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German Pages 244 [246] Year 2015
Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg.) Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2014 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung
Schriftenreihe der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (Hrsg.) Band 20
Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2014 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (VGR) herausgegeben von der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung mit Beiträgen von
Dr. Jan Bauer Rechtsanwalt, Frankfurt
Prof. Dr. Alfred Bergmann Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe
Dr. Alexandra Schluck-Amend Rechtsanwältin, Stuttgart
Prof. Dr. Jessica Schmidt LL.M. (Nottingham) Universitätsprofessorin, Bayreuth
Dr. Eberhard Vetter Rechtsanwalt, Köln
Dr. Eckhard Wälzholz Notar, Füssen
2015
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-62720-1 ©2015 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Betz, Darmstadt Printed in Germany
Vorwort Mit diesem 20. Band der VGR-Schriftenreihe werden die Referate und Diskussionsberichte der 17. Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung vorgelegt, die am 14. November 2014 mit 400 Teilnehmern in Frankfurt am Main stattgefunden hat. Der traditionell am Anfang stehende Rechtsprechungsbericht des Vorsitzenden des II. Zivilsenats des BGH, Prof. Dr. Alfred Bergmann, behandelte aus den über 500 im Berichtszeitraum erledigten Verfahren je drei Entscheidungen zum Personengesellschafts-, GmbH- und Aktien-/ Kapitalmarktrecht, darunter nach langer Zeit wieder einmal ein Urteil aus dem Grenzbereich von Gesellschafts- und Erbrecht, zwei Entscheidungen zur GmbH-Gesellschafterliste und das für die aktienrechtliche Praxis bedeutende, aber problematische Urteil zur Übernahme von Geldsanktionen durch die Gesellschaft. Prof. Dr. Jessica Schmidt widmete sich in der zweiten Abteilung den neueren Entwicklungen im Europäischen Gesellschaftsrecht. Sie stellte den aktuellen Stand europäischer Gesetzgebung vor, ging dabei besonders auf den Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechte-Richtlinie ein, fasste die aktuelle Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit, zu den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien sowie zur EuInsVO zusammen und gab einen Ausblick auf neue europäische Projekte. Im Zentrum des anschließenden Vortrags über die Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht von Herrn Notar Dr. Eckhard Wälzholz standen die vielfältigen materiellen Probleme, die sich bei der grundsätzlich erb- wie gesellschaftsrechtlich zulässigen Testamentsvollstreckung an einem Gesellschaftsanteil aus dem Spannungsverhältnis beider Rechtsgebiete ergeben. Das Thema beschäftigt die Praxis – wie auch das von Prof. Dr. Bergmann unter Ziff. II 3 seines Vortrags besprochene BGH-Urteil vom 13.5.2014 zeigt – immer wieder. Der Nachmittag begann mit den Kosten der Aufsichtsratstätigkeit und der Frage nach einem Budgetrecht des Aufsichtsrats. Die stetig zunehmende Ausweitung der Anforderungen an die Aufsichtsratstätigkeit geht naturgemäß mit finanziellen Aufwendungen einher, die die Gesellschaft zu tragen hat. Wo die Grenze angemessener Ausstattung des Aufsichtsrats verläuft, wer die Entscheidungskompetenz besitzt und ob es zweckmäßig ist, den Aufsichtsrat mit einem seiner eigenen Verwaltung
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Vorwort
unterliegenden Budget auszustatten, ist nicht immer klar und Gegenstand von Diskussionen. Dr. Eberhard Vetter stellte dieses in der Unternehmenspraxis relevante Thema in allen Facetten dar. Dr. Alexandra Schluck-Amend behandelte anschließend das Spannungsverhältnis von Gesellschafts- und Insolvenzrecht. Mit dem ESUG wurden im März 2012 die Sanierungsinstrumente in der Insolvenz deutlich erweitert und erhebliche Eingriffsmöglichkeiten in Gesellschafterrechte geschaffen. Mit Pfleiderer, Centrotherm und Suhrkamp liegen die ersten wichtigen Praxisfälle vor. Die Referentin stellte die neuen Instrumente und die mit ihnen verbundenen Eingriffs- und Rechtsschutzmöglichkeiten vor und zog ein kritisches Fazit. Das Schlussreferat von Dr. Jan Bauer widmete sich dem Thema Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken beim Unternehmenskauf. Der Referent erläuterte die Bedeutung und Anforderung der Business Judgement Rule bei M&A-Transaktionen und ging auf die derzeit in diesem Zusammenhang aktuellen Fragen der Vorstandshaftung ein. Vorstand und Beirat der VGR danken allen, die zum Gelingen der 17. Jahrestagung beigetragen haben, insbesondere den Referenten, den Diskussionsleitern und -teilnehmern und den Verfassern der Diskussionsberichte. Dem Leser seien gerade auch die Diskussionsberichte zur Lektüre empfohlen; sie bringen fast immer zusätzliche Anregungen und Einsichten und sind eine wichtige, mit nicht geringer Arbeit ihrer Verfasser verbundene Ergänzung der Referate. Vorbereitung und Organisation der Tagung lagen im VGR-Sekretariat wie immer in den bewährten Händen von Frau Heike Wieland. Düsseldorf, im März 2015 Für Vorstand und Beirat der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung Gerd Krieger
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Inhalt* Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prof. Dr. Alfred Bergmann Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dr. Nadine Grau Bericht über die Diskussion des Referats Bergmann . . . . . . . . . . . . . .
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I. Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prof. Dr. Jessica Schmidt, LL.M. (Nottingham) Neuere Entwicklungen im Europäischen Gesellschaftsrecht . . . . . .
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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Europäische Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Existierende Europäische Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Gesellschaftsrechtliche Richtlinien und Empfehlungen . . . . . .
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I. Paket zur Optimierung des Unternehmensumfeldes . . . . . .
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II. Bilanz- und Abschlussprüfungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Stand sonstiger Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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* Ausführliche Inhaltsverzeichnisse jeweils zu Beginn der Beiträge.
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Inhalt
D. Europäisches Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Reform der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) .
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II. Empfehlung 2014/135/EU für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Judikatur zu Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit .
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II. Judikatur zu den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien . . . . .
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III. Urteile zur EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F. Ausblick – Wo geht die Reise hin? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Neue Expertengruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Konsultation zur Sitzverlegungs-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Konsultation zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Spaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Thomas Himmer Bericht über die Diskussion des Referats J. Schmidt . . . . . . . . . . . . . .
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Dr. Eckhard Wälzholz Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Literaturübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Thesen zur Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht . .
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III. Testamentsvollstreckung bei Unternehmen und Beteiligungen – Materielle Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Der Testamentsvollstrecker im Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . 105 Tony Grobe Bericht über die Diskussion des Referats Wälzholz . . . . . . . . . . . . . . . 109
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Inhalt
Dr. Eberhard Vetter Kosten der Aufsichtsratstätigkeit und Budgetrecht des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Kosten der Aufsichtsratstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 III. Die Abwicklung der Auslagen und Aufwendungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 IV. Budgetrecht des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Dr. Marc Peters, LL.M. oec. Bericht über die Diskussion des Referats E. Vetter . . . . . . . . . . . . . . . 143 Dr. Alexandra Schluck-Amend Gesellschaftsrecht versus Insolvenzrecht – Möglichkeiten und Probleme in der Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. ESUG – Erweiterung der Sanierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . 152 II. Praxisfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 III. Eingriffsmöglichkeiten in Gesellschafterrechte . . . . . . . . . . . . . . 164 IV. Rechtsschutzmöglichkeiten bei Eingriffen in die Gesellschafterrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Dr. Astrid Roesener Bericht über die Diskussion des Referats Schluck-Amend . . . . . . . . 187 Dr. Jan Bauer Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken beim Unternehmenskauf . . 195 I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 II. Rechtsgrundlagen der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 III. Business Judgement Rule (BJR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 IV. Entscheidungsdreiklang bei M&A Transaktionen . . . . . . . . . . . . 201 V. Aktuelle Fragen der Vorstandshaftung bei Unternehmenskäufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
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Inhalt
Dr. Rüdiger Schmidt-Bendun Bericht über die Diskussion des Referats Bauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
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Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Alfred Bergmann Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe I. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Personengesellschaftsrecht . . 1. Urteil vom 19. November 2013 – II ZR 383/12 (Fehlerhafte mehrgliedrige stille Gesellschaft). . . . . . . . . . 2. Urteil vom 19. November 2013 – II ZR 150/12 (Treuwidrige Berufung auf Selbständigkeit der GbR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Urteil vom 13. Mai 2014 – II ZR 250/12 (Ausübung der Gesellschafterbefugnisse durch Testamentsvollstrecker) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . 1. Urteil vom 17. Dezember 2013 – II ZR 21/12 (Korrektur unrichtiger Gesellschafterliste) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Beschluss vom 17. Dezember 2013 – II ZB 6/13 (Einreichung der Gesellschafterliste durch ausländischen Notar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3. Urteil vom 29. April 2014 – II ZR 216/13 (Sittenwidriger Abfindungsausschluss) . . . . . . 12 IV. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1. Urteil vom 8. Juli 2014 – II ZR 174/13 (Übernahme einer Geldsanktion für ein Vorstandsmitglied). . . . . . . . . . . . . 2. Beschlüsse vom 5. November 2013 – II ZB 28/12 und vom 14. Januar 2014 – II ZB 5/12 (Fragerecht der Aktionäre) . . . 3. Urteil vom 29. Juli 2014 – II ZR 353/12 (Individualanspruch auf angemessene Gegenleistung bei öffentlichem Übernahmeangebot) . .
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I. Einleitung Bereits in meinem Bericht auf der vorvergangenen Jahrestagung im November 2012 hatte ich auf den stark angestiegenen Arbeitsanfall beim II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hingewiesen. Die hohen Eingangszahlen von über 400 Eingängen pro Jahr haben angehalten. Das hat dazu geführt, dass beim Senat Anfang November 2013 über 500, genau 531 Verfahren anhängig waren, davon 494 Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden. Im Zeitraum vom 1. November 2013 bis zum 31. Oktober 2014 sind weitere 422 Neueingänge hinzugekommen, darunter 364 Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden einschließlich 42 vom Beru-
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Bergmann – Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH
fungsgericht zugelassener Revisionen. Durch Erledigung von über 500 Verfahren hat der Bestand an anhängigen Verfahren zum 31. Oktober 2014 jedoch auf knapp über 400 Verfahren verringert werden können. Diese Zahlen lassen erkennen, dass der Senat sich im vergangenen Jahr nicht nur mit Sachen befasst hat, die zu leitsatzfähigen Aussagen führen, sondern solche Verfahren im Gegenteil eher den geringeren Anteil der Senatsarbeit ausmachen. Eine ausreichende Anzahl von Entscheidungen, die sich nach meinem Dafürhalten für eine Besprechung auf der Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung eignen, ist aber auch dieses Mal zu verzeichnen.
II. Personengesellschaftsrecht Im Personengesellschaftsrecht bleibt der Schwerpunkt bei Streitigkeiten mit Bezug auf Beteiligungen an Publikumsgesellschaften. Hier ist im Berichtszeitraum eine Vielzahl mehr oder weniger gleich gelagerter Verfahren zu uns gelangt, in denen Anleger, die sich als stille Gesellschafter an dem Handelsgeschäft einer Aktiengesellschaft beteiligt hatten, ihre Beteiligung im Wege des Schadensersatzes wieder rückgängig machen wollten. Die besondere Gestaltung der gesellschaftsrechtlichen Verbindung der Anleger mit der Aktiengesellschaft als der Inhaberin des Handelsgeschäfts im Sinne des § 230 HGB, die man verkürzt als einen Verband in Form einer Innen-KG umschreiben kann, hat zu der Entscheidung vom 19. November 2013 – II ZR 383/121 geführt. Vom selben Tage stammt die Entscheidung in der Sache II ZR 150/12,2 die eine besondere Variante des Versuchs betrifft, eine BGB-Publikumsfondsgesellschaft unter Ausschluss eines Teils angeblich sanierungsunwilliger Mitgesellschafter zu sanieren. Zum Bereich der Familiengesellschaften im weiteren Sinne gehört die Entscheidung vom 13. Mai 2014 – II ZR 250/12,3 die sich mit der Ausübung der Gesellschafterbefugnisse durch den Testamentsvollstrecker befasst, wenn zu dem seiner Verwaltung unterliegenden Nachlass Gesellschaftsanteile an einer GmbH & Co. KG gehören.
1 BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 = AG 2014, 41. 2 BGH, ZIP 2014, 565 = MDR 2014, 550. 3 BGH, ZIP 2014, 1422 = GmbHR 2014, 863.
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Bergmann – Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH
1. Urteil vom 19. November 2013 – II ZR 383/12 (Fehlerhafte mehrgliedrige stille Gesellschaft) In dieser Sache ging es, wie bereits gesagt, um die Beteiligung von Kapitalanlegern an einer sog. mehrgliedrigen stillen Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft. Die Anleger hatten sich an der beklagten Aktiengesellschaft in der Weise als stille Gesellschafter beteiligt, dass alle Anleger gemeinsam mit der Aktiengesellschaft als Inhaberin des Handelsgeschäfts eine stille Gesellschaft bildeten. Die Gestaltung nach dem stillen Gesellschaftsvertrag stellte eine Innen-KG dar, bei der die Aktiengesellschaft die einer Komplementärin vergleichbare Stellung innehatte, während die Anleger Kommanditisten gleichgestellt waren. Das zwischen der Aktiengesellschaft und allen stillen Gesellschaftern vereinbarte stille Gesellschaftsverhältnis war u.a. dadurch gekennzeichnet, dass nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung zwar allein der Aktiengesellschaft als Geschäftsinhaberin zustand, sie aber nur zur Vornahme der zum laufenden Betrieb gehörenden Rechtsgeschäfte befugt war. Über den laufenden Geschäftsbetrieb hinausgehende Maßnahmen durfte sie nur mit Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung vornehmen. Es war in dieser Sache über die Klage eines stillen Gesellschafters zu entscheiden, der geltend gemacht hatte, die beklagte Aktiengesellschaft habe ihn im Zusammenhang mit seinem Beitritt pflichtwidrig nicht hinreichend über für seine Beitrittsentscheidung maßgebliche Umstände aufgeklärt und sei ihm daher zum Schadensersatz verpflichtet. Er hatte mit seiner Klage die Rückzahlung der von ihm geleisteten Einlage Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus der stillen Beteiligung begehrt. Die Vorinstanzen4 hatten die Klage mit der Begründung abgewiesen, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Ersatz des von ihm geltend gemachten Zeichnungsschadens gegen die Beklagte schon deshalb nicht zu, weil es einem Gesellschafter nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft grundsätzlich verwehrt sei, gegen die in Vollzug gesetzte Gesellschaft im Wege des Schadensersatzes einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlage geltend zu machen; vielmehr sei er regelmäßig auf seinen Abfindungsanspruch beschränkt. Der Senat ist dieser Beurteilung nur insoweit gefolgt, als er gleichfalls von dem Vorliegen einer mehrgliedrigen stillen Publikumsgesellschaft
4 Vgl. OLG München, ZIP 2013, 414.
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Bergmann – Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH
ausgegangen ist, auf welche die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anwendbar sind und einer Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes wegen vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens beim Beitritt zur Gesellschaft entgegenstehen. Aus dem Umstand, dass der Anleger keine Rückabwicklung der Beteiligung verlangen kann, folgt nach Auffassung des Senats jedoch nicht, dass er mit jedweder Geltendmachung eines Anspruchs auf Ersatz seines ihm durch den Beitritt entstandenen Schadens ausgeschlossen ist. Auch bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kann der Anleger, der sich an einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft beteiligt hat, unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) Gesellschaftsverhältnisses gegebenenfalls zustehenden Abfindungsanspruchs von dem Geschäftsinhaber Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens verlangen, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährdet ist. Dabei hat der Senat zunächst an seiner Rechtsprechung festgehalten, dass die Regeln der fehlerhaften Gesellschaft grundsätzlich auch auf stille Gesellschaften, die als solche lediglich Innengesellschaften sind, Anwendung finden.5 Im vorliegenden Fall trat ebenfalls rechtlich nach außen nur die Aktiengesellschaft auf, in deren Vermögen auch die Einlagen der stillen Gesellschaft eingezahlt worden waren. Die zwischen allen Anlegern und der Aktiengesellschaft gebildete (mehrgliedrige) stille Gesellschaft verfügte als solche über kein eigenes Gesellschaftsvermögen. Die im Streitfall gegebene Form einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft ist nach Ansicht des Senats von bloß zweigliedrigen stillen Gesellschaftsverhältnissen zu unterscheiden, die auch bei einer Vielzahl von Anlegern jeweils nur zwischen dem einzelnen Anleger und dem betreffenden Inhaber des Handelsgeschäfts bestehen. Bei bloß zweigliedrigen stillen Gesellschaftsverhältnissen hat der Senat bereits in früheren Entscheidungen angenommen, dass die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft einem auf Rückgängigmachung der Beteiligung gerichteten Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens nicht entgegenstehen.6 Die damals offen gebliebene Frage, wie dies für die mehrgliedrige stille Gesellschaft zu beurteilen ist, bei der die Gesamtheit der Anleger mit dem Inhaber des Handelsgeschäfts, hier mit der Aktiengesellschaft, die stille Gesellschaft bildet, ist nun dahin ent-
5 BGHZ 199, 104 Rz. 11 m.w.N. = AG 2014, 41. 6 BGH, ZIP 2004, 1706, 1707 = AG 2004, 610.
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schieden worden, dass bei der mehrgliedrigen stillen Gesellschaft wegen des schutzwürdigen Bestandsinteresses der Beteiligten die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden sind. Demnach erfolgt keine Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes, sondern der Anleger kann nach Kündigung seiner Beteiligung wegen des Vertragsmangels zunächst nur seinen Abfindungsanspruch geltend machen. Ist sein durch den fehlerhaften Beitritt verursachter Schaden damit aber noch nicht abgegolten, steht ihm ein Anspruch auf Ersatz seines weitergehenden Schadens zu. Diesen kann er jedoch nur dann und nur soweit geltend machen, wie dadurch die gleichmäßige Befriedigung der Abfindungsund Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährdet wird. Solange eine Schmälerung solcher Ansprüche anderer Anleger droht, ist der einzelne Anleger an der Durchsetzung eines auf Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Beitritt gestützten Schadensersatzanspruchs gegen den Geschäftsinhaber gehindert.7 Eine solche Gefährdung des schutzwürdigen Interesses der übrigen Anleger an einer geordneten Abwicklung droht nicht, wenn und soweit das Vermögen des Geschäftsinhabers im Zeitpunkt der Entscheidung über den Schadensersatzanspruch eines einzelnen Anlegers sowohl die zu diesem Zeitpunkt bestehenden (hypothetischen) Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche aller stillen Gesellschafter als auch den Schadensersatzanspruch des betreffenden Anlegers deckt. Das ist der Fall, wenn bei einer auf diesen Zeitpunkt bezogenen fiktiven Auseinandersetzungsrechnung der gesamten mehrgliedrigen stillen Gesellschaft das Vermögen des Geschäftsinhabers ausreichen würde, um die (hypothetischen) Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche aller stillen Gesellschafter vollständig sowie den Schadensersatzanspruch des klagenden Anlegers ganz oder teilweise zu befriedigen. Ist dies nicht der Fall, kommt gleichwohl zumindest eine Feststellung des Schadensersatzanspruchs dem Grund und der Höhe nach in Betracht.
2. Urteil vom 19. November 2013 – II ZR 150/12 (Treuwidrige Berufung auf Selbständigkeit der GbR) In diesem Verfahren8 war eine besonders ausgefallene Form eines Sanierungsversuchs zu beurteilen, nachdem ein Immobilienfonds in der 7 Vgl. dazu Konzen in FS H.P. Westermann, 2008, S. 1133, 1153 f. 8 BGH, ZIP 2014, 565 = MDR 2014, 550.
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Rechtsform einer GbR (Alt-GbR) das zur Objektfinanzierung gewährte Bankdarlehen nicht mehr bedienen konnte. Ein Sanierungsangebot der Bank war daran gescheitert, dass nicht alle Gesellschafter die danach auf sie entfallenden Nachschussbeträge geleistet hatten. Die Bank hatte sodann die Darlehensforderung gegen die Alt-GbR zur sofortigen Zahlung fällig gestellt. Von einem Teil der Gesellschafter war daraufhin eine weitere GbR (Neu-GbR) ohne Wissen des anderen Teils der Gesellschafter gegründet worden. Zweck der Neu-GbR war der Erwerb der Darlehensforderung der Bank und deren Geltendmachung gegen die Alt-GbR und gegebenenfalls gegen die Gesellschafter der Alt-GbR sowie der Ankauf der Gesellschaftsimmobilie. In Verfolgung dieses Ziels hatte die Neu-GbR zunächst in erneuten Verhandlungen mit der Bank die Herabsetzung des Ablösebetrags erreicht, so dass sie die Darlehensforderung zu einem Preis von ca. 1 Mio. Euro hatte erwerben können. Sie hatte anschließend die Alt-GbR auf Rückzahlung in Höhe von ca. 2 Mio. Euro verklagt und gegen diese einen entsprechenden Zahlungstitel erwirkt. Da sie sich aus diesem aber nicht befriedigen konnte, ging sie nunmehr gegen die Gesellschafter der Alt-GbR vor und hatte gegen diese Klage auf Zahlung des auf den jeweiligen Gesellschafter entfallenden Teilbetrags der (vollen) Darlehensschuld erhoben. Der beklagte Altgesellschafter des Verfahrens II ZR 150/12 zahlte während des Rechtsstreits einen Betrag, den er nach seinem Anteil an der Darlehensschuld der AltGbR berechnet hatte, allerdings unter Zugrundelegung nicht der vollen Darlehensschuld, sondern nur nach Maßgabe des von der Neu-GbR für den Erwerb der Darlehensforderung gezahlten niedrigeren Ankaufspreises. Das Berufungsgericht hatte die Klage, die nur noch auf Zahlung des nach dem Anteil an der vollen Darlehensschuld berechneten Differenzbetrags gerichtet war, mit der Begründung abgewiesen, die Gesellschafter der Neu-GbR seien ihren Mitgesellschaftern der Alt-GbR wegen ihres Vorgehens zum Schadensersatz verpflichtet. Dies könne der Beklagte seiner Inanspruchnahme durch die Neu-GbR entgegenhalten. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt. Die Gesellschafter der Neu-GbR haben, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, ihre Treuepflicht gegenüber ihren Mitgesellschaftern der Alt-GbR verletzt, weil sie diesen keine Gelegenheit gegeben haben, sich an der Sanierung unter anteiliger Aufbringung des letztlich von der Bank geforderten Betrags zu beteiligen, und sind ihnen deshalb zum Schadensersatz verpflichtet. Der Beklagte war deshalb so zu stellen, als wenn ihm diese Gelegenheit gegeben worden wäre. Die rechtskräftige Verurteilung der Alt-GbR stand dieser Einwendung nicht
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gemäß § 129 HGB analog entgegen. Im Zahlungsprozess gegen die AltGbR war nur über die der Gesellschaft zustehenden Einwendungen analog § 129 Abs. 1 HGB mit Wirkung für die Gesellschafter entschieden worden. Der Beklagte hatte der Inanspruchnahme durch die Neu-GbR aber einen eigenen, ihm aus eigenem Recht zustehenden Schadensersatzanspruch (gegen die Gesellschafter der Neu-GbR) entgegengehalten, der durch das rechtskräftige Urteil gegen die Alt-GbR nicht berührt wurde. Der Bundesgerichtshof hat weiter angenommen, dass der den Mitgesellschaftern der Alt-GbR zustehende Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschafter der Neu-GbR nach § 242 BGB ausnahmsweise auch der Neu-GbR selbst entgegengehalten werden kann. Zwar ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein von ihren Gesellschaftern grundsätzlich zu trennendes eigenes Zuordnungssubjekt. Eine Durchbrechung des Trennungsprinzips ist hier gem. § 242 BGB aber ausnahmsweise geboten, weil die Gründung der Neu-GbR selbst auf einem grob treupflichtwidrigen Verhalten ihrer Gesellschafter beruht, die Forderung der Neu-GbR und der Schadensersatzanspruch gegen ihre Gesellschafter in einem untrennbarem Zusammenhang stehen und die Neu-GbR ausschließlich aus Gesellschaftern bestand, denen ein solcher Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gegenüber dem Beklagten anzulasten war.
3. Urteil vom 13. Mai 2014 – II ZR 250/12 (Ausübung der Gesellschafterbefugnisse durch Testamentsvollstrecker) Die Erblasserin war Alleingesellschafterin der Komplementärin einer GmbH & Co. KG und deren alleinige Kommanditistin. Der Kläger war zu Lebzeiten der Erblasserin nahezu 30 Jahre lang deren Vermögensverwalter und Generalbevollmächtigter sowie zeitweise Geschäftsführer der Komplementärin gewesen. In ihrem Testament hatte die Erblasserin den Kläger als Testamentsvollstrecker für die Dauer von zehn Jahren eingesetzt. Nach ihrem Tode hatten die Erben (der Gesellschaftsanteile) dem Kläger vorgeworfen, er habe seine Pflichten als Geschäftsführer verletzt und sei der KG daher zum Schadensersatz verpflichtet. Die nach dem Ausscheiden des Klägers als Geschäftsführer neu eingesetzte Geschäftsführung der KG hatte daraufhin mit der Prüfung der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe einen unabhängigen Dritten beauftragt, der zu dem Ergebnis kam, dass es für die behaupteten Schadensersatzforderungen keinen Anlass gebe.
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Die Erben hatten sich damit jedoch nicht zufrieden gegeben, sondern bei der Komplementärin und der KG mehrfach Gesellschafterbeschlüsse des Inhalts gefasst, sie zur Einziehung der behaupteten Schadensersatzforderungen zu ermächtigen. In der Folge war ein Streit zwischen den Erben und der (Geschäftsführung der) Komplementärin darüber entstanden, ob diese Beschlussfassungen wirksam und von der beklagten Komplementärin zu befolgen seien. Zur Behebung auch geltend gemachter etwaiger formeller Mängel der früheren Beschlussfassungen hatten die Erben von der (Geschäftsführung der) Komplementärin die Einberufung neuer Gesellschafterversammlungen verlangt und nach Zurückweisung dieses Ansinnens dazu selbst eingeladen. Auf den trotz Widerspruchs des Klägers und der Geschäftsführung der Komplementärin abgehaltenen Gesellschafterversammlungen hatten die Erben mit ihren Stimmen beschlossen, dass die Geschäftsführung die Erben zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche gegen den Kläger zu ermächtigen habe und sie dies gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen dürften. Der Kläger hatte die Nichtigkeit dieser zuletzt gefassten Beschlüsse geltend gemacht. Seine Klage war vom Berufungsgericht mit der Begründung abgewiesen worden, die Erben seien zur Einberufung der Gesellschafterversammlungen befugt gewesen. Der Kläger habe im Hinblick auf die behaupteten Schadensersatzansprüche einem Stimmverbot gem. § 47 Abs. 4 GmbHG unterlegen, so dass die Verwaltungsbefugnis hinsichtlich der Gesellschaftsanteile einschließlich des Einberufungsrechts den Erben zugestanden habe. Der Bundesgerichtshof hat die Klage dagegen für begründet erachtet und das Berufungsurteil aufgehoben.9 Die Klage war begründet, weil die Erben die Gesellschafterversammlungen nicht einberufen durften und die dort gefassten Beschlüsse wegen dieses Einberufungsmangels nichtig waren. Bei Anordnung der Testamentsvollstreckung über einen Gesellschaftsanteil nimmt grundsätzlich der Testamentsvollstrecker die Gesellschafterrechte wahr. Er ist allerdings von der Wahrnehmung des Stimmrechts ausgeschlossen, wenn ein auf seine Person bezogenes Stimmverbot besteht; in diesem Fall wird das Stimmrecht durch den Gesellschafter-Erben ausgeübt. Das Gesellschafterrecht auf Einberufung einer Gesellschafterversammlung ist jedoch, was das Berufungsgericht verkannt hat, gesellschaftsrechtlich von der Befugnis zur Ausübung des Stimmrechts unabhängig. Auch ein Gesellschafter, der ohne Stimmrecht ist oder in der konkreten Angelegenheit einem Stimmverbot un9 BGH, ZIP 2014, 1422 = GmbHR 2014, 863.
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terliegt, kann ein berechtigtes Interesse daran haben, bestimmte Angelegenheiten in der Gesellschaft zur Diskussion und Abstimmung zu stellen. An dieser Unabhängigkeit des Einberufungsrechts von einem hinsichtlich der Beschlussfassung bestehenden Stimmverbot ändert sich auf der für die Entscheidung über die Beschlussanfechtung maßgeblichen Ebene der Gesellschaft nichts daran, dass die Gesellschafterrechte hier durch einen Testamentsvollstrecker wahrgenommen wurden. Die Erblasserin hatte die Ausübung der Gesellschafterrechte durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung gerade in die Entscheidungsbefugnis des Testamentsvollstreckers gestellt, auf deren Amtsführung die Erben grundsätzlich keinen Einfluss nehmen können. Die Erben können in einem solchen Fall eine Einberufung der Gesellschafterversammlung daher nur über die Geltendmachung derjenigen Rechte erreichen, die ihnen aus dem erbrechtlichen Innenverhältnis dem Testamentsvollstrecker gegenüber zustehen. Insbesondere haben sie einen Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses (§ 2216 BGB). Gehört zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses die Einberufung der Gesellschafterversammlung, um einen Beschluss über den betreffenden Gegenstand herbeizuführen, hier über die Geltendmachung der behaupteten Schadensersatzansprüche gegen den Testamentsvollstrecker als ehemaligen Geschäftsführer, so müssen die Erben ihre erbrechtlichen Ansprüche notfalls gerichtlich im Klage- oder einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzen. Gegebenenfalls können sie die Abberufung des Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht beantragen (§ 2227 BGB) und ihn auf Schadensersatz in Anspruch nehmen (§ 2219 Abs. 1 BGB).
III. GmbH-Recht 1. Urteil vom 17. Dezember 2013 – II ZR 21/12 (Korrektur unrichtiger Gesellschafterliste) Mit Urteil vom 17. Dezember 2012 – II ZR 21/1210 ist entschieden worden, dass der Geschäftsführer zur Korrektur einer seiner Ansicht nach unrichtigen, von einem Notar nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG eingereichten Gesellschafterliste befugt ist. Er muss aber dem Betroffenen vor der Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Wenn der Betroffene der Korrektur widerspricht, ändert das nichts an der Berechtigung des Geschäftsführers, bei 10 BGH, ZIP 2014, 216 = GmbHR 2014, 198.
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Fehlern für eine Berichtigung der Gesellschafterliste zu sorgen, solange nicht der Betroffene im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erreicht, dass dem Geschäftsführer die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste untersagt wird. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof angeführt, dass die verstärkte Einbeziehung des Notars in die Aktualisierung der Gesellschafterliste nach den Gesetzgebungsmaterialien in erster Linie auf verfahrensökonomischen Erwägungen beruht. Das Verfahren zur Korrektur einer unrichtigen, vom Notar eingereichten Gesellschafterliste regelt das Gesetz nicht, obwohl der Gesetzgeber die Regelungslücke erkannt hat. Eine analoge Anwendung des § 67 Abs. 5 AktG kommt mangels Vergleichbarkeit der Löschung eines zu Unrecht eingetragenen Aktionärs mit der vom Notar eingereichten fehlerhaften Gesellschafterliste nicht in Betracht. Bei der Aktiengesellschaft kann bereits die Eintragung ins Aktienregister vom Vorstand kontrolliert werden (§ 67 Abs. 3 AktG), so dass sich die Korrektur regelmäßig auf nachträglich als fehlerhaft erkannte Übertragungsvorgänge beschränkt. Dagegen ist die Geschäftsführung bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung an der (notariellen) Einreichung der Gesellschafterliste nicht beteiligt und der Korrekturbedarf entsteht vornehmlich bei anfänglich als unrichtig erkannten Übertragungsvorgängen. Der durch die Korrektur der Gesellschafterliste Betroffene kann sich durch einen Widerspruch (§ 16 Abs. 3 Satz 3 bis 5 GmbHG) schützen. Da er vor der Einreichung vom Geschäftsführer angehört werden muss, kann er gegebenenfalls im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes dagegen vorgehen. Zu einer weiteren durch dieses Verfahren aufgeworfenen Problematik hat der Senat ausgesprochen, dass die Zustimmung der Gesellschafter zur Teilung eines Geschäftsanteils im Zusammenhang mit einer Abtretung auch in der Weise wirksam erklärt werden kann, dass die Zustimmung vorab erklärt wird, und es in diesem Fall für die Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes genügt, wenn in der Einwilligungserklärung einem bestimmbaren Kreis von Teilungen zugestimmt und auf die Teilungserklärung im Veräußerungs- oder Abtretungsvertrag Bezug genommen wird, in der der geteilte Geschäftsanteil, die neuen Geschäftsanteile und ihre Nennbeträge bestimmt sind. Er hat diese Gesetzesauslegung damit begründet, dass durch das MoMiG11 die zuvor geltende Rechtslage zur Teilung von Geschäftsanteilen nicht erschwert werden sollte. 11 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008 (BGBl. I, S. 2026).
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2. Beschluss vom 17. Dezember 2013 – II ZB 6/13 (Einreichung der Gesellschafterliste durch ausländischen Notar) In dieser Registersache hatte das Registergericht die Aufnahme einer von einem in Basel/Stadt ansässigen Notar nach Abtretung eines Geschäftsanteils erstellten und eingereichten Gesellschafterliste in den elektronischen Registerordner abgelehnt. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte das Oberlandesgericht zurückgewiesen.12 Die zugelassene Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung und zur Anweisung an das Registergericht, die Gesellschafterliste in den Registerordner aufzunehmen.13 In seiner Begründung hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass das Registergericht die Gesellschafterliste lediglich entgegennimmt und verwahrt, ohne eine inhaltliche Prüfpflicht zu haben. Es darf lediglich prüfen, ob die eingereichte Gesellschafterliste den formalen Anforderungen des § 40 GmbHG entspricht. Ob ein ausländischer Notar oder jedenfalls ein Notar mit Sitz in Basel eine Gesellschafterliste einreichen darf, gehört nicht zu den vom Prüfungsrecht des Registergerichts erfassten formalen Anforderungen. Das wäre allenfalls dann anders, wenn ein ausländischer Notar unter keinen Umständen eine Gesellschafterliste einreichen dürfte. Ein ausländischer Notar ist aber jedenfalls dann zur Einreichung der Gesellschafterliste berechtigt, wenn er an einer Beurkundung mitgewirkt hat, die einer Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig und daher im Inland wirksam ist. Die Einreichungskompetenz ergibt sich dann aus seiner Beurkundungskompetenz. Vor dem Inkrafttreten des MoMiG war die Beurkundung einer Geschäftsanteilsabtretung durch einen ausländischen Notar möglich, wenn die Beurkundung derjenigen durch einen deutschen Notar gleichwertig war. An dieser Rechtslage hat das MoMiG nichts geändert. Die Ablehnung der von einem ausländischen Notar eingereichten Gesellschafterliste kommt im Hinblick auf das auf die Erfüllung der formalen Erfordernisse beschränkte Prüfungsrecht des Registergerichts daher allenfalls in Fällen in Betracht, bei denen die fehlende Gleichwertigkeit der ausländischen Beurkundung ohne weiteres feststeht. Von einem solchen Ausnahmefall war bei der Beurkundung durch den in Basel/Stadt ansässigen Notar nicht auszugehen.
12 OLG München, ZIP 2013, 458 = GmbHR 2013, 269. 13 BGHZ 201, 65 = ZIP 2014, 1327 = GmbHR 2014, 811.
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3. Urteil vom 29. April 2014 – II ZR 216/13 (Sittenwidriger Abfindungsausschluss) In dieser Sache14 enthielt die Satzung einer GmbH die Bestimmung, dass der Geschäftsanteil aus wichtigem Grund eingezogen werden kann und die Einziehung ohne Entgelt erfolgt, wenn der Gesellschafter die Interessen der Gesellschaft grob verletzt bzw. eine grobe Pflichtverletzung begangen hat. Der Bundesgerichtshof hat diesen Abfindungsausschluss als sittenwidrig und einen auf diese Satzungsbestimmung gestützten Gesellschafterbeschluss analog § 241 Nr. 4 AktG als nichtig angesehen. Das Recht auf Abfindung gehört zu den Grundmitgliedsrechten. Es kann daher nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden, wie dies bisher bei Gesellschaften mit ideeller Zweckverfolgung, Abfindungsklauseln auf den Todesfall oder auf Zeit abgeschlossenen Mitarbeiter- oder Managerbeteiligungen ohne Kapitaleinsatz zugelassen worden ist. Da ein solcher Ausnahmefall hier nicht vorlag, war die Satzungsbestimmung wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Ein wegen Sittenwidrigkeit unwirksamer Abfindungsausschluss kann nicht grundsätzlich als zulässige Vereinbarung einer Vertragsstrafe angesehen werden, weil die Vertragsstrafe anderen Zwecken dient. Auf eine in der Satzung der GmbH enthaltene Klausel, nach der im Falle der Einziehung wegen grober Pflichtverletzung das Entgelt so niedrig wie rechtlich möglich zu bemessen sei, falls rechtlich ein Entgelt zwingend vorgeschrieben sein sollte, war der angefochtene Beschluss nicht gestützt worden.
IV. Aktienrecht 1. Urteil vom 8. Juli 2014 – II ZR 174/13 (Übernahme einer Geldsanktion für ein Vorstandsmitglied) Gegen das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft war wegen Handlungen in Ausübung seiner Vorstandstätigkeit ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Die Gesellschaft und das Vorstandsmitglied hatten daraufhin die Aufhebung des Anstellungsvertrags mit der Maßgabe vereinbart, dass die Gesellschaft etwaige Geldsanktionen übernehmen werde. Später hatte sie dem Vorstandsmitglied ein Darlehen gewährt, das dieser zur Begleichung einer ihm nach § 153a StPO auferlegten Geldbuße verwandte. In unserem Verfahren hatte die 14 BGHZ 201, 65 = ZIP 2014, 1327 = GmbHR 2014, 811; OLG Karlsruhe, ZIP 2013, 1958.
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Gesellschaft auf Rückzahlung des Darlehens geklagt. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, weil die Kostenübernahmezusage wirksam sei und der Darlehensvertrag keine Aufhebung oder Änderung bezweckt habe. Die Revision führte zur Aufhebung, weil nicht festgestellt war, ob das Vorstandsmitglied pflichtwidrig gehandelt hatte, und damit die Wirksamkeit der Zusage zweifelhaft war. Denn nach Ansicht des Senats muss entsprechend § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG die Hauptversammlung einer Übernahme der Sanktion zustimmen, wenn die von dem Vorstandsmitglied begangene Straftat gleichzeitig eine Pflichtverletzung gegenüber der Aktiengesellschaft ist. Die analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG ist geboten, weil bei Pflichtwidrigkeit durch Übernahme der Sanktion ein Schaden der Gesellschaft verursacht oder vertieft wird. Dies kann der Aufsichtsrat daher nicht ohne Zustimmung der Hauptversammlung beschließen. Der Aufsichtsrat muss vielmehr Ansprüche wegen Pflichtwidrigkeit in der Regel verfolgen und hat kein Ermessen, die Pflichtwidrigkeit zu verneinen. Sofern die strafrechtlichen Vorwürfe noch nicht hinreichend geklärt sind, kann dieser Unsicherheit durch eine vorläufige Regelung begegnet werden; der Aufsichtsrat kann sich z.B. die Rückforderung der Übernahmezahlung für den Fall vorbehalten, dass sich die Vorwürfe später als berechtigt erweisen.
