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit standhalten. Besteht die entsprechende Klausel diese Prüfung nicht, folgt ihre Nichtigkeit unmittelbar aus dem Verstoß gegen die grundrechtlich ___________ 1468
1469
1470 1471
Zu den Begrifflichkeiten etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 472; ausführlich zum unverzichtbaren Selbstschutz Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 365 ff. Vgl. im Einzelnen Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 366. Von den unverzichtbaren Rechten sind die unentziehbaren Rechte und die Sonderrechte abzugrenzen, auf die verzichtet werden kann. Siehe zu unentziehbaren Rechten und den Voraussetzungen eines Verzichts BGH NJW 1985, 974; BGH WM 1975, 662, 663. Dazu, dass sich nach Auffassung der Rechtsprechung aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht die Verpflichtung der Minderheit zur Zustimmung im Einzelfall ergeben kann, siehe BGH NJW 1985, 974; BGH NJW 1961, 724; BGHZ 44, 40, 41 f. Zu Sonderrechten als Vorzugsrechten einzelner Gesellschafter, die durch den Gesellschaftsvertrag ausdrücklich verliehen sein müssen, vgl. Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft, 1967, S. 23. Zur Abgrenzung verzichtbarer und unverzichtbarer Rechte auch Hermanns, Unverzichtbare Mitverwaltungsrechte des Personengesellschafters, 1993, S. 6–26. Dazu Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 51 a, Rn. 41 f. Diese Wertung liegt auch der Rechtsprechung des BGH zugrunde, wie sich aus BGHZ 81, 263, 266 (zu Ausschlussklauseln) ergibt.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
geschützte Position des beeinträchtigten Gesellschafters. Ein Beispiel ist der sogleich zu erörternde Ausschluss der Mitgesellschafter, der in das freie Belieben des Mehrheitsgesellschafters gestellt wird. Daneben liegt ein Eingriff vor, wenn der Gesellschafter von seiner Privatautonomie nicht frei und ohne fremde Zwänge Gebrauch macht. Ist die Übermacht einer Seite zu ausgeprägt, scheiden eigenverantwortliche Verhandlungsmacht und privatautonomer Rechtsverzicht der anderen Seite faktisch aus.1472 Dieser Schutz wird insbesondere in Bereich der Personengesellschaften wegen der im Vergleich zu den Kapitalgesellschaften schwächeren Leitbildfunktion des Gesetzes notwendig.1473 Ein signifikantes Machtgefälle unter den Gesellschaftern, dessen Gründe in sozialer Abhängigkeit oder ausgeprägter intellektueller bzw. informationeller Unterlegenheit liegen können, muss berücksichtigt werden und kann zur Nichtigkeit einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrages führen. Dies entspricht der h. M., die §§ 134, 138 BGB heranzieht und hieraus die Nichtigkeit entsprechender Bestimmungen folgert. Maßstab sind hierbei der Missbrauch der Mehrheitsmacht und die Herbeiführung unerträglicher Ergebnisse.1474 c) Inhaltskontrolle bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages Diese Grundsätze gelten nicht für Änderungen des Gesellschaftsvertrages, soweit diese, wie regelmäßig in den Kapitalgesellschaften, nur einen Mehrheitsbeschluss voraussetzen und daher auch gegen den Willen einzelner Gesellschafter zustande kommen können. Hier ist es vielmehr die allgemeine Inhaltskontrolle von Beschlüssen, über die ein interessengerechter Ausgleich unter den Gesellschaftern herbeigeführt werden muss und die sich als Schutzmechanismus zugunsten der widersprechenden Gesellschafter erweist. Auch das Problem der (fehlenden) Satzungsgerechtigkeit kann nach diesen Grundsätzen effektiv gelöst werden. Veränderungen vor allem wirtschaftlicher Art können es mit sich bringen, dass ursprünglich sachgerechte Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag im Laufe der Zeit zu unangemessenen Situationen führen. Da nach den unter § 4 entwickelten Prinzipien zur Inhaltskontrolle von Beschlüssen auch positive Stimmpflichten abgeleitet werden können, kann sich hieraus die Pflicht zur Änderung dieser Bestimmungen im Beschlusswege ergeben. Nichts anderes vertritt die h. M., die aus der Treuepflicht den Anspruch benachteiligter Gesellschafter ableitet, von den Mitgesellschaftern verlangen zu können, an einer sachgerechten Änderung des Gesellschaftsvertrages mitzuwirken.1475
___________ 1472 1473 1474 1475
Dazu Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 378 ff. (insb. S. 384). Vgl. dazu auch R. Fischer, FS Barz, 1974, S. 33, 37. So Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 172 (generell); im Ergebnis auch Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2003, S. 43 (für die GmbH). Dazu Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 136; Westermann, FS Hefermehl, 1976, S. 225, 228 ff.
A. Regelungen zum Gesellschafterausschluss im Gesellschaftsvertrag
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d) Erhöhte Kontrolldichte bei Publikumspersonengesellschaften Eine Ausnahme von dem Grundsatz der weiten Satzungsautonomie ist für Publikumspersonengesellschaften anerkannt. Bei diesen Anlage-Kommanditgesellschaften werden die Kommanditisten mit Verkaufsprospekten zur Anlage bewogen. Der Gesellschaftsvertrag ist zum Zeitpunkt der prospektgestützten Anwerbephase bereits ausformuliert und wird den Kommanditisten zur Unterzeichnung vorgelegt, ohne dass dessen Regelungen mit den Kommanditisten besprochen oder gar ausgehandelt werden. Mangels Einflussnahme kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Kommanditisten ihre Interessen vor Beitritt zur Gesellschaft angemessen wahrnehmen konnten.1476 Allerdings ist dabei auch zu beachten, dass der Gesetzgeber die Schutzbedürftigkeit dieser Gesellschafter als Anleger erkannt hat und mit kapitalmarktrechtlichen Schutzinstrumentarien reagiert hat, insb. dem Verkaufsprospektgesetz und den Aufklärungspflichten im Rahmen der Vertragsanbahnung.1477 Diese außerhalb des Gesellschaftsrechts verankerten Schutzmechanismen machen eine Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrages jedoch wegen der unterschiedlichen Schutzrichtung nicht entbehrlich: Während der Schutz der kapitalmarktrechtlichen Bestimmungen bei Kommanditbeteiligungen auf die Phase der Vertragsanbahnung abzielt und den Anleger vor Schäden schützt, die durch falsche Information und unzureichende Aufklärung im Vorfeld des Anteilserwerbs stattfinden, betrifft der Gesellschaftsvertrag den weiteren Fortbestand der Gesellschaft und die Rechtsstellung des Kommanditisten im Organisationsgefüge. Da sich hieraus unangemessene Nachteile ergeben können, die nicht von den kapitalmarktrechtlichen Schutzmechanismen erfasst werden, muss zusätzlich eine Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrages am Maßstab des § 138 BGB einsetzen. Nach der Rechtsprechung der BGH befinden sich die Anlagegesellschafter bei Publikumspersonengesellschaften in einer Situation, die mit der eines Unternehmergesellschafters nicht vergleichbar ist. Statt die Bedingungen ihres Beitritts auszuhandeln, könnten sie nur einen Gesellschaftsvertrag unterzeichnen, der fertig vorformuliert sei und auf dessen Inhalt sie keinen gestaltenden Einfluss nehmen könnten. Nach Auffassung des BGH ist ihre Situation daher mit der bei Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und Formularverträgen vergleichbar. Daher bestehe in diesen Fällen ein Bedürfnis, einem leicht möglichen Missbrauch der Vertragsfreiheit mit einer an Treu und Glauben ausgerichteten Inhaltskontrolle vorzubeugen.1478 Die Anleger könnten in den Fällen, in denen ihr Beitritt im Wege ___________ 1476 1477
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Zum Ganzen R. Fischer, FS Barz, 1974, S. 33, 38 f.; Wiedemann, FS H. Westermann, 1974, S. 585, 590 f. Siehe dazu etwa Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, Anh. § 177a, Rn. 59–66. Zu den Wohlverhaltenspflichten der Wertpapierdienstleister Hofmann, in: Riesenhuber, Perspektiven des europäischen Schuldvertragsrechts, 2008, S. 71. BGHZ 64, 238, 242 = BGH NJW 1975, 1318, 1319; BGHZ 84, 11, 13 f.; BGH DB 1984, 179; zustimmend und detaillierter zu den Modalitäten der Inhaltsprüfung Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 125 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I,
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
eines vorformulierten Vertragswerkes erfolge, erwarten, dass die Gründer nicht einseitig versuchen dürfen, ihre Interessen durchzusetzen.1479 In der Literatur wird diese Rechtsprechung mit der Begründung gebilligt, dass es das Ungleichgewicht unter den Gesellschaftern notwendig mache, den redlichen Rechtsverkehr vor schrankenlosem Missbrauch durch die Initiatoren des Beteiligungsprojektes zu schützen.1480 Obwohl die Schutzwürdigkeit der Kommanditisten durchaus zweifelhaft sei, wenn diese leichtsinnig und desinteressiert von einer genauen Prüfung des Gesellschafsvertrages absehen, leuchte es doch ein, dass die Integrität der Rechtsordnung auch in diesen Fällen zu schützen sei.1481
2. Die inhaltliche Kontrolle von Ausschlussklauseln nach den Grundsätzen der Rechtsprechung Diese allgemeinen Grundsätze finden sich in der Rechtsprechung zu Ausschlussklauseln in Gesellschaftsverträgen wieder. Im Gegensatz zu älteren Urteilen steht die Rechtsprechung Satzungsbestimmungen, die einen Ausschluss uneingeschränkt zulassen, heute ablehnend gegenüber.1482 Bestimmungen, nach denen der Ausschluss des Gesellschafters allein in das Ermessen der Gesellschaftermehrheit oder gar in das freie Belieben eines oder einzelner Gesellschafter gestellt wird, sind regelmäßig unzulässig.1483 Sie verstoßen nach der Rechtsprechung gegen § 138 BGB und sind daher nichtig.1484 Für die Aktiengesellschaft wird dies aufgrund der ___________ 1479 1480 1481
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1980, S. 172 f.; ders., FS H.Westermann, 1974, S. 585, 591 f.; R. Fischer, DRiZ 1974, 209, 213. BGHZ 104, 50, 54. Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 514–539, insb. 516 f. So die Argumentation von Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 130 f.; Hönn, JA 1987, 337, 342–344; Reuter, AcP 181 (1981), 1, 12 f.; unter dem Gesichtspunkt des Kapitalmarktschutzes H. P. Westermann, FS Stimpel, 1985, S. 69, 74 f. Die Rechtsprechung entwickelte sich schrittweise. Der BGH hatte einen grundlosen Ausschluss zunächst zugelassen, etwa in BGH NJW 1973, 1606 f., dann jedoch die allgemeinen Rechtsgrundsätze und das Gesamthandsprinzip angemahnt, siehe BGHZ 31, 295, 299 f.; BGHZ 34, 80, 83; BGH WM 1968, 532, 533, und schließlich für unzulässig erklärt, dazu die Nachweise in Fn. 1490. Zu einer Darstellung der Rechtsprechungsentwicklung Wiedemann, ZGR 1980, 147, 152. BGH NJW 1985, 2421, 2422; BGHZ 81, 263 = NJW 1981, 2565; BGHZ 68, 212, 215; BGHZ 81, 263, 266–269; BGHZ 84, 11, 14; BGHZ 104, 50, 57 ff.; BGHZ 105, 213, 216 f.; BGHZ 107, 351, 353 (alle zu Personenhandelsgesellschaften); BGHZ 112, 103, 107 f. (zur GmbH). BGHZ 81, 263, 266–269; BGHZ 84, 11, 14 (für Publikums-KG); BGHZ 104, 50, 57 ff.; BGHZ 105, 213, 216 f.; BGHZ 107, 351, 353 (alle zu Personenhandelsgesellschaften); BGH NJW 1985, 2421, 2422; BGH NJW 1989, 834, 835 (Vorstehende für die GmbH & Co. KG); BGH NJW 1990, 2622 f.; BGHZ 112, 103, 108; BGH NJW 2004, 2013, 2015; BGH ZIP 2005, 706, 707 (Vorstehende für die GmbH); grundsätzlich zustimmend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1471; Behr, ZGR 1985, 475, 492–494; ders., ZGR 1990, 370, 377 f.; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, 12. Aufl. 2007, S. 221; H. P. Westermann, FS Stimpel, 1985, S. 69, 73 ff.; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 150–155; ders., Gesellschaftsrecht,
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schon angesprochenen Bedenken aus § 54 I AktG unterstützt, da sich ein von der Ausschließung bedrohter Aktionär veranlasst sehen könnte, sich zu Zusatzleistungen bereit zu finden.1485 Die Gegenansicht fordert demgegenüber für Personengesellschaften wegen deren personalistischer Struktur die Möglichkeit zu einem Ausschluss nach freiem Ermessen bei angemessener Abfindung.1486 Von der Sittenwidrigkeit entsprechender Klauseln könne nicht ausgegangen werden, da eine solche evidente Sachwidrigkeit voraussetze, woran es bei Ermessensklauseln fehle.1487 Vorgeschlagen wird stattdessen, danach zu unterscheiden, wie sehr die Gesellschaft auf die Person der Gesellschafter zugeschnitten ist. Dies äußere sich in den Regelungen über die Übertragbarkeit und Vererblichkeit der Anteile. Sei die Übertragung ausgeschlossen oder wesentlich erschwert, überwiege das personalistische Element der Beteiligung, und folglich müsse auch ein Ausschluss aus der Gesellschaft vereinfacht möglich sein.1488 Nach der h. M. müssen die Ausschlussvoraussetzungen hingegen bereits im Gesellschaftsvertrag im Einzelnen benannt sein. Üblich sind Bestimmungen zur Insolvenz des Gesellschafters, zu Vollstreckungsmaßnahmen in den Gesellschaftsanteil oder zur Rechtsnachfolge in den Anteil eines verstorbenen Gesellschafters. Doch auch generalklauselartige Formulierungen, die an das Verhalten eines Gesellschafters oder in seiner Person liegende Umstände anknüpfen, etwa „schwerwiegende Pflichtverletzung“ oder „Unzumutbarkeit weiterer Zusammenarbeit“, sollen zulässig sein.1489 Deren Voraussetzungen werden als ausreichend bestimmt angesehen, sollen jedoch einer vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen.1490 ___________
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Band I, 1980, S. 172; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 34, Rn. 27; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 69; Schmidt-Diemitz, in: Schmidt/Riegger, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 79, 96; Ulmer, in: MünchKomm.-BGB, Band 5, 4. Aufl. 2004, § 737, Rn. 19; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2003, S. 43, für die GmbH; vgl. auch Fastrich, Richterliche Rechtsfortbildung im Privatrecht, 1992, S. 156 ff.; für die Einziehung nach § 237 AktG nach angeordneter und gestatteter Einziehung unterscheidend Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 33. Ablehnend demgegenüber etwa Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 34, Rn. 41. Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 232. Etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1473 f.; Flume, NJW 1979, 902, 903; Grunewald, DStR 2004, 1750, 1751; Esch, NJW 1979, 1390, 1392; Huber, ZGR 1980, 177, 210 f.; Hirtz, BB 1981, 761, 762 f.; Bunte, ZIP 1983, 8, 15; Eiselt, FS Lübtow, 1980, S. 643, 653–656. Dagegen Wiedemann, ZGR 1980, 47, 153, mit dem Hinweis: „Der Abfindungsanspruch des Kapitaleigners (. . .) trägt nicht Schadensersatz-, sondern Liquidationscharakter; der Gesellschafter erhält mit anderen Worten nicht einen Ausgleich für erlittenes Unrecht, sondern den Gegenwert für seine Beteiligung in einem anderen Aggregatszustand“. Grunewald, DStR 2004, 1750, 1751; ähnlich auch Benecke, ZIP 2005, 1437, 1439. K. Schmidt, 4. Aufl. 2002, S. 1474 i. V. m. S. 81 f. Für die GmbH vgl. die Aufzählung bei Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 3, 7 f., 13, 15 f. Mit der Begründung, das persönliche Verhalten lasse sich an den angeordneten Maßstäben ausrichten, Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 16, für die GmbH; im Ergebnis BGH NJW 1977, 2316.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
a) Zwangslage für die bedrohten Gesellschafter und Gefahr für die Zweckerreichung Der BGH geht daher (implizit) davon aus, dass sich die Möglichkeit zu willkürlichem Ausschluss des Gesellschafters von der dispositiven Gesetzeslage, die einen Gesellschafterausschluss nur unter besonderen Voraussetzungen zulässt, zu weit entfernt, um als Definition des Schutzbereichs verstanden werden zu können. Grund ist, dass der BGH die von derartigen Ausschlussklauseln ausgehende Zwangswirkung für den Minderheitsgesellschafter als gravierend ansieht: Ein freies Ausschlussrecht der Gesellschaftermehrheit besitzt nach Aussage des BGH eine Disziplinierungsfunktion, die es unmöglich macht, die Rechte als Gesellschafter eigenverantwortlich wahrzunehmen.1491 Tatsächlich ist ein von der Ausschließung bedrohter Gesellschafter in seiner Entscheidungsfreiheit stark beschränkt: Das freie Kündigungsrecht der übrigen Gesellschafter könnte von dem Betroffenen als Zwangsmittel empfunden werden und ihn daran hindern, von seinen Gesellschafterrechten Gebrauch zu machen. Er wäre in letzter Konsequenz veranlasst, sich dem Willen der Gegenseite systematisch zu beugen.1492 Umgekehrt vermag der zur Entscheidung über die Ausschließung Berechtigte seine(n) Mitgesellschafter aus sachfremden, etwa rein emotionalen Gründen und daher willkürlich, auszuschließen. Eine solche Situation gefährdet aber das gedeihliche Zusammenwirken der Gesellschafter, auf das die Gesellschaft als Zweckförderungsgemeinschaft gerade angewiesen ist.1493 Wegen dieser bedenklichen Wirkung willkürlicher Ausschlussklauseln ist dem BGH jedenfalls im Ansatz zuzustimmen: Derartige Klauseln gehen wegen ihrer Zwangswirkung über eine Definition des Schutzbereichs hinaus. Sie legen die Vermutung nahe, dass der betroffene Gesellschafter nicht zu privatautonomem Rechtsverzicht bereit war, sondern sich der gravierenden Folgen nicht bewusst war oder sie in einer Zwangslage akzeptiert hat, daher die Situation eines Kräfteungleichgewichts oder informationellen Defizits vorlag. Zugleich ist die Nichtigkeitsfolge mit Bedacht anzuwenden, um den Ausgangspunkt, die Anerkennung von privatautonomer Gestaltung der Grundlagen der Rechtsverbindung, nicht zu gefährden. Verallgemeinert lassen sich solche Bestimmungen als sittenwidrig einordnen, deren Intention es nicht ist, den Fortbestand der Gesellschaft in außergewöhnlichen Situationen zu garantieren, sondern die vielmehr darauf abzielen, den einzelnen Gesellschafter durch die ständige Ausschlussdrohung unter Druck zu setzen, und die eine sachlich orientierte Teilnahme der Betroffenen am Gesellschaftsleben gefährden.1494 ___________ 1491 1492 1493 1494
BGHZ 81, 263, 268 (KG); BGHZ 112, 103, 107; BGH NJW 1989, 834, 835; BGH NJW 1990, 2622, 2623 (Vorstehende für GmbH). Vgl. dazu BGH ZIP 2005, 706, 707. Für die Personengesellschaften BGHZ 81, 263, 266; BGH NJW 1985, 2421, 2422; BGHZ 105, 213 = BGH NJW 1989, 834; für die GmbH BGH NJW 1990, 2622, 2623. Vgl. Schockenhoff, ZIP 2005, 1009, 1015, der die Rechtsprechung zu Ausschlussklauseln so interpretiert, dass diese zu beanstanden sind, wenn sie vom Mehrheitsgesellschafter dazu benutzt werden können, die ursprünglich vereinbarte Risikoverteilung zu seinen Gunsten
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Umgekehrt sind Klauseln, die dem Gesellschafter vor Augen führen, dass ihm im Falle besonderer Umstände ein Ausschluss drohen kann, mit denen er sich durch seinen Beitritt einverstanden erklärt hat, wirksam.1495 Die h. M. hält daher zu Recht generalklauselartige Formulierungen, die einer näheren Prüfung im Einzelfall bedürfen, für zulässig. Zwar kann die vom BGH richtigerweise angemahnte Zwangswirkung für die potentiell von dem Ausschluss bedrohten Gesellschafter auch in diesen Fällen nicht ganz ausgeschlossen werden. Das alleine reicht jedoch nicht aus, um von einer Unwirksamkeit der Klausel auszugehen. Auch andere Mechanismen zum Schutze der Minderheit fragen nicht danach, wie der Minderheitsschutz am wirksamsten gewährleistet werden kann, sondern beschränken das wichtige und erstzunehmende Gut der Vertragsfreiheit nur im für den Minderheitsschutz unverzichtbaren Umfang. Die Prüfung verlagert sich damit zugleich auf die hier generell favorisierte Einzelfallkontrolle. Es muss sichergestellt werden, dass die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Situation im Einzelfall tatsächlich vorliegt. Insbesondere soweit nur generalklauselartige Bestimmungen existieren, bedarf es einer genauen Prüfung, ob tatsächlich Umstände vorliegen, die einen Ausschluss und den damit verbundenen schweren Eingriff in die Mitgliedschaft zu rechtfertigen vermögen.1496 Nur so kann vermieden werden, dass eine weite Ausschlussklausel zwar den Wirksamkeitstest besteht, im konkreten Ergebnis aber das missbilligte Potential zu willkürlichem Ausschluss und entsprechender Zwangswirkung beinhaltet. Zu recht kontrolliert die h. M. den Ausschließungsbeschluss darauf, ob die beschlusstragende Mehrheit von der gesellschaftsvertraglich eingeräumten Befugnis in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht hat.1497 Dies zielt in die Richtung der hier vertretenen Grundlagen, wonach eine Inhaltskontrolle von Beschlüssen stets angezeigt ist, wenn in die Rechtsstellung des Gesellschafters eingegriffen wird. ___________
1495 1496
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und zu Lasten der vom Ausschluss bedrohten Mitgesellschafter abzuändern. Siehe auch das (zu weitgehende) Fazit von Schockenhoff, ZIP 2005, 1009, 1016, wonach eine Bestimmung nur dann sittenwidrig sein soll, wenn sie unter keinen Umständen zu einem im Einzelfall gerechtfertigten Ausschluss führen kann. Vgl. Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 13, für die GmbH. So i. E. auch BGHZ 34, 80, 82 f.; BGH WM 1968, 532, 533 f.; Benecke, ZIP 2005, 1437, 1440. Vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 386 f., wonach der Gesellschafter mit der Akzeptanz der Ausschlussklausel nicht auf seinen allgemeinen Rechtsschutz vor sittenwidrigen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag und treuwidrigen Beeinträchtigungen durch die Mitgesellschafter verzichtet. A.a für die Einziehung nach § 237 AktG Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeezeout), 2003, S. 33. Vgl. dazu BGH NJW 2004, 2013, 2015. Für eine Inhaltskontrolle des Beschlusses mit unterschiedlichen Ansätzen Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 17 (GmbH); ders., in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band II, 245, 257; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 155; Benecke, ZIP 2005, 1437, 1439; Bunte, ZIP 1985, 915, 917; Hirtz, BB 1981, 761, 763 f.; Krämer, NJW 1981, 2553, 2555; Schilling, ZGR 1979, 419, 423; Loritz, JZ 1986, 1073, 1081; Heinemann, ZHR 155 (1991), 447, 458 f. Ablehnend Kreutz, ZGR 1983, 109, 113 ff.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
Für die Prüfung gilt, dass im Gesellschaftsvertrag genannte (konkrete) Ausschlussgründe bereits die Prüfungskriterien determinieren. Sie dienen als legitime Ziele im Gesellschaftsinteresse, die auf ihre Erforderlichkeit und ihre Angemessenheit im Einzelfall zu überprüfen sind. Bei dieser Abwägung ist zu Lasten des auszuschließenden Gesellschafters zu berücksichtigen, dass er von der bedingten Ausschlussmöglichkeit wusste. b) Ausnahmsweise Zulässigkeit eines Ausschlusses nach freiem Ermessen Ausnahmen von diesen Grundsätzen lässt die Rechtsprechung zu, wenn besondere Umstände eine reine Ermessensentscheidung der Gesellschaftermehrheit oder einzelner Gesellschafter rechtfertigen. Es handelt sich um Situationen, in denen die berechtigten Interessen der zum Ausschluss Berechtigten ein vereinfachtes Verfahren rechtfertigen. Zugleich muss auch in diesen Fällen sichergestellt sein, dass es nicht „zu einer willkürlichen und missbräuchlichen Handhabung des Kündigungsrechts und damit zu einer nicht hinzunehmenden Gefährdung der für ein gedeihliches Zusammenwirken erforderlichen freien Willensbildung aller Gesellschafter kommen kann“.1498 aa) Der Ausschluss der Erben des Gesellschafters Eine Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen kommt in Betracht, wenn ein Komplementäranteil durch den Gesellschaftsvertrag vererblich gestellt und der Gesellschafterwechsel durch Erbfolge ausgelöst wird. In dieser Konstellation wägt die Rechtsprechung die besondere Nähebeziehung unter den Gesellschaftern in personalistisch geprägten Gesellschaften, die auf der Person des individuellen Gesellschafters aufbauen, gegen die mit dem Ausschluss für den Erben verbundene Beeinträchtigung ab. Der BGH billigt Bestimmungen, nach denen der Ausschluss des Erben binnen kurzer Frist nach seinem Eintritt in die Gesellschaft durchgeführt werden muss, und verwirft solche, die einen Ausschluss jederzeit ermöglichen. Entscheidend ist, dass auch in diesen Fällen das Ausschlussrecht an den Erbfall als ein festes Tatbestandsmerkmal anknüpft und sich die ausschlussberechtigten Gesellschafter angesichts der zeitlich begrenzten Ausschlussmöglichkeit zügig darüber Klarheit verschaffen müssen, ob sie sich mit dem neuen Mitgesellschafter abfinden wollen. Danach sind Bestimmungen, nach denen sich die Gesellschafter schnell entscheiden müssen, zulässig, während Klauseln, nach denen ein Erbe stets oder lange Zeit mit einer grundlosen Hinauskündigung rechnen muss, unzulässig.1499 bb) Der Ausschluss bei besonderen Vertrauensbeziehungen Eine weitere vom BGH gebilligte Konstellation betrifft den Fall, dass die Stellung des von der Ausschließung bedrohten Gesellschafters auf einer besonderen Ver___________ 1498 1499
So wörtlich BGHZ 105, 213 = BGH NJW 1989, 834, 835. BGHZ 105, 213 = NJW 1989, 834, 835. Dazu Mayer, ZGR 1995, 93, 99 f. Allerdings kann nach dem BGH eine unangemessene Frist in „entsprechender Anwendung des § 139 BGB“ als angemessene Frist aufrecht erhalten werden, BGH NJW 1989, 834, 836.
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trauensbeziehung beruht. Wurde die Gesellschafterstellung nur vor dem Hintergrund persönlicher Beziehungen in einem von dem ausschließungsberechtigten Mitgesellschafter finanzierten Unternehmen verschafft und hat sich der zum Ausschluss berechtigte Gesellschafter mit seinem in dem Unternehmen investierten Geld ganz in die Hand des aufgenommenen Gesellschafters begeben, ist ein Ausschluss nach freiem Ermessen zulässig. Der BGH nahm an, der Geschäftsanteil sei von vornherein nur für die Zeit eingeräumt, in der das Vertrauensverhältnis bestand, so dass sich die Rechtsstellung des Ausgeschlossenen nicht wesentlich von der eines Treuhänders unterschied, obwohl der Gesellschafter seine Gesellschafterrechte im eigenen Interesse ausüben durfte.1500 cc) Der Ausschluss während einer eruierenden Prüfungsphase Ein im Ermessen liegender Ausschluss soll auch durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein, wenn sich das Ausschlussrecht auf eine Prüfungsphase bezieht, in der evaluiert werden soll, ob ein neuer Gesellschafter in eine Praxisgemeinschaft passt.1501 Dies soll für den Beitritt zu einer bestehenden Gesellschaft ebenso gelten wie für eine Neugründung. In der Neugründungssituation wird den Gesellschaftern ein Recht auf Prüfung zugebilligt, ob sie den Verband in der Gründungsbesetzung aufrechterhalten wollen, allerdings nur im zeitlich erforderlichen Umfang.1502 Der BGH kam in einem zu diesen Grundsätzen ergangenen Urteil zu dem Ergebnis, dass es an billigenswerten sachlichen Gründen in einer Prüfungsphase fehlt, wenn der Ausschluss tatsächlich einem missbilligenswerten Ziel dient, im konkreten Fall dem Zweck, dem Ausgeschlossenen seinen Teil am Erlös aus der bevorstehenden Veräußerung der Sozietät zu nehmen. Er ließ daher nicht die Satzungsbestimmung an § 138 BGB scheitern, sondern erklärte die darauf gestützte Entscheidung über den Ausschluss wegen Verstoßes gegen § 242 BGB für unwirksam.1503 dd) Wegfall von persönlicher Mitarbeit oder Mitwirkung an der Zweckerreichung Auch ist ein Ausschluss nach freiem Ermessen möglich, wenn nicht eine finanzielle Beteiligung, sondern die persönliche Mitarbeit der Gesellschafter im Vordergrund steht, oder wenn es einem Gesellschafter unmöglich wird, in sinnvoller Weise zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks beizutragen. Ersteres ist betroffen, wenn die Gesellschaft über eine personalistische Ausrichtung verfügt und der Verbleib in der Gesellschaft von der persönlichen Mitarbeit des Gesellschafters abhängig gemacht wird. Um letzteres geht es, wenn der Zweck einer Gesell___________ 1500 1501 1502
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BGHZ 112, 103 = NJW 1990, 2622, 2623. Ähnlich BGHZ 34, 80 = NJW 1961, 504, 505. BGH NJW 2004, 2013, 2015. Vgl. Grunewald, DStR 2004, 1750, 1751, die zwei bis drei Jahre für angemessen hält. Das wird sich aber pauschal nicht beurteilen lassen, sondern davon abhängen, wie schnell die Gesellschaft ihren gewöhnlichen Geschäftsbetrieb entfalten kann. Ab diesem Zeitpunkt hat das Kündigungsrecht nach § 622 III BGB, also die Sechsmonatsfrist Indizwirkung, da die Probezeit des Arbeitsverhältnisses eine vergleichbare Zielsetzung verfolgt. BGH NJW 2004, 2013, 2015.
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schaft im Zusammenschluss der Eigentümer einer Wohnanlage besteht und der Verlust der Eigentümerstellung daher einen Ausschluss aus der Gesellschaft rechtfertigt.1504 Allerdings ist im Einzelfall darüber zu wachen, dass die Ausschlussvoraussetzungen nicht willkürlich herbeigeführt werden, um den Ausschluss zu ermöglichen, etwa die Mitarbeit des Gesellschafters willkürlich beendet wird, um daraufhin den Ausschluss zu betreiben. In solchen Fällen schlägt die Willkür des einen Aktes auf den anderen durch.1505 Nicht um die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks, sondern die eines daneben bestehenden Kooperationszwecks ging es in einer weiteren Konstellation. Zwischen den GmbH-Gesellschaftern bestand ein Kooperationsvertrag, und die GmbH bestand nur zu dem Zweck, die Kooperation gemäß der vertraglichen Vereinbarung durchzuführen. Der BGH hielt eine Ausschlussklausel für den Fall, dass die Kooperationsvereinbarung beendet wird, für unbedenklich. Werde mit der Gesellschafterstellung nur der Zweck verfolgt, die durch einen neben der Gesellschaft bestehenden Kooperationsvertrag begründeten Rechte wahrzunehmen, sei ein Verbleib in der Gesellschaft auch nur dann sinnvoll, wenn gleichzeitig die vertragliche Kooperation weiter bestehe. Soweit eine (ordentliche oder außerordentliche) Kündigung des Kooperationsvertrages möglich ist, soll daher auch ein Ausschluss aus der Gesellschaft ohne sachlichen Grund zulässig sein.1506 Tatsächlich handelt es sich in diesen Konstellationen jedoch nicht etwa um Gestaltungen, in denen ein Ausschluss im freien Ermessen der Gesellschafter steht. Vielmehr gibt gerade die Verbindung der Gesellschafterstellung mit der darüber hinausgehenden Zweckerreichungsabrede den Ausschlussgrund vor. Dem BGH ist darin zuzustimmen, dass die Bezeichnung des Ausschlussgrundes im Gesellschaftsvertrag nicht notwendig ist, sondern eine allgemein gehaltene Ausschlussklausel ausreicht. Zugleich bleibt es damit bei den Grundlagen, wonach mit dem Ausschluss des Gesellschafters in seine Mitgliedschaft eingegriffen wird. Die konkrete Ausschlussentscheidung bedarf daher einer Rechtfertigung. Der legitime Zweck muss dabei nicht unbedingt im Interesse der Gesellschaft liegen. Soweit über den Zusammenschluss in der Gesellschaft hinausgehende Zweckabsprachen bestehen, haben sich die Legitimation, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses vielmehr an diesen auszurichten. Der BGH hat es in seinen Entscheidungen demgegenüber versäumt, die Verzahnung von Gesellschafterstellung und daneben bestehender Vertragsabrede in ihrer vollen Tragweite zu würdigen. Für einen willkürfreien Ausschluss kann es nicht nur darauf ankommen, dass die vertragliche Zusammenarbeit beendet wurde. Entscheidend ist auch, wie die Beendigung des Vertrages erfolgte. Nur soweit es auch dabei an Willkür fehlte, kann die Vertragsbeendigung als legitimer Zweck für einen Ausschluss aus der Gesellschaft dienen.
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BGH NJW 2003, 1729, 1730 (für eine Publikums-KG). BGH WM 1983, 956, 957. BGH ZIP 2005, 706, 708.
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ee) Verknüpfung von Geschäftsleitung und Gesellschafterstellung Problematisch sind auch Gestaltungen in GmbH-Satzungen, wonach die Geschäftsführer zugleich auch als Gesellschafter aufgenommen werden, ihren Gesellschafterstatus jedoch mit Abberufung als Manager wieder verlieren sollen. Durch derartige Gestaltungen soll einerseits der Geschäftsführer stärker an die Gesellschaft gebunden werden, der Principal-Agent-Konflikt zwischen Management und Gesellschaftern also entschärft werden. Zugleich soll die Beteiligung jedoch nur für die Zeit der Leitungsaufgaben des Managers bestehen, da auch sein Nachfolger in gleicher Weise in das Geschäftsmodell eingebunden und die Bildung von Splitterbeteiligungen durch ehemalige Geschäftsführer vermieden werden soll. Die finanzielle Beteiligung des Geschäftsführers kann dabei unterschiedlich ausgestaltet werden. Zumeist wird vorgesehen, dass er allenfalls einen geringen Betrag seiner Einlage selbst aufbringt und der Hauptgesellschafter den Löwenanteil trägt.1507 Die Zulässigkeit derartiger Beteiligungen wird von der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt.1508 Die besseren Gründe sprechen für ihre Unbedenklichkeit. Wesentlich für diese Bewertung ist die Ausgangsvereinbarung zwischen Mehrheitsgesellschafter und Manager, dass letzterer nur für die Zeit seiner Geschäftsführerfunktion an der Gesellschaft beteiligt wird, um Anreize für eine effektive Tätigkeit zu schaffen, danach aber seine Position als Gesellschafter für seinen Nachfolger räumen muss. Es handelt sich daher gerade nicht um eine Situation, in welcher ein Gesellschafter durch die ständige Gefahr seines Ausschlusses als Gesellschafter von seiner wirkungsvollen Teilhabe am Gesellschaftsleben abgehalten würde. Da ihm nur aufgrund seiner Bestellung zum Geschäftsführer überhaupt eine Beteiligung an der Gesellschaft eingeräumt wird, überlagert die jederzeitige Widerruflichkeit dieser Bestellung nach § 38 I GmbHG auch sein Recht zum Verbleib in der Gesellschaft. Er ist kein Gesellschafter mit Geschäftsführerfunktion, sondern ein Geschäftsführer mit davon abhängiger Gesellschafterbeteiligung.1509 Dies hat Auswirkungen auf den Schutzbereich seiner Mitgliedschaft: Sie umfasst nur das Recht zum Verbleib für die Dauer seiner Geschäftsleitungsaufgaben. Nur soweit diese noch bestehen, greift ein Ausschluss in die Rechtsstellung ein, während der Schutzbereich nicht berührt ist, wenn seine Stellung als Geschäftsleiter endet und er daraufhin ausgeschlossen wird. Unzutreffend ist es hingegen, die Beteiligung dieser Geschäftsführer-Gesellschafter als reine Kapitalbeteiligung einzuordnen und daraus ein rechtfertigungsfreies Ausschlussrecht des Mehrheitsgesellschafters ableiten zu wollen.1510 Dass ___________ 1507 1508
1509 1510
Vgl. dazu Kästle/Heuterkes, NZG 2005, 289 f. OLG Frankfurt ZIP 2004, 1801 (Klausel nach § 138 BGB unwirksam und Ausschluss daher unzulässig) einerseits und OLG Düsseldorf ZIP 2004, 1804 (Klausel wirksam und Ausschluss zulässig) andererseits. So i. E. auch Schockenhoff, ZIP 2005, 1009, 1016; Benecke, ZIP 2005, 1437, 1441 f.; Kästle/ Heuterkes, NZG 2005, 289, 292–294. Teilw. a. A. Werner, WM 2006, 213, 216 f. Dies lassen jedoch Kästle/Heuterkes, NZG 2005, 289, 292, anklingen.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
eine Qualifizierung des Gesellschafters als Kapitalanleger zu keinem Freibrief für willkürliche Ausschlüsse führen darf, wird noch im Rahmen der Squeeze out-Regelungen näher auszuführen sein. Wie im Einzelnen darzustellen sein wird, bildet nicht die „rein kapitalistische“ und daher angeblich weniger schützenswerte Beteiligung des Kleinaktionärs die Grundlage für den rechtfertigungsfreien Ausschluss des Minderheitsaktionärs, sondern aufgrund verfassungsrechtlicher Erwägungen gerade die überragende Beteiligung des Mehrheitsaktionärs.1511 Allerdings können die Squeeze out-Regelungen im Aktienrecht Anlass zu der Überlegung bieten, ob nicht generell ein grundloser Ausschluss durch einen Quasi-Alleineigentümer der Gesellschaft, also einen Mehrheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von mindestens 95% möglich sein kann (worauf unter C. V. 3 c) einzugehen sein wird).1512 Auf Rechtsfolgenseite ist schließlich zu beachten, dass auch der Manager-Gesellschafter durch sein Ausscheiden keinen unangemessenen Vermögensnachteil erleidet. Hier tritt die Besonderheit hinzu, dass häufig in Leaver-Klauseln nach den Gründen für den Ausschluss unterschieden wird. Stehen die Gründe nicht mit einem vorwerfbaren Verhalten des Geschäftsführers im Zusammenhang, wird er hierfür als Good Leaver finanziell durch eine hohe Rendite zusätzlich zu seinem investierten Kapital belohnt. Im umgekehrten Fall wird die Abfindung des Bad Leaver auf seine Einlage zuzüglich einer moderaten Verzinsung oder, sofern darüber liegend, den Verkehrswert der Beteiligung beschränkt.1513 Diese Praxis, wonach der Geschäftsführer-Gesellschafter jedenfalls seine Einlage oder den höheren Verkehrswert erhält, weckt auch vor dem Hintergrund der allgemeinen Abfindungsgrundsätze (dazu ausführlich unter § 11) keine Bedenken.1514 ff) Geschenkte Gesellschaftsbeteiligungen Da grundsätzlich die schuld- und organisationsrechtliche Ebene auseinander gehalten werden müssen, ist die schenkweise Zuwendung der Gesellschafterstellung nicht Grund genug, um dem Beschenkten die Gesellschafterstellung ohne sachlichen Grund zu entziehen. Nach der Rechtsprechung bildet die schenkweise Zuwendung als solche keinen sachlichen Grund, der einen Ausschluss rechtfertigen kann.1515 Allerdings muss der Gesellschafter nach der Rechtsprechung des BGH bei wirksamem Schenkungswiderruf seinen unentgeltlich erworbenen Gesell___________ 1511 1512 1513 1514
1515
Siehe dazu auch die allgemeinen Grundsätze zur Rechtsstellung eines rein kapitalistisch beteiligten Gesellschafters unter § 4 B. I. 2. So ansatzweise auch Grunewald, ZIP 2002, 18, 21, wenn auch stärker als Kritik an der Möglichkeit zum Squeeze out ohne sachlichen Rechtfertigungszwang. Kästle/Heuterkes, NZG 2005, 289, 290 f. So auch die Feststellung des OLG Düsseldorf ZIP 2004, 1804, 1808, wonach die Beteiligung für den Geschäftsführer bei nur geringem Kapitaleinsatz wirtschaftlich außerordentlich vorteilhaft sei. BGH Urt. v. 2. 7. 1990 – II ZR 243/89, NJW 1990, 2616, 2618; BGH NJW 1989, 2685, 2686; BGHZ 112, 40, 48 f.; offen gelassen in BGH NJW 1990, 2622, 2623; zustimmend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1472 f.; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 140, Rn. 31; Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2007, Band I, § 34, Rn. 18; Heinemann, ZHR 155 (1991), 447, 467; so auch schon Huber, ZGR 1980, 177, 205 f.
A. Regelungen zum Gesellschafterausschluss im Gesellschaftsvertrag
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schaftsanteil auf den Schenker übertragen.1516 Zugleich soll die Schenkung des Gesellschaftsanteils nicht von der Pflicht entbinden, den ausscheidenden Gesellschafter angemessen abzufinden.1517 Aus dieser Rechtsprechung wird zu Recht gefolgert, dass ein Widerrufsvorbehalt für Anteilsschenkungen wirksam im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden kann, dann jedoch im Wege einer inhaltlichen Beschlusskontrolle überprüft werden muss, ob die vereinbarten Voraussetzungen des Schenkungswiderrufs vorliegen und im Einzelfall kein Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht vorliegt, um gravierende Nachteile für den Gesellschafter zu vermeiden.1518 Nach der hier vertretenen Konzeption stellt der Ausschluss einen Eingriff in die Mitgliedschaft dar, die Rechtfertigung ist jedoch im Gesellschaftsvertrag bereits vorgezeichnet und setzt (nur) voraus, dass die vereinbarten Voraussetzungen des Schenkungswiderrufs vorliegen und im Einzelfall nicht unter Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgeübt werden.
3. Änderungen des Gesellschaftsvertrages nach Beitritt des betroffenen Gesellschafters Von den bisher dargestellten Grundsätzen ist die Frage zu unterscheiden, welche Grundsätze gelten, wenn die Möglichkeit zum Ausschluss eines Gesellschafters erst nachträglich in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen oder die Bedingungen dafür nachträglich durch Gesellschafterbeschluss verändert werden. Für die Kapitalgesellschaften ergibt sich aus dem Gesetz die Wertung, dass ein von der Ausschließung bedrohter Gesellschafter durch die Satzungsbestimmungen auf die Ausschlussmöglichkeit hingewiesen worden sein und sich dieser zumindest schlüssig unterworfen haben muss.1519 Für die Aktiengesellschaft bestimmt § 237 I 2 AktG, für die GmbH § 34 II GmbHG, dass eine Einziehung nur dann zulässig ist, wenn die Satzung dies zum Beitrittszeitpunkt bereits vorsieht, wobei hiervon abgewichen werden kann, wenn der betroffene Gesellschafter auf diese seinem Schutz dienende Vorschrift verzichtet und der Einziehung zustimmt.1520 Dieses gesetzliche Leitbild muss auch für andere Formen des Gesellschafterausschlusses gelten. Die Einziehungsvorschriften unterscheiden sich von sonstigen Formen des Gesellschafterausschlusses nur in den Vollzugsmodalitäten, nicht aber in der grundsätzlichen Wirkungsweise, da im einen wie im anderen Falle der Aktionär seine Mitgliedschaft einbüßt.1521 Daher ist die Warnfunktion der §§ 34 I ___________ 1516 1517 1518 1519 1520 1521
BGH NJW 1990, 2616, 2618. BGH NJW 1989, 2685, 2686; Huber, ZGR 1980, 177, 205 f. Für Ausübungskontrolle Ulmer, in: MünchKomm.-BGB, Band 5, 4. Aufl. 2004, § 737, Rn. 22; Heinemann, ZHR 155 (1991), 447, 467 f., fordert hingegen weitere sachliche Gründe. Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 21 (GmbH). Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 237, Rn. 8. Zum Verhältnis der Einziehung zu anderen Formen des Gesellschafterausschlusses vgl. BGH WM 1983, 956; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 34, Rn. 23, 37.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
GmbHG, 237 I 2 AktG über die Einziehung hinaus auch für die sonstigen Formen des Ausschlusses bedeutsam. Dieser Warnfunktion kann auf zweierlei Weise genügt werden: Zum einen, wenn der betroffene Gesellschafter dem zu seinem Ausschluss führenden Gesellschafterbeschluss zustimmt, zum anderen, wenn der satzungsändernde Beschluss mit seiner Zustimmung zustande kommt. Er ist dann ebenso auf die Möglichkeit eines in der Zukunft liegenden Ausschlusses vorbereitet wie in den Fällen, in denen sich eine entsprechende Bestimmung schon zum Zeitpunkt seines Beitritts in der Satzung findet.1522 Da §§ 34 I GmbHG, 237 I 2 AktG jedoch nicht nur eine Warnfunktion enthalten, sondern auch einen Unterwerfungsakt des Gesellschafters erfordern, kann ein Mehrheitsbeschluss zur Etablierung einer Ausschlussklausel auch dann nicht ausreichen, wenn er mit satzungsändernder Mehrheit (§§ 53 II 1 GmbHG, 179 II 1 AktG) gefasst wird. Da sich jeder Gesellschafter mit seinem potentiellen Ausschluss einverstanden erklären muss, kann nur ein einstimmig gefasster Beschluss der gesetzlichen Wertung der §§ 34 I GmbHG, 237 I 2 AktG genügen.1523 Dies wird mitunter auch aus § 53 III GmbHG gefolgert.1524 Da es somit um eine ex ante-Betrachtung geht und die Wirksamkeit der entsprechenden Satzungsbestimmung in Frage steht, kommt es nicht nur darauf an, dass der später ausgeschlossene Gesellschafter, sondern dass alle bei der Satzungsänderung zur Abstimmung berufenen Gesellschafter zugestimmt haben.1525 Hierdurch wird der Gefahr für die übrigen Gesellschafter begegnet, die zwar nicht selbst ausgeschlossen werden, durch den Ausschluss eines Mitgesellschafters aber Gefahr laufen, selbst Nachteile zu erleiden, so etwa dadurch, dass sich ihr Anteil an der subsidiären Einlagenhaftung erhöht oder schlicht dadurch, dass der Gesellschaft Kapital entzogen wird.1526 In den Personengesellschaften folgt die Notwendigkeit eines einstimmigen Beschlusses daraus, dass es sich bei der Vertragsänderung um ein Grundlagengeschäft handelt.1527 Lässt der Gesellschaftsvertrag Änderungen mit Mehrheitsbe___________ 1522 1523
1524 1525 1526
1527
BGH NJW 1977, 2316 (GmbH); Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 21 (GmbH). BGH NJW 1992, 892, 893 (für die nachträglichen Änderungen der Einziehungsfolgen zum Nachteil der GmbH-Gesellschafter); Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 22 (GmbH); Tschernig, GmbHR 1999, 691, 692. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 34, Rn. 13. I. E. so auch Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 22 (GmbH); Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 34, Rn. 16. Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 10, weist allerdings zu Recht darauf hin, dass der Schutz der übrigen Gesellschafter alleine nicht ausreichen kann, um ein Einstimmigkeitserfordernis zu rechtfertigen. Verglichen mit den sonstigen Beeinträchtigungen, die auch das Gesetz dem einzelnen Gesellschafter zumutet, sind die mit einer Einziehung für die nicht unmittelbar betroffenen Gesellschafter verbundenen Folgen eher gering. Zu Recht geht er daher davon aus, dass eine Einziehungsklausel, wonach die Einziehung mit Einverständnis des Betroffenen erfolgen darf, auch mit einer 3/4-Mehrheit beschlossen werden kann. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 105, Rn. 60, § 114, Rn. 3.
A. Regelungen zum Gesellschafterausschluss im Gesellschaftsvertrag
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schluss zu, sind wiederum die Beschränkungen durch die Kernbereichslehre1528 zu beachten. Ein Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft, um den es sich beim Ausschluss des Gesellschafters zweifellos handelt, ist danach nur mit Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter möglich und von einer Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag nicht gedeckt. Diese Darstellung gibt die aufgrund gesetzlicher Vorgabe zwingende Rechtslage in Deutschland wieder. Dass abweichende Gestaltungen denkbar sind, geht etwa aus der Rechtsprechung des High Court of Australia hervor. Das Gericht billigte eine Gestaltung im Gesellschaftsvertrag, die den Ausschluss der Minderheitsaktionäre vorsah, forderte für die konkrete Ausübung jedoch eine sachliche Rechtfertigung.1529 In der zugrunde liegenden Konstellation besaßen die Mehrheitsgesellschafter einer limited liability company 99,7% der Gesellschaftsanteile. Die Satzung sah zunächst nicht vor, dass Minderheitsgesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden konnten. Durch Satzungsänderung, bei der die Mehrheitsgesellschafter für die Änderung votierten, wurde jedoch eine Regelung eingeführt, wonach Gesellschafter mit einer Mehrheit von 90% zu einem von unabhängigen Sachverständigen geprüften Preis die Anteile der Minderheit auch gegen deren Willen abkaufen konnten. Der High Court urteilte, eine solche Änderung des Gesellschaftsvertrages sei nur dann zulässig, wenn die Enteignung der Minderheit aus einem sachlichen Grund erfolge. Ein solcher liege vor, wenn der Ausschluss notwendig sei, um Nachteile oder Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, insbesondere um überhaupt die Möglichkeit zu schaffen, dass weiterhin der Gesellschaftszweck verfolgt werden könne, etwa wenn eine behördliche Konzession nur erhältlich sei, wenn die Minderheit aus der Gesellschaft ausscheidet. Keinesfalls ausreichend sei es dafür, dass die Mehrheit nur ihren Einfluss erweitern wolle. Ebenso wenig seien steuerliche Vorteile oder eine Vereinfachung der Unternehmensleitung durch die Tatsache, dass die Gesellschaft zu einer 100%-igen Tochter einer anderen Gesellschaft wird, ausreichend. Weiter müsse hinzukommen, dass der Ausschluss der Minderheit auf faire Weise erfolge. Dies sei nur dann gewährleistet, wenn die Minderheit umfassend über die Gründe, die zu ihrem Ausschluss herangezogen werden, aufgeklärt und angemessen abgefunden werde. Dazu sei erforderlich, dass der Wert ihrer Beteiligung von einem unabhängigen Experten beurteilt werde. Hierbei sei nicht nur der Marktwert des Anteils zugrunde zu legen, sondern auch die Vermögenswerte der Gesellschaft, die Dividende und die zukünftige Entwicklung seien in die Bewertung einzubeziehen.1530 Nur unter Beachtung dieser Kriterien sei gewährleistet, dass der Schutz der Minderheit gewahrt werde.1531 ___________ 1528 1529 1530 1531
Zu diesen etwa BGH NJW 1985, 972, 974; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 119, Rn. 36. Näher dazu unter § 4 B. I. 1. a). High Court of Australia, Gambotto v WCP Ltd (1995) 182 CLR 432. High Court of Australia, Gambotto v WCP Ltd (1995) 182 CLR 432 (Rn. 29 f.). High Court of Australia, Gambotto v WCP Ltd (1995) 182 CLR 432 (Rn. 28).
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
Diese Entscheidung ist insoweit interessant, als sie eine den Ausschluss der Minderheit ermöglichende Satzungsänderung auch gegen den Willen der Minderheit zulässt, zugleich aber die Mehrheit von einer inhaltlichen Rechtfertigung des Ausschlusses auch dann nicht entbindet, wenn sie über eine überragende Abstimmungs- und Kapitalmehrheit verfügt. Sie kommt daher im Ergebnis den Grundsätzen zum Ausschluss aus wichtigem Grund (dazu unter B.) sehr nahe.
4. Die Ausschlussmodalitäten: Gesellschafterbeschluss, Bedingungseintritt und Quoren Die Ausschlussmodalitäten sind in den gesetzlich geregelten Verfahren eindeutig: Eine Einziehung der Anteile setzt nach §§ 46 Nr. 4 GmbHG, 119 I Nr. 6 AktG einen Gesellschafterbeschluss voraus, der nach §§ 47 I, 133 I AktG mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst werden kann.1532 Sofern der betroffene Gesellschafter nicht ausnahmsweise als Richter in eigener Sache im Sinne von §§ 136 AktG, 47 IV GmbHG tätig wird, darf er mitstimmen, ansonsten nur beiwohnen und Gehör finden.1533 Wie aus § 237 VI 1 AktG hervorgeht, kann die Entscheidung, Gesellschafter auszuschließen, auch auf den Vorstand übertragen werden. Diese gesetzgeberischen Wertungen sind auch auf Ausschlüsse, die sich auf Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag stützen, nicht aber die Rechtsfolgen der Einziehung auslösen sollen, zu übertragen.1534 Sind daher die Voraussetzungen für den Ausschluss in der Satzung hinreichend bestimmt und die Modalitäten des Ausschlusses nicht abweichend geregelt, bedarf es eines Gesellschafterbeschlusses mit einfacher Mehrheit. Fehlt es hingegen an detaillierten Satzungsbestimmungen, mit denen die Voraussetzungen des Ausschlusses festgelegt werden, sondern kommen diese wegen ihrer generalklauselartigen Formulierung einem Ausschluss aus wichtigem Grund gleich, müssen die dafür geltenden Grundsätze Anwendung finden (dazu unter B.). Besonderer Erwähnung bedarf die rein statutarische Ausschließung in der GmbH1535, die einen Ausschluss bei Eintritt einer Bedingung, also ohne vorhergehenden Gesellschafterbeschluss, anordnet.1536 Entscheidend ist, dass die Voraus___________ 1532
1533 1534 1535 1536
Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2010, § 237, Rn. 35; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 34, Rn. 59. Diese Mehrheit kann in der GmbH in der Satzung heraufgesetzt werden, OLG Hamm NZG 1999, 599; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 34, Rn. 8; Schmidt-Diemitz, in: Schmidt/Riegger, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 79, 96. Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 43; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 34, Rn. 59. BGH WM 1983, 956; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 34, Rn. 52, 59. In der Aktiengesellschaft verbietet § 23 V AktG eine derartige Gestaltung, vgl. Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 204. Dazu OLG Oldenburg BB 1952, 560; Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 50; Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 202– 204. Siehe auch BGH DNotZ 1978, 167, wonach zwar ein Gesellschafterbeschluss erforder-
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setzungen für den Verlust der Mitgliedschaft in der Satzung hinreichend genau bestimmt sind, damit dem allgemeinen Rechtsgedanken in § 34 GmbHG Rechnung getragen wird, wonach von der Satzung eine Warnfunktion für alle Gesellschafter ausgehen muss. Sie sind unter dieser Voraussetzung zulässig.1537 Soweit das Ausschlussereignis detailliert im Gesellschaftsvertrag festgelegt ist und der Ausschluss einem legitimen Zweck dient, wird hiervon der Schutzbereich der Mitgliedschaft sämtlicher Gesellschafter bestimmt. Tritt das Ereignis ein und scheidet der Gesellschafter aus, stellt dies keinen Eingriff in die Rechtsstellung der Gesellschafter dar. Liegen im Einzelfall besondere Umstände vor, die es gerade ausschließen, dass der einer derartigen Bestimmung zugrunde liegende Zweck erreicht wird, muss dies im Wege einer Feststellungsklage geltend gemacht werden. Gleichwohl finden derartige Klauseln in der Praxis selten Verwendung, und das aus gutem Grund: Nicht nur für den von der Einziehung oder Ausschließung unmittelbar Betroffenen, auch für die übrigen Gesellschafter kann ein automatisches Ausscheiden bei Bedingungseintritt insbesondere wegen des drohenden Kapitalentzugs ungewollte Folgen mit sich bringen. Daher ziehen es die Gesellschafter regelmäßig vor, im Einzelfall darüber entscheiden zu können, ob sie unter Berücksichtigung aller drohenden Folgen tatsächlich einen Gesellschafterausschluss betreiben wollen. In den Personenhandelsgesellschaften sieht das Gesetz in § 131 III Nr. 5 HGB ausdrücklich vor, dass statutarisch vorgesehene Bedingungen zum Ausscheiden eines Gesellschafters führen können. Das Personengesellschaftsrecht ist daher auch im Bereich des Gesellschafterausschlusses durch besondere Gestaltungsfreiheit geprägt.1538 So kann sogar das Ausschlussverfahren modifiziert werden: Kraft gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung kann abweichend von § 140 HGB ein Gesellschafterbeschluss an die Stelle des Ausschließungsurteils treten1539 und hierfür das Mehrheitsprinzip angeordnet werden.1540
5. Grundsätze zur Abfindung des ausgeschlossenen Gesellschafters Ist der Ausschluss des Gesellschafters nach den dargestellten Grundsätzen rechtmäßig, wird auf Rechtsfolgenseite der vermögensrechtliche Schutz relevant, insbesondere die Frage, ob Abfindungsbeschränkungen zulässig sind. Ausgangspunkt ___________ 1537
1538 1539 1540
lich war, der betroffene Erbe eines verstorbenen Gesellschafters aber durch die Satzung vom Stimmrecht und von einer Abfindung ausgeschlossen war. So im Ergebnis auch Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 203; a. A. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 34, Rn. 8, 13; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 34, Rn. 57. Vgl. BGHZ 31, 295, 298; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 140, Rn. 25. BGHZ 31, 295, 298 f.; BGHZ 68, 212, 214. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 140, Rn. 30. Wie unter 3. dargestellt, bedarf es zur Einführung des Mehrheitsprinzips beim Gesellschafterausschluss wegen des damit verbundenen Eingriffs in den Kernbereich der Mitgliedschaft hingegen eines einstimmigen Beschlusses.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
ist die Vorschrift des § 738 BGB, deren Rechtsgedanke auf alle Gesellschaftsformen übertragen werden kann. Der ausscheidende Gesellschafter muss danach mangels anderweitiger statutarischer Bestimmungen zum Verkehrswert abgefunden werden.1541 Dies ist Ausdruck des grundrechtlichen Schutzes aus Art. 14 GG, den die Mitgliedschaft des Gesellschafters genießt. Sofern es sachliche Gründe rechtfertigen, die Beteiligung des Gesellschafters nicht absolut zu schützen, sondern ihn aus bestimmten (vorstehend erörterten) Gründen auszuschließen, verlagert sich der Schutz auf den vermögensrechtlichen Aspekt der Beteiligung.1542 Hierauf wird unter § 11 ausführlich einzugehen sein. Die Regelungen im Gesellschaftsvertrag über den Gesellschafterausschluss können jedoch auch die Abfindungsgrundsätze festsetzen. Auch hierfür gilt im Ansatz, dass die Gesellschafter durch die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ihren grundrechtlichen Schutz privatautonom zurücknehmen und den Umfang ihrer Rechtsposition selbstbestimmt ausgestalten können. Der Schutzbereich der Mitgliedschaft orientiert sich dann an den wirksamen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages. Für die konkrete Ausgestaltung sind jedoch wiederum die vom BGH für Ausschlussklauseln aufgestellten Kriterien zu beachten. Auch von der Aussicht, ohne (angemessene) Abfindung ausscheiden zu müssen, kann sich ein Gesellschafter davon abhalten lassen, seine Mitgliedschaftsrechte (effektiv) wahrzunehmen. Daher kann von Abfindungsklauseln die Wirkung von Ausschlussklauseln hervorgerufen werden. Daraus folgt, dass die Abfindungsklausel streng daraufhin zu überprüfen ist, ob die Bestimmung geeignet ist, unter Abwägung aller Belange des Einzelfalls einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Gesellschaft, des Auszuschließenden und der übrigen Gesellschafter herbeizuführen. Genügt sie diesem Test nicht, ist sie wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig. Nach ganz überwiegender Ansicht sind Kürzungen des Abfindungsanspruchs als Ausdruck der Satzungsautonomie zulässig, soweit sie dem Zweck dienen, den Bestand der Gesellschaft durch Einschränkung des Kapitalabflusses zu sichern und die Ermittlung der Abfindungshöhe zu vereinfachen.1543 Steht aber die Abfindung von Anfang an in auffälligem Missverhältnis zum Verkehrswert der Beteiligung, ist die Regelung grob unbillig und sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB.1544 Ergibt sich ein solches Missverhältnis erst im Laufe der Geschäftsentwicklung, ___________ 1541 1542 1543
1544
Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 34, Rn. 44; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 36. BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 (Moto Meter); zustimmend OLG Düsseldorf AG 2005, 293, 294. BGHZ 116, 359, 368 = BGH NJW 1992, 892, 894 (GmbH); BGHZ 123, 281, 284; BGHZ 126, 226, 231; BGH NJW 1993, 2101, 2102 (OHG); dazu H. P. Westermann, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band II, S. 245, 260; vgl. auch ders., AcP 175 (1975), 375, 422; kritisch Sigle, ZGR 1999, 659, 663–667. BGH NJW 1992, 892, 894; BGH NJW 1993, 2101, 2102; zu den Berechnungsmodalitäten und dem Mindestwert der Abfindung, der nicht unter dem Buchwert, nämlich dem Saldo der persönlichen Gesellschafterkonten zuzüglich eines der Beteiligung entsprechenden Anteils an den offenen Rücklagen und den sonstigen Bilanzposten mit Rücklagencharakter liegen darf, vgl. Sigle, ZGR 1999, 659, 662 m. w. N.; näher auch Rittstieg, DB 1985, 2285, 2288.
A. Regelungen zum Gesellschafterausschluss im Gesellschaftsvertrag
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soll der Gesellschafter an der Regelung nicht festgehalten werden können, wobei dann, anders als bei Nichtigkeit nach § 138 BGB, nicht der Verkehrswert, sondern eine angepasste reduzierte Abfindung geschuldet sein soll.1545 Dem ist zuzustimmen. Im Rahmen einer Prüfung des § 138 BGB kann von einer sittenwidrigen Übervorteilung des ausscheidenden Gesellschafters nur ausgegangen werden, wenn der Benachteiligung keine rechtfertigenden Interessen der Gesellschaft bzw. der verbleibenden Gesellschafter gegenüberstehen. Derartige Interessen bestehen jedoch in dem Bestreben, die gesellschaftliche Tätigkeit aufrecht zu erhalten und die Ausschließung auf praktikablem Wege abzuwickeln. In den übrigen Fällen führt eine von § 738 BGB abweichende Abfindungsklausel zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der verbleibenden Gesellschafter und ist nach § 138 BGB nichtig,1546 so dass an deren Stelle eine Abfindung in Höhe des Verkehrswerts der Beteiligung tritt.1547 Unter diesen Voraussetzungen ist, wie stets im Rahmen einer Abwägung der beteiligten Interessen, auch die Realstruktur der Gesellschaft zu beachten. Den Aktionären einer personalistisch geprägten Aktiengesellschaft können wegen der stärkeren Prägung durch die persönlichen Beziehungen unter den Gesellschaftern weitergehende Opfer abverlangt werden als den reinen Kapitalanlegern einer anonymen Publikumsgesellschaft. Das Ausmaß des Opfers kann daher unterschiedlich ausfallen. Unzutreffend ist es hingegen, jedes Opfer bei den Aktionären einer Publikums-Aktiengesellschaft von vornherein auszuschließen.1548 Als Kehrseite des hier vertretenen Ansatzes, wonach auch der reine Kapitalanleger als vollwertiger Gesellschafter anzusehen ist (dazu unter § 4 B.), muss dieser Einschränkungen seiner Rechtsposition hinnehmen, wenn sie im Interesse der Gesellschaft und Mitgesellschafter notwendig und ihm zumutbar erscheinen. Ein vollständiger Ausschluss jeglicher Abfindung1549 ist entsprechend restriktiv zu behandeln und kann nur bei nicht auf Gewinnerzielung gerichteten Gesellschaften bzw. bei uneigennütziger Verwaltung der Gesellschaftsanteile1550 und in den Fällen zulässig sein, in denen der Gesellschafter selbst keine Einlage erbracht hat, z. B. weil ihm der Anteil von einem anderen Gesellschafter geschenkt wurde. In allen übrigen Fällen kann der Gesellschafter der Gesellschaft zwar die Abfindungsschuld erlassen, nicht jedoch gegen seinen Willen durch Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages von jeder Abfindung ausgeschlossen werden. ___________ 1545 1546
1547 1548
1549 1550
BGH NJW 1993, 2101, 2102 f. Dazu BGHZ 116, 359, 368; so und noch restriktiver H. P. Westermann, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band II, S. 245, 259; Grunewald, DStR 2004, 1750, 1751; Brandes, WM 1998, 261, 264. BGHZ 116, 359, 370. So jedoch Lutter, in: KölnerKomm.-AktG, Band 5/1, 2. Aufl. 1993, § 237, Rn. 67; Oechsler, in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2001, § 237, Rn. 67; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschft (Squeeze-out), 2003, S. 37 f. Zu den damit verbundenen Formerfordernissen nach § 518 BGB (sowie § 2301 BGB) vgl. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 34. H. P. Westermann, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band II, S. 245, 259; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 33.
392
§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
III. Zusammenfassung 1. Der Ausschluss des Gesellschafters kann aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelung erfolgen. Solche Ausschlussbestimmungen sind in den Personengesellschaften und der GmbH wegen der weitgehenden Regelungsautonomie im Ansatz unproblematisch, in der Aktiengesellschaft demgegenüber wegen des Grundsatzes der Satzungsstrenge nicht selbstverständlich, im Ergebnis aber ebenfalls möglich. 2. Die Satzungsbestimmungen sind der im Gesellschaftsrecht am stärksten vom Grundsatz der Privatautonomie geprägte Bereich. Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass dieser Freiraum privatautonomer Gestaltung respektiert werden muss. Eine inhaltliche Überwachung der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen muss daher auf außergewöhnliche Situationen beschränkt werden. Große Aktiengesellschaften stellen insoweit eine Ausnahme dar, als der einzelne Aktionär keine Möglichkeit besitzt, auf die Satzungsgestaltung Einfluss zu nehmen. Dieser Umstand wurde vom Gesetzgeber berücksichtigt und hat sowohl im Grundsatz der Satzungsstrenge als auch in den vielfach vorgesehenen und unentziehbar ausgestalteten Mitgliedschaftsrechten im Aktienrecht seinen Niederschlag gefunden. Daher gilt allgemein: Die Grenze der Privatautonomie wird überschritten, wenn die Regelungen des Gesellschaftsvertrages sich vom gesetzlichen Leitbild beträchtlich entfernen und die betroffenen Gesellschafter nachhaltig beeinträchtigen. In diesen Fällen wird der Schutzbereich des Art. 14 I GG nicht durch die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ausgestaltet, sondern vielmehr in den Schutzbereich, wie er durch die ungeschriebenen Grundlagen der Mitgliedschaft und die dispositive Gesetzeslage definiert wird, eingegriffen. Ein solcher Eingriff bedarf einer Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse und muss einer Prüfung von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit standhalten. Besteht die entsprechende Klausel diese Prüfung nicht, folgt ihre Nichtigkeit unmittelbar aus dem Verstoß gegen die grundrechtlich geschützte Position des beeinträchtigten Gesellschafters. Daneben liegt ein Eingriff vor, wenn der Gesellschafter von seiner Privatautonomie nicht frei und ohne fremde Zwänge Gebrauch macht. Ist die Übermacht einer Seite zu ausgeprägt, scheiden eigenverantwortliche Verhandlungsmacht und privatautonomer Rechtsverzicht der anderen Seite faktisch aus. Die h. M. wendet demgegenüber die §§ 134, 138 BGB an und folgert hieraus die Nichtigkeit entsprechender Bestimmungen. Änderungen der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen, die im Beschlusswege erfolgen, unterliegen demgegenüber der unter § 4 dargestellten Inhaltskontrolle von Beschlüssen mit Eingriffswirkung. 3. Nach h. M. sind Satzungsbestimmungen, die einen Gesellschafterausschluss ohne Weiteres zulassen, wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig. Erforderlich ist daher, dass die Ausschlussvoraussetzungen bereits im Gesellschaftsvertrag im Einzelnen benannt sind. Wegen der Zwangswirkung willkürlicher Ausschlussklauseln ist der h. M. im Ansatz darin zuzustimmen, dass es an den Grundlagen einer privatautonomen und daher kontrollfreien Vereinbarung fehlt. Soweit möglich, muss jedoch die Einzelfallkontrolle an die Stelle einer pauschalen Satzungskon-
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
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trolle treten. Dem Sittenwidrigkeitsverdikt sollten nur solche Bestimmungen unterfallen, die nicht darauf abzielen, den Fortbestand der Gesellschaft in außergewöhnlichen Situationen zu garantieren, sondern den einzelnen Gesellschafter durch die ständige Ausschlussdrohung unter Druck zu setzen. Alle übrigen Klauseln sind demgegenüber im Grundsatz wirksam, müssen sich jedoch im Einzelfall, soweit sie als Grundlage für ausschließende Beschlüsse dienen, bewähren. Dies gilt ebenso in den Fällen, in denen die h. M. wegen besonderer Umstände reine Ermessensklauseln als Grundlage für einen Gesellschafterausschluss anerkennt. Bloßes Ermessen kann niemals die Grundlage eines Gesellschafterausschlusses bilden. Vielmehr bedarf es in jedem Einzelfall legitimer Gründe, die sich gegen die Interessen des betroffenen Gesellschafters durchsetzen. 4. Besonderes Augenmerk ist auch auf die Abfindung zu richten. Aus Art 14 GG folgt, dass der Gesellschafter vollwertig und daher zum Verkehrswert abgefunden werden muss. Von diesen Grundsätzen kann durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarung abgewichen werden. Dabei ist darauf zu achten, dass auch von diesen Bestimmungen eine Zwangswirkung ausgehen kann, die den Gesellschafter bei der Wahrnehmung seiner mitgliedschaftlichen Rechte beeinträchtigt. Andererseits kann durchaus dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein mit dem Ausscheiden verbundener Kapitalabfluss die Existenz der Gesellschaft gefährden kann. B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund I. Rechtsformübergreifendes Prinzip Vor allem soweit es an statutarisch vorgesehenen Ausschlussmöglichkeiten fehlt, stellt sich die Frage, ob ein Gesellschafter gegen seinen Willen zum Ausscheiden gezwungen werden kann, wenn eine Fortsetzung der Zweckverfolgung bei seinem Verbleib unmöglich oder zumindest erschwert wird. Dabei handelt es sich um eine Situation, in der sich jeder Gesellschafter wiederfinden kann, da die im Folgenden darzustellenden Voraussetzungen eines außerordentlichen Ausschlusses in der Person jedes Gesellschafters, also auch des Mehrheitsgesellschafters vorliegen können. Sie sind gleichwohl hier zu erörtern, da ein Ausschluss aus wichtigem Grund rein faktisch häufiger gegen den Minderheitsgesellschafter angestrengt wird. Wichtiger noch ist aber, dass es sich um eine Situation handelt, in der ein schwerwiegender Eingriff in die Rechtsstellung des betroffenen Gesellschafters im Sinne der unter § 3 entwickelten Kriterien vorliegt. Wegen der ausdrücklichen Regelung können die Regelungen im Personengesellschaftsrecht als Ausgangspunkt dienen. §§ 737 BGB, 140 HGB ordnen an, dass ein Gesellschafter ausgeschlossen werden darf, wenn in seiner Person Umstände eintreten, die nach § 133 I, II HGB zur Auflösung der Gesellschaft berechtigen würden. Darin kommt zum Ausdruck, dass die Ausschließung eines Gesellschafters einer Auflösung der Gesellschaft als milderes Mittel vorgezogen werden
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
darf. Dem wird man nicht nur für Personenhandelsgesellschaften, sondern für alle Gesellschaften zustimmen können. Dabei sei deutlich darauf hingewiesen, dass nur der in den §§ 737, 140 HGB verkörperte Rechtsgedanke herangezogen wird, nicht aber eine Gesamtanalogie für die Kapitalgesellschaften vertreten werden soll.1551 Das ist insbesondere für die (großen) Aktiengesellschaften zu betonen, da aufgrund schwächerer persönlicher Beziehungen der Aktionäre zueinander die individuelle Person des einzelnen Aktionärs eine so untergeordnete Rolle spielen sollte, dass die Möglichkeit zum Ausschluss lange Zeit von der h. M. abgelehnt wurde.1552 Zu dieser Ansicht zählte auch der BGH in lange zurückliegenden Entscheidungen und ist seitdem mit der Frage nicht mehr befasst gewesen. Seine ablehnende Haltung hat das Gericht damit begründet, dass nach der Organisation der Aktiengesellschaft zwischen den Aktionären keine rechtlichen Beziehungen persönlicher Art bestünden und die Beteiligung kapitalbezogen sei und deshalb die Persönlichkeit des einzelnen Aktionärs eine geringere Rolle spiele, so dass es an den Grundlagen für den Ausschluss fehle.1553 Der BGH hat daher den Ausschluss eines Aktionärs aus wichtigem Grund ausdrücklich mit der Treuepflicht in Verbindung gebracht1554 und aus denselben Gründen verneint, die zunächst auch einer Anerkennung der Treuepflicht unter den Aktionären entgegen stehen sollten.1555 Da sich auch der BGH einer Anwendung der Treuepflicht im Aktienrecht heute nicht mehr verschließt,1556 ist der Ansicht, die sich gegen einen Ausschluss des Aktionärs aus wichtigem Grund ausspricht, die Grundlage entzogen.1557 Es erscheint denkbar, dass auch der BGH nunmehr von einer Anerkennung des Ausschlusses aus wichtigem Grund für alle Gesellschaftsformen ausgehen würde. Daher wird die Möglichkeit zum Ausschluss aus wichtigem Grund auch für die Aktiengesellschaft heute zu Recht von der h. M. bejaht. Selbst in einer durch Anonymität der Anteilsinhaber geprägten Publikums-Aktiengesellschaft kann im Einzelfall die Notwendigkeit zum Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund auftreten, wenn auch praktisch deutlich seltener als in den übrigen Gesell___________ 1551
1552
1553 1554 1555 1556 1557
Näher dazu Hueck, DB 1953, 776. Wie BGH NJW 1953, 780 f., zutreffend begründet hat, sind diese Vorschriften zu sehr auf die jeweilige Gesellschaftsform zugeschnitten, um einer Analogie für weitere Rechtsformen zugänglich zu sein. Dementsprechend stützt der BGH seine Rechtsprechung auf seine Aufgabe zur Rechtsfortbildung anhand des allgemeinen Rechtsprinzips, dass ein Gesellschafter im Rechtsleben aus wichtigem Grund ausgeschlossen werden kann. BGHZ 9, 157, 163; BGHZ 18, 350, 365; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 383; Flume, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, Band I/2, 1983, S. 273; vgl. die zahlreichen Nachweise bei Becker, ZGR 1986, 383, 384, Fn. 1. Siehe auch den historischen Aufriss bei Scharpf, Chancen und Risiken beim Ausschluss von Minderheitsaktionären, 2004, S. 29. BGHZ 9, 157, 163; BGHZ 18, 350, 365. BGHZ 9, 157, 163. Vgl. etwa RGZ 158, 248, 254 f.; BGH JZ 1976, 561, 562. Dazu BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype); BGH NJW 1992, 3167, 3171 (Scheich Kamel); BGHZ 129, 136 (Girmes). Zugleich wird die Aktiengesellschaft auch heute noch von einer Ansicht ausgenommen, hierzu sogleich unter II.1.
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
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schaftsformen.1558 Der Tatsache, dass es an einer persönlichen Verbundenheit unter den Aktionären fehlt, kann im Rahmen der Ausschlussvoraussetzungen Rechnung getragen werden. Die eingängigen Ausführungen des BGH1559, mit denen die Notwendigkeit eines Ausschlusses aus wichtigem Grund für die GmbH begründet wurde, können ebenso für die anderen Gesellschaftsformen Richtigkeit beanspruchen. Ein Ausschluss soll in den Fällen stattfinden können, in denen eine Auflösung der GmbH dem Willen der Gesellschaftermehrheit widerspricht und die Satzung eine Einziehung gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters nicht vorsieht: „Die Auflösung (§ 61 GmbHG) führt zur Vernichtung der GmbH und vielfach auch zur Vernichtung des Betriebes, der Arbeitsplätze und der Firma. Derart weitreichende Folgen sind sachlich nicht gerechtfertigt, wenn der wichtige Grund nicht in den Verhältnissen der GmbH, sondern ausschließlich in der Person eines Gesellschafters begründet ist; die Auflösung der GmbH kann nur als äußerstes Mittel in Betracht kommen. (. . .). Nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit kann zwar die Möglichkeit der Ausschließung eines Gesellschafters satzungsmäßig vorgesehen werden. Der Gesellschaftsvertrag kann sowohl bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Ausschließung zulässig sein soll, wie auch, auf welchem Wege sie vorgenommen werden darf. Ist der Gesellschaftsvertrag aber ohne eine solche Regelung zustande gekommen, so kann sie nur noch unter den Voraussetzungen und in den Formen der Änderung des Gesellschaftsvertrages nachgeholt werden (§§ 53, 54 GmbHG) und bedarf zudem der Zustimmung aller Gesellschafter (§ 53 III GmbHG), da durch sie die Pflichten der Gesellschafter vermehrt werden (. . .). Ist ein Gesellschafter untragbar geworden (. . .), so wird die Zustimmung des Betroffenen zur Satzungsänderung nur dann zu erreichen sein, wenn er auch ohnehin bereit ist, aus der GmbH auszuscheiden, sich also die Frage nach einer Ausschließung wider seinen Willen nicht stellt. In den (übrigen Fällen) ist die Satzungsänderung zur Ermöglichung der Ausschließung ungeeignet. Gerade dann ist das Bedürfnis nach einem Rechtsbehelf für die Ausschließung aber besonders groß.“
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1559
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 803 f.; Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 52 ff.; Becker, ZGR 1986, 383, 368 ff.; Hommelhoff, ZGR 1986, 383, 515 f.; Reinisch, Der Ausschluß von Aktionären aus der Aktiengesellschaft, 1992, S. 41 f. BGH NJW 1953, 780; bestätigt durch BGHZ 9, 157, 159 ff.; BGHZ 16, 317, 322 f.; BGHZ 80, 346, 349 f.; BGH GmbHR 1987, 302, 303; BGH ZIP 1995, 567, 569; BGH NJW 1999, 3779.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
II. Dogmatische Grundlagen des Ausschlusses aus wichtigem Grund Damit ist das Bedürfnis nach Schaffung eines derartigen Instituts eindringlich dargetan, und es verwundert nicht, dass die Literatur dem BGH in der Entwicklung einer Möglichkeit zum Ausschluss des GmbH-Gesellschafters aus wichtigem Grund geradezu einhellig gefolgt ist.1560 Hingegen sind die dogmatischen Grundlagen des Instituts hoch umstritten.
1. Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Nach einer verbreiteten Ansicht ist ein Gesellschafter durch die gegenüber der Gesellschaft und den anderen Gesellschaftern bestehende Treuepflicht gehalten, dann zu weichen, wenn die Gesellschaft mit ihm nicht, ohne ihn aber doch weitergeführt werden kann.1561 Soweit sich ein Gesellschafter auf ein „alles oder nichts“Prinzip berufe und statt seines Ausschlusses die Auflösung der Gesellschaft fordere, widerspreche er seiner mit dem Beitritt zur Gesellschaft eingegangenen Loyalitätspflicht gegenüber der Gesellschaft.1562 In den Details unterscheiden sich die Stimmen, die zuvörderst auf die Treuepflicht abstellen, jedoch. Daran zeigen sich wiederum die schon mehrfach hervorgehobenen Schwächen der Treuepflicht. Ihre Anwendbarkeit und Wirkungsweise ist nach wie vor durch ein allzu breites Meinungsspektrum gezeichnet, das sie als verlässliche Grundlage eines passe partout im Innenverhältnis der Gesellschaft zweifelhaft erscheinen lässt. Die ältere Literatur wollte den Ausschluss eines Gesellschafters in den Kapitalgesellschaften nur bei deren Nähe zu den Personengesellschaften zulassen und stellte als notwendiges Kriterium daher auf deren personalistische Struktur ab. Folglich schieden große, anonyme GmbHs und die
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Vgl. etwa Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, Anh. § 34, Rn. 21; Raiser/ Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 30, Rn. 75; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 140, Rn. 6; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 64; Goette, DStR 2001, 533. So BGHZ 9, 157, 163; BGHZ 16, 317, 322 f.; BGHZ 80. 346, 349; BGH NJW 1953, 780, 781; BGH NJW 1999, 3779; sowie die in Fn. 1566 genannte Literatur. A. A. noch das RG, das die Rechtsgrundlage der Ausschließungsbefugnis in einer ergänzenden Auslegung der Satzung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erkannte, RGZ 169, 330, 334 (insoweit sachlich begründet und daher trotz des im weiteren Verlauf zum Ausdruck gebrachten nationalsozialistischen Gedankenguts noch zitierfähig). Dass eine solche im Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter auch in Kapitalgesellschaften anzuerkennen ist, wird auch von den Verfechtern einer strikten Wesenstrennung von Personen- und Kapitalgesellschaften vertreten und kann damit als unstreitig gelten, vgl. als Verfechter einer auf das Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschafter beschränkten Rechtsbeziehung in Kapitalgesellschaften Flume, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, Band I/2, 1983, S. 258 ff.
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
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Mehrzahl der Aktiengesellschaften aus.1563 Ähnlich verhielt es sich mit der schon angesprochenen Rechtsprechungsansicht, welche die Zulässigkeit des Gesellschafterausschlusses damit begründete, dass es sich bei der Verbindung der Gesellschafter um ein Verhältnis handele, das stark in die Lebensbetätigung der Beteiligten eingreife oder eine besondere gegenseitige Interessenverflechtung bedinge. Auch nach dieser Ansicht waren eine persönliche Zusammenarbeit, ein gutes Einvernehmen oder ein ungestörtes gegenseitiges Vertrauen Voraussetzungen für eine Anwendung des Instituts.1564 Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die Beschränkungen durch die moderneren Ansätze zur Treuepflicht überwunden werden können; Unsicherheiten verbleiben gleichwohl.1565
2. Lösbarkeit bei Dauerschuldverhältnissen Verbreitet wird das Kündigungsrecht als Sonderform des für alle Dauerschuldverhältnisse geltenden Kündigungsrechts aus wichtigem Grund angesehen, wie es nunmehr allgemein in § 314 II BGB geregelt ist und Umstände in der Person einer der Parteien voraussetzt, die es notwendig werden lassen, die eingegangene Bindung aufzulösen. Dieser allgemeine Grundsatz, der besagt, dass auf längere Dauer angelegte Rechtsverhältnisse bei besonderen Anlässen aufgelöst werden können, müsse auch im Gesellschaftsrecht gelten.1566 Dagegen wird eingewandt, dass jedenfalls die Einordnung der Kapitalgesellschaften unter den Oberbegriff des Dauerschuldverhältnisses schwer falle, da der Kapitalgesellschafter der GmbH oder Aktiengesellschaft regelmäßig nichts weiter schulde als seine Einlage. Sei diese erbracht, bestehe keine Pflicht zu einer Leistungserbringung über einen längeren Zeitraum, wie sie für Dauerschuldverhältnisse gerade konstitutiv sei.1567 Eine Qualifizierung der Beteiligung an Kapitalgesellschaften als Dauerschuldverhältnis ist jedoch nicht Voraussetzung dafür, die für Dauerschuldverhältnisse geltenden Grundsätze auch auf diese Gesellschaften anzuwenden. Da es sich bei der Beziehung des Gesellschafters zum Verband um ein Rechtsverhältnis han___________ 1563 1564 1565 1566
1567
Zu dieser Ansicht vgl. R. Fischer, FS W. Schmidt, 1959, S. 117, 132 f.; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967, S. 75. So BGHZ 9, 157, 162–164. So nimmt etwa Scholz/Winter, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 15, Rn. 22, die Aktiengesellschaft noch immer aus dem Anwendungsbereich des Instituts aus. Aus der umfangreichen Rechtsprechung und Literatur (und zumeist bekräftigend neben dem Treuepflichtargument) etwa BGHZ 9, 157, 161 f. (zur GmbH); BGHZ 80, 346, 349 f. (zur GmbH); Reinisch, Der Ausschluß von Aktionären aus der Aktiengesellschaft, 1992, S. 35; Goette, DStR 2001, 533; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 64; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 803 f. für die AG und S. 1061 für die GmbH; Ebke, ZHR 148 (1984), 497; Reinisch, Der Ausschluß von Aktionären aus der Aktiengesellschaft, 1992, S. 35. Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 15.
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delt,1568 können allgemeine rechtsgeschäftliche Grundsätze insoweit herangezogen werden, wie zumindest der zugrundeliegende Rechtsgedanke nicht nur auf einen Austauch-, sondern ebenso auf einen Organisationsvertrag passt. Die Parallele von Dauerschuldverhältnissen und Gesellschaften ist jedoch insoweit unverkennbar, als in beiderlei Fällen langfristige Bindungen existieren, von denen sich die im einen Fall durch Leistungspflichten, im anderen Fall durch Kapitalbeteiligung Gebundenen nicht ohne Weiteres lösen können, in Ausnahmesituationen jedoch lösen möchten.1569 Gewichtiger ist demgegenüber das Argument, dass die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen auf eine ganz andere Rechtsfolge gerichtet ist als der Ausschluss eines Gesellschafters und es insoweit an einer Vergleichbarkeit der Situationen gerade fehlt. Während es im ersten Fall darum geht, eine unerwünschte eigene Verpflichtung zu beseitigen, sich von der eingegangenen Bindung also zu befreien, wollen die den Ausschluss betreibenden Gesellschafter das eigene Engagement in der Gesellschaft im zweiten Fall doch gerade aufrechterhalten. Der Ausschluss des unliebsamen Mitgesellschafters soll vielmehr die Voraussetzungen dafür schaffen, den Fortbestand der Gesellschaft unter eigener Beteiligung zu sichern. Im Austauschvertrag endet das Rechtsverhältnis hingegen mit dessen Kündigung und mit ihm die Beteiligung aller Betroffenen.1570 Der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses entspricht daher im Gesellschaftsrecht die Kündigung der Gesellschaft, vielleicht auch der Austritt aus wichtigem Grund (zu diesem unter § 10), nicht aber der Ausschluss des Gesellschafters. Insoweit ist der Kritik an diesem Begründungsansatz zuzugeben, dass es sich bei dem Ausschlussrecht nicht um einen Spezialfall des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund im Bereich der Dauerschuldverhältnisse handelt.1571 Was aber bleibt, ist der gemeinsame Grundgedanke beider Institute, in veränderten Situationen untragbar gewordene Zustände nicht zu zementieren, sondern eine adäquate und für alle Seiten verträgliche Lösung zu finden.
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1570 1571
Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 95; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 97 und 122; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 549; Reinisch, Der Ausschluß von Aktionären aus der Aktiengesellschaft, 1992, S. 36. Grundlegend Hadding, FS Reinhardt, 1972, S. 249. Ergänzend sei an die während der gesamten Dauer der Verbindung geltenden Rücksichtnahme- und Interessenwahrungspflichten erinnert, dazu § 3 D. IV. 2. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung sind es jedenfalls die sich aus der Treuepflicht ergebenden Zweckförderungspflichten, aus denen sich Schranken der Rechtsausübung ergeben können, siehe BGHZ 129, 136, 143 ff. (Girmes); vgl. auch Dreher; ZHR 157 (1993), 150, 155 f.; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 455; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2010, § 53 a, Rn. 17; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 343; Timm, WM 1991, 481, 482 ff.; Nodoushani, Die Treuepflicht der Aktionäre und ihrer Stimmrechtsvertreter, 1997, S. 56 f. Dazu ausführlich Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 16 f. So dezidiert Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 17.
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
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3. Sicherung des Unternehmensfortbestandes Ein weiterer Ansatz stellt auf das Wohl des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens ab. Soweit es zu dessen Sicherung notwendig sei, könne auch ein Gesellschafter ausgeschlossen werden. Sei zum Gesellschafterausschluss nur noch die Alternative der Auflösung der Gesellschaft denkbar, müsse im Interesse der Unternehmenserhaltung der Gesellschafter weichen. Da sich dieser Ansatz ganz auf die Interessen des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens stützt, wird er von der Antwort auf die Frage bedingt, ob ein Interesse des betriebenen Unternehmens an seinem Fortbestand anzuerkennen ist.1572 Auch sieht er sich dem Einwand ausgesetzt, dass die Auflösung der Gesellschaft nicht auch zugleich zu einer Zerschlagung des betriebenen Unternehmens führt, sondern dieses häufig als Ganzes von anderer Seite weitergeführt wird.1573
4. Zweckförderungs- und Interessenwahrungspflicht des Auszuschließenden Diese bisher dargestellten Ansätze lassen eine Antwort auf die Frage vermissen, aus welchen Gründen der betroffene Gesellschafter verpflichtet ist, den mit seinem Ausschluss verbundenen Eingriff in seine durch Art. 14 GG geschützte Mitgliedschaft hinzunehmen. Rein rechtspolitische Argumente aus Sicht der Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter vermögen diese Begründung nicht zu liefern. Der auf die Treuepflicht gestützten Ansicht ist immerhin zuzugeben, einen Ansatz zu bieten, da die Treuepflicht als Grundlage taugt, den einzelnen Gesellschafter zum Rechtsverzicht anzuhalten. Den Kern des Problems trifft hingegen ein anderer Begründungsweg, der sich auf die ratio des Ausschlusses aus wichtigem Grund besinnt. Da der Ausschluss eines Gesellschafters der Gesellschaft ermöglichen soll, den vereinbarten Gesellschaftszweck weiterzuverfolgen, taugt der Verweis auf die Zweckförderungspflicht jedes einzelnen Gesellschafters.1574 Die Gesellschafter sämtlicher Gesellschaftsformen haben sich gegenseitig und der Gesellschaft gegenüber versprochen, den festgelegten Zweck gemeinsam zu verfolgen. Diese Zweckerreichungsabrede wird zum Bestandteil der Mitgliedschaft. Da sich die Anforderungen an die Zweckverfolgung ___________ 1572
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1574
Dazu wird einerseits vertreten, das Unternehmensinteresse sei als das Interesse des Unternehmens an seinem eigenen Bestand und an einer rentablen, harmonisierten und optimal an veränderte Bedingungen angepassten Zweckverfolgung definiert. Es sei weder nur die Summe aller Einzelinteressen im Unternehmen noch ihr kleinster gemeinsamer Nenner, vgl. Junge, FS Caemmerer, 1979, S. 548, 551. Nach a. A. folgt aus der fehlenden Qualität des Unternehmens, selbst Rechtssubjekt zu sein, dass ihm auch kein eigenständiges Interesse zustehen kann, vgl. Jung, Der Unternehmergesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 188 f. Dazu BGH WM 1985, 916, 917, mit dem Hinweis, dass die Liquidation nicht zwangsläufig zur Zerschlagung des Unternehmens führt; vgl. auch Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 19. Rimmelspacher, AcP 173 (1973), 1, 7; Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 21 ff.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
ständig wandeln, ist von den Gesellschaftern zu fordern, dass sie sich auch zu erforderlichen Anpassungen bereit finden.1575 Mit eben diesen Erwägungen wurde auch die Unterordnung der Minderheit unter den Mehrheitswillen begründet. Wird jeder Gesellschafter einer steten, den Umständen angepassten Förderpflicht unterworfen, kann er im äußersten Falle sogar zum Ausscheiden gezwungen sein, wenn sich dieser Schritt als letzte und einzige Möglichkeit erweist, wie er der Gesellschaft noch zweckdienlich sein kann. Diese dogmatische Grundlage der Ausschlussmöglichkeit vermag zugleich den zweckdienlichen Gleichlauf in allen Gesellschaftsformen herbeizuführen, da die Zweckförderungspflicht auch in der Aktiengesellschaft besteht.1576
III. Die Voraussetzungen des Gesellschafterausschlusses 1. Die Ausschlussvoraussetzungen: Besondere Umstände in und außerhalb der Person des Auszuschließenden Die inhaltlichen Anforderungen an einen Ausschluss aus wichtigem Grund gibt ein nie Gesetz gewordener Entwurf zu den Ausschlussvoraussetzungen im GmbHRecht von 19721577 wieder, der die Vorgaben der Rechtsprechung umzusetzen suchte und auch die noch heute anerkannten Grundsätze treffend wiedergibt: „Ein Gesellschafter kann auf Antrag der Gesellschaft durch gerichtliches Urteil aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn in seiner Person ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund liegt namentlich vor, wenn der Gesellschafter durch seine Person oder durch sein Verhalten die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich macht oder erheblich gefährdet oder wenn sonst die Person des Gesellschafters oder sein Verhalten sein Verbleiben in der Gesellschaft untragbar erscheinen lässt. Der Ausschluss ist nicht zulässig, wenn die der Gesellschaft drohenden Nachteile durch andere zumutbare Mittel abgewendet werden können.“ Wichtige Gründe zählen auch § 131 III Nr. 2, 4 HGB auf: Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters und die Kündigung durch den Privatgläubiger des Gesellschafters werden als so gravierend angesehen, dass sie zum Ausschluss des Gesellschafters führen. a) Gefestigte Grundsätze Durch langjährige Rechtsprechungspraxis können die Voraussetzungen für einen Ausschluss aus wichtigem Grund als gefestigt gelten. Dieser soll keinen Strafcharakter tragen, sondern die Voraussetzungen dafür schaffen, ein gedeihliches Zu___________ 1575 1576 1577
Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102. Vgl. Becker, ZGR 1986, 383, 389. RegE 1972, BT-Drs. 6/3088.
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
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sammenwirken der Gesellschafter ohne denjenigen, in dessen Person besondere Umstände eingetreten sind, zu ermöglichen. Dementsprechend ist ein Verschulden des Betroffenen nicht erforderlich,1578 und auch einer Pflichtverletzung bedarf es nicht.1579 Daher sind neben kriminellen Handlungen1580 oder Pflichtverletzungen gegenüber Mitgesellschaftern1581 auch mangelnde Kreditwürdigkeit, ungeordnete Vermögensverhältnisse1582 und sogar eine andauernde schwere Erkrankung ausreichend, sofern darunter das gedeihliche Zusammenwirken in der Gesellschaft leidet. Der Realstruktur der Gesellschaft, insbesondere der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises und der konkreten Funktion des betroffenen Gesellschafters im Verband kommt damit eine entscheidende Bedeutung zu. In Gesellschaften mit überschaubarem Gesellschafterkreis besitzen die persönlichen Beziehungen der Gesellschafter untereinander ein besonders Gewicht und unterscheiden sich damit von großen, auf Anonymität angelegten Publikumsgesellschaften. Bei Gesellschaften mit nur einer Handvoll Anteilseignern kann schon das Fehlverhalten eines Gesellschafters mit einer nur geringen Beteiligung zu einer belastenden Situation führen, während große Gesellschaften mit einer Vielzahl von Gesellschaftern davon regelmäßig unbeeindruckt sein werden. Ein Kleinaktionär oder sonstiger Publikumsgesellschafter, dem keine Geschäftsführungsbefugnisse zustehen, der keinen Zugriff auf die Konten der Gesellschaft besitzt und der auch nicht außenwirksam Schaden durch seine Äußerungen anrichten kann, wird sich kaum jemals von einem Ausschluss bedroht sehen.1583 Umgekehrt können kritische Äußerungen über die Gesellschaft von Seiten eines Großaktionärs zu einem erheblichen Image-Schaden führen.1584 Diese besonderen Ausschlusskriterien müssen in die allgemeinen Voraussetzungen, die für Eingriffe in die Mitgliedschaft gelten, eingepasst werden. Unverzichtbare Voraussetzungen eines Ausschlusses sind dessen Gebotenheit im Ge-
___________ 1578
1579 1580 1581 1582 1583 1584
RGZ 24, 136, 137; BGHZ 1, 324, 333; BGHZ 9, 157, 164; BGHZ 80, 346, 348; BGH NJW 1953, 780, 781; Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 75; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 3; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 140, Rn. 7; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 30, Rn. 76; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 70; Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, 10. Aufl. 2007, Anh. § 34, Rn. 26. Näher zu den Voraussetzungen auch Schröer, Der wichtige Grund für den Ausschluß eines Gesellschafters aus der GmbH, 1995, S. 43–51. BGH NJW 1953, 780, 781. Dazu BGH GmbHR 1987, 302, 303. BGH GmbHR 1991, 362 (möglicher Verstoß gegen Treuepflicht); BGH GmbHR 1987, 302, 303. Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, Anh. § 34, Rn. 26. Vgl. Becker, ZGR 1986, 383, 386; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 154. Vgl. auch das von Lutter, AcP 180 (1980), 84, 111, gebildete Beispiel, wonach es entscheidend darauf ankommt, ob ein Kleinaktionär einer Publikums-AG oder einer von insgesamt zwei Aktionären den Vorstand der AG kritisiert.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
sellschaftsinteresse, nach dem ultima-ratio-Prinzip die Erforderlichkeit1585 gerade dieser Maßnahme sowie eine Abwägung der Belange aller Beteiligten. Letzteres bildet den Schwerpunkt der Prüfung, da hierbei sämtliche Umstände in der Person des Auszuschließenden, aber auch der Mitgesellschafter einzubeziehen sind und in eine Gesamtbewertung aller Umstände einfließen.1586 Umstände in der Person der Mitgesellschafter sind zugunsten des Auszuschließenden zu berücksichtigen, wenn sie zwar einen Ausschluss dieser Gesellschafter nicht zu tragen vermögen, aber das Verhalten des von der Ausschließung Bedrohten in einem anderen Licht erscheinen lassen,1587 auch wenn dadurch eine Situation hervorgerufen wird, die einen Fortbestand der Gesellschaft ausschließt und daher zu ihrer Auflösung führen muss. Grund ist, dass nicht die Gesellschaft als Rechtsgebilde um ihrer selbst willen erhalten werden soll, sondern es vielmehr um die weitere Zweckverfolgung im Interesse derjenigen Gesellschafter, in deren Person keine nachteiligen Umstände vorliegen, geht. Daher bleibt nur die Auflösung, wenn eine Gesellschaft aus nur zwei Gesellschaftern besteht und für beide Ausschließungsgründe vorliegen.1588 Dies gebietet auch der (stets zu beachtende) Gleichbehandlungsgrundsatz, der die willkürliche Behandlung eines Gesellschafters ausschließt. Befinden sich mehrere Gesellschafter in derselben Situation, muss der Ausschluss sie alle erfassen oder ganz unterbleiben.1589 Dies kann sogar dazu führen, dass die Mehrheit ausgeschlossen wird und nur eine Minderheit in der Gesellschaft verbleibt,1590 soweit der hierdurch eintretende Vermögensabzug mit den Kapitalerhaltungsgrundsätzen vereinbar ist (dazu sogleich unter IV.) oder von der verbleibenden Minderheit aufgefangen wird. Eine gewisse Einschränkung erfährt die tatbestandliche Weite der Ausschlussvoraussetzungen durch das Kriterium, dass die besonderen Umstände in der Person, den Eigenschaften, den persönlichen Verhältnissen oder dem Verhalten des Auszuschließenden liegen müssen.1591 Zugleich stimmt es mit der Zielsetzung des ___________ 1585
1586
1587
1588 1589 1590 1591
BGHZ 9, 157, 164; BGHZ 16, 317, 322; BGHZ 35, 272, 283; RGZ 169, 330, 334: letzter und äußerster Rechtsbehelf, wenn andere gangbare Wege zur Beseitigung des Missstandes nicht vorhanden sind; Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, Anh. § 34, Rn. 30. Dazu, dass die Auflösung der Gesellschaft gerade kein milderes Mittel bildet, siehe K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1061. Zu den Umständen, die es zu berücksichtigen gilt, BGHZ 32, 17, 30–35; BGHZ 80, 346, 350; BGH ZIP 1995, 567, 569; OLG Brandenburg GmbHR 1998, 193, 194; Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 54 f. BGH NJW 1999, 3779, 3780; BGH GmbHR 1990, 162, 163; BGH GmbHR 1991, 362, 363; BGHZ 80, 346, 352. Doch stellt der BGH in diesen Urteilen auch klar, dass ein Ausschluss möglich bleibt, wenn die besonderen Umstände von mehreren Gesellschaftern hervorgerufen wurden, jedoch unterschiedlich schwer zu gewichtende Beiträge gesetzt wurden. BGHZ 16, 317, 323; BGHZ 32, 17, 35; BGHZ 80, 346, 352. Für die GmbH-Gesellschafter BGH GmbHR 1990, 162, 163. Vgl. dazu Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 68. H.M., etwa Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 3; Windbichler, Gesellschaftsrecht, 22. Aufl. 2009, S. 247, Rn. 26; a. A. noch RGZ 24, 136, 137.
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
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Instituts kaum überein, wenn hierdurch die Ausschlussmöglichkeiten signifikant beschränkt werden. Grund für den Ausschluss aus wichtigem Grund ist es, dass die Zweckerreichung bei Verbleib eines bestimmten Gesellschafters gestört ist. Dabei handelt es sich um das einende Element aller Ausschlusstatbestände in den verschiedenen Gesellschaftsformen.1592 Ein Ausschluss muss daher auch in jedem Fall möglich sein, in dem ein Mitglied die Weiterverfolgung des Korporationsziels durch die übrigen Gesellschafter verhindert.1593 Ändern sich daher die Grundlagen der gesellschafterlichen Zusammenarbeit grundlegend, kann der einzelne Gesellschafter aufgrund seiner Zweckförderungs- und Interessenwahrungspflicht zum Austritt gezwungen sein.1594 Seinem Schutz dienen die hier zugrunde gelegten Eingriffsvoraussetzungen, mit denen selbstsüchtiges Verhalten der übrigen Gesellschafter ausgeschlossen wird. Dies lässt sich an einem Beispiel illustrieren: Wird etwa eine Verlagerung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft ins Ausland notwendig und ist dem Gesellschafter, der seine Arbeitskraft in die Gesellschaft einbringt, unter diesen veränderten Umständen ein weiterer förderlicher Verbleib in der Gesellschaft nicht möglich, so liegen nicht wirklich in seiner Person begründete, sondern vielmehr in dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen wurzelnde Umstände vor. Dennoch kann sein Ausschluss im Interesse der übrigen Gesellschafter an einer effektiven Zweckförderung notwendig sein. Zugleich sind diese Besonderheiten bei der Abwägung zu berücksichtigen, so dass nur besonders gewichtige Gesellschaftsinteressen einen Ausschluss zu rechtfertigen vermögen. Insbesondere ist zu beachten, dass ein Ausschluss nur in Betracht kommt, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht. Im eben angeführten Beispiel kann als solches etwa in Betracht kommen, die bislang bestehende hauptberufliche Mitarbeit des betroffenen Gesellschafters durch eine beratende oder rein kapitalistische Beteiligung zu ersetzen. b) Die Rechtslage im US-amerikanischen Recht als Gegenmodell Im US-amerikanischen Recht kann der Ausschluss eines Gesellschafters einer Situation entspringen, in der die Treuepflichten unter den Gesellschaftern verletzt wurden und die Zusammenarbeit daher nachhaltig und auf Dauer gestört ist (dazu unter § 2 B. III. 7.). Dabei stimmen der amerikanische und deutsche Ansatz nur im Ausgang überein: Es geht nicht darum, ein Verhalten zu sanktionieren, sondern der Tatsache Rechnung zu tragen, dass wegen der zerrütteten Beziehung der Gesellschafter eine weitere Zusammenarbeit unrealistisch erscheint und eine Auflösung der Gesellschaft unverhältnismäßig erscheint.1595 Zurückgehend auf MBBA ___________ 1592 1593 1594 1595
Becker, ZGR 1986, 383, 398. Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 61. Für die GmbH ausdrücklich a. A. Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, 10. Aufl. 2007, Anh. § 34, Rn. 26. Davis v. Sheerin. 754 S. W. 2 d 375 (Tex. Ct. App. 1988); Brenner v. Berkowitz, 634 A. 2 d 1019 (N. J. 1993): Der Kläger wandte sich gegen seine Abwahl als Direktor der corporation. Das Gericht entschied, dass seine Wiedereinsetzung gegenüber einer Auflösung vorzugs-
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
Sec. 14.34 eröffnen die Kodifizierungen in Kalifornien und New York der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern die Möglichkeit, dem wegen einer Treuepflichtverletzung klagenden Gesellschafter seine Beteiligung abzukaufen.1596 Solches sehen die Gerichte auch in anderen Staaten vor,1597 wobei sie sich auf ihre general equity powers stützen.1598 Da es den Gerichten nur darum geht, die radikale Rechtsfolge einer Auflösung der Gesellschaft zu vermeiden, gehen sie nicht von vornherein davon aus, dass der klagende Minderheitsgesellschafter weichen muss. Vielmehr bestimmt sich nach praktischen Gesichtspunkten, welcher Gesellschafter ausgeschlossen wird. Da es jedoch regelmäßig dem Mehrheitsgesellschafter oder auch der Gesellschaft möglich sein wird, eine Minderheitsbeteiligung zu erwerben, die erheblichen Beträge, die zum Erwerb der Mehrheitsbeteiligung erforderlich sind, jedoch nur selten vom Minderheitsgesellschafter (und auch der Gesellschaft) aufgebracht werden können, scheidet ein Ausschluss des Mehrheitsgesellschafters im Regelfall aus praktischen Gründen aus. ___________
1596 1597
1598
würdig sei. In Patten v. Nicholas, 279 S. W. 2 d 848 (Tex. 1955), ordnete das Gericht die von der Mehrheit abgelehnte Dividendenzahlung an. Nach Meiselman v. Meiselman, 307 S. E. 2 d 551, 564 (N. C. 1983) vermag das Gericht, wenn der Gesellschafter nach den statutes in North Carolina Auflösung verlangt, dem folgen oder stattdessen einen anderen Rechtsbehelf wählen, etwa “(1) Canceling or altering any provision contained in the charter or the bylaws of the corporation; or (2) Canceling, altering, or enjoining any resolution or other act of the corporation; or (3) Directing or prohibiting any act of the corporation or of shareholders, directors, officers or other persons party to the action; or (4) Providing for the purchase at their fair value of shares of any shareholder, either by the corporation or by other shareholders, such fair value to be determined in accordance with such procedures as the court may provide.” Das Gericht hat danach zu entscheiden, ob ein solcher Rechtsbehelf oder die Auflösung der Gesellschaft angemessen ist. Siehe aber auch Gianotti v. Hamway, 387 S. E. 2 d 725 (Va. 1990), wonach nur die in den statutes angeordneten Maßnahmen sollen verhängt werden dürfen. Siehe für Kalifornien Cal. Corp. Code § 2000 und für New York N. Y. Bus. Corp. Law §§ 1104–a, 1118. Dazu Alaska Plastics, Inc. v. Coppock, 621 P. 2 d 270 (Alaska 1980); Sauer v. Moffitt, 363 N. W. 2 d 269 (Iowa Ct. App. 1984); Maddox v. Norman, 669 P. 2 d 230 (Mont. 1983); Mc Cauley v. Tom McCauley & Son, Inc., 724 P. 2 d 232 (N. M. Ct. App. 1986); Muellenberg v. Bikon Corp., 143 N. J. 168, 669 A. 2 d 1382 (1996); In re Wiedy’s Furniture Clearance Ctr. Co., 487 N. Y. S. 2 d 901 (N. Y. App. Div. 1985); Delaney v. Georgia-Pacific Corp., 564 P. 2 d 277 (Or. 1977); Baker v. Commercial Body Builders, Inc., 507 P. 2 d 387 (Or. 1973); Davis v. Sheerin, 754 S. W. 2 d 375 (Tex. App. 1988); a. A. aber Gianotti v. Hamway, 387 S. E. 2 d 725 (Va. 1990): gesetzliche Rechtsbehelfe sollen ausschließliche Wirkung entfalten und die Gerichte daran hindern, ein “buy out“ anzuordnen. Im Ausnahmefall, hier aufgrund einer Vereinbarung der Gesellschafter, kann auch der Minderheitsgesellschafter ermächtigt werden, den Mehrheitsgesellschafter auszulösen, Muellenberg v. Bikon Corp., 669 A. 2 d 1382 (N.J. 1996). Aus der Literatur insbesondere Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q., 1099, 1117– 1119 (1999); Thompson, 48 Bus. Law. 699, 718–722 (1993); Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 452–454; Moll, 53 Vand. L. Rev. 749, 759 und 821 seq. (2000), fn. 184, 282: The prevalent remedy for sharholder oppression is a buyout of the oppressed investor’s holdings. Siehe dazu Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 477–480; Eisenberg, Corporations and Other Business Organizations, Cases and Materials, 9th ed. 2005, p. 459.
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
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Bedenklich ist an diesen Grundsätzen, dass schon eine als oppression eingestufte Treuepflichtverletzung des Mehrheitsgesellschafters ausreicht, um als Rechtsfolge den Ausschluss eines Gesellschafters auszulösen. Dem Minderheitsgesellschafter steht dabei nicht die Wahl zu, das erlittene Übel beseitigen zu lassen und in der Gesellschaft zu verbleiben oder unter voller Abfindung auszuscheiden. Vielmehr sieht er sich den Alternativen ausgesetzt, den Verstoß des Mehrheitsgesellschafters anzufechten und durch gerichtliche Anordnung aus der Gesellschaft auszuscheiden oder den rechtswidrigen Eingriff hinzunehmen. Auf diesem Wege werden die freeze out-Versuche des Mehrheitsgesellschafters mit gerichtlicher Unterstützung zum Erfolg geführt, wenn auch darauf geachtet wird, dass der ausscheidende Minderheitsgesellschafter vollwertig abgefunden wird. Nach hier vertretener Ansicht müssen die Alternativen lauten, unter Beseitigung des Eingriffs verbleiben oder, in extremen Fällen, unter angemessener Abfindung ausscheiden zu können (zu den hierfür geltenden Grundsätzen unter § 10). Wie als Ergebnis der Untersuchung in § 3 feststehen kann, hat im deutschen Recht jeder Gesellschafter aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der Mitgliedschaft durch Art. 14 GG einen Anspruch darauf, dass seine Rechte nicht auf rechtswidrige Weise beeinträchtigt werden, woraus sich wiederum ein Anspruch auf wirksame Rechtsbehelfe ableitet. Dieser Grundsatz ist auch im Rahmen des Ausschlusses aus wichtigem Grund streng zu beachten. Dieses Institut darf nicht dazu führen, dass diese Grundwertung zunichte gemacht und rechtswidrige Eingriffe der Mehrheit durch einen unfreiwilligen Ausschluss des unliebsam gewordenen Minderheitsgesellschafters noch belohnt werden. Das garantiert die Prüfungstroika Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zur Erreichung eines legitimen, gerade nicht im selbstsüchtigen Mehrheitsinteresse bestehenden Zwecks. Dem entspricht es schon eher, wenn in Delaware Schadensersatz gewährt und zur Sicherstellung des Rechtsfriedens in der Gesellschaft ein custodian oder provisorischer Direktor eingesetzt wird.1599 In den übrigen Fällen ordnen die Gerichte, gestützt auf die in den Staaten geltenden Kodizes, die Auflösung der Gesellschaft an.1600 Dass es hierzu auch im deutschen Recht kommen kann, wurde schon angedeutet und wird noch zu vertiefen sein. Die Voraussetzungen sind im deutschen Recht ungleich höher: Es ist nicht nur erforderlich, dass ein Gesellschafter durch Urteil aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird, sondern auch, dass eine Abfindung durch die Gesellschaft oder Mitgesellschafter scheitert.
___________ 1599 1600
Rechtsgrundlage dazu ist Delaware General Corporation Law §§ 226, 353. Derartiges sieht auch MBBA sec. 14.32 vor. Siehe dazu Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 471. Siehe zu den Rechtsgrundlagen in den einzelnen Staaten oben Fn. 277. Näher Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 475.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
2. Das Ausschlussverfahren Auch für die Anforderungen an das Verfahren zum Gesellschafterausschluss sind wiederum die Personengesellschaften richtungsweisend, da nur dort überhaupt gesetzliche Regelungen existieren. Die Rechtslage ist dabei uneinheitlich. Während §§ 140, 161 II HGB für die Personenhandelsgesellschaften ein Ausschlussurteil voraussetzen, beschränkt sich das Recht der BGB-Gesellschaft in § 737 BGB auf einen gerichtlich nachprüfbaren Gesellschafterbeschluss. Für die Kapitalgesellschaften stellt sich dementsprechend die Frage, welches Modell bei ihnen Pate stehen soll, und für die Personengesellschaften, ob durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarung von den gesetzlichen Voraussetzungen abgewichen werden kann. a) Ausschluss durch Gesellschafterbeschluss oder Gestaltungsurteil Als Grund für ein gerichtliches Verfahren lässt sich anführen, dass es eine höhere Richtigkeitsgewähr beinhaltet als ein Gesellschafterbeschluss, da neben den Gesellschaftern auch ein Gericht über die den Ausschluss begründenden Umstände befindet. Hinzu kommt, dass dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben wird, vor einer neutralen Stelle Anhörung zu finden und sich vor dieser neutralen Stelle mit seinen Kontrahenten auseinander zu setzen, also die stets mit einem gerichtlichen Verfahren verbundene Befriedungsfunktion.1601 Auch fördert es die Rechtssicherheit, da anderenfalls bei Anfechtung des Beschlusses bis zur gerichtlichen Klärung Unsicherheit darüber bestehen würde, ob der Gesellschafter seinen Status verloren hat. Dies wird aber wegen der Bedeutung des Ausschlusses für alle Gesellschafter als untragbar empfunden.1602 Die Rechtsprechung fordert daher auch bei der GmbH grundsätzlich ein Ausschlussurteil.1603 Eine Ausnahme in Form eines Gesellschafterbeschlusses wird dann zugelassen, wenn der Ausschluss aus wichtigem Grund im Wege einer Zwangseinziehung des Gesellschaftsanteils nach § 34 GmbHG erfolgen soll.1604 Für die Aktiengesellschaft ist die Frage bislang richterlich nicht entschieden.1605 Für die Personenhandelsgesellschaften wird das gerichtliche Verfahren nach § 140 HGB in langer Rechtsprechungstradition als abdingbar bewertet und eine Bestimmung im Gesellschaftsvertrag, die einen Ausschluss durch Gesellschafterbeschluss zulässt, anerkannt.1606 Dies hat der Gesetzgeber in § 131 III Nr. 6 HGB bestätigt. ___________ 1601 1602 1603
1604 1605 1606
Zu beidem Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 11, 22. BGH NJW 1953, 780, 781. BGH NJW 1953, 780, 781 (GmbH); BGH NJW 1999, 3779; BGH NJW 2003, 2314; OLG Frankfurt DB 1979, 212; zustimmend etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 803 f.; a. A. Scholz, GmbHR 1952, 17, 18 f.; ders., GmbHR 1951, 85, 86. Zum unmittelbaren Eingriff in die Mitgliedschaft, der mit einem Ausschlussurteil für den GmbH-Gesellschafter verbunden ist, BVerfGE 60, 7, 13. BGH NJW 1977, 2316. Auch hier wird jedoch ein Ausschlussurteil von der Literatur befürwortet, vgl. Becker, ZGR 1986, 383, 406. BGHZ 31, 295, 298 ff.; BGHZ 68, 212, 214; BGHZ 81, 263, 265 f.; BGHZ 107, 351, 356.
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
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Zugleich sind die Nachteile eines gerichtlichen Verfahren nicht zu übersehen: Es ist langwierig und umständlich, und zwar insbesondere dann, wenn mehrere Gesellschafter ausgeschlossen werden sollen und damit die Möglichkeit haben, den Prozess gegen den jeweils anderen zu blockieren, sofern es auf ihre Zustimmung zur Klageerhebung ankommt. Die von der Rechtsprechung1607 zugelassene prozessuale Vereinfachung durch Klageerhebung gegen alle gemeinsam verhindert zwar unlösbare Konflikte, vermag das Problem aber nicht gänzlich zu beseitigen.1608 Auch ist die Übertragung wesentlicher innergesellschaftlicher Entscheidungen auf die Gerichte dem Kapitalgesellschaftsrecht fremd. Die Kontrollfunktion der Anfechtungsund Nichtigkeitsfeststellungsklage stellt ein wesentliches und unverzichtbares Mittel des Minderheitsschutzes dar; sie greift von ihrer Konzeption her jedoch nachträglich kontrollierend, nicht primär gestaltend ein. Spricht daher die Grundwertung des Kapitalgesellschaftsrechts gegen ein Ausschlussurteil, ist doch nicht zu übersehen, dass der Streit über den Ausschluss des Gesellschafters regelmäßig ohnehin im Wege der Anfechtungsklage vor den Gerichten ausgetragen wird, da jedenfalls die Höhe der Abfindung ein erhebliches Konfliktpotential in sich trägt und eine gerichtliche Befassung daher ohnehin vonnöten ist. Die h. M. kann ihren Weg über ein Gestaltungsurteil daher zwar auf sachliche, nicht aber auf zwingende Gründe stützen. b) Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für die gesellschaftsinterne Willensbildung Unabhängig von der Frage, ob der tatsächliche Ausschluss nur durch Gestaltungsurteil erfolgen kann, bedarf es jedenfalls zunächst eines gesellschaftsinternen Willensaktes, mit dem die Gesellschaft den Entschluss erklärt, einen oder mehrere ihrer Gesellschafter aus wichtigem Grund ausschließen zu wollen. Die ganz h. M. erklärt die Gesellschafterversammlung wegen ihrer Grundlagenkompetenz für zuständig, über den Ausschluss zu entscheiden. Das wird für die Aktiengesellschaft (von der die Möglichkeit zum Ausschluss unterstützenden Ansicht) damit begründet, das Aktienrecht bringe in etlichen Vorschriften, so etwa in §§ 186, 221, 237 I AktG, zum Ausdruck, dass Eingriffe in die Mitgliedschaft der Aktionäre durch Hauptversammlungsbeschlüsse legitimiert werden müssten.1609 Darüber hinaus wird auf die Wirkung des Ausschlusses auf die übrigen Gesellschafter hingewiesen: Da der Ausschluss mit Abfindungsansprüchen des Ausscheidenden verbunden sei, müssten die Aktionäre in der Hauptversammlung darüber befinden, ob sie die auf die Gesellschaft zukommenden Nachteile in Kauf nehmen wollten.1610 ___________ 1607 1608 1609 1610
BGHZ 64, 253, 255 (Klage aller verbleibenden gegen alle auszuschließenden Gesellschafter); OLG Düsseldorf NJW 1947, 65, 66; OLG Stuttgart DB 1961, 1644. Im Einzelnen dazu Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 101 f. Dazu Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 117. Becker, ZGR 1996, 383, 404: gegebenenfalls Auflösung von Rücklagen, Verwendung des Bilanzgewinnes, Freisetzung sonstiger Gesellschaftsmittel.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Wie unter § 6 am Beispiel der Holzmüller-, Gelatine- und Macrotron-Konstellationen dargestellt, bedarf es zweier Voraussetzungen, um eine im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnete Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung zu begründen: Erstens eines schweren Eingriffs in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters1611 und zweitens der sich aus dem Gesetz ergebenden Wertung, dass ein derartiger Eingriff in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fällt. Nochmals ist darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung ansonsten uferlos ausgeweitet würde, da jeder Vorgang, der das Vermögen der Gesellschaft nicht unwesentlich entwertet, wegen seiner gravierenden mittelbaren Wirkung auf die mitgliedschaftliche Rechtsstellung der Gesellschafter einen Gesellschafterbeschluss voraussetzen und die Kompetenzen der Geschäftsleitung empfindlich beschneiden würde.1612 Auf die Ausschließung des Gesellschafters bezogen bedeutet dies: Die erste Komponente wurde mit der besonderen Schwere des Ausschlusses, der die Mitgliedschaft beendet und bis auf einen Abfindungsanspruch alle mitgliedschaftlichen Rechte zum Erlöschen bringt, bereits begründet. Eine Wertung zur Zuständigkeitsverteilung bei der Ausschließung von Gesellschaftern findet sich in den Bestimmungen des Personengesellschaftsrechts, die einen Ausschluss zulassen, sowie in den Bestimmungen über die Einziehung in den Kapitalgesellschaften. Aus §§ 737 BGB, 140 HGB geht hervor, dass es zum Ausschluss eines Gesellschafters eines Willensaktes der Gesellschafter bedarf, wobei nicht nach der Geschäftsführungsbefugnis unterschieden wird. Auch § 237 II AktG setzt für die Einziehung einen Willensakt der Hauptversammlung voraus, während sich § 34 GmbHG hierzu ausschweigt. Zugleich sind die Vorschriften über die Zwangseinziehung für den Ausschluss aus wichtigem Grund nur eingeschränkt aussagekräftig, da sich Einziehung und Ausschluss aus wichtigem Grund bei den Voraussetzungen und Rechtfolgen unterscheiden.1613 Während sich die Einziehung gegen den Gesellschaftsanteil richtet und zu dessen Untergang führt (Amortisation), findet durch den Ausschluss aus wichtigem Grund häufig nur ein Inhaberwechsel an einem bestimmten Gesellschaftsanteil statt, der dem Auszuschließenden entzogen und von der Gesellschaft oder einem anderen Gesellschafter übernommen wird. Der Ausschluss aus wichtigem Grund berührt daher nicht den Bestand des betreffenden Geschäftsanteils, sondern führt nur zum Verlust der Gesellschafterstellung.1614 Außerdem müssen die Einziehung als solche und auch ihre Voraussetzungen in der Satzung vorgesehen sein, da es sich bei der Einziehung um ein Ausschlussmittel handelt, das sich ___________ 1611 1612 1613
1614
Dazu nochmals der Hinwies auf BGHZ 83, 122 = BGH NJW 1982, 1703, 1705 (Holzmüller); BGH NJW 2004, 1860, 1863 (Gelatine). Siehe im Einzelnen dazu unter § 6 B. Aufgrund dieser Unterschiede kann der Ausschluss aus wichtigem Grund bei der GmbH auch nicht durch eine Analogie zu § 34 GmbHG begründet werden, so zutreffend BGH NJW 1953, 780, 781. BGH NJW 1999, 3779.
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
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nur gegen den über diese Möglichkeit informierten Gesellschafter richtet. Hingegen wird diese Warnfunktion beim Ausschluss aus wichtigem Grund nicht vorausgesetzt.1615 Hinzu kommt, dass es sich bei § 237 AktG zugleich um eine Vorschrift über die Kapitalherabsetzung handelt. Die Vorschriften über die Kapitalherabsetzung in den Kapitalgesellschaften als maßgebend für den Ausschluss aus wichtigem Grund heranzuziehen, scheidet demgegenüber aus, da ein Ausschluss des Gesellschafters auf verschiedene Weise, nicht zwingend über eine Kapitalherabsetzung vollzogen werden kann (dazu noch unter IV. 2.).1616 Im Ergebnis sind daher §§ 737 BGB, 140 HGB richtungsweisend: Die darin enthaltene Zuweisung der Zuständigkeit an die Gesellschafter kann als generelle Wertung verstanden und auf die Kapitalgesellschaften übertragen werden. c) Mehrheitserfordernisse Problematisch ist auch die erforderliche Beschlussmehrheit. Der für Personengesellschaften angeordnete einstimmige Beschluss bzw. die Mitwirkung aller an der Ausschließungsklage1617 beruhen auf dem dort regelmäßig geltenden Einstimmigkeitsprinzip für Grundsatzbeschlüsse, von dem jedoch durch Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag abgewichen werden kann.1618 Dem Kapitalgesellschaftsrecht ist der Einstimmigkeitsgrundsatz hingegen fremd; es dominiert der Grundsatz einfacher Beschlussmehrheit, der durch qualifizierte Mehrheitserfordernisse in begründeten Ausnahmesituationen ergänzt wird. Wegen der einschneidenden Wirkung für den betroffenen Gesellschafter wird überwiegend eine Dreiviertelmehrheit gefordert,1619 so auch von der Rechtsprechung, die § 60 I Nr. 2 GmbHG heran___________ 1615
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1617 1618 1619
Zur Abgrenzung instruktiv BGH NJW 1977, 2316; siehe auch Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34 Rn. 8; Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 1, 7. Nur am Rande sei jedoch auch darauf hingewiesen, dass die Grenzen von Einziehung und Ausschluss aus wichtigem Grund verschwimmen können, wenn die Satzung Bestimmungen über den Gesellschafterausschluss enthält, das Verfahren und die Rechtsfolgen aber abweichend von §§ 34 GmbHG, 237 AktG regelt. Denkbar sind Gestaltungen, bei denen die Einziehung und der Ausschluss aus wichtigem Grund in einem Akt zusammenfallen, so wenn in der Satzung eine Einziehung von einem wichtigen Grund abhängig gemacht oder ein Ausschluss aus wichtigem Grund vorgesehen und mit den Rechtsfolgen einer Einziehung verbunden ist. Die Voraussetzungen und das Verfahren beurteilen sich in derartigen Gestaltungen nach den oben dargestellten Grundsätzen für gesellschaftsvertraglich bestimmte Ausschlussverfahren. Siehe hierzu BGH NJW 1977, 2316; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 34 Rn. 1. Dazu Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 140, Rn. 17. Zur Zulässigkeit des Mehrheitsprinzips durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarung K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1469. Becker, ZGR 1996, 383, 405; Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 110; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 9; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 34, Rn. 59; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 60 Rn. 86; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Band I, 8. Aufl. 1992, Anh. § 34, Rn. 24; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34 Rn. 82; Tschernig, GmbHR 1999, 691, 696.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
zieht.1620 Dies wird kritisiert und stattdessen die einfache Mehrheit gefordert, da der Beschluss nur ein gerichtliches Ausschlussverfahren vorbereite, die Mitgliedschaft des Gesellschafters also zunächst unberührt lasse.1621 Auch wird eingewandt, dass die Auflösungsklage nach § 61 II 2 GmbHG, die sogar von einer Minderheit erhoben werden kann, wenn ein wichtiger Grund für die Auflösung vorliegt, besser passe als § 60 I Nr. 2 GmbHG.1622 An mehreren Stellen wurde bereits ausgeführt, dass qualifizierte Mehrheiten kein effektives Instrument des Minderheitsschutzes darstellen. Vielmehr ist durch eine strenge Anwendung der allgemeinen Kriterien zur Inhaltskontrolle von Beschlüssen (und sonstigen Willensbildungsakten) sicherzustellen, dass Eingriffe in die Rechtsstellung der Gesellschafter gerechtfertigt sind. Dieser Schutz ist notwendig, zugleich aber auch hinreichend. Auch der Beschluss über den Gesellschafterausschluss aus wichtigem Grund bildet keine Ausnahme. Wie jeder Beschluss muss er im Interesse der Gesellschaft geboten, erforderlich und unter Abwägung der beteiligten Interessen verhältnismäßig sein. Diesen Kriterien wird durch die von der h. M. geforderten strengen Voraussetzungen eines Ausschlusses aus wichtigem Grund Rechnung getragen: Zwingende Gründe des Gesellschaftsinteresses müssen betroffen sein (Gebotenheit), der Konflikt darf nicht auf andere Weise gelöst werden können (Erforderlichkeit), und schließlich wird der massive Eingriff in die Rechtsstellung des ausgeschlossenen Gesellschafters durch die anderenfalls untragbare Situation für die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter aufgewogen, wobei zu beachten ist, dass der auszuschließende Gesellschafter zwar seine Mitgliedschaft verliert, durch angemessene Abfindung jedoch keinen Vermögensverlust erleidet. Diese Kriterien sind besonders streng und erfordern eine hohe Richtigkeitsgewähr des Beschlusses. Qualifizierter Mehrheitserfordernisse bedarf es daneben nicht. Hierdurch werden zugleich auch die Interessen der übrigen Gesellschafter gewahrt, die durch den drohenden Kapitalentzug ebenfalls einen erheblichen Nachteil erleiden können. Da auch dieser Aspekt im Rahmen der Inhaltskontrolle berücksichtigt werden muss, werden diese Gesellschafter ebenfalls geschützt. Anders ist dies freilich, wenn der Ausschluss im konkreten Fall mit einer Kapitalherabsetzung einhergeht, da in diesen Fällen der Kapitalherabsetzungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden muss und wegen der Verbindung der Beschlussgegenstände die gesetzlich angeordnete qualifizierte Mehrheit auch die Entscheidung über den Ausschluss tragen muss.
___________ 1620 1621 1622
BGHZ 9, 157, 177; BGHZ 153, 285, 288 f.; BGH NZG 2003, 284, 285; BGH NJW 2003, 2314, 2315. Für die GmbH OLG Köln, NZG 2001, 82, 83; LG Köln GmbHR 2000, 141, 142 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1062. Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2006, Anh. § 34, Rn. 35. Dagegen wiederum Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 117; Lutter, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 34, Rn. 59.
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
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IV. Der Konflikt von Gesellschafterabfindung und Kapitalerhaltung 1. Interimsphase zwischen Ausschlussurteil und Abfindungszahlung Ergeht ein Ausschlussurteil zulasten eines Gesellschafters, besitzt dies nach allgemeinen Grundsätzen Gestaltungswirkung und bringt die mitgliedschaftlichen Rechte zum Erlöschen. An seine Stelle tritt ein Anspruch des Gesellschafters auf Abfindung gegen die Gesellschaft. Da in den Kapitalgesellschaften strenge Kapitalerhaltungsgrundsätze gelten (dazu sogleich unter 2.) und anders als in den Personengesellschaften die verbleibenden Gesellschafter nicht persönlich für den Abfindungsanspruch des Ausscheidenden haften, besteht für den ausgeschlossenen Gesellschafter die Gefahr, mit seinem Anspruch auszufallen. Während in den Personengesellschaften ein unbedingtes Gestaltungsurteil ergehen kann, versucht die Rechtsprechung, den Gefahren für den ausgeschlossenen Kapitalgesellschafter mit einem durch die Zahlung der Abfindung bedingten Gestaltungsurteil zu begegnen.1623 Wegen der langen Verzögerung, die durch einen Streit über die Höhe der Abfindung entstehen kann, wird dieser Weg aber vielfach kritisiert. Stattdessen werden eine Klage auf Abtretung des Gesellschaftsanteils an die Gesellschaft Zug um Zug gegen Leistung der geschuldeten Abfindung1624 oder ein subsidiärer Rückgriffanspruch gegen die übrigen Gesellschafter1625 befürwortet. Während der erste Lösungsweg keine Vorteile gegenüber der Lösung des BGH erkennen lässt, da eine Zug-um-Zug-Lösung ebenfalls zu erheblichen Verzögerungen führen kann, fehlt es dem zweiten Vorschlag an einer Rechtsgrundlage, die erklären könnte, weshalb der Ausgeschlossene von den Mitgesellschaftern eine Leistung fordern kann. Auf Grundlage der BGH-Lösung und im Interesse der Gesellschaft wird außerdem befürwortet, den Mitgliedsstatus des Gesellschafters erst zu beenden, wenn die Abfindung gezahlt wurde, ihm jedoch bereits mit dem Ausschlussurteil jegliche Rechte zu nehmen.1626 Diese Lösung belastet ihn jedoch unverhältnismäßig schwer und nimmt überdies der Gesellschaft jeden Anreiz, sich um eine zügige Abfindungslösung zu bemühen. Als gangbarer Mittelweg, der alle Interessen berücksichtigt, bietet sich demgegenüber an, ihm nur die Mitverwaltungsrechte zu nehmen, die vermögensrechtlichen Ansprüche jedoch zu belassen. Dadurch verbleibt die Gesellschaft handlungsfähig, da sie nicht durch den Streit über die Höhe ___________ 1623 1624 1625 1626
BGHZ 9, 157, 174; BGHZ 16, 317, 325 (unter Auflagen für den Ausgeschlossenen); OLG Hamm DB 1992, 2181, 2182. Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 112 für die GmbH und S. 117 für die AG. Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 34, Rn. 28; Goette, FS Lutter, 2000, S. 399, 410. So jedoch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 13, mit der Abweichung, dass der Gesellschafter sämtliche Mitgliedschaftsrechte verlieren soll; vgl. auch Peetz, GmbHR 2000, 749, 753.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
der Abfindung gelähmt wird. Da wichtige Gründe vorliegen, die gegen eine Mitwirkung des auszuschließenden Gesellschafters am Gesellschaftsleben sprechen, ist es gerechtfertigt, seine Mitverwaltungsrechte auszusetzen. Die Ansprüche vermögensrechtlicher Art können jedoch ohne Schaden für die Gesellschaft bestehen bleiben. Wird die Abfindung nicht in angemessener, auf Antrag vom Gericht festzusetzender Frist nachgeholt, besteht ein wichtiger Grund, auf den eine Auflösungsklage nach § 61 II GmbHG gestützt werden kann.1627 In § 262 AktG fehlt es hingegen an einer als Minderheitsrecht ausgestalteten Auflösungsklage. Hier kommt daher nur in Betracht, sämtliche Rechte des Aktionärs nach Ablauf einer angemessenen Frist wieder in Kraft zu setzen. Die Abfindung des Gesellschafters für seinen Rechtsverlust muss sich im Ausgangspunkt an dem Grundsatz orientieren, dass der Ausschluss keinen Strafcharakter trägt, sondern die Voraussetzungen dafür schaffen soll, ein gedeihliches Zusammenwirken der Gesellschafter auch in Zukunft zu ermöglichen. Ein Vermögensverlust des Gesellschafters kann daher nicht mit Sanktionserwägungen begründet werden, und es ist auch kein Grund erkennbar, warum sich die übrigen Gesellschafter sollten bereichern dürfen.1628 Im Gegenteil muss gerade sorgsam darüber gewacht werden, dass der Ausschluss aus wichtigem Grund nicht zu einem Mittel verkommt, sich das Kapital anderer Gesellschafter einzuverleiben. Dabei gelten die allgemeinen Grundsätze und Vorgaben des BVerfG,1629 die im Einzelnen unter § 11 erörtert werden. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob zur Vereinfachung eine pauschale Abgeltung zulässig sein soll. Dies wurde für statutarische Abfindungsklauseln unter Einschränkungen bejaht. Grund war, dass sich der Gesellschafter nicht nur den im Einzelnen aufgeführten Ausschlussgründen, sondern auch einer pauschalierten Abfindung unterworfen hat. Folglich hat er den Schutzbereich seiner Mitgliedschaft privatautonom dahin eingeschränkt, keinen Anspruch auf eine vollwertige Abfindung zu besitzen (privatautonomer Verzicht auf die Vermögenskomponente der Beteiligung). An einem derartigen Verzicht fehlt es hingegen bei einem Ausschluss aus wichtigem Grund. Der Schutzbereich der durch Art. 14 GG geschützten Mitgliedschaft umfasst daher die volle Werthaltigkeit der Beteiligung. Nach den zutreffenden (und unter § 11 dargestellten) Grundsätzen des BVerfG ist der Gesellschafter daher vollwertig zum Verkehrswert seiner Beteiligung abzufinden.
___________ 1627 1628 1629
Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 13. So im Ergebnis BGH NJW 1953, 780, 781. BVerfG ZIP 2007, 175, 176 (Siemens/Nixdorf); BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 (Moto Meter); BVerfGE 100, 289, 303 = NJW 1999, 3769 (DAT/Altana); BVerfG ZIP 1999, 1804 = NZG 2000, 28, 29 (Hartmann & Braun); auch schon BVerfGE 14, 263, 278 (Feldmühle); bestätigt durch BVerfG WM 2003, 1813 (DAB/Hansa); siehe auch BVerfG NJW 2007, 3268, 3270 (Rn. 26).
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
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2. Abfindung und Kapitalerhaltung in den Kapitalgesellschaften In den Kapitalgesellschaften kann der Abfindungsanspruch einen Konflikt mit den Kapitalerhaltungsgrundsätzen auslösen, sofern die Abfindung nicht von den verbleibenden Gesellschaftern übernommen wird, sondern aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet werden soll. a) Der Kapitalerhaltungsgrundsatz in der GmbH In der GmbH regelt das Einziehungsverfahren nach § 34 GmbHG, wie der mit einem Gesellschafterausschluss einhergehende Kapitalverlust zu bewältigen ist. Eine Einziehung setzt nach § 34 I GmbHG voraus, dass die Einziehung von Geschäftsanteilen im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist. Rechtsfolge der Einziehung ist, dass der eingezogene Anteil unter Aufrechterhaltung des Stammkapitals untergeht.1630 Dem betroffenen Gesellschafter ist seine Einlage aus dem über die Stammkapitalziffer hinausgehenden Reinvermögen der GmbH rückzugewähren, wie sich aus dem Verweis in § 34 III GmbHG auf § 30 I GmbHG ergibt. An diesen Voraussetzungen fehlt es bei einem Gesellschafterausschluss aus wichtigem Grund regelmäßig gerade, so dass ein Untergang der Beteiligung des Ausgeschlossenen ausscheidet und sein Geschäftsanteil vielmehr übernommen werden muss. Übernimmt die GmbH den Geschäftsanteil des ausgeschlossenen Gesellschafters, erwirbt sie damit eigene Geschäftsanteile. Dies ist nicht grundsätzlich untersagt, jedoch unter den Gesichtspunkten von Kapitalaufbringung und -erhaltung nur beschränkt möglich. Nach § 33 I GmbHG darf die GmbH nur Anteile erwerben, auf welche die Einlage voll eingezahlt ist, und muss den Erwerb aus freiem Kapital bestreiten können.1631 Problematische Situationen, in denen zwar einerseits ein Ausschluss geboten ist, die GmbH andererseits jedoch die Abfindung nicht ohne Verstoß gegen § 30 I GmbHG aufzubringen vermag, können über eine zusätzliche Kapitalherabsetzung nach § 58 GmbHG gelöst werden, sofern das Mindestkapital nach § 5 I GmbHG hierdurch nicht unterschritten wird.1632 Auch wurde schon oben unter A. II. 5. ausgeführt, dass der Gesellschafter aufgrund seiner Treuepflicht gehalten ist, sich bei der Gestaltung der Abfindungsregelung kompromissbereit zu zeigen. Er muss sich etwa auf eine ratenweise Rückzahlung einlassen und den Mitgesellschaftern eine angemessene Frist einzuräumen, in der diese darüber befinden können, ob sie das fehlende Kapital zuschießen möchten. Sofern keine andere Lösung zur Verfügung
___________ 1630 1631
1632
Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 51. Windbichler, Gesellschaftsrecht, 22. Aufl. 2009, S. 264, Rn. 22; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 11; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 21. Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 61; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 23. Vgl. auch BGHZ 9, 157, 168.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
steht, darf der ausgeschlossene GmbH-Gesellschafter nach § 61 II GmbHG auch unterhalb der Schwelle von 10% die Auflösung der GmbH betreiben.1633 b) Der Kapitalerhaltungsgrundsatz in der Aktiengesellschaft Auch in der Aktiengesellschaft kann der Kapitalerhaltungsgrundsatz einer Abfindung des ausgeschlossenen Gesellschafters entgegen stehen. Nach § 71 I Nr. 1 AktG kann die Aktiengesellschaft eigene Aktien erwerben, um einen schweren, unmittelbaren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Ein schwerer Schaden setzt voraus, dass der Aktiengesellschaft eine beachtliche Vermögenseinbuße droht. Er steht außerdem unmittelbar bevor, wenn er in überschaubarer Zukunft konkret zu erwarten ist.1634 Da ein Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund voraussetzt, dass er im Interesse der Gesellschaft erfolgt und dieser bei einem Verbleib des Gesellschafters ein nicht unbeträchtlicher Nachteil droht, können diese Voraussetzungen erfüllt sein. Da weder die Mitgesellschafter noch sonstige Dritte zur Übernahme der Aktien verpflichtet werden können, wird mangels vernünftiger Alternative der Erwerb der Aktien zur Schadensabwehr auch notwendig sein.1635 Dann gilt der Grundsatz, dass nur der Bilanzgewinn an die Aktionäre ausgeschüttet werden darf, nach §§ 57 I 2, 58 V AktG nicht. Ansonsten muss sich, wie auch bei der GmbH, ein anderer Gesellschafter zur Übernahme bereit finden. Daneben besteht die Möglichkeit zur Kapitalherabsetzung. Scheitern diese Möglichkeiten und erhält der Aktionär auch nach Ablauf einer angemessenen Frist seine Abfindung nicht, stellt sich die Frage nach seinen Rechten. In § 262 AktG fehlt es im Gegensatz zu § 61 II GmbHG an einer als Minderheitsrecht ausgestalteten Auflösungsklage. Auch wäre es wegen der regelmäßig sehr geringen Kapitalbeteiligung des Aktionärs unangemessen, ihm ein außerordentliches Auflösungsrecht zuzugestehen. Vorzugswürdig ist es vielmehr, sämtliche Rechte des Aktionärs nach Ablauf einer angemessenen Frist wieder in Kraft zu setzen. Wollen oder können sich die übrigen Aktionäre mit dem dadurch ausgelösten Verbleib des Aktionärs nicht einverstanden erklären, bleibt ihnen nur die Auflösung der Gesellschaft.