2. Beschlüsse vom 5. November 2013 – II ZB 28/12 und vom 14. Januar 2014 – II ZB 5/12 (Fragerecht der Aktionäre) In den den beiden Beschlüssen vom 5. November 2013 und vom 14. Januar 2014 zugrunde liegenden Verfahren hatten Aktionäre (eine Vielzahl von) Fragen auf der Hauptversammlung der Porsche Automobil Holding SE 2010 (II ZB 5/12)15 bzw. der Deutsche Bank AG (II ZB 28/12)16 und anschließend Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach § 132 AktG gestellt, weil sie ihre Fragen für unzureichend beantwortet hielten. Die Anträge und Beschwerden hatten in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Die Beschwerdegerichte hatten jedoch die Rechtsbeschwerden wegen der Frage der Vereinbarkeit von § 131 AktG mit der AktionärsRL 2007/36/EG zugelassen.17 Die Rechtsbeschwerden blieben gleichfalls ohne Erfolg und führten auch nicht zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. 15 BGH, ZIP 2014, 671 = AG 2014, 402. 16 BGHZ 198, 354 = ZIP 2013, 2454 = AG 2014, 87. 17 Vgl. OLG Frankfurt, ZIP 2012, 2502 = AG 2013, 302; OLG Stuttgart, ZIP 2012, 970 = AG 2012, 377.
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Zur Zulassungsfrage hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass das Merkmal der Erforderlichkeit der Auskunft in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG missbräuchlich ausufernde Auskunftsbegehren verhindern soll. § 131 AktG verstößt insoweit nicht gegen die AktionärsRL 2007/36/EG. Die Beschränkung des Auskunftsrechts des Aktionärs ist jedenfalls eine zulässige Maßnahme nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 der RL. Danach bestehen das Fragerecht und die Antwortpflicht nur vorbehaltlich etwaiger Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten ergreifen oder den Gesellschaften zu ergreifen gestatten, um den ordnungsgemäßen Ablauf von Hauptversammlungen und ihre ordnungsgemäße Vorbereitung zu gewährleisten. Die mit der Begrenzung der Auskunftspflicht nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG verbundene Einschränkung des Informationsanspruchs einzelner Aktionäre bewegt sich innerhalb dieser den Mitgliedstaaten zustehenden Regelungskompetenz und ist offenkundig ein geeignetes und nicht über das erforderliche Maß hinausgehendes Mittel zur Erreichung der der Aktionärsrechterichtlinie zu Grunde liegenden und für die Mitgliedstaaten verbindlichen Ziele. Da sich dies hinreichend klar aus der Auslegung der Richtlinie ergibt, hat der Bundesgerichtshof eine Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union verneint. Zur Anwendung des § 131 AktG in den konkreten Fällen hat er u.a. ausgeführt, dass der Aktionär bei einer auf eine Vielzahl von Informationen gerichteten Frage, die zumindest teilweise nicht für die Beurteilung eines Tagesordnungspunkts relevant sind, gegebenenfalls nachfragen muss, wenn er meint, eine aus seiner Sicht unzureichende Pauschalantwort erhalten zu haben. Weiter hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass ein Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstands besteht, wenn die Erteilung der Auskunft geeignet wäre, der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil im Sinne des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG zuzufügen. Der Vertraulichkeitsschutz und das mit diesem korrespondierende Recht des Vorstands, Auskünfte in der Hauptversammlung zu verweigern, erstrecken sich auch auf die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat im Bereich der Tätigkeit des Aufsichtsrats. Der Vorstand darf regelmäßig die Auskunft verweigern, wenn sich das Auskunftsverlangen auf vertrauliche Vorgänge in den Sitzungen des Aufsichtsrats oder der von ihm nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG bestellten Ausschüsse richtet.
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3. Urteil vom 29. Juli 2014 – II ZR 353/12 (Individualanspruch auf angemessene Gegenleistung bei öffentlichem Übernahmeangebot) In diesem Verfahren18 ging es um die Übernahme der Deutschen Postbank AG (Postbank) durch die beklagte Deutsche Bank AG (DB). Diese hatte am 7. Oktober 2010 ein freiwilliges Übernahmeangebot in Bezug auf Aktien der Postbank zum Preis von 25 Euro je Aktie veröffentlicht. Die klagende Aktionärin der Postbank war der Ansicht, die DB hätte bereits im Jahr 2008 wegen einer auf die Übernahme gerichteten Vereinbarung mit der Muttergesellschaft der Postbank, der Deutsche Post AG (Post), ein Pflichtangebot zu einem Preis von 57,25 Euro je Aktie veröffentlichen müssen. Die auf Zahlung einer höheren Gegenleistung gerichtete Klage war vom Oberlandesgericht19 abgewiesen worden. Auf die Revision hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Zwar stand der Klägerin kein Anspruch wegen Unterlassens eines Pflichtangebots aus § 35 Abs. 2 WpÜG, § 823 Abs. 2 BGB zu.20 Es kamen aber noch offene Zahlungsansprüche aus dem freiwilligen Übernahmeangebot vom 7. Oktober 2010 in Betracht, wenn die angebotene Gegenleistung von 25 Euro je Aktie als nicht angemessen im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG anzusehen war. Insoweit hat der Bundesgerichtshof zunächst mit einer im Schrifttum vertretenen Ansicht angenommen, dass Aktionäre einen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch auf den Differenzbetrag haben, wenn die angebotene Gegenleistung nicht angemessen ist. Das ergibt sich aus der Systematik des § 31 WpÜG sowie aus dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Diese Rechtsfolge steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung zu § 35 Abs. 2 WpÜG,21 weil Aktionäre dort dadurch geschützt sind, dass der Bieter bei einem Verstoß keine Rechte aus den Aktien ausüben kann, § 59 WpÜG. Im entschiedenen Fall war die angebotene Gegenleistung zwar unter Berücksichtigung der Referenzzeiträume nach den §§ 3 bis 5 WpÜG-AngVO als angemessen im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG zu bewerten.
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BGH, ZIP 2014, 1623 = AG 2014, 662. OLG Köln, ZIP 2013, 1325 = AG 2013, 391. Vgl. BGH, ZIP 2013, 1565 – BKN = AG 2013, 634. BGH, ZIP 2013, 1565 – BKN = AG 2013, 634.
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Die für die Berechnung der angemessenen Gegenleistung maßgeblichen Referenzzeiträume verlängern sich aber entsprechend, wenn der Bieter bereits vor Veröffentlichung seines freiwilligen Übernahmeangebots die Kontrolle über die Zielgesellschaft erworben, die Veröffentlichung eines Pflichtangebots aber unterlassen hat. Denn dem Bieter kann es nicht zugutekommen, dass er sein Angebot verspätet veröffentlicht. Im Streitfall waren die Voraussetzungen eines Kontrollerwerbs (§ 29 Abs. 2 WpÜG) möglicherweise bereits zum Zeitpunkt einer ersten Vereinbarung der DB mit der Post vom 12. September 2008 oder einer späteren Vereinbarung vom 14. Januar 2009 gegeben. Die Prüfung dieser Vereinbarungen auf der Grundlage der – teils streitigen – tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts und der dagegen erhobenen Revisionsangriffe hat den Bundesgerichtshof zu folgenden rechtlichen Aussagen veranlasst: Für den Kontrollerwerb nach § 29 Abs. 2 WpÜG, der mindestens 30 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft erfordert, ist grundsätzlich das Eigentum an den Aktien maßgeblich. Lediglich schuldrechtliche Ansprüche auf Übereignung von Aktien reichen insoweit nicht aus. Zu berücksichtigen sind aber Zurechnungen von Stimmrechten nach den Tatbeständen des § 30 WpÜG. Nach dem Zurechnungstatbestand des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG werden Stimmrechte zugerechnet, die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Bieters gehalten werden. Die Zurechnung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Bieter die wesentlichen Risiken und Chancen aus den betreffenden Aktien trägt und die Möglichkeit hat, auf die Stimmrechtsausübung des Eigentümers der Aktien Einfluss zu nehmen. Nach dem Zurechnungstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG werden Stimmrechte aus Aktien zugerechnet, die der Bieter durch eine Willenserklärung erwerben kann. Diese Zurechnung setzt voraus, dass der Bieter das Eigentum an den entsprechenden Aktien durch eine einseitige Willenserklärung ohne Mitwirkung des Vertragspartners oder eines Dritten erwerben kann. Ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung der Aktien reicht hier gleichfalls nicht aus. Nach § 31 Abs. 2 WpÜG schließlich werden Stimmrechte eines Dritten aus Aktien zugerechnet, mit dem der Bieter sein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt. Die Klägerin hatte insoweit unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Vertragsparteien in der späteren Vereinbarung eine Interessenschutzklausel vereinbart hätten, nach der die Post bis zum 25. Februar 2012 die ihr zustehenden aktienrechtlichen Rechte nur un-
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ter angemessener Berücksichtigung der Interessen der DB habe ausüben dürfen. Damit war entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eine Verständigung über die Ausübung des Stimmrechts i.S.v. § 30 Abs. 2 WpÜG hinreichend substantiiert behauptet, so dass die Sache an das Oberlandesgericht zur Nachholung der Beweiserhebung zurückzuverweisen war.
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Bericht über die Diskussion des Referats Bergmann Dr. Nadine Grau Richterin am Landgericht, Köln/Karlsruhe Diskussionsleiter Habersack dankte Bergmann für sein Referat und erläuterte kurz die angestrebte Struktur der Diskussion anhand der drei Hauptthemen des Referats: Personengesellschaftsrecht, GmbH-Recht und Aktienrecht.
I. Personengesellschaftsrecht K. Schmidt zog im Zusammenhang mit dem Urteil vom 19.11.2013 (II ZR 150/12, NZG 2014, 385) eine Parallele zur Geschäftschancenlehre und zur Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ (Urteil vom 19.10.2009 – II ZR 240/08, NZG 2009, 1347). Nach seinem Verständnis folge aus der referierten Entscheidung, dass Einzelne nicht die Sanierung an sich ziehen dürften. Bergmann erwiderte, dass in der Sache II ZR 150/12 die neu gegründete Gesellschaft nicht nur eine Sanierungschance, sondern das gesamte Geschäft der alten Gesellschaft und insbesondere die dazu gehörende Immobilie an sich gezogen hatte. C. Schäfer vertrat die Ansicht, dass Sanierungsgewinne zugunsten nur eines Teils der Gesellschafter, auch wenn sie die Mehrheit bildeten, ohnehin kritisch zu würdigen seien. Sehr angetan zeigte sich K. Schmidt von dem ebenfalls am 19.11.2013 ergangenen Urteil in der Sache II ZR 383/12 (NZG 2013, 1422). Hierdurch sei das Thema der „Innen-KG“ in den Vordergrund gerückt worden. Solche Konstrukte stufte er als GmbH & Co. KG ohne Rechtsfähigkeit ein, wobei die Innen-KG fiktiver Rechtsträger sei und echte Unternehmerin. Sie unterliege damit auch einer Quasi-Liquidation oder auch Innen-Liquidation und sei wie eine KG abzuwickeln. Auf der Strecke bleibe hierbei allerdings die Publizität, denn eine GmbH & Still könne nicht angemeldet werden. Habersack ergänzte insoweit, dass es sich um eine Als-ob-Betrachtung einer schuldrechtlich möglichen Beteiligung handele. Im Gegensatz zu diesen positiven Einschätzungen hielt C. Schäfer die referierte Entscheidung nur auf der Tatbestandsseite für richtig, während er die Rechtsfolgen – insbesondere aus Sicht des nunmehr erneut zur Verhandlung und Entscheidung aufgerufenen Berufungsgerichts – als problematisch und unnötig kompliziert einstufte, zumal die in Anspruch genom-
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Grau – Bericht über die Diskussion des Referats Bergmann
mene Gesellschaft über kein freies Vermögen verfüge, das im Wege des Schadensersatzes abgeschöpft werden könnte, da sie selbst an der stillen Gesellschaft beteiligt sei. Es wäre aus seiner Sicht einfacher gewesen, den klagenden stillen Gesellschaftern einen unbeschränkten Abfindungsanspruch zuzubilligen, was letztlich zur vollständigen Verteilung des Vermögens geführt hätte. Dem hielt Bergmann entgegen, dass das – vom Senat als gerecht empfundene – Ziel die Abschöpfung freien Vermögens des Inhabers des Handelsgeschäfts im Rahmen einer geordneten Abwicklung bzw. Auseinandersetzung sei. Wenn im Anschluss hieran noch weiteres Vermögen vorhanden sei, sei gegen einen sog. Wettlauf der Gläubiger nichts einzuwenden, denn dann stünden sich alle Anleger wie sonstige Geschädigte gegenüber. Aus revisionsrechtlicher Sicht sei es außerdem gerade nicht ausgeschlossen gewesen, dass noch freies Vermögen der in Anspruch genommenen Gesellschaft vorhanden sei; nicht zuletzt habe sie ein Geschäftsführergehalt bezogen. Jedenfalls habe der Senat grundsätzliche Regeln für alle Fälle aufstellen wollen, unabhängig davon, ob im konkreten Fall tatsächlich noch Vermögen vorhanden sei. Denkbar sei es schließlich auch, dass ein nicht treuhänderisch gebundener Teil des Handelsgeschäfts existiere, auf den dann zugegriffen werden könne. Im Übrigen verfügten die geschädigten Anleger nach der Lösung des Senats über einen Feststellungstitel, und es sei schließlich denkbar, dass die in Anspruch genommene Gesellschaft in der Zukunft neues Vermögen generiere. Abschließend warf Vetter die Frage auf, woher die klagenden Anleger wissen sollten, ob ausreichend Vermögen vorhanden sei und auf welchen Zeitpunkt es insoweit ankomme. Hierzu erläuterte Bergmann, dass die Frage, ob ausreichend freies Vermögen vorhanden sei, zum Zeitpunkt der Entscheidung, also auf der bei der letzten mündlichen Verhandlung vorhandenen Tatsachengrundlage zu beantworten sei. Hierbei trage der Inhaber des Handelsgeschäfts die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der vom Senat entwickelten „Durchsetzungssperre“, wenn er diese dem Schadensersatzverlangen des Anlegers entgegen halte. Für den Fall, dass tatsächlich kein ausreichendes Vermögen vorhanden sei, stünden die Anleger jedenfalls nicht schlechter als sonst auch.
II. GmbH-Recht Heidinger bezog sich auf das Urteil vom 17.12.2013 (II ZR 21/12, NZG 2014, 184) und verwies darauf, dass er beim Deutschen Notarinstitut zum Teil mehrere Anfragen pro Woche bezüglich der Handhabung der
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Grau – Bericht über die Diskussion des Referats Bergmann
Gesellschafterliste zu beantworten habe. Ziel des MoMiG sei es insoweit gewesen, mehr Transparenz zu gewährleisten sowie Missbräuche und Geldwäsche zu bekämpfen. Die Details der Handhabung der Gesellschafterliste habe der Gesetzgeber indes offen gelassen. Jedenfalls komme der Liste eine gesteigerte Bedeutung zu, denn nach § 16 Abs. 1 GmbHG gelte der in der Gesellschafterliste Eingetragene sofort als Inhaber des Geschäftsanteils mit gravierenden Folgen, falls die Liste falsch sei; nicht zuletzt hafte der Eingetragene nach § 16 Abs. 2 GmbHG. Diese Folgen seien gerade im praktisch häufigsten Fall der Abtretung nur akzeptabel, wenn mit der Gesellschafterliste eine erhöhte Richtigkeitsgewähr verbunden sei, was durch die Beteiligung eines Notars gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG sowie die dort in Satz 2 aufgeführte qualifizierte Notarbescheinigung erreicht werde. Demgegenüber habe sich der II. Zivilsenat bei den genannten Entscheidungen vor allem von verfahrensökonomischen Erwägungen leiten lassen. Durch die erweiterte Zuständigkeit des Geschäftsführers sei die vom Gesetzgeber angestrebte Richtigkeitsgewähr gefährdet. Folge man der Ansicht des Senats, so sei nicht nachvollziehbar, weshalb es dann einer qualifizierten Notarbescheinigung bedürfe. Heidinger stellte klar, dass es ihm nicht darauf ankomme, die Pfründe der Notare zu retten; denn wenn der Geschäftsführer – ggf. unter dem Druck der Mehrheitsgesellschafter – erst anwaltliche Beratung benötige, könne dies unter Umständen viel kostspieliger werden. Bergmann trat dem entgegen und verwies darauf, dass es sich bei der Gesellschafterliste im Ausgangspunkt um eine privat geführte Liste handele, die beim Registergericht lediglich zur Verwahrung und Kenntnisnahme eingereicht werde und die nicht von vorneherein mit einer Richtigkeitsgewähr ausgestattet sei. Seiner Auffassung nach war dem Gesetzgeber bewusst, dass die gewählte Lösung halbherzig ist; möglicherweise wäre aber eine eher dem Grundbuch angenäherte Lösung im internationalen Rechtsverkehr auf Schwierigkeiten gestoßen. Liebscher bezeichnete das besagte Urteil vom 17.12.2013 im Hinblick auf die Frage der Voraussetzungen einer Teilung von GmbH-Geschäftsanteilen als Paradigmenwechsel, da vor dem MoMiG weder Vorratsteilungen noch Blankettermächtigungen zur Teilung zulässig gewesen seien. Dem widersprach Bergmann, nach dessen Auffassung sich die Rechtslage insoweit nicht grundsätzlich, sondern nur insofern geändert habe, als nunmehr eine Teilung auch von vorneherein beschlossen werden könne. Zum Beschluss vom 17.12.2013 (II ZB 6/13, NZG 2014, 219) vertrat Hollweg die Auffassung, dass der Gesetzgeber des MoMiG in der Tat nicht die Pfründe der Notare habe sichern wollen, weshalb die Entschei-
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dung zu begrüßen sei. Für international tätige Rechtsanwälte sei das Beurkundungserfordernis ohnehin nicht ganz einsichtig. Allerdings stelle sich nun die Frage, ob die Prüfung der Gleichwertigkeit der ausländischen Beurkundung in die formelle Prüfungskompetenz des Registergerichts falle. Hierzu bemerkte Bergmann, dass das Registergericht die Gleichwertigkeit der Beurkundung grundsätzlich nicht zu prüfen habe. Nur, wenn die fehlende Gleichwertigkeit auf der Hand liege, etwa weil es bereits höchstrichterliche Rechtsprechung zur fraglichen Beurkundungsperson gebe, könne dies der Prüfungskompetenz des Registergerichts unterfallen.
III. Aktienrecht Von Falkenhausen nahm im Zusammenhang mit dem Urteil vom 29.7.2014 (II ZR 353/12, NZG 2014, 985) Stellung zu der Frage, ob die Referenzzeiträume der §§ 4, 5 WpÜG-AngVO auf den Zeitraum vorzuverlegen seien, in dem ein Pflichtangebot abzugeben gewesen wäre. Dies sei im Hinblick auf die Börsenkursentwicklung anders zu beurteilen als eine Verlängerung der Referenzzeiträume, von der der Senat ausgegangen sei. Bergmann stellte heraus, dass es dem Bieter nicht zugutekommen könne, wenn er von sich aus den Zeitpunkt des Gebotes im Hinblick auf eine günstige Kursentwicklung verzögere und dann ein Angebot abgebe. Uwe H. Schneider begrüßte die Entscheidung, soweit dem außenstehenden Aktionär weitergehende Rechte eingeräumt werden. Wenig überzeugend sei aber, hinsichtlich der Zurechnung der Stimmrechte nur auf das Eigentum an den Aktien abzustellen, nicht aber auch auf die schuldrechtlichen Ansprüche. Hierdurch werde der angestrebte Gleichlauf mit den Meldepflichten nach §§ 25, 25a WpHG verhindert. Zu befürchten sei, dass nun kautelarjuristisch dahin beraten werde, im Vorfeld einer geplanten Übernahme nur schuldrechtliche Ansprüche zu begründen. Hierzu erklärte Bergmann, dass die Auslegung, wonach es auf das Eigentum ankomme, mit Blick auf die Gesetzesmaterialien eindeutig sei. Es wäre daher ggf. Sache des Gesetzgebers, dies zu ändern. Der Vorteil dieser Lösung sei in jedem Fall, dass es nicht zu Abgrenzungsproblemen komme. Heidel stimmte – wie auch Uwe H. Schneider – dem Urteil vom 8.7.2014 (II ZR 174/13, NZG 2014, 1058) zur Übernahme von Geldstrafen und -auflagen für ein Vorstandsmitglied zu. Nicht verständlich sei allerdings, weshalb der II. Zivilsenat sich nicht bzw. nur obiter zu der Frage geäußert habe, ob die Hauptversammlung der Übernahme einer
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Sanktion auch dann zustimmen müsse, wenn sich das sanktionierte Fehlverhalten nicht gegen die Gesellschaft richte. Es könne schlechterdings nicht im Interesse der Gesellschaft liegen, Geldsanktionen für private Verfehlungen eines Vorstandsmitglieds auszugleichen. Der Übernahme einer wegen privaten Fehlverhaltens verhängten Geldstrafe stehe im Übrigen § 87 AktG entgegen. Dem hielt Bergmann entgegen, dass nur die Frage zu entscheiden gewesen sei, ob die Hauptversammlung der Übernahme einer Geldauflage wegen einer Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft zuzustimmen habe. Hieraus könne indes nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass Geldstrafen für Verfehlungen, die sich nicht gegen die Gesellschaft richteten, ohne weiteres übernommen werden dürften. Schließlich sei es im zu entscheidenden Fall gerade auch um die Frage gegangen, ob ein Schaden entstanden sei. Krieger hielt fest, dass aus seiner Sicht die Übernahme von Geldstrafen durch die Gesellschaft keiner schwarz-weiß-Beurteilung unterliege. Es könne durchaus im Unternehmensinteresse liegen, die Geldstrafe zu übernehmen. So müsse die Gesellschaft etwa bei in Rede stehenden Kartellverstößen mit den Behörden kooperieren, um erhebliche – eine evtl. zu übernehmende Geldstrafe weit übersteigende – Geldbußen zu vermeiden. Hierzu wiederum sei die Gesellschaft unter Umständen auf die Mitwirkung und die Informationen des Vorstandsmitglieds angewiesen. Lege man allerdings die Grundsätze der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung (Urteil vom 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244) zugrunde, sei es konsequent, dass der Aufsichtsrat in solchen Sondersituationen im Interesse der Gesellschaft die Übernahme der Geldbuße ausnahmsweise zusagen könne, so wie er auch berechtigt sei, ausnahmsweise von der Verfolgung eines bestehenden Schadensersatzanspruchs abzusehen, wenn dies im besten Interesse der Gesellschaft liege. Nach der Entscheidung von Juli 2014 sei hingegen für die Übernahme von Geldbußen immer die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich. Dies könne allerdings gerade bei Publikumsgesellschaften dazu führen, dass sich die Gesellschaft im Ergebnis selbst schädigen müsse. Hierzu bemerkte Bergmann, dass sich aus den Grundsätzen der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung bei objektivem Verständnis aber auch ergebe, dass dem Aufsichtsrat bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen vorliegen, aufgrund derer er im Einzelfall verpflichtet sei, Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder zu verfolgen, ein gewisser Spielraum zustehen könne, ohne dass seinerzeit entschieden worden wäre, unter welchen konkreten Umständen dies in Betracht komme. Dies lasse sich auf den diskutierten Fall der Übernahme von Geldstrafen durch bloßen Auf-
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sichtsratsbeschluss theoretisch übertragen. Der II. Zivilsenat sehe sich jedenfalls mit der getroffenen Entscheidung angesichts der derzeitigen Fassung des § 93 AktG auf der Basis des geltenden Rechts und fühle sich nicht berufen, dieses zu ändern. Der in den Beschlüssen vom 5.11.2013 und vom 14.1.2014 (II ZB 28/12, NZG 2014, 27 und II ZB 5/12, NZG 2014, 423) vertretenen Auffassung des II. Zivilsenats, dass die Begrenzung des Auskunftsrechts des Aktionärs durch das Merkmal der Erforderlichkeit in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG eine zulässige Maßnahme nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 der Aktionärsrechterichtlinie darstelle, trat Nietsch bei. Praktische Bedenken äußerte er indes, soweit dem Aktionär, der auf eine Frage nach einer Vielzahl von Informationen eine Pauschalantwort erhalte, auferlegt werde, durch Nachfrage deutlich zu machen, dass sein Informationsinteresse auf bestimmte Detailauskünfte gerichtet sei. Denn regelmäßig stelle sich eine Hauptversammlung ihrem Ablauf nach nicht als Frage-/Antwortspiel dar. Außerdem könnten sich Fragezeitbeschränkungen als problematisch erweisen. Was die Auskunftsverweigerung des Vorstands wegen einer Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat angehe, so hielt er die Rechte der Hauptversammlung für übermäßig beschnitten. Dem hielt Bergmann entgegen, dass es nicht einsichtig sei, weshalb es einem Aktionär rein tatsächlich nicht möglich sein soll, auf der Hauptversammlung nach Erhalt einer Pauschalantwort deutlich zu machen, dass sein Informationsinteresse noch nicht befriedigt sei. Gegebenenfalls könnte auch nachgefragt werden, ob die Frage vollständig beantwortet sei. Jedenfalls bestehe kein Grund, dies von vorneherein für ausgeschlossen zu halten.
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Neuere Entwicklungen im Europäischen Gesellschaftsrecht Prof. Dr. Jessica Schmidt, LL.M. (Nottingham) Universität Bayreuth A. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Europäische Rechtsformen . . I. Existierende Europäische Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . 1. Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea – SE). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäische Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea – SCE) und Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV). . . . . . . . . . . . . II. Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Europäische Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea – SPE) . . . . . . . . . . 2. Europäische Stiftung (Fundatio Europaea – FE). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Gesellschaftsrechtliche Richtlinien und Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . I. Paket zur Optimierung des Unternehmensumfeldes. . . . . 1. Vorschlag zur Änderung der AktionärsrechteRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . b) Say on pay und stärkere Verknüpfung von Vergütung und Leistung . . . . . . . . . . . . c) Bessere Kontrolle von related party transactions . . . . . . . . .
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2. Comply-or-Explain-Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. SUP-RLE. . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundgedanke und Überblick über die wichtigsten Eckpunkte b) Würdigung . . . . . . . . . . . aa) Positiver Grundgedanke . . . . . . . . . . bb) Problemfelder in der konkreten Ausgestaltung . . . . . . . . (1) Identitätsprüfung i.R.d. Eintragung . . . . . . . (2) Mindestkapital und Kapitalschutz . . . . . . . . (3) Sitzspaltung . . . (4) Arbeitnehmerbeteiligung . . . . (5) Eignung als „Konzernbaustein“ . . . . . . . . cc) Grundproblematik des SUP-Modells . . II. Bilanz- und Abschlussprüfungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Neue EU-Bilanz-Richtlinie 2. Neuer Rechtsrahmen für die Abschlussprüfung . . . . . III. Übernahmerecht . . . . . . . . . . . IV. Stand sonstiger Projekte . . . . . 1. Vorschlag für eine Richtlinie zur Geschlechterbalance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verknüpfung der Handelsund Unternehmensregister .
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J. Schmidt – Neue Entwicklungen im Europäischen Gesellschaftsrecht D. Europäisches Insolvenzrecht . I. Reform der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Empfehlung 2014/135/EU für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen . . . . . . . . . . E. EuGH-Rechtsprechung. . . . . . I. Judikatur zu Niederlassungsund Kapitalverkehrsfreiheit . . 1. Niederlassungsfreiheit und Konzernrecht: Impacto Azul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalverkehrsfreiheit/ „Goldene Aktien“: VW II . II. Judikatur zu den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien . . . . .
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1. Emittentenhaftung und 1. (Publizitäts-)RL sowie 2. (Kapital-)RL: Hirmann . . 51 2. Judikate zu Bilanzrecht und Bilanzpublizität . . . . . . 53 III. Urteile zur EuInsVO . . . . . . . . 53 F. Ausblick – Wo geht die Reise hin? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Neue Expertengruppe . . . . . . . II. Konsultation zur Sitzverlegungs-RL . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konsultation zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Spaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . .
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G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
A. Einleitung* Auch im Europäischen Gesellschaftsrecht gilt die Maxime der „Reform in Permanenz“1. Die Europäische Kommission als „Motor der Integration“ treibt die Harmonisierung kontinuierlich voran. Aktueller „Fahrplan“ ist insoweit der Aktionsplan Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance vom 12. Dezember 20122, den ich auch als zeitlichen Anfangspunkt meines heutigen Überblicks heranziehen möchte. * Der Beitrag gibt den aktuellen Stand am Tag des Vortrags (14.11.2014) wieder. Spätere Entwicklungen sind aus technischen Gründen in der Druckfassung nicht berücksichtigt. 1 Vgl. Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2012, § 18 Rz. 108. 2 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagiertere Aktionäre und besser überlebensfähige Unternehmen, COM(2012) 740. Dazu Bayer, NZG 2013, 1, 15 f.; Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 12 ff.; Behrens, EuZW 2013, 121 f.; Bremer, NZG 2013, 3, 20 f.; Hopt, ZGR 2013, 165 ff.; Hopt, EuZW 2013, 481 ff.; Hupka,
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Entscheidende Impulse setzt aber vor allem auch die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs. Zudem kommen von Seiten des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten immer wieder wichtige Initiativen, welche die Rechtsentwicklung maßgeblich mitprägen. Vor diesem Hintergrund muss ich auch meine heutigen Ausführungen notgedrungen auf die wichtigsten und zentralsten Punkte der Rechtsentwicklung seit der Vorlage des Aktionsplans Ende 2012 beschränken.
B. Europäische Rechtsformen Beginnen möchte ich mit den Entwicklungen im Bereich der Europäischen Rechtsformen.
I. Existierende Europäische Rechtsformen 1. Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea – SE) Das „Flaggschiff“3, die Europäische Aktiengesellschaft, hat sich inzwischen bekanntermaßen fest etabliert. Zum 1.10.2014 gab es insgesamt 2.234 SE in Europa4, davon 317 in Deutschland5. Eine Reform der SE-VO und SE-RL ist indes in nächster Zeit nicht zu erwarten.6 Die Kommission hat ganz offenbar Angst davor, das schwer errungene politische Kompromisspaket wieder „aufzuschnüren“. Wie im Aktionsplan 2012 angekündigt7, hat sie sich stattdessen einstweilen auf eine „Informationskampagne“ beschränkt, die allerdings sowohl in Bezug auf den Umfang als auch in Bezug auf den Inhalt mehr als enttäuscht.8
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GWR 2013, 59 ff.; Kalss, EuZW 2013, 361 f.; C. Müller, GmbHR 2013, R25; Müller-Graff, ZHR 177 (2013) 563 ff.; Reflection Group, ECFR 2013, 304 ff.; J. Schmidt, GmbHR 2013, R33 f.; Roesener, NZG 2013, 241 ff.; Teichmann, BB 3/2013, I; Verse, EuZW 2013, 336, 342 ff.; Wilsing, FAZ v. 13.2.2013, S. 19. Vgl. Hommelhoff/Teichmann, SZW 2002, 1. Quelle: Lasse Pütz, Hans-Böckler-Stiftung. Quelle: Recherche im deutschen Handelsregister. Vgl. kritisch Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219. Vgl. Aktionsplan 2012 (Fn. 2), 4.5 und Anhang. Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219 m.w.N.
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2. Europäische Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea – SCE) und Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) Zu den beiden anderen existierenden europäischen Rechtsformen, der Europäischen Genossenschaft (SCE) und der EWIV, gibt es nichts wirklich Neues zu vermelden.
II. Projekte Anders im Bereich der Projekte für neue Europäische Rechtsformen:
1. Europäische Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea – SPE) Das Projekt einer Europäischen Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea – SPE) hat die Kommission begraben: Der Vorschlag wurde im Mai diesen Jahres offiziell zurückgezogen.9 Stattdessen verfolgt die Kommission nun einen anderen Weg: Die Schaffung eines harmonisierten Rechtsrahmens für Einpersonengesellschaften – hierauf werde ich später noch einmal zurückkommen.10
2. Europäische Stiftung (Fundatio Europaea – FE) Der 2012 vorgelegte Vorschlag für eine Europäische Stiftung11 hängt nach wie vor im Rat fest: Die steuerlichen Vorschriften wurden zwischenzeitlich bereits vollständig gestrichen. Nun dreht sich die Diskussion aber um zahlreiche technische Details12, u.a. die Frage eines Mindestvermögens.13
9 Vgl. ABl. EU v. 21.5.2014, C 153/6. 10 Siehe unten C.I.3. 11 Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Stiftung (FE), COM(2012) 35. Dazu bereits Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3 f. m.w.N. 12 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1220; s. näher Dok. 10830/14. 13 Das Europäische Parlament hatte in seiner legislativen Entschließung vorgeschlagen, dass die FE ihr Mindestvermögen grundsätzlich während der gesamten Zeit ihrer Existenz beibehalten muss (Art. 7 Abs. 2), vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 2.7.2013 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Stiftung (FE), P7_TA(2013)0293.
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C. Gesellschaftsrechtliche Richtlinien und Empfehlungen I. Paket zur Optimierung des Unternehmensumfeldes Im Bereich der Harmonisierung der nationalen Gesellschaftsrechte ist zuvörderst das von der Kommission im April präsentierte Paket zur Optimierung des Unternehmensumfelds14 zu nennen. Es besteht aus drei Komponenten: (i) Einem Vorschlag zur Änderung der AktionärsrechteRL15 (AR-RLE)16, (ii) einer Comply-or-Explain-Empfehlung17 und (iii) einem Vorschlag für eine Neufassung der 12. (Einpersonengesellschafts-)RL18 und Schaffung einer Societas Unius Personae (SUP)19. 14 Vgl. dazu auch Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1220 ff. m.w.N. 15 RL 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11.7.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EU v. 14.7.2007, L 184/17. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 31 m.z.w.N. 16 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der RL 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung, COM(2014) 213. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1220 ff.; Bayer/Selentin, NZG 2015, 7 ff.; BDI/BDA/IHK, Gemeinsame Stellungnahme, 4.8.2014; Dijkhuizen (2014) 11 ECL 199 f.; Fleischer, BB 2014, 2691 ff.; Freitag, AG 2014, 647 ff.; Jung, WM 2014, 2351 ff.; Lanfermann/Maul, BB 2014, 1283 ff.; Langenbucher in FS Müller-Graff, 2015 (demnächst); Lutter, EuZW 2014, 687 f.; Mense/Klie, GWR 2014, 232 ff.; Osterloh, AG 2014, R143 f.; Osterloh, GmbHR 2014, R145 f.; Ulrich, GmbHR 2014, R166; Schneider, EuZW 2014, 641 f.; Seibt, DB 2014, 1910 ff.; Wettich, AG 2014, 534, 540 ff.; Wiersch, NZG 2014, 1131 ff.; Zetzsche, NZG 2014, 1121 ff. Zum Vorentwurf: Falk, AG 2014, R75 ff.; Osterloh, AG 2014, R75 ff. 17 Empfehlung 2014/208/EU der Kommission v. 9.4.2014 zur Qualität der Berichterstattung über die Unternehmensführung („Comply or Explain“), ABl. EU v. 12.4.2014, L 109/43. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2012, 1219, 1222; Lanfermann/Maul, BB 2014, 1283 ff.; Mense/Klie, GWR 2014, 232 ff.; Seibt, DB 2014, 1910 ff. 18 Ursprünglich: RL 89/667/EWG; seit 21.10.2009: RL 2009/102/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9.2009 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, ABl. EU v. 1.10.2009, L 258/20. Text und ausf. Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 29 m.z.w.N. 19 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, COM(2014) 212. Dazu BR-Drs. 165/14(B)(2); Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1222 f.; Beurskens, GmbHR 2014, 738 ff.; Dreher, NZG 2014, 967 ff.; Drygala,
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1. Vorschlag zur Änderung der Aktionärsrechte-RL a) Überblick Der Vorschlag zur Änderung der Aktionärsrechte-RL zielt darauf ab, eine ganze Reihe unterschiedlicher Corporate Governance-Defizite zu beheben.20 Er besteht aus fünf Kernelementen:21 –
obligatorisches say on pay und stärkere Verknüpfung von Vergütung und Leistung;
–
bessere Kontrolle von related party transactions;
–
mehr Transparenz und Engagement bei institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern;
–
mehr Transparenz bei Beratern für die Stimmrechtsvertretung (sog. proxy advisors);
–
weitere Erleichterung der Ausübung der Aktionärsrechte.
Ich möchte mich hier schon aus Zeitgründen auf die beiden ersten Bereiche, die speziell aus deutscher Perspektive besonders in der Diskussion stehen, konzentrieren.
b) Say on pay und stärkere Verknüpfung von Vergütung und Leistung Das „say on pay“ soll obligatorisch werden: Die Aktionäre sollen künftig jährlich über den Vergütungsbericht (Art. 9b Abs. 3 S. 1 AR-RLE) und mindestens alle drei Jahre über die Vergütungspolitik (Art. 9a Abs. 1 UAbs. 1 S. 3 AR-RLE) abstimmen müssen. Der Entwurf macht zudem detaillierte Vorgaben sowohl zum Inhalt des Vergütungsberichts (vgl. Art. 9b Abs. 1 AR-RLE) als auch der Vergütungspolitik (vgl. Art. 9a Abs. 2, 3 AR-RLE). Ein besonders interessantes Novum im Vergleich zu bisherigen Vergütungsregelungen und -emp-
EuZW 2014, 491 ff.; Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065 ff.; Jung, GmbHR 2014, 579 ff.; Omlor, NZG 2014, 1137 ff.; Ries, NZG 2014, 569 f.; J. Schmidt, FAZ v. 19.2.2014, S. 19; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129 f.; Schoenemann, EWS 2014, 241 ff.; Seibert, GmbHR 2014, R209 f.; Teichmann, NJW 2014, 3561 ff.; Wicke, ZIP 2014, 1414 ff. Siehe ferner auch die Tagungsbeiträge von Bormann, Hommelhoff, Leuering, Ries, J. Schmidt, Teichmann in Lutter/ Koch (Hrsg.), Die SUP in Recht und Praxis. Eine kritische Übersicht. 2015. 20 Vgl. COM(2014) 213, S. 2; Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1220. 21 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1220.