___________ 1633
1634
1635
Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 113; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, Anh. § 34, Rn. 13. Vgl. auch den Grundgedanken in BGHZ 32, 17, 35. Zu diesen Voraussetzungen Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 71, Rn. 7; Merkt, in: Großkomm.AktG, Stand 2007, § 71, Rn. 160–168; Oechsler, in: MünchKomm.-AktG, Band 2, 2. Aufl. 2003, § 71, Rn. 93, 97–99. Zu diesem Kriterium wiederum Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 71, Rn. 8; Merkt, in: Großkomm.-AktG, Stand 2007, § 71, Rn. 160–169; Oechsler, in: MünchKomm.-AktG, Band 2, 2. Aufl. 2003, § 71, Rn. 100 f.
B. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund
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V. Zusammenfassung 1. Der Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund stellt ein rechtsformübergreifendes Prinzip des Gesellschaftsrechts dar. Seine dogmatische Grundlage findet es nach hier vertretener Auffassung in der Zweckförderungs- und Interessenwahrungspflicht des Auszuschließenden. Als Voraussetzung bedarf es eines wichtigen Grundes in der Person des Auszuschließenden, der den weiteren Verbleib in der Gesellschaft untragbar erscheinen lässt. Auch hierbei ist wiederum das hier entwickelte allgemeine Prüfungsschema für Eingriffe in die Mitgliedschaft anzuwenden. Der Ausschluss muss im Gesellschaftsinteresse geboten und nach dem ultima-ratio-Prinzip erforderlich sein und sich im Wege der Abwägung gegen die Interessen des Auszuschließenden durchsetzen. Dem Gleichbehandlungsgrundsatz kommt hier eine besonders hohe Bedeutung zu, da nur Gesellschafter in einer Sondersituation ausgeschlossen werden dürfen. Der Zielsetzung des Instituts entsprechend, sollten die tatbestandlichen Voraussetzungen weit gehalten, zugleich aber die Rechtfertigungskontrolle streng durchgeführt werden. Dem US-amerikanischen Recht kann dabei entnommen werden, welche Sinnentfremdung droht, wenn ein Ausschluss zu leichtfertig angeordnet wird. Das dort allenthalben anzutreffende Ergebnis, dass ein Mehrheitsgesellschafter einen Gesellschafterkonflikt herbeiführt, den die Gerichte im Wege eines Minderheitsausschlusses lösen, ist untragbar und illustriert erneut, wie wichtig eine effektive Eingriffskontrolle ist. Für den Ausschluss aus wichtigem Grund ergibt sich daraus, dass dieses Institut nicht zu einer Auffanglösung verkommen darf, die Konfliktsituationen zu bereinigen sucht, ohne wirksamen Rechtsschutz gegen die zu diesem Zustand führenden Vorgänge zu bieten. 2. Das Ausschlussverfahren ist nur in den Personengesellschaften gesetzlich geregelt. §§ 140, 161 II HGB fordern für die Personenhandelsgesellschaften ein Ausschlussurteil, während in der BGB-Gesellschaft § 737 BGB einen Gesellschafterbeschluss ausreichen lässt. Die h. M., die auch für die Kapitalgesellschaften ein Ausschlussurteil fordert, bricht ohne zwingenden Grund mit dem Grundsatz des Kapitalgesellschaftsrechts, wonach die gerichtliche Kontrolle konzeptionell nachträglich, nicht gestaltend eingreift. Demgegenüber verdient es Zustimmung, dass intern die Gesellschafterversammlung zur Entscheidung über den Gesellschafterausschluss zuständig sein soll. Nach den unter § 6 entwickelten Kriterien für die gesellschaftsinterne Zuständigkeitsverteilung begründen ein schwerer Eingriff in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters und eine gesetzliche Wertung die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung. Beides liegt bei einem Ausschluss aus wichtigem Grund vor. Dieser Beschluss kann mit einfacher Mehrheit gefasst werden. 3. Die Abfindung muss zum Verkehrswert erfolgen. Bis zu deren Zahlung ruhen die Mitverwaltungsrechte des ausgeschlossenen Gesellschafters, während die vermögensrechtlichen Ansprüche fortbestehen. Dadurch verbleibt die Gesellschaft handlungsfähig, da sie nicht durch den Streit über die Höhe der Abfindung gelähmt wird. Da wichtige Gründe vorliegen, die gegen eine Mitwirkung des auszu-
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
schließenden Gesellschafters am Gesellschaftsleben sprechen, ist es zugleich gerechtfertigt, seine Mitverwaltungsrechte auszusetzen, während seine Ansprüche vermögensrechtlicher Art ohne Schaden für die Gesellschaft bestehen bleiben können. 4. Bei Konflikten des Abfindungsanspruchs mit dem Kapitalerhaltungsgrundsatz sind alle Gesellschafter gehalten, sich um eine verträgliche Lösung zu bemühen. Für den Ausgeschlossenen bedeutet dies, dass er sich mit einer ratenweisen Abfindung abfinden muss, für die übrigen Gesellschafter, dass sie sich notfalls und soweit möglich zu einer Kapitalherabsetzung bereit finden müssen. Sofern keine andere Lösung zur Verfügung steht, darf in der GmbH der ausgeschlossene Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft betreiben, während in der Aktiengesellschaft seine ausgesetzten Rechte wieder aufleben. C. Der Ausschluss des Aktionärs aufgrund spezialgesetzlicher Institute
C. Der Ausschluss des Aktionärs aufgrund spezialgesetzlicher Institute Die Aktiengesellschaft weist gegenüber den anderen Gesellschaftsformen Besonderheiten durch im Personengesellschafts- und GmbH-Recht unbekannte Möglichkeiten zum Ausschluss von Kleinaktionären auf. Die Regeln über das Squeeze out wie auch über den Ausschluss bei der Eingliederung beruhen auf gänzlich anderen gesetzgeberischen Erwägungen als die bislang erörterten Institute des statutarisch begründeten Ausschlusses und des Ausschlusses aus wichtigem Grund.
I. Vielzahl der Ausschlussformen und Umgehungsproblematik Dies führt in der Aktiengesellschaft, wie zu zeigen sein wird, zu Problemen besonderer Art. Soweit die vom Gesetz vorgesehenen Institute zum Ausschluss eines Gesellschafters ein abschließendes System bilden, darf sich die Aktionärsmehrheit ihrer dann nicht bedienen, wenn sie Zwecke verfolgt, die über die unmittelbar vom Gesetz vorgesehenen Folgen hinausgehen. Zwar stehen die verschiedenen Formen zum Ausschluss von Minderheitsaktionären gleichberechtigt nebeneinander. Welchen Weg eine Gesellschaft wählt, sich verbleibender Aktionäre zu entledigen, liegt damit in ihrer Entscheidungsgewalt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass für jeden der Ausschlusswege besondere Voraussetzungen gelten, die nicht missbräuchlich unterlaufen werden dürfen. Als solcher Missbrauch ist es anzusehen, wenn nach dem Willen der Gesellschaft bzw. faktisch der Aktionärsmehrheit1636 ein Endergebnis erzielt werden soll, das nach ___________ 1636
Völlig zu Recht weisen Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, darauf hin, dass trotz fehlender Weisungsunterworfenheit des Vorstands dieser kaum jemals gegen die Vorstellungen des Mehrheitsaktionärs handeln wird. Faktisch könne daher auch in der Aktiengesellschaft jeder Gesellschafter, der über eine zur Umstrukturierung erforderliche Mehrheit verfügt, entschei-
C. Der Ausschluss des Aktionärs aufgrund spezialgesetzlicher Institute
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der Wertung der gesetzlichen Ausschlusstatbestände nur auf einem Wege erreicht werden kann, von der Gesellschaft durch vorübergehende Kunstgriffe aber zunächst mittels anderer Mechanismen erzielt wird. Wird in einem zweiten Schritt durch eine weitere Maßnahme das schon anfänglich bezweckte Endergebnis bewirkt, liegt eine klassische Umgehungskonstellation vor. Bei den im Folgenden darzustellenden Ausschlussformen ist daher darauf zu achten, dass ein weitgehender Gleichlauf der wesentlichen Voraussetzungen erzielt und daneben die jeweiligen Besonderheiten des einzelnen Instituts beachtet werden. So lässt sich erreichen, dass Umgehungen von vornherein unattraktiv werden und damit ein aufwändiger Rechtsstreit darüber, ob im Einzelfall eine unzulässige Umgehung vorliegt, vermieden wird.
II. Squeeze out des Minderheitsaktionärs nach §§ 237a ff. AktG Verfügt eine Mehrheit über mindestens 95% der Anteile an einer Aktiengesellschaft, gibt ihr das sog. Squeeze out-Verfahren nach §§ 327a ff. AktG die Möglichkeit, die verbleibenden Aktionäre aus der Gesellschaft auszuschließen. Es handelt sich damit um einen Anspruch des Mehrheitsaktionärs auf einen zwangsweise durchgesetzten Kauf der Aktien der verbliebenen Minderheit. Die Gesellschaft selbst bleibt an den Vorgängen unbeteiligt.1637 Das Ausschlussverfahren wird initiiert, indem der Mehrheitsgesellschafter mit einer Kapitalbeteiligung von mindestens 95% der Aktien dem Vorstand seine Absicht kommuniziert, die verbleibenden Minderheitsaktionäre ausschließen zu wollen. Der Vorstand muss daraufhin eine Hauptversammlung einberufen, auf der über diesen Antrag des Hauptaktionärs abgestimmt wird.
1. Keine inhaltlichen Anforderungen an den Squeeze out-Beschluss Dieser Ausschluss der Minderheitsaktionäre ist nach ganz h. M. an keinerlei inhaltliche Anforderungen gebunden; vielmehr berechtigt die bloße qualifizierte Mehrheit dazu.1638 Dies ist ein Novum, nach anderer Ansicht sogar ein Fremdkör___________ 1637 1638
den, welcher zur Verfügung stehende Weg beschritten wird und welches gesetzlich vorgesehene Schutzniveau die Minderheitsgesellschafter genießen. Vgl. die zutreffende Darstellung und Bewertung von Habersack, ZIP 2001, 1230, 1236. BGH ZIP 2005, 2107; OLG Düsseldorf AG 2006, 202, 203; OLG Düsseldorf AG 2005, 293, 295; OLG Düsseldorf AG 2004, 207; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 327a, Rn. 11, und § 327f, Rn. 3; Maslo, NZG 2004, 163, 164; Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 120, 127; Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1210; Grunewald, ZIP 2002, 18, 21; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 205; Kiem, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, S. 329, 339. Unter der Einschränkung, dass ein Squeeze-out nur bei börsennotierten Gesellschaften möglich sein sollte, wenn zudem ein Übernahme- und Pflichtangebot vorausging Habersack, ZIP 2001, 1230, 1237; Fuhrmann/Simon, WM 2002, 1211, 1214; Vetter, AG 2002, 176, 186; Krieger, BB
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
per im deutschen Gesellschaftsrecht.1639 Das erklärt, warum kaum eine Stellungnahme zu den Vorschriften ohne Ausführungen zur Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen auskommt.1640 Der Behauptung, die §§ 327a ff. AktG gliederten sich in die verfassungsrechtlich unbedenkliche Grundhaltung des Aktiengesetzes ein, welches die Mitgliedschaft des Kleinaktionärs nur finanziell schütze,1641 kann nach allem unter § 3 zum Schutzbereich des Art. 14 I GG Gesagten nicht zugestimmt werden. Dem Ansatz, den Kleinaktionär zum reinen Kapitalanleger abzustempeln und ihm den umfassenden Schutz durch Art. 14 GG, wie er anderen Gesellschaftern zukommt, zu versagen,1642 wurde bereits eine Absage erteilt. Dass hiervon Ausnahmen bei Aktionären einer börsennotierten Aktiengesellschaft, die überwiegend Ziele als Kapitalanleger verfolgen, möglich sind, wurde ebenfalls bereits begründet. Lediglich für die börsennotierte Aktiengesellschaft kann daher dieser Ansicht in abgeschwächter Form, nämlich insoweit gefolgt werden, dass ausgehend von den rein vermögensrechtlichen Interessen des Kleinanlegers Eingriffe in die Mitgliedschaft des Aktionärs bei angemessenem Vermögensausgleich weitergehend zulässig sind als bei anderen Gesellschaftern. Hinzu kommt, dass die verbreitet zur Rechtfertigung des Squeeze out angeführte Belastung der Aktiengesellschaft durch umfangreiche Sonderpflichten (ad-hoc-Publizität, Verhaltenspflichten bei Übernahmeangeboten) nur im Falle ihrer Börsennotierung durch verbliebene Minderheitsaktionäre erheblich gesteigert ist. Die Squeeze out-Regelungen sind jedoch nicht auf börsennotierte Gesellschaften beschränkt. Sie erfassen sämtliche Aktiengesellschaften, so dass nicht generell mit den nur für börsennotierte Gesellschaften bestehenden Besonderheiten argumentiert werden kann. Daher können auch ganz unterschiedliche Typen von Aktionären betroffen sein. In großen, hoch kapitalisierten Aktiengesellschaften kann ___________ 1639
1640
1641 1642
2002, 53, 55. Nach Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1389 f., wäre eine Erleichterung des Ausschlusses unterhalb der Schwelle von 95% verfassungsrechtlich bedenklich. Habersack, ZIP 2001, 1230, 1235; Drygala, AG 2001, 291, 298; Vetter, AG 2002, 176, 177; ansatzweise Kritik wegen der Diskrepanz zur GmbH und den Personengesellschaften auch bei Grunewald, ZIP 2002, 18, 21. Der Beschluss des BVerfG NJW 2007, 3268, in dem das Gericht die Verfassungsmäßigkeit der §§ 327a ff. AktG bejaht, wird jedoch voraussichtlich den Schlusspunkt dieser Diskussion bilden. Zuvor die Vereinbarkeit der Sueeze-out-Regelungen mit Art. 14 GG bejahend OLG Düsseldorf AG 2006, 202, 203; OLG Düsseldorf AG 2005, 654, 655; OLG Düsseldorf AG 2005, 293, 294; OLG Düsseldorf ZIP 2004, 359, 360; OLG Oldenburg AG 2002, 682; OLG Köln AG 2004, 39, 40; OLG Hamburg AG 2003, 696 f.; OLG Hamburg AG 2003, 698 f.; OLG Stuttgart ZIP 2003, 2363, 2366; OLG Stuttgart AG 2004, 105, 108; österr. VfGH Urt. v. 16. 6. 2005, Rs. G 129/04-17, G 63/05-3, G 64/05-2, G 65/05-2, G 66/05-2; ausführlich Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeezeout), 2003, S. 112–131; Baums, Ausschluss von Minderheitsaktionären, 2001, S. 171–174; Quandt, Squeeze-out in Deutschland, 2004, S. 40–57. Siehe auch Hein, Die Rezeption USamerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 428. Zweifelnd LG Hamburg AG 2003, 279; LG Wuppertal AG 2004, 161, 162. Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205. So aber Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 120, 130.
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durch eine Minderheitsbeteiligung von 5% ein beträchtliches Vermögen gebunden sein. Ist diese Gesellschaft nicht börsennotiert und der Aktionär daher daran gehindert, seine Anteile jederzeit unproblematisch abstoßen zu können, kann seine Beteiligung unternehmerische Züge tragen. Im Übrigen werden zur Rechtfertigung zumeist die Motive des Gesetzgebers wiederholt und gebilligt. Dieser verfolgt das Ziel einer Vereinfachung der Unternehmensführung. Da die (äußerst geringe) Minderheit kaum noch zur Eigenkapitalisierung der Gesellschaft beiträgt, andererseits die geringe Streuung aber nicht unerhebliche Kosten und Verzögerungen verursacht, soll es dem Mehrheitsaktionär ermöglicht werden, die verbleibende Minderheit aus der Gesellschaft zu drängen.1643 Als Kosten- und Verzögerungsfaktoren werden insbesondere die Rechte der Aktionäre in der Hauptversammlung, das Recht zur Teilnahme, das Rede-, Auskunfts- und Antragsrecht sowie das Anfechtungsrecht angeführt.1644 Diese Argumentation beantwortet jedoch nur unzureichend, warum ein Ausschluss ohne die im Rahmen der üblichen Inhaltskontrolle belastender Beschlüsse zu prüfende Eingriffsrechtfertigung auskommen soll. Bei den im Regierungsentwurf angeführten und von der h. M. häufig zitierten Gründen handelt es sich vielmehr um Aspekte, die mitunter im Einzelfall eine Rechtfertigung im Rahmen einer inhaltlichen Beschlusskontrolle zu tragen vermögen. Auf Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung lässt sich anführen, dass die berechtigten Interessen der Aktionärsmehrheit, eine teure und lästige Minderheit nicht weiter mittragen zu müssen, auch im (finanziellen) Interesse der AG überwiegen, solange nur die Minderheitsaktionäre angemessen entschädigt werden. Dabei kommt es jedoch auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf den Nachweis, dass die durch Kosten- und Verzögerungsvermeidung erzielten Vorteile gegenüber dem Nachteil der Minderheit, ihre Aktien zu verlieren, überwiegen. Auf einen solchen Nachweis im Einzelfall soll es nach Auffassung der h. M. jedoch gerade nicht ankommen.1645 Dennoch ist der h. M. im Ergebnis beizutreten. Eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle und daher eine Interessenabwägung im Einzelfall scheiden für das Squeeze out aus. Darauf zu verzichten, ermöglicht der unter § 4 A. III. 5. c) erläuterte Ansatz, der nicht die Art der Beteiligung des Minderheitsaktionärs, sondern die des dominanten Mehrheitsaktionärs in den Blick nimmt: Die Notwendigkeit, beeinträchtigende Maßnahmen inhaltlich rechtfertigen zu müssen, entspringt der Tatsache, dass jeder Gesellschafter nur einer von vielen Teilhabern an der Gesellschaft ist. Jeder von ihnen kann sich grundsätzlich gleichermaßen auf den Schutz durch Art. 14 I GG berufen. Die vorprogrammierten Konflikte können nur unter Berufung auf den gemeinsamen Nenner der Verbindung, die gemeinsame Verpflichtung auf das Gesellschaftsinteresse gelöst werden. ___________ 1643 1644
1645
RegE BT-Drs. 14/7034, S. 31 f.; relativierend dazu Habersack, ZIP 2001, 1230, 1233 f.; vgl. auch Henze, FS Wiedemann, 2002, S. 935, 948. Kallmeyer, AG 2000, 59; Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 120, 123 f.; Karrer, Die Angemessenheit der Leistung im Konzern-, Übernahme- und Ausschlussrecht, 2002, S. 28; Kiem, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, 329, 339. Vgl. Kallmeyer, AG 2000, 59.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
Diese Beurteilung ändert sich bei einer gegen 100% tendierenden Beteiligung eines Gesellschafters. Ein Fast- oder Quasi-Alleineigentümer darf sein Eigeninteresse an die Stelle des Gesellschaftsinteresses setzen und unterliegt daher keinem Zwang zu sachlicher Rechtfertigung bei beeinträchtigenden Maßnahmen zulasten der Minderheit. Zu deren Gunsten greift nur noch der Anspruch auf vollwertige Entschädigung.1646 Für diesen Grundsatz hat sich der Gesetzgeber in den §§ 327a ff. AktG ausgesprochen und eine Schwelle von 95% festgelegt.1647 Dahinter steht nicht nur eine verfassungsrechtliche Fragestellung, sondern auch ein ökonomisches Phänomen, nämlich die unter dem Begriff des Free Riding bekannte Situation, in der ein Beteiligter Vorteile nutzt, ohne dafür einen entsprechenden Beitrag zu leisten. Während der Minderheitsaktionär von den Bestrebungen des Fast-Alleinaktionärs profitiert, der sich aufgrund seiner herausragenden Beteiligung in besonderem Maße mit der Gesellschaft identifiziert, bildet der Kapitalbeitrag der verbleibenden Minderheitsaktionäre keinen wesentlichen Beitrag zur Förderung des Gesellschaftszwecks mehr. Im Ergebnis bedarf der die Minderheit ausschließende Beschluss der Hauptversammlung daher keiner inhaltlichen Rechtfertigung. Irreführend ist hingegen die Formulierung, er „trage seine Rechtfertigung in sich“1648, vermutlich zurückgehend auf die ebenso unglückliche Formulierung des BGH für die Beschlüsse über die Auflösung der Gesellschaft.1649 Hinzuweisen ist auch darauf, dass ähnliche Regelungen im europäischen Ausland bestehen1650 und der deutsche Gesetzgeber auch das Ziel verfolgte, für einen Gleichlauf des AktG mit diesen Bestimmungen im Ausland zu sorgen. Gleichwohl ist er über deren Anwendungsbereich hinausgegangen, da sich diese regelmäßig auf Übernahme- oder Umwandlungssituationen beschränken oder einen Ausschluss des Minderheitsaktionärs nur für börsennotierte Gesellschaften zulassen.1651
2. Die qualifizierte Antrags- und einfache Stimmenmehrheit Die qualifizierte Kapitalmehrheit des Antragstellers von 95% – gleich welcher Aktiengattung1652 – kann sich nach § 327a II AktG auch durch Zurechnung der Aktien abhängiger Unternehmen nach § 16 II, III AktG ergeben, um etwa die Not___________ 1646 1647
1648 1649 1650 1651 1652
So der Rechtsgedanke in BVerfG ZIP 1999, 1436, 1439 (DAT/Altana); BVerfG ZIP 2000, 1670 (Moto Meter). Diese Schwelle steht in keinem Zusammenhang zu den Minderheitsrechten, die an eine Beteiligung von 10% anknüpfen, so dass sich kein Gegenschluss auf eine Schwelle von 90% + x ergibt, so jedoch Kallmeyer, AG 2000, 59. So etwa die Aussage bei Dißars, BKR 2004, 389, 393; Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 120, 143; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 327 a, Rn. 11. BGHZ 76, 352, 353; BGHZ 103, 184, 190 (Linotype). Dazu Habersack, ZIP 2001, 1230, 1233; Sieger/Hasselbach, NZG 2001, 926, 927–930. Dazu im Einzelnen Habersack, ZIP 2001, 1230, 1233. Fuhrmann/Simon, WM 2002, 1211, 1212.
C. Der Ausschluss des Aktionärs aufgrund spezialgesetzlicher Institute
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wendigkeit teurer Umstrukturierungen in Konzernverbänden zu vermeiden.1653 Das verdient Zustimmung, da der Aktionär auch wirtschaftlicher Eigentümer dieser Anteile ist und es keinen Unterschied macht, ob sich sein Quasi-Alleineigentum an der Aktiengesellschaft aus direkten oder vermittelten Beteiligungen ergibt. Vom hier vertretenen Standpunkt aus ist es hingegen problematisch, die von beherrschten Unternehmen gehaltenen Anteile voll zuzurechnen, wenn der Hauptaktionär seinerseits nur quotal an dem beherrschten Unternehmen beteiligt ist.1654 Da sich die Berechtigung des Hauptaktionärs zum Ausschluss der Minderheit daraus herleitet, dass er als Quasi-Alleineigentümer seine Eigeninteressen mit denen der Gesellschaft gleichsetzen darf, muss er das von der Gesellschaft gehaltene Kapital nahezu vollständig aufgebracht haben und daher wirtschaftlicher FastAlleineigentümer sein. Dazu reicht es nicht aus, dass er über seine Mehrheitsbeteiligung an beherrschten Unternehmen deren Abstimmungsverhalten in der Hauptversammlung der Zielgesellschaft steuern kann. Die bloße Beherrschung des Abstimmungsverhaltens begründet ein Principal-Agent-Verhältnis in den beherrschten Unternehmen, führt hingegen weder dort noch in der herrschenden Gesellschaft zu einer wirtschaftlich betrachteten Quasi-Eigentümerstellung. Nur soweit bei Gesamtbetrachtung aller an einem Konzernverbund beteiligten Gesellschaften der Mehrheitsgesellschafter als wirtschaftlicher Quasi-Alleineigentümer des Verbundes erscheint, kann er durch Zurechung von Beteiligungen die Quote von 95% in der relevanten Aktiengesellschaft erreichen. Wegen der Leitbildfunktion des § 327 a I 1 AktG muss auch hierfür die Schwelle von 95% maßgeblich sein. Denkbar ist es danach, dass einzelne Beteiligungen auch dann zugerechnet werden, wenn die Schwelle von 95% in diesen nicht erreicht wird, sofern nur auf den Gesamtverbund bezogen dieser Prozentsatz von dem Antragsteller erreicht wird. Da im mehrstufigen Konzern eine Zurechnung nach § 327 a II AktG auf verschiedenen Stufen stattfinden kann, ist es möglich, dass der Hauptgesellschafter auf jeder beliebigen Stufe zum Squeeze out berechtigt sein kann. Soweit dieser Gesellschafter nach dem hier vertretenen Ansatz im Gesamtverbund einen Kapitalbeitrag von 95% aufgebracht hat, ist dies unbedenklich. Anderenfalls würde sich hingegen die Möglichkeit ergeben, durch geschickte Zurechnung und eventuelle Umschichtung auf jeder Stufe die Quote von 95% zu erreichen und schrittweise alle Minderheitsaktionäre auszuschließen.1655 Der Mehrheitsaktionär muss nach h. M. während des Squeeze out-Verfahrens vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zum Hauptversammlungsbeschluss, danach jedoch nicht mehr bis zur Eintragung ins Handelsregister, über die erforderliche Kapitalmehrheit von 95% verfügen.1656 Während das AktG die erforderliche An___________ 1653 1654 1655 1656
Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1206; siehe auch die Begründung zum Gesetzesentwurf, BegrRegE, BR-Drs. 574/01. A. A. Fuhrmann/Simon, WM 2002, 1211, 1212. Vgl. zum Squeeze out auf verschiedenen Stufen auch Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 120, 134 f. Maslo, NZG 2004, 163, 164; Fuhrmann/Simon, WM 2002, 1211, 1212; Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 120, 138; Hasselbach, in: KölnKomm.-WpÜG, 2003, § 327 a, Rn. 38; a. A.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
tragsmehrheit in § 327 a I 1 AktG benennt, schweigt es sich zur notwendigen Abstimmungsmehrheit in der Hauptversammlung aus. Die Frage nach der erforderlichen Beschlussmehrheit ist nicht lediglich rein theoretischer Natur, da Mehrstimmrechte, Stimmrechtsbeschränkungen und vor allem stimmrechtslose Vorzugsaktien ein Quorum von 95% verhindern können. Die Berechtigung zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre stützt sich auf die Beteiligungsquote und damit auf den Vermögenseinsatz des Mehrheitsgesellschafters in der Aktiengesellschaft, nicht auf seine Stimmrechtsmacht. Daher ist es zutreffend, nur eine einfache Abstimmungsmehrheit nach § 133 I AktG zu fordern.1657 Dies ergibt sich außerdem aus einer Parallelwertung zur Eingliederung nach § 319 I 2 AktG, wo ebenfalls nur eine entsprechende Kapital-, nicht aber Stimmrechtsmehrheit vorausgesetzt wird. Im Streitfall muss der Hauptaktionär seine Berechtigung im Ausschlussverfahren nachweisen. Ob diesem Nachweis genügt wurde, ist vom Leiter der Hauptversammlung nachzuprüfen.1658 Nur sofern diesem durch vom Mehrheitsaktionär beigebrachte Unterlagen zweifelsfrei nachgewiesen wird, dass die erforderliche Mehrheit durch den Antragsteller erreicht wird, liegen die Voraussetzungen für einen Ausschluss vor. Hierzu reicht die Vorlage von Inhaberaktien aus, da aufgrund der wertpapierrechtlichen Besonderheiten von Inhaberpapieren die Vermutungswirkung des § 1006 I BGB zugunsten des Besitzers eingreift.1659 Diese Beweislastverteilung ergibt sich nicht nur aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach jeder die Voraussetzungen einer ihm günstigen Norm nachzuweisen hat, sondern auch aufgrund der Problematik, dass der Gegenbeweis dem Minderheitsaktionär geradezu unmöglich sein wird. Dem Minderheitsaktionär stehen der Bericht des Hauptaktionärs an die Hauptversammlung nach § 327 a II 1 AktG und der Prüfbericht über die angebotene Barabfindung durch einen oder mehrere Prüfer nach § 327 c II 2 AktG, die nach § 327 c III AktG von Einberufung der Hauptversammlung an in den Geschäftsräumen und nach § 327 d I AktG auch in der Hauptversammlung zur Einsicht durch die Aktionäre auszulegen sind, zur Verfügung.1660 Hieraus können sich erste Zweifel an der Berechtigung des Hauptaktionärs ergeben. Dass es an den Voraussetzungen des § 327 a AktG fehlt, geht aus
___________
1657
1658 1659 1660
Grzimek, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 327 a, Rn. 52 (nur zum Zeitpunkt der Hauptversammlung); die Rechtsfolge bei Fehlen dieser Mehrheit ist str.: für Nichtigkeit Maslo, a. a. O.; Fuhrmann/Simon, WM 2002, 1211, 1212; für Anfechtbarkeit Hasselbach, in: KölnKomm.-WpÜG, 2003, § 327 a, Rn. 41. Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2010, § 327 a, Rn. 11; Dißars, BKR 2004, 389, 390; Fuhrmann/ Simon, WM 2002, 1211, 1213; Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 120, 142 f.; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 204 f. Hasselbach, in: KölnerKomm.-WpÜG, 2003, § 327 a, Rn. 39. So zutreffend OLG Düsseldorf AG 2006, 202, 204. Siehe zu Transparenz und Information bei Squeeze out etwa Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 120, 139; Maslo, NZG 2004, 163, 168.
C. Der Ausschluss des Aktionärs aufgrund spezialgesetzlicher Institute
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diesen Unterlagen jedoch nicht zwingend hervor. Umgekehrt fällt es dem Mehrheitsaktionär leicht, diese Voraussetzungen nachzuweisen.1661
3. Anfechtbarkeit rechtswidriger Squeeze out-Beschlüsse Die Tatsache, dass ein Squeeze out-Beschluss keiner Inhaltskontrolle unterliegt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach den allgemeinen Grundsätzen einen Eingriff in die Rechtsstellung der Minderheitsaktionäre darstellt und als solcher einer Rechtfertigung bedarf. Diese Rechtfertigung besteht jedoch bereits darin, dass der Mehrheitsaktionär über eine (wirtschaftliche) Mehrheitsbeteiligung von 95% verfügt. Die mit dem Ausschluss der Minderheit verfolgten Motive sind daher irrelevant, sofern nicht besondere Umstände vorliegen. Rechtswidrig ist der Beschluss danach insbesondere dann, wenn es an der entscheidenden Voraussetzung, der qualifizierten Mehrheit des Mehrheitsaktionärs fehlt. Daneben führen ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, die Verfolgung eines Sondervorteils im Sinne des § 243 II AktG und ein institutioneller Rechtsmissbrauch zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses. Zugleich ist ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz kaum denkbar, da als Rechtsfolge des Squeeze out-Beschlusses sämtliche verbliebenen Minderheitsaktionäre ausscheiden. Ebenso verhält es sich mit dem Sondervorteil nach § 243 II AktG, da der Mehrheitsaktionär mit der Ausübung des Stimmrechts gerade den Zweck verfolgen darf, zum eigenen Vorteil die Minderheitsaktionäre auszuschließen, um eine gegebenenfalls zu erwartende vorteilhafte Entwicklung alleine nutzen zu können. Demgegenüber können Treuepflichtverstöße und ein institutioneller Rechtsmissbrauch durchaus auftreten. a) Verstöße gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Ein Treuepflichtverstoß liegt nahe, wenn die Minderheitsaktionäre erst kurz vor ihrem Ausschluss zum Kauf der Aktien bewogen wurden.1662 Einen typischen Fall stellt es etwa dar, wenn der Mehrheitsaktionär auf Kosten der Minderheitsaktionäre Marktschwankungen ausnutzen will, indem die Minderheitsaktionäre ihren Einstieg in die Gesellschaft teuer bezahlen müssen und anschließend bei schwächerer Marktlage billig abgefunden werden.1663 ___________ 1661
1662
1663
Daher trägt der Verweis der Gegenansicht, Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 120, 140, auf die praktischen Schwierigkeiten, die sich für den Mehrheitsgesellschafter aus einer ihn treffenden Beweislast ergeben sollen, nicht. Vgl. dazu auch Vetter, ZIP 2000, 1817, 1823 f. Fleischer, ZGR 2002, 757, 785 f.; Grunewald, ZIP 2002, 18, 22 (venire contra factum proprium); Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 248; a. A. Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1210. Hier drängt sich die Parallele zu Börsengang und Rückverschmelzung in zeitlicher Nähe auf, vgl. dazu Hofmann/Krolop, AG 2005, 866, 873 ff.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
Hat der Mehrheitsaktionär durch sein Verhalten gerade erst die Grundlage für den Beitritt der Minderheitsaktionäre geschaffen, konnte sich ein berechtigtes Vertrauen darauf bilden, dass er nicht in zeitlicher Nähe zu deren Beitritt von seiner Ausschlussmöglichkeit Gebrauch machen würde. Noch deutlicher ist dies, wenn der Mehrheitsaktionär ausdrücklich versichert hat, zu einem Squeeze out werde es nicht kommen. Solchen Zusagen wegen ihrer „nur“ schuldrechtlichen Natur Rechtswirkungen auf den Ausschließungsbeschluss absprechen zu wollen,1664 verkennt die Konzeption und Reichweite der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, die unter Beachtung sämtlicher Aspekte der gesellschafterlichen Verbindung, zu denen rechtliche wie tatsächliche Umstände zählen, die Reichweite und den Inhalt der Pflichtbindungen unter den Gesellschaftern bestimmt.1665 Auch der Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers vermag das Vorgehen der Mehrheit nicht zu rechtfertigen,1666 da sich dieser nur auf den qualifizierten Mehrheitsausschluss bezieht, missbräuchliche Vorgänge im Vorfeld jedoch nicht erfasst. Auch kann dem Minderheitsaktionär nicht mit dem Hinweis auf seine „spekulative“ Beteiligung und die jederzeitige Ausschlussmöglichkeit aufgrund der vom Gesetzgeber vorgesehenen Squeeze out-Vorschriften jeder Schutz versagt werden.1667 Diesem Argument ist nicht einmal für die Kleinanleger einer börsennotierten Aktiengesellschaft zu folgen, da das Verhalten des Mehrheitsaktionärs gerade auch die vermögensrechtliche Seite der Beteiligung betrifft. Im Übrigen gelten die Gebote der Treuepflicht in jeder Aktiengesellschaft, wenn auch die Art und Höhe der Beteiligung der Mitaktionäre für den Inhalt der Treuepflicht im Einzelfall von Bedeutung ist. Allerdings vermag die bloße zeitliche Nähe von vorausgehender und den Anreiz schaffender Maßnahme und Squeeze out-Beschluss nicht auszureichen, sofern der Mehrheitsaktionär für den Anreiz sachliche Gründe anführen und auch begründen kann, weshalb sich die eingangs vertretene Beurteilung der Investitionslage in der kurzen Zeit verändert hat. Doch wirkt sich die zeitliche Nähe von Beitritt und Ausschluss aus: Während nach allgemeinen Grundsätzen den anfechtenden Minderheitsaktionär die Beweislast für eine Treuepflichtverletzung des Mehrheitsgesellschafters trifft, begründet eine zeitliche Nähe eine Vermutungswirkung zulasten des Mehrheitsaktionärs, die dieser durch Darlegung sachlicher Gründe entkräften muss.1668 Im Übrigen kommt ein Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht in Betracht, wenn der Minderheitsaktionär in einer Sondersituation betroffen ist, ihm etwa ein Schaden droht, der durch angemessene Abfindung allein nicht ausgeglichen werden kann, oder ihm entgegen seiner Minderheitsbeteiligung durch Satzungsbestimmung oder schuldrechtliche Verträge eine herausgehobene Stellung in ___________ 1664 1665 1666 1667 1668
Nach „schuldrechtlichen“ und „dinglichen“ Bindungen unter den Aktionären unterscheidend jedoch Fuhrmann/Simon, WM 2002, 1211, 1214. Zu Grundlagen und Inhalt der Treuepflicht unter § 2 A. So jedoch Dißars, BKR 2004, 389, 393. So jedoch Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1210. Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1210.
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der Gesellschaft eingeräumt wurde, durch die ihm ein größeres Gewicht in der Gesellschaft zukommt als es seine Beteiligung widerspiegelt.1669 Diese Umstände sind bei dem Squeeze out-Beschluss zu berücksichtigen und mit den Interessen des Mehrheitsaktionärs an einem Ausschluss abzuwägen. b) Verstöße gegen das Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs Ein institutioneller Rechtsmissbrauch liegt demgegenüber vor, wenn die Mehrheit im Wege eines Squeeze out-Beschlusses ein Ziel verfolgt, das der Gesetzgeber so nicht vorgesehen hat bzw. die vom Gesetzgeber vorgesehene Ausschlussmöglichkeit zu sachfremden Zwecken entfremdet.1670 Da der Gesetzgeber jedoch gerade ein Mittel zur Verfügung stellen wollte, mit dem eine qualifizierte Mehrheit die verbleibende Minderheit ohne inhaltliche Anforderungen ausschließen kann, kommen hierfür nur wenige Fälle in Betracht. Erforderlich ist, dass nur vordergründig die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Situation herbeigeführt wird, wonach in einer Aktiengesellschaft die überragende Kapitalmehrheit zum Ausschluss einer Restminderheit ausgenützt wird. Dies kommt in Betracht, wenn dem Squeeze out ein Rechtsformwechsel vorausgeht, um in der Rechtsform der Aktiengesellschaft einen ansonsten nicht möglichen Minderheitsausschluss durchführen zu können, insbesondere, aber nicht nur, sofern die Gesellschaft danach wieder in ihre ursprüngliche Rechtsform zurückgeführt wird.1671 In diesen Fällen fehlt es am Vorliegen der gesetzgeberischen Intention, für die Aktiengesellschaft wegen der dort besonders gravierenden Störerrolle kleiner Minderheitsbeteiligungen eine rein beteiligungsabhängige Bereinigungsmöglichkeit zu schaffen. Dabei ist nicht nur der Squeeze out-Beschluss, sondern auch der vorausgehende Umwandlungsbeschluss anfechtbar, da dieser ebenfalls zu sachfremden Zwecken ergeht.1672 Nach den dafür geltenden Grundsätzen und entgegen der h. M. unterliegt, wie unter § 12 zu begründen sein wird, auch ein Umwandlungsbeschluss einer Inhaltskontrolle, die sich an einem legitimen Zweck, der geboten, erforderlich und angemessen sein muss, orientiert. An welchen Kriterien sich diese Zweckverfolgung ausrichten darf, wird zu untersuchen sein. Dient der Umwandlungsbeschluss nur dem Zweck, einen Squeeze out nach § 327 a AktG vorzubereiten, fehlt es jedenfalls an einer legitimen Zweckverfolgung, und er ist anfechtbar. Einen weiteren Anwendungsfall des institutionellen Rechtsmissbrauchs stellt es dar, dass sich der Mehrheitsaktionär die erforderliche Mehrheit nur vorübergehend beschafft. Dafür steht auch ein einfacher Weg zur Verfügung: Formieren sich mehrere Aktionäre zu einer BGB-Gesellschaft und übertragen auf diese die von ___________ 1669 1670 1671
1672
Dazu und zur Rechtslage im niederländischen Recht Habersack, ZIP 2001, 1230, 1233. Vgl. Grunewald, ZIP 2002, 18, 21; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 247. Grunewald, ZIP 2002, 18, 22; Habersack, ZIP 2001, 1230, 1234 f.; i. E. auch Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 248 f. Grunewald, ZIP 2002, 18, 22.
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ihnen gehaltenen Aktien, kann die BGB-Gesellschaft hierdurch die erforderliche Mehrheit erlangen und den Ausschluss der nicht beteiligten Minderheitsaktionäre betreiben, während es für einen reinen Stimmen-Pool, also eine schuldrechtliche Vereinbarung unter Aktionären zur Stimmbündelung, schon an der entscheidenden Voraussetzung, der Zurechnung der Anteile an einen Aktionär, fehlt.1673 Werden die Aktien anschließend auf ihre ursprünglichen Eigentümer rückübertragen und die BGB-Gesellschaft aufgelöst, mangelt es auch in dieser Gestaltung an den vom Gesetzgeber für das Squeeze out-Verfahren vorgesehenen Voraussetzungen, wonach nur der tatsächliche Quasi-Alleineigentümer der Aktiengesellschaft die bestehende Beteiligungskonstellation im Eigeninteresse bereinigen darf. Auch ein solcher Squeeze out-Beschluss ist daher anfechtbar.1674 Ein Missbrauch kommt auch in Betracht, wenn sich der Mehrheitsaktionär die 95%-Mehrheit durch eine Kapitalerhöhung mit gleichzeitigem Bezugsrechtsausschluss verschafft. Der Missbrauch ist dabei schon auf der ersten Stufe, dem Bezugsrechtsauschluss, anzusiedeln. Ein solcher Beschluss ist an inhaltliche Kriterien gebunden; er bedarf einer Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse und muss sich unter Abwägung der beteiligten Interessen als verhältnismäßiger Eingriff in die Mitgliedschaft der ausgeschlossenen Minderheit darstellen, zu der es auch gehört, bei Kapitalerhöhungen die bisherige Beteiligungsquote aufrecht erhalten zu können.1675 An diesen Grundsätzen hat die Rechtsprechung festgehalten, wenn auch im Interesse der Funktionsfähigkeit des Vorstandshandelns ein Teil der Prüfung von der Hauptversammlung auf den Vorstand soll übergehen dürfen.1676 Dient der Bezugsrechtsausschluss nur dem Ziel, die zum Ausschluss der Minderheit erforderliche Mehrheit zu erlangen, fehlt es auch nach den Kriterien der Rechtsprechung an einer Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse. Erforderlich ist, dass die an der Entscheidung beteiligten Organe aufgrund sorgfältiger, von gesellschaftsfremden Erwägungen freier Abwägung davon ausgehen durften, dass der Bezugsrechtsausschluss zum Besten der Gesellschaft und Aktionäre diene.1677 Vielmehr erfolgt die Maßnahme im ausschließlichen Interesse des Mehrheitsaktionärs. Damit ist schon der Beschluss über die Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss anfechtbar. Zusätzlich ist aber auch der Squeeze out-Beschluss anfechtbar, da es an der vom Gesetzgeber geforderten Voraussetzung fehlt, dass sich der Mehrheitsgesellschafter als Quasi-Alleineigentümer sämtliche Gesellschaftsanteile einverleiben darf. Hat sich dieser seine überragende Beteiligung durch eine rechtswidrige Maßnahme gesichert, kann er nicht als Quasi-Alleineigentümer anerkannt werden. Erfüllt er umgekehrt die Voraussetzungen an einen ___________ 1673 1674
1675 1676 1677
So auch. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 327a, Rn. 13; Grunewald, ZIP 2002, 18. So i. E. auch Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1206; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 327a, Rn. 12. Nichtigkeit nach § 241 I Nr. 3 AktG statt Anfechtbarkeit vertritt hingegen Baums, Ausschluss von Minderheitsaktionären, 2001, S. 144 i. V. m. 142; ders., WM 2001, 1843, 1846. Dazu BGHZ 71, 40, 44–46; BGHZ 83, 319, 321; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 186, Rn. 25. BGHZ 136, 133, 136–139. Hierzu im Einzelnen unter § 15 B. BGHZ 71, 40, 50.
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rechtmäßigen Bezugsrechtsausschluss, da er für diesen Vorgang sachliche Gründe im Gesellschaftsinteresse anführen kann, ist er zu einem späteren Zeitpunkt auch zum Ausschluss der verbleibenden Minderheit berechtigt.1678 Beweisrechtlich gilt auch insoweit, dass die Voraussetzungen des institutionellen Rechtsmissbrauchs vom Minderheitsaktionär geltend zu machen und zu beweisen sind.1679 Aus den Umständen des Einzelfalls können sich jedoch Beweiserleichterungen ergeben: Ein dem Squeeze out in zeitlicher Nähe vorausgegangener Rechtsformwechsel begründet ebenso eine Vermutung zulasten des Mehrheitsaktionärs wie die Rückübertragung kurz zuvor hinzuerworbener Aktien auf den ursprünglichen Rechtsträger.1680
4. Der Abfindungsanspruch des Minderheitsgesellschafters Für den Verlust seiner Mitgliedschaft muss der Mehrheitsaktionär den Minderheitsaktionär nach § 327 a I 1 AktG durch Barzahlung angemessen abfinden. Dieses Gebot folgt aus den Vorgaben des Art. 14 I GG, wonach dem ausgeschlossenen Gesellschafter zwar seine Mitgliedschaft entzogen werden darf, ein Vermögensverlust jedoch ausgeschlossen sein muss.1681 Nach den allgemeinen Grundsätzen muss die Abfindung dem objektiven Verkehrswert der Beteiligung entsprechen. Für börsennotierte Gesellschaften ist zudem zu beachten, dass die Bewertung des Unternehmens durch die Marktteilnehmer in Form des Börsenkurses der Aktie regelmäßig die Untergrenze der Abfindung bilden muss.1682 Dabei ist auf einen Dreimonatszeitraum abzustellen, der sich ausgehend von der Bekanntgabe der Squeeze out-Maßnahme, nicht der Hauptversammlung, in der über den Ausschluss beschlossen wird, rückwirkend berechnet.1683 Hierdurch wird vermieden, dass die sich durch das Bekanntwerden der Squeeze out-Maßnahme eintretende Kursbeein___________ 1678
1679 1680
1681
1682 1683
So im Ergebnis auch Baums, Ausschluss von Minderheitsaktionären, 2001, S. 133–139; Grunewald, ZIP 2002, 18 f.; Rühland, Der Ausschluß des Minderheitsaktionärs aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 194. Zu den Grundsätzen siehe unter § 4 B. II. Zutreffend geht das OLG Düsseldorf AG 2006, 202, 203 f., hingegen davon aus, dass die bloße Behauptung der ausgeschlossenen Minderheit, die Hauptaktionärin sei nur zur vorübergehenden Bildung der notwendigen Mehrheit gebildet worden, nicht ausreicht, um dieser die Substantiierungslast aufzuerlegen. Hingegen reicht es nach zutreffender Ansicht des Gerichts aus, dass die Existenz entsprechender Vereinbarungen nachgewiesen wird. Vgl. auch Grunewald, in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2004, § 327 a, Rn. 22. Hierzu nochmals der Verweis auf BVerfG ZIP 2007, 175, 176 (Siemens/Nixdorf); BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 (Moto Meter); BVerfGE 100, 289, 303 = NJW 1999, 3769, 3770 (DAT/Altana); BVerfG ZIP 1999, 1804 = NZG 2000, 28, 29 (Hartmann & Braun); BVerfGE 14, 263, 278 (Feldmühle); BVerfG WM 2003, 1813 (DAB/Hansa); BVerfG NJW 2007, 3268, 3270 (Rn. 26). Im Einzelnen dazu unter § 11. BVerfG ZIP 1999, 1436, 1442 (DAT/Altana); bestätigt durch BVerfG ZIP 2007, 175, 176 (Siemens/Nixdorf); zustimmend BGHZ 147, 108, 115 ff. = NJW 2001, 2080. So aber Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1207.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
flussung in der Abfindungshöhe niederschlägt.1684 Außerdem wird so dem Umstand Rechnung getragen, dass der Mehrheitsaktionär nach § 327 c II, III AktG bereits mit Einberufung der Hauptversammlung die Barabfindung bekannt geben muss. Da er die bis zur Abhaltung der Hauptversammlung zu erwartende Entwicklung des Börsenkurses schwerlich voraussehen kann, müsste er sein Angebot in der Hauptversammlung gegebenenfalls nach oben korrigieren, und es wäre trotz § 124 IV 1 AktG über diesen geänderten Beschluss abzustimmen, da die erhöhte Abfindung dem Interesse des Minderheitsaktionärs dient.1685 Eine Ausnahme soll jedoch greifen, wenn der Börsenkurs keine verlässliche Grundlage für den Wert der Beteiligung zu liefern vermag und daher das in der Aktie verkörperte quotale Unternehmenseigentum überbewertet.1686 Das kann in den Squeeze out-Konstellationen durchaus der Fall sein, da sich wegen der hohen Beteiligung des Mehrheitsaktionärs kaum noch Aktien im Streubesitz befinden und daher kaum noch Handel an den Börsenplätzen stattfindet.1687 Die Beweislast hierfür trifft denjenigen, der sich auf die fehlende Relevanz des Aktienkurses beruft.1688 Gelingt dieser Nachweis, ist der Unternehmenswert durch Bewertungsgutachten zu bestimmen. Dabei stehen die verschiedenen Einzel- und Gesamtbewertungsverfahren zur Verfügung. Da die zur ersteren Gruppe gehörenden Substanz- und Liquidationswertverfahren nur den statischen Unternehmenswert erfassen, das zukünftige Entwicklungspotential hingegen unbewertet lassen, sind die zur zweiten Gruppe zählenden Ertragswertverfahren vorzugswürdig und werden auch von der Rechtsprechung zugrunde gelegt.1689 Danach ist der zukünftige Ertrag des Gesamtunternehmens zu bestimmen und davon ausgehend der Wert des einzelnen Anteils als dessen Bruchteil zu ermitteln.1690 Da der den Ausschluss betreibende Mehrheitsgesellschafter die Abfindung an den Minderheitsgesellschafter nach § 327 a I AktG schuldet, ist darüber zu wachen, dass er den Abfindungsbetrag auch tatsächlich selbst aufbringt und die Abfindungsschuld nicht auf die Aktiengesellschaft abwälzt. Unzulässig ist es daher, wenn der Mehrheitsgesellschafter zunächst eine Sonderdividende beschließt, hierzu Rücklagen der Aktiengesellschaft auflöst und den an die Minderheit ausgeschütteten Anteil daraus auf die Abfindung anrechnet. Der Mehrheitsaktionär wälzt durch eine solche Gestaltung die ihn nach § 327 a I AktG treffende Zahlungspflicht auf die Aktiengesellschaft ab.1691 Überhaupt ist problematisch, inwieweit Dividendenzahlungen von der Abfindungshöhe abzuziehen sind. Unterschieden wird nach dem Stichtagsprinzip danach, ob sie zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Aus___________ 1684 1685 1686 1687 1688 1689 1690 1691
Vgl. Rühland, Der Ausschluß des Minderheitsaktionärs aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 217. Vgl. Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1207 f.; Krieger, BB 2002, 53, 56. ZIP 1999, 1436, 1441 (DAT/Altana); zustimmend BGHZ 147, 108, 116. Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1207; Mattes/Maldeghem, BKR 2003, 531, 536; Habersack, ZIP 2001, 1230, 1238; Vetter, ZIP 2000, 1817, 1822. Nur aus Sicht des Mehrheitsaktionärs Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 327 b, Rn. 5. Gebilligt von BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769, 3771 (DAT/Altana). Hierzu im Einzelnen die Darstellung unter § 11. LG Frankfurt DB 2004, 2742, 2743.
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schluss schon angelegt waren. Da die Abfindung die Verhältnisse der Aktiengesellschaft zum Zeitpunkt der Beschlussfassung berücksichtigen muss, sind später eintretende Umstände nicht berücksichtigungsfähig.1692
5. Die Rechtsbehelfe der ausgeschlossenen Minderheit Die Rechtsbehelfe gegen den Ausschluss richten sich danach, ob der Aktionär den Ausschließungsbeschluss als solchen oder nur die Höhe der angebotenen Barabfindung angreift. Mit der Rüge, die festgelegte Barabfindung sei nicht angemessen, ist der Aktionär nach § 327 f AktG auf das Spruchverfahren verwiesen. Die demgegenüber zur Anfechtung berechtigenden Rügen wurden unter 3. dargestellt. Daneben kann sich eine Anfechtung auch auf die Rüge von Verfahrensmängeln stützen, etwa die fehlerhafte Einberufung der Hauptversammlung, einen mangelhaften Übertragungsbericht des Hauptaktionärs oder Fehler bei der Auslage der relevanten Unterlagen.1693 Problematisch sind Verletzungen der Informationsrechte der Minderheitsaktionäre. Während sie nach teilweise vertretener Ansicht1694 zur Anfechtung des Beschlusses berechtigen sollen, können sie nach der Gegenauffassung1695 nur im Wege des Spruchstellenverfahrens gerügt werden. Zutreffenderweise sind wie auch bei Unternehmensverträgen1696 nur ausschließlich abfindungsrelevante Informationen von der Anfechtungsbefugnis ausgenommen und stattdessen im Spruchverfahren auszutragen.
III. Das Squeeze out-Verfahren in Übernahmesituationen In Übernahmesituationen besteht nach § 39 a WpÜG ein neben die allgemeinen Bestimmungen der §§ 327a ff. AktG tretendes spezielles Ausschlussverfahren, das der Umsetzung der Vorgaben der Übernahmerichtlinie dient und Fragen eigener Art aufwirft.
1. Die erforderliche Beteiligungsquote Die Regelung des § 39 a I WpÜG stellt einen Fremdkörper im System der Bestimmungen über den Ausschluss von Gesellschaftern dar. Während die übrigen ___________ 1692
1693 1694
1695 1696
OLG Hamburg AG 2003, 441, 442; in dem der Entscheidung des LG Frankfurt DB 2004, 2742 zugrunde liegenden Sachverhalt erfolgte die Ausschüttung der Dividende noch vor dem Beschluss und war nach Ansicht des Gerichts daher anrechnungsfähig, vgl. a. a. O., S. 2743. Vgl. die Aufzählung bei Dißars, BKR 2004, 389, 391. Implizit OLG Stuttgart AG 2004, 105, 106–108; Grunewald, ZIP 2002, 18, 21; offen gelassen von OLG Düsseldorf AG 2005, 654, 655. Siehe zur Rechtslage bei Umwandlungsvorgängen Henze, ZIP 2002, 97, 101–107. OLG Köln AG 2004, 39, 40; Vetter, AG 2002, 176, 189; Dißars, BKR 2004, 389, 392. BGHZ 122, 211, 238. Dazu ausführlich unter § 14 B I 6.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
Regelungen voraussetzen, dass für den Ausschluss ein besonderer Grund im Interesse der Gesellschaft oder Mitgesellschafter besteht oder der den Ausschluss betreibende Mehrheitsgesellschafter aufgrund seiner überragenden Beteiligung als Quasi-Alleineigentümer anzusehen ist,1697 bricht das WpÜG mit dieser Systematik. § 39 a WpÜG fordert zwar die aus § 327a AktG bekannte Quote von 95%, bezieht diese jedoch nur auf die jeweilige Aktiengattung und lässt nach § 39 a I 1 WpÜG einen Ausschluss der verbleibenden Inhaber von Stammaktien zu, wenn der Mehrheitsgesellschafter 95% dieser Gattung hält, unabhängig davon, welchen Anteil am Grundkapital der Gesellschaft er selbst aufgebracht hat. Lediglich für die Verdrängung der Vorzugsaktionäre bedarf es nach § 39 a I 2 WpÜG einer Kapitalbeteiligung von 95%. Bei entsprechender Verteilung von Stamm- und Vorzugsaktien ist es daher möglich, dass ein Aktionär die verbleibenden Stammaktionäre ausschließt, auch wenn er nur einen geringen Anteil des Grundkapitals selbst beigesteuert hat. Dem deutschen Gesetzgeber blieb freilich gar keine Wahl, da die ÜbernahmeRichtlinie1698 nur einen beschränkten Umsetzungsspielraum eröffnet. Art. 15 der Richtlinie schreibt in Abs. 2 vor, dass ein Ausschlussrecht für einen der Fälle einzuführen ist, dass entweder der Bieter Wertpapiere hält, die mindestens 90% des stimmberechtigten Kapitals der Zielgesellschaft und 90% der Stimmrechte der Zielgesellschaft entsprechen, oder der Bieter durch Annahme des Angebots Wertpapiere erworben oder sich fest vertraglich verpflichtet hat, solche Wertpapiere zu erwerben, die mindestens 90% des stimmberechtigten Kapitals der Zielgesellschaft und 90% der vom Angebot betroffenen Stimmrechte entsprechen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich zur Umsetzung der ersten Alternative entschieden und dabei den eröffneten Gestaltungsspielraum ausgeschöpft, um die neuen Regelungen weitest möglich der bisherigen Systematik anzupassen. Hierzu wurde die Ermächtigung, den Schwellenwert auf 95% heraufzusetzen, ebenso wahrgenommen wie die in Art. 15 III der Richtlinie vorgesehene Option, das Ausschlussrecht auf die Gattung zu beschränken, in der die geforderte Beteiligungsschwelle erreicht wird. Da sich § 39 a WpÜG streng an den europarechtlichen Vorgaben orientiert, besteht kein Raum zur Überprüfung der Vorschrift anhand deutschen Verfassungsrechts.1699 Auch Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen eu___________ 1697
1698
1699
Dies wurde für das Squeeze out-Verfahren nach §§ 327 a ff. AktG bereits dargestellt und wird für die Mehrheitseingliederung noch unter IV. zu erörtern sein. Der Ausschluss aus wichtigem Grund setzt demgegenüber voraus, dass ein weiterer Verbleib des Gesellschafters den Interessen der Gesellschaft widerspricht, dazu unter B. Bei statutarisch vorgesehenem Ausschluss wird der Schutzbereich der Mitgliedschaft entsprechend eingeschränkt, dazu oben unter A. Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EG L 142, S. 12. Zu den englischen Ursprüngen des Art. 15 der Richtlinie siehe Hopt/Mülbert/Kumpan, AG 2005, 109, 115. Allgemein zu den Parallelen von Richtlinie und englischem Recht Grundmann, European Company Law, 2007, p. 598– 600. Das BVerfG führte zuletzt aus, der Gesetzgeber sei insoweit, als das sekundäre Gemeinschaftsrecht ihm Umsetzungsspielräume belasse, verpflichtet, diese in einer grundrechts-
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ropäische Grundrechte oder die Vorschriften der EMRK bestehen nicht, da der als europäisches Grundrecht verbürgte Eigentumsschutz in rechtsvergleichender Betrachtung ermittelt werden kann und derartige Regelungen in anderen Staaten üblich sind.1700 Daneben in § 39 a I WpÜG auch den Ausschluss der Vorzugsaktionäre zuzulassen, wenn dem Mehrheitsaktionär 95% des Grundkapitals zustehen, entspricht nach hier vertretener Auffassung der Systematik des Aktiengesetzes und der Rechtsprechung des BVerfG, beruht jedoch nicht auf den Vorgaben der Richtlinie. Zugleich verhindert die Richtlinie eine derartige Regelung auch nicht, wie sich aus Art. 15 III 2 und Erwägungsgrund 24 S. 4 der Richtlinie ergibt.1701
2. Die Höhe der geschuldeten Abfindung und ihre (mangelnde) gerichtliche Überprüfbarkeit Auch die Abfindung der ausgeschlossenen Aktionäre richtet sich nach den Spezialvorschriften des WpÜG. Nach § 39 a III UmwG hat die Art der Abfindung der Gegenleistung des Übernahme- oder Pflichtangebots zu entsprechen, so dass gegebenenfalls Aktien, daneben nach S. 2 aber auch stets wahlweise eine Barabfindung anzubieten sind. Die Höhe der Gegenleistung ist nach S. 3 als angemessene Abfindung anzusehen, wenn der Bieter im Vorfeld zu diesem Preis oder Umtauschverhältnis Aktien in Höhe von mindestens 90% des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat. Dabei sind nach S. 4 die Annahmequoten für stimmberechtigte und stimmrechtslose Aktien getrennt zu ermitteln. Die zugrunde liegende europarechtliche Vorgabe in Art. 15 V der Richtlinie lautet, dass bei einem freiwilligen Angebot die gebotene Gegenleistung dann als angemessen gilt, wenn der Bieter durch die Annahme des Angebots Wertpapiere erworben hat, die mindestens 90% des vom Angebot betroffenen stimmberechtigten Kapitals entsprechen. Bei einem Pflichtangebot soll die Gegenleistung des Angebots stets als angemessen gelten. Daraus ergeben sich Zweifel an der Vereinbarkeit von § 39 a III 3 WpÜG mit der Richtlinie, da die Voraussetzung, dass nur bei einer Annahmequote von mindestens 90% das Angebot als angemessene Gegenleistung gelten kann, auf das Pflichtangebot ausgeweitet wurde. Diese Frage bedarf jedoch keiner weiteren Ver___________
1700
1701
schonenden Weise auszufüllen, BVerfG NJW 2005, 2289, 2291 (Haftbefehl-Entscheidung). Siehe auch BVerfGE 73, 339 = NJW 1987, 577 (Solange II); BVerfGE 89, 155 = NJW 1993, 3047 (Maastricht); BVerfGE 102, 147 = NJW 2000, 3124 (Bananenmarktordnung). Zu sections 428–430F Companies Act siehe Rühland, NZG 2001, 448, 450 f. Zu § 2 I UmwG in Österreich sogleich. Hingegen wollen Heidel/Lochner, DB 2005, 2564, nicht nur das deutsche Umsetzungsgesetz, sondern die Richtlinie selbst anhand deutschen Verfassungsrechts überprüfen: „Die in Art. 15 V 4, 5 Übernahmerichtlinie vorgesehene Regelung ist mit dem Eigentumsschutz gemäß Art. 14 I GG unvereinbar und daher verfassungswidrig“. Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins, NZG 2006, 177, 179.
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tiefung, da die damit eröffnete Möglichkeit der Minderheitsaktionäre, bei geringeren Annahmequoten auf einer sorgfältigen Bestimmung des angemessenen Preises bestehen zu können, deren Interessen entspricht und daher keine minderheitsrelevanten Bedenken aufwirft.1702 Hingegen lautet die minderheitsrelevante Frage, ob die von diesen Bestimmungen ausgelöste Richtigkeitsgewähr bei Erreichen einer bestimmten Quote den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 I GG genügt. Wie auch für die notwendige Mehrheit nach § 39 a I WpÜG hängt dies von der Vorfrage ab, ob Art. 14 I GG als Prüfungsmaßstab überhaupt in Betracht kommt. Im Gegensatz zu § 39 a I WpÜG, der, wie festgestellt, die Vorgaben der Richtlinie passgenau umsetzt, ist die Antwort hierauf bei § 39 a III WpÜG nicht evident. Nur soweit die Richtlinie die Höhe des Angebots als unwiderlegliche Vermutung für die Angemessenheit des Abfindungspreises festlegt, kann von einer zwingenden europarechtlichen Vorgabe für die Regelung in § 39 a III WpÜG ausgegangen werden, während der deutsche Gesetzgeber bei einer nur widerleglichen Vermutung in der Richtlinie über die europäischen Vorgaben hinausgegangen und im Bereich dieser überschießenden Umsetzung den verfassungsrechtlichen Vorgaben untergeordnet wäre. Eine unwiderlegliche Vermutung wird teilweise mit dem deutschen Wortlaut der Richtlinie, der „gilt (. . .) als angemessen“ lautet, und zudem mit dem Argument begründet, dass der Bieter, in dessen Interesse die Ausschlussvorschriften geschaffen wurden, unangemessen belastet würde, wenn der in der Richtlinie angelegte Interessenausgleich zwischen den Aktionären und dem Bieter zu seinen Lasten verschoben würde.1703 Die besseren Argumente sprechen jedoch dagegen, eine zwingende Vorgabe anzunehmen. Das Wortlautargument unterliegt im Hinblick auf die unterschiedlichen Sprachfassungen großen Zweifeln.1704 Darüber hinaus sah der Bericht der High Level Group, auf dessen Vorschlag die Regelung in der Übernahme-Richtlinie zu___________ 1702
1703 1704
Diese Zweifel gehen darauf zurück, dass die Richtlinie nach freiwilligen Angeboten und Pflichtangeboten unterscheidet und nur in dem ersten Fall bestimmt, dass die im Angebot angebotene Abfindung dann als angemessen anzusehen sein soll, wenn der Bieter durch die Annahme des Angebots Wertpapiere erworben hat, die mindestens 90% des vom Angebot betroffenen stimmberechtigten Kapitals entsprechen, während bei einem Pflichtangebot die Gegenleistung des Angebots ohne Weiteres als angemessen gelten soll. Näher dazu Mülbert, NZG 2004, 633, 641. Ausdrücklich Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins, NZG 2006, 177, 179 f., die sich i. E. für eine unwiderlegliche Vermutung ausspricht. Die englische und die französische Fassung sprechen mit ihrem Wortlaut “presumed“ und “presumée“ für eine widerlegliche Vermutung, Mülbert, NZG 2004, 633, 634; Paefgen, FS H. P. Westermann, 2008, S. 1221, 1237; i. E. auch LG Frankfurt NZG 2008, 665 (Rn. 48 ff.); Schüppen, BB 2006, 165, 168, unter Hinweis auf Art. 5 VI der Richtlinie, wonach weitere Instrumente zum Schutz der Interessen der Wertpapierinhaber vorgesehen werden können, sofern diese Instrumente den normalen Gang eines Angebots nicht behindern. Unentschieden Merkt, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung am 10.5.2006 zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum WpÜG, S. 19; Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193, 2201. A. A. Krause, BB 2004, 113, 118; Wiesner, ZIP 2004, 343, 349; Hasselbach, ZGR 2005, 387, 405–407: Austmann/Mennicke, NZG 2004, 846, 851.
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rückgeht, vor, dass die Annahme, der Preis sei angemessen, unter bestimmten Voraussetzungen sowohl beim Übernahme- als auch beim Pflichtangebot anfechtbar sein sollte.1705 Ist damit davon auszugehen, dass die Vermutungsregel europarechtlich nicht zwingend ausgestaltet ist, folgt für das nationale Recht, dass widerlegliche Vermutungsregeln möglich sind.1706 Die unwiderleglich ausgestaltete Regelungen in § 39 a WpÜG muss sich daher an deutschem Verfassungsrecht und somit an den Vorgaben des Art. 14 I GG messen lassen.1707 Dazu ist zunächst zu bemerken, dass die grundsätzliche Bemessung der Abfindung nach dem Übernahme- und Pflichtangebot für die Beteiligten Vorteile bietet. Das Antragsverfahren vor dem LG Frankfurt a. M. nach § 39 b V WpÜG ermöglicht einen zügigen und kostengünstigen Ausschluss der verbleibenden Aktionärsminderheit. Anders als beim aktienrechtlichen Squeeze out erfolgt der Ausschluss nicht durch einen Hauptversammlungsbeschluss, sondern im Wege eines Gerichtsbeschlusses, mit dessen Rechtskraft die Aktien der übrigen Aktionäre auf den zum Ausschluss berechtigten Aktionär übergehen. Nach § 39 b III WpÜG ist gegen diesen Beschluss die sofortige Beschwerde zum OLG Frankfurt zulässig und die weitere Beschwerde ausgeschlossen. Die Entscheidung wird mit Rechtskraft des Beschlusses wirksam und wirkt nach § 39 b V WpÜG für und gegen alle Aktionäre. Speziell aus Sicht der Minderheitsaktionäre ist positiv, dass das in § 39 a WpÜG angeordnete Verfahren eine einseitige Festsetzung der Abfindung durch den Bieter ausschließt. Vielmehr beruht die Höhe der Abfindung auf einem auch von Seiten der Aktionäre akzeptierten Preis.1708 Zugleich kann aufgrund der schon mehrfach erwähnten Entscheidungen des BVerfG als geklärt gelten, dass die einem Minderheitsaktionär gewährte Abfindung nicht nur angemessen sein, sondern diese Angemessenheit auch gerichtlicher Nachprüfung offen stehen muss.1709 Ein solches Überprüfungsverfahren schließt ___________ 1705
1706
1707
1708 1709
Mülbert, NZG 2004, 633, 634; Neye, NZG 2002, 1144, 1145; Paefgen, FS H. P. Westermann, 2008, S. 1221, 1237; Rühland, NZG 2006, 401, 402, jeweils unter Verweis auf den Bericht der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten vom 10.1.2002, S. 76, und die Commission Communication on the proposal for a Directive of the European Parliament and the Council on takeover bids vom 2. 10. 2002, S. 3 (explanatory memorandum). Auf die weitere Frage, ob die Richtlinie in diesem Punkt einen Maximalstandard trifft und daher für den Bieter strengeres nationales Recht ausschließt, kommt es daher nicht an. Zu den Maximal- und Minimalstandards der Richtlinie allgemein Mülbert, NZG 2004, 633, 635 f. Nach Paefgen, FS H. P. Westermann, 2008, S. 1221, 1239, soll sich aus den europarechtlichen Vorgaben ergeben, dass im nationalen Recht zwingend widerleglich umzusetzen war. Dem stehen, da es sich um eine überschießende Umsetzung handelt, auch die Grundsätze der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 73, 339; BVerfGE 89, 155) zum Verhältnis von nationalem Verfassungsrecht und supranationalem Recht nicht entgegen. Unter der Prämisse, dass eine widerlegliche Vermutung schon aus den europäischen Vorgaben folgt, a. A. Paefgen, FS H. P. Westermann, 2008, S. 1221, 1241. Rühland, NZG 2006, 401, 402. Vor allem BVerfG, ZIP 2000, 1670, 1672 (Moto Meter); auch BVerfGE 14, 263, 287 = NJW 1962, 1667 (Feldmühle); BVerfGE 100, 289, 304 = NJW 1999, 3769, 3770 (DAT/ Altana). Dazu LG Frankfurt NZG 2008, 665 (Rn. 38).
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
§ 39 a WpÜG jedoch aus, und die zur Rechtfertigung angeführten Gründe sind nicht neu, sondern aus der Diskussion um die übrigen Abfindungsregelungen hinreichend bekannt. Vor allem werden die Kosten und das Verzögerungspotential einer Unternehmensbewertung angeführt.1710 Zur Begründung einer unwiderleglichen Vermutungsregel reicht dies freilich nicht aus, auch nicht das Argument, dass die Akzeptanz des angebotenen Preises bei einer derart hohen Anzahl von Aktionären garantiere, dass er angemessen sei.1711 Zwar ist davon im Regelfall tatsächlich auszugehen, doch ist der Hinweis der Gegenansicht zutreffend, dass Informationsdefizite die Aktionäre zur Akzeptanz eines unangemessenen Preises bewegen können, vergleichbar mit der Beeinflussung des Aktienkurses durch Informationsdefizite.1712 Das spricht dafür, ein Überprüfungsverfahren zuzulassen. Soweit dem Aktionär, wie regelmäßig bei einer widerleglichen Vermutung, die Darlegungs- und Beweislast für das Gegenteil der vermuteten Tatsache auferlegt1713 und zusätzlich ein Freigabeverfahren eingeführt wird,1714 können auch die Bedenken bzgl. einer bedrohlichen Verzögerung der Übernahme entkräftet werden.1715 Der Minderheitsaktionär muss nach den allgemeinen Grundsätzen Umstände darlegen und notfalls beweisen, die der Vermutungsregel entgegen stehen, also etwa ein vorhandenes Informationsdefizit oder Kursmanipulationen aufzeigen.1716 Gelingt dies, gilt Gleiches wie in den Fällen, in denen die Quote von 90% nicht erreicht wurde: die Bewertung ist im Rahmen des Antrags- und Beschwerdeverfahrens nach den allgemeinen Grundsätzen (dazu unter § 11) vorzunehmen,1717 wonach eine Unternehmensbewertung ansteht und der Börsenkurs die Untergrenze bildet. ___________ 1710 1711 1712
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Merkt, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung am 10. 5. 2006 zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, S. 20. So jedoch Kann/Just, DStR 2006, 328, 331; Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 244. I. E. auch Stumpf, NJW 2003, 9, 12. So Rühland, NZG 2006, 401, 405; Rößler, Squeeze Out, 2007, S. 150. Siehe auch die Stellungnahme des Bundesrates vom 7.4.2006, BR-Drs. 154/06. Kritisch auch die Stellungnahme der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. (DSW) im Gesetzgebungsverfahren, S. 6. Bei widerleglichen Vermutungen nach § 292 ZPO wird aus einer Ausgangstatsache auf das Vorliegen einer tatbestandseigenen Tatsache (Tatsachenvermutung) oder auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts (Rechtsvermutung) geschlossen. Demjenigen, zu dessen Lasten die Vermutung wirkt, obliegen die Behauptung und der Beweis des Gegenteils der vermuteten Tatsache. Siehe im Einzelnen Baumbach/Lauterbach/u. a., ZPO, 68. Aufl. 2010, § 292, Rn. 4–9; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 292, Rn. 1 f.; Prütting, in: MünchKomm.-ZPO, Band 1, 3. Aufl. 2008, § 292, Rn. 5, 20–26. So der Vorschlag von Rößler, Squeeze Out, 2007, S. 150, der sich mit den hier vertretenen allgemeinen Grundsätzen zur Vermeidung missbräuchlicher Klagen durch einzelne Gesellschafter deckt, siehe dazu unter § 5 A. III. Bezogen auf die Beweislastverteilung Rühland, NZG 2006, 401, 406; i. E. eine Überprüfbarkeit fordernd auch Schüppen, BB 2006, 165, 168. Rühland, NZG 2006, 401, 406. Rößler, Squeeze Out, 2007, S. 151; Kann/Just, DStR 2006, 328, 331.
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Nach hier vertretener Auffassung ist § 39 a WpÜG daher insoweit verfassungswidrig, als er eine gerichtliche Überprüfung des Abfindungspreises gänzlich ausschließt.1718 Im Ergebnis ähnlich urteilte der österreichische Verfassungsgerichtshof zum österreichischen öUmwG. Das österreichische Recht sieht im Rahmen von Umwandlungsvorgängen die Möglichkeit vor, Minderheitsgesellschafter auszuschließen. Den Weg dazu eröffnet § 2 I öUmwG. Danach kann die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft eine Übertragung ihres Vermögens auf den Hauptgesellschafter beschließen, wenn dieser eine Mehrheit von mindestens 90% des Grundkapitals innehat. Die verbleibenden Minderheitsgesellschafter scheiden mit dem Übergang des Vermögens aus der Aktiengesellschaft aus und erhalten im Gegenzuge nach § 2 II Ziff. 1 und 3 öUmwG einen Anspruch auf angemessene Barabfindung. Auf Vorlage des österreichischen Obersten Gerichtshofs (OGH) befasste sich der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen.1719 Dabei stellte der VfGH zunächst fest, dass die Möglichkeit, Aktionäre aus einer Gesellschaft hinauszudrängen, einen Eingriff in deren Eigentum darstelle, der einer Rechtfertigung in Bezug auf das öffentliche Interesse, auf Adäquanz und Verhältnismäßigkeit bedürfe. Eine solche Rechtfertigung sei jedoch aus dem öffentlichen Interesse an einer Strukturbereinigung und sogar durch das Interesse der Mehrheitsgesellschafter, Minderheitsgesellschafter zu möglichst günstigen Bedingungen hinauszudrängen, möglich. Allerdings müsse dabei sichergestellt sein, dass ausscheidende Gesellschafter angemessen abgefunden werden. Da die gerichtliche Überprüfung dieser Angemessenheit nicht jedem Aktionär, sondern nur einem bestimmten Quorum offen stand, erklärte der VfGH die Bestimmungen insoweit für verfassungswidrig und rügte auch einen Verstoß gegen das in Art. 6 EMRK enthaltene Gebot eines fairen Verfahrens.1720
IV. Der Ausschluss der Aktionäre im Wege der Mehrheitseingliederung Einen weiteren Weg zum Ausschluss von Minderheitsaktionären eröffnet die Mehrheitseingliederung. Bei der Eingliederung im Sinne des § 320 b I 1 AktG handelt es sich um die organisatorische Einordnung einer Aktiengesellschaft in eine mit mindestens 95% an ihr beteiligte andere Aktiengesellschaft.1721 Sie führt zu einem Aus___________ 1718 1719 1720 1721
Nach LG Frankfurt NZG 2008, 665 (Rn. 40 f.), ist § 39 a WpÜG hingegen einer verfassunsgkonformen Auslegung zugänglich. Urt. v. 16. 6. 2005 – verb. Rs. G 129/04-17, G 63/05-3, G 64/05-2, G 65/05-2, G 66/05-2, abrufbar unter www.vfgh.gv.at. VfGH, a. a. O., S. 19 f. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 922; Naschke, Der Börsenkurs als Abfindungsgrundlage, 2003, S. 32; Art. 14 I GG steht der Eingliederung einer Aktiengesellschaft nach der Rechtsprechung des BVerfG in einen Konzern gegen den Willen einer Aktionärs-
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schluss der Minderheitsaktionäre aus der Aktiengesellschaft. Diese verlieren nach § 320 a AktG mit Eintragung der Eingliederung ihre Beteiligung an der Gesellschaft und erwerben stattdessen einen durch ihre Aktien verbrieften Anspruch auf angemessene Abfindung. Daher stimmt die Rechtsfolge der Eingliederung mit der des Squeeze out insoweit überein, als die Mitgliedschaft der Minderheit endet; im Hinblick auf die gesetzgeberische Intention unterscheiden sich die beiden Institute jedoch insofern, als der Ausschluss der Minderheit bei der Mehrheitseingliederung nicht das primäre gesetzgeberische Ziel darstellt, sondern nur als Mittel dient, um eine Eingliederung der Aktiengesellschaft nicht an einer verschwindend geringen Minderheitsbeteiligung scheitern zu lassen.1722 Die Vorschriften über die Mehrheitseingliederung werden, wiederum auf die schon mehrfach erwähnte Rechtsprechung des BVerfG gestützt,1723 als verfassungsgemäß bewertet.1724 Vereinzelt wird sogar die Frage aufgeworfen, ob es vor dem Hintergrund geringerer Mehrheitserfordernisse bei der Begründung einer Beherrschung oder Durchführung einer Verschmelzung tatsächlich einer Mehrheit von 95% des Kapitals bedürfe. Dahinter steht jedoch die auch dem Squeeze out zugrunde liegende gesetzgeberische Entscheidung, die Mehrheitseingliederung nur dem Quasi-Alleineigentümer der Aktiengesellschaft zu ermöglichen. Das ist konsequent, da es bei der Eingliederung zu einer reinen Barabfindung und daher zum vollständigen Verlust jeglicher Beteiligung kommen kann, während der Abschluss von Beherrschungsverträgen die Beteiligungsverhältnisse unberührt lässt, sofern nicht der Minderheitsaktionär eine Abfindung nach § 305 AktG fordert, und die Verschmelzung regelmäßig nur zu einem Beteiligungswechsel führt.1725
1. Voraussetzungen der Mehrheitseingliederung und Anforderungen auf Ebene der einzugliedernden Gesellschaft Die Voraussetzungen der Eingliederung sind enger als die des Squeeze out, da neben der einzugliedernden auch die Hauptgesellschaft und damit der Mehrheitsgesellschafter eine Aktiengesellschaft, und zwar eine solche mit Sitz im Inland sein muss.1726 Die im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 49 ___________ 1722 1723 1724
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minderheit nicht entgegen, solange die berechtigten Interessen der Minderheitsaktionäre gewahrt bleiben, BVerfGE 14, 263; BVerfGE 100, 289, 302 ff. = NJW 1999, 3769, 3770. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 320, Rn. 1. Wiederum der Hinweis auf BVerfGE 14, 263 (Feldmühle); BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 (Moto Meter). BGH WM 1974, 713, 716; OLG Celle WM 1972, 1004, 1010 f.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 320, Rn. 1; Koppensteiner, in: KölnerKomm.-AktG, Band 6, 3. Aufl. 2004, Vorb. v. § 319, Rn. 12. Siehe auch Koppensteiner, in: KölnerKomm.-AktG, Band 6, 3. Aufl. 2004, Vorb. v. § 319, Rn. 12. Zu den Rechtsfolgen beim Abschluss von Beherrschungsverträgen unter § 14 B. I. und Verschmelzungen unter § 12. Koppensteiner, in: KölnerKomm.-AktG, Band 6, 3. Aufl. 2004, Vorb. v. § 319, Rn. 10.
C. Der Ausschluss des Aktionärs aufgrund spezialgesetzlicher Institute
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AEUV (ex-Art. 43 EG) auftretenden Bedenken hiergegen können nur angedeutet werden. Im Hinblick auf die fortgeschrittene Harmonisierung in den Mitgliedstaaten erscheint es zweifelhaft, den Gläubigerschutz zur Rechtfertigung einer derartigen Diskriminierung anzuführen.1727 Die Hauptgesellschaft muss zum Zeitpunkt des Eingliederungsbeschlusses Eigentümerin von zumindest 95% der Aktien der einzugliedernden Gesellschaft sein. Eine Zurechnung nach § 16 IV AktG findet, anders als beim Squeeze out, nicht statt. Ein rein wirtschaftliches Eigentum ist daher nicht ausreichend. Zugleich steht es dem Mehrheitsaktionär jedoch offen, im Wege eines Squeeze out die Voraussetzungen dafür zu schaffen, eine Eingliederung durchführen zu können. Soweit die oben beschriebenen Voraussetzungen für ein Squeeze out der Minderheitsaktionäre vorliegen, der Mehrheitsaktionär insbesondere mit einer Kapitalbeteiligung von 95% wirtschaftlicher Quasi-Eigentümer des durch Zurechnungen nach § 16 II, IV AktG relevanten Verbundes ist, kommt es auf die mit dem Squeeze out bezweckten Ziele nicht an. Nur unter den oben ausgeführten Voraussetzungen, dass bereits die Voraussetzungen für das Squeeze out nur vordergründig herbeigeführt werden, ist der Squeeze out-Beschluss daher anfechtbar, nicht jedoch mit dem Einwand des institutionellen Rechtsmissbrauchs, wenn letztendlich eine Eingliederung herbeigeführt werden soll.1728 Aufgrund der schon zum Squeeze out dargestellten Grundsätze bedarf es keiner inhaltlichen Rechtfertigung für den Eingliederungsbeschluss, da die Hauptgesellschaft wegen ihrer qualifizierten Beteiligung von 95% ihre Eigeninteressen verfolgen darf. Es gelten die gleichen Grundsätze wie zum Squeeze out. Die Rechtfertigung des mit dem Eingliederungsbeschluss verbundenen Eingriffs in die Mitgliedschaft der Minderheitsaktionäre besteht schon darin, dass der Mehrheitsaktionär über eine Mehrheitsbeteiligung von 95% verfügt. Daher ist der Beschluss auch nur dann rechtswidrig, wenn es an der qualifizierten Mehrheit des Mehrheitsaktionärs fehlt, ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht vorliegt oder die Eingliederung einen institutionellen Rechtsmissbrauch darstellt. Relevant können wiederum Verstöße gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht und den institutionellen Rechtsmissbrauch werden. Ein Treuepflichtverstoß kommt insbesondere in Betracht, wenn der Minderheit der Eindruck vermittelt wurde, es werde in nächster Zeit nicht zu ihrem Ausschluss kommen. Insoweit und zu anderen Beispielen ist auf II. 3. a) zu verweisen. Ein institutioneller Rechtsmissbrauch liegt insbesondere nahe, wenn die Vorraussetzungen für eine Eingliederung nur vordergründig herbeigeführt werden. Dies ist ungleich relevanter als bei einem Squeeze out, da Zurechungen im Sinne von § 16 AktG nicht in Betracht kommen und daher ein „Umhängen“ von Beteiligungen ungleich interessanter ist als bei einem Squeeze out. Daneben stellt, ebenso wie für das Squeeze out ausgeführt, insbesondere ein Rechtsformwechsel in eine Aktiengesellschaft und zurück ___________ 1727 1728
Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 319, Rn. 7. I. E. a. A. Henze, FS Wiedemann, 2002, S. 935, 948.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
in die ursprüngliche Rechtsform einen Missbrauch dar, weshalb sowohl der Umwandlungs- als auch der Eingliederungsbeschluss anfechtbar sein können.1729
2. Der Eingliederungsbeschluss in der Hauptgesellschaft Nach § 319 II AktG muss auch die Hauptversammlung des Hauptaktionärs zustimmen und die Eingliederung in das Handelsregister am Sitz der einzugliedernden Gesellschaft eingetragen werden. Grund hierfür sind die Auswirkungen für die Hauptgesellschaft, die mit der Eingliederung verbunden sind. Die Rechtmäßigkeitsanforderungen an diesen Beschluss richten sich nach den allgemeinen Grundsätzen, wonach die Prüfungskriterien davon abhängen, ob der Beschluss mit einem Eingriff in die Rechtsstellung einzelner oder aller Aktionäre verbunden ist. Durch den Hauptversammlungsbeschluss, mit dem über die Eingliederung der Untergesellschaft beschlossen wird, bleibt die Mitgliedschaft der Aktionäre der Obergesellschaft unverändert. Soweit die Minderheitsgesellschafter der Untergesellschaft jedoch Aktien der Obergesellschaft erhalten, verwässert sich die Beteiligung der Aktionäre der Obergesellschaft in gleicher Weise wie bei einem Bezugsrechtsauschluss. In diesem Fall ist der Eingriff evident.1730 Doch auch soweit den Aktionären der eingegliederten Gesellschaft stattdessen eine Barabfindung gewährt wird, kommt ein mittelbarer Eingriff wegen der Folgen der Eingliederung in Betracht. Nach § 322 I AktG haftet die Hauptgesellschaft für die vor der Eingliederung begründeten Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft deren Gläubigern als Gesamtschuldner und zusätzlich für alle Verbindlichkeiten, die nach der Eingliederung begründet werden. Auch ist die Hauptgesellschaft nach § 324 III AktG verpflichtet, jeden bei der eingegliederten Gesellschaft entstehenden Bilanzverlust auszugleichen, soweit dieser den Betrag der Kapitalrücklagen und der Gewinnrücklagen übersteigt. Hieraus entstehen erhebliche Gefahren für das Vermögen der Hauptgesellschaft, die sich in der Beteiligung der Gesellschafter als Wertminderungen niederschlagen können. Daher droht die Gefahr eines mittelbaren Schadens für die Mitgliedschaft der Gesellschafter. Dies rechtfertigt es, die Kompetenz der Hauptversammlung zu begründen und überdies eine qualifizierte Beschlussmehrheit von ¾ des vertretenen Grundkapitals zu fordern. Als mittelbarer Eingriff in die Rechtsstellung der Gesellschafter kann diese Entwicklung nach den allgemeinen Grundsätzen (dazu § 3 D. III. 2. b)) jedoch nur gelten, wenn sich mit dieser Wertminderung nicht nur ein allgemeines Investitionsrisiko realisiert, sondern eine belastende Situation außergewöhnlichen Ausmaßes vorliegt. Dies lässt sich durch eine Bewertung des Gesamtvorgangs bestimmen. Neben den Gefahren einer Eingliederung für die Obergesellschaft sind auch die potentiellen Chancen nicht zu übersehen. Der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft ist ___________ 1729 1730
Siehe hierzu die entsprechenden Ausführungen zum Squeeze out unter II. 3. b). Zur Verwässerung der Beteiligung durch eine Veränderung der Beteiligungsquote durch eine Kapitalerhöhung ausführlich unter § 15 B.
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nach § 323 I AktG an die Weisungen der Obergesellschaft gebunden. Außerdem kann das Kapital der eingegliederten Gesellschaft nach § 323 III AktG an die Obergesellschaft abgeführt werden, ohne dass die Schranken der §§ 57, 58 und 60 AktG gelten. Es handelt sich daher um eine unternehmerische Entscheidung der Obergesellschaft, die Chancen als aussichtsreich zu bewerten und davon ausgehend eine Eingliederung zu beschließen. Soweit unter Beachtung eines unternehmerischen Ermessensspielraums die Eingliederung als chancenreiche Umstrukturierung gelten kann, von der die Gesellschaft und mit ihr die Gesamtheit der Gesellschafter profitieren wird, ist der Eingliederungsbeschluss nur als eine Maßnahme der Unternehmensführung zu bewerten, der Chancen und Risiken von gewöhnlichem Ausmaß innewohnen. Daher ist aus Wertungsgesichtspunkten nicht von einem mittelbaren Eingriff in die Rechtsstellung der Minderheitsgesellschafter auszugehen. Wertsteigerungen der Beteiligung stellen erfüllte, Wertminderungen ausgebliebene Exspektanzen dar.1731 Dies ändert sich, sofern sich der Mehrheitsgesellschafter durch die Eingliederung besondere persönliche Vorteile verspricht, so dass sich die Chancen der Eingliederung nicht bei der Obergesellschaft, sondern nur bei deren Mehrheitsgesellschafter realisieren können. Werden die Risiken von der Gesellschaft getragen und hierdurch das Vermögen der Gesellschaft und reflexartig der Wert des Gesellschaftsanteils gemindert, während die Vorteile dem Mehrheitsgesellschafter (oder einem Dritten) zufließen, ergibt sich aus Wertungsgesichtspunkten, dass ein Eingriff in die Mitgliedschaft vorliegt. Für die Beschlussprüfung bedeutet das: Regelmäßig reicht es aus, dass der Vorstand nach § 319 III Nr. 3 AktG im Eingliederungsbericht vernünftige Gründe im Gesellschaftsinteresse vorträgt. Weitere inhaltliche Anforderungen an den Beschluss bestehen nicht. Soweit die gegen den Beschluss stimmende Minderheit diese Begründung anzweifelt und Umstände sieht, die einen mittelbaren Eingriff des Beschlusses in ihre Mitgliedschaft begründen, ist sie hierfür darlegungs- und beweispflichtig.1732 Dies ergibt sich aus den allgemeinen, unter § 4 B. II. 2. a) dargestellten Grundsätzen. Dazu ist nochmals darauf hinzuweisen, dass dem Minderheitsgesellschafter nur die Darlegung und der Nachweis derjenigen Tatsachen aufgebürdet ist, die er tatsächlich beschaffen kann. Die zur Verfügung stehenden Quellen sind dabei voll auszuschöpfen, so vor allem die im Zuge der Informationspflichten nach § 319 III AktG mitgeteilten Tatsachen. Bei nicht offensichtlich unbegründeten Behauptungen, die der klagende Aktionär selbst nicht belegen, die ___________ 1731 1732
Vgl. dazu BVerfG ZIP 2007, 175, 176 f. Dies entspricht i. E. der h. M., wonach an den Eingliederungsbeschluss in der Obergesellschaft keine inhaltlichen Anforderungen zu stellen sind, vgl. Koppensteiner, in: KölnerKomm.-AktG, Band 6, 3. Aufl. 2004, § 319, Rn. 8. Zugleich würde die h. M. die hier als mittelbaren Eingriff qualifizierte Situation als Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht bewerten und eine darauf gestützte Anfechtungsklage zulassen, wobei dem sich auf den Verstoß berufenden Gesellschafter die Beweislast auferlegt würde. Vgl. zu den Grundlagen der Treuepflicht unter § 2 A., zur Beweislastverteilung nach h. M. unter § 4 B. II.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
Gesellschaft jedoch ohne Weiteres aufklären kann, muss die Gesellschaft substantiiert bestreiten und gegebenenfalls den Gegenbeweis antreten.
3. Die Abfindung der Minderheitsaktionäre in der eingegliederten Gesellschaft Die Regelungen zur Abfindung der ausgeschlossenen Aktionäre in der eingegliederten Gesellschaft sind ähnlich ausgestaltet wie die bei dem Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen.1733 Danach sind die ausscheidenden Aktionäre regelmäßig in Aktien an der Hauptgesellschaft abzufinden. Ist die Hauptgesellschaft hingegen eine abhängige Gesellschaft, hat der Aktionär die Wahl, ob er eigene Aktien der Hauptgesellschaft oder eine angemessene Barabfindung bevorzugt.1734 Das Umtauschverhältnis richtet sich dabei nach der Verschmelzungswertrelation. Hingegen fehlt es an der in § 305 II Nr. 2 AktG vorgesehenen Möglichkeit, Aktien der Konzernmutter anzubieten. Dadurch erklärt sich, dass das Wahlrecht, anders als beim Abschluss von Unternehmensverträgen, dem Aktionär zusteht.1735 Die Modalitäten der Abfindung sind höchstrichterlich geklärt. Das BVerfG hat entschieden, dass die Minderheitsaktionäre für den Verlust ihrer Rechtsposition oder die Beeinträchtigung ihrer vermögensrechtlichen Stellung wirtschaftlich voll entschädigt werden müssen. Die zu gewährende Entschädigung muss den „wirklichen“ oder „wahren“ Wert des Anteilseigentums widerspiegeln.1736 Dies ist bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze (dazu § 11) gewahrt. Im Besonderen war das BVerfG jüngst wieder mit der Frage konfrontiert, in welcher Weise der Börsenkurs bei der Abfindung wegen Eingliederung zu beachten ist. Die neue, über ältere Aussagen hinausgehende Feststellung lautete dabei, dass Art. 14 GG nicht verlangt, „dass gerade der Börsenkurs zum Bewertungsstichtag gem. § 320 b I 5 AktG zur Untergrenze der Barabfindung gemacht wird. Da die Eingliederungskonditionen den Marktteilnehmern vor diesem Stichtag jedenfalls während der mindestens einmonatigen Einberufungsfrist zur Hauptversammlung (. . .) bekannt sind, hätten Interessenten sonst die Möglichkeit, den Börsenkurs während dieser Zeit auf Kosten des Mehrheitsaktionärs in die Höhe zu treiben.“ Auch gebe die Verfassung nicht vor, wie der Stichtag festzusetzen sei. Entscheidend sei nur, dass die Zivilgerichte bei der Wahl des Stichtages einem Missbrauch beider Seiten vorbeugen.1737 Die von der herrschenden Rechtsprechung1738 gewählte Methode, den vor der Hauptversammlung liegenden Dreimonatszeitraum zugrunde zu legen, um daraus ___________ 1733 1734 1735 1736 1737 1738
Zu diesen noch unter § 10 C. II. 2. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 16. Zur Situation bei Unternehmensverträgen unter § 10 C. II. 2. BVerfGE 100, 289, 304–306 = NJW 1999, 3769, 3771. BVerfG ZIP 2007, 175, 176. Grundlegend BGHZ 147, 108, 118 = NJW 2001, 2080; folgend etwa OLG Stuttgart ZIP 2004, 712, 713; OLG Hamburg NZG 2003, 89, 90; OLG Hamburg NZG 2002, 189, 190.
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einen Durchschnittskurs zu bilden, wurde vom BVerfG nicht beanstandet.1739 Schon beim Squeeze out wurde demgegenüber begründet, dass es vorzugswürdig ist, den Zeitraum vor Bekanntgabe der Maßnahme zugrunde zu legen, da so der durch Spekulationen beeinflusste Zeitraum unberücksichtigt bleiben kann.1740 Streitigkeiten über die Höhe der Abfindung werden im Spruchstellenverfahren ausgetragen. Die Anfechtung des Beschlusses, mit dem die Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft die Eingliederung der Gesellschaft beschlossen hat, kann nicht auf § 243 II 2 AktG oder darauf gestützt werden, dass die von der Hauptgesellschaft nach § 320 II Nr. 2 AktG angebotene Abfindung nicht angemessen ist. Kommt das im Spruchverfahren entscheidende Gericht zu dem Ergebnis, dass die angebotene Abfindung nicht angemessen ist, so hat es auf Antrag die angemessene Abfindung zu bestimmen. Das gleiche gilt, wenn die Hauptgesellschaft eine Abfindung nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten hat und eine hierauf gestützte Anfechtungsklage innerhalb der Anfechtungsfrist nicht erhoben oder zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen worden ist.
V. Der Ausschluss der Aktionäre im Wege der Übertragenden Auflösung Ein weiterer Weg für den Mehrheitsaktionär, das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen fortan ohne Beteiligung der Minderheitsaktionäre fortzuführen, besteht in einer Vermögensübertragung nach § 179 a AktG. Schon unter § 6 B. II. 3. wurde ausgeführt, dass es sich bei § 179 a AktG um eine problematische Bestimmung handelt. Sie bringt einerseits zu Recht zum Ausdruck, dass wesentliche Vermögensübertragungen einen schweren (mittelbaren) Eingriff in die Mitgliedschaft des einzelnen Aktionärs darstellen und daher die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung auslösen.1741 Andererseits führt sie zu der zweifelhaften Konsequenz, dass eine Hauptversammlungszuständigkeit erst ab einer hohen Schwelle begründet wird und der Vorstand bei darunter liegenden Vermögensübertragungen allein zuständig ist. Hinzu tritt die ebenfalls rechtspolitisch zweifelhafte Vorschrift des § 147 AktG. In Verbindung mit § 179 a AktG führt sie dazu, dass in der Aktiengesellschaft gerade keine Individualklage wegen mittelbarer Eingriffe in die Aktionärsstellung möglich ist, insoweit abweichend von dem hier vertretenen Grundsatz, wonach eine im Sinne der duty of loyalty pflichtwidrige Vermögensübertragung durch die Geschäftsleitung zu einem eigenen Anspruch des einzelnen Aktionärs auf Schadensersatz an die Gesellschaft führt (dazu oben § 6 C.) . Darin erschöpfen sich die Wirkungen dieser Vorschrift jedoch nicht. Sie vermag dem Mehrheitsaktionär vielmehr auch dazu zu verhelfen, einen faktischen Ausschluss der Minderheitsaktionäre schon ab einer Beteiligung von 75% und da___________ 1739 1740 1741
BVerfG ZIP 2007, 175, 177. Dazu oben unter II. Dazu Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 179 a, Rn. 8.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
her unterhalb der von §§ 320 I, 327 a I AktG festgelegten Schwelle von 95% durchzuführen. Wird das (wesentliche) Vermögen der Aktiengesellschaft, insbesondere das von ihr geführte Unternehmen, auf den Hauptaktionär oder eine von diesem abhängige Tochtergesellschaft übertragen, verbleibt der Gesellschaft bis auf den erzielten Kaufpreis regelmäßig nur unbedeutendes Vermögen. Da diese Gesellschaft ohne die übertragenen Betriebsmittel den Gesellschaftszweck (regelmäßig) nicht mehr erfüllen kann, wird sie anschließend aufgelöst und liquidiert.1742 Im Ergebnis erreicht der Mehrheitsaktionär damit das Ziel, das von der Gesellschaft geführte Unternehmen ohne die bis zu 25% starke Minderheit weiterführen zu können. Faktisch kommt dies einem Minderheitsausschluss gleich. Der faktische Minderheitsausschluss ist dabei nicht die einzige problematische Komponente dieses Vorgangs. Es kommt hinzu, dass der Minderheit eine Verschlechterung ihrer Vermögensstellung droht. Da der Mehrheitsgesellschafter zumindest wirtschaftlich betrachtet zum Vertragspartner der Aktiengesellschaft wird, droht ein Interessenkonflikt: Anders als in den Fällen der Vermögensübertragung auf einen Dritten sind die Interessen des Mehrheits- und der Minderheitsaktionäre nicht gleichgerichtet. Dem Mehrheitsaktionär ist an einem besonders niedrigen, den Minderheitsaktionären an einem möglichst hohen Kaufpreis gelegen. Daneben wird die Übertragende Auflösung auch als Methode des „kalten Delisting“ als Alternative zu einem regulären Börsenrückzug diskutiert (dazu unter § 13 B.).1743
1. Die Voraussetzungen des § 179 a AktG Tatbestandlich setzt § 179 a AktG voraus, dass sich eine Aktiengesellschaft zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet. Davon ist nicht nur die Verpflichtung zur Übertragung aller Aktiva der Gesellschaft erfasst, sondern auch der Fall, dass nur unwesentliches Vermögen bei der Gesellschaft zurückbleibt. Streitig ist dabei, ob auf einen Wertvergleich abzustellen1744 oder nach einem funktionellen Maßstab danach zu fragen ist, ob die Gesellschaft mit dem zurückbehaltenen Vermögen noch in der Lage sein wird, den in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand weiterzuverfolgen1745. Diese Frage ist insbe___________ 1742
1743
1744 1745
Dabei bewirkt die Verpflichtung zur Vermögensübertragung nicht etwa die Auflösung der Aktiengesellschaft. Vielmehr muss über einen solchen Schritt gesondert entschieden werden, wie sich aus § 179 a III AktG ergibt. Siehe dazu Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 179 a, Rn. 20; Schäfer/Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 63, Rn. 24. Schon hier ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es sich nicht wirklich um ein Problem des Delisting handelt, sondern tatsächlich um eine fragwürdige Art des Aktionärsausschlusses, vgl. dazu auch Schäfer/Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 63, Rn. 27. Mertens, FS Zöllner, 1998, S. 385, 386–395. So die h. M., BGHZ 83, 122, 128 (Holzmüller): Eine Vermögensübertragung liegt nicht vor, wenn die Gesellschaft mit dem zurückbehaltenen Betriebsvermögen noch ausreichend in der Lage bleibt, satzungsmäßige Unternehmensziele, wenn auch in eingeschränktem Umfang,
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sondere vor dem Hintergrund der schon erörterten Holzmüller-Doktrin des BGH von Bedeutung: Nur in den Fällen des § 179 a AktG entfaltet ein Verstoß gegen die Hauptversammlungszuständigkeit auch Außenwirkung, so dass, anders als in den Fällen reiner Innenwirkung (also den Fällen der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit) auch die Wirksamkeit der aufgrund des Beschlusses nach § 179 a AktG abgeschlossenen Verträge berührt wird.1746 Im Interesse des von § 179 a AktG bezweckten Aktionärsschutzes1747 sollte der Begriff der Vermögensübertragung breit verstanden werden und daher sowohl die Konstellation erfassen, dass nach einer Übertragung von Gesellschaftsvermögen nur ein wertmäßig geringer Teil des Betriebsvermögens bei der Aktiengesellschaft zurückbleibt, als auch den Fall, dass der Gesellschaft nach Vollzug des Verpflichtungsgeschäfts die Fortführung des Unternehmenszwecks unmöglich wird. Soweit nach diesen Grundsätzen die Zuständigkeit der Hauptversammlung begründet ist, muss sich ihre Zustimmung auf alle mit der Vermögensübertragung zusammenhängenden schuldrechtlichen Abreden erstrecken. Ein solcher Zusammenhang besteht für alle rechtsverbindlichen Absprachen über die Beziehungen der Vertragsschließenden, von denen die eine nicht ohne die anderen gelten soll und die daher ein einheitliches Ganzes bilden, gleichgültig, ob sie mit verschiedenen Partnern vereinbart und in verschiedenen Vertragsurkunden niedergelegt sind.1748
2. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle des Übertragungsbeschlusses Ausgehend von diesen Wirkungen sind die inhaltlichen Anforderungen an den Übertragungsbeschluss zu bestimmen. Vor einer Prüfung der Übertragenden Auflösung sind zunächst die Prüfungskriterien für einen gewöhnlichen Übertragungsbeschluss festzulegen. Eine Vermögensübertragung nach § 179 a AktG betrifft als isolierter Vorgang in erster Linie das Gesellschaftsvermögen, da dieses durch die Übertragung verloren geht. Auf Seiten der Minderheitsaktionäre liegt daher allenfalls ein mittelbarer Eingriff nahe, der erst dann in einen unmittelbaren umschlägt, wenn die Gesellschaft anschließend aufgelöst und daher die Wirkungen eines Ausschluss aus der Aktiengesellschaft herbeigeführt werden. ___________ 1746 1747
1748
selbst zu verfolgen. Zustimmend OLG München AG 1995, 232; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 179 a, Rn. 5; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 927 f. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 928 f. Vgl. zum Schutzzweck der Norm Henze, FS Boujong, 1996, S. 233, 246 f.: Alleiniger Schutzzweck sei es, den Aktionären eine Kontrolle darüber zu ermöglichen, ob der vom Erwerber gezahlte Preis dem Wert des ihm überlassenen Vermögens entspreche. Hingegen sieht Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 179 a, Rn. 1, die ratio der Norm darin, dass im Wesentlichen der Schutz der Aktionäre vor unangemessener Vertragsgestaltung bezweckt sei. Zu Entstehungsgeschichte und Gesetzesbegründung der Norm vgl. Mertens, FS Zöllner, 1998, S. 385, 386–388. BGHZ 82, 188, 196. Dazu Timm, JZ 1982, 403, 405; zustimmend auch Wiedemann, ZGR 1999, 857, 861.
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Daher ist ähnlich wie bei dem Beschluss über die Eingliederung in der Hauptgesellschaft neben den beträchtlichen Auswirkungen vermögensrechtlicher Art im Wege einer Wertung zu bestimmen, ob ein mittelbarer Eingriff in die Rechtsstellung der Minderheitsaktionäre vorliegt. Die Wertung fällt hier anders aus als bei der Eingliederung: Die Wirkungen der Vermögensübertragung sind so beträchtlich, dass ein mittelbarer Eingriff stets bejaht werden kann. Der Aktiengesellschaft wird ihr wesentliches Vermögen entzogen, da nach der oben gefundenen Begriffsbestimmung nur ein wertmäßig geringer Teil des Betriebsvermögens bei der Aktiengesellschaft zurückbleibt oder nach Vollzug des Verpflichtungsgeschäfts die Fortführung des Unternehmenszwecks unmöglich wird. Durch die Vermögensübertragung werden die Grundlagen der Zweckverbindung so gravierend verändert, dass von der ursprünglichen Mitgliedschaft nur noch die Beteiligung an einer unternehmenslosen und den Gegenwert des übertragenen Gesellschaftsvermögens verwaltenden Aktiengesellschaft übrig bleibt. Dies bedingt es, dass ein mittelbarer Eingriff in die Mitgliedschaft vorliegt, der einer Rechtfertigung anhand der allgemeinen Grundsätze bedarf. Im Ansatz stimmt dies auch mit einer BGH-Entscheidung zu § 361 AktG a. F., der dem heutigen § 179 a AktG inhaltlich entsprach, überein. Der BGH entschied, dass eine Vermögensübertragung in die Rechtsstellung des einzelnen Aktionärs nicht unmittelbar eingreife, mittelbar jedoch den inneren Gehalt und den Wert der Mitgliedschaft beeinträchtigen könne.1749 Daraus folgt, dass der Übertragungsbeschluss nach den allgemeinen Kriterien einer Rechtfertigung bedarf und daher im Gesellschaftsinteresse liegen und unter Abwägung mit den Minderheitsinteressen erforderlich und angemessen sein muss.1750 Diese Anforderungen können insbesondere erfüllt sein, wenn das übertragene Vermögen im Konzernverbund verbleibt. Einen denkbaren Anwendungsfall stellt es etwa dar, dass das Vermögen auf eine Tochtergesellschaft im Ausland übertragen wird, weil sich für das Unternehmen bessere Chancen bei einer Unternehmensführung im Ausland ergeben. Doch auch soweit das Vermögen den Unternehmensverbund verlässt, reicht es zur Rechtfertigung aus, dass geeignete, erforderliche und angemessene Gründe im Interesse der Aktiengesellschaft für diese Veräußerung sprechen, etwa wenn ein der Gesellschaft zufließender Veräußerungserlös gewinnversprechend re-investiert werden soll. Daneben kann es auch schon ausreichen, dass im Wege der Veräußerung mehr erzielt wird als bei einer Liquidation der Gesellschaft. Da die Übertragung des Vermögens nicht auf den Mehrheitsaktionär erfolgt, äußert sich in dem Beschluss dessen Desinvestitionsentscheidung, wie sie sich grundsätzlich in einem Auflösungsbeschluss niederschlagen muss, bei entsprechender Rechtfertigung aber auch auf andere Art erfolgen kann. Eine solche Rechtfertigung kann darin liegen, dass die Übertragung auf einen gesellschaftsfremden Dritten einen Mehrerlös gegenüber einer Auflösung und Liquidation einbringt. ___________ 1749 1750
BGHZ 82, 188 = NJW 1982, 933, 934. Im Ergebnis verneinte der BGH ein Abfindungsrecht der Minderheitsaktionäre. So auch Timm, ZGR 1987, 403, 434 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 445.
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3. Umgehungsproblematik und Inhaltskontrolle bei Übertragender Auflösung Davon ausgehend sind nunmehr die Anforderungen an eine Übertragende Auflösung zu bestimmen. Bei unbefangener Betrachtung handelt es sich bei der Vermögensübertragung in das wirtschaftliche Eigentum des Mehrheitsaktionärs unter anschließender Auflösung der Gesellschaft wegen ihrer Wirkungen auf die Minderheitsaktionäre um einen klassischen Verstoß gegen das Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs. Während vordergründig ein Verkehrsgeschäft mit anschließender Desinvestitionsentscheidung stattfindet, wird tatsächlich ein Gesellschafterausschluss bewirkt. Als Gesamtvorgang betrachtet stellt die Übertragende Auflösung daher einen Entzug der Mitgliedschaft dar. Das muss dazu führen, dass schon der Übertragungsbeschluss darauf untersucht wird, ob eine Rechtfertigung für den Ausschluss vorliegt. a) Bewertung der Rechtsprechung von BGH und BVerfG Das sieht die ganz h. M. hingegen anders. Eine Inhaltskontrolle des Übertragungsbeschlusses wird mit Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung verneint.1751 Der BGH hat den Fall der Übertragenden Auflösung als Desinvestitionsentscheidung der Mehrheit bewertet und in das freie Belieben der Gesellschafter gestellt.1752 Dabei zieht der BGH eine Parallele zu seiner grundsätzlichen Absage an eine Inhaltskontrolle von Liquidationsbeschlüssen. Zu diesen hatte das Gericht schon zuvor entschieden, dass ein Liquidationsbeschluss „seine Rechtfertigung in sich trage“.1753 Wie schon erwähnt, leitet die ganz h. M. hieraus auch die Kontrollfreiheit von Squeeze out-Beschlüssen des Mehrheitsgesellschafters ab, da es sich ebenfalls um Desinvestitionsentscheidungen handele.1754 Dem Ausgangspunkt, wonach eine Desinvestitionsentscheidung der Gesellschafter in deren freiem Belieben steht, kann zugestimmt werden.1755 Insoweit ist auf § 4 A. III. 6. a) zu verweisen. Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Übertragende Auflösung ist hingegen abzulehnen.1756 Die Übertragende Auflösung unterscheidet sich von einer Liquidation entscheidend dadurch, dass der Gesellschaft das wesentliche Betriebsvermögen schon vorab durch die Vermögensübertragung nach § 179 a AktG entzogen wurde und fortan zum alleinigen Vorteil des Mehr___________ 1751
1752 1753 1754 1755
1756
Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 179 a, Rn. 10; Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, S. 191, 216; Henze, ZIP 1995, 1473, 1476–1478; ders., FS Boujong, 1996, S. 233, 246 f.; Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch der Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 41, Rn. 25. BGHZ 103, 184, 189–192 (Linotype). BGHZ 76, 352, 353 = NJW 1980, 1278 f.; BGHZ 103, 184, 190 (Linotype). Dazu und zur Kritik daran soeben unter II 1. Zustimmend auch Henze, ZIP 1995, 1473, 1476; Lutter, ZGR 1981, 171, 177; ders., ZHR 153 (1989), 446, 449; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 261; für die GmbH ausführlich Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 154 ff.; vgl. auch oben § 4 A. III. 6. Für den Fall der Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf den Mehrheitsaktionär zweifelnd auch Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 64.
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heitsaktionärs Verwendung findet. Eine echte Desinvestition führt wie eine Liquidation hingegen dazu, dass der Gesellschafter seine Beteiligung an der Gesellschaft beendet und ihr das investierte Kapital entzieht. Daran fehlt es bei der Übertragenden Auflösung gerade: Der Hauptaktionär, auf dessen Willensentschluss die Auflösung der Gesellschaft wesentlich zurückgeht, besitzt gerade nicht den Willen, sein Engagement zur Förderung des Gesellschaftszwecks zu beenden und sein Vermögen abzuziehen. Dies geschieht nur vordergründig, da zwar die Zweckverfolgung durch die konkrete Gesellschaft endet, gleichwohl aber unter Weiternutzung ihrer Betriebsmittel der Gesellschaftszweck mit einer Ersatzgesellschaft fortgeführt werden soll. Bei funktionaler Gesamtbetrachtung scheidet es aus, diesen Vorgang als Desinvestitionsentscheidung des Mehrheitsaktionärs zu qualifizieren.1757 Daher geht auch das Argument fehl, dass es wirtschaftlich nicht sinnvoll sei, das Kapital der Mehrheit, die es anderweitig erfolgreicher einzusetzen vermöge, an das der Minderheit zu binden.1758 Der Mehrheit steht es vom hier vertretenen Standpunkt aus frei, der Aktiengesellschaft ihr Kapital im Rahmen einer echten Desinvestition, nämlich durch einen Auflösungsbeschluss zu entziehen und nach Liquidation der Gesellschaft das frei gewordene Kapital anderweitig zu investieren. Schließlich steht der Moto Meter-Beschluss des BVerfG, der häufig zur Rechtfertigung der Übertragenden Auflösung angeführt wird, verschiedenen Interpretationsweisen offen. Das Gericht billigte im Ergebnis zwar den Ausschluss der Minderheitsaktionäre im Wege einer Übertragenden Auflösung. Es sah keinen grundsätzlichen Verstoß gegen Art. 14 I GG darin, dass eine Aktionärsminderheit im Wege einer Übertragenden Auflösung aus der Gesellschaft gedrängt wurde. Es begründete dies mit der Stellung des Minderheitsaktionärs als überwiegender Kapitalanleger, für den die Herrschaftskomponente des Aktieneigentums nur begrenzt bedeutsam sei, während die Vermögenskomponente der Anlage im Vordergrund stehe. Es sollte daher auch genügen, den Aktionären die Mittel an die Hand zu geben, um eine vergleichbare Beteiligung zu erwerben.1759 Demgegenüber gebiete der Schutz der Beteiligung durch Art. 14 GG nicht, den Beschluss einer sachlichen Rechtfertigung zu unterziehen.1760 ___________ 1757
1758 1759 1760
Vgl. dazu auch Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 300, wonach in den problematischen Fallgestaltungen gerade nicht eine Auflösung, sondern ein Ausschluss der Minderheitsaktionäre gewollt ist. I. E. auch Martens, GmbHR 1984, 265, 269 f.; Wiedemann, ZGR 1999, 857, 870–872; Timm, JZ 1980, 665, 670. Auch der BGH hatte in einer älteren Entscheidung die Verflechtung der Vorgänge erkannt und sich für eine Gesamtbetrachtung der Vorgänge ausgesprochen, BGHZ 76, 352, 355. A. A. hingegen Henze, ZIP 1995, 1473, 1476, der isoliert auf den Liquidationsvorgang abstellt und derart zu dem Ergebnis gelangt, Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter seien im Rahmen ihrer Beteiligung gleichermaßen betroffen. Henze, ZIP 1995, 1473, 1476. BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto Meter). BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 (Moto Meter); zustimmend OLG Düsseldorf AG 2005, 293, 294.
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Als entscheidender Gesichtspunkt darf dabei jedoch nicht übersehen werden, dass die entschiedene Konstellation eine Besonderheit aufwies: Der Hauptaktionär war mit einem Anteil von knapp 99% des Aktienkapitals an der aufgelösten Gesellschaft beteiligt. Die Entscheidung kann daher durchaus einschränkend dahingehend verstanden werden, dass diese überragende Beteiligung den Grund für einen auch ohne inhaltliche Rechtfertigung zulässigen Ausschluss der Minderheitsaktionäre bildete. Die Hinweise des Gerichts auf die Eingliederung, die eine Mehrheit von 95% des Kapitals voraussetzt,1761 vermögen dies zu unterstützen.1762 Unter dieser Prämisse fügt sie sich nahtlos in das hier entwickelte Modell ein, wonach der QuasiAlleineigentümer, der mindestens 95% des Gesellschaftskapitals aufgebracht hat, seine Eigeninteressen verfolgen darf und die verbleibende Minderheit nur angemessen abfinden muss. Auch scheidet dann ein Konflikt mit den Instituten, die einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre ermöglichen, namentlich nach §§ 320 I, 327 a I AktG, aus. Zugegebenermaßen sprechen die allgemein gehaltenen Ausführungen des Gerichts gegen eine derartige Einschränkung. Wenn das Gericht betont, der Gesetzgeber habe das Anliegen, eine kleine Zahl von Minderheitsaktionären aus der Gesellschaft auszuschließen, als grundsätzlich berechtigt anerkannt und dies allgemein mit den rein kapitalistischen Interessen begründet,1763 spricht dies gegen eine Beschränkung der Rechtsprechung im hier vertretenen Sinne. Da dieser Ansatz jedoch unter § 4 B. I. 2. allgemein abgelehnt wurde, ist ihm auch im Zusammenhang mit dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre im Wege einer Übertragenden Auflösung nicht zu folgen. b) Liquidation und Vermögensübernahme Das gleiche Ergebnis lässt sich freilich auch auf umgekehrtem Wege erreichen: Der Mehrheitsaktionär kann zunächst die Auflösung der Gesellschaft beschließen und im Rahmen der Liquidation das Gesellschaftsvermögen erwerben. In dieser Konstellation meldet der BGH nunmehr Bedenken aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht an. Ein Minderheitsaktionär soll den Liquidationsbeschluss der Hauptversammlung anfechten können, wenn der Mehrheitsaktionär schon vor der Beschlussfassung Vorbereitungshandlungen zur Vermögensübertragung getroffen hat, so dass sich der Auflösungsbeschluss auf eine Gesellschaft bezieht, der die Existenzgrundlage bereits genommen ist. Hierdurch verstoße der Mehrheitsaktionär gegen seine ihm gegenüber den übrigen Aktionären obliegende Treuepflicht.1764 ___________ 1761 1762
1763
1764
Vgl. BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto Meter). So dezidiert auch die Interpretation von Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 80, auch unter Darstellung der Entscheidungen Feldmühle, BVerfG NJW 1962, 1667, und DAT/Altana, BVerfG ZIP 1999, 1436. So BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto Meter). Weiter auch BVerfG, a. a. O., S. 1673: Art. 14 I GG schütze einen reinen Kapitalanleger nicht davor, aus der Gesellschaft hinausgedrängt zu werden. BGHZ 76, 352, 355 f.; BGHZ 103, 184, 193 f. (Linotype); einschränkend OLG Stuttgart ZIP 1995, 1515, 1518: Fehlten dem Minderheitsaktionär die finanziellen Mittel für eine Über-
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Im Gegensatz zu seiner Entscheidung zur übertragenden Auflösung stellt der BGH in diesem Fall richtigerweise auf eine Gesamtbetrachtung ab, die alle Umstände einbezieht und nicht isoliert den Charakter des Liquidationsbeschlusses als Desinvestitionsentscheidung betont. Der hiergegen geäußerte Einwand, dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass der Mehrheitsgesellschafter sein durch die Liquidation frei werdendes Vermögen nicht in den Erwerb des Gesellschaftsvermögens investieren dürfe,1765 lässt gerade außer Acht, dass die besondere Gestaltung den fehlenden Willen des Mehrheitsaktionärs, sein Vermögen zu desinvestieren, entlarvt. c) Rechtswidrigkeit bei Beteiligungen unter 95% Der Beschluss über die Vermögensübertragung muss sich daher an seinen tatsächlichen Wirkungen messen lassen. Der Gesetzgeber hat § 179 a AktG nicht als Mittel des Gesellschafterausschlusses ausgestaltet, sondern vielmehr für die Vermögensübertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge den Schutz der Minderheitsaktionäre ansatzweise geregelt. Dies drückt sich in der Resignation des BayObLG aus: Die Defizite im Minderheitsschutz bei § 179 a AktG werden als rechtpolisch unbefriedigend bewertet, da die Schutzmechanismen anderer Institute mit wirtschaftlich vergleichbarer Zielsetzung praktisch ausgehebelt werden könnten. Zugleich sei aber aufgrund gesetzgeberischer Untätigkeit an diesem Bestand nichts zu ändern.1766 Diese Einschätzung kann nicht geteilt werden. Zu Recht wird dagegen eingewandt, der Gesetzgeber habe nur den Mindestschutz der Aktionäre für die von ihm als Regelfall angesehene Übertragung auf einen Dritten geregelt, während der Schutz der Minderheitsaktionäre in den Fällen eines Vermögenserwerbs durch den Mehrheitsgesellschafter ungeregelt geblieben, aber nicht abschlägig beschieden worden sei.1767 Die Vorschrift regelt gerade nicht die Übernahme des Unternehmens durch den Mehrheitsaktionär, sondern lediglich die Übertragung des Gesellschaftsvermögens, und zwar regelmäßig an einen Dritten. Die Übernahme des Vermögens durch den Mehrheitsgesellschafter und der Ausschluss der Minder___________
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nahme des zum Verkauf stehenden Vermögens, scheide eine Treuepflichtverletzung aus; vgl. auch Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, S. 191, 216–222, die sich für eine intensive Missbrauchskontrolle aussprechen. Henze, ZIP 1995, 1473, 1476. So sinngemäß BayObLG ZIP 1998, 2002, 2004 (Magna Media). So in der Essenz Wiedemann, ZGR 1999, 862–865, insb. S. 864: „Aus einer meines Erachtens fragwürdigen systematischen Erwägung kann jedenfalls nicht der Schluß gezogen werden, der Gesetzgeber des Umwandlungsrechts habe die Minderheitsaktionäre absichtlich um ein faires und nachprüfbares Abfindungsverfahren bringen wollen.“ und S. 865: „Ohne Anhalt in der Regierungsbegründung wird man nicht unterstellen können, daß der gleiche Gesetzgeber, der im Umwandlungs- und Konzernrecht den Anleger- und Minderheitsschutz gewaltig aufgewertet hat, in seinem Einführungsgesetz gleichzeitig ein ‚Schlupfloch‘ öffnen wollte, wie sein eigenes Gesetzgebungswerk umgangen werden kann.“ Siehe dazu die Begründung zum RegE BT-Drs. 12/6699, S. 178.
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heitsaktionäre sind daher gerade geschickte Gestaltungsformen, die der Gesetzgeber bei seiner Regelung nicht vor Augen hatte.1768 Bei der Vermögensübertragung auf den Mehrheitsaktionär muss daher sichergestellt sein, dass der Vorgang einem Drittvergleich standhält (Stichwort arm’s length transaction). Das ergibt sich schon aus den Kapitalerhaltungsvorschriften. Eine Vermögensübertragung an den Hauptaktionär ohne angemessene Gegenleistung stellt eine Einlagenrückgewähr im Sinne des § 57 I 1 AktG dar, und zwar auch dann, wenn der Erwerb diesem nur mittelbar zugute kommt, und führt zur Nichtigkeit des Vertrages nach § 134 BGB.1769 Zusätzlich muss der Vorgang in seiner Gesamtwirkung betrachtet werden. Da im Ergebnis ein Ausschluss der Minderheitsaktionäre bewirkt wird, verstößt der Weg über eine Übertragende Auflösung – ebenso wie über eine Liquidation mit anschließendem Erwerb des Liquidationsvermögens – nur dann nicht gegen das Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs, wenn die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre beachtet werden. Dazu stehen aber nur die in diesem Abschnitt erörterten Wege zur Verfügung, ein Ausschluss aufgrund Ermächtigung durch die Satzung, aufgrund wichtigen Grundes oder bei überragender Mehrheitsbeteiligung am eingebrachten Kapital von mindestens 95%. Für die übertragende Auflösung ergibt sich daraus, dass diese nur zulässig ist, wenn der Mehrheitsaktionär über eine Kapitalmehrheit von mindestens 95% verfügt.1770 Diese Mehrheit berechnet sich anhand der zum Squeeze out dargestellten Grundsätze, so dass es bei Zurechnungen der Beteiligungen an verbundenen Unternehmen darauf ankommt, dass der Mehrheitsaktionär mindestens 95% des Gesamtvermögens im Gesamtverbund aufgebracht hat. Der hiergegen vorgebrachte Einwand, der Kleinaktionär sei bloßer Kapitalanleger und daher nur über angemessene Abfindung zu schützen,1771 wurde bereits als irreführender Ansatz unter § 4 B. I. 2. allgemein abgelehnt. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Möglichkeit zur Vermögensübertragung unter Ausschluss der Minderheitsgesellschafter nach §§ 174, 175 UmwG. Dabei handelt es sich um eine spezialgesetzliche Möglichkeit zur Vermögensübertragung auf die öffentliche Hand sowie unter Versicherungsunternehmen, die wegen ihres stark begrenzten Anwendungsbereich keine allgemeine Aussagekraft besitzt.1772 ___________ 1768 1769
1770
1771 1772
Ausführlich und dezidiert Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 263–265. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 179 a, Rn. 17; Schäfer/Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 63, Rn. 28; zum problematischen Verhältnis zu § 311 AktG vgl. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311, Rn. 49; OLG Stuttgart ZIP 1995, 1515, 1518; Henze, ZIP 1995, 1473, 1480. So auch Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 81 f., wonach eine übertragende Auflösung nur dann zulässig ist, wenn die hierdurch ausgeschlossene Minderheit unter 5% des Grundkapitals liegt. Vgl. auch die insgesamt kritischen Andeutungen von Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1210 Roth, NZG 2003, 998, 999 f. Siehe zum Anwendungsbereich H.Schmidt, in: Lutter/Winter, UmwG, Band II, 4. Aufl. 2009, vor § 174, Rn. 2.
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Außerdem bietet das UmwG im Wege der Verschmelzung, Spaltung oder Ausgliederung eine Möglichkeit, das Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zu übertragen. Aus steuerlichen Gründen sind diese gegenüber der Vermögensübertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge für die Gesellschafter regelmäßig interessanter, da etwa die Aufdeckung versteckter Gewinne und ein evtl. Anfall von Grunderwerbsteuer vermieden werden können.1773 Für Aktiengesellschaften kommt dieser Weg durchaus als Alternative zur Vermögensübertragung nach § 179 a AktG in Betracht: Eine Ausgliederung zur Übertragung des wesentlichen Vermögens nach § 123 III UmwG kann nach §§ 125, 65 UmwG mit einer Mehrheit von 75% des vertretenen Grundkapitals beschlossen werden, ebenso wie eine Abspaltung nach § 123 II UmwG.1774 Im Grundsatz wurde ein derartiges Vorgehen auch vom BVerfG in seiner Feldmühle-Entscheidung gebilligt.1775 In dieser Entscheidung ging es um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Mehrheitsumwandlung einer Aktiengesellschaft in eine andere Aktiengesellschaft, die der Aktionärsmehrheit dazu diente, das von der Gesellschaft geführte Unternehmen unter Ausschluss der Minderheit zu übernehmen. Aus diesen umwandlungsrechtlichen Möglichkeiten wird teilweise die grundsätzliche Zulässigkeit der übertragenden Auflösung gefolgert.1776 Ein solcher Rückschluss scheidet wegen der unterschiedlichen Zielrichtungen der Institute jedoch aus.1777 Daher unterscheiden sich auch die Voraussetzungen beträchtlich: Wie unter § 12 auszuführen sein wird, muss der Umwandlungsvorgang durch die Interessen des neu zu bildenden Verbandproduktes gerechtfertigt sein und sich gegen die berechtigten Interessen dissentierender Gesellschafter durchsetzen. Auch liegen für die Umwandlungsvorgänge formalisierte Abfindungsverfahren vor, die entweder eine Beteiligung der Minderheitsgesellschafter an der neuen Gesellschaft bewirken oder zu deren Ausscheiden gegen angemessene Barabfindung führen, während es daran bei einer Übertragenden Auflösung gänzlich fehlt. Dort helfen nur die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien, die einen Vermögensverlust der Minderheitsaktionäre verhindern sollen (hierzu sogleich unter 5.). Auch liegt eine Parallele zu dem von Grundmann1778 vertretenen Ansatz einer Quotenverschiebung zulasten der Mitgesellschafter nahe: Indem der Mehrheitsak___________ 1773 1774 1775 1776 1777
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Dazu Schäfer/Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 63, Rn. 26. Zu diesen Vorgängen ausführlich Teichmann, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 123, Rn. 21–23. BVerfGE 14, 263 (Feldmühle). Roth, NZG 2003, 998, 1000 m. N. zum Meinungsstand. Siehe zu dem allgemeinen Hinweis darauf, dass umwandlungsrechtliche Sonderregelungen wegen des besonderen rechtstechnischen Zuschnitts der Umwandlungsregelungen auf die Vermögensübertragung nach § 179 a AktG nicht anzuwenden sind, Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 179 a, Rn. 12 a. Vgl. zur alten Rechtslage (§ 361 AktG a. F.) die Forderung von Timm, JZ 1982, 403, 408, einen Gleichlauf von Vermögensübertragung und Verschmelzung zu erreichen. Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 271 ff. Näher dazu unter § 3 D. IV. 2. und § 7 A. II. 2. d).
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tionär das Gesellschaftsvermögen fortan alleine nutzt, verschiebt er die geltende Beteiligungsquote zu seinen eigenen Gunsten. Das stellt nach den hier vertretenen allgemeinen Grundsätzen einen Eingriff in die Mitgliedschaft der Mitgesellschafter dar, der einer Rechtfertigung bedarf. Die h. M. sieht diese Rechtfertigung schon in der Desinvestitionsentscheidung des Mehrheitsaktionärs bzw. den Wertungen des UmwG, während sie nach hier vertretener Auffassung allein im Quasi-Eigentum des Mehrheitsaktionärs bei einer Beteiligung von mindestens 95% liegen kann.
4. Information der Minderheitsaktionäre Die Regelung des § 179 a II AktG dient dem Ziel, die Information der Minderheitsaktionäre über die Vermögensübertragung sicherzustellen. Durch Auslegung des Vertrages ist die Aktiengesellschaft verpflichtet, den Aktionären die Einsichtnahme in den Vertrag zu ermöglichen und ihnen auf Verlangen Abschriften zu erteilen. Auch in der Hauptversammlung ist der Vertrag auszulegen und durch den Vorstand zu erläutern. Außerdem muss er der Niederschrift über die Hauptversammlung als Anlage beigefügt werden. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Aktionäre von der bevorstehenden Übertragung Kenntnis erlangen und sich über die vertraglichen Modalitäten informieren können.1779 Angesichts des erheblichen Eingriffs in die Rechtsstellung der Minderheitsaktionäre sind diese Vorgaben jedoch nicht ausreichend, um diese mit den Informationen zu versorgen, derer sie bedürfen, um die Rechtmäßigkeit des Vorgangs beurteilen und davon ausgehend eine eventuelle Klage anstreben zu können.1780 Insbesondere bleibt der Umfang der Information nach § 179 a II AktG weit hinter den bei Squeeze out, Eingliederung und Umwandlung bereitgestellten Unterlagen zurück. Insbesondere fehlt jede Grundlage, um die Angemessenheit der für das zu übertragende Vermögen geschuldeten Gegenleistung beurteilen zu können. Daher wird befürwortet, die Vorschriften derjenigen Vorgänge, die in ihren Rechtsfolgen einer übertragenden Auflösung gleichkommen, anzuwenden. Dabei handelt es sich vor allem um die Vorgänge nach dem UmwG, durch die eine Vermögensübertragung auf einen neuen Rechtsträger bewirkt wird. Neben der Vermögensübertragung nach § 174 AktG bewirkt die Verschmelzung durch Aufnahme nach § 29 I UmwG dieses Ergebnis. Diese stellen zu der Übertragenden Auflösung, wirtschaftlich betrachtet, nahezu austauschbare Vorgänge dar.1781 Daher sind zunächst die dort geforderten Informationspflichten zu erfüllen, um dem Minderheitsaktionär eine Beurteilung des Übertragungsvorganges zu ermöglichen. ___________ 1779
1780 1781
Nach BGH NJW 2001, 1277, 1279, finden diese Grundsätze auch Anwendung, wenn die Obergesellschaft die Hauptversammlung nach §119 II AktG mit der Entscheidung über eine Vermögensübertragung nach § 179 a AktG in der zu 100% gehaltenen Tochter befasst. Zum Informationsbedürfnis der Minderheitsaktionäre vgl. Roth, NZG 2003, 998, 1001. Wiedemann, ZGR 1999, 857, 859 f.; Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, S. 191, 196.
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Dazu dient die Pflicht zur Erstellung eines formalisierten Vermögensübernahmeberichts nach § 8 UmwG analog. Da dem Minderheitsaktionär regelmäßig die Möglichkeit fehlen wird, diesen Bericht, insbesondere den gebotenen Kaufpreis auf seine Angemessenheit beurteilen zu können, ist zusätzlich eine Begutachtung durch einen Sachverständigen (Wirtschaftsprüfer) nach §§ 9–12 UmwG analog zu fordern.1782 Der Sachverständige ist dabei entsprechend § 327 c II 2, 3 AktG auf Antrag der Gesellschaft vom Gericht auszuwählen und zu bestellen.1783 Alle Unterlagen unterfallen konsequenterweise auch den Publikationspflichten des § 179 a II AktG. Eine derartige Analogie wird auch nicht durch das Verbot einer Analogiebildung zu den Regeln des UmwG zur Gesamtrechtsnachfolge und zum Rechtsformwechsel nach § 1 II UmwG ausgeschlossen. Diese Norm untersagt es gerade nicht, allgemeine gesellschaftsrechtliche Institute wie etwa Informationspflichten, Zuständigkeiten der Hauptversammlung bei Grundlagenentscheidungen oder Abfindungsrechte der Aktionäre näher auszuformen und weiterzubilden.1784 Werden diese allgemeinen Prinzipien in einzelnen Normen des UmwG konkret auf einzelne Situationen zugeschnitten, schließt es das Verbot des § 1 II UmwG nicht aus, ihren Regelungsinhalt auf entsprechende Situationen außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwG anzuwenden.
5. Angemessene Abfindung und Rechtsschutz Der Ansatz der h. M., die nicht die hier geforderten Voraussetzungen an eine Übertragende Auflösung stellt, sich gegenüber den besonderen durch § 179 a AktG eröffneten Gefahren jedoch auch nicht gänzlich verschließt, setzt wesentlich auf eine angemessene Abfindung der Minderheitsaktionäre. a) Die Vorgaben des BVerfG Als Ausgangspunkt dient dabei die schon angesprochene Rechtsprechung des BVerfG im Moto Meter-Beschluss. Ausgehend von seiner Feststellung, der Gesetzgeber habe das Anliegen, eine kleine Zahl von Minderheitsaktionären aus der Gesellschaft auszuschließen, als grundsätzlich berechtigt anerkannt, betont das ___________ 1782
1783 1784
So Henze, FS Peltzer, 2001, S. 181, 193 f.; Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, S. 191, 214; Roth, NZG 2003, 998, 1001. Restriktiver hingegen Kallmeyer, FS Lutter, 2000, S. 1245, 1256. Zu den Grundsätzen einer analogen Anwendung von Informationsrechten siehe BGH NJW 2001, 1277, 1279: „Mangels einer einheitlichen gesetzlichen Regelung über die weiter gehenden Informationsrechte der Aktionäre für sämtliche Vertragstypen zustimmungsbedürftiger Verträge bedarf es (. . .) stets einer Prüfung im Einzelfall, ob eine der jeweiligen speziellen Norm vergleichbare Fallkonstellation vorliegt, die ihre entsprechende Anwendung in Bezug auf das Einsichtsrecht der Aktionäre in den Vertrag rechtfertigt“. Roth, NZG 2003, 998, 1001; Ehricke/Roth, DStR 2001, 1120, 1125; Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 265 f. Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865.
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Gericht die Notwendigkeit, die Minderheitsaktionär angemessen abzufinden.1785 Zugleich geht es auf den Rechtsschutz der Minderheitsaktionäre ein: In den problematischen Fällen, in denen das Gesellschaftseigentum nicht an einen außenstehenden Dritten, sondern an den Mehrheitsaktionär veräußert werde, bestehe kein Gleichlauf der Interessen der verschiedenen Aktionärsgruppen, sondern gerade ein Interessenkonflikt.1786 Die Angemessenheit der Vermögensabfindung des Minderheitsaktionärs müsse daher gerichtlich nachprüfbar sein, wofür das Spruchstellenverfahren oder die Anfechtungsklage zur Verfügung stünden. Das entspricht der Tradition des BVerfG: Schon im Feldmühle-Urteil hatte das Gericht erklärt, ein als Kleinanleger eingestufter Aktionär könne gegen seinen Willen aus der Aktiengesellschaft gedrängt werden, wobei er einen vermögensrechtlichen Anspruch auf Entschädigung erhalte, während sein Anteil am Gesellschaftsvermögen dem Großaktionär zuwachse.1787 Als angemessene Abfindung müsse der Aktionär erhalten, was seine gesellschaftliche Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert sei. Allein diese Auslegung sei auch mit Art. 14 GG vereinbar; die Voraussetzungen für eine Enteignung nach Art. 14 III 3 GG, die als Ergebnis einer Abwägung der Interessen der Allgemeinheit mit denen der Beteiligten auch eine geringere als die volle Entschädigung zulasse, fehlten im Verhältnis Gleichstehender, zumal wenn der den Entschädigungsanspruch begründende Sachverhalt im eigenen Interesse des Großaktionärs liege und von ihm herbeigeführt worden sei.1788 b) Umsetzung dieser Grundsätze Aus diesen Vorgaben wird gefolgert, dass der Mehrheitsaktionär für die übernommenen Vermögensgegenstände eine angemessene Gegenleistung zu entrichten hat. Da sich dies mittelbar auf den Wert der Anteile der Minderheitsaktionäre auswirkt, wird dies als ausreichender Ausgleich für die Minderheitsaktionäre angesehen.1789 Begründet wird dieser (geringe) Schutz letztlich mit den Grundsätzen der Quotenerweiterung: Die Ausschlussmöglichkeit wurzelt in einer nicht in den Aktien des Mehrheitsaktionärs verkörperten überschießenden Rechtsmacht, die (nach dieser Ansicht) durch die vom Gesetz für zulässig erachtete Dreiviertelmehrheit vermittelt wird.1790 Ein unzulässiger Sondervorteil wird dem Ansatz der h. M. entsprechend nicht in der Übernahme des Gesellschaftsvermögens unter Ausschluss der Minderheit gesehen, sondern nur in einer Übernahme zu einem unangemessenen Preis.1791 ___________ 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791
BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto Meter). Siehe zur davon zu unterscheidenden Interessenlage bei der Übertragung des Gesellschaftsvermögens an einen außenstehenden Dritten Henze, FS Boujong, 1996, S. 233, 248. BVerfGE 14, 263, 278 (Feldmühle). BVerfGE 14, 263, 284 (Feldmühle). Roth, NZG 2003, 998, 1000 f. Roth, NZG 2003, 998, 1001, im Ansatz unter Bezugnahme auf Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 458 ff. Roth, NZG 2003, 998, 1001.