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fehlungen auf EU-Ebene sind dabei die Pflichtangaben zum Verhältnis zwischen der Vergütung der Manager und der Beschäftigten (vgl. Art. 9a Abs. 3 UAbs. 2 S. 2–4, Art. 9b Abs. 1 lit. b AR-RLE).22 Denn damit wird ein Faktor eingeführt, der auch in der deutschen Diskussion schon angeregt23, vom Gesetzgeber aber bislang nicht aufgegriffen worden war.24 Beide Voten sollen zudem nicht mehr nur unverbindlichen Charakter haben. Art. 9a Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 AR-RLE bestimmt ausdrücklich: „Unternehmen entlohnen die Mitglieder der Unternehmensleitung nur entsprechend der von den Aktionären genehmigten Vergütungspolitik.“ Dies wirft natürlich die Frage auf, was damit im dualistischen System überhaupt noch von der Personal- und Vergütungskompetenz des Aufsichtsrats übrig bleibt.25 Die Entwurfsbegründung stellt indes explizit klar, dass nur die Vergütungspolitik bindend ist und es im dualistischen System weiterhin Sache des Aufsichtsrats sein soll, innerhalb des so vorgegebenen Rahmens über die konkrete Vergütung der einzelnen Mitglieder des Leitungsorgans zu entscheiden.26 Dies sollte freilich besser unmittelbar im Richtlinientext selbst – oder zumindest in einem Erwägungsgrund – niedergelegt werden. In Bezug auf den Vergütungsbericht soll hingegen nur ein Comply-or-explain-Mechanismus etabliert werden: Wenn die Aktionäre gegen den Vergütungsbericht stimmen, muss das Unternehmen im nächsten Vergütungsbericht darlegen, ob und ggf. wie dem Rechnung getragen wurde (Art. 9b Abs. 3 S. 2 AR-RLE).27
22 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1221. 23 Vgl. Antrag der SPD, BT-Drs. 17/13742, 2 ff.; Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 17/14236; Bayer, NJW 18/2013, I; Beschluss des Bundesrates v. 20.9.2013, BR-Drs. 637/13(B), 2; Hommelhoff, BB 2013, Heft 13, „Die Erste Seite“; Hommelhoff, ZIP 2013, 2177, 2178; Verse, NZG 2013, 921, 927. Vgl. auch bereits Bayer, ZG 2008, 313, 331; Lutter, ZIP 2006, 733; Schüppen, ZIP 2010, 905, 910. 24 Der 69. Deutsche Juristentag hatte sich dezidiert dagegen ausgesprochen, vgl. 69. DJT, Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschluss 16b. Sehr kritisch nun in Bezug auf den AR-RLE auch BRAK, Stellungnahme 39/2014, S. 6. 25 Sehr kritisch diesbezüglich (trotz der nachfolgend angesprochenen Erläuterung in den Erwägungsgründen): BDA/BDI/DIHK, Stellungnahme v. 31.7.2014, S. 8 f.; BRAK, Stellungnahme 39/2014, S. 3 f.; Seibt, DB 2014, 1910, 1912. 26 Vgl. COM(2014) 213, S. 8 f., 10; Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1220. 27 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1220.
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Schließlich will der Entwurf auch für mehr Transparenz sorgen: Die Vergütungspolitik ist nach der Genehmigung durch die Aktionäre unverzüglich zu veröffentlichen und auf der Webseite verfügbar zu halten (Art. 9a Abs. 4 AR-RLE); der Vergütungsbericht ist als Teil der Erklärung zur Unternehmensführung offenzulegen (Art. 20 Abs. 1 lit. h EU-BilanzRL-E).28
c) Bessere Kontrolle von related party transactions Besonders brisant sind aus deutscher Perspektive vor allem die im Entwurf enthaltenen Vorschriften für eine bessere Kontrolle von sog. related party transactions, d.h. Geschäften mit nahestehenden Unternehmen und Personen. Vorbild waren hier ganz offensichtlich die englischen Listing Rules (konkret: LR 11.1).29 Related party transactions, die mehr als 1 % des Unternehmensvermögens betreffen, müssen zusammen mit einer Fairness Opinion eines unabhängigen Dritten öffentlich bekannt gemacht werden (Art. 9c Abs. 1 AR-RLE). Related party transactions, die mehr als 5 % des Unternehmensvermögen betreffen oder erhebliche Auswirkungen auf den Gewinn oder den Umsatz haben können, bedürfen sogar der Genehmigung durch die Hauptversammlung (Art. 9c Abs. 2 AR-RLE); um zu verhindern, dass dieses Genehmigungserfordernis durch eine Art „Salamitaktik“ umgangen wird, sind insofern sämtliche Transaktionen innerhalb der letzten zwölf Monate zu aggregieren (Art. 9c Abs. 3 AR-RLE). Die Kommission sieht aber durchaus, dass damit einerseits ein erheblicher Verwaltungsaufwand einhergeht und dass andererseits gewährleistet werden muss, dass nur die Transaktionen erfasst werden, die tatsächlich geeignet sind, Minderheitsaktionäre zu benachteiligen.30 Deshalb dürfen die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Unternehmen eine Vorabgenehmigung ihrer Aktionäre für genau festgelegte Arten wiederkehrender Transaktionen mit einer bestimmten related party für einen Zeitraum von max. zwölf Monaten einholen können (Art. 9c Abs. 1 UAbs. 2, Abs. 2 UAbs. 2 AR-RLE); zudem dürfen konzerninterne Transaktionen mit 100 %igen Töchtern vollständig von der Genehmigungspflicht ausgenommen werden (Art. 9c Abs. 4 AR-RLE).
28 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1221. 29 Vgl. Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1126. 30 Vgl. COM(2014) 213, S. 10.
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Aus deutscher Perspektive bedeutet dieses Regelungskonzept einen wesentlichen Systembruch. In puncto Transparenz hat sich das deutsche Recht im faktischen Konzern ganz bewusst dafür entschieden, dass der Abhängigkeitsbericht (§ 312 AktG) selbst nicht publiziert wird, sondern nur die Schlusserklärung als Bestandteil des Lageberichts (vgl. § 312 Abs. 3 S. 3 AktG).31 Im Vertragskonzern gilt ohnehin ein völlig anderes Koordinatensystem. All dies würde durch die neuen Transparenzvorschriften aus den Angeln gehoben.32 Zumindest für börsennotierte Gesellschaften wird eine gewisse Transparenz von Geschäften mit nahestehenden Personen im Übrigen europaweit bereits durch Art. 5 Abs. 4 S. 2 Transparenz-RL33 (= § 37w Abs. 4 S. 2 WpHG) sowie Art. 17 Abs. 1 lit. r EU-Bilanz-RL34 (= § 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB) gewährleistet.35 Hochproblematisch ist aus deutscher Perspektive aber vor allem das Genehmigungserfordernis für related party transactions, die mehr als 5 % des Unternehmensvermögens betreffen oder erhebliche Auswirkungen auf den Gewinn oder den Umsatz haben können (Art. 9b Abs. 2, 3 ARRLE). Im dualistischen System des deutschen Aktienrechts obliegen der Hauptversammlung prinzipiell nur die Grundlagenentscheidungen; die Geschäftsführung ist hingegen Sache des Vorstands, der wiederum durch
31 Grund ist die Befürchtung, dass „sonst nicht mit der erforderlichen Offenheit“ über problematische Geschäfte berichtet würde, vgl. Begr. RegE, BTDrs. III/1915, S. 230. 32 Vgl. auch Lanfermann/Maul, BB 2014, 1283, 1287; Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1126. Eher positiv hingegen Fleischer, BB 2014, 2691, 2698. 33 RL 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU v. 31.12.2004, L 390/38. 34 RL 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der RL 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der RL 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU v. 29.6.2013, L 182/19. 35 Vgl. Lanfermann/Maul, BB 2014, 1283, 1288; Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1126.
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den Aufsichtsrat überwacht wird.36 Eine (ungeschriebene) Hauptversammlungszuständigkeit für Geschäftsführungsmaßnahmen kennt das deutsche Aktienrecht nur im Rahmen der „Holzmüller/Gelatine“Grundsätze37, die sich indes in ganz anderen Dimensionen bewegen. Das im Entwurf vorgesehene Genehmigungserfordernis wäre somit ein absoluter Fremdkörper im System des deutschen Aktienrechts, der erhebliche Verwerfungen des gesamten Kompetenzgefüges mit sich bringen würde.38 Hinzu kommt, dass der RL-Entwurf eine ganze Reihe von Unklarheiten aufwirft; einer näheren Präzisierung bedürften insbesondere die Termini „Transaktion“39 und „erhebliche Auswirkungen“40. Durchaus problematisch ist es darüber hinaus auch, dass der Entwurf zur Definition des Begriffs der related party schlicht an IAS 24 Nr. 9 anknüpfen will (vgl. Art. 2 lit. j AR-RLE). Dafür mag zwar das Interesse an einer einheitlichen Definition im Bereich des Europäischen Gesellschaftsrechts sprechen.41 Betrachtet man jedoch die Rechtsfolgen – Publikationspflicht einerseits, Erfordernis der Genehmigung durch die Hauptversammlung andererseits – erscheint eine solch unreflektierte Übernahme der – jedenfalls im Detail mit zahlreichen Unschärfen verbundenen – Definition der IAS problematisch.42 Insgesamt ergäben sich als Konsequenzen für die (potentiell) betroffenen Transaktionen mithin nicht nur ein deutlicher Anstieg von Aufwand 36 Vgl. ausf. zu den Kompetenzen der Hauptversammlung im Wege einer rechtsgeschichtlichen, rechtsdogmatischen und rechtsvergleichenden Bestandsaufnahme: Fleischer in Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Band II, Kap. 9. S. ferner zur klaren Entscheidung zugunsten dieser Kompetenzabgrenzung im AktG 1937: Bayer/Engelke in Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 2007, Band I, Kap. 15 Rn. 79; Wiersch, NZG 2014, 1131, 1134. 37 BGHZ 83, 122 („Holzmüller“); BGH NZG 2004, 571 („Gelatine I“); BGH NZG 2004, 575 („Gelatine II“). 38 Vgl. sehr kritisch mit Blick auf diesen Aspekt BDA/BDI/DIHK, Stellungnahme v. 31.7.2014, S. 17 ff.; Bremer, NZG 2014, 415; Drygala, AG 2013, 198, 206 ff.; Fleischer, BB 2014, 2691, 2698 f.; Hommelhoff, KSzW 2014, 63, 67; Lanfermann/Maul, BB 2014, 1283, 1287; Osterloh, AG 2014, R75, R76; Uwe H. Schneider, EuZW 2014, 641, 642; Seibt, DB 2014, 1910, 1914 f.; Wiersch, NZG 2014, 1131, 1136 f.; Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1127 f. 39 Vgl. Lanfermann/Maul, BB 2014, 1283, 1287; Wiersch, NZG 2014, 1131, 1133; Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1128. 40 Vgl. BRAK, Stellungnahme 39/2014, S. 7; Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1128. 41 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1221 Fn. 45. 42 Vgl. Lutter, EuZW 2014, 687, 688.
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und Kosten, sondern vor allem auch ganz erhebliche Unsicherheiten und neue Einfallstore für „räuberische Aktionäre“.43 Die italienische Ratspräsidentschaft will den Mitgliedstaaten nun allerdings die Option eröffnen, die Genehmigungskompetenz auf den Aufsichtsrat zu verlagern44, was natürlich gerade aus deutscher Sicht sehr zu begrüßen wäre.
2. Comply-or-Explain-Empfehlung Die zweite Komponente des Optimierungspakets, die Comply-or-Explain-Empfehlung, enthält Leitlinien für die Erstellung der Erklärung zur Unternehmensführung gem. Art. 20 EU-Bilanz-RL45 (vgl. Ziff. 1). Ziel ist es, speziell die bislang verbreitet als defizitär empfundene Qualität der Begründungen von Abweichungen vom jeweiligen Kodex zu verbessern.46 „Herzstück“ der Empfehlung ist Ziff. 8: Danach sollen die Unternehmen deutlich angeben, von welchen Einzelempfehlungen sie abweichen und für jede Abweichung Folgendes spezifizieren: „Wie“ und Gründe der Abweichung; eine Beschreibung des internen Entscheidungswegs zugunsten der Abweichung; bei zeitlich befristeten Abweichungen den Zeitpunkt der beabsichtigten (Wieder-)Befolgung; etwaige Ersatzmaßnahmen und deren Erläuterung.47 Aus deutscher Perspektive ergibt sich aus der Empfehlung indes insgesamt nichts wirklich bahnbrechend Neues. Geht man davon aus, dass Vorstand und Aufsichtsrat jeweils im Einzelfall entscheiden müssen, welche Breite und Tiefe der Argumentation aus Sicht einer proaktiven Governance-Kommunikation erforderlich ist48, wird dies durch die Leitlinien letztlich nur konkretisiert.49 Der deutsche Gesetzgeber könnte 43 Vgl. BDA/BDI/DIHK, Stellungnahme v. 31.7.2014, S. 18 f.; BRAK, Stellungnahme 39/2014, S. 8 f.; Fleischer, BB 2014, 2691, 2699; Hommelhoff, KSzW 2014, 63, 67; Seibt, DB 2014, 1910, 1915; s. ferner auch Osterloh, AG 2014, R75, R76. 44 Vgl. Art. 9b Abs. 2 i.d.F.v. Dok. 13758/14. 45 Siehe Fn. 34. 46 Vgl. Erwägungsgrund 8; Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1221. 47 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1221. 48 Vgl. v. Werder in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK-Kommentar, 5. Aufl. 2014, Präambel Rz. 129. 49 Lanfermann/Maul, BB 2014, 1283, 1290 sowie Seibt, DB 2014, 1910, 1918 f. befürchten hingegen aufgrund der vielfältigen detaillierten Angaben eine eher abschreckende Wirkung in Bezug auf die Etablierung einer Abweichungskultur. Kritisch auch Mense/Klie, GWR 2014, 232 ff.
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eventuell erwägen, § 161 AktG entsprechend anzupassen; da es sich nur um eine Empfehlung handelt, ist er hierzu indes nicht gezwungen.
3. SUP-RLE Dritte Komponente des „Optimierungspakets“ ist ein Vorschlag für eine Neufassung der 12. (Einpersonengesellschafts-)RL50.51
a) Grundgedanke und Überblick über die wichtigsten Eckpunkte Nachdem das Projekt einer Europäischen Privatgesellschaft (SPE), wie bereits erwähnt, zumindest einstweilen gescheitert ist, will die Kommission nun stattdessen eine sog. Societas Unius Personae (SUP) schaffen. Die SUP soll es Unternehmen – speziell KMU – ermöglichen, überall in der EU schnell und kostengünstig eine geschlossene Einpersonenkapitalgesellschaft zu errichten und zu betreiben52. Die SUP soll jedoch im Gegensatz zur SPE keine supranationale Rechtsform sein; vielmehr soll „nur“ ein harmonisierter Rechtsrahmen für nationale Einpersonengesellschaften geschaffen werden.53 Nationale Rechtsformen, die diese harmonisierten Standards erfüllen, sollen sich dann mit dem europäischen Label „SUP“ als eine Art „EU-Gütesiegel“ schmücken dürfen.54 In den durch die Richtlinie nicht harmonisierten Bereichen „lebt“ die Gesellschaft aber weiterhin nach dem jeweiligen nationalen Recht.55 Die Gründung einer SUP soll entweder als Neugründung quasi „aus dem Nichts“ (ex nihilo) oder mittels einer formwechselnden Umwandlung aus der jeweiligen nationalen Privatgesellschaftsform (in Deutschland also einer GmbH oder UG) möglich sein (Art. 8 f. SUP-RLE).56 Für
50 51 52 53
Siehe Fn. 18. Siehe Fn. 19. Vgl. Erwägungsgründe 7 f. Vgl. COM(2014) 212, S. 5 f.; Erwägungsgrund 8; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129; J. Schmidt in Lutter/Koch (Hrsg.), Die SUP in Recht und Praxis. Eine kritische Übersicht, 2015, S. 1 ff. (I.2.f); Omlor, NZG 2014, 1137, 1138. 54 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1222; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129; J. Schmidt, Fn. 53, I.2.f; s. ferner auch Erwägungsgrund 9. 55 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1222. 56 Vgl. J. Schmidt, Fn. 53, I.2.a.
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die Eintragung soll es ein Standardformular geben und es dürfen nur die in Art. 13 SUP-RLE abschließend aufgezählten Angaben und Dokumente verlangt werden.57 Zudem ist vorgesehen, dass eine Online-Registrierung innerhalb von 3 Tagen möglich sein muss (Art. 14 SUP-RLE) und dass es eine Mustersatzung geben soll (Art. 11 SUP-RLE), deren Verwendung im Falle der Online-Gründung obligatorisch ist (Art. 14 Abs. 4 lit. a SUP-RLE). Äußerst progressiv und liberal ist der SUP-RLE in Bezug auf Sitz und Kapital.58 Satzungs- und Verwaltungssitz sollen in verschiedenen Mitgliedstaaten liegen dürfen.59 Das Mindestkapital soll nur einen Euro betragen (Art. 16 SUP-RLE). Ausschüttungen sollen kumulativ sowohl an einen Bilanz- als auch an einen Solvenztest gebunden sein (Art. 18 SUP-RLE).60 Sehr große Gestaltungsspielräume soll es auch im Innenverhältnis und in Bezug auf die Corporate Governance geben.61 Als obligatorische Organe sind nur der Alleingesellschafter sowie ein Leitungsorgan – bestehend aus einem oder mehreren Geschäftsführern – vorgesehen (vgl. Art. 21 f. SUPRLE). Die Position der Geschäftsführer ähnelt dabei derjenigen bei der GmbH.62 Der Alleingesellschafter kann sie jederzeit frei abberufen (Art. 22 Abs. 5 SUP-RLE) und ihnen Weisungen erteilen (Art. 23 SUPRLE). Dieses Weisungsrecht ist zugleich für die Funktion der SUP als „Konzernbaustein“ von eminenter Bedeutung.63 Die Kommission möchte mit der SUP ganz bewusst nicht nur für Start-ups, sondern gerade auch für Unternehmensgruppen ein attraktives Modell schaffen.64
57 Vgl. J. Schmidt, Fn. 53, I.2.a. 58 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1222; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129; J. Schmidt, Fn. 53, I.2.b. 59 Vgl. Erwägungsgrund 12. Siehe dazu näher noch Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1222 f.; J. Schmidt, Fn. 53, I.2.b m.w.N. 60 Ausf. zum Kapitalschutz bei der SUP: J. Schmidt, Fn. 53, II. 61 Vgl. J. Schmidt, Fn. 53, I.2.c. 62 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1222; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129 f. 63 Vgl. J. Schmidt, Fn. 53, I.2.d. 64 Vgl. Vgl. COM(2014) 212, S. 9; Erwägungsgrund 23 S. 1; J. Schmidt, Fn. 53, I.2.d.
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b) Würdigung aa) Positiver Grundgedanke Der hinter der SUP stehende Grundgedanke – Erleichterung der grenzüberschreitenden Gründung und des Betriebs von Unternehmen speziell für KMU, aber auch für Unternehmensgruppen – ist unzweifelhaft nachdrücklich zu begrüßen.
bb) Problemfelder in der konkreten Ausgestaltung Zumindest in ihrer konkreten Ausgestaltung nach dem im April vorgelegten Richtlinienentwurf ist die SUP, von dem, was ihr Name suggeriert – „super“ –, indes weit entfernt. Auch hier möchte ich mich auf die wichtigsten Problempunkte beschränken:
(1) Identitätsprüfung i.R.d. Eintragung Heftige Kritik entzündete sich in Deutschland zunächst daran, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, ob sie im Rahmen des Eintragungsverfahrens eine Identitätsprüfung vorsehen und dass zudem rein elektronische Identitätsprüfungen aus anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden müssen (vgl. Art. 14 Abs. 5 SUP-RLE). Angesichts der damit einhergehenden Manipulationsgefahren werde dadurch die Zuverlässigkeit des Handelsregisters nachhaltig gefährdet.65 Seitens der Kommission wurde allerdings bereits angedeutet, dass man durchaus bereit wäre, hier noch einmal „nachzujustieren“.
65 Vgl. BDA/BDI/DIHK, Gemeinsame Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, COM(2014) 212 final, S. 6 f. (abrufbar unter http://www. bdi.eu/images_content/RechtUndOeffentlichesAuftragswesen/Gemeinsame_ Stellungnahme_zum_Vorschlag_fuer_eine_SUP.pdf); DNotV, Stellungnahme v. 30.4.2014, S. 7 (abrufbar unter http://www.dnotv.de/_files/Dokumente/ Stellungnahmen/2014-04-30_STN_RL_EinmannGesellschaften.pdf); Omlor, NZG 2014, 1137, 1139; Ries, NZG 2014, 569; Ries, in Lutter/Koch (Hrsg.), Die SUP in Recht und Praxis. Eine kritische Übersicht, 2015; Seibert, GmbHR 2014, R209, R210; Wicke, ZIP 2014, 1414, 1415. Relativierend hingegen Beurskens, GmbHR 2014, 738, 745 f.; DAV, Stellungnahme 58/2014, Rz. 45.
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(2) Mindestkapital und Kapitalschutz Bedenken wurden weiterhin im Hinblick auf das Mindestkapital von nur einem Euro66 sowie die Ausgestaltung des Kapitalschutzes insgesamt67 geltend gemacht. M.E. spricht jedoch viel dafür, für die SUP ein nur symbolisches Mindestkapital von einem Euro ausreichen zu lassen.68 Nachdem wir in Deutschland die UG eingeführt haben, wäre ein deutsches Insistieren auf einem signifikanten Mindestkapital ohnehin schwerlich plausibel zu machen. Im Übrigen besteht in Bezug auf den Kapitalschutz der SUP im Detail tatsächlich noch erheblicher Verbesserungsbedarf; das Grundkonzept ist jedoch m.E. durchaus akzeptabel.69
(3) Sitzspaltung Kritisiert wird weiterhin die Zulässigkeit der Trennung von Satzungsund Verwaltungssitz.70 Würde man der SUP jedoch eine solche „Sitzspaltung“ nicht gestatten, so wäre sie gegenüber vielen nationalen Rechtsformen – wie insbesondere der englischen Limited und der deutschen GmbH, bei denen die „Sitzspaltung“ zulässig ist – deutlich im Nachteil.71 Darüber hinaus erweisen sich viele der gegen die „Sitzaufspaltung“ vorgebrachten Einwände bei näherer Analyse als nicht wirklich stichhaltig. Dies gilt speziell im Hinblick auf die Bedenken gegen ein Unterlaufen von Kapitalund Mitbestimmungsvorschriften. Insoweit gilt es vielmehr, dort an den maßgeblichen „Stellschrauben“ zu drehen, wo die eigentliche Problematik liegt, d.h. bei den Vorschriften zum Kapital und zur Mitbestimmung.
(4) Arbeitnehmerbeteiligung In der Tat dürfte vor allem die derzeitige Lösung der Arbeitnehmerbeteiligungsproblematik – oder vielmehr der schlichte Verweis auf das jewei66 Vgl. kritisch etwa BRAK, Stellungnahme 31/2014, S. 3; Österreichische Notariatskammer, Stellungnahme v. 15.5.2014, AZ 532.30, S. 6; Ries, NZG 2014, 569, 570. 67 Vgl. DNotV (Fn. 65), S. 9 f.; Omlor, NZG 2014, 1137, 1140 ff.; Wicke, ZIP 2014, 1414, 1417. 68 Näher J. Schmidt, Fn. 53, II.1. S. ferner ähnlich auch Drygala, EuZW 2014, 491, 496. 69 Näher J. Schmidt, Fn. 53, II. 70 Vgl. DNotV (Fn. 65), S. 8; Wicke, ZIP 2014, 1414, 1416 f. 71 Positiv im Hinblick auf die Sitzspaltung etwa auch DAV, Stellungnahme 58/2014, Rz. 39.
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lige nationale Recht – so politisch nicht durchsetzbar sein. Die Gewerkschaften laufen jedenfalls bereits Sturm gegen diesen „Freibrief zur Umgehung nationaler […] Arbeitnehmerschutzvorschriften“72. Als politischer Kompromiss wären insoweit z.B. eine Beschränkung der SUP auf „kleine“ Gesellschaften (mit z.B. max. 500 Arbeitnehmern)73 oder auch ein spezifisch auf die SUP zugeschnittenes Verhandlungsverfahren (wie es zuletzt auch bei der SPE vorgesehen war74) denkbar.
(5) Eignung als „Konzernbaustein“ Schließlich bestehen auch Bedenken, ob die gegenwärtige Ausgestaltung der SUP sie tatsächlich zum attraktiven „Konzernbaustein“ qualifiziert – speziell die Regelung zum Weisungsrecht (Art. 23 SUP-RLE) bedarf insoweit unbedingt noch einmal der Überarbeitung.75
cc) Grundproblematik des SUP-Modells Noch gar nicht angesprochen ist damit die ganz grundlegende Problematik der SUP: Der mit ihr verbundene tiefgreifende Eingriff in das nationale GmbH-Recht.76 Selbst wenn der deutsche Gesetzgeber sich dafür entscheiden sollte, neben der SUP auch weiterhin die „normale“ Einpersonen-GmbH bzw. -UG zuzulassen, so wird man doch einen solchen „Dualismus“ zwischen tradiertem deutschen GmbH-Recht und zwingenden EU-Standards kaum lange durchhalten können.77 Die SUP hat damit das Potential eines „trojanischen Pferdes“, mit dem es quasi „durch die Hintertür“ zu einer faktischen Harmonisierung des gesam72 ETUC, http://de.worker-participation.eu/Company-Law-and-CG/CompanyLaw/European-Private-Company-SPE/R.I.P.-SPE-Welcome-to-the-SUP („charter for avoiding tax and national labour rules“). Vgl. auch DGB-Pressemitteilung v. 12.6.2014; Siek, in Lutter/Koch (Hrsg.), Die SUP in Recht und Praxis. Eine kritische Übersicht, 2015. Kritisch ferner etwa auch Wicke, ZIP 2014, 1414, 1417. 73 Vgl. Hommelhoff in Lutter/Koch (Hrsg.), Die SUP in Recht und Praxis. Eine kritische Übersicht, 2015. 74 Vgl. dazu näher Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 43 Rz. 172 ff. m.w.N. 75 Vgl. speziell zum Weisungsrecht Drygala, EuZW 2014, 491, 495; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129, R130; J. Schmidt, Fn. 53, I.2.d; Teichmann, NJW 2014, 3561, 3564; ausf. zur Eignung der SUP als „Konzernbaustein“ insgesamt Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065 ff. 76 Vgl. J. Schmidt, Fn. 53, II.7. 77 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1223; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129, R130; J. Schmidt, FAZ v. 19.2.2014, S. 19; J. Schmidt, Fn. 53, II.7; Hommelhoff, ZIP 2013, 2177, 2182; Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2014, 177, 186.
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ten GmbH-Rechts kommen könnte.78 Andererseits aber ist sie aus der Perspektive europäischer Unternehmen ein deutliches Minus gegenüber einer wirklich supranationalen und umfassend einsetzbaren SPE.79
II. Bilanz- und Abschlussprüfungsrecht Viel Neues zu vermelden gibt es im EU-Bilanz- und Abschlussprüfungsrecht: Die bereits seit 2009 laufende „Generalüberholung“ ist nun abgeschlossen.
1. Neue EU-Bilanz-Richtlinie Am 26.6.2013 wurde die neue EU-Bilanz-RL 2013/34/EU80 verabschiedet. Sie tritt an die Stelle der 4. (Bilanz-)RL81 aus dem Jahr 1978 und der 7. (Konzernbilanz-)RL82 aus dem Jahr 1983. Mit diesem neuen „Grundgesetz“83 werden die EU-Bilanzvorschriften aber keineswegs nur in ei78 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1223; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129, R130; J. Schmidt, Fn. 53, II.7; s. ferner bereits J. Schmidt, FAZ v. 19.2.2014, S. 19; Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2014, 177, 186; vgl. weiter auch Beurskens, GmbHR 2014, 738, 747. Zur Konkurrenzproblematik ferner auch Drygala, EuZW 2014, 491, 496 f. 79 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1223; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129, R130; J. Schmidt, Fn. 53, II.7. 80 RL 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU v. 29.6.2013, L 182/19. Dazu Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaften, NZG 2014, 892 ff.; Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1223 f.; Beckmann (2013) 10 ECL 199 ff.; Blöink, KSzW 2013, 318 ff.; Haaker, ZfgG 63 (2013) 291 ff.; Jessen/Haaker, DB 2013, 1617 ff.; Lanfermann, WPg 2013, 849 ff.; Luttermann, NZG 2013, 1128 ff.; Luttermann, RIW 2014, 556 ff.; Mosel/Peters, GWR 2014, 97 ff.; Søgaard (2014) 11 ECL 232 ff.; Stute, StB 2013, 442 ff.; 2014, 26 ff.; Velte GmbHR 2013, 1125 ff.; Velte, EWS 2014, 142 ff.; Velte, RIW 2014, 112 ff.; Velte, NZG 2014, 1046 ff.; Zwirner, DStR 2014, 439 ff. 81 Vierte RL 78/660/EWG des Rates v. 25.7.1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 lit. g des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG v. 14.8.1978, L 222/11. Text und Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 24 m.z.w.N. 82 Siebente RL 83/349/EWG des Rates v. 13.6.1983 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 lit. g des Vertrages über den konsolidierten Abschluss, ABl. EG v. 18.7.1983, L 193/1. Text und Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 25 m.z.w.N. 83 Vgl. Zwirner, DStR 2014, 439, 445.
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nem einzigen Rechtsakt konsolidiert, sondern es bringt auch signifikante Neuerungen mit sich.84 Die wesentlichen Eckpunkte85 sind: –
Vollharmonisierung der Größenkriterien;
–
umfangreiche Vereinfachungen für kleine Unternehmen;
–
„Wesentlichkeit“ (materiality, Art. 6 Abs. 1 lit. j) und „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ (substance over form, Art. 6 Abs. 1 lit. h) als neue verbindliche allgemeine Grundsätze;
–
sog. country by country reporting: jährliche Berichtspflicht für große Unternehmen und Unternehmen von öffentlichem Interesse, die in der mineralgewinnenden Industrie und in der Industrie des Holzeinschlags in Primärwäldern tätig sind, über Zahlungen an staatliche Stellen (Art. 41–48).
Durch die Änderungs-RL 2014/95/EU86 wurde zudem zwischenzeitlich noch ergänzt, dass bestimmte große Unternehmen künftig im Interesse der corporate social responsibility eine nichtfinanzielle Erklärung in den (Konzern-)Lagebericht87 aufnehmen müssen.88 84 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1224. 85 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1224. 86 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EU v. 15.11.2014, L 330/1. Dazu Spießhofer, NZG 2014, 1281 ff. 87 Im (Konzern-)Lagebericht ist eine nicht-finanzielle Erklärung mit Informationen zu Umwelt-, Sozial-, und Arbeitnehmerbelangen, Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung abzugeben (Art. 19a, 29a n.F. RL 2013/34/EU). Diese Pflicht trifft große Unternehmen, die Unternehmen von öffentlichem Interesse sind und am Bilanzstichtag das Kriterium erfüllen, im Durchschnitt des Geschäftsjahres mehr als 500 Mitarbeiter zu beschäftigen (Lagebericht, Art. 19a Abs. 1 n.F. RL 2013/34/EG) bzw. Unternehmen von öffentlichem Interesse, die Mutterunternehmen einer großen Gruppe sind und am Bilanzstichtag das Kriterium erfüllen, im Durchschnitt des Geschäftsjahres auf konsolidierter Basis mehr als 500 Mitarbeiter zu beschäftigen (Konzernlagebericht, Art. 29a Abs. 1 n.F. RL 2013/34/EU). Zudem müssen künftig in der Erklärung zur Unternehmensführung Angaben zur Diversitätspolitik gemacht werden (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. g n.F. RL 2013/34/EU). 88 Vgl. bereits Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1224. Näher Velte, NZG 2014, 1046 ff.
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Die neue EU-Bilanz-RL gilt zwar erst für Geschäftsjahre, die am 1.1.2016 oder während des Kalenderjahres 2016 beginnen (vgl. Art. 53 der RL). Ihre Umsetzung ins deutsche Recht ist jedoch bereits in die Wege geleitet: Ende Juli 2014 hat das BMJV einen Referentenentwurf für ein Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRuG)89 vorgelegt, der in Expertenkreisen bereits umfassend diskutiert wird.
2. Neuer Rechtsrahmen für die Abschlussprüfung Parallel zur Reform des Bilanzrechts wurde auch der Rechtsrahmen für die Abschlussprüfung umfassend reformiert: Im April 2014 wurden eine Änderungs-RL90 zur Abschlussprüfer-RL91 sowie eine neue Abschlussprüfer-VO92 (für Unternehmen von öffentlichem Interesse) verabschiedet; die neuen Regeln93 werden ab 17.6.2016 gelten. 89 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BilRUG). Abrufbar unter http://www.bmjv.de/SharedDocs/Down loads/DE/pdfs/Gesetze/RefE_BilanzRichtlinieUmsetzungsGesetz.pdf?__blob= publicationFile. Dazu Keller/Schmid, BB 2014, 2283 ff.; Kolb/Roß, WPg 2014, 991 ff.; Lüdenbach/Freiberg, BB 2014, 2219 ff.; Müller/Stawinoga BB 2014, 2411 ff.; Oser/Orth/Wirtz, DB 2014, 1877 ff.; Scheffler, AG 2014, R234 ff.; Schütte, DB 2014, 2237 f.; Velte/Haaker, EWS 2014, 204 ff.; Zwirner, DB 32/2014, M5; Zwirner, DStR 2014, 1784 ff.; Zwirner, DStR 2014, 1843 ff.; Zwirner, DStR 2014, 1889 ff.; Zwirner, BC 2014, 355 ff.; Zwirner, BC 2014, 363 ff.; Zwirner/Boecker, BC 2014, 404 ff.; Zwirner/Boecker, BC 2014, 460 ff. 90 Richtlinie 2014/56/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, ABl. EU v. 27.5.2014, L158/196. 91 RL 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der RL 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der RL 84/253/EWG des Rates, ABl. EU v. 9.6.2006, L 157/87. Text und ausf. Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 27 m.z.w.N. 92 VO (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission, ABl. EU v. 27.5.2014, L 158/77. 93 Vgl. zum Gesamtpaket: Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1224 f.; Geberth, AG 2014, R127 f.; Klaas, WPg 2014, 763 ff.; Lanfermann, BB 2014, 2348 ff.;
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Auch hier möchte ich nur die drei zentralen Punkte der Reform94 ansprechen: –
erstens die Etablierung einer klaren Rolle des Abschlussprüfers durch höhere Prüfungsqualität95, gesteigerte Transparenz und höhere Verantwortlichkeit96;
–
zweitens strengere Regeln zur Unabhängigkeit – dies war bekanntlich der umstrittenste Bereich des gesamten Reformpakets. Die nun verabschiedeten neuen Regeln bringen zwar markante Neuerungen; gegenüber den ursprünglichen Kommissionsvorschlägen97 sind sie jedoch deutlich „zusammengestutzt“.98 Für Unternehmen von öffentlichem Interesse ist nun eine obligatorische Rotation des Abschlussprüfers bzw. der Prüfungsgesellschaft nach max. 10 Jahren99 vorgesehen, ferner ein Verbot bestimmter Nichtprüfungsleistungen (Art. 5 der VO) und die Deckelung der Prüfungshonorare für Nichtprüfungsleistungen (Art. 4 Abs. 2 der VO);
–
drittens die Schaffung eines dynamischeren und besser überwachten Abschlussprüfungsmarkts in der EU; so sollen zur Förderung der Marktdiversität u.a. sog. Big-Four-Klauseln verboten100 und die Überwachung des Abschlussprüfungssektors verstärkt werden101.
94 95 96
97 98 99
100 101
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Ruhnke, DB 2014, 2483 ff.; Scheffler, AG 2014, R304 f.; Velte, DStR 2014, 1688 ff. Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1224 f. Vgl. Art. 28 n.F. der RL und Art. 10 VO zum Bestätigungsvermerk. Vgl. für Unternehmen von öffentlichem Interesse insbesondere: Art. 39 n.F. der RL zum Prüfungsausschuss; Art. 11 der VO: zusätzlicher Bericht an den Prüfungsausschuss; Art. 38 Abs. 3 n.F. der RL: Recht von 5 % der Anteilseigner, bei Gericht die Abberufung des Abschlussprüfers zu beantragen. KOM(2011) 778 und KOM(2011) 779. Überblick dazu bei Bayer/J. Schmidt, BB 2012, 3, 6 m.w.N. Ähnlich auch die Einschätzung von Velte, DStR 2014, 1688, 1694. Art. 17 der VO. Die Mitgliedstaaten können die Höchstlaufzeit aber auf 20 Jahre verlängern, wenn ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt wird, und auf 24 Jahre, wenn eine gemeinsame Prüfung erfolgt. Vgl. Art. 37 Abs. 3 n.F. der RL, Art. 16 Abs. 6 der VO. Zu diesem Zweck wird ein Ausschuss der Aufsichtsstellen (Committee of European Auditing Oversight Bodies – CEAOB) etabliert (vgl. Art. 30 der VO) und der ESMA wird eine spezifische Rolle in Bezug auf die Kooperation zwischen Mitglieds- und Drittstaaten zugewiesen.
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III. Übernahmerecht Im Übernahmerecht gibt es zwar keine neuen Legislativakte, die ESMA hat jedoch im November 2013 eine Stellungnahme zum acting in concert publiziert.102 Sie enthält eine sog. white list mit Verhaltensweisen, die jedenfalls per se noch kein acting in concert darstellen. Rechtlich mögen diese Leitlinien zwar nicht verbindlich sein, ihre faktische Bedeutung ist jedoch ganz erheblich; die BaFin hat sie jedenfalls ausdrücklich als „wichtige Orientierungshilfe“ begrüßt.103
IV. Stand sonstiger Projekte 1. Vorschlag für eine Richtlinie zur Geschlechterbalance Der im November 2012 vorgelegte Vorschlag für eine Richtlinie zur Geschlechterbalance104 (also: „Frauenquote“) befindet sich noch immer im Legislativverfahren. Das Europäische Parlament hatte in seiner Entschließung vom 20.11.2013105 zahlreiche Änderungen verlangt 102 ESMA, Public Statement. Information on shareholder cooperation and acting in concert under the Takeover Bids Directive, ESMA/2013/1642. Vgl. dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1225. 103 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1225. Bedauerlich ist allerdings, dass sich die Stellungnahme explizit nur auf den Begriff des acting in concert i.S.d. Übernahme-RL bezieht und damit das acting in concert im Rahmen der Beteiligungstransparenz (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. f. Transparenz-RL/§ 22 Abs. 2 WpHG) und die insoweit teils existierenden Divergenzen leider völlig ausblendet. Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1225. 104 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen, COM(2012) 614. Dazu Basedow, EuZW 2013, 41 f.; Bayer, NZG 2013, 1 ff.; Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 7 f.; Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1225; Jung, BB 2013, 387 ff.; Jung, WM 2013, 2110, 2112 ff.; Knoll/Lochner, DB 2014, 495 ff.; Reding, GmbHR 2013, R49 f.; Stöbener, EuZW 2013, 371 ff.; Teichmann/Langes, EWS 2013, 175 ff.; Verse, EuZW 2013, 336, 340 f. 105 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20.11.2013 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen, P7_TA(2013)0488.
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und auch im Rat106 wird die Debatte offenbar äußerst kontrovers geführt.
2. Verknüpfung der Handels- und Unternehmensregister An der geplanten Verknüpfung der Handels- und Unternehmensregister wird weiterhin gearbeitet. Im Juli war Deadline für die Umsetzung des ersten Teils107 der maßgeblichen Änderungs-RL108. Deutschland ist hier etwas im Verzug: Der Entwurf für das Umsetzungsgesetz109 befindet sich noch im Gesetzgebungsverfahren. Bevor die Verknüpfung der Register tatsächlich realisiert werden kann, muss in einem zweiten Schritt die Kommission noch die entsprechenden technischen Durchführungsrechtsakte erlassen. Obgleich sie dafür bis zum 7.7.2015 Zeit hat110, ist dies momentan schon für Ende 2014 angekündigt.111 Danach haben die Mitgliedstaaten nochmals zwei Jahre Zeit für die endgültige Realisierung der Vernetzung.112
D. Europäisches Insolvenzrecht In meiner Tour d’Horizon nicht fehlen soll auch das Europäische Insolvenzrecht.
106 Vgl. Sachstandsbericht v. 4.6.2014 (Dok. 9864/1/14 REV 1) sowie die zahlreichen Änderungen und Änderungsvorschläge in den letzten Entwurfsfassungen (vgl. Dok. 13011/14, 14223/14, 14412/14, 14562/14). 107 Vgl. Art. 5 Abs. 1 RL 2012/17/EU (Fn. 107). 108 RL 2012/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.6.2012 zur Änderung der RL 89/666/EWG des Rates sowie der RL 2005/56/EG und 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern, ABl. EU v. 16.6.2012, L 156/1. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 5; Kilian, FGPrax 2012, 185 ff.; Ries, ZIP 2013, 866 ff.; Verse, EuZW 2013, 336, 338 f. 109 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/17/EU in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern in der Europäischen Union, BT-Drs. 18/2137. 110 Vgl. Art. 4c UAbs. 3 RL 2012/17/EU (Fn. 107). 111 Vgl. unter http://ec.europa.eu/atwork/pdf/forward_programming_2014.pdf abrufbare Übersicht über die bis Ende 2014 geplanten Maßnahmen (S. 38). 112 Vgl. Art. 5 der RL 2012/17/EU (Fn. 107).
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I. Reform der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) Die Ende 2012 gestartete Reform der EuInsVO113 befindet sich nun auf der Zielgeraden. Mit einer Verabschiedung wird eventuell sogar noch in diesem Jahr, sonst im ersten Quartal 2015 gerechnet. Kernpunkte der Reform sind:114 –
Erweiterung des Anwendungsbereichs;
–
Präzisierung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit;
–
Reform des Sekundärinsolvenzverfahrens;
–
Schaffung spezieller Vorschriften für Konzerninsolvenzen.
Das Europäische Parlament115 und der Rat116 haben den ursprünglichen Kommissionentwurf allerdings in einer ganzen Reihe von Punkten deutlich umgestaltet. So wurde etwa in Bezug auf die Konzerninsolvenzen – dank vorzüglicher deutscher Lobbyarbeit – statt des ursprünglich von der Kommission vorgesehenen Konzepts wechselseitiger Mitwirkungsrechte der Insolvenzverwalter der einzelnen Konzerngesellschaften das
113 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren, COM(2012) 744. Dazu Albrecht, ZInsO 2013, 1876 ff.; Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 8 f.; Brünkmans, ZInsO 2013, 797 ff.; Brünkmans, Der Konzern 2013, 234 ff.; Carballo Piñeiro, NiPR 2014, 207 ff.; Eidenmüller (2013) 20 MJ 133 ff.; Eidenmüller/Tilmann, ZIP 22/2013, Beil.; Fierbint¸eanu (2013) 2 LESIJ 7 ff.; Kindler, KTS 2014, 25 ff.; Koller, ecolex 2013, 207 ff.; Koller, ecolex 2013, 216 f.; Linna, IILR 2014, 6 ff.; McCormack (2014) 10 JPIL 41 ff.; Mock, GPR 2013, 156 ff.; Oberhammer, ecolex 2013, 204 ff.; Oberhammer, ecolex 2013, 209 ff.; 2013, 213 ff.; Pannen, ZInsO 2014, 222 ff.; Reumers, ECFR 2013, 554 ff.; Reuß, EuZW 2013, 165 ff.; Slonina, ecolex 2013, 205 ff.; Slonina, ecolex 2013, 212 ff.; Smid, ZInsO 2013, 953 ff.; Thiessen, ZEuP 2014, 155, 169 f.; Thole, ZEuP 2014, 39 ff.; Thole/Swierczok, ZIP 2013, 550 ff.; Van Hoe, ECFR 2014, 200 ff.; Wimmer, DB 2013, 1343 ff. 114 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 8 f. 115 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5.2.2014 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren, P7_TA(2014)0093. 116 Vgl. Allgemeine Ausrichtung des Rates vom 3.6.2014, Dok. 10284/14 ADD 1; Politische Einigung vom 20.11.2014, Dok. 15414/14 ADD 1.
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Konzept eines Koordinationsverfahrens übernommen, welches auch im deutschen InsO-Reform-Entwurf117 vorgesehen ist. Ein weiteres wichtiges Element des Reformpakets ist die Vernetzung der mitgliedstaatlichen Insolvenzregister.118 Hier sind Deutschland und sechs weitere Mitgliedstaaten119 im Juli 2014 bereits vorgeprescht: Ihre Insolvenzregister sind nun über das e-Justice Portal miteinander verbunden120.121
II. Empfehlung 2014/135/EU für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen In engem Zusammenhang122 mit der Reform der EuInsVO steht auch die im März 2014 verabschiedete Kommissionsempfehlung für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen123; sie enthält Mindeststandards für präventive Restrukturierungsmaßnahmen und den Schuldenerlass für insolvente Unternehmer.
E. EuGH-Rechtsprechung Der Europäische Gerichtshof hat seit Ende 2012 ebenfalls eine ganze Reihe interessanter Urteile zum Europäischen Unternehmensrecht ge-
117 Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BR-Drs. 18/407. 118 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 9. 119 Tschechische Republik, Estland, Niederlande, Österreich, Rumänien und Slowenien. 120 Suchmaske: https://e-justice.europa.eu/content_interconnected_insolvency_ registers_search-246-de.do?clang=de. 121 Vgl. IP/14/774. 122 Vgl. Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss. Ein neuer europäischer Ansatz zur Verfahrensweise bei Firmenpleiten und Unternehmensinsolvenzen, COM(2012) 742. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 9. 123 Empfehlung 2014/135/EU der Kommission v. 12.3.2014 für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen, ABl. EU v. 14.3.2014, L 74/65. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1226 f.; Madaus (2014) 27 Insolv. Int. 81 ff.
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fällt. Insoweit muss ich mich freilich auf einen knappen Überblick beschränken.124
I. Judikatur zu Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit 1. Niederlassungsfreiheit und Konzernrecht: Impacto Azul Die Rs. Impacto Azul125 gab dem Gerichtshof erstmals die Gelegenheit, sich zum hochkomplexen Spannungsfeld von Niederlassungsfreiheit und nationalen Konzernhaftungstatbeständen zu äußern. Er entschied, dass eine portugiesische Regelung, die eine konzernrechtliche Haftung auf Muttergesellschaften mit Sitz im Inland beschränkt, mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) vereinbar ist. Das Urteil ist unzweifelhaft zutreffend, lässt die eigentlich spannenden Fragen jedoch – mangels Relevanz im konkreten Fall – weiterhin offen.126
2. Kapitalverkehrsfreiheit/„Goldene Aktien“: VW II Die lange Kette der „Goldene Aktien“-Urteile wurde mit dem zweiten VW-Urteil vom 22.10.2013127 um eine neue „Perle“ ergänzt. Im ersten VW-Urteil128 hatte der EuGH 2007 bekanntlich entschieden, dass 124 Ausführlichere Zusammenstellungen bei Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 9 ff.; Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1227 ff.; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69 ff. 125 EuGH v. 20.6.2013, Impacto Azul LdA, Rs. C-186/12, ECLI:EU:C:2013:412, EuZW 2013, 664. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1227; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69, 70; Lehmann, LMK 2013, 352735; J. Schmidt, GPR 2014, 40 ff.; Rammelo (2014) 11 ECL 20 ff.; Teichmann, ZGR 2014, 45 ff. 126 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1227; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69, 70; J. Schmidt, GPR 2014, 40 ff. 127 EuGH v. 22.10.2013, Kommission ./. Deutschland, Rs. C-95/12, ECLI:EU: C:2013:333. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1228; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69, 71 f.; Classen, DVBl. 2013, 1607 ff.; Kalss, EuZW 2013, 948 f.; Seibert, AG 2013, 904 ff.; Stiegler, DB 2014, 525; Teichmann, BB 46/2013, I; Verse, EuZ 2014, 4 ff. 128 EuGH v. 23.10.2007 – Rs. C-112/05, Kommission ./. Bundesrepublik Deutschland, Slg. 2007, I-8995, ECLI:EU:C:2007:623. Vgl. dazu bereits Bayer/J. Schmidt, BB 2008, 454, 459 f. Vgl. zum „ersten“ VW-Verfahren und den weiteren Ereignissen weiter Bayer, BB 2004, 1, 3; Bayer/J. Schmidt, BB 2010, 387, 394; Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 15 Rz. 1, 7, 11, 21 f., 23 m.z.w.N.
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Deutschland durch die Beibehaltung von drei Vorschriften des VW-Gesetzes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) verstoßen hatte. Deutschland hatte daraufhin zwar das Entsenderecht des Landes Niedersachsen und das Höchststimmrecht gestrichen129, die Sperrminorität von 20 % (§ 4 Abs. 3 VW-Gesetz) ließ man jedoch unangetastet, weil – so die Gesetzesbegründung130 – der EuGH Höchststimmrecht und Sperrminorität nur in ihrer Kombination als Beschränkung qualifiziert habe. Die Kommission sah dies indes – im Einklang mit Teilen der Literatur131 – anders und erhob deshalb nochmals Klage gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung des ersten VW-Urteils. Der Gerichtshof wies die Klage jedoch in vollem Umfang ab. Ausweislich des Tenors des ersten Urteils („§ 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 3“) habe er bei der Sperrminorität (§ 4 Abs. 3 VW-Gesetz) keine selbständige Vertragsverletzung festgestellt, sondern nur in Verbindung mit dem Höchststimmrecht (§ 2 Abs. 1 VW-Gesetz a.F.). Folglich sei Deutschland seinen Verpflichtungen aus dem Urteil bereits durch die Streichung des Höchststimmrechts (§ 2 Abs. 1 VW-Gesetz a.F.) nachgekommen. Damit hat der Gerichtshof Deutschland zwar vor Strafzahlungen bewahrt132, anders als teils suggeriert ist damit aber aufgrund der speziellen prozessualen Konstellation keineswegs endgültig höchstrichterlich entschieden, dass die Sperrminorität von 20 % in § 4 Abs. 3 VW-Gesetz
129 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand v. 8.12.2008, BGBl. I, 2369. 130 Vgl. Begr. RegE zur VW-Gesetz-Novelle, BR-Drs. 552/08, S. 2; ebenso LG Hannover v. 27.11.2008 – 21 O 61/08, ZIP 2009, 666; Arlt/Rabl, GesRZ 2008, 16; Rapp-Jung/Bartosch, BB 2009, 2210, 2212 ff. 131 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2010, 387, 394; Bayer/J. Schmidt, BB 2012, 3, 13; Lieder, ZHR 172 (2008), 306, 338; Rühland in FS Hopt, 2008, S. 501, 513 f.; Verse, GPR 2008, 31, 33; Weiss, EWS 2008, 13, 16; s. ferner auch die Stellungnahme des früheren GA Alber, FAZ v. 24.4.2008, S. 14 sowie Frenz, EWS 2011, 125, 127; Holle, AG 2010, 14, 18, 22. Zur Problematik i.Ü. auch Kömpf, Staatseinfluss auf die Volkswagen AG, 2010, S. 277, 282 ff.; Rickford in FS Wymeersch, 2009, S. 61, 78 ff. 132 Die Kommission hatte beantragt, der Bundesrepublik Deutschland die Zahlung eines Zwangsgeldes i.H.v. 282 725,10 Euro pro Tag sowie eines Pauschalbetrags von 31 114,72 Euro pro Tag aufzuerlegen.
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mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar ist.133 Weiterhin offen bleibt vor allem auch die – an sich noch viel interessantere – Frage, ob die Vorschriften der VW-Satzung mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar sind.134 Obgleich die „alte“ Kommission noch am Tag des Urteils erklärt hat, dass die Sache „VW“ für sie nun beendet sei135, sollte man sich somit nicht zu sehr „in Sicherheit wiegen“.136
II. Judikatur zu den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien 1. Emittentenhaftung und 1. (Publizitäts-)RL sowie 2. (Kapital-)RL: Hirmann Mit seinem Urteil in der Rs. Hirmann vom 19.12.2013137 hat der EuGH endlich eine Grundsatzentscheidung zu der seit Langem umstrittenen Problematik des Verhältnisses von Emittentenhaftung und Kapitalerhaltung getroffen. Dabei hat er – im Einklang mit BGH138, OGH139 und der h.L.140 – zu Recht der Emittentenhaftung den Vorrang eingeräumt: Na-
133 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1227; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69, 71; Teichmann, BB 46/2013, I; Verse, EuZ 2014, 4, 7; ferner Classen, DVBl. 2013, 1607. 134 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1228; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69, 71; Classen, DVBl. 2013, 1607, 1610; Teichmann, BB 46/2013, I; Verse, EuZ 2014, 4, 7 f. 135 Vgl. Stellungnahme der Kommission vom 22.10.2013, abrufbar unter http://ec. europa.eu/deutschland/press/pr_releases/11763_de.htm (Abruf: 1.11.2014). 136 Vgl. auch Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1228; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69, 71. 137 EuGH v. 19.12.2013, Hirmann, Rs. C-174/12, ECLI:EU:C:2013:856. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1228 f.; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69, 72; Kalss, EuZW 2014, 227 ff.; Seulen, EWiR 2014, 105 f.; Vos, GWR 2014, 58. 138 BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02, BB 2005, 1644 = NJW 2005, 2450 (EM.TV); BGH v. 28.11.2005 – II ZR 80/04, BB 2007, 962 = ZIP 2007, 681 (ComROAD I); BGH v. 26.6.2006 – II ZR 153/05, ZIP 2007, 326, 327 (ComROAD III); BGH v. 4.6.2007 – II ZR 147/05, BB 2007, 1806 = NJW 2008, 76 (ComROAD IV); BGH v. 7.1.2008 – II ZR 229/05, BB 2008, 688 = NZG 2008, 382, 383 (ComROAD VI); BGH v. 7.1.2008 – II ZR 68/06, NZG 2008, 385 (ComROAD VII). 139 OGH v. 30.3.2011 – 7 Ob 77/10; GesRZ 2011, 251; OGH v. 15.3.2012 – 6 Ob 28/12d, GesRZ 2012, 252. 140 Ausf. Nachweise bei Bayer, WM 2013, 961, 966; Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 20 Rz. 86 (auch zur Gegenansicht).
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tionale Emittentenhaftungsvorschriften sind sowohl mit der 1. (Publizitäts-)RL141 als auch der 2. (Kapital-)RL142 vereinbar (sowie weiterhin auch mit Art. 25 Abs. 1 Prospekt-RL143, Art. 28 Abs. 1 TransparenzRL144 und Art. 14 Abs. 1 MAD I145 [ab 3.7.2016: Art. 30 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a MAR146]).
141 Ursprünglich: RL 68/151/EWG. Seit 21.10.2009 kodifiziert als: RL 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9.2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Abs. 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EU v. 1.10.2009, L 258/11. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 19 m.z.w.N. 142 Ursprünglich: RL 77/91/EWG; seit 4.12.2012: RL 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.10.2012 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 54 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (Neufassung), ABl. EU v. 14.11.2012, L 315/74. Text mit Stand 2011 und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 20 m.z.w.N. 143 RL 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der RL 2001/34/EG, ABl. EU v. 31.12.2003, L 345/64. Text (Stand 8/2011) und Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 34 m.w.N. 144 RL 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der RL 2001/34/EG, ABl. EU v. 31.12.2004, L 390/38. Text (Stand 8/2011) und Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 36 m.w.N. 145 RL 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU v. 12.4.2003, L 96/16. Text (Stand 8/2011) und Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 35 m.w.N. 146 VO (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. EU v. 12.6.2014, L 173/1.
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2. Judikate zu Bilanzrecht und Bilanzpublizität Sehr interessant waren zudem vier Judikate zum Bilanzrecht und zur Bilanzpublizität, deren nähere Darstellung jedoch den heutigen Rahmen bei Weitem sprengen würde. Ich möchte sie aber zumindest kurz „nachrichtlich“ erwähnen: –
das Urteil GIMLE v. 3.10.2014147 zum Grundsatz der Bilanzwahrheit;
–
das Urteil MÖMAX v. 6.2.2014148 betreffend bilanzielle Erleichterungen für Tochtergesellschaften, die in den Konzernabschluss der Mutter einbezogen sind;
–
das Urteil Bloomsbury v. 6.3.2014149 betreffend die Bilanzierung unentgeltlich erworbener Aktien zu den Anschaffungskosten;
–
das Urteil Texdata v. 26.9.2013150 betreffend die Sanktionierung von Verstößen gegen Bilanzpublizitätspflichten.
III. Urteile zur EuInsVO Auf eine „nachrichtliche“ Erwähnung beschränken muss ich mich auch hinsichtlich der diversen Entscheidungen des EuGH zur EuInsVO seit Ende 2012: –
das Urteil Burgo Group151 zum Verhältnis von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren;
147 EuGH v. 3.10.2013, GIMLE, Rs. C-322/12, ECLI:EU:C:2013:632, ZIP 2014, 166. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1229 f.; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69, 73; Schön, ZHR 178 (2014) 373 ff.; Schulze-Osterloh, NZG 2014, 1 ff. 148 EuGH v. 6.2.2014, Mömax Logistik GmbH ./. Bundesamt für Justiz, Rs. C-528/12, ECLI:EU:C:2014:51, DStR 2014, 436. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1230; Giedinghagen/Stürke, EWiR 2014, 375; Meyer, BB 2014, 1131 ff. 149 EuGH v. 6.3.2014, Bloomsbury NV ./. Belgien, Rs. C-510/12, ECLI:EU:C: 2014:154. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1230; Schön, ZHR 178 (2014) 373 ff. 150 EuGH v. 26.9.2013, Texdata Software GmbH, Rs. C-418/11, ECLI:EU:C: 2013:588. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1230 f.; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69, 73 f.; de Weerth, IStR 2013, 921 f.; Kleinmanns, BB 2014, 112; Kuntze-Kaufhold, GmbHR 2013, R369 f.; Schwetlik, GmbH-StB 2013, 366 f.; Stiegler, DB 2014, 525 f. 151 EuGH v. 4.9.2014, Burgo Group SA, Rs. C-327/13, ECLI:EU:C:2014:2158. Dazu Baumert, LMK 2014, 362606; Mankowski, NZI 2014, 697 ff.
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–
das Urteil Grontimmo152 betreffend die Auslegung der Gläubigerschutzvorschrift des Art. 24 Abs. 1 EuInsVO;
–
der Beschluss in der Rs. Schuster153 zum Anwendungsbereich des Art. 15 EuInsVO.
Weiter konturiert hat der EuGH ferner seine Judikatur zur Annexkompetenz analog Art. 3 Abs. 1 EuInsVO154 für Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen: –
In Nickel & Goeldner155 entschied er, dass eine Klage auf Erbringung von Beförderungsleistungen nicht schon deshalb in den Anwendungsbereich der EuInsVO fällt, weil sie vom Insolvenzverwalter erhoben wird.
–
In der Rs. Schmid156 judizierte er, dass die Annexkompetenz für Insolvenzanfechtungsklagen auch dann besteht, wenn der Anfechtungsgegner seinen Wohnsitz in einem Drittstaat hat. Bedeutsam ist dieses Urteil vor allem auch deshalb, weil der Gerichtshof damit zugleich (obiter) klargestellt hat, dass die Anwendung der EuInsVO keinen sog. „qualifizierten Unionsbezug“ voraussetzt, d.h. der erforderliche grenzüberschreitende Bezug nicht unbedingt zu einem Mitgliedstaat bestehen muss.157
152 EuGH v. 19.9.2013, Grontimmo, Rs. C-251/12, ECLI:EU:C:2014:2158, ZIP 2013, 1971. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1231; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69, 75; Ehret, FD-InsR 2013, 351271; Hübler, NZI 2013, 1062, 1063; Kern, LMK 2013, 352199; Paulus, EWiR 2013, 719 f.; Schäfer, NZI 2013, 1041 f. 153 EuGH v. 7.11.2013, Schuster, Rs. C-371/13, ECLI:EU:C:2013:748. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1231 f. 154 Grundlegend: EuGH v. 12.2.2009, Seagon ./. Deko Marty Belgium, Rs. C-339/07, Slg. 2009, I-767, ECLI:EU:C:2009:83; näher Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 16 Rz. 29 ff. m.w.N. 155 EuGH v. 4.9.2014, Nickel & Goeldner Spedition GmbH ./. „Kintra“ UAB, Rs. C-157/13, ECLI:EU:C:2014:2145. 156 EuGH v. 16.1.2014, Schmid, Rs. C-328/12, ECLI:EU:C:2014:6, ZIP 2014, 181. Dazu Arts, IPrax 2014, 390 ff.; Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1232; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69, 75 f.; Baumert, NZI 2014, 106 ff.; Hübler, NZI 2014, 494 f.; Kindler, RIW 2014, 137 f.; Laukemann, IILR 2014, 101 ff.; Paulus, EWiR 2014, 85 f.; Paulus (2014) 27 Insolv. Int. 70 f.; Schulz, EuZW 2014, 264 f.; Tashiro, FD-InsR 2014, 354993. 157 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1232; Bayer/J. Schmidt, KSzW 2014, 69, 75; Schulz, EuZW 2014, 264, 265; zurückhaltend jedoch Paulus, EWiR 2014, 85 f.
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F. Ausblick – Wo geht die Reise hin? Seit Dezember 2012 ist im Europäischen Gesellschaftsrecht also wieder viel passiert. Aber die „Reform in Permanenz“ geht natürlich weiter. Der Aktionsplan 2012 ist bei Weitem noch nicht vollständig „abgearbeitet“.
I. Neue Expertengruppe Die Kommission hat sich dafür nun auch Unterstützung geholt: Im Frühjahr hat sie eine neue „Informelle Expertengruppe Gesellschaftsrecht“ eingesetzt, die sie bei den Follow-up-Maßnahmen zum Aktionsplan 2012 und sonstigen Maßnahmen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts unterstützen soll. Die aus insgesamt 14 Experten aus ganz Europa bestehende Expertengruppe hat auch bereits ihre Arbeit aufgenommen158; ihr gehören u.a. Prof. Christoph Teichmann und Prof. Holger Fleischer an.
II. Konsultation zur Sitzverlegungs-RL Die seit langem geforderte Sitzverlegungsrichtlinie159 war zwar im Aktionsplan 2012 enthalten.160 Die Kommission hat Anfang 2013 auch eine Konsultation zur grenzüberschreitenden Verlegung von Firmensitzen durchgeführt.161 Das dazu im September 2013 veröffentlichte Feedback Statement162 beschränkte sich aber leider auf eine Zusammenfassung der Antworten und die vage Aussage, dass die Ergebnisse in die Analyse der Zweckmäßigkeit und Angemessenheit möglicher weiterer Schritte in diesem Bereich einfließen würden.163 Solche sind jedoch bislang nicht erfolgt. 158 Aktuelle Informationen zur Expertengruppe und ihrer Arbeit unter: http:// ec.europa.eu/internal_market/company/expert-group/index_de.htm (Abruf: 2.11.2014). 159 Text des Vorentwurfs von 1997 und ausf. Erläuterungen zur Entwicklung des Projekts bei Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 32 m.z.w.N. 160 Vgl. Aktionsplan 2012 (Fn. 2), 4.1. Dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 14 m.w.N. 161 Konsultationsseite: http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2013/ seat-transfer/index_de.htm (Abruf: 2.11.2014). 162 Abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2013/seattransfer/docs/summary-of-responses_en.pdf (Abruf: 2.11.2014). 163 Vgl. auch Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1225.
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III. Konsultation zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Spaltungen Dafür hat die Kommission nun im September eine Konsultation zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Spaltungen gestartet, (Laufzeit bis 31.1.2015).164 Hier geht es um die im Aktionsplan 2012 angekündigte Überarbeitung der 10. (internationalen Verschmelzungs-)RL165 sowie die Schaffung eines EU-Rechtsrahmens für grenzüberschreitende Spaltungen.166 Beides wird seit Langem gefordert und würde die Mobilität von Gesellschaften im Binnenmarkt erheblich verbessern.167 Für ein wirklich konsistentes Gesamtsystem bedürfte es darüber hinaus aber eben auch der Sitzverlegungsrichtlinie sowie der Ausweitung der entsprechenden Rechtsakte auch auf Personengesellschaften.168 Legislativtechnisch ließe sich dies am besten durch einen Ausbau der 10. RL zu einer allgemeinen Richtlinie über die Mobilität von Gesellschaften erreichen.169
IV. Studien Längerfristig strebt die Kommission ferner offenbar Harmonisierungsmaßnahmen in zwei Bereichen an, die bislang noch gar nicht harmonisiert sind, deren Harmonisierung aber unzweifelhaft äußerst vorteilhaft wäre: Das Gesellschaftskollisionsrecht und das materielle Insolvenzrecht. In Bezug auf beide Bereiche hat die Kommission in den letzten Monaten Studien ausgeschrieben.170
164 Konsultationsseite: http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2014/ cross-border-mergers-divisions/index_de.htm (Abruf: 2.11.2014). 165 RL 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. EU v. 25.11.2005, L 310/1. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 23 m.z.w.N. 166 Vgl. Aktionsplan 2012 (Fn. 2), 4.2. und 4.3.; dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 14 f. 167 Vgl. auch Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 15 m.z.w.N. 168 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 15; Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1232; Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 6 Rn. 82, 84. 169 Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 15; Lutter/Bayer/J. Schmidt (Fn. 1), § 6 Rn. 84. 170 Study on the law applicable to companies with the aim of a possible harmonisation of conflict of laws rules on the matter, 2014/S 149-267126; Study on substantive insolvency law, 2014/S 197-347387.
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J. Schmidt – Neue Entwicklungen im Europäischen Gesellschaftsrecht
Zu einem weiteren offenen Punkt des Aktionsplans, den Mitarbeiterbeteiligungen171, wurde hingegen gerade eine Studie172 veröffentlicht, die verschiedene Maßnahmen173 – bis hin zu einem „gemeinsamen Referenzrahmen für Mitarbeiterbeteiligungen“ – vorschlägt. Ob die Kommission etwas davon aufgreift, ist derzeit noch offen.
V. Konzernrecht Ein offener Punkt auf der Agenda ist schließlich noch die im Aktionsplan 2012 angekündigte Initiative für eine Anerkennung des „Konzerninteresses“.174 Offenbar soll diese aber nun in 2015 kommen.
G. Fazit Es bleibt also weiterhin spannend im Europäischen Gesellschaftsrecht – die „Reform in Permanenz“ wird wohl auch in Zukunft weitergehen.
171 Vgl. Aktionsplan 2012 (Fn. 2), 4.2. und 4.3.; dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 14. 172 Abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/modern/index_ de.htm#141028 (Abruf 2.11.2014). 173 Vorschlagen werden: (1) Einrichtung eines „Virtuellen Zentrums für Mitarbeiterbeteiligungen“, (2) „Code of Conduct“ für Mitarbeiterbeteiligungen, der von einer Expertengruppen regelmäßig überarbeitet wird, (3) Europäischer Mitarbeiterbeteiligungstag, (4) Online-Rechner für die effektive Besteuerung, (5) optionaler Gemeinsamer Referenzrahmen für Mitarbeiterbeteiligungen (in Anlehnung an CESL). 174 Vgl. Aktionsplan 2012 (Fn. 2), 4.6.; dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 15.
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Bericht über die Diskussion des Referats J. Schmidt Thomas Himmer Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Bayreuth Die Diskussionsleiterin Susanne Kalss (Wirtschaftsuniversität Wien) dankte zunächst für den präzisen Bericht und die Darstellung der künftigen Entwicklung und strukturierte die Diskussion in drei Teilbereiche: (I.) Aktionärsrechterichtlinie, einschließlich den Regelungen zu related party transactions, (II.) SUP und (III.) sonstige Fragen.
I. Die Diskussion zur Aktionärsrechterichtlinie eröffnete Heribert Anzinger (Universität Ulm). Er stellte – über die Aktionärsrechterichtlinie hinausgreifend – das im Europäischen Gesellschaftsrecht von Beginn an bestehende Spannungsverhältnis zweier Rechtkulturen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auf der einen Seite lasse sich der englische Rechtskreis, auf der anderen der deutsche und der romanische verorten. Bei den ersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinien scheine, wenn man sich die 2. (Kapital-)Richtlinie1 ansehe, eher die kontinentaleuropäische Seite ein Übergewicht gewonnen zu haben. Im Bilanzrecht hingegen lebten zwei Welten in einem Wettbewerb der Rechtsordnungen nebeneinander. Auch die SPE scheine speziell in Bezug auf Mitbestimmung, Mindestkapital und Gründungsvorschriften im Spannungsverhältnis der Rechtsordnungen festzuhängen. Demgegenüber lasse sich bei den neuen Regelungsvorschlägen – insbesondere zur Aktionärsrechterichtlinie – auf einmal ein starker Einfluss des englischen Rechtskreises feststellen.
1 Ursprünglich RL 77/91/EWG; seit 4.12.2012 RL 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2012 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (Neufassung), ABl. EU v. 14.11.2012, L 315/74. Text mit Stand 2011 und ausf. Erläuterungen bei Lutter/ Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 20 m.z.w.N.
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Himmer – Bericht über die Diskussion des Referats J. Schmidt
Vor allem im Hinblick auf den Vorschlag zu say on pay entsprächen die neu vorgeschlagenen Regelungen ziemlich genau denjenigen des Enterprise and Regulatory Reform Act 20132. Bei der SUP seien nun wieder englische Ideen in Bezug auf die Gründung und den solvency test aufgegriffen worden. Seine Frage an J. Schmidt sei, ob seine Beobachtung des immer stärker werdenden Einflusses des englischen Rechts zutreffe und welches der richtige Weg zur Auflösung dieses Konflikts sei – der Wettbewerb der Rechtsordnungen oder eine Harmonisierung? Als nächstes betrat E. Vetter (Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) das Frankfurter Parkett. Er nahm Bezug auf den Bericht von J. Schmidt über den neuen Kompromissvorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft, wonach den Mitgliedstaaten die Option eröffnet werden solle, die Zuständigkeit für die Genehmigung von related party transactions auf den Aufsichtsrat zu verlagern. Wäre damit zugleich auch die Notwendigkeit einer Fairness Opinion vom Tisch? Wenn dem so sei, wäre dies eine erfreuliche Reduktion des Organisationsaufwands. Falls dies nicht der Fall sei, stellt sich die weitere Frage, ob die Fairness Opinion auch von dem Abschlussprüfer erstellt werden? Das werfe dann wiederum die Frage nach dessen Unabhängigkeit auf, die gerade auch Gegenstand der Abschlussprüferrichtlinie sei. Ein Vorteil der Einbindung des Abschlussprüfers bei der Erstellung der Fairness Opinion wäre, nach Auffassung von E. Vetter, dass ein Abschlussprüfer, der bereits den Abhängigkeitsbericht geprüft habe, sich nicht nochmals neu in die relevanten Themen einarbeiten müsse, was für die Gesellschaften eine ganz erhebliche Kostenersparnis bedeuten würde. Zum Thema related party transactions meldete sich anschließend Drygala (Universität Leipzig) zu Wort. Er habe den Kompromissvorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft ebenfalls zunächst mit großer Erleichterung zur Kenntnis genommen, da aus deutscher Perspektive vor allem das Problem im Zusammenhang mit der Beteiligung der Hauptversammlung gesehen werde. Sie werde in Deutschland oftmals als Versammlungsort „räuberischer Aktionäre“ und „selbstdarstellerischer Wortergreifer“ betrachtet; man habe daher kein rechtes Vertrauen in die Kompetenz dieses Organs für derartige Entscheidungen. Von daher käme dieser Kompromiss der deutschen Perspektive entgegen. Das
2 2013 c. 24 [Anmerkung des Berichterstatters: Vgl. speziell die durch ss. 79–82 erfolgten Änderungen und Ergänzungen im Companies Act 2006].
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Himmer – Bericht über die Diskussion des Referats J. Schmidt
Problem der Bürokratie sei damit jedoch nicht aus der Welt. Denn es bleibe die Notwendigkeit festzustellen, ob eine related party transaction vorliege und ob die related party transactions über ein Jahr hinweg aggregiert die 1 %- bzw. 5 %-Grenze überschritten. In ihrer Antwort hob J. Schmidt zunächst hervor, dass der englische Einfluss auf die Gesetzgebung in der Tat ein äußerst aktuelles Thema sei. Gerade an den Vorschriften zu related party transactions und zum say on pay sowie an der Ausgestaltung der SUP werde deutlich, dass die Engländer in Europa momentan offenbar sehr großen Einfluss in Bezug auf die Gestaltung neuer gesellschaftsrechtlicher Rechtsakte nähmen. Man müsse daher seitens der deutschen Regierung und der deutschen Verbände in Brüssel etwas aktiver werden. Es entstehe manchmal der Eindruck, dass die Engländer in ihrer Lobbyarbeit und der Einbringung von Gesetzesentwürfen deutlich besser aufgestellt seien. Die sich daran anschließende Frage, ob eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften oder ein Wettbewerb der Rechtsordnung Erfolg versprechender sei, wurde von J. Schmidt als äußerst diffizil bewertet. Eine Harmonisierung in diesen Bereichen wäre ihrer Ansicht nach durchaus sinnvoll. Allerdings müsse gleichzeitig versucht werden, in Brüssel das Verständnis dafür zu schärfen, dass es nicht nur ein monistisches, sondern auch ein dualistisches System gebe, und sich in diesem viele Probleme, die im monistischen System auftreten, entweder gar nicht oder in ganz anderer Weise stellen und daher ggf. auch anders gelöst werden müssten. J. Schmidt bedauerte, dass der Kompromissvorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft leider noch nicht öffentlich zugänglich sei, sondern man hiervon bislang nur „inoffiziell“ erfahren habe; ohne Kenntnis des konkreten Texts könne sie daher auch nicht sagen, ob danach noch eine Fairness Opinion erforderlich sei. Für den Fall der Beibehaltung dieses Erfordernisses erachtete sie die Möglichkeit einer Übertragung an den Abschlussprüfer allerdings für sinnvoll. Wie Drygala zu Recht angemerkt habe, bleibe freilich – auch im Falle der Verlagerung der Genehmigungszuständigkeit auf den Aufsichtsrat – dennoch der Verwaltungsaufwand bei der Ermittlung der related party transactions. Eine Ansiedlung des Genehmigungserfordernisses im Aufsichtsrat wäre indes aus deutscher Sicht sehr viel systemkohärenter (denn dies wäre vergleichbar mit der Schaffung einer Aufsichtsratskompetenz nach § 111 Abs. 4 AktG) und ein wichtiger Schritt hin zu einer sinnvollen Implementierung ins deutsche Aktienrecht. Ein sehr interessanter Punkt sei im Übrigen, dass die Vorschläge zu den related party transactions an die
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Himmer – Bericht über die Diskussion des Referats J. Schmidt
englischen Listing Rules3 angelehnt seien, diese aber eine ganze Reihe von Ausnahmen enthielten4, die man merkwürdigerweise nicht in den Richtlinienvorschlag übernommen habe.
II. Das zweite Diskussionssegment hatte die SUP zum Gegenstand. Eingeleitet wurde der Gedankenaustausch von Hommelhoff (Universität Heidelberg), der J. Schmidt zunächst für den vorzüglichen Bericht dankte. Zur SUP habe er drei Anmerkungen. Erstens solle die EU-Kommission mit der SUP offensichtlich auch Start-up-Unternehmen fördern und zwar unabhängig davon, wo diese aktiv werden wollen. Technisch gesprochen werde im Richtlinienvorschlag also auf ein grenzüberschreitendes Element als Gründungsvoraussetzung der SUP verzichtet. Hier sollte, so Hommelhoff eindringlich, ganz hart eingefordert werden, dass dies nicht Aufgabe des europäischen Gesetzgebers, sondern vielmehr der nationalen Gesetzgeber sei. Die UG in Deutschland, die Parallelfigur in Dänemark und die vergleichbare – nur etwas anders strukturierte – österreichische Lösung zeigten, dass die Mitgliedstaaten die Notwendigkeit spezieller Rechtsformen für Start-up-Unternehmen bereits in Angriff genommen und in ein rechtspolitisches Programm umgesetzt haben. Daher bestehe auf der Ebene des europäischen Gesetzgebers keinerlei Notwendigkeit für solch eine Regelung. Zweiter Punkt von Hommelhoff war die Identitätsprüfung im Rahmen der Eintragung der SUP. Diese sei – wie schon mehrfach in Deutschland dargelegt – unverzichtbar, so dass diesbezüglich von Seiten der Kommission unbedingt noch nachgearbeitet werden müsse. In der Richtlinie sei, in Anlehnung an die englischen Regelungen, ein „Schrottniveau“ verankert worden; die Mitgliedstaaten könnten dann lediglich im Rahmen des Mitgliedstaatenwahlrechts „etwas oben drauf setzen“. Es sei jedoch überhaupt nicht einzusehen, dass der Kontinent, der – in mehr oder minder ausgeprägter Weise – ein qualitätsvolles Registerwesen pflege, sich auf das englische Niveau herabbegeben müsse und es den Mitgliedstaaten lediglich freigestellt werde, dieses jeweils wieder „hochzufahren“. Hier könne nur eine Lösung in Betracht kommen: Es müsse das kontinentaleuropäische Registerniveau gelten. Falls die Engländer sich nicht anpassen wollten, so müsse es die Möglichkeit eines Opt-out ge3 Vgl. LR 11. 4 Vgl. LR 11 Annex 1.
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ben – mit der Konsequenz, dass aus England heraus keine SUP angeboten werden könne. Dies sei die einzige angemessene Konzeption. Als dritten Punkt ging Hommelhoff auf das von J. Schmidt kurz angesprochene Thema des Weisungsrechts ein. Art. 22 Abs. 7 SUP-RLE enthalte eine ganz unglückliche Kombination aus der englischen shadow director-Haftung und dem aus deutschem GmbH-Recht übernommenen Weisungsrecht. Resultat sei, dass ein Alleingesellschafter, der das ihm in der Richtlinie zugesprochene Weisungsrecht ausübt, für diese Ausübung des Weisungsrechts haften müsse. Dann könne man aber das gesamte Weisungsrecht „vergessen“; auch an diesem Punkt müsse ganz intensiv nachgearbeitet werden, zumal die shadow director-Haftung in England im Falle einer 100 %-Beteiligung gerade nicht gelte. Zum Abschluss des zweiten Diskussionsblocks rekurrierte Hollweg (RWE Innogy GmbH, Essen) nochmals auf die kritischen Anmerkungen von J. Schmidt in Bezug auf die Eignung der SUP als Konzernbaustein und fragte aus Gründerperspektive weiterführend, wie der Wechsel aus der SUP in eine GmbH oder andere Rechtsform vonstattengehen könne. In Anknüpfung an Hommelhoffs Anmerkungstrias bestätigte J. Schmidt zunächst, dass die derzeitige Ausgestaltung des SUP-RLE in Bezug auf Start-ups und das fehlende grenzüberschreitende Element sicherlich problematisch sei. Die Identitätsprüfung im Rahmen der Eintragung halte sie ebenfalls für unverzichtbar. Vor dem Hintergrund der Problematik, ob die englischen Registervorschriften überhaupt mit der 1. (Publizitäts-)Richtlinie5 vereinbar seien, könnten diese jedenfalls schwerlich Maßstab und Vorbild sein. Zur Gewährleistung der Identitätsprüfung sei eine Nachbesserung daher offenkundig unentbehrlich. Das entsprechende Problembewusstsein bestehe allerdings bei der Kommission bereits. Im Rahmen des weiteren Legislativverfahrens werde man daher hoffentlich eine sinnvolle Lösung finden, die sicherstelle, dass die Identitätsprüfung auf einem Niveau stattfinde, das die Sicherheit der Register gewährleiste.
5 Ursprünglich RL 68/151/EWG. Seit 21.10.2009 kodifiziert als RL 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9.2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Abs. 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EU v. 1.10.2009, L 258/11. Text und ausf. Erläuterungen bei Lutter/ Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012,§ 19 m.z.w.N.