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Andere Abfindungsansprüche kommen in der Tat auch nicht in Betracht. Soweit es neben einer zu niedrig bemessenen Gegenleistung des Mehrheitsaktionärs an einem Auflösungs- und Liquidationsbeschluss fehlt und der Minderheitsaktionär daher in der „leergeräumten“ Aktiengesellschaft festsitzt, werden die unter § 7 B. III. 3. dargestellten Grundsätze relevant. Da die Übertragende Auflösung das Paradebeispiel für eine Situation darstellt, in der aufgrund des Verhaltens des Mehrheitsgesellschafters eine weitere Zusammenarbeit ausscheidet, kann der Minderheitsaktionär den Schaden der Gesellschaft anteilig selbst liquidieren und unter Abfindung aus der Aktiengesellschaft ausscheiden.1792 Die Beschränkungen dieser persönlichen Schadensliquidation, die sich in der werbenden Aktiengesellschaft aus den Wertungen der §§ 117, 147, 148 AktG ergeben, sind irrelevant, wenn der Aktiengesellschaft durch den Mehrheitsaktionär das Betriebsvermögen entzogen wurde, sofern nicht ausnahmsweise die werbende Tätigkeit mit der hierfür erlangten Gegenleistung fortgesetzt werden soll und kann. Nach der hier vertretenen Auffassung wird die Abfindungsfrage jedoch regelmäßig irrelevant sein, da sich der Minderheitsaktionär gegen einen Übertragungsbeschluss, dem eine Rechtfertigung im Interesse der Gesellschaft fehlt (dazu die Kriterien unter 2.) bzw. der nicht von einem Mehrheitsaktionär, der zumindest 95% des Kapitals der Gesellschaft aufgebracht hat, getragen wird (dazu die Kriterien unter 3.), ohnehin zur Wehr setzen kann.
6. Rechtsbehelfe des Minderheitsaktionärs Diese letzte Feststellung wirft die Frage nach dem statthaften Rechtsbehelf auf. Einigkeit besteht darüber, dass, ganz im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG im Moto Meter-Beschluss, dem Minderheitsaktionär wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen müssen.1793 Freilich richtet sich deren Reichweite nach dem materiellrechtlichen Schutz des Minderheitsaktionärs und daher nach den Rechtmäßigkeitsanforderungen, die an einen Beschluss nach § 179 a AktG gestellt werden. Die Lösung nach den hier vertretenen strengen Inhalts- und Mehrheitserfordernissen ist denkbar einfach: Sowohl wenn der Minderheitsaktionär geltend macht, es fehle an einer inhaltlichen Rechtfertigung für den Übertragungsbeschluss, als auch bei der Rüge, der Mehrheitsaktionär verfüge nicht über wirtschaftliches Eigentum von 95%, kann er in jedem Fall den Beschluss im Wege der Anfechtungs-
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Vgl. insoweit auch Wiedemann, ZGR 1999, 857, 862 f.; ders., in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 179, Rn. 180; zu Austrittsrechten de lege ferenda Grunewald, FS Claussen, 2000, S. 103, 106 ff.; Mit einem Austrittsrecht analog §§ 305, 306 AktG symapthisierend Windbichler, AG 1981, 169. Siehe auch Timm, JZ 1982, 403, 407 f. Vgl. etwa Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865 f., der diesen Anspruch aus den Grundsätzen des Spruchstellenverfahrens für die Umwandlungsfälle, aus § 738 BGB und den Grundsätzen zum Ausschluss aus der GmbH ableitet. Siehe auch Roth, NZG 2003, 998, 1001.
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klage angreifen. Nach den unter §§ 3, 5 dargestellten Grundsätzen trägt die Aktiengesellschaft die Beweislast für die Rechtmäßigkeit des Beschlusses.1794 Lediglich in den Fällen, in denen der Aktionär nur die Höhe der Gegenleistung angreift, kommt in Betracht, ihm die Anfechtung des Beschlusses zu untersagen und ihn stattdessen auf das Spruchverfahren zu verweisen. Dies wird von der überwiegenden Ansicht der Stimmen, die eine inhaltliche Rechtfertigung des Übertragungsbeschlusses ablehnen und den Aktionär daher auf Rechtsbehelfe gegen die Höhe der Gegenleistung verweisen, vertreten.1795 Zur Begründung wird angeführt, hierdurch könne der Rechtsstreit auf den neuralgischen Punkt, die Bewertung des Gesellschaftsvermögens, konzentriert und der Suspensiveffekt einer Anfechtungsklage vermieden werden, wodurch das – viel kritisierte – Erpressungspotential der Kleinaktionäre minimiert werde.1796 Vorteilhaft für den Minderheitsaktionär ist, dass der übernehmende Mehrheitsaktionär die Angemessenheit der Gegenleistung beweisen muss, sofern der Minderheitsaktionär nur Indizien darlegt, die auf eine Fehlbewertung der Vermögensgegenstände hindeuten.1797 Die Gegenansicht spricht sich hiergegen aus,1798 vor allem mit dem Argument, dass es im Gegensatz zu den Situationen, in denen das Gesetz auf das Spruchverfahren verweist, an einer (ausdrücklichen) Anspruchsgrundlage für den Abfindungsanspruch fehle. Dieser Einwand lässt sich überwinden: Eine unangemessene Gegenleistung im Sinne der oben unter § 7 A. III. dargestellten Grundsätzen zur verdeckten Gewinnausschüttung wird vom Mehrheitsaktionär regelmäßig bewusst gewählt, so dass er eine Pflichtverletzung nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber den Mitaktionären begeht. Daraus folgt ein Schadensersatzanspruch nach § 280 I BGB, und zwar nach hier vertretener Ansicht aus eigenem Recht. Zugleich kann eine Streitentscheidung unterbleiben, da nach hier vertretenem Ansatz regelmäßig ohnehin der Beschluss wegen inhaltlicher Mängel angefochten werden kann. Handelt es sich jedoch bei der Anfechtungsklage nach § 243 I AktG um den wesentlichen Rechtsbehelf des Aktionärs, erscheinen auch die für ein Spruchverfahren vorgebrachten Argumente weitgehend hinfällig. Es erscheint zweckmäßig, die Anfechtungsklage auch dann als statthaft anzusehen, ___________ 1794
1795
1796 1797 1798
Nach der h. M., die demgegenüber inhaltliche Anforderungen an den Beschluss nur im Ausnahmefall stellt, etwa bei einem Verstoß gegen die Treuepflicht oder den Gleichbehandlungsgrundsatz, liegt die Beweislast bei dem Anfechtungskläger, wobei die Grundsätze der Tatsachennähe dem Minderheitsaktionär ansatzweise weiterzuhelfen vermögen, dazu Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 179 a, Rn. 14. In Betracht gezogen von BVerfG ZIP 2000, 1670, 1673 (Moto Meter); BayObLG ZIP 1998, 2002, 2004; Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, S. 191, 215; bejaht von Bayer, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 1999, 2000, S. 35, 52 f. (insb. Fn. 71); Rühland, WM 2002, 1957, 1965; Wolf, ZIP 2002, 153, 157 ff. Zu einer Anwendung in anderen Konstellationen, insbesondere der des „kalten“ Delisting OLG Düsseldorf NZG 2005, 317, 318; Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 199. Zum „kalten“ Delisting ausführlich unter § 13 B. Siehe die Darstellung von Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 266. Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, S. 191, 215. LG Stuttgart DB 1993, 473; Roth, NZG 2003, 998, 1002.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
wenn sich der Vorwurf des Minderheitsaktionärs nur auf die Höhe der Gegenleistung bezieht.
7. Die Vermögensübertragung und der Ausschluss durch Übertragende Auflösung in anderen Gesellschaftsformen Die Möglichkeit, durch eine Kombination aus Vermögensübertragung auf den Hauptgesellschafter und Auflösung der Gesellschaft einen Ausschluss der Minderheitsgesellschafter herbeizuführen, besteht auch in den übrigen Gesellschaftsformen. Der BGH hat dazu entschieden, dass § 179 a AktG den allgemeinen Rechtsgedanken enthält, dass die Übertragung des von der Gesellschaft geführten Unternehmens ein Grundlagengeschäft darstellt und daher auch in der GmbH und den Personengesellschaften in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fällt.1799 Da die Schutzbedürftigkeit der Minderheitsgesellschafter ebenso wie die Möglichkeiten zum Missbrauch der Situation in der Aktiengesellschaft entsprechen, sind auch die übrigen Grundsätze in der GmbH und den Personengesellschaften anzuwenden. Daher bedarf ein Beschluss über die Übertragung des Gesellschaftsvermögens einer sachlichen Rechtfertigung nach den allgemeinen Kriterien.1800 Führt dieser zu einem Ausschluss der Gesellschafter, ist anhand der Grundsätze zum institutionellen Rechtsmissbrauch zu prüfen, ob die Anforderungen an einen Gesellschafterausschluss umgangen werden. In der GmbH und den Personengesellschaften gilt nach allem in diesem Abschnitt Gesagten, dass ein Ausschluss des Gesellschafters nur aus wichtigem Grund oder bei gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung möglich ist. Daneben reicht es auch in diesen Gesellschaftsformen aus, dass der Mehrheitsgesellschafter Quasi-Alleineigentümer der Gesellschaft ist, also über ein wirtschaftliches Eigentum von mindestens 95% verfügt.1801
VI. Die Zusammenlegung von Aktien nach § 222 IV 2 AktG Eine Kapitalherabsetzung kann unter den Voraussetzungen des § 222 IV 2 AktG zu einer Zusammenlegung von Aktien führen. Soweit der Aktionär nicht über die für die Zusammenlegung erforderliche Anzahl von Aktien verfügt, verbleiben für ___________ 1799 1800
1801
BGH NJW 1995, 596; zustimmend Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 126, Rn. 3; K. Schmidt, ZGR 1995, 675, 679 f. So für die GmbH Timm, ZGR 1987, 403, 436; Nach Scholz/K. Schmidt/Bitter, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 60, Rn. 17, i. V. m. Band I, 10. Aufl. 2007, § 15, Rn. 130, sind sogar Gründe in der Person des Auszuschließenden im Sinne der Grundsätze zum Ausschluss aus wichtigem Grund erforderlich, wenn sich der Mehrheitsgesellschafter der Übertragung und Liquidation zum Ausschluss eines weiteren GmbH-Gesellschafters bedient. Nach a. A. kommt es hingegen wiederum nur darauf an, dass der Minderheitsgesellschafter angemessen abgefunden wird, vgl. Scholz/K. Schmidt/Bitter, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 60, Rn. 65.
C. Der Ausschluss des Aktionärs aufgrund spezialgesetzlicher Institute
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ihn nur Spitzen, die nicht in neue Aktien umgewandelt werden, so dass er seine Mitgliedschaft verliert. Wird das Umtauschverhältnis sehr hoch angesetzt, kann auch auf diesem Wege ein Ausschluss von Minderheitsaktionären herbeigeführt werden.1802 Da es sich um einen Ausschluss handelt, dessen Voraussetzungen in der Satzung nicht vorgegeben sind, ist nach den allgemeinen hier vertretenen Grundsätzen und auch nach ausdrücklicher Feststellung des BGH1803 ein Eingriff in die Rechtsposition des Minderheitsaktionärs durch einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss zu bejahen.1804 Daher ist eine inhaltliche Rechtfertigungsprüfung erforderlich, soweit nicht eine ausdrückliche gesetzgeberische Entscheidung die Rechtfertigung liefert und auch eine Interessenabwägung pauschalierend vorweggenommen hat. Letzteres wird vom BGH und ihm folgend einer starken Literaturansicht angenommen. Die sachliche Rechtfertigung sei bereits in der gesetzlichen Regelung des § 222 AktG enthalten, die eine abschließende Abwägung der Belange der betroffenen Aktionäre mit den Interessen der Gesellschaft an der Maßnahme beinhalte. Die in § 222 IV 2 AktG vorgesehene zwingende Subsidiarität des Zusammenlegungsverfahrens gegenüber dem Herabsetzungsverfahren mache den Verlust der Mitgliedschaft zu einer ultima ratio-Maßnahme. Eine Kapitalherabsetzung durch Zusammenlegung von Aktien sei daher erst dann möglich, wenn eine Herabsetzung des Nennbetrags nicht mehr in Frage komme.1805 Damit treffe das Gesetz eine spezielle Regelung, die es ausschließe, eine weitere sachliche Rechfertigung zu verlangen.1806 Hinzu komme, dass mit der nach § 222 I 1 AktG erforderlichen qualifizierten Beschlussmehrheit von ¾ des vertretenen Grundkapitals und daneben der einfachen Stimmenmehrheit nach § 133 I AktG vom Gesetzgeber ein hohes Schutzniveau vorgesehen worden sei.1807 Daher könne nur im Einzelfall unter Berufung auf das allgemeine Willkürverbot eine Inhaltsprüfung in Betracht kommen.1808 Die Gegenansicht sieht eine Parallele zum Bezugsrechtsausschluss darin, dass in beiden Fällen Finanzierungsmaßnahmen von einer Mehrheit der Aktionäre beschlossen werden, die sich zum Nachteil der Minderheit auswirken. In beiden Fäl___________ 1802 1803
1804 1805 1806
1807 1808
Zum Verfahren und nachteiligen Folgen einer Zusammenlagung von Aktien für die Kleinaktionäre Lutter, in: KölnerKomm.-AktG, Band 5/1, 2. Aufl. 1993, Vorb. vor § 222, Rn. 19. BGHZ 138, 71, 76 (Sachsenmilch) = NJW 1998, 2054: „(. . .) führt das zu einem Eingriff in die mitgliedschaftliche Stellung der Aktionäre, wenn ihnen nur sogenannte Spitzen verbleiben“. So auch als Eingangsinstanz LG Dresden ZIP 1995, 1596, 1599 (Sachsenmilch). So auch Krieger, ZGR 2000, 885, 891; Lutter, in: KölnerKomm.-AktG, Band 5/1, 2. Aufl. 1993, Vorb. vor § 222, Rn. 16, 19. BGH NJW 1999, 3197 (Hilgers). BGHZ 138, 71, 76 f.; ebenso LG Hannover AG 1995, 285, 286; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 222, Rn. 15; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 50; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 222, Rn. 19. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 222, Rn. 9. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 222, Rn. 15; darauf läuft auch die Differenzierung von Thümmel, BB 1998, 911, 912, hinaus.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
len sei erforderlich, dass sich die Maßnahme im Interesse der Gesellschaft als geboten darstelle.1809 Tatsächlich ist eine abschließende gesetzliche Wertung, die materielle Rechtmäßigkeitanforderungen ausschließen würde, nicht erkennbar. Das Gesetz trifft nur eine Abstufung, indem es die Zusammenlegung als subsidiär gegenüber einer nominellen Kapitalherabsetzung, bei der alle Aktionäre ihre Mitgliedschaft behalten und mit unveränderter Quote beteiligt bleiben,1810 erklärt. Die nominelle Kapitalherabsetzung stellt keinen Eingriff in die Mitgliedschaft dar, die Zusammenlegung von Aktien hingegen sehr wohl.1811 Davon geht auch der Gesetzgeber aus, wenn er in § 222 IV 2 AktG zu erkennen gibt, bei Kapitalherabsetzungen durch Zusammenlegung von Aktien die Schutzwürdigkeit der Aktionäre erkannt zu haben und einen Schutz der Mitgliedschaft für erforderlich zu halten.1812 Gerade in den Fällen, in denen die Aktien von Anfang an zum Mindestnennbetrag von einem Euro nach § 8 II 1 AktG ausgegeben wurden, versagt das Subsidiaritätsprinzip des § 222 IV 2 AktG, so dass der Schutzmechanismus in diesen Fällen leer läuft. Ein Beschluss über eine Zusammenlegung von Aktien, der zum Verlust der Mitgliedschaft einzelner Aktionäre führt, unterliegt daher einem inhaltlichen Rechtfertigungszwang. Er muss gegenüber einer die Mitgliedschaft erhaltenden Zusammenlegung geboten und unter Berücksichtigung der Aktionärsinteressen erforderlich und angemessen sein. Im Rahmen der Erforderlichkeit gewinnt das im Zusammenlegungsbeschluss benannte Umtauschverhältnis besondere Bedeutung. Die Quote darf keinesfalls beliebig festgelegt werden, sondern muss sich im Rahmen des zur Zweckerreichung unbedingt Erforderlichen halten.1813 Dass der betroffene Minderheitsaktionär durch Aufstockung seiner Beteiligung eine neue Aktie erwerben und damit seine Mitgliedschaft erhalten kann, lässt weder den Eingriff in seine Mitgliedschaft noch die Notwendigkeit einer sachlichen Rechtfertigung entfallen, wie auch unter § 15 B. noch näher auszuführen sein wird.1814 Der hiermit verbundene Zwang, neues Kapital zuschießen zu müssen, um die Mitgliedschaft nicht einzubüßen, macht das Institut der Zusammenlegung von Aktien zu einem missbrauchsanfälligen Institut, an das hohe materielle Anforde___________ 1809
1810 1811 1812 1813
1814
Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 296; Krieger, ZGR 2000, 885, 894; Natterer, AG 2001, 629, 632–635; so auch Lutter, in: KölnKomm.-AktG, Band 5/1, 2. Aufl. 1993, § 222, Rn. 45–49, mit der Einschränkung, dass bei Teilliquidation eine Inhaltskontrolle ausscheide. I. E. auch LG Dresden ZIP 1995, 1596, 1599 f. (Sachsenmilch); OLG Dresden ZIP 1996, 1780, 1782 ff. (Sachsenmilch). So die Bewertung dieses Vorgangs unter § 15 A. I. 3. Siehe dazu unter § 15 A. II. Krieger, ZGR 2000, 885, 893. I. E. so auch BGHZ 142, 167, 170 f. (Hilger) für die kombinierte Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung. Der BGH folgert dies aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Mehrheitsaktionärin, auf die Interessen der Minderheit angemessen Rücksicht nehmen zu müssen. A. A. BGHZ 138, 71, 77 (Sachsenmilch), wonach die Möglichkeit zum Zukauf gegen die Notwendigkeit einer sachlichen Rechtfertigung sprechen soll.
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rungen zu stellen sind, um ihm die Eignung als Instrument zum Ausschluss der Minderheit zu nehmen.
VII. Zusammenfassung Im Aktienrecht bestehen zahlreiche Institute, die einen Aktionärsausschluss ermöglichen. Die Herausforderungen an den Minderheitsschutz bestehen darin, die Voraussetzungen jedes dieser Institute so zu wählen, dass Umgehungskonstellationen vermieden werden. 1. Dem Squeeze out nach §§ 23a ff. AktG liegt die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass ein überragend beteiligter Aktionär die Gesamtheit der Aktien übernehmen darf. Hierzu bedarf er einer Mehrheit von mindestens 95% der Anteile an der Aktiengesellschaft. Für Hinzurechnungen gilt: Nur soweit bei Gesamtbetrachtung aller an einem Konzernverbund beteiligten Gesellschaften der Mehrheitsgesellschafter als wirtschaftlicher Quasi-Alleineigentümer des Verbundes erscheint, kann er durch Zurechung von Beteiligungen die Quote von 95% in der relevanten Aktiengesellschaft erreichen. Er muss dazu im Gesamtverbund einen Kapitalbeitrag von 95% aufgebracht haben. Der Beschluss ist nach den hier entwickelten allgemeinen Grundsätzen kontrollfrei. Daher ist der h. M. im Ergebnis, nicht aber in der Begründung beizutreten. Der Beschluss ist anfechtbar, wenn ein Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht vorliegt, weil der Mehrheitsaktionär durch sein Verhalten die Minderheitsaktionäre zum Beitritt bewogen hat oder der Minderheitsaktionär in einer Sondersituation betroffen ist. Daneben kommt unter hohen Voraussetzungen in Betracht, einen Squeeze out wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs zu untersagen. 2. In Übernahmesituationen besteht nach § 39 a WpÜG ein spezielles Ausschlussverfahren, das der Umsetzung der Vorgaben der Übernahmerichtlinie dient. Dass § 39 a WpÜG die Quote von 95% nur auf die jeweilige Aktiengattung bezieht und nach § 39 a I 1 WpÜG einen Ausschluss der verbleibenden Inhaber von Stammaktien zulässt, wenn der Mehrheitsgesellschafter 95% dieser Gattung hält, dabei aber nicht danach unterscheidet, welchen Anteil am Grundkapital der Gesellschaft selbst aufgebracht hat, stellt einen Systembruch dar. Dieser ist jedoch den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts geschuldet. Hingegen ist es gemeinschaftsrechtlich nicht geboten, dass die Höhe der Gegenleistung nach § 39 a III 3 WpÜG als angemessene Abfindung anzusehen ist, wenn der Bieter im Vorfeld zu diesem Preis oder Umtauschverhältnis Aktien in Höhe von mindestens 90% des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat. Daher kann diese Regelung einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterworfen werden. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben an Abfindungsregelungen lauten jedoch, dass diese nicht nur angemessen, sondern auch gerichtlich nachprüfbar sein müssen. § 39 a WpÜG ist daher insoweit verfassungswidrig, als er eine gerichtliche Überprüfung des Abfindungspreises gänzlich ausschließt.
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§ 9 Das unfreiwillige Ausscheiden des Gesellschafters
3. Bei der Mehrheitseingliederung nach § 320 b I 1 AktG wird eine Aktiengesellschaft einer mit mindestens 95% an ihr beteiligten anderen Aktiengesellschaft organisatorisch untergeordnet. Mit ihr geht ein Ausschluss der Minderheitsaktionäre einher. Dahinter steht wiederum die auch dem Squeeze out zugrunde liegende gesetzgeberische Entscheidung, die Mehrheitseingliederung nur dem Quasi-Alleineigentümer der Aktiengesellschaft zu ermöglichen. Daher bedarf es nach den allgemeinen Grundsätzen in der einzugliedernden Gesellschaft auch keiner inhaltlichen Rechtfertigung für den Eingliederungsbeschluss. In besonderen Fällen können sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und dem Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs Schranken ergeben. In der Hauptgesellschaft gilt demgegenüber, dass der auch hier erforderliche Hauptversammlungsbeschluss einer Inhaltskontrolle unterliegt, jedoch nur insoweit, wie ein relevanter Eingriff in die Mitgliedschaft der Aktionäre droht. Hierfür sind diese beweisbelastet. Gelingt dies, gelten die allgemeinen Grundsätze, wonach der Gesellschaft der Rechtfertigungsnachweis obliegt. 4. Den problematischsten Fall eines Gesellschafterausschlusses stellt die Übertragende Auflösung dar. § 179 a AktG schafft die Möglichkeit für eine Mehrheit von 75%, das (wesentliche) Vermögen der Aktiengesellschaft, insbesondere das von ihr geführte Unternehmen, auf sich selbst oder eine abhängige Gesellschaft zu übertragen. Wird die Aktiengesellschaft daraufhin aufgelöst, kann auf diesem Wege ein faktischer Minderheitsausschluss herbeigeführt werden. Die Lösung ist hingegen einfach und praktikabel: Entgegen der ganz h. M., der eine Verkennung der besonderen Problematik vorzuwerfen ist, bedarf der Übertragungsbeschluss nach den allgemeinen Kriterien einer Rechtfertigung. Es handelt sich in den zweifelhaften Fällen gerade nicht um eine Desinvestition, sondern um eine Fortsetzung der Gesellschaft ohne die Minderheitsgesellschafter. Dieser Befund ergibt sich, wenn alle relevanten Vorgänge im Zusammenhang betrachtet und bewertet werden, wie es dem Vorgehen des BGH in anderen Situationen durchaus entspricht. Das gilt neben der Aktiengesellschaft auch in den übrigen Gesellschaftsformen. 5. Auch bei der Zusammenlegung von Aktien nach § 222 IV 2 AktG kann es zu einem Aktionärsausschluss kommen. Soweit der Aktionär nicht über die für die Zusammenlegung erforderliche Anzahl von Aktien verfügt, verbleiben ihm nur Spitzen, die nicht in neue Aktien umgewandelt werden, so dass er seine Mitgliedschaft verliert. Wird das Umtauschverhältnis sehr hoch angesetzt, kann auch auf diesem Wege ein Ausschluss von Minderheitsaktionären herbeigeführt werden. Wegen dieses Eingriffs ist eine inhaltliche Rechtfertigungsprüfung erforderlich, da eine Ausnahme, wiederum entgegen der h. M., nicht vorliegt. Das Gesetz sieht eine abschließende Regelung, die eine Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen rechtfertigen würde, gerade nicht vor. Daher muss der konkrete Zusammenlegungsbeschluss mit seinen belastenden Wirkungen unter Berücksichtigung der Aktionärsinteressen erforderlich und angemessen sein. Die Zusammenlegungsquote darf keinesfalls beliebig festgelegt werden, sondern muss sich im Rahmen des zur Zweckerreichung unbedingt Erforderlichen halten.
A. Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung und Einschränkungen
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung Spiegelbildlich zu den im Vorabschnitt erörterten Möglichkeiten, einen Gesellschafter gegen seinen Willen aus der Gesellschaft auszuschließen, besteht unter in diesem Abschnitt darzustellenden Voraussetzungen ein Recht des Gesellschafters, sich von seiner Beteiligung zu lösen, das ein wesentliches Minderheitsrecht darstellt. A. Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung und Einschränkungen
A. Der Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung und seine Einschränkungen I. Die Veräußerlichkeit der Beteiligung als Alternative zur Lösbarkeit bei Dauerschuldverhältnissen Während die Verpflichtungen aus Austauschverträgen, die auf einmaligen Leistungsaustausch gerichtet sind, mit der Leistungserbringung enden, sind Dauerschuldverhältnisse auf eine dauerhafte Leistungsbeziehung angelegt. Sie enden durch Zeitablauf nur, wenn entsprechendes vereinbart wurde. Wegen dieser zeitlich langen Bindung und der Tatsache, dass zukünftige Entwicklungen bei Vertragsschluss unvorhersehbar sind, ist anerkannt, dass die Vertragspartner nicht zeitlich unbegrenzt und unter allen Umständen an ihren Leistungsversprechen festgehalten werden dürfen. Vielmehr muss jedem Vertragsteil die Möglichkeit offen stehen, sich unter bestimmten Voraussetzungen von seiner Verpflichtung lösen zu können.1815 Die Mitgliedschaft in der Gesellschaft stellt ein Dauerschuldverhältnis besonderer Art dar. Soweit die Gesellschaft nicht auf bestimmte Zeit eingegangen wurde, ist das investierte Kapital auf unbegrenzte Zeit gebunden. Auch die Pflichtbindungen, die vor allem in den Personengesellschaften von nicht unerheblicher Natur sein können, bestehen daher zeitlich unbegrenzt. Daher sind auch für den Gesellschafter Möglichkeiten vorhanden, sich von seiner Beteiligung lösen zu können. Ein Weg hierzu ist es, die Gesellschaft zu kündigen, was freilich die Extremlösung darstellt, da der Wille des Einzelnen dem der übrigen Gesellschafter, denen an einer Fortsetzung der Gesellschaft gelegen ist, übergeordnet wird. Daher führt die Kündigung eines Gesellschafters in den Personenhandelsgesellschaften nach ___________ 1815
Dazu Kramer, in: MünchKomm.-BGB, Band 2, 5. Aufl. 2007, Einl., Rn. 101. Dieser Grundgedanke findet sich jetzt auch in § 314 BGB.
462
§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
§§ 131 III Nr. 3, 161 II HGB auch nur zu dessen Ausscheiden. In den Kapitalgesellschaften bedarf es nach §§ 60 I Nr. 2 GmbHG, 262 I Nr. 2 AktG entweder einer 3/4-Mehrheit oder nach § 61 I GmbH eines wichtigen Grundes.1816 Der Austritt eines einzelnen Gesellschafters lässt die Gesellschaft und damit die Beteiligung der übrigen Gesellschafter hingegen bestehen, führt zugleich aber zu einer Art Teilliquidation, da der Gesellschaft Vermögen entzogen wird und dem Gesellschafter zufließt. Ein dritter Weg, sich von der Beteiligung zu lösen, besteht darin, diese zu veräußern, wodurch (lediglich) der Gesellschafterbestand verändert wird. Dieser letzte Weg, die Veräußerung der Beteiligung, unterfällt zwar nicht dem eingangs genannten Grundsatz der Löslichkeit von Dauerschuldverhältnissen, sondern stellt die verbandsrechtliche Entsprechung zum vertragsrechtlichen Prinzip der Vertragsübernahme dar. Zugleich handelt es sich um eine wichtige Möglichkeit, mit der dem Willen des Gesellschafters, seine Beteiligung an der Gesellschaft zu beenden, entsprochen werden kann. Auch ist sie vor allem in den Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften mit kleinem Gesellschafterkreis nicht minder konfliktträchtig als der Austritt, so dass sie ebenfalls in diesem Zusammenhang zu erörtern ist.1817 Unter Lösungsrechten sind in diesem Abschnitt daher alle Gestaltungsmöglichkeiten zu verstehen, die es dem Gesellschafter erlauben, sich ohne Auflösung der Gesellschaft von seiner Beteiligung zu trennen. Sie unterfallen damit in zwei Untergruppen, die Veräußerung des Anteils einerseits und den Austritt aus der Gesellschaft anderseits. Diese beiden Lösungsformen unterscheiden sich aus Sicht des betroffenen Gesellschafters wie auch der Gesellschaft nicht unerheblich. Während sich der Gesellschafter bei der Veräußerung seiner Beteiligung selbst um einen Käufer bemühen muss und die Preisbildung von seinem Verhandlungsgeschick abhängt, liegt beim Austritt die Abfindungslast bei der Gesellschaft (oder dem Mehrheitsgesellschafter) als Abfindungsschuldner. Daraus resultieren zugleich die Unterschiede, die ein Gesellschafteraustritt für die Gesellschaft im Vergleich zu einer Anteilsveräußerung mit sich bringt: Ihre Struktur ändert sich, indem ein Gesellschafter ersatzlos ausscheidet, und ein Kapitalabfluss findet statt. Im Gegensatz dazu führt die Veräußerung zu einer Rechtsnachfolge des Erwerbers in die Gesellschafterstellung. Welcher Lösungsweg sich für den Gesellschafter als vorteilhaft und die Gesellschaft als nachteilig erweist, hängt von der Rechtsform und Realstruktur der Gesellschaft ab. In Kapitalgesellschaften ist der Gesellschafteraustritt für die Gesellschaft und die übrigen Gesellschafter wegen des damit verbundenen Kapitalabflusses gegenüber einer bloßen Anteilsveräußerung regelmäßig belastender. Im schlimmsten Falle kann wegen einer eintretenden Unterkapitalisierung sogar die weitere Verfolgung des Gesellschaftszwecks in Frage stehen.1818 In Gesellschaften mit kleinem Gesellschafterkreis, daher regelmäßig in den Personengesellschaften, ___________ 1816 1817 1818
Zur Auflösung der Gesellschaft näher unter § 17 A. Vgl. dazu Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 19. Vgl. zu den Konsequenzen und der Interessenlage bei den beiden Formen der Lösung eines Gesellschafters von seiner Beteiligung Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 48.
A. Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung und Einschränkungen
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durchaus aber auch in den Kapitalgesellschaften, kann es sich dennoch als vorzugswürdig erweisen, für einen ausscheidenden Gesellschafter keinen Ersatz in die Gesellschaft aufnehmen zu müssen, wenn ein außenstehender Dritter die Verfolgung des Gesellschaftszwecks eher behindern würde. Hier kann es daher im Interesse der Gesellschaft und übrigen Gesellschafter liegen, die Veräußerung nicht zuzulassen. Die Beteiligung kann in allen Gesellschaftsformen veräußert werden, doch bestehen konzeptionelle Unterschiede zwischen den Personen- und Kapitalgesellschaften.1819 Zugleich ist die Schutzbedürftigkeit der übrigen Mitglieder, die sich einem ausgewählten Kreis von Mitgesellschaftern ausgesucht haben, nicht zu übersehen. Daher sind die Gesellschaftsanteile in den Personengesellschaften auch nur dann übertragbar, wenn dies im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist oder alle Gesellschafter zugestimmt haben.1820 Die solchermaßen erschwerte Veräußerlichkeit wird durch ein Recht des Personengesellschafters zum Austritt ersetzt (dazu näher unter IV.). Die beiden Lösungsmöglichkeiten sind daher stets im Zusammenspiel zu betrachten. Ein Mehr in dem einen Bereich kann durchaus ein Weniger in dem anderen rechtfertigen. In den Kapitalgesellschaften ist hingegen vom Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung auszugehen, der jedoch durch die Möglichkeit zur Vinkulierung der Beteiligung eingeschränkt wird.
II. Freie Veräußerlichkeit und ihre Schranken in den Kapitalgesellschaften Es gehört zu den elementaren Freiheiten des Kapitalgesellschafters, seine Beteiligung jederzeit und ohne weitere Rechtfertigung veräußern zu dürfen. Ebenso wie die schon mehrfach angesprochene Freiheit der Gesellschafter, frei von Rechtfertigungszwängen die Auflösung der Gesellschaft beschließen zu dürfen, beruht auch die Veräußerlichkeit der Beteiligung auf dem Grundsatz der rechtfertigungsfreien Desinvestitionsentscheidung. Das gilt in der GmbH1821 und wegen ihrer Struktur als Publikumsgesellschaft in noch stärkerem Maße1822 in der Aktiengesellschaft1823. Ein Gesellschafter braucht ___________ 1819
1820 1821 1822
Zur schrittweisen Entwicklung hin zu dieser allgemeinen Akzeptanz siehe die Darstellung bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1321–1323; ders., in: MünchKomm.HGB, Band 2, 2004, § 105, Rn. 213; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 422– 427; siehe aus der höchstrichterlichen Rspr. BGHZ 13, 179: Veräußerung der Beteiligung ist Eingriff in die Rechtsstellung der übrigen Gesellschafter und daher von deren Zustimmung abhängig; BGHZ 44, 229: Abtretung aller Geschäftsanteile an die Erwerber möglich. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 105, Rn. 70; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1323 f. Reichert/Weller, Der GmbH-Geschäftsanteil, Übertragung und Vinkulierung, 2006, § 15, Rn. 10. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 67; siehe dazu auch BVerfGE 100, 289–313 = NJW 1999, 3769, 3771 (DAT-Altana): „Zum anderen ermöglicht
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
grundsätzlich weder auf die Gesellschaft noch auf die verbleibenden Gesellschafter Rücksicht zu nehmen. Zu den (seltenen) Ausnahmen von diesem Grundsatz wurde oben unter § 7 A. II. Stellung genommen.
1. Der Ausschluss der Übertragbarkeit durch Vinkulierungsbestimmungen In Ausnahme hierzu sieht das Gesetz sowohl für Aktien als auch für GmbHAnteile die Möglichkeit zur Vinkulierung vor. Im Ausmaß der danach zulässigen Beschränkungen unterscheiden sich die Kapitalgesellschaften jedoch bedeutend. a) Vinkulierungsbestimmungen Ein vollständiger Ausschluss der Veräußerlichkeit von Aktien ist unzulässig, da dies dem Wesen des auf Übertragbarkeit gerichteten Aktieneigentums widerspricht.1824 Nach §§ 68 II 1, 180 II AktG kann die Übertragung von Namensaktien jedoch von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Diese Verfügungsbeschränkung muss in der Satzung angeordnet sein.1825 Darüber hinausgehende Übertragungserschwerungen sind hingegen unzulässig, etwa Formerfordernisse einzuführen, denen die Abtretung von Namensaktien unterliegen soll.1826 Auch GmbH-Anteile können vinkuliert werden. § 15 V GmbHG sieht die Möglichkeit vor, die Abtretung der GmbH-Anteile durch Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag an weitere Voraussetzungen als das obligatorische Formerfordernis in § 15 III GmbHG zu knüpfen. § 15 V GmbHG geht damit über die von § 68 II 1 AktG eingeräumten Möglichkeiten zur Übertragungserschwerung hinaus. Der Ge___________
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das Aktieneigentum eine Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht. Dieser Freiraum fußt auf der besonders ausgeprägten Verkehrsfähigkeit von Aktien. Darin unterscheidet sich die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft von anderen Unternehmensbeteiligungen. Vor allem trifft das auf Beteiligungen an börsennotierten Aktiengesellschaften zu, die es dem Gesellschafter, jedenfalls in Zeiten eines funktionierenden Kapitalmarktes, praktisch jederzeit erlauben, sein Kapital nach freiem Belieben zu investieren oder zu deinvestieren. Die Aktie ist aus der Sicht des Kleinaktionärs gerade deshalb so attraktiv, weil er sein Kapital nicht auf längere Sicht bindet, sondern sie fast ständig wieder veräußern kann.“ Die Verfügungsbefugnis wird auch betont in BVerfG WM 2003, 1813 (DAB/Hansa). BGH NJW 2004, 1970, 1971; Bayer, in: MünchKomm.-AktG, 3. Aufl. 2008, § 68, Rn. 34; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 1, 2007, § 68, Rn. 28. Für Kapitalgesellschaften allgemein Windbichler, FS Röhricht, 2005, S. 693, 696; aus rechtsvergleichender Sicht Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Davies/Hansmann/etal, The Anatomy of Corporate Law, 2004, p. 10. BGH NJW 1987, 1019, 1020; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 68, Rn. 14; Immenga, AG 1992, 79, 82. Immenga, AG 1992, 79, 80; zugleich handelt es sich aufgrund der Ermächtigung in § 68 II AktG nicht um eine rechtsgeschäftliche, sondern eine gesetzlich angeordnete Verfügungsbeschränkung, so dass § 137 I BGB nicht greift; gleiches gilt für § 15 V GmbHG, siehe etwa Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 83. BGH NJW 2004, 1970, 1971, für den Fall, dass nach §§ 398, 413 BGB formlos übertragbare Namensaktien einem förmlichen Abtretungserfordernis unterworfen werden.
A. Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung und Einschränkungen
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sellschaft wird die Möglichkeit zu jeder Art von Abtretungsbeschränkung eingeräumt. So kann die Veräußerlichkeit der GmbH-Anteile etwa von der Zustimmung der Gesellschaft oder ihrer Organe abhängig gemacht werden. Lediglich der vollständige Ausschluss der Übertragbarkeit ist auch in der GmbH unzulässig.1827 b) Zum Beitrittszeitpunkt in der Satzung vorhandene Übertragungsbeschränkungen Soweit bei Beitritt in der Satzung Beschränkungen der Veräußerlichkeit vorhanden sind, handelt es sich um Bestimmungen, mit denen die individuelle Beteiligung ausgestaltet wird, auf die sich der Gesellschafter bei seinem Beitritt unter privatautonomem Verzicht auf günstigere Konditionen also einlässt. Daher werden im Sinne der hierfür geltenden allgemeinen Grundsätze der rechtliche Umfang der Mitgliedschaft und damit auch der Schutzbereich des durch Art 14 I GG geschützten Eigentums zum Zeitpunkt des Gesellschafterbeitritts durch die Bestimmungen der Satzung einvernehmlich zwischen Gesellschaft und Gesellschafter festgelegt.1828 Hierfür können gewichtige Gründe im Interesse der Gesellschaft sprechen, die zugleich auch eine minderheitsschützende Funktion einnehmen, da die Veräußerungsbeschränkung eines der elementaren Mittel darstellt, um Kontrollerwerbe und Kontrollwechsel zu verhindern.1829 Da es sich bei dem Recht auf Lösung von der Beteiligung jedoch zugleich um ein bedeutendes Mitgliedschaftsrecht handelt, erweckt es Bedenken, wenn durch die Beschränkungen jede Möglichkeit der individuellen Desinvestition, d. h. außerhalb einer (kollektiv ausgelösten) Auflösung und Liquidation der Gesellschaft, ausgeschlossen wird. Daher ist der h. M. beizutreten, wonach es unzulässig ist, jede Lösungsmöglichkeit auszuschließen. Daher muss etwa das Recht des Gesellschafters zum Austritt aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund, das unter B. darzustellen sein wird, jedem Gesellschafter gleich welcher Gesellschaftsform erhalten bleiben. c) Die Übertragungsbeschränkung nach Begründung der Mitgliedschaft Von dieser bei Begründung der Mitgliedschaft vorhandenen Vinkulierung ist die Situation zu unterscheiden, dass ursprünglich unbeschränkt übertragbare Gesellschaftsanteile durch eine Vinkulierungsklausel in der Satzung nachträglich Über___________ 1827
1828 1829
Ganz h. M., RGZ 80, 175, 179; BayObLG DB 1989, 214, 215 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG; 19. Aufl. 2010, § 15, Rn. 38; Reichert/Weller, Der GmbH-Geschäftsanteil, Übertragung und Vinkulierung, 2006, § 15, Rn. 358; Winter/Löbbe, in: Großkomm.GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 210 f. und 215 mit Beispielen für Beschränkungsgestaltungen; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, § 15, Rn. 138; Schacht, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 12, Rn. 1: § 15 I GmbHG enthalte keinen zwingenden Rechtssatz, wie aus Abs. 5 und dem Grundsatz folge, dass den Gesellschaftern weitgehende Vertragsautonomie zukomme; a. A. Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 109–111. Zu den Grundlagen unter § 3 D. II. Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 166 f.; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 415 f. Dazu näher unter § 14 E.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
tragungsbeschränkungen unterworfen werden. Anders als bei Beitritt in eine Gesellschaft mit vorhandener Vinkulierungsklausel liegt kein privatautonomer Verzicht des einzelnen Gesellschafters vor, soweit dieser gegen die Satzungsänderung stimmt. Unter welchen Voraussetzungen Aktien nachträglich vinkuliert werden können, bestimmt § 180 II AktG. Danach müssen alle betroffenen Aktionäre der Satzungsänderung zustimmen; jede Zustimmungsverweigerung führt zur Nichtigkeit der Satzungsänderung.1830 Von diesen Voraussetzungen sind sämtliche Bestimmungen, mit denen die Veräußerung erschwert wird, erfasst. Eine solche Erschwerung kann es darstellen, dass besondere Kostenbelastungen eingeführt werden, die über die üblicherweise bei Aktienübertragung entstehenden Kosten hinausgehen.1831 Ungleich problematischer ist die Rechtslage in der GmbH, weil es im GmbHG an einer gesetzlichen Regelung zu dieser Frage fehlt. Da es sich um eine Satzungsänderung handelt, bedarf es jedenfalls eines Beschlusses mit satzungsändernder Mehrheit. In Betracht kommt, einen solchen Beschluss anhand der allgemeinen Grundsätze einem Rechtfertigungszwang zu unterwerfen. Danach bedürfte es eines im Gesellschaftsinteresse gebotenen und erforderlichen Zwecks, der sich gegenüber den Interessen der betroffenen Gesellschafter durchzusetzen vermag. Im Gesellschaftsinteresse kann es etwa liegen, eine personelle Veränderung im Gesellschafterbestand zu verhindern, um entweder einen zur Förderung des Gesellschaftszwecks elementaren Beitrag des veräußerungswilligen Gesellschafters nicht zu verlieren oder um das Eindringen unliebsamer Dritter, insbesondere Wettbewerber, zu verhindern (sog. Überfremdungsschutz). Auch kommt in Betracht, die als schädlich prognostizierte Dominanz eines Gesellschafters, der die Anteile veräußerungswilliger Mitgesellschafter übernehmen möchte, verhindern zu wollen.1832 Die h. M. lehnt eine derartige Rechtfertigungsmöglichkeit jedoch ab und behandelt das Recht zur Veräußerung hingegen als unentziehbar, teilweise unter Verweis auf den Kernbereich der Mitgliedschaft, teilweise im Wege einer Analogie zu § 180 II AktG. Sie bindet einen Ausschluss der Veräußerlichkeit daher an die Zustimmung der betroffenen Gesellschafter.1833 Dabei wird darauf verwiesen, dass ___________ 1830 1831
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1833
BGH DStR 2004, 1970, 1971; RGZ 121, 238, 244; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 180, Rn. 9. BGH DStR 2004, 1970, 1971, mit dem Hinweis, das hierdurch zusätzlich auch eine Zusatzleistung eingeführt wird, die nur unter den Voraussetzungen der §§ 55 I, 180 I, II AktG wirksam begründet werden kann und ansonsten einen Verstoß gegen § 54 I AktG darstellt. Vgl. Im Einzelnen zu denkbaren Motivationslagen Reichert/Weller, Der GmbH-Geschäftsanteil, Übertragung und Vinkulierung, 2006, § 15, Rn. 359; Liebscher, ZIP 2003, 825, 826; Lutter/Grunewald, AG 1989, 109 ff. RGZ 68, 210, 211 f. (eigennütziges Individualrecht); OLG Dresden GmbHR 2004, 1080; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 15, Rn. 40; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 15, Rn. 57 f.; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 53, Rn. 34; Reichert/Weller, Der GmbH-Geschäftsanteil, Übertragung und Vinkulierung, 2006, § 15, Rn. 395; Michalski/Ebbing,, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, § 15, Rn. 133; Winter/Löbbe, in: Großkomm.-GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 217; vereinzelt wird der einstimmige Beschluss sogar mit § 53 III GmbHG be-
A. Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung und Einschränkungen
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die Veräußerlichkeit zum Kernbereich der Mitgliedschaft zählt. Das ist insoweit zutreffend, als dem Gesellschafter, wie schon betont, die Möglichkeit, seine Investition in der Gesellschaft zu beenden, im Grundsatz stets erhalten bleiben muss und daher sein Recht, sich von der Beteiligung zu lösen, nicht vollständig entzogen werden darf, nicht einmal im Gesellschaftsinteresse. Zugleich wurde einleitend bereits darauf hingewiesen, dass berechtigte Interessen der Gesellschaft und Mitgesellschafter Beachtung finden müssen. Dies legt es nahe, nach einem für alle Seiten vertretbaren Kompromiss zu suchen, der darin bestehen kann, dass eine Desinvestition zwar möglich bleibt, sich der Gesellschafter jedoch auf einen anderen als den von ihm favorisierten Weg verweisen lassen muss.1834 Solange es nur möglich bleibt, der Gesellschaft das investierte Kapital zu entziehen, etwa im Wege des Austritts aus wichtigem Grund, ist der Grundsatz der freien Desinvestitionsentscheidung gewahrt. Zwar wird der Gesellschafter hierdurch beeinträchtigt. Eine derartige Beeinträchtigung entspricht jedoch in ihrer Reichweite den nachteiligen Wirkungen, die mit anderen und zweifellos zulässigen Gesellschafterbeschlüssen, die in die Rechtsstellung der dissentierenden Minderheit eingreifen, verbunden sind. Nach den allgemeinen Grundsätzen muss der Gesellschafter auch erhebliche Beeinträchtigungen seiner mitgliedschaftlichen Rechtsstellung hinnehmen, solange sie durch überwiegende Gründe im Interesse der Gesellschaft oder Mitgesellschafter gerechtfertigt sind. Auch wird dem Schutz des Kernbereichs hierdurch Rechnung getragen. Von diesem ist nur der Grundsatz erfasst, dass sich der Gesellschafter von der Mitgliedschaft lösen kann, nicht aber explizit die Veräußerlichkeit der Beteiligung.1835 Wegen der prinzipiell geringeren Fungibilität des GmbH-Anteils gegenüber der Aktie und der im Vergleich zu § 68 II 1 AktG deutlich weitergehenderen Einschränkungsmöglichkeiten, die § 15 V GmbHG eröffnet, trägt auch der Hinweis auf § 180 II AktG nicht. Es fehlt an der Vergleichbarkeit der Interessenlage und daher den Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Norm. Daher ist es vorzugswürdig, auch den Beschluss über eine Satzungsänderung, mit dem über die Vinkulierung der GmbH-Anteile entschieden wird, den allgemeinen Grundsätzen zu unterwerfen. Somit ist eine im Gesellschaftsinteresse liegende und verhältnismäßige Vinkulierung der GmbH-Anteile durch Mehrheitsbeschluss möglich.1836 Zugleich kommt in Betracht, aus § 29 I 2 UmwG den Grundsatz abzulei___________ 1834
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gründet, Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 5, Rn. 39; für die Aktiengesellschaft BGH NZG 2004, 1109, 1110. Auch an dieser Stelle nochmals der Hinweis auf Lutter, ZGR 1981, 171, 177 f.; zu den entscheidenden Grundlagen ders., AcP 180 (1980), 84, 122–127; ders., ZHR 153 (1989), 446, 461; ders., ZHR 162 (1998), 164, 173–175; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2010, § 11, Rn. 66. Explizit a. A. Winter/Löbbe, in: Großkomm.-GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 217, wonach die Veräußerlichkeit des Geschäftsanteils zum Kernbereich gehören und ein relativ unentziehbares Mitgliedschaftsrecht darstellen soll. Wie hier Fette, GmbHR 1986, 73, 77 f.; Leßmann, GmbHR 1985, 179, 180; Wiedemann, NJW 1964, 282, 284 f.; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 416.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
ten, dass die mit einer Verfügungsbeschränkung verbundene Verschlechterung der Mitgliedschaft als so wesentlich anzusehen ist, dass dem Gesellschafter ohne weitere Prüfung ein Austrittsrecht zuzugestehen ist. Die Verallgemeinerungsfähigkeit des § 29 I 2 UmwG ist jedoch insoweit zweifelhaft, als das darin angeordnete Austrittsrecht auf einer Kombination zweier Beeinträchtigungen beruht: Ein Rechtsträgerwechsel geht mit einer Veräußerungsbeschränkung einher. Daher liegt es näher, statt eines automatischen Austrittsrechts die Besonderheiten des Einzelfalls im Rahmen eines Rechts zum Austritt aus wichtigem Grund zu würdigen.1837
2. Kriterien für die Zustimmungserteilung bei vinkulierten Anteilen Sieht die Satzung vor, dass Anteile nur mit Zustimmung der Gesellschaft veräußert werden dürfen, ist eine Verfügung über den Gesellschaftsanteil bis zur Willensbildung der Gesellschaft schwebend unwirksam.1838 Die interne Zuständigkeit für die gesellschaftliche Willenbildung1839 richtet sich nach der Satzung.1840 Fehlt es an einer ausdrücklichen Festlegung, ist die Vinkulierungsklausel anhand der Realstruktur der Gesellschaft und dem mit dem Zustimmungserfordernis verfolgten Zweck auszulegen.1841 Im Zweifel wird wegen der Vergleichbarkeit zur Bestimmung des § 46 Nr. 4 GmbHG die Gesellschafterversammlung zuständig sein.1842 Mangels abweichender Satzungsbestimmung genügt die einfache Stimmenmehrheit, wobei der betroffene Gesellschafter stimmberechtigt ist.1843 Soweit ___________ 1837
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Hingegen nehmen Leßmann, GmbHR 1985, 179, 180; Wiedemann, NJW 1964, 282, 284 f., ein unbedingtes Recht zum Austritt an. Zu den Grundsätzen eines Austritts aus wichtigem Grund sogleich unter B. Für die GmbH Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 5, Rn. 40; Winter/Löbbe, in: Großkomm.-GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 246; für die Personengesellschaften Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 105, Rn. 70; zur Konzeption der Personenhandelsgesellschaften siehe unter III. Davon zu unterscheiden ist der hier nicht weiter interessierende Vorgang, dass die intern gefasste Willensbildung nach außen durch den Geschäftsführer der GmbH kommuniziert werden muss, dazu etwa Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, § 15, Rn. 143; Winter/Löbbe, in: Großkomm.-GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 231. Zur Möglichkeit, in der Satzung die innergesellschaftliche Entscheidungszuständigkeit zu regeln allgemein Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 46, Rn. 5; für den hier interessierenden Sonderfall Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, § 15, Rn. 146; Winter/Löbbe, in: Großkomm.-GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 224. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 15, Rn. 44; Winter/Löbbe, in: Großkomm.-GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 216. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 15, Rn. 42; Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 5, Rn. 43; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, § 15, Rn. 143. BGHZ 48, 167 = NJW 1967, 1963, 1964: Sozialakt bzw Mitverwaltungsrecht, bei dem Stimmrecht nicht ausgeschlossen ist; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 15, Rn. 42; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band, 1 2002, § 15, Rn. 147; Winter/Löbbe, in: Großkomm.-GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 234; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 245 f.
A. Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung und Einschränkungen
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die Vinkulierung dem Konzerneingangsschutz zu dienen bestimmt ist, verbürgt nur ein ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag vereinbarter Stimmrechtsausschluss größtmögliche Sicherheit, da anderenfalls der Mehrheitsgesellschafter stets die Zustimmung alleine herbeiführen kann.1844 In Publikumsgesellschaften kann die Auslegung zu einem anderen Ergebnis führen, insbesondere wenn es Ziel der Vinkulierung ist, über die Vereinbarkeit der Veräußerung mit den Gesellschaftsinteressen im Einzelfall zu befinden. Kann die Entscheidung hierüber nicht nur schneller und einfacher, sondern auch kompetenter von der Geschäftsführung getroffen werden, liegt die interne Zuständigkeit im Zweifel bei dieser.1845 Bei der Aktiengesellschaft scheidet es wegen des grundsätzlich abschließenden Katalogs der Hauptversammlungszuständigkeiten und des komplexen Einberufsverfahrens aus, die Hauptversammlung mit der Entscheidung über den Veräußerungswunsch zu befassen. Daher ist es konsequent, dass § 68 II 2 AktG die Zuständigkeit dem Vorstand überträgt. Da im Einzelfall jedoch eine Entscheidung der Hauptversammlung angemessen sein kann, insbesondere bei Aktiengesellschaften mit überschaubarem Gesellschafterkreis und bei persönlicher Verbundenheit der Gesellschafter, lässt § 68 II 3 AktG diese Möglichkeit ebenso wie eine Entscheidung durch den Aufsichtsrat durch entsprechende Satzungsbestimmung zu. Problematisch sind die Kriterien, anhand derer sich die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des berufenen Organs beurteilt. a) Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen in der Aktiengesellschaft Für die Mitgliedschaft des Aktionärs bedeutet die Vinkulierungsbestimmung in der Satzung, dass die Übertragbarkeit des Anteils zwar vom Schutzbereich des Art. 14 I GG umfasst, zugleich aber nicht schrankenlos gewährt wird. Ein Eingriff ist daher rechtmäßig, wenn er sich an die Vorgaben der Satzung hält, die hierfür gelten. § 68 II 4 AktG sieht vor, dass die Gründe für eine Zustimmungsverweigerung in der Satzung festgelegt werden können. Sofern diese nicht gegen § 138 BGB verstoßen und daher wirksam vereinbart wurden, können sie regelmäßig ohne weitere Angemessenheitsprüfung zur Anwendung kommen.1846 Soweit der Gesellschafter außergewöhnliche Umstände einwendet, die einen Missbrauch der Bestimmungen im Einzelfall anhand der allgemeinen Institute (Treuepflicht, Gleichbehandlungsgrundsatz, institutioneller Rechtsmissbrauch) begründen sollen, trägt er hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Fehlt es an derartigen Richtlinien in der Satzung, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die das berufene Organ nach den allgemeinen Grundsätzen treffen muss. Der Eingriff ist daher nur rechtmäßig, wenn die Entscheidung im Gesellschaftsinteresse unter Beachtung der Belange des betroffenen Aktionärs getroffen wird. Dies entspricht im Wesentlichen der Ansicht der h. M. Auch die Rechtsprechung und überwiegende Literaturansicht fordern, dass sich die Ent___________ 1844 1845 1846
Vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 94. Winter/Löbbe, in: Großkomm.-GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 232. Dezidiert a. A. Immenga, AG 1992, 79, 82 f.: Auch in diesen Fällen soll es sich um eine Ermessensentscheidung des Vorstands handeln.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
scheidung am Gesellschaftsinteresse orientiert und die Interessen von Gesellschaft und Aktionär abgewogen und der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet wird.1847 Die Gegenmeinung wendet sich dagegen aus Gründen der Darlegungs- und Beweislast. Danach soll das zur Entscheidung berufene Organ nicht zu einer Begründung seiner Entscheidung verpflichtet sein. Stattdessen soll der betroffene Aktionär die Unzulässigkeit der Zustimmungsverweigerung darlegen und beweisen müssen.1848 Dem ist jedoch nicht zu folgen. Nach den allgemeinen Grundsätzen (dazu § 4 B.) ist bei Eingriffen in die Rechtsstellung des Gesellschafters die Gesellschaft auch verpflichtet, die tragenden Gründe zu benennen und deren Grundlagen zu beweisen. Soweit die Zustimmung zu einer Anteilsveräußerung verweigert wird, kann nichts anderes gelten, da von dieser der Eingriff in die Rechtsstellung des betroffenen Gesellschafters ausgeht. Dass der Aktionär auf die Begründung angewiesen ist, um die Rechtmäßigkeit der Entscheidung beurteilen und abschätzen zu können, ob er hiergegen mit Aussicht auf Erfolg vorgehen kann, tritt ergänzend hinzu.1849 Sofern die Genehmigungsverweigerung nach diesen Grundsätzen unverhältnismäßig ist, der Gesellschaft jedoch gleichwohl daran liegt, den Übergang der Beteiligung auf einen ungewollten Rechtsnachfolgers zu verhindern, kommt in Betracht, dass sich die Gesellschaft selbst unter Beachtung der Kapitalerhaltungsgrundsätze oder andere Aktionäre zur Übernahme der Anteile bereit finden. Sofern diese interne Anteilsübernahme dem Gesellschaftsinteresse entspricht, ist nunmehr der Aktionär aus seiner Verpflichtung auf das Wohl der Gesellschaft gehalten, seine Aktien auf den internen Erwerber zu übertragen. Was den Kaufpreis angeht, muss sich dieser grundsätzlich an dem orientieren, was dem Aktionär von dritter Seite geboten wurde. Nur soweit außerdem gewichtige Gründe im Interesse der Gesellschaft für eine Abfindung zum Verkehrswert sprechen, kann der Aktionär wiederum unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verpflichtet sein, sich damit zu begnügen.1850 b) Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen in der GmbH Auch für die GmbH gelten diese Grundsätze. Soweit die Satzung Richtlinien vorgibt, muss sich die Entscheidung an diesen ausrichten, um dem Eingriff zur Rechtmäßigkeit zu verhelfen. Fehlt es an einschlägigen Bestimmungen in der Satzung, ___________ 1847
1848 1849 1850
BGH NJW 1987, 1019, 1020; OLG Koblenz ZIP 1989, 301, 305; LG Aachen AG 1992, 410, 411 ff.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 68, Rn. 15; Immenga, AG 1992, 79, 80–83; ansatzweise Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 86 (legitimes Interesse der AG an der sorgsamen Auswahl der Gesellschafter erforderlich). A. A. noch RGZ 132, 149, 156 (freies Ermessen). Zu weiteren Nachweisen siehe Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 27, Fn. 57 f. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 68, Rn. 15. So i. E. Kossmann, BB 1985, 1364, 1367. Nach BGH NJW 1987, 1019, 1020, muss sich der Aktionär stets mit dem Verkehrswert begnügen und kann nicht den höheren Preis, der mit der unterbundenen Veräußerung der Aktien hätte erzielt werden können, beanspruchen. Kritisch dazu Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 28.
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soll die Entscheidung nach ganz überwiegender Ansicht im pflichtgemäßen Ermessen des zur Entscheidung berufenen Organs stehen.1851 Welche Anforderungen hieran im Einzelfall zu knüpfen sind, wird zumeist nicht näher dargestellt. Mitunter scheint es, dass dieses Ermessen seine Grenzen nur im Rechtsmissbrauch zulasten des betroffenen Gesellschafters finden soll, so dass nur grob sachfremde Erwägungen eine Anfechtbarkeit der ablehnenden Entscheidung begründen, die Intensität der individuellen Betroffenheit des veräußerungswilligen Gesellschafters hingegen unberücksichtigt bleiben soll.1852 Dies ist ebenso abzulehnen wie die Ansicht, nach der ein Anspruch auf Zustimmung nur bestehen soll, wenn sich ein solcher ausnahmsweise aus der Treuepflicht oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt.1853 Auch dieser Ansatz verkennt, dass der Gesellschafter einen Anspruch auf Zustimmung besitzt, sofern nicht triftige Gründe für eine Versagung bestehen. In der Rechtsprechung des BGH klingen diese Grundsätze hingegen an, wenn das Gericht in Entsprechung zu den Grundsätzen in der Aktiengesellschaft fordert, dass sich die Entscheidung am Wohl der Gesellschaft orientieren und die berechtigten Veräußerungsinteressen im Wege einer Abwägung einbeziehen muss.1854 Dem entspricht es im Ergebnis auch, wenn sich die Entscheidung regelmäßig an den Vorgaben der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unter Beachtung der Realstruktur der Gesellschaft orientieren soll.1855 Abschließend ist festzustellen, dass die Unterschiede der Rechtsform von Aktiengesellschaft und GmbH für die Frage der Veräußerungsgenehmigung keine Relevanz besitzen und daher die für die Aktiengesellschaft dargestellten Grundsätze auch für die GmbH gelten können, unabhängig davon, welches Organ zur Entscheidung berufen ist. Soweit die Zustimmungsverweigerung nach diesen Grundsätzen nicht gerechtfertigt ist, kann der betroffene Gesellschafter sie wirksam anfechten, womit freilich das Ziel des Gesellschafters, Zustimmung zur intendierten Veräußerung zu erlangen, nicht erreicht wird. Dies wird vielmehr in der GmbH ebenso wie in der Aktiengesellschaft durch eine mit der Anfechtungsklage verbundene positive Beschlussfeststellungsklage erreicht,1856 die begründet ist, wenn das zur Zustimmung berufene Organ die Genehmigung nicht rechtmäßigerweise versagen kann. Ein Sonderproblem entsteht dadurch, dass die Willensbildung in den Satzungsbestimmungen nach h. M. auch einzelnen Gesellschaftern oder sogar gesellschafts___________ 1851 1852
1853 1854 1855 1856
OLG Hamm NJW-RR 2001, 109, 111; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, § 15, Rn. 155. Im Einzelnen ist freilich höchst problematisch, was der einzelne Autor bzw. das einzelne Gericht unter Rechtsmissbrauch versteht. So meint etwa im hier interessierenden Zusammenhang das OLG Koblenz NJW-RR 1989, 1057, 1059, Rechtsmissbrauch und Bindung an die Treuepflicht seien im Ergebnis identisch und verpflichteten dazu, eine Interessenabwägung vorzunehmen. OLG Hamm NJW-RR 2001, 109, 111; OLG Koblenz NJW-RR 1989, 1057, 1059; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, § 15, Rn. 155. BGH WM 1987, 174, 175. So I. E. Winter/Löbbe, in: Großkomm.-GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 242. Näher unter § 5 A. II. Winter/Löbbe, in: Großkomm.-GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 243.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
fremden Dritten übertragen werden kann.1857 Da auch einzelne Gesellschafter wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft auf den Gesellschaftszweck und die Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter verpflichtet sind, können für diese jedoch keine anderen Kriterien gelten als für die Gesellschaftsorgane.1858 Schwieriger ist dies bei gesellschaftsfremden Dritten zu begründen, da diese mangels Zweckerreichungsabrede keine primäre Bindung an das Gesellschaftsinteresse besitzen. Sollen derartige Zustimmungserfordernisse jedoch wirksam in der Satzung vereinbart werden, darf der Schutz des betroffenen Gesellschafters vor Eingriffen in seine mitgliedschaftlichen Rechte nicht hinter dem bei gesellschaftseigenen Eingriffen zurückbleiben. Erforderlich ist daher, dass mit der Übertragung der Entscheidungskompetenz auch die Verpflichtung auf die allgemeinen, für Gesellschaftsorgane geltenden Rechtmäßigkeitskriterien einhergeht. Dieses Erfordernis muss zum Rechtmäßigkeitskriterium einer Kompetenzübertragung auf einen Dritten erhoben werden.
III. Der Ausschluss der Veräußerlichkeit in den Personengesellschaften Für die Rechtslage in den Personengesellschaften ist auf den eingangs angesprochenen Unterschied zurückzukommen, dass in den Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften grundsätzlich unterschiedliche Konzepte verfolgt werden. Für die Personengesellschaften ist das Recht zur Kündigung der Mitgliedschaft und damit ein Austritt gegen Abfindung gesetzlich vorgesehen. Nach der Konzeption des Gesetzes stellt dieses Austrittsrecht die primär wahrzunehmende Möglichkeit dar, sich von der Beteiligung zu lösen. So erklärt sich, dass die Veräußerung der Beteiligung im Wege der Übertragung der Mitgliedschaft auf einen Rechtsnachfolger nach §§ 413, 398 BGB nur zulässig ist, wenn dies im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.1859 Das Gesetz geht daher für den Regelfall von einer Vinkulierung der Beteiligung aus. Dies beruht auf der personalistischen Struktur der Personengesellschaften und dient dem Schutz der Mitgesellschafter.1860 Diese sollen nicht gegen ihren Willen ___________ 1857 1858
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1860
Zum Meinungsstand siehe Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, § 15, Rn. 152. Zu den an den Entscheidungsträger zu stellenden Anforderungen im Einzelnen, wenn auch im Ergebnis abweichend Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, § 15, Rn. 148– 151. Zu den mehr technischen Fragen Winter/Löbbe, in: Großkomm.-GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 235–240. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 105, Rn. 70; K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, Band 2, 2004, § 105, Rn. 213. Siehe Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 425, zu Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag, wonach die Möglichkeit zur Veräußerung der Beteiligung unter der Bedingung der Zustimmung durch die übrigen Gesellschafter zum Ausdruck bringt, dass es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Anteilsübertragung, nicht hingegen um die Abstimmung über eine Vertragsänderung handelt. K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, Band 2, 2004, § 105, Rn. 213.
A. Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Beteiligung und Einschränkungen
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dazu gezwungen sein, sich mit einem neuen Gesellschafter auseinandersetzen zu müssen, sondern vielmehr den zur Veräußerung entschlossenen Gesellschafter auf die Kündigung der Mitgliedschaft verweisen können. Daher gelten für die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsverweigerung auch andere Grundsätze als in den Kapitalgesellschaften. Während dort eine Verweigerung nur aus Gründen des Gesellschaftsinteresses unter Abwägung mit den Belangen des betroffenen Gesellschafters zulässig ist, genügt in den Personenhandelsgesellschaften als Verweigerungsgrund bereits das rein subjektive Unbehagen über die Aufnahme eines neuen Gesellschafters. Nur im Ausnahmefall ist die Verweigerung rechtfertigungsbedürftig, wenn der betroffene Gesellschafter darlegt und beweist, dass seine Interessen bei einem Austritt nach § 132 HGB nicht ausreichend berücksichtigt werden können und keine anerkennenswerten Interessen der Mitgesellschafter einer Veräußerung der Beteiligung entgegenstehen.1861 Umgekehrt sind die Mitgesellschafter darlegungs- und beweisbelastet, wenn sich der veräußerungswillige Gesellschafter auf eine gesellschaftsvertragliche Bestimmung zu seinen Gunsten berufen kann und sie hiergegen den Einwand erheben, die Veräußerung sei im Einzelfall treuwidrig.1862 Etwas anderes gilt auch, wenn sich die Gesellschaft vom Regeltypus einer stark personalistisch geprägten Verbindung entfernt, namentlich bei Publikumsgesellschaften, bei denen eine reine Kapitalbeteiligung besteht und starke Anonymisierung vorherrscht.1863 Wie in den Kapitalgesellschaften ist die Verweigerung der Zustimmung hier rechtfertigungsbedürftig. Das gilt auch, wenn das Kündigungsrecht nicht nur unwesentlich erschwert ist und daher eine einfache Lösung des Gesellschafters von seiner Beteiligung ausscheidet. Auch in diesen Fällen kehrt sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis um, und die Zustimmungsverweigerung unterliegt dem Rechtfertigungszwang, wie er bei den Kapitalgesellschaften gilt. Wann von einer nicht nur unwesentlichen Erschwerung auszugehen ist, wird im Anschluss (unter B.) zu klären sein. Soweit die Kriterien für eine Zustimmung zur Anteilsveräußerung im Gesellschaftsvertrag geregelt sind, gilt das schon zu den Kapitalgesellschaften Gesagte: Die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsverweigerung richtet sich primär nach diesen Vorgaben.1864 ___________ 1861
1862 1863 1864
So wohl auch die Stimmen, die eine Zustimmungspflicht vertreten, wenn die Verweigerung gegen die Treuepflicht verstößt, K. Schmidt, in: MünchKomm-HGB, Band 2, 2004, § 105, Rn. 218; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 427 f. Da nach allgemeinen Grundsätzen derjenige die Darlegungs- und Beweislast trägt, der einen Verstoß gegen die Treuepflicht einwendet, kann auch, wie Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 423 f., zurecht darlegt, den Bedenken gegen eine grundsätzliche Übertragbarkeit Rechnung getragen werden, ausgehend von dem Grundsatz, dass die Personengesellschaft auf der Individualität ihrer Mitglieder beruht und das Gesellschaftsverhältnis kaum objektiviert ist. Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 424. Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 425. Sieht etwa der Gesellschaftsvertrag vor, dass die Zustimmung nur aus wichtigem Grund oder enumerativ aufgezählten Gründen zulässig ist, sind die Mitgesellschafter für den Ver-
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
IV. Zusammenfassung 1. Zurückgehend auf die Grundsätze in Dauerschuldverhältnissen besteht in Gesellschaften ein grundsätzliches Lösungsrecht. Um die gravierenden Folgen einer Auflösung der Gesellschaft zu vermeiden, sieht das Personengesellschaftsrecht vor, dass ein Gesellschafter ausscheidet, wenn er seine Beteiligung beenden möchte. Das Kapitalgesellschaftsrecht favorisiert demgegenüber die Anteilsveräußerung und damit Rechtsnachfolge Dritter in die Beteiligung, um einen Kapitalabfluss zu verhindern. In allen Gesellschaftsformen gilt, dass der Grundsatz der Löslichkeit einen wesentlichen Bestandteil der Mitgliedschaft darstellt, die Ausgestaltung im Einzelfall jedoch stark von den Bedürfnissen der Gesellschaft und Gesellschafter abhängig ist. Alle Möglichkeiten sollten im Zusammenspiel gesehen werden, so dass ein Austrittsrecht eine Veräußerungsbeschränkung als verhältnismäßig erscheinen lassen kann und umgekehrt. 2. Im Kapitalgesellschaftsrecht kann die Abtretbarkeit der Anteile nicht gänzlich ausgeschlossen, als Vinkulierung jedoch von Voraussetzungen, vor allem der Zustimmung der Gesellschaft, abhängig gemacht werden. Soweit Übertragungsbeschränkungen im Beitrittszeitpunkt vorhanden sind, wird nach allgemeinen Grundsätzen die Mitgliedschaft näher ausgestaltet. Für nachträgliche Übertragungserschwerungen ordnet § 180 II AktG die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre an. In der GmbH muss es demgegenüber entgegen der h. M. ausreichen, den Beschluss über die Satzungsänderung, mit dem über die Vinkulierung der GmbH-Anteile entschieden wird, den allgemeinen Grundsätzen zu unterwerfen. Daher ist eine Vinkulierung der GmbH-Anteile möglich, wenn dies im Gesellschaftsinteresse erforderlich und verhältnismäßig ist. 3. Ist die Übertragbarkeit von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig, muss sich die Entscheidung des zuständigen Organs an den Richtlinien der Satzung ausrichten, soweit solche vorhanden sind. Fehlt es an solchen, bedarf es einer Ermessensentscheidung. Auf diese sind die allgemeinen Grundsätze anwendbar, so dass der mit der Zustimmungsverweigerung verbundene Eingriff einer Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse bedarf. Dies entspricht jedenfalls im Aktienrecht im Wesentlichen der h. M, muss jedoch für die GmbH ebenso gelten. 4. Im Personengesellschaftsrecht stellt demgegenüber wegen der personalistischen Struktur die Vinkulierung der Beteiligung den gesetzlich vorgesehenen Regelfall dar. Das Austrittsrecht nach § 132 HGB reicht regelmäßig zum Schutz des Personengesellschafters aus, so dass die Entscheidung über die Veräußerlichkeit der Beteiligung im freien Ermessen der Gesellschaft steht. Davon besteht eine Ausnahme, wenn die Personengesellschaft gerade keine personalistischen Züge aufweist. In diesen Fällen führt die Ähnlichkeit zu den Kapitalgesellschaften dazu, dass die Zustimmungsverweigerung rechtfertigungsbedürftig ist. ___________ sagungsgrund darlegungs- und beweispflichtig, K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, Band 2, 2004, § 105, Rn. 220.
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
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B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
Die zweite Gruppe von Lösungsrechten stellen die Austrittsrechte des Gesellschafters dar. Diese bringen zugleich die einschneidende Verpflichtung der Gesellschaft (oder der übrigen Gesellschafter) mit sich, die Beteiligung auf ein Angebot des ausscheidungswilligen Gesellschafters hin erwerben zu müssen. Das Austrittsrecht lässt sich dabei in zwei Untergruppen unterteilen, ein ordentliches und ein außerordentliches.
I. Das ordentliche Austritts- bzw. Kündigungsrecht des Gesellschafters Unter einem ordentlichen Austrittsrecht ist das Recht des Gesellschafters zu verstehen, allein aufgrund freier Willenentschließung und ohne Rechtfertigungsgrund aus der Gesellschaft ausscheiden und dabei von der Gesellschaft Abfindung für den Verlust seiner Mitgliedschaft fordern zu können. Dabei unterscheiden sich die Personengesellschaften mit ihrem regulären Kündigungsrecht von den Kapitalgesellschaften, die ein Austrittsrecht nur unter besonderen Voraussetzungen kennen.
1. Die Rechtslage in den Personengesellschaften a) Vollständiger Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts unzulässig Im Personengesellschaftsrecht besteht ein ordentliches Austrittsrecht eines jeden Gesellschafters, das vom Gesetz als Kündigungsrecht1865 ausgestaltet ist. In der GbR besteht es nach § 723 BGB in der Form einer Kündigung der Gesellschaft, in den Personenhandelsgesellschaften als Recht zur Kündigung der Mitgliedschaft, wie § 132 III Nr. 3 (i. V. m. § 161 II) HGB für die OHG und KG voraussetzt.1866 Zum Schutz der Gesellschaft wird das Kündigungsrecht durch § 132 HGB dahingehend eingeschränkt, dass es nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von mindestens sechs Monaten zum Ende eines Geschäftsjahres ausgeübt werden darf, während § 723 II BGB einschränkend anordnet, dass die Kündigung nicht zur Unzeit erfolgen darf. Dieses Kündigungsrecht darf nach dem alle Personengesellschaften beherrschenden Rechtsgedanken in § 723 III BGB1867 weder ausgeschlossen noch dem ___________ 1865 1866 1867
Zu Rechtsnatur, Voraussetzungen und Rechtswirkungen dieser Kündigung vgl. etwa Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 49. Dazu K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, Band 2, 2004, § 132, Rn. 2. Zur Anwendbarkeit des § 723 III BGB auch auf Personenhandelsgesellschaften über § 105 III HGB vgl. BGH NJW 1954, 106; BGH NJW 1985, 192; Windbichler, Gesellschaftsrecht, 22. Aufl. 2009, S. 161, Rn. 13; K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, Band 2, 2004, § 132, Rn. 30.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
Sinn der Vorschrift des § 723 BGB zuwider beschränkt werden.1868 Die ratio legis wird darin gesehen, dass ein Gesellschafter in seiner persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit unerträglich beschränkt würde, wenn er auf unabsehbare Zeit an die Gesellschaft gefesselt wäre.1869 Während ein vollständiger Kündigungsausschluss daher nach §§ 134, 723 III BGB nichtig ist,1870 ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu § 132 HGB, dass eine zeitliche Begrenzung des Austrittsrechts möglich sein muss. b) Richtlinien für eine Begrenzung des Kündigungsrechts aa) Anforderungen an die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages Das ordentliche, nicht-legitimationsbedürftige Lösungsrecht des Personengesellschafters wurzelt in dem Erfahrungssatz, dass unbegrenzte rechtliche Bindungen die Prognosefähigkeit des Verpflichteten übersteigen. Während dies für alle Gesellschaftsformen gilt, kommt für die Personengesellschafter (mit Ausnahme des Kommanditisten) die aus dem Grundsatz der persönlichen Haftung folgende Besonderheit hinzu, dass mit dem Ausschluss eines ordentlichen Kündigungsrechts den Gesellschaftern auch die Möglichkeit verweigert wird, ihre persönliche Inanspruchnahme für die Zukunft zu beenden. Diese besonders schweren Konsequenzen müssen stets bei Beschränkungen bedacht werden. Dies führt zu der zutreffenden Ansicht, dass dem Gesellschafter allenfalls solche Beschränkungen abverlangt werden dürfen, die im Interesse der Gesellschaft unumgänglich sind.1871 Daher können Beschränkungen vereinbart werden, die dem Ziel dienen, ein höheres Maß an Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit zu schaffen, indem sie den mit einem Lösungsrecht des Gesellschafters verbundenen Kapitalabfluss, der im Extremfall zur Existenzgefährdung führen kann, vermeiden. Auch ist nicht zu übersehen, dass ein jederzeitiges Austrittsrecht ein nicht unerhebliches Erpressungspotential mit sich bringt.1872 Die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht vermögen dagegen nur bedingt zu helfen, da sie regelmäßig eine langwierige Auseinandersetzung, bei der die Gesellschaft beweisbelastet ist, voraussetzen.1873 Daher muss es zulässig sein, dass der Gesell___________ 1868 1869 1870 1871 1872
1873
BGH NZG 2006, 425; BGHZ 23, 10, 15; BGH NJW 1954, 106; K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, Band 2, 2004, § 132, Rn. 30. BGH WM 1967, 315, 316. Nach BGH NZG 2006, 425, folgt die Nichtigkeit hingegen aus § 138 BGB, da ein Kündigungsausschluss mit der persönlichen Freiheit der Gesellschafter unvereinbar sei. In diesem Sinne Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 50 f. Zurecht weist Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 51, auf die Gefahr hin, dass einzelne Gesellschafter ein jederzeitiges und unbegrenztes Austrittsrecht durchaus als Druckmittel einsetzen können, um bessere Beteiligungsbedingungen durchzusetzen; vgl. dazu BGH WM 1977, 736, 739: bei fehlenden Beschränkungen im Gesellschaftsvertrag ist es legitim, ein Kündigungsrecht als Druckmittel für Nachverhandlungen einzusetzen. Zu Verstößen gegen die Treuepflicht bei Ausübung des Kündigungsrechts siehe Baumbach/ Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 132, Rn. 6; K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, Band 2, 2004, § 132, Rn. 20 f.
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
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schaftsvertrag das Lösungsrecht zwar nicht gänzlich abschafft, aber im Interesse der Gesellschaft einschränkt. Die Klausel muss daher einer abstrakten Inhaltsprüfung am Maßstab des § 723 III BGB unterzogen werden. Nach den allgemeinen Grundsätzen (dazu die Darstellung unter § 9 A. II. 1.) sind gesellschaftsvertraglich angeordnete Abweichungen von der Gesetzeslage zulässig, soweit sie im dispositiven Bereich Ausdruck der Privatautonomie der Gesellschafter sind. Zu betonen ist dabei die allgemeine Anforderung, dass die Rechtsbeschränkung, hier die des Kündigungsrechts, im Gesellschaftsvertrag so klar gestaltet sein muss, dass jeder Gesellschafter weiß, worauf er sich einlässt.1874 Daneben orientiert sich die Reichweite des zulässigen Rechtsverzichts an der dispositiven Gesetzeslage als Leitbild unter besonderer Berücksichtigung der Wirkung auf grundrechtlich geschützte Interessen.1875 Daraus ergibt sich, dass es nicht ausreicht, wenn dem Gesellschafter nur die Möglichkeit zur Veräußerung verbleibt, da die gesetzliche Wertung des § 723 III BGB den einzelnen Gesellschafter gerade von den Risiken einer eigenverantwortlichen Käufersuche entbinden will. Unbedenklich erscheint demgegenüber eine Öffnungsklausel, die im Einzelfall die Prüfung vorsieht, ob für die Beteiligung ein funktionierender Markt existiert, auf dem diese zum Verkehrswert veräußert werden kann. Soweit dies der Fall ist, bedarf der austrittswillige Gesellschafter keines Kündigungsrechts. Im Übrigen sind solche Bestimmungen legitim, die sich, ganz im Sinne der hier vertretenen allgemeinen Grundsätze, erkennbar an einem berechtigten Interesse der Gesellschaft orientieren.1876 So ist es unbedenklich, wenn statt eines Kündigungsrechts ein Andienungsrecht, also die Verpflichtung der Mitgesellschafter zur Übernahme des Anteils, vereinbart wird,1877 da ein solches den Gesetzeszweck erfüllt, zugleich aber vermeidet, dass der Gesellschaft Kapital entzogen wird. Unzulässig sind demgegenüber Bestimmungen, nach denen die Ausübung des Kündigungsrechts an so schwerwiegende Nachteile geknüpft wird, dass ein Gesellschafter vernünftigerweise keinen Gebrauch davon machen wird, und die daher zu einem faktischen Ausschluss des Kündigungsrechts führen. Das ist etwa bei unzumutbaren Einschränkungen des Abfindungsanspruchs der Fall.1878 bb) Doppelprüfung von Gesellschaftsvertrag und Austrittswunsch im Einzelfall Wie schon oben zu den statutarischen Ausschlussbestimmungen (dazu § 9 A. II. 2.) vertreten, werden die berechtigten Interessen von Gesellschaft, betroffenem Gesellschafter und Mitgesellschaftern am besten durch eine Doppelprüfung in einen angemessenen Ausgleich gebracht: In einem ersten Schritt ist die Bestimmung im Gesellschaftsvertrag abstrakt darauf zu überprüfen, ob sie geeignet ist, das Kündigungsrecht in zulässiger Weise zu beschränken. Hierzu kommt es nur darauf an, ___________ 1874 1875 1876 1877 1878
So auch Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 50. Vgl. dazu BGH NJW 2007, 295 f. Siehe Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 132, Rn. 13. K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, Band 2, 2004, § 132, Rn. 31; Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 51. BGH NZG 2006, 425.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
ob Konstellationen vorstellbar sind, in denen gewichtige Gründe im Interesse der Gesellschaft gegen einen Austritt des Gesellschafters sprechen können. In einem zweiten Schritt muss über den konkreten Austrittswunsch eines Gesellschafters im Einzelfall entschieden werden. Die der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern konkret drohenden Nachteile müssen mit den Gründen, die der Gesellschafter für sein Begehren anführt, abgewogen werden. Diese Grundsätze sind bei allen Gesellschaften tragfähig, unabhängig davon, ob sie auf unbestimmte oder bestimmte Zeit eingegangen wurden. Die h. M. unterscheidet demgegenüber. Bei auf bestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaften soll das Kündigungsrecht weitergehend ausgeschlossen werden können und lediglich in der Substanz garantiert sein.1879 Welche Zeiträume zulässig sind, ist eine Frage des Einzelfalls, doch werden Zeiträume von bis zu 20 Jahren gebilligt, ein solcher von 30 Jahren hingegen jüngst beanstandet und eine Bindung, die ein Menschenleben überdauert (so etwa 99 Jahre), traditionell abgelehnt.1880 Ob sich ein Verbot dabei aus § 134 BGB i. V. m. §§ 132, 105 III HGB, 723 III BGB oder aus § 138 BGB ergibt, wird unterschiedlich beurteilt. Der Unterschied wird darin gesehen, dass sich aus § 134 BGB feste Höchstgrenzen ergeben sollen, während § 138 BGB Raum für eine am Einzelfall orientierte Beurteilung lasse.1881 Demgegenüber kann auch bei der hier vertretenen Doppelprüfung danach unterschieden werden, ob die Gesellschaft auf bestimmte oder unbestimmte Zeit eingegangen wurde. So kann bei der Abwägung berücksichtigt werden, dass auf bestimmte Zeit eingegangene Gesellschaften in besonderem Maße Planungssicherheit voraussetzen und daher von einem Kapitalabfluss durch Austritt eines Gesellschafters besonders empfindlich betroffen werden. Entscheidende Gesichtspunkte sind dabei die Dauer der Verbindung, die Frage, ob der Gesellschafter seine Beteiligung veräußern darf, die Art seiner Beteiligung (höhere Schutzwürdigkeit bei unternehmerischer im Vergleich zu kapitalistischer Beteiligung) und das Risiko einer persönlichen Haftung, die nicht alleine von der Rechtsstellung (Komplementär im Gegensatz zum Kommanditisten1882), sondern auch der Vermögenslage der Gesellschaft abhängt, da diese darüber entscheidet, ob ein nach § 128 I HGB persönlich in Anspruch genommener Gesellschafter mit seinem Regressanspruch nach § 110 HGB1883 ausfällt. Eine denkbare Alternative zu einem Austritt des Gesellschafters ist es etwa auch, dass die Mitgesellschafter anbieten, die Personen- in eine Kapitalgesellschaft um___________ 1879 1880
1881 1882 1883
Vgl. BGHZ 10, 91, 98; BGH WM 1967, 315, 316; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1455–1457; Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 50. Zu zulässigen Fristen siehe RGZ 136, 236, 241 (5 Jahre); RG JW 1926, 1959, 1960 (10 Jahre); BGH WM 1982, 394 (20 Jahre). Zur Unzulässigkeit einer Frist von 30 Jahren BGH NJW 2007, 295, 296 f. Im Gegensatz dazu war eine solche Frist von BGH WM 1967, 315, 316, noch gebilligt worden. Zu allem auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1455; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 132, Rn. 13. Daher für § 138 BGB K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1456 f., für § 134 BGB hingegen BGH WM 1967, 315, 316. Zu diesem Gesichtspunkt K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1457. Siehe zu diesem K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1435 f.
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
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zuwandeln, wenn es dem Austrittswilligen lediglich darauf ankommt, einer persönlichen Haftung zu entgehen. Das bedeutet umgekehrt nicht, dass ein Austrittsrecht stets durch einen Rechtsformwechsel abgewendet werden darf. Die Ansicht, wonach sich die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zulässigerweise darauf beschränken können, das ordentliche Kündigungsrecht auszuschließen und stattdessen die Befugnis anzubieten, die Gesellschaft in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln,1884 ist abzulehnen.1885 In §§ 207, 29 I 1, 125 UmwG kommt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber einen Rechtsformwechsel als derart gravierenden Eingriff in die Mitgliedschaft ansieht, dass der Gesellschafter über seinen Verbleib in der Gesellschaft entscheiden und gegen vollwertige Abfindung ausscheiden darf.1886 Dem liegt zugrunde, dass die Beteiligung durch den Rechtsformwechsel auf eine gänzlich veränderte Grundlage gestellt wird. Gerade die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters unterscheidet sich in den einzelnen Gesellschaftsformen gravierend. Ein derart beträchtlicher Eingriff in die Mitgliedschaft ist jedoch nicht geeignet, den Personengesellschafter dafür zu entschädigen, dass ihm das ordentliche Kündigungsrecht vorenthalten wird. Er würde faktisch dazu gezwungen werden, sich fortan an einer anderen Gesellschaftsform zu beteiligen, wenn ihm nur die Wahl verbliebe, an seiner bisherigen Beteiligung festhalten oder diese gegen die Beteiligung an einer anderen Gesellschaftsform eintauschen zu können. c) Der Abfindungsanspruch Ebenso wie bei einem Ausschluss aus der Gesellschaft gegen seinen Willen besitzt der Gesellschafter auch bei einem auf seinem Willen beruhenden Ausscheiden einen Anspruch auf Abfindung zum Verkehrswert.1887 Im Einzelnen gelten die schon unter § 9 A. II. 5. zum Ausschluss des Gesellschafters dargestellten Grundsätze.1888 Beschränkungen des Abfindungsanspruchs sind danach nicht grundsätzlich unzulässig, jedoch darauf zu untersuchen, ob eine sittenwidrige Übervorteilung vorliegt. Davon ist auszugehen, wenn die Benachteiligung des Ausscheidenden nicht durch Interessen der Gesellschaft gerechtfertigt ist, die darin bestehen müssen, dass der Gesellschaft die Fortführung ihrer Tätigkeit ermöglicht wird. Fehlt eine solche Rechtfertigung, ist die Abfindungsregelung nach § 138 BGB nichtig,1889 und an ___________ 1884 1885
1886
1887 1888 1889
RGZ 156, 129, 134 f. (für die stille Gesellschaft); Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 132, Rn. 10. Ablehnend auch K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, Band 2, 2004, § 132, Rn. 29, wonach dem Gesellschafter auch bei derartigen Klauseln eine Austrittsmöglichkeit erhalten bleiben muss. Dazu etwa Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29, Rn. 2; Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 2; vgl. auch die Gesetzesbegründung BT-Drs. 13/8808, S. 11. Näher dazu unter § 12 B. Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 34, Rn. 44; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 36. Zur Abfindung auch noch ausführlich unter § 11. Dazu für die GmbH BGHZ 116, 359, 368; so und noch restriktiver H. P. Westermann, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band II, S. 245, 259; Grunewald, DStR 2004, 1750, 1751; Brandes, WM 1998, 261, 264.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
ihre Stelle tritt eine Abfindung in Höhe des Verkehrswerts der Beteiligung.1890 Eine solche Nichtigkeit kann sich insbesondere daraus ergeben, dass der Abfindungsanspruch derart beschränkt wird, dass ein vernünftiger Gesellschafter von dem zu erwartenden Verlust davon abgehalten wird, von seinem Austrittsrecht Gebrauch zu machen. So muss sich ein Gesellschafter nicht auf den Ertragswert seiner Beteiligung verweisen lassen, wenn dieser so weit unter dem Liquidationswert liegt, dass ein vernünftiger Gesellschafter auf dieser Grundlage von einem ihm zustehenden Austrittsrecht keinen Gebrauch machen würde.1891 Soweit die Unangemessenheit nur auf nachträglich eingetretene Umstände zurückgeht, kommt eine Anpassung der Abfindungsklauseln nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung in Betracht.1892
2. Die Rechtslage in der GmbH a) Ordentliches Austrittsrecht nur in Ausnahmesituationen Anders als im Recht der Personengesellschaften existiert im GmbH-Recht keine gesetzliche Regelung zum Austritt eines Gesellschafters. Da hingegen die Möglichkeit der Vinkulierung in § 15 V GmbH geregelt ist, wird ein ordentliches Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters mehrheitlich abgelehnt,1893 da ansonsten die Möglichkeit der Gesellschaft, die Veräußerung der GmbH-Anteile zu beschränken, ausgehöhlt werde. Das Gesetz räume der Gesellschaft gerade die Möglichkeit ein, den Gesellschafter auch gegen seinen Willen an die Gesellschaft zu binden.1894 Hinzu komme ein möglicher Konflikt mit dem Kapitalerhaltungsgrundsatz.1895 Ein ordentliches Austrittsrecht wird von dieser Ansicht daher nur anerkannt, wenn es durch eine entsprechende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag eingeräumt ist.1896 ___________ 1890 1891 1892 1893
1894 1895 1896
BGHZ 116, 359, 370 f. BGH NZG 2006, 425, zum Kündigungsrecht, das jedoch vom BGH selbst zu Recht in den Entscheidungsgründen mit dem Austrittsrecht gleichgesetzt wird. So i. E. OLG München NZG 2004, 1055, 1056; BGH NJW 1993, 2101; BGH NJW 1993, 3193. OLG Köln GmbHR 1996, 609, 610; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1064; Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, Anh. § 34, Rn. 7; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 43 und 47 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 401; Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 111, allerdings mit der Begründung, dass ein Ausschluss der Veräußerlichkeit wegen des zwingenden Grundsatzes in § 15 I GmbHG unzulässig sei. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1064; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 41 f. Ausführlich Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 40. Zur Möglichkeit, ein ordentliches Kündigungsrecht in der Satzung vorzusehen BGH NJWRR 2003, 1265, 1266; BGH NJW 1969, 2049; BGH NZG 2003, 871, 872; BayObLG BB 1975, 249, 250; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1065; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 34, Rn. 4, 76; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG,
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
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Die Gegenansicht betont hingegen den Grundsatz freier Lösbarkeit bei Dauerschuldverhältnissen als allgemeines Prinzip des Verbandsrechts. Daher wird ein ordentliches Austrittsrecht in der GmbH unter der Voraussetzungen anerkannt, dass die freie Veräußerlichkeit ausgeschlossen oder beschränkt ist.1897 Nach der hier (unter A. III. 2.) vertretenen Ansicht wird dem Grundsatz der Lösbarkeit jedoch schon durch die strengen Voraussetzungen an eine Beschränkung der Veräußerlichkeit von GmbH-Anteilen Rechnung getragen. Danach ist die Vinkulierung an dem Schutz des Gesellschafters dienende Voraussetzungen geknüpft und die Ermessensentscheidung über eine Zustimmung zur Veräußerung vinkulierter Anteile einem inhaltlichen Rechtfertigungserfordernis anhand der Besonderheiten des Einzelfalls unterworfen. Soweit die Versagung der Veräußerung den Gesellschafter unverhältnismäßig beeinträchtigt, steht die Gesellschaft vor der Wahl, die Veräußerung zuzulassen oder den Gesellschaftsanteil selbst zu übernehmen. Letzteres läuft in seiner praktischen Wirkungsweise auf ein ordentliches Austrittsrecht hinaus, das jedoch an hohe Voraussetzungen, nämlich die Vinkulierung der Anteile und einen rechtswidrigen Eingriff bei Verweigerung der Zustimmung zur Veräußerung gebunden ist. Zudem beruht es auf einem Willensakt der Gesellschaft, wenn diese den Austritt des Gesellschafters einer Anteilsveräußerung vorzieht. Im Ergebnis ist daher der h. M., die ein ordentliches Austrittsrecht verneint, zuzustimmen. Davon ist die Situation zu unterscheiden, dass den Gesellschafter persönliche Nebenleistungspflichten treffen. Nach der Ansicht Wiedemanns muss dem Gesellschafter in diesen Fällen ein ordentliches Austrittsrecht zugebilligt werden, da der Rechtsgedanke des § 723 III BGB eingreife.1898 Dem treten andere Autoren hingegen mit dem Verweis auf den Unterschied zur persönlichen Haftung des Personengesellschafters entgegen.1899 Dieser Einwand geht jedoch fehl und Wiedemann ist zuzustimmen. Die persönliche Nebenleistungspflicht gibt der Beteiligung an der GmbH ein ungewöhnliches und für die Personengesellschaften übliches Gepräge. Sie rückt die Beteiligung zudem in die Nähe eines austauschvertraglichen Dauerschuldverhältnisses, für das der Grundsatz der ordentlichen Lösbarkeit anerkannt ist.1900 Dass der Gesellschafter keine persönliche Außenhaftung übernimmt, vermag diese Parallelwertung nicht auszuschließen.
___________ 1897 1898 1899 1900
19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 27; Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 139. Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 246; Vollmer, ZGR 1979, 135, 169 ff.; Roitzsch, Der Minderheitsschutz im Verbandsrecht, 1981, S. 90–92. Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, S. 91. Winkler, Die Lückenfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967, S. 77 f. Dazu oben unter I.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
b) Austrittsrecht auf Grundlage der Regelungen im Gesellschaftsvertrag Ein statutarisch vorgesehenes Austrittsrecht wirft im Ansatz ähnliche Probleme auf wie ein statutarisches Ausschlussrecht. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass ein Ausschlussrecht gegen den betroffenen Gesellschafter, ein Austrittsrecht zu seinen Gunsten wirkt. Daher unterscheiden sich die Wertungen bei den relevanten Einzelfragen auch beträchtlich. So ist zwar auch beim Austritt eines Gesellschafters problematisch, wie sich das Ausscheiden vollzieht. Zur Verfügung stehen die Einziehung des Geschäftsanteils oder die Übernahme durch die Mitgesellschafter.1901 Wird der Weg über die Einziehung gewählt, stellt die Zahlung der Abfindung eine aufschiebende Bedingung für die Einziehung dar.1902 Da der Austritt seinen Interessen dient, unterliegt es jedoch keinen Bedenken, dass der Gesellschafter auf weitergehenden Schutz verzichtet. So kann etwa in der Satzung vereinbart werden, dass der Gesellschafter seine Beteiligung schon vor Zahlung der Abfindung verliert.1903 Möglich ist auch, die Mitgliedschaft des ausscheidenden Gesellschafters dadurch zu beenden, dass er seine Beteiligung unmittelbar mit Ausübung seines Austrittsrechts verliert, was im Wege einer gleichzeitig bewirkten Abtretung des Geschäftsanteils nach § 15 III GmbHG möglich ist. Soll der Geschäftsanteil den übrigen Gesellschaftern anwachsen, ist eine derartige Bestimmung so zu verstehen, dass der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters im Sinne von § 17 III GmbHG geteilt wird und die Teile den übrigen Gesellschaftern abgetreten werden.1904 Im Gegenzug erhält der Gesellschafter einen Anspruch auf Wertersatz, für dessen Bemessung die allgemeinen Grundsätze gelten. Zugleich setzt dieses Verfahren voraus, dass die Satzung geändert wird, da diese nach § 3 I Nr. 4 GmbHG ausweisen muss, welche Geschäftsanteile die Gesellschafter übernehmen. ___________ 1901 1902
1903
1904
BGHZ 88, 320, 322 f.; BGH NJW-RR 2003, 1265, 1266. BGHZ 9, 157, 173 = NJW 1953, 780; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 34, Rn. 47 f.; Scholz/H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 34 Rn. 56 („Rechtsbedingung“), jeweils m. w. N.; offen gelassen von BGHZ 139, 299, 301f.; krit. Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 34, Rn. 22 ff.; Goette, FS Lutter, 2000, S. 399, 405 ff. I. E. BGH NJW-RR 2003, 1265, 1266; BGHZ 88, 320, 322 = NJW 1984, 489; für den vergleichbaren Fall des Ausschlusses eines Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluss BGHZ 32, 17, 23 = NJW 1960, 866; BGH NJW 1983, 2880; zweifelhaft ist hingegen, dass ein Verlust der Mitgliedschaft auch schon vor Verwertung des Anteils eintreten soll. Für diesen Fall nehmen Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 21, Rn. 12, eine treuhänderische Inhaberschaft der Gesellschaft an. Nach Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Band I, 8. Aufl., 1992, § 34 Rn. 57 ff.; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 60, Rn. 93, wird der Anteil mit der Einziehung trägerlos. Den berechtigten Interessen der Gesellschaft kann schon dadurch Rechnung getragen werden, dass die Mitwirkungsbefugnisse des betroffenen Gesellschafters bis zum Vollzug der Anteilsverwertung ruhen, vgl. dazu unter II. 4. BGH NJW-RR 2003, 1265, 1267, wobei die Formerfordernisse schon durch den notariellen Gesellschaftsvertrag erfüllt werden können.
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
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Falls die Gesellschaft als Abfindungsschuldnerin vorgesehen ist, müssen wiederum die Kapitalerhaltungsgrundsätze beachtet werden.1905 Soweit die übrigen Gesellschafter von dem Austritt profitieren, indem ihnen pro rata der Anteil des Ausscheidenden übertragen wird, sollen sie auch ohne entsprechende Bestimmung in der Satzung subsidiär neben der Gesellschaft haften.1906 c) Austritt mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung Als weitere Möglichkeit kommt ein Austritt des Gesellschafters auch im Wege einer Billigung durch die Gesellschafterversammlung in Betracht.1907 Problematisch ist dabei, dass ein Austritt zu einem nicht unerheblichen Kapitalabfluss führen und die Fortführung des Unternehmens daher schwierig gestalten kann. Dabei handelt es sich zwar um ein Charakteristikum aller Austrittsarten. Der Unterschied zu gesetzlich angeordneten oder statutarisch zugelassenen Austrittsrechten besteht jedoch darin, dass die gegen einen Austritt stimmende Minderheit auf diese Möglichkeit nicht vorbereitet ist. Ohne entsprechende Warnfunktion im Gesetz oder der Satzung fällt der mit dem Austritt eines Mitgesellschafters verbundene mittelbare Eingriff daher erheblich aus. Die gewöhnlichen Kriterien einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle anzuwenden, kommt nicht in Betracht. Da es sich um einen ordentlichen Austritt handelt, für den gerade keine besonderen Gründe erforderlich sind, liegt der Austritt im Interesse des Gesellschafters, nicht der Gesellschaft. Das Interesse des ausscheidungswilligen Gesellschafters richtet sich darauf, sein eingesetztes Kapital zurückzuerhalten, ohne einen Rechtsnachfolger suchen zu müssen. Zugleich stehen ihm keine anerkennenswerten Gründe wie im Falle des außerordentlichen Austritts zur Verfügung. Seine berechtigten Interessen sind mit Null anzusetzen, da es letztlich darum geht, außerhalb der generell vorgesehenen Wege seine ursprüngliche Anlageentscheidung zu revidieren. Er wälzt damit ein Investitionsrisiko auf die Gesellschaft und die übrigen Gesellschafter ab, das ihm nach der Konzeption des GmbH-Gesetzes gerade nicht abgenommen werden soll.1908 Dem steht gegenüber, dass mit dem Kapitalabzug eine Verschlechterung der Kapitalgrundlage der Gesellschaft, auf deren Grundlage sie ihrer Zweckbestimmung nachgeht, eintritt. Für den einzelnen Gesellschafter bedeutet dies eine Verschlechterung seiner Gewinnaussichten und damit der vermögensrechtlichen Seite seiner Beteiligung. Diese Beeinträchtigung erscheint gewichtig. Aufgrund dieser Interessenverteilung ist ein einstimmiger Beschluss der Gesellschafterversammlung erforderlich. Nur wenn sich alle verbleibenden Gesellschafter damit einverstanden erklären, den Austrittswilligen zu entlassen, sollte dieser Weg offen stehen. ___________ 1905 1906 1907 1908
BGH NJW-RR 2003, 1265, 1267. Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 34, Rn. 28; Goette, FS Lutter, 2000, S. 399, 410; offen gelassen von BGH NJW-RR 2003, 1265, 1267. Befürwortet von OLG Köln GmbHR 1996, 609, 610; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 21. Dazu etwa Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 113.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
3. Die Rechtslage in der Aktiengesellschaft Die Aktiengesellschaft kennt typisierte Austrittsrechte. In besonderen Situationen dürfen die Aktionäre aufgrund eigener Willensentschließung die Gesellschaft gegen Zahlung einer Abfindung verlassen (dazu im Einzelnen unter C.). Diese Austrittsrechte knüpfen stets an eine Minderheitsbeteiligung des Aktionärs an und stellen daher echte Minderheitsrechte dar. Sie unterscheiden sich daher von den ordentlichen und außerordentlichen Austrittsrechten, die jedem Gesellschafter gleichermaßen zustehen. Die ganz h. M. bewertet die typisierten Austrittsrechte als abschließend. Ein Austritt über allgemeine Institute scheide aus, um eine Umgehung der Abfindungsregeln zu vermeiden.1909 Dem ist zuzustimmen. Nicht abschließend geklärt ist hingegen, inwieweit ein Kapitalgesellschafter (Aktionär ebenso wie GmbHGesellschafter) in besonders minderheitsrelevanten Situationen aus der Gesellschaft ausscheiden kann, selbst wenn die (hohen) Voraussetzungen für ein Ausscheiden aus wichtigem Grund (dazu sogleich unter II.) nicht vorliegen.1910 Gerade aufgrund der Tatsache, dass die Mehrheit das Recht erhält, die Minderheit aus der Gesellschaft auszuschließen (vor allem im Rahmen des Squeeze out und der Mehrheitseingliederung), muss ernsthaft über das spiegelbildlich gelagerte Recht der Minderheit, bei nachteiliger Veränderung der Grundlagen der Gesellschafterbeziehung auszuscheiden, nachgedacht werden.1911 Dieser Frage soll unter D. nachgegangen werden.
II. Das Austrittsrecht aus wichtigem Grund 1. Grundsätzliche Anerkennung Entsprechend zum Ausschluss aus wichtigem Grund wird von der heute ganz h. M. auch das Recht zum Austritt aus wichtigem Grund als ein Grundprinzip des Verbandsrechts und unverzichtbares Mitgliedschaftsrecht jedenfalls in den Personengesellschaften und der GmbH anerkannt.1912 Treten Umstände ein, die für ei___________ 1909 1910 1911 1912
Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 401, 470; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 109. Siehe dazu die Ansätze bei Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 401 m. w. N. So auch Hopt, in: Amicorum Guy Horsmans, 2004, S. 533, 554 f. Für Kommanditgesellschaften BGHZ 63, 338, 346; BGHZ 69, 160, 162; BGHZ 73, 294, 300; BGH NJW 1976, 894; BGH NJW 1979, 765; für die GmbH: BGHZ 9, 157, 163 f.; BGHZ 116, 359, 369; OLG München DB 1990, 473; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 18; Schacht, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 13, Rn. 15; Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 6, Rn. 55; Ebbing, in: Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 44; Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 106; Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 9–12; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 301– 308; Martens, GmbHR 1984, 265, 271 f.; Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 15; Röhricht, FS Kellermann, 1991, S. 361; Schindler, Das Austrittsrecht
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
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nen Gesellschafter den Verbleib in der Gesellschaft unzumutbar erscheinen lassen, kann er sein Austrittsrecht wahrnehmen und die Gesellschaft verlassen.1913 Das gilt im Grundsatz gleichermaßen für personalistisch wie auch kapitalistisch geprägte Beteiligungen, wenn auch im Rahmen einer abwägenden Beurteilung der Zumutbarkeit (wie stets) nach der Art der Beteiligung zu unterscheiden ist.1914 Das wurde nicht immer so gesehen. Das Reichsgericht vertrat den Standpunkt, ein Lösungsrecht des GmbH-Gesellschafters sei nur auf zwei Arten vorgesehen, durch Anteilsveräußerung oder Verbandsauflösung.1915 Diese Auffassung wurde zu Recht von der Literatur bekämpft: Einerseits stellt es ein dem Dauerschuldverhältnis innewohnendes Wesensmerkmal dar, dass das eigene Engagement beendet werden darf, wenn dessen Fortsetzung unzumutbar wird; andererseits zerstört eine Auflösungsklage zugleich das Werk der übrigen Gesellschafter und stellt daher ein ungeeignetes Mittel in den Fällen dar, in denen sich der Fortbestand der Bindung nur für einen der Gesellschafter als unzumutbar erweist.1916 Auch nach dem hier vertretenen Ansatz, wonach ein Minderheitsgesellschafter rechtmäßige Eingriffe in seine Mitgliedschaft hinnehmen muss, wenn sie von überwiegenden Gründen im Gesellschaftsinteresse getragen sind, kann sich eine Situation ergeben, in der ein Verbleib einzelner Gesellschafter unzumutbar erscheint, insbesondere wenn sie im Vergleich mit den übrigen Gesellschaftern in einer Sondersituation betroffen sind.1917 Diesen Gesellschaftern in solchen Konstellationen das Recht zuzugestehen, unter angemessener Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden, kann die einzige Möglichkeit darstellen, dem Interesse der Gesellschaft und Mitgesellschafter an einer mehrheitlich beschlossenen Maß___________ 1913 1914
1915
1916 1917
in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 45; Reichert/Weller, Der GmbH-Geschäftsanteil, Übertragung und Vinkulierung, 2006, § 15, Rn. 6; Timm, JZ 1980, 665, 670. BGHZ 116, 395 = NJW 1992, 892, 895 (für die GmbH). Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 112; a. A. Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967, S. 75 f. RGZ 73, 429, 432; RGZ 108, 20, 23; Im Grundsatz auch RGZ 128, 1, 15 ff., jedoch mit Ausnahmen für die vereinbarten Nebenleistungspfichten. Auch widerspreche ein außerordentliches Recht zum Ausschluss der gesetzlichen Grundkonzeption des GmbH-Gesetzes, RGZ 101, 55, 61 f. Begründet wurde diese Argumentationslinie und darauf aufbauende Auffassung von Scholz, Ausschließung und Austritt aus der GmbH, 2. Aufl. 1947, S. 5 f. Hierzu gehört etwa das von Richard Buxbaum (im Gespräch) gebildete Beispiel, dass ein älterer Gesellschafter daran interessiert ist, zur Gestaltung seines Lebensabends eine möglichst hohe Rendite zu erzielen, während die übrigen Gesellschafter unter Ausrichtung am Gesellschaftszweck in die Zukunft der Gesellschaft investieren möchten. Verspricht die strategische Ausrichtung der Gesellschaft eine hohe Rendite nach einer Durststrecke von einigen Jahren, liegt es durchaus im Interesse der Gesellschaft und berechtigten Interesse der Mehrheit der Gesellschafter, die Gewinne der Gesellschaft zu re-investieren. Der ältere Gesellschafter, der diese blühende Phase der Gesellschaft nicht erleben wird, kann einen auf strategische Zukunftsplanung ausgerichteten Beschluss der Gesellschafter nicht anfechten, aber aus wichtigem Grunde aus der Gesellschaft ausscheiden. Vor diesem Hintergrund mögen sich die anderen Gesellschafter doch dazu bereit finden, ihm (und nur ihm) seinen vollen Anteil an den erzielten Gewinnen zuzugestehen.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
nahme zu entsprechen, zugleich aber zu vermeiden, dass die Minderheit zu einem unzumutbaren Verbleib in der Gesellschaft gezwungen wird. Für die Aktiengesellschaft fehlt es an grundsätzlichen Stellungnahmen. Dies hängt damit zusammen, dass ein Austrittsrecht für den Aktionär wegen der hohen Fungibilität der Aktie nur selten relevant wird. Fehlt es jedoch an einem effektiven Markt für seine Beteiligung, können Gründe für einen Austritt ebenso wie in den übrigen Gesellschaftsformen bestehen. Da auch keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Anerkennung ersichtlich sind,1918 ist auch dem Aktionär zuzubilligen, aus wichtigem Grund aus der Aktiengesellschaft auszuscheiden.1919
2. Dogmatische Grundlagen des Austritts aus wichtigem Grund Rechtsprechung und überwiegende Literatur begründen zu Recht das außerordentliche Austrittsrecht mit dem für Dauerschuldverhältnisse geltenden Grundsatz, dass Rechtsverhältnisse von langer Dauer, die stark in die Lebensbetätigung der Vertragsparteien eingreifen oder eine besondere Interessenverflechtung mit sich bringen, vorzeitig aus wichtigem Grunde gekündigt werden können, wenn dem Einzelnen unzumutbar ist, an dem Rechtsverhältnis festzuhalten. Dieses außerordentliche Austrittsrecht stelle ein Grundprinzip des Verbandsrechts dar und gehöre daher zu den unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechten.1920 Nach anderer Ansicht soll hingegen der Rechtsgedanke des § 39 BGB als Grundlage herangezogen werden.1921 Eine dritte Meinung schließlich stützt das Austrittsrecht auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Aus der Treuepflicht folge das Gebot, auf die Belange des einzelnen Gesellschafters Rücksicht zu nehmen. Befinde er sich in unzumutbarer Situation, sei sein Wunsch zum Austritt anzuerkennen und er finanziell zu entschädigen.1922 Die oben zur dogmatischen Begründung eines Ausschlussrechts aus wichtigem Grund angeführte Zweckförderungspflicht des einzelnen Gesellschafters lässt sich hingegen für das Austrittsrecht des Gesellschafters nicht heranziehen. Sie taugt nur als Grundlage, um Duldungspflichten der Gesellschafter im Gesellschaftsinteresse zu begründen.
3. Voraussetzungen des Austrittsrechts Nach einhelliger Ansicht setzt das Austrittsrecht voraus, dass der Gesellschafter durch besondere Umstände derart beeinträchtigt ist, dass ihm ein Verbleib in der ___________ 1918 1919 1920 1921 1922
Zu den gegenüber dem GmbH-Recht strengeren Kapitalerhaltungsgrundsätzen jedoch unter 5. c) bb). So i. E. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 401. BGHZ 116, 359, 369; zustimmend Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 47–49. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 18 f. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 33–37.
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
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Gesellschaft unzumutbar ist.1923 Der schon beim Ausschluss aus wichtigem Grund erwähnte gescheiterte Entwurf zur GmbH-Reform sah folgende Voraussetzungen für ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund vor (§ 211 RegE 1971):1924 „(1) Ist einem Gesellschafter aus wichtigem Grund das Verbleiben in der Gesellschaft nicht zuzumuten, so kann er nach Maßgabe der folgenden Vorschriften aus der Gesellschaft austreten. Ein wichtiger Grund liegt namentlich vor, wenn die Gesellschaft Maßnahmen trifft, durch die sich ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in einer für den Gesellschafter nicht zumutbaren Weise ändern. (. . .) (2) Der zum Austritt berechtigte Gesellschafter kann von der Gesellschaft als Abfindung den Verkehrswert seines Geschäftsanteils verlangen. (. . .)“ Derartige Situationen werden regelmäßig durch Maßnahmen der Gesellschaft, durch die sich deren rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse in einer für den Gesellschafter unzumutbaren Weise ändern, herbeigeführt. Hauptanwendungsfälle sind daher Umstrukturierungen der Gesellschaft, die eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesellschafterstellung mit sich bringen,1925 wobei zu beachten ist, ob nicht der Gesetzgeber die Rechtsfolgen solcher Maßnahmen abschließend geregelt hat und ein Ausscheiden des Gesellschafters daher an besondere Voraussetzungen knüpft, die durch ein außerordentliches Austrittsrecht unterlaufen würden.1926 Die Unzumutbarkeit ist durch Abwägung der relevanten Gesichtspunkte festzustellen. Dabei sind die widerstreitenden Interessen des austrittswilligen Gesellschafters einerseits und die der Gesellschaft und übrigen Gesellschafter andererseits gegenüberzustellen.1927 Von Bedeutung ist dabei, wie die unzumutbare Situation zustande kam. Unter Zugrundelegung der hier vertretenen Konzeption ist insbesondere relevant, ob der Gesellschafter einen Eingriff in seine Rechtsstellung ___________ 1923
1924 1925
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1927
Siehe etwa BGHZ 116, 359, 369; OLG Hamm GmbHR 1993, 656, 657; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 19; Michalski/Ebbing, GmbHKommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 49; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 76; Schacht, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 13, Rn. 1115; Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 106; Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 96; Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 52; Wellhöfer, GmbHR 1994, 212, 216; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 52. RegE 1972, BT-Drs. 6/3088. Dazu und zu weiteren Beispielen für die GmbH Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 106 f.; zu relevanten Fallgestaltungen auch Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 6, Rn. 55; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 50– 52. So etwa beim Abschluss eines Unternehmensvertrages, da hier der Schutz der Minderheitsgesellschafter in der GmbH durch ein Zustimmungserfordernis sichergestellt wird, Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 77; Rosenbach, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 17, Rn. 169; dazu im Einzelnen unter C. Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten, S. 91; Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 107 und 113.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
erdulden musste, weil dieser geboten und erforderlich war und sich gegen die Interessen des Gesellschafters durchgesetzt hat.1928 Dies entspricht im Ergebnis der Ansicht, die Eingriffe in die Rechtsstellung der Gesellschafter anhand der wechselseitig bestehenden Treuepflicht bewertet. Das aus der Treuepflicht resultierende Gebot, erhebliche Eingriffe in die Mitgliedschaft erdulden zu müssen, kann ein Recht zum Austritt aus wichtigem Grund begründen, soweit die durch die Treuepflichtbindung entstandene Situation einen Verbleib unzumutbar macht.1929 Einschränkend ist zu beachten, dass der Austritt aus wichtigem Grund nicht dazu dient, dem Gesellschafter das allgemeine Investitionsrisiko abzunehmen und ihn vor den Folgen einer Fehlspekulation zu bewahren.1930 Auch handelt es sich bei dem Austritt aus wichtigem Grund wegen seiner belastenden Wirkung für die Gesellschaft (und die Mitgesellschafter) um einen subsidiären Rechtsbehelf, der nur zur Verfügung steht, wenn weniger einschneidende Maßnahmen ausscheiden. Schon oben unter § 4 B. I. 2. wurde der Ansatz einer starken Literaturansicht abgelehnt, wonach der Gesellschafter eine Strategie des „dulde und liquidiere“ verfolgen darf. Vielmehr muss er gegen rechtswidrige Eingriffe vorgehen und deren Wirkungen beseitigen. Sich auf die durch sein Nichtstun entstandenen Wirkungen zur Begründung eines Austritts zu berufen, ist ihm daher untersagt.1931 Eine weitere wichtige Einschränkung besteht darin, dass eine Veräußerung der Beteiligung praktisch unmöglich oder jedenfalls unzumutbar sein muss.1932 Erhebliche finanzielle Opfer bei einer Veräußerung hinzunehmen, kann dem Gesellschafter allenfalls dann zugemutet werden, wenn die Umstände, die zur Unzumutbarkeit des Verbleibs führen, aus seiner Sphäre stammen.1933 Ist die Veräußerlichkeit der Beteiligung durch Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ausgeschlossen oder ___________ 1928
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An verschiedenen Stellen wurden bereits Situationen dargestellt, die einen Eingriff unanfechtbar machen, zugleich aber die Voraussetzungen für einen Austritt aus wichtigem Grund schaffen, siehe etwa die Konstellation der Entscheidung Jones v. Ahmanson, oben § 7 A II 3 b) oder die der Bereicherung des beherrschenden Mehrheitsgesellschafters am Gesellschaftsvermögens, wenn der Minderheitsgesellschafter seinen mittelbaren Schaden direkt beim Mehrheitsgesellschafter liquidiert, dazu unter § 7 B III. 3. b). Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 20. Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 113. Selbstredend steht es den Gesellschaftern frei, ihn dennoch unter vollwertiger Abfindung aus der Gesellschaft zu entlassen. Ein gegen einen derartigen Beschluss stimmender Gesellschafter kann jedoch erfolgreich Anfechtungsklage mit der Begründung, die Voraussetzung für einen Austritt hätten nicht vorgelegen, erheben. Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 53; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 305; Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 113. So auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 22; geringere Einschränkungen bei Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 75; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 53; a. A. Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 113 (Austrittsrecht soll bei Veräußerbarkeit gänzlich ausscheiden).
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
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eingeschränkt, ist dies zugunsten des Gesellschafters zu berücksichtigen.1934 Oben unter A. II. 1. c) wurde bereits ausgeführt, dass es regelmäßig einen zum Austritt berechtigenden wichtigen Grund darstellt, wenn eine Vinkulierungsklausel in der GmbH nachträglich eingeführt wurde gegen den Willen des Betroffenen und sein Antrag auf Genehmigung seines Veräußerungswunsches abgelehnt wird, weil die damit verbundene nachteilige Wirkung auf die Rechtsstellung der verbleibenden Gesellschafter eine Versagung rechtfertigt. Hingegen stellt die Auflösung der Gesellschaft wegen der damit verbundenen belastenden Wirkung für die übrigen Gesellschafter eine ungeeignete Alternative zum Austritt aus wichtigem Grund dar, so dass ein Gesellschafter, der über die zur Auflösung erforderliche Quote verfügt, nicht darauf verwiesen werden muss, einen Auflösungsbeschluss herbeizuführen.1935
4. Vollzug des Austritts Der Austritt vollzieht sich (anders als der Ausschluss aus wichtigem Grund1936) durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des austrittswilligen Gesellschafters.1937 Bei den Personengesellschaften endet damit die Mitgliedschaft des ausscheidenden Gesellschafters und sein Anteil wächst nach § 738 I 1 BGB (i. V. m. 105 III HGB) den übrigen Gesellschaftern zu. Hingegen bleiben der GmbH-Anteil bzw. die gehaltenen Aktien bestehen. Da der ausscheidende Gesellschafter in den Kapitalgesellschaften bis zu einem Übertragungsakt auch Inhaber seiner Anteile bleibt, besitzt er weiterhin alle damit verbundenen Mitgliedschaftsrechte. Die Mitgliedschaft und mit ihr alle darin wurzelnden Rechte enden erst, wenn der Anteil eingezogen oder an die Gesellschaft (bzw. an Dritte, etwa andere Gesellschafter) abgetreten wird.1938 Dies kann insbesondere dann Probleme aufwerfen, wenn über die Abfindungshöhe keine Einigung erzielt wird und daher im Klagewege nach einer Lösung ge___________ 1934
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1936 1937
1938
Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 42; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 75; oben wurde schon darauf hingewiesen, dass die Begründung eines im Gesellschaftsinteresse liegenden Ausschlusses der Abtretungsmöglichkeit einen wichtigen Grund darstellt. So auch OLG Karlsruhe BB 1984, 2016. So auch Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 55; a. A. Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 115. Zum älteren Meinungsstand Timm, JZ 1980, 665, 670. Zu dessen Vollzug vgl. unter § 9 B. III. 2. Ganz h. M., RGZ 128, 17; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1065; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 24; Rowedder/ Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 75; Schacht, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 13, Rn. 116. BGHZ 88, 320, 324 f.; OLG Celle GmbHR 1983, 273, 274; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 93; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 34, Rn. 75; Schacht, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 13, Rn. 117; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 62.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
sucht wird.1939 Wie schon beim Ausschluss des Gesellschafters stellt sich auch hier die Frage, ob der Gesellschafter in dieser Interimsphase berechtigt sein soll, alle aus der Mitgliedschaft resultierenden Rechte auszuüben, oder im Interesse der Gesellschaft und Mitgesellschafter gewissen Einschränkungen unterliegen muss. An einer Vergleichbarkeit der Interessenlagen fehlt es jedoch, da sich die Ausgangslage gravierend unterscheidet: Während der Gesellschafter beim gesellschaftsinitiierten Ausschluss gegen seinen Willen ausscheidet, geschieht dies bei seinem Austritt auf eigenen Wunsch. Die Gefahr kontraproduktiven Verhaltens ist daher im ersten Fall ungleich höher als im zweiten.1940 Auch besteht das Interesse des Gesellschafters, in der Gesellschafterversammlung sein Stimmrecht auszuüben, auch nach der Erklärung seines Austritts fort. Zwar wird er in aller Regel keinen Wert mehr darauf legen, sich in der Gesellschaft unternehmerisch zu betätigen. Er bleibt aber durch seinen Geschäftsanteil vermögensrechtlich mit ihr verbunden und deshalb auch an Entscheidungen, die sich auf ihre wirtschaftliche Entwicklung auswirken können, mindestens so lange interessiert, bis er eine Abfindung erhalten hat.1941 Er ist daher auch in dieser Übergangsphase daran interessiert, Nachteilen für seine vermögensrechtliche Stellung durch sein Stimmverhalten in der Gesellschafterversammlung entgegenzuwirken. Hinzu kommt, dass eine Kündigung den Gesellschafter noch nicht von seinen Zweckförderungspflichten entbindet.1942 Ein vollständiger Ausschluss seines Stimmrechts muss daher ausscheiden. Zugleich verbleibt ein potentielles Risiko für die Gesellschaft, die durch das Abstimmungsverhalten eines am weiteren Schicksal des betriebenen Unternehmens nur noch leidlich interessierten Gesellschafters beeinträchtigt werden kann. Die Rechtsprechung verpflichtet den Gesellschafter daher in besonderem Maße zur Zurückhaltung und verbietet ihm mit Hinblick auf seine bis zum tatsächlichen Ausscheiden fortbestehende Treuepflicht, ohne triftigen Grund gegen eine von den anderen Gesellschaftern vorgeschlagene und sachlich vertretbare Maßnahme zu stimmen, die seine Vermögensinteressen weder unmittelbar noch mittelbar in irgendeiner Weise beeinträchtigen kann.1943 Dem stimmt die Literatur ganz überwiegend zu.1944 ___________ 1939 1940
1941 1942
1943 1944
Vgl. dazu BGHZ 88, 320, 325 ff. Der BGH bezeichnet denn auch den vorläufigen Fortbestand der Mitgliedschaftsrechte im Falle einer Kündigung für die Gesellschaft als „im Allgemeinen erträglicher“ als bei einem Gesellschafter, der aus wichtigem Grund ausgeschlossen wird, NJW 1984, 489, 491. So wörtlich BGH NJW 1984, 489, 490. Siehe zu den Pflichten des GmbH-Gesellschafters BGH NJW 1984, 489, 490. Danach haftet dieser bis zu seinem Ausscheiden für Einzahlungen auf seine Stammeinlage, auch soweit sie erst nach der Kündigung gem. § 46 Nr. 2 GmbHG fällig geworden sind, und muss für einen Fehlbetrag aufkommen, der sich ergibt, wenn ein anderer Gesellschafter wegen verzögerter Einzahlung der Stammeinlage mit seinem Geschäftsanteil ausgeschlossen worden ist und die Einlage weder von dem Zahlungspflichtigen eingezogen noch durch Verkauf des Anteils gedeckt werden kann, §§ 21, 24 GmbHG. Auch ist er unter den Voraussetzungen des § 31 III GmbHG den Rückforderungsansprüchen der Gesellschaft für gegen § 30 GmbHG verstoßende Ausschüttungen an andere Gesellschafter ausgesetzt. BGH NJW 1984, 489, 491. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 93 f.; Scholz/Winter, GmbHG, Band I, 10. Aufl. 2007, § 34, Rn. 43 f.: nur Einschränkungen beim
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
491
Diesen Bedenken und Grundsätzen der Rechtsprechung wird durch den hier vertretenen generellen Ansatz entsprochen, wonach das Stimmrecht ohnehin nicht rein eigennützig, sondern stets nur unter Beachtung des Gesellschaftsinteresses und der berechtigten Belange der Mitgesellschafter ausgeübt werden darf. Zu den hierbei allgemein geltenden Grundsätzen tritt die Besonderheit hinzu, dass Eigeninteressen nur noch insoweit verfolgt werden dürfen, wie der Beschlussgegenstand Auswirkungen auf den Abfindungsanspruch und daher die Vermögensinteressen des ausscheidenden Gesellschafters besitzen kann. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, wie weit die Einigung zwischen ihm und der Gesellschaft bzw. den Mitgesellschaftern über seine Abfindung gediehen sind. Ist eine einverständliche Regelung fraglich, gelten keine Einschränkungen gegenüber den allgemeinen Grundsätzen, die den Schutz der Gesellschaft und der Mitgesellschafter ohnehin zu wahren vermögen.1945
5. Abfindungsregelungen a) Abfindung zum Verkehrswert Der Austritt des Gesellschafters soll zu einer vollwertigen Abfindung des Gesellschafters führen. Als Folge seines Austritts erwächst dem Gesellschafter daher ein Abfindungsanspruch in Höhe des Verkehrswerts seiner Beteiligung, der als elementares Institut des Minderheits- und Anlegerschutzes bewertet wird1946 und einen Grundbestandteil der Mitgliedschaft darstellt.1947 Für dessen Bemessung gelten die allgemeinen Abfindungsgrundsätze. Daher ist, ausgehend von der werbenden Gesellschaft und unter Berücksichtigung des good will und der stillen Reserven, der Verkehrswert anzusetzen. Dieser entspricht dem Preis, der bei einer Veräußerung der Beteiligung an einen Dritten zu erzielen wäre.1948 Zu den Abweichungen von diesen Grundsätzen kann auf die Ausführun___________
1945
1946 1947
1948
Abstimmungsverhalten aus der Treuepflicht; so auch Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 63; Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 118; a. A. (vollständiger oder teilweiser Stimmrechtsausschluss) Esch, GmbHR 1981, 25, 27 f.; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Band I, 8. Aufl. 1992, Anh. § 34, Rn. 51 f. Auch der BGH weist darauf hin, dass das Stadium der Verhandlungen über den Abfindungsanspruch für die Ausübung des Stimmrechts und die Beschränkungen durch die Treuepflicht von Bedeutung sein können, NJW 1984, 489, 491. Wiedemann, ZGR 1978, 477, 484. Für die GmbH Mäusl, Der Austritt eines GmbH-Gesellschafters auf schadensrechtlicher Grundlage, 2001, S. 92; allgemein für die Kapitalgesellschaften Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 73–76. Ganz h. M., BGHZ 17, 130, 136; für den Ausschluss, wegen der verallgemeinerungsfähigen Begründung aber auch für den Austritt richtungsweisend BGHZ 116, 359, 370 f.; BGHZ 144, 365, 369; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 312; für die GmbH Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 119 f.; Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 6, Rn. 58; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 60.
492
§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
gen zum Ausschluss unter § 9 A. II. 5. verwiesen werden. Statutarische Bestimmungen, mit denen die Abfindungshöhe unter den Verkehrswert abgesenkt werden soll, sind nur innerhalb enger Grenzen und unter hohen Voraussetzungen zulässig. Maßstab ist, ob das Recht zum Austritt aus wichtigem Grund durch die Abfindungsregelung so unattraktiv wird, dass der Gesellschafter vernünftigerweise nicht darauf zurückgreifen wird. Solche Wirkungen herbeiführende Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag sind wegen Verstoßes gegen den in § 723 III BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken unzulässig.1949 b) Entstehung des Abfindungsanspruchs Problematisch ist, zu welchem Zeitpunkt der Abfindungsanspruch entsteht. Hierzu wird einerseits vertreten, er entstehe mit Zugang der Kündigungserklärung,1950 andererseits, er entstehe erst bei Verlust der Mitgliedschaft durch den Gesellschafter.1951 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gesellschaft regelmäßig kein Interesse am Ausscheiden des Gesellschafters besitzt und daher den Übergang seines Anteils (im Wege der Einziehung oder einer Abtretungsvereinbarung) nicht beschleunigen wird. Soll der Abfindungsanspruch daher erst entstehen, wenn die Mitgliedschaft auf die Gesellschaft übergeht, ist der Gesellschafter von deren Mitwirkung abhängig. Das aber wird dem bereits betonten hohen Stellenwert, den der Abfindungsanspruch einnimmt, nicht gerecht. Auch ist es rechtskonstruktiv stimmiger, die Austrittserklärung des Gesellschafters als rechtsgestaltende Willenserklärung zu verstehen, mit deren Zugang die mitgliedschaftliche Rechtsbeziehung von Gesellschaft und Gesellschafter umgestaltet wird und ein Rückgewährschuldverhältnis entsteht, der Gesellschafter von diesem Zeitpunkt an also die Übertragung des Anteils auf die Gesellschaft schuldet und im Gegenzuge einen Anspruch auf angemessene Abfindung erhält. Diese Konstruktion kommt der Gesetzeslage zu den Abfindungsansprüchen infolge Austritts nach § 29 UmwG und § 305 AktG nahe. Im Umwandlungsrecht muss das Barabfindungsangebot nach § 29 I 1 UmwG im Verschmelzungsvertrag bzw. in dessen Entwurf enthalten sein. Nimmt der Gesellschafter (durch Widerspruch gegen die Verschmelzung und Stimmabgabe gegen den Verschmelzungsvertrag) dieses Angebot an, kommt ein schuldrechtlicher Vertrag zustande, aus dem einerseits der übernehmende Rechtsträger zur Zahlung der Barabfindung verpflichtet wird und andererseits der Gesellschafter die Abtretung seiner Anteile oder die Erklärung seines Austritts aus der Gesellschaft schuldet.1952 Im Konzern___________ 1949
1950 1951 1952
Für die Personengesellschaften BGH ZIP 1993, 1160, 1161; BGH ZIP 1989, 768; BGH WM 1984, 1506; BGH WM 1979, 1064, 1065; für die GmbH BGHZ 116, 359, 368 f.; Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 6, Rn. 64 f.; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 67; im Grundsatz auch Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 140. Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 60. Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 118 f. Dazu im Einzelnen Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29, Rn. 22.
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
493
recht wird der Abfindungsanspruch schon dadurch begründet, dass der Aktionär das Barabfindungsangebot der Gesellschaft annimmt.1953 Durch diese Konstruktion lassen sich auch die schon unter 4. ausgeführten Einschränkungen erklären, die der Gesellschafter bei Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte, insbesondere seines Stimmrechts, beachten muss. Zugleich ist gewährleistet, dass der Gesellschafter den Abfindungsanspruch selbständig gerichtlich durchzusetzen vermag, wobei die Gesellschaft bei Konflikten mit dem Kapitalerhaltungsgrundsatz (dazu sogleich unter c) rechtliche Unmöglichkeit nach § 275 BGB einwenden kann. c) Abfindungsanspruch und Grundsatz der Kapitalerhaltung Der Abfindungsanspruch des Gesellschafters richtet sich gegen die Gesellschaft und führt daher bei dieser zu einem Kapitalabfluss. Daher sind die Kapitalerhaltungsgrundsätze zu beachten. Deren minderheitsschützende Komponente1954 kann dabei unberücksichtigt bleiben, da die der Gesellschaft und den übrigen Gesellschaftern drohenden Nachteile durch den mit dem Austritt verbundenen Kapitalabzug bereits bei der Entscheidung über die Berechtigung des Gesellschafters zum Austritt berücksichtigt wurden. Der Abfindungsanspruch tritt vielmehr mit der bislang unberücksichtigten Komponente der Kapitalerhaltungsgrundsätze, dem Gläubigerschutz, in Konflikt. So erklärt sich, dass ein Konflikt nur in den Kapitalgesellschaften auftreten kann. aa) Der Kapitalerhaltungsgrundsatz in der GmbH In der GmbH findet bei einem Austritt aus wichtigem Grund ein Kapitalabfluss wie bei einem Ausschluss aus wichtigem Grund statt. Daher stellen sich dieselben Fragen zur Vereinbarkeit mit dem Kapitalerhaltungsgrundsatz,1955 so dass die schon unter § 9 B. IV. erläuterten Grundsätze entsprechend gelten. Danach gilt selbstredend, dass die Abfindung nicht zu einem Verstoß gegen §§ 30 I, 33 II GmbHG führen darf. Wegen seiner weiterhin bestehenden Verpflichtung auf die Zweckerreichungsabrede und die Gesellschaftsinteressen muss sich der Gesellschafter auf eine (im Einzelfall zumutbare) Stundung oder Ratenzahlung oder die Übernahme seines Anteils durch andere Gesellschafter verweisen lassen, wenn die Gesellschaft den (vollen) Beitrag nicht ohne Gefährdung der Zweckerreichung oder sonstiger gewichtiger Interessen aufzubringen vermag.1956 Erst in letzter Konsequenz, wenn andere zumutbare Gestaltungen ausscheiden, kommt in Betracht, dass der Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft betrei___________ 1953 1954
1955 1956
Siehe etwa Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 29. Zur doppelten Schutzrichtung der Kapitalerhaltungsgrundsätze, die in allen Rechtsformen neben dem Gläubiger- auch den Minderheitsschutz bezwecken, grundlegend Bitter, ZHR 168 (2004), 302, 303–307. Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 56. Vgl. Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 125.
494
§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
ben darf, dann jedoch unabhängig davon, ob er über die dafür eigentlich erforderliche Mehrheit von 10% des Stammkapitals im Sinne des § 61 II 2 GmbHG verfügt.1957 Vielmehr stellt die Situation, wonach der zum Austritt berechtigte Gesellschafter seine Abfindung aufgrund der entgegenstehenden Kapitalerhaltungsgrundsätze nicht einfordern und daher nur im Wege einer Liquidation Befriedigung erlangen kann, den nach § 61 I GmbHG erforderlichen wichtigen Grund dar.1958 Wegen des damit verbundenen erheblichen Eingriffs in die Mitgliedschaft der Mitgesellschafter bedarf es jedoch einer erneuten Interessenabwägung.1959 Nunmehr muss sich die Unzumutbarkeit eines Verbleibs des Gesellschafters nicht nur gegen die Interessen der Mitgesellschafter daran, einen Kapitalabfluss zu vermeiden, sondern auch daran, die Gesellschaft fortzuführen, durchsetzen. Entscheidend ist dabei zu berücksichtigen, welchen Beitrag diese geleistet haben, um einen Verbleib in der Gesellschaft zumutbar zu machen oder eine akzeptable Abfindungslösung zu erzielen. Für den ausscheidenden Gesellschafter unzumutbar und daher irrelevant ist die Gestaltung, ihn auf eine bevorzugte Befriedigung bei zukünftigen Gewinnausschüttungen zu verweisen.1960 Eine solche Lösung würde den Abfindungsanspruch entwerten, indem das unternehmerische Risiko dem ausscheidenden Gesellschafter aufgebürdet würde. bb) Das Verbot der Einlagenrückgewähr in der Aktiengesellschaft Das Aktienrecht unterliegt den strengsten Kapitalerhaltungsgrundsätzen. Eine Abfindung ist nur zulässig, wenn das gebundene Kapital nicht angetastet wird. Zugleich verbietet § 57 I AktG eine Einlagenrückgewähr und bestimmt hiervon nur wenige Ausnahmen. Während in den Fällen des Ausschlusses aus wichtigem Grund die auf Art. 19 II der Zweiten Richtlinie1961 zurückgehende Ausnahme des § 71 I Nr. 1 AktG eingreifen kann, bezieht sich keine der Ausnahmevorschriften ausdrücklich auf den Austritt aus wichtigem Grund. Zugleich gibt Nr. 3 zu erkennen, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer Einlagenrückgewähr an Aktionäre, denen ein Verbleib in der Aktiengesellschaft wegen der veränderten Umstände nicht zumutbar ist, erkannt und in solchen Fällen eine Einlagenrückgewähr für zulässig erklärt ___________ 1957
1958 1959 1960 1961
Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34, Rn. 25; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34, Rn. 75; Schacht, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 13, Rn. 117; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, Anh. § 34, Rn. 56; Scholz, Ausschließung und Austritt aus der GmbH, 2. Aufl. 1947, S. 38 f. Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 122. Scholz, Ausschließung und Austritt aus der GmbH, 2. Aufl. 1947, S. 31 und 39; ders., GmbHR 1955, 36, 40. So Wolany, Rechte und Pflichten des Gesellschafters einer GmbH, 1964, S. 101 f. Zweite Gesellschaftsrechtliche Richtlinie 77/91/EWG, ABl. EG 1976 L 26/1. Zu dieser noch unter § 15. Zu Art. 19 der Richtlinie näher Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, Rn. 348.
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
495
hat.1962 Die in Nr. 3 genannten Abfindungsansprüche aus dem Konzern- und Umwandlungsrecht nach §§ 305 II AktG, 29 I, 125 S. 1 UmwG beruhen auf dem gleichen Rechtsgedanken wie der Austritt aus wichtigem Grund: Da die Strukturmaßnahmen zu einer Situation geführt haben, in der ein weiterer Verbleib für den betroffenen Gesellschafter unzumutbar ist, muss ihm der Austritt unter angemessener Abfindung angeboten werden.1963 Hierfür darf die Aktiengesellschaft auch die Einlage zurückgewähren. Vor allem wird dieses Ergebnis auch durch den europäischen Hintergrund der Regelung unterstützt: Nach Art. 20 I lit. d der Zweiten Richtlinie gilt eine Ausnahme vom Verbot der Einlagenrückgewähr, wenn Aktien aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung zum Schutz der Minderheitsaktionäre erworben werden. In den (seltenen) Fällen, in denen die Voraussetzungen für einen Austritt des Aktionärs aus wichtigem Grund vorliegen, kann eine Übernahme der Aktien durch die Aktiengesellschaft daher auf § 71 I Nr. 3 AktG analog gestützt werden, sofern hierfür freies Kapital zur Verfügung steht. Im Übrigen gilt das soeben zur GmbH Gesagte entsprechend. cc) Der Aktionär in der Stellung eines Drittgläubigers bei kapitalmarktrechtlich veranlasster Rückabwicklung Die hybride Stellung eines Aktionärs in einer börsennotierten Aktiengesellschaft wirft Probleme besonderer Art auf. Der Aktionär ist einerseits vollwertiger Gesellschafter der Aktiengesellschaft und als solcher im Laufe seiner Gesellschafterstellung auch zu behandeln.1964 Andererseits ist er als Kapitalanleger zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung gläubigerähnlicher Investor. Vorgänge, die diesen Zeitpunkt betreffen, berühren ihn daher in einer Doppelstellung. Wird er durch Falschinformationen zur Anlage bewogen, stehen ihm Schadensersatzansprüche zu, die nach h. M. auf Rückabwicklung des Aktienerwerbs gerichtet sein können und daher einen Sonderfall des Aktionärsaustritts darstellen.1965 ___________ 1962
1963
1964 1965
Siehe im Einzelnen zur Regelung des § 71 I Nr. 3 AktG Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 71, Rn. 14; Merkt, in: Großkomm.-AktG, Stand 2007, § 71, Rn. 201–203; Oechsler, in: MünchKomm.-AktG, Band 2, 2. Aufl. 2003, § 71, Rn. 133–135. Näher hierzu unter C. Die Analogiefähigkeit des § 71 I Nr. 3 AktG wird für den Abfindungsanspruch beim Delisting diskutiert. Sie wird dort teilweise bejaht, siehe Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 476; Schlitt, ZIP 2004, 533, 537, teilweise mit dem Hinweis darauf, dass die Kapitalerhaltungsvorschriften dem Gläubigerschutz dienen und daher eng auszulegen sind, verneint, siehe Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting). Vgl. auch Lutter, FS Wiedemann, 2002, S. 1097, 1106 ff. Dazu und zu den Modifikationen bei der Rechtfertigungsintensität beeinträchtigender Maßnahmen unter § 4 B. I. 2. Str., aber h. M. Zu den Einzelheiten der Rückabwicklung etwa BGH BB 2005, 1644, 1645 (EM.TV); OLG Frankfurt, BB 2005, 1648, 1650 f. (Comroad I); OLG München ZIP 2005, 901 (Comroad II); Mülbert/Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 5. Aufl. 2009, §§ 37 b, 37 c, Rn. 126; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 9.391. Für die (gleich gelagerte Problematik der) Haftung des Vorstands nach § 826 BGB BGH ZIP 2004, 1593, 1597 (EM.TV); Fleischer, ZIP 2005, 1805, 1809. Beschränkend auf den Differenzschaden Langenbucher, ZIP 2005, 239, 240 f. Zum Meinungsstand Möllers, BB 2005, 1637, 1638.
496
§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
Grundlage hierfür sind im Wesentlichen §§ 37b, 37c WpHG i. V. m. § 15 WpHG bzw. § 823 II BGB i. V. m. § 400 I Nr. 1 AktG oder § 826 BGB wegen Verstößen gegen Informationspflichten und nach § 44 BörsG, § 13 VerkProspG i. V. m. § 44 BörsG, § 13a VerkProspG, 826 BGB wegen unrichtiger oder fehlender Prospektangaben. Es handelt sich um ein Problem an der Schnittstelle von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Der Anleger ist Käufer am Kapitalmarkt, wird durch den sich anschließenden Erwerbsvorgang jedoch zugleich Aktionär, wodurch das mitgliedschaftliche Element der Fragestellung begründet wird.1966 Eine Rückzahlung des Erwerbspreises führt zu einem Konflikt mit §§ 57, 71 AktG, wonach die Einlage an die Aktionäre nur in den Fällen, in denen ein Erwerb eigener Aktien ausnahmsweise zulässig ist, im Übrigen jedoch nur im Rahmen der förmlichen Verteilung des Bilanzgewinns zurückgewährt werden darf.1967 Die hieraus resultierende Frage nach dem Konkurrenzverhältnis der Vorschriften zueinander wird seit jeher kontrovers diskutiert und hat in jüngster Zeit an Brisanz gar noch gewonnen. Von der bis unlängst h. M. wurden die Erwerbsvorgänge danach unterschieden, ob es sich um einen originären oder derivativen Aktienerwerb handelte.1968 Bei einem derivativen Erwerb stehe die kapitalmarktrechtliche Komponente des Vorgangs im Vordergrund, da der zum Schadensersatz führende Umstand, etwa die Publikation eines fehlerhaften Prospektes oder eine falsche ad hoc-Mitteilung, zeitlich vor dem Erwerb der Gesellschafterstellung liege. Die Mitgliedschaft als Gesellschafter werde erst später eingegangen und stelle nur die Bedingung dar, um den Anspruch geltend machen zu können. Der Anspruch gegen die Gesellschaft beruhe daher weniger auf der durch die schädigende Handlung erst begründeten mitgliedschaftlichen Sonderrechtsbeziehung als Aktionär, sondern auf der Stellung des Investors als Drittgläubiger, die ihn wie einen außenstehenden Dritten betreffe.1969 Der Konflikt sei daher durch vorrangige Berücksichtigung der kapitalmarktrechtlichen Zielsetzungen aufzulösen.1970 Das Gesellschaftsvermögen werde nicht anders als bei sonstigen Schadensersatzforderungen außenstehender ___________ 1966
1967 1968
1969 1970
Daher weist Schwark, FS Raisch, 1995, S. 269, 275, zu Recht auch den Versuch einiger Stimmen zurück, den Vorgang gänzlich als Umsatzgeschäft zu qualifizieren und damit außerhalb des Gesellschaftsrechts anzusiedeln; so auch Henze, in: Großkomm.-AktG, Stand 2000, § 57, Rn. 19. Dazu Langenbucher, ZIP 2005, 239. An der Zweckmäßigkeit einer solchen Unterscheidung wegen der Praxis der Aktienemission, sämtliche Neuaktien von einem Kreditinstitut zeichnen und übernehmen zu lassen, schon im Grundsatz zweifelnd Gebauer, Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz in der Aktiengesellschaft, 1999, S. 162. BGH NJW 2005, 2450, 2452; Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, §§ 37 b, 37 c WpHG, Rn. 11 f. BGH NJW 2005, 2450, 2452 (EMTV): Der Erwerb eigener Aktien sei „lediglich Folge der Besonderheiten der kapitalmarktrechtlichen Naturalrestitution und als solcher von der ersatzpflichtigen Gesellschaft hinzunehmen.“ So i. E. auch RGZ 71, 97; RGZ 88, 271; OLG Frankfurt BB 2005, 1648, 1650; Schwark/Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 45 BörsG, Rn. 13; ders., FS Raisch, 1995, S. 269, 287 f.; Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, §§ 37 b, 37 c WpHG, Rn. 14.
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
497
Gläubiger in Anspruch genommen, so dass kein Anlass bestehe, die Gesellschaft wegen der aktienrechtlichen Kapitalbindungsgrundsätze von jeglicher Ersatzverpflichtung freizustellen oder auch nur die Haftung auf das so genannte freie Vermögen, den das Grundkapital und die gesetzlichen Rücklagen übersteigenden Betrag, zu beschränken.1971 Ebenso wenig stehe das Verbot des Erwerbs eigener Aktien nach § 71 AktG entgegen.1972 Anders soll die Rechtslage nach überkommener Ansicht jedoch sein, wenn der Aktionär seine Anteile originär durch Zeichnung oder Ausübung eines Bezugsrechts erwirbt. In diesen Fällen stehe die Mitgliedschaft stärker im Vordergrund, so dass es an der Vergleichbarkeit mit einem Gesellschaftsgläubiger fehle. Es gehe um einen Vorgang der Kapitalaufbringung, der daher streng nach deren Zielen zu lösen sei. Den Kapitalerhaltungsgrundsätzen sei der Vorrang einzuräumen, und es stehe nur das freie Vermögen der Aktiengesellschaft für Schadensersatzansprüche zur Verfügung.1973 In jüngster Zeit deutet sich in der Rechtsprechung jedoch eine Wende hin zur Gegenauffassung, die auch für den originären Erwerb einen Vorrang der kapitalmarktrechtlichen Haftung vor den Kapitalerhaltungsvorschriften befürwortet, an.1974 Die Frage wurde vom BGH bislang zwar offen gelassen, dabei aber darauf hingewiesen, dass die Äußerungen des Gesetzgebers auf einen Vorzug des Anlegerschutzes hinweisen. Auch sollen jedenfalls bei vorsätzlich sittenwidrigem oder strafbarem Handeln des Vorstands die Interessen der Anleger vorgehen.1975 Im Anschluss daran hat sich die für eine Gleichstellung von Primär- und Sekundär___________ 1971
1972
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1975
Für einen Zugriff auf das gebundene Kapital beim abgeleiteten Erwerb die h. M. RGZ 88, 187, 189; Schwark/Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 45 BörsG, Rn. 13; Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, §§ 37 b, 37 c WpHG, Rn. 14; Westermann, in: Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 2008, § 57, Rn. 20 a. So für die Prospekthaftung wörtlich BGH NJW 2005, 2450, 2452; im Grundsatz auch OLG Frankfurt, BB 2005, 1648, 1650 f.; OLG Frankfurt AG 2000, 132, 134; Henze , in: Großkomm.-AktG, Stand 2000, § 57 Rn. 20; Schwark/Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 45 BörsG, Rn. 13; kaum noch vertreten wird die Gegenansicht, wonach die Kapitalerhaltungsgrundsätze den kapitalmarktrechtlichen Ansprüchen vorgehen sollen, siehe aber Koppensteiner, in: KölnerKomm.-AktG, 2. Aufl. 1988, § 71 Rn. 69; Rieckers, BB 2002, 1213, 1220. RGZ 71, 97, 98 ff.; RGZ 88, 271, 272; OLG Frankfurt a.M. NZG 1999, 1072 = ZIP 1999, 1005, 1007 f.; OLG München, ZIP 2005, 901, 903; Henze, in: Großkomm.-AktG, Stand 2000, § 57, Rn. 22; ders., NZG 2005, 115, 117–121; Schwark/Schwark, KapitalmarktrechtsKommentar, 3. Aufl. 2004, § 45 BörsG, Rn. 13; Zöllner/Winter, ZHR 158 (1994), 59, 78. Offen gelassen, jedoch zur Gegenauffassung tendierend BGH NJW 2005, 2450, 2452; offen auch OLG Frankfurt, BB 2005, 1648, 1651. Zur Abgrenzung von originärem und abgeleitetem Erwerb ausführlich Schwark, FS Raisch, 1995, S. 269, 287. Allgemeine, über die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung hinausgehende Tendenz erkennbar in BGH NZG 2007, 269, 270 (Comroad); BGH NJW 2005, 2450, 2452 (EM.TV); offen gelassen von OLG Frankfurt BB 2005, 1648, 1651; OLG Frankfurt AG 2006, 584 (Comroad); OLG Frankfurt AG 2005, 401 (Comroad). Zur Gesetzesbegründung zum Sekundärmarkt BT-Drs. 12/7918, S. 105 und zum Primärmarkt BT-Drs. 13/8988, S. 78 (Begr.RegE).
498
§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
markthaftung und einen generellen Vorrang der Kapitalmarktinformationshaftung plädierende Literaturansicht zur wohl h. M. entwickelt.1976 Dem ist im Interesse an einem effektiven Vertrauensschutz des Anlegers durch die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften zuzustimmen. Um die von §§ 37 b, 37 c WpHG, 44 BörsG, 13, 13 a VerkProspG intendierte Redlichkeit des Kapitalmarktverkehrs zu gewährleisten, darf der Anspruch nicht von der Finanzsituation der Aktiengesellschaft abhängen, da der Anspruch ansonsten durch entsprechende Manipulationen entwertet und der Anleger gerade in den Konstellationen, die ihn besonders schutzwürdig erscheinen lassen, schutzlos gestellt wäre. Dies entspricht auch der europarechtlichen Vorgabe, wonach die Richtlinienziele effektiv im nationalen Recht um- und durchgesetzt werden müssen.1977 Der von §§ 57, 71 AktG intendierte Gläubigerschutz muss dahinter zurücktreten. Die ebenfalls europäischen Ursprünge stehen nicht entgegen. Dafür spricht einmal, dass die Effektivität der Vorgaben in der Prospekt-Richtlinie 2003/71/ EG1978 und der Marktmissbrauchs-Richtlinie 2003/6/EG1979 nicht gewährleistet wäre, wenn sie wegen der Kapitalerhaltungsgrundsätze beim originären Erwerb leer laufen würden.1980 Hinzu kommt, dass Art. 20 I lit. d der Zweiten Richtlinie1981 Ausnahmen von der Einlagenrückgewähr gestattet, wenn dadurch gesetzlichen Verpflichtungen zum Schutz der Minderheitsaktionäre nachgekommen wird. Zwar handelt es sich bei den aufgeführten Beispielen um Gestaltungen, in denen der Minderheitsgesellschafter als Verbandsmitglied betroffen ist. Es kann zugleich nicht davon ausgegangen werden, dass kapitalmarktrechtliche Situationen ausgenommen sein sollten, da der kapitalmarktrechtliche Schutz des Anlegers erst später zum Gegenstand der europäischen Rechtssetzung wurde. Außerdem passt der in Art. 20 I lit. d enthaltene Rechtsgedanke, die Kapitalerhaltungsgrundsätze nicht ___________ 1976
1977 1978
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Fleischer, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007, § 7, Rn. 58; ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 1. Band, 2008, § 57, Rn. 39 f.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 57, Rn. 3; Langenbucher, ZIP 2005, 239, 244; Lenenbach, Kapitalmarktund Börsenrecht, 2002, Rn. 8.112; Westermann, in: Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 2008, § 57, Rn. 20 a; Baumbach/Hopt, 34. Aufl. 2010, § 44 BörsG, Rn. 5; Baums, ZHR 167 (2003), 139, 167; Hopt/Voigt, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 62–65; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 9.391. Zu §§ 37 b, 37 c WpHG ebenso Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, §§ 37 b, 37 c WpHG, Rn. 11–13. Zur Vereinbarkeit dieser Ansicht mit den europarechtlichen Vorgaben Möllers, BB 2005, 1637, 1641 f. Zum effet utile im Zusammenhang mit der Prospekthaftung des Emittenten Heinze, in: Riesenhuber, Perspektiven des Europäischen Schuldvertragsrechts, 2008, S. 161, 178 f. Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG L 345/64. Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. 1. 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen (Marktmissbrauch), ABl. EG 2003 L 96/16. Dazu, bezogen auf die Prospekthaftung, die Darstellung von Heinze, in: Riesenhuber, Perspektiven des europäischen Vertragsrechts, 2008, S. 161, 164–169. Zweite Gesellschaftsrechtliche Richtlinie 77/91/EWG, ABl. EG 1976 L 26/1.
B. Das Austrittsrecht des Gesellschafters
499
als Mittel zur Versagung eines wirkungsvollen Minderheitsschutzes zu instrumentalisieren, auch auf die Situation eines Minderheitsaktionärs in der Situation eines geschädigten Kapitalanlegers. Hinzu kommt, dass die minderheitsschützende Komponente der Kapitalerhaltungsvorschriften nicht entgegen steht. Zwar wirkt sich der Kapitalabfluss auch zulasten der verbleibenden Minderheitsgesellschafter aus. Da der Anleger jedoch Opfer einer außerhalb des Verbandslebens stehenden Schädigung wurde, verschafft er sich durch den Kapitalabzug keinen Vorteil zulasten der verbleibenden Kleinaktionäre, sondern stellt nur den status quo vor seinem Beitritt her. Diese Gründe sprechen auch gegen eine Begrenzung auf das freie Kapital. Vor allem aber überzeugt der Hinweis auf die Gemeinsamkeiten des abgeleiteten und originären Erwerbs unter dem Gesichtspunkt der Schutzwürdigkeit des Anlegers. Die Gemeinsamkeiten eines Erwerbs am Primär- und Sekundärmarkt bestechen, da in beiden Fällen der Erwerb der Mitgliedschaft das schädigende Ereignis darstellt, die Schädigung der Gesellschaft zuzurechnen ist und der Anleger seine Beteiligung rückgängig machen möchte. Der Unterschied, die Art des Erwerbs, ist aus Sicht des Anlegers zufälliger Art und vermag eine Ungleichbehandlung nicht zu begründen.1982 Auch spricht dafür, dass die Ziele der Kapitalmarktregeln so effizienter umgesetzt werden können. Ein umfassender Schutz der Anleger durch die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften ist bedeutend für ein hohes Vertrauen der Anleger in den Markt und daher für deren Bereitschaft zur Investition.1983 Auch gilt für Erwerbe am Primär- und Sekundärmarkt, dass eine Begrenzung von Rückgewähransprüchen auf das freie Kapital falsche Anreize für die Organe der Aktiengesellschaft schafft, indem die Gewinnerwirtschaftung uninteressant und eine Minimierung des ausgewiesenen Gewinns durch entsprechende Ausübung des Bewertungsermessens vorteilhaft erscheinen muss. Bei kapitalschwachen Gesellschaften kommt es zudem zu einem Wettlauf der Anspruchsinhaber („Windhunderennen“).1984 Nur am Rande sei angemerkt, dass die Funktion der Kapitalerhaltungsvorschriften als effektive Gläubigerschutzvorschriften zunehmend angezweifelt wird und diese daher auf dem Prüfstand stehen.1985 ___________ 1982 1983 1984
1985
So ausdrücklich bereits Schwark, FS Raisch, 1995, S. 269, 275. Möllers, BB 2005, 1637, 1640; Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, §§ 37 b, 37 c WpHG, Rn. 13. Zu alledem Hopt/Voigt, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 62–65. Dort auch zu dem Vorschlag, Prospekthaftungsansprüche im Insolvenzverfahren mit einem Nachrang gem. § 39 I InsO auszustatten. Nochmals Hopt/Voigt, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 62–65; Schwark, FS Raisch, 1995, S. 269, 284. Zu etlichen weiteren Argumenten Möllers, BB 2005, 1637, 1639–1641. In der Insolvenz der Gesellschaft gilt de lege lata nichts anderes, siehe dazu Baums, ZHR 167 (2003), 139, 167 f.; Fleischer, ZIP 2005, 1805, 1811; ders., in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl. 2007, § 7, Rn. 58; ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 57, Rn. 40; a. A. Langenbucher, ZIP 2005, 239, 244. Siehe dort auch zu der Frage, ob in Anlehnung an die Rechtslage in den USA in 11 U. S.C § 510(b) de lege ferenda ein Nachrang angeordnet werden sollte, siehe be-
500
§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
III. Zusammenfassung 1. Die Austrittsrechte des Gesellschafters können nach solchen ordentlicher und außerordentlicher Natur unterschieden werden. Im Personengesellschaftsrecht steht jedem Gesellschafter ein ordentliches Austrittsrecht zu, das nicht gänzlich ausgeschlossen, wohl aber begrenzt werden darf. Klauseln, die das Austrittsrecht beschränken, müssen am Maßstab des § 723 III BGB gemessen werden und einerseits die Folgen, die vor allem den persönlich haftenden Gesellschaftern bei Beschneidung ihres Austrittsrechts drohen, andererseits die Konsequenzen, die für die Gesellschaft mit dem Abzug des investierten Kapitals verbunden sind, berücksichtigen. Vorzugswürdig ist entgegen h. M. erneut eine Doppelprüfung, die sich auf erster Stufe daran orientiert, ob die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages abstrakt dazu geeignet sind, das Kündigungsrecht in zulässiger Weise zu beschränken, weil Konstellationen vorstellbar sind, in denen gewichtige Gründe im Interesse der Gesellschaft gegen einen Austritt des Gesellschafters sprechen können. Auf zweiter Stufe ist der Beschluss, mit dem über den konkreten Austrittswunsch entschieden wird, einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle zu unterziehen. Der ausscheidende Gesellschafter besitzt einen Anspruch auf Abfindung zum Verkehrswert. Dabei gilt wiederum, dass dieser im Interesse an einer effektiven Fortsetzung des Gesellschaftszwecks beschränkt werden darf. 2. Die breite Ablehnung gegenüber einem ordentlichen Austrittsrecht in der GmbH verdient Zustimmung. Die hier vertretenen Grenzen bei Einschränkungen der Veräußerlichkeit von GmbH-Anteilen garantieren, dass der Grundsatz der Löslichkeit nicht über Gebühr eingeschränkt werden kann. Hingegen kann ein solches durch Satzungsbestimmungen begründet werden. Da der Gesellschafter hierdurch eine Austrittsoption erhält, die ihm nicht schon kraft Gesetzes zusteht, ist die Gesellschaft bei dessen Ausgestaltung frei. Bislang wenig durchdrungen ist der ordentliche Austritt mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Wegen der beträchtlichen Nachteile für die Kapitalausstattung der Gesellschaft und des damit verbundenen mittelbaren Eingriffs in die Mitgliedschaft der verbleibenden Gesellschafter bedarf es eines einstimmigen Beschlusses aller verbleibenden Gesellschafter. 3. Das Recht zum Austritt aus wichtigem Grund stellt ein Grundprinzip des Verbandsrechts und unverzichtbares Mitgliedschaftsrecht dar. Das gilt in allen Gesellschaftsformen und daher auch in der Aktiengesellschaft, für die es bislang wenig diskutiert wurde. Es handelt sich um die gesellschaftsrechtliche Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes, dass Dauerschuldverhältnisse wegen veränderter Umstände beendet werden können. Es setzt voraus, dass der Gesellschafter durch besondere Umstände derart beeinträchtigt ist, dass ihm ein Verbleib in der Gesell___________ fürwortend Baums und Fleischer, a. a. O., und zweifelnd Zimmer, WM 2004, 11 f. Näher zur Rechtslage in den USA die Urteile In re Telegroup, Inc., 281 F.3 d 133 (3rd Cir. 2001); In re Sterling Homex Corp., 579 F. 2 d 206 (2nd Cir. 1978), sowie der bedeutende Beitrag von Slain/Kripke, 48 N. Y.U.L.Rev. 261 (1973), auf den die Gesetzgebung zurückgeht.
C. Typisierte Austrittsrechte im Umwandlungs-, Konzern- und Übernahmerecht
501
schaft unzumutbar ist, was im Wege einer Abwägung der relevanten Gesichtspunkte festzustellen ist. Zu beachten ist, dass dem Gesellschafter niemals sein allgemeines Investitionsrisiko abgenommen und er vor den Folgen einer Fehlspekulation bewahrt werden soll. Vollzieht sich der Austritt in mehreren Akten, bleibt das Stimmrecht des Gesellschafters erhalten. Der Gesellschafter unterliegt bei ihrer Ausübung den allgemeinen Pflichtbindungen, die sich insoweit noch verstärken, als er Eigeninteressen nur noch in dem für ihn relevanten Vermögensangelegenheiten der Gesellschaft verfolgen darf. Der Abfindungsanspruch entsteht mit der Austrittserklärung des Gesellschafters. Diese ist als rechtsgestaltende Willenserklärung zu verstehen, mit deren Zugang die mitgliedschaftliche Rechtsbeziehung von Gesellschaft und Gesellschafter umgestaltet wird und ein Rückgewährschuldverhältnis entsteht. 4. Die Abfindung des Gesellschafters muss mit den Kapitalerhaltungsgrundsätzen vereinbar sein. Während in der GmbH mit nur leichter Wertungsverschiebung die schon zum Ausschluss dargestellten Grundsätze gelten, bedarf die Einlagenrückgewähr in der Aktiengesellschaft wegen der strengen Regelung in § 57 AktG besonderer Begründung. Nach hier vertretener Auffassung ist der Rechtsgedanke von § 71 I Nr. 3 AktG einschlägig, wenn die Einlage bei Austritt aus wichtigem Grund an den Aktionär zurückgezahlt wird. Im Konflikt von kapitalmarktrechtlicher Rückabwicklung und gesellschaftsrechtlicher Kapitalerhaltung kommt dem kapitalmarktrechtlichen Ziel, Vertrauen der Anleger in den Markt zu garantieren, Vorrang zu. Die traditionelle Unterscheidung nach Erwerben am Primär- und Sekundärmarkt ist abzulehnen, so dass aktienrechtliche Gründe einer Rückgewähr der Einlage nicht entgegenstehen. C. Typisierte Austrittsrechte im Umwandlungs-, Konzern- und Übernahmerecht
C. Typisierte Austrittsrechte im Umwandlungs-, Konzern- und Übernahmerecht Neben den unter B. diskutierten ordentlichen und außerordentlichen Austrittsrechten existieren typisierte Austrittsrechte für Situationen, die der Gesetzgeber als derart nachteilig bewertet, dass er dem Minderheitsgesellschafter ein standardisiertes Austrittsrecht eingeräumt hat. Hiervon sind Strukturmaßnahmen im Umwandlungs-, Konzern- und Übernahmerecht betroffen. Ein wesentlicher Unterschied dieser Austrittsrechte gegenüber dem Austritt aus wichtigem Grund besteht darin, dass nur die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen vorliegen müssen, um das Austrittsrecht auszulösen. Die auslösende Maßnahme muss daher nur wirksam, nicht hingegen zwingend rechtmäßig sein. Sofern der Gesellschafter es vorzieht, auszuscheiden statt die rechtswidrige Maßnahme anzufechten, ist er hieran nicht gehindert.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
I. Die Austrittsrechte im Umwandlungsrecht 1. Die Austrittstatbestände und ihre Voraussetzungen Bei der Verschmelzung einer Gesellschaft auf einen Rechtsträger anderer Rechtsform muss der übernehmende Rechtsträger den widersprechenden Gesellschaftern1986 der übertragenden Gesellschaft nach § 29 I 1 UmwG den Erwerb ihrer Anteile gegen angemessene Barabfindung anbieten. Gleiches gilt nach § 29 I 2 UmwG bei einer Verschmelzung auf einen Rechtsträger gleicher Rechtsform, wenn die Anteile an dem übertragenden Rechtsträger durch Anteile an dem übernehmenden ersetzt werden und letztere aufgrund Gesetz oder gesellschaftsvertraglicher Bestimmung Verfügungsbeschränkungen unterworfen sind. Diese Grundsätze gelten auch bei der Aufspaltung, §§ 123 I, 125 S. 1, 29 UmwG, der Abspaltung, §§ 123 II, 125 S. 1, 29 UmwG und der Vermögensübertragung, §§ 176 I, 177 I UmwG. Auch bei einem Wechsel der Rechtsform ist den widersprechenden Gesellschaftern nach § 207 I UmwG der Erwerb ihrer Anteile gegen entsprechende Barabfindung anzubieten, soweit der Schutz der Minderheit nicht schon nach § 233 I UmwG durch das Erfordernis eines einstimmigen Beschlusses gewahrt wird. Das ist bei der Umwandlung in eine BGB-Gesellschaft, OHG oder Partnerschaftsgesellschaft der Fall.1987 Hinter diesen Austrittsrechten stehen unterschiedliche Gründe. Der Gesetzgeber bewertet die mit einem Rechtsformwechsel der Gesellschaft verbundene Veränderung der Mitgliedschaft als so wesentlich, dass ein Austritt des Gesellschafters ohne weitere Prüfung ermöglicht wird. Dem liegt zugrunde, dass die mit dem ursprünglichen Beitritt verfolgte Intention des Gesellschafters durch den Rechtsformwechsel gefährdet oder unmöglich wird.1988 Bei § 29 I 2 UmwG stellt hingegen die mit der Verfügungsbeschränkung verbundene Verschlechterung der Mitgliedschaft den Grund für das Austrittsrecht dar.1989 Hiervon werden alle oben dargestellten Verfügungsbeschränkungen erfasst, in der Aktiengesellschaft also ___________ 1986
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Voraussetzung ist, dass der Gesellschafter gegen die Verschmelzung stimmt und zugleich zum Ausdruck bringt, dass er nicht Gesellschafter des neuen Rechtsträgers werden möchte, Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29, Rn. 11–13; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006, Rn. 6.157. Wichtige Ausnahmen von der Stimmabgabe gegen die Verschmelzung sind der Fall, dass der Gesellschafter kein Stimmrecht besitzt, sowie, dass der Gesellschafter aufgrund der ihm obliegenden Treuepflicht gehalten ist, für die Verschmelzung zu stimmen. Umso wichtiger ist es, dass der Wille, dem neuen Rechtsträger nicht angehören zu wollen, zum Ausdruck kommt, dazu Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 10 f. und zur Entbehrlichkeit des Widerspruchs bei Umständen, die in die Rechtssphäre des Rechtsträgers fallen Rn. 13–16. Hierzu auch noch unter § 12. Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29, Rn. 2; Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 2; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29, Rn. 2; zur Gesetzesbegründung BT-Drs. 13/8808, S. 11. Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29, Rn. 8; Karrer, Die Angemessenheit der Leistung im Konzern-, Übernahme- und Ausschlussrecht, 2002, S. 35.
C. Typisierte Austrittsrechte im Umwandlungs-, Konzern- und Übernahmerecht
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die Vinkulierung der Aktien und in der GmbH alle dinglich wirkenden Verfügungsbeschränkungen im Sinne des § 15 V GmbHG.1990 In Betracht kommt zudem, auch die Fälle, in denen eine Zwangseinziehung statutarisch vorgesehen ist, unter § 29 I UmwG zu subsumieren.1991 Dafür spricht, dass die Möglichkeit der Zwangseinziehung ebenfalls eine wesentliche Schlechterstellung des Gesellschafters bedeutet, die mit der Verfügungsbeschränkung durchaus auf gleicher Beeinträchtigungsstufe steht. Eine Einbeziehung geht jedoch über den Wortlaut der Norm hinaus. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, nur die Verfügungsbeschränkung als Austrittsgrund anzuerkennen. Die Möglichkeit, den Gesellschafter gegen seinen Willen auszuschließen, ist davon grundverschieden.1992 Die Frage ist daher zu verneinen. Vielmehr handelt es sich um eine mit der neuen Beteiligung zusammenhängende Problematik, die daher nach den allgemeinen Grundsätzen zu lösen ist: Da der Gesellschafter sich den neuen Regeln nicht freiwillig unterwirft, kommt keine Erleichterung der Ausschlussvoraussetzungen durch einen privatautonomen Verzicht in Betracht. Vielmehr muss der statutarisch begründete Ausschluss den Kriterien für einen Ausschluss aus wichtigem Grund genügen und bedarf daher im Einzelfall einer Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse, die den gravierenden Eingriff in die Mitgliedschaft des Gesellschafters aufzuwiegen vermag.1993 Sollte die Bedrohung durch einen Ausschluss dennoch als untragbar erscheinen und den Gesellschafter in der Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte behindern, kommt ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund unter Beachtung der hierfür geltenden Voraussetzungen in Betracht.1994 Bezugspunkt für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist dabei die Beteiligung in der alten Gesellschaft, der sich der Gesellschafter freiwillig angeschlossen hatte. Gleiches gilt für andere Verschlechterungen der Rechtsstellung, die von § 29 UmwG nicht erfasst werden. Ausgehend vom Gesetzeszweck, den Gesellschafter vor einer rechtlichen Schlechterstellung durch den Umwandlungsvorgang zu bewahren, ist der Ansicht zuzustimmen, die umgekehrt ein Austrittsrecht verneint, soweit die Zielgesellschaft zwar Übertragungsbeschränkungen kennt, diese den Gesellschafter jedoch nicht stärker benachteiligen als die in der übertragenden Gesellschaft vorhandenen Bestimmungen. Eine solche teleologische Reduktion kommt derweil nur in Be-
___________ 1990
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Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29, Rn. 8; Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 4 f.; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29, Rn. 7; Reichert, GmbHR 1995, 176, 188. So erwogen, i. E. jedoch verneint von Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29, Rn. 8; Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 8. Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 8; zur Gesetzesbegründung BT-Drs. 13/8808, S. 11. Siehe zu den Kriterien eines Ausschlusses aus wichtigem Grund unter § 9 B. III. und den Voraussetzungen für eine privatautonome Unterwerfung unter eine Ausschlussklausel im Gesellschaftsvertrag § 9 A. II. Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 8.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
tracht, soweit die Erleichterung auf der Hand liegt, während es im Zweifelsfall beim Austrittsrecht bleiben muss.1995
2. Die Abfindung des widersprechenden Gesellschafters Bereits der Verschmelzungsvertrag oder dessen Entwurf muss nach § 29 I 1 UmwG das Angebot des übernehmenden Rechtsträgers enthalten, die Anteile (bei Kapitalgesellschaften) oder die Mitgliedschaft (bei den Personengesellschaften)1996 widersprechender Gesellschafter gegen angemessene Barabfindung zu übernehmen. Lediglich wenn schon vor der Beschlussfassung über die Verschmelzung feststeht, dass kein Anteilsinhaber austreten möchte, erübrigt sich ein solches Angebot.1997 Die Abfindung muss angemessen sein und daher den vollen bzw. wahren Wert der Beteiligung ersetzen.1998 Das Verfahren regelt § 30 I 1 UmwG nur unvollständig mit der Maßgabe, dass die Verhältnisse des übertragenden Rechtsträgers zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Verschmelzung berücksichtigt werden müssen. Daher gelten die allgemeinen Grundsätze zur Bestimmung der Angemessenheit der Abfindung (zu diesen im Einzelnen im Anschluss unter § 11).1999 Ein Streit über die Höhe der Abfindung wird nach §§ 32, 34 UmwG im Spruchstellenverfahren ausgetragen.2000 Der Konflikt zu den Kapitalerhaltungsvorschriften ist in § 71 I Nr. 3 AktG und § 33 III GmbHG geregelt. Danach dürfen sowohl die Aktiengesellschaft als auch die GmbH zum Zwecke der Abfindung der ausscheidenden Gesellschafter eigene Anteile erwerben, wobei allerdings die Grenzen des § 71 II AktG und des § 33 III GmbHG (jeweils i. V. m. § 272 IV HGB) zu beachten sind. Steht bereits bei Beschlussfassung über die Verschmelzung fest, dass die in den Normen genannten Grenzwerte nicht eingehalten werden können, sind gleichwohl gefasste Beschlüs___________ 1995
1996 1997 1998
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2000
Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29, Rn. 12–14; unter Hinweis auf die praktischen Probleme a. A. Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 6; gänzlich ablehnend Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29, Rn. 9. Siehe zu den rechtsformabhängigen Unterschieden Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 20. Str., siehe Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 17; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29, Rn. 26; Schaub, NZG 1998, 626, 629. Explizit für die Umwandlungsfälle BVerfG WM 2007, 1520, 1521; Geng, Ausgleich und Abfindung der Minderheitsaktionäre der beherrschten Aktiengesellschaft bei Verschmelzung und Spaltung, 2003, S. 99; Kallmeyer/Müller, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 30, Rn. 5; Zürbig, Der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, 1999, S. 161 f. Gegen die Bewertung des status quo ohne Berücksichtigung der sich durch den Umwandlungsvorgang ergebenden Gewinnchancen bestehen dabei keine Bedenken, da der Gesellschafter an diesen ja gerade nicht partizipieren möchte. A. A. zum US-amerikanischen Recht Brudney/Chirelstein, 88 Harv. L. Rev. 297, 305 (1974). BayObLG BB 2003, 275, 276; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 32, Rn. 1; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29, Rn. 22; Aerssen, AG 1999, 249, 254–256; Hommelhoff, ZGR 1993, 452, 469 f.
C. Typisierte Austrittsrechte im Umwandlungs-, Konzern- und Übernahmerecht
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se im übertragenden Rechtsträger rechtswidrig und anfechtbar.2001 Damit soll erreicht werden, dass ein austrittswilliger Gesellschafter nicht aufgrund der Kapitalerhaltungsvorschriften zum Verbleib in der Zielgesellschaft gezwungen wird. Problematisch ist dabei, dass sich häufig erst bei oder nach der Beschlussfassung herausstellt, wie viele Aktionäre auszuscheiden wünschen, so dass die Zahl der zu übernehmenden Anteile auch erst zu diesem Zeitpunkt feststeht. Ergibt sich daher erst nachträglich, dass die Grenzen von §§ 71 II AktG, 33 III GmbHG überschritten werden, bleibt die Wirksamkeit des Beschlusses nach § 29 I 1 2. Hs. UmwG davon unberührt.2002 In der Aktiengesellschaft verbleibt der übernehmende Rechtsträger daher auch in dieser Situation zur Zahlung der Abfindung verpflichtet.2003 Um den Gesetzeszweck des § 29 I UmwG nicht zu unterlaufen, ist auch in diesen Fällen ein zulässiger Erwerb eigener Aktien im Sinne des § 57 I 2 AktG anzunehmen.2004 Für die GmbH fehlt es hingegen an einer Sonderregelung. Daher bleibt es beim generellen Vorrang der Kapitalerhaltungsvorschriften, wie er auch in den übrigen Fällen, in denen ein GmbH-Gesellschafter ausscheidet, zu beachten ist.2005
II. Die Austrittsrechte im Konzernrecht 1. Abgrenzung von Austritt und Ausschluss Im Konzernrecht können der Abschluss von Unternehmensverträgen nach § 305 AktG und die Eingliederung nach § 320a AktG zu einem Ausscheiden der Minderheitsaktionäre führen. § 305 AktG sieht nur unter bestimmten Voraussetzungen vor, dass die Investition des Aktionärs gegen Barabfindung gänzlich endet. Da in diesen Fällen zusätzlich zu einem Willensakt des Aktionärs auch ein Gesetzesautomatismus zu einer Beendigung der Beteiligung führt, unterscheidet sich dieses Ausscheiden von den übrigen Fällen eines Gesellschafteraustritts nicht unerheblich. Dennoch passen auch diese Fälle besser zu den Austrittsrechten des Minderheitsgesellschafters als zu den Ausschlussmöglichkeiten des Mehrheitsgesellschafters: Der Verlust der Beteiligung wird vom Gesetz zum Schutz des Aktionärs angeordnet, während der Mehrheitsaktionär nicht wie bei den Ausschlussrechten primär das Ziel verfolgt, die Beteiligung der Minderheit zu beenden, sondern viel___________ 2001
2002 2003
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Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 24 (für die AG), Rn. 29 (für die GmbH); Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29, Rn. 32 (für die AG) und Rn. 33 (für die GmbH); Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29, Rn. 27 (für die AG). Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 25 (für die AG) und Rn. 30 (für die GmbH). Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 26; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29, Rn. 32; a. A. Ihrig, GmbHR 1995, 622, 631; Vetter, ZHR 168 (2004), 8, 23. Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 27. Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 30; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29, Rn. 33.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
mehr, die Gesellschaft durch den Abschluss eines Unternehmensvertrages gänzlich unter seine Kontrolle zu bringen. Bei der Eingliederung kann es zur vollständigen Beendigung der Investition hingegen eines Willensakts des Minderheitsaktionärs bedürfen. Ist die Hauptgesellschaft eine abhängige Gesellschaft, hat der Aktionär nach § 320 b I 2 AktG die Wahl, ob er Aktien der Hauptgesellschaft oder eine angemessene Barabfindung bevorzugt. Insoweit passt die Regelung zu den Austrittsrechten. Sie wurde dennoch bereits bei den Ausschlussrechten dargestellt, da die Beteiligung des Minderheitsaktionärs an der eingegliederten Gesellschaft endet und die Mehrheitseingliederung daher ein typisches Instrumentarium darstellt, mit dem sich der Quasi-Alleineigentümer verbleibender Minderheitsaktionäre entledigen kann. Das Wahlrecht der Minderheitsaktionäre, mit dem sie über eine Aufrechterhaltung ihrer Investition in anderer Form oder die vollständige Desinvestition entscheiden, ist demgegenüber nur nachgelagert.
2. Das Austrittsrecht bei Abschluss- eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages Der in § 305 AktG bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages gesetzlich angeordnete Austritt der Minderheitsaktionäre bezweckt, die Beteiligung der außenstehenden Gesellschafter an einer abhängigen Aktiengesellschaft gegen ihren Willen zu verhindern. Die besondere Gefahr eines Beherrschungsvertrages besteht darin, dass es der herrschenden Gesellschaft in Abweichung von dem Grundsatz des § 76 I AktG ermöglicht wird, dem Vorstand der beherrschten Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Bei einem Gewinnabführungsvertrag kommt es hingegen zu einer für die Minderheit nicht weniger bedrohlichen Ausplünderung der Gesellschaft in den von § 301 AktG gezogenen Grenzen.2006 Der Ausgleich nach § 304 AktG vermag den Aktionär nicht angemessen für den mit § 308 AktG einhergehenden Verlust seiner Mitverwaltungsrechte zu entschädigen. Als adäquate Lösung erscheint dem Gesetzgeber daher ein Anspruch darauf, unter angemessener Abfindung aus der Aktiengesellschaft ausscheiden zu dürfen.2007 Dieser muss im Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag vorgesehen sein, wodurch dieser zu einem Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB wird.2008 Schuldner des Abfindungsanspruchs ist stets das herrschende Unternehmen.2009 ___________ 2006
2007 2008 2009
So inhaltlich BVerfG ZIP 2007, 1055, 1056; BGHZ 135, 374, 378 f. (unter ausdrücklicher Qualifizierung als Eingriff in das von Art. 14 I GG geschützte Anteilsrecht der Aktionäre); Naschke, Der Börsenkurs als Abfindungsgrundlage, 2003, S. 32; Karrer, Die Angemessenheit der Leistung im Konzern-, Übernahme- und Ausschlussrecht, 2002, S. 33. Vgl. auch Obst, Der Schutz des Kleinaktionärs im börsennotierten Aktienkonzern, 2004, S. 61–63. Siehe hierzu im Einzelnen unter § 14 B. I. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 344. BGHZ 135, 374, 380; Naschke, Der Börsenkurs als Abfindungsgrundlage, 2003, S. 31. OLG Düsseldorf NZG 2005, 1012, 1014; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 349.
C. Typisierte Austrittsrechte im Umwandlungs-, Konzern- und Übernahmerecht
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Die Art der Abfindung richtet sich nach den Umständen der im Einzelfall vorliegenden Konstellation. Er besteht entweder in einem Anspruch auf Aktien an einer anderen Gesellschaft oder – und nur insoweit handelt es sich um einen den übrigen hier dargestellten Austrittsrechten entsprechenden Anspruch – auf Barabfindung. § 305 II Nr. 1 AktG schreibt zwingend einen Anspruch auf Abfindung in Aktien der herrschenden Gesellschaft für den Fall vor, dass diese Gesellschaft eine unabhängige und nicht in Mehrheitsbesitz stehende Aktiengesellschaft oder KGaA ist.2010 Der Aktionär wird daher auf eine Art abgefunden, die seiner bisherigen Beteiligung wirtschaftlich am nächsten kommt.2011 Wird der andere Vertragsteil hingegen von einer Aktiengesellschaft beherrscht oder steht er in deren Mehrheitsbesitz, kann den berechtigten Interessen des Aktionärs nicht dadurch Rechnung getragen werden, dass Aktien des Vertragspartners gewährt werden, da er hierdurch die Beteiligung an einer bislang unabhängigen gegen die Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft eintauschen würde. Vielmehr muss er entweder in Aktien an der herrschenden Gesellschaft oder in bar abgefunden werden, wobei das Wahlrecht zwischen den Abfindungsmöglichkeiten dem Vertragspartner zusteht.2012 Sofern es sich bei der den Vertragspartner beherrschenden Gesellschaft um eine ihrerseits beherrschte Aktiengesellschaft oder KGaA handelt, sind dem Aktionär stattdessen nach der ratio legis des § 305 II Nr. 1 AktG Aktien nicht an dieser, sondern an der Konzernobergesellschaft anzubieten.2013 In allen übrigen Fällen ist im Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag zwingend eine Barabfindung anzubieten. Streit über das Bestehen und die Höhe der Abfindung wird nach § 305 V 2 AktG im Spruchverfahren ausgetragen. § 305 IV 2 AktG schreibt vor, dass die Barabfindung die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag berücksichtigen muss. Als Richtlinie gilt daher, dass die Verkehrsfähigkeit als Eigenschaft des Aktieneigentums bei der Wertbestimmung des Eigentumsobjekts nicht außer Betracht bleiben darf und die Minderheitsaktionäre jedenfalls nicht weniger erhalten dürfen, als sie bei einer freien Desinvestitionsentscheidung zu dem Zeitpunkt, zu dem der Unternehmensvertrag abgeschlossen wird, erlangt hätten. Eine geringere Abfindung
___________ 2010
2011 2012
2013
Zur Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs als eines nicht in der Aktie verkörperten Anspruchs, der beim Verkauf der Aktie auf den Erwerber übergeht, sondern eines originären Anspruchs, der nur dem außenstehenden Aktionär in Person zukommt, BGHZ 167, 299 = BGH ZIP 2006, 1392. Gebilligt von BVerfG ZIP 2007, 1055, 1056. Kritisch zu § 305 AktG als Enteignung des Aktionärs Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 52 f. Vgl. BegrRegE 1965 in Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 397. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 14; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 345; Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, Band 2, 2007, § 305, Rn. 39. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 14.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
würde nicht ausreichend berücksichtigen, dass die Dispositionsfreiheit einen wertbildenden Faktor darstellt.2014 Soweit die Abfindung in Aktien besteht, ist nach § 305 III 1 AktG die Verschmelzungswertrelation zugrunde zu legen. Dabei bildet die Summe der Verkehrswerte aller Aktien der abhängigen Gesellschaft die Untergrenze des Unternehmenswertes. Soweit die abhängige Gesellschaft börsennotiert ist und davon ausgegangen werden kann, dass der Börsenwert dem Verkehrswert entspricht, bildet die Summe der Börsenwerte aller Aktien den Ausgangspunkt zur Ermittlung der Verschmelzungswertrelation auf Seiten der abhängigen Gesellschaft.2015
III. Die Austrittsrechte in Übernahmesituationen Auch in Übernahmesituationen wird den Aktionären die Wahl zugestanden, aufgrund eigenen Entschlusses ihre Investition zu beenden. Die Abschnitte 4 und 5 des WpÜG sind auf den Schutz der Minderheitsaktionäre im Hinblick auf einen bevorstehenden oder bereits erfolgten Kontrollerwerb gerichtet.2016 Das WpÜG garantiert durch Andienungsrechte in verschiedenen Stadien und Situationen, dass kein Aktionär gegen seinen Willen in einer fortan beherrschten Gesellschaft verbleiben muss. 2017 So müssen sich Übernahmeangebote nach § 32 WpÜG an alle Aktionäre richten, wodurch eine Übervorteilung einzelner Aktionäre verhindert wird. Die Bestimmung wird daher als eine (besondere) Regelung zum Konzerneingangsschutz verstanden.2018 Wichtiger noch für den Minderheitsschutz ist das auf Art. 16 der EU-Übernahmerichtlinie2019 zurückgehende Andienungsrecht in § 39c WpÜG. Danach besteht in Übernahmesituationen ein Andienungsrecht der Aktionärsminderheit, das drei Monate nach Ablauf der Annahmefrist endet. Voraussetzung ist, dass der Mehrheitsgesellschafter berechtigt ist, nach § 39 a WpÜG einen Ausschluss der verbleibenden Aktionäre durchzuführen. Diese Veräußerungsoption komplementiert die in § 16 II 1 WpÜG enthaltene „Zaunkönigregelung“, indem sie den verbleibenden Aktionären auch nach dem Ablauf der Frist des § 16 II 1 WpÜG die Möglichkeit einräumt, die Gesellschaft zu verlassen. Daher handelt es sich nicht um ein Austrittsrecht im Sinne eines ge___________ 2014
2015 2016 2017 2018 2019
BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769, 3771 (DAT-Altana); gleiches gilt für die Eingliederung. Siehe auch OLG Hamburg NZG 2002, 189, 190; LG Nürnberg-Fürth AG 2000, 89, 91; LG Frankfurt AG 1987, 315–318. So wörtlich BGHZ 147, 108, 115 f. = NJW 2001, 2080. Berger/Filgut, AG 2004, 592, 598; vgl. auch Harbarth, ZIP 2002, 321, 322. OLG Frankfurt a.M. AG 2004, 617, 618; Thoma, NZG 2002, 105, 111. Fleischer, NZG 2002, 545, 547. Inhaltlich ablehnend Traugott/Schaefer, NZG 2004, 158, 159. Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und der Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmenagebote, ABl. EG 2004 L 142/12, wonach in Folge von Übernahmesituationen ein Andienungsrecht der Aktionärsminderheit besteht muss, sofern der Mehrheitsaktionär wahlweise absolut oder durch die Übernahme eine bestimmte Beteiligungsquote hält.
C. Typisierte Austrittsrechte im Umwandlungs-, Konzern- und Übernahmerecht
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gen die Gesellschaft gerichteten Anspruchs auf Übernahme der gehaltenen Anteile, sondern um eine gesetzliche Verlängerung der Frist zur Annahme des Übernahmeangebots des Mehrheitsaktionärs.2020 Es dient dem Ziel, die Minderheitsaktionäre nicht aus Furcht vor einem drohenden Einschluss in einer beherrschten Aktiengesellschaft zu einer Veräußerung zu bewegen. Vielmehr sollen sie abwarten dürfen, welchen Anklang das Angebot findet, um erst nach Ablauf der Annahmefrist und in Kenntnis aller Tatsachen über ihren Verbleib zu entscheiden und dennoch weiterhin den gebotenen Preis erhalten zu können.2021 §§ 16 II 1, 39 c WpÜG verhindern so ein sog. „Windhunderennen“, das durch eine nur kurze Annahmefrist und den Ausschluss der Möglichkeit zum Austritt für die hierauf nicht reagierenden Aktionäre ausgelöst wird.2022 Der Preis für die Anteile bestimmt sich nach dem Angebot des Mehrheitsgesellschafters. Eine Bewertung nach den allgemeinen Grundsätzen scheidet aus, da es sich nicht um einen Abfindungsanspruch, sondern um die Annahme des Kaufangebots des Mehrheitsgesellschafters handelt. Hingegen liegt dies nicht an der Freiwilligkeit der Annahme.2023 Jedes Austrittsrecht zeichnet sich gerade durch den freiwilligen Willenentschluss des Gesellschafters aus, der ihm einen angemessene Abfindung gewährleistet. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen aus Sicht des zur Annahme der Andienung verpflichteten Mehrheitsaktionärs wird mit der Begründung aufgeworfen, dass der Schutz des Art. 14 GG auch die Freiheit umfasse, sich Eigentum nicht aufdrängen lassen zu müssen. Die Vereinbarkeit mit Art. 14 GG wird jedoch mit dem Argument, die Verpflichtung knüpfe nicht am Eigentum selbst, sondern am Erwerbsvorgang an, bejaht. Der Verpflichtete werde nicht unvermittelt mit zusätzlichem Anteilseigentum konfrontiert, sondern löse die Übernahmeverpflichtung durch seinen Erwerbsvorgang und die dadurch überschrittene Schwelle selbst aus, nehme die Pflicht zur Abgabe des Übernahmeangebots also bewusst (wenn auch zwangsläufig) hin.2024 Dies deckt sich mit den an anderer Stelle bejahten Andienungsrechten des Mehrheitsgesellschafters, der es auch dort selbst in der Hand hat, durch sein Verhalten Verkaufsoptionen der Minderheit auszulösen.2025 ___________ 2020 2021 2022 2023 2024
2025
Kann/Just, DStR 2006, 328, 332; Rößler, Squeeze Out, 2007, S. 153; Schüppen, BB 2006, 165, 169; Seibt/Heiser, AG 2006, 301, 320. Hasselbach, ZGR 2005, 387, 390. Traugott/Schaefer, NZG 2004, 158, 160. So jedoch Rößler, Squeeze Out, 2007, S. 153 f.; Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins, NZG 2006, 177, 182. Stumpf, NJW 2003, 9, 12, für die Angebotspflicht nach § 35 II WpÜG. Die daraus entstehende Belastung sowie die sie auslösenden Umstände entsprechen der nach § 39 c WpÜG, so dass die Argumente auch in diesem Zusammenhang Erwähnung finden können. Zur Kritik an den fehlenden Verfahrensvorschriften Schüppen, BB 2006, 165, 169. Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 249, empfehlen eine Prüfung durch die BaFin und ein gerichtliches Prüfverfahren. Dazu noch unter D. II. 3. c).
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
IV. Eine Randbemerkung: Austrittsrechte in der Societas Europaea Auch bei der Gründung einer Societas Europaea bestehen Austrittsrechte widersprechender Aktionäre, wenn die SE ihren Sitz im Ausland haben wird. Bei Gründung einer solchen SE im Wege der Verschmelzung muss nach § 7 I 1 SEAG die übertragende Gesellschaft im Verschmelzungsplan oder in seinem Entwurf jedem Aktionär, der gegen den Verschmelzungsbeschluss der Gesellschaft Widerspruch zur Niederschrift erklärt, den Erwerb seiner Aktien gegen eine angemessene Barabfindung anbieten. § 7 SEAG ist dabei den Vorschriften über die Verschmelzung im UmwG nachempfunden.2026 Wird eine Holding-SE gegründet, sieht § 9 I SEAG ein Andienungsrecht der Minderheitsaktionäre vor, wenn die Holding-SE ihren Sitz im Ausland haben soll oder ihrerseits abhängig im Sinne von § 17 AktG ist. Auch wenn eine SE ihren Sitz ins Ausland verlegt, steht den widersprechenden Aktionären nach § 12 I 1 SEAG ein Austrittsrecht zu. Ist die Gründungsgesellschaft eine GmbH, steht den Gesellschaftern kein Austrittsrecht zu. Dem liegt offenbar die Vorstellung zugrunde, dass sich die GmbHGesellschafter durch entsprechende Regelungen in der Satzung besser gegen eine ungewollte Konzernierung schützen können. Diese bloße Möglichkeit ist freilich ungenügend. Schon mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass gerade die Minderheitsgesellschafter häufig weder über die Kenntnis noch die Verhandlungsmacht verfügen, um durch entsprechende Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag Vorsorge für alle eventuell eintretenden Nachteile treffen zu können. Eine analoge Anwendung der Vorschriften zur Aktiengesellschaft scheidet jedoch aus, da der Gesetzgeber gerade zu verstehen gegeben hat, das Problem gesehen zu haben. Zugleich lässt sich der Aussage im Regierungsentwurf entnehmen, dass sich der Gesetzgeber dem Minderheitsschutz im GmbH-Recht nicht verschließen wollte, sondern ein ausdrückliches Lösungsrecht wegen bereits vorhandener Vorsorge für überflüssig hielt. Daher kann auf die allgemeinen Grundsätze zurückgegriffen und ein Recht zum Austritt aus wichtigem Grund angenommen werden, wenn es (wie regelmäßig) an einer Satzungsbestimmung fehlt. Dass die Gründung einer SE für den widersprechenden GmbH-Gesellschafter zu einer Situation führt, in der ein weiterer Verbleib unzumutbar ist, ergibt sich schon aus der Wertung in §§ 29 I 1, 207 I UmwG, wonach ein Rechtsformwechsel ein Abfindungsrecht auslöst (dazu soeben unter III.).2027
___________ 2026 2027
Begr. RegE, BT-Drs. 15/3405, S. 32 f.; Brandt, BB-Beilage 2005, Nr 13, 1. Vgl. dazu Ihrig/Wagner, BB 2004, 1749, 1752.
D. Austrittsrechte de lege ferenda
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D. Austrittsrechte de lege ferenda als allgemeines Instrumentarium des Minderheitsschutzes? D. Austrittsrechte de lege ferenda
Abschließend ist auf die Feststellung unter B. II. 2. a) zurückzukommen, dass de lege lata in den Kapitalgesellschaften kein ordentliches Austrittsrecht existiert. Dort wurde bereits dargestellt, dass sich die Möglichkeiten zum Austritt in den gesetzlich angeordneten Andienungsrechten, den statutarisch bestimmten Austrittsmöglichkeiten und dem Recht zum Austritt aus wichtigem Grund erschöpfen. Unter geltendem Recht ist eine Ausweitung dieser Austrittsrechte auf andere minderheitssensible Konstellationen ausgeschlossen: Der geltenden Gesetzeslage ist die Absicht des Gesetzgebers zu entnehmen, ein Recht zum Austritt nur in besonderen Situationen, hingegen nicht als jederzeitiges Wahlrecht des Gesellschafters anzuerkennen. Daher fehlt es an der entscheidenden Voraussetzung für die mitunter vorgeschlagene analoge Anwendung des Austrittsrechts nach § 29 UmwG auf Situationen, in denen sich die Mitgliedschaft des Gesellschafters vor allem durch Strukturmaßnahmen ähnlich nachteilig verändert: Es besteht keine Regelungslücke. § 29 UmwG trifft eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für das Austrittsrecht aus wichtigem Grund in der Sondersituation unwandlungsrelevanter Vorgänge.2028 Die Diskussion um ein generelles, allein von einem Willensentschluss des Gesellschafters abhängiges Austrittsrecht als allgemeines Instrument des Minderheitsschutzes kreist daher um ein rechtspolitisches Anliegen und daher eine Maßnahme de lege ferenda. Gerade mit Blick auf die Rechtslage in den USA soll der Frage nachgegangen werden, ob ein ordentliches Austrittsrecht zu dem geltenden Modell der strengen Pflichtbindungen hinzutreten oder dieses möglicherweise (partiell) ersetzen sollte.
I. Die Appraisal Rights in den USA Im US-amerikanischen Recht sind gesetzliche Andienungsrechte der Gesellschafter, sog. appraisal rights (auch dissenters’ rights oder buy out rights), verbreitet. Durch diese soll der Gesellschafter die Möglichkeit erhalten, bei nachteiligen Veränderungen seiner Beteiligung, regelmäßig ausgelöst durch Strukturmaßnahmen, zu einem fairen Preis aus der Gesellschaft auszuscheiden.2029 Ohne dieses Andienungsrecht müsste er entweder in einer Gesellschaft verbleiben, die sich von der seiner Wahl gravierend unterscheidet, oder seine Beteiligung wegen der drohenden oder eingetretenen Verschlechterung der Minderheitsposition unter Wert ver___________ 2028 2029
Dazu und zum Meinungsstand Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 31. Zur Begriffsbestimmung Paskill Corp. v. Alcoma Corp., 747 A. 2 d 549 (Del. 2000); Bayberry Associates v. Jones, 783 S. W. 2 d 553 (Tenn. 1990); Eisenberg, The Structure of the Corporation, 1976, p. 69.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
äußern.2030 Sie unterscheiden sich darin von dem schon unter § 2 B besprochenen Austritt eines Gesellschafters als Rechtsbehelf bei Verstößen gegen die Treuepflicht durch den Mehrheitsgesellschafter, der darauf abzielt, eine Lösung für das zerrüttete Verhältnis der Gesellschafter zu finden.2031 Bei den appraisal rights handelt es sich um ein bedeutendes Instrument des Minderheitsschutzes im US-amerikanischen Recht, das in seinem Anwendungsbereich nicht den strukturellen Beschränkungen der Treuepflicht unterliegt. Im Folgenden sollen die beiden häufigsten Fallgruppen von Austrittsrechten, solche im Zusammenhang mit Verschmelzungen (statutory mergers) und Übertragungen des substantiell gesamten Gesellschaftsvermögens (transfer of substantially all assets), dargestellt werden.2032
1. Appraisal Rights bei einem Statutory Merger a) Transaktionsformen und erforderliche Mehrheiten Unter einem statutory merger versteht man einen Vorgang, der in seinen Wirkungen einer aufnehmenden Verschmelzung im Sinne von § 2 Nr. 1 UmwG entspricht, da eine Gesellschaft von der anderen aufgenommen wird (one corporation is legally absorbed into another).2033 Die von den Voraussetzungen gleich behandelte consolidation entspricht der Verschmelzung durch Neugründung im Sinne des § 2 Nr. 2 UmwG, da zwei oder mehr Gesellschaften auf eine bislang nicht existierende Gesellschaft verschmolzen werden.2034 Für beide Formen gilt, dass ___________ 2030
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Jones v. Ahmanson, 460 P. 2 d 464, 478 (Cal. 1969): “Appraisal rights protect the dissenting minority shareholder against being forced to either remain an investor in an enterprise fundamentally different than that in which he invested or sacrifice his investment by sale of his shares at less than fair value. Plaintiff here (. . .) was entitled to more (. . .)”. Grundlegend zu Konzeption und Wirkungsintention der appraisal rights Eisenberg, The Structure of the Corporation, 1976, p. 69–84; Wiedemann, ZGR 1978, 477–484. Daneben können Andienungsrechte etwa auch bei Satzungsänderungen relevant werden. So besteht nach RMBCA § 13.02 (4) ein Austrittsrecht bei Satzungsänderungen unter ganz besonderen Voraussetzungen. In Delaware fehlt es daran hingegen gänzlich. Zu einer Übersicht siehe die Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, Kommentar zu § 7.21 (Seite 299–301). Danach sehen die Bestimmungen in allen Staaten ein right of appraisal in den Fällen von mergers und consolidations vor, in 25 Staaten in den Fällen bestimmter Änderungen des Gesellschaftsvertrages und in 46 Fällen bei der Veräußerung des wesentlichen Gesellschaftsvermögens. Zu Delaware vgl. auch Oesterle, Mergers and Acquisitions in a nutshell, 2001, p. 66. Cal. Corp. Code sec. 1100: “Any two or more corporations may be merged into one of those corporations”. Del. Gen. Corp. Law § 251 (a): “Any 2 or more corporations existing under the law of this State may merge into a single corporation, (. . .)”. Del. Gen. Corp. Law § 251 (a):”Any 2 or more corporations existing under the laws of this State may merge into a single corporation, which may be any 1 of the constituent corporations or may consolidate into a new corporation formed by the consolidation, pursuant to an agreement of merger or consolidation, as the case may be, complying and approved in accordance with this section”. Der RMBA illustriert, vergleichbar mit § 2 UmwG, beide Verschmelzungsarten und bezeichnet sie einheitlich als merger: § 11.02 (a):”One or more
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die aufnehmende Gesellschaft zur Rechtsnachfolgerin der übertragenden Gesellschaft(en) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge wird.2035 Zugleich werden die Gesellschafter der aufgenommenen Gesellschaft zu Gesellschaftern der aufnehmenden Gesellschaft. Diese Umwandlungsvorgänge setzen zunächst voraus, dass die boards of directors aller beteiligten Gesellschaften die Transaktion unterstützen und ein agreement of merger abgeben.2036 In dieser Vereinbarung werden die Details der Transaktion niedergelegt. Anschließend müssen die Gesellschafter aller beteiligten Gesellschaften über die Transaktion abstimmen.2037 Anders als unter den Grundsätzen des Common Law, denen zufolge wesentliche Strukturänderungen (organic corporate changes) die Zustimmung aller Gesellschafter voraussetzen,2038 genügt hierfür ein Mehrheitsbeschluss. Nach RMBCA 11.04 (e) muss dieser von einer Mehrheit der stimmberechtigten Anteile getragen werden.2039 Dem entspricht die Rechtslage in Delaware: Der Beschluss muss von der Mehrheit der von den Gesellschaftern gehaltenen (outstanding shares) und stimmberechtigten Anteile an___________
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domestic business corporations may merge with one or more domestic or foreign business corporations or eligible entities pursuant to a plan of merger, or two or more foreign business corporations or domestic or foreign eligible entities may merge into a new domestic business corporation to be created in the merger in the manner provided in this chapter”. Zum Grundsatz siehe Jennings/Buxbaum, Corporations, 5th ed. 1979, p. 1042. RMBA § 11.07 (a) “When a merger becomes effective: (1) the corporation or eligible entity that is designated in the plan of merger as the survivor continues or comes into existence, as the case may be; (2) the separate existence of every corporation or eligible entity that is merged into the survivor ceases;(3) all property owned by, and every contract right possessed by, each corporation or eligible entity that merges into the survivor is vested in the survivor without reversion or impairment; (4) all liabilities of each corporation or eligible entity that is merged into the survivor are vested in the survivor; (. . .)”; Cal. Corp. Code sec. 1107 (a): “Upon merger pursuant to this chapter the separate existence of the disappearing corporations ceases and the surviving corporation shall succeed, without other transfer, to all the rights and property of each of the disappearing corporations and shall be subject to all the debts and liabilities of each in the same manner as if the surviving corporation had itself incurred them”. RMBA 11.04 (a); Cal. Corp. Code § 1101; Del. Gen. Corp. Law § 11.04 (a). Für mergers, an denen ausländische Gesellschaften beteiligt sind, gelten in allen Staaten besondere Regeln, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Del. Gen. Corp. Law § 251 (c). Siehe zu diesen Grundsätzen des Common Law Stout, 99 Yale L.J. 1235, 1285, Fn. 273 (1990). RMBA 11.04 (e): “Unless the articles of incorporation, or the board of directors acting pursuant to subsection (c), requires a greater vote or a greater number of votes to be present, approval of the plan of merger or share exchange requires the approval of the shareholders at a meeting at which a quorum consisting of at least a majority of the votes entitled to be cast on the plan exists, and, if any class or series of shares is entitled to vote as a separate group on the plan of merger or share exchange, the approval of each such separate voting group at a meeting at which a quorum of the voting group consisting of at least a majority of the votes entitled to be cast on the merger or share exchange by that voting group is present“.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
genommen werden.2040 Da hierbei die Gesamtheit der von Gesellschaftern gehaltenen Anteile zugrunde gelegt wird, reicht es nicht aus, dass die Mehrheit der anwesenden Gesellschafter annimmt. Abhängig von der Repräsentanz in der Versammlung kann es vielmehr erforderlich sein, dass eine sehr hohe Mehrheit der präsenten Anteile den Beschluss trägt.2041 Das gilt auch in Kalifornien, wobei dort nicht nur die Inhaber stimmberechtigter Anteile, sondern alle Anteilsklassen separat abstimmen und jeweils die Mehrheit der oustanding shares annehmen muss.2042 b) Die Ausnahmen von dem Beschlusserfordernis Von dieser Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung existieren Ausnahmen für bestimmte Verschmelzungsformen. Es handelt sich dabei um die small scale mergers und short form mergers.2043 Ein small scale merger führt dazu, dass den Gesellschaftern in der aufnehmenden Gesellschaft wegen der (angeblich) geringen Auswirkungen des merger auf diese Gesellschaft kein Stimmrecht zusteht. Voraussetzung ist, dass die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages in der aufnehmenden Gesellschaft nicht verändert werden, die Rechtsstellung ihrer Gesellschafter durch den merger unverändert bleibt und ihre Beteiligung durch den merger nicht verwässert (diluted) wird. Davon geht das Gesetz aus, wenn sich die Zahl der stimmberechtigten Anteile in der Gesellschaft nur unwesentlich verändert, an die neu eintretenden Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft daher nur eine geringe Zahl stimmberechtigter Anteile vergeben werden. Das bedeutet in Delaware, dass die alten Gesellschafter der aufnehmenden Gesellschaft mindestens 5/6 der stimmberechtigten Anteile am Ende der Transaktion halten müssen.2044 Wegen der eher unbedeutenden Vergrößerung ___________ 2040
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Del. Gen. Corp. Law § 251 (c): “(. . .) If a majority of the outstanding stock of the corporation entitled to vote thereon shall be voted for the adoption of the agreement, that fact shall be certified on the agreement by the secretary or assistant secretary of the corporation, provided that such certification on the agreement shall not be required if a certificate of merger or consolidation is filed in lieu of filing the agreement”. Im Einzelnen dazu Oesterle, Mergers and Acquisitions in a nutshell, 2001, p. 8. Cal. Corp. Code § 1102 i. V. m. § 152: “‘Approved by (or approval of) the outstanding shares’ means approved by the affirmative vote of a majority of the outstanding shares entitled to vote. Such approval shall include the affirmative vote of a majority of the outstanding shares of each class or series entitled, by any provision of the articles or of this division, to vote as a class or series on the subject matter being voted upon and shall also include the affirmative vote of such greater proportion (including all) of the outstanding shares of any class or series if such greater proportion is required by the articles or this division”. Ausführlich zu den (im Folgenden dargestellten) Ausnahmen Letsou, 39 B.C. L. Rev. 1121 (1998); Stout, 99 Yale L.J. 1235, 1286 seq. (1990). Siehe auch Hein, Die Rezeption USamerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 429. Del. Gen. Corp. Law § 251 (f): “(. . .) no vote of stockholders of a constituent corporation surviving a merger shall be necessary to authorize a merger if (1) the agreement of merger does not amend in any respect the certificate of incorporation of such constituent corporation, (2) each share of stock of such constituent corporation outstanding immediately prior to the effective date of the merger is to be an identical outstanding or treasury share of the sur-
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der aufnehmenden Gesellschaft durch den merger wird dieser auch als whale minnow merger bezeichnet. Der short form merger vollzieht sich zwischen der Mutter- und einer Tochtergesellschaft, an der sie eine überragende Beteiligung besitzt. Er wird als upstream merger bezeichnet, wenn die Tochter von der Mutter aufgenommen wird.2045 Nach RMBCA § 11.05(a) und Cal. Corp. Code § 1110 bedarf es hierzu einer Beteiligung von 90%. Die Rechtsfolge ist, dass es keiner Zustimmung der Gesellschafter in der Tochtergesellschaft bedarf, da diese wegen der überragenden Beteiligung des Mehrheitsgesellschafters als reine Formalie betrachtet wird. In Delaware werden nach Del. Gen. Corp. Law § 253 zudem auch die Gesellschafter der Mutter nicht beteiligt.2046 Im umgekehrten Fall, dem downstream merger von der Mutter auf die Tochter, steht den Gesellschaftern der Mutter jedoch auch in Delaware ein Stimmrecht zu.2047 ___________
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viving corporation after the effective date of the merger, and (3) either no shares of common stock of the surviving corporation and no shares, securities or obligations convertible into such stock are to be issued or delivered under the plan of merger, or the authorized unissued shares or the treasury shares of common stock of the surviving corporation to be issued or delivered under the plan of merger plus those initially issuable upon conversion of any other shares, securities or obligations to be issued or delivered under such plan do not exceed 20% of the shares of common stock of such constituent corporation outstanding immediately prior to the effective date of the merger (. . .)”; Cal. Corp. Code § 1201 (b): “No approval of the outstanding shares (Section 152) is required (. . .) in the case of any corporation if that corporation, or its shareholders immediately before the reorganization, or both, shall own (immediately after the reorganization) equity securities (. . .) of the surviving or acquiring corporation (. . .) possessing more than five-sixths of the voting power of the surviving or acquiring corporation (. . .)”; etwas unterschiedlich dazu RMBCA § 11.03 (g): “Unless the articles of incorporation otherwise provide, approval by the corporation’s shareholders of a plan of merger or share exchange is not required if: (1) the corporation will survive the merger or is the acquiring corporation in a share exchange; (2) (. . .) its articles of incorporation will not be changed; (3) each shareholder of the corporation (. . .) will hold the same number of shares, with identical preferences, limitations, and relative rights, immediately after the effective date of change (. . .)”. Nach RMBCA § 11.05 (a) bedarf es bei einer Beteiligung von 90% weder der Zustimmung der Gesellschafter noch der Direktoren der Tochtergesellschaft: “A domestic parent corporation that owns shares of a domestic or foreign subsidiary corporation that carry at least 90% of the voting power of each class and series of the outstanding shares of the subsidiary that have voting power may merge the subsidiary into itself or into another such subsidiary, or merge itself into the subsidiary, without the approval of the board of directors or shareholders of the subsidiary (. . .)”; nach Cal. Corp. Code § 1110 (b) ist hingegen die Zustimmung der Direktoren der Tochtergesellschaft erforderlich. RMBCA § 11.05 (a) setzt hingegen auch in diesem Fall die Zustimmung der Gesellschafter der Muttergesellschaft voraus. Auch Cal. Corp. Code § 1110 (c) fordert die Zustimmung der Gesellschafter der Muttergesellschaft und der Direktoren der Tochtergesellschaft. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nur in Delaware eine dritte Ausnahme existiert, die holding company exception, die bei der Gründung oder Reorganisation bestimmter HoldingKonstruktionen nach Del. Gen. Corp. Law § 251 (g) ein Stimmrecht der Gesellschafter der beteiligten Gesellschaften ausschließt.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
c) Die Appraisal Rights der widersprechenden Gesellschafter Zum Schutz der Minderheitsgesellschafter ist bei einem merger vorgesehen, dass ihnen bei Widerspruch gegen die Transaktion ein Andienungsrecht zusteht. Der Widerspruch löst die gesetzliche Verpflichtung der Gesellschaft aus, den Gesellschaftern ihre Beteiligung zu einem fair value oder fair market value abkaufen zu müssen.2048 Wie bereits eingangs angesprochen, dient dieses Andienungsrecht dazu, die Gesellschafter vor dem Konflikt zu bewahren, nur zwei unbefriedigende Alternativen zu besitzen, entweder im Tausch gegen die bisherige Beteiligung zum Gesellschafter der aufnehmenden Gesellschaft zu werden oder die Beteiligung zu den gerade geltenden (und regelmäßig durch den merger gedrückten) Marktpreisen zu veräußern.2049 Das Andienungsrecht steht den Gesellschaftern der übertragenden Gesellschaft im Grundsatz bei allen mergers zu, auch bei den short form mergers. Die Gesellschafter der aufnehmenden Gesellschaft besitzen demgegenüber nur dann ein appraisal right, wenn sie zur Abstimmung über den merger berufen sind.2050 Daher scheidet ihr Abfindungsrecht bei den small scale und short form mergers aus.2051 Doch auch für die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft existieren Ausnahmen. In Delaware wird das Andienungsrecht von Del. Gen. Corp. Law § 262 (k) ausgeschlossen, wenn die Gesellschaft börsennotiert ist oder eine Größe von mindestens 2000 Gesellschaftern aufweist.2052 Dahinter steht die Überlegung, dass die Gesellschafter einer börsennotierten Gesellschaft ohnehin über eine einfache ___________ 2048
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In Kalifornien Cal. Corp. Code §§ 1300 (a): “If the approval of the outstanding shares (. . .) of a corporation is required (. . .), each shareholder of the corporation entitled to vote on the transaction and each shareholder of a subsidiary corporation in a short-form merger may, by complying with this chapter, require the corporation in which the shareholder holds shares to purchase for cash at their fair market value the shares (. . .)”; in Delaware Del. Gen. Corp. Law § 262 (a): “Any stockholder (. . .) shall be entitled to an appraisal (. . .) of the fair value of the stockholder’s shares of stock (. . .)”. In New York N. Y. Bus. Corp. Law § 910 (a). Zu diesen Abfindungsmethoden näher unter § 11 B. Zur ratio legis der Andienungsrechte bei mergers Alabama By-Products Corp. v. Cede & Co., 657 A. 2 d 254, 258 (Del. 1995). Zur Verfassungsmäßigkeit der Mehrheitsklauseln auch ohne Andienungsrecht jedoch Meade v. Pacific Gamble Robinson Co., 51 A2 d 313 (Del. Ch. 1947): “Merger statutes authorizing less than all the stockholders to effectuate a merger, may, in so far as nonvested rights of the stockholders are concerned, be constitutionally upheld even in the absence of any appraisal provision for the benefit of the dissenting stockholder, since, the merger statute being a part of the stockholder’s contract, he cannot object to a change he has impliedly authorized by purchasing his stock”. Del. Gen. Corp. Law 262 (k): “(. . .)no appraisal rights shall be available for any shares of stock of the constituent corporation surviving a merger if the merger did not require for its approval the vote of the stockholders of the surviving corporation (. . .)”. Siehe dazu Cal. Corp. Code §§ 1300 (a) und Del. Gen. Corp. Law § 262 (a) (dazu der Wortlaut in Fn. 2055). Del. Gen. Corp. Law “ 262 (k): “(. . .) no appraisal rights (. . .) shall be available for the shares, which (. . .) were either (i) listed on a national securities exchange or (ii) held of record by more than 2,000 holders (. . .)”.
D. Austrittsrechte de lege ferenda
517
Lösungsmöglichkeit verfügen und außerdem der Abfindungspreis kaum vom Börsenkurs abweichen würde. Die Ausnahme bei besonders großen Gesellschaften beruht auf der Erwägung, dass für die Anteile solcher Gesellschaften auch außerhalb des Börsenhandels ein funktionierender Markt existiert.2053 Auch in Kalifornien bestimmt Cal. Corp. Code § 1300 (b), dass Andienungsrechte bei solchen Gesellschaften ausscheiden, die börsennotiert sind, es sei denn, dass sie mit Veräußerungsbeschränkungen belastet sind oder der Austritt von Gesellschaftern gefordert wird, die mindestens 5% der outstanding shares halten.2054 Diese 5%-Schwelle dient dazu, einen Absturz des Börsenkurses zu verhindern, der anderenfalls unvermeidbar wäre, wenn eine derart große Zahl von Anteilen auf einmal an den Markt gebracht würde.2055 In New York besteht nach NYBCL § 910 (a) im Grundsatz ein Austrittsrecht für die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft. In Ausnahme hierzu scheidet ein Andienungsrecht aus, wenn Tochter- und Muttergesellschaft aufeinander oder miteinander verschmolzen werden, § 910 (a) (1) (i), oder wenn die Anteile der übertragenden Gesellschaft börsennotiert sind (iii). Die Gesellschafter der aufnehmenden Gesellschaft sind nur zur Andienung berechtigt, wenn sich ihre Rechtstellung verändert (ii).2056
___________ 2053 2054
2055
2056
Siehe dazu Choper/Eisenberg, Corporations (Gilbert Law Summaries), 2005, p. 280. Cal. Corp.Code § 1300 (b): “(. . .)’dissenting shares’ means shares (. . .) which were not immediately prior to the reorganization or short-form merger (. . .) listed on any national securities exchange (. . .) provided, however, that this provision does not apply to any shares with respect to which there exists any restriction on transfer imposed by the corporation or by any law or regulation; and provided, further, that this provision does not apply (. . .) if demands for payment are filed with respect to 5 percent or more of the outstanding shares of that class”. Choper/Eisenberg, Corporations (Gilbert Law Summaries), 2005, p. 281. Dort auch zu dem zweifelhaften Argument, ein Prozentsatz von 5% der Gesellschafter gewährleiste, dass ein Andienungsrecht nicht nur als Erpressungstaktik genutzt werde. Ginge der Gesetzgeber von einer derartigen Gefahr aus, hätte er Schwellen nicht nur bei börsennotierten Gesellschaften eingeführt. NYBCL sec. 910(a): “A shareholder of a domestic corporation shall (. . .) have the right to receive payment of the fair value of his shares and the other rights and benefits provided by such section, in the following cases: (1) Any shareholder entitled to vote who does not assent to the taking of an action specified in clauses (A), (B) and (C). (A) Any plan of merger or consolidation to which the corporation is a party; except that the right to receive payment of the fair value of his shares shall not be available: (i) To a shareholder of the parent corporation in a merger authorized by section 905 (Merger of parent and subsidiary corporations), or paragraph (c) of section 907 (Merger or consolidation of domestic and foreign corporations); or (ii) To a shareholder of the surviving corporation in a merger authorized by this article (. . .) unless such merger effects one or more of the changes specified in subparagraph (b) (6) of section 806 (. . .); or (iii) Notwithstanding subclause (ii) of this clause, to a shareholder for the shares of any class or series of stock, which (. . .) were listed on a national securities exchange (. . .)”.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
2. Appraisal Rights bei der Veräußerung des (substantiell) gesamten Vermögens Auch bei der Veräußerung des Gesellschaftsvermögens weichen die Staaten von dem Grundsatz des Common Law ab, wonach wesentliche Strukturänderungen (organic corporate changes) der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen.2057 Wie auch in den Fällen des merger reicht es bei einer Veräußerung des wesentlichen Gesellschaftsvermögens (sale of substantially all assets) vielmehr aus, dass die Direktoren und eine Mehrheit der Gesellschafter zustimmt.2058 Vorangestellt sei die Bemerkung, dass hiervon nicht nur das Vermögen der Gesellschaft selbst, sondern auch das von Tochtergesellschaften jeder Rechtsform gehaltene Vermögen erfasst wird, sofern die Mutter die Tochter kontrolliert und alle Anteile an ihr hält. Gleiches gilt für weiter entfernte Beteiligungen (Enkelgesellschaften).2059 a) Voraussetzungen, Ausnahmen und erforderliche Mehrheiten Nach RMBCA § 12.02 (e) bedarf es bei einer Übertragung des wesentlichen Gesellschaftsvermögens eines Mehrheitsbeschlusses, wobei die Mehrheit der stimmberechtigten Anteile an der Abstimmung teilnehmen muss. Die Satzung kann auch höhere Mehrheiten vorsehen.2060 Zentral ist die Frage nach den Voraussetzungen einer Übertragung des wesentlichen Vermögens. Nach RMBCA § 12.02 wird die Zustimmungspflicht ausgelöst, wenn die Gesellschaft infolge der Vermögensübertragung außerstande sein wird, ihren Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten (if the disposition would leave the corporation without a significant continuing business activity). Davon geht das Gesetz aus, wenn die Gesellschaft am Ende des Geschäftsjahres nicht mindestens 25% des Vermögens, über das sie am Ende des Vorjahres verfügte, und 25% der zuvor erzielten Einkünfte aufweisen kann.2061 In Ausnahme hierzu bestimmt RMBCA ___________ 2057 2058 2059
2060
2061
Zu diesem Grundsatz nochmals der Hinweis auf Stout, 99 Yale L.J. 1235, 1285, fn. 273 (1990). Zusammenfassend Choper/Eisenberg, Corporations (Gilbert Law Summaries), 2005, p. 288. RMBCA § 12.02 (h): “The assets of a direct or indirect consolidated subsidiary shall be deemed the assets of the parent corporation for the purposes of this section”; Del. § 271 (c): “(. . .) the property and assets of the corporation include the property and assets of any subsidiary of the corporation. (. . .) ‘subsidiary’ means any entity wholly-owned and controlled, directly or indirectly, by the corporation and includes, without limitation, corporations, partnerships, limited partnerships, limited liability partnerships, limited liability companies, and/or statutory trusts (. . .)”. RMBCA § 12.02 (e): “Unless the articles of incorporation or the board of directors acting pursuant to subsection (c) requires a greater vote, or a greater number of votes to be present, the approval of a disposition by the shareholders shall require the approval of the shareholders at a meeting at which a quorum consisting of at least a majority of the votes entitled to be cast on the disposition exists”. RMBCA § 12.02 (a): “A sale, lease, exchange, or other disposition of assets, other than a disposition described in section 12.01, requires approval of the corporation’s shareholders if the disposition would leave the corporation without a significant continuing business activ-
D. Austrittsrechte de lege ferenda
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§ 12.01, dass es keiner Zustimmung durch die Gesellschafter bedarf, wenn Vermögensgegenstände im normalen Geschäftsbetrieb abfließen, wenn Schulden der Gesellschaft bezahlt werden, wenn die Übertragung auf eine andere Gesellschaft erfolgt, an der die übertragende Gesellschaft alle Anteile hält, oder wenn das Vermögen pro rata an die Gesellschafter (und zwar an alle oder auch nur die Inhaber einer bestimmten Anteilsgattung) verteilt wird. In Kalifornien bedarf es, wie auch bei einem merger, einer Zustimmung des board of directors und der Mehrheit der outstanding shares.2062 Ausgenommen sind hiervon nach Cal. Corp. Code § 1001 (a) Transaktionen, die dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb dienen (unless the transaction is in the usual and regular course of its business), und nach § 1000 ein Vermögensabfluss, der zur Erfüllung einer der Gesellschaft obliegenden Verpflichtung geleistet wird.2063 Soweit jedoch der beherrschende Gesellschafter das Vermögen der Gesellschaft erwirbt, bedarf es einer Zustimmung von mindestens 90% der stimmberechtigten Anteile.2064 In Delaware bedarf es neben der Zustimmung der Direktoren nach Del. Gen. Corp Law § 271 (a) auch einer Mehrheit der stimmberechtigten, von den Gesellschaftern gehaltenen (outstanding) Anteile. Ausgenommen sind nach Del. Gen. Corp. Law § 272 Belastungen des Gesellschaftsvermögens (“The authorization or consent of stockholders to the mortgage or pledge of a corporation's property and assets shall not be necessary.”) und Vermögensübertragungen an Tochtergesellschaften nach § 271 (c).2065 ___________
2062
2063
2064
2065
ity. If a corporation retains a business activity that represented at least 25% of total assets at the end of the most recently completed fiscal year, and 25% of either income from continuing operations before taxes or revenues from continuing operations for that fiscal year, in each case of the corporation and its subsidiaries on a consolidated basis, the corporation will conclusively be deemed to have retained a significant continuing business activity”. Cal. Corp. Code § 1001 (a): “A corporation may sell, lease, convey, exchange, transfer, or otherwise dispose of all or substantially all of its assets when the principal terms are approved by the board, and, unless the transaction is in the usual and regular course of its business, approved by the outstanding shares (Section 152), either before or after approval by the board and before or after the transaction”. Cal. Corp. Code § 1000: “Any mortgage, deed of trust, pledge or other hypothecation of all or any part of the corporation’s property, real or personal, for the purpose of securing the payment or performance of any contract or obligation may be approved by the board. Unless the articles otherwise provide, no approval of shareholders (Section 153) or of the outstanding shares (Sec. 152) shall be necessary for such action”. Die Ausnahme zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb entspricht daber schon den Grundsätzen des Common Law, Jeppi v. Brockman Holding Co., 34 Cal. 2 d 11 (Cal. 1949). Cal. Corp. Code § 1001 (d): “If the acquiring party in a transaction (. . .) is in control of or under common control with the disposing corporation, the principal terms of the sale must be approved by at least 90 percent of the voting power of the disposing corporation unless the disposition is to a domestic or foreign corporation or other business entity in consideration of the nonredeemable common shares or nonredeemable equity securities of the acquiring party or its parent“. Del. Gen. Corp. Law § 271 (c): “(. . .) no resolution by stockholders or members shall be required for a sale, lease or exchange of property and assets of the corporation to a subsidiary”. Zur hiervon abweichenden Holzmüller-Doktrin in Deutschland unter § 6 B.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
b) Austrittsrechte bei Vermögensübertragungen Nach RMBCA § 13.02 (a)(3) steht dem widersprechenden Gesellschafter schon dann ein Andienungsrecht zu, wenn er bei der Vermögensübertragung stimmberechtigt ist. Diesem weitreichenden Andienungsrecht folgen die Staaten nur bedingt: In Kalifornien besteht bei der gewöhnlichen Vermögensübertragung, die eine Veräußerung gegen Geld vorsieht, kein Austrittsrecht der widersprechenden Gesellschafter. Nur soweit es sich um eine reorganization nach § 1200 handelt und die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft erhalten, besteht nach § 1300 ein Austrittsrecht. Dahinter steht die Erwägung des Gesetzgebers, einen Zwang für die Gesellschafter, sich an einer anderen Gesellschaft beteiligen zu müssen, zu vermeiden.2066 Dem entspricht die Rechtslage in New York und der Mehrheit der Staaten. Auch dort steht den widersprechenden Gesellschaftern ein Andienungsrecht zu, wenn die Gesellschaft ihr gesamtes substantielles Vermögen gegen Anteile an einer Gesellschaft veräußert, NYBCL § 910 (b), nicht aber, wenn die Gegenleistung in Geld besteht und die Gesellschaft innerhalb eines Jahres ab dem Verkauf aufgelöst wird.2067 In Delaware besteht demgegenüber überhaupt kein Austrittsrecht bei Vermögensübertragungen.2068
3. Umgehungsprobleme und Forderung nach weiter gehenden Andienungsrechten Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass der beschränkte Anwendungsbereich der appraisal rights und die enge Definition von mergers und sale of substantially all assets dazu führen, dass deren Voraussetzungen einfach zu umgehen sind. Dies führt dazu, dass eine Mitwirkung der Gesellschafter an einer wesentlichen Umstrukturierung und ein Andienungsrecht vermieden werden können. Vor allem das Recht von Delaware bietet hierzu reichlich Möglichkeiten, da dort, wie soeben dargestellt, Austrittsrechte nur bei förmlichen mergers bestehen, nicht hingegen bei Vermögensübertragungen, sei es gegen Bargeld oder im Wege der Aktientausches. Eine beliebte Umgehungsgestaltung besteht daher darin, das Vermögen oder Anteile an der einen Gesellschaft gegen Anteile an der anderen zu übertragen.2069 ___________ 2066 2067
2068 2069
Näher Oesterle, Mergers and Acquisitions in a nutshell, 2001, p. 68. NYCLA § 910 (b): “Any sale, lease, exchange or other disposition of all or substantially all of the assets of a corporation which requires shareholder approval under section 909 (Sale, lease, exchange or other disposition of assets) other than a transaction wholly for cash where the shareholders’ approval thereof is conditioned upon the dissolution of the corporation and the distribution of substantially all of its net assets to the shareholders in accordance with their respective interests within one year after the date of such transaction”. Siehe etwa Oesterle, Mergers and Acquisitions in a nutshell, 2001, p. 66. Dazu Hariton v. Arco Electronics, Inc., 182 A. 2 d 22 (Del. Ch. 1962); Farris v. Glen Alden Corp., 143 A. 2 d 25 (Pa. 1958); Rath v. Rath Packing Co., 136 N. W. 2 d 410 (Iowa 1965).
D. Austrittsrechte de lege ferenda
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Das kalifornische Recht verfolgt demgegenüber einen wirkungsvolleren Ansatz, da es nicht bei der Form einer Transaktion stehen bleibt, sondern eine Strukturänderung im Ganzen bewertet und hieran Schutzmechanismen zu knüpfen vermag. So werden Stimm- und Andienungsrechte der Gesellschafter auch an den Vorgang einer Strukturänderung (reorganization) geknüpft und dabei die Wirkungen, weniger das Verfahren bewertet.2070 Eine Lücke verbleibt, wenn der Gesellschaft für eine Vermögensübertragung Bargeld zufließt, da dieser Vorgang gerade nicht als reorganization bewertet wird. Als Antwort auf die bestehenden Lücken wurde von der Rechtsprechung die de facto merger doctrine entwickelt. Danach finden die Regeln zu mergers Anwendung, wenn eine Gesellschaft praktisch das gesamte Vermögen einer anderen Gesellschaft erwirbt und ihre Verbindlichkeiten übernimmt, während im Gegenzuge Anteile gewährt werden.2071 Aufgrund dieser hohen Voraussetzungen ist der Anwendungsbereich der Doktrin freilich stark beschränkt. In allen übrigen Fällen liegt das Augenmerk auf den Bedingungen der Vermögensübertragung. Insoweit kann auf die Darstellung des intrinsic fairness test unter § 7 A. III. 4. verwiesen werden. Soweit daneben kein Andienungsrecht der Gesellschafter besteht, tritt auch die problematische Frage nach dessen Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen nicht auf.2072 Diese Rechtslage wird in der Literatur verbreitet als unbefriedigend empfunden. Vor allem für closely held corporations werden weitergehende Andienungsrechte gefordert. Die Notwendigkeit hierzu wird in der schwierigen Ausgangslage der Minderheitsgesellschafter gesehen, die ihre Beteiligung regelmäßig nicht frei am ___________ 2070 2071
2072
Nach Cal. Corp. Code § 1201 (a) bedarf es der Zustimmung der Mehrheit in allen beteiligten Gesellschaften, und nach § 1300 (a), (b) besteht ein appraisal right. Entscheidend kommt es darauf an, ob die Transaktion alle Züge eines merger trägt und dessen Folgen praktisch auslöst, Farris v. Glen Alden Corp., 143 A. 2 d 25 (Pa. 1958); Rath v. Rath Packing Co., 136 N. W. 2 d 410 (Iowa 1965). Dieses Verhältnis ist insgesamt wenig geklärt. RMBCA § 13.02 verweist die Gesellschafter auf das Andienungsrecht als einzigen Rechtsbehelf, soweit ein solches zur Verfügung steht, sofern nicht der Fall eines Gesetzesbruchs oder Betrugs zulasten des Gesellschafters oder der Gesellschaft vorliegt. Aus der umfangreichen Rechtsprechung Cede & Co. V. Technicolor (Del. 1988); Geddes v. Anaconda Copper Mining Co., 254 U. S. 590 (Ct. 1921); May v. Midwest Refining Co., 121 F. 2 d 431 (C. C. A. 1st Cir. 1941); Kidd v. New Hampshire Traction Co., 56 A. 465 (N. H. 1903); Outwater v. Public Service Corp. of New Jersey, 143 A. 729 (N. J. Ch. 1928);Johnson v. Baldwin, 69 S. E. 2 d 585 (S.C. 1952); Hoggett v. Brown, 971 S. W. 2 d 472 (Tex. App. 14th Dist. 1997); Moore v. Los Lugos Gold Mines, 21 P. 2 d 253 (Wash. 1933); Pritchard v. Mead, 455 N. W. 2 d 263 (Ct. App. 1990). Zu der Ansicht, dass die Abfindungsrechte nur abschließend sind, soweit sich der Gesellschafter mit den Bedingungen der Abfindung nicht bereit findet, siehe Krieger v. Gast, 122 F. Supp. 2 d 836 (W.D. Mich. 2000) (applying Michigan law); Grace Bros., Ltd. v. Farley Industries, Inc., 450 S. E. 2 d 814 (Ga. 1994); Settles v. Leslie, 701 N. E. 2 d 849 (Ind. Ct. App. 1998); Walter J. Schloss Associates v. Arkwin Industries, Inc., 460 N. E. 2 d 1090 (N. Y. 1984); IRA for Benefit of Oppenheimer v. Brenner Companies, Inc., 419 S. E. 2 d 354 (N. C. 1992); Stepak v. Schey, 553 N. E. 2 d 1072 (Ohio 1990); American Network Group, Inc. v. Kostyk, 834 S. W. 2 d 296 (Tenn. Ct. App. 1991); Pritchard v. Mead, 455 N. W. 2 d 263 (Wis. Ct. App. 1990).
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
Markt veräußern und auch die Auflösung der Gesellschaft nicht betreiben können, da hierfür neben einem Beschluss der Direktoren die Zustimmung der Mehrheit der Gesellschafter vorausgesetzt wird. Hieraus folgert, dass die Minderheitsgesellschafter in besonderem Maß der Willkür des Mehrheitsgesellschafters ausgesetzt sind.2073 Zur dogmatischen Begründung eines Austrittsrechts wird auf die partnership verwiesen, in der ein faktisches Austrittsrecht besteht, da jeder Partner jederzeit die Auflösung betreiben kann.2074 Es sei kein Grund ersichtlich, warum der Gesellschafter der closely held corporation demgegenüber benachteiligt werden sollte.2075 Diese Feststellungen sind für den Minderheitsschutz im deutschen Recht insoweit bedeutend, als die Regelungen im UmwG und in § 179 a AktG unter Hinzuziehung der (gesicherten) Grundsätze in Rechtsprechung und Literatur als (deutlich) ausgewogener angesehen werden können, insbesondere weil Umgehungen schwieriger sind als im US-amerikanischen Recht. Dazu dient nicht zuletzt der hier vertretene Ansatz, bei allen mit einem Eingriff in die Rechtstellung der Gesellschafter verbundenen Maßnahmen einheitliche Maßstäbe anzulegen, da hierdurch Umgehungen uninteressant werden. Wenn demgegenüber die Rechtslage in den USA als Argument angeführt wird, eine Lockerung des Minderheitsschutzes im deutschen Recht zu fordern,2076 erscheint dies vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Diskussion um eine Verbesserung des Minderheitsschutzes in den USA die offenbare Unzufriedenheit mit der geltenden Rechtslage offenbart,2077 unverständlich.
___________ 2073 2074
2075
2076 2077
Gevurtz, Corporation Law, 2000, p. 465; zu den Bedenken gegen ein ausgedehntes right of appraisal Brudney/Chirelstein, 88 Harv. L. Rev. 297, 304 (1974) m. w. N. Under §§ 601 and 602 of the RUPA, a partner may dissociate from the partnership at will, at any time, rightly or wrongly. Revised Unif. Partnership Act §§ 601, 602 (1997). Under § 602(a), partners have the power to withdraw at any time, a power that is immutable under § 103(b)(6). See id. at §§ 602(a), 103(b)(6), 601 cmt. 2. Under § 701, if a partner is dissociated from the partnership, and the partnership continues, the partnership must buy out the dissociated partner’s interest for “the amount that would have been distributable to the dissociating partner (. . .) if, on the date of dissociation, the assets of the partnership were sold at a price equal to the greater of the liquidation value or the value based on a sale of the entire business as a going concern,” less any damages caused by wrongful dissolution. Id. at § 701. Hetherington/Dooley, 63 Va. L. Rev. 1 (1977). Diese Forderungen wurden in der Rechtsprechung freilich teilweise bereits umgesetzt, siehe die Darstellung unter § 2 B. und beispielhaft Donahue v. Rodd, 328 N. E. 2 d 505, 512 (Mass. 1975). So die Tendenz bei Roth, NZG 2003, 998 ff. Siehe etwa Klein/Ramseyer/Bainbridge, Business Associations, 5th ed. 2003, p. 716–762. Zustimmend aber etwa Cox/Hazen/O’Neal, Corporations, 1997, § 22.06. Dazu auch sogleich unter II.1.
D. Austrittsrechte de lege ferenda
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II. Forderungen nach einem ordentlichen Austrittsrecht im deutschen Recht 1. Einwände gegen ein Andienungsrecht Der Haupteinwand gegen ein Andienungsrecht, das die Wirkung eines ordentlichen Austrittsrechts besitzt, lautet, dass die übrigen Gesellschafter unter der ständigen Bedrohung eines alsbaldigen und für die Gesellschaft gefährlichen Kapitalabflusses leben müssten.2078 Daneben wird auf die Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz des unkündbaren Eigenkapitals, wonach der Gesellschafter an den Chancen, aber auch den Risiken der Gesellschaftsentwicklung teilhat, hingewiesen.2079 Den Interessen des Verbandes würde es zuwiderlaufen, wenn ihr das zur Geschäftstätigkeit erforderliche Kapital jederzeit entzogen werden könnte. Eine unternehmerische Tätigkeit der Gesellschaft sei nur möglich, wenn sie mit dem vorhandenen Kapital haushalten könne und nicht mit einem ständigen Abzug zu rechnen brauche.2080 Tatsächlich kann ein an geringe Voraussetzungen gebundenes Austrittsrecht die Gesellschaft für Erpressungen einzelner Gesellschafter anfällig machen, während das Versprechen zu solidarischer Zusammenarbeit, das sich die Gesellschafter gegenseitig gegeben haben, an Bedeutung verliert. Das wurde im Zusammenhang mit den Kündigungsrechten bei Personengesellschaften schon erwähnt. Daraus wird gefolgert, dass eine gemeinsame Zweckverfolgung auf verlässlicher Basis bei einem ordentlichen Austrittsrecht kaum noch denkbar sei.2081
2. Argumente für ein Andienungsrecht Demgegenüber kann als eines der Hauptargumente für ein generelles Andienungsrecht auf dessen Wirkungen für das Innenverhältnis der Gesellschafter verwiesen werden: Ein Recht zum ordentlichen Austritt schafft ein Gegengewicht zur Machtstellung des Mehrheitsgesellschafters, die sich gerade in dessen Ausschlussrechten äußert. Die Gefahr einer systematischen Benachteiligung der eingeschlossenen Minderheit durch den Mehrheitsgesellschafter wird durch ein generelles Austrittsrecht spürbar abgeschwächt.2082 Außerdem verschwindet die Anreizwirkung für ___________ 2078 2079 2080 2081
2082
Martens, GmbHR 1984, 265, 271 f. (innergesellschaftliche Instabilität); Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 469. Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 193 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 401. Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1064 f. Rock/Wachter, 24 J. CORP. L. 913, 917 (1999): “Providing ease of dissolution or buyouts would only serve to weaken the bonds that align the parties’ interests.” Zugleich ist zu betonen, dass sich diese Autoren stattdessen für verstärkte Bindungen durch Treuepflichten aussprechen. Hetherington/Dooley, 63 Va. L. Rev. 1, 2 seq. (1977); Meinhardt, 40 Wash. L. J., 289, 309 (2001).
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
Umgehungsgestaltungen, die einer Vermeidung der Voraussetzungen für ausdrücklich normierte Austrittsrechte dienen.2083 Auch würden die Kontrollmöglichkeiten der (Minderheits-)Gesellschafter gegenüber der Unternehmensführung gestärkt, da sich diese jedenfalls bei Maßnahmen mit erheblichem Belastungspotential der Zustimmung der (Minderheits-)Gesellschafter versichern und evtl. zu Zugeständnissen bereit finden müsste, um einen Kapitalabzug zu verhindern. In letzter Konsequenz könnte die Geschäftsleitung gezwungen sein, ihre Pläne zu überdenken, insbesondere eine sehr genaue Prognose für die Auswirkungen der Strukturmaßnahmen zu erarbeiten, um die Rentabilität der geplanten Maßnahmen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Kapitalabwanderung beurteilen zu können. Dies verspricht einen effektiven Informationsfluss zwischen der Geschäftsleitung und den Gesellschaftern und einen Gewinn an Entscheidungsrationalität. Indem die Minderheit stärker in den Entscheidungsprozess der Gesellschaft eingebunden wird, sinkt zudem die Gefahr einer Blockade der Maßnahme durch Anfechtungsklagen und sonstige Rechtsbehelfe. Auch aus ökonomischer Sicht werden Andienungsrechte bei wesentlichen Strukturänderungen teilweise befürwortet. Wie bereits mehrfach angesprochen, verändern grundlegende Strukturänderungen die Risikozuordnung des Investments in derart beträchtlicher Weise, dass von den Grundlagen der ursprünglichen Investitionsentscheidung des einzelnen Gesellschafters nicht viel übrig bleibt. Während sich die zustimmende Mehrheit von diesem Risikowechsel erhöhte Gewinnchancen verspricht, scheut die dissentierende Minderheit diese Risiken. Wird diesen ein Austrittsrecht gewährt, verändert sich die Risikozuordnung der Transaktion erneut, da nunmehr die durch die Strukturänderung erhofften Chancen auch den bevorstehenden Kapitalentzug auffangen müssen. Bei rationalem Verhalten müssen die von der Strukturänderung erwarteten Chancen daher beträchtlich sein. Daraus wird der Schluss gezogen, dass Austrittsrechte in diesen Konstellationen die Gefahr verlustreicher Transaktionen verringern, mithin also einen volkswirtschaftlichen Nutzen versprechen.2084 Das Gegenargument wurde bereits mehrfach erwähnt: Erfolgsversprechende Maßnahmen könnten durch auch allzu vorsichtigen Unternehmenspolitik verhindert werden. Daneben gilt das allgemein zugunsten eines effektiven Minderheitsschutzes sprechende Argument, dass der Anreiz, in eine Gesellschaft zu investieren, mit zunehmendem Schutz vor unliebsamen Veränderungen steigt. Vor allem ein Austrittsrecht in Situationen, in denen der primäre Ausstieg über liquide Märkte faktisch unmöglich ist, weil vorgesehene Strukturänderungen jeden Anreiz für Investoren zunichte machen können, trägt zur Sicherheit des Minderheitsgesellschafters bei.2085 ___________ 2083 2084 2085
Vgl. Hasselbach, ZGR 2005, 387, 399. Siehe dort auch zu einem Überblick über die Rechtslage in anderen europäischen Rechtssystemen. Letsou, 39 B.C. L. Rev. 1121, 1140 seq. (1998). Fleischer, ZGR 2002, 757, 773; Hasselbach, ZGR 2005, 387, 399; Rößler, Squeeze Out, 2007, S. 161; für das Andienungsrecht nach WpÜG auch die Gesetzesbegründung, BR-Drs. 574/01, S. 2 f.
D. Austrittsrechte de lege ferenda
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3. Stellungnahme a) Kein generelles Austrittsrecht Bei einer Bewertung dieser Argumente überwiegen die Bedenken gegen ein generelles Austrittsrecht. Durch ein solches würde der einzelne Gesellschafter über Gebühr begünstigt, da sich die Fungibilität seines Investments sogar gegenüber einem Handel seiner Anteile an der Börse verbessern würde. Ein Austritt wäre nicht nur bei entsprechendem Bedarf an den Kapitalmärkten, sondern stets und überdies zum (mitunter gegenüber dem Marktwert erhöhten) Verkehrswert der Beteiligung möglich.2086 Der Gesellschaft würde demgegenüber, anders als beim Aktienhandel, Kapital entzogen und kein neues zugeführt. Dieses Risiko trägt das Potential in sich, die Gesellschaft zu lähmen und einen funktionierenden Geschäftsbetrieb unmöglich zu machen. Hinzu kommt, dass ein ordentliches Austrittsrecht aus Gründen des Minderheitsschutz im deutschen Recht jedenfalls nach der hier vertretenen Eingriffskontrolle, die einen effektiven Schutz gegen rechtswidrige Beeinträchtigungen gewährleistet, nicht erforderlich ist. Zwar ist nicht zu übersehen, dass ein solches die mitunter komplizierte Inhaltskontrolle belastender Maßnahmen überflüssig machen könnte. Soweit sich feststellen ließe, dass jeder Minderheitsgesellschafter, einem Kleinaktionär in einer börsennotierten Aktiengesellschaft entsprechend, auf die Entwicklung in der Gesellschaft nur noch mit der Ausübung seines Austrittsrechts reagieren und demgegenüber seine Mitverwaltungsrechte vernachlässigen würde, könnte, wie unter § 4 B. I. 2. d) für börsennotierte Aktiengesellschaften vertreten, auf die Rechtmäßigkeitskontrolle beeinträchtigender Maßnahmen möglicherweise ganz verzichtet werden. Vielmehr wäre nur noch sicherzustellen, dass der Abfindungsanspruch nicht beeinträchtigt wird. Doch liegt die Befürchtung nahe, dass hierdurch besonders in kleinen Kapitalgesellschaften mit überschaubarem Gesellschafterkreis eine konstruktive und solidarische Zusammenarbeit kaum noch gewährleistet wäre. Außerdem wäre gerade in diesen Gesellschaften fraglich, ob die Abfindungsansprüche vor dem Hintergrund gläubigerschützender Kapitalerhaltungsvorschriften realisiert werden können. Daher wurde hier unter § 4 einer angemessenen Kombination von Voice und Exit der Vorzug gegenüber einer einseitigen Stärkung des Exit eingeräumt.2087 Im Interesse der Gesellschaft, der hinsichtlich eines drohenden Kapitalabzugs die Möglichkeit einzuräumen ist, die Folgen eines begangenen Fehlers auszuräumen ___________ 2086 2087
Zu den Abfindungsgrundsätzen sogleich unter § 11. Zu den Begrifflichkeiten (nochmals) der Hinweis auf den grundlegenden Beitrag von Hirschman, Exit, Voice and Loyalty, 1970, p. 30: ”Voice is any attempt at all to change, rather than to escape from, an objectionable state of affairs, whether through individual or collective petition to the management directly in charge, through appeal to a higher authority with the intention of forcing a change in management, or through various types of actions and protests.“ Kürzer ausgedrückt handelt es sich um die Artikulation der eigenen Interessen (interest articulation). Zugleich bezeichnet er „Voice“ als die politische, „Exit“ als die wirtschaftliche Lösung, a. a. O., S. 15 f.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
und Wiederholungen in Zukunft zu vermeiden, und der Gesellschafter, denen primär daran gelegen ist, unter Wahrung ihrer Rechte in der Gesellschaft zu verbleiben und sich nicht auf die Suche nach einem möglicherweise nicht vorhandenen Alternativinvestment begeben zu müssen,2088 ist von einem generellen Andienungsrecht abzusehen. b) Normiertes Austrittsrecht aus wichtigem Grund bei wesentlicher Veränderung der Beteiligung Von diesem generellen ordentlichen Austrittsrecht ist die Frage nach Austrittsrechten in besonderen Konstellationen zu unterscheiden. Dass es sich bei den gesetzlich geregelten Austrittsrechten um normierte Austrittsrechte aus wichtigen Grund handelt, wurde bereits dargestellt. Eine Ausweitung der gesetzlichen Normierung kommt für die Fälle in Betracht, in denen die zum Austritt aus wichtigem Grund berechtigenden Umstände regelmäßig oder typischerweise eintreten.2089 So ist daran zu denken, ein Austrittsrecht in jeder Umwandlungssituation zuzulassen und die Entscheidung über das Wahlrecht in § 305 II AktG beim Abschluss von Unternehmensverträgen auf den Aktionär zu übertragen. Hinzukommen muss, dass wegen der damit verbundenen Unsicherheit für die Gesellschaft und die Mitgesellschafter ein Andienungsrecht nicht zeitlich unbeschränkt bestehen kann, sondern in zeitlicher Nähe zu dem relevanten Vorgang ausgeübt werden muss. Hier besitzt die im WpÜG vorgesehene Dreimonatsfrist Vorbildfunktion. Dagegen wird das bekannte und in seiner Generalität hier bereits mehrfach abgelehnte Argument herangezogen, dass die Minderheit mit dem drohenden Kapitalabfluss wirtschaftlich sinnvolle Kontrolltransaktionen verhindern oder erschweren könnte. Die Gesellschafter seien bei geschlossenen Gesellschaften darauf verwiesen, ihr Innenverhältnis im Gesellschaftsvertrag auszugestalten. Da dies bei Publikumsgesellschaften ausscheide, sei lediglich bei diesen ein (abdingbares) Austrittsrecht in den Fällen der Kontrollerlangung oder des Kontrollwechsels überlegenswert.2090 Diese Argumentation läuft daher diametral zu der im US-amerikanischen Recht, wo doch gerade für die geschlossenen Gesellschaften ein Austrittsrecht befürwortet wird. Auch sollte ein Austrittsrecht nicht auf börsennotierte Gesellschaften beschränkt werden, wie es in vielen europäischen Rechtssystemen der Fall ist.2091 Zwar können bei diesen nachteilige Veränderungen in der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises aufgrund von Transaktionen am Kapitalmarkt besonders schnell und ein___________ 2088 2089
2090 2091
Zu allem Hirschman, Exit, Voice and Loyalty, 1970, p. 26, 79, 83. Im Grundsatz ähnlich Hirschman, Exit, Voice and Loyalty, 1970, p. 37, wonach die VoiceOption zur Verfügung stehen muss, um dem Gesellschafter die Wahl zu lassen, wenn Veränderungen in der Gesellschaft Erfolg versprechen und der Verbleib in der Gesellschaft gegenüber einem Wechsel zum Konkurrenzunternehmen vorzugswürdig erscheint, umgekehrt aber der Exit-Option als last resort der Vorzug zu geben ist, wenn die Voice-Option versagt oder sich als ineffektiv erweist. Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 165–167. Dazu der Überblick bei Hasselbach, ZGR 2005, 387, 397 f.
D. Austrittsrechte de lege ferenda
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fach eintreten. Umgekehrt ist der Austritt bei nicht-notierten Gesellschaften jedoch besonders schwer, mitunter gar unmöglich, so dass die vielfach betonte Gefahr, in der Gesellschaft eingeschlossen zu sein, auftritt.2092 Auch fehlt ein Austrittsrecht bei Satzungsänderungen. Bei Satzungsänderungen, die zu einer unzumutbaren Situation für den Gesellschafter führen, liegen zwar die Voraussetzungen für einen außerordentlichen Austritt vor; gleichwohl würde eine gesetzliche Verankerung des Austrittsrechts für erhöhte Rechtssicherheit sorgen. Denkbar wäre auch, das Recht zum Austritt aus wichtigem Grund im Aktien- und GmbH-Recht in die Form einer Generalklausel zu gießen, die einige typische Konstellationen, darunter wesentliche Satzungsänderungen, als regelmäßige Anwendungsfälle für ein Andienungsrecht vorsieht. c) Austrittsrecht eingeschlossener Aktionäre bei überragender Beteiligung des Mehrheitsgesellschafters Die „hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa“2093 empfiehlt in ihrem Bericht, den Aktionären ein Andienungsrecht zu gewähren, wenn sie sich einer erdrückenden Mehrheit gegenübersehen. Die Schwelle hierzu soll erreicht sein, wenn dem Mehrheitsaktionär seinerseits das Recht zusteht, die Minderheit aus der Gesellschaft zu drängen. Dass ein entsprechendes Recht im Übernahmerecht bereits besteht, hält die Expertengruppe nicht für ausreichend, sondern spricht sich für ein generelles Austrittsrecht in allen Situationen aus, in denen Minderheitsgesellschafter in Kapitalgesellschaften eingeschlossen sind, unabhängig von ihrer Börsennotierung und unabhängig davon, wie die Mehrheitsverhältnisse zustande gekommen sind.2094 Besonders wichtig sei dieses Austrittsrecht in konzernangehörigen Gesellschaften, da dort Interessenkonflikte und agency-Probleme regelmäßig auftreten.2095 Dieser Vorschlag verdient grundsätzlich Unterstützung. Nach hier vertretener Ansicht ist das Recht des Aktionärs, der über eine Beteiligung von 95% verfügt, die Minderheitsaktionäre auszuschließen, Ausdruck des allgemeinen Prinzips, dass ein Quasi-Alleineigentümer der Gesellschaft seine Interessen über die der Gesellschaft stellen darf und nur noch die Vermögensinteressen der Minderheitsgesellschafter zu wahren braucht. Dies verändert aus Sicht der Minderheit die Grundlagen der Mitgliedschaft in einer Weise, die in ihren Wirkungen solchen Strukturänderungen, die nach gesetzgeberischer Intention Andienungsrechte auslösen, vergleichbar ist. Das Argument der „Waffengleichheit“2096 ist daher insoweit zutreffend, als das Interesse des Minderheitsgesellschafters an einem Kapitalabzug in dieser Situation über das Interesse der Gesellschaft, faktisch das des ___________ 2092 2093 2094 2095 2096
So auch die Argumentation von Hasselbach, ZGR 2005, 387, 398. Abgedruckt als Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672. Dazu die Bewertung von Windbichler, 1 EBOR 265 (2000). Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 736–739. Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 729–731. So Rößler, Squeeze Out, 2007, S. 161.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
Mehrheitsaktionärs, gestellt werden darf. Nicht nur in der Aktiengesellschaft, sondern auch in der GmbH kommt daher in Betracht, ein allgemeines Austrittsrecht bei Beteiligungen des Mehrheitsaktionärs von mindestens 95% zu begründen. Hinzu tritt ein weiterer Anwendungsfall: Wie noch auszuführen sein wird,2097 besteht ein bedenkliches Schutzdefizit bei Begründung einer Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG, da sich diese regelmäßig durch bloßen Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung durch einen Unternehmensgesellschafter vollzieht. Ein Andienungsrecht besteht nach § 35 WpÜG jedoch nur in börsennotierten Aktiengesellschaften, obwohl ein Gesellschafter, der sich gerade nicht durch eine Veräußerung an der Börse von seiner Beteiligung zu trennen vermag, den durch die Abhängigkeit begründeten Gefahren ungleich stärker ausgesetzt ist. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist die Frage zu bejahen, ob ein in diesen Fällen aufgedrängter Eigentumserwerb mit Art. 14 GG zu vereinbaren ist (Stichwort negative Freiheit). Als Rechtfertigung trägt, wie schon bei den Andienungsrechten im Übernahmerecht angeführt, dass die dominierende Kontrollmehrheit und die damit einhergehenden Rechte und Pflichten freiwillig erworben wurden.2098 E. Zusammenfassung
E. Zusammenfassung I. Standardisierte Austrittsrechte existieren bei Strukturmaßnahmen im Umwandlungs-, Konzern- und Übernahmerecht. Im Umwandlungsrecht bewertet der Gesetzgeber gewisse Veränderungen der Mitgliedschaft als so gravierend, dass er den betroffenen Gesellschaftern ein Austrittsrecht zugesteht, so bei einem Rechtsformwechsel der Gesellschaft oder bei neu entstehenden Verfügungsbeschränkungen. Der Konflikt zu den Kapitalerhaltungsvorschriften ist für diese Fälle ausdrücklich geregelt. II. Im Konzernrecht können der Abschluss von Unternehmensverträgen nach § 305 AktG und die Eingliederung nach § 320a AktG zu einem Ausscheiden der Minderheitsaktionäre führen. Dem Austrittsrecht nach § 305 AktG liegt die Wertung zugrunde, dass die mit dem Abschluss eines Unternehmensvertrages verbundenen nachteiligen Wirkungen so gravierend sind, dass der Aktionär gegen angemessene Abfindung aus der Gesellschaft ausscheiden darf. Abhängig von der Struktur der herrschenden Gesellschaft erhält der Aktionär bei § 305 AktG eine Abfindung in Bar oder in Anteilen an einer anderen Gesellschaft. Der Grundsatz lautet, dass er grundsätzlich auf eine Art abgefunden werden soll, die seiner bisherigen Beteiligung wirtschaftlich am nächsten kommt, dass eine Mitgliedschaft in einer ihrerseits abhängigen neuen Gesellschaft jedoch ausscheidet. III. Im Übernahmerecht garantiert ein Andienungsrecht in verschiedenen Stadien und Situationen einer Übernahme, dass kein Aktionär gegen seinen Willen in einer ___________ 2097 2098
Siehe dazu die Darstellung unter § 14 III 1. Vgl. die Bewertung beim aufgedrängten Erwerb infolge von Übernahmevorgängen bei Stumpf, NJW 2003, 9, 12.
E. Zusammenfassung
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fortan beherrschten Gesellschaft verbleiben muss. Von besonderer Bedeutung ist das Andienungsrecht nach § 39 c WpÜG in Situationen, in denen der Mehrheitsgesellschafter nach § 39 a WpÜG ein Ausschlussverfahren durchführen könnte. Es handelt sich um die gesetzliche Verlängerung der Frist zur Annahme des Übernahmeangebots des Mehrheitsaktionärs und dient dem Ziel, die Minderheitsaktionäre nicht aus Furcht vor einem drohenden Einschluss in einer beherrschten Aktiengesellschaft zu einer übereilten Veräußerung ihrer Anteile zu bewegen. IV. Der Kreis der normierten Austrittsrechte aus wichtigem Grund ist begrenzt und der Wille des Gesetzgebers erkennbar, diesen als abschließend zu betrachten. Bei der Frage nach einer Ausweitung der Andienungsrechte de lege ferenda ist insbesondere auf das US-amerikanische Recht zurückzugreifen, das Andienungsrechte in besonderen Situationen vorsieht und in dem die Diskussion über eine Ausweitung der Austrittsrechte engagiert geführt wird. In der deutschen Diskussion überzeugen die Einwände gegen ein ordentliches Austrittsrecht. Demgegenüber verdienen die Überlegungen zu einer Ausweitung der normierten Austrittsrechte aus wichtigem Grund Unterstützung. Sinnvoll wäre es, ein Austrittsrecht generell in Umwandlungssituationen zuzulassen und die Entscheidung über das Wahlrecht in § 305 II AktG beim Abschluss von Unternehmensverträgen auf den Aktionär zu übertragen. Außerdem sollten Satzungsänderungen mit einem Austrittsrecht der dissentierenden Gesellschafter einhergehen. Weiterhin verdient der Vorschlag Unterstützung, Aktionären ein Andienungsrecht zu gewähren, wenn sie sich einer erdrückenden Mehrheit gegenübersehen. Die Schwelle bei einer Beteiligung anzusiedeln, bei der dem Mehrheitsaktionär seinerseits das Recht zusteht, die Minderheit aus der Gesellschaft zu drängen, stimmt mit hier vertretenen Ansatz überein, wonach der Mehrheitsgesellschafter mit einer überragenden Beteiligung seine Interessen mit denen der Gesellschaft gleichsetzen darf. Zudem sollte der Fall erfasst sein, dass die Gesellschaft in eine Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG gerät.
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§ 10 Das Recht auf Lösung von der Beteiligung
A. Die Grundsätze im deutschen Recht
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§ 11 Die Grundsätze der Abfindungsbemessung
§ 11 Die Grundsätze der Abfindungsbemessung Scheidet der Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, ergibt sich als Rechtsfolge ein Anspruch auf Abfindung, der sich regelmäßig gegen die Gesellschaft, mitunter aber auch gegen den Mehrheitsgesellschafter richtet.2099 Das Gesetz enthält dabei zwar regelmäßig Vorgaben zur Berechnung eines Umtauschverhältnisses, begnügt sich bei der Barabfindung aber regelmäßig mit dem Gebot, den Gesellschafter angemessen abzufinden, so in §§ 29 UmwG, 305 I, 320 b I 1, 327 a I 1 AktG. Die gleiche Vorgabe gilt, das hat die Darstellung unter §§ 9 f. ergeben, auch bei einem Ausscheiden außerhalb der gesetzlich ausdrücklich geregelten Tatbestände. Im Folgenden ist der bislang im Detail nicht geklärten Frage nachzugehen, nach welchen Grundsätzen diese angemessene Abfindung zu bestimmen ist. A. Die Grundsätze im deutschen Recht
A. Die Grundsätze im deutschen Recht I. Der Grundsatz der vollwertigen Abfindung 1. Abfindung zum Verkehrswert als verfassungsrechtliche Vorgabe Der Verweis auf eine angemessene Abfindung in den erwähnten Vorschriften beruht auf verfassungsrechtlicher Vorgabe: Der Schutz der Mitgliedschaft durch Art. 14 I GG gebietet es, den Gesellschafter für den Verlust seiner Mitgliedschaft angemessen abzufinden, da der Verlust der Mitgliedschaft nicht mit einem Vermögensverlust einhergehen darf. Daher ist in sämtlichen Gesellschaftsformen eine volle wirtschaftliche Kompensation erforderlich, also eine Abfindung, die dem Wert der Unternehmensbeteiligung entspricht. Geschuldet ist daher der objektive Verkehrswert der Beteiligung.2100 ___________ 2099 2100
Dazu die Darstellung der einzelnen Ausschluss- und Austrittstatbestände unter §§ 9, 10. So für die AG BVerfG ZIP 2007, 175, 176 (Siemens/Nixdorf); BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 (Moto Meter); BVerfGE 100, 289, 303 = NJW 1999, 3769, 3771 (DAT/Altana); BVerfG ZIP 1999, 1804 = NZG 2000, 28, 29 (Hartmann & Braun); BVerfG WM 2007, 1520, 1521; auch schon BVerfGE 14, 263, 278 (Feldmühle); bestätigt durch BVerfG WM 2003, 1813 (DAB/Hansa); siehe auch BVerfG NJW 2007, 3268 3270 (Rn. 26). Den Grundsätzen zustimmend BGHZ 147, 108, 115 = NJW 2001, 2080; OLG Düsseldorf AG 2005, 293, 294; BayObLG BB 2003, 275, 277; OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 330; für die GmbH BGHZ 9, 157, 168; BGHZ 16, 317, 322; BGHZ 32, 17, 23; BGHZ 116, 359, 375; aus der Literatur etwa Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl.
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§ 11 Die Grundsätze der Abfindungsbemessung
Die Abfindung muss den Wert der Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen unter Einschluss der stillen Reserven und des inneren Geschäftswerts widerspiegeln.2101 Dieser Wert entspricht dem objektiven Veräußerungserlös, der bei einer freien Desinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der Entscheidung über den zur Abfindung berechtigenden Umstand erzielt worden wäre.2102 Maßgeblich ist daher der sog. Schiedspreis als derjenige Wert, den der Aktionär bei Verkauf der Beteiligung am Markt erzielen könnte. Im Gegensatz hierzu ist unter dem Grenzpreis der Wert zu verstehen, der notwendig ist, um bei einer Ersatzinvestition in öffentlichen Anleihen so dazustehen wie bei Verbleib in der unveränderten Gesellschaft.2103
2. Einschränkungen im Interesse der Gesellschaft Nur ausnahmsweise kann anderes gelten: Mit seinem Beitritt ist der Gesellschafter die Verpflichtung eingegangen, den Gesellschaftszweck zu fördern. Diese Verpflichtung hat auch noch zum Zeitpunkt seines Ausscheidens Bestand, so dass er sich die damit eingegangene Sozialbindung entgegenhalten lassen muss. Dies kann, auch das wurde schon angesprochen,2104 im Einzelfall zu Einschränkungen des Abfindungsanspruchs führen. So kann der ausscheidende Gesellschafter gehalten sein, der Gesellschaft einen Zahlungsaufschub einzuräumen oder (im Ausnahmefall und unter hohen Voraussetzungen) sich gar mit einer geringeren Abfindung einverstanden zu erklären.2105 Die im Folgenden dargestellten Grundsätze gelten für alle Formen des angemessenen Ausgleichs.2106 Sie sind daher für die Bemessung des Ausgleichs nach ___________
2101 2102 2103
2104 2105
2106
2010, § 305, Rn. 37; Gehrlein, Ausschluß und Abfindung von GmbH-Gesellschaftern, 1997, Rn. 530; Naschke, Der Börsenkurs als Abfindungsgrundlage, 2003, S. 43 f.; Spieth, Die Rechtsfolgen fehlerhafter Abfindungsklauseln in GmbH-Gesellschaftsverträgen, 2002, S. 18; Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 665. Daher scheidet aus, den bloßen Buch- oder Bilanzwert zugrunde zu legen, Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 41. BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769, 3771–3773 (DAT-Altana), für Eingliederung und Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages. Zu diesen Konzepten Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 38; Naschke, Der Börsenkurs als Abfindungsgrundlage, 2003, S. 44 f.; Luttermann, ZIP 1999, 45, 46 f.; Steinhauer, AG 1999, 299, 302 ff.; Stilz, ZGR 2001, 875, 881 ff.; Wilm, NZG 2000, 234. Siehe § 9 A. II. 5. und § 10 B. II. 5. Dazu die Grundsätze in BVerfGE 14, 263, 278 (Feldmühle): Wenn Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG für die Enteignung durch den Hinweis auf die Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten eine geringere als die volle Entschädigung zulasse, fehle der Grund für eine solche Abwägung im Verhältnis zwischen Gleichstehenden, wenn der den Entschädigungsanspruch begründende Sachverhalt im eigenen Interesse des Großaktionärs liege und von ihm herbeigeführt worden sei. Umgekehrt kann gelten, dass die Grundsätze des Art. 14 III 3 GG wiederum gelten, wenn übergeordnete Interessen, eben die der Gesellschaft, zur Diskussion stehen. BGHZ 147, 108, 117 = NJW 2001, 2080.
A. Die Grundsätze im deutschen Recht
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§ 305 III 1 AktG ebenso maßgeblich wie für den variablen Ausgleichs im Sinne des § 304 II 2 AktG.2107 Auch für den Barausgleich nach § 305 III 2 AktG gilt nichts anderes.2108 Schließlich richten sich auch die Abfindungen nach § 320 b AktG und § 327 b AktG nach diesen Vorgaben.2109
3. Regelmäßige Maßgeblichkeit des Börsenkurses Die sich anschließende Frage lautet, wie sich der objektive Verkehrswert der Beteiligung bestimmt, insbesondere, ob und in welchem Umfang der Börsenkurs zu berücksichtigen ist. Die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen schweigen hierzu gänzlich oder sind doch nur vage gehalten. Für die Barabfindung bestimmt § 305 III 2 AktG nur, dass die Verhältnisse der abhängigen Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag zu berücksichtigen sind. Eine Ausnahme bilden demgegenüber die Reglungen zur Abfindung im WpÜG, die ausdrücklich auf den Börsenkurs Bezug nehmen. Bei freiwilligen Übernahmeangeboten wie auch bei Pflichtangeboten muss die angemessene Abfindung nach § 31 I 2 WpÜG (bei Pflichtangeboten i. V. m. § 39 WpÜG) den durchschnittlichen Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft ebenso wie Aktienerwerbe der Zielgesellschaft durch den Bieter oder ihm nahestehende Dritte berücksichtigen.2110 Diese Orientierung am Börsenkurs bei börsennotierten Aktiengesellschaften entspricht den Vorgaben des BVerfG, das diesen regelmäßig als maßgeblichen Faktor bei der Bemessung der Abfindung des Aktionärs ansieht.2111 Diese Ansicht wird von der Rechtsprechung und h. M. im Schrifttum geteilt.2112 Dahinter steht die Erwägung, dass der Börsenpreis als ein tatsächlich in einer Vielzahl von Fällen geforderter und bezahlter Preis jeden andere Bewertungsmaßstab an Rationalität zu übertreffen vermag.2113 Der BGH betont, dass die Gleichstellung von Börsen___________ 2107 2108 2109 2110
2111 2112 2113
BVerfG ZIP 1999, 1804, 1805 (Hartmann & Braun). So bezieht BVerfGE 100, 289–313 = NJW 1999, 3769, 3771–3773 (DAT/Altana) die dort entwickelten Grundsätze auf § 305 AktG im Ganzen. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 36. Ergänzend gelten die in Ausfüllung der Kompetenz nach § 31 VII WpÜG erlassenen Angaben der WpÜG-Angebotsverordnung, BGBl. I 2001, S. 4263–4266, die etwa in § 4 konkretisiert, dass die Gegenleistung für Aktien der Zielgesellschaft mindestens dem Wert der höchsten vom Bieter oder seitens ihm nahe stehender Dritter gewährten oder vereinbarten Gegenleistung für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft innerhalb der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage (§ 14 II 1 WpÜG) oder des Pflichtangebots (§ 35 II 1 WpÜG) entsprechen muss. Nach § 5 IV WpÜG tritt in den Fällen der Ineffizienz des Kapitalmarktes an die Stelle des Börsenkurses der anhand einer Bewertung der Zielgesellschaft ermittelte Wert des Unternehmens. BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769, 3771 (DAT-Altana); BVerfG ZIP 1999, 1804, 1805 (Hartmann & Braun); zuvor schon BayObLG ZIP 1998, 1872, 1873 ff. BGHZ 147, 108, 114 ff. = NJW 2001, 2080; OLG Düsseldorf AG 2003, 507, 508; OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 330. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 42 f.
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§ 11 Die Grundsätze der Abfindungsbemessung
und Verkehrswert auf der Annahme beruht, dass die Börse auf der Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Informationen die Ertragskraft des Unternehmens zutreffend bewertet, potentielle Aktionäre sich an dieser Einschätzung durch den Markt orientieren und daher Angebot und Nachfrage hierdurch reguliert werden, so dass sich die Marktbewertung auch tatsächlich in dem Börsenkurs der Aktien niederschlägt.2114 Geht dem Verlust der Mitgliedschaft eine strukturändernde oder andere potentiell kursbeeinflussende Maßnahme voraus, stellt der BGH für die Ermittlung des Börsenkurses auf einen Referenzkurs ab, um die Beeinflussung durch Kursmanipulationen oder zufällig veranlasste ungewöhnliche Kursausschläge zu minimieren. Danach ist auf den durchschnittlichen Börsenkurs innerhalb des Zeitraums von drei Monaten vor der Hauptversammlung, in der über den zum Austritt berechtigenden Umstand abgestimmt wird, abzustellen. Außergewöhnliche Tagesausschläge oder sprunghafte Entwicklungen nach oben oder unten binnen weniger Tage, die sich nicht verfestigen, bleiben dabei unberücksichtigt.2115 Werden die Aktien an mehreren Börsen gehandelt, ist ein Durchschnittskurs zu bilden.2116 Während diese Referenzperiode überwiegend Zustimmung gefunden hat,2117 begegnet die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Hauptversammlung berechtigten Bedenken. Gerade der Zeitraum vor der Hauptversammlung, in der über die entsprechende Maßnahme zu befinden ist, sieht sich der besonderen Gefahr von Manipulationen ausgesetzt. Hinzu kommt, dass in den Fällen des § 305 AktG den Aktionären schon im Vorfeld der Hauptversammlung ein Abfindungsangebot unterbreitet werden muss, das daher auf einer Schätzung der zukünftigen Kursent___________ 2114
2115
2116
2117
BGHZ 147, 108, 116 = NJW 2001, 2080; dazu Fleischer, ZGR 2001, 1, 27 f.; zu Bedenken gegenüber dieser stark auf den subjektiven Vorstellungen der Marktteilnehmer beruhenden Methode aus der US-amerikanischen Literatur: Stout, 99 Yale L.J. 1235, 1288 (1990): “That marginal shareholder’s estimate may be accurate; it also may be widely off the mark. As a result, market price becomes an unreliable surrogate for value if demand for stock is downward-sloping. Certainly market price will be perceived as inadequate compensation by those shareholders who value their stock so highly that they chose to dissent to a merger at a premium above market.” Für die generelle Überlegenheit des Börsenkurses außer in den Fällen des Marktversagens Decher, ZHR 171 (2007), 126, 140–144. BGHZ 147, 108, 118 = NJW 2001, 2080; zustimmend OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 331; OLG Hamburg NZG 2003, 583, 584 (alle für die Höhe der Abfindung nach § 305 III 2 AktG bei Ausscheiden infolge des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages); zum Squeeze out siehe Rühland, Der Ausschluß des Minderheitsaktionärs aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 217; für diesen Fall a. A. Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1207. BGH NZG 2001, 603, 606; Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 196; Weber, ZGR 2004, 280, 297; unter Berücksichtigung der Gewichtung der Börsen und Heranziehung des Rechtsgedankens von § 5 I WpÜG-Angebotsverordnung Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 47; a. A. (Kurs am Börsenplatz mit höchstem Umsatz) Bauer, NZG 2001, 891, 893. A. A. aber etwa Bungert/Eckert, BB 2000, 1845, 1849 (1 Jahr); zweifelnd auch Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 46.
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wicklung beruhen müsste.2118 Vorzugswürdig ist es daher, den Referenzzeitraum vor dem Zeitpunkt anzusetzen, zu dem die entsprechende Maßnahme im Sinne des § 15 WpHG bekannt gemacht werden muss.2119 Das BVerfG hat jedoch für die bei der Eingliederung nach § 320 b AktG zu bezahlende Abfindung beide Ansätze für mit Art. 14 I GG vereinbar befunden.2120 Nach dem unter § 7 A. II. 2. Gesagten ist auch die Ansicht der Rechtsprechung, dass Paketzuschläge, die ein Mehrheitsgesellschafter bei der Veräußerung seiner Beteiligung erzielen könnte, bei der Abfindung des Minderheitsgesellschafters unberücksichtigt bleiben sollen, abzulehnen. Das Argument lautet, der Minderheitsgesellschafter werde hierdurch überprivilegiert.2121 Da der Paketzuschlag jedoch die Einflussmacht in der Gesellschaft widerspiegelt und diese nach den Feststellungen unter § 7 A. II. 2. d) allen Gesellschaftern gemeinsam zusteht, muss sie auch anteilig bei der Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters berücksichtigt werden. Dem entspricht die Literaturansicht, die einen Anspruch auf den Zuschlag mit der ratio legis der Abfindungsvorschriften begründet: Ein Minderheitsgesellschafter könne den (anteiligen) Paketzuschlag nur deshalb nicht erzielen, weil ihm die hierzu erforderliche wirtschaftliche Macht fehle. Vor einer Benachteiligung durch das Fehlen solcher Macht solle er durch die Abfindungsregeln in §§ 304, 305, 320 b AktG jedoch gerade geschützt werden.2122 Zutreffend ist es hingegen, dass nachträgliche, erst im Laufe eines schwebenden Rechtsstreits zu Tage tretende Umstände, die für die Bestimmung der Abfindung von Bedeutung sind, von der Rechtsprechung nur berücksichtigt werden, wenn deren Grundlagen schon vor dem Bewertungsstichtag gelegt waren (sog. Wurzelthe___________ 2118 2119
2120
2121 2122
Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 46. Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 196; Bungert/Eckert, BB 2000, 1845, 1849; dies., BB 2001, 1163, 1165; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 305, Rn. 24e; zur Kursbeeinflussung durch Information ausführlich Weber, ZGR 2004, 280, 292 ff. Das BVerfG hat vorgeschlagen, auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Unternehmensvertrages abzustellen, ZIP 1999, 278, 279, das LG München I auf den Tag der Bekanntgabe des Umtauschverhältnisses, DB 2000, 1016, 1017, das OLG Stuttgart auf den Tag vor Bekanntgabe des Unternehmensvertrages, BB 2000, 1313, 1314. BVerfG ZIP 2007, 175, 177 f. = NJW 2007, 828, 829 (Siemens/Nixdorf): „Demnach ist die bloße Bekanntgabe der Eingliederungsabsicht mit möglicherweise negativen Folgen für den Börsenkurs kein Eingriff in das Aktieneigentum, vor dem Art. 14 I GG schützen will, sondern ein Umstand, der dem Kapitalmarkt eine wahrheitsgetreue Bewertung ermöglicht. Die Vorgabe des BVerfG, den Minderheitsaktionär wertmäßig wie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zu stellen, bedeutet daher nicht (. . .), ihn so zu stellen, wie er ohne die Eingliederungsabsicht der herrschenden Gesellschaft (. . .) stünde. Er ist vielmehr lediglich für den durch den Eingliederungsvorgang selbst bedingten Verlust seiner Aktionärsstellung zu entschädigen, die wiederum schon geprägt war von der Fähigkeit der mit entsprechender Aktienmehrheit ausgestatteten Obergesellschaft, einen Eingliederungsbeschluss auch gegen den Willen des Minderheitsaktionärs zu treffen“. BVerfG NJW 1999, 3769, 3771 (DAT/Altana); OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 331. Behnke, NZG 1999, 934 (Anm. zu BVerfG DAT/Altana); vgl. auch Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 355.
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§ 11 Die Grundsätze der Abfindungsbemessung
orie).2123 Das ist zur Sicherstellung der Gleichbehandlung aller Gesellschafter notwendig, da ansonsten aus einem taktisch hinausgezögerten Abfindungsstreit Profit geschlagen werden könnte.