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Dringend nachgearbeitet werden müsse ferner, nach Auffassung von J. Schmidt, in Bezug auf das Weisungsrecht und die Einbindung der SUP als Konzernbaustein. Hier sei speziell auch die von Hommelhoff angesprochene shadow director-Haftung ein ganz wichtiger Punkt, in diesem Zusammenhang müsse über die Aufnahme von Ausnahmebestimmungen nachgedacht werden. Problematisch für die Funktion der SUP als Konzernbaustein sei auch die Regelung zu den Ausschüttungen in Art. 18 SUP-RLE; dies und mögliche Lösungen hierfür habe Hommelhoff in der GmbHR6 ja auch bereits ausführlich erläutert. Bezüglich der Frage nach dem Wechsel aus der SUP verwies J. Schmidt auf Art. 25 Abs. 1 SUP-RLE: Danach müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die SUP nach ihrem nationalen Recht aufgelöst oder in eine andere Gesellschaftsform umgewandelt werde, wenn sie die Voraussetzungen der Richtlinie nicht mehr erfülle. Es sei demnach Aufgabe der Mitgliedstaaten, ein funktionsfähiges Verfahren zu schaffen. Der Alleingesellschafter der SUP könne darüber hinaus gem. Art. 25 Abs. 2 SUPRLE auch jederzeit selbst beschließen, die SUP nach dem im jeweils anwendbaren nationalen Recht festgelegten Verfahren in eine andere Gesellschaftsrechtsform umzuwandeln. In Deutschland würde man demnach auf das Umwandlungsgesetz und die Formwechselvorschriften zurückgreifen, wodurch der Weg zurück in eine nationale Gesellschaftsform offenstünde.
III. Im Rahmen des dritten Diskussionsbereichs, das Konzern- und sonstige Gesellschaftsrecht betreffend, ergriff nochmals Hommelhoff das Wort, um auf die Tatsache hinzuweisen, dass die neue nichtfinanzielle Erklärung möglicherweise ein Einfallstor für eine gesetzliche Festschreibung der Unternehmensziele darstellen könnte. Das Rechnungslegungssystem erhalte damit verhaltenssteuernde Wirkung. Dies müsse von Seiten der Gesellschaftsrechtler – ebenso wie von den Rechnungslegungsexperten – genau verfolgt werden. Zu der von der Kommission eingesetzten „Informellen Expertengruppe Gesellschaftsrecht“ merkte Hommelhoff ergänzend an, dass glücklicherweise zwei Deutsche unter den vierzehn Mitgliedern seien. Abschließend adressierte er insbesondere die anwesenden Vertreter aus der beratenden Praxis: In den Anhörungen zeichne sich offenbar ab, dass die Notwendigkeit einer Fortschreibung der 10. 6 Vgl. Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1072 f.
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Richtlinie7 breitflächig begrüßt und gefordert werde. Zur Frage, ob es auch eines Instrumentariums für grenzüberschreitende Spaltungen bedürfe, gebe es aber offensichtlich noch ein unsicheres Bild. Falls bei den Anwesenden der Eindruck bestünde, dass die bisherigen Konstruktionsmöglichkeiten nicht ausreichen würden, sondern ein spezieller Rechtsrahmen für die grenzüberschreitende Spaltung erforderlich wäre, dann sollte unbedingt die Möglichkeit ergriffen werden, sich an dem Konsultationsprozess der Kommission zu beteiligen. Die neue nichtfinanzielle Erklärung erachtete J. Schmidt ebenfalls als ein interessantes Konstrukt, bei dem noch hoher Diskussionsbedarf bestehe. Denn in den Lage- bzw. Konzernlagebericht seien nun Informationen zu Umwelt-, Sozial-, und Arbeitnehmerbelangen, Achtung der Menschenrechte, Bekämpfung von Korruption und Bestechung aufzunehmen8; zudem müssten künftig in der Erklärung zur Unternehmensführung Angaben zur Diversitätspolitik gemacht werden9. Mit H. Fleischer und Chr. Teichmann sei Deutschland in der Expertengruppe sicherlich gut vertreten. Aus den Arbeiten dieser Expertengruppe würden gewiss noch viele interessante Projekte resultieren. Im Anschluss an das Plädoyer von Hommelhoff rief J. Schmidt abschließend alle Anwesenden nochmals dazu auf, sich an der Online-Konsultation zur grenzüberschreitenden Spaltung zu beteiligen. Es sei sehr wichtig, der Kommission gerade auch von deutscher Seite zu signalisieren, dass eine große Notwendigkeit für ein spezielles Rechtsinstrument in diesem Bereich bestehe. Mit diesem Statement und einem erneuten herzlichen Dank von Susanne Kalss für den vorzüglichen Vortrag und Bericht endete die Diskussion.
7 RL 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. EU v. 25.11.2005, L 310/1. Text und ausführliche Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 23 m.z.w.N. 8 Vgl. Art. 19a, 29a n.F. RL 2013/34/EU. 9 Vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. g n.F. RL 2013/34/EU.
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Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht Dr. Eckhard Wälzholz Notar in Füssen I. Literaturübersicht . . . . . . . . . . II. Thesen zur Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Testamentsvollstreckung bei Unternehmen und Beteiligungen – Materielle Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelunternehmen . . . . . . . . a) Vollmachtslösung . . . . . . . . b) Treuhandlösung beim Einzelunternehmen . . . . . . . . . c) Umwandlungsklauseln . . . d) Weisungsgeberlösung . . . . . e) Verpachtungslösung . . . . . . 3. Testamentsvollstreckung an Anteilen persönlich haftender Gesellschafter in Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . 4. Testamentsvollstreckung am Gesellschaftsanteil eines Kommanditisten . . . . . . . . . . . 5. Testamentsvollstreckung an einer GbR . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Testamentsvollstreckungsanordnung bei GmbH-Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Testamentsvollstreckung an einer AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Beteiligung bei Testamentsvollstreckung . . . . 9. Allgemeine Beschränkungen des Testamentsvollstreckers im Gesellschaftsrecht . . . . . . . a) Kernbereichslehre . . . . . . . . b) Verbot unentgeltlicher Verfügungen, § 2205 Satz 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschränkungen aus Haftungsgründen . . . . . . . . . . . . 10. Arbeiten mit Vorratsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Testamentsvollstrecker im Handelsregister. . . . . . . . . . 1. Einzelunternehmen . . . . . . . . . 2. Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die GmbH-Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Literaturübersicht Behme, Der Erblasserwille und das Gesellschaftsrecht – was darf der Testamentsvollstrecker in einer KG?, ZErb 2008, 40; Beutel, Eintragungsfähigkeit des Testamentsvollstreckervermerks in die Gesellschafterliste, NZG 2014, 646; Bisle, Testamentsvollstreckung im Handels- und Gesellschaftsrecht, DStR 2013, 1037; Damrau, Kann ein Testamentsvollstrecker einen Kommanditanteil erwerben?, DNotZ 1984, 660; Damrau, Zur Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil, NJW 1984, 2785; Dörrie, Reichweite der Kompetenzen des Testamentsvollstreckers an Gesellschaftsbeteiligungen, ZEV 1996, 370; Everts, Die Testamentsvoll-
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Wälzholz – Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht streckung an Personengesellschaftsbeteiligungen in der notariellen Praxis, MittBayNot 2003, 427; Frank, Die Testamentsvollstreckung über Aktien, ZEV 2002, 389; Frank, Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft durch den Testamentsvollstrecker – ist eine Umwandlungsanordnung anzuraten?, ZEV 2003, 5; Frank, Verwaltungskompetenz des Testamentsvollstreckers und Organkompetenz, NZG 2002, 898; Goebel, Probleme der treuhänderischen und der echten Testamentsvollstreckung über ein vermächtnisweise erworbenes Einzelunternehmen, ZEV 2003, 261; Grigas, Testamentsvollstreckung im Handels- und Gesellschaftsrecht, BWNotZ 2002, 25; Groß, Stimmrecht und Stimmrechtsausschluss bei der Testamentsvollstreckung am GmbH-Anteil, GmbHR 1994, 596; Gschwendtner, Testamentsvollstreckung an einem Kommanditanteil, NJW 1996, 362; Heckschen/Strnad, Kompetenzkonflikt zwischen Testamentsvollstrecker und Erben, NZG 2014, 1201; Hehemann, Testamentsvollstreckung bei Vererbung von Anteilen an Personenhandelsgesellschaften, BB 1995, 1301; Heidinger, Zusätzliche Angaben in der Gesellschafterliste und ihre Wirkung nach § 16 Abs. 1 GmbHG, in FS Stilz 2014, S. 253 ff.; Hübner/Hammes, Testamentsvollstreckung und Vertretung bei Gesellschafts- und Geschäftsanteilen, BB 2013, 2307; Ivens, Leitlinien zur Unternehmensnachfolge: Die Vererbung von Einzelunternehmen, ZEV 2010, 462; John, Testamentsvollstreckung über ein einzelkaufmännisches Unternehmen, BB 1980, 757; Klein, Die Testamentsvollstreckung in Gesellschaftsbeteiligungen an offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, DStR 1992, 292, 326; Klumpp, Amtspflichten eines Testamentsvollstreckers bei Einsetzung eines GmbH-Beirates, ZEV 2006, 257; Knatz, Der Einfluss der Dauertestamentsvollstreckung auf die personelle Verflechtung im Rahmen der Betriebsaufspaltung, DStR 2009, 27; Mayer J., Die Testamentsvollstreckung über GmbH-Anteile, ZEV 2002, 209; Mohr, Testamentsanordnungen des GmbH-Gesellschafters, GmbH-StB 2005, 23; Plank, Die Eintragungsfähigkeit des Testamentsvollstreckervermerks im Handelsregister, ZEV 1998, 325; Priester, Kernbereich der Mitgliedschaft als Schranke der Testamentsvollstreckung, in FS Streck, 2011, S. 891 ff.; Quack, Die Testamentsvollstreckung an Kommanditbeteiligungen, BB 1989, 2271; Reimann, Ende der Testamentsvollstreckung durch Umwandlung?, ZEV 2000, 381; Reimann, Unternehmensnachfolge und Testamentsvollstreckung, GmbHR 2011, 1297; Schaub, Die Rechtsnachfolge von Todes wegen im Handelsregister bei Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften, ZEV 1994, 71; K. Schmidt, Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil ohne gesellschaftsvertragliche Testamentsvollstreckungsklausel?, in FS Maier-Reimer, 2010, S. 629 ff.; Ulmer, Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, NJW 1990, 73; Wachter, Testamentsvollstreckung an GmbH-Geschäftsanteilen, ZNotP 1999, 226; Wachter, Testamentsvollstreckung an GmbHGeschäftsanteilen, GmbH-StB 2000, 79; Weidlich, Die Beteiligung des Testamentsvollstreckers und des Erben bei der formwechselnden Umwandlung von Personenhandelsgesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, MittBayNot 1996, 1; Weidlich, Die Testamentsvollstreckung an Beteiligungen einer werbenden OHG bzw. Kommanditgesellschaft, ZEV 1994, 205; Weidlich, Befugnisse des Testamentsvollstreckers bei der Verwaltung von Beteiligungen einer werbenden BGB-Gesellschaft, ZEV 1998, 339; Weidlich, Testamentsvollstreckung
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Wälzholz – Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht an einem einzelkaufmännischen Unternehmen – Zulässigkeit auf Grund geänderter Gesetzeslage?, NJW 2011, 641; Werkmüller, Der Unternehmensverkauf durch den Testamentsvollstrecker, ZEV 2006, 491; Werner, Die Testamentsvollstreckung im Recht der GmbH und GmbH & Co. KG, NWB 2007, Fach 19 S. 3827; Werner, Die Testamentsvollstreckung an einer GmbH & Co. KG, ZErb 2008, 195; Winkler, Echte Testamentsvollstreckung am Unternehmen und OHG-Anteil?, in FS Schippel, 1996, S. 519.
II. Thesen zur Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht 1. Die (Dauer-)Testamentsvollstreckung an einem Gesellschaftsanteil ist grds. erbrechtlich wie gesellschaftsrechtlich zulässig. Dies setzt die Vererblichkeit des Gesellschaftsanteils voraus. 2. Gleichwohl ergeben sich zahlreiche Spannungen zwischen Gesellschafts- und Erbrecht, die im Wege der Auslegung und Anpassung zu einem Ausgleich gebracht werden müssen. Dies gilt sowohl für Haftungsfragen als auch für Fragen des Überfremdungsschutzes und der Wahrnehmung von Gesellschaftsrechten. 3. Grds. ist der Testamentsvollstrecker zur Ausübung aller Gesellschaftsrechte befugt, soweit die Beteiligung an der Gesellschaft seiner Verwaltungsbefugnis unterliegt. 4. Beschränkungen für den Testamentsvollstrecker ergeben sich aus folgenden Grundsätzen: a) Keine Verpflichtung der Erben mit ihrem sonstigen Vermögen/ numerus clausus der haftungsbeschränkten Rechtsformen; b) Verbot unentgeltlicher Verfügungen, § 2205 Satz 3 BGB; c) Gesellschaftsvertragliche Bestimmungen zum Schutz vor Fremdeinfluss; d) § 47 Abs. 4 GmbHG und § 181 BGB; e) Kernbereichslehre (strittig). 5. In der Gestaltungspraxis lässt sich die Testamentsvollstreckung am Gesellschaftsanteil steuern durch a) Ausschluss der Vererblichkeit (Fortsetzungsklausel); b) lebzeitige Rechtsformwahl (Vermeiden von Einzelunternehmen, OHG, Komplementäranteil); c) Ersatzgestaltungen: Vollmachts-, Treuhand- und Umwandlungslösung;
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d) Ausschluss/Zulassung der Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsvertrag =L Beschränkung auf die vermögensmäßige Außenseite des Gesellschaftsanteils; e) durch Vermächtnis können eigentlich nach § 2205 BGB unzulässige Eingriffe dem Testamentsvollstrecker gestattet werden. 6. Umwandlungsklauseln zur Einbringung eines Einzelunternehmens in eine haftungsbeschränkte Rechtsform sind problematisch, weil a) die Gründung entsprechender Gesellschaften grds. die unbeschränkte Haftung der Erben für die Kapitalaufbringung voraussetzt; b) geltend gemacht wird, dass die Testamentsvollstreckung sich nicht an den Gesellschaftsanteilen fortsetzen könne, wenn sie zunächst nicht das Einzelunternehmen erfasst haben; diese Ansicht ist m.E. abzulehnen.
III. Testamentsvollstreckung bei Unternehmen und Beteiligungen – Materielle Probleme 1. Einführung Die Anordnung von Testamentsvollstreckung für Unternehmen und Beteiligungen ist ein wichtiges, häufig entscheidendes Mittel der Testamentsgestaltung und Nachfolgeplanung, um den Bestand eines Unternehmens für den Todesfall eines Unternehmers bzw. Gesellschafters zu sichern. Diese ist jedoch mit zahlreichen rechtlichen Problemen verbunden. Ausgangspunkt der Problematik sind § 2206 und § 2207 BGB. Danach kann der Testamentsvollstrecker zwingend nur Verbindlichkeiten für den Nachlass eingehen1. Die Erben können ihre Haftung auf die 1 Seit RG v. 26.3.1931 – IIb 5/31, RGZ 132, 138 ff.; BGH v. 18.1.1954 – IV ZR 130/53, BGHZ 12, 100 ff.; BGH v. 11.4.1957 – II ZR 182/55, BGHZ 24, 106 ff.; BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225 ff.; BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48 ff.; BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152; OLG Düsseldorf v. 24.9.2007 – I-9 U 26/07, ZEV 2008, 142 ff.; vgl. auch K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 Rz. 24 ff.; Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 139 Rz. 21; Weidlich in Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 2206 Rz. 4; Haas in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, 4. Aufl. 2014, § 139 Rz. 16 ff.; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 293 ff.; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 108 ff.; Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testa-
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Nachlassverbindlichkeiten beschränken, während der Testamentsvollstrecker selbst nicht für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haftet. Dieser erbrechtliche Grundsatz der Haftungsbeschränkung ist mit dem handelsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung des Unternehmers nicht vereinbar. Aus diesem Grund hat die kautelar-juristische Praxis nach Ersatzlösungen für dieses Problem gesucht.2 Diese Problematik zeigt sich vor allem beim Einzelunternehmen und dem Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer OHG, KG, GbR und PartG3. Bei den Kapitalgesellschaften und einem Kommanditanteil ist dieser Konflikt zwischen Haftung im Erbrecht und im Handelsrecht hingegen auf Einzelfälle der Kapitalaufbringung und -erhaltung beschränkt. Daneben bestehen zahlreiche Normkonflikte zwischen der umfassenden Handlungsbefugnis des Testamentsvollstreckers einerseits und dem personenbezogenen Gesellschaftsrecht, das eigentlich die Mitgesellschafter vor Fremdeinfluss schützen will. Insoweit ist hinsichtlich der Wirkungen, Folgen und Gestaltungsmöglichkeiten zwischen den einzelnen Rechtsformen zu unterscheiden. Der folgende Beitrag schildert erst die Besonderheiten bei den unterschiedlichen, betroffenen Rechtsformen einschließlich der Möglichkeiten der Gestaltungspraxis, diese Probleme zu lösen. Anschließend werden ausgewählte, rechtsformübergreifende Einzelprobleme der Praxis erläutert, wie insbesondere der Handelsregistervollzug, das Verbot unentgeltlicher Verfügungen nach § 2205 Satz 3 BGB, Gründung einer Kapitalgesellschaft und Fragen einer Kernbereichstheorie.
mentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 493 ff.; kritisch dazu mit guten Gründen u.a. Weidlich, NJW 2011, 641 ff.; Muscheler, Die Haftungsverfassung der Testamentsvollstreckung, 1993; Heckschen/Strnad, NZG 2014, 1201, 1203. 2 Vgl. zum ganzen Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 139 Rz. 22 f.; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 298 ff.; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 108 ff.; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 493 ff. 3 Dies gilt ebenso für eine PartG mbB, da die Haftungsbeschränkung hier nur Berufshaftpflichtfälle erfasst.
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2. Einzelunternehmen Da die Testamentsvollstreckung sich nach h.M. aus den eingangs geschilderten Konflikten bei der Haftung im Erbrecht und im Handelsrecht nicht auf ein Einzelunternehmen erstrecken kann4, ist hinsichtlich des Einzelunternehmens vor allem die Frage der Ersatzgestaltungen zu beleuchten. Dies gilt vor allem für die Dauertestamentsvollstreckung. Hinsichtlich der Abwicklungsvollstreckung nach §§ 2203 bis 2205 BGB wird hingegen teilweise die Ansicht vertreten, dass die Testamentsvollstreckung auch das Einzelunternehmen erfasse – dann aber nur für die Drei-Monats-Frist des § 27 HGB5. Danach hafte dann der Testamentsvollstrecker unbeschränkt persönlich für alle Verbindlichkeiten, die er im Rahmen der Fortführung des Unternehmens begründe. Dies ist zweifelhaft. Da auch eine Abwicklungsvollstreckung in der Praxis stets länger als 3 Monate dauert, ist eine differenzierende Betrachtung m.E. nicht gerechtfertigt. Stattdessen sollte die herkömmliche herrschende Meinung überdacht werden, ob der Vorrang des Handelsrechts vor dem Erbrecht tatsächlich geboten ist, insbesondere da es inzwischen möglich ist, um den Preis von einem Euro Stammkapital als UG (haftungsbeschränkt) eine haftungsbeschränkte Rechtsform zu begründen. Ferner spricht gegen die h.M., dass es von reiner Zufälligkeit abhängt, ob eine Verbindlichkeit durch den Erblasser begründet wurde und sich die Haftung der Erben dann auf den Nachlass beschränken lässt oder ob die Verbindlichkeit erst nach dem Tode begründet wird und dann eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass nicht mehr akzeptabel sei. Bei offenem Handeln als Testamentsvollstrecker mit Eintrag im Handelsregister wäre auch den Publizitätserfordernissen und dem Schutz des Rechtsverkehrs Genüge getan. Folgende Ersatzlösungen für eine Dauertestamentsvollstreckung am Einzelunternehmen werden diskutiert und in der Praxis eingesetzt.
4 RG v. 26.3.1931, IIb 5/31, RGZ 132, 138 ff.; BGH v. 18.1.1954 – IV ZR 130/53, BGHZ 12, 100 ff.; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 493 m.w.N. 5 Siehe Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 7; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 116.
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Wälzholz – Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht
a) Vollmachtslösung Bei der Vollmachtslösung erhält der Erbe das Unternehmen zum alleinigen Eigentum. Er ist in seiner Verfügungsbefugnis nicht beschränkt. Die Testamentsvollstreckung kann das Einzelunternehmen nicht erfassen. Der Erbe wird auch als solcher im Handelsregister eingetragen. Er haftet daher unbeschränkt für sämtliche Verbindlichkeiten des Unternehmens. Auch wenn die Testamentsvollstreckung das Einzelunternehmen nicht erfassen kann, so greift der Vollstreckungsschutz des § 2214 BGB gegenüber Eigengläubigern des Erben m.E. gleichwohl ein6, da die Gründe für eine Ablehnung der Dauertestamentsvollstreckung die Nichtanwendung dieser Norm nicht rechtfertigen; das Einzelunternehmen ist gleichwohl Nachlassbestandteil. Gleichzeitig wird bei der Vollmachtslösung durch testamentarische Anordnung dem Erben aufgegeben (Auflage oder Vermächtnis), dem Testamentsvollstrecker eine uneingeschränkte und unwiderrufliche Vollmacht zu erteilen, mit der dieser das Einzelunternehmen fortführen kann. Eine bloße transmortale oder postmortale Vollmacht des Erblassers ist insoweit nicht vollständig gleichwertig, weil diese m.E. den Bevollmächtigten nur berechtigen kann, über Nachlassgegenstände zu verfügen und Nachlassverbindlichkeiten zu begründen; damit würde weiter der Konflikt zwischen Erbrecht und Handelsrecht bestehen. Die herrschende Meinung hält die Vollmachtslösung für möglich und zulässig7. Minderjährige werden hinsichtlich der dadurch eintretenden, unbeschränkten Haftung durch das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz nach § 1629 a BGB und durch die Möglichkeit der Ausschlagung geschützt8. Im Übrigen findet ein Schutz der Erben hingegen nicht statt. Dies hat bereits zu der Überlegung geführt, ob die Vollmachtslösung sit-
6 Ebenso zum vergleichbaren Problem bei einem OHG- oder Komplementäranteil D. Mayer, ZIP 1990, 976, 979; Everts, MittBayNot 2003, 430 ff.; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 519; Pauli in Bengel/ Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 162; BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431, 2433. 7 So BGH v. 18.1.1954 – IV ZR 130/53, BGHZ 12, 100 ff.; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 309; a.A. hingegen Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, 4. Aufl. 2014, § 27 Rz. 15; mit Bedenken auch Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 12. 8 Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 17.
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tenwidrig sei9; sie führe zu einer unbeschränkten Haftung ohne wirksame Kontrolle der Erben über den Testamentsvollstrecker. Ferner sei diese Vollmachtslösung mit dem Wesen einer Vollmacht nicht vereinbar, da das BGB eine verdrängende Vollmacht nicht kenne.10 Daher wird den Erben meist zur Auflage gemacht, die Vollmacht nicht zu widerrufen und das Einzelunternehmen nicht selbst zu führen. Eine Generalvollmacht geht ferner weiter als ein echte Testamentsvollstreckung, weil der Bevollmächtigte entgegen § 2205 Satz 3 BGB auch unentgeltliche Verfügungen vornehmen könne. Im Übrigen ist zu beachten, dass trotz testamentarischer Anordnung für bestimmte Erfüllungsmaßnahmen bei Minderjährigen die Zustimmung des Familiengerichts erforderlich ist.11 Dies gilt beispielsweise für die Erteilung einer Prokura nach §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 11 BGB, oder für Grundstücksverfügungen. Die Absicherung der Unwiderruflichkeit der Vollmacht, die zivilrechtlich im Recht der Vollmacht nicht möglich ist, kann durch eine auflösend bedingte Erbeinsetzung oder durch die vermächtnisweise Zuwendung des Unternehmens zugunsten des Testamentsvollstreckers erreicht werden. Die Bedingung kann an den Widerruf der Vollmacht geknüpft werden12. Die Vollmachtslösung ist zwar eine denkbare Ersatzgestaltung, jedoch im Hinblick auf die in der Rechtslehre geäußerten Bedenken und das Phänomen der persönlichen Haftung ohne unmittelbare Kontrolle nicht empfehlenswert13.
b) Treuhandlösung beim Einzelunternehmen Bei der Treuhandlösung ist das vom Erben geerbte Unternehmen dem Testamentsvollstrecker als Treuhänder zur Fortführung zu übertragen. Dabei existieren zwei unterschiedliche Ausformungen: Einerseits die 9 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 133. 10 Vgl. Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 312; Grigas, BWNotZ 2002, 25 ff.; Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 11; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 132; DNotI-Report 2002, 153 ff. 11 DNotI-Report 2002, 153 f. 12 Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 313. 13 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 134.
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Ermächtigungstreuhand (§ 185 BGB) und andererseits die Vollrechtstreuhand, bei der das Eigentum dem Testamentsvollstrecker treuhänderisch übertragen wird. Beide Gestaltungen sind möglich. Der Testamentsvollstrecker wird dann als Unternehmer im Handelsregister eingetragen14. Er haftet im Außenverhältnis gegenüber den Gläubigern uneingeschränkt für sämtliche Verbindlichkeiten; wie bei jedem Treuhandverhältnis üblich, ist er jedoch rückgriffsberechtigt gegenüber den Erben15, für die der Treuhänder-Testamentsvollstrecker das Geschäft fortführt. Insoweit haben die Erben jedoch die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass, da es sich um Nachlassverbindlichkeiten handelt16. Sollten im Testament keine näheren Regelungen über die Art der Dauertestamentsvollstreckung über ein Einzelunternehmen getroffen worden sein, so soll im Zweifel die Treuhandlösung als angeordnet gelten.17 Zur Durchführung der Treuhandlösung haben der oder die Erben das Unternehmen auf den Treuhänder zu übertragen. Hierzu bedarf es bei Minderjährigen nach § 1822 Nr. 3 BGB der Zustimmung des Familiengerichtes18. Handelsrechtlich gilt für die Haftung von Erbe und Testamentsvollstrecker was folgt: Wird die Frist des § 27 Abs. 2 HGB eingehalten und in dieser Zeit das Unternehmen auf den Treuhänder übertragen, so stellt der Erbe mit der Übertragung des Unternehmens auf den Treuhänder das Unternehmen ein. Seine Haftung entfällt nach § 27 Abs. 2 HGB19. Der Testamentsvollstrecker erwirbt das Unternehmen unter Lebenden gem. § 25 Abs. 1 HGB und kann hierbei 14 Zu den Wirkungen i.R.d. § 27 HGB siehe Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, 4. Aufl. 2014, § 27 Rz. 15; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 303 ff. 15 So auch h.M. Goebel, ZEV 2003, 261, 262 m.w.N. 16 Offen BGH v. 18.1.1954 – IV ZR 130/53, BGHZ 12, 100 ff.; a.A. hingegen, also für unbeschränkbare Haftung der Erben Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 127; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 308 mit Nachweisen zum Streitstand. 17 Vgl. BGH v. 11.4.1957 – II ZR 182/55, BGHZ 24, 106, 112. 18 A.A. Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 128. Wie hier hingegen Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 15 Rz. 114. 19 Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 304; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 124; gegen eine Haftungsbeschränkung K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 8 IV 2 c) aa), S. 269; Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/ Haas, 4. Aufl. 2014, § 27 Rz. 15 m.w.N.
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die Haftung nach § 25 Abs. 2 HGB für Altverbindlichkeiten ausschließen bzw. auf den Nachlass beschränken.20 Auch wenn die Treuhandlösung häufig als vorzugswürdig angesehen wird, da sie nicht zur unbeschränkten Haftung des Erben führe, ist dies lediglich Augenwischerei. Dies beruht einerseits darauf, dass häufig Testamentsvollstrecker nicht bereit sein werden, das Amt zu übernehmen, wenn sie die unbeschränkte Haftung zu tragen haben. Ferner bleibt die Rückgriffshaftung des Testamentsvollstreckers gegenüber den Erben hiervon unberührt. Insofern haften die Erben unbeschränkt gegenüber dem Treuhänder und haben diesen freizustellen. Im Ergebnis ist daher auch die Treuhandlösung nicht empfehlenswert.
c) Umwandlungsklauseln Da beide vorstehend bezeichneten Lösungen für die Fortführung eines Einzelunternehmens problembehaftet sind, ist es am sinnvollsten, dem Testamentsvollstrecker – soweit möglich – aufzugeben, das vererbte Einzelunternehmen in eine haftungsbeschränkte Rechtsform seiner Wahl umzuwandeln oder einzubringen. Hierzu bedarf es bei minderjährigen Erben nach § 1822 Nr. 3 BGB der Zustimmung des Familiengerichtes, da der Testamentsvollstrecker nicht allein aus eigener Machtbefugnis handeln kann. Dies gilt auch bei Vorliegen einer transmortalen Vollmacht zugunsten des Testamentsvollstreckers. Dem Testamentsvollstrecker kann auch insoweit bereits vom Erblasser eine entsprechende Vollmacht erteilt und die Erben mit der Auflage beschwert werden, dem Testamentsvollstrecker ihrerseits ebenfalls eine entsprechende Vollmacht zu erteilen, mit der der Testamentsvollstrecker auch die Erben persönlich verpflichten kann. Hierbei sollte bei mehreren Erben gegebenenfalls bereits die Grundstruktur des Gesellschaftsvertrages oder am besten der Gesellschaftsvertrag als solcher mit vorgegeben werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Für den Fall einer geänderten Rechtslage sollte der Testamentsvollstrecker jedoch befugt sein, erforderliche Anpassungen des Gesellschaftsvertrages an geänderte Bedingungen vorzunehmen. Dem Testamentsvollstrecker kann auch die Aufgabe zuteil werden, den Gesellschaftsvertrag selbst festzulegen. Dann hat er die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung nach § 2216 20 Grigas, BWNotZ 2002, 25, 28 m.w.N.; John, BB 1980, 757; Pauli in Bengel/ Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 125; siehe auch Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 27 Rz. 8.
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BGB zu beachten. Sonderrechte zugunsten einzelner Miterben/Mitgesellschafter kann der Testamentsvollstrecker nur dann begründen, wenn der Erblasser dies als Auflage oder Vermächtnis angeordnet hat, da dem sonst § 2205 Satz 3 BGB entgegenstünde. Zur Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen und für eine optimale Ausschöpfung der erbschaftsteuerlichen Freibeträge kann es sich insoweit auch anbieten, mehrere Abkömmlinge zu Erben einzusetzen, den Testamentsvollstrecker jedoch zu verpflichten, das Unternehmen in eine GmbH & Co. KG einzubringen, wobei der später vom Testamentsvollstrecker zu bestimmende Unternehmensnachfolger ein Geschäftsführungssonderrecht und eine bestimmte Gesellschaftsanteilsquote erhalten soll. Diejenigen Miterben, die nicht als eigentliche Unternehmensnachfolger vorgesehen sind, können auf eine rein kapitalmäßige Kommanditistenbeteiligung beschränkt werden. Pflichtteilsansprüche können so vollständig vermieden werden, ebenso überflüssige Haftungsgefahren. Bis zum Erreichen eines bestimmten Alters der Erben kann dann die Fortsetzung der Testamentsvollstreckung an den Gesellschaftsund Geschäftsanteilen angeordnet werden. Dies sollte ausdrücklich auch im Testament geschehen, da anderenfalls wegen der sog. Versteinerungstheorie die erweiternde Erstreckung der Befugnisse des Testamentsvollstreckers zweifelhaft ist21. Der oder die Miterben können mit der Auflage beschwert werden, den Testamentsvollstrecker zum Geschäftsführer zu bestellen22. Der Testamentsvollstrecker sollte dann in jedem Fall von § 181 BGB befreit sein. In seiner bloßen Funktion als Testamentsvollstrecker kann dieser die Gründung einer GmbH jedoch nur mit Schwierigkeiten vornehmen, da dies wiederum zu einer beschränkten Haftung für die Aufbringung des Stammkapitals führen würde23. 21 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 270; Weidlich, MittBayNot 1996, 2 ff.; Frank, ZEV 2003, 5, 7 m.w.N.; Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 72; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 379. Teilweise wird von einer Versteinerung dahingehend ausgegangen, dass die TV-Befugnisse sich mit der Umwandlung nicht erweitern könnten; vor der Umwandlung seien sie aber bei OHG/GbR und Einzelunternehmern sehr beschränkt gewesen. Anders muss dies hingegen sein, wenn die erweiternde Erstreckung ausdrücklich vom Erblasser angeordnet und angestrebt war. 22 Siehe auch BGH v. 9.12.1968 – II ZR 57/67, NJW 1969, 841 f. 23 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 244.
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Auch insoweit bedarf es daher der Mitwirkung der Erben. Dies kann den Erben zur Auflage gemacht werden, mit der Sanktion des Verlustes der Erbenstellung bei Nichtmitwirkung. Die Gründung der GmbH ohne Mitwirkung der Erben gelingt nur dann, wenn das gesamte Stammkapital für alle Gründer bei der Gründung aus dem Nachlass aufgebracht wird, so dass keine Haftung der Erben verbleibt, auch nicht nach § 24 GmbHG24. Um Gründungs- oder Umwandlungsschwierigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, bereits zu Lebzeiten des Erblassers das Unternehmen in eine haftungsbeschränkte Rechtsform wie eine GmbH, AG oder GmbH & Co. KG umzuwandeln. Als minderen Schritt in die richtige Richtung kann es sich anbieten, zumindest eine entsprechende Vorratsgesellschaft schon zu Lebzeiten zu gründen und mit dem vollen Kapital auszustatten25. Dann bleiben zwar die Probleme der Wiederverwendung und Aktivierung eines GmbH-Mantels26; diese sind jedoch leichter vom Testamentsvollstrecker zu lösen als eine ganze Umwandlung. Diese Gestal24 Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 402. 25 So auch Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 145. 26 Siehe BGH v. 10.12.2013 – II ZR 53/12, DNotZ 2014, 384; BGH v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, GmbHR 2012, 630; BGH v. 9.12.2002 – II ZB 12/02, GmbHR 2003, 227 = NZG 2003, 170 = NJW 2003, 892 = BB 2003, 324 = ZIP 2003, 251 = DB 2003, 330 = DNotZ 2003, 443 mit krit. Anm. Schaub; BGH v. 7.7.2003 – II ZB 4/02, GmbHR 2003, 1125 mit Komm. Peetz; Winnen, Die wirtschaftliche Neugründung von Kapitalgesellschaften, RNotZ 2013, 389; Tavakoli, Begrenzung der Unterbilanzhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer GmbH, NJW 2012, 1855; Altmeppen, Zur Mantelverwendung in der GmbH, NZG 2003, 145; Bärwaldt/Balda, Praktische Hinweise für den Umgang mit Vorrats- und Mantelgesellschaften, GmbHR 2004, 50 und 350; Bohrer, Kann eine GmbH wirtschaftlich neu gegründet werden?, DNotZ 2003, 888; von Bredow/Schumacher, Registerkontrolle und Haftungsrisiken bei der Verwendung von GmbH-Mantelgesellschaften, DStR 2003, 1032; Goette, Aktuelle Rechtsprechung zur GmbH – Kapitalschutz und Organhaftung, DStR 2003, 887; Goette, Haftungsfragen bei der Verwendung von Vorratsgesellschaften und „leeren“ GmbH-Mänteln, DStR 2004, 461; Heinze, „Präventivkontrolle“ der Kapitalaufbringung bei der wirtschaftlichen Neugründung?, GmbHR 2011, 962; Meilicke, Droht Überregulierung für Vorratsgesellschaften?, BB 2003, 857; Peetz, Noch einmal – die Mantelverwendung, GmbHR 2004, 1429; Peetz, Wirtschaftliche Neugründung einer GmbH und Haftung, GmbHR 2011, 178; Podewils, Offene Fragen zur wirtschaftlichen Neugründung, GmbHR 2010, 684; Werner, Haftungsvermeidung bei Aktivierung einer Mantelgesellschaft, GmbHR 2010, 804.
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tung ist bei einer GmbH erbschaftsteuerlich jedoch problematisch (s.u.); erbschaftsteuerrechtlich ist eine GmbH & Co. KG vorzugswürdig.
d) Weisungsgeberlösung Bei der Weisungsgeberlösung wird das Unternehmen von dem/den Erben fortgeführt, der Testamentsvollstrecker hat dabei nur die Aufgabe, bei bestimmten Entscheidungen oder in allen Entscheidungen der Geschäftsführung und Abstimmung den Erben Weisungen erteilen zu können27. Dies ist nur bei volljährigen und im Wesentlichen bereits unternehmerisch entwickelten Nachfolgern denkbar. Wiederum haften die Weisungsempfänger persönlich für eine mittelbar fremdbestimmte Geschäftsführung. Die Stellung des Testamentsvollstreckers ist schwächer als bei der Vollmachtslösung, da er nicht unmittelbar selbst handeln kann. Rechtlich problematisch sind hier vor allem Grenzen des Weisungsrechts des Testamentsvollstreckers. Bei allen übermäßigen Bindungen, mit denen zwingende gesellschaftsrechtliche Grundsätze außer Kraft gesetzt werden oder ein Zwang für den Erben ausgeübt wird, mit unbeschränkter Haftung das Unternehmen fortzuführen, können möglicherweise sittenwidrig und damit unwirksam sein.28
e) Verpachtungslösung Eine ausgezeichnete und einfache, aber in der Praxis oft ignorierte Lösung besteht schließlich darin, das Handelsunternehmen unverzüglich an einen Dritten oder eine Gesellschaft, die den Erben gehören kann aber nicht muss, zu verpachten29. Dann wird das Handelsunternehmen der Erben im Handelsregister gelöscht; der Testamentsvollstrecker kann das Vermögen des ruhenden Gewerbebetriebes m.E. problemlos und ohne Einschränkungen verwalten, allerdings grds. für eigene Rechnung. Bei Einhaltung der Frist des § 27 HGB können die Haftungsprivilegien des § 27 HGB für den Nachlass und § 25 Abs. 2 HGB für den Pächter ge27 Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 21. 28 Siehe Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, 4. Aufl. 2014, § 27 Rz. 15; mit Bedenken auch Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 12, 17; Grigas, BWNotZ 2002, 25, 28 f.; der BGH ist insoweit offen, vgl. BGH v. 20.1.1969 – II ZR 75/67, BB 1969, 773 (zweifelnd). 29 Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 320.
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nutzt werden30. Sofern die pachtende Gesellschaft sich im Nachlass befunden hat, kann der Testamentsvollstrecker die Gesellschaftsanteile nach den allgemeinen Regeln verwalten.
3. Testamentsvollstreckung an Anteilen persönlich haftender Gesellschafter in Personenhandelsgesellschaften Ein Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft oder Personenhandelsgesellschaft kann vererblich gestellt werden. Ist dies nicht der Fall (Fortsetzungsklausel, gesetzlicher Regelfall bei der OHG und für den Komplementäranteil bei der KG nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB) so befindet sich der Gesellschaftsanteil nicht im Nachlass, so dass sich die Frage nach einer Testamentsvollstreckung an diesem Gesellschaftsanteil nicht stellt. Sie bezieht sich nur auf einen eventuellen Abfindungsanspruch, der Nachlassbestandteil ist. Wird die Gesellschaft durch den Tod des Gesellschafters aufgelöst, was nur noch bei der GbR der gesetzliche Regelfall ist, so greift die Testamentsvollstreckung unbeschränkt ein31. Die Folgen der Verpflichtungsmöglichkeit der Erben durch den Testamentsvollstrecker sind hinzunehmen. Ebenso ist das Recht auf Erwerb des Gesellschaftsanteils bei einer rechtsgeschäftlichen Eintrittsklausel nicht Nachlassbestandteil32 und unterfällt damit nicht der Testamentsvollstreckung. Das Eintrittsrecht selbst wird rechtsgeschäftlich von der bestimmten Person erworben, so dass der Testamentsvollstrecker das Eintrittsrecht nicht selbst ausüben kann33. Dies ist dem Begünstigten selbst überlassen. Bei erbrechtlichen Eintrittsklauseln wird das Bestimmungsrecht hingegen zusätzlich zu dem Vertrag zugunsten Dritter per Vermächtnis zugewandt. Dann spricht einiges dafür, dass die Entscheidung über die Ausübung auch dem Testamentsvollstrecker zugewiesen werden kann. Dies ist aber ungeklärt. Wurde schließlich das Eintrittsrecht ausgeübt, so stellt sich die Frage, ob der Erwerb der Testamentsvollstreckung unterliegt. Einiges 30 Siehe Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, 4. Aufl. 2014, § 27 Rz. 31; zu dieser Norm ist allerdings vieles strittig. 31 BGH v. 24.11.1980 – II ZR 194/79, NJW 1981, 749 ff.; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 513. 32 Siehe BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186 = NJW 1957, 180; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 139 Rz. 25 ff. 33 Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 32.