4. Ausnahmen von der Orientierung am Börsenkurs Eine Gleichstellung von Börsen- und Verkehrswert scheidet aus, wenn die Grundlagen der zugrunde liegenden Vermutung, dass die Börse auf der Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens zutreffend bewertet, nicht vorliegen. Der Marktwert eines Gesellschaftsanteils spiegelt nicht immer den objektiven Wert wider, etwa bei fehlender Kapitalmarkteffizienz. Die Unternehmensführung kann durch geschicktes Zurückhalten positiver Informationen oder mittels buchhalterischer Verschiebung der Gewinne in die Zukunft einen negativeren Eindruck des Unternehmens am Markt vermitteln als es den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.2124 Strafrechtliche Sanktionen und die Überwachung durch den Aufsichtsrat werden solcherlei Vorgehen zwar begrenzen, nicht aber völlig ausschließen können. Zwar gilt, dass professionelle Anleger regelmäßig sehr gut informiert sind und Finanzintermediäre zur besseren Informationsgewinnung einsetzen, wovon im Wege des Parallelverhaltens auch Kleingesellschafter profitieren können. Gerade bei Maßnahmen, die Abfindungsansprüche auslösen, sehen sich die Minderheitsaktionäre häufig jedoch einer Mehrheit mit diametral ausgerichteten Interessen gegenüber, so dass dieser daran gelegen sein kann, der Minderheit Informationen vorzuhalten. Dies trifft insbesondere auf Gesellschaften zu, bei denen professionelle Anleger nicht (mehr) vertreten sind, sondern sich ein Mehrheitsgesellschafter und vereinzelte Minderheitsgesellschafter gegenüberstehen. Daneben kann der Börsenpreis auch in den Fällen, in denen über einen längeren Zeitraum die Aktien der Gesellschaft nicht mehr oder kaum noch gehandelt wurden, nicht als maßgeblich angesehen werden. Selbstredend ist davon auch auszugehen, wenn der Börsenpreis manipuliert wurde.2125 Andererseits sind steigende Kurse infolge der Ankündigung strukturändernder Maßnahmen durchaus relevant und daher berücksichtigungsfähig, da sie auf der Erwartung der Marktteilnehmer beruhen, infolge der bevorstehenden Maßnahme gegen hohe Abfindung aus der Gesellschaft ausscheiden zu können. Letztlich spiegelt sich darin nur das Marktgesetz, dass Angebot und Nachfrage die Preise bestimmen, wider.2126 ___________ 2123 2124 2125 2126
BGH WM 1979, 432, 433; OLG Düsseldorf AG 1984, 216, 218; LG Dortmund AG 1996, 278, 279. Unter Betrachtung des schweizerischen und US-amerikanischen Rechts Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 200 ff. Vgl. BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769, 3772; BGHZ 147, 108, 116 = NJW 2001, 2080, 2092. BGHZ 147, 108, 120 f. = NJW 2001, 2080; a. A. Wilm, NZG 2000, 234, 239. Allerdings sind derartige Faktoren auch nach hier vertretener Ansicht nach Möglichkeit zu vermeiden, was
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Soweit der Börsenkurs den Verkehrswert der Aktie nicht zutreffend wiedergibt, muss der Verkehrswert der Beteiligung im Wege einer Schätzung im Sinne von §§ 287 II ZPO, 738 II BGB unter Zugrundelegung einer der anerkannten betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden ermittelt werden.2127 Zumeist wird dem Gericht eine solche Schätzung wegen der komplexen Unternehmenssituation unmöglich sein, so dass ein aufwändiges Bewertungsgutachten in Auftrag gegeben werden muss.2128 Dabei stehen Einzel- und Gesamtbewertungsverfahren zur Verfügung. Da die zur ersten Gruppe gehörenden Substanz- und Liquidationswertverfahren nur den statischen Unternehmenswert erfassen, das zukünftige Entwicklungspotential hingegen unbewertet lassen, ist die Ertragswertmethode vorzugswürdig und wird von der Rechtsprechung mit Billigung durch das BVerfG2129 im Regelfall zugrunde gelegt.2130 Ausnahmen sind gerechtfertigt, wenn die Gesellschaft in der Zukunft voraussichtlich kaum Erträge erwirtschaften wird, sich ihre Tätigkeit darin erschöpft, Beteiligungsrechte zu verwalten, oder sie durch ihre stark personalistische Struktur ohne den ausscheidenden Gesellschafter auf gänzlich veränderter Grundlage betrieben werden muss. Dann ist die Substanzwertmethode vorzugswürdig.2131 Die Ertragswertmethode beruht auf der Überlegung, dass sich der Wert eines Unternehmens in erster Linie danach bestimmt, welche Erträge es in Zukunft erwirtschaften kann. Sie legt daher die zukünftigen Erträge des unverändert fortgeführten Unternehmens zugrunde.2132 Löst etwa der Abschluss von Unternehmensverträgen den Austritt eines Aktionärs aus, bestimmt sich die Abfindung danach, wie die Gesellschaft ohne diesen Unternehmensvertrag wirtschaften würde.2133 ___________ 2127
2128
2129 2130
2131
2132 2133
dadurch zu erreichen ist, dass der Zeitraum vor Bekanntgabe der Maßnahme als Referenzperiode zugrunde gelegt wird. OLG Naumburg AG 2004, 43, 46 f.; LG Frankfurt AG 2004, 392, 393; vgl. auch Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 51; a. A. (ausnahmslose Maßgeblichkeit allein des Börsenkurses) Weiler/Meyer, NZG 2003, 669, 671; Busse v. Colbe, FS Lutter, 2000, S. 1053, 1057 ff. So die Einschätzung etwa bei Naschke, Der Börsenkurs als Abfindungsgrundlage, 2003, S. 44; zu Art und Umfang der gerichtlichen Ermittlungen im Spruchstellenverfahren siehe a. a. O., S. 46–50. BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769, 3771 (DAT-Altana). BGHZ 147, 108 = BGH NJW 2001, 2080, 2082; BGH WM 1998, 2530, 2531; BGH WM 1992, 264, 268 (zugleich unter Hinweis, dass auch die Substanzwertmetode vorzugswürdig sein kann); BGH WM 1979, 432; BayObLG BB 2003, 275, 277; BayObLG NJW-RR 1996, 1125, 1126; OLG Zweibrücken WM 1995, 980, 981; OLG Düsseldorf AG 2003, 688, 693; OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 333 f.; OLG Düsseldorf AG 2002, 398, 399 f.; OLG Düsseldorf AG 2001, 189, 190; OLG Celle AG 1999, 128, 129; OLG Karlsruhe AG 1998, 288 f; aus der Literatur zustimmend Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 305, Rn. 19; Seetzen, WM 1999, 565, 570 f. Gehrlein, Ausschluß und Abfindung von GmbH-Gesellschaftern, 1997, Rn. 534; zur Maßgeblichkeit anderer Methoden als der Ertragswertmethode auch BGH NJW 1991, 1547 f.; BGH BB 1987, 710. Dazu nochmals der Verweis auf die Befürworter der Ertragswertmethode (vgl. Fn. 2130). BGH AG 1967, 264; OLG Celle NZG 1998, 987, 988; BayObLG AG 1996, 176, 177.
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§ 11 Die Grundsätze der Abfindungsbemessung
Diese Erträge werden prognostiziert, auf den Bewertungsstichtag abgezinst und dadurch zum Ertragswert kapitalisiert.2134 Außerdem wird zu diesem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens der Substanzwert (Liquidationswert) des sog. nichtbetriebsnotwendigen Vermögens, das in den Ertragswert nicht einfließt, hinzuaddiert.2135 Ausgehend von dieser Größe wird schließlich der Wert des einzelnen Anteils als Bruchteil des Gesellschaftswerts ermittelt.2136 Dieser Ansatz der Ertragswertmethode ist nicht zwingend. Mit einer in der USamerikanischen Literatur vertretenen Ansicht lässt sich begründen, die ausscheidenden Minderheitsgesellschafter auch an den zu erwartenden Gewinnen der Umstrukturierung zu beteiligen.2137 Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die zukünftigen Gewinnerwartungen durch die Umstrukturierung in der Mitgliedschaft angelegt sind, was angesichts der Möglichkeit, derartige Strukturmaßnahmen unter Ausschluss der Minderheitsgesellschafter vornehmen zu können, zweifelhaft ist.2138 Zugleich ist zu beachten, dass die Gesellschafter nicht weniger erhalten dürfen, als sie ohne die zum Ausscheiden führende Maßnahme bei einem Verkauf der Beteiligung erlöst hätten. Daher bildet der Börsenwert der Aktie die Untergrenze der Abfindung.2139 ___________ 2134 2135 2136
2137 2138
2139
BayObLG BB 2003, 275, 277; OLG Düsseldorf AG 2003, 688, 693; OLG Düsseldorf WM 1988, 1052, 1055; zu den Berechnungsdetails auch OLG Celle AG 1979, 230, 231 ff. Vgl. OLG Düsseldorf AG 2003, 688, 693. Zu den Einzelheiten der Ertragswertmethode Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 52 d ff. Zu den Details etwa Gehrlein, Ausschluß und Abfindung von GmbH-Gesellschaftern, 1997, Rn. 533; als Unterarten des Ertragswertverfahrens stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, etwa das Discounted Cash Flow-Verfahren, vgl. im Einzelnen Mattes/Graf von Maldeghem, BKR 2003, 531, 533–536; zu den verschiedenen Bewertungsverfahren auch Rühland, Der Ausschluß des Minderheitsaktionärs aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 211–213; Naschke, Der Börsenkurs als Abfindungsgrundlage, 2003, S. 51–61; Karrer, Die Angemessenheit der Leistung im Konzern-, Übernahme- und Ausschlussrecht, 2002, 109–118. Für ein Ausscheiden infolge eines statutory merger (zu diesem näher unter § 10 D. I.) Brudney/Chirelstein, 88 Harv. L. Rev. 297 (1974). Vgl. dazu BVerfG NJW 2007, 828, 829 (Siemens/Nixdorf), wonach der Aktionär nicht einmal davor geschützt werden soll, dass der Börsenwert infolge der bevorstehenden Maßnahme gedrückt wird und die Abfindung daher geringer ausfällt als ohne Bekanntgabe und Durchführung der Maßnahme. BVerfG NJW 2007, 828 (Rn. 63 und 70 f.); folgend BGHZ 147, 108, 115 f. = NJW 2001, 2080: „Da nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Abfindung dem an der Börse gebildeten Verkehrswert aufgrund der Verkehrsfähigkeit der Aktie und der daran zu messenden Entschädigung des Aktionärs der Vorrang gebührt, ist der Minderheitsaktionär unter Berücksichtigung des Verkehrswertes der Aktie abzufinden, wenn dieser Wert höher ist als der Schätzwert. Ist jedoch der Schätzwert höher als der Börsenwert, steht dem Aktionär der höhere Betrag des quotal auf die Aktie bezogenen Schätzwertes zu.“ Zustimmend OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 333 f. Für das Delisting auch BGH WM 2003, 533; für ausnahmslose Untergrenze Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 43.
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5. Methodengleichheit bei Ermittlung des Umtauschverhältnisses? Ein Sonderproblem tritt in den Fällen auf, in denen die Gesellschafter der einen Gesellschaft mit Anteilen an der anderen Gesellschaft abzufinden sind. Davon sind die Umwandlungskonstellationen und die Fälle der §§ 305, 320b AktG, in denen das Umtauschverhältnis nach der Verschmelzungswertrelation zu berechnen ist, betroffen. Ist dabei nur eine der Gesellschaften börsennotiert oder ergibt sich nach den soeben skizzierten Grundsätzen, dass der Börsenkurs einer der Aktiengesellschaften nicht maßgeblich ist, tritt die Frage nach der Methodengleichheit der Bewertungsverfahren auf. Eine Methodengleichheit würde bedeuten, dass der Börsenwert nur dann berücksichtigt werden könnte, wenn er in beiden Gesellschaften als maßgeblich anzusehen wäre, während sonst in beiden Gesellschaften eine Unternehmensbewertung notwendig wäre.2140 Die Diskussion hierzu ist im Bereich des Umwandlungsrechts für die Verschmelzungswertrelation am weitesten fortgeschritten. Dort ist umstritten, ob bei einer Verschmelzung gleichberechtigter Gesellschaften auch der Börsenkurs der Aktien an einer der beteiligten Gesellschaften zu beachten ist.2141 Gleichberechtigt sind die Gesellschaften, wenn keine von der anderen beherrscht wird. Das Gesetz lässt in § 12 II Nr. 1–3 UmwG zwar zu, dass auch verschiedene Bewertungsmethoden zur Anwendung kommen, vermeidet jedoch jede Stellungnahme zu einer hierdurch eventuell eintretenden Ungleichbehandlung der Gesellschafter einer der beteiligten Gesellschaften. Gegen eine Berücksichtigung spricht, dass im Gegensatz zu den übrigen Abfindungskonstellationen, insbesondere den Fällen der Eingliederung und der Unternehmensverträge, alle Gesellschafter einer Gesellschaft im gleichen Lager stehen. Es mangelt daher an einem Mehrheits-Minderheits-Konflikt; vielmehr sind alle Gesellschafter gleichermaßen an einem möglichst günstigen Umtauschverhältnis interessiert. Kontrahenten sind daher nicht die eigenen Mitgesellschafter, sondern ___________ 2140
2141
So generell OLG Düsseldorf AG 2003, 688 (Rn. 99); OLG Düsseldorf AG 2003, 507, 508; OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 333 f.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 48. Bejahend unter Berufung auf BVerfG ZIP 1999, 1436 (DAT/Altana) Zeidler, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 30, Rn. 8 (Rn. 6–17 zu den Details der Berechnung); Erb, DB 2001, 523 f.; differenzierend Piltz, ZGR 2001, 185, 205 ff.; Vetter ZIP 2000, 561, 566 f.; verneinend BayObLG BB 2003, 275 (Hypobank/Vereinsbank); Bungert/Eckert, BB 2000, 1845, 1847; dies., BB 2001, 1163, 1165 f.; Wilm NZG 2000, 234; Hüttemann, ZGR 2001, 454, 477; Wilsing/Kruse, DStR 2001, 991, 993 ff.; Bungert/Eckert, BB 2000, 1845, 1846 f.; dies., BB 2001, 1163, 1166; Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 5, Rn. 26. Zu einer Sonderkonstellation siehe BVerfG WM 2003, 1813, wonach zuvor aufgelöste stille Reserven auch dann keine Berücksichtigung bei der Berechnung des Umtauschverhältnisses finden, wenn die Minderheitsaktionäre für die auf einem früheren Unternehmensvertrag beruhende Beeinträchtigung ihrer vermögensrechtlichen Stellung keinen angemessenen Ausgleich erhalten haben, da es für die Abfindung nach § 30 UmwG (früher § 352 c AktG) allein auf die Beeinträchtigung ihrer eigentumsrechtlichen Stellung durch den Verschmelzungsvertrag ankommt. Dazu grundsätzlich BVerfG ZIP 1999, 1436 ff. (DAT/Altana).
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§ 11 Die Grundsätze der Abfindungsbemessung
die Gesellschafter der anderen an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaft.2142 Aus Gründen der Gleichbehandlung müsste daher in beiden Gesellschaften dasselbe Bewertungsverfahren zugrunde gelegt werden.2143 Im Ergebnis erscheint es jedoch vorzugswürdig, eine Bewertung anhand des Börsenkurses auch in nur einer der Gesellschaften zuzulassen. Ist davon auszugehen, dass der Börsenkurs den Wert der Beteiligung regelmäßig zutreffend wiedergibt, kann er auch der durch ein Ertragswertverfahren ermittelten Bewertung der anderen Gesellschaft gegenüber gestellt werden, ohne deren Gesellschafter zu benachteiligen. Zugleich bleibt dieser Gesellschaft bzw. ihren Anteilsinhabern der Nachweis unbenommen, dass der Börsenkurs den Wert der Beteiligung an der anderen Gesellschaft gerade nicht realistisch wiedergibt und daher auch für diese Aktiengesellschaft auf das Ertragswertverfahren zurückgegriffen werden muss. Sind beide Gesellschaften notierte Aktiengesellschaften und bildet der Aktienkurs in beiden Gesellschaften keine verlässliche Grundlage für die Ermittlung des Beteiligungswertes, stellt der Börsenkurs auch keine Obergrenze bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses dar, wenn feststeht, dass der Aktienkurs unter dem Wert der Beteiligung liegt, eine Unternehmensbewertung daher zu einem höheren Wert führt.2144 Das gilt auch in den Fällen der §§ 305, 320 b AktG für die herrschende Gesellschaft. Ansonsten würden die Gesellschafter der herrschenden Gesellschaft in ungerechtfertigter Weise schlechter gestellt. Das Argument, die ___________ 2142 2143
2144
Dazu die Darstellung von BayObLG BB 2003, 275, 279; Bungert/Eckert, BB 2000, 1845, 1846. BayObLG BB 2003, 275, 279: „Bei einer Verschmelzung kann die Wertrelation nur einheitlich festgelegt werden. Jede Veränderung in der Bewertung eines der beteiligten Unternehmen wirkt sich damit zwangsläufig auf das Umtauschverhältnis aus. Deshalb ist es auch geboten, die Bewertung beider Unternehmen nach einheitlichen Kriterien vorzunehmen. Denn liegt der Ertragswert niedriger als der (wie auch immer ermittelte) Börsenwert, würde dies bedeuten, dass im Rahmen der Bestimmung der Wertrelation für die übertragende Gesellschaft der Börsenwert angesetzt werden muss, während es für die übernehmende Gesellschaft beim Ertragswert verbleibt. Das Umtauschverhältnis wurde also zulasten der Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft verschoben.“ Wenig einleuchtend ist ein anderes Argument, wonach die Rechtsprechung des BVerfG nur als Reaktion auf die besonderen Gefahren von Konzernbildungsvorgängen zu verstehen sei, vgl. Bungert/Eckert, BB 2000, 1845, 1846. Näher liegt die Interpretation, dass das BVerfG in genereller Weise allgemeine Grundsätze aufgestellt hat, wie die für den Verlust der durch Art. 14 GG geschützten Mitgliedschaft zu leistende Kompensation zu bestimmen ist. Gleiches gilt für das Argument, wonach sich bei gleicher Bewertungsmethode etwaige Fehler dieser Methode bei beiden Unternehmen in gleicher Weise auswirken würden und daher das Verhältnis der beiden Werte zueinander also unberührt bleibe, so jedoch OLG Düsseldorf AG 2003, 507, 508; OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 334; OLG Düsseldorf AG 1984, 216. Anders als OLG Düsseldorf AG 2003, 507, 508, und OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 334, meinen, hat der BGH hierzu nicht Stellung bezogen. Dass in der Entscheidung BGHZ 147, 108 = NJW 2001, 2080 für beide Gesellschaften auf den Börsenkurs abgestellt wurde, entspricht (nur) dem zutreffenden Ausgangspunkt, dass mangels anderweitiger Anhaltspunkte von dessen Maßgeblichkeit für den Verkehrswert der Beteiligung auszugehen ist. Dazu BGHZ 147, 108, 121 f. = NJW 2001, 2080; unzutreffend daher der Ausgangspunkt von BayObLG BB 2003, 275, 279.
B. Die Grundsätze im US-amerikanischen Rechts
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Aktionäre der herrschenden Gesellschaft seien gegenüber denen der beherrschten Gesellschaft als weniger schutzwürdig anzusehen, weil sie über einen höheren Einfluss auf den zugrunde liegenden Vorgang verfügten, weswegen ihr grundrechtlicher Schutz aus Art. 14 I GG zurückzustehen habe,2145 übersieht, dass auch in der herrschenden Gesellschaft schutzwürdige Minderheitsgesellschafter vorhanden sein können.
6. Der Rechtsschutz gegen das Abfindungsangebot Eine weitere Vorgabe des BVerfG für die Abfindung des Gesellschafters lautet, dass diese einer hinreichenden objektiven Überprüfung zugänglich sein muss: Die Angemessenheit der Vermögensabfindung des Minderheitsaktionärs müsse gerichtlich nachprüfbar sein, wofür das Spruchstellenverfahren oder die Anfechtungsklage zur Verfügung stehen sollen.2146 Hingegen verstoße es gegen Art. 14 I GG, wenn der Großaktionär imstande sei, ohne jegliche Kontrolle, sei es durch Marktmechanismen oder die Gerichte, die Höhe der Abfindung einseitig festzusetzen.2147 Beweisrechtlich gilt, dass die zur Abfindung verpflichtete Gesellschaft beweispflichtig ist, wenn sie im Spruchstellenverfahren geltend macht, dass der Wert der Beteiligung (ausnahmsweise) unter dem Börsenkurs liegt.2148 B. Die Grundsätze im US-amerikanischen Rechts
B. Die Grundsätze im US-amerikanischen Rechts Auch im US-amerikanischen Recht bildet es einen Schwerpunkt der Abfindungsdiskussion, wie die Abfindung des Minderheitsgesellschafters zu ermitteln ist. Dabei sind die gesetzgeberischen Vorgaben zu beachten, die sich danach richten, ob die gesetzlichen Austrittsrechte eine Abfindung nach dem fair value oder dem fair market value der Beteiligung fordern.
I. Die Methoden zur Wertermittlung Beim fair value wird die Höhe der Abfindung durch eine Unternehmensbewertung bestimmt. Dabei wird klassischerweise die Delaware block method zugrunde gelegt. Nach dieser Methode wird der Wert der Gesellschaft zunächst nach verschiedenen Gesichtspunkten ermittelt, üblicherweise nach dem Marktwert (market value), dem Ertragswert (earnings value) und dem Liquidationswert (asset or liquidation value), seltener daneben auch nach dem Dividendenwert (dividend va___________ 2145 2146 2147 2148
OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 334. BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 (Moto Meter). BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671, Rn. 27 (Moto Meter). BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671, Rn. 67 (Moto Meter).
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§ 11 Die Grundsätze der Abfindungsbemessung
lue).2149 Diesen Größen wird sodann eine Quote zugeordnet, die über die Gewichtung der einzelnen Ermittlungsmethode zur Bestimmung des Gesamtvermögens der Gesellschaft entscheidet (weighted average of market value, capitalization of earnings value, and liquidation value).2150 Der Marktwert bestimmt sich nach dem Handelswert, der für die Anteile unmittelbar vor Bekanntgabe der relevanten Maßnahme bestand. Die Handelskapazität der Anteile stellt dabei einen wichtigen Faktor zur Bestimmung des Quotienten, mit dem der Marktwert gewichtet wird, dar. Der Ertragswert legt demgegenüber den durchschnittlichen Ertrag, den die Gesellschaft in den letzten, üblicherweise fünf Jahren vor der Maßnahme erzielt hat, zugrunde.2151 Der Liquidationswert schließlich bestimmt sich nach dem Wert, der für das Gesellschaftsvermögen bei Liquidation der Gesellschaft zu erzielen wäre.2152 Diese Ermittlungsmethode hat Kritik erfahren, da sie nicht das Verfahren zugrunde legt, mit dem sich der höchste Wert ergibt, sondern aus verschiedenen Größen einen Mittelwert bestimmt, der stets unter dem höchsten Einzelwert liegt. Alternativ wird daher vorgeschlagen, den Unternehmenswert ausschließlich anhand derjenigen Methode zu bestimmen, nach der sich der höchste Wert ergibt.2153 Auch der Supreme Court von Delaware ist in seinen jüngeren Urteilen von der Delaware block method abgerückt und vertritt nunmehr den Standpunkt, ein Gericht könne jede von der Finanzwelt akzeptierte Methode zugrunde legen.2154 Insbesondere hat es die discounted cash flow-Methode gutgeheißen.2155 Auf anderer Grundlage wird hingegen der fair market value berechnet.2156 Dabei wird der Marktpreis der Beteiligung zugrunde gelegt, es sei denn, es findet kaum Handel am Markt statt oder der Markt wird von irrationalen Faktoren bestimmt. ___________ 2149
2150 2151
2152 2153 2154
2155 2156
So etwa in Leador v. Hycor, Inc., 479 N. E. 2 d 173 (Mass. 1985); Piemonte v. New Boston Garden Corp., 387 N. E. 2 d 1145 (Mass. 1979). Der dividend value wird zumeist nicht berücksichtigt, da er den Ertrag der Gesellschaft widerspiegelt und daher neben dem earnings value keine eigenständige Bedeutung besitzt, siehe dazu Francis I. duPont & Co. v. Universal City Studios, Inc. 312 A. 2 d 344 (Del. 1973). So wurde etwa in Piemonte v. New Boston Corp., 387 N. E. 2 d 1145 (Mass. 1987) der Marktwert mit 10%, der Ertragswert mit 40% und der Liquidationswert mit 50% gewichtet. Zu diesen Grundsätzen Tri-Continental Corp. v. Battye, 74 A. 2 d 71 (Del. 1950); Francis I. du Pont & Co. v. Universal City Studios, Inc. 312 A. 2 d 344 (Del. 1973), affirmed 334 A. 2 d 216 (Del. 1975). Dazu Poole v. N.V. Deli Maatschappij, 243 A. 2 d 67 (Del. 1968). Berichtend Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q., 1099, 1141 (1999). Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701 (Del. 1983): “any techniques or methods which are generally considered acceptable by the financial community”. In New York sieht dies N. Y. Bus. Corp. Law § 623(h)(4) vor. Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701, 712 seq. (Del. 1983). Dies setzt etwa Cal. Corp. Code § 1300 (a) für ein appraisal right bei einem merger voraus: “(. . .) The fair market value shall be determined as of the day before the first announcement of the terms of the proposed reorganization or short-form merger, excluding any appreciation or depreciation in consequence of the proposed action, but adjusted for any stock split, reverse stock split, or share dividend which becomes effective thereafter”.
B. Die Grundsätze im US-amerikanischen Rechts
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Soweit es an gesetzlichen Vorgaben für eine bestimmte Bewertungsmethode fehlt und die Gesetze nur bestimmen, dass sich die Abfindung nach dem Wert richtet, den die Beteiligung hatte, bevor die unerwünschte Transaktion Wirkung zeigte,2157 sind die Gericht frei darin, die Bewertungsmethode zu bestimmen. Dabei tendieren diese dazu, bei der Bewertung der Abfindung weder den Börsenkurs noch sonstige subjektive Erwartungen aktueller oder potentieller Investoren zugrunde zu legen. Vielmehr vertrauen sie auf die von Experten ermittelte Bewertung, deren Methoden den in der Finanzwelt anerkannten Grundsätzen zu folgen haben.2158 Auch der Delaware Supreme Court beurteilt den Börsenkurs eher skeptisch und betont dessen Flüchtigkeit.2159
II. Diskontierung der Abfindung durch einen Minderheitsabschlag? Kontrovers wird daneben die Frage diskutiert, ob der Minderheitsstatus des Abfindungsgläubigers zu einem Preisabschlag führen sollte. Ein solcher Abschlag wird teilweise als Minderheitsabschlag (minority discount), teilweise als Vermarktungsabschlag (marketability discount) vorgenommen. Der Minderheitsabschlag stellt die Kehrseite des unter § 7 A. II. 2. erörterten Paketzuschlags dar und berücksichtigt die mit einer Minderheitsbeteiligung verbundenen Nachteile, insbesondere im innergesellschaftlichen Entscheidungsprozess. Der Vermarktungsabschlag wird dementsprechend darauf gestützt, dass eine Minderheitsbeteiligung am Markt regelmäßig nur mit einem Preisabschlag veräußert werden kann. Die Supreme Courts von Delaware und Maine haben sich gegen derartige Preisabschläge ausgesprochen.2160 Dem haben sich weitere Gerichte angeschlossen,2161
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2160 2161
Siehe etwa RMBCA § 13.01(3) (1985); Del. Code Ann. § 262 (h) (1997); anders aber New York, da dort die Gerichte per Gesetz angewiesen werden, “valuation methods of financial community” zur Bewertung einzusetzen. Siehe Stout, 99 Yale L.J. 1235, 1292, fn. 308 (1990). The “intrinsic” or “fair” value of the shares is to be evaluated by techniques that are “generally considered acceptable in the financial community”. Siehe etwa Weinberger v. UOP, Inc., 457 A. 2 d 701, 713 (Del. 1983); Stout, 99 Yale L.J. 1235, 1292 seq. (1990). Chicago Corp. v. Munds, 20 Del. Ch. 142 (Del. Ch. 1934): “When it is said that the appraisal which the market puts upon the value of the stock of an active corporation as evidenced by its daily quotations, is an accurate, fair reflection of its intrinsic value, no more than a moment’s reflection is needed to refute it. (. . .) Market quotations are not safe to accept as unerring expressions of value. The relation of supply to demand on a given day as truly affects the market value of a stock as it does of a commodity; and temporary supply and demand are in turn affected by numerous circumstances which are wholly disconnected from considerations having to do with the stock’s inherent worth”. Cavalier Oil v. Harnett, 564 A.sd 1137, 1144 seq. (Del. 1989); In re Valuation of Common Stock of McIoon Oil Co., 565 A. 2 d 997 (Me. 1989). Brown v. Allied Corrugated Box co., 154 Cal. Rptr. 170 (Cal. Ct. App. 1979); Charland v. Country Viem Gold Club, Inc., 588 A. 2 d 609 (R. I.1991).
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§ 11 Die Grundsätze der Abfindungsbemessung
so dass sich schon von einem Trend in der jüngeren Rechtsprechung sprechen lässt,2162 der die ältere Rechtsprechung ersetzt hat.2163 Dafür sprechen zwei überzeugende Gründe: Zum einen wird die Abfindung dafür geleistet, dass der Minderheitsgesellschafter ausscheidet und an den Gewinnen des fortgeführten Unternehmens nicht mehr teilhaben kann. Dies entspricht nicht der Situation, in der sich der Minderheitsgesellschafter bei einer (selbst gewollten) Veräußerung am Markt befindet. Zum anderen ist zu bedenken, dass sich der Mehrheitsgesellschafter an einem Ausschluss der Minderheit ungerechtfertigt bereichern würde, wenn er sich auf eigene Veranlassung die Beteiligung der Minderheit unter Wert einverleiben könnte.2164 C. Zusammenfassung
C. Zusammenfassung I. Aus Art. 14 I GG ergibt sich, dass ein Gesellschafter für den Verlust seiner Mitgliedschaft angemessen abgefunden werden muss, da der Verlust der Mitgliedschaft nicht mit einem Vermögensverlust einhergehen darf. Daher ist in sämtlichen Gesellschaftsformen eine volle wirtschaftliche Kompensation erforderlich, also eine Abfindung, die dem Wert der Unternehmensbeteiligung entspricht. Geschuldet ist daher der objektive Verkehrswert der Beteiligung. Die genaue Bemessung der Abfindung ist der Rechtsprechung überlassen. Deren Vorgabe lautet, dass sich die Abfindung bei börsennotierten Gesellschaften grundsätzlich am Börsenkurs orientieren muss. Nach vorzugswürdiger Ansicht bemisst sich dieser als Durchschnittskurs aus einem Referenzzeitraum von drei Monaten bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die relevante Maßnahme im Sinne des § 15 WpHG bekannt gemacht werden muss. Diese Orientierung am Börsenkurs scheidet demgegenüber aus, wenn die Grundlagen für die Vermutung, die Börse werde auf der Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens zutreffend bewerten, fehlen. Der Verkehrswert der Aktie muss in diesen Fällen im Wege einer Schätzung im Sinne von §§ 287 II ZPO, 738 II BGB unter Zugrundelegung einer der anerkannten betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden ermittelt werden. Gängigerweise wird dabei auf die Ertragswertmethode zurückgegriffen, die den Wert eines Unternehmens nach den zukünftig erwarteten Erträgen bemisst. Da die Gesellschafter nicht weniger erhalten dürfen, als sie ohne die zum Ausscheiden führende Maßnahme bei einem Verkauf der Beteiligung erhalten hätten, bildet der Börsenwert der Aktie außerdem die Untergrenze der Abfindung. Sind an einer Transaktion mehrere Gesellschaften beteiligt und geht es um das Umtauschverhältnis, ist es möglich, auf die Gesellschaften verschiedene Ermittlungsmethoden anzuwenden. Dem liegt zugrunde, dass sich in jeder der beteiligten ___________ 2162 2163 2164
So die Bewertung von Choper/Eisenberg, Corporations (Gilbert Law Summaries), 2005, p. 74 (§ 1086). Zu dieser etwa Blake v. Blake Agency, Inc., 486 N. Y. S 2 d 341 (N. Y. App. Div. 1985). Cavalier Oil v. Harnett, 564 A. 2 d 1137, 1145 (Del. 1989).
C. Zusammenfassung
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Gesellschaften die Wertermittlung nach zutreffenden Grundsätzen vollziehen muss. Gibt der Börsenkurs nur in einer der Gesellschaften den Verkehrswert der Beteiligung zutreffend wieder, kann er auch nur bei dieser zugrunde gelegt werden. II. Entsprechend zum deutschen Recht kreist auch die Diskussion im US-amerikanischen Recht um die Frage, nach welcher Methode sich die Abfindung der Gesellschafter richtet. Wird der Weg über eine Unternehmensbewertung eingeschlagen, richtet sich die Berechnung klassischerweise nach der Delaware block method. Diese Methode bezieht verschiedene Bewertungsmethoden ein und bildet aus den einzelnen Ergebnissen einen Gesamtbetrag. In jüngerer Zeit werden jedoch vermehrt andere anerkannte Methoden angewandt. Gleichwohl stehen die US-amerikanischen Gerichte der alleinigen Bewertung anhand des Börsenkurses skeptischer gegenüber als die deutschen.
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§ 11 Die Grundsätze der Abfindungsbemessung
A. Die Konzeption des Umwandlungsgesetzes
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2. Kapitel: Der Minderheitsschutz bei strukturändernden Maßnahmen § 12 Der Minderheitsschutz bei Umwandlungsbeschlüssen
§ 12 Der Minderheitsschutz bei Umwandlungsbeschlüssen A. Die Konzeption des Umwandlungsgesetzes
A. Die Konzeption des Umwandlungsgesetzes Strukturändernde Maßnahmen zeichnen sich dadurch aus, dass die gesellschaftlichen Grundlagen, unter denen die Gesellschafter beigetreten sind, grundlegend verändert werden. Das Schutzbedürfnis der Minderheitsgesellschafter ist daher bei Strukturmaßnahmen besonders hoch anzusetzen. Die verschiedenen Strukturmaßnahmen, die das Umwandlungsgesetz ermöglicht, bilden hier keine Ausnahme. Ob Verschmelzung, Ausgliederung, Aufspaltung oder Vermögensübertragung, in allen Fällen gilt, dass die zum Zeitpunkt des Beitritts bestehende Gesellschaftsform, mit Durchführung der Umwandlung endet. An ihre Stelle tritt eine Gesellschaft, deren Realstruktur und mitunter auch deren Rechtsform sich von der ursprünglichen signifikant unterscheidet, somit eine gänzlich andere Gesellschaft.2165 Wegen dieser einschneidenden Folgen einer Umwandlung für die Gesellschafter überträgt das Umwandlungsgesetz die Entscheidungskompetenz auf die Gesellschafterversammlung.2166 Nach § 13 I UmwG müssen die Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger einem Verschmelzungsvertrag durch Gesellschafterbeschluss ___________ 2165
2166
Zur Vereinbarkeit der Bestimmungen über die Verschmelzung mit Art. 14 GG und deren Einordnung als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums BVerfG WM 2007, 1520, 1521. Sagasser, in: Sagasser/Bula/Brünger, UmwG, 3. Aufl. 2002, S. 23 f. Für die Verschmelzung Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 4. Nach MarschBarner, in: Grundmann/u. a., Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, 2006, S. 105, 112, bestehen die Zustimmungserfordernisse der Hauptversammlung bei Umwandlungen nicht wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Mitgliedschaft, sondern weil hierdurch eine Gesamtrechtsnachfolge und damit eine Ausnahme von dem Grundsatz der Einzelrechtsübertragung ausgelöst wird. Zu den Beeinträchtigungen beim Formwechsel Zürbig, Der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, 1999, S. 91 f.; zu denen bei Ausgliederungen Riegen, Gesellschafterschutz bei Ausgliederungen durch Einzelrechtsnachfolge, 1999, S. 19–31.
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§ 12 Der Minderheitsschutz bei Umwandlungsbeschlüssen
zustimmen, für die Spaltung und Vermögensübertragung gilt nach §§ 125, 176 ff. UmwG entsprechendes, für den Formwechsel bestimmt § 193 UmwG die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung.2167 Das Gesetz setzt dabei nur in besonders gelagerten Situationen einen einstimmigen Beschluss voraus.2168 So schreibt § 43 I, II UmwG für Personengesellschaften vor, dass der Umwandlungsbeschluss einstimmig gefasst werden muss, soweit die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nicht eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung von mindestens 3/4 der abgegebenen Stimmen genügen lassen. Soweit doch das Mehrheitsprinzip gilt, wird ein persönlich haftender Gesellschafter, der einem Umwandlungsbeschluss widerspricht, dadurch geschützt, dass er in der neu entstehenden Gesellschaft zum Kommanditisten wird. Außerdem bedarf es nach § 233 UmwG der Zustimmung jedes Gesellschafters, dem in der neuen Gesellschaft die persönliche Haftung droht.2169 In den übrigen Fällen bestimmen §§ 50, 65, 78, 84, 103, 106, 112 III, 118 UmwG, dass die satzungsändernde Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen genügt. Damit setzt sich das gesetzgeberische Ziel, praktikable Instrumente für sinnvolle Umstrukturierungen zur Verfügung zu stellen, gegen den absoluten Individualschutz jedes einzelnen Gesellschafters durch. Zum Ausgleich existiert in den Konstellationen, die das Gesetz als besonders eingriffsintensiv bewertet, ein Austrittsrecht. Bei einem Rechtsformwechsel nach §§ 29 I 1, 207 UmwG, bei dem Verlust der Börsennotierung nach § 29 I 1 UmwG und bei einem Tausch der bisherigen Beteiligung gegen Anteile mit Verfügungsbeschränkungen nach § 29 I 2 UmwG wird ein Gesellschafter, der sich dem Mehrheitswillen nicht beugt, angemessen abgefunden und muss die Gesellschaft verlassen.2170 ___________ 2167
2168
2169 2170
Eine Ausnahme besteht nach § 62 UmwG (sog. Konzernverschmelzung), wenn mindestens 90% des Stamm- oder Grundkapitals an einer übertragenden Kapitalgesellschaft von einer Aktiengesellschaft gehalten werden. Dann ist ein Beschluss in der übernehmenden AG nicht erforderlich. Eine Ausnahme besteht nach § 13 II UmwG nur für die Inhaber besonderer Individualrechte, siehe Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 13, Rn. 2; Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 4, 30; Kallmeyer/Zimmermann, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13, Rn. 22 ff. Zur Situation im US-amerikanischen Recht etwa Harvard Law Review Association (Comment), 74 HVLR 1639 seq. (1961); Stout, 99 Yale L. J. 1235, 1285 (1990). Das Common Law bewertet die mit einer Strukturänderung einhergehenden Auswirkungen für die Gesellschafter als derart einschneidend, dass es einen einstimmigen Beschluss voraussetzt. Davon weichen die Gliedstaaten in ihren gesetzlichen Bestimmungen nunmehr ab und lassen qualifizierte Mehrheiten für Umwandlungsbeschlüsse genügen. Siehe dazu § 10 D. I. Zu einer Übersicht über die verschiedenen Rechtsformen Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 13, Rn. 20–35. Bei einem Wechsel der Rechtsform ist den widersprechenden Gesellschaftern nach § 207 I UmwG der Erwerb ihrer Anteile gegen entsprechende Barabfindung anzubieten. Nach § 29 I 2 UmwG besteht ein Recht zum Austritt bei einer Verschmelzung und aufgrund Gesetzesverweisung bei der Aufspaltung, der Abspaltung und der Vermögensübertragung auf einen Rechtsträger gleicher Rechtsform, wenn die Anteile an dem übertragenden Rechtsträger durch Anteile an dem übernehmenden ersetzt werden und aufgrund Gesetzes oder gesell-
B. Die inhaltlichen Anforderungen an den Umwandlungsbeschluss
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B. Die inhaltlichen Anforderungen an den Umwandlungsbeschluss B. Die inhaltlichen Anforderungen an den Umwandlungsbeschluss
Diese Gesetzeskonzeption rückt erneut die Frage nach den Anforderungen an die inhaltliche Rechtfertigung des Umwandlungsbeschlusses in den Mittelpunkt der Überlegungen zum Minderheitsschutz. Es wurde schon festgestellt, dass die Umwandlungen nach dem UmwG einen erheblichen Eingriff in die Mitgliedschaft widersprechender Gesellschafter darstellen.2171 Ob Umwandlungsbeschlüsse daher nach den allgemeinen Grundsätzen einer Rechtfertigung bedürfen, hängt entscheidend davon ab, ob der Gesetzgeber besondere Schutzmechanismen vorgesehen hat, mit denen eine abschließende Wertung vorweggenommen wurde, die eine inhaltliche Rechtfertigungsprüfung anhand der Besonderheiten des Einzelfalls ausschließt.
I. Gesetzliche Wertungen und besondere Schutzmechanismen In der Gesetzesbegründung fehlt es an Hinweisen.2172 Diese ist vielmehr neutral gehalten.2173 Ansatzpunkte zur Bestimmung des gesetzgeberischen Willens kann daher nur eine Gesamtschau der Umwandlungsvorschriften liefern. Darauf gestützt wird die Frage in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Mit dem Hinweis auf die besondere Schwere des Eingriffs in die Rechtsstellung der Gesellschafter wird eine inhaltliche Rechtfertigung vereinzelt gefordert.2174 Besonders stichhaltig ist der Hinweis auf die besondere Bedeutung der Inhaltskontrolle als Präventivmechanismus. Wegen der Schwierigkeiten, die mit der notwendigen Anteilsbewertung verbunden sind, kann ein Vermögensverlust bei Umstrukturierun___________
2171 2172 2173
2174
schaftsvertraglicher Bestimmung Verfügungsbeschränkungen unterworfen sind. Als dritten Fall sieht § 29 I 3 UmwG vor, dass der Gesellschafter gegen Barabfindung ausscheidet, soweit der Erwerb eigener Anteile aufgrund der Rechtsform des übernehmenden Rechtsträgers nicht in Betracht kommt. Siehe dazu unter § 10 C. I. Zu allem Geng, Ausgleich und Abfindung der Minderheitsaktionäre der beherrschten Aktiengesellschaft bei Verschmelzung und Spaltung, 2003, S. 102. Wie schon unter § 10 D. I. dargestellt, besteht in den US-Staaten ein Austrittsrecht für widersprechende stimmberechtigte Gesellschafter in den Fällen des Merger. Dazu Harvard Law Review Association (Comment), 74 HVLR 1639 seq. (1961); Stout, 99 Yale L. J. 1235, 1285 (1990). So ausdrücklich auch Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 527. Begr. RegE BT-Drs. 12/6699, S. 86, 139. Bayer, ZIP 1997, 1613, 1624; Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 226; Lenz, Gesellschafter- und Gläubigerschutz bei dem Formwechsel einer OHG in eine GmbH, 2000, S. 73; Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 31; Kallmeyer/Zimmermann, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13, Rn. 12; Zürbig, Der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, 1999, S. 100; a. A. Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 13, Rn. 36; Hommelhoff, ZGR 1993, 452, 458. Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 148; befürwortend auch Feddersen/Kiem, ZIP 1994, 1078, 1084. Für den Verschmelzungsbeschluss in der aufnehmenden Gesellschaft auch Bayer, ZIP 1997, 1613, 1624.
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§ 12 Der Minderheitsschutz bei Umwandlungsbeschlüssen
gen nie ganz ausgeschlossen werden.2175 Dieses immanente Risiko erscheint nur hinnehmbar, wenn der Umwandlungsbeschluss von einer inhaltlichen Rechtfertigung in einem übergeordneten Interesse getragen wird, da sich in diesen Fällen immerhin begründen lässt, dass die Gesellschafter gänzlich unvermeidliche Nachteile zugunsten übergeordneter Interessen erdulden müssen. Dagegen lehnt die h. M. eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle ab.2176 Verbreitet ist dabei das praktische Argument, die Gefahr, dass notwendige Umstrukturierungen durch Rechtfertigungserfordernisse verhindert würden, sei zu hoch.2177 Stichhaltiger ist demgegenüber die Begründung, die gesetzlich vorgesehenen Schutzmechanismen reichten aus, um den Minderheitsschutz sicherzustellen. Daneben bedürfe es keiner inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle.2178 So gewährleiste der nach § 8 UmwG vorzulegende Verschmelzungsbericht ein ausreichendes Maß an Minderheitsschutz, da in diesem die unternehmerische Notwendigkeit der Verschmelzung darzulegen und zu begründen sei. Diese Darstellung würde schwer fallen, wenn die Verschmelzung nur auf eine Schwächung der Minderheitsposition abziele.2179 Tatsächlich lässt sich diese Informationspflicht jedoch auch ganz anders einordnen: Sie passt sich nahtlos in das System der inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle ein. Die der Geschäftsleitung obliegende Begründungspflicht schafft die Voraussetzungen dafür, die Rechtfertigung des Umwandlungsbeschlusses im Einzelfall prüfen zu können. Sie ermöglicht der Minderheit, die Gründe für den Umwandlungsbeschluss nachzuvollziehen. Sie spricht im Ergebnis zwar nicht zwingend für eine obligatorische Rechtfertigung, sie hilft jedoch, diese praktisch durchzuführen.2180 ___________ 2175 2176
2177 2178
2179
2180
Vgl. Zöllner, AG 1994, 336, 340. Becker, AG 1988, 223, 227; Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 13, Rn. 36; Happ/Göthel, in: Lutter/Winter, UmwG, Band II, 4. Aufl. 2009, § 233, Rn. 52; K. Schmidt, in: Großmkomm.-AktG, Stand 1995, § 243, Rn. 46; Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 31–37; Meyer-Landrut/Kiem, WM 1997, 1361, 1365; Semler/Volhard, Arbeitshandbuch der Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003, § 42, Rn. 17; Timm, ZGR 1987, 403, 420; Kallmeyer/Zimmermann, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13, Rn. 12; Zürbig, Der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, 1999, S. 101 f. Für den Fall, dass im Gesellschafsvertrag einer Personengesellschaft das Mehrheitsprinzip vereinbart wurde Lenz, Gesellschafter- und Gläubigerschutz bei dem Formwechsel einer OHG in eine GmbH, 2000, S. 73–75. Timm, ZGR 1987, 403, 420. Siehe etwa die Aufzählung der Schutzmechanismen bei Kallmeyer/Zimmermann, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13, Rn. 12; Binnewies, GmbHR 1997, 727, 729 f.; i. E. auch Timm, ZGR 1987, 403, 420. Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 36; Kallmeyer/ Zimmermann, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13, Rn. 12, mit dem zusätzlichen Hinweis darauf, dass die Verschmelzung nach §§ 9 I, 44, 48, 60 I UmwG durch unabhängige Prüfer kontrolliert werde. A. A. Feddersen/Kiem, ZIP 1994, 1078, 1084, wonach sie die Notwendigkeit einer Rechtfertigungskontrolle nahe legen soll.
B. Die inhaltlichen Anforderungen an den Umwandlungsbeschluss
551
Als weiteres Argument gegen eine Rechtfertigungskotrolle wird die Nähe der Umwandlung zur Auflösung der Gesellschaft betont.2181 Umwandlungsvorgänge weisen die Besonderheit auf, dass durch die erfolgreiche Umstrukturierung ein neuartiges Gebilde entsteht, in dem die bisherigen Rechtsträger auf- und damit in ihrer bisherigen Form untergehen. Unter dem Blickwinkel der Interessenlage rücken diese Vorgänge daher in die Nähe der Auflösungsbeschlüsse, denen die Besonderheit innewohnt, dass die Interessen der Gesellschaft außer Betracht bleiben und vielmehr allein die Desinvestitionsentscheidung der Gesellschafter relevant ist.2182 Ebenso wenig wie eine gesunde und profitable Gesellschaft Schutz genießt, soweit die qualifizierte Mehrheit der Gesellschafter beschließt, ihr Investment zu beenden, besitzt der einzelne in die Umwandlung einbezogene Rechtsträger keinen Bestandsschutz, auch wenn er in seiner bisherigen Form durchaus erfolgreicher wirtschaften könnte als das Gesamtprodukt, das durch den Umwandlungsvorgang entsteht. Ein Interesse am Bestand der einzelnen Gesellschaft besteht im Umwandlungsrecht daher ebenso wenig wie bei der Auflösung und Liquidation.2183 In beiden Fällen geht es nicht darum, die individuelle Gesellschaft vor ihrer Zerschlagung zu bewahren. Das ist ein entscheidender Gesichtspunkt, an dem sich die Rechtmäßigkeitsprüfung zu orientieren hat. Zugleich unterscheidet sich die Interessenlage der Gesellschafter ganz entscheidend von der bei Auflösung und Liquidation. Die qualifizierte Mehrheit beschließt keineswegs, die Zweckverfolgung und mit ihr das betriebene Unternehmen (gänzlich) aufzugeben. Vielmehr wird derselbe oder jedenfalls ein ähnlicher Zweck weiterverfolgt und das bisherige Unternehmen weiterbetrieben, nunmehr aber in veränderter rechtlicher Gestalt. Die beschließende Mehrheit bekräftigt durch die Zustimmung zur Umwandlung ihre Investitionsentscheidung, indem sie die Beteiligung beibehält und in strukturell gewandelter Form weiterverfolgt, da diese Veränderung nach ihrer Einschätzung Vorteile gegenüber dem Status quo verspricht. Daher vermag auch dieser Ansatz nicht zu begründen, warum eine inhaltliche Rechtfertigungsprüfung trotz des Eingriffs in die Mitgliedschaft der widersprechenden Minderheit ausscheiden sollte. Was die qualifizierte Beschlussmehrheit angeht, kann auf die allgemeinen Ausführungen unter § 4 A. III. 5. b) verwiesen werden. Da der Umwandlungsbeschluss nur von einer 3/4-Mehrheit getragen sein muss, scheidet aus, ihn wegen der QuasiAlleineigentümerstellung des Mehrheitsgesellschafters von einer inhaltlichen Rechtfertigung auszunehmen.2184 Außerdem bietet das Erfordernis von 3/4 gerade in den besonders minderheitssensiblen Fällen, in denen keine Publikumsgesell-
___________ 2181 2182 2183 2184
Dazu Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 33. Zur Freiheit jedes Gesellschafter, für eine Auflösung und Liquidation der Gesellschaft auch ohne inhaltliche Rechtfertigung zu stimmen, unter § 4 A. III. 6. a). Windbichler, in: Timm, Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 35, 48. Zu den allgemeinen Grundsätzen unter § 4 A. III. 5. b) und c) und zu Eingliederung und Squeeze out unter § 9 C. II.–IV.
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§ 12 Der Minderheitsschutz bei Umwandlungsbeschlüssen
schaft vorliegt, sondern sich ein übermächtiger Mehrheitsgesellschafter und eine kleine Minderheit gegenüberstehen, keinen ausreichenden Schutz.2185 Schließlich gilt für das Austrittsrecht, dass es für den Minderheitsschutz zwar ungleich effektiver ist. Wie unter § 10 C. I. dargestellt, steht es der widersprechenden Minderheit jedoch nur in einigen Fällen zu, während sie in den übrigen Fällen gezwungen ist, sich fortan an der neuen Gesellschaft zu beteiligen. Unabhängig davon vermag selbst ein generelles Austrittsrecht nicht von dem Erfordernis zu entbinden, einen in die Mitgliedschaft eingreifenden Beschluss anhand übergeordneter, regelmäßig der Gesellschaft dienender Interessen inhaltlich rechtfertigen zu müssen. Wie mehrfach ausgeführt, ist ein Austrittsrecht vielmehr nur auf Abwägungsebene zu berücksichtigen.
II. Ausrichtung der Rechtfertigung an den Interessen der neu entstehenden Rechtsträger Bestehen daher keine Gründe für eine Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen, ist der h. M. doch zuzugeben, dass die gesetzgeberische Wertung, Umwandlungen im Interesse an der Bildung leistungsfähigerer Rechtsgebilde grundsätzlich zuzulassen, nicht durch Beschlussvoraussetzungen, die eben dies verhindern, konterkariert werden darf. Das schließt eine inhaltliche Rechtfertigungsprüfung jedoch nicht aus, sondern gestaltet vielmehr ihre Voraussetzungen aus.2186 Bedeutend ist, dass, wie schon ausgeführt, kein Bestandsschutz des einzelnen beteiligten Rechtsträgers besteht. Daher können dessen Interessen auch nicht zum Bezugspunkt einer Legitimationsprüfung erklärt werden. Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen müssen sich vielmehr daran orientieren, wirtschaftlich sinnvolle Umwandlungen zu ermöglichen und sinnlose zu verhindern.2187 Daher muss es auf das über die einzelne Gesellschaft hinausgehende Interesse des fertigen Gesamtproduktes, das durch den Umwandlungsvorgang entsteht, ankommen. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Mehrheit keine sachfremden Interessen verfolgt. Aus ex ante-Sicht muss die Umwandlung versprechen, dass eine Unternehmensleitung durch den entstehenden Rechtsträgers gegenüber dem Status quo Vorteile bietet und diese die für die Minderheit entstehenden Beeinträchtigungen aufwiegen. Eine derartige Rechtmäßigkeitskontrolle legt auch ein Vergleich mit einer anderen minderheitsrelevanten Strukturentscheidung, der Eingliederung, nahe. Sofern es ausreichen würde, dass von einer Umwandlung nur einer der beteiligten Rechts___________ 2185 2186
2187
A. A. Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 13, Rn. 36; Kallmeyer/Zimmermann, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13, Rn. 12; Steck, AG 1998, 460, 463. Dies wurde vom Verfasser in Hofmann/Krolop, AG 2005, 866, 868–870, noch übersehen. Für eine Inhaltskontrolle anhand eines Vergleichs zu den Wirkungen eines Bezugsrechtsausschlusses und Anforderungen an einen solchen i. E. auch Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 528 f. A. A. Timm, ZGR 1987, 403, 420, wonach die Mehrheit bei Umwandlungsbeschlüssen auch wirtschaftlich törichte Entscheidungen rechtmäßig treffen könne.
B. Die inhaltlichen Anforderungen an den Umwandlungsbeschluss
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träger zu profitieren vermag, etwa der aufnehmende Rechtsträger bei einer verschmelzenden Aufnahme, um die Benachteiligung des anderen Rechtsträgers in Kauf zu nehmen, würde die Umwandlung in Widerspruch zu den Wertungen des § 320 AktG geraten. Dort kommt zum Ausdruck, dass ein Rechtsträger bei einem Vorgang, der in den Bestand des anderen Rechtsträgers (gravierend) eingreift, nur dann ohne weitere Anforderungen seine Eigeninteressen verfolgen darf, wenn er über eine Mehrheit verfügt, die ihn zum Quasi-Alleineigentümer werden lässt, nach der Wertung des Gesetzgebers also ab einer Beteiligung von 95%. Dieser Vergleich lässt sich nur widerspruchsfrei auflösen, wenn bei einem Umwandlungsvorgang zusätzlich ein zu erwartender Gesamtgewinn des neu entstehenden Gesamtprodukts die Nachteile für einzelne Anteilsinhaber aufzuwiegen vermag. Unter dieser Prämisse ergibt sich auch ein Gleichlauf zu Unternehmensverträgen, die mit Mehrheiten unter 95% beschlossen werden können. Wie noch auszuführen sein wird, bedarf es auch dort einer Ausrichtung an einem über die Einzelinteressen der beteiligten Gesellschaften hinausgehenden Gesamtinteresse, nämlich dem Konzerninteresse, das zum Bezugspunkt der Rechtfertigungskontrolle wird.2188 Geht es danach um den Nutzen, den der Umwandlungsvorgang verspricht, müssen die Exspektanzen, die mit dem entstehenden Gebilde verbunden sind, im Rahmen der Eignungsprüfung mit der Situation bei unverändertem Fortbestand der beteiligten Rechtsträger verglichen werden. Es kommt darauf an, dass die prognostizierte Situation des Gesamtunternehmens nach der Umstrukturierung Vorteile gegenüber der Entwicklung der Einzelunternehmen bei Beibehaltung des Status quo aufweist. Sofern hier keine konkrete Prognose möglich ist und die Ausführungen der Geschäftsleitung vage bleiben, fällt die Abwägung zugunsten der widersprechenden Gesellschafter aus, da deren erhebliche Beeinträchtigung nicht auf der Grundlage unklarer Spekulationen hingenommen werden kann. Eigensüchtige Motive des Mehrheitsgesellschafters, etwa das Ansinnen, die Voraussetzungen für ein Squeeze out zu schaffen,2189 führen auf dieser Ebene dazu, dass die Rechtmäßigkeitsprüfung scheitert. Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist die Frage zu beantworten, ob der angestrebte Nutzen nicht auf andere, die dissentierenden Minderheitsgesellschafter weniger beeinträchtigende Weise erreicht werden kann. Dabei kann nicht erwartet werden, dass jede nur erdenkliche Alternativlösung durchgeprüft wird.2190 Andere Umwandlungsoptionen sind vielmehr nur dann zu berücksichtigen, wenn bereits konkrete Verhandlungen stattgefunden haben und daher konkrete Erkenntnisse vorliegen, mit denen die geplante Maßnahme verglichen werden kann. Fehlt es an solchen, muss geprüft werden, ob das wirtschaftliche Ziel außerhalb einer Umwandlung erreicht werden kann. Eine Unternehmensbeherrschung zu begründen, ___________ 2188 2189 2190
Dazu ausführlich unter § 14 B. I. 5. So ein weiteres Beispiel für einen Mehrheitsmissbrauch von Lutter/Drygala, in: Lutter/ Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 40. Vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 37, die dies als das Hauptargument gegen eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle anführen.
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§ 12 Der Minderheitsschutz bei Umwandlungsbeschlüssen
stellt eine Alternative dar, aus Sicht der betroffenen Minderheitsgesellschafter aber regelmäßig kein milderes Mittel.2191 Im Rahmen der Abwägung sind die konkreten Nachteile für die Minderheitsgesellschafter zu ermitteln, und es ist im Einzelnen zu prüfen, ob diese nicht als unverhältnismäßig hoch erscheinen. Verliert die Minderheit durch den entstehenden Rechtsträger wesentliche Privilegien, bedarf es erheblicher Vorteile im Interesse des neu entstehenden Gesamtproduktes, um diese Entwicklung zu rechtfertigen.2192 C. Die Rechtsbehelfe der Gesellschafter und Informationspflichten der Geschäftsleitung
C. Die Rechtsbehelfe der Gesellschafter und Informationspflichten der Geschäftsleitung I. Anfechtungsklage und Spruchstellenverfahren Der Umwandlungsbeschluss kann nach § 243 I AktG wegen formeller oder inhaltlicher Fehler angefochten werden. Nach hier vertretener Auffassung kann ein Gesellschafter die Rüge der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Beschlusses erheben, nach Ansicht der h. M. hingegen den Einwand, es liege ein Verstoß gegen die Treuepflicht, insbesondere ein Fall des Missbrauchs der Mehrheitsmacht vor.2193 Hingegen ist der Gesellschafter mit der Rüge, das Umtauschverhältnis sei nicht angemessen, in einigen Fällen auf das Spruchverfahren verwiesen.2194 So wird die Rüge der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers bei einer Verschmelzung nach §§ 14 II, 15 I 2 UmwG im Spruchverfahren überprüft. Im Gegensatz dazu kann sich ein Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers, der sich gegen das Umtauschverhältnis wendet, nur gegen den Umwandlungsbeschluss zur Wehr setzen, auch wenn er diesen im Grunde unterstützt.2195 Das UmwG sieht für diesen Gesellschafter keinen Rechtsbehelf vor, mit dem er sich isoliert gegen das Umtauschverhältnis wenden könnte.
II. Information und Grundsätze der Beweislastverteilung Um den einzelnen Gesellschafter in die Lage zu versetzen, die Vor- und Nachteile der Umwandlung einschätzen zu können, sieht das UmwG Informationspflichten der Geschäftsleitung vor. Nach § 47 UmwG muss dem Gesellschafter schon bei ___________ 2191 2192 2193 2194 2195
Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 37. Zu den mit einer Unternehmensbeherrschung verbundenen Nachteilen siehe unter § 14 A. I. E. ähnlich Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 40, allerdings im Rahmen einer Missbrauchsprüfung. Vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 44. Bork, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 14, Rn. 13. Siehe dazu auch unter § 5 A. III. 1. b). BGHZ 112, 9, 18 f.; OLG Stuttgart AG 2003, 456, 457; Bork, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 14, Rn. 14; vgl. auch Teichmann, ZGR 2003, 367, 380.
C. Die Rechtsbehelfe der Gesellschafter und Informationspflichten der Geschäftsleitung
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der Einberufung der Gesellschafterversammlung der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf zusammen mit dem Verschmelzungsbericht zugesandt werden. Nach Beschlussfassung besteht nach § 13 III 3 UmwG ein Anspruch auf eine Niederschrift des Beschlusses und erneut auf eine Abschrift des Verschmelzungsvertrages oder seines Entwurfs.2196 In der Hauptversammlung ist außerdem jedem Aktionär auf sein Verlangen nach § 64 II UmwG (und bei Spaltungen i. V. m. § 125 S. 1 UmwG) Auskunft über alle für die Verschmelzung wesentlichen Angelegenheiten der anderen beteiligten Rechtsträger zu geben. Auch muss den Gesellschaftern die Einsicht in den nach § 12 UmwG zu erstattenden Prüfungsbericht gewährt werden, um diesen eine Grundlage zur Beurteilung des Umtauschverhältnisses oder einer Barabfindung an die Hand zu geben. Die Aussage des Vorstands, der Wirtschaftsprüfer habe die Angemessenheit der Abfindung in seinem Prüfungsbericht bestätigt und das Angebot, den Prüfungsbericht gegen Ausfertigung einer Vertraulichkeitsbestätigung einsehen zu können, genügt dem Gesetzeszweck, die Aktionäre schon vor der Beschlussfassung in die Lage zu versetzen, die Angemessenheit der Barabfindung beurteilen zu können, nicht. Vielmehr muss der Prüfungsbericht vollständig oder zumindest in seinem wesentlichen Inhalt in der Gesellschafterversammlung vor Beschlussfassung wiedergegeben werden.2197 Eine in der US-amerikanischen Literatur anzutreffende Forderung geht über diese Vorgaben im UmwG hinaus. Danach wird von den Direktoren verlangt, den Gesellschaftern vor dem Beschluss über ein Merger auch ein Alternativszenario vorzustellen.2198 Nur auf Grundlage einer solchen Information könne der Gesellschafter beurteilen, ob die von der Geschäftsführung vorgeschlagene Maßnahme sinnvoll sei, und daran sein Stimmverhalten ausrichten. Daneben könne die Information über die Ausübung des Stimmrechts hinaus auch für andere ihm zustehende Rechte, etwa ein Austrittsrecht, von Bedeutung sein.2199 Auf eine derartige Pflicht läuft die sich hier unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze ergebende Beweislastverteilung im Ansatz hinaus.2200 Da die Gesell___________ 2196 2197
2198 2199 2200
Näher dazu Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 15 f. Siehe auch Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 527. Zu allem Vorstehenden LG Heidelberg AG 1996, 523. Siehe dort auch zur Position „sonstige Rückstellungen“, die im Prüfbericht im Einzelnen aufgeschlüsselt werden muss, da diese den auf der Grundlage des Unternehmenswertes berechneten Barabfindungsanspruch mindern kann und daher für eine Beurteilung der Angemessenheit der den Gesellschaftern angebotenen Abfindung unerlässlich ist. Werden diese Anforderungen verletzt, ist der Hauptversammlungsbeschluss über die Umwandlung anfechtbar. Siehe außerdem zum Inhalt der Information über die Konsequenzen eines Rechtsformwechsels, wonach nicht im Einzelnen über die Unterschiede von AG und GmbH aufgeklärt werden muss, sondern nur insoweit, als sich durch die Umwandlung oder die damit verbundene Änderung der Gesellschaftsverfassung nicht ganz unwesentliche Nachteile für die Anteilseigner ergeben, die nicht allgemein bekannt sind oder sich unmittelbar aus dem für die jeweiligen Gesellschaftsverfassungen einschlägigen Fachgesetz ergeben. Brudney/Chirelstein, 88 Harv. L. Rev. 297, 301 (1974). Brudney/Chirelstein, 88 Harv. L. Rev. 297, 301 seq. (1974). Nach der h. M. findet statt einer inhaltlichen Rechtfertigungs- nur eine Missbrauchskontrolle statt, vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 39,
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§ 12 Der Minderheitsschutz bei Umwandlungsbeschlüssen
schaft nach den allgemeinen Grundsätzen zur inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle2201 die Beweislast dafür trägt, dass die Anforderungen an die inhaltliche Richtigkeit des Beschlusses erfüllt sind, kommt die Geschäftsführung in den Unwandlungsfällen gar nicht umhin, das Alternativszenario der Beibehaltung des Status quo zu ermitteln, um auf dieser Grundlage die Vorteile einer Umstrukturierung darstellen zu können. Weitere Gestaltungsformen sind demgegenüber nur zu erörtern, wenn sie offensichtlich in Betracht kommen oder von einem Gesellschafter durch substantiierten Vortrag zur Diskussion gestellt werden.2202 Erneut ist darauf hinzuweisen, dass der Richter die vorgetragenen Argumente der Gesellschaft nur auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen und dabei den unternehmerischen Einschätzungsspielraum zu beachten hat, der auch bei Umwandlungsvorgängen zugunsten der Gesellschaft zur Anwendung kommt. Erscheint der Bericht der Gesellschaft unter Beachtung dieses Spielraums dem Richter stimmig, liegt es an dem zweifelnden Gesellschafter, Umstände vorzutragen und zu beweisen, die diesen Vortrag erschüttern. D. Zusammenfassung
D. Zusammenfassung Das Schutzbedürfnis der Minderheitsgesellschafter ist bei Umwandlungsmaßnahmen besonders hoch, da die Gesellschaftsform, die zum Zeitpunkt des Beitritts bestand, durch eine gänzlich andere ersetzt wird. Zur Entscheidung über die Umwandlungsmaßnahme ist die Gesellschafterversammlung berufen. Dieser Beschluss bedarf wegen seiner erheblichen Eingriffswirkung einer inhaltlichen Rechtfertigung. Der h. M. ist darin zu widersprechen, dass der Gesetzgeber durch besondere Schutzmechanismen eine abschließende Interessenabwägung vorgenommen habe. Die obligatorischen Informationspflichten stellen kein abschließendes Regime des Minderheitsschutzes dar, sondern schaffen erst die Voraussetzungen dafür, die Rechtfertigung des Umwandlungsbeschlusses im Einzelfall prüfen zu können. Auch trägt der Vergleich mit einem Auflösungsbeschluss nicht, da es den Gesellschaftern nicht um eine Desinvestition, sondern um eine Fortsetzung des unternehmerischen Engagements unter veränderter Rechtsträgerschaft geht. Dass qualifizierte Beschlussmehrheiten keine Ausnahme zu dem Rechtsfertigungserfordernis zu begründen vermögen, wurde mehrfach ausgeführt. ___________
2201 2202
wonach etwa die Umwandlung nicht dazu benutzt werden darf, nicht durch die Umwandlung bedingte oder durch ihre Gründe veranlasste Veränderungen der bestehenden Gesellschaftsstruktur durchzusetzen. Dazu unter § 4 B. II. Im US-amerikanischen Recht wird vereinzelt aus den einschneidenden Wirkungen eines merger für die dissentierenden Gesellschafter gefolgert, dass der die Entscheidung tragenden Mehrheit der Nachweis obliegt, dass es sich nicht um einen freezeout merger handelt. Dieser Nachweis geling nur, wenn nachgewiesen wird, dass die Umstrukturierung im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegt. Siehe dazu Harvard Law Review Association (Comment), 74 HVLR 1630, 1639 seq. (1961).
D. Zusammenfassung
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Die nach allem erforderliche inhaltliche Rechtfertigungskontrolle weist die Besonderheit auf, dass sie sich nicht an den allgemeinen Anforderungen ausrichten kann, wonach die Maßnahme im Interesse der Gesellschaft geboten und erforderlich sein muss. Umwandlungen zeichnen sich vielmehr dadurch aus, dass der bisherige Verband untergeht, was es regelmäßig ausschließt, die Maßnahme an seinen Interessen auszurichten. Zugleich steht ein anderer, von den individuellen Interessen unabhängiger Bezugspunkt der Interessenausrichtung zur Verfügung. Das fertige Gesamtprodukt, das durch den Umwandlungsvorgang entsteht, rückt auch bei der Interessenprüfung an die Stelle des untergehenden Rechtsträgers. Aus ex anteSicht muss die Umwandlung versprechen, dass eine Unternehmensleitung durch den entstehenden Rechtsträger gegenüber dem Status quo Vorteile bietet und diese die für die Minderheit entstehenden Beeinträchtigungen aufwiegen. Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung sind andere Umwandlungsoptionen zu berücksichtigen, wenn bereits konkrete Verhandlungen stattgefunden haben und daher konkrete Erkenntnisse vorliegen, mit denen die geplante Maßnahme verglichen werden kann. Jedenfalls muss überprüft werden, ob das gesamtwirtschaftliche Ziel außerhalb einer Umwandlung erreicht werden kann und sich diese Alternativgestaltung als milderes Mittel gegenüber den Minderheitsgesellschaftern darstellt.
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§ 12 Der Minderheitsschutz bei Umwandlungsbeschlüssen
A. Minderheitsschutz beim förmlichen Delisting
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
§ 13 Minderheitsschutz beim Gang an die Börse und Rückzug von der Börse Der Gang einer Aktiengesellschaft an die Börse und der Rückzug von dieser bringen für die Aktionäre beträchtliche Veränderungen in ihrer Rechtsstellung mit sich. Die dagegen votierende Minderheit sieht sich der Gefahr ausgesetzt, dass ihre Mitgliedschaft gegen ihren Willen auf eine veränderte Grundlage gestellt wird. Da in letzter Zeit vor allem der Rückzug von der Börse auf heftigen Widerspruch bei Kleinaktionären gestoßen ist und sich infolge dessen Rechtsprechung und Literatur eingehend mit dem Problem auseinandergesetzt haben, soll der Schwerpunkt hierauf gelegt werden (sogleich unter A.). Im Anschluss wird unter B. die Frage nach einem Schutz der Minderheit bei einer Beendigung der Börsennotierung auf anderem Wege als durch förmliches Delisting aufgeworfen (Umgehungskonstellationen). Den Abschluss bildet der zeitlich erste, in der Rechtswirklichkeit offenbar aber weniger problematische Börsengang unter C. A. Minderheitsschutz beim förmlichen Delisting
A. Minderheitsschutz beim förmlichen Delisting I. Begriff und Problemstellung Da der Gesetzgeber das Delisting im Kapitalmarktrecht angesprochen, im Gesellschaftsrecht jedoch gänzlich ungeregelt gelassen hat, ist hochumstritten, wie der Minderheitsschutz verwirklicht werden kann und soll. Die offenen Fragen beziehen sich auf das zuständige Rechtsgebiet (Gesellschafts- oder Kapitalmarktrecht), auf das intern zur Entscheidung berufene Organ, evtl. die erforderlichen Mehrheitsverhältnisse bei einem Hauptversammlungsbeschluss und, als ganz zentraler Punkt, die inhaltlichen Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Delisting-Maßnahme. Damit steht die Art des Rechtsschutzes, den die Minderheitsaktionäre gegen das Delisting in Anspruch nehmen können, in Zusammenhang. Schließlich ist von Bedeutung, ob die Minderheitsaktionäre gegen Abfindung aus der Gesellschaft ausscheiden können.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
1. Bestimmung des Delisting Der Begriff des Delisting steht für die Beendigung der Börsennotierung einer Aktiengesellschaft. Börsennotiert sind Aktiengesellschaften, solange sie im Sinne von §§ 3 II AktG, 2 V WpHG an einem organisierten Markt gelistet sind. Das vollständige Delisting stellt einen totalen Börsenrückzug dar und zeichnet sich dadurch aus, dass der amtliche Handel mit Aktien vollständig beendet wird. Es wird daher auch als Going Private bzw. Public to Private (P2P) bezeichnet. Bei einem teilweisen Delisting zieht sich die Aktiengesellschaft nur von einem Börsenplatz zurück, während sie an anderen verbleibt, oder beendet nur den Handel in einem Marktsegment, jedoch nicht im gesamten amtlichen oder geregelten Markt. Darunter fällt das Downgrading, das den Handel der Aktien in einem Handelssegment beendet, während sie zugleich in einem niedrigeren Segment zugelassen werden.2203 Da das Downgrading und der partielle Börsenrückzug den Handel mit Aktien an amtlichen Märkten nicht beenden, bringen sie allenfalls eine geringe Beeinträchtigung des Minderheitsaktionärs mit sich.2204 Nur der vollständige Börsenrückzug erscheint geeignet, die Rechtsstellung des Minderheitsaktionärs nicht nur unwesentlich zu entwerten. Auch ist nach freiwilligem und unfreiwilligem Delisting zu unterscheiden. Während dem freiwilligen Delisting (auch Delisting im engeren Sinne genannt) gemäß § 39 II BörsG ein Antrag der Aktiengesellschaft bei der Börsenzulassungsstelle vorausgeht, wird die Börsenzulassungsstelle beim Zwangsdelisting unter den Voraussetzungen des § 39 I BörsG eigenständig tätig.2205 Ein gesellschaftsinterner Konflikt zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären tritt nur in den Fällen des freiwilligen Delisting auf. Im Folgenden soll daher nur der für den Minderheitsschutz relevanteste Bereich, der freiwillige und vollständige Börsenrückzug, erörtert werden.
2. Nachteile des Delisting für den Kleinaktionär Die Börsennotierung einer Aktiengesellschaft ist kostenintensiv und mit hohen Publizitätspflichten verbunden.2206 Für den Vorstand ergeben sich erhöhte Publizitätspflichten durch zwingende Zwischenberichte und das Gebot der ad hoc___________ 2203
2204 2205 2206
Zur Begriffsbestimmung vgl. etwa Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 119, Rn. 21; Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111 f.; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 106 f.; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 6 f.; Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 20; Streit, ZIP 2002, 1279, 1280; Pfüller/Anders, NZG 2003, 459; Richard/Weinheimer, BB 1999, 1613. Zu den verfassungsrechtlichen Fragen einer Verschiebung der Zulassung in ein anderes Börsensegment vgl. BayObLG NZG 2004, 1111, 1113. Vgl. Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 742–744; Groß, ZHR 165 (2001), 141, 144 und 151 f.; Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 18. Dazu Streit, ZIP 2002, 1279, 1280; Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 7–11.
A. Minderheitsschutz beim förmlichen Delisting
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Publizität. An die Erstellung der Bilanz sind bei notierten Gesellschaften weitaus höhere Anforderungen zu stellen als an nicht-notierte.2207 Auch erhöht sich die Anzahl der Sitzungen des Aufsichtsrates nach § 110 III S. 2 AktG, und seine Berichtspflichten erweitern sich nach § 171 II AktG. Anders als bei den unter § 13 besprochenen Strukturmaßnahmen bleibt die Aktiengesellschaft selbst durch den Börsenrückzug unverändert. Stattdessen verändern sich die Grundlagen der Beteiligung des Aktionärs, da es diesem fortan schwerer fällt, seine Investitionsentscheidung zu revidieren und die Beteiligung abzustoßen. Wie unter § 4 I. 2. ausgeführt, besitzt der Kleinaktionär einer börsennotierten Aktiengesellschaft wesentlich andere Interessen als ein sonstiger Gesellschafter. Er orientiert sich zur Evaluierung des Wertes seiner Beteiligung regelmäßig an einer einzigen Größe, den Börsenkursen seiner Aktien, die regelmäßig den kritischen Blick der Öffentlichkeit, insbesondere der Fachpresse, widerspiegeln. Motivation für seine Beteiligung ist dementsprechend die Hoffnung auf eine positive Entwicklung des Börsenkurses. Das bedingt die Absicht, die Beteiligung zur rechten Zeit mit Gewinn veräußern zu können. Sein Defizit an Information über die internen Angelegenheiten der Gesellschaft wird durch die Absicherung ausgeglichen, bei enttäuschender Kursentwicklung seine Beteiligung jederzeit leicht abstoßen und so einen Totalverlust des eingesetzten Kapitals vermeiden zu können. Hinzu tritt ein gewisser Schutz vor gesellschaftsinterner Willkür durch die Überwachung der Aktiengesellschaft durch die Börsenaufsicht.2208 Das Delisting führt daher zu einem Zustand, den der Kleinaktionär regelmäßig gerade vermeiden will, der Unternehmenspolitik von Vorstand und Aktionärsmehrheit ausgeliefert zu sein.2209 Hinzu kommt, dass die börsenrechtlichen Informations- und Schutzinstrumente (Zwischenberichte, Ad hoc-Publizität, Verbot des Insider-Trading) beseitigt werden.2210 ___________ 2207 2208
2209
2210
Vgl. dazu Fleischer, ZHR 165 (513), 514; Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 10; Kleindiek, FS Bezzenberger, 2000, S. 653, 656. Zu allem Vorstehenden vgl. Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 12; Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 114; Kleindiek, FS Bezzenberger, 2000, S. 653, 656. Diese kann etwa in einer strengen Thesaurierungspolitik („Aushungern“) bestehen, vgl. Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1068; zu einer Aufzählung regelmäßig zu erwartender Nachteile auch Steck, AG 1998, 460, 461. Siehe auch zu der Überlegung, dass sich der AnlegerAktionär durch die Bedrohung, sein investiertes Kapital in einer Gesellschaft eingemauert zu finden, von einem im volkswirtschaftlichen Interesse erwünschten Investment abbringen lassen wird, Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 12. Zu dieser Überlegung als generelles Argument für einen effektiven Minderheitsschutz in der Einleitung § 1 A. III. 2. Vgl. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 119, Rn. 24; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 761; Streit, ZIP 2002, 1279, 1280; Kleindiek, FS Bezzenberger, 2000, S. 653, 656; Klenke, WM 1995, 1089, 1098. Zu dem schweren Nachteil für den Aktionär dadurch, dass die Aktie aus der Marktöffentlichkeit verschwindet und nicht länger dem kritischen Blick der Analysten unterliegt, siehe auch den Hinweis im Diskussionsbericht von Bitter, ZHR 165 (2001), 167, 168.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
Zugleich wird der Kleinaktionär von einem Delisting ungleich sensibler betroffen als ein unternehmerisch beteiligter (Mehrheits-)Aktionär. Der UnternehmerAktionär, der ohnehin in der Gesellschaft verbleiben und deren Geschicke bestimmen will, wird sich durch den Börsenrückzug nicht oder kaum beeinträchtigt fühlen.2211 Seine (Mehrheits-)Beteiligung wird er zudem regelmäßig nicht über die Börse veräußern, sondern direkt als Paket an einen interessierten Investor verkaufen.2212 Hinzu kommt, dass er über wesentliche Vorgänge in der Gesellschaft ohnehin informiert ist. Für ihn überwiegen daher die Vorteile aus der Kostenersparnis, wenn sich die Gesellschaft nur noch einen unbedeutenden Zufluss von Kapital über die Börse verspricht.2213
II. Das Verhältnis börsenrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen Schon mehrfach wurde auf die hybride Situation des Aktionärs börsennotierter Gesellschaften hingewiesen, wonach diese in kapitalmarktrelevanten Situationen als Kapitalmarktteilnehmer2214 und zugleich als Mitglieder eines Personenverbandes betroffen sein können. Das Delisting stellt einen der Rechtsbereiche dar, in denen der verbandsrechtliche Minderheitsschutz und der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz aufeinander treffen, da einerseits die Mitgliedschaft des Aktionärs umgestaltet und andererseits die Marktbedingungen verändert werden. Daraus resultiert die Frage nach dem Zusammenspiel gesellschaftsrechtlicher und kapitalmarktrechtlicher Regelungen, die auch nach dem Macrotron-Urteil des BGH als weitgehend ungeklärt gelten muss.
1. Anlegerschutz nach § 39 II BörsG und den Börsenordnungen Der Gesetzgeber hat die kapitalmarktrechtliche Seite des freiwilligen Delisting in § 39 II 2 BörsG gesetzlich geregelt und Schutzstandards für die Minderheitsaktionäre festgeschrieben, während die gesellschaftsrechtliche Seite bislang ungeregelt geblieben ist.2215 ___________ 2211 2212 2213 2214
2215
Vgl. Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 757. Zu den Möglichkeiten des Paket- und Mehrheitsaktionärs etwa Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 763. Vgl. zu allem auch Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 103. Das Kapitalmarktrecht schützt den Anleger, der mit seinem Privatvermögen ohne unternehmerische Zielsetzung Investitionen an den Kapitalmärkten tätigt, vgl. Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 110 ff. Zur Kritik an der gesetzgeberischen Untätigkeit im gesellschaftsrechtlichen Bereich etwa Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 798. Zur vergleichbaren Situation in den USA, wo der Securities Exchange Act Regelungen enthält, in den Gesellschaftsrechten der Staaten aber nur Re-
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Im Gegensatz zum Zwangsdelisting nach § 39 I BörsG stellt der Widerruf der Börsenzulassung auf Antrag der Aktiengesellschaft für diese einen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Zugleich erzeugt dieser drittbelastende Wirkung im Verhältnis zu den widersprechenden Kleinaktionären. Daher schreibt § 39 II 2 BörsG vor, dass die Interessen der Aktionäre berücksichtigt und in die Abwägungsentscheidung der Börsenaufsicht einbezogen werden müssen. Die Zulassungsstelle trifft ihre Entscheidung über den Widerruf der Börsenzulassung im Marktentlassungsverfahren nach § 39 II 2 BörsG daher nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des individuellen Anlegerschutzes.2216 Der Gesetzgeber hat damit ein börsenrechtliches Marktentlassungsverfahren geschaffen, das es ermöglicht, die Belange des Emittenten, ggf. auch des Großaktionärs, mit denen der Minderheitsaktionäre abzuwägen.2217 Die konkrete Ausgestaltung dieses Anlegerschutzes ist den Börsenordnungen vorbehalten. Alle deutschen Wertpapierbörsen haben Vorschriften über den freiwilligen Börsenrückzug in ihren Börsenordnungen vorgesehen und dabei den Schutz der Anleger berücksichtigt.2218 Diesen sehen die Börsenordnungen mehrheitlich als gewahrt an, wenn den Anlegern ein Kaufangebot unterbreitet wird,2219 für dessen Bemessung teilweise auf die Vorschriften des WpÜG verwiesen wird.2220 Gerade aus der so bedeutenden BörsO der Frankfurter Börse wurde die ursprüngliche Vorschrift zu einem verpflichtenden Kaufangebot jedoch ersatzlos gestrichen;2221 auch in der BörsO der Münchener Börse fehlt ein solches. An der Frankfurter Börse soll der Anlegerschutz nunmehr nach § 61 I 2 Nr. 2 BörsO einer Delisting-Entscheidung der Börse schon dann nicht entgegenstehen, wenn den Anlegern nach Bekanntgabe der Widerrufsentscheidung ausreichend Zeit verbleibt, ihre Anteile zu veräußern. Dass die Bekanntgabe eines bevorstehenden Delisting regelmäßig zu einem abrupten Kursverfall und einem „Verkäuferwettlauf“ („Windhunderennen“) führt,2222 deutlich seltener hingegen zu einem Kursanstieg aufgrund positiver Bewertung zukünftiger Einsparungen,2223 wird of___________
2216 2217 2218
2219 2220 2221 2222
2223
gelungen zu den Instrumenten, mit denen das Delisting faktisch herbeigeführt wird, existieren, siehe Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 436 f. Zur inhaltlich identischen Regelung in § 38 IV BörsG a. F. Schwark/Heidelbach, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 38, Rn. 28. Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 87. § 61 I BörsO Frankfurt; § 82 I 2 BörsO Berlin; § 43 I 2 BörsO Hannover; § 51 I 2 BörsO München; § 56 II 2 BörsO Düsseldorf; § 79 I 1 BörsO Baden-Württembergische Wertpapierbörse. § 82 II BörsO Berlin; § 43 II lit. b BörsO Hannover. § 43 II lit. b BörsO Hannover. Ein solches fand sich in § 54 a I Nr. 2 BörsO Frankfurt a. F. BGH WM 2003, 533, 536 (Macrotron); Streit, ZIP 2002, 1279, 1285; nach Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 234 f.; Holzborn/Schlößer, BKR 2002, 486, 490, muss die Frankfurter Börsenzulassungsstelle in jedem Einzelfall prüfen, ob dem Anlegerschutz durch eine Fristlösung angemessen Rechnung getragen wird, und verneinendenfalls ein Kaufangebot des Emittenten fordern. Zu letzterem Hopt, FS Drobnig, 1998, S. 534, 537.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
fenbar vom Börsenrat außer Acht gelassen. Da die Frankfurter Börse daher einen kaum nennenswerten Anlegerschutz aufweist, bietet es sich für rückzugswillige Emittenten an, sich zunächst unter Beibehaltung der Frankfurter Notierung von allen übrigen Börsenplätzen zurückzuziehen, da ein partielles Delisting unter Verbleib an weiteren deutschen Börsenplätzen an allen Börsenplätzen als nur gering anlegerrelevant gilt und keine Auflagen erwarten lässt. Zuletzt kann dann der vollständige Börsenrückzug in Frankfurt betrieben werden. Diese Möglichkeit wird als bedenkliche Lücke des Anlegerschutzes kritisiert.2224 Ob rechtsschutzsuchenden Kleinanlegern gegen die Entscheidung der Zulassungsstelle der Verwaltungsrechtsweg offen steht, ist nicht abschließend geklärt.2225 Zwar wurde der Zulassungswiderruf vom VG Frankfurt als belastender Verwaltungsakt mit Drittwirkung eingeordnet und die betroffenen Aktionäre als widerspruchs- und anfechtungsbefugt i. S. v. § 42 II VwGO angesehen.2226 Dieses Urteil bezog sich jedoch auf eine außer Kraft getretene Fassung des BörsG. In der folgenden Gesetzesnovelle wurde § 31 V BörsG a. F. eingefügt, der ausdrücklich feststellte, dass die Zulassungsstelle ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnehme. Die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung bestimmte dementsprechend auch, dass die Tätigkeit der Zulassungsstelle den Belangen der Anleger in ihrer Gesamtheit und nicht dem Schutz einzelner Anleger diene.2227 Da ein derartiger Gesetzeszweck den individualschützenden Charakter einer Norm und damit die Klagebefugnis des Einzelnen regelmäßig gerade ausschließt, erscheint es als sehr zweifelhaft, dass dem Kleinaktionär der Verwaltungsrechtsweg offen steht.2228 In der aktuellen Fassung des BörsG findet sich ein derartiger Hinweis zwar nicht mehr. Zugleich ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber damit einen Paradigmenwechsel einläuten wollte. Die Skepsis gegenüber einer Klagebefugnis der Aktionäre besteht daher unverändert fort.
2. Nebeneinander und Interdependenz von kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlichem Schutz Durch die Bestimmungen im BörsG und den Börsenordnungen ist damit zwar im Grundsatz sichergestellt, dass jede Börsenzulassungsstelle bei ihrer Entscheidung über einen Delisting-Antrag den Anlegerschutz als Abwägungsgesichtspunkt ein___________ 2224 2225
2226 2227 2228
Vgl. Streit, ZIP 2002, 1279, 1284; ders., ZIP 2003, 392, 393. Dafür LG München I AG 2000, 140, 142; OLG München DB 2001, 747, 749; Groß, ZHR 165 (2001), 141, 158 f.; Schwark/Heidelbach, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 38, Rn. 48; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 119, Rn. 22; Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 468; dagegen Grunewald, ZIP 2004, 542, 543; Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 191– 194. VG Frankfurt AG 2003, 218 f.; VG Frankfurt DB 2002, 1986 = NZG 2002, 830. BT-Drs. 14/8017, S. 80. Grunewald, ZIP 2004, 542, 543; ausführliche Analyse bei Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 191–194.
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bezieht.2229 Es handelt sich jedoch um eine Ermessensentscheidung, wie schon § 39 II 1 BörsG klarstellt, so dass, wie von der Verwaltungsgerichtsbarkeit bestätigt, die Entscheidungen der Börsenzulassungsstellen nur auf einen Ermessensfehlgebrauch überprüft werden können.2230 Hinzu kommt, dass die Details dieser Prüfung den Börsenordnungen vorbehalten sind und es, wie dargestellt, an einem einheitlichen Schutzniveau fehlt. Das gilt umso mehr, wenn die Gesellschaft auch oder ausschließlich an ausländischen Börsenplätzen notiert ist.2231 Das angesprochene Rechtsschutzdefizit verschlechtert den Aktionärsschutz weiter. Daher ist davon auszugehen, dass den Gefahren des Delisting für die Minderheitsaktionäre durch das Kapitalmarktrecht nicht ausreichend Rechnung getragen wird.2232 Die Intention des Gesetzgebers bestand bei Erlass des § 38 IV BörsG a. F., dem der geltende § 39 II 1 BörsG entspricht, darin, die Praxis der Börsenaufsichten bei Widerruf der Börsenzulassung zu vereinheitlichen und einen Rückzug von der Börse zu ermöglichen,2233 nicht jedoch, die im Gesellschaftsrecht angesiedelten Fragen im Kapitalmarktrecht zu verorten und eine abschließende Regelung zu sämtlichen Fragen des Aktionärsschutzes zu treffen.2234 Ein effektiver Minderheitsschutz beim Delisting bedarf daher der gesellschaftsrechtlichen Mechanismen des Minderheitsschutzes. Das ist auch unschwer möglich: Dem freiwilligen Delisting liegt ein Antrag der Gesellschaft zugrunde, dem ein Willensbildungsakt der Gesellschaft vorausgeht. Grundlage dieses minderheitsrelevanten Vorgangs ist daher die gesellschafsinterne Willensbildung. Der Widerruf durch die Börsenzulassungsstelle ist nur der reflexartige Ausführungsakt des Gesellschaftsantrags. Ihren Ausgangspunkt nimmt die mit dem Delisting für den Kleinaktionär verbundene Beeinträchtigung im gesellschaftsinternen Verhältnis. Das bedeutet zugleich nicht, dass die Bestimmungen des Kapitalmarktrechts außer Betracht bleiben können. Soweit diese eingreifen, sind deren Rechtsfolgen auch im Rahmen des gesellschaftsrechtlichen Schutzes zu beachten.2235
___________ 2229 2230 2231 2232
2233 2234
2235
Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 231. Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 467 f. (zu dem wortgleichen § 38 IV 1 BörsG a. F.). Siehe dazu den Hinweis von Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 120. So i. E. auch Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 467; Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 136 f.; Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1066. Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 230; Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 466. So die überzeugende Interpretation von Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1066; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 119, Rn. 23; i. E. auch Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 39 BörsG, Rn. 2 f. Vgl. auch Reiff, Gesellschaftsrechtliche Aspekte des regulären Delistings, 2004, S. 33 f. Schwark/Heidelbach, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 38, Rn. 39; Schwark/ Geiser, ZHR 1997, 739, 759.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
III. Delisting als Eingriff in den Schutzbereich des Aktionärs Da somit der Minderheitsschutz beim Delisting schwerpunktmäßig dem Gesellschaftsrecht überantwortet ist, bedarf es wirkungsvoller Schutzmechanismen. Deren Intensität hängt entscheidend davon ab, ob mit einem Delisting in den durch Art. 14 I GG geschützten Schutzbereich der Mitgliedschaft des Aktionärs eingegriffen wird. Diese Frage, die nach hier vertretener Konzeption bei sämtlichen Beeinträchtigungen von Bedeutung ist, wird für den Börsenrückzug engagiert diskutiert, da es sich um einen der wenigen Bereiche handelt, in denen der BGH ausdrücklich Stellung zur verfassungsrechtlichen Dimension beeinträchtigender Strukturentscheidungen bezogen hat.
1. Die Börsennotierung als Bestandteil der geschützten Mitgliedschaft a) Der Meinungsstand Von einer beträchtlichen Zahl von Stimmen in Rechtsprechung und Literatur wird die Ansicht vertreten, die Börsennotierung der Aktie zähle nicht zu den von Art. 14 I GG geschützten Aktionärsrechten. Diese Ansicht stützt sich im Wesentlichen auf das Argument, dass bei einem Delisting die Binnenstruktur der Gesellschaft und die Teilhabe- und Vermögensrechte der Aktionäre unverändert bleiben. Nur die Mitgliedschaft als solche sei als Eigentumsrecht am Unternehmen vom Schutz des Art. 14 I 1 GG erfasst, nicht jedoch die durch die Börsennotierung geschaffene erhöhte Handelbarkeit der Aktie.2236 Zwar berührten Veränderungen der Mitgliedschaft und Beeinträchtigungen der Vermögensverhältnisse den Schutzbereich der durch Art. 14 I GG geschützten Beteiligung, doch zähle eine Verminderung der Verkehrsfähigkeit der Aktie zu keiner dieser beiden Gruppen.2237 Dass die Zirkulationsfähigkeit einer Aktie faktisch beeinträchtigt werde, reiche für einen Eigentumseingriff nicht aus. Vielmehr seien verfassungsrechtlich nur die rechtlich bedingten Einschränkungen relevant, so etwa Vinkulierungen. Die Börsenzulassung stelle vielmehr einen verfassungsrechtlich irrelevanten wertbildenden Faktor des Aktieneigentums dar.2238 Ein weiterer Einwand rückt die Börsennotierung ganz in das Lager der Aktiengesellschaft: Die Börsennotierung gehöre nur zu den Vermögenspositionen der ___________ 2236
2237 2238
VG Frankfurt DB 2002, 1986, 1989 = NZG 2002, 850; Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 191; Bungert, BB 2000, 53, 57; Halasz/Kloster, ZBB 2001, 474, 482; Henze, FS P. Ulmer, 2003, S. 211, 240 f.; Holzborn/Schlößer, BKR 2002, 486, 487; Schlitt, ZIP 2004, 533, 535; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 228–230; Martinius/Schiffer, DB 1999, 2460, 2462; Renner/Schiffer, DB 2002, 1990, 1991; Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 115; Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 798; Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 191; Streit, ZIP 2002, 1279, 1287; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 229; de Vries, Delisting, 2002, S. 35 f.; nur im Hinblick auf eine Verletzung des Art. 14 GG durch nicht hinreichenden Rechtsschutz LG München I AG 2000, 140, 141 f. Bürgers, NJW 2003, 1642, 1643. Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 113 ff., insbes. 115.
A. Minderheitsschutz beim förmlichen Delisting
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Gesellschaft. Da sich die von Art. 14 I GG geschützte Mitgliedschaft des Aktionärs jedoch generell nicht auf die der Gesellschaft zustehenden einzelnen Rechte und Sachen erstrecke,2239 könne auch die Börsennotierung nicht einen Teil der Mitgliedschaft des Aktionärs bilden.2240 Die prominenteste Gegenstimme ist die des BGH in seinem Macrotron-Urteil.2241 Der BGH greift darin auf die Rechtsprechung des BVerfG in den hier bereits mehrfach erwähnten Entscheidungen DAT/Altana und Moto Meter2242 zurück, um den Schutzbereich der Mitgliedschaft zu ermitteln. Eine zentrale Aussage im DAT/Altana-Urteil lautet, dass „die Verkehrsfähigkeit als Eigenschaft des Aktieneigentums“ bei der Wertbestimmung des Eigentumsobjekts nicht außer Betracht bleiben darf.2243 Auch haben das BVerfG und ihm folgend die obergerichtliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Ermittlung der Abfindungshöhe beim Ausscheiden des Gesellschafters die besondere Bedeutung der durch die Börsennotierung vermittelten Verkehrsfähigkeit der Aktie betont.2244 Daraus schließt der BGH, dass der Verkehrswert und seine jederzeitige Realisierungsmöglichkeit Eigenschaften des Aktieneigentums darstellen und daher wie das Aktieneigentum selbst verfassungsrechtlichen Schutz genießen.2245 Darüber hinaus stützt er seine Entscheidung wesentlich auf die bereits eingangs genanten nachteiligen Folgen des Delisting für die Mitgliedschaft des Kleinaktionärs. Dem Aktionär werde durch den Rückzug der Aktien vom amtlichen Handel oder geregelten Markt die Möglichkeit genommen, den Wert seiner Aktien jederzeit durch Veräußerung zu realisieren. Da Kleinaktionäre keine unternehmerischen Zwecke verfolgten, sondern reine Anlegerinteressen wahrnehmen würden, sei dieser Marktverlust mit gravierenden wirtschaftlichen Nachteilen verbunden, die auch nicht durch die Einbeziehung der Aktien in den Freihandel ausgeglichen werden könnten. Der Verkehrsfähigkeit der Aktie sei daher eine besondere Bedeutung beizumessen.2246 ___________ 2239 2240 2241
2242 2243 2244
2245 2246
Zu diesem Grundsatz Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 8, Rn. 44. Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 88 f. BGH WM 2003, 533, 535; in Begründung und Ergebnis ebenso BayObLG NZG 2005, 313, 316; i. E. zustimmend Geyrhalter/Gänßler, NZG 2003, 313, 315; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 119, Rn. 22; i. E. auch Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1382 f.: Schutz des Aktieneigentums auch mit Rücksicht auf seine wirtschaftliche Verfügbarkeit. BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769 (DAT/Altana); BVerfG NJW 2001, 279 = ZIP 2000, 1670 (Moto Meter). BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769, 3771 (DAT/Altana). Siehe BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769, 3771 (DAT-Altana): „Zum anderen ermöglicht das Aktieneigentum eine Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht. Dieser Freiraum fußt auf der besonders ausgeprägten Verkehrsfähigkeit von Aktien. Darin unterscheidet sich die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft von anderen Unternehmensbeteiligungen. Vor allem trifft das auf Beteiligungen an börsennotierten Aktiengesellschaften zu, die es dem Gesellschafter, jedenfalls in Zeiten eines funktionierenden Kapitalmarktes, praktisch jederzeit erlauben, sein Kapital nach freiem Belieben zu investieren oder zu deinvestieren.“ So auch BVerfG WM 2003, 1813 (DAB/Hansa); OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 330. BGH WM 2003, 533, 535. BGH WM 2003, 533, 535, ebenso Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 119, Rn. 22 f.; Hellwig/ Bormann, ZGR 2002, 465, 473 ff.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
b) Bewertung anhand der besonderen Bedeutung der Börsennotierung für den Anlegeraktionär Zunächst ist den Kritikern der skizzierten BGH-Rechtsprechung zuzugeben, dass der BGH die Ausführungen des BVerfG möglicherweise überinterpretiert. Es trifft zu, dass sich den Ausführungen des BVerfG2247 nicht mit Bestimmtheit entnehmen lässt, ob die Verkehrsfähigkeit der Aktie tatsächlich vom Schutzbereich der Mitgliedschaft erfasst sein soll oder das Gericht diese vielmehr nur als besonderer wertbildender Faktor eingeordnet hat.2248 Zugleich ist der beachtliche Hinweis zu bedenken, dass es kaum zu erklären sei, weshalb die Fungibilität der Aktie bei der Abfindungsberechnung eine entscheidende Bedeutung besitzen soll, wenn sie vom Grundrechtsschutz nicht erfasst sei.2249 Im Ergebnis kann jedoch offen bleiben, ob das BVerfG die Fungibilität in den angeführten Entscheidungen zum Schutzbereich des Art. 14 I GG zählen wollte. Die hier interessierenden Fragen waren nicht Gegenstand der Entscheidungen, sondern vielmehr ging es um die Vereinbarkeit der Bestimmungen des AktG über den Abschluss von Unternehmensverträgen bzw. übertragende Auflösungen mit Art. 14 I GG. Ob die Veräußerlichkeit an der Börse zu dem von Art. 14 I GG geschützten Schutzbereich der aktienrechtlichen Mitgliedschaft zählt, wurde somit erstmalig vom BGH in seinem Macrotron-Urteil ausdrücklich entschieden.2250 Wegen der schon mehrfach betonten Besonderheiten der Mitgliedschaft des Kleinaktionärs in einer börsennotierten Aktiengesellschaft ist dem zuzustimmen. Der BGH hat mit seinem Macrotron-Urteil bestätigt, dass es möglich und sinnvoll ist, bei Aktionären danach zu differenzieren, welche Art von Beteiligung sie halten. Je nach Ausgestaltung der Mitgliedschaft treten kapitalmarkt- oder mitgliedschaftliche Schutzaspekte stärker in den Vordergrund.2251 Wie bereits ausführlich dargestellt, vermag der Gesetzgeber Inhalt und Schranken der grundrechtlich geschützten Gesellschafterbeteiligung nur bedingt vorzugeben. Wegen der unverzichtbaren Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht wird der Rechtsrahmen der Mitgliedschaft erst durch die konkrete Ausgestaltung der Beteiligung durch die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages und die Realstruktur der Gesellschaft vollständig abgesteckt. Daher und auch im Sinne der unter § 2 B. III. 3. dargestellten Grundsätze der Minderheitsperspektive finden die berechtigten Erwartungen der Gesellschafter ___________ 2247
2248 2249 2250
2251
Die Entscheidung in der Sache DAT/Altana betraf den Abschluss eines Gewinnabführungsund Beherrschungsvertrages, BVerfGE 100, 289, die Rechtssache Moto Meter eine übertragende Auflösung, BVerfG ZIP 2000, 1670. Mülberth, ZHR 165 (2001), 104, 113 f.; Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 798 f.; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 229; Henze, FS P.Ulmer, 2003, S. 211, 241. Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 474. Andere Urteile des BGH, so etwa die Entscheidung BGH ZIP 1997, 1193, 1194 f., waren nur mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzesrechts bzw. verfassungskonformer Auslegung vor dem Hintergrund des Art. 14 GG befasst. Zum Dualismus von kapitalmarktrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Schutzmechanismen beim Delisting Mülbert ZHR 165 (2001), 104, 132.
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Eingang in den Schutzbereich der Mitgliedschaft. Da der Kleinaktionär, wie bereits mehrfach betont, seine Beteiligung als reine Kapitalanlage betrachtet, ist für ihn die stete Realisierbarkeit des investierten Vermögens von essentieller Bedeutung. Daher verändert sich seine Mitgliedschaft durch den Verlust der Börsennotierung der Aktien auch tiefgreifend. Dem geringeren Schutzbedürfnis bei seinen Mitverwaltungsrechten, das verbreitet und richtigerweise einem Kapitalanleger gegenüber einem unternehmerisch beteiligten Aktionär zugeordnet wird, entspricht es, den Schutzbereich der Mitgliedschaft weiter zu fassen, wenn gerade die Facetten der Kapitalinvestition an der Aktiengesellschaft betroffen sind.2252 Im Rahmen dieser wertenden Betrachtung können durchaus auch rechtspolitische Gesichtspunkte Berücksichtigung finden. Grund des verfassungsrechtlichen Schutzes des Eigentums ist es, dass dieses als entscheidendes Mittel zur Verwirklichung individueller Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich dient.2253 Daher wird angemahnt, den Schutz der Verkehrsfähigkeit des investierten Vermögens vor dem Hintergrund, dass im Kapitalmarkt investiertes Vermögen als wesentlicher Bestandteil der privaten Vermögensvorsorge gilt, besonders ernst zu nehmen.2254 Dies deckt sich im Ergebnis mit der Ansicht, die Art. 14 I 1 GG die Garantie eines privaten Marktes entnimmt, da nur so der im Eigentum verkörperte Vermögenswert realisiert werden könne. Die Börsennotierung bedeute einen Zugang zu einem spezifischen, institutionalisierten privaten Markt für Aktien. Dieser besondere Markt entfalle durch das Delisting. Zwar sei damit nicht der vollständige Entzug eines privaten Marktes verbunden, da der private Aktienhandel weiterhin erlaubt und auch zumindest theoretisch möglich sei; wohl aber folge eine Beeinträchtigung des Markthandels aus der Tatsache, dass außerbörslicher Handel kaum stattfinde. Auch diese faktische Einbuße sei als eine Beeinträchtigung im Sinne des Art. 14 I 1 GG zu werten.2255 Auch vermag der Standpunkt der Gegenansicht, wonach es sich bei der Börsennotierung nicht selbst um ein vom Schutzbereich des Art. 14 GG erfasstes Einzelrecht, sondern nur um einen wertbildenden Faktor der Mitgliedschaft handele,2256 die Einbeziehung der Börsennotierung in den Schutzbereich gerade nicht auszuschließen. Auch bedeutende wertbildende Faktoren sind Bestandteil der Mitgliedschaft und werden von ihrem Schutzbereich erfasst. Ansonsten wäre nicht zu er___________ 2252
2253 2254 2255 2256
Zum Schutz des Kleinaktionärs an einer börsennotierten Aktiengesellschaft ausführlich unter § 4 B. I. 2. Zu diesem Aspekt im Zusammenhang mit dem Delisting Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 127 f.: niedrigere gesellschaftsrechtliche, aber strengere kapitalmarktrechtliche Schutzstandards für Aktionäre börsennotierter Aktiengesellschaften. Zur besonderen Bedeutung, die ein Markt für die vom Eigentumsrecht geschützten Güter besitzt, siehe Leisner, BB 1975, 1–6. BVerfGE 50, 290, 339; BVerfGE 53, 257, 290; BVerfGE 97, 350, 371. Dazu ausführlich Blomeyer, NZA 2001, 913; Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 81. Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 76 f. U.a. mit dieser Begründung ablehnend Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 230; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 113 ff., insb. 115.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
klären, weshalb Veränderungen in der Gesellschaft, die sich auf den Wert der Beteiligung des Aktionärs nachteilig auswirken, als mittelbare Eingriffe in den Schutzbereich anzusehen sind, und damit die Diskussion um ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, Unternehmensverträge und Vermögensübertragungen schlicht hinfällig, was jedoch, soweit ersichtlich, von niemandem vertreten wird. Für die Verkehrsfähigkeit des Aktieneigentums führt auch dieser Ansatz daher wiederum zu einer wertenden Betrachtung, die aufgrund der entscheidenden Bedeutung der Börsennotierung für den Kleinaktionär zu einer Einbeziehung in den Schutzbereich führen muss.2257 Daher kann auch die Erwartung an eine Beibehaltung der Börsennotierung nicht zu einer bloßen Exspektanz im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 14 I GG herabgestuft werden.2258 Nur die Erwartung, durch zukünftige Wertsteigerungen der Aktien Gewinn erwirtschaften zu können, stellt eine vom Schutzbereich nicht erfasste Exspektanz dar. Ebenso ist dem Einwand, die Börsennotierung sei nicht aktionärs-, sondern gesellschaftsbezogen, woraus folgere, dass sie nicht Bestandteil der Mitgliedschaft sein könne,2259 entgegenzutreten. Ungeachtet der gerade dargelegten Tatsache, dass sehr wohl auch primär gesellschaftsbezogene Rechtsvorgänge wegen ihrer erheblichen mittelbaren Wirkung den Schutzbereich der Mitgliedschaft betreffen können, erscheint schon die Grundaussage unzutreffend: Die Börsennotierung der Aktien ist stärker aktionärs- denn gesellschaftsbezogen. Sie betrifft primär die Handelbarkeit der individuellen Mitgliedschaft des Aktionärs und nur sekundär die hierdurch veränderten rechtlichen Bedingungen in der Aktiengesellschaft. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es nicht erforderlich ist, dass die Veräußerlichkeit der Aktie (faktisch) nahezu unmöglich wird.2260 Vielmehr reicht die mit dem Wegfall der Börsennotierung eintretende Verschlechterung aus. Gleichwohl ist es für die weitere Prüfung von Bedeutung, ob die Aktie etwa weiter im Freiverkehr gehandelt wird. Dabei handelt es sich um einen im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung relevanten Gesichtspunkt, der ebenso Berücksichtigung finden muss wie die Tatsache, dass im Einzelfall zu Zeiten der Börsennotierung kaum Handel betrieben wurde.2261
___________ 2257 2258
2259 2260
2261
Wie hier Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 475. So aber Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 94. Vgl. dazu auch Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 117. Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 88 f. A. A. Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 91. Siehe zu dem Grundsatz, dass die Veräußerlichkeit der Aktie vom Schutzbereich des Aktieneigentums erfasst ist, BVerfGE 52, 1, 31 f. = NJW 1980, 985, 988; BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769, 3771 (DAT/Altana). Hierzu sogleich unter IV. 2.
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2. Delisting als Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft Wer annimmt, dass die Börsennotierung der Aktie vom Schutzbereich der Mitgliedschaft erfasst und daher von Art. 14 I GG geschützt wird, bejaht damit nicht zugleich auch einen Eingriff der Gesellschaft, wenn diese Börsennotierung beendet wird. Vielmehr wird teilweise vertreten, dass die Börsenzulassungsstelle als Hoheitsträgerin diesen Eingriff vornehme, wogegen sich der Aktionär (allenfalls) auf dem Verwaltungsrechtsweg soll wehren können.2262 Zumeist fehlt es an Untersuchungen zur Wirkungsweise des grundrechtlichen Schutzes im Innenverhältnis der Gesellschafter jedoch gänzlich.2263 Dass sich das BGH-Urteil in Sachen Macrotron2264 nur als Ausweitung der Eingriffsterminologie auf das Verhältnis Privater zueinander deuten lässt, ist allgemein unbemerkt geblieben. Nach den hier vertretenen allgemeinen Grundlagen stellt der gesellschaftsinterne Willensbildungsakt den Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft dar, der zwar noch des Vollzugs durch die Börsenaufsicht bedarf, seine potentiell belastende Wirkung aber bereits in sich trägt.2265
IV. Die gesellschaftsrechtlichen Schutzmechanismen beim Delisting Der gesellschaftsinterne Minderheitsschutz ist abhängig von der internen Entscheidungskompetenz über das Delisting. Auch diese Frage wird, vor allem im Anschluss an das Macrotron-Urteil, kontrovers diskutiert.
1. Die Kompetenz der Hauptversammlung zur Entscheidung über den Börsenrückzug Da sich gesetzliche Regelungen nur zur kapitalmarktrechtlichen Seite des Delisting finden, wird die Zuständigkeitsfrage vom Gesetzgeber für das Verbandsrecht nicht explizit beantwortet und richtet sich daher nach den allgemeinen Grundsätzen. Da___________ 2262
2263
2264 2265
Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 119, Rn. 22. Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass Hüffer dabei nicht stehen bleibt, sondern zusätzlich einen gesellschaftsrechtlichen Schutz der Aktionäre einfordert, a. a. O., Rn. 23–25. Zu den Zweifeln daran, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, wurde schon unter II. 1. hingewiesen. Die Formulierungen bei Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1066, legen diesen Schluss zwar nahe, eine ausdrückliche Stellungnahme fehlt jedoch. Vgl. auch die Formulierung bei Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 111. Nochmals der Hinweis auf BGH WM 2003, 533, 535. Wie schwer sich demgegenüber andere Autoren mit dieser Problematik tun, zeigt sich etwa bei Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, die einerseits vollkommen zutreffend einen angemessenen Interessenausgleich fordert, S. 79 f., und auch den Eingriff der Mehrheit in die verfassungsrechtlich geschützte Position der Minderheit erkennt, S. 82, andererseits aber dabei stehen bleibt, einen Eingriff als ausschließlich staatlichen Akt zu qualifizieren, so auf S. 77 f. Die Grundrechtsdiskussion läuft damit ins Leere und erscheint sinnlos.
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nach obliegt die Entscheidung jedenfalls dann nach § 179 I 1 AktG der Hauptversammlung, wenn es für das Delisting einer Satzungsänderung bedarf, was eher selten der Fall sein dürfte. Im Übrigen wird das Delisting vom Zuständigkeitskatalog des § 119 I AktG nicht erfasst. Daher verbleibt es bei der Zuständigkeit des Vorstands, sofern das Delisting nicht einer ungeschriebenen Zuständigkeit unterfällt. Der BGH siedelt die Kompetenz zur Entscheidung über ein Delisting bei der Hauptversammlung an. Diese Hauptversammlungskompetenz soll sich daraus ergeben, dass die beträchtlichen Auswirkungen des Delisting für die Verkehrsfähigkeit der Aktien einen Eingriff in das Aktieneigentum darstellen. Aus Gründen des individuellen Aktionärsschutzes müsse die Entscheidungsbefugnis daher dem Vorstand entzogen und den Aktionären zugesprochen werden. Zugleich könne der Delisting-Beschluss mit einfacher Mehrheit getroffen werden.2266 Die Stimmen im Schrifttum sind geteilt. Teilweise wird, dem BGH ähnlich, eine Zuständigkeit der Hauptversammlung aus der Tatsache gefolgert, dass ein Delisting in Form des going private einen so wesentlichen Eingriff in die Rechtsstellung der Aktionäre darstelle, dass nur diese selbst darüber befinden könnten.2267 Nach anderer Ansicht soll die Zuständigkeit aus der Rechtsnatur des Delisting als actus contrarius zum going public folgen.2268 Die Gegenansicht steht auf dem Standpunkt, die Folgen des Delisting für den Kleinaktionär seien nicht gravierend genug, um eine Hauptversammlungszuständigkeit zu begründen, wobei als Beurteilungsmaßstab die Holzmüller-Gelatine-Doktrin zugrunde gelegt wird.2269 Hierzu kann auf die ausführliche Darstellung unter § 6 B. verwiesen werden. Dort wurde begründet, dass die Hauptversammlungszuständigkeit aus der wesentlichen Veränderung der Beteiligungsmodalitäten und der hierdurch erzeugten Nähe zu den Rechtsformänderungen folgt. Im Ergebnis begründet daher nicht die Schwere des Eingriffs in die Mitgliedschaft alleine, sondern auch die damit verbundene wesentliche Veränderung der mitgliedschaftlichen Grundlagen die außerordentliche Zuständigkeit der Hauptversammlung.
2. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle a) Obligatorische sachliche Rechtfertigung Als wesentlicher Kontrollmechanismus des Minderheitsschutzes kann auch beim Delisting eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle anhand der allgemeinen Grundsätze dienen. Der BGH hat sich in der Macrotron-Entscheidung jedoch gegen eine ___________ 2266 2267
2268 2269
BGH WM 2003, 533, 535. Dazu schon oben unter § 6 B. Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 761; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 119, Rn. 24; Streit, ZIP 2003, 392, 393; vgl. auch allgemeiner Stumpf, NJW 2003, 9, 11, wonach verfassungsrechtlich geboten sei, wesentliche Entscheidungen den Gesellschaftern zu überlassen. Lutter, FS Zöllner, Band I, 1998, S. 363, 380. Henze, FS P.Ulmer, 2003, 211, 242; Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 113 ff.; Bürgers, NJW 2003, 1642, 1643; Groß, ZHR 165 (2001), 141, 163–166; Streit, ZIP 2002, 1279, 1287; Habersack, AG 2005, 137, 141.
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solche Rechtfertigungskontrolle im Gesellschaftsinteresse ausgesprochen, weil die Entscheidung unternehmerischen Charakter besitze. Es liege daher im Ermessen der Mehrheit, darüber zu befinden, ob ein Börsenrückzug im Interesse der Gesellschaft zweckmäßig und geboten erscheine.2270 Einige Stimmen in der Literatur stützen ihre ablehnende Haltung allein auf die in ihren Augen restriktive Haltung der Rechtsprechung gegenüber einer Inhaltskontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen,2271 andere führen die bekannten Einwände genereller Natur gegen eine Inhaltskontrolle2272 an.2273 Eine weitere Gruppe verweist darauf, dass sich der Vorstand einer Aktiengesellschaft auf ein Delisting, das seinem eigenen Standing abträglich sei, nur einlassen werde, wenn betriebswirtschaftliche Gründe dafür sprächen, also das Gesellschaftsinteresse dafür streite. Daher sei nur eine Ermessensmissbrauchskontrolle angemessen und geboten.2274 Schließlich betonen einige Autoren, die sich gegen einen Eingriff in Art. 14 GG aussprechen, auch bei dieser Frage erneut die nach ihrer Ansicht geringfügige Beeinträchtigung der Minderheitsaktionäre2275 oder fordern eine 3/4-Mehrheit, die zugleich „ihre Rechtfertigung in sich trage“.2276 Statt einer inhaltlichen Beschlusskontrolle wird eine Überprüfung auf Verstöße gegen die Treuepflicht befürwortet, mit der in den Fällen abgeholfen werden könne, in denen das Delisting sachfremden Zwecken diene. Der Unterschied dieses Ansatzes gegenüber einer inhaltlichen Beschlusskontrolle besteht (wie stets) darin, dass nur auf Rüge (und Beweis) der Minderheit überprüft wird, ob mit dem Beschluss eigennützige, nicht im Gesellschaftsinteresse liegende Zwecke verfolgt werden, während eine Abwägung der beteiligten Interessen unterbleibt. Diese Folge wird teilweise daraus abgeleitet, dass der Anlegerschutz keinen bei der Beschlussfassung zu berücksichtigenden Gesichtspunkt darstelle, sondern vielmehr allein dem Kapitalmarktrecht überantwortet sei.2277 Nur vereinzelt wird demgegenüber Kritik an der Entscheidung des BGH, keine materielle Beschlusskontrolle vorzunehmen, geübt.2278 Zutreffend wird dabei auf ___________ 2270 2271 2272 2273 2274 2275 2276 2277
2278
BGH WM 2003, 533, 537; i. E. auch OLG München DB 2001, 747, 748 f.: § 38 BörsG (§ 43 BörsG a. F.) i. V. m. den Börsenordnungen als „umfassende spezialgesetzliche Regelung“. So Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1067; ohne Begründung Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 119, Rn. 24; Habersack, AG 2005, 137, 141. Zu diesen die ausführliche Darstellung unter § 4 A. Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 226–236. Ohne weitere Begründung ablehnend K. Schmidt, NZG 2003, 601. 603. Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 763 f. Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 235. Liebscher, ZGR 2005, 1, 32. Vgl. die Ansicht und Darstellung von Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 267–276; vgl. auch Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 125 sowie 133 (zum Kriterium einer Maßnahme im Gesellschaftsinteresse) und 127 (zur Zuordnung des Anlegerschutzes allein zum Kapitalmarktrecht). Lutter, JZ 2003, 684, 686, unter Hinweis auf die Gefahr, dass sich ohne Rechtfertigungskontrolle die Möglichkeit eines faktischen Squeeze Out unterhalb der Schwelle der 95% ergeben könne; für eine materielle Beschlusskontrolle auch, allerdings mit der Begründung, ein Mehrheitsbeschluss erfordere stets eine solche, Heine, Anleger- und Minderheitsschutz beim
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den Widerspruch in der Begründung des BGH hingewiesen, dass eine unternehmerische Entscheidung die Inhaltskontrolle ausschließe, da doch der Bezugsrechtsausschluss, ein anerkannter Anwendungsbereich der materiellen Beschlusskontrolle, ebenfalls eine solche darstelle.2279 Darüber hinaus wurde schon an anderer Stelle ausgeführt, dass sich unternehmerischer Ermessensspielraum und inhaltliche Rechtfertigungskontrolle vereinbaren lassen, indem die von der Gesellschaft angeführten Gründe nur auf einen Ermessensfehlgebrauch überprüft werden (Gesichtspunkt der Überprüfungstiefe), an einer Interessenabwägung jedoch festgehalten werden kann.2280 Vielmehr könnte ein anderer Gesichtspunkt entgegenstehen: Wie bereits mehrfach ausgeführt, schließt eine abschließende gesetzliche Vorwegnahme der Interessenabwägung durch den Gesetzgeber eine inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle aus. Eine solche Wertung wird vereinzelt in § 39 II BörsG gesehen, da aus dieser Norm hervorgehe, dass der Gesetzgeber das Rückzugsinteresse der Gesellschaft anerkannt und eine Abwägung der Interessen von Gesellschaft und dissentierender Minderheit im Kapitalmarktrecht verortet habe. Der Marktteilnehmer müsse sich daher nicht auf durch Richterrecht geschaffene weitere Voraussetzungen für das Delisting einstellen.2281 Dagegen spricht jedoch, dass es sich, wie bereits festgestellt, bei den kapitalmarktrechtlichen Regelungen nach Intention des Gesetzgebers gerade nicht um Regelungen handelt, die auch die Fragen des Verbandsbinnenrechts abschließend regeln sollen. Vielmehr unterstreicht die Feststellung, dass die kapitalmarktrechtlichen Voraussetzungen in § 39 II BörsG keinen ausreichenden Schutz der Aktionärsminderheit im Gesellschaftsrecht zu gewährleisten vermögen, die Notwendigkeit, die verbandsinternen Anforderungen unabhängig zu bestimmen.2282 Richtigerweise besteht nur eine Interdependenz, die es erforderlich macht, die im Kapitalmarktrecht verankerten gesetzlichen Wertungen auch im Gesellschaftsrecht zu beachten. Praktisch bedeutet dies, dass die sich an die Gesellschaft wendenden Vorgaben der kapitalmarktrechtlichen Bestimmungen auch in die gesellschaftsrechtliche Abwägungsentscheidung einzubeziehen sind.2283 Im Ergebnis ist daher kein Grund ersichtlich, warum bei einem DelistingBeschluss von den allgemeinen Grundsätzen abgewichen werden sollte. Danach bedürfen die in den Schutzbereich der Mitgliedschaft eingreifenden Beschlüsse ___________
2279 2280 2281 2282 2283
Börsenaustritt und Voluntary Delisting, 2003, S. 224 f.; für eine Rechtfertigungsprüfung unter dem Gesichtspunkt eines Bestandsschutzes, nicht einer Institutsgarantie Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1383. Lutter, JZ 2003, 684, 686. Ausführlich unter § 3 D. IV. 4. und § 4 A. III. 4. Zum inhaltlich identischen § 38 IV BörsG a. F. Pluskat, Going Private durch reguläres Delisting, WM 2002, 833, 835; Anklänge auch bei LG München I AG 2000, 140, 141 f. So die Begründung Lutters, FS Zöllner, Band I, 1998, S. 363, 380 f., dafür, dass § 38 IV BörsG nicht ausschließt, eine sachliche Rechtfertigung zu fordern. Für die Verflechtung der Entscheidungen in den beiden Rechtsgebieten, wenn auch unter gänzlich anderen Ansätzen Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 269.
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bei nicht-notierten Gesellschaften stets einer inhaltlichen Rechtfertigung, während bei börsennotierten Aktiengesellschaften (nur) die Vermögensinteressen der Kleinaktionäre gewahrt werden müssen. Diese Ausnahme ist, das wurde ausführlich dargestellt, dadurch gerechtfertigt, dass der Kleinaktionär einer Aktiengesellschaft als Kapitalanleger im Wesentlichen nur an der Wahrung seiner Vermögensinteressen interessiert ist. Da mit dem Delisting-Beschluss jedoch gerade in die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaft eingegriffen wird und damit gerade die Grundlage für die Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen beseitigt werden soll, ist von den allgemeinen Anforderungen auszugehen und eine Inhaltskontrolle zu fordern. b) Modalitäten der Prüfung unter Beachtung der kapitalmarktrechtlichen Vorgaben Diese inhaltliche Rechtfertigungskontrolle ist an den Besonderheiten des Delisting auszurichten. Zunächst sind im Rahmen der Prüfung, ob die Gesellschaft einen legitimen Zweck verfolgt, die mit dem geplanten Delisting verfolgten Interessen zu ermitteln.2284 aa) Zulässige Zweckverfolgung im Gesellschaftsinteresse Denkbar ist etwa, dass ein Sanierungskonzept für eine krisengeschüttelte Aktiengesellschaft existiert und sich dieses außerhalb der Börse und ihrer Veröffentlichungspflichten einfacher oder wirkungsvoller durchführen lässt. Ein zulässiger Anlass kann daneben auch sein, dass kein nennenswerter Börsenhandel mehr stattfindet, da kaum noch Streubesitz vorhanden ist und die Aktien kaum noch Beachtung von Analysten und Investoren finden. Die ursprüngliche Intention des Börsengangs, über die Börse Eigenkapital aufzunehmen und das Unternehmensimage zu verbessern, ist in diesem Fall nicht mehr zu erreichen, so dass es aus Sicht der Gesellschaft sinnvoll erscheinen kann, die mit der Notierung verbundenen Kosten einzusparen. Denkbar ist auch, dass zwar in nicht unbeträchtlicher Höhe weiterhin ein Börsenhandel stattfindet, sich dieser für die Aktiengesellschaft jedoch in keiner nennenswerten Fortentwicklung des Eigenkapitals niederschlägt. In derartigen Situationen kann die Börsennotierung dem Vorstand und der Aktionärsmehrheit als nur noch beschränkt zielführend erscheinen. Nicht die Interessen der Aktiengesellschaft, sondern des Mehrheitsaktionärs stehen demgegenüber im Vordergrund, wenn Kleinaktionäre durch eine gezielte Verschlechterung ihrer Beteiligung aus der Gesellschaft gedrängt oder die Voraussetzungen für einen Paketverkauf an einen Abnehmer, der nur an einer nicht-notierten Gesellschaft interessiert ist, geschaffen werden sollen. Ein denkbares eigennütziges Motiv für ein Delisting stellt auch die Furcht des Mehrheitsaktionärs vor einer (weiteren) Beschränkung seines Einflusses durch die Aufnahme neuer Aktionäre dar.2285 Nach den allgemeinen Grundsätzen dürfen solche Ziele nur zusätzlich zu ___________ 2284 2285
Vgl. zu Beweggründen für das Delisting auch Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 226 f. Dazu Groß, ZHR 165 (2001), 141, 144.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
berechtigten Gesellschaftsinteressen verfolgt werden und sind dann im Rahmen der Abwägungskontrolle auf ihre Angemessenheit zu untersuchen. Nur soweit der Mehrheitsaktionär über eine Mehrheit von 95% verfügt, die ihn zum Quasi-Alleineigentümer der Gesellschaft macht, darf er ausschließlich Eigeninteressen verfolgen. Der Hauptversammlungsbeschluss erübrigt sich gleichwohl nicht, da er als Informationsgrundlage für die Minderheit dient und im Wege der Anfechtungsklage die Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen des Beschlusses überprüft werden können. Insoweit ist nochmals auf die Forderung unter § 10 D. II. 3. c) zu verweisen, den Minderheitsaktionären in diesen Fällen ein Andienungsrecht zuzugestehen. bb) Relevante Gesichtspunkte der Abwägungsentscheidung Auf Abwägungsebene sind die berechtigten Interessen zu berücksichtigen und zu gewichten. Wesentliche Gesichtspunkte bei dieser Abwägung sind etwa, wie der bisherige Börsenhandel vor dem Delisting-Beschluss ausfiel, ob ein regelmäßiger Börsenhandel der Aktien also noch bestand, zudem der Umfang des Free Float, die Aktionärsstruktur, die Zeitdauer der Börsennotierung und die mit der Notierung verbundene Kosten- und Aufwandsbelastung der Aktiengesellschaft.2286 Soweit kaum noch Kapitalbewegungen auf den Börsenmärkten bestehen, können sich die Kosten der Notierung als Belastung erweisen und ein Börsenrückzug den Unternehmenswert steigern. Dies kann in (eher seltenen) Einzelfällen sogar dazu führen, dass der Verkehrswert der Beteiligung steigt, für die Aktien im Freihandel daher sogar mehr zu erzielen ist als im Falle ihrer Notierung.2287 Für die Bewertung der Interessen des Minderheitsaktionärs ist bedeutend, ob es sich um einen typischen Anleger oder einen atypischen, namentlich unternehmerisch beteiligten Gesellschafter handelt. In diesem Fall rückt die zukünftige Performance des Unternehmens in den Mittelpunkt seiner Interessen. Die mit der beeinträchtigten Verkehrsfähigkeit der Aktien verbundenen Nachteile können aus seiner Sicht durch die Kostenminimierung in der Gesellschaft und die daraus resultierenden Gewinnsteigerungen aufgefangen werden. Wiederum nach den allgemeinen Grundsätzen ergibt sich auch, dass den Minderheitsaktionären nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen kein allgemeiner Abfindungsanspruch zusteht. Soweit die Interessen der Gesellschaft an einer Beendigung der Börsennotierung überwiegen, müssen die Aktionäre die damit verbundenen Nachteile entschädigungslos hinnehmen. Dies ist beim Delisting zugleich problematischer als bei anderen Maßnahmen, die in die Rechtsstellung der Aktionäre eingreifen: Der neuralgische Punkt fällt beim Delisting mit dem Begründungsansatz, auf den die Ausnahmen für börsennotierte Gesellschaften gestützt wurden, zusammen. Der Börsenrückzug schränkt die jederzeitige Veräußerlichkeit der Aktie beträchtlich ein, beendet damit die Möglichkeit zum „Exit“, welche die börsennotierte Aktiengesellschaft gerade von den anderen Gesellschaftstypen, auch der nicht-notierten Publikums-AG, unterscheidet. Die Anforderungen an ein kompen___________ 2286 2287
Teilweise identisch Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 227. Dazu Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 94.
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sationsloses Delisting sind daher entsprechend hoch. Sofern das Gesellschaftsinteresse bei Abwägung mit den Aktionärsbelangen jedoch überwiegt, handelt es sich bei der eintretenden Entwertung der Beteiligung (soweit der zu erzielende Preis der Aktie einbricht) um die Realisierung eines in der Beteiligung wurzelnden Risikos. Der Verlust wird durch ungünstige wirtschaftliche Entwicklungen, nicht durch im Eigeninteresse liegende Maßnahmen der Mehrheit herbeigeführt. Das wird von der h. M., die von anderen Voraussetzungen ausgeht, indem sie eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle ablehnt, anders gesehen, wie unter 5. darzustellen sein wird. Zugleich sind hier die Interdependenzen von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht zu berücksichtigen. Soweit die über das Delisting befindende Börsenzulassungsstelle aus Gründen des Anlegerschutzes ein Kaufangebot fordert, ergibt sich aus kapitalmarktrechtlichen Grundsätzen, dass trotz eines sachlichen Grundes im Gesellschaftsinteresse eine Abfindung obligatorisch ist. Diese zu erwartende Abfindung muss in die Abwägung einbezogen werden und kann die für die Aktionäre zu erwartende Beeinträchtigung weniger dramatisch erscheinen lassen.2288 Gleiches gilt für andere anlegerschützende Maßnahmen, soweit diese von den Börsenzulassungsstellen bereits angeordnet oder zu erwarten sind.
3. Die Höhe der erforderlichen Beschlussmehrheit Auch die für einen Delisting-Beschluss erforderliche Mehrheit wird kontrovers diskutiert, wobei eine Ansicht eine satzungsändernde Mehrheit fordert,2289 während nach anderer Ansicht eine einfache Mehrheit genügen soll.2290 Dabei vertreten die zur ersten Ansicht gehörenden Stimmen wegen der erheblichen minderheitsrelevanten Auswirkungen eine Analogie zu den strukturändernden Maßnahmen, die eine 3/4-Mehrheit voraussetzen,2291 oder erkennen im Delisting einen Übergang vom ___________ 2288
2289
2290
2291
Nicht unproblematisch ist dabei die Doppelung der Rechtswege, wonach die Entscheidung der Börsenzulassungsstelle vor den Verwaltungsgerichten, der Hauptversammlungsbeschluss hingegen vor den ordentlichen Gerichten angefochten werden muss. Falls nach den hier skizzierten Grundsätzen entscheidungsrelevant, wird ein mit der Anfechtungsklage befasstes Gericht bis zur Entscheidung der Börsenzulassungsstelle das Verfahren aussetzen müssen. Lutter, FS Zöllner, Band I 1998, S. 363, 380; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 475; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806; Hellwig, ZGR 1999, 781, 799; Pluskat, WM 2002, 833, 835; Liebscher, ZGR 2005, 1, 31; Streit, ZIP 2003, 392, 394; Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1066. Höhere Mehrheiten als eine satzungsändernde Mehrheit zu fordern, ist angesichts der gesetzlichen Regelung in § 240 I UmwG, wonach Rechtsumwandlungen eine satzungsändernde Mehrheit voraussetzen, hingegen kaum noch vertretbar, vgl. Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 761; Kleindiek, FS Bezzenberger, 2000, S. 653, 657 f.; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 239 f., Fn. 89. BGH WM 2003, 533, 535 (Macrotron); OLG München NZG 2001, 519, 521; Schwark/ Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 763; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 239 f.; K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603. Tendenziell Klenke, WM 1995, 1089, 1099. Kleindiek, FS Bezzenberger, 2000, S. 653, 663 f.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
gesetzlichen Regeltypus der Aktiengesellschaft zu einer untypischen Ausgestaltungsform.2292 Für die Gegenansicht soll hingegen mangels spezialgesetzlicher Anordnung § 133 I AktG zum Tragen kommen. Nach der hier vertretenen Konzeption kann eine einfache Beschlussmehrheit genügen, da dem Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit keine Richtigkeitsgewähr und im Vergleich zu dem Schutz durch eine sachliche Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse auch keine herausragende Schutzfunktion zukommt. Da hier die allgemeinen Mechanismen einen wirksamen Schutz der Kleinaktionäre versprechen, ist die Gefahr, dass der Minderheitsaktionär durch den erforderlichen Hauptversammlungsbeschluss vor der Vorstandswillkür in Schutz genommen, zugleich jedoch der Willkür der Mehrheit ausgesetzt wird,2293 auch ohne qualifizierte Mehrheitserfordernisse gebannt. Eine höhere Mehrheit wäre allenfalls unter dem Gesichtspunkt zu fordern, dass bei einfacher Mehrheit das Delisting nicht nur gegen den Willen einer kleinen Gruppe von Anlegeraktionären, sondern auch gegen den Widerstand unternehmerisch beteiligter Aktionäre mit hohen Beteiligungen durchgesetzt werden kann. Zum einen besitzen derartige Konstellationen aber wohl kaum praktische Relevanz, weil die unternehmerisch beteiligten Aktionäre an der Börsennotierung weniger Interesse besitzen.2294 Zum anderen müssen die Besonderheiten der Aktionärsstruktur und die individuelle Betroffenheit der einzelnen Aktionäre nach den Grundsätzen der inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle berücksichtigt werden. Setzen sich die Interessen der Gesellschaft durch, muss dies auch ein unternehmerisch beteiligter Aktionär hinnehmen.
4. Die Abfindung des Minderheitsaktionärs Die h. M., die eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle ablehnt, stützt den Schutz der Minderheitsaktionäre auf einen obligatorischen Abfindungsanspruch. Der BGH hat dem Kleinaktionär in seiner Macrotron-Entscheidung bei einem Delisting einen Abfindungsanspruch zugesprochen, der es diesem ermöglichen soll, ohne Vermögensverlust aus der Aktiengesellschaft auszuscheiden. Den Minderheitsaktionären, die den Börsenrückzug nicht mittragen wollen, sei der Wert ihrer Aktien zu ersetzen.2295 Daher sei mit dem Beschlussantrag über das Delisting auch ein Pflichtangebot über den Kauf der Aktien durch die Gesellschaft oder den Großaktionär vorzulegen, wobei die Grenzen der §§ 71 f. AktG zu beachten seien. Diese Auffassung wird von der Literatur geteilt, die das Abfindungsangebot zur ___________ 2292 2293 2294
2295
Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 475. So die Bedenken von K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603. Zutreffend weist Grunewald, ZIP 2004, 542, 543, darauf hin, dass ein Börsenrückzug – im geregelten Verfahren oder durch Methoden des „kalten“ Delisting – regelmäßig in Situationen betrieben wird, in denen einem übermächtigen Hauptaktionär nur noch vereinzelte Minderheitsaktionäre gegenüber stehen, so dass letztlich – dies nun das hier vertretene Fazit – Mehrheitserfordernisse keinen wirklichen Schutz zu vermitteln mögen. BGH WM 2003, 533, 536.
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Voraussetzung für einen rechtmäßigen Eingriff in die Rechtsstellung des Aktionärs erklärt.2296 Die Urteilsgründe des BGH haben eine Diskussion darüber ausgelöst, ob der Abfindungsanspruch des Aktionärs infolge des Börsenrückzugs als eigenständig einklagbarer Anspruch entstehen soll (Abfindungslösung) oder vielmehr ein derartiges Abfindungsangebot die Rechtmäßigkeitsbedingung für einen Delisting-Beschluss der Hauptversammlung bildet (Bedingungslösung). a) Bedingungs- und Abfindungslösung Nach dem hier vertretenen Ansatz lässt sich nur eine Bedingungslösung konstruktiv schlüssig und übereinstimmend mit der dargestellten Interessenlage begründen. Ist die angemessene Abfindung schon auf der Abwägungsebene zu berücksichtigen und zur Rechtfertigung des Eingriffs in die Rechtsstellung des Minderheitsaktionärs heranzuziehen, wird sie gleichsam zu einer Rechtmäßigkeitsbedingung für den Delisting-Beschluss erhoben. Für eine Anspruchslösung wäre zudem erforderlich, den Abfindungsanspruch auf eine konkrete Anspruchsnorm zu stützen, etwa auf §§ 305, 306 AktG2297 oder § 207 UmwG2298. Dabei ist problematisch, inwieweit das Delisting mit der Interessenlage bei einem Formwechsel und dem Abschluss von Unternehmensverträgen vergleichbar ist. Dies ist für § 207 UmwG schwer zu begründen, da sich die Gesellschaft selbst in den Umwandlungsfällen verändert. Hingegen sind Parallelen zu den Fällen des § 305 II AktG erkennbar: Auch in den Fällen des § 305 II AktG handelt es sich um Konstellationen, in denen sich der Minderheitsaktionär von seiner Beteiligung lösen möchte, weil die Gesellschaft zwar in ihrer bisherigen Form bestehen bleibt, seine Mitgliedschaft jedoch erheblich entwertet wird. Zugleich sind die Unterschiede nicht zu übersehen: Durch den Abschluss von Unternehmensverträgen wird in die Verwaltungsrechte des Aktionärs eingegriffen und sein Anspruch auf Beteiligung an dem von der Aktiengesellschaft erwirtschafteten Gewinn beeinträchtigt, während derartiges bei einem Delisting nicht geschieht.2299 Auch der BGH scheint die Bedingungslösung zugrunde zu legen, da er den Anspruch der Minderheitsaktionäre mit dem Eingriff in die durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition begründet und die verfahrensrechtliche Vergleichbarkeit ___________ 2296 2297
2298
2299
Schwark/Heidelbach, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 38, Rn. 36. So jedoch LG München I DB 2004, 242; BayObLG NZG 2005, 313, 316 (für den Anspruch gegen den Mehrheitsaktionär). Parallel dazu für zweckänderne Beschlüsse Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 34. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 119, Rn. 24; Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 489; für eine Analogie zu §§ 207 UmwG, 305 AktG Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 802; Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1068; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 476; Schlitt, ZIP 2004, 533, 536; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 305, Rn. 8; BayObLG NZG 2005, 313, 315 f. (für den Anspruch gegen die Aktiengesellschaft). Vgl. etwa Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 228 f.
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von Delisting und den ausdrücklich in das Spruchverfahren verweisenden Normen zu Eingriffen in die Mitgliedschaft herausstreicht.2300 b) Abfindungsadressat Als Abfindungsschuldner benennt der BGH in seiner Macrotron-Entscheidung zwei mögliche Adressaten: die Aktiengesellschaft, daneben aber auch den Mehrheitsaktionär. Auch dies lässt sich schlüssiger mit der Bedingungslösung begründen, da eine Verpflichtung des Mehrheitsgesellschafters aufgrund analoger Anwendung der §§ 305 AktG, 207 UmwG noch schwerer zu begründen ist als die der Aktiengesellschaft. Nicht nur stellt sich auch hier das Problem einer Vergleichbarkeit des Delisting mit solchermaßen strukturändernden Maßnahmen; hinzu kommt, dass der Mehrheitsaktionär beim Delisting anders als in den Fällen der Unternehmensverträge nur mittelbar über die verbesserte Situation der Gesellschaft profitiert. Ein solchermaßen mittelbarer Vorteil begründet jedoch regelmäßig keine Ansprüche gegen den Mehrheitsaktionär, sofern nicht die Schwelle eines Sondervorteils im Sinne des § 243 II AktG überschritten ist. Anders ist die Situation für die Bedingungslösung zu beurteilen. Versteht sich das Angebot an den Minderheitsaktionär, diesem seine Beteiligung abzukaufen, als Bedingung für einen rechtmäßigen Hauptversammlungsbeschluss, kann hierfür ein beliebiger Schuldner benannt werden. Als Mehrheitsaktionär kommt dabei derjenige in Betracht, der unternehmerisch an der Gesellschaft beteiligt ist und im Gegensatz zum Kleinaktionär nicht über eine bloße Kapitalanlage verfügt.2301 Da dieser langfristig mit der Gesellschaft verbunden sein möchte, geht für ihn mit dem Delisting keine Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung einher, während er umgekehrt davon profitiert, dass der im Gesellschaftsinteresse liegende Börsenrückzug auf lange Sicht Gewinnsteigerungen verspricht. Es ist daher wahrscheinlich, dass er sich zur Abfindung bereit finden wird. Diese Lösung vermeidet auch einen Konflikt mit den Kapitalerhaltungsgrundsätzen des AktG.2302 Ein Erwerb eigener Aktien ist nach § 71 II 2 AktG nur zulässig, wenn der Erwerb aus Mitteln geschieht, die auch für Ausschüttungen an Aktionäre zur Verfügung stehen würden. Ein echter Anspruch des Minderheitsaktionärs wäre nur unter der Voraussetzung möglich, dass § 71 I Nr. 3 AktG auf das Delisting analog anzuwenden ist.2303 ___________ 2300
2301
2302 2303
So BGH AG 2003, 273, 275 (Macrotron); i. E. bewertend wie hier Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 259 f.; Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 802; zweifelnd Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 28. Damit ist zugleich die Frage beantwortet, wer als „Mehrheitsaktionär“ im Sinne der BGHRechtsprechung anzusehen ist, vgl. etwa Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 27; Bürgers, NJW 2003, 1642, 1644. Es handelt sich um den unternehmerisch beteiligten Aktionär, der einem Delisting-Beschluss zustimmt. So auch Kleindiek, FS Bezzenberger, 2000, S. 653, 667 f. Eine solche Analogie würde die Analogiefähigkeit der Norm und die Vergleichbarkeit der Interessenlagen voraussetzen. Letztere besteht insoweit, als ein Eingriff in die durch Art. 14
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Obwohl eine Abfindung nach der hier vertretenen Konzeption gerade nicht zwingend erforderlich ist, kann doch abschließend festgestellt werden, dass die Bedingungslösung, entgegen der Ansicht des BayObLG,2304 keinen Eingriff in die Rechtsstellung der Aktiengesellschaft bzw. des Mehrheitsaktionärs darstellt. Soweit sich der Eingriff ohne Abfindungslösung als unverhältnismäßig erweisen würde, wird diesen vielmehr gestattet, einen anderenfalls rechtswidrigen Eingriff in die von Art. 14 I GG geschützte Rechtsstellung der Minderheitsaktionäre vorzunehmen. Auch dass er mit seinem Erwerbsangebot ein öffentliches Angebot auf den Erwerb von Aktien einer börsennotierten Aktiengesellschaft i. S. d. § 2 I WpÜG mit allen daraus folgenden Konsequenzen abgibt, weiß der Mehrheitsgesellschafter.2305 Er geht eine bewusste Entscheidung ein, so dass auch eine aufgedrängte Bereicherung ausscheidet. c) Austrittsrecht aus wichtigem Grund Anstelle eines Abfindungsanspruchs oder einer Bedingungslösung wird als dritter Weg vorgeschlagen, dem Aktionär unter den allgemeinen Voraussetzungen, die für das außerordentliche Austrittsrecht gelten, die Möglichkeit zu eröffnen, sich von seiner Beteiligung zu lösen.2306 Dieser Weg bietet sich vor allem an, wenn, anders als hier vertreten, eine Inhaltskontrolle des Delisting-Beschlusses abgelehnt wird. Die Besonderheiten des Einzelfalls können dann erst auf zweiter Ebene, im Rahmen einer Entscheidung über ein Austrittsrecht des Kleinaktionärs berücksichtigt werden.2307 Ein solches scheidet dann etwa aus, wenn schon im Vorfeld des Delisting kein nennenswerter ___________
2304 2305
2306 2307
I 1 GG geschützte Rechtsstellung des Kleinaktionärs droht. Zugleich handelt es sich bei den in § 71 I Nr. 3 AktG aufgeführten Fällen nicht nur um Konstellationen, in denen die Beteiligung des Minderheitsaktionärs gegen dessen Willen entzogen wird, sondern bei § 305 II AktG um, wie schon oben angedeutet, durchaus vergleichbare Konstellationen. Allerdings dienen die Kapitalerhaltungsvorschriften dem Gläubigerschutz und sind daher eng auszulegen. I. E. daher ablehnend Henze, NZG 2003, 649, 650 f.; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 263; a. A. Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 476; Schlitt, ZIP 2004, 533, 537; vgl. zum Verhältnis von § 71 AktG und § 29 UmwG, insbesondere der analogen Anwendung des § 71 c II AktG, Lutter, FS Wiedemann, 2002, S. 1097, 1106 ff. Nach BayObLG NZG 2005, 312, 315, soll aus diesem Eingriff folgen, dass ein Kaufangebot einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die das Gericht in § 207 UmwG analog erkennen will. Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 263–266; zweifelnd Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 27; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 239. Um ein öffentliches Angebot handelt es sich hingegen nicht, wenn die Anspruchslösung vertreten und ein Abfindungsanspruch aus einer Analogie zu §§ 305 AktG, 207 UmwG abgeleitet wird und diese Vorschriften als leges speciales zu den Vorschriften des WpÜG eingestuft werden, vgl. Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 804; Schwark/ Heidelbach, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 38, Rn. 35; Schlitt, ZIP 2004, 533, 538. Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 764 f. Zu dem Einwand, dass eine gesellschaftsrechtliche Lösung des Delisting ungeeignet sei, eine sachgerechte Lösung herbeizuführen, vgl. Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 122.