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spricht m.E. dafür, den Gesellschaftsanteil als mit Mitteln des Nachlasses erworben anzusehen, weil der Gesellschaftsanteil an die Stelle eines potentiellen Abfindungsanspruchs tritt und damit per Surrogation der Testamentsvollstreckung in den nachfolgend bezeichneten Grenzen unterliegen sollte. In der Praxis sollte diese ungeklärte Frage jedoch vermieden werden, da der sicherste Weg für die Gestaltungspraxis stets vorzugswürdig ist. Bei Vorliegen einer Nachfolgeklausel greift zwar eine Sonderrechtsnachfolge ein; der Gesellschaftsanteil ist jedoch Bestandteil des Nachlasses34. Aufgrund der automatisch wirkenden Erbauseinandersetzung bedarf es regelmäßig keiner Abwicklungstestamentsvollstreckung über den Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft35. Anders kann dies sein, wenn der Testamentsvollstrecker den Gesellschaftsanteil vermächtnisweise übertragen soll36. Abwicklungstestamentsvollstreckung am Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters ist hinsichtlich der Außenseite der Beteiligung uneingeschränkt zulässig. Die größte praktische Bedeutung hat die Dauer- und Verwaltungstestamentsvollstreckung, bei der sich auch die größten rechtlichen Probleme stellen. Darauf beziehen sich die folgenden Ausführungen. Grundsätzlich kann Testamentsvollstreckung auch für den Nachlassbestandteil Gesellschaftsanteil angeordnet werden37. Aus den oben jedoch schon zum Einzelunternehmen geschilderten Gründen der Diskrepanz des handelsrechtlichen Gebotes der unbeschränkten Haftung und der erbrechtlichen Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass wird auch hier eine Dauertestamentsvollstreckung über den 34 BGH v. 14.2.2012 – II ZB 15/11, DStR 2012, 866; ebenso BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152; BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431; anders noch BGH v. 24.11.1980 – II ZR 194/79, NJW 1981, 749, 750. Nach der alten Auffassung von 1980 konnten sich die hier zu diskutierenden Probleme gar nicht stellen, da der Gesellschaftsanteil gar nicht dem Nachlass unterlag und damit auch von entsprechenden Erbrechtlichen Bindungen und Beschränkungen nicht erfasst werden konnte. 35 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 158; Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 28. 36 Ebenso K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 Rz. 25. 37 BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, NJW 1996, 1284 = DStR 1996, 929 = ZIP 1996, 327 = MDR 1996, 385 = GmbHR 1996, 362 = DB 1996, 468 = BB 1996, 1128; ebenso und weitergehend K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 139 Rz. 47 mit Hinweis auf den Schutz des § 139 HGB.
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Gesellschaftsanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft als teilweise unzulässig abgelehnt38. Der BGH unterscheidet insoweit zwischen der Innenseite der Gesellschaftsbeteiligung und deren Außenseite.39 Vertretungs- und Geschäftsführungsrechte als Teil der sog. Innenseite kann der Testamentsvollstrecker in der OHG daher nicht wahrnehmen. Gleiches soll für Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung gelten40. Die Wirkung der Testamentsvollstreckung über die sog. Außenseite wird teilweise auch überwachende Testamentsvollstreckung genannt. Hinsichtlich der Außenseite, also laufender Gewinnansprüche, den Anspruch auf Liquidationsbeteiligung sowie übertragbarer Vermögensrechte, die aus dem Gesellschaftsanteil fließen, gilt die Dauertestamentsvollstreckung41. Damit greift auch das Vollstreckungsverbot des § 2214 BGB ein und der mit Testamentsvollstreckung beschwerte Erbe kann nicht über seinen Gesellschaftsanteil verfügen42. Bestimmte Beschlüsse, die diese Vermögens-Interessensphäre betreffen, z.B. der Gewinnverwendungsbeschluss, sind daher nach wohl h.M. nur mit Zustimmung des Testamentsvollstreckers möglich43. Die Abgrenzung ist im Einzelfall schwierig und führt zu einer eigentlich im Personengesellschaftsrecht kaum hinzunehmenden Fremdbeeinflussung der OHG durch Nichtgesellschafter. Verstirbt beispielsweise der Mehrheitsgesellschafter einer OHG, so sind die Minderheitsgesellschafter fortan in ihrer Gewinnverwendungs- und Entnahmepolitik von der Mitwirkung des Testamentsvollstreckers abhängig,
38 Siehe Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 493; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 158; Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 33. 39 BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, NJW 1996, 1284 = DStR 1996, 929 = ZIP 1996, 327 = MDR 1996, 385 = GmbHR 1996, 362 = DB 1996, 468 = BB 1996, 1128. BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431. 40 Heckschen/Strnad, NZG 2014, 1201, 1204. 41 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431; ebenso OLG Düsseldorf v. 24.9.2007 – I-9 U 26/07, ZErb 2008, 43; zu Unrecht kritisch zu diesem Urteil Behme, ZErb 2008, 40 f. 42 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431, 2432; siehe Heckschen/ Strnad, NZG 2014, 1201, 1203. 43 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 162 ff., 166; D. Mayer, ZIP 1990, 979 ff.
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obwohl sie ggfs. die Testamentsvollstreckung in dem Gesellschaftsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen haben. Diese Auswirkungen der Testamentsvollstreckung an der Außenseite kann jedoch nicht durch Gestaltungen im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen werden. Erteilen hingegen die Mitgesellschafter im Gesellschaftsvertrag oder im Einzelfall die Zustimmung zu der Dauertestamentsvollstreckung, dann werden die Mitwirkungsbefugnisse des Testamentsvollstreckers teilweise auf die Innenseite erweitert44, nämlich hinsichtlich der Wahrnehmung der Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung, Informationsrechte etc., mit Ausnahme haftungsbegründender Maßnahmen. Bei einer Gesellschaft, in der freie Verfügungen über die Gesellschaftsanteile zugelassen sind, kann der Testamentsvollstrecker auch über die Gesellschaftsbeteiligung verfügen, sonst zumindest mit Zustimmung der Mitgesellschafter45. Die Ausübung der persönlichen Mitgliedschaftsrechte, also die Innenseite der Gesellschaftsbeteiligung, wie das Recht auf Vertretung und Geschäftsführung, das Informationsrecht sowie die Ausübung des Stimmrechtes unterliegen hingegen ohne Zustimmung aller Mitgesellschafter nicht der Testamentsvollstreckung.46 Bzgl. des Informationsrechts und der Ausübung des Stimmrechtes kann dies durch den Gesellschaftsvertrag zugelassen werden oder nachträglich im Einzelfall die Zustimmung aller Mitgesellschafter erteilt werden47. Zur Vermeidung der oben bezeichneten Haftungsprobleme kann wiederum die oben bezeichnete Treuhandlösung oder Vollmachtlösung gewählt werden. Die Treuhandlösung bedarf regelmäßig der Zustimmung aller Mitgesellschafter. Bei Wahl der sog. Vollmachtslösung als Ersatz 44 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 159; a.A. bzgl. der Erstreckung auf die Innenseite bei Zustimmung BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, NJW 1996, 1284 = DStR 1996, 929 = ZIP 1996, 327 = MDR 1996, 385 = GmbHR 1996, 362 = DB 1996, 468 = BB 1996, 1128. Gegen das Erfordernis der Zustimmung aller Mitgesellschafter K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 139 Rz. 48. 45 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431, 2432; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 520. 46 OLG Düsseldorf v. 24.9.2007 – I-9 U 26/07, ZErb 2008, 43; Pauli in Bengel/ Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 158. 47 A.A. wohl Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 526 und BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, NJW 1996, 1284 = DStR 1996, 929 = ZIP 1996, 327 = MDR 1996, 385 = GmbHR 1996, 362 = DB 1996, 468 = BB 1996, 1128.
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für die Testamentsvollstreckung ist zu beachten, dass die Ausübung von Stimmrechten in der Gesellschafterversammlung in dem Gesellschaftsvertrag häufig beschränkt ist, so dass nicht beliebigen Personen Stimmrechtsvollmacht erteilt werden darf. Auch insoweit sind Gesellschaftsvertrag und Testament auf einander abzustimmen. Für den Fall des Todes des letzten verbleibenden Komplementärs ist unverzüglich eine GmbH als Komplementär in die GmbH aufzunehmen, wenn der Erbe die Möglichkeit erhalten soll, die Stellung eines Kommanditisten einzunehmen. Anderenfalls wird die Gesellschaft aufgelöst; bei trotzdem durchgeführter Fortführung des Unternehmens verwandelt sie sich in eine OHG, da eine Kommanditgesellschaft ohne persönlich haftenden Gesellschafter nicht möglich und zulässig ist. Soweit für den Todesfall bestimmte Umstrukturierungen bei der Personengesellschaft stattfinden sollen, kann der testierende Gesellschafter den Erben keine weitergehenden Verpflichtungen auferlegen als die Mitgesellschafter dem zustimmen. So kann beispielsweise die Aufnahme einer GmbH als Komplementärin grds. nur mit Zustimmung aller Mitgesellschafter erfolgen. Gleiches gilt für sonstige Umwandlungsanordnungen. Insoweit sollten die Regelungen des Gesellschaftsvertrages auf entsprechende Testamente angepasst sein. Im Gesellschaftsvertrag sollte also eine Verpflichtung vorgesehen werden, den entsprechenden Maßnahmen zuzustimmen und alle hierfür erforderlichen Erklärungen abzugeben. Das Wahlrecht nach § 139 HGB steht auch bei angeordneter Dauertestamentsvollstreckung nur dem Erben zu, da es um seine Möglichkeit der Haftungsbeschränkung geht48. Das allgemeine oder sonstige außerordentliche Kündigungsrecht steht hingegen in den Grenzen der ordentlichen Verwaltung des § 2016 BGB m.E. dem Testamentsvollstrecker zu49. Eine Kündigung durch den oder die Erben ginge m.E. ins Leere.
48 So auch Dörrie, ZEV 1996, 375 ff.; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 165. 49 A.A. Dörrie, ZEV 1996, 375 ff.; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 165, die den Erben insoweit als kündigungsbefugt ansehen. Auch bei Widerspruch der Mitgesellschafter weist Zimmermann das Kündigungsrecht dem Testamentsvollstrecker zu, Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 519.
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Die sich aus dem Gesellschaftsrecht ergebenden Beschränkungen der Befugnisse eines Testamentsvollstreckers sind nicht im Testamentsvollstreckerzeugnis anzugeben50. Ungeklärt ist derzeit, inwiefern der Testamentsvollstrecker befugt ist, in den Kernbereich der Mitgliedschaft einer Personengesellschaft als Testamentsvollstrecker einzugreifen51 (s.u.).
4. Testamentsvollstreckung am Gesellschaftsanteil eines Kommanditisten Der Gesellschaftsanteil eines Kommanditisten ist grundsätzlich vererblich, soweit der Gesellschaftsvertrag nicht Abweichendes anordnet, § 177 HGB52. Für einen Kommanditanteil kann Dauertestamentsvollstreckung mit der Wirkung angeordnet werden, dass der Testamentsvollstrecker mit Zustimmung aller Mitgesellschafter alle mit der Beteiligung verbundenen Mitgliedschaftsrechte ausüben kann.53 Die Kommanditgesellschaft ist als Personengesellschaft typischerweise personalistisch ausgestaltet und hat daher zahlreiche Regelungen, die vor Fremdeinfluss schützen. Dies kann zum Konflikt mit einer Testamentsvollstreckung führen, wenn dieser die Gesellschaftsrechte der Erben umfassend wahrnehmen soll. Das sog. Abspaltungsverbot steht der Anordnung von Testamentsvollstreckung nach überzeugender Ansicht nicht entgegen54, so dass die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil grds. anerkannt wird55. Die durch die Testamentsvollstreckung eintretende Fremdeinflussnahme in die personalistische Gesellschaft setzt jedoch voraus, dass alle Mitgesellschafter der Anord50 BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, NJW 1996, 1284 = DStR 1996, 929 = ZIP 1996, 327 = MDR 1996, 385 = GmbHR 1996, 362 = DB 1996, 468 = BB 1996, 1128. 51 Siehe neuerdings ablehnend Priester, Kernbereich der Mitgliedschaft als Schranke der Testamentsvollstreckung, in FS Streck, 2011, S. 891 ff. 52 Siehe ausführlich K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 Rz. 5 ff. 53 BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945 (für eine Ein-PersonenGmbH & Co. KG); BGH v. 14.2.2012 – II ZB 15/11, DStR 2012, 866; BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152 = DNotZ 1990, 190 = BGHZ 108, 187; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 Rz. 24 ff. 54 BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152 = DNotZ 1990, 190 = BGHZ 108, 187. 55 Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 529.
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nung der Testamentsvollstreckung zugestimmt haben56. Dies kann und sollte gegebenenfalls bereits im Gesellschaftsvertrag erfolgen57, kann jedoch auch im jeweiligen Einzelfall nachträglich erklärt werden. Soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Bestimmungen enthält, ist die Zustimmung sämtlicher Mitgesellschafter erforderlich; insoweit gilt also grds. kein Mehrheitsprinzip, es sei denn dieses wäre auch insoweit im Gesellschaftsvertrag verankert. Wird die Zustimmung nicht erteilt, so ist die erbrechtliche Anordnung nicht wirkungslos, sondern dann erstreckt die Testamentsvollstreckung sich nur noch auf den sog. Außenbereich – ähnlich der Testamentsvollstreckung beim Komplementäranteil58. Der Zulässigkeit einer Dauertestamentsvollstreckung steht nicht entgegen, dass der Kommanditanteil im Todeszeitpunkt nicht voll eingezahlt ist und daher eine Haftung nach §§ 171 f. HGB besteht59. Eine spätere Haftsummenerhöhung durch den Testamentsvollstrecker bedarf hingegen der Zustimmung des Gesellschafters60, es sei denn deren Aufbringung aus Mitteln des Nachlasses ist nachweisbar bereits in dem Zeitpunkt der Beschlussfassung sicher gestellt. Umgekehrt besteht in manchen Fällen das Ziel einer differenzierten Abschirmung gegen Fremdeinfluss. Dann können Beschränkungen hinsichtlich der zulässigen Person eines Testamentsvollstreckers vorgegeben werden, um unerwünschten Fremdeinfluss zu vermeiden bzw. personell zu steuern. Bei Publikumskommanditgesellschaften wird die Zustimmung der Mitgesellschafter üblicherweise unterstellt, da die Gesellschaft auf einen ständig wechselnden Personenkreis ausgerichtet ist. Die Ausübung der Gesellschafterbefugnisse einschließlich des Stimmrechts und der gerichtlichen Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen obliegt nach Ansicht des BGH bei Anord56 BGH vom 14.2.2012 – II ZB 15/11, DStR 2012, 866; BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152 = DNotZ 1990, 190 = BGHZ 108, 187; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 Rz. 27 (der die allseitige Zustimmung allerdings für entbehrlich erachtet); Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 529. 57 BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152 = DNotZ 1990, 190 = BGHZ 108, 187. 58 Grigas, BWNotZ 2002, 25, 33; Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 47. 59 So zu Recht K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 Rz. 27. 60 Überzeugend K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 Rz. 31.
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nung der unbeschränkten Testamentsvollstreckung hinsichtlich einer zum Nachlass gehörenden Beteiligung an einer KG dann grds. dem Testamentsvollstrecker (§§ 2205, 2211, 2212 BGB)61. Die Erben sind insoweit von der Wahrnehmung von Gesellschaftsrechten ausgeschlossen. Der Testamentsvollstrecker ist bei der Ausübung der Stimmrechte nicht an die Vorstellungen oder den Willen der Erben gebunden, sondern verwaltet die Beteiligung nach eigener Entscheidungsgewalt und eigener Verantwortung. Der Testamentsvollstrecker, der selbst kein Gesellschafter ist, unterliegt ähnlich wie der Vertreter eines Gesellschafters bei der Ausübung des Stimmrechts aus der seiner Verwaltung unterliegenden Beteiligung an einer Gesellschaft grundsätzlich den gesellschaftsrechtlichen Stimmverboten wie dem Verbot, Richter in eigener Sache zu sein (vgl. § 47 Abs. 4 GmbHG)62. Diese Norm findet auch auf die KG entsprechende Anwendung63. Der Umstand, dass der Testamentsvollstrecker bei einer Beschlussfassung über einen bestimmten Beschlussgegenstand wegen eines Stimmverbots ausgeschlossen ist und das Stimmrecht insoweit den Erben zusteht, hat nicht zur Folge, dass auch die Ausübungsbefugnis hinsichtlich des mit der Beteiligung verbundenen Rechts, von dem zuständigen Gesellschaftsorgan die Einberufung einer Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung über diesen Gegenstand zu verlangen bzw. diese selbst einberufen zu dürfen, vom Testamentsvollstrecker auf die Erben übergeht; die (aus der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung folgende) Einberufungsbefugnis verbleibt vielmehr beim Testamentsvollstrecker, während die Erben eine Einberufung der Gesellschafterversammlung nur über die ihnen aus ihrem erbrechtlichen Rechtsverhältnis zu dem Testamentsvollstrecker diesem gegenüber zustehenden Rechte, insbesondere aus dem Anspruch auf eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses (§ 2216 BGB), erreichen können64. Beschlüsse, die unter Missachtung der vorstehenden Grundsätze gefasst werden, sind nichtig, weil die Gesellschafterversammlung nicht ordnungsgemäß eingeladen wurde. Anders wäre dies nur, wenn mit Zustimmung aller Beteiligten eine Vollversammlung abgehalten würde. Die Rechte der Erben werden hierdurch nach überzeugender Ansicht des BGH auch nicht unzulässig beeinträchtigt. Denn sie sind ausrei61 62 63 64
BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945. BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945. BGH v. 7.2.2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917, Rz. 16. BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945.
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chend dadurch geschützt, dass sie von dem Testamentsvollstrecker die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses, zu welcher der Testamentsvollstrecker gemäß § 2216 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, verlangen und dies, wenn nötig, auch gerichtlich im Klage- oder einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzen können. Gegebenenfalls kommt auch die Abberufung des Testamentsvollstreckers aus wichtigem Grund durch das Nachlassgericht in Betracht (§ 2227 BGB)65. Beschränkungen ergeben sich nach Ansicht des BGH für den Testamentsvollstrecker vor allem in der Weise, dass der Testamentsvollstrecker keine unentgeltlichen Verfügungen vornehmen kann, § 2205 Satz 3 BGB, und die Erben nicht persönlich mit ihrem Gesamtvermögen verpflichten kann66, wie bei Haftsummenerhöhung und § 172 Abs. 4 HGB. Gleichwohl kann Testamentsvollstreckung auch wirksam angeordnet werden, wenn der Kommanditanteil im Todeszeitpunkt nicht voll eingezahlt ist67. Denn die Haftung des Erben beruht insoweit nicht auf dem Handeln des Testamentsvollstreckers, sondern auf dem Erbfall selbst. Problematisch ist insoweit vor allem die Erhöhung der Haftsumme durch den Testamentsvollstrecker oder die Rückzahlung der Haftsumme durch den Testamentsvollstrecker nach § 172 Abs. 4 HGB68. Beides darf der Testamentsvollstrecker nur mit Zustimmung des Kommanditisten vornehmen. Das Handelsregister hätte eine Handelsregistereintragung ohne Zustimmung des Kommanditisten wegen Unwirksamkeit des Beschlusses zurückzuweisen69. Ob dies auch gilt, wenn die Haftsumme sogleich aus dem Nachlass aufgebracht wird, ist offen, sollte m.E. aber wie bei der GmbH entschieden werden (Beschluss dann wirksam ohne Zustimmung des Kommanditisten). Inwieweit bei gleichwohl erfolgender Handelsregistereintragung dennoch der Kommanditist unbeschränkt haften würde oder die Maßnahme schlicht unwirksam wäre, ist ungeklärt. Der Testamentsvollstrecker haftet im Verstoßfall nach §§ 2216, 2219 BGB.
65 Siehe Diefenbach/Winkel, ZErb 2014, 297 ff. 66 BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 Rz. 31. 67 BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152 = DNotZ 1990, 190 = BGHZ 108, 187. 68 BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152 = DNotZ 1990, 190 = BGHZ 108, 187. 69 BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152 = DNotZ 1990, 190 = BGHZ 108, 187.
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Die Eigengläubiger des Gesellschafter-Erben können nach § 2214 BGB nicht auf das Nachlassvermögen in der Form des Kommanditanteils Zugriff nehmen70, weil der Kommanditanteil der Testamentsvollstreckung unterliegt. Zur Anmeldung des Kommanditistenwechsels zum Handelsregister ist der Testamentsvollstrecker befugt und verpflichtet.71 Dies gilt unabhängig davon, ob die Mitgesellschafter der Testamentsvollstreckung zugestimmt haben oder nicht. Für die Zeit zwischen Todeszeitpunkt und Eintragung des/der Erben als Kommanditisten soll § 176 Abs. 2 HGB nach zutreffender Ansicht nicht gelten72.
5. Testamentsvollstreckung an einer GbR Hinsichtlich der Beteiligung an einer GbR geht die h.M.73 überzeugend davon aus, dass diese ebenso behandelt wird wie die Beteiligung an einer OHG. Daher besteht zwar hinsichtlich der Außenseite die Möglichkeit Testamentsvollstreckung anzuordnen. Die erbrechtlich eingeschränkte Verpflichtungsbefugnis des Testamentsvollstreckers sorgt jedoch dafür, dass er keinerlei nach außen wirkende Verpflichtungshandlungen für die Erben vornehmen kann und auch sonst Gesellschafterrechte außer den abtretbaren Vermögensrechten, die aus dem Gesellschaftsanteil fließen, nur mit Zustimmung der Mitgesellschafter wahrnehmen kann. Der Testamentsvollstrecker ist damit jedoch befugt, den Gesellschaftsanteil ohne Zustimmung des bzw. der Erben abzutreten und zu veräußern74. An dem vererbten Anteil einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist demnach Testamentsvollstreckung nicht schlechthin ausgeschlossen75, die Befugnisse sind allerdings eingeschränkt. Der Vollstreckungsschutz des § 2214 BGB erfasst auch den Anteil an der GbR. 70 BGH v. 14.2.2012 – II ZB 15/11, DStR 2012, 866; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 529. 71 Vgl. BGH v. 14.2.2012 – II ZB 15/11, DStR 2012, 866; BGH v. 30.7.1998 – II ZB 1/89, DNotZ 1990, 183 m. Anm. Reimann; BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152 = DNotZ 1990, 190 = BGHZ 108, 187; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 529. 72 BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152 = DNotZ 1990, 190 = BGHZ 108, 187. 73 Vgl. vor allem Weidlich, ZEV 1998, 339 ff. 74 KG v. 9.12.2008 – 1 W 417/07, ZEV 2009, 313 = ZErb 2009, 158. 75 BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, NJW 1996, 1284 = DStR 1996, 929 = ZIP 1996, 327 = MDR 1996, 385 = GmbHR 1996, 362 = DB 1996, 468 = BB 1996, 1128.
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6. Testamentsvollstreckungsanordnung bei GmbH-Beteiligungen Der GmbH-Geschäftsanteil ist stets vererblich und kann damit grds. von den Regelungen einer Testamentsvollstreckung erfasst werden. Eine Sondererbfolge wie beim Anteil an einer werbenden Personengesellschaft tritt nicht ein76. Die Anordnung von Dauertestamentsvollstreckung über GmbH-Geschäftsanteile ist grundsätzlich zulässig77. Soweit durch die Satzung der Gesellschaft keine weiteren Restriktionen vorgesehen sind, ist der Testamentsvollstrecker befugt, sämtliche Rechte der Erben hinsichtlich der Geschäftsanteile wahrzunehmen, einschließlich des Anwesenheitsrechts bei der Gesellschafterversammlung, des Stimmrechts und des Informationsrechts nach §§ 51a f. GmbHG78. Der Testamentsvollstrecker ist auch befugt, die Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen geltend zu machen79 oder den Anteil zu kündigen80. In der Rechtslehre wird immer wieder problematisiert81, ob der Testamentsvollstrecker auch befugt ist, höchstpersönliche Gesellschafterrechte wie z.B. ein Geschäftsführerentsendungsrecht, einen Gewinnvorab oder dergleichen wahrzunehmen. Dies ist regelmäßig jedoch ein Scheinproblem. Denn wenn es sich um ein höchstpersönliches Gesellschafterrecht handelt, endet dieses Recht mit dem Tode des Erblassers und geht erst gar nicht auf den Erben über; ist es hingegen vererblich, so wird man es nicht als höchstpersönlich betrachten können, sondern unterliegt der Verwaltung des Testamentsvollstreckers. Will der Erblasser 76 Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 49. 77 BGH v. 12.6.1989, II ZR 246/88, BGHZ 108, 21 = NJW 1989, 2694; OLG Frankfurt v. 16.9.2008 – 5 U 187/07, ZEV 2008, 606; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 240. Vgl. hierzu auch Reimann, GmbHR 2011, 1297 ff.; Mohr, GmbH-StB 2004, 374, GmbH-StB 2005, 23 ff.; Hübner/Hammes, BB 2013, 2307 ff.; Heckschen/ Strnad, NZG 2014, 1201, 1204; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 531. 78 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 240; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 531. 79 BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945. 80 Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 531. 81 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 241.
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das Ziel eines vererblichen, aber nicht der Testamentsvollstreckung unterliegenden Sonderrechts schaffen, so lässt sich dies gestalten, indem die Befugnisse des Testamentsvollstreckers in der Weise eingeschränkt werden, dass dieses Sonderrecht aus seiner Verwaltungsbefugnis ausgeklammert wird, § 2208 BGB. Die Erben sind insoweit hingegen von der Wahrnehmung von Gesellschaftsrechten ausgeschlossen. Der Testamentsvollstrecker ist bei der Ausübung der Stimmrechte nicht an die Vorstellungen oder den Willen der Erben gebunden. Der Testamentsvollstrecker, der selbst kein Gesellschafter ist, unterliegt ähnlich wie der Vertreter eines Gesellschafters bei der Ausübung des Stimmrechts aus der seiner Verwaltung unterliegenden Beteiligung an einer Gesellschaft grundsätzlich den gesellschaftsrechtlichen Stimmverboten wie dem Verbot, Richter in eigener Sache zu sein (vgl. § 47 Abs. 4 GmbHG)82. Der Umstand, dass der Testamentsvollstrecker bei einer Beschlussfassung über einen bestimmten Beschlussgegenstand wegen eines Stimmverbots ausgeschlossen wäre und das Stimmrecht insoweit den Erben zusteht, hat nach überzeugender Ansicht des BGH nicht zur Folge, dass auch die Ausübungsbefugnis hinsichtlich des mit der Beteiligung verbundenen Rechts, von dem zuständigen Gesellschaftsorgan die Einberufung einer Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung über diesen Gegenstand zu verlangen bzw. diese selbst einberufen zu dürfen, vom Testamentsvollstrecker auf die Erben übergeht83; die (aus der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung folgende) Einberufungsbefugnis verbleibt vielmehr beim Testamentsvollstrecker, während die Erben eine Einberufung der Gesellschafterversammlung nur über die ihnen aus ihrem erbrechtlichen Rechtsverhältnis zu dem Testamentsvollstrecker diesem gegenüber zustehenden Rechte, insbesondere aus dem Anspruch auf eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses (§ 2216 BGB), erreichen können84. Beschlüsse, die unter Missachtung der vorstehenden Grundsätze gefasst werden, weil die Erben selbst von dem Einberufungsrecht nach § 50 Abs. 3 GmbHG Gebrauch machen, sind nichtig, weil die Gesellschafterversammlung nicht ordnungsgemäß einberufen wurde85. Anders wäre dies nur, wenn mit Zustimmung aller Beteiligten eine 82 BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945; Heckschen/Strnad, NZG 2014, 1201, 1202, 1204 f. 83 BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945. 84 BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945. 85 BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945.
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Vollversammlung abgehalten würde. Die Rechte der Erben werden hierdurch nach BGH auch nicht unzulässig beeinträchtigt. Sie seien ausreichend dadurch geschützt, dass sie von dem Testamentsvollstrecker die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses, zu welcher der Testamentsvollstrecker gemäß § 2216 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, verlangen und dies, wenn nötig, auch gerichtlich im Klage- oder einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzen können. Gegebenenfalls kommt auch die Abberufung des Testamentsvollstreckers aus wichtigem Grund durch das Nachlassgericht in Betracht (§ 2227 BGB). Die bei Personengesellschaften und Personenhandelsgesellschaften zu treffende Unterscheidung zwischen dem vermögensrechtlichen Außenverhältnis und dem Innenverhältnis zur Gesellschaft und den Mitgesellschaftern hat im Regelfall bei der GmbH keine Bedeutung. Die Satzung kann die Anordnung von Dauertestamentsvollstreckung jedoch beschränken86. Eine solche Beschränkung kann je nach Auslegung der Satzungsbestimmungen auch in der Beschränkung von Vertretern in der Gesellschafterversammlung zu sehen sein87. Wird beispielsweise in der Satzung die Anordnung von Testamentsvollstreckung als unzulässig angeordnet, so bleibt die Testamentsvollstreckung als solche dennoch zulässig und wirksam. Die Testamentsvollstreckung erstreckt sich in diesem Fall – entsprechend den Regelungen für Personengesellschaften und Personenhandelsgesellschaften – nur auf den vermögensrechtlichen Außenbereich, also Gewinnansprüche und den Geschäftsanteil als solchen88. Der Vollstreckungsschutz des § 2214 BGB bleibt auch insoweit in Kraft. Die Ausübung des Stimmrechtes sowie der sonstigen Verwaltungsrechte ist in diesen Fällen von den Erben auszuüben. Soweit die Erben jedoch Beschlüsse fassen, die den vermögensrechtlichen Außenbereich des Geschäftsanteils betreffen, so benötigen sie nach h.M. die Zustimmung des Testamentsvollstreckers. Im Verstoßfall sind die Beschlüsse gesellschaftsrechtlich m.E. gleichwohl wirksam; dieses Zustimmungsgebot betrifft m.E. nur das Innenverhältnis zwischen Gesellschafter (also Erben) und dem Testamentsvollstrecker.
86 BGH v. 10.6.1959 – V ZR 25/58, NJW 1959, 1820; OLG Frankfurt v. 16.9.2008 – 5 U 187/07, ZEV 2008, 606; Priester in FS Stimpel, 1985, S. 463, 471; J. Mayer, ZEV 2002, 209, 213; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 531. 87 OLG Frankfurt v. 16.9.2008 – 5 U 187/07, ZEV 2008, 606. 88 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 248.
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Die Beschränkung der Befugnisse des Testamentsvollstreckers lässt sich wiederum mit der so genannten Vollmachtslösung vermeiden. Die Vollmachtslösung geht jedoch ins Leere, wenn auch die Erteilung von Vollmachten zur Stimmrechtsausübung und Wahrnehmung von Mitwirkungsbefugnissen beispielsweise in der Gesellschafterversammlung von Beschränkungen der Satzung erfasst ist. Die Wahrnehmung des Informationsrechts nach § 51 a GmbHG soll im Übrigen stets zum Kernbereich der Mitgliedschaft jeden einzelnen Gesellschafters gehören, so dass der Gesellschafter-Erbe dieses nach einer teilweise vertretenen Ansicht stets auch persönlich ausüben können muss oder der Testamentsvollstrecker nur mit Zustimmung der Erben.89 Dies vermag so jedoch nicht zu überzeugen. Der Erbe hat gesetzliche Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche gegen den Testamentsvollstrecker, die ihn hier hinreichend schützen. Vinkulierungsklauseln bei GmbH-Geschäftsanteilen stehen der Anordnung von Testamentsvollstreckung nicht entgegen.90 Vinkulierungsklauseln machen die sog. Treuhandlösung bei GmbH-Geschäftsanteilen jedoch von der Zustimmung der Mitgesellschafter abhängig. Die Mitwirkungsbefugnisse des Testamentsvollstreckers gelten nicht grenzenlos. So bedarf der Testamentsvollstrecker bei Satzungsänderungen dann der Zustimmung der Erben, wenn gesellschaftsrechtlich deren Zustimmung nach § 53 Abs. 3 GmbHG erforderlich wäre, also wenn ihnen beispielsweise Sonderrechte genommen werden oder deren Leistungspflichten erhöht werden sollen91. Der Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft der Erben soll mithin dem Testamentsvollstrecker nicht möglich sein92. Gleichwohl ist der Testamentsvollstrecker beispielsweise zur Verfügung über Geschäftsanteile, also zur Veräußerung befugt, sofern dies nicht unentgeltlich erfolgt93, § 2205 Satz 3 BGB. Die 89 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 249; Grigas, BWNotZ 2002, 25, 35. 90 Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl. 2011, § 19 Rz. 50; Priester in FS Stimpel, 1985, S. 463, 470; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 240. 91 Siehe zu § 53 Abs. 3 GmbHG und dem großen analogen Anwendungsbereich Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 53 Rz. 19 ff.; siehe auch Dörrie, ZEV 1996, 370, 373. 92 Siehe Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 404; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 249. 93 BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945.
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genaue Grenzziehung zwischen dem Anwendungsbereich der Kernbereichslehre und dem Verbot unentgeltlicher Verfügungen ist offen und unklar (s. näher unten). Der Erblasser kann per Verwaltungsanweisung i.S.d. § 2216 Abs. 2 Satz 1 BGB, als Auflage i.S.d. § 2192 BGB oder per Vermächtnis i.S.d. §§ 2147 ff. BGB im Testament dem Testamentsvollstrecker bestimmte Vorgaben hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechtes machen. Dies kann beispielsweise für das Gewinnverwendungs- und Thesaurierungsverhalten sinnvoll sein. Gleiches kann für die Bestellung von Erben zu Geschäftsführern gelten oder für die Bestellung des Testamentsvollstreckers selbst zum Geschäftsführer. Insoweit ist stets darauf zu achten, dass entsprechende Regelungen im Testament und im Gesellschaftsvertrag aufeinander abgestimmt sind. Durch die Anordnung eines Vermächtnisses zugunsten des Testamentsvollstreckers oder Dritter können dem Testamentsvollstrecker auch Verfügungen gestattet werden, die sonst als unentgeltliche Verfügungen nach § 2205 Satz 3 BGB untersagt wären; denn das Gebot der Erfüllung von Auflagen und Vermächtnissen gilt vorrangig vor dem Verbot des § 2205 Satz 3 BGB94. Problematisch ist die Neugründung einer GmbH oder eine Kapitalerhöhung durch einen Testamentsvollstrecker95. Der Testamentsvollstrecker ist als solcher nur befugt, den Nachlass zu verpflichten, nicht aber die Erben mit ihrem Privatvermögen (s. bereits oben). Gleichzeitig erfordert das Kapitalaufbringungsgebot des Gesellschaftsrechtes der GmbH die uneingeschränkte Haftung der jeweiligen Gesellschafter mit ihrem gesamten Vermögen für die Kapitalaufbringung. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn sichergestellt ist, dass der Testamentsvollstrecker das Stammkapital aus dem Nachlass erbringt und erbringen kann
94 Zimmermann in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 2205 Rz. 77; OLG München v. 18.2.2010 – 34 Wx 9/10, RNotZ 2010, 397; OLG Karlsruhe v. 26.4.2005 – 14 Wx 11/04, NJW-RR 2005, 1097 = ZErb 2005, 290; Keim, ZEV 2007, 470, 473. 95 Siehe dazu BayObLG v. 29.3.1976 – 1 Z 9/76, NJW 1976, 1693; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 405 ff.; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 244; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 532a.
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und damit keine unbeschränkte persönliche Haftung der Erben droht96. Dies gilt auch für den Erwerb eines Geschäftsanteils, sofern eine Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG nicht ausgeschlossen ist97. Mit Zustimmung aller Erben sind entsprechende Maßnahmen dem Testamentsvollstrecker stets gestattet98, weil die Zustimmung zur uneingeschränkten Haftung der Erben führt. Die Zustimmung nur einzelner oder der Mehrheit der Erben genügt insoweit nicht. Die Haftungsproblematik einer Kapitalerhöhung lässt sich vermeiden, indem die Geldmittel zunächst in die Kapitalrücklage der GmbH eingezahlt werden und anschließend eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durch Umwandlung von Rücklagen erfolgt99. Gesellschaftsrechtlich ist dieser Vorgang der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln regelmäßig unerwünscht, da er wesentlich aufwändiger ist. Um in diesen Grenzbereichen Schwierigkeiten zu vermeiden ist es sinnvoll, die Anordnung von Testamentsvollstreckung über einen GmbHGeschäftsanteil mit der so genannten Vollmachtslösung von Personengesellschaften zu kombinieren. Aus diesem Grunde sollte den Erben zur Auflage gemacht werden, gegebenenfalls mit weiteren Sanktionen verknüpft, dem Testamentsvollstrecker eine uneingeschränkte Vollmacht zu erteilen, sie auch persönlich hinsichtlich des Geschäftsanteiles zu verpflichten und alle Stimmrechte auszuüben, auch soweit dies grundsätzlich der Zustimmung der Erben bedürfte. Nur dann ist der Testamentsvollstrecker auch in Grenzbereichen zur uneingeschränkten Stimmrechtsausübung befugt. Der Preis für diese Gestaltung besteht in der erweiterten Haftung der Erben für die Handlungen des Testamentsvollstreckers. Hinsichtlich der Kündigung der Beteiligung an der GmbH gelten die Ausführungen zu den Personengesellschaften entsprechend. Daher ist er dazu im Regelfall nur befugt gegen eine angemessene, also vollwertige
96 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 244. 97 Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 402; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 244 a.E. 98 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 245. 99 Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 402; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 245.
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Abfindung100. Anders wäre dies nur, wenn die Kündigung dem Testamentsvollstrecker vom Erblasser als Auflage gemacht worden wäre. Die Erben sind nicht zur Kündigung der Beteiligung befugt, da diese Entscheidung allein dem Testamentsvollstrecker als Teil seiner Verwaltungsbefugnis obliegt.
7. Testamentsvollstreckung an einer AG Testamentsvollstreckung an den Aktien einer AG ist uneingeschränkt zulässig101. Der Testamentsvollstrecker kann sämtliche Rechte, einschließlich der Stimmrechte in der Hauptversammlung der AG wahrnehmen. Der Testamentsvollstrecker kann Aktien grds. auch für die Erben verkaufen, sofern er eine unbeschränkte Verfügungsbefugnis hat, stets jedoch nur voll entgeltlich, § 2205 Satz 3 BGB. Problematisch ist wiederum die Gründung einer AG oder die Durchführung einer Kapitalerhöhung durch den Testamentsvollstrecker, da er den/die Erben nicht persönlich mit seinem/ihrem gesamten Vermögen verpflichten kann. Die wohl h.M. lehnt die Gründung einer AG durch einen Testamentsvollstrecker ab102; m.E. können jedoch insoweit keine anderen Grundsätze gelten als bei einer GmbH. Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist dies – ebenso wie bei der GmbH – möglich und bedarf nicht der Zustimmung der Erben. Dies ist auch kein Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft. Die Kapitalerhöhung durch Bareinlagen stößt hingegen auf das gleiche Problem wie bei der GmbH. Der Beschluss über die Kapitalerhöhung selbst begründet noch keine Einzahlungspflichten der Erben und kann daher auch ohne Zustimmung der Erben gefasst werden103. Erst die Ausübung des Bezugsrechts begründet entsprechende Pflichten und bedarf daher der Zustimmung aller Erben. Das Zustimmungserfordernis entfällt m.E. in den Fällen, in denen die Aufbringung des Grundkapitals aus Nachlassmitteln sichergestellt ist104. 100 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 243. 101 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 263; M. Frank, ZEV 2002, 389 ff. m.w.N. 102 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 263. 103 M. Frank, ZEV 2002, 389, 392 f. m.w.N. 104 Zimmermann in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 2205 Rz. 52; M. Frank, ZEV 2002, 389, 393.