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Börsenhandel mehr stattgefunden hat oder (eher als Ausnahmefall) ein Freihandelsverkehr gewährleistet ist, der einem Börsenhandel gleichkommt. Auch der Fall, dass eine Krise der Gesellschaft nur außerhalb der Börse und nur bei Unterbleiben weiteren Kapitalentzugs gelöst werden kann, schließt ein Austrittsrecht des Kleinaktionärs aus. Der Unterschied zu der von der h. M. vertretenen Bedingungslösung besteht darin, dass diese ein Andienungsrecht zur Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Delisting-Beschlusses erklärt, während ein Recht zum Austritt aus wichtigem Grund daran anknüpft, dass ein Verbleib des Aktionärs unzumutbar ist.2308 Nach der hier vertretenen Konzeption kommt ein außerordentliches Austrittsrecht nur ausnahmsweise in Betracht. Hierzu ist erforderlich, dass durch das im Gesellschaftsinteresse gerechtfertigte Delisting ein für die Minderheitsaktionäre untragbarer Zustand hervorgerufen wird. Verfügt der Mehrheitsaktionär hingegen über eine Quasi-Alleineigentümerstellung, die es ihm erlaubt, ausschließlich seine Eigeninteressen zu verfolgen, führt schon dies zu einer untragbaren Situation, die zum Austritt berechtigt. d) Die Höhe der Abfindung Da das Andienungsrecht in verbandsrechtlichen Vorgaben wurzelt, bestimmt sich die Höhe der Abfindung an den Aktionär nach den allgemeinen, schon unter § 11 dargestellten Vorgaben, nicht nach den Vorgaben der einzelnen Börsenordnungen, die überdies von Standort zu Standort unterschiedlich sein können.2309 Insbesondere sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten, wonach die Minderheitsaktionäre bei einer Abfindung infolge einer Strukturmaßnahme nicht weniger erhalten dürfen als bei einer freien Desinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der beeinträchtigenden Maßnahme.2310 Daher ist voller Wertausgleich unter Beachtung des Börsenkurses als Untergrenze geschuldet.2311 ___________ 2308 2309 2310 2311
Siehe jedoch auch Grunewald, ZIP 2004, 542, 544, die das Delisting als Beispielsfall für das allgemeine Austrittsrecht einordnet. Auf die sonst auftretenden Widersprüche zwischen einer Abfindung nach Gesellschaftsrecht und einer nach Börsenrecht weist etwa Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 119 f. hin. Dazu BVerfGE 100, 289, 306 und 309 = NJW 1999, 3769, 3771. Dazu eingehend unter § 11. So auch die Lösung des BGH WM 2003, 533 (Macrotron); zustimmend Lutter, JZ 2003, 684, 686; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 39 BörsG, Rn. 4; Grunewald, ZIP 2004, 542, 543; nach a. A. soll sich die Abfindung hingegen am durchschnittlichen Börsenkurs (etwa der letzten drei Monate) orientieren, Schlitt, ZIP 2004, 533, 536; Streit, ZIP 2003, 392, 394; Bürgers, NJW 2003, 1642, 1644; wohl auch Süßmann, BKR 2003, 257, 258. Nach BayObLG NZG 2004, 1111, 1112, soll für die Abfindungshöhe die Marktsituation vor dem Delisting-Beschluss entscheidend sein. Problematisch ist dabei, dass bei Zugrundelegung dieser niedrigen Kurse der Aktionär auch in den Fällen fehlender Rechtfertigung, die ja gerade von der Rechtsprechung nicht geprüft wird, zu einem Austritt bewogen werden kann, ohne eine seinem Anteil am Unternehmenswert entsprechende Abfindung zu erhalten. Verbleibt er hingegen in der Aktiengesellschaft, wird er, mitunter aus rein eigensüchtigen Motiven der Mehrheit, darin eingemauert.
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5. Pflicht zur Information der Aktionäre Problematisch ist, dass nach Ansicht des BGH kein Bericht von Vorstand oder Hauptaktionär an die (übrigen) Aktionäre erforderlich sein soll, in dem die Gründe für das Delisting und die Berechnung der Abfindungshöhe darzulegen wären.2312 Damit wird den Aktionären die Möglichkeit genommen, die Grundlagen der Delisting-Entscheidung nachzuvollziehen und auf ihre sachliche Rechtfertigung hin zu überprüfen. Gerade weil nach hier vertretener Auffassung nur im Gesellschaftsinteresse gerechtfertigte Beschlüsse rechtmäßig sind, ist es für die Entscheidung des Minderheitsaktionärs, gegen einen Delisting-Beschluss im Wege der Anfechtungsklage oder des Spruchstellenverfahrens vorgehen zu wollen, unverzichtbar, die hierfür elementaren Informationen zu erhalten. Dazu reicht auch nicht aus, wenn den Aktionären in der Hauptversammlung die Delisting-Maßnahme durch den Vorstand erläutert wird. Nur ein Vorstandsbericht im Vorfeld der Hauptversammlung, in dem die wesentlichen Gesichtspunkte der für den Börsenrückzug sprechenden Gründe erläutert werden, vermag die Aktionäre in die Lage zu versetzen, sich auf die Hauptversammlung vorzubereiten und verbleibende Fragen durch ihr Fragerecht nach § 131 I AktG auszuräumen.2313
V. Rechtsschutz gegen den Delisting-Beschluss und die angebotene Abfindung Der BGH hat in seiner Macrotron-Entscheidung den gerichtlichen Rechtsschutz des Minderheitsaktionärs angemahnt, dabei aber nur darauf abgestellt, dass die Richtigkeit der Wertbemessung des Abfindungsanspruchs in einem gerichtlichen Verfahren überprüfbar sein müsse.2314 Selbstredend bildet jedoch die Anfechtungsmöglichkeit nach § 243 I AktG den Ausgangspunkt der Rechtsschutzüberlegungen: Greift der Kläger den Delisting-Beschluss mit der Behauptung an, dieser sei rechtswidrig, muss dessen Rechtmäßigkeit im Anfechtungsverfahren überprüft werden. Dies folgt daraus, dass die Anfechtungsklage dem verbandsrechtlichen Grundprinzip folgt, dass ein Aktionär eine Beeinträchtigung seiner Mitgliedschaft nur durch gesetz- und satzungskonforme Beschlüsse hinnehmen muss. Nach dem hier vertretenen Standpunkt wird dabei insbesondere überprüft, ob der mit dem ___________ 2312
2313
2314
BGH WM 2003, 533, 537; allgemein zu den Berichtspflichten und ihrer Einordnung als Sondertatbestände, denen kein allgemeiner Rechtsgedanke innewohne BGHZ 146, 288 = ZIP 2001, 416, 417. So auch Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 242; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 128; Schlitt, ZIP 2004, 533, 536; Weißhaupt, AG 2004, 585, 590; Grundlage hierfür ist eine Gesamtanalogie zu den im AktG und UmwG angeordneten Berichtspflichten, vgl. OLG Frankfurt WM 1999, 1881, 1883 f. (Altana/Milupa); OLG Frankfurt AG 1999, 378, 379; LG Karlsruhe ZIP 1998, 385, 387 ff.; Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1066 f.; a. A. etwa Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 801 ff. BGH WM 2003, 533, 536.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
Delisting verbundene Eingriff im Gesellschaftsinteresse geboten, erforderlich und unter Berücksichtigung aller beteiligten Interessen angemessen ist. Hält der Kläger hingegen nur die Höhe der Abfindung für unangemessen, kommt neben der Anfechtung des gesamten Beschlusses ein weiterer Weg in Betracht, der auch vom BGH in der Macrotron-Entscheidung beschritten wurde:2315 Im Falle des Obsiegens im Spruchverfahren bleibt die durch einen Beschluss herbeigeführte Rechtslage bestehen, während nur die Höhe eines dem Minderheitsaktionär zustehenden Abfindungsanspruchs eine Veränderung erfährt.2316 Dem ist zuzustimmen. Soweit der Kläger keinen weitergehenden Rechtsschutz begehrt, wird das Spruchverfahren den Interessen der Beteiligten tatsächlich am besten gerecht. B. Minderheitsschutz beim „kalten“ Delisting
B. Minderheitsschutz beim „kalten“ Delisting Unter dem Begriff des „kalten Delisting“ werden Maßnahmen verstanden, die zu einer Beendigung der Börsennotierung einer Aktiengesellschaft führen, ohne dass der Weg über das förmliche Delisting nach § 39 II BörsG beschritten wird. Davon werden auch die Fälle erfasst, die zu einer Veränderung der Beteiligungsstruktur führen und einen Widerruf der Börsennotierung von Amts wegen nach § 39 I BörsG nach sich ziehen, weil ein ordnungsgemäßer Börsenhandel auf Dauer nicht mehr gewährleistet ist.2317 Verallgemeinernd gesprochen erfasst das kalte Delisting strukturändernde Maßnahmen, die zwingend oder erwartungsgemäß den Verlust der Börsenzulassung nach sich ziehen. Man kann sie daher auch als gesellschaftsrechtlich gesteuertes going private bezeichnen.2318
I. Gestaltungsmöglichkeiten Auf den ersten Blick kommen etliche Gestaltungen zur Erreichung eines kalten Delisting in Betracht. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich jedoch, dass nur wenige von ihnen tatsächlich geeignet sind, die Voraussetzungen eines regulären Delisting zu umgehen.2319
___________ 2315
2316 2317 2318 2319
BGH WM 2003, 533, 535. Aus der obergerichtlichen Rechtsprechung zum Delisting, BayObLG NZG ZIP 1998, 2002, 2004; BayObLG NZG 2003, 313, 316; BayOblG NZG 2004, 1111, 1114. Siehe zur Konzeption des Spruchstellenverfahrens unter § 12 C. I. Dazu auch Mülbert, FS Ulmer, 2003, S. 433, 441 f. Dazu Schwark/Heidelbach, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 38, Rn. 38. Siehe zu einer Differenzierung nach problematischen und unproblematischen Gestaltungen etwa Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 105. So auch das Ergebnis bei Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 105.
B. Minderheitsschutz beim „kalten“ Delisting
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1. Problematische Gestaltungen Die wohl evidenteste Möglichkeit, ein förmliches Delisting-Verfahren zu umgehen, stellen die Umwandlungsvorgänge nach dem UmwG dar, insbesondere die Rechtsformwechsel, daneben aber auch Verschmelzungen oder Spaltungen. Wechselt die börsennotierte Aktiengesellschaft in eine Rechtsform, die eine Börsennotierung ausschließt, muss diese notwendigerweise enden. Da die Aktiengesellschaft nicht fortbesteht und die neue Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsnatur nicht gelistet werden kann, werden die Aktionäre zu Gesellschaftern einer nicht-notierten Gesellschaft und büßen daher die besondere Verkehrsfähigkeit ihrer Beteiligung ein. Bei einer Verschmelzung im Wege der Aufnahme oder Neugründung im Sinne von § 2 Nr. 1, 2 UmwG wird der übertragende Rechtsträger ohne Liquidation aufgelöst, und die Beteiligung eines Gesellschafters an dem aufgelösten Rechtsträger wird durch seine Beteiligung an dem neuen Rechtsträger ersetzt. Sofern der alte Rechtsträger börsennotiert war, der neue jedoch nicht, treten auch hierdurch die Folgen eines kalten Delistings ein.2320 Daneben ist die Beendigung der Börsennotierung auch im Spaltungswege möglich, indem eine börsennotierte Aktiengesellschaft nach § 123 I UmwG in neue, nicht-notierte Gesellschaften aufgespaltet wird. Da nunmehr die ursprüngliche Gesellschaft nicht fortbesteht und sich die Beteiligungsstrukturen an der alten Aktiengesellschaft an den neuen fortsetzen, werden die Minderheitsaktionäre der börsennotierten Aktiengesellschaft zu Gesellschaftern der neu entstandenen nichtnotierenden Gesellschaften. Dazu kommen zwei Wege in Betracht, eine Aufspaltung im Sinne von § 123 I UmwG oder eine Abspaltung im Sinne von § 123 II UmwG, wobei nur im Wege der Aufspaltung die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens auf nichtbörsennotierte Gesellschaften möglich ist. Im Falle der Abspaltung bleibt hingegen die ursprüngliche Aktiengesellschaft und mit ihr auch ihre Börsennotierung bestehen. Daneben wird jedoch ein Teil des Gesellschaftsvermögens auf die abgespaltene Gesellschaft übertragen, und die Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers (Hauptgesellschaft) erwerben Anteile an der abgespaltenen Gesellschaft im Verhältnis ihrer Beteiligung an der Hauptgesellschaft. Der Wert der Beteiligung an der Hauptgesellschaft vermindert sich regelmäßig in der Höhe, in der Vermögensgegenstände auf die abgespaltene Gesellschaft übergehen. Zugleich wird der Aktionär für diesen Wertverlust nur unzureichend kompensiert, wenn er zwar Anteile an der abgespaltenen Gesellschaft erhält, diese jedoch nicht börsennotiert sind, so dass die Summe der Werte seiner Beteiligungen an den beiden Gesellschaften hinter dem Wert seiner ursprünglichen Beteiligung an der börsennotierten Aktiengesellschaft zurückbleibt. ___________ 2320
Zu diesen Möglichkeiten siehe Groß, ZHR 165 (2001), 141, 160; Grunewald, ZIP 2004, 542; ausführlich Schäfer/Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 63, Rn. 1, 19 f.; Steck, AG 1998, 460, 462; Zetzsche, NZG 2000, 1065.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
Irrelevant ist hingegen die Ausgliederung im Sinne des § 123 III UmwG, da nur die Hauptgesellschaft Anteile an der ausgegliederten Gesellschaft erwirbt. Da damit das Vermögen nur auf eine Unterebene verlagert wird, der Hauptgesellschaft über ihre Beteiligung daran jedoch erhalten bleibt, entsteht kein Wertverlust der weiterhin börsennotierten Anteile an der Hauptgesellschaft. Vielmehr stehen die minderheitsrelevanten Fragen im Zusammenhang mit dem Verlust der Einwirkungsmöglichkeit der Hauptversammlung der Hauptgesellschaft auf das übertragene Vermögen und wurden bereits in diesem Zusammenhang erörtert.2321 Neben Umwandlungsvorgängen bietet sich auch die Mehrheitseingliederung an, um die Beteiligung der Kleinaktionäre an einer börsennotierten Aktiengesellschaft in eine Mitgliedschaft an einer nicht-notierten Gesellschaft zu überführen. Wird eine börsennotierte Aktiengesellschaft nach § 320 I AktG in eine nicht-notierte Aktiengesellschaft eingegliedert, wird der Aktionär regelmäßig in Anteilen an der Hauptgesellschaft abgefunden, da die fehlende Börsennotierung nicht von den Fällen des obligatorischen Barabfindungsangebots in § 320 b I AktG erfasst wird.
2. Unproblematische Gestaltungen Das im Zusammenhang mit dem kalten Delisting häufig erwähnte2322 Squeeze outVerfahren eignet sich nicht zur Umgehung der für ein förmliches Delisting geltenden Vorschriften, sondern allenfalls als vorbereitende Maßnahme, die einen Minderheitskonflikt beim going private verhindert. Betreibt der Mehrheitsgesellschafter den Ausschluss der Minderheitsaktionäre nach § 327 a I AktG, endet deren Mitgliedschaft gegen angemessene Abfindung.2323 Wählt der Mehrheitsaktionär das Squeeze out-Verfahren allein zu dem Zweck, anschließend einen Börsenrückzug einfacher betreiben zu können, begründet dies nicht etwa die Anfechtbarkeit des Squeeze out-Beschlusses. Aus welchen Gründen eine qualifizierte Kapitalmehrheit von 95% den Ausschluss betreibt, ist irrelevant, da sie aufgrund ihrer alleineigentümerähnlichen Stellung ihre Eigeninteressen den Gesellschaftsinteressen gleichsetzen und somit verbliebene Minderheiten auch aus rein egoistischen Motiven verdrängen darf. Ein Minderheitsschutz findet in diesen Fällen nicht mehr durch eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle, sondern ausschließlich durch Vermögensschutz statt.2324 Auch bei der übertragenden Auflösung liegen die minderheitsrelevanten Fragen nicht im Bereich des Delisting begründet. Zwar wird eine Art de facto-Delisting des Gesellschaftsunternehmens erwogen, wenn das Gesellschaftsvermögen auf ___________ 2321 2322 2323
2324
Vgl. die Ausführungen zu den ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen unter § 6 B. Vgl. etwa Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 39 f. So i. E. auch die Bewertung von Grunewald, ZIP 2004, 542, 543. Zu der mit gänzlich anderer Problematik (dazu unter § 9 C. V.) belasteten und als Mittel zum kalten Delisting ebenfalls ungeeigneten übertragenden Auflösung siehe Schäfer/Eckhold, in: Marsch-Barner/ Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 63, Rn. 26–28 Ausführlich dazu die Darstellung unter § 9 C. II.
B. Minderheitsschutz beim „kalten“ Delisting
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den nicht-notierten Hauptaktionär übertragen wird.2325 Da die Benachteiligung des Minderheitsaktionärs aber nicht von einer Beendigung der Notierung seiner Gesellschaft, die ja gerade bis zur Liquidation fortbestehen kann und an der er beteiligt bleibt, sondern von einem Verlust des Gesellschaftsvermögens ausgeht, sind die problematischen Fragen außerhalb des Wegfalls der Börsennotierung angesiedelt.
II. Möglichkeiten zur Kompensation der beeinträchtigten Aktionäre Werden die als problematisch eingestuften Möglichkeiten alleine dazu benutzt, die beim regulären Delisting im Interesse der Minderheitsaktionäre bestehenden Schutzmechanismen zu umgehen, wird das hierzu herangezogene Verfahren im Sinne eines institutionellen Rechtsmissbrauchs zu sachfremden Zwecken eingesetzt, es sei denn, der Mehrheitsgesellschafter verfügt, wie notwendigerweise bei der Mehrheitseingliederung, über eine Mehrheit von 95%. In den übrigen Fällen wird der institutionelle Rechtsmissbrauch durch die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle aufgedeckt, und der jeweilige (Umwandlungs-)Beschluss ist anfechtbar.2326 Soweit der Beschluss jedoch von zweckdienlichen Gründen im Gesellschaftsinteresse getragen wird und daher einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle Stand hält, tritt bei einem kalten Delisting sowohl im Wege einer Umwandlung2327 als auch einer Mehrheitseingliederung ein Problem der Gleichbehandlung und hinsichtlich der gesetzgeberischen Intention auch der Zweckverfehlung auf: Erfährt bei Umwandlungsvorgängen alleine der Aktionär einer börsennotierten Gesellschaft einen Nachteil, indem seine börsennotierten Aktien (ohne Kompensation) gegen Anteile an einer nicht-notierten Gesellschaft ausgewechselt werden, wird er nicht nur gegenüber den an diesem Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaftern der anderen Rechtsträger, deren Anteile nie notierten, schlechter gestellt. Darüber hinaus wird auch der Zweck der Umwandlungsvorschriften, die nach ge-
___________ 2325 2326
2327
In diesem Sinne Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 40 f. Die h. M., die eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle bei Beschlüssen nach dem UmwG ablehnt (dazu die Darstellung unter § 12 B.), tut sich demgegenüber schwerer. Dort stellt sich die Frage, ob der Minderheitsaktionär den Einwand des Rechtsmissbrauchs oder des Verstoßes gegen die Treuepflicht erheben können soll. Siehe dazu etwa Schäfer/Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 63, Rn. 4 (mit Darstellung des Meinungsstands). Problematisch sind diejenigen Umwandlungsvorgänge, die nicht zu einem Austrittsrecht der Minderheitsaktionäre gegen Barabfindung führen, da bei einem Barabfindungsangebot der Wert der Börsennotierung eingepreist werden kann. Zu den Vorgängen, die ein Barabfindungsangebot auslösen, siehe § 10 C.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
setzgeberischer Konzeption den erlittenen Rechtsverlust vollwertig kompensieren sollen, verfehlt.2328 Um eine Schlechterstellung der Aktionäre gegenüber einem regulären Delisting zu vermeiden, kommen drei Wege in Betracht: Die Börsennotierung kann (1) wertsteigernd berücksichtigt werden und zu einer Verschiebung der Umtauschrelation führen, (2) durch hohe inhaltliche Anforderungen an den Umwandlungsoder Eingliederungsbeschluss kann ein Missbrauch ausgeschlossen werden, und (3) dem Aktionär kann ein besonderes Austrittsrecht gegen angemessene Barabfindung zugestanden werden.
1. Verschiebung der Umwandlungswertrelation Wird die Börsennotierung werterhöhend berücksichtigt und das Umtauschverhältnis entsprechend heraufgesetzt,2329 führt dies zu einer kompensationslosen Benachteiligung der (Minderheits-)Aktionäre in der Zielgesellschaft, da sich die Beendigung der Börsennotierung nicht werterhöhend in der Zielgesellschaft niederschlägt, diese also allein zur Vermeidung eines Nachteils für die Aktionäre der notierten Aktiengesellschaft ihrerseits einen Vermögensverlust hinnehmen müssen. Mangels eines sachlichen Grundes muss diese einseitige Benachteiligung ausscheiden.2330 Hinzu kommt, dass auch der unternehmerisch beteiligte Aktionär, der an der Börsennotierung kein Interesse besitzt und daher keinen kompensationsbedürftigen Verlust erleidet, von diesem Aufschlag profitieren würde. Daher scheidet dieser Weg aus. Aus den gleichen Gründen kann auch eine bare Zuzahlung nicht in Betracht kommen.2331
2. Inhaltliche Rechtfertigung des Umwandlungsbeschlusses Auch ist problematisch, eine auf die Börsennotierung gerichtete inhaltliche Rechtfertigung des Beschlusses zu fordern. Zum einen ist die Mehrheitseingliederung gerade rechtfertigungsfrei, da der Mehrheitsgesellschafter seine Eigeninteressen verfolgen darf.2332 Zum anderen kann mit der Rechtfertigungskontrolle auch im Umwandlungsrecht nur überprüft werden, ob die Mehrheit einen sachlichen Zweck verfolgt, der sich gegen die Interessen der widersprechenden Minderheit durchzusetzen vermag. Der Verlust der Börsennotierung stellt dabei nur einen der zu beachtenden Aspekte dar. Nur soweit es der Mehrheit gerade darum geht, die ___________ 2328
2329 2330 2331
2332
Vgl. Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 83. Siehe auch Steck, AG 1998, 460, 463, der im Ansatz von einem Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ausgeht. So ein verbreiteter Vorschlag in der Literatur, siehe etwa Steck, AG 1998, 460, 465. Funke, Minderheitsschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2006, S. 96 f. So zutreffend Schäfer/Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 63, Rn. 29. Befürwortend nach § 15 UmwG analog aber OLG Düsseldorf NZG 2005, 317, 318. Siehe dazu unter § 9 C. IV.
B. Minderheitsschutz beim „kalten“ Delisting
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Voraussetzungen des regulären Delisting mit den Mitteln des UmwG zu umgehen, ist der Beschluss anfechtbar. Ist er demgegenüber auch bei Einbeziehung der Interessen der Minderheitsaktionäre an einem Fortbestand der Börsennotierung durch sachliche Gründe gerechtfertigt, ist er rechtmäßig und damit unanfechtbar. Es wäre zweckwidrig, im Gesellschaftsinteresse gebotene Umwandlungen zu verhindern, weil einzelne Aktionär einen Verlust ihrer Börsennotierung erleiden.
3. Andienungsrecht der Minderheitsaktionäre Als Ausweg bietet sich daher nur an, die vom BGH für das reguläre Delisting entwickelten Grundsätze zu einem Andienungsrecht der Minderheitsaktionäre auch auf das „kalte Delisting“ anzuwenden. Diesen muss daher auch dann ein Abfindungsangebot unterbreitet werden, dessen Angemessenheit im Spruchverfahren überprüft werden kann, wenn das Delisting auf faktischem Wege herbeigeführt wird.2333 Dies wird von der Rechtsprechung, parallel zur Argumentation des BGH beim förmlichen Delisting, auf die Rechtsprechung des BVerfG gestützt, in der die besondere Bedeutung der Verkehrsfähigkeit der Aktie betont wird.2334 Werde aufgrund einer Strukturveränderung den Aktionären die Möglichkeit genommen, ihre Aktien jederzeit an der Börse zu veräußern, gebiete es der Schutz des Eigentums, ihnen vor dieser strukturändernden Maßnahme die Möglichkeit einzuräumen, gegen Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden und die Angemessenheit im Spruchverfahren analog § 34 UmwG überprüfen zu lassen.2335 Diese Lösung entspricht der mehrheitlichen Literaturansicht2336 und verdient Zustimmung, da es sich um den Lösungsweg handelt, der den Interessen aller Beteiligten am besten gerecht wird und einen Gleichlauf mit dem förmlichen Delisting-Verfahren herbeizuführen vermag. Das Andienungsrecht dabei auf eine analoge Anwendung von §§ 305 AktG, 29 I 2, 207 UmwG zu stützen, wird teilweise mit der Begründung abgelehnt, dass der Austritt nicht an die Veränderungen in der Binnenstruktur der Gesellschaft, sondern an die individuelle Verschlechterung der Beteiligung des Aktionärs anknüpfe.2337 Eine derartige Analogie ist jedoch nicht erforderlich, da jedenfalls die Grundsätze zum Austritt aus wichtigem ___________ 2333 2334 2335 2336
2337
OLG Düsseldorf NZG 2005, 317, 318. So BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769, 3771 (DAT/Altana). OLG Düsseldorf NZG 2005, 317, 318. Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29, Rn. 16; Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 29, Rn. 9; dies., ZIP 2004, 542, 544; Schäfer/Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 63, Rn. 1, 19 f.; Adolff/ Tieves, BB 2003, 797, 805; Lutter, FS Zöllner, 1998, S. 363, 381 f.; Kallmeyer/MarschBarner, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29, Rn. 6; Schwark/Geiser, ZHR 1997, 739, 764 f.; a. A. Groß, ZHR 165 (2001), 141, 160 f.; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 137–139; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466, 485–488 (zugleich aber Forderung nach Abhilfe de lege ferenda). So Schwark/Geiser, ZHR 1997, 739, 764 f.; zweifelnd auch Schäfer/Eckhold, in: MarschBarner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 63, Rn. 23. Zu einer analogen Anwendung aber etwa OLG Düsseldorf NZG 2005, 317, 318; LG Köln ZIP 2004, 220, 221 f.; Grunewald, ZIP 2004, 542, 544.
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Grund herangezogen werden können.2338 Auch bei §§ 305 AktG, 29 I 2, 207 UmwG handelt es sich nur um einen standardisierten Zuschnitt dieses allgemeinen Grundsatzes auf spezielle Situationen.2339
III. Der Widerruf der Börsenzulassung von Amts wegen Es verbleibt ein weiterer problematischer Fall: Neben dem Delisting durch Antrag der Gesellschaft auf Börsenrückzug kann es zu einem Ende der Börsennotierung auch unter den Voraussetzungen des § 39 I BörsG kommen, wenn die Voraussetzungen für eine Notierung der Aktien entfallen, etwa wenn das Volumen des Free Float unter die börsenrechtlich relevanten Schwellenwerte sinkt, so dass die Börsenzulassungsstelle von Amts wegen das Delisting anordnet. Diese für ein Tätigwerden der Börsenzulassungsstelle relevanten Voraussetzungen können vom Mehrheitsaktionär gezielt herbeigeführt werden, um auf diesem Wege das Delisting auszulösen und die Voraussetzungen für ein Delisting auf Antrag nach § 39 II BörsG zu vermeiden. Denkbar ist etwa, dass der Mehrheitsaktionär solange Aktien zukauft, bis die für eine Notierung erforderlichen Werte unterschritten sind. Dieses Delisting von Amts wegen führt dazu, dass der Aktionär ohne finanziellen Ausgleich in der Aktiengesellschaft verbleibt. Dabei handelt es sich unter gewöhnlichen Umständen um ein Risiko des Aktionärs, das dieser selbst tragen muss. Daher wird es regelmäßig an den Voraussetzungen für ein ordentliches Austrittsrecht fehlen. Diese Beurteilung ändert sich jedoch, wenn der Mehrheitsaktionär das Delisting von Amts wegen zum Nachteil der Minderheit gezielt herbeiführt. Soweit es an einer Rechtfertigung im Interesse der Gesellschaft fehlt, greift er hierdurch in den Schutzbereich der Mitgliedschaft ein. Nach den unter § 7 entwickelten Grundsätzen folgt hieraus ein Schadensersatzanspruch des Minderheitsaktionärs nach §§ 280 I, 823 I BGB, der darauf gerichtet ist, dass der Minderheitsaktionär den vollen Wertersatz für seine Aktien, dessen Höhe sich nach den Grundsätzen für ein Delisting auf Antrag der Gesellschaft nach § 39 II BörsG richtet, Zug um Zug gegen Übertragung der Aktien auf den Mehrheitsaktionär fordern kann. Um auf diesem Wege nicht die Voraussetzungen eines Squeeze out unterhalb der in § 327a AktG angeordneten Schwelle herbeizuführen, muss dem Aktionär alternativ die Wahl zustehen, unter Verbleib in der Aktiengesellschaft eine Abfindung für den Verlust der Börsennotierung fordern zu können.2340
___________ 2338 2339 2340
Grunewald, ZIP 2004, 542, 544; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 764 f. Das wurde schon unter § 10 D. II. dargestellt. In letzterem Sinne auch Streit, ZIP 2003, 392, 394 (Ausgleich für den Verlust der Börsennotierung).
C. Minderheitsschutz beim Börsengang der Aktiengesellschaft
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IV. Delisting als Mittel zu sachfremden Zielen? Vereinzelt wird darüber hinaus diskutiert, ob sich auch der Weg des Delisting zu sachfremden Zwecken eignet. Aufgrund der Sachnähe zu den soeben erörterten Fragen soll diese Frage hier kurz angesprochen werden, obwohl sie systematisch unter A. einzuordnen ist. Die Bedenken beziehen sich darauf, dass ein Delisting dazu benutzt werden könne, den Wert der Abfindung im Rahmen einer anschließend durchgeführten Maßnahme zu drücken. Beabsichtige der Mehrheitsaktionär etwa, die Minderheit im Wege eines Squeeze out aus der Gesellschaft zu drängen, biete sich das Delisting an, um zunächst den Verkehrswert der Aktien zu senken und anschließend auf dieser Basis die Minderheit abzufinden.2341 Das erscheint schon insoweit fraglich, als das Delisting selbst nach der Ansicht des BGH und der h. M. einen Abfindungsanspruch auslöst, der sich nach den allgemeinen Grundlagen richtet und daher an dem Wert der Beteiligung vor der Bekanntgabe des Delisting ausrichten muss.2342 Jedenfalls aber nach der hier unter A. vertretenen Konzeption, wonach es einer inhaltlichen Rechtfertigung des Delisting-Beschlusses bedarf, können derartige Umgehungen verhindert werden. Dient das Delisting nur dazu, den Wert der Beteiligung der Minderheitsaktionäre zu drücken, fehlt es an der erforderlichen Rechtfertigung des Beschlusses, was zu dessen Anfechtbarkeit führt.2343 C. Minderheitsschutz beim Börsengang der Aktiengesellschaft
C. Minderheitsschutz beim Börsengang der Aktiengesellschaft Auch der zum Delisting spiegelbildliche Fall des Börsengangs2344, auch going public oder initial public offering genannt, wirft minderheitsrelevante Fragen auf. Wegen der Parallele zu den Fragen des Delisting können die Ausführungen kurz gehalten werden.
___________ 2341 2342
2343
2344
Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 199. Zu dem bei einem Delisting regelmäßig zu erwartenden Kursverfall nochmals der Hinweis auf BGH WM 2003, 533, 536 (Macrotron). Zum Abfindungsanspruch im Delistung nochmals der Hinweis auf BGH WM 2003, 533, 536 (Macrotron). Zu den Abfindungsgrundsätzen unter § 11. So aber i. E. auch der Vorschlag von Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 199. Siehe auch Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 764, die den Hauptversammlungsbeschluss über ein Delisting wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs für anfechtbar erklären, wenn das Going Private dazu dient, die Anforderungen an andere geplante Strukturmaßnahmen, etwa Konzernierungen, zu umgehen. Zur Terminologie von Börsengang, Börsennotierung und Börsenzulassung Brauer, Die Rechte der Aktionäre bei Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft, 2005, S. 20; Halasz/Kloster, ZBB 2001, 474, 475 f.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
I. Kapitalmarktrechtlicher Schutz Zum Verhältnis von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht gilt für den Börsengang ähnliches wie für den Börsenrückzug: Die Schutzrichtungen sind nicht deckungsgleich und treten daher nebeneinander. Das Kapitalmarktrecht hat den Schutz der Märkte und der zukünftigen Anleger im Blick.2345 Die Neuzulassung darf daher die Funktionsfähigkeit der Börsenmärkte und die Interessen der Anleger nicht gefährden. Der Schutz der bestehenden Aktionäre gehört hingegen nicht zum Gesetzeszweck der Zulassungsvorschriften. Zwar wird vertreten, dass die Börsenzulassungsstellen im Rahmen ihrer Zulassungsentscheidung prüfen müssen, ob die Aktiengesellschaft auch einzelne innergesellschaftliche Grundsätze, insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet hat.2346 Hierdurch können die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften durchaus minderheitsschützende Züge gewinnen. Diese sind jedoch nur marginal. Der Schwerpunkt des Minderheitsschutzes ist auch beim Börsengang im Gesellschaftsrecht angesiedelt und bedarf dort einer effektiven Wahrung.
II. Die Zuständigkeit der Hauptversammlung Ein Börsengang bedarf im Grundsatz keiner Umstrukturierung der Aktiengesellschaft und keiner Änderung ihrer Satzung. Häufig werden jedoch zunächst Hindernisse beseitigt werden müssen, um den Weg für einen Börsengang freizumachen, etwa eine bestehende Vinkulierung. Daneben kann es erforderlich werden, die praktischen Voraussetzungen für die Aufnahme neuer Aktionäre zu schaffen, etwa eine Kapitalerhöhung, evtl. in Verbindung mit einem Ausschluss des Bezugsrechts.2347 Diese Maßnahmen bedürfen entsprechender Hauptversammlungsbeschlüsse im Vorfeld des Börsengangs.2348 Von solchen vorbereitenden Beschlüssen ist die Frage nach einem obligatorischen Hauptversammlungsbeschluss, mit dem die Aktionäre über den Börsengang befinden, zu unterscheiden. Als Ansatzpunkt kann der schon unter A. betonte Umstand dienen, dass die Börsennotierung zu einer wesentlichen Veränderung der rechtlichen Anforderungen an die Aktiengesellschaft und an die Beteiligung der Aktionäre führt. Das AktG selbst unterscheidet nunmehr, anders als noch zu seinen Anfängen, notierte von nicht-notierten Aktiengesellschaften.2349 Die unterschiedlichen zur Anwendung gelangenden Bilanzierungsregeln und die gesteiger___________ 2345 2346 2347 2348 2349
Zu einer ausführlichen Übersicht zum Zulassungsverfahren Brauer, Die Rechte der Aktionäre bei Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft, 2005, S. 25–31. Zum Meinungsstand Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 470 f. Siehe die Beispiele bei Brauer, Die Rechte der Aktionäre bei Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft, 2005, S. 60 f. Dazu etwa Halasz/Kloster, ZBB 2001, 474, 475; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 460. Zu dieser Neuerung im Zuge der Novelle von 1994 siehe Lutter, AG 1994, 429, 430; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 462 und 466.
C. Minderheitsschutz beim Börsengang der Aktiengesellschaft
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ten Publizitätspflichten erhöhen den Verwaltungsaufwand und die laufenden Kosten für die Aktiengesellschaft.2350 Im Innenverhältnis bewirkt die veränderte Realstruktur durch den erweiterten und anonymen Aktionärskreis eine schwächere Pflichtenbindung der Aktionäre untereinander und eine stärkere Konfliktanfälligkeit durch die neu in die Hauptversammlung einziehende Gruppe der Publikumsaktionäre.2351 Vor allem aber tritt (nach hier vertretenem Ansatz) die Austrittsmöglichkeit über die Börse an die Stelle einer strengen Eingriffskontrolle. Der Schutz des Aktionärs vor Beeinträchtigungen seiner Mitverwaltungsrechte wird dementsprechend erheblich zurückgefahren.2352 Ob sich die Position des einzelnen Aktionärs durch diese mit dem Börsengang verbundenen Veränderungen verbessert oder verschlechtert, kann nicht pauschal festgestellt werden.2353 Entscheidend ist nur, dass sich seine Rechtsstellung gegenüber der Gestalt, die sie zum Zeitpunkt seines Beitritts zur Gesellschaft besaß, wesentlich verändert und daher in ihren Wirkungen solchen Strukturmaßnahmen gleichkommt, mit denen die Grundlagen der Mitgliedschaft ähnlich tiefgreifend verändert werden, etwa dem Abschluss eines Unternehmensvertrages oder einer Umwandlung.2354 Nach den allgemeinen, unter A. auf das Delisting angewandten Grundsätzen2355 begründet dies die Zuständigkeit der Hauptversammlung. Die Aktionäre sind daher zur Entscheidung über den Börsengang der Aktiengesellschaft berufen.2356
___________ 2350
2351
2352 2353
2354 2355 2356
Siehe dazu Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 119, Rn. 24; Kleindiek, FS Bezzenberger, 2000, S. 653, 656; Klenke, WM 1995, 1089, 1095; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 761; Streit, ZIP 2002, 1279, 1280; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 463. Zu den kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten ausführlich Brauer, Die Rechte der Aktionäre bei Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft, 2005, S. 41–53. Zur Pflichtenbindung Lutter, Gesellschaftsrecht und Kapitalmarkt, FS Zöllner, 1998, S. 363, 378; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 286 f.: bei börsennotierten Gesellschaften soll die Treuepflicht nicht völlig verschwinden, wegen des Verlustes der personalistischen Struktur aber auf eine Nichtschädigungspflicht reduziert sein. Zu den Publikumsaktionären und dem Hinweis auf die Gefahr einer Übernahme und Konzernabhängigkeit Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 462. Dazu oben § 4 B. I. 2. Siehe zu den verschiedenen Interessen und den Folgen des Börsengangs im Detail Brauer, Die Rechte der Aktionäre bei Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft, 2005, S. 24 f.; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 464 f. I. E. Erber, Aktionärsschutz beim Börsengang, 2003, S. 42 f.; Lutter, Gesellschaftsrecht und Kapitalmarkt, FS Zöllner, 1998, S. 363, 378; Picot/Land, DB 1999, 570, 571. Siehe zudem die generellen Kriterien für ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten unter § 6 B. Erber, Aktionärsschutz beim Börsengang, 2003, S. 42 f.; Lutter, Gesellschaftsrecht und Kapitalmarkt, FS Zöllner, 1998, S. 363, 378; Picot/Land, DB 1999, 570, 571; a. A. Brauer, Die Rechte der Aktionäre bei Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft, 2005, S. 216; Reichert, AG 2005, 150, 157: weder Mediatisierung noch sonstige Beeinträchtigung der Kompetenz der Hauptversammlung; Halasz/Kloster, ZBB 2001, 474, 476–482.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
III. Die erforderliche Stimmenmehrheit Damit tritt die weitere Frage nach der erforderlichen Abstimmungsmehrheit auf. Wegen der Ähnlichkeit des Börsengangs zu den Umwandlungsvorgängen wird eine satzungsändernde Mehrheit gefordert.2357 Dem wird mit dem Argument, nach wie vor sei die Börsennotierung die gesetzestypische Laufrichtung der Aktiengesellschaft, widersprochen und nur eine einfache Beschlussmehrheit befürwortet.2358 Auch für diesen Hauptversammlungsbeschluss über den Börsengang besteht kein Grund, von der hier allgemein vertretenen skeptischen Haltung gegenüber qualifizierten Mehrheiten abzuweichen. Sie eignen sich dazu, im Interesse der Gesellschaft gebotene Entscheidungen zu erschweren und bieten umgekehrt keinen ausgeprägten Minderheitsschutz, da gerade in den besonders minderheitsrelevanten Fällen stark personalistisch geprägter Aktiengesellschaften qualifizierte Mehrheiten ohnehin leicht zu erreichen sind und sich ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis daher als ineffektiv erweist.2359 Der Hauptversammlungsbeschluss kann daher mit einfacher Mehrheit gefasst werden.
IV. Inhaltliche Rechtfertigungskontrolle Ebenso wie auch für das Delisting ist zudem streitig, ob der Hauptversammlungsbeschluss über den Börsengang einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle unterliegt. Mit allgemeinen Grundsätzen zum Binnenrecht der Aktiengesellschaft ist es unvereinbar, eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle von der Realstruktur2360 und den Beteiligungsverhältnissen der Aktiengesellschaft abhängig machen zu wollen.2361 Das liegt nicht einmal dann nahe, wenn man mit der h. M. die Treuepflicht zur Grundlage der inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle erklärt.2362 Vielmehr streitet auch dieser Ansatz dafür, eine inhaltliche Rechtfertigung stets zu fordern und, wie hier allgemein vertreten, die Besonderheiten der einzelnen Aktiengesellschaft im Rahmen dieser Kontrolle zu berücksichtigen. Der legitime Zweck, den der Beschluss verfolgt, die Erforderlichkeit und die Angemessenheit einer Maßnahme werden entscheidend von dem faktischen Zuschnitt der Gesellschaft und der Beteiligung ihrer Gesellschafter bestimmt. Daher wird sich ein Börsengang bei einer großen Publikumsgesellschaft um einiges leichter rechtfertigen lassen als bei einer kleinen, personalistisch geprägten Aktiengesellschaft. ___________ 2357 2358 2359 2360
2361 2362
Erber, Aktionärsschutz beim Börsengang, 2003, S. 45 f.; Lutter, Gesellschaftsrecht und Kapitalmarkt, FS Zöllner, 1998, S. 363, 378. Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 467. Dazu ausführlich unter § 4 A. III. 5. Die hier vertretene Unterscheidung nach börsennotierten und nicht-notierten Aktiengesellschaften (dazu § 4 B. I. 2.) ist bei der Abstimmung über den Börsengang offensichtlich nicht einschlägig. So aber offenbar Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 468 f. Zu dieser h. M. die Darstellung unter § 4 A. I. 3.
C. Minderheitsschutz beim Börsengang der Aktiengesellschaft
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Entscheidend kommt es vielmehr auch bei dem Beschluss über den Börsengang darauf an, ob die beabsichtigte Maßnahme in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung der Aktionäre eingreift. Die Diskussion zur Frage eines solchen Eingriffs verläuft parallel zu der zum Delisting-Beschluss. Wie dort wird darauf verwiesen, die Mitgliedschaft bleibe unverändert bestehen und die veränderten Veräußerungsbedingungen spiegelten lediglich die ohnehin nicht geschützten Exspektanzen wider.2363 Hier ist aber wiederum darauf zu verweisen, dass die mit dem Börsengang einhergehenden Veränderungen sehr wohl auch die Mitgliedschaft des einzelnen Aktionärs erfassen. Zwar verbessert sich die Verkehrsfähigkeit der Aktien, zugleich wird er jedoch vom Aktionär, der über Mitverwaltungsrechte verfügt, die sich insbesondere in Rechtfertigungserfordernissen für alle Hauptversammlungsbeschlüsse äußern, zu einem bloßen Kapitalanleger umgestuft. Damit wird er auf eine Rolle verwiesen, mit der er sich bei seinem Beitritt zur Gesellschaft nicht einverstanden erklärt hat. Dieser Umstand begründet einen Eingriff in den Schutzbereich seiner Mitgliedschaft. Daher unterliegt der Hauptversammlungsbeschluss über den Börsengang nach den allgemeinen Grundsätzen einer inhaltlichen Rechtsfertigungskontrolle.
V. Abfindungsangebot an die dissentierende Minderheit Eine weitere problematische Frage beim Börsengang der Aktiengesellschaft ist die nach einem Recht der dissentierenden Minderheit, unter Abfindung aus der Aktiengesellschaft ausscheiden zu dürfen. Dies wird von einer Ansicht mit Hinweis auf die erheblichen Nachteile für die Binnenstruktur einer personalistisch geprägten Gesellschaft bejaht.2364 Die Gegenansicht verneint ein Andienungsrecht mit der Begründung, dass es an einer gesetzlichen Grundlage und den Voraussetzungen für eine Analogiebildung zu den §§ 305 AktG, 29, 207 UmwG fehle.2365 Teilweise wird danach unterschieden, ob die Satzung die Gesellschaft auf eine Privatgesellschaft festlegt. In diesem Fall sei zwar im Wege einer Satzungsänderung ein Börsengang möglich, dies löse jedoch einen Anspruch der Minderheit, die auf eine Beteiligung an einer personalistisch geprägten Gesellschaft eingestellt sei, auf Austritt unter angemessener Abfindung aus. In den übrigen Fällen bestehe ein derartiger Anspruch nicht, da die Möglichkeit zum Börsengang zu den notwendigen Wesensmerkmalen der Aktiengesellschaft zähle.2366 Nach den hier zugrunde gelegten Grundsätzen muss ein Gesellschafter die mit einem rechtmäßigen Eingriff verbundenen Beeinträchtigungen grundsätzlich erdulden. Auch die gesetzlich vorgesehenen Austrittsrechte verfolgen dieses Prinzip. Bei Abschluss von Unternehmensverträgen und Umwandlungen sind es die sich ___________ 2363 2364 2365 2366
Vgl. Halasz/Kloster, ZBB 2001, 474, 476 f. Wiedemann, in: GroßKomm.-AktG, Stand 1994, § 186, Rn. 159. Brauer, Die Rechte der Aktionäre bei Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft, 2005, S. 220–225. Lutter, FS Zöllner, 1998, S. 363, 379.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
stets wesentlich verändernden Grundlagen der gesellschafterlichen Verbindung, die ein Austrittsrecht unvermeidbar machen, um den mit der Veränderung verbundenen Eingriff in die Mitgliedschaft des Gesellschafters rechtfertigen zu können. Für den Börsengang ist von einer derart gravierenden Beeinträchtigung als unvermeidlicher Regelfall nicht auszugehen. Die Veränderung zu einer stärker kapitalistischen Beteiligung muss für den Kleinaktionär, der zumeist kein unternehmerisches Engagement in der Aktiengesellschaft verfolgt, nicht notwendigerweise derart nachteilig sein, dass ein Austrittsrecht geboten wäre. Nur soweit besondere Umstände hinzutreten, die eine gravierende Veränderung der Grundlagen bedeuten, wird ein Andienungsrecht notwendig.2367 Sieht sich der Aktionär Veränderungen ausgesetzt, die mit beträchtlichen Nachteilen verbunden sind, etwa in ihren Wirkungen denjenigen bei Abschluss von Unternehmensverträgen oder Umwandlungen gleichkommen, entsteht eine Situation, die einen Austritt aus wichtigem Grund rechtfertigt. D. Zusammenfassung
D. Zusammenfassung I. Der Schutz der Minderheitsaktionäre ist beim Delisting im Wesentlichen im Gesellschaftsrecht zu verorten, da ein gesellschaftsinterner Willensbildungsprozess die Grundlage des freiwilligen Delisting darstellt. Die kapitalmarktrechtlichen Bestimmungen greifen ergänzend ein. Allzu hoch ist deren Anlegerschutzregime zugleich nicht, was den gesellschaftsrechtlichen Schutz umso wichtiger macht. Es fällt auf, dass die Frankfurter Börse den Anlegerschutz deutlich zurückhaltender als die übrigen deutschen Börsen bewertet. Zugleich greifen die anlegerschützenden Vorschriften an den übrigen Börsenplätzen nur ein, wenn dort ein vollständiger Börsenrückzug betrieben wird. Dies führt zu dem problematischen Ergebnis, dass der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz kaum nennenswert ist, wenn zunächst ein Rückzug an allen anderen Börsenplätzen und zuletzt in Frankfurt betrieben wird. II. Die Ansicht des BGH, wonach durch ein Delisting in die durch Art. 14 GG geschützte Mitgliedschaft der Aktionäre eingegriffen wird, verdient trotz zahlreicher kritischer Stimmen Zustimmung. Die Rücknahme der Börsennotierung gleicht in ihren Wirkungen für die Kleinaktionäre einer Strukturmaßnahme. Gerade der hier vertretene Ansatz, der bei der Rechtsstellung von Minderheitsaktionären nach Beteiligungen an börsennotierten (reiner Kapitalanleger) und nicht-notierten Gesellschaften (unternehmerisch beteiligter Kleinaktionär) unterscheidet, verdeutlicht dies. Schon an anderer Stelle wurde zudem das Ergebnis des BGH gebilligt, dass die Entscheidung über den Börsenrückzug in die Kompetenz der Hauptversammlung fällt (dazu § 6 B). Außerdem ist dem BGH darin beizutreten, dass die einfache Beschlussmehrheit ausreicht. ___________ 2367
So etwa bei den Privatgesellschaften im Sinne der Begriffsbildung von Wiedemann, in: GroßKomm.-AktG, Stand 1994, § 186, Rn. 159; Lutter, Gesellschaftsrecht und Kapitalmarkt, FS Zöllner, 1998, S. 363, 379.
D. Zusammenfassung
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Entgegen der Rechtsprechung des BGH und der ganz h. M. unterliegt dieser Beschluss nach allgemeinen Grundsätzen einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle. Das Gegenargument des BGH, dass die Entscheidung unternehmerischen Charakter besitze, ist unsystematisch und passt nicht einmal in die Rechtsprechungstradition des BGH selbst. Die im Übrigen vorgebrachten Argumente sind genereller Natur und haben schon an anderer Stelle Ablehnung erfahren. Der einzig tragfähige Einwand verweist auf das Kapitalmarktrecht und wirft die Frage auf, ob dort eine abschließende gesetzliche Interessenabwägung vorhanden ist. Im Ergebnis ist das jedoch zu verneinen. Wiederum entgegen der Rechtsprechung des BGH, nunmehr jedoch mit einer starken Literaturansicht ist ein Vorstandsbericht im Vorfeld der Hauptversammlung zu fordern, in dem die wesentlichen Gesichtspunkte der für den Börsenrückzug sprechenden Gründe erläutert werden. Soweit der BGH den Minderheitsaktionären einen Abfindungsanspruch zugesteht, kann dieser nur über eine Bedingungslösung konstruktiv schlüssig und in Übereinstimmung mit der vom BGH dargestellten Interessenlage begründet werden. Zwingende Voraussetzung eines wirksamen Delisting-Beschlusses ist dieser gleichwohl nicht. III. Beim sog. „kalten“ Delisting wird nicht der Weg über das förmliche Delisting gewählt, um die Börsennotierung der Aktien zu beenden, sondern vielmehr eine Maßnahme durchgeführt, die zu einem Widerruf der Börsenzulassung von Amts wegen führt. Hierzu eignen sich Umwandlungsvorgänge nach dem UmwG, nämlich Rechtsformwechsel, Verschmelzung und Spaltung. Daneben kommt auch die Mehrheitseingliederung in Betracht. Die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle vermag rechtsmissbräuchliche Gestaltungen aufzudecken und zu verhindern. Besteht der jeweilige Beschluss diesen inhaltlichen Test jedoch, tritt das Problem auf, wie die Aktionäre für den mit der weggefallenen Börsennotierung verbundenen Wertverlust zu kompensieren sind. Eine Verschiebung der Umwandlungswertrelation etwa muss ausscheiden, weil sie auf Kosten der Gesellschafter der anderen beteiligten Rechtsträger erfolgen würde. Vielmehr ist den Minderheitsaktionäre ein Andienungsrecht zuzubilligen, mit dem sie vollen Wertersatz, einschließlich des Werts der Börsennotierung, erhalten. IV. Auch beim Börsengang der Aktiengesellschaft muss der Schutz der Minderheitsaktionäre hauptsächlich über das Gesellschaftsrecht verwirklicht werden. Hierzu bedarf es wegen der beträchtlichen Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Aktionäre ebenso wie beim Delisting eines Hauptversammlungsbeschlusses, der mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst werden kann. Die Antwort auf die Frage nach den inhaltlichen Rechtfertigungskriterien hängt wiederum davon ab, ob der Beschluss in die Rechtsstellung der Aktionäre eingreift. Dies ist im Ergebnis zu bejahen. Zwar verbessert sich die Verkehrsfähigkeit der Aktien. Zugleich wird der Aktionär jedoch vom Kleinaktionär mit unternehmerischer Beteiligung zu einem bloßen Kapitalanleger umgestuft und damit auf eine Rolle verwiesen, mit der er sich bei seinem Beitritt zur Gesellschaft nicht einverstanden erklärt hat. Ein Andienungsrecht ist demgegenüber für den Regelfall zu verneinen. Soweit der Beschluss rechtmäßig ist, muss sich der Aktionär mit seinen Wirkungen abfinden.
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§ 13 Minderheitsschutz bei Börsengang und Börsenrückzug
A. Gefahren und Voraussetzungen der Unternehmensbeherrschung
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund A. Gefahren und Voraussetzungen der Unternehmensbeherrschung
A. Gefahren und Voraussetzungen der Unternehmensbeherrschung Konzernrechtliche Maßnahmen sind von besonderer Brisanz für den Minderheitsschutz. Soweit durch wirksamen Legitimationsakt gerechtfertigt, verändern sie die Interessenausrichtung der Gesellschaft, die fortan nicht mehr im Eigeninteresse, sondern im Interesse des Konzerns oder herrschenden Unternehmens geführt wird. Fehlt es an einer derartigen Legitimation, bestehen die bisherigen Pflichtbindungen fort, doch beinhaltet der Interessenkonflikt, in dem sich das herrschende Unternehmen befindet, ein beständiges Gefährdungspotential für die Gesellschaft und die Minderheitsgesellschafter. Das US-amerikanische Recht vergleichend heranzuziehen, ist in diesem Abschnitt nicht sinnvoll. Die konzernrechtlichen Ansätze in den USA verfolgen eine Sicherung des Gläubigerschutzes,2368 während der Gesellschafterschutz nur reflexartig über Verhaltenspflichten bei Übernahmen berücksichtigt wird.2369 Im Übrigen gelten die bereits dargestellten allgemeinen Grundsätze, wonach der Minderheitsgesellschafter durch die Treuepflicht und das Gebot der Fairness geschützt wird.2370
___________ 2368
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Siehe zur Durchgriffshaftung im US-amerikanischen Recht (piercing the corporate veil) Blumberg, in: Lutter, ZGR-Sonderheft 11, 1994, S. 264, 272 ff. mit zahlreichen Nachweisen. Siehe die Einleitung bei Choper/Coffee/Gilson, Cases and Materials on Corporations, 6th ed. 2004, p. 963–971; zu den relevanten Entscheidungen im Einzelnen etwa Klein/Ramseyer/ Bainbridge, Business Associations, 5th ed. 2003, p. 763 seq. Im Übrigen geht es in den USamerikanischen Entscheidungen zu beherrschten Gesellschaften häufig um vom herrschenden Unternehmensgesellschafter wahrgenommenen Geschäftschancen der Gesellschaft, so etwa in der (schon mehrfach unter § 2 B. angesprochenen) Entscheidung Sinclair Oil Corp. v. Levin, 280 A. 2 d 717 (Del. 1971). Zur Lösung dieser Konflikte siehe schon unter § 7 A. II. 1. Dazu oben § 2 A. Siehe auch die Darstellung von Dettling, Die Entstehungsgeschichte des Konzernrechts im Aktiengesetz von 1965, 1997, S. 22–25.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
I. Gefahren von Abhängigkeit und Beherrschung für die Minderheitsgesellschafter Ein Konzern ist die Vergemeinschaftung von Risiken und Chancen mehrerer Unternehmen durch die Zusammenführung dieser Unternehmen zu einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck. Dabei werden eine oder mehrere juristisch selbständige Gesellschaften einer leitenden Gesellschaft unterstellt und hierdurch eine unternehmerisch tätige wirtschaftliche Einheit geschaffen.2371 Dies kann im Wege von Unternehmensverträgen geschehen. Durch den Abschluss eines kombinierten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages im Sinne von § 291 AktG wird eine abhängige Gesellschaft der Leitung durch ein herrschendes Unternehmen unterstellt. Folge ist, dass der Gesellschaftszweck nicht mehr eigenständig bestimmt, sondern nach §§ 308 ff. AktG am Konzerninteresse ausgerichtet wird. Auch orientiert sich die organschaftliche Verantwortlichkeit am Konzerninteresse, die Bindung des Gesellschaftsvermögens wird nach § 291 III AktG eingeschränkt und nach § 174 AktG die Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Gewinnverwendung aufgehoben. Das herrschende Unternehmen erlangt nach § 308 I AktG das Recht, der abhängigen Gesellschaft nachteilige und stattdessen den Interessen des herrschenden Unternehmens oder des Konzerns dienende Weisungen zu erteilen und den von der beherrschten Gesellschaft erzielten Gewinn zu vereinnahmen.2372 Damit sind erhebliche Gefahren für die Minderheitsaktionäre verbunden. Während bei unabhängigen Publikumsgesellschaften die Gesellschafterinteressen typischerweise gleichgerichtet sind und Konflikte eher zwischen den Gesellschaftern und der Geschäftsleitung auftreten, vermag der Mehrheitsaktionär als herrschendes Unternehmen die Geschäftsleitung und daher die Gesellschaft als Ganzes zu kontrollieren. Hiervon profitiert der Mehrheitsaktionär entweder unmittelbar durch Rechtsgeschäfte mit der beherrschten Gesellschaft oder mittelbar durch ein an seinen Vorgaben ausgerichtetes Handeln der Geschäftsleitung.2373 Daher unterscheidet sich die Situation einer Unternehmensbeherrschung von einem gewöhnlichen Konflikt zwischen Mehrheit und Minderheit in einer unabhängigen Gesellschaft: Der Interessenkonflikt von herrschendem Mehrheitsaktionär und beherrschter Gesellschaft, an deren Prosperieren die Minderheit Interesse hat, ist bereits in der Struktur der Beherrschung angelegt, während es in unabhängigen Gesellschaften nur in bestimmten, für den Mehrheitsgesellschafter günstigen Situ-
___________ 2371 2372 2373
Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 148. BGH NJW 1997, 2242, 2243. Hertig/Kanda, in: Kraakman/Davies/Hansmann/etal., The Anatomy of Corporate Law, 2004, p. 21 seq.; Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 156; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 44: außenstehende Aktionäre als „Widerlager des Konzerninteresses“; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 108.
A. Gefahren und Voraussetzungen der Unternehmensbeherrschung
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ationen zum Interessenkonflikt von Mehrheit und Minderheit kommt.2374 In der abhängigen oder beherrschten Gesellschaft tritt das Phänomen der externalisierten Kosten zulasten der Minderheit besonders drastisch auf: Der durch die Konzernstruktur gewonnene Einfluss des herrschenden Unternehmens übersteigt das eingesetzte Kapital, da sich der durch die Konzerneinbindung geschaffene Einfluss auch auf das von den außenstehenden Gesellschaftern eingebrachte Kapital erstreckt.2375 Durch geschickte Kombination verschiedener Beteiligungen kann ein herrschendes Unternehmen ein Kapital kontrollieren, das es nur zu einem Bruchteil selbst aufgebracht hat (Stichwort pyramiding). Die Gefahr von agency-Kosten für die Minderheit ist hierbei deutlich höher als im gewöhnlichen MehrheitsMinderheits-Konflikt.2376 Andererseits ist nicht zu übersehen, dass aus Konzernbildungen auch Chancen für die beherrschte Gesellschaft und reflexartig für die Minderheitsaktionäre erwachsen können: Das vor allem in Publikumsgesellschaften mit hohem Streubesitz verbreitete Phänomen der Aktionärsapathie ermöglicht dem Vorstand mitunter eine geradezu unbeschränkte Verfügungsmacht über das Vermögen der Gesellschaft.2377 Ein dominierender Mehrheitsaktionär sorgt hingegen dafür, dass ein bestehendes Kontrollvakuum beendet und die Tätigkeit des Vorstands überwacht wird. Außerdem können sich Effektivitätsgewinne in allen beteiligten Unternehmen ergeben. Im Unternehmensverbund können Produktion, Handel und Absatz koordiniert werden, wodurch ein Produktivitätszuwachs erzielt, die Rentabilität des eingesetzten Kapitals gesteigert und die Position gegenüber der Konkurrenz verbessert werden kann.2378 Das Konzernrecht zielt daher nicht darauf ab, Unternehmensverbindungen und Unternehmensbeherrschungen zu verhindern, sondern einerseits die Überwa___________ 2374
2375 2376
2377 2378
Siehe BGH NJW 1980, 231 f.; Schwark, JuS 1987, 443, 446. Zur schrittweisen Verschlechterung der Situation für die Gesellschaft und die Minderheitsgesellschafter bei fortschreitender Beherrschung; Hopt, ZHR 171 (2007), 199, 203. Vgl. auch Vetter, ZHR 171 (2007), 342, 343. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 1980, S. 407. Dazu der „Bericht der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa vom 4. 11. 2002“, S. 107. Zur häufig wenig effizienten Überwachung durch den Aufsichtsrat schon unter § 6 C. I. Altmeppen, ZHR 171 (2007), 320, 334; Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 681; Werner, FS Steindorff, 1990, S. 303, 305. Umgekehrt droht stets die Gefahr, dass angeschlagene Gesellschaften auf Kosten gesunder Unternehmen saniert werden, dazu Duden, in: Minderheitsschutz bei Kapitalgesellschaften, 1967, S. 73. Ausführlich dazu, dass Beherrschung und Wahrung der Eigeninteressen der beherrschten Gesellschaft sinnvoll kombiniert werden können, Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 109–112. Choper/Coffee/Gilson, Cases and Materials on Corporations, 6th ed. 2004, p. 963–965. Zur Konzernbildung augrund der Zwänge des Wettbewerbs Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 47. Siehe aber auch U. H. Schneider/Burgard, DB 2001, 963, 964, mit dem Hinweis auf empirische Untersuchungen, die belegen, dass die beteiligten Unternehmen mitunter auch geschwächt werden.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
chungsmacht des Mehrheitsaktionärs und die damit verbundenen positiven Effekte auch im Interesse der Minderheitsaktionäre (Stichwort „Trittbrettfahren“) zuzulassen, andererseits aber Schutzmechanismen zu etablieren, die einen Missbrauch der Einflussmacht zum Schaden der Minderheit zu verhindern vermögen.2379 Im ausgeübten Konzern ist die Beherrschung daher einer ständigen Kontrolle zu unterwerfen.2380 Zugleich ist schon hier darauf hinzuweisen, dass es schwer fällt, einen wirksamen Minderheitsschutz im bestehenden Konzern zu etablieren. Daraus folgt, dass dem Präventivschutz durch hohe Eingangsvoraussetzungen für die Unternehmensbeherrschung besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist.2381 Infolge der Tatsache, dass auch in einem Konzernverbund die rechtliche Selbständigkeit jeder der beteiligten Gesellschaften fortbesteht, gelten allgemeine Prinzipien des Gesellschaftsrechts wie etwa der gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht im gesamten Konzerngefüge, sondern nur in den einzelnen Rechtseinheiten.2382 Der Minderheitsschutz kann und muss daher in den einzelnen zum Konzernverbund gehörenden Gesellschaften ansetzen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Schutz der Minderheitsgesellschafter in der beherrschten Gesellschaft, doch dürfen auch die Gefahren für die Minderheitsgesellschafter einer herrschenden Gesellschaft nicht übergangen werden. ___________ 2379
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Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 157 f.; positive Effekte beschreiben auch BVerfGE 14, 263, 282, Rn. 59 (Feldmühle): „Die wirtschafts- und sozialpolitische Beurteilung des Konzerns ist zwiespältig. Die Zusammenballung wirtschaftlicher und finanzieller Macht bringt Gefahren mit sich, andererseits ermöglicht sie eine Rationalisierung und damit eine Steigerung und Verbilligung der Produktion, die erwünscht und insbesondere bei der scharfen Konkurrenz im internationalen Wettbewerb unvermeidbar ist.“ Siehe auch Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, Rn. 980; Kindler, ZGR 1998, 35, 52. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 8, spricht zutreffend für den Minderheitsschutz im Konzernrecht von einer „Konzernrechtsphilosophie“, von der es abhängt, inwieweit eine Fremdausrichtung der Gesellschaft gegen den Willen dissentierender Gesellschafter zugelassen wird. Letztlich hängt es vom Grundverständnis des Minderheitsschutzes ab, welche Schranken einer Beherrschung der Gesellschaft entgegen zu setzen sind. Allg. Meinung, siehe etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 512; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 47. Gesellschaftsvertraglich vorgesehene Präventivregeln sind jedoch nicht Gegenstand dieser Erörterung, siehe dazu etwa Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 106; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 412; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 94–98. Dazu Zöllner, in: Baumbach/Hueck, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 42. Der Frage, inwieweit hiervon de lege ferenda abgewichen werden und ein einheitliches Konzernkonzept an die Stelle der Betrachtung der einzelnen Gesellschaften treten könnte, kann hier nicht nachgegangen werden. Ansätze finden sich bei Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 705–709; Lutter, FS Kellermann, 1991, S. 257, 262–266; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 503 f., basierend auf dem französischen System, im Konzernverband auf eine angemessene Austarierung der einzelnen Gesellschaftsinteressen Rücksicht zu nehmen und damit eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung der Einzelinteressen aufzubauen.
A. Gefahren und Voraussetzungen der Unternehmensbeherrschung
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II. Die Stufen der Unternehmensbeherrschung Nach den Grundsätzen über verbundene Unternehmen in §§ 15–19 AktG, die als rechtsformübergreifende Grundsätze auch auf andere Rechtsformen angewandt werden,2383 lassen sich verschiedene Intensitätsstufen einer Unternehmensbeherrschung unterscheiden. Von einer Abhängigkeit geht § 17 AktG aus, wenn ein Aktionär ein anderes Unternehmen selbst betreibt oder darauf mittelbar oder unmittelbar einen bestimmenden Einfluss ausüben kann.2384 Das Gesetz bezeichnet diesen Aktionär als „herrschendes Unternehmen“, worauf gestützt häufig vom „Unternehmensgesellschafter“ die Rede ist.2385 Die Rechtsprechung bejaht die Unternehmereigenschaft i. S. des § 17 AktG, wenn für den Gesellschafter eine wirtschaftliche Interessenbindung zu einem anderen Unternehmen besteht, die stark genug ist, um die ernsthafte Besorgnis zu begründen, der Gesellschafter könnte um ihretwillen einen nachteiligen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben.2386 Hinzu kommen muss, dass der Aktionär im Sinne der Vermutungsregel des § 17 II AktG selbst über eine Mehrheitsbeteiligung an der Gesellschaft verfügt oder durch einen anderen Gesellschafter, auch wenn dieser selbst kein Unternehmergesellschafter ist, unterstützt wird. Diese Unterstützung darf dabei nicht zufällig auftreten, sondern muss von vornherein gesichert sein, wovon insbesondere bei vertraglicher und organisatorischer Bindung, aber auch aufgrund sonstiger Umstände rechtlicher oder tatsächlicher Art ausgegangen werden kann.2387 Die Begründung einer solchen Abhängigkeit wird als der problematische Zeitpunkt der Unternehmensverbindung angesehen, da hiermit die Weichen für eine fortschreitende Beherrschung der Gesellschaft gestellt werden.2388 ___________ 2383
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Rechtsformübergreifend Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 509. Für die GmbH Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 6, 7; Lutter, ZIP 1985, 1425, 1426; Schwark, JuS 1987, 443, 446; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 5. Für die Personengesellschaften Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1294. Zu diesen Begriffen und ihrer praktischen Anwendung etwa Zöllner, in: Baumbach/Hueck, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 12–18; Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 5–9. Diese Begriffsbildung ist nicht unproblematisch, da hierunter in anderem Zusammenhang ein Gesellschafter verstanden wird, der mit seiner Beteiligung ein unternehmerisches Engagement verfolgt und sich dadurch vom Anlagegesellschafter unterscheidet, siehe dazu etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 507. BGH NJW 1981, 1512, 1513; BGHZ 69, 334, 337 = NJW 1978, 104; vgl. auch BGHZ 74, 359, 365 = NJW 1979, 2401, 2402. Zum Streit darüber, wie sehr der Einfluss auf die andere Gesellschaft bereits ausgeübt sein muss, siehe die Darstellung bei Schwark, JuS 1987, 443, 446. BGH NJW 1981, 1512, 1513. Zu Bindungen unter Familienangehörigen vgl. BGH NJW 1980, 2254; BGH NJW 1974, 855. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 99 f.; Kropff, in: MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2000, Vor § 311, Rn. 41; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 410 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 93.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
Ein einfacher Konzern entsteht nach § 18 I AktG, wenn das herrschende Unternehmen seinen Einfluss ausbaut, indem es die Leitung der abhängigen Gesellschaft mit der des eigenen Unternehmens zusammenführt und damit eine einheitliche Leitung nach einem einheitlichen Plan begründet. Im Unterschied zur Abhängigkeit handelt es sich nicht um eine lediglich potentielle oder nur vereinzelt auftretende Fremdherrschaft, sondern um eine nachhaltige Beherrschung, die einer abgestimmten Geschäftspolitik zu dienen bestimmt ist.2389 Eine einheitliche Leitung wird nach § 18 I 2 AktG vom Gesetz unterstellt, wenn ein Beherrschungsvertrag nach § 291 AktG abgeschlossen wurde oder die eine Gesellschaft in die andere nach § 319 AktG eingegliedert wurde. Während die zu einem einfachen Konzern gehörenden Unternehmen nur locker zusammengeschlossen sind und das beherrschte Unternehmen noch eine deutlich erkennbare Selbständigkeit behält, geht diese bei einem qualifiziert faktischen Konzern verloren, weil das herrschende Unternehmen die Geschäfte des beherrschten Unternehmens dauernd und umfassend führt. Durch eine Vielzahl von kaum zu isolierenden Einzelweisungen wird die beherrschte Gesellschaft zur bloßen Betriebsabteilung des herrschenden Unternehmens herabgestuft und ihr Eigeninteresse nachhaltig beeinträchtigt.2390 Die Leitungsmacht beruht dabei allein auf der Mehrheitsbeteiligung und unterscheidet sich darin von einem Vertragskonzern, der durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages im Sinne von § 291 AktG begründet wird. Dieser ermächtigt nach § 308 AktG zu einem Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens gegenüber der beherrschten Gesellschaft. Wird damit ein Gewinnabführungsvertrag verbunden, ist der von der beherrschten Gesellschaft erzielte Gewinn unmittelbar an die herrschende Gesellschaft abzuführen.2391 B. Die Rechtslage in den Aktiengesellschaften bei Unternehmensbeherrschungen
B. Die Rechtslage in den Aktiengesellschaften bei Unternehmensbeherrschungen I. Der Schutz außenstehender Aktionäre im Vertragskonzern Im Gegensatz zu dem im Anschluss zu behandelnden faktischen Konzern bestehen Vertragskonzerne auf gesetzlich geregelter Grundlage. Ein weiterer entscheidender Unterschied zu den rein faktischen Beherrschungen besteht darin, dass Vertragskonzerne den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft verändern. ___________ 2389 2390 2391
Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 87; Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 16. Mit im Einzelnen abweichenden Nuancen BGH NJW 1986, 188, 191 (Autokran). Siehe zu den zehn Stufen einer Konzernbildung Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 412 f. Diese unterscheiden im Einzelnen (1) die mehrheitsfreie Gesellschaft, (2) die Mehrheitsherrschaft, (3) die Abhängigkeit, (4) die qualifizierte Abhängigkeit, (5) die dezentrale Konzerneinbeziehung (lockerer Konzernverbund), (6) die faktische Konzernierung, (7) die qualifizierte faktische Konzernierung, (8) den Vertragskonzern, (9) den Eingliederungskonzern, (10) die Verschmelzung oder übertragende Umwandlung.
B. Die Rechtslage in den Aktiengesellschaften bei Unternehmensbeherrschungen
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Die gravierendsten Folgen gehen von einem Beherrschungsvertrag aus, mit dem eine Weisungskompetenz des herrschenden Unternehmens begründet und der Gesellschaftszweck am Konzerninteresse ausgerichtet wird. Bei Kombination mit einem Gewinnabführungsvertrag fließt zusätzlich der gesamte Gewinn der beherrschten Gesellschaft an das herrschende Unternehmen.2392 Wegen dieser Wirkungen kann über den Abschluss von Unternehmensverträgen auch nur das Organ bestimmen, das auch die Zweckbestimmung der Gesellschaft zu verändern vermag: die Gesellschafterversammlung.2393 Nach § 293 AktG bedarf der Beschluss der Hauptversammlung einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. Hieran zeigt sich die konzernoffene Konzeption des AktG, da wegen der gravierenden Wirkungen für die außenstehenden Aktionäre ohne diese gesetzgeberische Entscheidung ein einstimmiger Beschluss erforderlich wäre (siehe dazu das Erfordernis bei den anderen Gesellschaftsformen unter C. II. und D. II. 2.).
1. Die Beeinträchtigung der Gesellschafter in der beherrschten Gesellschaft Die Aktionäre der beherrschten Aktiengesellschaft werden durch Unternehmensverträge empfindlich in ihrer Rechtsstellung betroffen. Die besonderen Gefahren für das Vermögen der beherrschten Gesellschaft hat der BGH in einer Entscheidung von 19972394 herausgestellt. Dort heißt es: 2395 „Das herrschende Unternehmen kann den Jahresüberschuß und damit auch den Gewinn dadurch erhöhen, daß es in entsprechender Weise von Ansatz- und Bewertungswahlrechten Gebrauch macht (. . .) und Rückstellungen oder Sonderposten mit Rücklagenanteil auflöst (§§ 249, 247 III, 273, 281 II 2 HGB). Ferner schließt es die Regelung des § 301 AktG nicht aus, daß das herrschende Unternehmen die Auflösung vorvertraglich gebildeter stiller Reserven bei der beherrschten Gesellschaft veranlaßt und auf diese Weise entweder den abzuführenden Gewinn erhöht und sich Gewinne im Wege der verdeckten Gewinnausschüttung verschafft (. . .), so daß die abhängige Gesellschaft nur noch über Grundkapital, gesetzliche Rücklagen und die vor Inkrafttreten des Unternehmensvertrags gebildeten freiwilligen Rücklagen verfügt. Darüber hinaus ist das herrschende Unternehmen infolge seiner Weisungsbefugnis in der Lage, die abhängige Gesellschaft ihrer Vermögenswerte weitgehend zu entkleiden oder sie vollständig in den Konzern einzubinden und ihr im Rahmen der von dem Konzern verfolgten Ziele eine bestimmte Funktion zuzuweisen, so daß es ihr nicht möglich ist, bei Beendigung des Unternehmensvertrags aus eigener Kraft fortzubestehen.
___________ 2392
2393 2394
2395
Zu den Wirkungen der Unternehmensverträge BGH NJW 1989, 295, 296; Ebenroth/Müller, BB 1991, 358, 359; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 185; Lutter/ Hommelhoff, NJW 1988, 1240, 1241; Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 449–451; Pentz, FS Kropff, 1997, S. 225, 229 f. Für die AG und Hauptversammlung Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 53 f. BGH NJW 1997, 2242. Siehe zu den Gefahren für die außenstehenden Gesellschafter auch schon BGHZ 105, 324 = NJW 1989, 295; BGH NJW 1992, 1452; BVerfGE 14, 263, Rn. 61 (Feldmühle). BGH NJW 1997, 2242, 2243. Die Änderungen im Bilanzrecht ändern nichts an der Aussagekraft der Darstellung.
606
§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß in diesen Fällen der Unternehmenswert – und damit auch der von ihm abhängige Wert des Aktionärsanteils – weitgehend ausgezehrt ist.“
Zu ergänzen bleibt, dass die Organe der Gesellschaft durch die Unternehmensverträge auf eine an den Konzernzielen ausgerichtete Unternehmenspolitik verpflichtet werden und an dieser nicht nur in gewöhnlichen Geschäftsführungsangelegenheiten, sondern auch soweit es um die Rechtfertigung von Eingriffen in die Mitgliedschaft der Aktionäre geht, ihre Entscheidungen ausrichten müssen, wie unter 5. näher darzustellen sein wird.2396 Der BGH zieht aus den von ihm aufgeführten Beeinträchtigungen den Schluss, dass die Durchführung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen bei den Aktionären der abhängigen Gesellschaft zu einer Beeinträchtigung ihrer Herrschafts- und Vermögensrechte einschließlich ihres Anspruchs auf Gewinnbeteiligung führt, die einen Eingriff in das nach Art. 14 I GG geschützte Anteilsrecht darstellt. Dieser Eingriff sei nur dann rechtmäßig, wenn die berechtigten Interessen der außenstehenden Aktionäre gewahrt werden. Hierzu müsse einerseits Rechtsschutz gegen rechtswidrige Unternehmensverträge bestehen und andererseits eine vollständige Entschädigung geleistet werden.2397 Die von der Rechtsprechung des BVerfG aufgestellten Anforderungen an die Rechtfertigung dieses Eingriffs sieht der BGH durch die Regelungen des AktG jedoch gewahrt: Das Gesetz gewähre mit §§ 304, 305 AktG einen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichs, mit dem es den Verlust der Vermögensrechte durch die Aktionäre kompensiere, der zudem nach §§ 304 III 3, 305 V 2 AktG gerichtlich nachprüfbar sei.2398 Aus den zutreffenden Ausführungen des BGH zur Eingriffsintensität folgt, dass sowohl ein Konzerneingangsschutz wie auch eine laufende Konzernüberwachung unerlässlich sind.2399 Dass dieses Ziel entgegen der optimistischen Beurteilung des BGH im Aktienrecht vielfach auf unüberwindbare gesetzliche Hindernisse stößt, wird noch darzulegen sein.
2. Die Ausgleichszahlungen des herrschenden Unternehmens Der vom BGH als wesentlicher Garant des Minderheitsschutzes herausgestellte § 304 AktG sieht Ausgleichszahlungen an die außenstehenden Aktionäre vor und dient dem Ziel, diese so zu stellen, als wäre die Gesellschaft weiterhin unabhängig ___________ 2396 2397
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2399
Für die Geschäftsführungsangelegenheiten Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 449–450; für die Eingriffe in die Mitgliedschaft der Aktionäre siehe oben § 3 D. IV. 2. BGH NJW 1997, 2242, 2243, unter Verweis auf das (auch hier schon mehrfach zitierte und erläuterte) Feldmühle-Urteil, BVerfGE 14, 263, 277 ff. = NJW 1962, 1667. Siehe auch schon BGH NJW 1980, 231 (Gervais). BGH NJW 1997, 2242, 2243. Daneben weist der BGH auch darauf hin, dass die Aktionäre einen Anspruch auf angemessene Abfindung erhalten, durch den sie für den Herrschaftsverlust und einen von dem Ausgleich nicht erfassten Vermögensverlust entschädigt werden sollen. Dazu auch Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 324 f. So auch Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 160 f.
B. Die Rechtslage in den Aktiengesellschaften bei Unternehmensbeherrschungen
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und würde im Eigeninteresse geführt. Das Gesetz bringt damit zum Ausdruck, die Konzerninteressen zwar den Gesellschaftsinteressen überzuordnen, sie den Vermögensinteressen der außenstehenden Aktionäre jedoch gleichzustellen.2400 Die Ausgleichszahlungen stellen eine an die Stelle der nicht mehr geschuldeten Dividende tretende Verzinsung des geleisteten Kapitals dar. Da hierdurch die Aktionäre zu reinen Kapitalanlegern herabgestuft werden, sieht § 305 AktG ein schon an anderer Stelle2401 dargestelltes Austrittsrecht vor, um den an einer stärker unternehmerisch geprägten Teilhabe interessierten Aktionären den Ausstieg zu ermöglichen. Schuldner des Ausgleichs ist das herrschende Unternehmen.2402 Für den Ausgleichsanspruch stehen nach § 304 II AktG zwei Berechnungsmethoden zur Wahl, und regelmäßig steht es den Vertragsparteien frei, die Berechnungsart für den Ausgleich zu wählen. In der Praxis wird der variable Ausgleich der Dividendengarantie vorgezogen.2403 Nur in den Fällen isolierter Beherrschungsverträge verpflichtet § 304 I 2 AktG dazu, eine Dividendengarantie abzugeben, um den Minderheitsaktionären mindestens den Betrag zu sichern, den diese bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages (im Wege eines festen oder variablen Ausgleichs) erhalten würden. Damit soll die Gefahr ausgeschlossen werden, dass das herrschende Unternehmen von einer Dividendenzahlung gänzlich absieht. Wird in den übrigen Fällen ein variabler Ausgleich gewählt, berechnet sich dieser nach der Verschmelzungswertrelation: Im Wege einer Fiktion wird unterstellt, dass die beherrschte auf die herrschende Gesellschaft verschmolzen wurde, und der Gewinnanteil der außenstehenden Aktionäre in dieser fiktiven Gesellschaft ermittelt.2404 Zur Festlegung der Verschmelzungswertrelation ist der Wert beider Gesellschaften nach den allgemeinen Grundsätzen2405 zu bestimmen. An einer echten Gleichstellung mit einer Verschmelzung auf die herrschende Gesellschaft fehlt es freilich, da die beherrschte Gesellschaft in allen sonstigen Angelegenheiten als selbständige Rechtseinheit behandelt wird. Daher haben die außenstehenden Aktionäre weder Einfluss auf die Ausschüttungspolitik in der herrschenden Gesellschaft noch nehmen sie an einem etwaigen Wertzuwachs der Anteile an dieser Gesellschaft teil. Ihr Ausgleichsanspruch ist ganz davon abhängig, wie sich die Geschäftslage der herrschenden Gesellschaft entwickelt. Hierauf selbst Einfluss zu nehmen, ist ihnen unmöglich. Indem die h. M. als Bemessungsgrundlage für den Ausgleichsanspruch den von der herrschenden Gesellschaft ausgeschütteten Gewinn heranzieht, sind die außen___________ 2400 2401 2402 2403
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Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 49. Siehe hierzu § 10 C. II. Allg. Meinung, siehe Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 304, Rn. 23. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 304, Rn. 26; zu allem auch Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 324–326. Zur Berechnung etwa Heinrichs, ZHR 164 (2000), 453, 472. Zu den verschiedenen Ermittlungsmethoden Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 335 f.; Obst, Der Schutz des Kleinaktionärs im börsennotierten Aktienkonzern, 2004, S. 60. Dazu unter § 12.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
stehenden Aktionäre außerdem ganz von der Gewinnverteilungspolitik der herrschenden Gesellschaft abhängig.2406 Dies wurde vom BVerfG als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft. Nach Aussage des Gerichts müssen die außenstehenden Aktionäre für den erlittenen Verlust an Eigentum i. S. von Art. 14 I GG, nämlich die durch den Abschluss des Unternehmensvertrages ausgelösten Verluste bei Vermögens- und Herrschaftsrechten, vollwertig entschädigt werden. Daher dürfe ihre Abhängigkeit von den Vorgängen in der herrschenden Gesellschaft nicht dazu führen, dass sie keine angemessene Entschädigung erhalten. Sie seien davor zu schützen, dass sich ihr Ausgleichsanspruch durch eine missbräuchliche Dividendenpolitik der herrschenden Gesellschaft wider Treu und Glauben verringere. Zwar sei die herrschende Gesellschaft in der Verwendung ihres Jahresüberschusses im Rahmen der aktienrechtlichen Bestimmungen und der Gesellschaftssatzung grundsätzlich frei. Zugleich werde jedoch der Zweck des § 304 AktG verfehlt, wenn die Minderheitsaktionäre als variablen Ausgleich weniger erhalten als sie als Dividende oder Wertsteigerung ihres Unternehmens erhalten hätten, wenn der Unternehmensvertrag nicht abgeschlossen worden wäre. Unter diesen Gesichtspunkten sei es bedenklich, die tatsächlich im herrschenden Unternehmen ausgeschüttete Dividende als Bemessungsgrundlage zu verwenden.2407 Daher wird in der Literatur vorgeschlagen, statt der Dividende den anteiligen Jahresüberschuss als Bewertungsgrundlage anzusetzen.2408 Auf diese Weise wird der herrschenden Gesellschaft die Möglichkeit genommen, durch eine exzessive Thesaurierungspolitik die außenstehenden Aktionäre in der beherrschten AG zu benachteiligen. Wohl aber verbleibt das auch vom BVerfG angemahnte Problem, dass die Verschmelzungswertrelation durch Ausgabe neuer Anteile unter Wert bei Kapitalerhöhungen zum Nachteil der Minderheitsaktionäre verändert werden kann.2409 Dem ist dadurch zu begegnen, dass solche Ausgaben nicht nur im Interesse der Minderheitsgesellschafter der eigenen Gesellschaft, sondern auch der beherrschten Gesellschaft untersagt werden (siehe zu Kapitalerhöhungen im Einzelnen unter § 15 A. I. 1.). Außerdem kann eine Anpassung des Unternehmensvertrags nach § 313 I BGB notwendig werden, um eine Benachteiligung der außenstehenden Aktionäre durch die Kapitalerhöhung zu vermeiden.2410 ___________ 2406
2407 2408
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So jedoch verfährt die h. M., etwa OLG Düsseldorf NJW 1978, 827; LG Frankfurt AG 1987, 315, 317 f.; Hennrichs, ZHR 164 (2000), 453, 472 f. Dass auch die Gewinnverwendung in der herrschenden Gesellschaft Regeln unterliegt, worauf unter § 16 einzugehen sein wird, hilft den außenstehenden Aktionären nur dann, wenn diese befolgt werden, da sie über kein Klagerecht gestützt auf Vorgänge in der herrschenden Gesellschaft verfügen. BVerfG NJW-RR 2000, 842, 843 (Hartmann u. Braun/Mannesmann). Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 304, Rn. 49; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 336; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 54, Rn. 72. BVerfG NJW-RR 2000, 842, 843 (Hartmann u. Braun/Mannesmann). Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 304, Rn. 68–73. Zu der Sondersituation, dass ein weiteres herrschendes Unternehmen dem Beherrschungsvertrag beitritt, siehe BGHZ 119, 1 (ASEA/BBC); Röhricht, ZHR 162 (1998), 249.
B. Die Rechtslage in den Aktiengesellschaften bei Unternehmensbeherrschungen
609
Auch diese Grundsätze vermögen zugleich nichts an dem gesetzgeberisch vorgegebenen Bestand zu ändern, dass die ursprünglich auf Wertsteigerung angelegte Investition der Aktionäre zu einem bloßen Anspruch auf Rendite herabgestuft wird.2411 Daher ist es stimmig, dass ein Andienungsrecht nach § 305 AktG ergänzend hinzutritt.2412
3. Information über die geplante und bestehende Beherrschung Der Gesetzgeber setzt bei bestehender Unternehmensbeherrschung im Übrigen auf Information des Rechtsverkehrs. Durch Publizitätsvorschriften wird gewährleistet, dass die Organisation der Unternehmensgruppe der Öffentlichkeit bekannt wird, so insbesondere in §§ 20, 21 AktG, 21 ff. WpHG, 35 WpÜG.2413 Hinzu kommen die Vorschriften über die Rechnungslegung bei Konzernen unter der einheitlichen Leitung einer Kapitalgesellschaft, wonach Konzernabschlüsse und Konzerngeschäftsberichte nach §§ 290 ff. HGB erforderlich werden und die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nach § 297 III HGB so anzugeben ist, als handele es sich bei allen in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen um ein einheitliches Unternehmen. Hinzu treten besondere Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat. Nach § 90 I 2, III 1 AktG sind die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen und geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die von erheblichem Einfluss auf die Lage der Aktiengesellschaft sind, von der Berichtspflicht umfasst. Auch muss der Vorstand des Mutterunternehmens nach § 337 AktG einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht erstellen und zusammen mit dem Prüfungsbericht des Konzernabschlussprüfers dem Aufsichtsrat vorlegen, während der Vorstand einer abhängigen Aktiengesellschaft nach § 314 II AktG einen Abhängigkeitsbericht zu erstellen hat. Diese Vorschriften dienen in erster Linie den Gläubigern der beteiligten Gesellschaften und zukünftigen Investoren. Zugleich verhelfen sie den außenstehenden Aktionären dabei, die Angemessenheit ihres Ausgleichsanspruchs nach § 304 AktG, evtl. auch ihres Abfindungsanspruchs nach § 305 AktG bestimmen zu können. Darüber hinaus werden sie in die Lage versetzt, das Konzerninteresse im Sinne der hier geforderten Rechtfertigungsprüfung (dazu unter 5.) beurteilen zu können. Während diese Informations- und Publizitätspflichten die Konzernausübungskontrolle betreffen, schützen die Auskunfts- und Einsichtsrechte nach §§ 293 ff. AktG die außenstehenden Aktionäre beim Konzerneingang. Nach § 293 IV AktG ist auf Verlangen jedem Aktionär in der Hauptversammlung, die über die Zustimmung zu einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag beschließt, Aus___________ 2411 2412 2413
Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 49, bezeichnet dies als einen Wechsel von „Chance“ zu „Rendite“. Zu diesem oben § 10 C. II. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 503. Aus Sicht der europarechtlichen Vorgaben Clausen/Sorensen, Eur. Bus. L. Rev. 2002, 343–356.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
kunft auch über alle für den Vertragsschluss wesentlichen Angelegenheiten des herrschenden Unternehmens zu gewähren. Auch muss der Vertrag durch einen schriftlichen Bericht der Vorstände beider Aktiengesellschaften erläutert und insbesondere nach § 293 a AktG die Höhe der Abfindung begründet werden. Zudem ist über die Begutachtung des Vertrages durch Wirtschaftsprüfer nach §§ 293 b, 293 c AktG ein Bericht zu erstellen. Sämtliche Dokumente sind nach §§ 293 f, 293 g AktG vor und während der Hauptversammlung, in der über den Vertragsschluss abgestimmt wird, auszulegen. Daneben muss der Vorstand den Vertrag nach § 293 g II AktG zu Beginn der Hauptversammlung mündlich erläutern.2414 Hingegen besteht nach Ansicht der Rechtsprechung kein Anspruch auf Einsichtnahme in das zur Frage der Unternehmensbewertung eingeholte Wirtschaftsprüfergutachten, auf Vorlage von Unterlagen oder auf Einsichtnahme in Bücher oder Gutachten der beherrschten Gesellschaft oder des herrschenden Unternehmens. Vielmehr haben die Aktionäre nach § 131 I AktG nur einen Anspruch auf Erteilung einer mündlichen Auskunft in der Hauptversammlung.2415 Immerhin erstreckt sich dieses Auskunftsrecht auf die Vermögens- und Ertragslage des herrschenden Unternehmens sowie seine Beteiligungen an anderen Unternehmen.2416
4. Das Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft Nach § 308 I AktG kann die herrschende Gesellschaft Weisungen erteilen, die für die Gesellschaft nachteilig sind, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen. Weiter ordnet § 309 AktG an, dass Maßnahmen, die nicht im Konzerninteresse liegen, für die beherrschte Gesellschaft eine rechtswidrige und ausgleichspflichtige Schädigung darstellen. Kriterium dafür ist, ob zumindest ein Unternehmen des Konzernverbundes Vorteile erzielt, die über die vom beherrschten Unternehmen zu tragenden Nachteile hinausgehen. Daraus folgt, dass ein Weisungsrecht unverhältnismäßig ausgeübt wird, wenn die Solvenz des beherrschten Unternehmens gefährdet erscheint.2417 Daher ist auch die viel diskutierte Frage, ob das Weisungsrecht zu existenzgefährdenden Schädigungen der beherrschten Gesellschaft führen darf, zu verneinen. Dem Konzernvertragsrecht liegt auch die Intention zugrunde, den Fortbestand der abhängigen Gesellschaft zu sichern und eine Insolvenz zu vermeiden.2418 ___________ 2414
2415 2416 2417 2418
Siehe zu den im Wesentlichen parallel ausgestalteten Informationspflichten im Umwandlungsrecht unter § 12 C II. Diese Vergleichbarkeit ergibt schon deshalb Sinn, weil es sich bei Umwandlungsvorgängen und Unternehmenskonzentrationen häufig um wirtschaftliche Alternativen der Unternehmensplanung handelt. BGH NJW 1993, 1976, 1982. Mehr Information über die Beziehungen zum herrschenden Unternehmen anmahnend Zöllner, AG 1994, 336, 338. BGH, NJW 1992, 2760, 2764; BGH NJW 1993, 1976, 1982. Siehe Altmeppen, ZHR 171 (2007), 320, 326, wonach das Weisungsrecht in diesen Fällen erlischt. Zu den Grundlagen des Weisungsrechts auch Kropff, FS Bezzenberger, 2000, S. 233. BGH NJW 1980, 231, 232 (Gervais); Altmeppen, ZHR 171 (2007), 320, 327.
B. Die Rechtslage in den Aktiengesellschaften bei Unternehmensbeherrschungen
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Dass die Beherrschung die Gefahr vielfältiger Interessenkonflikte begründet und die Möglichkeit des herrschenden Unternehmens schafft, unkontrolliert auf die Vermögenssubstanz der abhängigen Gesellschaft zugreifen zu können, schlägt sich auch beweisrechtlich nieder. Behauptet die beherrschte Gesellschaft, durch den Unternehmensvertrag geschädigt worden zu sein, obliegt dem herrschenden Unternehmen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vom abhängigen Unternehmen behauptete Schädigung entweder nicht besteht oder jedenfalls nicht auf einer Pflichtwidrigkeit des herrschenden Unternehmens beruht.2419
5. Inhaltliche Rechtfertigung beherrschungsbegründender Beschlüsse Wie bereits vielfach betont und zur Grundlage der Rechtfertigungsprüfung erklärt, gebietet der auf Gewinnerzielung gerichtete Zweck einer (wirtschaftlich ausgerichteten) Gesellschaft, sie im Eigeninteresse zu führen, woran sämtliche Verwaltungsorgane gebunden sind.2420 Dies gilt jedoch nur, solange die Gesellschaft selbständig ist. Das Aktienkonzernrecht ordnet als Ausnahme hierzu an, dass eine durch Unternehmensverträge gebundene Aktiengesellschaft den Interessen des Unternehmensverbandes untergeordnet werden und daher nicht im Eigen-, sondern im Fremdinteresse geführt werden darf. Diese gesetzgeberische Wertung ist im Rahmen der Beschlüsse über den Abschluss von Unternehmensverträgen zu berücksichtigen. a) Rechtfertigungskontrolle in der beherrschten Gesellschaft Werden auf den Beschluss in der beherrschten Gesellschaft, mit der diese dem Abschluss eines Unternehmensvertrages zustimmt, die allgemeinen Grundsätze angewandt, bedarf dieser wegen des mit ihm verbundenen Eingriffs in die Mitgliedschaft der außenstehenden Aktionäre einer Rechtfertigung im Interesse der Gesellschaft. Ein solches liegt bei Abschluss eines Unternehmensvertrages jedoch eher fern, da sich die Gesellschaft ihrer Selbständigkeit begibt und der Fremdbeherrschung unterordnet. Ausgeschlossen ist es freilich nicht, da sich die Aktiengesellschaft in einer Lage befinden mag, die eine weitere Selbständigkeit schwierig gestaltet, so insbesondere bei finanziellen Engpässen, aber auch, wenn sie die Herausforderungen ihres Zielmarktes allein nicht zu meistern vermag. Die Rechtfertigung auf diese Fälle zu beschränken, engt den Anwendungsbereich der Unternehmensverträge hingegen zu stark ein. Nach gesetzgeberischer Wertung ist die Aktiengesellschaft als konzernoffene Gesellschaft ausgestaltet. Dies wiederum eröffnet zwei Möglichkeiten: Die h. M. folgert aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber die Aktiengesellschaft als konzernoffene Gesellschaft ausge-
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So BGH NJW 1980, 231, 232 (Gervais). Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 455; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 52.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
staltet hat, dass ein Beschluss über den Abschluss eines Unternehmensvertrages rechtfertigungsfrei ist.2421 In diesem Befund erschöpfen sich die gesetzgeberischen Wertungen jedoch nicht. Wie schon unter 4. ausgeführt, bestimmt § 308 I, II AktG, dass für die beherrschte Aktiengesellschaften nachteilige Weisungen unter der Voraussetzung erteilt werden dürfen, dass sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen. Konsequenterweise darf der Vorstand der beherrschten Aktiengesellschaft die Weisungen des herrschenden Unternehmens nach § 308 II AktG (ungeachtet der Fälle der Existenzgefährdung) nur dann verweigern, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen nicht dienen. Damit ist die Wertung verbunden, dass fortan nicht etwa keine Interessenwahrungspflichten mehr bestehen, sondern dass vielmehr die Eigeninteressen der beherrschten Gesellschaft hinter den Interessen des Konzernverbundes oder einzelner konzernverbundener Unternehmen zurücktreten. Diese Wertung muss auch auf den Beschluss über die Zustimmung zum Abschluss eines Unternehmensvertrages ausstrahlen: Auch dieser muss einen legitimen Zweck verfolgen, wobei dieser nicht nur im Interesse der (künftig) beherrschten Gesellschaft, sondern auch im Interesse des Gesamtkonzerns, der herrschenden Gesellschaft oder anderer konzernverbundener Unternehmen bestehen kann. Hieran richtet sich die Rechtfertigungsprüfung aus: Der Abschluss des Unternehmensvertrages muss geeignet und erforderlich sein, um das als legitim anerkannte Ziel zu erreichen. Bei der Angemessenheitsprüfung kommt nun jedoch die Besonderheit zum Tragen, dass die mit einem Unternehmensvertrag typischerweise verbundenen Nachteile für die außenstehenden Aktionäre nicht berücksichtigt werden dürfen. Zwar steht die Mitgliedschaft des Aktionärs im Grundsatz nur unter dem Vorbehalt, unter Berücksichtigung aller rechtlich erheblichen Belange lediglich die als verhältnismäßig einzustufenden Eingriffe hinnehmen zu müssen. Hiervon kann der Gesetzgeber jedoch Ausnahmen vorsehen, und eine solche liegt hier vor. In den Vorschriften über Unternehmensverträge ist die Wertung enthalten, dass sich die außenstehenden Aktionäre mit den in diesem Abschnitt vorgesehenen Schutzmechanismen begnügen müssen, nämlich der schon besprochenen Ausgleichszahlung und dem Andienungsrecht. Anderenfalls wäre ein Beschluss, der den Abschluss eines Unternehmensvertrages billigt, regelmäßig rechtswidrig, da die drohenden Nachteile für die außenstehenden Aktionäre so erheblich sind, dass sich die Konzerninteressen hiergegen nicht durchzu___________ 2421
Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 65; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 293, Rn. 35. Mit dem Argument, das System des Ausgleichs in §§ 304, 305 AktG spreche dagegen, im Abschluss eines Unternehmensvertrages einen derart starken Eingriff zu sehen, Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 133. A. A. Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 446, wonach nach allgemeinen Grundsätzen auch für den Abschluss von Unternehmensverträgen zu fordern ist, dass Sachgründe vorliegen, aus der sich die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ergeben.
B. Die Rechtslage in den Aktiengesellschaften bei Unternehmensbeherrschungen
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setzen vermögen.2422 Gleiches gilt für Beschlüsse innerhalb der beherrschten Gesellschaft. Gegen diesen Prüfungsaufbau lässt sich einwenden, dass er im Ergebnis keinen wirksamen Schutz der außenstehenden Aktionäre garantiert, da sich stets ein Interesse eines der konzernverbundenen Unternehmen finden lassen wird. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass Fälle groben Missbrauchs, die lediglich einer sinnlosen Schädigung der beherrschten Gesellschaft dienen, ausgeschlossen werden. Dies war dem Gesetzgeber offensichtlich ein Anliegen, da ansonsten § 308 I, II AktG überflüssig wäre. Hervorzuheben ist, dass an dieser genauen Analyse gezeigt werden kann, dass sich auch das Aktienkonzernrecht in das hier entwickelte Konzept einpasst, wonach Maßnahmen, mit denen Eingriffe in die Rechtsstellung der Gesellschafter verbunden sind, einer Rechtfertigung bedürfen, die nur in einem höherrangigen Interesse gefunden werden kann. Dieses höherrangige Interesse kann vom Gesetzgeber abweichend von dem allgemeinen Prinzip, dass ein legitimes Ziel in den Interessen der Gesellschaft zu finden ist, geregelt werden. Gleiches gilt für die Angemessenheitskontrolle, bei der ebenfalls einzelne Interessen und daher Abwägungsgesichtspunkte vom Gesetzgeber ausgeschlossen werden können. b) Rechtfertigungskontrolle in der herrschenden Gesellschaft In der herrschenden Gesellschaft ist die Situation anders. Dort fehlt es an Instrumentarien zum Schutz der Aktionäre, und der Abschluss von Unternehmensverträgen wird durch eine an der allgemeinen Konzeption orientierte inhaltliche Rechtfertigungskontrolle auch nicht faktisch ausgeschlossen. Der Abschluss von Unternehmensverträgen dient regelmäßig dem Interesse der herrschenden Gesellschaft, die trotz zugleich übernommener Risiken von allen konzernangehörigen Gesellschaften am stärksten profitieren wird.2423 Dennoch sind auch in der herrschenden Gesellschaft die Wertungen der §§ 308, 309 AktG zu beachten. Die Wertung des Gesetzgebers, das Interesse aller an einem Unternehmensverbund beteiligten Unternehmen bei Einzelweisungen anzuerkennen und mit dem Interesse der betroffenen Gesellschaft gleichzusetzen, sollte auch für den Beschluss über Unternehmensverträge beachtet werden. Daher muss es auch zulässig sein, dass der Abschluss des Unternehmensvertrages nur den Interessen des Unternehmensverbundes oder eines einzelnen im Unternehmensverbund organisierten Unternehmens entspricht. Zugleich bleibt es bei der regelmäßigen Abwägung mit den berechtigten Interessen der widersprechenden Aktionäre, da es an besonderen Schutzvorkehrungen zu ihren Gunsten und daher an besonderen gesetzgeberischen Vorgaben fehlt. Gleiches gilt für Beschlüsse bei bestehenden Unternehmensverträgen, die sich auf die Beziehungen zu der verbundenen Aktiengesellschaft beziehen. ___________ 2422 2423
I. E. fordert auch Emmerich, AG 1991, 303, 307, eine Inhaltskontrolle des Beschlusses. I. E. ebenso und daher für eine am Gesellschaftsinteresse ausgerichtete Prüfung Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 293, Rn. 37.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
6. Der Rechtsschutz der außenstehenden Aktionäre Die Beschlüsse in den Gesellschaften können bei Rechtswidrigkeit, die sich anhand der soeben skizzierten Grundsätze beurteilt, nach § 243 I AktG angefochten werden. Hingegen scheidet nach §§ 304 III 2, 305 V AktG eine Anfechtung mit der Begründung aus, der Unternehmensvertrag sehe keine angemessene Abfindung vor. Wegen einer unangemessenen Abfindung ist der Minderheitsaktionär vielmehr nach § 304 III 2, 3 AktG auf das Spruchstellenverfahren verwiesen. Das gilt nach § 243 II 4 AktG auch für die Verletzung von damit im Zusammenhang stehenden Informationspflichten. Nach der Rechtsprechung des BGH schuldet die Aktiengesellschaft den Aktionären jedoch die Information, die sie in die Lage versetzt, beurteilen zu können, ob die im Vertragswerk vorgesehenen Vorkehrungen zum Schutz der außenstehenden Aktionäre angemessen sind und der Zustimmung zu dem Unternehmensvertrag unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken entgegenstehen. Diese Überlegungen gelten gleichermaßen für den Ausgleichsanspruch2424 und den Abfindungsanspruch2425. Um ihrer Bedeutung Rechnung zu tragen, kann der Hauptversammlungsbeschluss bei Verletzung dieser Informations- und Auskunftsrechte angefochten werden.2426
II. Der faktische Aktienkonzern Vom Vertragskonzern ist der faktische Konzern zu unterscheiden, bei dem die Kontrolle über eine Aktiengesellschaft nicht auf vertraglicher Grundlage steht, sondern durch Ausübung des mit der Mehrheitsherrschaft verbundenen Einflusses erfolgt. Den Ausgangspunkt zu den Überlegungen zum faktischen Konzern bildet die Tatsache, dass die Aktiengesellschaft wegen § 311 AktG, daneben aber auch wegen der Satzungsstrenge und dem nur unter hohen Voraussetzungen einzuschränkenden Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Aktien2427 gegen Abhängigkeit und Beherrschung durch präventive Vorkehrungen schwerer zu schützen ist als die (im Anschluss zu erörternde) GmbH.2428 Die Rechtslage außerhalb von Unternehmensverträgen und daher im faktischen Konzern wird von §§ 311–317 AktG geregelt.2429
___________ 2424 2425 2426 2427 2428
2429
BGH NJW 1993, 1976, 1983. BGH NJW 1995, 3115, 3117. Henze, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, 2001, S. 39, 43 f. Näher dazu unter § 10 A. Dazu Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 108 f.; Emmerich, AG 1991, 303, 304 f.; Zöllner, FS Kropff, 1997, S. 333, 335. Siehe alle aber auch zu den durchaus vorhandenen Möglichkeiten, Vorkehrungen in der Satzung zu treffen, und zusätzlich U. H. Schneider/Burgard, DB 2001, 963, 966 f. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311, Rn. 2.
B. Die Rechtslage in den Aktiengesellschaften bei Unternehmensbeherrschungen
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1. Die Begründung der Abhängigkeit einer Aktiengesellschaft Die Abhängigkeit einer Aktiengesellschaft bildet regelmäßig den ersten Schritt zu einer Einbindung in den Konzern des herrschenden Unternehmens. Sie kann sich vor allem auf zweierlei Arten vollziehen, zum einen durch Begründung der Mehrheitsbeteiligung durch einen Unternehmensgesellschafter oder durch die Ausgliederung eines Unternehmens auf eine bestehende oder neu zu errichtende Tochtergesellschaft, evtl. unter Neuaufnahme außenstehender Aktionäre.2430 Aus Sicht der Minderheitsaktionäre in der beherrschten Gesellschaft liegt ein Fall der ungewollten Abhängigkeitsbegründung nur in der ersten Konstellation vor, da in der zweiten die Minderheitsaktionäre in die bereits abhängige Gesellschaft (sehenden Auges) eintreten. Für die Minderheitsaktionäre der herrschenden Gesellschaft ist hingegen die zweite Konstellation problematisch, da die Bestimmung über das ausgegliederte Vermögen fortan ihrer Mitwirkung entzogen ist.2431 Das Aktienkonzernrecht bietet den außenstehenden Aktionären in der untergeordneten Aktiengesellschaft jedoch nicht schon zum Zeitpunkt der Begründung einer Abhängigkeit sowie faktischen Beherrschung und Einbindung in den Konzern des herrschenden Unternehmens Schutz, sondern erst bei förmlichem Abschluss eines Unternehmensvertrages.2432 Lediglich bei börsennotierten Aktiengesellschaften fordert § 35 WpÜG, dass ein Aktionär ab einer Beteiligung von 30% ein Pflichtangebot abgeben muss, was zu einem Andienungsrecht der übrigen Aktionäre bei Begründung der Beherrschung führt.2433 Im Übrigen gelten für Beschlüsse, die eine Abhängigkeit der Aktiengesellschaft vorbereiten, etwa für einen Bezugsrechtsausschluss oder die Befreiung von einem statutarisch begründeten Wettbewerbsverbot, die allgemeinen Grundsätze, wonach eine sachliche Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse erforderlich ist. Dabei sind die mit der drohenden Abhängigkeit verbundenen Gefahren als wesentlicher Gesichtspunkt zu beachten.2434 In diesem Stadium wirken sich die Wertungen der §§ 311 ff. AktG und die daraus gefolgerte konzernoffene Struktur der Aktiengesellschaft (noch) nicht aus. Sie werden vielmehr relevant, wenn sich eine bestehende Abhängigkeit zu einer Einbindung der Aktiengesellschaft in einen faktischen Konzern im Sinne der §§ 311–317 AktG weiterentwickelt. Im Interesse der außenstehenden Aktionäre kommt zu diesem Zeitpunkt eine Konzerneingangskontrolle im Wege eines Hauptversammlungsbeschlusses mit inhaltlicher Rechtfertigungskontrolle in Betracht. ___________ 2430 2431 2432 2433 2434
Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 9; Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 160. Hier kommt es wiederum auf die schon erörterten Zuständigkeitsfragen an, dazu unter § 6 B. Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 164. Dazu ausführlich unter § 10 C. III. Zur kritischen Beurteilung dieser Beschränkung Kalss, ZHR 171 (2007), 146, 165 f. So auch Emmerich, AG 1991, 303, 305. Siehe dazu auch unter C. zur GmbH, zu der einschlägige Rechtsprechung existiert und zu der die Frage insgesamt bedeutend engagierter diskutiert wird.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
2. Konzernoffene Konzeption des Aktienrechts als Leitbild des Minderheitsschutzes Diese Überlegung muss sich an den aktienrechtlichen Vorschriften zum faktischen Konzern ausrichten. § 311 AktG, Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelungen zum faktischen Konzern, gibt zu erkennen, dass der Gesetzgeber die Aktiengesellschaft als konzernoffene Gesellschaft ausgestaltet hat, indem er einem herrschenden Unternehmen zwar untersagt, seinen Einfluss dazu zu benutzen, eine abhängige Aktiengesellschaft zu einer für sie nachteiligen Maßnahme zu veranlassen, hiervon jedoch eine Ausnahme vorsieht, soweit der Nachteil ausgeglichen wird. Reichweite und Bedeutung des § 311 AktG sind im Einzelnen umstritten, ebenso wie die rechtspolitische Bewertung der Norm.2435 a) Hauptversammlungsbeschluss als Konzerneingangskontrolle? Die h. M. folgert aus § 311 AktG, dass weder die Begründung einer Abhängigkeit noch die einer faktischen Beherrschung per se einen Hauptversammlungsbeschluss voraussetzt oder auslöst. Aus §§ 311–317 AktG ergebe sich, dass der Gesetzgeber die einfache faktische Konzernierung gebilligt habe.2436 Die Gegenansicht betont, dass die Treuepflicht in der Aktiengesellschaft ebenso wie in den übrigen Gesellschaftsformen anerkannt ist, und folgert daraus, dass wegen der für die Minderheitsaktionäre drohenden Beeinträchtigungen ebenso wie in der GmbH ein Hauptversammlungsbeschluss notwendig sei, wenn die Aktiengesellschaft in die Abhängigkeit oder Beherrschung geführt werde. Vor allem ein Argument der Mindermeinung überzeugt: Es ist kein Grund ersichtlich, warum ein Mehrheitsgesellschafter gegenüber der Aktiengesellschaft und den Mitaktionären geringeren Treuebindungen unterliegen soll, sobald er sich als beherrschender Unternehmens___________ 2435
2436
Das rechtspolitische Urteil über §§ 311 ff. AktG war früher vielfach negativ, während in jüngerer Zeit auch positive Stimmen zu vernehmen sind. Zu einer Übersicht über den Meinungsstand siehe Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311, Rn. 9; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 958 f. Positiv etwa Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 110; Decher, ZHR 171 (2007), 126; K. Schmidt, JZ 1992, 856, 859, während das Urteil von Emmerich, AG 1991, 303, 305; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 411; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 53, Rn. 3, negativ ausfällt. Nach der rechtsvergleichenden Untersuchung des Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 704, kennen außer Deutschland auch nur wenige Länder ein vorrangiges Konzerinteresse. Siehe zur Kritik am deutschen Konzept der §§ 311 ff. AktG im Vergleich zum französischen Ansatz Forum Europaeum Konzernrecht, a. a. O., S. 711. Siehe jedoch auch U. H. Schneider/ Burgard, DB 2001, 963, 965 f., wonach andere Rechtsordnungen einen effektiveren Schutz gegen Übernahmen bieten. Zur Konzernoffenheit des deutschen Aktienrechts auch Timm, ZHR 153 (1989), 60, 61. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 110; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311, Rn. 7; Kropff, in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2000, Vor § 311, Rn. 43 f.; Raiser/ Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 52, Rn. 28.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 960 f.
B. Die Rechtslage in den Aktiengesellschaften bei Unternehmensbeherrschungen
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gesellschafter in einem Interessenkonflikt befindet und seinen Einfluss auf die Gesellschaft systematisch ausübt; das Gegenteil müsste der Fall sein.2437 Dies vermag freilich nur zu dem Urteil führen, die Regelung des § 311 AktG als systemwidrig abzulehnen. Die Bestimmung bringt zum Ausdruck, dass die Begründung einer faktischen Beherrschung der Aktiengesellschaft vom Gesetzgeber trotz aller damit für die Aktiengesellschaft und außenstehendenden Aktionäre verbundenen Nachteile gebilligt wurde. Diese gesetzgeberische Wertung ist höchst zweifelhaft: Unterstützt man das Ziel, die Aktiengesellschaft konzernoffen auszugestalten und eine faktische Beherrschung auch gegen den Willen einzelner Aktionäre zuzulassen, läge es doch nahe, den gesamten Konzern darauf zu untersuchen, ob alle in der Gruppe verbundenen Unternehmen entsprechend ihrer Beiträge von der Unternehmensverbindung profitieren. Anstatt dienende Gesellschaften auszubeuten und den Nutzen auf der obersten Stufe anzusiedeln, sollten die Geschäftschancen gleichmäßig auf alle Unternehmen in der Gruppe verteilt werden.2438 Damit würde das zweifelhafte System der gerechtfertigten Einzelschädigung mit nachträglichem Ausgleich vermieden.2439 Die lex lata sperrt gleichwohl eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze, da sie mit der h. M. als gesetzgeberische Billigung der faktischen Konzernbildung im Aktienrecht zu verstehen ist. Die Begründung einer faktischen Abhängigkeit oder Beherrschung ist daher kontrollfrei möglich. Einschränkend gilt jedoch: Bei jeder Maßnahme, mit der die Aktiengesellschaft (weiter) in die Abhängigkeit geführt wird, muss untersucht werden, ob nur die allgemeinen, mit der Begründung einer Abhängigkeit oder Beherrschung verbundenen Gefahren im Raum stehen oder eine darüber hinausgehende Beeinträchtigung droht, die dann nicht von der Ausschlusswirkung des § 311 AktG erfasst ist. Dies ist etwa bei der Befreiung des herrschenden Unternehmensgesellschafters von ei___________ 2437
2438
2439
Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 242. Siehe auch Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, 1998, S. 64–66. Vom heutigen Stand des Minderheitsschutzes in der selbständigen Aktiengesellschaft ausgehend kann denn auch bezweifelt werden, ob noch davon gesprochen werden kann, im Konzernrecht des AktG komme die Überzeugung des deutschen Gesetzgebers zum Ausdruck, dass das normale Gesellschafsrecht nicht ausreiche, um die Außenseiter in der abhängigen AG angemessen gegen die qualifizierten Verbundgefahren zu schützen. So jedoch Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 678. Wie zu zeigen sein wird, vermögen die zur GmbH und den Personengesellschaften entwickelten Grundsätze diesen Schutz besser zu verwirklichen. Auch dazu Zöllner, a. a. O. Siehe außerdem Emmerich, AG 1991, 303, 305, zu der (de lege lata zu verneinenden) Frage, ob mit der Einbindung in den faktischen Konzern wegen der Ausrichtung auf den Konzern nicht eine Satzungsänderung verbunden ist. Siehe auch zur Kritik an dem Konzept eines „Marktes für Unternehmenskontrolle“ und daraus abgeleiteten Forderungen nach besserem Schutz U.H.Schneider/Burgard, DB 2001, 963. Zu den dabei aufzustellenden Kriterien vgl. den Vorschlag von Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 712 f. Siehe zu ähnlichen Überlegungen auch Lutter, FS Kellermann, 1991, S. 257, 263–266; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 46. Dazu Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 711 f., unter Hinweis auf die französische Rechtslage.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
nem Wettbewerbsverbot der Fall.2440 Auch gilt, dass eine Maßnahme, die aus anderen Gründen eines Hauptversammlungsbeschlusses bedarf, etwa eine Kapitalerhöhung, und zugleich eine Abhängigkeit oder Beherrschung begründet, nach den allgemeinen Grundsätzen einer Inhaltskontrolle unterliegt. In diese müssen die Gefahren für die Unabhängigkeit der Aktiengesellschaft und die damit verbundenen Beeinträchtigungen der Minderheit einbezogen werden. Insoweit kann § 311 AktG keine Sperrwirkung gegenüber einer umfassenden Abwägung aller Interessen entnommen werden.2441 b) Rechtfertigungskontrolle bei bestehender Beherrschung Nicht minder problematisch ist die Ausübungskontrolle bei bestehender faktischer Beherrschung. Ohne die Regelung des § 311 AktG wäre ein Mehrheitsaktionär bei allen Maßnahmen darauf verwiesen, die Interessen der Gesellschaft und der außenstehenden Aktionäre beachten zu müssen. So löst jede kapitalrelevante Maßnahme ohne förmlichen Gewinnverwendungsbeschluss die Rückgewähransprüche aus §§ 57, 60, 62 AktG aus. Außerdem ist der Mehrheitsgesellschafter gegenüber der Gesellschaft zur Beachtung der Treuepflicht verpflichtet und unterliegt bei Eingriffen in die durch Art. 14 I GG geschützte Rechtsstellung der Mitaktionäre den allgemeinen Rechtfertigungsgeboten. Werden diese Pflichtbindungen verletzt, kann ein Hauptversammlungsbeschluss von jedem Aktionär nach § 243 I AktG angefochten werden und bei sonstigen Maßnahmen Unterlassung, Restitution und Schadensersatz gefordert werden.2442 Diese allgemeinen Grundsätze bedürfen vor dem Hintergrund des § 311 AktG der Modifikation im faktischen Konzern. Um der Bestimmung einen eigenen Anwendungsbereich zu eröffnen, muss ein Spezialitätsverhältnis zu den Kapitalerhaltungsvorschriften bestehen. §§ 57, 60, 62 AktG treten daher hinter § 311 AktG zurück, soweit der Ausgleich nach § 311 I, II AktG tatsächlich vorgenommen wird.2443 Inhaltlich gilt daher, dass der allgemeine Rechtfertigungszwang durch ein ___________ 2440 2441 2442
2443
Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 111 f., auch zur Ausnahme für börsennotierte Aktiengesellschaften. Zum Bezugrechtsausschluss i. E. ähnlich Kropff, in: MünchKomm.-AktG, 2. Aufl. 2000, Vor § 311, Rn. 53. Hierzu vor allem die §§ 5, 6, 7 B. Siehe zu Kapitalerhaltung und Treuepflicht im konzernrechtlichen Zusammenhang auch Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 419–421. Voraussetzung für das Spezialitätsverhältnis ist, dass es sich um eine ausgleichsfähige nachteilige Maßnahme handelt, die sich isolieren lässt und auch tatsächlich innerhalb des Geschäftsjahres ausgeglichen wird, Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311, Rn. 1. Siehe auch Rn. 48: §§ 93, 116 AktG gehen § 311 AktG vor, wenn bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung mit einer Ausgleichszahlung gerechnet werden kann. Zu den Modalitäten der Ausgleichsleistung Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 436–438. A. A. Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, 1998, S. 64–66: § 311 AktG habe einen anderen Anwendungsbereich als §§ 57, 60, 62 AktG. Letztere setzten eine Vermögensverschiebung zugunsten des Aktionärs voraus, während es daran bei § 311 AktG fehlen könne. Außerdem sei es inkonsequent, dass ein Unternehmen bei von ihm nicht veranlasster Vorteilszuwendung ei-
B. Die Rechtslage in den Aktiengesellschaften bei Unternehmensbeherrschungen
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Prinzip des „dulde und liquidiere“ ersetzt wird.2444 Wie aus § 311 I AktG hervorgeht, dient der finanzielle Ausgleich als Rechtfertigung der nachteiligen Maßnahme.2445 Dabei ist allerdings die schon ausgeführte Konzeption des Aktienkonzernrechts zu beachten, wonach auch bei der (vertraglich oder faktisch) beherrschten Aktiengesellschaft ein legitimer Zweck verfolgt werden muss, der zwar nicht im Interesse der beherrschten Gesellschaft, aber im Konzerninteresse bestehen muss.2446 An diesem muss sich die Prüfung der Eignung und Erforderlichkeit ausrichten, während bei der Angemessenheit nunmehr die Regelung des § 311 I AktG und das darin enthaltene Prinzip des „dulde und liquidiere“ zum Tragen kommt: Soweit der Nachteil ausgeglichen wird, findet keine Angemessenheitsprüfung statt. Die Interessen der Minderheitsaktionäre werden nicht berücksichtigt. Bleibt der Ausgleich hingegen aus, ist der Eingriff rechtswidrig, und die Aktiengesellschaft, daneben nach den unter § 7 B. dargestellten Grundsätzen auch der Minderheitsaktionär, kann nicht nur aus § 317 AktG (dazu sogleich unter 3.), sondern auch aus den ansonsten ausgeschlossenen allgemeinen Vorschriften, etwa aus § 117 AktG, vorgehen.2447 c) Austritt der Minderheitsaktionäre Noch einmal ist zu betonen, dass dieses Konzept des § 311 AktG, einseitig das herrschende Unternehmen zu bevorzugen, verfehlt ist und einen für die Minderheitsaktionäre untragbaren Zustand schafft. Soweit die Satzung keine Schutzvorkehrungen vorsieht, sind die Minderheitsaktionäre den mit der Abhängigkeit verbundenen Nachteilen ausgeliefert. Hier hilft nur das schon oben (§ 10 D. II.) geforderte Andienungsrecht de lege ferenda. De lege lata steht ein Recht zum Austritt aus wichtigem Grund zur Verfügung. Dass in den §§ 311 ff. AktG eine gesetzgeberische Billigung des faktischen Konzerns zum Ausdruck kommt, steht einem Austritt aus wichtigen Grund auch nicht zwingend entgegen, lässt sich dieses Konzept doch dahin gehend interpretieren, dass nur Abwehransprüche im Interesse der beherrschten Gesellschaft ausgeschlossen werden, nicht aber die für außenstehende Aktionäre geltenden allgemeinen Grundsätze. Diese finden sich in einer Situation wieder, die den weiteren Verbleib in der Gesellschaft unzumutbar macht. Hinzu kommt, dass nunmehr für ___________
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2447
ner strengeren Haftung unterliege als bei veranlasster, da ihm nur im letzteren Falle die Erleichterung des § 311 II AktG zugute komme. Im mehrstufigen Abhängigkeitsverhältnis beurteilten sich die Ansprüche der Enkelin gegenüber der Mutter nach § 311 AktG, gegenüber der Großmutter hingegen nach §§ 57, 60, 62 AktG, ohne dass es Gründe gebe, die für diese Ungleichbehandlung sprächen. Vgl. Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 245. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311, Rn. 1. So für den faktischen Konzern auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 960, während ders., JZ 1992, 856, 861, von einer Verpflichtung auf das Eigeninteresse der Gesellschaft spricht. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311, Rn. 49.
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die Aktionäre in börsennotierten Gesellschaften in Übernahmesituationen ein Austrittsrecht geschaffen wurde. Der Gesetzgeber hat damit das zu einem Austritt berechtigende Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre im Grundsatz anerkannt.2448 Dies garantiert ein Mindestmaß an Minderheitsschutz, führt jedoch nicht dazu, dass von der Forderung nach einem gesetzlich vorgesehenen Andienungsrecht abgesehen werden sollte. Der Nachteil des Austritts aus wichtigem Grund besteht darin, dass der Aktionär seinen Austritt nicht allein auf die Begründung der Abhängigkeit stützen kann, sondern darüber hinaus die entstandenen oder zu erwartenden Nachteile und die daraus resultierende Unzumutbarkeit des weiteren Verbleibs darlegen muss, während ein Andienungsrecht allein den Konzerneingang genügen lassen würde. Nur so würde das nach § 39 c WpÜG bestehende Austrittsrecht auch auf nicht-notierte Aktiengesellschaften bei Eintritt der faktischen Beherrschung ausgeweitet.2449 Bei der Bemessung der Abfindung muss außer Acht bleiben, dass die Anteile durch die von §§ 311 ff. AktG geschaffene Möglichkeit, zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft zu agieren, eine Wertminderung erlitten haben. Vielmehr ist der Wert der Beteiligung in der unabhängigen und dem eigenen Wohl verpflichteten Aktiengesellschaft zugrunde zu legen.
3. Ansprüche gegen das herrschende Unternehmen und Beweislastverteilung Soweit eine nachteilige Maßnahme entgegen § 311 AktG nicht ausgeglichen wird, stehen der Gesellschaft Ansprüche vor allem aus § 317 I 1 AktG, den außenstehenden Aktionären bei darüber hinausgehender Schädigung aus § 317 I 2 AktG zu. Der Anspruch der Gesellschaft kann auch von den Aktionären in gesetzlicher Prozessstandschaft nach §§ 317 IV, 309 IV AktG im eigenen Namen zur Leistung an die Gesellschaft geltend gemacht werden.2450 Damit unterscheiden sich Vertragskonzern und faktischer Konzern auch beim Ausgleichsanspruch konzeptionell: Während beim Vertragskonzern den Aktionären nach § 304 AktG der Ausgleich zusteht, ist er beim faktischen Konzern der Aktiengesellschaft geschuldet.2451 Steht die Nachteiligkeit eines Rechtsgeschäfts zwischen Gesellschaft und herrschendem Unternehmen im Raum, kommt es auf einen Drittvergleich an, anhand dessen ermittelt wird, ob zwischen Leistung und Gegenleistung ein Missverhältnis besteht, was primär anhand der Marktsituation zu bestimmen ist. Dem herrschen___________ 2448 2449
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Siehe dazu schon die frühe Mahnung von Zöllner, AG 1994, 336, 338. Zur Kritik an dem als zu begrenzt empfundenen Anwendungsbereich des § 39c WpÜG siehe unter § 10 C. III. Die Vorschläge des Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, greifen demgegenüber zu kurz, da sie an eine Mehrheitsbeteiligung von 95% anknüpfen, S. 739, oder zu sehr an eine Übernahmesituation anknüpfen, S. 729 f., während es in diesem Zusammenhang doch entscheidend auf die Ausübung der faktischen Beherrschung ankommt. Näher Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 452; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 317, Rn. 16. Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 53 f.
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den Unternehmen steht der Nachweis offen, dass auch eine unabhängige Gesellschaft zu anderen als Marktkonditionen abgeschlossen hätte, um etwa einer wirtschaftlichen Schieflage oder Überkapazitäten zu begegnen.2452 Bei allen Ansprüchen der Gesellschaft (oder Aktionäre) gegen das herrschende Unternehmen ist entscheidend, dass die Tatsache, dass dieses zum eigenen Vorteil handelt, bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu berücksichtigen ist. Da die nachteilige Maßnahme auf unterschiedliche Art veranlasst werden kann, fällt es den klagenden Aktionären regelmäßig schwer, den genauen Gang einer Beeinflussung durch das herrschende Unternehmen darzulegen und zu beweisen. Überdies bleiben die im faktischen Konzern geschuldeten Berichte den Aktionären überwiegend unbekannt, da das herrschende Unternehmen nur gegenüber der beherrschten Aktiengesellschaft Informationspflichten besitzt, die den Minderheitsaktionären nicht zugänglich gemacht werden: Um den Nachteilsausgleich zu gewährleisten, ist vom Vorstand der herrschenden Gesellschaft nach § 312 AktG jährlich ein Abhängigkeitsbericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu erstellen, in dem auf alle Rechtsgeschäfte und Maßnahmen, die auf Veranlassung oder im Interesse verbundener Unternehmen vorgenommen werden, einzugehen ist. Der Vorstand muss dabei auf Benachteiligungen der Gesellschaft und einen eventuellen Ausgleich eingehen. Dieser Bericht im faktischen Konzern soll den Vorstand der beherrschten Gesellschaft zu einer bewussten Überwachung der vom herrschenden Unternehmen veranlassten Maßnahmen anhalten. Die Geschäftsleitung soll nur solche Maßnahmen mittragen, die sie auch in schriftlicher Form begründen und vor dem für die Entscheidung zuständigen Gremium vertreten kann.2453 Es findet zwar eine Kontrolle dieses Berichts durch Abschlussprüfer statt, jedoch mangels Offenlegung nicht durch außenstehende Aktionäre. Erst der Bericht des Aufsichtsrates nach § 314 AktG, in dem auch auf das Prüfungsergebnis der Abschlussprüfer einzugehen ist, wird den Aktionären offen gelegt. Die Aktionäre können eine Sonderprüfung verlangen, wenn sie nach § 315 AktG zugelassen wurde oder nach den allgemeinen Grundsätzen des § 142 II AktG von der erforderlichen Zahl der Aktionäre getragen wird und außerdem Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtswidriger Nachteilszufügung rechtfertigen.2454 Dieser Bestand kann nur als ein Defizit an Publizität bewertet werden. Er wird teilweise kritisiert,2455 teilweise aber auch mit dem Geheimhaltungsinteresse der beteiligten Unternehmen gerechtfertigt.2456 Richtigerweise muss er beweisrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Es muss genügen, dass sich der Kläger nur auf die ihm zur Verfügung stehenden Quellen beruft und darauf gestützt Umstände vorträgt, die auf eine nachteilige Maßnahme im Sinne des § 311 I AktG hinweisen. ___________ 2452 2453 2454 2455 2456
Näher dazu Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 432 f. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, Band I, 4. Aufl. 2009, § 13, Rn. 36, unter ausdrücklichem Hinweis auf die Parallele von Verschmelzungs- und Abhängigkeitsbericht. Dazu im Einzelnen Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 439 m. N. K. Schmidt, JZ 1992, 856, 862 m. w. N. Decher, ZHR 171 (2007), 126, 138; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 312, Rn. 38.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
Diese Umstände lösen eine Vermutung dafür aus, dass das herrschende Unternehmen eine für die Gesellschaft nachteilige Maßnahme veranlasst hat.2457 Um diese Vermutung zu widerlegen, muss das herrschende Unternehmen entweder nachweisen, dass der Gesellschaft kein Nachteil entstanden ist oder dass dieser nicht von ihm veranlasst wurde. Für den Nachteil ist die Perspektive ex ante und damit der Vergleich mit einem pflichtgemäß handelnden Vorstand bzw. einer pflichtgemäß handelnden Hauptversammlung in der entsprechenden Situation ausschlaggebend. Sich auf einen unternehmerischen Ermessensspielraum bzw. ein allgemeines unternehmerisches Risiko, auf das der Vorstand und die Aktionäre im Regelfall zurückgreifen dürfen, zu berufen, kann dem herrschenden Unternehmen nur zugestanden werden, wenn es nachweist, dass es aus der Maßnahme keine Vorteile gezogen hat.2458 Dieser Lösungsweg geht über die Forderungen der h. M. hinaus, die dem herrschenden Unternehmen die Berufung auf einen unternehmerischen Einschätzungsspielraum ohne Weiteres zuerkennt.2459 Er wendet jedoch den hier vertretenen Ansatz, der in Anlehnung an die Grundsätze des US-amerikanischen Rechts zum intrinsic fairness test bei einem Handeln des Gesellschafters im Eigeninteresse zugrunde gelegt wird, auf die Situation des faktischen Aktienkonzerns an.2460
III. Der qualifiziert faktische Aktienkonzern Unter der Bezeichnung qualifiziert faktischer Aktienkonzern wird eine Konstelltion verstanden, in der ein vom herrschenden Unternehmen dauerhaft ausgeübter Einfluss die Interessen der beherrschten Gesellschaft in einer Weise beeinträchtigt, die der bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages entspricht. Faktisch betrachtet ist die Leitungsmacht auf das herrschende Unternehmen übergegangen. Außerdem ist nach Art und Intensität der Einwirkung auf die beherrschte Aktiengesellschaft ein Einzelausgleich benachteiligender Maßnahmen nicht mehr möglich.2461 Ungeachtet der noch zu behandelnden Frage, inwiefern die von der Rechtsprechung ___________ 2457
2458
2459 2460 2461
Zur Veranlassungsvermutung siehe Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311, Rn. 20 f.; für eine Beschränkung auf einen Beweis des ersten Anscheins Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 424 f. Höhere Anforderungen legt jedoch offenbar LG Bonn, DB 2005, 994 f. zugrunde. Vgl. Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 242, wonach bei Maßnahmen der Geschäftsführung, die ersichtlich oder auch nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit im Interesse des herrschenden Unternehmens oder einer anderen Tochter liegen, sich die Beweislage umkehrt. Es sei dann nicht nur ein Verschulden von Entscheidungsträgern zu vermuten, sondern auch die Nachteiligkeit der Maßnahme i.S. ihrer Zweck- oder Interessenwidrigkeit. Von der Vorteilhaftigkeit für den herrschenden Unternehmensgesellschafter machen Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 425 f., die Vermutungswirkung für die Veranlassung abhängig, was aber darauf hinausläuft, den Nachweis hierfür der Klägerseite aufzubürden, was aus dem genannten Grund, dem Informationsdefizit der Minderheit, abzulehnen ist. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 425 f.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311, Rn. 29, billigen dem herrschenden Unternehmen die Berufung hierauf grds. zu. Zu den Grundsätzen des entire fairness test unter § 7 A. III. 4. Emmerich, AG 1991, 303, 306; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 964, 966.
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entwickelten Grundätze in der Mehrpersonen-GmbH noch Geltung beanspruchen können, ist an dieser Begrifflichkeit festzuhalten, weil sie unabhängig von der rechtlichen Behandlung ein auch weiterhin existierendes Phänomen beschreibt. Das Regelungsmodell der §§ 311 ff. Akt versagt in diesen Fällen, da sich die einzelnen schädigenden Einflussnahmen nicht mehr isolieren lassen und auch der Nachteilsausgleich wegen der Unkalkulierbarkeit der Rechtsfolgen der nachteiligen Maßnahmen nicht bemessen lässt.2462 Die abhängige Gesellschaft wird wie eine Betriebsabteilung des herrschenden Unternehmens geführt, was nur im Rahmen eines Beherrschungsvertrages zulässig, außerhalb dessen wegen Unvereinbarkeit mit § 76 AktG jedoch unzulässig ist.2463 Lediglich für den Fall, dass die Hauptversammlung mit satzungsändernder Mehrheit eine Einbindung in den Konzern beschließt, wird erwogen, diesen Vorgang für zulässig zu erklären.2464 Voraussetzung hierfür muss jedoch sein, dass sich diese Satzungsänderung gegen die Interessen der Minderheit bewahrheitet, was nur unter der Voraussetzung, dass zumindest die im Vertragskonzern geltenden Schutzmechanismen vorgesehen werden, möglich ist.2465 Daraus folgt, dass jeder Aktionär auf Unterlassung und Beseitigung dieser rechtswidrigen Situation klagen kann. Zudem macht sich der Vorstand der abhängigen Gesellschaft schadensersatzpflichtig, wenn er die qualifiziert faktische Abhängigkeit (mit) zu verantworten hat.2466 Daneben ist streitig, ob Schadensersatz durch analoge Anwendung der Vorschriften zum Vertragskonzern, also verschuldensunabhängig, oder nach der für das GmbH-Konzernrecht geltenden Verschuldenshaftung gewährt wird. Das in den Bestimmungen zum Vertragskonzern und faktischen Konzern zum Ausdruck kommende Sonderrecht für Unternehmensbeherrschungen spricht dafür, in der Aktiengesellschaft auch die Fragen des qualifiziert faktischen Konzerns mit diesen Bestimmungen statt mit allgemeinen Grundsätzen zu lösen.2467 Dies führt dazu, dass nach §§ 302, 303 AktG2468 ein Schutz gegen existenzgefährdende Maßnahmen besteht und die außenstehenden Aktionäre die Rechte nach §§ 304, 305 AktG erhalten, daher entweder unter vollwertiger Abfindung aus der Gesellschaft ausscheiden können oder unter Verbleib mit einer garantierten Dividende entschädigt werden. ___________ 2462 2463
2464 2465
2466 2467 2468
Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 455–457; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311, Rn. 11. Grundlegend Mestmäcker, FS Kronstein, 1967, S. 129, 139 ff. I. E. OLG Hamm NJW 1987, 1030; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 458; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 964; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 490 ff. Emmerich, AG 1991, 303, 306. Emmerich, AG 1991, 303, 306, spricht nur von einer „Chance“ der Minderheitsaktionäre, für derartige Schutzvorkehrungen zu sorgen, erwägt aber ebenfalls eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle des Beschlusses. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 965. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 458. Zur extensiven Auslegung des § 302 AktG als Anspruchsnorm für eine Ausfallhaftung des herrschenden Unternehmens durch die h. M. siehe die Darstellung von Eberl-Borges, WM 2003, 105.