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Kann der Testamentsvollstrecker das Bezugsrecht nicht ausüben, muss der Testamentsvollstrecker aber in der Lage sein, das konkrete Bezugsrecht gegen vollwertiges Entgelt für Rechnung des Nachlasses zu veräußern.
8. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Beteiligung bei Testamentsvollstreckung Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Beteiligung an einer Personengesellschaft kann ein Gesellschafter stets nur einen einheitlichen Anteil an einer Personengesellschaft halten. Dies kann zu einem Rechtskonflikt mit der Anordnung von Testamentsvollstreckung führen, wenn ein Gesellschafter einen weiteren Anteil an der Personengesellschaft erbt oder per Vermächtnis erhält und dieser hinzuerworbene Gesellschaftsanteil mit einer Testamentsvollstreckung belastet ist. Gleiches gilt, wenn der letzte von zwei Gesellschaftern verstirbt, und seinen Mitgesellschafter zum Erben einsetzt, so dass die Gesellschaft grds. per Anwachsung erlöschen würde, den Gesellschaftsanteil jedoch mit Testamentsvollstreckung belastet105. Vergleichbare Probleme stellen sich bei einer angeordneten Vor- und Nacherbschaft. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Beteiligung an einer Personengesellschaft steht der Anordnung von Testamentsvollstreckung auch dann nicht entgegen, wenn der Erbe bereits vor dem Erbfall an der Gesellschaft beteiligt war. Dies ist auch in der Rechtsprechung anerkannt106. Der mit der Testamentsvollstreckung belastete Gesellschaftsanteil wird dann aufgrund der Belastung weiterhin als selbständiger Gesellschaftsanteil behandelt. Ob diese Aufspaltung der Gesellschaftsanteile auch im Handelsregister zu verlautbaren ist, ist m.E. ungeklärt. Eine eigentlich durch Anwachsung auf den Alleingesellschafter erloschene Personengesellschaft wird als fortbestehend fingiert. Die KG muss daher als KG m.E. weiterhin im Handelsregister eingetragen bleiben. 105 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431, 2433; Pauli in Bengel/ Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 190. 106 BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, NJW 1996, 1284 = DStR 1996, 929 = ZIP 1996, 327 = MDR 1996, 385 = GmbHR 1996, 362 = DB 1996, 468 = BB 1996, 1128; BGH v. 26.10.1983 – II ZR 44/83, NJW 1984, 362; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 188 ff.; Reimann, GmbHR 2011, 1297, 1298; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 517.
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9. Allgemeine Beschränkungen des Testamentsvollstreckers im Gesellschaftsrecht Der Testamentsvollstrecker ist grds. bei der Ausübung der Stimmrechte nicht an die Vorstellungen oder den Willen der Erben gebunden107, hat jedoch folgende Bindungen zu beachten:
a) Kernbereichslehre Ebenso wie im übrigen im Gesellschaftsrecht der Personengesellschaften Eingriffe in den Kernbereich der Mitgliedschaft eines Gesellschafters grds. nicht ohne dessen Zustimmung gestattet sind108, soll dies nach einer heftig umstrittenen Auffassung auch für den Testamentsvollstrecker gelten. Weder die Rechtsprechung noch die Rechtslehre sind einheitlich. Verbreiteter ist wohl die Auffassung, dass der Schutz des Gesellschafters im Rahmen des Rechts der Testamentsvollstreckung besser erbrechtlich über die §§ 2205 Satz 3, 2216, 2219 BGB abzusichern ist. Die Kernbereichslehre gilt hingegen für die Beschränkungen der Mehrheitsmacht. Im Ergebnis treten meist keine Unterschiede ein – außer dass nach der Kernbereichslehre auch jede Umwandlung einen Eingriff darstellen soll und daher auch dann der Zustimmung des Erben bedarf, selbst wenn die Gegenleistungen gleichwertig sind, keine Wertminderungen eintreten und keine persönliche Haftung droht.
b) Verbot unentgeltlicher Verfügungen, § 2205 Satz 3 BGB Ein Verstoß gegen das Verbot unentgeltlicher Verfügungen gem. § 2205 Satz 3 BGB liegt nicht vor, wenn der Testamentsvollstrecker zur Erfüllung von Anordnungen des Erblassers, insbesondere zur Erfüllung von Auflagen oder Vermächtnissen handelt109. Der Nachweis des Handelns zur Erfüllung einer Anordnung des Erblassers oder eines Vermächtnisses/einer Auflage muss nicht in der Form des § 29 GBO geführt werden, 107 BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945. 108 Siehe neuerdings ablehnend Priester, Kernbereich der Mitgliedschaft als Schranke der Testamentsvollstreckung, in FS Streck, 2011, S. 891 ff.; siehe Reimann, Unternehmensnachfolge und Testamentsvollstreckung, GmbHR 2011, 1297, 1299. Weiterhin für diesen Argumentationstopos Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 404. 109 OLG München v. 18.2.2010 – 34 Wx 9/10, RNotZ 2010, 397; OLG Karlsruhe v. 26.4.2005 – 14 Wx 11/04, NJW-RR 2005, 1097 = ZErb 2005, 290; Keim, ZEV 2007, 470, 473.
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wenn es sich um ein privatschriftliches Testament handelt110. Ein entsprechender Nachweis wäre häufig unmöglich.111 Die Erfüllung entsprechender Anordnungen ist gerade Aufgabe des Testamentsvollstreckers und unterfällt daher nicht dem Verbot des § 2205 Satz 3 BGB. Auch Pflicht- und Anstandsschenkungen sind ausdrücklich zulässig. Grundsätzlich verbotene unentgeltliche Verfügungen werden wirksam und sind zulässig mit Zustimmung des jeweiligen Erben112. Eine Ausstattung gem. § 1624 BGB gilt zwar zivilrechtlich nicht als Schenkung. Gleichwohl ist sie dem Testamentsvollstrecker gem. § 2205 Satz 3 BGB untersagt, da die Ausstattung objektiv ohne Gegenleistung erfolgt.113 Auch ehebedingte/unbenannte Zuwendungen, die zivilrechtlich im Übrigen zumindest ehe- und güterstandsrechtlich nicht als unentgeltlich gelten, sind dennoch erbrechtlich und auch im Hinblick auf § 2205 Satz 3 BGB als unentgeltlich zu betrachten.114 Eine vorweggenommene Erbfolge darf der Testamentsvollstrecker regelmäßig nicht von sich aus durchführen, da diese regelmäßig nicht vollentgeltlich erfolgt. Zu den unentgeltlichen Verfügungen i.S.d. § 2205 Satz 3 BGB zählen im Gesellschaftsrecht auch115: –
nachteilige, insbes. einseitige Veränderungen des Gewinnverteilungsschlüssels zu Lasten des Erben;
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Beseitigung von Sonderrechten;
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nachträgliche Einführung einer Buchwert- oder sonst herabgesetzten Abfindung;
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Einführung weiterer abfindungsgeminderter Einziehungstatbestände;
110 OLG Karlsruhe v. 26.4.2005 – 14 Wx 11/04, NJW-RR 2005, 1097 = ZErb 2005, 290; OLG München v. 31.5.2010 – 34 Wx 028/10, 34 Wx 28/10, RNotZ 2010, 397. 111 Schaub in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 40 ff. 112 OLG Karlsruhe v. 26.4.2005 – 14 Wx 11/04, NJW-RR 2005, 1097 = ZErb 2005, 290. 113 Schaub in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5 Kapitel Rz. 60. 114 Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 197 a. 115 Siehe auch Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 401 f.; diese Maßnahmen werden teilweise auch unter die sog. Kernbereichslehre gefasst.
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Kündigung der Gesellschaftsbeteiligung ohne vollwertige Abfindung116.
Werden Beschlüsse unter Zustimmung des Testamentsvollstreckers unter Verstoß gegen § 2205 Satz 3 BGB gefasst, so stellt sich die Frage nach den daraus folgenden Rechtsfolgen. Die Zustimmung des Testamentsvollstreckers ist zwar unwirksam; der Beschluss über entsprechende Satzungsänderungen ist jedoch nach herrschender Meinung nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar.117 Wird also die Anfechtungsfrist versäumt, so soll nach herrschender Meinung das Gesellschaftsrecht dem Testamentsvollstreckerrecht vorgehen und der Beschluss wirksam sein. Eine Haftung des Testamentsvollstreckers nach § 2219 BGB bleibt hiervon allerdings unberührt. Für das Handelsregister bedeutet dies, dass das Handelsregister bei unterbliebener Anfechtung die Beschlüsse in das Handelsregister einzutragen hat. Ein Ausscheiden aus Anlass eines Formwechsels gegen Barabfindung kann ohne Verstoß gegen § 2205 Satz 3 BGB nur bei vollwertiger Abfindung erfolgen. Soweit im Rahmen eines Formwechsels aus einer GmbH in eine AG keine zusätzlichen Verpflichtungen des Erben und kein Zustimmungserfordernis sämtlicher Gesellschafter nach § 241 UmwG vorliegt, soll es nach herrschender Meinung keiner Zustimmung des oder der Erben bedürfen.118 Soweit man hier anderer Meinung sein sollte, wären bei einer entsprechenden Auflage oder einem bestimmten Vermächtnis (z.B. zugunsten des Testamentsvollsteckers persönlich) die Erben zumindest zur Zustimmung verpflichtet. Der Testamentsvollstrecker darf daher die Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung insbesondere bei Satzungs- und Gesellschaftsvertragsänderungen nicht dazu nutzen, bei Beschlüssen mitzuwirken, die nach § 53 Abs. 3 GmbHG oder der Kernbereichslehre der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bedürfte, sofern hierdurch die Gesellschafterrechte des von der Testamentsvollstreckung betroffenen Gesellschafters gemindert würden oder zusätzliche Leistungspflichten für den Erben be-
116 Vgl. insoweit BGH v. 26.10.1983 – II ZR 44/83, NJW 1984, 362, zum vergleichbaren Problem beim Vorerben. 117 Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, § 19 Rz. 62 m.w.N; Dörrie, ZEV 1996, 372; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 401; Lutter, ZGR 1982, 108, 119. 118 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 279.
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gründet würden, die nicht mit Nachlassmitteln erfüllt werden können oder zu einem einseitigen Rechtsverlust des Gesellschafters führen.119 Die Einbringung von Grundbesitz in eine Kapitalgesellschaft oder GmbH & Co. KG oder sonstige Personengesellschaft gegen Gewährung gleichwertiger Gesellschaftsrechte ist voll entgeltlich und verstößt damit nicht gegen § 2205 Satz 3 BGB. Unzweifelhaft ist dies, wenn eine Ein-MannGmbH & Co. KG gegründet und das Vermögen in diese eingebracht wird. Die Testamentsvollstreckung setzt sich dann an den Gesellschaftsanteilen fort. Problematisch ist insoweit die teilweise vertretene sog. Versteinerungstheorie120, wonach ursprünglich nicht bestehende Rechte eines Testamentsvollstreckers an einem Vermögen sich nicht durch Umwandlungs- oder Einbringungsvorgänge erweitern lassen. Auch die Vertreter dieser Ansicht lassen eine Erweiterung der Befugnisse jedoch zu, wenn dies dem erkennbaren Erblasserwillen entspricht und der Erblasser die unbeschränkte Verwaltung der Anteile an der neuen Rechtsform gerade gewollt hat. Auch im Bereich gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungsmaßnahmen können unentgeltliche Verfügungen zu sehen sein. Dies kann einerseits bei der Durchführung von Umwandlungsmaßnahmen der Fall sein, wenn dem Nachlass des Testamentsvollstreckers keine gleichwertigen Gesellschaftsrechte gewährt werden. Ebenso können Satzungsänderungen oder gesellschaftsvertragliche Änderungen, mit denen Gewinnbezugsrechte, Stimmrechte, Liquidationsteilhabe oder in sonstige Sonderrechtspositionen des Nachlasses ohne angemessene Gegenleistung eingegriffen wird, gegen das Verbot des § 2205 Satz 3 BGB verstoßen.121 Bei gleichmäßigen Eingriffen in die Gesellschafterrechte zulasten aller Gesellschafter kann dies statthaft sein und nicht gegen § 2205 Satz 3 BGB verstoßen. Gleiches gilt für Verschmelzungen oder Spaltungen ohne angemessene Gegenleistungen. Dem Testamentsvollstrecker ist es aufgrund des Verbotes des § 2205 Satz 3 BGB auch untersagt, die
119 Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, § 19 Rz. 61, 66; vgl. auch Reimann, DNotZ 1990, 192; BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945. 120 Siehe dazu oben Fn. 21. 121 Vgl. hierzu auch BGH v. 6.10.1980 – II ZR 268/79, NJW 1981, 115; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 236.
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Mitgliedschaft in einer Gesellschaft ohne angemessene Abfindung zu kündigen.122 In diesem Bereich verschmelzen das Verbot unentgeltlicher Verfügungen und die Kernbereichslehre.
c) Beschränkungen aus Haftungsgründen Der Testamentsvollstrecker kann den oder die Erben nur mit ihrem Nachlassvermögen verpflichten, §§ 2206, 2207 BGB123. Aus diesem Grunde können speziell im Bereich des Gesellschaftsrechts sämtliche mit unbeschränkter Haftung verbundenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, bei denen das Gesellschaftsrecht eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass verbietet, nicht durch den Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des oder der Erben durchgeführt werden. Beispielsweise können bei Satzungsänderungen im Rahmen einer GmbH unbeschränkte oder auch beschränkte Nachschusspflichten nicht ohne Zustimmung der Erben eingeführt werden, wenn die Erfüllbarkeit aus dem Vermögen des Nachlasses nicht nachweisbar gesichert ist.124 Problematisch ist insoweit jedoch die Feststellung, wann die Erfüllbarkeit zukünftiger Zahlungsverpflichtungen aus dem Nachlass tatsächlich gesichert ist. Gleiches gilt bei der Aufstockung der Haftsumme eines Kommanditisten125. Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln sind stets möglich. Kapitalerhöhungen gegen Bar- oder Sacheinlagen sind hingegen einerseits im Hinblick auf § 24 GmbHG problematisch. Werden die Mittel zur Kapitalerhöhung nicht unverzüglich unmittelbar aus dem Nachlass erbracht, so ist die Übernahmeerklärung des Testamentsvollstreckers nur mit Zustimmung sämtlicher Erben wirksam.126 Die Rechtsfolgen bei fehlender Zustimmung sind ungeklärt. Teilweise wird eine Eigenhaftung nach § 179 BGB vertreten. Droht eine Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG, soll ein Testamentsvollstrecker zur Vermeidung einer Haftung
122 Vgl. zur vergleichbaren Situation nach § 2113 Abs. 3 BGB beim Vorerben, BGH v. 26.10.1983, II ZR 44/83, DB 1984, 182. 123 BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, NZG 2014, 945. 124 Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 403. 125 Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 529. 126 Vgl. Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, § 19 Rz. 57 ff.; BayObLG v. 29.3.1976 – 1 Z 9/76, NJW 1976, 1693; Dörrie, ZEV 1996, 370, 373.
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nach § 2219 BGB verpflichtet sein, gegen die Kapitalerhöhung zu stimmen127. Dem Testamentsvollstrecker ist es nicht gestattet, an einer Gesellschaftsgründung einer OHG oder KG als Komplementär teilzunehmen, da insoweit wiederum der Vorgang des Gesellschaftsrechts sich vor der Haftungsbeschränkung der Handlungen des Testamentsvollstreckers nach § 2206 BGB durchsetzt. Bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft durch den Testamentsvollstrecker gelten nach herrschender Meinung wiederum die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze vorrangig. Danach ist die Haftung für die Kapitalaufbringung nicht beschränkbar. Der Testamentsvollstrecker kann insoweit eine GmbH-Gründung nicht unter Beschränkung der Haftung der Kapitalaufbringung auf das Nachlassvermögen vornehmen. Gleichzeitig hat er keine Verfügungsbefugnis oder Verpflichtungsbefugnis für den oder die Erben mit ihrem sonstigen Vermögen.128 Eine Gründung einer GmbH kann insoweit vom Testamentsvollstrecker nur vorgenommen werden, wenn entweder das Stammkapital unmittelbar bei der Gründung sofort durch alle Gesellschafter in bar eingebracht wird, so dass sich auch keine Haftungsgefahren aus § 24 GmbHG ergeben oder der oder die Erben der Gründung zustimmen. Zur Vermeidung der vorstehenden Problematik sollte gegebenenfalls anstelle von Gründungsverpflichtungen, transmortalen Vollmachten oder Umwandlungsklauseln eine Umwandlung des Unternehmens bereits zu Lebzeiten in eine GmbH & Co. KG oder Kapitalgesellschaft vorgenommen werden. Sämtliche späteren Vorgehensweisen durch den Testamentsvollstrecker sind mit Unsicherheiten und rechtlichen Schwierigkeiten verbunden.129
10. Arbeiten mit Vorratsgesellschaften Testamentsvollstreckung an Einzelunternehmen, OHG und GbR bereitet regelmäßig Schwierigkeiten, die sich auch durch die Ersatzlösungen kaum befriedigend lösen lassen. Die Praxis sucht daher regelmäßig nach weiteren Lösungen. Am besten ist es, wenn der Erblasser sein Unternehmen schon bei der Testamentserrichtung in eine geeignete Rechtsform überführt. Tut er dies nicht, so wird immer wieder die Lösung über eine 127 Siehe Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 21. Aufl. 2013, Rz. 402, 405 f. 128 Siehe bereits mehrfach oben, insbes. Fn. 1. 129 Vgl. auch Weidlich in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, § 19 Rz. 56 ff.
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Vorrats-GmbH vorgeschlagen130. Dies bereitet allerdings steuerliche Schwierigkeiten. Beispiel: Das Einzelunternehmen wird vermächtnisweise oder per Auflage einer im Nachlass befindlichen Vorrats-GmbH zugewandt. Es ist Dauertestamentsvollstreckung über den Gesamtnachlass angeordnet.
Das eigentliche Problem besteht hingegen in der erbschaftsteuerlichen Behandlung. Die Erben verlieren die Begünstigung der §§ 13a, 13b, 19a ErbStG. Der Erwerb als Vermächtnis oder per Auflage gilt als vom Erblasser stammend. § 19a ErbStG wird nur natürlichen Personen gewährt – nie Kapitalgesellschaften. Es kommen daher die Steuersätze der Steuerklasse III stets zur Anwendung, wenn die GmbH als bereichert gilt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung zur erbschaftsteuerlichen Verselbständigung der Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern ist zu beachten, dass das Vermächtnis zugunsten einer GmbH als Erwerb von Todes wegen der GmbH nach Steuerklasse III zu behandeln ist131. In dem Erlass vom 14.3.2012 heißt es dazu in Tz. 2.1.7. wörtlich: „Ein Vermächtnis zugunsten einer Kapitalgesellschaft, deren (mittelbarer) Alleingesellschafter der Erblasser war, unterliegt der Erbschaftsteuer auch dann, wenn auf den mit dem Vermächtnis belasteten Alleinerben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch die (mittelbare) Alleingesellschafterstellung des Erblassers übergegangen ist132.“
§§ 13a, 13b ErbStG können bei der GmbH zur Anwendung kommen, wenn die Voraussetzungen dafür eingehalten werden. Es müssen daher alle wesentlichen Betriebsgrundlagen an die GmbH gehen. Haftungsaufspaltungen durch den Rückbehalt wesentlicher Betriebsgrundlagen sind nicht möglich – anders als bei der GmbH & Co. KG, wo Sonderbetriebsvermögen gebildet werden kann. § 20 UmwStG ist einzuhalten, um die Aufdeckung stiller Reserven zu vermeiden. Es ist also eine Kapitalerhöhung durchzuführen, mit den entsprechenden haftungsrechtlichen Problemen für die Testamentsvollstreckung. 130 So auch Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 145; siehe auch Heckschen/Strnad, NZG 2014, 1201, 1205. 131 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.3.2012, z.B. FinMin. Baden-Württemberg, 3 - S 380.6/84, BStBl. I 2012, 331 Tz. 2.1.7. 132 Siehe BFH v. 17.4.1996, BStBl. II 1996, 454.
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Besser geeignet ist daher die GmbH & Co. KG, da bei dieser stets die hinter der KG stehenden Personen als bereichert gelten.
IV. Der Testamentsvollstrecker im Handelsregister Literatur: Beutel, Eintragungsfähigkeit des Testamentsvollstreckervermerks in die Gesellschafterliste, NZG 2014, 646; Heckschen/Strnad, Kompetenzkonflikt zwischen Testamentsvollstreckung und Erben, NZG 2014, 1201; Heidinger, Zusätzliche Angaben in der Gesellschafterliste und ihre Wirkung nach § 16 Abs. 1 GmbHG, in FS Stilz 2014, S. 253 ff.; Omlor, Nichteintragungsfähigkeit des Testamentsvollstreckervermerks in die GmbH-Gesellschafterliste, DStR 2012, 306; Zinger/Urich-Erber, Der Testamentsvollstreckervermerk in der Gesellschafterliste, NZG 2011, 286.
Hinsichtlich der Pflichten und Möglichkeiten der Eintragung des Testamentsvollstreckers im Handelsregister ist zwischen folgenden Fällen zu unterscheiden.
1. Einzelunternehmen Die Anordnung von Testamentsvollstreckung über ein Einzelunternehmen im Wege der Dauertestamentsvollstreckung ist nach wohl herrschender Meinung in Reinform unzulässig (s.o. III.2); daher kann der Testamentsvollstrecker auch nicht die eingetretene Erbfolge zum Handelsregister anmelden und kann auch kein Testamentsvollstreckungsvermerk in das Handelsregister eingetragen werden133. Wird die Vollmachtslösung durchgeführt, so ist der Erbe oder sind die Erben als Inhaber und Betreiber des einzelkaufmännischen Unternehmens in das Handelsregister einzutragen. Die Eintragung in das Handelsregister haben in diesem Fall der oder die Erben selbst vorzunehmen. Aufgrund der dem Testamentsvollstrecker regelmäßig zu erteilenden Vollmacht kann dies jedoch auch der Testamentsvollstrecker in deren Namen durchführen, sofern die Vollmacht formgerecht i.S.d. § 12 HGB erteilt wurde. Dies gilt auch bei der Ermächtigungstreuhand. Wird die Vollrechtstreuhand gewählt, so wird das gesamte Unternehmen auf den Testamentsvollstrecker als Treuhänder übertragen. In diesem Fall ist der Testamentsvollstrecker in das Handelsregister einzutragen134. Die Eintragung ist jedoch wie in den übrigen Fällen des § 25 HGB sowohl durch die Erben als übertragende Kaufleute als auch durch den Testamentsvollstre133 Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 248, 502. 134 Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 506.
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cker als erwerbenden Kaufmann anzumelden. Bei der Vollrechtstreuhand ist zunächst jedoch der Erbe bzw. sind die Erben im Handelsregister einzutragen. Diese Eintragungsverpflichtung müssen die Erben selbst erfüllen. Vor der Umschreibung eines Einzelunternehmens auf den Testamentsvollstrecker ist nämlich die Erbfolge im Handelsregister zu verlautbaren. Diese Eintragung können ausschließlich der oder die Erben beim Handelsregister veranlassen. Soweit reicht die Kompetenz des Testamentsvollstreckers nicht.
2. Personenhandelsgesellschaften Nach herrschender Meinung ist die Testamentsvollstreckung an einem Kommanditanteil auch als Dauertestamentsvollstreckung grundsätzlich zulässig. Gleichwohl wurde die Eintragungsfähigkeit der Testamentsvollstreckung von der herrschenden Meinung früher verneint.135 Dem ist der BGH136 jedoch im Jahre 2012 entgegengetreten. Es handelte sich um einen Fall der Dauertestamentsvollstreckung i.S.d. § 2209 BGB. In den Nachlass fiel auch ein Kommanditanteil, auf den sich die Testamentsvollstreckung trotz der eintretenden Sondererbfolge erstreckte. Der BGH bejahte die Möglichkeit und das schützenswerte Informationsbedürfnis, den TV-Vermerk ins Handelsregister einzutragen. Neben gesetzlich vorgesehenen Eintragungen sind auch Eintragungen über solche Umstände vorzunehmen, an welchen ein erhebliches Bedürfnis des Rechtsverkehrs besteht. Dies folgt sowohl aus den Mitwirkungsbefugnissen des Testamentsvollstreckers, als auch aus den haftungsrechtlichen Wirkungen des § 2214 BGB. Ob eine Eintragungspflicht besteht, ist hingegen ungeklärt und m.E. zu verneinen137, da entsprechende Eintragungspflichten der Gesetzgeber zu begründen hat und dafür ein bloßes Informationsinteresse des Rechtsverkehrs nicht genügt. Alle weiteren Handelsregisteranmeldungen für die Kommanditbeteiligung, wie das Ausscheiden weiterer Kommanditisten oder Gesellschaf-
135 KG Berlin v. 4.7.1995 – 1 W 5374/92, ZEV 1997, 67 mit ablehnender Anmerkung Schaub = NJW-RR 1996, 227. 136 BGH v. 14.2.2012 – II ZB 15/11, NJW-Spezial 2012, 304. 137 Ebenso Zimmermann, ZEV 2012, 335, 338; wohl auch Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 248; a.A. also für Eintragungspflicht hingegen K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 Rz. 37; Heckschen/Strnad, NZG 2014, 1201, 1206.
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ter fallen grds. in die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers. Er hat insoweit die Handelsregisteranmeldung durchzuführen138. Ausnahmen bestehen insoweit nur, wenn durch eine Handelsregisteranmeldung der Testamentsvollstrecker den Kommanditisten in eine uneingeschränkte persönliche Haftung bringen würde (Erhöhung der Haftsumme)139. Ferner soll der Testamentsvollstrecker, der nur eine Abwicklungstestamentsvollstreckung als Aufgabe hat, nicht befugt sein, den Erben als Kommanditisten zum Handelsregister anzumelden140. Diese Ansicht ist jedoch zweifelhaft, da der Gesellschaftsanteil gleichwohl Nachlassbestandteil ist und damit seiner Testamentsvollstreckung unterliegt. Zur Eintragung des/der Erben als Kommanditisten bedarf es des Nachweises der Erbfolge (Erbschein) und eines Testamentsvollstrecker-Zeugnisses141. Hinsichtlich Komplementäranteilen an einer OHG oder KG ist nach der bisher herrschenden Meinung trotz der Möglichkeit der Anordnung einer Testamentsvollstreckung an der Außenseite die Eintragung der Testamentsvollstreckung in das Handelsregister abzulehnen142. Auch diese Frage ist jedoch umstritten und dürfte im Hinblick auf die neue BGHEntscheidung143 aus 2012 auf neue Füße gestellt worden zu sein. Denn auch für diesen Anteil gilt § 2214 BGB144, weil er Nachlassbestandteil ist. Scheidet der Erblasser aus einer Personengesellschaft, die im Handelsregister eingetragen ist, mit seinem Ableben aus, so ist der Testamentsvollstrecker zur Anmeldung dieses Ausscheidens für die Erben befugt, da insoweit die Testamentsvollstreckung nicht beschränkt ist.145
138 BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 Rz. 36; Heckschen/Strnad, NZG 2014, 1201, 1206. 139 Heckschen/Strnad, NZG 2014, 1201, 1206. 140 OLG Hamm, Beschl. v. 10.12.2010 – I-15 W 636/10, NZG 2011, 437; zustimmend K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 Rz. 36. 141 OLG Köln v. 9.9.2004 – 2 Wx 22/04, DNotZ 2005, 555 = NZG 2005, 37 = FamRZ 2005, 640 = RNotZ 2004, 590. 142 A.A. hingegen K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 139 Rz. 51. 143 BGH v. 14.2.2012 – II ZB 15/11, NJW-Spezial 2012, 304. 144 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431, 2432; siehe Heckschen/ Strnad, NZG 2014, 1201, 1203. 145 KG, OLGZ 1991, 262.
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Wälzholz – Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht
3. Die GmbH-Gesellschafterliste Ob der Testamentsvollstrecker in die Gesellschafterliste der GmbH einzutragen ist, um die Verfügungsbeschränkung des Erben zu verdeutlichen, ist noch umstritten146, wurde aber vom OLG München im Jahre 2011 mit der wohl h.M. abgelehnt147. Diese restriktive Haltung der Rechtsprechung passt jedoch nicht zu der Eintragungsfähigkeit der Testamentsvollstreckung in das Handelsregister bei den Personenhandelsgesellschaften148. Demgegenüber streitet eine starke Auffassung in der Rechtslehre149 mit guten Argumenten für die Eintragungsfähigkeit der Testamentsvollstreckung in die Gesellschafterliste, um deren Informationsgehalt aufzuwerten und so die Gesellschafterliste zu einem wirksamen Schutz des Rechtsverkehrs zu machen. Das Führen einer fakultativen, rein deklaratorischen Veränderungsspalte zur Gesellschafterliste sollte zugelassen werden. Warum eine Gesellschafterliste, die diese zusätzlichen Informationen enthält, nicht gesetzmäßig und zurückzuweisen sein soll, leuchtet nicht ein.
146 Siehe dazu Zinger/Urich-Erber, NZG 2011, 286. 147 OLG München v. 15.11.2011 – 31 Wx 274/11, NJW-Spezial 2012, 208 = FGPrax 2012, 37; ebenso OLG Köln v. 21.7.2014 – 2 Wx 191/14, DB 2014, 2214; siehe auch Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 261. Zweifelnd an der Ansicht des OLG München Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rz. 248a. 148 BGH v. 14.2.2012 – II ZB 15/11, NJW-Spezial 2012, 304. 149 Siehe Zinger/Urich-Erber, NZG 2011, 286; Beutel, NZG 2014, 646; Heidinger in FS Stilz 2014, S. 253 ff.; Omlor, DStR 2012, 306; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, 5. Kapitel Rz. 261; Reimann, GmbHR 2011, 1297, 1301.
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Bericht über die Diskussion des Referats Wälzholz Tony Grobe Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Leipzig
I. Die von Karsten Schmidt geleitete Diskussion im Anschluss des Referats von Wälzholz war geprägt von dogmatischen als auch praxisorientierten Überlegungen. Zunächst setzte man sich mit der von Wälzholz angesprochenen Möglichkeit auseinander, § 2205 Satz 3 BGB durch Vermächtnis auszuhöhlen (II.). Daran schloss sich die Frage an, was überhaupt unter der erbrechtlichen und der gesellschaftsrechtlichen Kernbereichslehre zu verstehen sei (III.). Zudem wurde die rechtstechnische Problematik erörtert, wie man Testamentsvollstreckungsvermerke im Handelsregister einzutragen habe (IV.). Ebenfalls diskutiert wurde, wie die Testamentsvollstreckung bei ausländischen Gesellschaften erfolge (V.) und unter welchen Gesichtspunkten es vorteilhaft sei, einen Ersatztestamentsvollstrecker vorzusehen oder das Hinauskaufen aus der Testamentsvollstreckung zuzulassen (VI.). Abschließend warf man noch die Frage auf, wie verträglich die Grundsätze der Testamentsvollstreckung mit der Haftung nach § 31 GmbHG seien (VII.).
II. Nolting eröffnete die Diskussion mit einer Verständnisfrage zum angesprochenen Gestaltungshinweis: Nach Wälzholz könne man die Auflagen des § 2205 Satz 3 BGB durch Vermächtnis aushöhlen. Nolting wies nun darauf hin, dass die von Wälzholz erwähnten Beispiele der unentgeltlichen Verfügung das Vermögen der Erben belasten, das Vermächtnis hingegen ausschließlich den Nachlass. Wälzholz stellte klar, dass die Haftungsgrundsätze durch ein Vermächtnis nicht durchbrochen werden können. Er meine Veränderungen an Gesellschaftsverträgen, die der Testamentsvollstrecker so nicht ohne weiteres machen könne. So sei ein zulässiger Gegenstand eines Vermächtnisses auch die Abgabe einer Willenserklärung oder die Gestal-
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Grobe – Bericht über die Diskussion des Referats Wälzholz
tungsform im Sinne einer Auflage, wonach der Erbe verpflichtet sei, einer Maßnahme zur Erweiterung der Einziehungsbestimmungen zuzustimmen.
III. C. Schäfer ging auf die von Wälzholz angesprochene Kernbereichslehre ein. Seiner Ansicht nach müsse man hier unterscheiden, da die Kernbereichslehre ein Instrument des Gesellschaftsrechts sei und im Verhältnis der Gesellschafter untereinander gelte und den Einzelnen schütze. Die Unterscheidung zwischen gesellschafts- und erbrechtlicher Ebene habe der BGH in der von Bergmann vorgestellten Entscheidung im Ansatz richtig beurteilt. Dann müsse man aber die Beschränkungen des Testamentsvollstreckers aus erbrechtlichen Grundsätzen entwickeln, und insofern erscheine § 2205 BGB durchaus als brauchbarer Ansatz. Würde man hingegen auf den gesellschaftsrechtlichen Kernbereichsschutz abstellen, könnte darüber im Testament nicht disponiert werden, weil dieser Schutz zwingend sei. Wälzholz stellte klar, dass es sich auch nach seiner Ansicht nicht um die gesellschaftsrechtliche, sondern um eine „testamentsvollstreckerspezifische“ Kernbereichslehre handele. Man verwende hier den gleichen Begriff für zwei völlig unterschiedliche Grundsätze.
IV. Böttcher ging auf die Praxisfragen der Eintragung der Testamentsvollstreckung im Handelsregister ein. Nach dem BGH sei die Eintragung der Testamentsvollstreckung in das Handelsregister zulässig. Ungeklärt sei allerdings das Problem, wenn der Testamentsvollstrecker in das Handelsregister eingetragen werden soll, aber der Erbe bereits Gesellschafter war und als solcher schon im Handelsregister stehe. Hier stelle sich die Frage, ob dann trotz des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Gesellschaftsanteils an einer Personengesellschaft zwei Eintragungen existieren, die dann teilweise durch den Testamentsvollstreckervermerk überlagert seien. Wälzholz stellte klar, dass der BGH sich zu Fragen der technischen Umsetzung noch nicht geäußert habe. Diskutiert werde hingegen, ob es sich um einen einheitlichen Gesellschaftsanteil handele, von dem ein abgespaltener gedanklicher Teil der Testamentsvollstreckung unterliege oder
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Grobe – Bericht über die Diskussion des Referats Wälzholz
ob tatsächlich – wegen der Testamentsvollstreckung – ein selbständiger Gesellschaftsanteil vorliege. Er interpretiere die BGH-Entscheidung so, dass man nicht verpflichtet sei, die Testamentsvollstreckung zum Handelsregister anzumelden. Als Gestaltungsvariante empfahl er allerdings, die Anmeldung in zwei Haftsummen – eine mit und die andere ohne Testamentsvollstreckervermerk – zu teilen.
V. Chr. Albrecht brachte die Problematik der Testamentsvollstreckung bei Beteiligungen an ausländischen Unternehmen ein. Funktioniere eine solche bspw. bei einem österreichischen Unternehmen oder müsse man dann auf die Vollmachtslösung zurückgreifen? Wälzholz wies zunächst darauf hin, dass ab August 2015 Verbesserungen eintreten werden, wodurch Fälle der Nachlassspaltung innerhalb der EU praktisch ausgeschlossen werden. Es gebe dann ein einheitliches Nachlass- und Erbrecht, was anzuwenden sei. Trotzdem müsse man als deutscher Testamentsvollstrecker jeweils das nationale Gesellschaftsrecht der jeweiligen Rechtsordnung berücksichtigen und hinsichtlich der österreichischen GesmbH gehe er davon aus, dass es im Zweifel wegen der ähnlichen Struktur zur deutschen GmbH wenig Schwierigkeiten bereiten würde. Im Übrigen müsse man schauen, wie stark ein Überfremdungsschutz in der jeweiligen nationalen Rechtsform bestehe und sich gegenüber der Testamentsvollstreckung durchsetzen könnte.
VI. Karsten Schmidt ging auf das Urteil des BGH vom 13.5.2014 (II ZR 250/12, GmbHR 2014, 863) ein und bemerkte, dass man zwischen den gesellschafts- und erbrechtlichen Ebenen unterscheiden müsse. So stand das Stimmrecht den Erben im entschiedenen Fall deshalb zu, weil das Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 GmbHG in der Person des Testamentsvollstreckers begründet war. Eine Verallgemeinerung lasse sich daraus nicht ableiten. Daneben sprach er die Ersatztestamentsvollstreckung und die Möglichkeit der Erben an, sich aus der Testamentsvollstreckung hinauszukaufen. Zwar gebe es Fälle, in denen der Hinauskauf problemlos sei. Komme es allerdings zu einem Schlagabtausch zwischen Testamentsvollstrecker und Erben, so könne das für Letztere sehr teuer und nachlassschmälernd werden.
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Grobe – Bericht über die Diskussion des Referats Wälzholz
Wälzholz erklärte, dass der beurkundende Notar sich nicht zugleich als Testamentsvollstrecker einsetzen könne. Er befürworte allerdings die Gestaltungsmöglichkeit, sich aus der Testamentsvollstreckung hinauskaufen zu können, da die vom Erblasser zu dieser Maßnahme veranlassten Sorgen sich oftmals als unbegründet erweisen. Daher sollte eine Regelung getroffen werden, die es ermögliche, dass der Testamentsvollstrecker das Amt niederlege und somit die Beendigung der Testamentsvollstreckung herbeiführe. Wenn man das allerdings verhindern wolle, warf K. Schmidt ein, dann müsse eine Regelung enthalten sein, die einen Ersatztestamentsvollstrecker vorsehe.
VII. Maier-Reimer warf die Frage auf, ob die vorgetragenen Grundsätze mit der Haftung aus § 31 GmbHG vereinbar seien. Was gelte in Fällen, in denen der Testamentsvollstrecker – trotz des Ausschüttungsverbots nach § 31 GmbHG – für eine Ausschüttung stimme oder er dagegen gestimmt habe, allerdings eine Ausfallhaftung für die Ausschüttung an andere existierte? Wälzholz führte aus, dass in dem Fall, in dem jemand durch Erbschaft die Stellung eines GmbH-Gesellschafters erlangt habe, und der Geschäftsführer gegen § 31 GmbHG oder § 24 GmbHG verstoße, die Auszahlung trotzdem wirksam bleibe. Ob sich in diesem Falle Erb- oder Gesellschaftsrecht durchsetzen würde, sei seines Erachtens nicht entschieden. Zumindest lasse sich das Aufleben der persönlichen Haftung durch faktische Handlungen nicht vermeiden. Zudem interpretiere er die gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung so, dass das Gesellschaftsrecht dem Erbrecht vorgehe mit der Folge, dass eine unbeschränkte persönliche Haftung gelte. Etwaige Schadensersatzansprüche gegenüber einem Testamentsvollstrecker, der zugleich als Geschäftsführer handelte, seien dann nach § 2219 BGB geltend zu machen. Nach Bayer handelt es sich dabei eher um ein Scheinproblem, da bei einer Haftung nach § 31 Abs. 3 GmbHG nur anteilig gehaftet werde und der Betrag der Stammkapitalziffer die Obergrenze der Haftung bilde, also keine unbeschränkte persönliche Haftung greife. Wälzholz erwiderte, dass trotzdem Fälle denkbar wären, in denen die persönliche Haftung greife. Als Beispiel nannte er die Rückzahlung von Haftsummen bei der KG einerseits sowie die Situation bei der Gründung einer Mehrpersonen-GmbH andererseits, wenn dort im Vorfeld
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Grobe – Bericht über die Diskussion des Referats Wälzholz
festgelegt wurde, dass man § 19 Abs. 5 GmbHG nicht einhalte und das Geld nach Einzahlung sofort wieder auszahle und im Anschluss durch Tod eines Gesellschafters der Erbe an dessen Stelle rücke. Dann werde durch Abschluss der Verträge die Aufbringung des Stammkapitals verhindert.