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Überzeugend ist insoweit das Argument, dass ein Ausstieg aus dem qualifiziert faktischen Konzern zu Marktbedingungen allenfalls unter Inkaufnahme wesentlicher Wertabschläge möglich wäre.2469 Außerdem kann sich die Gesellschaft gegen eine qualifiziert faktische Schädigung, die gerade von § 311 AktG nicht gedeckt ist, durch Unterlassungsklage nach § 317 AktG und die Aktionäre nach §§ 317 IV, 309 IV AktG wehren. Sollte dennoch eine Existenzvernichtung eintreten, kann zudem nach den für die GmbH geltenden Grundsätzen vorgegangen werden.2470 Für die Beweislastverteilung gelten grundsätzlich die soeben zum faktischen Konzern skizzierten Grundsätze, allerdings mit der Besonderheit, dass es nunmehr um die Veranlassung nachteiliger Maßnahmen bei qualifizierter Beherrschung geht. Der Kläger muss daher die Voraussetzungen der qualifiziert faktischen Beherrschung darlegen und beweisen. Dabei greifen die beim qualifiziert faktischen GmbH-Konzern anerkannten Grundsätze jedoch auch zugunsten des Aktionärs, so dass er nur Umstände darzulegen und zu beweisen braucht, die es nahe legen, dass bei der Unternehmensführung die eigenen Belange der Gesellschaft über bestimmte, konkret ausgleichsfähige Einzeleingriffe hinaus beeinträchtigt wurden. Dem herrschenden Unternehmen obliegt es darauf, zu diesen vorgetragenen Umständen nähere Angaben zu machen, da es im Gegensatz zum Anspruchsteller die maßgebenden Tatsachen kennt.2471 Auch hierbei ist darauf zu achten, das Informationsdefizit des Aktionärs zu berücksichtigen und nicht Unmögliches von ihm zu fordern. Die Voraussetzungen an die Darlegungs- und Beweislast müssen sich daher an den für den Aktionär zugänglichen Quellen orientieren. Es kann nur gefordert werden, dass er die für ihn zugänglichen Quellen ausschöpft, insbesondere den Bericht des Aufsichtsrats auswertet. C. Die Rechtslage in der GmbH
C. Die Rechtslage in der GmbH I. Konzerneingangskontrolle in der GmbH: Die Voraussetzungen einer Abhängigkeitsbegründung Die GmbH ist aufgrund ihrer Struktur, insbesondere dem von § 47 I GmbHG angeordneten Mehrheitsprinzip und dem Weisungsrecht nach § 37 I GmbHG abhängigkeits- und beherrschungsanfällig ausgestaltet und eignet sich daher besonders gut zur Tochtergesellschaft in einer Konzernstruktur.2472 ___________ 2469
2470 2471 2472
Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 464; Lieb, FS Lutter, 2000, S. 1151, 1154 f.; a. A. die wohl h. M., siehe, Koppensteiner, in: KölnerKomm.-AktG, Band 6, 3. Aufl. 2004, Anh. § 318, Rn. 111 (m. w. N.). Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 452 f., 459. So für die GmbH BGHZ 122, 123 = BGH NJW 1993, 1200, 1202 (TBB); BGH NJW 1994, 446 (EDV-Peripherie). Dies wird als „konzernoffene Struktur“ der GmbH bezeichnet, siehe Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 136; Emmerich/Habersack,
C. Die Rechtslage in der GmbH
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Was die Gefahren einer Abhängigkeit und Beherrschung angeht, gilt das zur Aktiengesellschaft Gesagte: Auch in der GmbH führt die Abhängigkeit von einem Unternehmensgesellschafter, der zugleich ein Konkurrenzunternehmen betreibt, zu einer potentiell existenzbedrohenden Lage, da es dieser Gesellschafter in der Hand hat, welchem der von ihm beherrschten Unternehmen er Geschäftschancen und damit Gewinne zukommen lassen will.2473 Den Mitgesellschaftern drohen die für die Aktiengesellschaft dargestellten, einen Eingriff in ihre mitgliedschaftliche Rechtsstellung begründenden Gefahren.2474 Zugleich fehlt es im GmbH-Recht an konzernrechtlichen Bestimmungen. Das GmbHG geht von stark ausgeprägten Verwaltungsrechten der Gesellschafter aus, und die GmbH ist konzeptionell auf die Verfolgung ihrer Eigeninteressen, nicht von Konzerninteressen ausgerichtet.2475 Das aber bedeutet, dass sich der Minderheitsschutz im GmbH-Konzernrecht nach den allgemeinen Grundsätzen richtet: In die Rechtsstellung der Mitgesellschafter darf nur eingegriffen werden, soweit dies im Gesellschaftsinteresse geboten, erforderlich und verhältnismäßig ist.2476 Eine Maßnahme, die zu einem Interessenkonflikt in der GmbH führt und die Gefahr beinhaltet, die GmbH in die Abhängigkeit oder faktische Beherrschung zu führen, insbesondere die Befreiung von einem Wettbewerbsverbot, kann nur unter der Voraussetzung beschlossen werden, dass die Maßnahme dem Interesse der Gesellschaft entspricht, etwa die Einbindung in einen Unternehmensverband, und die Interessen der Minderheitsgesellschafter nicht unverhältnismäßig betroffen werden. ___________ 2473 2474 2475
2476
Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 105; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 2; Lutter/Timm, NJW 1982, 409. Dazu Timm, ZGR 1987, 403, 425. Zu den Wegen, auf denen eine Abhängigkeit der GmbH begründet werden kann, siehe Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 16 f. Vgl. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 20 f.; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 62. Zu Satzungsbestimmungen zum Schutz der GmbH vgl. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 18. Zweifel hieran können durch die jüngsten Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.5.2007, S. 10, aufkommen. § 30 I 2 bringt zum Ausdruck, dass Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge im Sinne von § 291 AktG auch unter teilweiser oder ausschließlicher Beteiligung von GmbHs abgeschlossen werden können. Indem nunmehr der Gesetzgeber zum Ausdruck bringt, dass die Kapitalerhaltungsvorschriften bei bestehenden Unternehmensverträgen großzügiger zu handhaben sind, ist zu überlegen, ob auch die GmbH vom Gesetzgeber, wie es für die AG heißt, „konzernoffen“ ausgestaltet ist. Für den Konzerneingang würde dies bedeuten, dass fortan Unternehmensverträge im Konzerninteresse, nicht mehr allein im GmbH-Interesse abgeschlossen werden können. Dagegen spricht freilich, dass nach der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. dort S. 93–95) die Vorschrift es den Gesellschaften erleichtern soll, mit ihren Gesellschaftern, vor allem auch im Konzern, alltägliche und wirtschaftlich sinnvolle Leistungsbeziehungen zu unterhalten und abzuwickeln. Nach einem Paradigmenwechsel klingt dies nicht.
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Das entspricht nicht nur den hier vertretenen allgemeinen konzeptionellen Grundlagen, sondern auch der h. M. Der BGH hat entschieden, dass „die Zustimmung zu einer in die Abhängigkeit führenden Befreiung vom Wettbewerbsverbot nicht im freien Ermessen der Mehrheit liegt. Sie ist vielmehr grundsätzlich rechtswidrig, falls sie nicht durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist. Diese zur formellen, der Mehrheit, hinzutretende sachliche Wirksamkeitsvoraussetzung der Befreiung vom Wettbewerbsverbot schließt die Abwägung der Interessen und die Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck ein.“2477 Dies bewirkt eine nicht unbedeutende Einschränkung gegenüber der Rechtslage in der Aktiengesellschaft, da eine solche Maßnahme zwar regelmäßig verspricht, dem Konzernverbund zum Vorteil zu gereichen, weniger häufig aber, auch der beherrschten Gesellschaft zu nützen. Dies ist aber etwa der Fall, soweit die Ressourcen der Gesellschaft im Unternehmensverbund besser genutzt werden können, indem beispielsweise eine Einbindung in die Konzernlogistik erfolgt, der Kundenkreis durch die Kontakte des Konzernverbundes erweitert werden kann oder eine Sanierung der Gesellschaft möglich wird. Zugleich ist darauf zu achten, dass auch die außenstehenden GmbH-Gesellschafter von diesen Vorteilen profitieren werden, was im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung streng zu beachten ist. Die Gegenansicht, wonach eine herrschende Gesellschaft das Recht habe, über das wirtschaftliche Handeln zu disponieren,2478 verkennt, dass nur eine Vorprägung der Rechtsform durch gesetzgeberische Entscheidungen wie im Aktienrecht zu bewirken vermag, die generelle Verpflichtung aller Gesellschafter auf die Interessen der Gesellschaft im Einzelfall außer Acht lassen zu dürfen. Alles andere würde auf eine Zweckänderung hinauslaufen, die den dafür geltenden Anforderungen genügen muss.2479 Eine weitere Ansicht differenziert nach personalistisch und kapitalistisch strukturierten GmbHs. Sehe in der kapitalistisch strukturierten GmbH der Gesellschaftsvertrag keine minderheitsschützenden Vertragsklauseln vor (etwa die Vinkulierung der Geschäftsanteile oder ein Wettbewerbsverbot entsprechend § 112 HGB), bestehe auch kein konzernrechtlicher Eingangsschutz, da die Gesellschaf___________ 2477
2478 2479
BGHZ 80, 69, 74 = NJW 1981, 1512, 1514 (Süssen). Für diesen Fall hat der BGH auch anerkannt, dass, wie hier allgemein vertreten, die Beweislast für Gebotenheit und Erforderlichkeit das herrschende Unternehmen trifft. Zustimmend Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 106 f.; Emmerich, AG 1991, 303, 305; Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 19; Timm, ZGR 1987, 403, 424 f.; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 416–418, beschränkt auf die personalistisch strukturierte GmbH, dort auch zu Satzungsgestaltungen und anderen Konstellationen, die einen Gesellschafterbeschluss notwendig machen. A. A. U. H. Schneider, in: Hommelhoff/u. a., Entwicklungen im GmbHKonzernrecht, 1986, S. 121, 128 f.: reine Missbrauchskontrolle, wonach den überstimmten Minderheits-, nicht jedoch den Mehrheitsgesellschafter die Begründungslast treffen soll, wenn er sich auf ein missbräuchliches Verhalten der Mehrheit beruft. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998, S. 419. Ausführlich dazu Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 301. Insbesondere müsste die Satzung der GmbH geändert werden, siehe dazu Emmerich, AG 1991, 303, 305.
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ter in der Ursprungssatzung hierauf verzichtet hätten und spätere Mitglieder der Gesellschaft in Kenntnis dieser Tatsache beigetreten seien. Spezifisch konzernrechtlicher Schutz sei deshalb hier erst auf nachgelagerten Stufen erforderlich, insbesondere sei sicherzustellen, dass die Dividendenerwartung der Minderheitsgesellschafter nicht getrübt werde.2480 Dem ist nach der hier zugrunde gelegten Konzeption, wonach nur bei börsennotierten Gesellschaften die strenge Bindung an das Gesellschaftsinteresse aufgehoben sein kann, nicht zu folgen.2481
II. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der GmbH Der Abschluss eines Beherrschungsvertrages führt auch in der GmbH dazu, dass die Befugnis, der Geschäftsführung Weisungen zu erteilen, von der Gesellschafterversammlung auf das herrschende Unternehmen übergeht. Auch brauchen sich die Weisungen nicht mehr am Interesse der GmbH auszurichten, sondern können fortan den Interessen innerhalb des Konzernverbundes dienen.2482 Aufgrund seiner – einer Satzungsänderung nahekommenden – Wirkungen für die Gesellschafter ist der Abschluss eines Beherrschungsvertrages nicht von der Vertretungsmacht der Geschäftsführer der GmbH gedeckt, sondern kann nur im Wege eines Gesellschafterbeschlusses wirksam begründet werden.2483 Gleiches gilt für einen Gewinnabführungsvertrag.2484 Die hierbei erforderliche Mehrheit ist umstritten.2485 Ganz überwiegend wird die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter gefordert.2486 Teilweise wird eine qualifi___________ 2480 2481 2482
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Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 419; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 52, Rn. 20 ff.; K. Schmidt, GmbHR 1979, 121, 133. Zur allgemeinen Ablehnung gegenüber eine Sonderbehandlung von Publikumsgesellschaften unter § 4 B. I. 2. BGHZ 105, 311, 324 = NJW 1989, 295, 296; Ebenroth/Müller, BB 1991, 358, 359; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 492 f.; Lutter/Hommelhoff, NJW 1988, 1240, 1241; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 63 f. BGHZ 105, 324, 332 = BGH NJW 1989, 295, 296 (Supermarkt); BGH NJW 1992, 1452, 1453; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 293, Rn. 40; Fischer, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 4, Rn. 133; Lutter/Hommelhoff, NJW 1988, 1240, 1241; Timm, GmbHR 1987, 8, 11; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 54. Die Voraussetzungen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages unter Beteiligung zweier GmbH sind erfüllt, wenn die Leitung der einen GmbH der anderen GmbH unterstellt wird und sich die beherrschte GmbH verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an die andere GmbH abzuführen, siehe BGH NJW 1989, 295, 296. Wegen einstimmigen Beschlusses i.E offen gelassen von BGH NJW 1989, 295, 297; BGH NJW 1992, 1452, 1453 (Siemens). Zur Interpretation dieser Urteile und ihrer Tendenz zu einem einstimmigen Beschluss Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Band III, 8. Aufl. 1997, Anh. § 77, Rn. 200. Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, 265 ff.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 293, Rn. 44, dort
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zierte Mehrheit für ausreichend erachtet, was (teilweise) mit der Vergleichbarkeit der Unternehmensverträge mit den Umwandlungsvorgängen nach dem UmwG begründet wird.2487 Hierbei als Schutzmechanismus eine Inhaltskontrolle zu fordern, ist zwar konsequent, da es sich um eine allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für jeden Mehrheitsbeschluss handelt. Sie kann aber in personalistisch geprägten Gesellschaften nicht als zulässige Alternative zum Erfordernis einer Zustimmung aller Gesellschafter gelten. Einem mitunternehmerisch beteiligten Gesellschafter sind die mit einem Beherrschungsvertrag einhergehenden Beeinträchtigungen seiner Rechtsstellung gegen seinen Willen regelmäßig auch dann nicht zumutbar, wenn Gründe im Gesellschaftsinteresse dafür sprechen. In einem Sanierungsfall als denkbare Extremsituation muss sich der Gesellschafter zwar weit reichende Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung gefallen lassen, dabei stehen jedoch regelmäßig mildere Mittel als die mit einem Beherrschungsvertrag einhergehende Entwertung der Rechtsstellung, die eine unternehmerische Mitwirkung an der GmbH unmöglich macht, zur Verfügung.2488 Nur sofern zur Rettung der GmbH im Einzelfall keine Alternative zu einem Beherrschungsvertrag bestehen sollte, kann der Gesellschafter aus der Treuepflicht zur GmbH zu einer Zustimmung gezwungen sein, allerdings wiederum nur, wenn alle dem herrschenden Unternehmensgesellschafter zumutbaren Vorkehrungen getroffen werden, um auch die Interessen der Minderheit ausreichend zu berücksichtigen.2489 Bedingt die Lage der GmbH, dem Minderheitsgesellschafter ein extremes Opfer abzuverlangen, muss gleiches auch für den Mehrheitsgesellschafter gelten, der sich verpflichtet sieht, der Minderheit eine akzeptable Kompensation anzubieten. Zu beachten ist auch, dass unter den Vertretern einer Mehrheitslösung zwar die analoge Anwendung der Ausgleichspflicht nach §§ 302, 303 AktG überwiegend
___________
2487
2488 2489
auch zur weiteren Frage, inwieweit durch Satzungsbestimmung hiervon abgewichen werden kann; Ebenroth/Müller, BB 1991, 358, 359; Hachenburg/Hüffer, GmbHG, Band II, 8. Auflage, 1997, § 47 Rn. 17; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 168 f.; Rosenbach, in: Müller/Hense, Beck´sches Handbuch der GmbH, 3. Auflage, 2002, § 17 Rn. 16; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 40; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1192; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Band III, 8. Aufl. 1997, § 53, Rn. 145; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 54. Offen gelassen von Altmeppen, DB 1994, 1273 f. Mit weiteren Argumenten Halm, NZG 2001, 728, 731–734; Kort, Der Abschluß von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986, S. 111–120; Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh § 13, Rn. 52/53 f., 63 f.; Richter/Stengel, DB 1993, 1861, 1863–1866; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 4. Aufl. 2002, Anh. § 52, Rn. 43; Timm, GmbHR 1987, 8, 11 (aber unter weiteren Voraussetzungen). Dagegen zutreffend Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 54, mit dem Hinweis, dass das UmwG ganz andere, wesentlich wirksamere Schutzmechanismen bereithält und damit nicht mit dem Konzerneingang vergleichbar sei. Zur Zustimmungspflicht des Minderheitsgesellschafters in der GmbH K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1192. Vgl. auch Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Band III, 8. Aufl. 1997, § 53, Rn. 146.
C. Die Rechtslage in der GmbH
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anerkannt, die des § 304 AktG aber umstritten ist.2490 Doch auch der Ausgleich nach § 304 AktG analog vermag den Eingriff nicht zu rechtfertigen, da hierdurch nur dem verlorenen Gewinnbezugsrecht, nicht aber den übrigen Beeinträchtigungen Rechnung getragen wird. Das Einstimmigkeitserfordernis bringt es hingegen mit sich, dass die Minderheitsgesellschafter selbst für einen ausreichenden Schutz ihrer Interessen sorgen können, indem sie sich einen angemessenen Ausgleich zusichern oder ihre Beteiligung abkaufen lassen, so dass es einer analogen Anwendung minderheitsschützender Vorschriften des AktG nicht bedarf.2491 Allerdings kommt in Betracht, nach der Beteiligungsstruktur der GmbH zu unterscheiden, da die Struktur der GmbH auch die Eingriffsintensität eines Beherrschungsvertrages für die einzelnen Gesellschafter beeinflussen kann. Auch danach bedarf es jedenfalls in der mitunternehmerischen GmbH wegen des gravierenden Eingriffs in die Mitgliedschaft der Zustimmung aller Gesellschafter. Bei der kapitalistisch geprägten GmbH hingegen einen mit 3/4–Mehrheit gefassten Beschluss, der einer Inhaltskontrolle unterliegt, genügen zu lassen, würde voraussetzen, dass der damit einhergehende Eingriff ausgeglichen werden kann. Da es den an einer kapitalistisch geprägten GmbH beteiligten Gesellschaftern vorrangig um die Wahrung ihrer Vermögensinteressen geht, kann ein im Interesse der GmbH liegender Eingriff dann als verhältnismäßig und gerechtfertigt gelten, wenn die vorrangig finanziellen Interessen dieser Gesellschafter gewahrt werden. Dagegen spricht jedoch, dass der Abschluss eines Beherrschungsvertrages die Grundlagen des Zusammenschlusses auch in einer kapitalistisch geprägten GmbH systematisch verändert, da die gemeinsame Interessenverfolgung durch die Unterordnung unter die Interessen des herrschenden Unternehmens empfindlich gestört wird. Nicht einmal die analoge Anwendung des § 304 AktG vermag dies zu kompensieren. Soweit ein Beherrschungsvertrag mit Zustimmung aller Gesellschafter wirksam abgeschlossen wird, hat dies Konsequenzen für das Auskunftsrecht nach § 51a GmbHG. Es erstreckt sich fortan auf die Beziehungen der abhängigen GmbH zum herrschenden Unternehmen und auf alle für die abhängige GmbH wichtigen Umstände bei diesem.2492
___________ 2490
2491 2492
Zum Meinungsstand Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 293, Rn. 43; Halm, NZG 2001, 728, 733 f. Zur analogen Anwendung des § 302 AktG LG Bochum GmbHR 1987, 24; Timm, GmbHR 1987, 8, 12 f. Hierzu im Wesentlichen aus Sicht des Gläubigerschutzes auch Schwark, JuS 1987, 443, 447. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 62. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 92. Gleiches gilt, soweit mit Zustimmung aller Gesellschafter eine faktische Beherrschung begründet wird.
630
§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
III. Beherrschung der GmbH im einfachen faktischen Konzern 1. Verbot schädigender Einflussnahme Mangels gesetzlicher Regelung betrifft die Begründung einer Beherrschung außerhalb eines Beherrschungsvertrages keine konzernrechtliche Sonderfrage, sondern ein allgemeines Prinzip der Mehrheitsherrschaft, das hier mehrfach erörtert wurde: Nachteilige Maßnahmen des herrschenden GmbH-Gesellschafters, mit denen er ausschließlich oder primär seine Interessen verfolgt und dabei die Interessen der Gesellschaft und Mitgesellschafter beeinträchtigt, sind rechtswidrig.2493 Nach den unter § 3 D. IV. 2. dargestellten Grundlagen darf ein Mehrheitsgesellschafter seine Eigeninteressen nur verfolgen, wenn dabei die Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter ausreichend berücksichtigt werden. Daher darf die Geschäftsführung nur dann an den Konzerninteressen oder Interessen des herrschenden Unternehmens ausgerichtet werden, wenn hierdurch zugleich die Interessen der beherrschten GmbH und damit reflexartig auch die der außenstehenden GmbH-Gesellschafter gewahrt werden. Eine Änderung der Interessenausrichtung der abhängigen Gesellschaft auf die Interessen der herrschenden Gesellschaft oder ein Konzerninteresse und eine damit verbundene Befreiung von den grundsätzlichen Pflichtbindungen ist daher auch nur zulässig, wenn die Einordnung der GmbH in einen Konzern mit Zustimmung der Gesellschafter durch einen Beherrschungsvertrag auf eine klare organisationsrechtliche Grundlage gestellt wird.2494 Eine nur faktisch abhängige GmbH darf hingegen nicht gegen den Willen auch nur eines ihrer Gesellschafter Gegenstand einer den Interessen und der wirtschaftlichen Selbständigkeit der GmbH zuwiderlaufenden Konzernpolitik werden, und zwar auch dann nicht, wenn entsprechend § 311 I AktG ein Ausgleich geleistet wird.2495 § 311 AktG enthält eine gesetzlich angeordnete Privilegierung des herrschenden Unternehmens, da unter dem Vorbehalt des Nachteilsausgleichs eine schädigende Einflussnahme gestattet wird. Wie bereits ausgeführt, muss diese Abweichung von den allgemeinen ___________ 2493 2494
2495
Vgl. dazu auch Rosenbach, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 17, Rn. 165. Emmerich, AG 1991, 303, 308; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 412. Vgl. auch Zöllner, in: Baumbach/Hueck, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 48, zu dem Ziel, die beteiligten Gesellschaften zum Abschluss eines Unternehmensvertrages anzuhalten, da nur durch einen Beherrschungsvertrag hinsichtlich der Intensität des Einflusses des herrschenden Unternehmens und des Minderheitsschutzes klare Verhältnis geschaffen werden. BGH NJW 1986, 188, 190 (Autokran); Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 20 f.; Lutter/Timm, NJW 1982, 409 f.; Lutter, ZIP 1985, 1425, 1428; Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 5; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 77, 80. Siehe näher zu dem hier allgemein abgelehnten Prinzip „dulde und liquidiere“ oben § 4 B. I. 2. Bemerkenswert auch BGHZ 89, 162 = NJW 1984, 1351, wonach auch ein Unternehmensgesellschafter, der über eine Holding faktische Beherrschung ausübt, Treuepflichten gegenüber der beherrschten Gesellschaft besitzt. Siehe dazu Wiedemann/Hirte, ZGR 1986, 163, 165.
C. Die Rechtslage in der GmbH
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Grundsätzen im Aktienrecht aufgrund ausdrücklicher Anordnung des Gesetzgebers hingenommen werden, kann aber nicht als allgemeines Prinzip des Kapitalgesellschaftsrechts verstanden und daher auch nicht auf die GmbH analog angewandt werden.2496
2. Rechtsfolgen bei Verstößen Die faktische Konzerneinbindung einer GmbH löst als Verstoß gegen die Interessenwahrungspflichten des Mehrheitsgesellschafters Ansprüche gegen diesen aus. Verstöße dieser Art stellt es dar, wenn das herrschende Unternehmen Gesellschaftsvermögens unter Wert entzieht, den Gewinn außerhalb eines förmlichen Gewinnverteilungsverfahrens abführt und der Gesellschaft zustehende Geschäftschancen selbst nutzt.2497 Mit der h. M. ist dies als Missbrauch der Leitungsmacht und Treuepflichtverstoß gegenüber der Gesellschaft zu bewerten, der zu Schadensersatz verpflichtet und Unterlassungsansprüche auslöst.2498 Den Anspruch gegen den herrschenden Unternehmensgesellschafter auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen gesteht die h. M. nicht nur der GmbH, sondern auch den Minderheitsgesellschaftern zu,2499 beschränkt den Schadensersatzanspruch jedoch auf die GmbH als Anspruchsinhaberin.2500 Ihre Ansprüche sollen nach einer Ansicht von den Minderheitsgesellschaftern im Wege der actio pro socio geltend gemacht werden können.2501 Nach anderer Ansicht folgt aus dem Rechtsgedanken der §§ 309 IV, 317 IV, 318 IV AktG, dass jedem Minderheitsgesellschafter ein eigenes Klagerecht auf Leistung an die Gesellschaft zusteht.2502 Eine Beschränkung der Minderheitsgesellschafter auf die Geltendmachung fremder Ansprüche im Wege der actio pro socio lässt jedoch, das wurde oben ausführlich ___________ 2496 2497 2498
2499 2500
2501 2502
Vgl. Schwark, JuS 1987, 443, 447. Mit weiteren Argumenten Lutter, ZIP 1985, 1425, 1428. Zur Entziehung des Gesellschaftsvermögens und der Entziehung von Geschäftschancen unter § 7 A. I. und III. Zur Gewinnverteilung noch unter § 16. Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 99; Hoffmann, NZG 2002, 68, 73; K. Schmidt, ZIP 1986, 146, 148; Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 21, 23; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 419; Lutter, ZIP 1985, 1425, 1428; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 85. Der Schadensersatzanspruch folgt dabei aus der Verletzung der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Sonderbeziehung und kann daher auf § 280 BGB gestützt werden, siehe unter § 7 B. Dazu, dass es daneben einer analogen Anwendung von §§ 311, 317 AktG nicht bedarf, siehe K. Schmidt, JZ 1992, 856, 864. Zur Subsidiarität von Geldzahlungen gegenüber Naturalrestitution Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 79. Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 23; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 85. Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 26; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 79; Rosenbach, in: Müller/Hense, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl. 2002, § 17, Rn. 165. Zum Vorstehenden Schwark, JuS 1987, 443, 447. Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 26; Lutter, ZIP 1985, 1425, 1428; Zöllner, ZGR 1988, 392, 411.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
begründet, außer Acht, dass unter den Gesellschaftern der GmbH ein Sonderrechtsverhältnis besteht, aus dem Pflichten erwachsen, die der Mehrheitsgesellschafter bei einer Schädigung der faktisch beherrschten GmbH verletzt. Wird demgegenüber nach Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen unterschieden, zeigt sich hieran erneut die schon unter §§ 6 C., 7 B. ausführlich dargestellte Unstimmigkeit der jedenfalls außerhalb des Konzernrechts h. M. Auch ein Unterlassungsanspruch des Minderheitsgesellschafters kann nur bestehen, wenn die mit der qualifiziert faktischen Konzernierung verbundene Beeinträchtigung (völlig zu Recht) als mittelbarer Eingriff in die Mitgliedschaft des Gesellschafters anerkannt wird. Wegen des damit verbundenen Schadens steht dem Gesellschafter jedoch auch ein Schadensersatzanspruch zu, der regelmäßig aus Gründen der Zweckbindung und Kapitalerhaltung nur auf Leistung an die Gesellschaft geltend gemacht werden darf. Zugleich wirkt sich dieser rechtsdogmatische Unterschied hier i. E. nicht aus: Nach den unter § 7 B. III. 3. entwickelten allgemeinen Grundsätzen kann der Minderheitsgesellschafter aus eigenem Recht auf Leistung an die Gesellschaft klagen und unter der Voraussetzung, dass er aus der GmbH ausscheidet, auch Zahlung an sich selbst fordern. Wegen des mit einer persönlichen Schadensliquidation durch den Minderheitsgesellschafter verbundenen Kaitalentzugs muss die GmbH diesen Austritt nur hinnehmen, wenn die Beherrschung durch den Mehrheitsgesellschafter ein solches Ausmaß erreicht hat, dass eine gemeinsame Zweckverfolgung durch die Gesellschafter nicht mehr in Betracht kommt. Davon kann jedoch nur bei der Einbindung der GmbH in einen qualifiziert faktischen Konzern ohne Weiteres ausgegangen werden (dazu sogleich unter IV.). Im Ergebnis ist daher für den einfachen faktischen Konzern der h. M. beizupflichten, dass der Schaden regelmäßig nur auf Leistung an die GmbH eingeklagt werden darf. Wenn dem außenstehenden Gesellschafter jedoch der Nachweis gelingt, dass weitere Schädigungen zu erwarten sind und hierdurch ein weiterer Verbleib in der GmbH unzumutbar ist, darf er unter Liquidation seines Anteils am eigenen Schaden aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund ausscheiden.2503
IV. Die Rechtslage im qualifiziert faktischen GmbH-Konzern Erreicht die Einflussnahme des Mehrheitsgesellschafters ein Ausmaß, dass sich einzelne Einwirkungen für außenstehende Gesellschafter nicht mehr isolieren lassen, wird die GmbH in einen qualifiziert faktischen Konzern eingebunden. Infolgedessen wird die Geschäftsführung faktisch auf die Konzernspitze verlagert und die GmbH ganz dem Konzerninteresse unterworfen.2504 Bei der hierbei eintreten___________ 2503
2504
Im Ansatz ist daher der Argumentation von Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 19, die nach einfachem und qualifiziert faktischer Konzernierung unterscheiden, zuzustimmen, nicht jedoch in der Schlussfolgerung, dass ein Recht zum Austritt im einfachen qualifizierten GmbH-Konzern stets ausscheide. Vgl. Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 99– 101.
C. Die Rechtslage in der GmbH
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den Situation ist nach gläubiger- und minderheitsschützenden Gesichtspunkten zu unterscheiden.
1. Analoge Anwendung der §§ 302 f. AktG in der älteren Rechtsprechung des BGH Vornehmlich aus Gründen des Gläubigerschutzes wandte der BGH zunächst einzelne Vorschriften über Beherrschungsverträge im AktG (doppelt) analog auf die GmbH an.2505 Ausgehend von den Feststellungen zum einfachen faktischen GmbHKonzern, wonach es den Gesellschaftern einer GmbH trotz ihrer gesetzlichen Weisungsbefugnis untersagt ist, die abhängige Gesellschaft außerhalb einer Ermächtigung durch Beherrschungsverträge im Konzerninteresse zu benachteiligen, erklärte der BGH den Gesellschafter für verpflichtet, das Risiko zu übernehmen, das sich aus der Einbindung der abhängigen Gesellschaft in die übergeordneten Konzerninteressen ergibt.2506 Von einer solchen Einbindung ging der BGH aus, wenn der beherrschende Unternehmensgesellschafter die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausübte, die keine angemessene Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft nahm, und sich der ihr insgesamt zugefügte Nachteil nicht durch Einzelausgleichsmaßnahmen kompensieren ließ. Diese Umstände sollten als objektiver Missbrauch der beherrschenden Gesellschafterstellung zu einer Haftung nach §§ 302 f. AktG analog führen. Haftungstatbestand war dabei also nicht die dauernde und umfassende Leitung der abhängigen Gesellschaft, sondern die Beeinträchtigung der Gesellschaftsinteressen.2507 Allerdings handelte es sich nicht um eine echte Analogie, da der BGH zugleich den Entlastungsnachweis des herrschenden Unternehmensgesellschafters im Sinne von § 317 II zuließ.2508
2. Rechtsprechungsänderung für die Einmann-GmbH Die analoge Anwendung der aktienrechtlichen Bestimmungen wurde vom BGH für die Einmann-GmbH jedoch ausdrücklich aufgegeben. An ihre Stelle soll die strenge ___________ 2505
2506 2507
2508
Da Vorschriften zum aktienrechtlichen Vertragskonzern auf den faktischen GmbH-Konzern angewandt werden, handelt es sich um eine doppelte Analogie, siehe Rehbinder, AG 1986, 85, 91. BGH NJW 1991, 3142, 3143 (Video); siehe auch Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 100 f. BGH NJW 1986, 188, 191 (Autokran); BGH NJW 1989, 1800, 1802 (Tiefbau); BGH NJW 1991, 3142, 3143 (Video); BGH NJW 1993, 1200, 1202 (TBB). Soweit es um den Schutz der Minderheitsgesellschafter ging, schloss sich dem die h. M. in der Literatur an, siehe etwa Lutter, ZIP 1985, 1425, 1429, wohingegen die hierdurch ausgelöste Außenhaftung des herrschenden Unternehmens zunehmend in die Kritik geriet, siehe dazu die Nachweise bei K. Schmidt, ZIP 1986, 146, 147; ders., JZ 1992, 856, 864 f.; Schwark, JuS 1979, 443, 447– 451. Siehe dazu Rehbinder, AG 1986, 85, 91.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
Anwendung der Vorschriften über die Erhaltung des Stammkapitals (§§ 30 f. GmbHG) und zudem die Verpflichtung treten, bei Eingriffen in das Vermögen und in die Geschäftschancen der Gesellschaft angemessene Rücksicht auf ihre der Disposition des Alleingesellschafters entzogenen eigenen Belange zu nehmen. An einer solchen angemessenen Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der abhängigen GmbH fehlt es nach dem BGH, wenn die Gesellschaft infolge der Eingriffe ihres Alleingesellschafters ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen kann. Unter diesen Voraussetzungen ließ der BGH zunächst eine Durchgriffshaftung zu.2509 Auch dieses Konzept wurde jedoch zugunsten einer Existenzvernichtungshaftung, die der BGH als besondere Fallgruppe des § 826 BGB einordnet und als reine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft qualifiziert, aufgegeben. Ein Direktanspruch der Gläubiger wird abgelehnt, weil er im Widerspruch zu der Wertung der Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 30, 31 GmbHG) stehe, wonach der Gläubigerschutz im Wege der Ansprüche der GmbH auf Kapitalerhaltung verwirklicht werde.2510 Nunmehr besteht daher im Interesse des Gläubigerschutzes eine Verschuldenshaftung des herrschenden Gesellschafters, die nicht an konzernrechtliche Voraussetzungen gebunden ist.2511
3. Folgerungen für den Minderheitsschutz im qualifiziert faktischen GmbHKonzern Die Fragen des Minderheitsschutzes sind damit nicht ausdrücklich entschieden. Ob der BGH mit seinem Richtungswechsel einer analogen Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften auf den qualifiziert faktischen Konzern eine umfassende Absage erteilt hat, so dass auch eine analoge Anwendung der minderheitsschützenden Vorschriften (§§ 302, 303, 304, 305 AktG) im Innenverhältnis ausscheidet, ist offen.2512 Richtigerweise muss jedenfalls eine ausschließliche Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften ausscheiden. §§ 302, 303 AktG führen nur zu einem Verlustausgleich und damit, das wurde schon oben gegenüber der Konzeption des ak___________ 2509 2510
2511 2512
BGH NJW 2001, 3622, 3623 (Bremer Vulkan); BGHZ 150, 61, 67; BGHZ 151, 181, 186 f. = NZG 2002, 914, 915 (KBV); BGH NJW-RR 2005, 335, 336. BGH NJW 2007, 2689, 2691–2693. Hierdurch verspricht sich der BGH, die „Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten, die sich aus dem bisherigen mehrgleisigen Schutzsystem mit einer primären Innenhaftung nach §§ 30, 31 GmbHG, einer dieser nachfolgenden, im Ansatz unbegrenzten Durchgriffs-Außenhaftung im Sinne einer reinen Erfolgshaftung und der sich wiederum daran anschließenden partiellen Umkehr in eine verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung zur Begrenzung auf die tatsächlichen Kollateralschäden ergeben“, zu vermeiden, a. a. O., S. 2692. Vgl. K. Schmidt, NJW 2001, 3577, 3579. So auch Eberl-Borges, WM 2003, 105, 106; K. Schmidt, NJW 2001, 3577, 3580 f. Eine Aufgabe der Analogie durch den BGH bejahend aber Altmeppen, NJW 2002, 321; Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 44; Hoffmann, NZG 2002, 68, 73 f. Zu den grundlegenden Unterschieden von GmbH mit und ohne Beteiligung von Minderheitsgesellschaftern Lutter, ZIP 1985, 1425, 1428.
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tienrechtlichen Konzernrechts eingewandt, einem finanziellen Minimalausgleich für die Ausbeutung der beherrschten Gesellschaft. Die Vorschriften des AktG versperren den Weg für ein Modell, das eine gleichmäßige Verteilung der Vorteile der Konzernbildung auf alle beteiligten Gesellschaften vorsieht, was jedenfalls dann vorzugswürdig ist, wenn in diesen Gesellschaften noch außenstehende Gesellschafter vorhanden sind. Ein schon in der Aktiengesellschaft zweifelhaftes Modell sollte daher nicht auf die GmbH ausgedehnt werden. Hinzu kommt, dass eine analoge Anwendung der Bestimmungen des AktG auf den qualifiziert faktischen GmbH-Konzern, wozu neben §§ 302, 303 AktG auch § 304 AktG zählen müsste, zu einer Legitimierung der Beherrschung führen würde, die aber auch nach h. M. nur durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages geleistet werden kann. Nur dieser vermag die Grundlage für einen geordneten Ausgleich zu schaffen und eine Auseinandersetzung innerhalb der GmbH vor Aufnahme der Beherrschung zu ermöglichen.2513 Im Ansatz muss es daher auch für den qualifiziert faktischen Konzern bei den allgemeinen Grundsätzen verbleiben. Die qualifiziert faktische Konzerneinbindung einer GmbH ist als Verstoß des Mehrheitsgesellschafters gegen seine Interessenwahrungspflichten rechtswidrig. Hieraus resultieren die Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der GmbH und daneben auch der Gesellschafter.2514 Da nunmehr im qualifiziert faktischen Konzern eine Situation vorliegt, die eine gedeihliche gemeinsame Zweckverfolgung durch die Gesellschafter ausschließt, kann der Minderheitsgesellschafter nach den allgemeinen, unter § 7 B. III. 3. dargestellten Grundsätzen nicht nur aus eigenem Recht auf Leistung an die Gesellschaft klagen, sondern unter der Voraussetzung, dass er aus der GmbH ausscheidet, auch Zahlung an sich selbst fordern. Eine Leistung an die beherrschte GmbH ergibt im qualifiziert faktischen Konzern wenig Sinn, da diese Mittel erneut dem Zugriff des herrschenden Unternehmensgesellschafters unterliegen und die Gefahr, dass sie umgehend erneut entzogen werden, hoch ist. Dies entspricht i. E. der h. M., da diese dem Minderheitsgesellschafter wegen des Missbrauchs der Leitungsmacht durch das herrschende Unternehmen und der damit verbundenen dauerhaft und qualifiziert gestörten Zweckverbindung ein Recht auf Austritt aus wichtigem Grund zugesteht.2515 Indem hierdurch der Minderheitsgesellschafter zum Sachwal___________ 2513
2514 2515
So Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 60. Wenn überhaupt, dann muss es sich jedenfalls um eine vollständige Analogie handeln, die einen unbedingten Ausgleich nach § 302 AktG anordnet und dem herrschenden Unternehmen keinen Exkulpationsnachweis ermöglicht, so Rehbinder, AG 1986, 85, 90. Allg. Meinung, m. w. N. insb. Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 28–32. Siehe i. Ü. die Nachweise in Fn. 2505. Hoffmann, NZG 2002, 68, 73; Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 19; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 414, wonach Anknüpfungspunkt für ein Austrittsrecht des Gesellschafters nur eine einschneidende Veränderung der bisherigen gesellschaftsrechtlichen Geschäftsgrundlage sein kann. Diesen bejahen sie nicht bereits bei einem Übergang der Mehrheitsmacht auf einen Unternehmensgesellschafter, sondern erst ab einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Eigeninteresses der Gesellschaft durch den Unterneh-
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
ter seiner eigenen Interessen erhoben wird, besteht Grund zur Hoffnung, dass die ungesunde Entwicklung, wonach die Mechanismen zum Schutz der GmbH regelmäßig erst in der Insolvenz zum Zuge kommen,2516 durchbrochen werden kann. Diese Grundsätze sollten im Regelfall zu einem angemessenen Ausgleich für die erlittenen Schäden führen können. Der Schwierigkeit, dass sich im qualifiziert faktischen Konzern einzelne schädigende Maßnahmen nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten isolieren lassen, kann dadurch Rechnung getragen werden, dass anstelle von Einzelausgleichen die Differenz der bestehenden Vermögenslage zu der fiktiven Lage der Gesellschaft ohne qualifizierte Einflussnahme ermittelt und als Schadensersatz zugesprochen wird. Hierdurch kann außerdem nicht nur der Verlust, sondern darüber hinaus auch der entgangene Gewinn gewährt werden.2517 Soweit diese Schadensermittlung im Einzelfall mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, lässt sich daran denken, zum Schutz der Minderheitsgesellschafter, nicht als Privilegierung des herrschenden Unternehmens, stattdessen §§ 302, 303, 304 AktG analog anzuwenden, so dass der Mehrheitsgesellschafter Verlustausgleich und eine angemessene Dividende schuldet. Solange die Wahl dem Gesellschafter verbleibt und er entscheidet, ob er den Weg über einen Schadensersatzanspruch nach § 280 I BGB oder einen Verlustausgleich nach §§ 302, 303 AktG analog einschlägt, bestehen gegen eine analoge Anwendung der Vorschriften über die vertragliche Beherrschung keine Bedenken.2518
V. Die Beweislastverteilung 1. Rechtsprechung und Literaturansichten Prozessrechtlich ging der BGH mit Rücksicht auf die großen Prozessführungsschwierigkeiten der Gegenseite von einer Vermutung für die nachhaltige Beeinflussung zulasten des herrschenden Gesellschafters aus, wenn er dauernd und umfassend die Geschäftsführung in der beherrschten Gesellschaft beeinflusste. Die aus diesen Umständen folgende tatsächliche Vermutung lautete, dass auf die eigenen Belange der GmbH keine Rücksicht genommen worden war und das Konzerninteresse ihre Geschäftstätigkeit entscheidend bestimmt hatte.2519 ___________ 2516 2517 2518
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mensgesellschafter, also auch im qualifizierten Konzern. So auch Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, SchlAnhKonzernR, Rn. 89. Siehe zu diesem Befund und der Kritik daran Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 710. Hoffmann, NZG 2002, 68, 73. Die Wahl zwischen den beiden Alternativen schlagen auch Emmerich, AG 1991, 303, 308; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl. 2000, Anh. § 13, Rn. 24, vor. Nunmehr aber gestützt auf die Änderung der BGH-Rechtsprechung a. A. Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 13, Rn. 23–27, Gegen eine analoge Anwendung der Verlustausgleichspflicht auch Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 21. Zu allem Vorstehenden BGH NJW 1986, 188, 191 (Autokran), beweisrechtlich bezogen auf die Einmann-GmbH, offen gelassen für andere Konstellationen, insbesondere auch die An-
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Die Anforderungen an den Klägervortrag wurden in der Folgezeit erweitert: Der Anspruchsteller war gehalten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die zumindest die Annahme nahe legten, dass bei der Unternehmensführung im Hinblick auf das Konzerninteresse die eigenen Belange der GmbH über bestimmte, konkret ausgleichsfähige Einzeleingriffe hinaus beeinträchtigt worden waren. Der Anspruchsgegner hatte dabei nähere Angaben zu machen, wenn er im Gegensatz zum Anspruchsteller die maßgebenden Tatsachen kannte und ihm die Darlegung des Sachverhalts zumutbar war.2520 In der Literatur wurden demgegenüber teilweise höhere Voraussetzungen befürwortet, so vor allem, die Vermutungswirkung an den Nachweis zu knüpfen, dass die abhängige Gesellschaft durch Eingriffe des herrschenden Unternehmens wiederholt geschädigt oder existenziell gefährdet wurde.2521 Umgekehrt wurde dafür plädiert, den pauschalen Verlustausgleich nach §§ 302 I, 303 AktG analog allein an den Tatbestand eines qualifiziert faktischen Konzerns zu knüpfen.2522 Die Vermutungswirkung konnte nach alter BGH-Rechtsprechung vom herrschenden Unternehmen mit dem Nachweis zerstört werden, dass ein pflichtgemäß handelnder Geschäftsführer einer selbständigen GmbH deren Geschäfte unter den gegebenen Umständen nicht anders geführt hätte. Die Haftungsvoraussetzungen waren danach als ausgeräumt anzusehen, wenn die eingetretenen Verluste auf Umständen beruhten, die mit der Ausübung der Leitungsmacht nichts zu tun hatten.2523 Eine Literaturansicht konkretisierte diesen Ansatz dahingehend, dass es zur Entlastung des herrschenden Unternehmens ausreichen sollte, dass im Ergebnis keine Gründe ersichtlich waren, die das Verhalten des herrschenden Unternehmens verglichen mit dem eines pflichtgemäß handelnden Geschäftsführers einer selbständigen GmbH als pflichtwidrig erscheinen ließen.2524
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wendung des § 302 AktG. Ausdrücklich auch für § 302 AktG und die Mehrpersonen-GmbH BGH NJW 1989, 1800, 1802 (Tiefbau); BGH NJW 1991, 3142, 3143 (Video); BGH NJW 1993, 1200, 1202 (TBB). Anders noch BGHZ 68, 312 = NJW 1977, 1449 (Fertighaus). Siehe zur schrittweisen Rechtsprechungsentwicklung K. Schmidt, NJW 2001, 3577. BGH NJW 1993, 1200, 1202 (TBB); bestätigt in BGH NJW 1994, 446 (EDV-Peripherie). Die Substantiierungslast des Anspruchstellers verringert sich entsprechend, und sein Vorbringen gilt, wenn der Anspruchsgegner seiner Darlegungslast nicht nachkommt, auch insoweit gemäß § 138 III ZPO als zugestanden. Nach K. Schmidt, ZIP 1986, 146, 149, muss der Unternehmensgesellschafter seine wirtschaftlichen Interessen auch in anderen Unternehmen verfolgt und dauernd und umfassend auf die Geschäftsführung eingewirkt haben. Rehbinder, AG 1986, 85, 89 f. Zu allem Vorstehenden BGH NJW 1986, 188, 191 (Autokran), beweisrechtlich bezogen auf die Einmann-GmbH, offen gelassen für andere Konstellationen, insbesondere auch die Anwendung des § 302 AktG. Ausdrücklich auch für § 302 AktG und die Mehrpersonen-GmbH BGH NJW 1989, 1800, 1802 (Tiefbau); BGH NJW 1991, 3142, 3143 (Video); BGH NJW 1993, 1200, 1202 (TBB). Anders noch BGHZ 68, 312 = NJW 1977, 1449 (Fertighaus). Siehe zur schrittweisen Rechtsprechungsentwicklung K. Schmidt, NJW 2001, 3577. Lutter, ZIP 1985, 1425, 1431.
638
§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
2. Bewertung Die Lösung der Darlegungs- und Beweislast ist wie bereits die Haftungsgrundlage in der Parallele des faktischen und qualifiziert-faktischen GmbH-Konzerns zu den schädigenden Eingriffen des Mehrheitsgesellschafters in das Vermögen der Gesellschaft zu finden.2525 Schon dort wurde begründet, dass den tatsächlichen Umständen in einer beherrschten Gesellschaft, wonach der Minderheitsgesellschafter kaum Einblick in die Geschäftsinterna der Gesellschaft nehmen kann, Rechnung getragen werden muss. Zwar ist der klagende Minderheitsgesellschafter nach den allgemeinen Grundsätzen der Eingriffsdogmatik verpflichtet, die Pflichtverletzung des Mehrheitsgesellschafters bzw. herrschenden Unternehmens zu beweisen, da diese gerade erst den Eingriff in die geschützte Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters begründet, aus der er seine Anspruchsberechtigung und seine Klagebefugnis ableitet. Um jedoch einen Leerlauf der Rechtsbehelfe zu verhindern, wurde schon dort (nicht zuletzt unter Bezug auf die Grundsätze des US-amerikanischen Rechts) dafür plädiert, die allgemeinen Grundsätze zu modifizieren: Soweit die behauptete Pflichtverletzung darin besteht, dass sich der Mehrheitsgesellschafter durch ein Geschäft mit der Gesellschaft bereichert haben soll, kehrt sich die Beweislast um. Danach muss der Gesellschafter bei Geschäften mit der Gesellschaft beweisen, dass er keine bevorzugte Behandlung aufgrund seiner Gesellschafterstellung erhalten hat. Bei (qualifiziert) faktischer Konzernierung der GmbH gelten ähnliche Wertungen: Die Tatsache, dass der herrschende Gesellschafter die Geschäftsführung der beherrschten Gesellschaft dauernd und umfassend ausübt, spricht im Sinne der BGH-Rechtsprechung dafür, dass er auf die eigenen Belange der beherrschten GmbH keine Rücksicht genommen hat. Hieraus ergibt sich die Vermutung für eine Pflichtverletzung des herrschenden Unternehmens, die dieses entkräften muss. Dies reicht für Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche im einfachen faktischen Konzern aus. Da sich an die qualifizierte faktische Beherrschung der GmbH jedoch weiter gehende Rechtsfolge knüpfen, nach hier vertretener Auffassung das von keinen weiteren Voraussetzungen abhängige Austrittsrecht der Minderheit und ein Anspruch auf Schadensersatz, der in der Differenz der bestehenden Vermögenslage zu der fiktiven Lage der Gesellschaft ohne qualifizierte Einflussnahme, alternativ auch in einem Verlustausgleich nach §§ 302 I, 303 AktG analog besteht, müssen hierfür an den Vortrag des Klägers höhere Anforderungen gestellt werden. Im Sinne der Rechtsprechung ist es erforderlich, dass der Anspruchsteller Umstände darlegt und erforderlichenfalls beweist, aus denen hervorgeht, dass das herrschende Unternehmen bei der Unternehmensführung die eigenen Belange der GmbH über bestimmte, konkret ausgleichsfähige Einzeleingriffe hinaus beeinträchtigt hat. Gelingt dies, obliegt dem herrschenden Unternehmen der Nachweis, ___________ 2525
Dazu unter § 9 III 3 c.
D. Die Rechtslage in den Personengesellschaften
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dass hiermit keine Pflichtverletzung und Schädigung der GmbH und Mitgesellschafter gegenüber der Situation in einer selbständigen GmbH verbunden war.2526 D. Die Rechtslage in den Personengesellschaften
D. Die Rechtslage in den Personengesellschaften I. Beherrschungsfeindlichkeit der Personengesellschaften nach dispositiver Gesetzeslage Die Personengesellschaften eignen sich aufgrund der ihnen vom Gesetz verliehenen Konzeption nur eingeschränkt zu einer Beherrschung durch einen Unternehmensgesellschafter. Das hängt damit zusammen, dass die Geschäftsführer im Rahmen des in § 116 I HGB niedergelegten Alleingeschäftsführungsprinzips unabhängig sind und keinem Weisungsrecht des Mehrheitsgesellschafters unterliegen. Die Geschäftsführungsbefugnis aller Gesellschafter nach § 114 HGB, das Vetorecht jedes Geschäftsführers nach § 115 I HGB und die Zuständigkeit aller Gesellschafter bei außergewöhnlichen Maßnahmen nach § 116 II HGB, etwa auch bei der Übertragung von Beteiligungen, schließen die Beherrschung der Gesellschaft durch einen Unternehmensgesellschafter aus. Hinzu tritt der Erlaubnisvorbehalt nach § 112 HGB.2527 Auch setzt die Begründung einer beherrschenden Stellung in jedem Fall die Beteiligung aller Gesellschafter voraus, unabhängig davon, ob diese einem Gesellschafter von Anfang an eingeräumt wird oder sich nachträglich durch rechtsgeschäftlichen Erwerb vollzieht. Hierdurch ist der Schutz jedes einzelnen Personengesellschafters gewahrt. Soll die Abhängigkeit der Personengesellschaft durch die Übertragung der Mitgliedschaft eines ausscheidenden Gesellschafters auf einen Unternehmensgesellschafter begründet werden, sind die Mitgesellschafter nach dispositiver Gesetzeslage durch den Einstimmigkeitsgrundsatz geschützt.2528 Sie können ihre Zustimmung verweigern oder diese von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen, die eine Beherrschung durch einen Unternehmensgesellschafter verhindern.2529 ___________ 2526
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2529
Auf die teilweise aufgeworfenen Frage, ob dabei auf eine selbständige oder abhängige GmbH abzustellen ist, siehe etwa Lutter, Rehbinder, AG 1986, 85, 90, kommt es nicht an, da für beide die gleichen Maßstäbe gelten. Auch die abhängige GmbH muss nach hier vertretener Auffassung weiterhin im Eigeninteresse geführt werden, da hiervon nur bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages abgewichen werden darf. Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 23 f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 104; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 504. Die Übertragung der Mitgliedschaft ist in den Personengesellschaften nur bei Zustimmung aller Gesellschafter möglich, siehe dazu ausführlich oben zum Austritt unter § 10 B. I.; daneben nochmals der Hinweis auf Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 105, Rn. 70; K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, Band 2, 2004, § 105, Rn. 213; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 425. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 513.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
Wird von der dispositiven Gesetzeslage abgewichen, kann die Personengesellschaft jedoch beherrschungsanfällig werden. Wird etwa durch besondere Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages einem Unternehmensgesellschafter ein unmittelbarer Einfluss auf die Geschäftsführung eingeräumt, indem er entweder zum Alleingeschäftsführer der Gesellschaft berufen wird oder das Recht erhält, die Geschäftsführer zu ernennen oder ihnen Weisungen zu erteilen, entsteht die dem Kapitalgesellschaftrecht innewohnende Beherrschungsanfälligkeit auch in der Personengesellschaft. Daneben kann auch durch die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips für Grundlagen- und Geschäftsführungsangelegenheiten ein beherrschender Einfluss begründet werden, wenn der Unternehmensgesellschafter über eine Kapitalmehrheit verfügt oder Mehrfachstimrechte bzw. Stimmbindungsverträge existieren.2530 In einer derartigen Situation entsteht eine Abhängigkeit der Personengesellschaft im Sinne des § 17 I AktG, die zu einer Konzernbildung durch einheitliche Leitung im Sinne des § 18 I 1 AktG ausgebaut werden kann.2531 Dabei handelt es sich um Formen einer faktischen Beherrschung. Daneben kommt in Betracht, die Beherrschung durch einen Unternehmensvertrag auf eine vertragliche Grundlage zu stellen. Dass solche Gestaltungen, die eine Abhängigkeit oder gar Beherrschung der Personengesellschaften begründen, zulässig sind, wurde zunächst angezweifelt. Die Personengesellschaft sei vom Gesetzgeber als konzernresistent ausgestaltet worden, so dass keine vertragliche Abhängigkeit von einem herrschenden Unternehmen begründet werden könne.2532 In der neueren Literatur ist hingegen anerkannt, dass auch eine Personengesellschaft als beherrschte Gesellschaft in einen Konzern eingebunden werden kann.2533 Als problematisch wird es nunmehr lediglich angesehen, wenn ein Beherrschungsvertrag mit einer Personengesellschaft, in der persönlich haftende natürliche Personen vorhanden sind, abgeschlossen wird.2534 Ein schlagendes Argument zugunsten einer generellen Anerkennung von Unternehmensverträgen lautet jedoch, dass eine faktische Beherrschung ohnehin nicht verhindert werden kann und dass, wie bereits zur ___________ 2530
2531 2532 2533
2534
Zu diesen Möglichkeiten ausführlich Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 25–34; Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 24. Zur Gestaltung der Personengesellschaft als Konzernspitze Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 505. Näher dazu Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 23 f. Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 15; U. H. Schneider, ZGR 1980, 511, 519; ders., ZGR 1975, 253, 266–270. I. E. BGH NJW 1980, 231 (Gervais); Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 105, Rn. 105; Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 45; Raiser, ZGR 1980, 558, 563; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1294; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 518 m.N. zum Meinungsstand. Mit Einschränkungen Eberl-Borges, WM 2003, 105, 107 f. Die h. M. lässt den Abschluss eines Beherrschungsvertrages auch für die gesetzestypische Personengesellschaft zu, siehe Ulmer, in: Großkomm.-HGB, 4. Aufl. 1988, Anh. § 105, Rn. 12–16; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 518–520; Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 105 f.; Emmerich/ Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 519 f. Siehe alle auch zur Darstellung des Meinungsstandes. Offen gelassen von BayObLG NJW 1993, 1804, 1805.
D. Die Rechtslage in den Personengesellschaften
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GmbH betont, es im Interesse des Minderheitsschutzes liegt, eine vertragliche Grundlage für die Beherrschung zu schaffen.2535
II. Die Abhängigkeitsbegründung und Konzerneingangskontrolle 1. Die Begründung der Abhängigkeit Die bloße Abhängigkeitsbegründung2536 löst, wie auch in den Kapitalgesellschaften, nicht per se einen Gesellschafterbeschluss aus.2537 Soweit die Abhängigkeit auf faktischem Wege begründet wird, muss sich jeder Gesellschafter entgegenhalten lassen, einer hierfür anfälligen Gesellschaft beigetreten zu sein und eine entsprechend belastete Mitgliedschaft in Kauf genommen zu haben. Da sich der Schutzbereich der Mitgliedschaft nach den rechtlichen und faktischen Besonderheiten zum Zeitpunkt der Begründung der Mitgliedschaft richtet,2538 liegt hierin regelmäßig auch kein Eingriff in die Mitgliedschaft der Minderheitsgesellschafter.2539 Ausnahmen bestehen, wenn die drohende Abhängigkeit für den Minderheitsgesellschafter nicht erkennbar war. In diesen Fällen liegt auch eine Änderung der Geschäftsgrundlage vor, die einen Anspruch der Mitgesellschafter auf Anpassung des Gesellschaftsvertrages an die veränderte Situation begründet.2540 Hiervon ist auszugehen, wenn der Umstand verschwiegen wurde, dass der Mehrheitsgesellschafter die Stellung eines Unternehmensgesellschafters innehat,2541 oder wenn ___________ 2535
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K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2004, S. 509 f. Siehe daneben auch das überzeugende Argument, dass die Existenz einer persönlich haftenden natürlichen Person auch in der KGaA einen Unternehmensvertrag nicht hindert, Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 17. Zur begrifflichen Abgrenzung zur Konzernierung siehe oben unter II. und Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 506: Möglichkeit zur Einflussnahme zu maßgeblichem Einfluss auf die Geschäftsführung im Gegensatz zu tatsächlich und systematisch ausgeübtem Einfluss. Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 43–45; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 105; Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 26; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1294 (m.N. zur Mindermeinung). Hierzu die allgemeinen Grundlagen unter § 3 D. II. Soweit die Anfälligkeit gegenüber einer Abhängigkeit in den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages gründet, liegt der Schwerpunkt des Minderheitsschutzes auf der inhaltlichen Überprüfung der Bedingungen des Gesellschaftsvertrages. Die Grundsätze zur Kernbereichslehre und zum Bestimmtheitsgrundsatz bilden dabei einen Schwerpunkt (dazu unter § 4 B. I. 1.). Außerdem kann der Gesellschafter neben den nur im Extremfall eingreifenden Grenzen des § 138 I BGB, hierzu auch Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 8, insbesondere bei Verstößen gegen grundrechtlich verbürgte Rechte, mit dem Argument durchdringen, gerade nicht bewusst auf den nach dem Personengesellschaftsrecht vorgesehenen Schutz verzichtet zu haben. So i. E. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 515. Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 515. Näher zu der Auskunftspflicht des Unternehmensgesellschafters Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 35 f., wonach die Gesellschafter
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
sich aus den Grundlagen der Gesellschafterbeziehung ergibt, dass die Gesellschaft als unabhängige Gesellschaft geführt werden sollte, insbesondere bei besonders engen persönlichen Beziehungen innerhalb der Gesellschaft.2542 Zugleich gilt, wie auch in den Kapitalgesellschaften, dass Maßnahmen, die erst die Voraussetzung für die Begründung der Abhängigkeit schaffen und ihrerseits einen Gesellschafterbeschluss erfordern, auch vor dem Hintergrund der Abhängigkeitsbegründung zu würdigen sind, so etwa die Befreiung vom Wettbewerbsverbot des § 112 HGB oder die Neuaufnahme eines Gesellschafters.2543 Hierbei gilt im Grundsatz das Einstimmigkeitsprinzip. Ist abweichend davon im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, dass die Zustimmung der Gesellschaftermehrheit ausreicht, unterliegt dieser Beschluss nicht nur nach der hier vertretenen Konzeption, sondern auch nach h. M. einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle: Die Aufnahme des Unternehmensgesellschafters muss durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt sein. Die schon zur GmbH angeführten Grundsätze der BGH-Rechtsprechung2544 werden von der h. A. in der Literatur auf die Personengesellschaften übertragen.2545
2. Der Konzerneingang Nach ganz h. M. bedarf hingegen der Konzerneingang einer Legitimation durch alle Gesellschafter.2546 Wird die Gesellschaft unter eine einheitliche Leitung im Sinne des § 18 I AktG gestellt, muss dies entweder im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sein oder durch einen Beschluss, der als Grundlagengeschäft von allen Gesellschaftern getragen wird (Konzernierungsbeschluss), begründet werden.2547 Vollzieht sich die Beherrschung außerhalb eines organschaftlichen Beherrschungsvertrages, muss zwar weiterhin bei jeder Maßnahme das Interesse der beherrschten Gesell___________
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angesichts des drohenden Konflikts einen umfassenden Anspruch auf Mitteilung über die unternehmerische Beteiligung des herrschenden Gesellschafters außerhalb der Gesellschaft haben, um ihre Interessen wahren zu können. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 515. Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 28. BGHZ 80, 69, 74 = NJW 1981, 1512, 1514 (Süssen). Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 105; Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 29; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 514. Zum Begriff des Konzerns oben unter II. und Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 508, 518. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 105, Rn. 102; Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 89; Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 29, 43; Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 18; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2004, S. 510, 1296; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 518 (siehe dort auch zur Zulässigkeit der Konzernbeherrschung einer Personengesellschaft). Von einer Mehrheitsklausel sind diese Beschlüsse hingegen, auch wenn dem Bestimmtheitsgrundsatz Rechnung getragen wird, nicht gedeckt, siehe Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 105, Rn. 102; Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 48.
D. Die Rechtslage in den Personengesellschaften
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schaft beachtet werden (dazu noch sogleich unter III.).2548 Dennoch werden auch hierbei die Grundlagen des Gesellschafterzusammenschlusses in der gesetzestypischen, auf Mitunternehmerschaft angelegten Personengesellschaft erschüttert, wenn der Mehrheitsgesellschafter beständig bemüht ist, die Gesellschaftsinteressen gerade noch zu wahren, sein wahres Bestreben aber der Förderung des Konzerninteresses dient.2549 Im Unterschied zu den Kapitalgesellschaften kommt hinzu, dass die gesetzliche Konzeption der Personengesellschaften für die Komplementäre einen Gleichlauf von Mitbestimmung und Haftungsrisiko vorsieht. Dieser wird bei einer konzernbeherrschten Gesellschaft nicht nur ausgehebelt, sondern die persönliche Haftung des Komplementärs durch die Orientierung am Konzerninteresse faktisch auf die Risiken des Konzernverbandes ausgedehnt.2550 Wegen des mit der Konzerneinbindung verbundenen Eingriffs in den Kernbereich ist ein einstimmiger Beschluss daher auch dann erforderlich, wenn der Gesellschaftsvertrag das Mehrheitsprinzip vorsieht.2551 Demgegenüber eine Inhaltskontrolle des Zustimmungsbeschlusses genügen zu lassen, erscheint wenig sinnvoll, da gerade das auf der persönlichen Haftung der Komplementäre beruhende Gegeninteresse dissentierender Gesellschafter auch in den Fällen einer im Gesellschaftsinteresse liegenden Beherrschung (vor allem im Sanierungsfall) eine Abwägung zugunsten der Minderheit entscheiden müsste, so dass doch ohnehin nur ein einstimmiger Beschluss zum Ziel führen kann.2552 Gleiches gilt für den Abschluss organisationsrechtlicher Verträge i. S. d. §§ 291 ff. AktG. Wegen ihrer Wirkungen auf die Gesellschaft bedürfen auch diese Verträge als Grundlagengeschäfte einstimmiger Zustimmungsbeschlüsse.2553 Von diesen organisationsrechtlichen Verträgen sind schuldrechtliche Verträge, insb. sog. Betriebsführungsverträge, zu unterscheiden, da sie nur eine faktische Abhän___________ 2548 2549
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Dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1296; U. H. Schneider, ZGR 1975, 253, 274; ders., ZGR 1980, 511, 524. So auch angedeutet in BGH NJW 1986, 188, 189 (Autokran): „Während bei der selbständigen Gesellschaft von einem gewissen Gleichlauf der Interessen der Gesellschaft, der Gesellschafter und selbst der Gesellschaftsgläubiger – nämlich an einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft – gesprochen werden kann, ist dieses für den Rechtsverkehr wesentliche Regulativ nicht mehr ohne weiteres vorhanden, wenn einer der Gesellschafter noch anderweite Unternehmensinteressen verfolgt und innerhalb der Gesellschaft die Einwirkungsmöglichkeiten besitzt, um deren Geschäftstätigkeit an seinen anderen unternehmerischen Interessen auszurichten.“ Vgl. auch BGH NJW 1993, 1200, 1202 (TBB). Zu dieser Argumentation vgl. Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 91, 106. I. E. für einen einstimmigen Beschluss aller Gesellschafter auch Ulmer, in: Großkomm.-HGB, 4. Aufl. 1988, Anh. § 105, Rn. 60. Vgl. zur Interessenlage und den Wirkungen für den Minderheitsgesellschafter auch Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 6. So ausdrücklich Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 18. Anders ist dies nur, wenn im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich bestimmt ist, dass eine Beherrschung der Gesellschaft durch Mehrheitsbeschluss begründet werden kann, da die Gesellschafter in diesem Fall ihren grundrechtlich gewährten Schutz bewusst beschränken. Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 50; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2004, S. 1297 f.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
gigkeit begründen, so dass die dafür geltenden (und sogleich darzustellenden) Grundsätze zur Anwendung kommen.2554 Teilweise werden für Publikumsgesellschaft hiervon abweichende Grundsätze vertreten. Für den Konzerneingang soll in Anlehnung an § 293 I 2 AktG schon ein mit einer Mehrheit von 3/4 gefasster Beschluss ausreichen. Begründet wird dies mit den Unterschieden zur gesetzestypischen Personengesellschaft, da die Publikumsgesellschaft nicht als Mitunternehmergesellschaft konzipiert ist, sondern eine Vielzahl nur als Kapitalanleger beteiligter Kommanditisten aufnimmt. Von der Interessenlage der Anleger rückt die Publikumsgesellschaft daher in die Nähe der Aktiengesellschaft, in der eine Beherrschung mit qualifizierter Mehrheit möglich ist.2555 Dennoch überwiegen auch in dieser Gesellschaftsform die den Personengesellschaft wesenseigenen Besonderheiten. Auch in einer Publikums-KG wird die Grundkonzeption der Gesellschaft, die in einer gemeinsamen Zweckerreichung besteht, durch eine Konzerneinbindung zweckentfremdet. Die Bündelung der Individualinteressen zur gleichgerichteten Interessenverfolgung endet. Diese Grundlage aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses zu zerstören, hat der Gesetzgeber für die Aktiengesellschaft zwar zugelassen; schon mehrfach wurde an dieser Grundentscheidung jedoch Kritik geübt und eine Ausdehnung auf andere Rechtsformen abgelehnt. Im Übrigen steht auch ein wesentlicher Unterschied, die Fungibilität der Aktie im Gegensatz zur schweren Veräußerlichkeit der Kommanditbeteiligung, einer Vergleichbarkeit der Interessenlagen entgegen.2556
III. Die Konzernausübungskontrolle Bei bestehender Beherrschung verlagert sich der Minderheitsschutz auf die Ausübungskontrolle.2557 Dabei ist danach zu unterscheiden, ob die Beherrschung auf einem von allen Gesellschaftern getragenen Legitimationsakt beruht.
1. Bei fehlender Legitimation durch die Gesellschafter Fehlt es an einem solchen, greifen zum Schutz der Minderheitsgesellschafter die allgemeinen Grundsätze: Beeinträchtigende Maßnahmen des herrschenden Unter___________ 2554
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Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 43; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2004, S. 1295. Auch dem Gervais-Urteil des BGH (BGH NJW 1980, 231) lag nur ein schuldrechtlicher, nicht ein organisationsrechtlicher Vertrag zugrunde, dazu Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2004, S. 1295; U.H.Schneider, ZGR 1980, 511, 520. Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 95, der immerhin eine Rechtfertigungskontrolle für den Beschluss fordert. Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 25 f., fordert stattdessen eine analoge Anwendung von §§ 311, 317 IV, 319 IV AktG. So i. E. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 520, der stets einen einstimmigen Beschluss fordert. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, S. 105.
D. Die Rechtslage in den Personengesellschaften
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nehmensgesellschafters begründen die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung, und ein entsprechender Beschluss muss einstimmig gefasst werden. Dies ergibt sich daraus, dass es sich wegen der besonderen Gefahr für die Gesellschaft und die Minderheitsgesellschafter um Grundlagengeschäfte im Sinne von § 116 II HGB handelt.2558 Soweit im Gesellschaftsvertrag für diese Maßnahmen ausdrücklich das Mehrheitsprinzip angeordnet wurde, hilft die inhaltliche Rechtfertigungskontrolle, soweit der Beschluss in die Rechtsstellung der Minderheit eingreift. Wegen der abstrakten Gefahr, die in einer beherrschten Gesellschaft für die Rechte der Minderheit ausgehen,2559 wird bei jedem Gesellschafterbeschluss die beeinträchtigende Wirkung zu vermuten sein. Der Beschluss ist daher nach den allgemeinen Grundsätzen nur gerechtfertigt, wenn er die Interessen der beherrschten Gesellschaft verfolgt und sich bei Berücksichtigung der Interessen der Minderheit als angemessen erweist.2560 Das entspricht i. E. der h. M. Nach dieser wird das herrschende Unternehmen durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gebunden, die wegen der organisationsrechtlichen Sonderverbindung zwischen dem herrschenden Unternehmen und der Gesellschaft eine besondere Intensität erreicht.2561 Dies soll sich darin äußern, dass das herrschende Unternehmen seine Eigeninteressen nicht ohne Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft und der Minderheitsgesellschafter ausüben darf und einem strikten Schädigungsverbot unterliegt.2562 Insbesondere wird die qualifiziert faktische Beherrschung auch in den Personengesellschaften als unzulässig bewertet.2563 Gegenüber den hier vertretenen allgemeinen Grundsätzen ergeben sich zudem Besonderheiten: Dem für einen Beschluss stimmenden Unternehmensgesellschaf___________ 2558 2559
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Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 6. Der BGH beschreibt diese Gefahren für die Minderheitsgesellschafter in den Personengesellschaften in seiner Gervais-Entscheidung, BGH NJW 1980, 231 f.: „Die Gefahren, die von der Mehrheitsherrschaft in einer Personengesellschaft ganz allgemein ausgehen und die sowohl die Gesellschaft und die übrigen Gesellschafter als auch die Gläubiger treffen können, verstärken sich regelmäßig schon dann, wenn der herrschende Gesellschafter außerhalb der Gesellschaft unternehmerisch tätig ist. Eine solche Tätigkeit begründet die Besorgnis, daß die Gesellschaft fremden Unternehmensinteressen dienstbar gemacht wird. Die Gefahr, daß der herrschende Unternehmer-Gesellschafter seine Einflußmöglichkeiten und Befugnisse zum Nachteil der Gesellschaft geltend macht, vergrößert sich weiter, wenn er nicht nur an mehreren Unternehmen mit der Folge maßgeblich beteiligt ist, daß er die eine oder andere Beteiligungsgesellschaft für fremde oder übergeordnete Unternehmensziele einspannen kann, sondern, wie im vorliegenden Falle, selbst ein Unternehmen betreibt, das sich auf dem gleichen Markt oder auf einem Produktions- und Vertriebsbereich betätigt, der diesem Markt nahe kommt.“ Siehe auch Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 8. Vgl. insoweit den ähnlichen Ansatz von Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 517. Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000, S. 272 ff.; Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 31; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1296 f. Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 31; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2004, S. 1297; U.Schneider, ZGR 1980, 511, 528 f. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2004, S. 1297.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
ter kann nicht zugestanden werden, sich auf ein unternehmerisches Ermessen zu berufen. Wegen des mit der Unternehmensbeherrschung einhergehenden (potentiellen) Interessenkonflikts ist der volle Nachweis geschuldet, dass die Maßnahme tatsächlich dem Interesse der beherrschten Gesellschaft entspricht. Außerdem wirkt es sich beweisrechtlich aus, dass die belastende Wirkung der Maßnahme vermutet wird: Nicht der Minderheitsgesellschafter muss den Eingriff in den Schutzbereich seiner Mitgliedschaft beweisen, sondern das herrschende Unternehmen den Entlastungsnachweis führen, dass die Rechtsstellung der Minderheitsgesellschafter unbeeinträchtigt bleibt. Maßnahmen, die dem Interesse der Gesellschaft nicht entsprechen, lösen, wie in der GmbH, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche aus, die nach h. M. der Gesellschaft zustehen, im Wege der actio pro socio aber auch von den Minderheitsgesellschaftern geltend gemacht werden können.2564 Nach dem hier vertretenen Ansatz gilt demgegenüber wie auch in der GmbH, dass die Gesellschafter aus eigenem Recht klagen können.2565 Daneben steht dem Gesellschafter nach §§ 133, 131 III Nr. 3 HGB auch ein Kündigungsrecht zu, das zu seinem Austritt aus der Gesellschaft führt.2566
2. Bei Legitimation der Konzerneinbindung Wurde die Konzerneinbindung hingegen durch einen Beherrschungsvertrag oder Gesellschafterbeschluss auf eine legitimierende Grundlage gestellt, scheiden Abwehransprüche aus.2567 Vielmehr darf die Gesellschaft nunmehr im Interesse des herrschenden Unternehmens geführt werden, und die Grundlage der Gesellschafterverbindung, die Individualinteressen zu einer gleichgerichteten Interessenverfolgung im Sinne des vereinbarten Gesellschaftszwecks zu bündeln, endet.2568 Ob an deren Stelle eine Pflicht des herrschenden Unternehmens zum Verlustausgleich tritt, ist umstritten.2569 Problematisch ist, dass die Voraussetzungen einer Analogie zweifelhaft sind, da §§ 302, 303 AktG vor allem im Interesse der Gläubiger an die Stelle der Kapitalerhaltungsvorschriften treten. Da Kapitalerhaltungs___________ 2564
2565 2566 2567 2568
2569
Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 34, 51; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1297; U.H.Schneider, ZGR 1980, 511, 529; vgl. auch ders., ZGR 1975, 253, 285. Insoweit ist auf die Darstellung zur GmbH unter C. zu verweisen. Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 38. Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 51. Vgl. für den Unternehmensvertrag K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1296; U. H. Schneider, ZGR 1980, 511, 516 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 518–520; Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 105 f. Allgemein Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 7. Zugleich vertritt Wiedemann, a. a. O., dass das herrschende Unternehmen weiterhin den Bindungen durch die gesellschaftsrechtliche Treuebindung unterliegen soll. Bejahend BAG ZIP 1999, 723, 725; Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 57; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2004, S. 1298. Verneinend Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 522.
E. Konzerneingangsschutz und Eingriffskontrolle?
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vorschriften im Personengesellschaftsrecht wegen der persönlichen Haftung der Gesellschafter nicht (wirklich) existieren,2570 erscheint eine Verlustausgleichspflicht im Interesse der Gläubiger nicht geboten.2571 Was die Minderheitsgesellschafter angeht, so vermögen diese, da der Konzerneingang der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf, selbst für eine Wahrung ihrer Interessen zu sorgen.2572 Daher wird auch von den Befürwortern einer Ausgleichspflicht eine analoge Anwendung der Abfindungsansprüche nach §§ 304, 305 AktG abgelehnt.2573 E. Konzerneingangsschutz und Eingriffskontrolle?
E. Rechtsformüberschreitend: Konzerneingangsschutz als generelle Rechtfertigung eines Eingriffs in die Mitgliedschaft? Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass vor allem die Kapitalgesellschaften nicht ausreichend gegen eine faktische Beherrschung geschützt sind. Wirksamen Schutz gegen die Begründung einer Abhängigkeit vermögen nur Vorkehrungen, vor allem im Gesellschaftsvertrag, die erst im Wege eines Gesellschafterbeschlusses beseitigt werden müssen, zu bieten. Zu denken ist etwa an Veräußerungsverbote, Wettbewerbsverbote und Stimmrechtsbeschränkungen. Diese Vorkehrungen können sich jedoch wiederum potentiell beeinträchtigend auf die Rechtsstellung der (Minderheits-)Gesellschafter auswirken. Keine Probleme treten auf, wenn alle Gesellschafter den vorkehrenden Maßnahmen zustimmen oder sich ein widersprechender Gesellschafter darauf verweisen lassen muss, dass die Schranken zum Zeitpunkt seines Beitritts wirksamer Bestandteil der Satzung waren.2574 Sind die vorhandenen Vorkehrungen hingegen unzureichend und werden im Hinblick darauf die Gesellschafter einberufen, gelten für den dabei gefassten Beschluss die allgemeinen Grundsätze. Der einzelne Gesellschafter muss sich einen Eingriff in seine Rechtsstellung gefallen lassen, wenn seine Interessen hinter den legitimen Interessen der Gesellschaft zurückbleiben. Angesichts einer drohenden Abhängigkeit werden regelmäßig auch weit reichende Eingriffe rechtmäßig sein können, sofern die Erhaltung der Unabhängigkeit ein legitimes Ziel im Interesse der Gesellschaft darstellt, dem sich die einzelnen Gesellschafter unterordnen müssen. Dies ist nicht unstreitig, da es als unvereinbar mit den Prinzipien einer offenen Wettbewerbswirtschaft gelten könnte.2575 Dafür sprechen ___________ 2570 2571 2572 2573
2574
2575
Dazu noch unter § 15 A. III. Eberl-Borges, WM 2003, 105, 112 f. Siehe dort auch zum Sonderfall der GmbH & Co. KG. Ausdrücklich Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 19; vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 516; i. E. U. H. Schneider, ZGR 1980, 511, 539 f. So Gerber, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 25, Rn. 56. Im Übrigen auch Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 19. A. A. Baumgartl, Die konzernbeherrschte Personengesellschaft, 1985, S. 120–127. Zu den Maßstäben einer Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrages siehe oben § 9 A. II. 1. Zu der Ausgestaltung des Schutzbereichs der Mitgliedschaft durch die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zum Zeitpunkt des Gesellschafterbeitritts unter § 3 D. II. So der Hinweis von Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 453.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
jedoch die für die außenstehenden Gesellschafter drohenden Gefahren bei Entstehung einer Abhängigkeit und einer damit in greifbare Nähe rückenden Konzerneinbindung.2576 Die außenstehenden Gesellschafter haben als Folge der Verbindung aller Gesellschafter zu einer gemeinsamen Zweckverfolgung ein Anrecht darauf, dass der vereinbarte Gesellschaftszweck im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Vorgaben verfolgt wird. Regelmäßig kann die Gesellschaft dem vereinbarten Unternehmensziel zur Erwirtschaftung von Gewinn jedoch nur in wirtschaftlicher Selbständigkeit nachgehen, während die Entscheidungsautonomie der Gesellschaft und ihre Ausrichtung auf Gewinnerzielung im Rahmen ihres selbstgesetzten Gesellschaftszwecks durch den Eintritt in die Abhängigkeit oder gar durch eine Konzerneinbindung gefährdet wird. Da zugleich Rechtsschutz gegen rechtswidrige Einzelmaßnahmen aufwändig ist und häufig zu spät eingreift, ist im Interesse einer effektiven Aufrechterhaltung der Zweckverfolgung ein effektiver Konzereingangsschutz als ein legitimer Zweck im Gesellschaftsinteresse anzuerkennen, dem sich die Gesellschafter unter den weiteren Voraussetzungen, dass Eingriffe in ihre Rechtsstellung geboten, erforderlich und unter Berücksichtigung der beteiligten Interessen angemessen sind, unterzuordnen haben.2577 Während dies bei unmittelbar bevorstehender Abhängigkeit einsichtig ist, bereiten Situationen, in denen rein vorsorglich eine Maßnahme zur Abstimmung der Gesellschafter steht, ohne dass sich eine konkrete Gefahr für die Unabhängigkeit der Gesellschaft andeutet, Schwierigkeiten. Eine solche Maßnahme kann etwa darin bestehen, den Vorstand zu einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss zu ermächtigen, ein Höchststimmrecht vorzusehen oder die Anteile zu vinkulieren, wobei jeder dieser Fälle einen erheblichen Eingriff in die Rechtsstellung der Gesellschafter darstellt. Im Falle der Vinkulierung wird dieser sogar als so schwer bewertet, dass nach § 180 II AktG und h. M. im GmbH-Recht die Zustimmung der betroffenen Gesellschafter notwendig ist.2578 Diese h. M. wurde jedoch schon oben abgelehnt, freilich unter der Prämisse, dass bereits bei der Abstimmung über die Einführung der Vinkulierung feststeht, dass der GmbH eine ___________ 2576
2577 2578
Bejaht auch von BGHZ 33, 175, 186. Siehe im Übrigen die Nachweise in diesem Kapital zu den zahlreichen Stimmen in der Literatur, die einen effektiven Konzerneingangsschutz durch Maßnahmen der Gesellschaft anmahnen. Vgl. zu allem Vorstehenden die Argumentation von Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 453–457, insb. 455. RGZ 68, 210, 211 f.; OLG Dresden GmbHR 2004, 1080; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 15, Rn. 40; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 15, Rn. 62; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 53, Rn. 34; Reichert/Weller, Der GmbH-Geschäftsanteil, Übertragung und Vinkulierung, 2006, § 15, Rn. 395; Michalski/Ebbing, GmbH-Kommentar, Band 1, 2002, § 15, Rn. 133; Winter/ Löbbe, in: Großkomm.-GmbHG, Band I, 2005, § 15, Rn. 217; vereinzelt wird der einstimmige Beschluss sogar mit § 53 III GmbHG begründet, Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 5, Rn. 39; für die Aktiengesellschaft BGH NZG 2004, 1109, 1110; a. A. Fette, GmbHR 1986, 73, 77 f.; Wiedemann, NJW 1964, 282, 284 f.; Leßmann, GmbHR 1985, 179, 181, befürworten eine satzungsändernde Mehrheit und ein Austrittsrecht der widersprechenden Gesellschafter.
E. Konzerneingangsschutz und Eingriffskontrolle?
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(schwere) Beeinträchtigung droht. Erscheint danach die Einführung der Vinkulierung gegen den Willen einzelner Gesellschafter als zulässig, tritt eine strenge Ausübungskontrolle hinzu: Beantragt der Gesellschafter die Genehmigung der Veräußerung, müssen konkrete Gründe im Interesse der Gesellschaft für deren Verweigerung sprechen.2579 Davon unterscheiden sich die Fälle, in denen eine Bedrohung nur rein theoretischer Natur ist. Geht man von hohen Voraussetzungen für die Rechtfertigung eines Eingriffs in die Mitgliedschaft aufgrund bloß potentieller Gefahren für die Gesellschaft aus, erscheint ein wirksamer Konzerneingangsschutz ausgeschlossen. Im umgekehrten Fall, in dem Eingriffe allzu großzügig erlaubt werden, droht eine Entwertung des Gesellschafterschutzes.2580 Als gangbarer Mittelweg bietet sich an, eine vorsorgliche Maßnahme im Interesse der zukünftigen Unabhängigkeit der Gesellschaft zuzulassen, die konkrete Ausführung aber einer strengen Zweckbindung zu unterwerfen. So kann zwar der Konzerneingangsschutz als legitimer Zweck im Interesse der Gesellschaft gelten, so dass ein Bezugsrecht ausgeschlossen werden kann, wenn der Gesellschaft die Abhängigkeit oder gar Beherrschung droht. Da hierbei jedoch im Rahmen der Prüfung von Erforderlichkeit und Angemessenheit die Wirkungen auf die einzelnen Gesellschafter in Relation zu dem erstrebten Zweck gesetzt werden müssen, kommt es auf die im Einzelfall drohenden Nachteile an. Nur soweit sich konkrete Nachteile abzeichnen, kann der mit einem Bezugsrechtsausschluss verbundene Eingriff gerechtfertigt sein, zumal dann, wenn er sich nur auf einzelne Gesellschafter bezieht und diese daher als Ausnahme zu dem gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz diskriminiert werden.2581 Wird die Entscheidung beim genehmigten Kapital auf den Vorstand übertragen, obliegt diesem die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung eine drohende Abhängigkeit nur durch einen Ausschluss des Bezugsrechts vermieden werden konnte.2582 Für die Einführung von Höchststimmrechten, die nach h. M. zu Recht bei inhaltlicher Rechtfertigung auch gegen den Willen der Betroffenen eingeführt werden ___________ 2579 2580
2581
2582
Siehe hierzu oben § § 10 A. II. 2. Nur unter dieser Einschränkung daher im Sinne von Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 416, wonach die Gesellschaft auch ohne konkreten Anlass in ihrer Satzung die potentielle Abhängigkeit ausschließen darf, auch wenn damit Eingriffe in die Rechte einzelner Aktionäre verbunden sind, das gemeinsame Interesse aller Aktionäre insoweit den Partikularinteressen einzelner Gesellschafter vorgehe. Zu einem Anwendungsfall nochmals der Hinweis auf BGHZ 33, 175, 186 (Minimax), und allgemein auf Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 455–457. Dort auch auf S. 459 mit der Mahnung, besonders sorgfältig die Interessen gegeneinander abzuwägen. Im Grundsatz dem Ansatz des BGH zustimmend und daher ähnlich Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 415 f. Zu hohen Kriterien tendiert auch Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 186, Rn. 26 und 32, wonach das bloße Bestreben, die bisherige Beteiligungsstruktur zu bewahren oder die Gesellschaft vor Überfremdung zu schützen, nicht ausreicht. Hierzu noch ausführlich unter § 15 B.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
können,2583 muss gelten, dass diese nur bei einer konkreten Bedrohung unter Abwägung am konkreten Fall eingeführt werden können.2584 Ansonsten wäre ein Gesellschafter möglicherweise über Jahre hinweg an ein Höchststimmrecht gebunden, ohne eine tatsächliche Bedrohung für die Gesellschaft darzustellen. Die Gesellschaft trägt auch dabei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Höchststimmrecht im konkreten Fall seiner Anwendung erforderlich war. F. Zusammenfassung
F. Zusammenfassung Das Konzernrecht stellt einen weiteren Bereich dar, in dem die Rechtstellung der Minderheitsgesellschafter empfindlichen Eingriffen ausgesetzt wird. Es handelt sich dabei um die Vergemeinschaftung von Risiken und Chancen mehrerer Unternehmen durch die Zusammenführung dieser Unternehmen zu einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck. I. 1. In der Aktiengesellschaft wird durch einen Beherrschungsvertrag die Weisungskompetenz des herrschenden Unternehmens begründet und der Gesellschaftszweck am Konzerninteresse ausgerichtet. Bei Kombination mit einem Gewinnabführungsvertrag fließt zusätzlich der gesamte Gewinn der beherrschten Gesellschaft an das herrschende Unternehmen. Dass damit ein Eingriff in das nach Art. 14 I GG geschützte Anteilsrecht der Aktionäre verbunden ist, entspricht der ganz h. M. Das Gesetz verwirklicht den Aktionärsschutz über das schon unter § 10 erörterte Andienungsrecht nach § 305 AktG, den Ausgleichsanspruch der außenstehenden Aktionäre nach § 304 AktG und weitreichende Informationspflichten, die auch zugunsten der Kleinaktionäre wirken können. Darüber hinaus fehlt es an Schutzmechanismen zugunsten der außenstehenden Aktionäre. Daher gilt: Die entscheidenden Schutzmechanismen müssen ansetzen, bevor die Beherrschung begründet wird. Hierzu dient die entgegen der h. M. zu fordernde Rechtfertigungskontrolle der Hauptversammlungsbeschlüsse, mit denen der Abschluss von Unternehmensverträgen beschlossen wird. Hierbei ist das Interesse des Gesamtkonzerns der Bezugspunkt der Rechtfertigungsprüfung. Die mit einem Unternehmensvertrag typischerweise verbundenen Nachteile für die außenstehenden Aktionäre dürfen nicht berücksichtigt werden, da der Gesetzgeber diese umfänglich gebilligt hat. 2. Im faktischen Konzern wird die Kontrolle über eine Aktiengesellschaft nicht auf vertraglicher Grundlage, sondern durch den mit der Mehrheitsherrschaft verbundenen Einfluss ausgeübt. Die Rechtslage regeln §§ 311–317 AktG. Aus der sog. konzernoffenen Struktur der Aktiengesellschaft folgert die h. M. zu Recht, ___________ 2583 2584
BGHZ 70, 117, 121 ff. (Mannesmann). Insoweit gilt, was Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 416, für den Ausschluss der potentiellen Abhängigkeit in der Satzung betonen, dass ein gemeinsames Interesse aller Gesellschafter an der unabhängigen Zweckverfolgung den Partikularinteressen einzelner Mitglieder vorgehen darf.
F. Zusammenfassung
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dass weder die Begründung einer Abhängigkeit noch die einer faktischen Beherrschung per se einen Hauptversammlungsbeschluss voraussetzt oder auslöst. Die verfehlte Regelung des § 311 AktG zeigt sich bei bestehender Beherrschung. Ohne die Regelung des § 311 AktG wäre ein Mehrheitsaktionär bei allen Maßnahmen darauf verwiesen, die Interessen der Gesellschaft und der außenstehenden Aktionäre beachten zu müssen. § 311 AktG ersetzt dieses System durch ein Prinzip des „dulde und liquidiere“. Ein finanzieller Ausgleich dient als Rechtfertigung einer nachteiligen Maßnahme. Den Minderheitsaktionären kann nur über ein Recht zum Austritt aus wichtigem Grund geholfen werden. 3. Bei einem qualifiziert faktischen Aktienkonzern, in dem durch einen vom herrschenden Unternehmen dauerhaft ausgeübten Einfluss die Interessen der beherrschten Gesellschaft in einer Weise beeinträchtigt werden, die der bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages entspricht, greifen demgegenüber keine Sonderregelungen ein. Dies führt zu dem – eigentlich grotesken – Ergebnis, dass der Aktionärsschutz deutlich effektiver gewährleistet werden kann als im faktischen Konzern. Das liegt daran, dass die Anwendung der allgemeinen Grundsätze möglich ist. Die mit einem qualifiziert faktischen Konzern einhergehende Beeinträchtigung ist rechtswidrig. Daher kann jeder Aktionär auf Unterlassung und Beseitigung der rechtswidrigen Situation klagen. Außerdem stehen den außenstehenden Aktionären nach vorzugswürdiger Ansicht die Rechte zu, die auf Unternehmensverträge Anwendung finden. II. 1. In der GmbH fehlt es gänzlich an konzernrechtlichen Bestimmungen. Der Minderheitsschutz richtet sich daher nach den allgemeinen Grundsätzen und daher nach der hier entwickelten Eingriffskontrolle. Dies deckt sich im Ergebnis mit der h. M., nach der Beschlüsse, mit denen die GmbH in die Abhängigkeit geführt wird, durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt sein müssen. 2. Soll die GmbH als dienende Gesellschaft an Unternehmensverträgen beteiligt werden, bedarf es eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses, der nach vorzugswürdiger h. M. der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf. Dieses Einstimmigkeitserfordernis bringt es mit sich, dass die Minderheitsgesellschafter selbst für einen ausreichenden Schutz ihrer Interessen sorgen können, indem sie sich einen angemessenen Ausgleich zusichern oder ihre Beteiligung abkaufen lassen, so dass es einer analogen Anwendung minderheitsschützender Vorschriften des AktG nicht bedarf. 3. Im einfachen faktischen Konzern greifen wiederum die allgemeinen Grundsätze ein. Daher gilt, dass nachteilige Maßnahmen des herrschenden GmbH-Gesellschafters, mit denen er ausschließlich oder primär seine Interessen verfolgt und dabei die Interessen der Gesellschaft und Mitgesellschafter beeinträchtigt, rechtswidrig sind und von den Minderheitsgesellschaftern angegriffen werden können. Sowohl der GmbH als auch den Minderheitsgesellschaftern stehen Unterlassungsund Schadensersatzansprüche zu. Nach hier vertretener und unter § 7 ausführlich begründeter Auffassung können die Minderheitsgesellschafter dabei aus eigenem
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
Recht klagen. Das sieht die h. M. anders, was sich im Ergebnis jedoch nur dann auswirkt, wenn dem Gesellschafter der Nachweis gelingt, dass die Voraussetzungen für einen Austritt aus wichtigem Grund vorliegen, da er dann nach hier vertretener Auffassung seinen mittelbaren Schaden an der GmbH vorbei liquidieren darf. 4. Im qualifiziert faktischen GmbH-Konzern finden ebenfalls die allgemeinen Grundsätze Anwendung, wie sie schon im einfachen qualifizierten GmbH-Konzern gelten. Für das Austrittsrecht der Minderheitsgesellschafter reicht aber nun schon der Nachweis der qualifiziert faktischen Beherrschung aus. Soweit diese Schadensermittlung im Einzelfall mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, können zudem zum Schutz der Minderheitsgesellschafter §§ 302, 303, 304 AktG analog angewandt werden, wobei die Wahl zwischen diesen Vorschriften und einem Schadensersatz dem Gesellschafter überlassen ist. III. 1. In den Personengesellschaften, die sich nur eingeschränkt zu einer Beherrschung durch einen Unternehmensgesellschafter eignen, setzt die Begründung einer beherrschenden Stellung in jedem Fall die Beteiligung aller Gesellschafter voraus. Hierdurch ist der Schutz jedes einzelnen Personengesellschafters gewahrt. Das gilt zugleich nur nach dispositiver Gesetzeslage. Durch abweichende Gestaltungen kann auch eine Personengesellschaft konzernanfällig werden. Auch die Beteiligung an Beherrschungsverträgen als dienende Gesellschaft ist nach zutreffender Ansicht möglich. Bei der Abhängigkeitsbegründung gilt nach den hier vertretenen Grundsätzen und h. M., dass ein Mehrheitsbeschluss nicht per se, sondern weil und soweit er Eingriffswirkung besitzt, einer inhaltlichen Rechtfertigung bedarf. 2. Die Begründung einer Beherrschung kann wegen der Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Gesellschafter nur mittels einstimmigen Beschlusses aller Gesellschafter erfolgen. Dies ist evident, soweit persönlich haftende natürliche Personen vorhanden sind, da deren persönliche Haftung durch die Orientierung am Konzerninteresse faktisch auf die Risiken des Konzernverbandes ausgedehnt wird. Es muss jedoch auch in allen anderen Personengesellschafen gelten, da die Grundkonzeption der Gesellschaft, die in einer gemeinsamen Zweckerreichung besteht, durch eine Konzerneinbindung endet und daher die Zusammenarbeit der Gesellschafter auf eine gänzlich andere Grundlage gestellt wird. Dies gilt für den Abschluss von Unternehmensverträgen ebenso wie für Beschlüsse, mit denen sonstige Maßnahmen im Sinne des § 18 AktG beschlossen werden. 3. Bei vorhandener Beherrschung bedarf es einer wirksamen Ausübungskontrolle. Soweit es sich bei beeinträchtigenden Maßnahmen, wie regelmäßig, um Grundlagengeschäfte handelt, können diese nur einstimmig gefasst werden. Gilt laut Gesellschaftsvertrag das Mehrheitsprinzip bedarf es einer inhaltlichen Rechtfertigung. Dies gilt nicht nur nach dem hier vertretenen Ansatz, sondern entspricht i. E. der h. M. Werden Maßnahmen durchgeführt, die diesen Grundsätzen nicht genügen, können die Gesellschaft, daneben aber auch die Gesellschafter Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Das gilt nicht, soweit für die Beherr-
F. Zusammenfassung
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schung eine Legitimation im Wege eines Unternehmensvertrages besteht. Dieser berechtigt vielmehr dazu, die Gesellschaft im Interesse des herrschenden Unternehmens zu führen. Die aktienrechtlichen Vorschriften über Unternehmensverträge kommen nicht zur Anwendung. Die Personengesellschafter sind vielmehr darauf verwiesen, ihre Interessen bei der Abstimmung über den Unternehmensvertrag zu wahren. IV. Wegen der Anfälligkeit der Kapitalgesellschaften für faktische Beherrschungen bedarf es gesellschaftsvertraglicher Vorkehrungen, die ihrerseits das Potential in sich tragen, die Minderheit zu beeinträchtigen. Der hier vorgeschlagene Mittelweg lautet, im Gesellschaftsvertrag vorsorgliche Maßnahmen im Interesse an einer zukünftigen Unabhängigkeit der Gesellschaft zuzulassen, ihre Wirkungen aber von einer Einzelfallkontrolle anhand der konkreten Bedrohungen abhängig zu machen.
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§ 14 Minderheitsschutz in abhängigen Gesellschaften und im Konzernverbund
A. Veränderungen im Kapitalbestand der Gesellschaft
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3. Kapitel: Der Minderheitsschutz bei vermögensrechtlichen Maßnahmen § 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss
§ 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss Soweit sie nicht mit einem Ausschluss des Gesellschafters verbunden sind,2585 lassen Veränderungen im Kapitalbestand der Gesellschaft die Mitgliedschaft der Gesellschafter jedenfalls auf den ersten Blick unberührt. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass sie zu einer mittelbaren Verschlechterung der Rechtsstellung führen, wenn sich die Kapitalmaßnahme auf den Wert der Beteiligung auswirkt und dies als relevante Verschlechterung einzustufen ist (hierzu unter A.). Im Gegensatz dazu gehört das Bezugsrecht des Gesellschafters bei Kapitalerhöhungen in der Kapitalgesellschaft zu dessen Vermögensrechten, und ein Ausschluss des Bezugsrechts bewirkt mithin einen unmittelbaren Eingriff in die Mitgliedschaft, weswegen an dessen Voraussetzungen deutlich höhere Anforderungen zu stellen sind (dazu unter B.). A. Veränderungen im Kapitalbestand der Gesellschaft
A. Veränderungen im Kapitalbestand der Gesellschaft I. Effektive und nominelle Kapitalerhöhungen Die Kapitalausstattung der Gesellschaft verändert sich durch Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen. Eine Kapitalerhöhung kann auf zwei Wegen erfolgen. Der Gesellschaft wird entweder neues Kapital im Wege einer effektiven Kapitalerhöhung zugeführt oder vorhandene Rücklagen werden im Wege einer nominellen Kapitalerhöhung in Eigenkapital umgewandelt. Spiegelbildlich dazu findet bei der effektiven Kapitalherabsetzung ein echter Abfluss von Eigenkapital statt, bei der nominellen wird nur das Soll-Kapital an die tatsächlichen Umstände, also an das verminderte Ist-Kapital angepasst. Einen üblichen Weg zur Sanierung einer Gesellschaft stellt es dar, eine nominelle Kapitalherabsetzung mit einer effektiven Kapitalerhöhung zu verbinden. In ___________ 2585
Dazu schon unter § 9 C. V.
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§ 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss
diesem Fall darf nach § 228 I AktG das Grundkapital unter die Mindestgröße nach § 7 AktG herabgesetzt werden, wenn diese durch eine gleichzeitig beschlossene Kapitalerhöhung wieder erreicht wird.
1. Inhaltliche Anforderungen an einen Kapitalerhöhungsbeschluss a) Die Rechtslage in der Aktiengesellschaft Die Kapitalerhöhung gegen Einlagen im Sinne von §§ 182–191 AktG setzt nach § 182 I AktG einen Hauptversammlungsbeschluss voraus, der mit einer Mehrheit von 3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals gefasst wird.2586 Mangels besonderer gesetzlicher Wertungen beurteilen sich die inhaltlichen Anforderungen an diesen Beschluss nach den allgemeinen Kriterien.2587 Da es sich bei der Kapitalerhöhung um eine Maßnahme handelt, die den Zustand des Verbandes als werbende Gesellschaft aufrechterhält, muss sie, wie jeder derartige Beschluss, im Interesse der Gesellschaft liegen.2588 Die weitere Frage, ob dieser mit der Kapitalerhöhung verfolgte Zweck auch einer Prüfung anhand der Kriterien Erforderlichkeit und Angemessenheit zu unterziehen ist, hängt davon ab, ob damit ein Eingriff in die Rechtsstellung der Aktionäre verbunden ist. Dagegen spricht, dass die Kapitalerhöhung als solche niemanden zur Übernahme neuer Anteile und damit zur Erhöhung der Kapitalbeteiligung zwingt. Vielmehr steht dies den Aktionären außer in den Fällen ___________ 2586
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Die qualifizierten Mehrheitserfordernisse bei Kapitalerhöhung, Kapitalherabsetzung und Bezugsrechtsausschluss im AktG bestanden schon vor der europäischen Vorgabe in Art. 40 I der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG, ABl. EG 1976 L 26/1, wonach die Kapitalherabsetzung und der Bezugsrechtsausschluss nur mit einer Mehrheit von 2/3 beschlossen werden können. Siehe zu den Regelungen über die Kapitalerhöhung in der Richtlinie Grundmann, Europäisches Gesellschaftrecht, 2004, Rn. 353–356. Zur Einführung der 3/4-Mehrheit für den Bezugsrechtsausschluss im Aktiengesetz 1937 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 61, zur qualifizierten Mehrheit bei Kapitalerhöhungsbeschlüssen Spindler, Recht und Konzern, 1993, S. 54. Auch europarechtliche Vorgaben für inhaltliche Prüfungskriterien existieren nicht. Weder fordern die europarechtlichen Vorgaben besondere inhaltliche Wirksamkeitskriterien, noch schließen sie solche aus. siehe hierzu Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, Rn. 360, und sogleich noch unter B.I. So inhaltlich auch BGH NJW 1978, 1316, 1317 (Kali und Salz). Zu den allgemeinen Kriterien siehe § 4 A. Dass damit auch eine Pflicht zu positiver Stimmabgabe einhergehen kann, wenn die Zuführung neuen Kapitals im Interesse der Gesellschaft liegt und gegenüber den berechtigten Interessen der Gesellschafter an einer Verhinderung dieser Maßnahme überwiegt, wurde vom BGH in BGHZ 98, 276, 280 (Kapitalerhöhung in der GmbH); BGHZ 129, 136 (Girmes) ausdrücklich entschieden und entspricht den allgemeinen Grundlagen der Stimmabgabe, siehe zu diesen unter § 4 A. III. Auch die GmbH-Gesellschafter kann aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht eine positive Stimmpflicht treffen, wenn es im Interesse der GmbH liegt, ihr Kapital zu erhöhen, etwa in den Fällen aussichtsreicher Sanierungen, siehe dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1172.
A. Veränderungen im Kapitalbestand der Gesellschaft
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des hier zunächst außer Acht bleibenden Bezugsrechtsausschlusses als Möglichkeit offen. Zu beachten ist allerdings, dass der Aktionär zu einer höheren Kapitalbeteiligung gezwungen wird, wenn er die bislang gehaltene Beteiligung beibehalten möchte, etwa um eine Sperrminorität oder bestimmte Minderheitsrechte nicht zu verlieren. Diese faktische und lediglich potentiell nachteilige Wirkung erreicht die für einen Eingriff in die Mitgliedschaft erforderliche Schwelle jedoch nicht. Daher ist der allgemeinen Ansicht zuzustimmen, wonach der Kapitalerhöhungsbeschluss keiner sachlichen Rechtfertigung bedarf.2589 Diese Beurteilung kann sich jedoch ändern, wenn besondere Umstände hinzutreten. Stützt sich die Verbindung der Gesellschafter in einer geschlossenen Gesellschaft mit personenrechtlichem Einschlag auf die ursprünglich vereinbarten Beteiligungsverhältnisse, kann eine Kapitalerhöhung in Verbindung mit diesem Umstand durchaus den Schutzbereich der Mitgliedschaft berühren, so dass von einem Eingriff auszugehen ist. Dies folgt aus den allgemeinen Grundsätzen, wonach mittelbare Eingriffe nur im Wege einer Wertung bestimmt werden können. Hierzu kann es entscheidend auf die Besonderheiten der Verbindung der Aktionäre ankommen. Dem Aktionär obliegt dabei der Nachweis, dass die Beteiligungsverhältnisse zur Grundlage der Mitgliedschaft erhoben wurden. Gelingt dieser Nachweis, muss ein Gericht den Beschluss darauf überprüfen, ob die Interessen der Gesellschaft diesen Eingriff in die Mitgliedschaft der klagenden Aktionäre zu rechtfertigen vermögen. Für die bedingte Kapitalerhöhung nach §§ 192–201 AktG und das genehmigte Kapital nach §§ 202–206 AktG gilt entsprechendes. b) Die Rechtslage in der GmbH In der GmbH bedarf es neben einem satzungsändernden Kapitalerhöhungsbeschluss, der nach § 53 II 1 GmbHG mit einer 3/4-Mehrheit gefasst werden muss, nach § 55 II 1 GmbHG auch eines Beschlusses darüber, wer zur Übernahme der neuen Anteile zugelassen ist, wobei die h. M. diese Bestimmung teleologisch auf die Fälle reduziert, in denen das Bezugsrecht ausgeschlossen wird.2590 Die Einlagepflicht des Gesellschafters wird nach § 55 I GmbHG durch den Übernahmevertrag zwischen dem Übernehmer und der Gesellschaft begründet.2591 Parallel zur Rechtslage in der Aktiengesellschaft gilt in der GmbH, dass der Gesellschafter seine Entscheidung über die Kapitalerhöhung am Interesse der Gesellschaft ausrichten muss und eine Abwägung des mit der Kapitalerhöhung verfolgten Zwecks mit den Interessen der Gesellschafter nicht stattfindet. Wie auch in der Aktiengesellschaft ist die Kapitalerhöhung in der GmbH nicht mit einem Eingriff in die Mitgliedschaft der Gesellschafter verbunden. Auch bei der GmbH besteht ___________ 2589
2590 2591
So etwa Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 153; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4 (AG), 3. Aufl. 2007, § 56, Rn. 7; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 898 f. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1173; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 55, Rn. 21. Dazu BGHZ 49, 117, 119; BGHZ 140, 258, 260 = NJW 1999, 1252.
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§ 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss
für die Gesellschafter keine Pflicht, die durch die Kapitalerhöhung geschaffenen neuen Anteile zu übernehmen, es sein denn, sie haben sich zu einer solchen Übernahme bereit erklärt.2592 Allerdings begründet § 24 GmbHG eine Ausfallhaftung für Stammeinlagen, die nicht von den Zahlungspflichtigen eingezogen oder durch Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden können. Die hiermit für die Gesellschafter verbundenen Risiken sind jedoch zum Zeitpunkt, zu dem über die Kapitalerhöhung abgestimmt wird, nicht abzuschätzen, so dass sie auch nicht als Grundlage einer Abwägungsentscheidung taugen. Der durch den Widerspruch zwischen § 24 GmbHG und § 53 III GmbHG ausgelöste Konflikt ist in der Regel unabhängig von der Entscheidung über die Kapitalerhöhung über ein Austrittsrecht des Gesellschafters zu lösen, sofern die Ausfallhaftung den weiteren Verbleib unzumutbar erscheinen lässt. Dabei ist im Rahmen der Wertung auch zu berücksichtigen, ob der Gesellschafter der Kapitalerhöhung mit sachlichen Gründen widersprochen hat, wobei jedoch kein Grund besteht, diese Frage zu einer Zulässigkeitsvoraussetzung für das Austrittsrecht zu erheben.2593 Anders fällt die Beurteilung aus, wenn bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erkennbar ist, dass die realistische Gefahr einer erheblichen Ausfallhaftung besteht, beispielsweise wenn in einer aus nur wenigen Gesellschaftern bestehenden GmbH das Kapital erheblich erhöht und die neuen Anteile von nur einem Investor übernommen werden sollen, dessen Zahlungsfähigkeit zweifelhaft erscheint. Kann der Gesellschafter diese für ihn bedrohlichen Umstände darlegen und beweisen (und wiederum gilt, dass die beklagte Gesellschaft eine Substantiierungslast für Umstände trifft, von denen sie sachgemäß bessere Kenntnis besitzt als der klagende Gesellschafter), verdichtet sich das im Ausgangspunkt nur abstrakte Risiko zu einer derart konkreten Gefahr für die Rechtsstellung des betroffenen Gesellschafters, dass der Beschluss unverhältnismäßig und daher rechtswidrig ist.2594
2. Die Bemessung des Ausgabebetrags bei effektiver Kapitalerhöhung a) Die Bemessung des Ausgabebetrags in der Aktiengesellschaft Die bisherigen Feststellungen, wonach es regelmäßig an einem Eingriff in die Rechtsstellung der Gesellschafter fehlt, hängen wesentlich davon ab, zu welchem ___________ 2592
2593
2594
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1173. I. E. ähnlich auch OLG Stuttgart NZG 2000, 156, 157: „Bei der Frage, ob eine Kapitalerhöhung durchgeführt werden soll oder nicht, handelt es sich um eine unternehmenspolitische Frage, bei der nach den obigen Ausführungen grundsätzlich der Wille der Mehrheit entscheidend sein muss. Ist diese der Ansicht, die Zuführung zusätzlichen Kapitals sei geboten, so ist dies von der Minderheit zu akzeptieren, wenn die Entscheidung im vertretbaren Interesse der Gesellschaft und der Gesellschafter liegt“. So jedoch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1174; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 24, Rn. 5. Zum Austrittsrecht bei Ausfallhaftung auch LG Mönchengladbach NJW-RR, 1986, 837, 838. Damit unvereinbar RGZ 93, 251.
A. Veränderungen im Kapitalbestand der Gesellschaft
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Wert die neuen Anteile ausgegeben werden. Dies hängt damit zusammen, dass die Beteiligung bei Kapitalerhöhungen nicht nur durch einen Bezugsrechtsausschluss (dazu unter B.), sondern auch dadurch verwässert werden kann, dass die neuen Anteile zu einem Betrag ausgegeben werden, der hinter dem Wert ihres eigenen Anteils zurückbleibt. Unter Wert werden die Anteile ausgegeben, wenn nur ein Nominalwert gefordert wird, obwohl der tatsächliche Unternehmenswert den Nominalwert übersteigt, oder wenn wesentliche Positionen in eine Unternehmensbewertung nicht einbezogen werden, etwa stille Reserven oder der Goodwill des Unternehmens, etwa in Form technischen Know-hows, wichtiger Geschäftsbeziehungen oder des Rufs des Unternehmens.2595 Die europäische Vorgabe lautet nur, dass die Aktien nicht unter dem Nennbetrag ausgegeben werden dürfen.2596 § 255 II AktG geht über diese Vorgabe hinaus und bestimmt für die Fälle des Bezugsrechtsauschlusses, dass der Ausgabebetrag der neuen Aktien nicht unangemessen niedrig sein darf.2597 Die h. M. steht daher auch auf dem Standpunkt, nur bei einem Bezugsrechtsausschluss müsse der Ausgabebetrag dem wirklichen Wert entsprechen, während ein Verwässerungsschutz im Übrigen nicht bestehe. Daher sei die Hauptversammlung frei in ihrer Entscheidung über die Höhe des Ausgabekurses.2598 Eine wesentliche Benachteiligung der Aktionäre sei nicht zu befürchten, da diese neue Aktien beziehen oder jedenfalls das Bezugsrecht veräußern könnten.2599 Dem ist nicht zu folgen. Der Ausgabebetrag muss stets dem wirklichen Wert der Anteile entsprechen. Werden die neuen Aktien unter Wert ausgegeben, führt dies zu einer Ungleichbehandlung der neuen und aufstockenden mit den nicht-aufstockenden Aktionären: Können oder wollen nicht alle Gesellschafter die neuen Anteile im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung übernehmen, erhöht sich die Beteiligung der aufstockenden Aktionäre, ohne dass diese der Gesellschaft einen dem Wert ihrer neuen Anteile entsprechenden Betrag zur Verfügung stellen.2600 Es in diesen Fällen der Gesellschaft zu überlassen, den Ausgabepreis zu bemessen, kann die ___________ 2595
2596 2597
2598
2599 2600
Zur Bemessung des Ausgabebetrags OLG Stuttgart NZG 2000, 156, 157–159; Bungert, NJW 1998, 488, 491. Siehe auch BGHZ 125, 239, 242 ff. (Deutsche Bank), wo es zum Zulässigkeitskriterium des Bezugsrechtsausschlusses erhoben wurde, dass der Ausgabekurs an den aktuellen Börsenkurs angelehnt wurde. So bestimmt von Art 8 I der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie 77/91/EWG, ABl. EG 1976 L 26/1. Für die Bemessung dieses Wertes kommt es nach BGHZ 71, 40, 51 = NJW 1978, 1316, 1318 (Kali + Salz); OLG Frankfurt AG 1999, 231, 232 f., nicht auf den Börsenkurs, sondern den „wirklichen“ Wert unter Einschluss stiller Reserven und des inneren Geschäftswerts an. Zustimmend Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 255, Rn. 5. Dazu auch Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 524 f. Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 508; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 255, Rn. 4; implizit Bezzenberger, ZIP 2002, 1917, 1918. Zu der Frage, welche Arten von Kapitalerhöhungen erfasst sind, siehe Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 515; Hüffer, a. a. O., § 182, Rn. 23, und § 255, Rn. 7; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 182, Rn. 21. Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 517. Siehe hierzu die detaillierte Berechnung bei Schmidt-Diemitz, in: Schmidt/Riegger, Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 79, 90–92.
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§ 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss
Wirkung eines Bezugsrechtsausschlusses herbeiführen. Zudem kommt es zu einem Wertverlust der alten Aktien: Fällt der prozentuale Anstieg des Grundkapitals stärker aus als der des Vermögens, wird dies von den Märkten mit einem Kursverlust der Aktien beantwortet. Diesen Wertverlust könnte der Aktionär nur durch Zukauf neuer Aktien kompensieren und wäre daher gezwungen, neue Anteile zu erwerben.2601 Aufgrund dieser Wirkung stellt der Vorgang einen Eingriff in die Rechtsstellung der ihre Beteilung nicht aufstockenden Altaktionäre dar. Zugleich scheidet es aus, diesen Vorgang mit der (theoretischen) Möglichkeit eines jeden Gesellschafters, sich an der Kapitalerhöhung anteilig beteiligen zu können, zu rechtfertigen, da hiermit der Zwang verbunden wäre, Kapital nachzuschießen, um eine Verschlechterung der Beteiligung zu vermeiden.2602 Daher wird zu Recht gefolgert, dass die Ausgabe der neuen Anteile nur dann unter Wert erfolgen darf, wenn alle Gesellschafter neue Anteile im Verhältnis zu ihrer bisherigen Beteiligung übernehmen, es sei denn, dass von den nicht-aufstockenden Gesellschaftern der Wert des Bezugsrechts, in dem der tatsächliche Unternehmenswert gerade verkörpert ist, realisiert werden kann, was bei börsennotierten Gesellschaften der Fall ist.2603 Als weitere Ausnahme wird es teilweise anerkannt, wenn eine Ausgabe zu einem niedrigeren Wert dann erfolgt, wenn dies unter Berücksichtigung der Interessen der Altgesellschafter durch sachliche Gründe im Gesellschaftsinteresse gerechtfertigt ist.2604 Dies deckt sich mit den allgemeinen Grundsätzen der hier vertretenen Eingriffsdogmatik. Soweit tatsächlich überwiegende Gründe im Gesellschaftsinteresse dafür sprechen, die neuen Anteile unter Wert zu begeben, kann ein solcher Vorgang rechtmäßig sein. Praktisch denkbar ist dies jedoch allenfalls, wenn der Aktiengesellschaft anderenfalls die Insolvenz droht und die Altaktionäre in diesem Fall einen mindestens ebenso großen Vermögensverlust hinzunehmen hätten. Außerdem ist streng darauf zu achten, dass die Beeinträchtigung im Interesse der Gesellschaft nicht auf dem Rücken einzelner Aktionäre ausgetragen wird, sondern alle Altgesellschafter von der Neuemission unter Wert ihrer Beteiligungsquote entsprechend beeinträchtigt werden. Der Eingriffscharakter der Maßnahme ergibt sich nicht nur aus den Wirkungen, die denen eines Bezugsrechtsausschlusses nahe kommen, sondern auch aus der ___________ 2601 2602
2603
2604
OLG Stuttgart NZG 2000, 156, 157, für die GmbH, was für die Aktiengesellschaft jedoch in gleicher Weise gilt. Siehe auch Priester, FS Lutter, 2000, S. 617, 629 f. Dazu aus der US-amerikanischen Rechtsprechung Bennett v. Breuil Petroleum Corp., 99 A. 2 d 236, 240 (Del.Ch. 1953): “But defendants say plaintiff has not been injured, even assuming that the price is grossly inadequate, because he is being offered his pro rata share of the additional shares. This argument is wide of the mark. I say this because plaintiff has the right not to purchase as well as the right to purchase. But his right not to purchase is seriously impaired if the stock is worth substantially more than its issuing price. Any other purchase at that price obviously dilutes his interest and impairs the value of his original holdings”. Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 238–241; Schmidt-Diemitz, in: Schmidt/Riegger, Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 79, 94. Siehe auch Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 460. Rottnauer, ZGR 2007, 401, 433 f.; Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 586; Wiedemann, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 182, Rn. 46.
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hier aus dem Ansatz Grundmanns entwickelten Konzeption, dass ein Gesellschafter die der Gesellschaft oder den Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit zustehenden Chancen nur unter Wahrung der Interessen der Mitgesellschafter nutzen darf.2605 Soweit einzelne Gesellschafter ihre Beteiligungsquote erhöhen, ohne einen entsprechenden Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen einzubringen, nutzen sie die in den stillen Reserven und dem Goodwill verkörperten Vermögenswerte, die allen Gesellschaftern gemeinsam und entsprechend ihrer Beteiligung an der Gesellschaft zustehen, einseitig aus. Stimmen die Gesellschafter über die von der Geschäftsführung vorgeschlagene Kapitalerhöhung und den dafür vorgesehenen Preis ab, disponieren sie zugleich über die der Gesellschaft zustehenden Vermögenswerte, woraus eine Interessenwahrungspflicht gegenüber allen anderen Gesellschaftern resultiert. Dieser genügen sie nur dadurch, dass sich der Ausgabepreis für die neuen Anteile am wirklichen Wert des in ihnen verkörperten Anteils an der Gesellschaft orientiert. b) Die Bemessung des Ausgabebetrags in der GmbH In der GmbH gilt nichts anderes. Auch dort führt eine Emission neuer Anteile unter Wert zu einer Entwertung der Beteiligung der Altgesellschafter und damit zu einem Eingriff in ihre Mitgliedschaft.2606 Daraus wird zu Recht gefolgert, dass die Ausgabe nur zum wahren Wert erfolgen darf, sofern nicht alle Gesellschafter mit einer abweichenden Preisbestimmung einverstanden sind.2607 Zu ergänzen ist jedoch, dass ebenso wie in der Aktiengesellschaft die neuen Anteile bei Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse und bei Abwägung mit den Interessen der Altgesellschafter ausnahmsweise auch unter Wert ausgegeben werden dürfen.
3. Die nominelle Kapitalerhöhung a) Die Rechtslage in der Aktiengesellschaft Auch die nominelle Kapitalerhöhung unterliegt nur der Anforderung, dem Gesellschaftsinteresse zu dienen. Da mit ihr nicht die Zufuhr neuen, sondern nur die Bindung vorhandenen Kapitals einhergeht, greift sie in die Rechtsstellung des Ge___________ 2605 2606
2607
Siehe dazu unter § 7 A. I. OLG Stuttgart NZG 2000, 156, 157; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18.Aufl. 2006, § 55, Rn. 13; Rottnauer, ZGR 2007, 401, 433 f.; wohl auch Henze, ZHR 162 (1998), 186, 193. Nur für die Fälle eines Bezugsrechtsausschlusses Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 55, Rn. 24. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 55, Rn. 13; OLG Stuttgart NZG 2000, 156, 157: Ausgabe zum „inneren Wert“. Diese Wertbestimmung folgert das Gericht daraus, dass „(d)iese Ermittlungen (. . .) grundsätzlich nach den anerkannten Bewertungsregeln zu erfolgen (haben), im allgemeinen (. . .) also der Unternehmenswert nach der Ertragswertmethode zu bestimmen (ist). Dem Substanzwert kommt Bedeutung i. d. R. nur in den Fällen zu, in denen das Unternehmen ausreichende Erträge nicht erwirtschaftet, des weiteren dann, wenn nicht betriebsnotwendiges Betriebsvermögen mit in die Bewertung einzubeziehen ist“, OLG Stuttgart a. a. O.
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§ 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss
sellschafters nicht ein.2608 Im Einzelfall kann es jedoch zu einer Beeinträchtigung des Gewinnbezugsrechts kommen, die jedoch nur dann als Eingriff in die Rechtsstellung widersprechender Gesellschafter zu werten ist, wenn sie nachhaltig ausfällt. In diesen Fällen obliegt dem Gesellschafter der Nachweis, dass eine Beeinträchtigung vorliegt, für deren Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse die Gesellschaft beweispflichtig ist.2609 b) Die Rechtslage in der GmbH Die nominelle Kapitalerhöhung, die Umwandlung von Rücklagen in Stammkapital nach §§ 57 c bis 57 o GmbHG, wirft auch in der GmbH keine für den Minderheitsschutz relevanten Fragen auf. Die Regelung des § 57 j GmbHG, wonach die neuen Geschäftsanteile den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer bisherigen Geschäftsanteile zustehen und ein entgegenstehender Beschluss der Gesellschafter nichtig ist, sorgt für eine an den bisherigen Beteiligungsverhältnissen ausgerichtete Gleichbehandlung der Gesellschafter.
II. Die Kapitalherabsetzung 1. Die Rechtslage in der Aktiengesellschaft Die effektive Kapitalherabsetzung fällt als Desinvestitionsentscheidung in den prüfungsfreien Bereich der Stimmrechtsausübung.2610 Sie ist nach den allgemeinen Grundsätzen, wonach die Gesellschaft nicht gegen den Entzug des ihr zugeführten Kapitals geschützt ist, nicht einmal an ein Gesellschaftsinteresse gebunden.2611 Wird hingegen im Einzelfall die weiterhin bestehende Zweckverfolgung unmöglich oder erschwert, liegt ein Verstoß gegen die gegenüber der Gesellschaft bestehende Treuepflicht vor, so dass die Gesellschafter den Beschluss anfechten können.2612 Ihnen obliegt die Darlegungs- und Beweislast, wobei nach allgemeinen Grundsätzen Erleichterungen aus der Tatsache, dass dem Minderheitsgesellschafter der Einblick in die Geschäftsinterna fehlt, zu berücksichtigen sind. Die Gesellschaft muss daher die Darstellung des Gesellschafters substantiiert bestreiten. Die nominelle Kapitalherabsetzung nach §§ 222 ff. AktG dient dazu, das nominelle Grundkapital an die nach Verlusten eingetretene tatsächliche Vermögenslage und damit an das Reinvermögen der Gesellschaft anzupassen.2613 Auch sie bedarf mangels eines Eingriffs in die Mitgliedschaft des Aktionärs nach der Rechtsprechung des BGH keiner sachlichen Rechtfertigung. Zutreffend führt der BGH aus, ___________ 2608 2609 2610 2611 2612 2613
LG Dresden ZIP 1995, 1596, 1599 (Sachsenmilch) (n. rkr.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 906. Zu den Grundlagen des Gewinnbezugsrechts anschließend unter § 16. I. E. LG Dresden ZIP 1995, 1596, 1599 (Sachsenmilch) (n.rkr.). Ausführlich dazu unter § 17 A. Schön, ZHR 168 (2004), 268, 278 f. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 907.
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dass sich an der Rechtsstellung des Aktionärs und dem inneren Wert ihrer Beteiligung weder bei einer nominellen noch einer effektiven Kapitalherabsetzung etwas ändert.2614 Anders fällt die Beurteilung hingegen aus, wenn durch Zusammenlegung von Aktien nur Spitzen verblieben und nur durch den Erwerb neuer Aktien die Mitgliedschaft überhaupt erhalten werden kann. Die Ansicht des BGH, wonach zwar ein Eingriff vorliege, eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle wegen des anderweit garantierten Schutzes durch den Gesetzgeber aber zu verneinen sei,2615 wurde schon an anderer Stelle abgelehnt.2616 Vielmehr muss der hierdurch ausgelöste Ausschluss des Gesellschafters von erheblichen Interessen der Gesellschaft getragen sein, um den tiefgreifenden Eingriff rechtfertigen zu können. Besonders minderheitssensibel ist auch die Kombination einer Kapitalherabsetzung mit einer anschließenden Kapitalerhöhung,2617 da damit ein Verlust der Mitgliedschaft verbunden sein kann. Die Kapitalherabsetzung auf Null bringt es mit sich, dass ein Verbleib in der Gesellschaft nur unter der Voraussetzung möglich ist, dass der Gesellschafter neues Kapital zuschießt. Da die Gesellschaft fortgesetzt werden soll, also keine Desinvestitionsentscheidung vorliegt, ist dieser Schritt gegen den Willen einzelner Aktionäre nur zulässig, wenn das Grundkapital der Aktiengesellschaft tatsächlich auf Null herabgesunken ist. Bei der anschließend durchgeführten Kapitalerhöhung sind die neuen Aktien zu dem Mindestnennbetrag auszugeben, um allen Aktionären den Verbleib in der Gesellschaft zu Bedingungen, die sie so wenig wie möglich belasten, zu ermöglichen. Dies folgert der BGH aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. Der Mehrheitsaktionär sei gehalten, bei der ihm eröffneten Möglichkeit, die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitaktionäre zu beeinträchtigen, auf diese Rücksicht zu nehmen.2618 Nach hier vertretener Dogmatik folgt dies aus dem Eingriffscharakter der Kapitalherabsetzung auf Null, die das Ausscheiden der Aktionäre bewirkt. Zwar ist sie in Verbindung mit der Kapitalerhöhung geeignet, die Sanierung der Gesellschaft herbeizuführen, aber nur insoweit erforderlich und angemessen, wie den Kleinaktionären durch entsprechende Gestaltung der Verbleib möglichst einfach gemacht wird.
___________ 2614
2615 2616 2617
2618
BGHZ 138, 71 = NJW 1998, 2054, 2055 (Sachsenmilch); so auch Krieger, ZGR 2000, 885, 890; Lutter, in: Großkomm.-AktG, Stand 1993, § 222, Rn. 22, 46; Natterer, AG 2001, 629, 632; Tielmann, WM 2007, 1686, 1692; a. A. Hirte, FS Claussen, 1997, S. 115, 122 f. BGHZ 138, 71 = NJW 1998, 2054, 2055 (Sachsenmilch). Dazu unter § 9 C. VI. Zur Zulässigkeit im Grundsatz unter der Voraussetzung, dass durch die Kapitalerhöhung mindestens der Mindestnennbetrag des Grundkapitals erreicht wird, BGHZ 119, 305, 319 f. = BGH NJW 1993, 57; BGH NJW 1999, 3197 (Hilgers). Zu den Grundlagen siehe auch Lutter, in: Großkomm.-AktG, Stand 1993, § 222, Rn. 30. BGHZ 142, 167 = BGH NJW 1999, 3197 f. (Hilgers).
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2. Die Rechtslage in der GmbH In den Bestimmungen des § 58 GmbHG über die effektive Kapitalherabsetzung steht der Gläubigerschutz im Vordergrund. Für das Innenverhältnis ist auch bei der GmbH von Bedeutung, dass der Kapitalverlust die Zweckverfolgung durch die GmbH nicht gefährden darf, so dass der Beschluss in diesem Fall von jedem Gesellschafter angefochten werden kann. Auch bei der nominellen Kapitalherabsetzung hat das Gesetz den Schutz der Gläubiger im Auge, wie aus den §§ 58 a bis 58 f GmbHG hervorgeht. Dabei hat wie bei der Aktiengesellschaft zu gelten, dass die nominelle Kapitalherabsetzung nicht dem Ziel dienen darf, Minderheitsgesellschafter zu verdrängen. Dies wird dadurch gewährleistet, dass sie stets im Interesse der Gesellschaft liegen muss und bei einer Verdrängungswirkung eine strenge Prüfung anhand der allgemeinen Kriterien erfolgt, die Maßnahme also geboten, erforderlich und unter Abwägung mit den Interessen der betroffenen Gesellschafter angemessen ausfallen muss. Dies bringt es mit sich, dass im Sinne der BGH-Rechtsprechung zur Aktiengesellschaft2619 bei einer gekoppelten nominellen Kapitalherabsetzung und effektiven Kapitalerhöhung nach § 58 f GmbHG nicht über die in § 5 I GmbHG vorgesehene Mindeststammeinlage hinausgegangen werden darf, wenn es anderenfalls zu einer Verdrängung solcher Gesellschafter kommen würde, die in der Gesellschaft verbleiben möchten.
III. Die Rechtslage in den Personengesellschaften Gebundenes Vermögen kann auch in den Personengesellschaften existieren. Dieses dient weniger dem Gläubigerschutz, als vielmehr der geplanten Zweckerreichung.2620 Die Gesellschafter stellen der Gesellschaft Kapital zur Verfügung, das gesamthänderischer Bindung unterliegt. Als Rechengrößen für das Verhältnis der Gesellschafter untereinander werden Kapitalkonten geführt. Das jeweilige Kapitalkonto I bildet den Schlüssel, nach dem sich die Beteiligungsquote des einzelnen Gesellschafters bemisst. Regelmäßig bestimmt sich nach dieser Quote das Stimmrecht bei Mehrheitsstimmrechten, der Verteilungsschlüssel von Gewinn und Verlust, der Ausschüttungsanspruch bei Auseinandersetzung und das Bezugsrecht der Gesellschafter. Dabei ist es Sache der Gesellschafter, im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss über die Bindung dieses Kapitals zu befinden. Daneben besteht ein weiteres Kapitalkonto, auf dem Gewinne, Verluste und Entnahmen verzeichnet werden (Kapitalkonto II). Dieses gesamthänderisch gebundene Vermögen kann herabgesetzt und damit ein Teil aus der Bindung entlassen und an die Gesellschafter zurückgeführt werden. Bei einer Kapitalerhöhung wird das gesamthänderisch gebundene Vermögen erhöht.2621 Da es sich in beiden Fällen um einen Grundlagenbeschluss handelt, ist ___________ 2619 2620 2621
Nochmals der Hinweis auf BGHZ 142, 167 = BGH NJW 1999, 3197 f. (Hilgers). Schön, ZHR 168 (2004), 268, 278. Zu allem Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, 2004, S. 358–379.
B. Das Bezugsrecht des Aktionärs und die Voraussetzungen für seinen Ausschluss
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die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich, soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt.2622 Genügt ein mehrheitlich gefasster Beschluss, gelten die allgemeinen, hier für die Aktiengesellschaft und GmbH dargestellten Grundsätze. Einen Sonderfall der Kapitalherabsetzung stellt das in § 122 I 1. Alt. HGB (dispositiv) vorgesehene Entnahmerecht des Komplementärs (Entnahmerecht im engeren Sinne) dar. Indem der Komplementär unabhängig von der Ertragslage der Gesellschaft und unabhängig von einem Gesellschafterbeschluss zur Entnahme ermächtigt wird, kann er einseitig eine Kapitalherabsetzung herbeiführen. Aufgrund der allgemeinen Zweckförderungspflicht des Gesellschafters und seiner Bindung an das Gesellschaftsinteresse ist der Ansicht zuzustimmen, die den Komplementär auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verweist und ein Entnahmerecht an die Voraussetzung knüpft, dass eine Gefährdung des Unternehmens ausscheidet oder seine private Bedürftigkeit bei Abwägung mit den Interessen der Gesellschaft überwiegt.2623 B. Das Bezugsrecht des Aktionärs und die Voraussetzungen für seinen Ausschluss
B. Das Bezugsrecht des Aktionärs und die Voraussetzungen für seinen Ausschluss I. Bezugsrechtsausschluss als Eingriff in den Schutzbereich der Mitgliedschaft Aus dem Kapitalerhöhungsbeschluss folgt nach § 186 I AktG das Recht jedes Aktionärs, seinen Anteil entsprechend der bisherigen Beteiligung durch den Zukauf neuer Aktien2624 aufzustocken, doch beschränkt § 186 III AktG diesen Anspruch durch die Möglichkeit der Hauptversammlung, das Bezugsrecht auszuschließen. Dies ist bei der regulären Kapitalerhöhung möglich, daneben aber auch bei der Schaffung eines genehmigten Kapitals, das erst später vom Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats kreiert wird. Beim genehmigten Kapital kann bereits die Hauptversammlung das Bezugsrecht nach § 203 I i. V. m. § 186 III AktG im Beschluss über die Ermächtigung des Vorstands zur Kapitalerhöhung ausschließen oder den Vorstand nach § 203 II i. V. m. § 186 III AktG ermächtigen, bei seiner Entscheidung über die Kapitalerhöhung auch über einen Ausschluss des Bezugsrechts zu entscheiden.2625 ___________ 2622 2623 2624
2625
Für die Kapitalherabsetzung Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, 2004, S. 385. Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 33. Zum Ausschluss des Bezugsrechts bei Genussrechten BGHZ 120, 141. Der Entscheidung des BGH, wonach ein Ausschluss keiner sachlichen Rechtfertigung bedarf, kann unter der Prämisse, dass die Genussrechte zum Nennbetrag ausgegeben und zurückgenommen werden, zugestimmt werden. Dazu etwa Bungert, NJW 1998, 488. Ausführlich zu den Voraussetzungen und Einzelheiten des Bezugsrechts Wiedemann, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 186, Rn. 49–63.
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§ 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss
Diese Regelungen des AktG gehen auf die europäischen Vorgaben in Art. 29 der Zweiten Richtlinie 77/791/EWG2626 zurück, wonach ein Bezugsrecht der Aktionäre im Verhältnis zu ihrer kapitalmäßigen Beteiligung besteht (Abs. 1), durch Beschluss der Hauptversammlung ausgeschlossen oder beschränkt werden kann (Abs. 4) und zudem die Möglichkeit besteht, dem über die Erhöhung des gezeichneten Kapitals beschließenden Organ die Entscheidung über einen Bezugsrechtsausschluss zu übertragen (Abs. 5).2627 Durch das Bezugsrecht wird die Beteiligungsquote des Aktionärs geschützt, da eine Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss geeignet ist, die Rechtsstellung der Minderheitsgesellschafter in vielfältiger Weise zu beeinträchtigen, insbesondere ihnen eine Sperrminorität oder Minderheitsrechte zu nehmen und damit ihren Einfluss in der Aktiengesellschaft zu schmälern. Hinzu kommt, dass sich durch eine Kapitalerhöhung der Gewinn- und Liquidationsanteil nach §§ 60 I, 271 II AktG verringert, wenn der Aktionär seine Beteiligung nicht aufstockt.2628 Umgekehrt vermag ein die neuen Anteile übernehmender Mehrheitsaktionär, seinen Einfluss in der Aktiengesellschaft auszubauen und diese in die Abhängigkeit zu führen. Aus dieser Bedeutung des Bezugsrechts für den Aktionär wird zutreffend und einhellig gefolgert, dass es vom Schutzbereich der Mitgliedschaft umfasst wird. ___________ 2626
2627 2628
Zweite Richtlinie des Rates vom 13.12.1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschaft sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EG 1977 L 26/1. Siehe zu den europäischen Wurzeln des Bezugsrechtsausschlusses Grundmann/Möslein, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, 2007, 2. Kapitel, Rn. 106 f. Zu den potentiellen Nachteilen BGH NJW 1978, 1316, 1317 (Kali + Salz): „Der Ausschluß dieses Rechts führt stets dazu, daß der Anteil der betroffenen Aktionäre am Gesellschaftsvermögen mit dem entsprechenden Gewinn- und Liquidationsanteil mindestens relativ absinkt; zugleich verschieben sich die Stimmrechtsquoten, und zwar entweder zu Lasten aller Aktionäre, wenn nur Außenstehende bezugsberechtigt sind, oder bereits im Verhältnis der bisherigen Aktionäre untereinander, wenn sich – wie im vorliegenden Fall – das Bezugsrecht auf einen oder einen Teil von ihnen beschränkt. Das kann sich unter Umständen als Verlust einer Sperrminorität oder sogar von Minderheitsrechten, wie sie z. B. in §§ 93 IV 3, 142 II, 147 I oder § 309 III AktG bestimmt sind, auswirken. Auf der anderen Seite kann die Gesellschaft bei Zuteilung der neuen Aktien an einen Großaktionär – wie hier die W-AG – von diesem abhängig werden oder eine schon bestehende Abhängigkeit sich noch verstärken. Das kann wiederum für die nicht bezugsberechtigten Aktionäre einen Kursverlust zur Folge haben. Aber auch sonst erleiden die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre häufig insofern einen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil, als der innere Wert ihrer Beteiligung, je nach den Ausgabebedingungen für die neuen Aktien, verwässert wird, ohne daß sie hierfür in Gestalt des Bezugsrechts einen unmittelbaren Ausgleich erhalten.“ Siehe auch Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 508; Bungert, WM 1995, 1, 9; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 186, Rn. 28; Lutter, ZGR 1979, 401, 403; Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 443; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 902 f. Einschränkend und aus ökonomischer Sicht nach verschiedenen Konstellationen unterscheidend Terstege, ZBB 2001, 141, 142 ff.
B. Das Bezugsrecht des Aktionärs und die Voraussetzungen für seinen Ausschluss
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Folglich greift die Aktiengesellschaft bei seinem Ausschluss in die Mitgliedschaft der hiervon betroffenen Aktionäre ein.2629
II. Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Bezugsrechtsausschluss Das Gesetz sieht nur formale Kriterien für den Beschluss der Hauptversammlung über den Bezugsrechtsausschluss vor. Nach §§ 186 IV 1, 124 I AktG (evtl. i. V. m. §§ 203 I 1, 203 II AktG) muss der geplante Bezugsrechtsausschluss im Rahmen der Einberufung der Hauptversammlung ordnungsgemäß bekannt gemacht werden, der Vorstand nach §§ 186 IV 2 AktG (evtl. i. V. m. §§ 203 I 1, 203 II AktG) einen schriftlichen Bericht über den Grund des Bezugsrechtsausschlusses vorlegen und der Beschluss nach § 186 III 2, 3 AktG von einer 3/4-Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals getragen sein.2630 Hinzu treten die ungeschriebenen materiellen Rechtmäßigkeitsanforderungen, die, wie schon unter § 4 A. I. 1. a) aa) dargestellt, für den Bezugsrechtsausschluss vom BGH in seltener Detailliertheit herausgearbeitet wurden. Die Vereinbarkeit solcher materieller Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen mit den europarechtlichen Vorgaben in Art. 29 der Zweiten Richtlinie wird einhellig bejaht. Dessen Regelungen sperren strengere inhaltliche Maßstäbe für den Ausschluss des Bezugsrechts nicht, da dieser Fragenkreis von der Richtlinie nicht abschließend geregelt wird.2631 ___________ 2629
2630
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Siehe BVerfGE 100, 289, 302 = NJW 1999, 3769, 3770: „Die vermögensrechtliche Stellung ist in dem gesetzlichen Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er zur Verteilung kommt, in dem Recht zum Bezug neuer Aktien bei Kapitalerhöhungen sowie dem Recht auf Teilnahme an dem Liquidationserlös begründet.“ Teils wörtlich, zumindest inhaltlich auch BGH NJW 1978, 1316, 1317 (Kali + Salz); Baums, WM 2001, 1843, 1844; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 508 f.; Cahn, ZHR 164 (2000), 113, 123; Liebert, Der Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen von Aktiengesellschaften, 2003, S. 82. Im Einzelnen zu den formellen Anforderungen Liebert, Der Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen von Aktiengesellschaften, 2003, S. 47–54; Peifer, in: MünchKomm.-AktG, Stand 2005, § 186, Rn. 59–70; Wiedemann, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 186, Rn. 108–133; knapp auch Bungert, NJW 1998, 488. Zur Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit Art. 29 der Zweiten Richtlinie EuGH Rs. C-42/95 Siemens/Nold, Slg. 1996, I-6017 = NJW 1997, 721. Ausführlich zu dieser Frage Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, Rn. 359–361, dort auch zu der Feststellung, dass umgekehrt eine Inhaltskontrolle europarechtlich nicht geboten ist. Siehe jedoch auch zu der Aussage, dass eine Inhaltskontrolle bei Bezugsrechtsausschlüssen bei Sachkapitalerhöhungen schon im europäischen Recht, nämlich in dessen allgemeinem Gleichbehandlungsgebot angelegt sei, Grundmann/Möslein, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, 2007, 2. Kapitel, Rn. 107. Vgl. auch Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 509 f.; Kindler, ZGR 1998, 35, 42–50; Liebert, Der Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen von Aktiengesellschaften, 2003, S. 135–144; Hofmeister, Der erleichterte Bezugsrechtsausschluß bei Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genußrechten, 2000, S. 58–60.
668
§ 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss
Um den Eingriff in die Rechtsstellung der Aktionäre zu rechtfertigen, muss der Bezugsrechtsausschluss von einem sachlichen Grund getragen und hinsichtlich dieses Ziels geeignet und erforderlich sein. Außerdem müssen sich die Interessen der Gesellschaft an dem Bezugsrechtsausschluss gegen das Bezugsinteresse der Aktionäre durchsetzen. Der BGH spricht hierbei von der „Abwägung der Interessen und der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck“.2632 Die Anforderungen an den sachlichen Grund und seine Bedeutung im Verhältnis zu den Interessen der Aktionäre steigen nach den allgemeinen Grundsätzen mit der Intensität der Beeinträchtigung.2633 Eine Sachkapitalerhöhung nach § 183 AktG stellt nach der Rechtsprechung des BGH einen typischen Fall dar, in dem ein Bezugsrechtsausschluss gerechtfertigt werden kann. Den sachlichen Grund bildet dabei das dringende Interesse der Gesellschaft an dem Erwerb des Gegenstandes. Für die Interessenabwägung ist zudem die Erwartung von Bedeutung, dass der erworbene Gegenstand der Aktiengesellschaft und damit allen Aktionären zugute kommen wird und sich der verhältnismäßige Verlust an Beteiligungs- und Stimmrechten hierdurch aufwiegen lässt.2634 So hatte ein Bezugsrechtsausschluss Bestand, mit dem der Eintritt eines neuen Gesellschafters gesichert wurde. Dieser brachte einen wichtigen neuen Betriebszweig ein, an dessen Erwerb nach vernünftigen kaufmännischen Überlegungen ein dringendes Interesse bestand und dessen Nutzen allen Gesellschaftern zugute kam.2635 Bei Sachkapitalerhöhungen ist daher entscheidend, dass die Gesellschaft eine in freier unternehmerischer Verantwortung beschlossene, sachlich abgewogene Entscheidung trifft und die an der Entscheidung beteiligten Organe nach dem tatsächlichen Bild, wie es sich zur Zeit der Beschlussfassung bietet, aufgrund sorgfältiger, von gesellschaftsfremden Erwägungen freier Abwägung davon ausgehen dürfen, die Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen sei zum Besten der Gesellschaft und damit letztlich aller Aktionäre.2636 Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist zu ermitteln, ob die Ziele der Gesellschaft nicht auch durch eine Barkapitalerhöhung ohne Bezugsrechtsausschluss erreicht werden können,2637 indem etwa das der Sachkapitalerhöhung zugrunde liegende oder ein vergleichbares Unter___________ 2632
2633 2634 2635
2636 2637
BGH NJW 1978, 1316, 1317 (Kali + Salz). Zurückhaltender noch BGHZ 33, 175, 186, wonach der Ausschluss nicht im freien Ermessen der Mehrheit lag, sondern sachlich berechtigt sein musste und nicht den Charakter der Willkür tragen durfte. So für den Bezugsrechtsausschluss auch ausdrücklich Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 186, Rn. 28. BGHZ 71, 40, 44 = BGH NJW 1978, 1316, 1317 (Kali + Salz). BGHZ 71, 40, 46 (Kali und Salz). Zu den Anwendungskriterien im Einzelnen ausführlich Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 186, Rn. 29–35; Peifer, in: MünchKomm.-AktG, Stand 2005, § 186, Rn. 90–98; Wiedemann, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 186, Rn. 145. Siehe auch Liebert, Der Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen von Aktiengesellschaften, 2003, S. 87–109. So wörtlich BGH NJW 1978, 1316, 1317 (Kali + Salz). BGH NJW 1978, 1316, 1317 (Kali + Salz); BGH NJW 1982, 2444, 2445 (Holzmann); Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 447.
B. Das Bezugsrecht des Aktionärs und die Voraussetzungen für seinen Ausschluss
669
nehmen mit den durch eine reguläre Barkapitalerhöhung erzielten Mitteln angeschafft wird. Außerhalb von Sachkapitalerhöhungen wurde eine Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss gebilligt, mit der das Ziel verfolgt wurde, der Gesellschaft den Zugang zu neuen Börsenplätzen zu eröffnen und damit Anleger im Ausland zu gewinnen. Die einschränkende Maßgabe lautete dabei, dass die aus der Kapitalerhöhung hervorgegangenen Aktien breit gestreut anzubieten und der Ausgabekurs an den aktuellen Börsenpreis anzulehnen war.2638 In einem anderen Fall wurde es als Rechtfertigung anerkannt, dass durch den Bezugsrechtsausschluss der Einfluss einer Aktionärsgruppe gemindert werden sollte, welche die Gesellschaft kontrollieren und letztlich vernichten wollte.2639 Diese Grundsätze der Rechtsprechung haben in der Literatur überwiegend Zustimmung gefunden.2640 Betont wird dabei häufig der auch in der BGH-Rechtsprechung verankerte und nach der hier vertretenen Konzeption beachtliche Grundsatz, wonach der Gesellschaft ein unternehmerischer Ermessensspielraum einzuräumen sei, der die Überprüfungsdichte des Bezugsrechtsausschlusses beeinflusse.2641 Vereinzelt wird jedoch dem Ansatz des BGH, wonach der Bezugesrechtsausschluss im Regelfall und nicht lediglich ausnahmsweise einen schweren Eingriff in die Mitgliedschaft des Aktionärs darstelle, widersprochen. Der durchschnittliche Anlegeraktionär werde unter der Voraussetzung, dass die unter Bezugsrechtsausschluss ausgegebenen Aktien dem Börsenkurs entsprechen, nicht in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt. Die für den typischen Anlegeraktionär einer Publikumsgesellschaft allein ausschlaggebenden vermögensrechtlichen Aspekte seiner Beteiligung seien von einem derartigen Bezugsrechtsausschluss nicht betroffen. Diese Vermögensorientierung spiegele sich etwa in den §§ 255 II, 243 II 1 AktG wider. Daher bleibe für eine materielle Beschlusskontrolle kein Raum, sondern vielmehr sei nur eine Maßnahme im Verbandsinteresse zu fordern und im Einzelfall der Aktionär mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs zu hören.2642 ___________ 2638 2639 2640
2641
2642
BGHZ 125, 239, 242 ff. (Deutsche Bank). BGHZ 33, 175, 186. Zu den Fragen des Konzerneingangsschutzes siehe unter § 14 E. So etwa Lutter, ZGR 1979, 401; Hamann, Minderheitsschutz beim Squeeze-out-Beschluss, 2003, S. 75; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2003, S. 283; Hommelhoff, ZHR 151 (1987), 493, 507–509; Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 442–451; Peifer, in: MünchKomm.-AktG, Stand 2005, § 186, Rn. 73; Schwark, FS Claussen, 1997, S. 357, 367 f.; Wiedemann, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 186, Rn. 134–147; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 155 ff. Martens, FS R. Fischer, 1979, S. 437, 448; Peifer, in: MünchKomm.-AktG, Stand 2005, § 186, Rn. 73. Zum Stellenwert des unternehmerischen Ermessensspielraums bei der inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle unter § 4 A. III. 4. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 310 ff. Siehe auch Kindler, ZGR 1998, 35, 52 (reine Zweckmäßigkeitsprüfung ausreichend); Kübler, ZBB 1993, 1, 7; ders., AG 1994, 141, 146 f. Dezidiert dagegen Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 530. Bezzenberger, ZIP 2002, 1917, 1924–1929, schlägt demgegenüber vor, nach Bezugsrechtsausschlüssen zugunsten neu eintretender Dritter (dann bloße Missbrauchskontrolle) und zugunsten des Mehrheitsaktionärs (dann inhaltliche Rechtfertigungskontrolle) zu unterscheiden.
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§ 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss
Dem ist, wie sogleich unter III. näher zu begründen sein wird, (nur) für die börsennotierte Aktiengesellschaft beizutreten.
III. Einschränkung der Kriterien für das genehmigte Kapital und für börsennotierte Gesellschaften 1. Die Grundsätze bei Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital Die für die reguläre Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts aufgestellten Grundsätze wendete der BGH zunächst auch auf den Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital an. Der BGH bewertete die dabei für die Aktionäre auftretenden Gefahren als ebenso gravierend wie bei der regulären Kapitalerhöhung. Daraus schloss er, dass eine Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital nur möglich sein soll, wenn „bei Erteilung der Ermächtigung nach der gegenwärtigen Lage der Gesellschaft und dem Stand der Pläne für ihre Zukunft konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, es könnte sich innerhalb der dem Vorstand eingeräumten Frist als notwendig und auch im Hinblick auf die Interessen der betroffenen Aktionäre als vertretbar erweisen, bei der Ausgabe neuer Aktien das Bezugsrecht auszuschließen“. Anderenfalls solle eine derartige Ermächtigung ausscheiden und vielmehr der Vorstand nur in der Satzung zu einer gewöhnlichen Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechtsausschluss nach § 202 II AktG ermächtigt werden können.2643 Diese aktionärsfreundliche Linie wurde für den Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital im weiteren Verlauf der BGH-Rechtsprechung eingeschränkt.2644 In ausdrücklicher Abkehr von seiner Rechtsprechung in der Holzmann-Entscheidung stellte der BGH zuletzt klar, bei einem Bezugsrechtsausschluss bereits zum Beschlusszeitpunkt die sachlichen Gründe im Gesellschaftsinteresse zu fordern, lähme die Gesellschaft und ermögliche Bezugsrechtsausschlüsse beim genehmigten Kapital nur bei unmittelbarer zeitlicher Nähe zu der Kapitalerhöhung.2645 Die Hauptversammlung soll daher nach den jüngeren Urteilen des BGH nur noch die Verpflichtung treffen, anhand der bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung verfügbaren Informationen zu prüfen, ob ein Bezugsrechtsausschluss voraussichtlich im Interesse der Gesellschaft liegen wird. Die konkrete Prüfung anhand aller dann bekannten Umstände obliegt dem Vorstand zu dem Zeitpunkt, zu dem er von der Ermächtigung der Hauptversammlung, unter Aus___________ 2643 2644
2645
BGH NJW 1982, 2444, 2445 (Holzmann). Zutreffend kommen auch Bungert, NJW 1998, 488, 492; Kindler, ZGR 1998, 35, 65 (siehe dort vor allem zu dem Hinweis, dass die Begründung auch auf den Normzweck der §§ 202 ff. AktG gestützt wird) zu dem Schluss, dass der BGH nur zum Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital, nicht jedoch bei der direkten Bar- und Sachkapitalerhöhung Stellung genommen hat. BGH NJW 1997, 2815, 2816 (Siemens/Nold).
B. Das Bezugsrecht des Aktionärs und die Voraussetzungen für seinen Ausschluss
671
schluss des Bezugsrechts eine Kapitalerhöhung zu beschließen, Gebrauch macht. Dabei verpflichtet der BGH auch den Vorstand nur noch auf das Gesellschaftsinteresse, spricht jedoch nicht mehr, wie noch im Kali + Salz-Urteil, von einer Abwägung des Gesellschaftsinteresses mit den Interessen der Aktionäre.2646 Dieser Rechtsprechungsumschwung ist entgegen der Mehrheit der Äußerungen in der Literatur2647 als missglückt zu bewerten. Diese Ablehnung betrifft nicht etwa den von der Literatur begrüßten Umstand, dass der BGH die Hauptversammlung aus der Pflicht entlassen hat, bei ihrer mitunter weit im Vorfeld der Kapitalerhöhung getroffenen Entscheidung die Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschlusses im Detail vorzeichnen und eine konkrete Interessenabwägung vornehmen zu müssen. Dass diese vielmehr nur zu einer vagen Prognoseentscheidung angehalten ist, sofern keine konkretere Beurteilung möglich ist, erscheint akzeptabel, wobei im Rahmen des Möglichen auch weiterhin eine Abwägungsentscheidung angezeigt sein muss. Kritik verdient vielmehr, dass die Belange der betroffenen Aktionäre bei der konkreten Vorstandsentscheidung, die nunmehr in Kenntnis aller erforderlichen Umstände getroffen wird, außer Betracht bleiben sollen. Nach eigener Aussage ging es dem BGH darum, durch seine Rechtsprechungsänderung die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, unter Einsatz der Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts Marktchancen zum Vorteil der Gesellschaft rasch und flexibel ausnutzen zu können.2648 Das wird mit einer Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf den Vorstand durchaus erreicht und ist insoweit auch zu begrüßen. Dass hierzu aber auch eine Verringerung des Prüfungsmaßstabes erforderlich wäre, ist hingegen nicht erkennbar. Es wäre nur konsequent gewesen, wenn der BGH nunmehr den Vorstand zu einer Prüfung von Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit des Bezugsrechtsauschlusses verpflichtet hätte. Nur ein derartiger Prüfungsmaßstab passt sich auch in das hier zugrunde gelegte Konzept ein, wonach auch der Vorstand bei Eingriffen in den Schutzbereich der Mitgliedschaft einer inhaltlichen Rechtfertigung bedarf.2649 Unter dieser Voraussetzung ist es auch akzeptabel, dass der betroffene Aktionär regelmäßig nicht gegen den Hauptversammlungsbeschluss, sondern das Vorstandshandeln vorgehen muss, wofür die unter § 6 A. beschriebenen Grundsätze gelten. Vor allem kann er im Wege der vorbeugenden Unterlassungsklage und der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO gerichtlichen Rechtsschutz suchen.2650 Hingegen kann der Hauptver___________ 2646
2647 2648 2649
2650
BGH NJW 1997, 2815, 2816 (Siemens/Nold). Zu einer abweichenden Auslegung der Urteile Liebert, Der Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen von Aktiengesellschaften, 2003, S. 47–54 und 177–183. Positiv äußern sich etwa Kindler, ZGR 1998, 35, 50 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 905. BGH NJW 1997, 2815, 2816 (Siemens/Nold). Für einen Gleichlauf der Kriterien bei Hauptversammlung und Vorstandshandeln dezidiert auch Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 539; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 104–107, 120, 125. Zu den Feststellungs- und Unterlassungsklagen des Aktionärs gegen den Vorstand in den Fällen des Bezugsrechtsausschlusses BGH NJW 2006, 374, 375 (Mangusta/Commerzbank
672
§ 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss
sammlungsbeschluss nur angefochten werden, wenn schon zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Hauptversammlung ersichtlich war, dass auch zum späteren Zeitpunkt der Vorstandsentscheidung kein Interesse der Gesellschaft an dem Bezugsrechtsausschluss bestehen oder die Beeinträchtigung der Aktionäre außer Verhältnis zu diesem stehen wird. Beweisrechtlich hat für Anfechtungsklagen und Klagen gegen das Vorstandshandeln gleichermaßen zu gelten, dass die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der Bezugsrechtsausschluss rechtmäßig ist.2651 Nach den allgemeinen Grundsätzen (dazu oben § 4 B. II.) bedarf ein Gesellschafterbeschluss, der in die Mitgliedschaft der Aktionäre eingreift, besonderer Rechtfertigung. Beim Bezugsrechtsausschluss ist dies nicht anders, da die sachliche Rechtfertigung den Stellenwert einer Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einnimmt. Hinzu kommt die praktische Überlegung, dass dem Aktionär die zur Beurteilung erforderlichen Informationen kaum zugänglich sind.2652 Der Kläger hat daher im Regelfall nur vorzutragen, dass er Aktionär ist und eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts stattfindet.2653 Anderes gilt nur, wenn die widerlegliche Vermutung des § 186 III 4 AktG eingreift. In diesem Fall hat der Kläger die Widerrechtlichkeit des Bezugsrechtsausschlusses zu beweisen.2654 Dabei gilt für alle Gestaltungen wie stets, dass das unternehmerische Beurteilungsermessen der Gesellschaft zu beachten ist. Liegen dem Gericht alle erheblichen Tatsachen vor, gelingt es jedoch nicht, einen von der Gesellschaft zugrundegelegten Erfahrungssatz als unvertretbar zu verwerfen, obsiegt die Gesellschaft.2655 ___________
2651
2652
2653 2654 2655
II), insb. „Angesichts der Lockerung der präventiven Schranken bei der Erteilung der Ermächtigung muss danach sichergestellt sein, dass im Rahmen der Ausübung der Ermächtigung eine angemessene, systemkonforme gerichtliche Kontrollmöglichkeit zur Verfügung steht; diese besteht – neben der im Hinblick auf das Zeitmoment nur beschränkt möglichen (vorbeugenden) Unterlassungsklage – vornehmlich in der allgemeinen Feststellungsklage gem. § 256 ZPO.“ BGH NJW 1997, 2815, 2816 (Siemens/Nold); Cahn, ZHR 164 (2000), 113, 116–118; Kindler, ZGR 1998, 35, 66 f.; Liebert, Der Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen von Aktiengesellschaften, 2003, S. 276–279. Im Ansatz a. A. BGH NJW 1978, 1316, 1318 f. (Kali + Salz), i. E. jedoch vergleichbar. Danach soll der einen Hauptversammlungsbeschluss anfechtende Gesellschafter – nach Aussage des BGH wie auch sonst – den sachlichrechtlichen Mangel als Klagegrundlage zu beweisen haben. Angesichts der Schwierigkeit, als Aktionär einen solchen Beweis zu führen, sowie der Tatsache, dass die Gesellschaft über alle zur Klärung erforderlichen Unterlagen und Informationen verfügt, sei es jedoch Sache der Gesellschaft, die für die angefochtene Entscheidung maßgebenden Gründe im Einzelnen darzulegen, die der Anfechtungskläger dann gegebenenfalls zu widerlegen habe. Zu beiden Aspekten Wiedemann, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 186, Rn. 188; ders., ZGR 1980, 147, 158; i. E. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 186, Rn. 38; Lutter, ZGR 1979, 401, 413; Peifer, in: MünchKomm.-AktG, Stand 2005, § 186, Rn. 81; Zöllner, AG 2002, 585, 587 f. Peifer, in: MünchKomm.-AktG, Stand 2005, § 186, Rn. 81. Wiedemann, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 186, Rn. 188; vgl. auch Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 512. Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 509; Lutter, ZGR 1979, 401, 414.
B. Das Bezugsrecht des Aktionärs und die Voraussetzungen für seinen Ausschluss
673
2. Ausnahmen bei börsennotierten Aktiengesellschaften Lediglich bei börsennotierten Aktiengesellschaften erübrigt sich nach den allgemeinen Grundsätzen eine Berücksichtigung der Aktionärsinteressen.2656 Hier ist es in der Tat ausreichend, dass der Entscheidungsträger im Gesellschaftsinteresse tätig wird. Auch kann dadurch dem verbreiteten Ruf nach einer Entschärfung der Kali + Salz-Kriterien, um der Gesellschaft in Übernahmeschlachten eine flexiblere Handhabung des Bezugsrechtsausschlusses zu ermöglichen,2657 Rechnung getragen werden, da Übernahmeschlachten um börsennotierte Aktiengesellschaften geführt werden. Auch die wenig einleuchtende Unterscheidung nach regulären Bezugsrechtsausschlüssen und Ausschlüssen beim genehmigten Kapital2658 erübrigt sich bei einer Ausnahmeregelung für börsennotierte Aktiengesellschaften. Dieser Ansatz geht zudem auch in die Richtung des Gesetzgebers, der für die Ausnahme in § 186 III 4 AktG (beim genehmigten Kapital i. V. m. §§ 203 I 1, 203 II 2 AktG) ebenfalls an die Börsennotierung anknüpft. Danach besteht bei Barkapitalerhöhungen eine widerlegliche Vermutung dafür, dass ein Bezugsrechtsausschluss materiell rechtmäßig ist, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen 10% des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet.2659 Richtigerweise ist für die Unterscheidung, ob eine Interessenabwägung stattfinden muss, daher nach notierten und nicht-notierten Aktiengesellschaften zu unterscheiden, während es nur insoweit von Belang ist, ob es sich um eine reguläre Kapitalerhöhung oder um genehmigtes Kapital handelt, als im ersten Fall die Hauptversammlung, im zweiten der Vorstand die konkrete Abwägung im Einzelfall trifft und sich die Abwehransprüche der Aktionäre gegen die den Bezugsrechtsausschluss konkret aussprechende Entscheidung richten.
___________ 2656 2657 2658
2659
Für eine Beschränkung der Vereinfachungen auf die börsennotierte Aktiengesellschaft auch Drygala, AG 2001, 291, 298. Siehe etwa Bungert, NJW 1998, 488, 492. Insoweit nochmals der Hinweis auf den ursprünglichen und zutreffenden Standpunkt des BGH in BGH NJW 1982, 2444 (Holzmann): „(. . .) der Eingriff in die mitgliedschafts- und vermögensrechtliche Stellung der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre, um dessentwillen eine besondere sachliche Rechtfertigung notwendig ist, wiegt nicht minder schwer, wenn anstelle der Hauptversammlung die Verwaltung über den Ausschluß des Bezugsrechts entscheidet“. Näher zu dieser Ausnahmebestimmung und ihren Voraussetzungen, vor allem dem Streit um die Widerleglichkeit der Vermutung, Hirte, ZIP 1994, 356, 359; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 186, Rn. 39e; Liebert, Der Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen von Aktiengesellschaften, 2003, S. 151–161; Lutter, AG 1994, 429, 443; Peifer, in: MünchKomm.AktG, Stand 2005, § 186, Rn. 88; Wiedemann, in: Großkomm.-AktG, Stand 1995, § 186, Rn. 148–153; zu Recht kritisch Zöllner, AG 1994, 336, 341.
674
§ 15 Minderheitsschutz bei Kapitalveränderungen und Bezugsrechtsausschluss
IV. Das Bezugsrecht des GmbH-Gesellschafters und sein Ausschluss Im GmbH-Recht ist das Bezugsrecht und sein Ausschluss ungeregelt. § 55 II GmbHG erwähnt, dass Stammeinlagen von den bisherigen Gesellschaftern oder anderen Personen übernommen werden können, und § 55a GmbHG sieht die gesellschaftsvertragliche Ermächtigung an die Geschäfstführer vor, Kapitalerhöhungen vorzunehmen. Die Voraussetzungen eines Bezugsrechtsausschlusses der bestehenden Gesellschafter sind demgegenüber ungeregelt. Zugleich besitzt der GmbH-Gesellschafter ebenso wie der Aktionär ein Interesse daran, seine Beteiligungsquote zu erhalten. Wegen der regelmäßig personalistisch geprägten Struktur der GmbH ist dieses Interesse häufig sogar stärker als das des Aktionärs.2660 Daraus ist zu folgern, dass ein Kapitalerhöhungsbeschluss den klagbaren Anspruch jedes Gesellschafters begründet, im Rahmen seiner bisherigen Beteiligung das erhöhte Kapital übernehmen zu dürfen, so dass nur die danach freien Stammeinlagen von anderen Gesellschaftern oder Dritten übernommen werden können. Bestimmt ein Kapitalerhöhungsbeschluss hingegen eine andere Verteilungsordnung, bedarf dies der sachlichen Rechtfertigung.2661 Dabei finden die zur Aktiengesellschaft entwickelten Grundsätze Anwendung. Da es an einer Regelung zum genehmigten Kapital im GmbH-Recht fehlt, bleibt es bei den Grundsätzen der Kali + Salz-Rechtsprechung.2662 Das gilt auch für die Entscheidung der Geschäftsführer beim genehmigten Kapital nach § 55a GmbHG.2663
C. Zusammenfassung C. Zusammenfassung
I. Kapitalerhöhungsbeschlüsse bedürfen regelmäßig keiner inhaltlichen Rechtfertigung, da sie nicht mit einem Eingriff in die Rechtsstellung der Aktionäre einhergehen. Dass ein Aktionär gezwungen ist, Kapital nachzuscheißen, wenn er seine bisherige Quote beibehalten möchte, stellt einen faktischen Nachteil, nicht aber einen Eingriff in die Mitgliedschaft dar. Nichts anderes gilt in der GmbH, es sei denn, schon zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ist erkennbar, dass die realistische Gefahr einer erheblichen Ausfallhaftung nach § 34 GmbHG besteht. Der Ausgabebetrag muss dem wirklichen Wert der Anteile entsprechen, und zwar entgegen h. M. auch dann, wann das Bezugsrecht der Altgesellschafter nicht ausgeschlossen ist, es sei denn, alle Altgesellschafter beziehen neue Anteile in der ___________ 2660 2661 2662
2663
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1174 f.; vgl. auch Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 55, Rn. 22. Zu allem Vorstehenden K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1175. Hirte, Großkomm.-AktG, Stand 2001, § 202, Rn. 18; Hachenburg/Ulmer, Band III, 8. Aufl. 1997, § 55, Rn. 39 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 55, Rn. 22; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 448; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 55, Rn. 26 f.; Priester, DB 1980, 1925, 1928 ff. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 55a, Rn. 23.
C. Zusammenfassung
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Höhe ihrer bisherigen Quote. Anderenfalls tritt bei den Altgesellschaftern, die ihre Beteiligung nicht aufstocken, ein Wertverlust ein, der einen Eingriff in die Mitgliedschaft darstellt. Dieser ist nach den allgemeinen Grundsätzen rechtfertigungsbedürftig, so dass es darauf ankommt, ob zwingende und überwiegende Gründe im Gesellschaftsinteresse vorliegen. II. Auch für die nominelle Kapitalerhöhung gilt in der Aktiengesellschaft und GmbH, dass ein entsprechender Beschluss rechtfertigungsfrei ist. Die effektive Kapitalherabsetzung fällt als Desinvestitionsentscheidung in den prüfungsfreien Bereich der Stimmrechtsausübung. Eine Ausnahme greift nur ein, soweit die Zweckverfolgung unmöglich oder erschwert wird. Gleiches gilt im Grundsatz für die nominelle Kapitalherabsetzung nach §§ 222 ff. AktG. Soweit bei einer Zusammenlegung von Aktien nur Spitzen verblieben und nur durch den Erwerb neuer Aktien die Mitgliedschaft überhaupt erhalten werden kann, liegt ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff vor. Bei einer Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung muss das Grundkapital der Aktiengesellschaft tatsächlich auf Null herabgesunken sein und bei der anschließenden Kapitalerhöhung nach bester Möglichkeit den Altgesellschaftern ein Verbleib in der Gesellschaft ermöglicht werden. In den Personengesellschaften wird der Minderheitsschutz durch den Einstimmigkeitsgrundsatz gewährleistet. Genügt in Abweichung davon ein Mehrheitsbeschluss, gelten die für die Kapitalgesellschaften dargestellten Grundsätze. III. Durch das Bezugsrecht wird die Beteiligungsquote des Aktionärs geschützt. Wird es ausgeschlossen, liegt ein Eingriff in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung vor. Beim genehmigten Kapital erübrigt sich die Rechtmäßigkeitsprüfung keineswegs, sondern verlagert sich entgegen h. M. auf den Vorstandsbeschluss. Lediglich bei börsennotierten Aktiengesellschaften erübrigt sich nach den allgemeinen Grundsätzen eine Berücksichtigung der Aktionärsinteressen. Hier ist es ausreichend, dass der Entscheidungsträger im Gesellschaftsinteresse tätig wird. In der GmbH gilt gleichermaßen, dass ein Bezugsrechtsausschluss einer inhaltlichen Rechfertigung bedarf.
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A. Das Gewinnbezugsrecht des Gesellschafters
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§ 16 Minderheitsschutz bei der Gewinnverwendung
§ 16 Minderheitsschutz bei der Gewinnverwendung A. Das Gewinnbezugsrecht des Gesellschafters
A. Das Gewinnbezugsrecht des Gesellschafters In allen Gesellschaften wird der Jahresabschluss von der Geschäftsleitung aufgestellt. Daran schließt sich seine Feststellung an. In der Aktiengesellschaft wird diese nach §§ 172 S. 1, 173 AktG in der Regel vom Vorstand und Aufsichtsrat, nur ausnahmsweise von der Hautversammlung vorgenommen. In der GmbH stellt die Gesellschafterversammlung nach § 42 a II 1 GmbHG den Jahresabschluss (nach § 47 I GmbHG mit einfacher Stimmenmehrheit) fest.2664 In den Personengesellschaften handelt es sich bei der Feststellung um ein Grundlagengeschäft, dem daher alle Gesellschafter, Komplementäre wie Kommanditisten, zustimmen müssen.2665 Durch diese Feststellung wird der Abschluss für verbindlich erklärt, ein konkreter Gewinnanspruch des einzelnen Gesellschafters aber noch nicht begründet. Vielmehr bedarf es hierzu eines weiteren Willensaktes der Gesellschafter. Nach §§ 58 IV AktG, 29 II GmbHG steht der Gewinnanspruch des Gesellschafters unter dem Vorbehalt der anderweitigen Verwendung des Jahresüberschusses nach Gesetz, Satzung oder den Bestimmungen des Gewinnverwendungsbeschlusses im Sinne von §§ 174 AktG, 29 II GmbHG. Die Gesellschafterversammlung kann danach mit einfacher Mehrheit beschließen, den Gewinn in Rücklagen einzustellen, vorzutragen oder auszuschütten. Erst dieser Gewinnverwendungsbeschluss begründet den Gewinnauszahlungsanspruch des einzelnen Gesellschafters.2666 Gleiches gilt in den Personengesellschaften, in denen der Gesellschaftsvertrag von der vom Gesetz vorgesehenen 4%-Regel und der Verteilung nach Köpfen (§§ 121 I, III HGB, 722 I BGB) regelmäßig abweicht und vorsieht, dass Teile des Gewinns in offene Reserven einzustellen sind. Im Übrigen beschließen die Gesellschafter über die Gewinnverwendung durch Beschluss, der einstimmig, bei entsprechender Bestimmung im Gesellschaftsvertrag mehrheitlich zu fassen ist.2667 ___________ 2664 2665 2666 2667
Hommelhoff, ZGR 1986, 418, 419. Auch für die Kommanditisten nunmehr allg. Ansicht, BGH NJW 1996, 1678; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 381 m. w. N. Allg.M., Bork/Oepen, ZGR 2002, 241, 243 m. w. N. Die Feststellung der Bilanz ist damit zwar Voraussetzung für den Gewinnanspruch des Gesellschafters, siehe BGH NJW 1981, 2563 (für die BGB-Gesellschaft); Gummert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, 2004, § 15, Rn. 34, führt aber nur dann zu einer Ausschüttung an die Gesellschafter, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss dieses
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B. Inhaltliche Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Gewinnverwendung B. Inhaltliche Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Gewinnverwendung
I. Das Gewinnbezugsrecht als Bestandteil des Schutzbereichs der Mitgliedschaft Das Gewinnbezugsrecht zählt zu den wichtigsten vermögensrechtlichen Ansprüchen des Gesellschafters.2668 Der Anspruch wurzelt als abstraktes Recht in der Mitgliedschaft, reift jedoch, wie soeben dargestellt, erst durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu einem konkreten Zahlungsanspruch.2669 Der Gewinnerzielungsanspruch des Gesellschafters stellt nicht lediglich eine bloße Exspektanz dar, die vom Schutzbereich der Mitgliedschaft nicht erfasst wäre, sondern einen der wesentlichen Bestandteile der geschützten Rechtsstellung des Gesellschafters.2670 Jedenfalls in den Personengesellschaften besteht daher ein von der Mitgliedschaft umfasster Anspruch darauf, dass der nicht durch Gesetz oder Gesellschaftsvertrag gebundene Gewinn an die Gesellschafter ausgeschüttet wird.2671 Dass dies im Ergebnis auch in der GmbH, in der Aktiengesellschaften hingegen nur bedingt gilt, wird unter III. darzustellen sein.
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vorsieht, vgl. Schulte, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 14, Rn. 20; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, 2004, S. 380; ders., WM 1992, SB 7, 1, 31 f. Zu Abweichungen von der dispositiven Gesetzeslage Gummert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, 2004, § 15, Rn. 17 und 20; Schulte, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 14, Rn. 2, 9, 11 f. Zur Erzwingung der Feststellung des Jahresabschluss und einer Entscheidung über die Ergebnisverwendung Zöllner, ZGR 1988, 392, 416–420. Siehe nur Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 30. BGH NJW 1996, 1678, 1679; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 29, Rn. 42, 48 f.; Wellkamp, Aktionärsschutz, 1998, S. 102. Die Aussagen von BVerfG NJW-RR 2000, 842, 843 (Hartmann u. Braun/Mannesmann) zur übermäßigen Gewinnthesaurierung bei Unternehmensverträgen sind durchaus verallgemeinerungsfähig: „Der (. . .) für die Minderheitsaktionäre einhergehenden Gefahr einer übermäßigen Gewinnthesaurierung bei der herrschenden Gesellschaft kann aus verfassungsrechtlicher Sicht (. . .) nicht das Argument entgegengehalten werden, die Abhängigkeit der Minderheitsaktionäre von der Dividendenpolitik der Obergesellschaft entspreche dem üblichen wirtschaftlichen Risiko (. . .). Das wirtschaftliche Risiko, auf das sich ein Minderheitsaktionär einlässt, wenn er sich für den variablen Ausgleich entscheidet, besteht darin, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe das herrschende Unternehmen Gewinn macht. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Gewinn ausgeschüttet oder zur Selbstfinanzierung einbehalten wird. Das ist keine Frage wirtschaftlichen Risikos, sondern der Willensbildung der herrschenden Gesellschaft, auf die der Minderheitsaktionär der abhängigen Gesellschaft regelmäßig keinen Einfluss hat“. Dazu BGH NJW 1996, 1678, 1681 (für die KG): „Ein allgemeiner Vorrang der Thesaurierungsinteressen der Gesellschaft vor den Ausschüttungs- und Entnahmeinteressen der Gesellschafter besteht nicht (. . .). Das Gesetz geht vielmehr generell von einem Vollausschüttungsanspruch des Gesellschafters aus.“ Siehe auch Zöllner, ZGR 1988, 392, 418 f.
B. Inhaltliche Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Gewinnverwendung
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Da die Satzung den Schutzbereich der Mitgliedschaft mitbestimmt,2672 stellt jedoch eine an deren Vorgaben orientierte Thesaurierung keinen Eingriff dar. Für Satzungsänderungen, von denen die Gewinnverwendung betroffen wird, ist, das entspricht den allgemeinen Grundsätzen, zu fordern, dass diese im Interesse der Gesellschaft liegen und die Gesellschafter nur im erforderlichen und angemessenen Maß beeinträchtigen.2673 Der Gleichheitsgrundsatz ist streng zu beachten und ein ihm widersprechender Verteilungsschlüssel nur mit Zustimmung der Betroffenen möglich. Gleiches gilt, wenn das Gewinnbezugsrecht dauerhaft ausgeschlossen wird, schon alleine wegen der damit verbundenen Zweckänderung.2674 Zu beachten ist auch, dass gegen den Willen einzelner Gesellschafter, aber im Interesse der Gesellschaft zwingend gebotene Satzungsänderungen bei besonderer Härte ein Austrittsrecht des Gesellschafters begründen, er auf dieses aber nur verwiesen werden kann, wenn der Abfindungsanspruch auch durchsetzbar ist. Wiederum bedingen sich die Wertungen, die innerhalb der Prüfung von Inhalt der beschlossenen Maßnahme einerseits und den Voraussetzungen des Austrittsrechts andererseits zu beachten sind, gegenseitig.
II. Der Eingriff durch den mehrheitlich gefassten Gewinnverwendungsbeschluss Die Entscheidung über die Gewinnverwendung einem (mehrheitlich zu fassenden) Beschluss der Gesellschafter zu überantworten, bringt die Gefahr für den Minderheitsgesellschafter mit sich, in seiner Renditeerwartung enttäuscht und durch die Mehrheit mit einer überzogenen Thesaurierungspolitik „ausgehungert“ zu werden.2675 Über Jahre hinweg Gewinne zurückzuhalten, gilt als beliebtes Mittel, Minderheitsgesellschafter zur Aufgabe ihrer Beteiligung zu bewegen und sich diese, wenn kein (funktionierender) Markt vorliegt oder die Unternehmenspolitik der Mehrheit abschreckend auf Investoren wirkt, unter Wert einzuverleiben.2676 Hiergegen hilft zwar ansatzweise, dass jeder Gesellschafter einen Anspruch gegen die Gesellschaft besitzt, dass die Geschäftsleitung den Jahrsabschluss auf___________ 2672 2673 2674 2675
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Dazu ausführlich unter § 3 D. II. Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 29, Rn. 37. Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 29, Rn. 37. Siehe auch Flume, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, Band I/2, 1983, S. 275. Bork/Oepen, ZGR 2002, 241, 243; Wellkamp, Aktionärsschutz, 1998, S. 104; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, 2004, S. 383. Da die Minderheitsgesellschafter regelmäßig nicht an der Geschäftsführung beteiligt sind und daher kein Gehalt beziehen, sind sie ganz auf die Dividende angewiesen, dazu Hommelhoff, ZGR 1986, 418, 425; Bork/Oepen, ZGR 2002, 241, 242. Dazu Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 25, Rn. 61; Schmidt-Diemitz, in: Schmidt/Riegger, Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 79, 87. Zum US-amerikanischen Recht Hamilton, Corporations including Partnerships an Limited Liablity Companies, Cases and Materials, 7th ed. 2001, p. 442; Rock/Wachter, 24 J. Corp. L. 913, 914 (1999). Siehe auch die Feststellungen unter § 2 B.
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stellt, dieser durch das zuständige Organ festgestellt und ein Gewinnverwendungsbeschluss gefasst wird.2677 Zugleich eröffnet der Gesetzgeber mit dem von §§ 29 II GmbHG, 58 III AktG vorgesehenen Gewinnverwendungsbeschluss jedoch die Möglichkeit, in das Recht auf Ausschüttung des nicht durch Gesetz und Satzung gebundenen Gewinns einzugreifen. Gewinne können nach §§ 29 II GmbHG, 58 III AktG durch Gesellschafterbeschluss und nach § 58 II, II a AktG durch Vorstandshandeln in Gewinnrücklagen eingestellt oder als Gewinnvortrag ausgewiesen werden. Auch kann die Gesellschafterversammlung nach § 29 I 2 GmbHG Gewinnrücklagen auflösen und einen Bilanzgewinn bilden oder nach § 29 IV GmbHG Wertaufholungsrücklagen bilden. Solches können auch die Gesellschafter einer Personengesellschaft beschließen.2678
III. Die Kriterien einer inhaltlichen Rechtfertigung des Gewinnverwendungsbeschlusses Die Mehrheit ist daher nicht frei in ihrer Entscheidung über die Gewinnverwendung; vielmehr vermag nur eine begründete Thesaurierungspolitik den Eingriff in die Mitgliedschaft zu rechtfertigen. Wenn das Gesetz in § 29 II GmbHG die Möglichkeit vorsieht, durch Gesellschafterbeschluss Beträge in Gewinnrücklagen einzustellen oder als Gewinn vorzutragen, bedeutet dies nach allgemeinen Grundsätzen nur, dass die Rechtsposition des Gesellschafters nicht unbeschränkt gewährt wird, sondern unter dem Vorbehalt eines rechtmäßigen Eingriffs steht. So ist die für die GmbH und Personengesellschaften einhellige, für die Aktiengesellschaft bestrittene Ansicht zu erklären, wonach ein Thesaurierungsbeschluss einer inhaltlichen Rechtfertigung bedarf (dazu sogleich unter 1. und 2.). Daraus folgt, dass ein in dem Gewinnbezugsrecht wurzelnder Auszahlungsanspruch des einzelnen Gesellschafters zweifach bedingt ist. Er steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass ein Jahresüberschuss erwirtschaftet wurde und nicht durch Gesetz oder Satzungsbestimmung einer anderweitigen Verwendung vorbehalten ist, sowie unter der auflösenden Bedingung, dass ein (nach den im Folgenden zu skizzierenden Anforderungen) rechtmäßiger Gesellschafterbeschluss den Jahresüberschuss nicht (teilweise) für Rücklagen vorsieht.2679 ___________ 2677
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Bork/Oepen, ZGR 2002, 241, 249–252; Hueck, FS Steindorff, 1970, S. 45, 53 f. (ausgenommen Anlagegesellschafter in kapitalistisch strukturierter GmbH); Schmidt-Diemitz, in: Schmidt/Riegger, Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 79, 86; Wellkamp, Aktionärsschutz, 1998, S. 105; Zätzsch/Maul, in: Müller/Rödder, Beck’sches Handbuch der AG, 2004, § 4, Rn. 253. Nochmals der Hinweis auf Schulte, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 14, Rn. 20; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 380. Damit nicht unvereinbar die Ansicht von Michalski/Salje, GmbHG, Band I, 2002, § 29, Rn. 23, das Gewinnbezugsrecht gewähre lediglich ein Anwartschaftsrecht, sofern man hierunter ein unter dem Vorbehalt rechtmäßigen Eingriffs stehendes Recht versteht.
B. Inhaltliche Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Gewinnverwendung
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Nur kurz ist auf die Rechtslage in den USA hinzuweisen. Auch dort dürfen Zuwendungen aus dem Gesellschaftsvermögen nur in einem formalisierten Ausschüttungsverfahren erfolgen.2680 Ein Anspruch des Gesellschafters entsteht erst, wenn die Dividende festgestellt wurde.2681 Auch steht der Anspruch des einzelnen Gesellschafters auf Gewinnziehung in Konkurrenz zu den Interessen der Gesellschaft an angemessener Kapitalausstattung.2682 Daher steht die Entscheidung über die Dividendenzahlung grundsätzlich auch im Ermessen der Geschäftsleitung.2683 Die Staaten sehen dabei Schwellenwerte vor, unterhalb derer eine Ausschüttung des Gesellschaftsvermögens ausgeschlossen ist.2684 Die Obergrenze für Thesaurierungen bildet hingegen nur eine rechtsmissbräuchliche Dividendenpolitik (bad faith oder abuse of discretion), unter deren Voraussetzungen die Gerichte nach den Grundsätzen der Equity (ausnahmsweise) einen angemessenen Gewinnanspruch zusprechen.2685 In den geschlossenen Gesellschaften (closely held corporations) kommen die anerkannten Pflichtbindungen hinzu, aus denen sich ein Gebot zur Ausschüttung ergeben kann.2686
1. Die Rechtmäßigkeitsanforderungen in der GmbH und den Personengesellschaften Die inhaltlichen Anforderungen an den Gewinnverwendungsbeschluss folgen in der GmbH und den Personengesellschaften im Ansatz den allgemeinen Grundsätzen. Die Bildung von Rücklagen muss im Interesse der Gesellschaft liegen und unter Berücksichtigung der Gesellschafterinteressen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Die h. M. stützt dies in beiden Gesellschaftsformen auf die Treuepflicht.2687 Danach fällt der Interessenkonflikt zwischen Gesellschaft und Gesell___________ 2680 2681
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Zu den gesetzlichen Grundlagen Del. Code Ann. tit. 8, § 170 (1998); RMBCA § 6.40. Zu den Grundsätzen der Gewinnverteilung Rock/Wachter, 24 J. Corp. L. 913, 921, Fn. 22 (1999). McNulty v. Sloane, 54 N. Y. S. 2 d 253, 260 (N. Y. 1945): “It is obvious that the right to accumulated dividends accrued by lapse of time but not declared, is not in the nature of a debt. There is no debt until the dividend has been declared”. McNulty v. Sloane, 54 N. Y. S. 2 d 253, 260 (N. Y. 1945): “The directors, before declaring any dividends, must take into consideration not only the earnings, but also the business needs, of the corporation.” Siehe auch Zidell v. Zidell, Inc., 560 P2 d 1086, 1089 (Or. 1977) (dazu schon oben unter § 2 III 5). Gottfried v. Gottfried, 73 N. Y. S. 2 d 692 (N. Y. 1947). In Kalifornien gilt eine besonders großzügige Regelung, die nicht einmal Gewinne voraussetzt: Nach Cal. Corp. Code § 500(b) darf eine Dividende ausgeschüttet werden, wenn das Gesellschaftsvermögen danach mindestens 125% der Schulden beträgt. So in Dodge v. Ford Motor Co., 170 N. W. 668 (Mich. 1919), dazu Stout, in: Macey (ed.), The Iconic Cases in Corporate Law, 2008, p. 2–11; Windbichler, 2 EBOR 795, 798 (2001). Vgl. auch Miller v. Magline, Inc., 256 N. W. 2 d 761 (Mich. 1977). Dazu Smith v. Atlantic Properties, Inc., 422 N. E. 2 d 798 (Mass. App. 1981); Zidell v. Zidell, Inc., 560 P sd 1086, 1089 (Or. 1977); vgl. auch Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N. E. 2 d 657, 662–664 (Mass. 1976). Zum Ganzen schon oben unter § 2 B. III. 5. Für die GmbH OLG Hamm DB 1991, 2477 f.; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 29, Rn. 30; Hueck, FS Steindorff, 1970, S. 45, 56; Schmidt-
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schaftern nur dann zugunsten einer Thesaurierung aus, wenn diese bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeiten übersehbaren Zeitraum zu sichern. Ziel muss es dabei sein, die wirtschaftliche Bestandsfähigkeit der Gesellschaft zu sichern und die Beurteilung nach objektivierten kaufmännischen Gesichtspunkten vorzunehmen.2688 Dieser legitime Zweck muss mit der Thesaurierung in erforderlicher und angemessener Weise verfolgt werden, was in eine umfassende Abwägung der beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse der Gesellschaft mündet.2689 Von Wichtigkeit sind dabei etwa die bisherige Kapitalausstattung, insbesondere die bereits vorhandenen Rücklagen, der Gesellschaftszweck, die Planung für die weitere Zukunft sowie die Markt- und Auftragslage.2690 Die private Finanzlage des einzelnen Gesellschafters bleibt regelmäßig unberücksichtigt, zu seinen gesellschaftsbezogenen Interessen gehört jedoch das allgemeine Interesse an einer Dividendenzahlung als Interesse an einer vernünftigen Rendite des eingesetzten Kapitals. Soweit die Dividende nach der Gesellschafterstruktur dazu dient, den Lebensunterhalt zu bestreiten, muss auch das Berücksichtigung finden.2691 Einer analogen Anwendung der in § 254 AktG genannten Zahlen in der GmbH steht die unterschiedliche Struktur von Aktiengesellschaft und GmbH entgegen.2692 Ein weit verbreiteter Vorschlag de lege ferenda geht daher dahin, einen ausschüttungspflichtigen Sockelbetrag festzusetzen bzw. den ausschüttungspflichtigen Mindestbetrag als Prozentsatz des Jahresüberschusses zu bestimmen.2693 Soweit dies mit der Möglichkeit, im Einzelfall einen höheren Thesaurierungsbedarf nachweisen zu können, kombiniert wird, ist gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden. Umgekehrt gilt nach allgemeinen Grundsätzen, dass der Gesellschafter seine Eigeninteressen nicht ohne Rücksicht auf die Gesellschaftsinteressen verfolgen ___________
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Diemitz, in: Schmidt/Riegger, Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 79, 88. Für die Personengesellschaften BGH NJW 1996, 1678, 1681; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 383; ders., WM 1992, SB 7, 1, 31. Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 29, Rn. 30; Hueck, FS Steindorff, 1970, S. 45, 57. BGH NJW 1996, 1678, 1681; Hueck, FS Steindorff, 1970, S. 45, 57; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, 2004, S. 383, und S. 383 f. zur Unterscheidung offener und stiller Rücklagen. Vgl. auch Flume, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, Band I/2, 1983, S. 275 f. Hommelhoff, ZGR 1986, 418, 450 f.; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Rn. 32; vgl. auch Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 29, Rn. 25–27. Vgl. Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 29, Rn. 32 f. Hinzu kommt, dass der dem § 254 AktG entsprechende § 42 h Reg-E BiRiLiG nie Gesetz wurde. Siehe Hommelhoff, ZGR 1986, 418, 423 f.; Hueck, FS Steindorff, 1970, S. 45, 51 und 56; Michalski/Salje, GmbHG, Band I, 2002, § 29, Rn. 40–42. Hommelhoff, ZGR 1986, 418, 427–430; Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 29, Rn. 22; Schmidt-Diemitz, in: Schmidt/Riegger, Gesellschaftsrecht 1999, 2000, S. 79, 88 f.; zur Überlegenheit einer Einzelfallprüfung unter Abwägung der beteiligten Interessen Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 31.
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darf. Das Eigeninteresse an einer (möglichst hohen) Gewinnerzielung tritt hinter die Verpflichtung, den Gesellschaftszweck zu fördern, zurück.2694 Vor allem, aber nicht nur in beherrschten Gesellschaften besteht die Gefahr, dass der Mehrheitsgesellschafter im Wege der Gewinnverwendungsbeschlüsse der Gesellschaft Kapital entzieht, das zur Sicherung einer weiteren erfolgreichen Zweckverfolgung notwendig ist. Die Darlegungs- und Beweislast hängt von den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ab. Soweit dieser keine Regelung enthält oder eine Vollausschüttung vorsieht und die Gesellschafter hiervon mit (eventuell vertragsändernder) Mehrheit abweichen wollen, liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Situation der Gesellschaft eine Thesaurierung gebietet, bei der Gesellschaft. Im umgekehrten Fall, in dem der Gesellschaftsvertrag Vorsorge für Rücklagenbildungen trifft, muss der Gesellschafter darlegen und beweisen, dass ihn eine daran orientierte Gewinnverwendung unverhältnismäßig und unzumutbar trifft.2695 Dies entspricht den hier vertretenen allgemeinen Grundsätzen (dazu unter § 4 B.).2696
2. Die Rechtslage in der Aktiengesellschaft In der Aktiengesellschaft versucht das Gesetz, die gegensätzlichen Interessen des Vorstands, der als Sachwalter des Gesellschaftsinteresses tätig wird, und der Aktionäre durch §§ 58 II 1, 60 II 1 AktG zu lösen. Die Verwaltung kann danach von vornherein 50% des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einstellen. Der Hauptversammlung ist nur die Entscheidung über den verbleibenden Betrag überantwortet. Außerdem regelt § 254 AktG den besonderen Anfechtungsgrund übermäßiger Gewinneinbehaltung. Die Bestimmung betrifft die Fälle des § 58 III AktG, also die Dotierung von Gewinnrücklagen oder den Gewinnvortrag im Gewinnverwendungsbeschluss. Das Anfechtungsrecht des Aktionärs wird im Anwendungsbereich des § 254 AktG stark beschränkt. Dieser bezieht sich auf die Fälle, in denen ohne wirtschaftliche Notwendigkeit eine Thesaurierungspolitik betrieben wird, durch die das Gewinnbezugsrecht der Aktionäre unter einen Anteil von 4% des Grundkapitals absinkt.2697 Hinzu treten die qualifizierten Annfechtungsvoraussetzungen des § 254 ___________ 2694
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BGH NJW 1996, 1678, 1681; BGH BB 1976, 948, 949; BGH WM 1973, 844, 846; RGZ 116, 119, 133. Für hohe Voraussetzungen, eine Pflicht zur Reservenbildung nur dann, wenn sie im Unternehmensinteresse ganz unabweisbar ist, Hueck, FS Steindorff, 1970, S. 45, 50. Zur sich aus der Treuepflicht in der BGB-Gesellschaft ergebenden Pflicht, Gewinne im Gesellschaftsvermögen zu belassen Gummert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, 2004, § 15, Rn. 40, 49. Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 32. Anders hingegen, wer mit der h. M. die Darlegungs- und Beweislast bei einer Anfechtung nach § 243 AktG grds. dem Kläger auferlegt, so für den Fall der Anfechtung des Gewinnbeschlusses Hueck, FS Steindorff, 1970, S. 45, 57 f. Zu den allg. Grundsätzen der h. M. oben § 4 B. II. Zu den Voraussetzungen Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 254, Rn. 3–9; Schwab, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, 2008, § 254, Rn. 3–5.
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II AktG, wonach Anteile von 5% oder der anteilige Betrag von 500.000 Euro erforderlich sind. Inhaltlich kommt es für die Begründetheit der Anfechtung nach § 254 AktG darauf an, ob die Rücklagenbildung oder der Gewinnvortrag wirtschaftlich notwendig sind. Maßstab ist dabei, ob die Maßnahme notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeiten überschaubaren Zeitraum zu sichern. Beurteilungsmaßstab ist dabei die vernünftige kaufmännische Auffassung. Die Darlegungs- und Beweislast liegt bei der Gesellschaft, da sie die vom Gesetz vorgesehene Mindestausschüttung verfehlt und den damit verbundenen Eingriff in das Gewinnbezugsrecht rechtfertigen muss.2698 Das Gesetz konkretisiert damit den Prüfungsmaßstab, anhand dessen die Geeignetheit und Erforderlichkeit der beeinträchtigenden Maßnahme für den im Gesellschaftsinteresse verfolgten Zweck zu ermitteln ist, während eine Abwägung mit den Aktionärsinteressen, wie sie die allgemeinen Grundsätze voraussetzen, nicht vorgesehen ist. Problematisch ist das Verhältnis einer Beschlussanfechtung nach § 254 AktG zu einer Anfechtung nach § 243 AktG. Die h. M. versteht § 254 AktG dahin, dass dieser in seinem Anwendungsbereich eine abschließende Regelung enthält und damit eine Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses aus den allgemeinen Grundsätzen nach § 243 I AktG ausschließt.2699 Das hat zur Konsequenz, dass ein Gewinnverwendungsbeschluss in den Fällen des § 58 III AktG nicht angefochten werden kann, wenn also die Hauptversammlung nach § 174 II Nr. 3 AktG Beträge aus dem Bilanzgewinn in Gewinnrücklagen einstellt oder nach § 174 II Nr. 4 AktG als Gewinn auf neue Rechnung vorträgt, sofern die Voraussetzungen des § 254 AktG nicht vorliegen. Wird die zur Anfechtung erforderliche Minderheitsquote nicht erreicht, besteht keine Anfechtungsmöglichkeit. Gleiches gilt, wenn zwar eine Ausschüttung von 4% des Grundkapitals beschlossen wird, eine höhere Ausschüttungsquote aber mit den Interessen der Gesellschaft durchaus zu vereinbaren wäre. Durch diese Beschränkungen entwertet § 254 AktG den Gewinnziehungsanspruch des Kleinaktionärs.2700 Er eröffnet dem Mehrheitsaktionär gerade die Möglichkeit, den Gewinnanspruch der Kleinaktionäre im Eigeninteresse zu unterlaufen, etwa um sie zu dem eingangs genannten Ausverkauf ihrer Anteile zu bewegen. Das ist unverständlich, da der erklärte Gesetzeszweck, den Schutz der Minderheit vor einem „Aushungern“ durch die Mehrheit zu verhindern,2701 durch § 254 AktG gerade verfehlt wird. Die Anwendung der allgemeinen, zur GmbH und den Perso___________ 2698 2699
2700 2701
Zu allem Hüffer, MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 254, Rn. 14; vgl. auch Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 254, Rn. 5. Henze, in: Großkomm.-AktG, Stand 2000, § 58, Rn. 79; Flume, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, Band I/2, 1983, S. 274 f.; Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 254, Rn. 8; Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 254, Rn. 6; Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 31. So Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 254, Rn. 4; Wiedemann, WM 1992, SB 7, 1, 31. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 254, Rn. 1, unter Berufung auf die Begründung des Regierungsentwurfs.
C. Zusammenfassung
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nengesellschaften dargestellten Grundsätze, wonach eine Beschlussanfechtung mit der Begründung, es fehle an einer inhaltlichen Rechtfertigung, stets möglich ist, vermag den berechtigten Interessen der Kleinaktionäre hingegen gerecht zu werden. Entgegen der h. M. muss daher auch im Anwendungsbereich des § 254 AktG eine Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses nach § 243 I AktG möglich sein, um das gesetzgeberische Ziel zu § 254 AktG nicht zu konterkarieren.2702 Der dagegen erhobene Widerspruch, eine Individualanfechtungsbefugnis würde die Finanz- und Investitionsplanung des Vorstands gefährden,2703 trägt nicht. Er wendet nur den gegen die Individualanfechtungsbefugnis häufig vorgetragenen Einwand der Rechtsunsicherheit auf die besondere Situation des Gewinnverwendungsbeschlusses an. Insoweit ist auf die allgemeinen Ausführungen, mit denen die Individualanfechtung verteidigt wurde, zu verweisen.2704 C. Zusammenfassung
C. Zusammenfassung Die Entscheidung über die Gewinnverwendung vollzieht sich in mehreren Stufen. Zunächst wird der Jahresabschluss von der Geschäftsleitung aufgestellt. Daran schließt sich seine Feststellung an. Erst der Gewinnverwendungsbeschluss begründet den Gewinnauszahlungsanspruch des einzelnen Gesellschafters. Der erwirtschaftete Gewinn muss jedoch nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden, sondern kann in Gewinnrücklagen eingestellt oder als Gewinnvortrag ausgewiesen werden. Da es sich bei dem Gewinnziehungsanspruch um ein elementares Mitgliedschaftsrecht des Gesellschafters handelt, unterliegt der Gewinnverwendungsbeschluss einer Inhaltskontrolle. Eine Thesaurierung muss bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig sein, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeiten übersehbaren Zeitraum zu sichern. Ziel muss es dabei sein, die wirtschaftliche Bestandsfähigkeit der Gesellschaft zu sichern und die Beurteilung nach objektivierten kaufmännischen Gesichtspunkten vorzunehmen. Dieser legitime Zweck muss mit der Thesaurierung in erforderlicher und angemessener Weise verfolgt werden und sich gegenüber den Renditeinteressen der Gesellschafter durchsetzen. In der Aktiengesellschaft ergeben sich Besonderheiten aus der Regelung des § 254 AktG. Die Problematik dieser Vorschrift besteht darin, dass sie das Anfechtungsrecht aus § 243 I AktG entwertet, soweit sie in ihrem Anwendungsbereich ___________ 2702
2703 2704
Hingegen sollen die allgemeinen Grundsätze nach Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 210, nicht zur Anwendung kommen. Das Gesetz selbst sehe in §§ 58 I-III AktG einen Kompromiss zwischen dem Dividendeninteresse der Kleinaktionäre und dem aus der Verfolgung des Verbandszwecks resultierenden Selbstfinanzierungsbedürfnis der Aktiengesellschaft vor, das eine darüber hinausgehende Thesaurierung im Gesellschaftsinteresse ausschließe. Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 254, Rn. 8. Siehe dazu unter § 5 A. III.
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§ 16 Minderheitsschutz bei der Gewinnverwendung
als abschließende Regelung verstanden wird. Davon ist entgegen h. M. jedoch nicht auszugehen, da ansonsten der erklärte Gesetzeszweck konterkariert würde. Nur die zusätzliche Anwendung der allgemeinen Grundsätze, wonach eine Beschlussanfechtung mit der Begründung, es fehle an einer inhaltlichen Rechtfertigung, stets möglich ist, vermag die berechtigten Interessen der Kleinaktionäre ausreichend zu wahren.
A. Auflösung durch Gesellschafterbeschluss
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§ 17 Minderheitsschutz bei Auflösung und Liquidation der Gesellschaft
§ 17 Minderheitsschutz bei Auflösung und Liquidation der Gesellschaft Mit dem Auflösungsbeschluss geht die werbende Gesellschaft in das Stadium einer Abwicklungsgesellschaft über.2705 Fortan geht es nur noch darum, die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu begleichen und das verbleibende Vermögen unter den Gesellschaftern aufzuteilen. Während im Liquidationsstadium der Gläubigerschutz dominiert, ist der Übergang von der werbenden zur aufzulösenden Gesellschaft überwiegend minderheitsrelevant: Der Zweck des Zusammenschlusses der Gesellschafter kann bei mehrheitlich gefassten Auflösungsbeschlüssen auch gegen den Willen der Minderheit beendet werden. Ihre Mitgliedschaft verändert sich damit gegen ihren Willen ebenso radikal wie bei den im 2. Kapitel des Besonderen Teils dargestellten strukturändernden Maßnahmen. A. Auflösung durch Gesellschafterbeschluss
A. Der Minderheitsschutz bei der Auflösung infolge mehrheitlich gefassten Gesellschafterbeschlusses Von den in § 60 I GmbHG aufgeführten Auflösungsgründen ist der in Nr. 2 genannte minderheitsrelevant. Er setzt einen Auflösungsbeschluss und daher eine Willensbetätigung der Gesellschafterversammlung voraus. Im Aktienrecht gilt gleiches für die in § 262 I Nr. 2 AktG genannte Auflösung durch Hauptversammlungsbeschluss. Der Auflösungsbeschluss muss in der GmbH von einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen, in der Aktiengesellschaft von der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen im Sinne von § 133 I AktG und nach § 262 I Nr. 2 AktG zusätzlich von einer Kapitalmehrheit von 3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals getragen werden.2706 ___________ 2705
2706
Hirte, ZinsO 2000, 127, 128; ders., Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006, § 7, Rn. 7.1; Windbichler, Gesellschaftsrecht, 22. Aufl. 2009, S. 328, Rn. 32. Siehe alle auch zu einer Übersicht über alle Auflösungsgründe in den Kapitalgesellschaften. Für die GmbH Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 60, Rn. 6; für die AG Riesenhuber, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 262, Rn. 10; für beide Gesellschaftsformen Hirte, ZinsO 2000, 127, 128.
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§ 17 Minderheitsschutz bei Auflösung und Liquidation der Gesellschaft
Den allgemeinen hier vertretenen Grundlagen folgend, kann auch bei Auflösungsbeschlüssen nicht davon ausgegangen werden, dass diese Mehrheitserfordernisse einen effektiven Minderheitsschutz gewährleisten, da sie gerade in den minderheitssensibelsten Gesellschaften, in denen hohe Mehrheiten durch einen dominierenden Gesellschafter(block) leicht zu erreichen sind, willkürliche Entscheidungen nicht zu verhindern vermögen. Daher ist auch an dieser Stelle nach anderen Schutzmechanismus zu suchen.
I. Keine inhaltliche Rechtfertigung des Auflösungsbeschlusses Auch für Auflösungsbeschlüsse kommt in Betracht, den Minderheitsschutz mit dem Erfordernis einer inhaltlichen Rechtsfertigungskontrolle zu garantieren. Dies wird von der Rechtsprechung und h. M. für Auflösungsbeschlüsse nach §§ 262 Nr. 2 AktG, 60 I Nr. 2 GmbHG jedoch verneint. Die Desinvestitionsentscheidung soll vielmehr im freien Belieben des Gesellschafters stehen und sich der Kontrolle anhand objektiver Kriterien entziehen. Die viel zitierte und schon an anderer Stelle kritisierte Formulierung hierzu lautet, ein Auflösungsbeschluss trage seine Rechtfertigung in sich,2707 und es stehe der Mehrheit frei, den Gesellschaftszweck und die mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte der Minderheit zu beseitigen.2708 Ungeachtet der verfehlten Formulierung, die im wesensnotwendig rechtfertigungsfreien Raum von Rechtfertigung spricht,2709 verdient das Ergebnis im Ansatz Zustimmung. Für das GmbH-Recht bringen §§ 60, 61 GmbHG zum Ausdruck, dass nur von der Minderheit, nicht jedoch der Mehrheit ein unabweisbares objektives Bedürfnis für die Auflösung dargetan werden muss. Aus dem Zusammenspiel von § 60 I Nr. 2 GmbHG und § 61 I, II 2 GmbHG geht hervor, dass der Gesetzgeber den von einer qualifizierten Mehrheit getragenen Auflösungsbeschluss anders als den auf Antrag der Minderheit nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig machen wollte.2710 ___________ 2707
2708
2709 2710
BGHZ 76, 352, 353; BGHZ 103, 184, 190 = NJW 1988, 1579 (Linotype); OLG Stuttgart AG 1994, 411, 413 („Moto Meter I“); für die übertragende Auflösung auch BVerfG NJW 2001, 279, 281 (zur Kritik daran § 4 A. III. 6. a)). I. E. zustimmend Hüffer, in: MünchKomm.-AktG, Band 7, 2. Aufl. 2001, § 243, Rn. 64; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 12, Rn. 65; Riesenhuber, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 262, Rn. 11; mit anderer Begründung, i. E. aber ebenso Lutter, ZGR 1981, 171, 178; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 60, Rn. 6; Timm, JZ 1980, 665, 667 f.; Scholz/K. Schmidt/ Bitter, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 60, Rn. 17. Dazu teilweise kritisch Wiedemann, JZ 1989, 443, 448 f. BGHZ 14, 26, 38; BGHZ 103, 184, 190 f. (Linotype); BGH ZIP 1988, 303, 304; zustimmend Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 305: die vermögensmäßige Gleichbehandlung aller Gesellschafter sei schon durch die gesetzlichen Liquidationsregeln gesichert. Nochmals der Hinweis auf § 4 A. III. 6. a). Scholz/K. Schmidt/Bitter, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 60, Rn. 17.
A. Auflösung durch Gesellschafterbeschluss
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Hinzu kommt, dass eine echte inhaltliche Rechtfertigungskontrolle schon deshalb ausscheidet, weil mit dem Auflösungsbeschluss, dessen Gegenstand es ist, den Gesellschaftszweck zu beenden, niemals ein legitimer Zweck im Interesse der Gesellschaft verfolgt werden kann. Nichts widerspricht den Interessen der Gesellschaft so sehr wie ihr eigener Untergang. Dieser Aspekt spricht auch bei der Aktiengesellschaft, in der es an dem GmbHG vergleichbaren Regelungen fehlt, entscheidend gegen eine inhaltliche Rechtfertigungskontrolle des Auflösungsbeschlusses.
II. Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Minderheit und institutioneller Rechtsmissbrauch Die weitere Frage lautet, inwieweit die eine Auflösung betreibende Mehrheit verpflichtet ist, auf die Interessen der widersprechenden Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen. Auch dies muss ausgehend von dem Ausgangspunkt der Diskussion beantwortet werden: Soll die Entscheidung des Gesellschafters, seine Investition zu beenden, wirklich in seinem freien Belieben stehen, so kann er auch nicht zur Wahrung der Interessen der Mitgesellschafter verpflichtet und daher auch der Auflösungsbeschluss nicht von einer Interessenabwägung abhängig gemacht werden. Stattdessen muss sichergestellt werden, dass die Mehrheit tatsächlich zur Desinvestitionsentscheidung entschlossen ist und nicht etwa die Möglichkeit, einen rechtfertigungsfreien Auflösungsbeschluss zu fassen, zu sachfremden Zwecken ausnutzt.2711 Davon ist entgegen der Ansicht des BGH und mit der h. A. in der Literatur auszugehen, wenn das in die Gesellschaft investierte Kapital der Verfolgung des Gesellschaftszwecks mit den Betriebsmitteln nicht wirklich dauerhaft entzogen werden soll, sondern die Mehrheit bei einer Gesamtschau aller Vorgänge vielmehr die Absicht verfolgt, die Gesellschaft in ihren wesentlichen Strukturen unter Ausschluss der Minderheit weiterzuführen.2712 In diesen Fällen greift das Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs, und der Beschluss wird den Anforderungen unterworfen, die für den tatsächlich bezweckten Beschlussgegenstand gelten.2713 Die besonderen Erleichterungen inhaltlicher Art bei Auflösungsbeschlüssen sind nur dadurch gerechtfertigt, dass die Entscheidung zur Desinvestition im freien Belieben jedes Kapitalgebers liegen soll und die Gesellschaft keinen Schutz genießt, wenn ihr Zweck von einer werbenden in eine abzuwickelnde Gesellschaft geändert wird. Beabsichtigt die Mehrheit jedoch, mit ihrem Kapital den Zweck der werbenden Gesellschaft in anderer Form weiter zu verfolgen, besteht ___________ 2711 2712
2713
Hirte, ZinsO 2000, 127, 128. Das ist auch der Ansatz des BGH, der von einer Rechtsmissbrauchskontrolle im Einzelfall ausgeht, BGHZ 76, 352, 353; BGHZ 103, 184, 191 (Linotype). Ausdrücklich Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, 151 f. Inhaltlich Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006, § 7, Rn. 7.6 f.; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 60, Rn. 6; Scholz/K. Schmidt/Bitter, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 60, Rn. 17; Lutter, ZGR 1981, 171, 177 f.; Timm, JZ 1980, 665, 669 f.; a. A. BGHZ 103, 184, 191 f. (Linotype). Dazu die allgemeinen Ausführungen unter § 3 E. I.
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§ 17 Minderheitsschutz bei Auflösung und Liquidation der Gesellschaft
kein Grund, ihr die Privilegien des Auflösungsbeschlusses zuzugestehen. Der Beschluss muss vielmehr den Anforderungen genügen, die an den tatsächlich bezweckten Vorgang zu stellen sind. Die h. M. erreicht im Ergebnis Gleiches über die Anwendung der Treuepflicht im Innenverhältnis der Gesellschafter. In der Rechtsprechung wurde es jedoch als zur Anfechtung berechtigender Sondervorteil im Sinne des § 243 II AktG und Verstoß gegen die Treuepflicht bewertet, wenn der Mehrheitsgesellschafter bereits vor dem Auflösungsbeschluss mit dem Vorstand über die Übernahme wesentlicher Vermögensteile der Gesellschaft verhandelt und Absprachen trifft und damit der Minderheit die Möglichkeit nimmt, sich um Teile des Gesellschaftsvermögens zu bemühen.2714 Auch wurde es als Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gewertet, wenn der Mehrheitsgesellschafter vor Auflösung der Gesellschaft Maßnahmen trifft, um das von dieser betriebene Unternehmen nach Auflösung und Liquidation der Gesellschaft selbst weiterführen zu können. Der BGH entschied, dass der Mehrheitsgesellschafter gegen seine Pflicht, die Gesellschaft als werbende Gesellschaft zu betrachten und deren Unternehmen wirtschaftlich zu unterhalten und zu fördern, verstößt, wenn die von ihm getroffenen Maßnahmen dazu führen, dass die Gesellschaft noch vor ihrer Liquidation darin behindert wird, den normalen Geschäftsbetrieb weiterzuverfolgen.2715 Diese Begründungen streifen den Kern der Problematik nur. Mit der h. A. in der Literatur ist entscheidend darauf abzustellen, dass es sich auch in diesen Konstellationen um Paradefälle einer lediglich vorgetäuschten Desinvestition handelte. Wenn in Wirklichkeit die Minderheit aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden soll, müssen die hierfür anwendbaren Regelungen zur Anwendung kommen, die etwa beim Squeeze out-Beschluss ganz andere Mehrheiten voraussetzen.2716 Der Ansicht, wonach es der Mehrheit freistehen soll, im Wege der Auflösung Effekte herbeizuführen, die auch auf anderem Wege erreicht werden können, etwa durch Umwandlungsvorgänge,2717 ist nur unter der Prämisse zuzustimmen, dass sämtliche Mechanismen zum Schutz der Minderheit, die für diesen alternativen Weg zu fordern sind, auch auf den Auflösungsbeschluss angewandt werden. Die Verteilung der Beweislast richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Nach der h. M., die Rechtsschutz über die Treuepflicht wegen Missbrauchs der Mehrheitsherrschaft gewährt, liegt die Beweislast für deren Voraussetzungen beim Minderheitsgesellschafter.2718 Nach den hier allgemeinen Kriterien muss die Minderheit darlegen und beweisen, dass die Desinvestition nur vorgeschoben ist und tatsächlich andere Ziele verfolgt werden. Gelingt dies, kehrt sich die Darlegungsund Beweislast um: Nunmehr muss die Gesellschaft darlegen und beweisen, dass ___________ 2714 2715 2716 2717 2718
BGHZ 103, 184, 193–195 (Linotype). BGHZ 76, 352, 355 f. Dazu auch schon unter § 4 A. I. 1. b) aa). Siehe zu diesem unter § 9 C. II. Scholz/K. Schmidt/Bitter, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 60, Rn. 17. Zu den Vorgängen die Darstellung von Hirte, ZinsO 2000, 127, 128. Kleindiek in: Luttter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 60, Rn. 6; Scholz/K. Schmidt/ Bitter, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 60, Rn. 17.
C. Zusammenfassung
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die an den tatsächlich bezweckten Vorgang zu stellenden Anforderungen erfüllt wurden.
B. Minderheitsschutz im Liquidationsverfahren Zur Verteilung des Liquidationserlöses ist aus Sicht des Minderheitsschutzes nicht viel zu sagen, da der Schwerpunkt der Regelungen auf dem Gläubigerschutz liegt.2719 Das Liquidationsverfahren soll durch die Beteiligung neutraler Dritter sicherstellen, dass eine Befriedigung der Gläubiger und eine gerechte Verteilung des verbleibenden Kapitals an die Gesellschafter stattfindet.2720 Hieraus ergibt sich ein in der Mitgliedschaft wurzelnder Anspruch der Gesellschafter auf den Abwicklungsüberschuss.2721 Auch resultiert hieraus die Verpflichtung der Abwickler und Gesellschafter, für ein optimales Liquidationsverfahren zu sorgen, um der Minderheit einen vollen Wertausgleich für den Verlust der Mitgliedschaft zu verschaffen.2722 Nach §§ 72 GmbHG, 271 I AktG wird regelmäßig im Verhältnis der Anteile verteilt, wobei Vorzugsrechte in der Aktiengesellschaft bevorzugt behandelt werden und sich in der GmbH aus einem im Gesellschaftsvertrag bestimmten Schlüssel ein anderer Verteilungsmodus ergeben kann.2723 Die Hauptgefahr für den Minderheitsgesellschafter besteht darin, dass nicht die gesamte Masse versilbert und der Erlös an alle Gesellschafter verteilt, sondern Vermögensgegenstände an einzelne Gesellschafter gegeben und falsch bewertet werden. Ein durch dergestalt fehlerhafte Verteilung übervorteilter Gesellschafter hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Liquidator und gegen den bereicherten Gesellschafter aus § 812 BGB.2724 C. Zusammenfassung
C. Zusammenfassung Beschließt die Gesellschafterversammlung nach §§ 262 I Nr. 2 AktG, 60 I GmbHG, die Gesellschaft aufzulösen, handelt es sich um einen minderheitsrelevanten Vorgang. Der Beschluss ist aufgrund der ihm zugrunde liegenden Desinvestitionsenstcheidung der Gesellschafter rechtfertigungsfrei. Eine Rechtfertigungskontrol___________ 2719 2720 2721 2722 2723 2724
Vgl. Windbichler, Gesellschaftsrecht, 22. Aufl. 2009, S. 331 f., Rn. 41; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2008, S. 328 f. (AG), 416–418 (GmbH). Zu den Details des Gläubigerschutzes etwa Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 272, Rn. 2, 4–7; ders., GS Schultz, 1987, S. 99; Pape, KTS 1994, 157. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 271, Rn. 2. Timm, JZ 1980, 665, 669. Hirte, ZinsO 2000, 127, 130; Windbichler, Gesellschaftsrecht, 22. Aufl. 2009, S. 332, Rn. 42. Näher dazu Kleindiek, in: Luttter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 72, Rn. 12; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 271, Rn. 8; a. A. Scholz/K. Schmidt/Bitter, GmbHG, Band II, 10. Aufl. 2007, § 73, Rn. 16–19.
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§ 17 Minderheitsschutz bei Auflösung und Liquidation der Gesellschaft
le scheidet schon deshalb aus, weil ein Beschluss darüber, den Gesellschaftszweck zu beenden, niemals im Interesse der Gesellschaft liegen kann. Die Kontrolle muss sich vielmehr daran orientieren, dass die beschlusstragende Mehrheit tatsächlich das Ziel verfolgt, ihre Investition in der Gesellschaft beenden zu wollen. Entgegen der h. M. fehlt es daran, wenn die Mehrheit die Absicht verfolgt, die Gesellschaft in ihren wesentlichen Strukturen unter Ausschluss der Minderheit weiterzuführen. Dann ergibt sich aus dem Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs, dass der Beschluss den Anforderungen unterworfen wird, die für den tatsächlich bezweckten Beschlussgegenstand gelten.
A. Zusammenfassung
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Gesamtzusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Bewertung
Gesamtzusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Bewertung A. Zusammenfassung
A. Zusammenfassung I. Auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Vorgaben wurde ein einzelfallübergreifendes System entwickelt, auf dessen Grundlage sich der Minderheitsschutz in der Aktiengesellschaft, GmbH und den Personengesellschaften verwirklichen lässt. Der Schlüssel hierzu ist die Erkenntnis, dass auch die Privatrechtsakteure nur bedingt frei von grundrechtlicher Bindung sind. Der den Grundrechten innewohnende Schutzauftrag gebietet, den Schutzbereich der Grundrechte auch gegen Eingriffe durch Private zu schützen. Diese Aufgabe wird vornehmlich durch den Gesetzgeber wahrgenommen, der den Ausgleich widerstreitender Interessen für typischerweise auftretende konfliktträchtige Situationen regelt. Gerade im Gesellschaftsrecht ist dieser Interessenausgleich jedoch lückenhaft, insbesondere um dem Bedarf an privatautonomer Gestaltungsfreiheit Rechnung zu tragen. Dies verdeutlicht die Herausforderung: Das Konzept zum Minderheitsschutz muss einerseits verhindern, dass die Interessen der von der Entscheidungsfindung ausgeschlossenen Gesellschafter übergangen werden, und sich andererseits davor hüten, den erforderlichen Gestaltungsspielraum zu unterbinden. Die Lösung besteht darin, die freie Entscheidungsfindung in den Gesellschaften nur bei Maßnahmen einzuschränken, mit denen Eingriffe in die Rechtsstellung einzelner Gesellschafter verbunden sind, den Schutzbereich der Mitgliedschaft unter Beachtung der Vereinbarungen und berechtigten Erwartungen der Gesellschafter zu bestimmen und bei der Interessenabwägung auch die Eigeninteressen jedes Gesellschafters, auch der bestimmenden Mehrheit, zu berücksichtigen. II. Hieraus ergibt sich das dreistufige Prüfungsmodell zugunsten der sich gegen beeinträchtigende Maßnahmen wehrenden Minderheitsgesellschafter: (1) Nur soweit überhaupt der Schutzbereich der individuellen Mitgliedschaft betroffen ist, kommt in Betracht, den Gesellschafter zu schützen. (2) Nicht jede Art der Beeinträchtigung reicht hierzu aus, sondern nur ein Eingriff. Mittelbare Eingriffe werden von irrelevanten Investitionsrisiken nach quantitativen und qualitativen Kriterien abgegrenzt, so dass es auf die Schwere der Betroffenheit, daneben aber auch auf die Einbeziehung einschlägiger gesetzlicher Wertungen ankommt. (3) Schließlich kann ein Eingriff gerechtfertigt sein, wenn er im Gesellschaftsinteresse geboten und erforderlich ist und sich außerdem bei einer Interessenabwägung unter
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Gesamtzusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Bewertung
Einbeziehung aller relevanten Gesichtspunkte ergibt, dass sich die Kollektivinteressen an einer Durchführung des Eingriffs gegen die Individualinteressen der widersprechenden Gesellschafter an einer Wahrung ihrer Rechtsstellung durchsetzen. III. Ihren Hauptanwendungsbereich finden diese Grundsätze bei der materiellen Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen, hier inhaltliche Rechtfertigungskontrolle genannt. Soweit Beschlüsse in den Schutzbereich der Mitgliedschaft auch nur eines Gesellschafters eingreifen, unterliegen sie einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle anhand der allgemein entwickelten Prüfungskriterien. Ausnahmen gelten, soweit der Interessenausgleich durch gesetzliche Bestimmungen abschließend geregelt wurde. Hiervon kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn der Gesetzgeber die Interessen der Minderheitsgesellschafter ausdrücklich auf eine reine Vermögensabfindung reduziert hat. Hingegen scheidet es aus, den Minderheitsgesellschafter, insbesondere den Kleinaktionär, generell zu einem reinen Kapitalanleger herabzustufen und seine Schutzansprüche generell auf einen reinen Vermögensausgleich zu beschränken. Ausnahmen gelten in börsennotierten Aktiengesellschaften. Außerdem verdichtet sich die Stellung des Mehrheitsgesellschafters zu einer Quasi-Eigentümerstellung, sofern er mindestens 95% des in der Gesellschaft investierten Kapitals aufgebracht hat. Zurechnungen innerhalb eines Unternehmensverbundes sind möglich, wenn ein Gesellschafter diese Quote erreicht und daher als wirtschaftlicher Quasi-Alleineigentümer des Verbundes erscheint. Auf diesem Wege können die in der Rechtsprechung enthaltenen Ansätze von einer fragmentarischen Einzelfallkasuistik zu einem systematischen Prüfungsmodell ausgebaut werden. Um eine wirkungsvolle Durchsetzung dieser Rechte zu garantieren, kommt es zudem darauf an, die Voraussetzungen der Anfechtungsklage zu bestimmen und insbesondere die Frage zu beantworten, welche Einschränkungen der Individualklagebefugnis im Gesellschaftsinteresse geboten und im Gesellschafterinteresse vertretbar sind. Erfolgsversprechend erscheint hierfür eine Ausweitung des Freigabeverfahrens. IV. Da Eingriffe in den Schutzbereich der Mitgliedschaft auch von Maßnahmen der Geschäftsleitung oder dem Handeln des Mehrheitsgesellschafters außerhalb der Gesellschafterversammlung ausgehen können, bedarf es einer Anwendung der allgemeinen Grundsätze auch auf diese Konstellationen. Für die problematische Frage, wann die Geschäftsleitung eine nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern (auch) eine gegenüber dem individuellen Gesellschafter bestehende Pflicht verletzt, ist nach Sorgfalts- und Treuepflichten zu unterscheiden. Verstößt ein Geschäftsführer gegen seine Treuepflicht, ist damit auch ein mittelbarer Eingriff in die Mitgliedschaft des einzelnen Gesellschafters verbunden. Hieraus resultiert ein im Klagewege durchsetzbarer Anspruch des Gesellschafters auf Unterlassung, Feststellung und Schadensersatz, letzterer jedoch nur gerichtet auf Leistung in das Vermögen der Gesellschaft, um den Schaden da auszugleichen, wo er entstanden ist. Auch im Verhältnis zum Mehrheitsgesellschafter liegt der Schwerpunkt auf der Frage, wann Beeinträchtigungen des Werts der Mitgliedschaft als mittelbare Ein-
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griffe zu bewerten sind. Dies wurde vor allem am Beispiel von einseitig genutzten Geschäftschancen dargestellt. Auch hier ist darauf zu achten, dass durch die Liquidation mittelbarer Schäden nicht eine Einlagenrückgewähr stattfindet. Daher gilt im Ansatz auch hier, dass der Minderheitsgesellschafter gegen den Mehrheitsgesellschafter nur auf Leistung an die Gesellschaft klagen darf. Unter der Voraussetzung, dass die Kooperation der Gesellschafter nachhaltig gestört ist und weder Gläubiger noch Mitgesellschafter beeinträchtigt werden, darf er seinen Schaden direkt einklagen und unter Abfindung aus der Gesellschaft ausscheiden. V. Bei unfreiwilligen Ausschlüssen des Gesellschafters ist nach statutarischen Ausschlussklauseln, Ausschluss aus wichtigem Grund und aufgrund gesetzlicher Ermächtigung zu unterscheiden. Bei Ausschlussklauseln ist eine Doppelprüfung angezeigt. Diese müssen generell zulässig sein, dürfen die Grenzen des privatautonomen Rechtsverzichts daher nicht überschreiten. Wichtige Gesichtspunkte sind dabei, ob der Gesellschafter durch die Ausschlussmöglichkeit faktisch gehindert ist, seine mitgliedschaftlichen Rechte wahrzunehmen, und aufgrund von Abfindungsklauseln der Ausschluss mit einem nicht unbeträchtlichen Vermögensverlust einhergehen würde. Bei einem Ausschluss aus wichtigem Grund, der in allen Gesellschaftsformen möglich sein muss, kommt es darauf ein, dass ein weiterer Verbleib eines oder mehrerer Gesellschafter zu unzumutbaren Verhältnissen führt. Die Lehren aus der Situation im US-amerikanischen Recht lauten, den Ausschluss aus wichtigem Grund nicht zu einem Instrumentarium der Mehrheit zu einem beliebigen Minderheitsausschluss verkommen zu lassen. Daher dürfen von der Mehrheit herbeigeführte rechtswidrige Zustände nicht dazu herangezogen werden, einen Gesellschafterausschluss zu rechtfertigen. Die besonderen Ausschlusstatbestände des Aktienrechts basieren überwiegend darauf, dass der Mehrheitsgesellschafter aufgrund seiner überragenden Kapitalbeteiligung von 95% seine Quasi-Alleineigentümerstellung zu einer Alleineigentümerstellung ausweiten darf. Dieser Umstand alleine entbindet von einer inhaltlichen Rechtfertigungspflicht. Der Schwerpunkt liegt daher auf der Bemessung der Abfindung. Problematisch ist demgegenüber die übertragende Auflösung, die sich bei Zugrundelegung der Ansicht der h. M. als idealer Mechanismus eignet, die hohen Voraussetzungen anderer Ausschlusstatbestände zu umgehen. Durch eine Gesamtbetrachtung der einzelnen Vorgänge und einer konsequenten Anwendung der allgemeinen Grundsätze kann ein Missbrauch der Vermögensübertragung nach § 179 a AktG zum Zwecke des Aktionärsausschlusses jedoch verhindert werden. Die Problematik bei der Zusammenlegung von Aktien ist ähnlich gelagert. Ohne inhaltliche Rechtfertigungserfordernisse kann eine Kapitalherabsetzung dazu benutzt werden, Kleinaktionäre willkürlich auszuschließen. Auch dies lässt sich durch eine Anwendung der allgemeinen Kriterien unterbinden. VI. Mit der Möglichkeit, den Gesellschafter unter besonderen Voraussetzungen ausschließen zu können, korrespondiert ein Andienungsrecht des Minderheitsgesellschafters. Da es sich um eine Form der individuellen Desinvestition handelt, muss es stets im Zusammenspiel mit der Möglichkeit zur Veräußerung der Betei-
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Gesamtzusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Bewertung
ligung gesehen werden. Ein Mehr im einen vermag ein Weniger im anderen Bereich zu rechtfertigen. Daher muss ein Kündigungsrecht im Sinne eines ordentlichen Austrittsrechts im Grundsatz dann bestehen, wenn in den Personengesellschaften die Übertragung der Mitgliedschaft ausgeschlossen wird, was wegen der Bindungen persönlicher Art unter den Gesellschaftern den Regelfall darstellt. Einschränkungen des Kündigungsrechts unterliegen strengen Anforderungen im Gesellschaftsinteresse, wobei insbesondere dem Umstand, ob dem Gesellschafter bei seinem erzwungenen Verbleib eine persönliche Inanspruchnahme droht, Rechung zu tragen ist. In den Kapitalgesellschaften dominiert demgegenüber das Recht zur Veräußerung der Beteiligung, dessen Ausschluss daher nur unter hohen Voraussetzungen im Gesellschaftsinteresse möglich ist, wobei zwischen schon bei Beitritt bestehenden und erst im Laufe der Beteiligung angeordneten Veräußerungsbeschränkungen zu unterscheiden ist. Ein generelles ordentliches Austrittsrecht ist hingegen nicht anzuerkennen, wohl aber de lege ferenda anzuregen, in bestimmten Situationen mit besonders hoher Minderheitsrelevanz ein solches gesetzlich vorzusehen. Die gesetzlich vorgesehenen Austrittsrechte für Aktionäre beziehen sich auf Situationen, in denen sich die Beteiligung durch Strukturmaßnahmen so gravierend verändert, dass ein weiterer Verbleib dem Gesellschafter unzumutbar erscheint, also um normierte Fälle eines Andienungsrechts aus wichtigem Grund. Die gesetzlich vorgesehenen Situationen sind jedoch lückenhaft und sollten um weitere ergänzt werden, in denen die Beeinträchtigung ein ähnliches Ausmaß erreicht. Eine überragend wichtige Funktion nimmt das Recht zum Austritt aus wichtigem Grund ein. Dies hängt mit dem Befund zusammen, dass der Gesetzgeber Andienungsrechte nur äußerst zurückhaltend vorgesehen hat und daher ein Austritt des Gesellschafters in den zahlreichen Situationen, in denen sein weiterer Verbleib in der Gesellschafter unzumutbar erscheint, nur über dieses ungeschriebene Institut möglich ist. Dazu kann auch in der Aktiengesellschaft ein Bedürfnis bestehen. Vor allem der hier vertretene Ansatz, wonach die Gesellschafter Eingriffe in ihre Rechtsstellung erdulden müssen, solange diese inhaltlich gerechtfertigt sind, kann zu Situationen führen, in denen ein Verbleib des Gesellschafters unzumutbar erscheint. Soweit der Gesellschafter nach diesen Grundsätzen zum Austritt berechtigt ist, kann ein Konflikt seines Abfindungsanspruchs mit den Kapitalerhaltungsgrundsätzen auftreten. Für eine zeitlich gestreckte Austrittsprozedur ist folgender Mechanismus vorzugswürdig: Durch ruhende Mitverwaltungsrechte kann sichergestellt werden, dass der Gesellschafter seine Beteiligung nur gegen Zahlung der vollwertigen Abfindung verliert, zugleich aber in der Gesellschaft nur noch einen seinem Ausscheidungswunsch entsprechenden Stellenwert besitzt. VII. Die im Einzelnen besprochenen strukturändernden Maßnahmen sind in der Regel mit besonders schwerwiegenden Eingriffen in die Mitgliedschaft widersprechender Gesellschafter verbunden. Das gilt für Umwandlungsmaßnahmen, das Delisting und die Begründung der Abhängigkeit oder Beherrschung von Gesellschaften gleichermaßen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage, inwieweit der Gesetzgeber den Ausgleich der durch die Maßnahme beeinträchtigten Interessen
A. Zusammenfassung
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abschließend geregelt und hierdurch die Anwendung der allgemeinen Grundsätze ausgeschlossen hat. 1. Bei Umwandlungsbeschlüssen können die allgemeinen Kriterien nur modifiziert zur Anwendung gelangen. Das liegt weder an dem qualifizierten Mehrheitserfordernis noch an dem partiellen Austrittsrecht, sondern daran, dass die Gesellschaft in ihrer bisherigen Struktur untergeht und daher die Rechtfertigungsprüfung nicht an den Interessen der (bisherigen) Gesellschaft ausgerichtet werden kann. Vielmehr tritt an deren Stelle eine Ausrichtung der Prüfung an den Zielen der Umwandlung. Daher muss es auf das über die einzelne Gesellschaft hinausgehende Interesse des fertigen Gesamtproduktes, das durch den Umwandlungsvorgang entsteht, ankommen. Die Umwandlung muss aus Sicht ex ante so angelegt sein, dass die Vorteile durch die Bildung des neu entstehenden Rechtsträgers gegenüber dem Status quo überwiegen und die für die Minderheit entstehenden Beeinträchtigungen aufwiegen. Dabei ist auch einer in der US-amerikanischen Literatur anzutreffenden Forderung beizupflichten, wonach den Gesellschaftern vor ihrer Abstimmung über den Umwandlungsbeschluss ein Alternativszenario vorgestellt werden muss, um auf dessen Grundlage beurteilen zu können, ob die von der Geschäftsführung befürwortete Maßnahme sinnvoll ist. 2. Auch der Börsenrückzug ist mit einem verfassungsrechtlich relevanten Eingriff in die Mitgliedschaft der widersprechenden Aktionäre verbunden. Die Fragen des Minderheitsschutzes sind im Gesellschaftsrecht zu verorten, wenngleich die Wertungen der kapitalmarktrechtlichen Vorgaben zu beachten sind. Den Schutz der Kleinaktionäre stellt die vom BGH entwickelte Hauptversammlungszuständigkeit sicher. Entgegen der h. M. ist dieser Hauptversammlungsbeschluss einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle zu unterwerfen. Daneben ist das von der h. M. geforderte generelle Andienungsrecht überflüssig und kann nach der hier allgemein vertretenen Konzeption von einer Bedarfsprüfung abhängig gemacht werden. Das häufig als besonders problematisch hervorgehobene „kalte“ Delisting stellt keine wirkliche Gefahr für die Minderheitsaktionäre dar, wenn die hier entwickelten Prüfungsparameter bei den zur Umgehung ansatzweise geeigneten Maßnahmen konsequent angewandt werden. 3. Die Begründung einer Abhängigkeit oder Beherrschung stellt wegen des damit einhergehenden systematischen Interessenkonflikts zwischen herrschendem Unternehmen auf der einen und Gesellschaft und außenstehenden Gesellschaftern auf der anderen Seite einen besonders minderheitssensiblen Bereich dar. Dennoch besteht in den Kapitalgesellschaften keine generelle Konzerneingangskontrolle. Die bloße Begründung einer faktischen Abhängigkeit oder Beherrschung löst keinen Gesellschafterbeschluss aus. Soweit jedoch durch besondere Maßnahmen, mit denen die Voraussetzungen für eine Abhängigkeit oder Beherrschung geschaffen werden sollen, ein Gesellschafterbeschluss ausgelöst wird, unterliegt dieser nach den allgemeinen Grundsätzen einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle. Dabei sind die bevorstehenden Beeinträchtigungen für die Gesellschaft und
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außenstehenden Gesellschafter zu berücksichtigen und werden die Maßnahme regelmäßig verhindern. Anders ist dies nach Eintritt der Abhängigkeit oder Beherrschung. Während Unternehmensverträge die nachteiligen Folgen der Beherrschung auf eine vertragliche Grundlage stellen und den Schutz außenstehender Gesellschafter über Ausgleichszahlungen und ein Austrittsrecht vorsehen, fehlt es in den Fällen der faktischen Beherrschung an einer Legitimation. Daher kommen die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung, wonach jede Maßnahme mit Eingriffswirkung auf ihre Rechtfertigung zu überprüfen ist. Zugleich gelten Einschränkungen in der Aktiengesellschaft: Dort hat der Gesetzgeber den Interessenausgleich bei faktischer Beherrschung unzureichend, aber abschließend geregelt. Die allgemeinen Schutzmechanismen wären demgegenüber deutlich besser geeignet, einen wirkungsvollen Minderheitsschutz zu gewährleisten. Auch die Regelungen zum Vertragskonzern verdienen Kritik: Die durch die Bildung von Konzernstrukturen erreichten Vorteile sollten gleichmäßig auf alle beteiligten Unternehmen verteilt werden, statt dem herrschenden Unternehmen eine einseitige Vereinnahmung zuzugestehen. VIII. Vermögensrechtliche Maßnahmen lassen demgegenüber die Mitverwaltungsrechte der Mitgesellschafter unberührt, können sich jedoch ebenso nachteilig auf die Mitgliedschaft auswirken. Das gilt nicht für gewöhnliche Maßnahmen der Kapitalerhöhung oder Kapitalherabsetzung. Werden die neuen Anteile jedoch unter Wert ausgegeben oder das Bezugsrecht ausgeschlossen, schlägt die im Übrigen unproblematische Maßnahme in einen Eingriff um. Beides ist jedoch einer Rechtfertigung zugänglich, die sich an den Interessen der Gesellschaft orientiert und eine Interessenabwägung voraussetzt. Das gilt entgegen der jüngsten Rechtsprechung auch beim genehmigten Kapital. Nur für die börsennotierten Aktiengesellschaften gelten wiederum Ausnahmen. Auch der Gewinnverwendungsbeschluss unterliegt einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle, da eine Thesaurierung des erwirtschafteten Überschusses in das Dividendenbezugsrecht der Gesellschafter eingreift. Durch eine an den Interessen der Gesellschaft orientierte Abwägungsentscheidung kann zugleich die notwendige Finanzierung des Verbandes sichergestellt und zugleich verhindert werden, dass die Minderheit „ausgehungert“ und zur Aufgabe ihrer Beteiligung veranlasst wird. Wiederum erweist sich die Aktiengesellschaft als problematisch, da die Rechtsbehelfe gegen den Gewinnverwendungsbeschluss von allzu hohen Voraussetzungen abhängig sind und hierdurch den Gewinnziehungsanspruch stark entwerten. Dies kann in nicht-notierten Gesellschaften zu einem gezielten freeze out der Kleinaktionäre führen, das durch die hier entwickelten Grundsätze gerade verhindert werden soll und kann. Der Auflösungsbeschluss ist als Desinvestitionsentscheidung der Gesellschafter frei von einem inhaltlichen Rechtfertigungserfordernis. Zugleich gilt dies nur, wenn die beschlusstragende Mehrheit ihre Investition auch tatsächlich beenden will. Dient der Auflösungsbeschluss hingegen dazu, das gesellschaftseigene Unternehmen in anderer Besetzung weiterzubetreiben, finden die für den tatsächlich bezweckten Vorgang einschlägigen Voraussetzungen Anwendung.
B. Bewertung
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Die Untersuchung hat gezeigt, dass die gesteckten Ziele, einen effektiven Schutz der Minderheit unter Wahrung der Belange des Verbandes und der Eigeninteressen der Mehrheit zu etablieren, durch ein einheitliches Institut, eine Eingriffskontrolle, erreicht werden können. Das hier auf der Grundlage des Verfassungsrechts entwickelte und an der gemeinsamen Förderpflicht orientierte Prüfungsmodell vermag in sämtlichen Fällen, in denen Minderheitsgesellschafter eine Beeinträchtigung ihrer mitgliedschaftlichen Rechtsstellung beklagen, Ergebnisse zu liefern, die einen verträglichen Ausgleich der beteiligten Interessen darstellen. Zwar sind stets die Besonderheiten der einzelnen Konstellation zu beachten, insbesondere die gesetzgeberischen Wertungen, doch ergeben sich hierbei regelmäßig keine Abweichungen zu dem allgemeinen Prüfungsaufbau. Vielmehr garantiert die Abwägungsentscheidung im Rahmen der Angemessenheitskontrolle die notwendige Flexibilität, um sämtliche Besonderheiten der konkreten Situation zu berücksichtigen. Diesem Umstand ist es auch geschuldet, dass ein einheitliches System für sämtliche untersuchten Rechtsformen und Realstrukturen entwickelt werden konnte. Eine Ausnahme bildet insoweit die börsennotierte Aktiengesellschaft. Dem Umstand, dass deren Kleinaktionäre sich nach regelmäßig zu Tage tretendem Selbstverständnis stärker als Investoren denn als Verbandsmitglieder betrachten, kann durch eine Beschränkung der Rechtfertigungskontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen Rechnung getragen werden. Nur Beschlüsse, die entweder die vermögensrechtliche Seite der Beteiligung oder die Börsennotierung betreffen, unterliegen einer inhaltlichen Rechtfertigungskontrolle. Das US-amerikanische Recht vermag stellenweise Impulse zu liefern, die in die Wertungen im deutschen Recht einbezogen werden können. Erwähnt seien die Diskussion um die Erweiterung der bestehenden Andienungsrechte und um höhere Anforderungen an die Information der Gesellschafter im Vorfeld von Strukturmaßnahmen. Auch die Diskussion um die Bestimmung berechtigter Erwartung und Interessen innerhalb der closely held corporation ist weit fortgeschritten und wurde hier herangezogen, um das allgemeine Prüfungssystem im deutschen Recht zu entwickeln. Insgesamt taugt das US-amerikanische Recht jedoch weniger als Vorbild für das deutsche Gesellschaftsrecht. Die durchaus vorhandenen minderheitsfreundlichen Ansätze in der Rechtsprechung führen eher ein Schattendasein, da insbesondere Delaware allzu stark auf die Eintrittsverhandlungen verweist und die Minderheit im weiteren Verlauf des Gesellschaftslebens ihrem Schicksal überlässt. Auch in den anderen Staaten dominiert zudem der Trend, Konflikte über einen Zwangsausschluss des Minderheitsgesellschafters statt über eine Bereinigung der rechtswidrigen Eingriffe zu lösen. Dies leistet den freeze out-Bestrebungen der Mehrheit Vorschub. Fällt das Urteil über den Minderheitsschutz im deutschen Recht insgesamt positiv aus, ist doch ein problematischer Trend nicht zu übersehen: Das Aktienrecht wird zunehmend auf die börsennotierte Aktiengesellschaft zugeschnitten. Zweifellos muss deren Besonderheiten im AktG auch Rechnung getragen werden. Das erreicht die hier vertretene beschränkte Inhaltskontrolle von Hauptversammlungsbe-
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schlüssen, die damit zugleich das Behinderungspotential von Anfechtungsklagen eindämmt. Hinzu kommt, dass an dem Bestand des Aktienrechts, nur beschränkt Aktionärsklagen wegen mittelbarer Schäden zuzulassen, bei börsennotierten Gesellschaften nichts auszusetzen ist. Wohl aber vermögen diese Beschränkungen der Klagemöglichkeiten den Aktionärsinteressen in nicht-notierten Gesellschaften, in denen gänzlich andere Anforderungen an den Minderheitsschutz bestehen, nicht zu genügen. Für einen wirkungsvollen und zugleich interessengerechten Minderheitsschutz ist es notwendig, die Individualklagebefugnis bei mittelbaren Schädigungen zuzulassen und daher den Anwendungsbereich der §§ 147, 148 AktG sowie die Wertungen des § 117 I AktG auf börsennotierte Gesellschaften zu beschränken. In allen übrigen Aktiengesellschaften sollten sich hingegen die Wertungen aus §§ 309 f., 317 f. AktG durchsetzen und daher die Individualklage zugelassen werden. Für sämtliche Aktiengesellschaften ist zudem Kritik an den Bestimmungen zum faktischen Konzern zu üben. Die hier entwickelten allgemeinen Grundsätze sind durchweg besser geeignet, einen interessengerechten Minderheitsschutz zu gewährleisten.
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Sachregister
Sachregister Sachregister
Sachregister A Abfindung 102, 211, 338, 355, 377, 407, 410, 428, 433, 440 f., 491, 531 f., 541, 559, 581, 595, 614 Abfindung zum Verkehrswert 479 Abfindungsanspruch 106, 144, 203 f., 367, 477, 583, 647, 679 Abfindungsbeschränkung 389 Abfindungsgrundsatz 390 Abfindungshöhe 489 Abfindungsklausel 391, 480 Abfindungslösung 411, 579 Abfindungsrecht 189 abhängige Aktiengesellschaft 317 abhängige Gesellschaft 620 Abhängigkeit 528, 604, 615, 625, 641, 643, 649 Abspaltung 502 Abtretung der GmbH-Anteile 464 Abtretung des Geschäftsanteils 482 Abwägung 54, 101 f., 138, 147 f., 157, 159, 162, 164, 168, 171, 184, 199, 202, 210, 221, 346, 363, 380, 402 f., 444, 471, 487, 553, 626, 650, 665, 668, 671 Abwägung Schutzfunktion 94 Abwehranspruch 646 Abwehrfunktion 73 Abwehrrecht 80, 83 f. Abwicklungsgesellschaft 687 actio pro socio 255, 287 f., 330, 325 f., 631, 646 ad hoc-Publizität 560 agency-Kosten 601 Agency-Problem 151, 527 Aktie 101, 211, 265, 270, 428, 507, 576, 578, 587, 614, 644, 659 f. Aktie (Delisting) 132 Aktieneigentum 106 Aktienkonzernrecht 611, 613, 619 Aktionärsausschluss 369 ff. Aktionärsmehrheit 416 Aktionärsrecht 126
allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz 99 Allzuständigkeit 254 Alternativszenario 556 altruistischer Rechtsbehelf 236 Änderungen des Gesellschaftsvertrages 374 Andienungsrecht 477, 511, 576, 582, 589, 612, 620 Anfechtung 684 f. Anfechtungsklage 231, 471, 672 Anfechtungsrecht 126 f., 683 Anfechtungsverfahren 33 angemessene Abfindung 223, 485 angemessener Ausgleich 606 Angemessenheitsprüfung 138 Anlagegesellschafter 375 Anleger 498, 536, 644 Anlegerinteresse 567 Anlegerschutz 491, 563 Anteilsveräußerung 473 appraisal right 149, 511 f., 516, 518, 520 Arbeitnehmerfreizügigkeit 97 arm’s length 43, 58 arm’s length transaction 449 arm’s length-Methode 36, 316 Art. 6 EMRK 229 Audi/NSU-Entscheidung 313 Aufklärungspflichten 375 Auflösung 194, 410, 690 Auflösung der Gesellschaft 300, 399, 403, 551 Auflösung und Liquidation 301 Auflösungsbeschluss 162 f., 166, 193, 265, 444, 687–690 Auflösungsgrund 687 Auflösungsklage 414 Aufsichtsbehörde 13 Aufspaltung 502, 547, 585 Ausgabebetrag 659 Ausgleich 243 Ausgleichszahlung 322, 612 Ausgleichszahlungen 214 Ausgliederung 450, 547
702 Auskunft 350 Auskunft und Einsicht 373 Auskunfts- und Einsichtsrechte 125 Auskunftsanspruch 34, 358 Auskunftserzwingungsverfahren 353 Auskunftsrecht 126 f., 351 ff., 360, 363, 629 Auslegung contra legem 90, 91 Ausscheiden 663 Ausschluss 131, 367, 374, 376, 379, 385 f., 389, 435 Ausschluss aus wichtigem Grund 393, 394, 395, 403, 412 Ausschluss des Bezugsrechts 157 Ausschluss des Erben 380 Ausschluss des Gesellschafters 165, 398 Ausschluss im freien Ermessen 382 Ausschluss in Prüfungsphase 381 Ausschluss nach freiem Ermessen 377, 380 f. Ausschluss von Aktionären 370 Ausschluss von Minderheitsaktionären 416 Ausschlussfrist 245 Ausschlussklausel 161, 371, 376, 378, 382, 390 Ausschlussrecht 383, 482 Ausschlussurteil 406 f. Ausschüttungsverbot 116 außerordentlicher Ausschluss 393 außerordentliches Austrittsrecht 581 Ausstrittsrecht 468 Austauschvertrag 72, 82, 109, 111 f., 121, 137, 140, 398, 461 australisches Recht 387 australisches Recht Gambotto-Urteil 218 Austritt 338 f., 373, 478, 483, 534, 620, 646 Austritt aus wichtigem Grund 468, 484, 526, 619 Austrittsrecht 127, 203, 223, 309, 347, 475 f., 482, 548, 552, 582, 596, 679 B Barabfindung 422, 438, 440, 504, 507, 531, 533, 555 Barabfindungsangebot 492 Bedingungslösung 579 f. Beherrschung 124, 604, 614 ff., 625, 639 ff., 645, 649 Beherrschungsvertrag 440, 506 f., 600, 604 f., 609, 627–630, 633, 635, 642, 646 Beitrittsstadium 142 Bereicherung am Gesellschaftsvermögen 52 Berherrschungsvertrag 607
Sachregister Berichtspflichten des Vorstands 362 Berufsausübungsfreiheit 147 Berufsfreiheit 100 Beschlussfeststellung 232 Beschlusskontrolle 148 f., 169, 175, 182, 573 Beschlussmehrheit 409 Bestandsinteresse 184 Bestimmtheitsgrundsatz 19, 198 f., 360 Beteiligung 485 Beteiligungsquote 661 Beteiligungsveräußerungen 271 beweisbelastet 473 Beweiserleichterungen 220 Beweislast 194, 434, 469 f., 638, 650, 662, 672, 683 f., 690 Beweislastverteilung 217, 219, 222, 321, 348, 363, 422, 555, 624 Bewertung 540 Bewertungsmethode 539 Bezugsrecht 256, 497, 649, 655, 665 f., 671 Bezugsrechtsausschluss 18, 132, 158 f., 165, 184, 214, 220, 426 f., 457, 648, 657, 659 f., 667–672, 674 Börsenaufsicht 563, 571 Börsengang 18, 132, 267 Börsengang 591–595 Börsenhandel 575, 582, 584 Börsenkurs 428, 434, 440, 517, 533 f., 537, 539, 540 f., 582 Börsenkurs Aktien 561 Börsenkurs der Aktie 427 börsennotiert 517 börsennotierte Aktiengesellschaft 21, 207, 209 f., 239, 241, 362, 418, 495, 525, 568, 576, 581, 585 f., 615, 673 börsennotierte Gesellschaft 20, 212, 214, 420, 526, 587, 620, 627 Börsennotierung 132, 270, 527, 548, 559 f., 567, 569 ff., 575 f., 584, 588, 590, 594, 673 Börsennotierung Aktie 566 Börsennotierung der Aktien 124 Börsenordnung 564, 565, 582 Börsenplatz 669 Börsenpreis 536, 669 Börsenrückzug 18, 108, 164, 269, 442, 560 ff., 564, 573, 578, 592 Börsenwert 508 Börsenwert der Aktie 538 Börsenzulassungsstelle 590 breach of contract 120 business judgment rule 43, 143, 144, 187, 259 f., 263, 321
Sachregister buy out 42, 61 C closely held corporation 17, 36–39, 43–48, 53, 55–58, 60, 177, 308, 320, 330, 333, 335, 521 f., 681 consolidation 119, 512 controlling shareholder 6 corporate charter 115 corporate opportunity doctrine 297 cumulativ voting 49 custodian 405 D Dauerschuldverhältnis 397 f., 461, 481, 485 f. de facto merger doctrine 521 Delaware 55–58, 60, 63, 103, 177 f., 256, 296, 320, 331 f., 356, 513 ff., 519 f., 541 ff. Delisting 121, 124, 164, 267, 270, 559 f., 562, 564 ff., 569, 572, 575, 577–583, 585, 589 ff., 593, 595 Delisting-Beschluss 214 derivative action 326, 329–334 derivative suit 326 Desinvestition 301, 506, 690 Desinvestitionsentscheidung 54, 136 f., 173, 193 f., 300, 307, 445, 448, 463, 507, 532, 551, 582, 662 direct action 326, 330 direct suit 326 ff., 331–335, 338 Direktklage 337, 338 discounted cash flow-Methode 542 Dividende 608, 623, 636, 681 Dividendenzahlung 428, 682 Donahue-Entscheidung 46 Doppelschaden 286, 288, 322, 324 f., 330 f. Downgrading 560 Dreimonatszeitraum 440 Dreiviertelmehrheit 409, 453, 577 Drittvergleich 293, 340 Drittwirkung 75, 77, 81, 83–87, 90 f., 93, 98, 137, 564 „dulde und liquidiere“ 204, 619 Durchgriffshaftung 634 duty of care 133, 258, 260, 285 duty of loyalty 40, 43, 133, 258, 260, 285, 286, 331, 333, 441 E effektive Kapitalherabsetzung 662 ff. effet utile 98
703 Effizienzsteigerung 303 Eigeninteresse 138 f., 169, 216, 236, 258, 421, 426, 491, 553, 576, 607, 611 f., 645, 682 f. Eigenkapital 655 eigennütziges Individualrecht 351 Eigentumsgarantie 69, 122 f., 147 Einberufungsrecht 127 einfache Mehrheit 577 einfacher faktischer Konzern 630 eingegliederte Gesellschaft 137, 440 Eingliederung 169, 240, 265, 355, 436, 444, 447, 451, 505, 539, 552 Eingliederungsbeschluss 437 ff. Eingriff 130 Einlagenrückgewähr 335, 449, 494 Einschätzungsspielraum 88 Einsicht in die Bücher 356 Einsichtsrecht 348, 360 einstimmiger Beschluss 386, 483, 548 Einstimmigkeitserfordernis 629 Einstimmigkeitsgrundsatz 409 Einstimmigkeitsprinzip 9, 19, 197, 199, 409, 642 Einstimmigkeitsgrundsatz 639 Einziehung 369, 385 f., 388, 413, 482 Einziehungsverfahren 370 EMRK 431, 435 englisches Recht 179 entire fairness 321 entire fairness test 297, 316, 319 Entscheidung DAT/Altana 208, 567 Entscheidung Moto Meter 567 Entscheidung Nixon 55 Entscheidung Perlmann v. Feldmann 305 f. Entscheidung Siemens/Nold 277 Entziehung des Eigentums 101 Erforderlichkeit 140 Erforderlichkeitsprüfung 138 Ermessensentscheidung 380, 481, 565 Ermessensfehler 222 Erpressung 523 Erpressungspotential 455, 476 Erpressungspotential der Anfechtungsklage 235 Ertragswert 480, 538, 542 Ertragswertmethode 538 Ertragswertverfahren 428, 540 Erwerb eigener Aktien 497, 580 europäisches Grundrecht 431 existenzbedrohender Eingriff 338 Existenzvernichtung 318
704 Existenzvernichtungshaftung 634 exit option 21, 211 ff., 215 expectancy test 294 F facto-Delisting 586 fair market value 516, 541 f. fair value 516, 541 faktische Beherrschung 617, 647 faktische Konzernbildung 617 faktische Minderheitsrechte 7 faktischer Konzern 317, 604, 615, 620 f. Falschinformationen 495 Feldmühle-Entscheidung 100, 208, 211, 453 Feststellungsinteresse 282 f. Feststellungsklage 230, 247, 279 f., 282 f., 671 fiduciary duty 34, 39 ff., 119 f., 125, 176 f., 217, 320, 330 f., 333 fiduciary relationship 35 formales Minderheitsrecht 26 formelles Minderheitsrecht 7 Formwechsel 579 Fragerecht des Aktionärs 354 Frankfurter Börse 564 Free Riding 420 freeze out 60, 129, 405 freie Veräußerlichkeit der Beteiligung 463 freies Ermessen 626 freies Kapital 499 Freigabeverfahren 240 f., 434 Freihandel 567, 576 Freiverkehr 570 Fremdbeeinflussung 113 Fremdbeherrschung 111 Fremdbestimmung 6, 29, 35, 78 f., 372 Fremdinteresse 139, 298 Fungibilität 207, 467, 486, 525, 568, 644 G Gebotenheit 140 Geeignetheitsprüfung 138 Geheimhaltungsinteresse 353 Gelatine 270 f., 274 Gelatine-Entscheidung 267 Gelatine-Konstellation 408 Gemeinwille 10 genehmigtes Kapital 670 Generalklausel 17, 23, 25, 27, 78–82, 84 ff., 89 f., 121, 153, 175, 182, 527 Geschäftschance 258 f., 295, 298, 310 ff., 634 Geschäftschancenlehre 294, 296, 306
Sachregister Geschäftsführer 254 Geschäftsführung 253, 261, 353 Geschäftsführungsmaßnahmen 186 Geschäftsgrundlage 641 Geschäftsleiter 258 Geschäftsleitung 256 f., 263 geschenkte Gesellschaftsbeteiligung 384 Gesellschafterausschluss 160, 368 Gesellschafterausschluss aus wichtigem Grund 413 Gesellschaftsinteresse 135–138, 142, 145, 147, 161, 168 f., 174, 183 f., 187, 191, 193, 263, 303, 419, 467, 469, 485, 491, 493, 573, 607, 615, 627, 633, 643, 648, 660 ff., 670 f., 682, 684 gesellschaftsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz 48 Gesellschaftsvermögen 690 Gesellschaftszweck 135 gesetzgeberische Entscheidung 457 gesetzgeberische Wertung 88, 144, 188, 204, 388, 552, 612, 617 gesetzgeberischer Ermessensspielraum 85 gesetzliche Wertung 458 Gestaltungsurteil 411 Gewaltenteilungsprinzips 188 Gewinnabführungsvertrag 132, 440, 506 f., 600, 604 f., 609, 627 Gewinnanspruch 677 Gewinnausschüttung 316 Gewinnbezugsrecht 114, 629, 662, 678 Gewinnerwartungen 128 Gewinnrecht 198 Gewinnrücklage 680, 684 Gewinnverteilung 48, 53 Gewinnverwendung 679 Gewinnverwendungsbeschluss 126, 159, 166, 214, 618, 677, 680 f., 683 ff. Gewinnvortrag 680 Gewinnziehung 323 Girmes-Entscheidung 215 Gleichbehandlung 56, 95, 303, 587, 662 Gleichbehandlungsgrundsatz 138, 148, 150 ff., 170, 174, 194, 224, 229, 231, 247, 261, 316, 318 f., 332, 402, 423, 469, 602, 649 going private 560, 572, 584, 586 going public 591 golden shares-Urteile 98 good faith and fair dealing 34 good will 491, 659, 661 Großaktionär 401 Grundfreiheiten 96 f., 99
705
Sachregister Grundkapital 667, 683 Grundlagenbeschluss 172 f., 186, 664 Grundlagengeschäft 386, 642 Grundrechtseingriff 93 Grundrechtsschutz 122 Grundrechtsverzicht 111, 118, 142 Grundsatz der Gleichbehandlung 322 Grundsatz der Naturalherstellung 286 Grundsatz der Naturalrestitution 337 Grundsatzbeschluss 409 Gründungsstadium 141 H Hauptversammlungskompetenz 572 herrschende Gesellschaft 613 „herrschendes Unternehmen“ 601, 603, 608, 615, 619, 621, 637, 644 Hibernia-Entscheidung 118, 156 Hibernia-Urteil 2 High Level Group 432 Höchststimmrecht 164, 166, 648, 650 Holzmann-Entcheidung 670 Holzmüller 270 f., 273 f. Holzmüller-Doktrin 349, 443 Holzmüller-Entscheidung 262, 266, 268, 276 f. Holzmüller-Gelatine-Doktrin 572 Holzmüller-Konstellation 408 Holzmüller-Urteil 229 hybride Aktionärsstellung 20 I Individualinteresse 138 Individualrechte 7 individueller Rechtsmissbrauch 236, 238 Information 375 informationelle Unterlegenheit 374 Informationsanspruch 255 Informationsasymetrien 346 Informationsbedürfnis 358 Informationsdefizit 348, 363, 434 Informationsmodell 347 Informationspflicht 73, 312, 324, 439, 451, 496, 550, 554, 609, 614, 621 Informationsrecht 30, 126 f., 145, 198, 220, 256, 345, 348 ff., 356, 358, 360, 429 Inhaberaktie 422 Inhalts- und Schrankenbestimmung 112 Inhaltskontrolle 79, 157, 161, 372 Insider-Trading 561 Insolvenz 660 institutioneller Missbrauch 224
institutioneller Rechtsmissbrauch 148, 194, 229, 247, 425, 427, 437, 445, 456, 469, 587, 689 Interesse der Gesellschaft 345, 645, 672, 689 Interessenabwägung 140, 219, 358 f., 419, 457, 494, 574, 673, 689 Interessenausgleich 72, 77 f. Interessenkonflikt 361, 442, 453, 611, 617, 625, 646, 681 Interessenwahrungspflicht 139, 257, 259 ff., 293, 310, 313, 315, 319, 612, 631 intrinsic fairness test 144, 178, 187, 259, 521, 622 intrinsic/entire fairness test 340 Investitionsanreize 12 Investitionsentscheidung 141 Investitionsrisiko 129, 285, 293, 483, 488 J Jahresabschluss 677, 679 Jahresüberschuss 682 K Kaduzierung 368 Kali + Salz-Kriterien 673 Kali + Salz-Rechtsprechung 674 Kali + Salz-Urteil 671 kalifornischer Supreme Court 312 „kaltes Delisting“ 442, 584 ff., 589 Kapitalabfluss 476, 478, 483, 493 Kapitalabzug 525 Kapitalanlage 208, 211, 358, 569 Kapitalanleger 209, 241, 362, 384, 418, 446, 449, 453, 495, 607 Kapitalaufbringung 368, 413, 497 Kapitalbeteiligung 383, 473 Kapitalbindungsgrundsatz 497 Kapitalentzug 336, 524 Kapitalerhaltung 318, 336, 413, 632 Kapitalerhaltungsgrundsatz 316, 336, 402, 411, 414, 470, 480, 483, 493 f. Kapitalerhaltungsregeln 347 Kapitalerhaltungsschutz 317 Kapitalerhaltungsvorschrift 449, 525, 634, 646 Kapitalerhöhung 127, 426, 608, 655–658, 660, 663–666, 670–674 Kapitalerhöhungsmaßnahmen 265 Kapitalerhöhungsvorschriften 504 f. Kapitalherabsetzung 240, 369 f., 409, 458, 655, 665
706 Kapitalherabsetzung auf Null 663 Kapitalherabsetzungsbeschluss 410 kapitalistisch 485 kapitalistische Beteiligung 478 Kapitalkonto 664 Kapitalmarkteffizienz 536 Kapitalmarktinformationshaftung 498 Kapitalmarktrecht 20, 213, 496, 559, 565, 573 f., 577, 592 Kapitalmehrheit 687 Kapitalrichtlinie 317 Kapitalverkehrsfreiheit 99 Kernbereich 199, 643 Kernbereich der Mitgliedschaft 466, 467 Kernbereichslehre 19, 161, 198, 360, 387 Klagebefugnis 239, 282 Klageerzwingungsrecht 287 Kleinaktionär 208 f., 211 f., 214, 239, 241, 290, 384, 401, 418, 449, 559, 561, 563, 564, 565, 567, 569, 570, 575, 581, 586, 663, 684 f. Kleinanleger 564 Kollektivinteresse 134 Kommanditist 677 Kompetenzdefizit 264 Kompetenzkonflikt 263, 276 f. Kompetenzordnung 132 Kompetenzübertragung 472 Kompetenzverlagerung 271 Komplementär 643, 665, 677 Konfliktvermeidung 346 Kontrahierungszwang 85, 95 Kontrollerwerb 465 Kontrollprämie 302–307 Kontrollwechsel 465 Konzern 600, 604, 640 konzernabhängige Gesellschaft 101 Konzernabschluss 609 konzernangehörige Gesellschaft 527 Konzerneinbindung 631 Konzerneingang 642, 647 Konzerneingangskontrolle 309, 615 f. Konzerneingangsschutz 648, 649 Konzernierung 616 Konzerninteresse 160, 195, 553, 600, 607, 609 f., 632 f., 636 f., 643 Konzernrecht 136, 492, 635 Konzernspitze 632 Konzernstruktur 18, 624 Konzernverbund 612, 626 f. Kooperationsvertrag 382 Kostenexternalisierung 15 Kräfteungleichgewicht 371
Sachregister Kündigungsrecht 147, 475–479 Kündigungsrecht aus wichtigem Grund 397 Kursmanipulation 314, 534 L Leaver-Klauseln 384 Lebensversicherungsvertrag 103 Leerverkäufe 314 Leistungsklage 280 Leistungspflicht 370 Leitbildfunktion des Gesetzes 374 limited liabilty company 64 line of business test 295 Liquidation 136, 494, 542, 585 Liquidationsanteil 666 Liquidationsbeschluss 445 Liquidationserlös 125, 323 Liquidationsverfahren 691 Liquidationswert 480 Liquidationswertverfahren 428, 537 Lösungsrecht 128 M Machtkonzentration 77 Macrotron 269, 271, 274, 571 Macrotron-Entscheidung 121, 124, 237 f., 572, 578, 580, 583 f. Macrotron-Konstellation 408 Macrotron-Urteil 108, 562, 568 Mangusta/Commerzbank II 277 f. Markt zur Unternehmensfinanzierung 13 Marktakteure 346 Marktchance 309 f. Marktgesetz 21 Marktmissbrauchs-Richtlinie 498 Marktschwankungen ausnutzen 423 Marktversagen 14 materielle Beschlusskontrolle 112, 157, 168, 170, 172, 174, 192, 669 „Mediatisierung“ des Aktionärseinflusses 267 Mediatisierungseffekt 272 Mehrfachstimmrecht 640 Mehrheitsbeschluss 374, 386, 467, 644 Mehrheitsbeteiligung 404 Mehrheitsblock 183 Mehrheitseingliederung 131, 204 f., 435, 484, 586 Mehrheitsentscheidung 200 Mehrheitserfordernis 145 Mehrheitsgrundsatz 71 Mehrheitsherrschaft 1, 71, 112
707
Sachregister Mehrheitsinteresse 170, 203, 206 Mehrheitsklausel 200 Mehrheitsmacht 2, 17, 64, 141, 217, 523 Mehrheits-Minderheits-Konflikt 539 Mehrheitsperspektive 48, 50, 133, 176 Mehrheitsprinzip 1, 5, 9, 33, 106, 112, 142, 197, 199, 202, 303, 372, 643, 645 Mehrheitsumwandlung 450 Mehrheitswille 112 f., 141 f., 156 Menschenwürde 80 merger 53, 59, 149, 512–516, 518 ff., 555 Minderheitsabschlag 543 Minderheitsausschluss 442 Minderheitsbegriff 5 Minderheitsbeteiligung 404, 419 Minderheitsinteressen 203 Minderheitsperspektive 48 ff., 125, 133, 176, 178, 186 Mindestausschüttung 684 minority freezeout 37 f., 58 f., 178, 195 minority perspective 125 Missbrauch 416, 469 Missbrauch der Anfechtungsmöglichkeit 235 Missbrauch der Leitungsmacht 635 Missbrauch der Mehrheitsmacht 183, 374, 554 Missbrauch des Fragerechts 355 Missbrauchskontrolle 156, 162, 164 ff., 173, 175, 184, 224 Missbrauchsverbot 171 mitgliedschaftliches Verwaltungsrecht 126 Mitgliedschaftsrecht 127 mittelbare Beeinträchtigung 129 mittelbarer Eingriff 132, 266, 438, 444 mittelbarer Schaden 284, 293, 325, 338, 362 mittelbare Schädigung 315 mittelbares Eigentum 128 Mitverwaltungsrecht 412, 506, 525 „Moto Meter“ 208, 211 Moto-Meter-Beschluss 102, 106, 446, 452, 454 N Namensaktie 464 Nennbetrag 659 Neuemission 660 nichtiger Beschluss 230 f. Nichtigkeitsklage 279 Niederlassungfreiheit 97 Niederlassungsfreiheit 436 Nixon-Urteil 57
nominelle Kapitalerhöhung 661 f. nominelle Kapitalherabsetzung 662 ff. Normentheorie 219 Normentheorie 221 numerus clausus 74, 141 O objektive Werteordnung 78, 80 f. objektiver Verkehrswert 427 öffentliches Angebot 581 on the spot contract 109 oppression 44, 49 f., 62 f., 103, 405 oppression of the minority 37 oppressive behavior 338 ordentlicher Austritt 523 ordentliches Austrittsrecht 475, 480 f., 511 Organisationsvertrag 14, 32, 82, 109, 398 österreichischer Verfassungsgerichtshof 102, 435 P Paketverkauf 303, 575 Paketzuschlag 16, 302, 535, 543 Parabolantennen-Entscheidung 86, 94 Pareto-Superiorität 11 partnership 41 ff., 45 ff., 64, 177, 522 personalistisch 485 personalistisch geprägte Aktiengesellschaft 209 personalistische Struktur 537 persönliche Haftung 479 Pflicht zur Information 583 Pflichtangebot 431, 433, 533 positive Beschlussfeststellungsklage 232 f., 471 positive Stimmpflicht 190, 215, 374 positives Beschlussfeststellungsverfahren 33 praktische Konkordanz 77, 88, 94, 156, 191 Primärmarkt 499 Primärmarkthaftung 497 Principal-Agent-Konflikt 15, 383 Principal-Agent-Phänomen 268 Principal-Agent-Problem 13 Principal-Agent-Verhältnis 421 Principles of Corporate Governance des American Law Institute (ALI) 330 Prospektangaben 496 Prospekt-Richtlinie 498 Prozessstandschafter 287 public company 308 publicly held corporation 16, 36 f., 43 f., 64 f., 320
708 Publikumsgesellschaft 21, 141, 171, 189, 203, 207, 209 f., 248, 394, 463, 526, 551, 644 Publikumsgesellschafter 401 Publikumspersonengesellschaften 372, 375 Publizitätspflicht 593 Publizitätsvorschrift 609 pyramiding 601 Q qualifiziert faktischer Aktienkonzern 622 qualifiziert faktischer Konzern 604, 623, 632, 634–637 qualifizierte Beschlussmehrheit 438, 551 qualifizierte Kapitalmehrheit 420, 586 qualifizierte Mehrheit 144, 190 f., 215, 410, 417, 425, 578, 627, 644 qualifizierter Mehrheitsbeschluss 190 qualifizierte Mehrheitsentscheidung 548 qualifiziertes Mehrheitserfordernis 54, 183, 189, 410 qualifizierte Minderheit 190 qualifiziertes Mehrheitserfordernis 192, 594 qualifziert faktische Konzernierung 632 Quasi-Alleineigentum 421, 451 Quasi-Alleineigentümer 426, 430, 436 f., 447, 456, 506, 527, 553, 576 Quasi-Alleineigentümerstellung 163, 191, 208, 582 Quotenerweiterung 139, 313 Quotenverschiebung 450 R rationale Aktionärsapathie 210, 214 Realstruktur 29, 39, 41, 176, 207 f., 220, 240, 271, 338, 391, 568, 593, 462 Recht auf Auskunft und Einsicht 357 Rechtfertigungskontrolle 135 Rechtfertigungsprüfung 121 Rechtsformumwandlung 265 Rechtsformwechsel 425, 427, 437, 479, 548 Rechtsmissbrauch 669 Rechtsnachfolge 462 Rechtssache Jones v. Ahmanson 309 Redlichkeit des Kapitalmarktverkehrs 498 Referenzzeitraum 535 Regelungsauftrag 77, 88, 1087 Regelungsdefizit 111 Registersperre 237 reserved power 115, 117 reverse stock split 119 Riblet-Urteil 57
Sachregister Richtigkeitsgewähr 77 Richtigkeitsvermutung 10 Rücklage 677, 682 Rücksichtnahmepflicht 26, 32 S Sacheinlage 668 Sachkapitalerhöhung 668, 669 Sanierung 54, 216 satzungsändernd 657 satzungsändernde Mehrheit 386, 577, 594 Satzungsänderung 191 f., 265, 388, 466 f., 527, 627, 679 Satzungsautonomie 192, 368 f., 371, 390 Satzungsbestimmungen 372, 388 Satzungsgerechtigkeit 374 Satzungsstrenge 369, 372 Schadensersatz 281, 315 Schadensersatzanspruch 282, 319, 495, 631 f., 635 f., 638, 646 Schadensersatzanspruch des Minderheitsgesellschafters 310 Scheidemandel II-Entscheidung 105 Schiedsgerichtsklausel 87 Schutzanspruch 142 Schutzauftrag 70 f., 76, 78, 80, 84, 88, 93 Schutzdefizit 149, 528 Schutzfunktion 75 Schutzgebotsfunktion 92, 121 f. schweizerisches Recht 179 Sekundärmarkt 499 Sekundärmarkthaftung 498 Selbstbestimmung 72 Selbstverantwortung 72 Siemens/Nold-Urteil 158, 277 sittenwidrig 479 Sittenwidrigkeit 3, 377 Societas Europaea 510 Sonderprüfer 126 Sonderrecht 198 Sondersituation 424 Sondervorteile 138, 242, 243, 246 Souveränitätsverzicht 133 Sozialbindung des Eigentums 91, 120 Sozialgebundenheit 107 Sozialpflichtigkeit des Eigentums 70, 100 Spaltung 450, 548 Spekulationsrisiko 314 Sperrminorität 26, 54, 165, 183, 189, 666 Sperrwirkung 618 Spruchstellenverfahren 429, 441, 541, 583, 614
Sachregister Spruchverfahren 237, 355 f., 455, 554, 580 Squeeze out 102, 107, 131, 203, 205, 208, 240, 265, 356, 369, 384, 417 f., 421, 423– 428, 433, 436 f., 445, 451, 484, 586, 690 Stammaktie 430 Stammeinlage 658 Stammkapital 634, 662 stille Reserven 491, 659 Stimmbindungsvertrag 27, 640 Stimmbündelung 426 Stimmen-Pool 426 Stimmrecht 49, 125, 127, 132, 155, 176, 229, 491 Stimmrechtsausübung 662 Stimmrechtsbeschränkung 647 Stimmrechtsbündelung 216 Stimmrechtsverbote 234 Streitschlichtungskosten 73 Streubesitz 428, 575 strukturändernde Maßnahme 254, 349, 534, 547, 580, 687 Strukturänderung 521, 524 strukturelle Störung 78 strukturelles Ungleichgewicht 14 Strukturentscheidung 552, 566 Strukturmaßnahme 186, 189, 495, 501, 511 Stundung 493 subsidiäre Einlagenhaftung 386 Subsidiaritätsprinzip 458 Substanzwert 538 Substanzwertverfahren 428 Substanzwertmethode 537 Suspensiveffekt 455 Sutter v. General Petroleum Corp. 327 T Thesaurierung 18, 256, 608, 679 f., 682 Tochtergesellschaft 444 Treuepflicht 4, 23, 25–33, 38 f., 43, 52–55, 57, 59 f., 64, 113, 121 f., 125, 132, 148, 150, 153, 170, 172 f., 175 ff., 182 f., 194, 200 f., 224, 229, 231 f., 246 ff., 261, 283, 285, 300 f., 310, 312 f., 318, 326, 332, 354, 357, 361, 374, 385, 394, 396 f., 399, 423 f., 437, 447, 469, 471, 476, 486, 488, 490, 594, 599, 616, 618, 628, 645, 662 f., 681, 690 Treuhand 172 Treuhänder 381 treuhänderische Stellung 257 Treuhänderstellung 139, 257, 297 f., 313, 319
709 U Überfremdungsschutz 466 Übernahmeangebot 433, 509, 533 Übernahmerecht 527 Übernahmerichtlinie 429, 432, 508 Übernahmesituation 420, 429, 508 Übernahmetransaktion 21 überragende Beteiligung 430 überragende Kapitalmehrheit 425 Überragende Mehrheit 190 übertragende Auflösung 102, 124, 131, 163, 333, 441, 445, 447, 452 Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates 289 Umgehungskonstellation 417 Umstrukturierung 195, 271, 487, 549 f. Umtauschverhältnis 554 Umwandlung 169, 172 f., 193, 195, 355, 451, 547, 552 f., 587, 593, 596 Umwandlungsbeschluss 425, 548–551, 554 Umwandlungsrecht 492 Umwandlungssituation 420, 526 Umwandlungsvorgang 551, 553, 585, 594, 690 Umwegsrepressionen 149 unbeschränkte Mehrheitsherrschaft 15 ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz 275 ungeschriebene Kompetenz 264 Ungleichbehandlung 539 unmittelbarer Eingriff 131 Unterkapitalisierung 462 Unterlassungsanspruch 631 f., 635, 638 Unterlassungsklage 278, 280, 363, 671 Unternehmensbeherrschung 553, 603, 623 Unternehmensbewertung 434, 610 Unternehmensgesellschafter 639 ff. Unternehmensverbund 613 Unternehmensvertrag 106, 124, 132, 203 f., 265, 355, 440, 505, 537, 539, 570, 579, 593, 600, 605 f., 611, 615, 628 Unternehmenswert 537 unternehmerisch beteiligter Aktionär 569 unternehmerische Beteiligung 478 unternehmerische Einschätzungsprärogative 187 f. unternehmerisches Ermessen 15 unternehmerischer Einschätzungsspielraum 315, 556 unternehmerischer Ermessensspielraum 143, 168, 221, 622 unternehmerisches Ermessen 222, 260
710 unternehmerisches Ermessen 321 Unwandlungsvorgänge 18 unwiderlegliche Vermutungsregel 434 Urteil 571 V Veräußerlichkeit 568 Veräußerung der Beteiligung 462 Verbot des institutionellen Rechtsmissbrauchs 231 Verbot des Rechtsmissbrauchs 357 Verbot übermäßiger Rechtsausübung 354 Verbotsgesetze 247 verbundenes Unternehmen 609 verdeckte Gewinnausschüttung 323 verdeckte Gewinnausschüttungen 334 verdeckte Sondervorteile 361 verdeckte Vermögenszuwendung 315, 318 verdeckte Vorteilsgewährungen 317 Verfügungsbeschränkung 502 f. Verhältnismäßigkeit 139, 169, 170, 174, 184, 373, 665, 668 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 105, 105, 385, 470 Verhältnismäßigkeitsprinzip 73 Verkaufsprospekte 375 Verkehrsfähigkeit der Aktie 567 f., 589 Verkehrswert 491 Verkehrswert der Beteiligung 537 Vermögensrecht 30, 126 f. Vermögensschäden 281 Vermögensübertragung 502, 520, 547 f., 570 Verschmelzung 118, 169, 173, 265, 436, 450 f., 502, 547, 554, 585 Verschmelzungsvertrag 504, 547, 555 Verschmelzungswertrelation 508, 539, 607 Verteilung der Beweislast 339 f. Vertragsauslegung 200 Vertragskonzern 604, 614 Vertragsübernahme 462 Vertrauensverhältnis 32 Verwaltungsrechtsweg 564, 571 Verwässerung des Aktionärseinflusses 272 Verwässerungsschutz 659 Verwirkungsgedanken 246
Sachregister Vinkulierung 464 f., 467, 469, 472, 480, 503, 648 f. Vinkulierungsklausel 234, 468, 489 voice option 21, 210, 212 vorläufige Bestandskraft 233 vorläufiger Rechtsschutz 278 Vorzugsaktie 118, 152 Vorzugsaktionär 116, 430 W Wechsel der Rechtsform 502 Wechselwirkung 78 Weisung 627 Weisungsbefugnis 264 Weisungsrecht 610, 624, 639 Wenger/Daimler-Benz-Entscheidung 105 Werteordnung 84 Werteordnung der Grundrechte 89 Wertminderung 129 Wertung 444, 657 Wettbewerbsanspruch 647 Wettbewerbsverbot 159, 615, 618, 626 widerlegliche Vermutung 432 Willkürverbot 151 „Windhunderennen“ 563 wind up 42 Z Zahlungsaufschub 532 „Zaunkönigregelung“ 508 Zusammenlegung von Aktien 165 f., 169, 456 ff. Zustimmungserfordernis 472 Zustimmungsverweigerung 473 Zwangsdelisting 563 Zwangseinziehung 369, 408, 503 zwangsweiser Ausschluss 18 Zwangswirkung 378 f. Zweckerreichung 664 Zweckerreichungsabrede 32 Zweckförderungspflicht 399 f., 403, 486, 490 Zweite Richtlinie 369, 494 f., 666 f. zwingende Verhaltensregeln 346 Zwischenbericht 561