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Kosten der Aufsichtsratstätigkeit und Budgetrecht des Aufsichtsrats Dr. Eberhard Vetter Rechtsanwalt, Köln I. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Kosten der Aufsichtsratstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufsichtsratsvergütung . . . . . 2. Persönliche Auslagen der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . 3. Aufwendungsersatz in pauschalierter Form . . . . . . . . 4. Sach- und Beratungskosten des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . a) Generelle Zuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung der Zuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden gegenüber der Zuständigkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . .
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125
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III. Die Abwicklung der Auslagen und Aufwendungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
1. Handhabung der Abrechnung in der Unternehmenspraxis . . 2. Prüfungs- und Entscheidungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unklare rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . b) Meinungsstand . . . . . . . . . . c) Eigene Auffassung . . . . . . . . 3. Zwischenfazit. . . . . . . . . . . . . . IV. Budgetrecht des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . 2. Meinungsstand. . . . . . . . . . . . . 3. Eigene Auffassung . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . b) Mangelnde Steuerungsfunktion des Budgets . . . . . c) Untauglichkeit des Budgets . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
I. Einleitung Dem Aufsichtsrat ist mit der Überwachung des Vorstands sowie der Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder kraft Gesetzes eine verantwortungsvolle Aufgabe zugewiesen. Zwangsläufig sind mit der Wahrnehmung dieser organschaftlichen Aufgaben durch die Aufsichtsratsmitglieder vielfältige Kosten und Aufwendungen verbunden, für die das AktG keine konkrete Regelung vorsieht. Dies führt in der Praxis nicht selten zu Zweifelsfällen hinsichtlich der materiellen Anspruchsberechtigung der Aufsichtsratsmitglieder wie auch bei der praktischen Handhabung und Abwicklung.
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E. Vetter – Kosten der Aufsichtsratstätigkeit und Budgetrecht des Aufsichtsrats
Darüber hinaus wird seit einigen Jahren im Schrifttum, aber auch in der Unternehmenspraxis, die Frage eines eigenen Budgetrechts und einer besonderen Kontovollmacht des Aufsichtsrats diskutiert. Dahinter steckt die Überlegung, dass die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben gestärkt werden würde, wenn er ein eigenes Budgetrecht hätte, über das alle Kosten und Aufwendungen des Aufsichtsrats abgesichert werden könnten, um dadurch die praktische Abwicklung gegenüber der AG zu erleichtern. Die Fragestellung hat in den letzten Jahren insofern an Bedeutung gewonnen, als dem Aufsichtsrat durch den Gesetzgeber wie auch die Rechtsprechung neue Aufgaben zugewiesen worden sind oder bestehende Aufgaben stärker ins Bewusstsein getreten sind und dadurch im Rahmen der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats ein größeres Gewicht erlangt haben. Welche Regeln sind bei den Kosten des Aufsichtsrats und der Kostenerstattung zu beachten und braucht der Aufsichtsrat ein eigenes Budgetrecht und einen eigenen Kontozugang über das Gesellschaftskonto? Diesen Fragen soll im Folgenden kritisch nachgegangen werden. Zwölf praktische Beispielfälle sollen dabei als Anschauungsmaterial für den Umgang mit den Kosten der Aufsichtsratstätigkeit und dem Budgetrecht des Aufsichtsrats dienen1: 1) Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer kommen am Vorabend der Aufsichtsratssitzung mit dem Arbeitsdirektor im Park-Hotel zusammen zur Vorbesprechung der Aufsichtsratssitzung am folgenden Tag und stellen der Gesellschaft ihre Übernachtungskosten in Rechnung. 2) Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses unterbricht wegen eines gravierenden Korruptionsfalles seinen Urlaub in Lateinamerika und fliegt zu einer kurzfristig anberaumten Ausschusssitzung nach Deutschland. Die Reisekosten stellt er der Gesellschaft in Rechnung. 3) Der Aufsichtsratsvorsitzende stellt der Gesellschaft die Anmietung von Büroräumen in seinem Privathaus und die Kosten einer Halbtagssekretärin in Rechnung. 4) Der Aufsichtsratsvorsitzende beauftragt nach vorherigem Beschluss des Aufsichtsratspräsidiums eine Rechtsanwaltskanzlei mit einer halbtätigen Schulung der Aufsichtsratsmitglieder über Fragen der Zusammenarbeit mit dem Abschlussprüfer, sowie zu aktuellen Entwicklungen im Bereich Corporate Compliance und IT-Sicherheit. 1 Weitere Beispielfälle bei Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 139.
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E. Vetter – Kosten der Aufsichtsratstätigkeit und Budgetrecht des Aufsichtsrats
5) Die Mitglieder des Personalausschusses treffen sich auf Einladung des Aufsichtsratsvorsitzenden außerhalb der üblichen Sitzungsroutine im Dom-Hotel. Auf Vorschlag des Aufsichtsratsvorsitzenden wird ein Personalberater mit der Suche eines neuen CFO beauftragt. Einige Wochen später mietet der Aufsichtsratsvorsitzende im Hotel eine Suite, um unbeobachtet mit zwei potentiellen Kandidaten für die CFO-Position sprechen zu können. 6) Der Aufsichtsratsvorsitzende erteilt einem Rechtsanwalt den Auftrag zur rechtlichen Prüfung, ob ein dem Aufsichtsrat zur Zustimmung vorgelegter Beratungsvertrag zwischen der AG und einem Aufsichtsratsmitglied über die Beurteilung der neuen Markenstrategie nach §§ 114 Abs. 1, 113 AktG überhaupt zustimmungsfähig ist. 7) Der Aufsichtsratsvorsitzende beauftragt einen Vergütungsexperten mit der Beratung des Aufsichtsrats bei der Entwicklung eines neuen Vorstandsvergütungssystems unter den Anforderungen von § 87 Abs. 1 AktG. 8) Der Aufsichtsratsvorsitzende zieht eine Beratungsgesellschaft zur Unterstützung bei der Effizienzprüfung nach Ziffer 5.6 Deutscher Corporate Governance Kodex hinzu. 9) Die Gesellschaft wird Ziel eines öffentlichen Übernahmeangebots. Der Aufsichtsrat beschließt, für die Stellungnahme nach § 27 WpÜG nicht auf die Berater des Vorstands zurückzugreifen, sondern eine eigene Anwaltskanzlei und auch einen eigenen Finanzberater für die Fairness Opinion hinzuzuziehen. 10) Der Aufsichtsrat beauftragt eine Rechtsanwaltskanzlei mit der rechtlichen Prüfung von Ersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstands wegen eines verlustträchtigen Auftrags über ein Großprojekt. 11) Nach vorheriger Beratung und Abstimmung im Aufsichtsratspräsidium beauftragt der Aufsichtsratsvorsitzende eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Prüfung und Stellungnahme (second opinion), ob die vom Vorstand vorgesehene komplexe Kapitalerhöhung rechtlich bedenkenfrei ist. 12) Der Prüfungsausschuss beschließt wegen wiederholter gravierender Planabweichungen beim Bau des neuen Werks der Konzerngesellschaft in Asien, dass sich der Ausschussvorsitzende und ein weiteres Aufsichtsratsmitglied vor Ort mit der Situation vertraut machen und sie anschließend dem Ausschuss berichten.
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E. Vetter – Kosten der Aufsichtsratstätigkeit und Budgetrecht des Aufsichtsrats
II. Kosten der Aufsichtsratstätigkeit Vor einer näheren Befassung mit der Frage des Budgetrechts soll zunächst ein Blick auf die typischen Kosten geworfen werden, die für die AG mit der Tätigkeit des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder direkt oder indirekt verbunden sind.
1. Aufsichtsratsvergütung Die Aufsichtsratstätigkeit ist bekanntlich keine kraft Gesetzes entgeltliche Tätigkeit2. In der Praxis wird den Aufsichtsratsmitgliedern gleichwohl bei den meisten Gesellschaften – jedenfalls bei allen börsennotierten – eine Vergütung gewährt. Sie bildet einen wesentlichen Posten der Kosten der Aufsichtsratstätigkeit. Die Aufsichtsratsvergütung ergibt sich gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 AktG entweder durch Festsetzung in der Satzung oder aus einem entsprechenden Bewilligungsbeschluss der Hauptversammlung3. Der Gesamtbetrag der an die Aufsichtsratsmitglieder gezahlten Vergütung ist gemäß §§ 285 Nr. 9 lit. a, 314 Abs. 1 Nr. 6 lit. a HGB im Anhang zum Jahresabschluss, bzw. im Konzernanhang anzugeben4. Darüber hinaus wird nach Ziffer 5.4.6 Abs. 3 Deutscher Corporate Governance Kodex die Angabe der individuellen Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder im Anhang oder Lagebericht empfohlen.
2. Persönliche Auslagen der Aufsichtsratsmitglieder Für die Erstattung von Aufwendungen, die den einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern bei der Wahrnehmung ihres Amtes entstehen, enthält das AktG keine Regelung. Der Rückgriff auf § 113 AktG scheidet insoweit aus, weil es sich dabei nicht um die Zahlung eines Leistungsentgelts für eine von dem Aufsichtsratsmitglied ausgeführte Tätigkeit handelt, die die Hauptversammlung in freier Entscheidung bestimmt5. Die An2 Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht AG, 4. Aufl. 2015, § 33 Rz. 10; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 Rz. 9; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 113 Rz. 2; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 2. 3 Rechtstatsachen zur Aufsichtsratsvergütung bei Rapp/Schuchardt/Wolff, Der Aufsichtsrat 2014, 18 ff. 4 Ausgenommen ist die kleine AG i.S. von §§ 267 Abs. 1, 288 HGB. 5 Diekmann/Wurst, NZR 2014, 121, 126; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 113 Rz. 21; Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 113 Rz. 21; 58; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 113 Rz. 12; Thüsing/Veil, AG 2008, 359, 365.
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spruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch des Aufsichtsratsmitglieds ergibt sich, auch wenn die Satzung keinen (klarstellenden) Hinweis enthält, nach nahezu unbestrittener Auffassung aus §§ 670, 675 BGB analog6. Er erfasst z.B. Reise- und Übernachtungskosten sowie Kosten für Telefon und sonstige Kommunikationsmittel der Aufsichtsratsmitglieder, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit angefallen sind7; dazu zählen z.B. auch die Kosten der Teilnahme an Gruppenvorbesprechungen8 (Beispiel 1) oder an der Hauptversammlung9. In beiden Fällen handelt es sich um Aufsichtsratstätigkeit10. Der Umfang des Erstattungsanspruchs des Aufsichtsratsmitglieds ist begrenzt; erstattungspflichtig sind die Aufwendungen, die das Aufsichtsratsmitglied den Umständen nach für erforderlich halten darf. Es geht also in der Sache um die Erstattung von angemessenen Aufwendungen11. Diese Leistungen der Gesellschaft an die Aufsichtsratsmitglieder zählen nicht zu den Pflichtangaben im Anhang zum Jahresabschluss gemäß § 285 Nr. 9 lit. a HGB sowie im Konzernanhang gemäß § 314 Abs. 1 Nr. 6 lit. a HGB12. Im Falle der Reisekosten des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses (Beispiel 2) steht diesem angesichts der erheblichen Bedeutung des konkreten Vorfalls ein Erstattungsanspruch zu, auch wenn es nicht um die 6 Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht AG, 4. Aufl. 2015, § 33 Rz. 13; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 Rz. 18; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 113 Rz. 2; E. Vetter in MarschBarner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. 2014, § 29 Rz. 51; a.A. Fonk, NZG 2009, 761, 762, der § 104 Abs. 6 Satz 1 AktG heranziehen will. 7 Grigoleit/Tomasic in Grigoleit, AktG, 2013, § 113 Rz. 18; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 Rz. 19; E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. 2014, § 25 Rz. 51. 8 Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 113 Rz. 24; Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht AG, 4. Aufl. 2015, § 33 Rz. 14; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 Rz. 19; Wagner in Semler/von Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 4. Aufl. 2013, § 11 Rz. 66. 9 Fonk, NZG 2009, 761, 762; Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 113 Rz. 22; Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 385. 10 Semler in: FS Claussen, 1997, S. 381, 385; E. Vetter in: FS Hüffer, 2009, S. 1017, 1023 zur Vorbesprechung; Herrler in: Grigoleit, AktG, 2013, § 118 Rz. 18; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 118 Rz. 21 zur Hauptversammlung. 11 Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 113 Rz. 21; Fonk, NZG 2009, 761, 764; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 113 Rz. 2b; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 113 Rz. 10. 12 A/D/S, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995, § 285 HGB Rz. 179; Poelzig in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2013, § 285 Rz. 161.
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Anreise von seinem Wohnort geht. Dieser Fall macht deutlich, dass die Angemessenheit stets nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen ist13. Dies bedeutet, dass beim Aufsichtsratsvorsitzenden und unter Umständen auch bei dem Vorsitzenden eines Aufsichtsratsausschusses in weiterem Umfang Aufwendungen zu erstatten sind als bei einem einfachen Aufsichtsratsmitglied. Bei entsprechender Größe der Gesellschaft, die z.B. für den Aufsichtsratsvorsitzenden mit einem erheblichen Koordinationsaufwand hinsichtlich der Aufsichtsrats- und Ausschusstätigkeit verbunden ist und die darüber hinaus zu zahlreichen Repräsentationsterminen führen kann, ist die Einrichtung eines eigenen Büros mit Sekretärin nichts Ungewöhnliches, sodass im Beispiel 3 die Kostenübernahme durch die Gesellschaft vertretbar ist, sofern ihm nicht am nahegelegenen Sitz der Gesellschaft ein Büro zur Verfügung gestellt werden kann14. Gleiches kann für die Gestellung eines Fahrzeugs für dienstlich bedingte Fahrten des Aufsichtsratsvorsitzenden in Betracht kommen15. In Gefährdungslagen kann selbst die Gestellung von Personenschutz für den Aufsichtsratsvorsitzenden auf Kosten der Gesellschaft geboten sein16. Seit einigen Jahren ist auch die Kostenerstattung für die Aus- und Fortbildung der Aufsichtsratsmitglieder ein Thema geworden. Dies geht zurück auf Ziffer 5.4.5 Abs. 2 Satz 2 Deutscher Corporate Governance Kodex17. 13 Dazu näher Thüsing/Veil, AG 2008, 359, 367. 14 Siehe auch Börsig/Löbbe in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 125, 146; Diekmann/Wurst, NZG 2014, 121, 126; Fonk, NZG 2009, 761, 769; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 Rz. 22; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 113 Rz. 2d; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 845; Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 395; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 113 Rz. 11; Wagner in Semler/von Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 4. Aufl. 2013, § 11 Rz. 81; zurückhaltender Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 113 Rz. 12; a.A. Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 113 Rz. 21. 15 Berger, Die Kosten der Aufsichtsratstätigkeit in der AG, 2000, S. 63; Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht AG, 4. Aufl. 2015 § 33 Rz. 14; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 659; Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 396; bei freier Nutzungsberechtigung ist § 113 AktG zu beachten. 16 Fonk, NZG 2009, 761, 770; Schick in Wachter, AktG, 2. Aufl. 2014, § 113 Rz. 3. 17 Ursprünglich eingeführt als Ziffer 5.4.1 Abs. 4 Satz 2 Deutscher Corporate Governance Kodex.
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Die seit dem Jahre 2010 bestehende Regelung adressiert die Eigenverantwortung der Aufsichtsratsmitglieder bei der Aus- und Fortbildung und empfiehlt hierbei die angemessene Unterstützung der Aufsichtsratsmitglieder durch die Gesellschaft18. Umstritten ist, auf welcher Rechtsgrundlage die Gesellschaft den Aufsichtsratsmitgliedern hierfür Kostenerstattung gewähren darf. Der BGH hatte bereits im Jahre 1982 in der Hertie-Entscheidung festgestellt, dass ein Aufsichtsratsmitglied „diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich aneignen muss, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können“19. Wenn die Aufsichtsratsmitglieder demnach bei ihrer Wahl über eine Grundqualifikation verfügen müssen oder diese umgehend zu erwerben haben20, so kann nicht zweifelhaft sein, dass die zur Verschaffung der Grundqualifikation erforderlichen Ausbildungskosten vom Aufsichtsratsmitglied persönlich zu tragen sind. Die Übernahme der Kosten für diese „Grundausbildung“ von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Gesellschaft scheidet deshalb nach ganz herrschender Meinung aus21 und insoweit muss die Kodex-Empfehlung auch einschränkend interpretiert werden22. Die Beurteilung fällt anders aus, wenn es um Kenntnisse geht, die über die normalen Kenntnisse hinausgehen, die ohnehin von jedem Aufsichtsratsmitglied erwartet werden dürfen. Hier ist der Erstattungsanspruch mit der inzwischen wohl herrschenden Ansicht zu bejahen, 18 Ziffer 5.4.1 Abs. 4 der Kodex-Fassung vom 26.5.2010, dazu z.B. Hecker/Peters, BB 2010, 2251, 2256. 19 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293, 295, 296. 20 Siehe dazu Kocher/Lönner, ZCG 2010, 273, 275; dazu früher Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 574. 21 Fonk, NZG 2009, 761, 769; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 3. Aufl. 2013, § 26 Rz. 6; Kocher/Lönner, ZCG 2010, 273, 276; Leyendecker-Langner/Huthmacher, NZG 2012, 1415, 1416; Mertens/ Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 113 Rz. 12; Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 386; E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. 2014, § 29 Rz. 51; Wißmann in Wlotzke/Wißmann/ Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, 4. Aufl. 2011, § 26 Rz. 12; a.A. Naendrup in: GK-MitbestG, 1978, § 26 Anm. 18; Reich/Lewerenz, AuR 1976, 365, 366; Säcker, NJW 1979, 1521, 1526; Säcker in: FS Fischer, 1979, S. 635, 651 ff.; jüngst Mutter, AG 2013, R161. 22 Ebenso Breuer/Fraune in Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2014, § 113 Rz. 4a; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 113 Rz. 2e; a.A. Mutter, AG 2010, R410.
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denn es liegt im Interesse der Gesellschaft, wenn die Aufsichtsratsmitglieder Zusatzkenntnisse erwerben oder vorhandene Kenntnisse auffrischen, die für die Arbeit im Aufsichtsrat von Bedeutung sind23. Dies ergibt sich auch aus dem erwähnten BGH-Urteil, in dem festgestellt wird, dass das Aufsichtsratsmitglied nicht auf sämtlichen Gebieten, in denen der Aufsichtsrat tätig wird, Spezialkenntnisse besitzen muss, sondern bei einzelnen Gegenständen auch Sachverständige hinzuziehen darf24. Angesichts dieser Feststellungen ist es folgerichtig, dem Aufsichtsrat die Kompetenz einzuräumen, in seinen Reihen relevante Spezialkenntnisse auf Kosten der Gesellschaft aufzubauen25. Für diese Ansicht gibt es im Bereich der regulierten Wirtschaft neuerdings auf Grund von gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben26 eine Stütze im Gesetz27. § 25 d Abs. 4 KWG sieht vor, dass die Gesellschaft die notwendige personelle und finanzielle Unterstützung für die Fortbildung und Aufrechterhaltung der Sachkunde der Aufsichtsratsmitglieder leistet. Ähnliches lässt sich auch Art. 42 Abs. 1 der Solvency II Richtlinie28 für den Bereich der
23 Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 113 Rz. 21; Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 113 Rz. 24; Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 142; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 113 Rz. 2e; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 113 Rz. 12; Mutter, AG 2010, R410. 24 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293, 296, 297. 25 Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. 2014, § 113 Rz. 14; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 113 Rz. 21; Hambloch-Gesinn/ Gesinn in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 113 Rz. 24; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 113 Rz. 2e; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 646; Theisen in FS Säcker, 2011, S. 487, 509. 26 Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 2006/48/EG und 2006/49/EG, ABl. EU Nr. L 176 vom 27.6.2013, S. 338. Maßgeblich ist Art. 88 Abs. 2; anders Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 940, die irrtümlich auf Art. 91 Abs. 9 verweisen. 27 Siehe auch Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 940. 28 Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABI. EU Nr. L 335/1 vom 17.12.2009.
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Versicherungswirtschaft entnehmen29. Bei der Übernahme von Ausund Fortbildungskosten der Aufsichtsratsmitglieder durch die Gesellschaft handelt es sich insoweit nicht um die Zahlung einer Aufsichtsratsvergütung i.S. von § 113 AktG30. Sofern das Gebot der Angemessenheit i.S. von §§ 670, 675 BGB gewahrt wird, bedarf es deshalb entgegen vereinzelten Empfehlungen31 auch keiner vorsorglichen Satzungsregelung32. Entscheidend ist die Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die jeweilige Maßnahme, mit der dieser das Interesse der Gesellschaft unmissverständlich zum Ausdruck bringt, sodass klargestellt wird, dass es nicht um das individuelle Fortbildungsinteresse eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds geht33. Daneben kann auch der Vorstand das Fortbildungsinteresse der Gesellschaft formulieren. Keine Bedenken bestehen deshalb, wenn die Gesellschaft auf ihre Kosten für die Aufsichtsratsmitglieder interne Informations- und Schulungsveranstaltungen z.B. zu Spezialfragen der Aufsichtsratstätigkeit oder zur neueren Rechtsentwicklung durchführt34. Im Beispiel 4 darf die Gesellschaft die Kosten der Aufsichtsratsschulung übernehmen. Derartige interne Veranstaltungen bieten gegenüber den Veranstaltungen von externen Anbietern den Vorteil, dass sie auf das jeweilige Unternehmen sowie den konkreten Bedarf der Aufsichtsratsmitglieder ausgerichtet werden können und darüber hinaus auch die Erörterung vertraulicher Vorgänge erlauben. Die interne Aufsichtsratsschulung liegt im Interesse des Unternehmens und eröffnet zudem die Möglichkeit, auf den konkreten aktuellen Handlungsbedarf, der etwa im Rahmen der Effizienzprüfung des Aufsichtsrats nach
29 Siehe dazu auch Bürkle in FS Lorenz, 2014, S. 101, 117. 30 Teilweise wohl a.A. Theisen in FS Säcker, 2011, S. 487, 509. 31 Bosse/Malchow, NZG 2010, 972, 974; siehe z.B. Punkt 9 der Tagesordnung der Hauptversammlung vom 11.6.2011 der MLP AG, abrufbar im Bundesanzeiger vom 29.4.2011. 32 Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 113 Rz. 24; Kocher/Lönner, ZCG 2010, 273, 277; Maser/Göttle, NZG 2013, 201, 206; Mutter, AG 2010, R410, R412; Wilsing in Wilsing, Deutscher Corporate Governance Kodex, 2012, 5.4.1 Rz. 15. 33 Ebenso Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 142; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 Rz. 20; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 939. 34 Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 142; Leyendecker-Langner/Huthmacher, NZG 2012, 1415, 1416; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 939; Wilsing in Wilsing, Deutscher Corporate Governance Kodex, 2012, 5.4.1 Rz. 15.
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Ziffer 5.6 Deutscher Corporate Governance Kodex festgestellt worden ist, schnell und zielgerichtet reagieren zu können. Was die Auftragserteilung für eine Schulung durch einen Rechtsanwalt oder einen Wirtschaftsprüfer anbetrifft, so kommt hierfür neben dem Vorstand35 auch der Aufsichtsrat in Betracht, der dabei im Rahmen seiner Annexkompetenz tätig wird36. In der Praxis erfolgt im Regelfall ohnehin eine Verständigung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat.
3. Aufwendungsersatz in pauschalierter Form Die persönlichen Auslagen der Aufsichtsratsmitglieder können von der Gesellschaft auch in pauschalierter Form erstattet werden, wenn sich die Höhe des Anspruchs an den typischerweise tatsächlich anfallenden Kosten des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds orientiert37. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich der Sache nach nicht mehr um Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB, sondern um eine besondere Art der Vergütung. Für derartige versteckte Vergütungen ist demgemäß § 113 AktG zu beachten, das heißt es bedarf einer entsprechenden Satzungsregelung oder eines Hauptversammlungsbeschlusses38. Zudem sind diese Zahlungen bei den Pflichtangaben im Jahresabschluss bzw. Konzernabschluss gemäß §§ 285 Nr. 9, 314 Abs. 1 Nr. 6 HGB einzubeziehen.39
35 Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/von Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 5. Aufl. 2014, Rz. 1059. 36 Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 142; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 112 Rz. 24; a.A. wohl Hambloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 113 Rz. 24; Wilsing in Wilsing, Deutscher Corporate Governance Kodex, 2012, 5.4.1 Rz. 15; ebenso wohl Bosse/Malchow, NZG 2010, 972, 974. 37 BGH v. 14.12.1987 – II ZR 53/87, DB 1988, 1007, 1009 zum Vereinsvorstand; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 113 Rz. 12; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 113 Rz. 12. 38 Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. 2014, § 113 Rz. 14; Maser/ Göttle, NZG 2013, 201, 206; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 113 Rz. 12; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 113 Rz. 12; Theisen in FS Säcker, 2011, S. 487, 500. 39 A/D/S, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995, § 285 HGB Rz. 179; Fonk, NZG 2009, 761, 767; Poelzig in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2013, § 285 Rz. 161, § 314 Rz. 47.
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4. Sach- und Beratungskosten des Aufsichtsrats a) Generelle Zuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden Vielfach fallen im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit zusätzliche Kosten an, die durch den Aufsichtsrat ausgelöst werden. Zu denken ist etwa an die Miete für den Besprechungsraum oder die Hinzuziehung von Dolmetschern, wenn die Aufsichtsratssitzung nicht in den Räumlichkeiten der AG stattfindet und der Vorstand nicht für die Anmietung des Raums sorgen konnte, z.B. weil der Aufsichtsrat bewusst ohne Kenntnis und Teilnahme des Vorstands zusammenkommen will. In dieser Situation nimmt dann der Aufsichtsratsvorsitzende die Anmietung oder die Beauftragung der Dolmetscher im Namen der AG vor. Er handelt dabei aus eigenem Recht auf Grund einer ungeschriebenen Befugnis und Vertretungsmacht, die sich als notwendige Annexkompetenz aus seiner Amtsstellung als Aufsichtsratsvorsitzender ergibt, da der Aufsichtsrat andernfalls seine Überwachungsaufgabe wie auch seine Personalverantwortung hinsichtlich des Vorstands nicht ordnungsgemäß wahrnehmen kann. Fleischer/Wedemann sprechen insoweit von einer „effektuierenden Kompetenzauslegung“40. Eines Aufsichtsratsbeschlusses für derartige Hilfsgeschäfte bedarf es insoweit – wie z.B. im Beispiel 5 – nicht41. Diese Zuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden ist im Schrifttum allgemein anerkannt; eine gesetzliche Regelung ist deshalb entgegen vereinzelten Forderungen42 entbehrlich. Die ungeschriebene Zuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Vertretung der AG leitet sich ab aus seiner Funktion als Leiter des Gremiums, das seinen gesetzlichen Überwachungsauftrag zu erfüllen und auch den übrigen organschaftlichen Aufgaben nachzugehen hat. Aus dieser Funktion bestimmt sich auch die Reichweite seiner Zuständigkeit. Die Befugnis und Vertretungsmacht des Aufsichtsratsvorsitzenden ist deshalb nach allgemeiner Ansicht insoweit anzuerkennen, als es um die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung der anstehenden Aufsichtsratssitzung geht. Hält der Aufsichtsratsvorsitzende z.B. nach 40 Fleischer/Wedemann, GmbHR 2010, 449, 455. 41 Siehe Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 107 Rz. 58; Henning/Simon, BOARD 2012, 175, 176; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 107 Rz. 53; von Schenck, AG 2010, 649, 654; E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. 2014, § 27 Rz. 10. 42 Drinhausen/Marsch-Barner, AG 2014, 337, 349; siehe auch Börsig/Löbbe in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 125, 145.
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eigenem pflichtgemäßem Ermessen die Hinzuziehung eines Beraters zur angemessenen Vorbereitung oder Durchführung der Sitzung für notwendig, so entscheidet er hierüber allein und ist auch berechtigt, den Auftrag an den Berater als sog. Hilfsgeschäft allein im Namen der Gesellschaft zu erteilen und damit für diese Zahlungsverpflichtungen zu begründen43.
b) Abgrenzung der Zuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden gegenüber der Zuständigkeit des Aufsichtsrats Trotz aller Einigkeit des Schrifttums im Grundsätzlichen ist die Reichweite der Alleinzuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden umstritten, inwieweit er sich zur Erfüllung des gesetzlichen Überwachungsauftrags gemäß § 111 Abs. 1 AktG und der übrigen Aufgaben des Aufsichtsrats z.B. bei der Hinzuziehung von Sachverständigen und Beratern auf seine ungeschriebenen Befugnisse stützen kann. Von einigen Autoren wird der notwendige weite Handlungsspielraum des Aufsichtsratsvorsitzenden im Rahmen der Sitzungsvorbereitung hervorgehoben und daraus abgeleitet, dass er insoweit nicht auf die Mitwirkung des Aufsichtsrats angewiesen sei und alleine rechtsverbindliche Erklärungen für die Gesellschaft abgeben könne44. Die Gegenansicht verlangt für sein Tätigwerden hingegen einen Beschluss des Aufsichtsrats45. Andere Autoren wollen – und dies ist verbreitete Praxis – das Tätigwerden des Aufsichtsratsvorsitzenden im Sinne der Annexkompetenz genügen lassen, sofern der Aufsichtsrat dem Vorgehen des Aufsichtsratsvorsitzenden nicht widerspricht46.
43 Vgl. z.B. Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 107 Rz. 58; Hambloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 107 Rz. 50; Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 141; Hopt/Roth, in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 Rz. 116; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 681; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 107 Rz. 43; Tomasic, in Grigoleit, AktG, 2013, § 107 Rz. 13; ebenso wohl Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S. 184. 44 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 Rz. 116; ohne Einschränkung auch Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. 2014, § 107 Rz. 8. 45 Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 141; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 681; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S. 184; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 107 Rz. 43; Tomasic, in Grigoleit, AktG, 2013, § 107 Rz. 13. 46 Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 107 Rz. 58; Mertens/ Cahn, in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 107 Rz. 53.
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Der Aufsichtsratsvorsitzende ist jedenfalls berechtigt, einer Auskunftsperson für die Teilnahme an einer Aufsichtsratssitzung im Namen der AG die Erstattung der Reisekosten zuzusagen, auch dies wird von seiner Annexkompetenz erfasst47. Die Befugnis leitet sich insoweit aus seiner Funktion als Sitzungsleiter ab, ohne dass es hierzu eines Rückgriffs auf § 109 Abs. 2 AktG bedarf. Für eine darüber hinausreichende Kompetenz des Aufsichtsratsvorsitzenden ist hingegen kein Raum und es besteht insoweit auch keine Notwendigkeit. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat vielmehr den Aufsichtsrat einzuschalten, wenn es im Namen der Gesellschaft z.B. um die Hinzuziehung eines Beraters für weitergehende Arbeiten oder die Beauftragung eines Sachverständigen geht. Dazu genügt es jedoch nicht, wenn der Aufsichtsrat die Auftragserteilung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden widerspruchslos hinnimmt, denn dies stellt keine Entscheidung des Aufsichtsrats dar. Der Aufsichtsrat kann nach einhelliger Meinung keine stillschweigenden Beschlüsse fassen48. Es bedarf deshalb eines ausdrücklichen zustimmenden Aufsichtsratsbeschlusses oder des Beschlusses eines entsprechenden Aufsichtsratsausschusses. Die oben geschilderte verbreitete Unternehmenspraxis ist deshalb bedenklich. Jenseits der Grenzen seiner Annexkompetenz, die durch die Vorbereitung und Durchführung der Aufsichtsratssitzung bestimmt werden, kann der Aufsichtsratsvorsitzende für die AG keine verbindlichen Erklärungen abgeben und an Dritte auch keine Aufträge erteilen. Im Fall der Einschaltung des Rechtsanwalts zur Klärung der Frage der Zulässigkeit des vom Vorstand vorgesehenen Beratungsvertrags mit einem Aufsichtsratsmitglied gemäß § 114 AktG (Beispiel 6) entscheidet der Aufsichtsratsvorsitzende im Rahmen seiner Annexkompetenz allein, denn für die Festlegung der Tagesordnung der Sitzung und die Beschlussfassung des Aufsichtsrats (oder eines Aufsichtsratsausschusses) muss ge-
47 Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 107 Rz. 53; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 107 Rz. 43. 48 BGH v. 21.6.2010 – II ZR 24/09, Rz. 14, AG 2010, 632; BGH v. 17.12.2001 – II ZR 288/99, AG 2002, 289; BGH v. 27.5.1991 – II ZR 87/90, AG 1991, 398; OLG München v. 19.12.2012 – 7 U 1711/12, AG 2013, 136; Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. 2014, § 108 Rz. 2; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 108 Rz. 4; E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. 2014, § 27 Rz. 47.
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klärt sein, ob über den Vertrag abgestimmt werden darf oder nicht49. Die Beauftragung des Vergütungsexperten zur Erarbeitung eines Vorstandsvergütungssystems (Beispiel 7) ist hingegen nicht mehr von der Annexkompetenz des Aufsichtsratsvorsitzenden gedeckt und kann deshalb auch nicht ohne Berücksichtigung der Rechte des Aufsichtsrats erfolgen. Gleiches gilt für die Einschaltung der Beratungsgesellschaft zur Unterstützung bei der Effizienzprüfung (Beispiel 8). Der Aufsichtsratsvorsitzende benötigt zur Auftragserteilung an den Experten einen Beschluss des Aufsichtsrats oder eines Aufsichtsratsausschusses. Existiert bei der Gesellschaft ein Aufsichtsratspräsidium, wird der Aufsichtsratsvorsitzende im Regelfall dessen Zustimmung einholen, vorausgesetzt, dass das Präsidium im Hinblick auf § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG aus mindestens drei Aufsichtsratsmitgliedern besteht50. Es steht jedoch außer Frage, dass der Aufsichtsrat bei der Entscheidung, ob er sich von außen Unterstützung besorgt, nicht von der Zustimmung des Vorstands abhängig ist. Er entscheidet aus eigenem Recht über die von ihm im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe zu ergreifenden Schritte und Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen51. Gleiches gilt auch für die Hinzuziehung von Personalberatern, und zwar sowohl, wenn es um einen Headhunter für die Suche nach einem neuen Vorstandsmitglied geht (Beispiel 5), als auch bei eigenen Personalangelegenheiten des Aufsichtsrats, wenn z.B. Aufsichtsratswahlen anstehen und ein neues Aufsichtsratsmitglied gesucht werden soll, das der Hauptversammlung zur Wahl vorgeschlagen werden soll52. In letzterem Fall muss dabei gemäß § 124 Abs. 3 Satz 5 AktG die Beschlussfassung der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner, in vielen Fällen der Nominierungsausschuss53, genügen54. In jedem Fall ist zu derartigen Maßnahmen nicht das Einverständ49 Siehe auch Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 681; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 107 Rz. 53; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 107 Rz. 43. 50 Siehe dazu nur BGH v. 27.5.1991 – II ZR 87/90, AG 1991, 398, 399; BGH v. 23.10.1975 – II ZR 90/73, BGHZ 65, 190, 192; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 107 Rz. 21; E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. 2014, § 28 Rz. 16. 51 Hasselbach, Der Aufsichtsrat 2012, 36, 37; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 658. 52 Berger, Die Kosten der Aufsichtsratstätigkeit in der AG, 2000, S. 137. 53 Siehe dazu z.B. Meder, ZIP 1538, 1542; E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. 2014, § 28 Rz. 37. 54 Unter Verkennung der Annexkompetenz des Aufsichtsrats anders Berger, Die Kosten der Aufsichtsratstätigkeit in der AG, 2000, S. 138.
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nis des Vorstands erforderlich. Deshalb hat die Gesellschaft diese Kosten zu tragen, wenn der Aufsichtsrat neben den vom Vorstand bereits hinzugezogenen internen und externen Beratern die Mandatierung von eigenen Beratern wie z.B. im Übernahmefall (Beispiel 9) für notwendig erachtet55. Bei Licht betrachtet handelt es sich auch bei der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats insoweit gleichfalls um eine ungeschriebene Annexkompetenz, die ihre Grundlage sowohl aus dessen Überwachungsauftrag nach § 111 Abs. 1 AktG56 als auch aus der Personalkompetenz hinsichtlich der Vorstandsbesetzung nach § 84 Abs. 1 und 3 AktG findet. Auch § 111 Abs. 3 AktG kann als Bezugspunkt für die Annexkompetenz des Aufsichtsrats in Betracht kommen57. § 112 AktG regelt die Vertretung der AG gegenüber dem Vorstand und ist auf Verträge mit Dritten nicht anwendbar. Hingegen lassen sich § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG für die Beauftragung von Sachverständigen sowie § 111 Abs. 2 Satz 3 für die Erteilung des Prüfungsauftrags an den bestellten Abschlussprüfer, die Ermächtigungsgrundlagen für konkrete Einzelfälle darstellen, als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes verstehen58. Hat der Aufsichtsrat eine bestimmte Aufgabe an einen Ausschuss delegiert, kommt diesem auch die mit der delegierten Aufgabe verbundene Annexkompetenz zu59. Die Annexkompetenz des Aufsichtsrats zur Vertretung der Gesellschaft ist bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Prüfung von möglichen Regressansprüchen gegen den Vorstand – wie im Beispiel 10 – offensichtlich. Sie ist aber gleichfalls im Beispiel 11 gegeben, wenn z.B. im Aufsichtsratspräsidium Zweifel an der Zulässigkeit der Kapitalmaßnahme geäußert werden und damit die Frage im Raum steht, ob die
55 Ebenso Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 144; siehe auch Lutter/Krieger/ Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 659. 56 Fleischer/Wedemann, GmbHR 2010, 449, 457; Hasselbach, Der Aufsichtsrat 2012, 36, 37; Henning/Simon, BOARD 2012, 175, 176; Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 141; Knoll/Zachert, AG 2011, 309, 311; Werner, ZGR 1989, 369, 383; Wagner in Semler/von Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 4. Aufl. 2013, § 11 Rz. 91. 57 LG Frankfurt v. 16.8.2013 – 3-05 O 178/13, NZG 2014, 1232 mit zustimmender Anm. Rahlmeyer/Groh. 58 Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 112 Rz. 3; Fleischer/Wedemann, GmbHR 2010, 449, 451; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005 § 112 Rz. 62; Werner, ZGR 1989, 369, 383; a.A. Von Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl. 1971, § 109 Anm. 5. 59 Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 142.
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vom Vorstand vorgesehene Kapitalmaßnahme im Aufsichtsrat überhaupt zur Abstimmung gestellt werden kann. Bei der Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe ist der Aufsichtsrat unstreitig weisungsfrei; dem Vorstand steht deshalb in den Beispielsfällen 9 und 11 auch nicht der Einwand zu, der Aufsichtsrat könnte sich auch der internen oder externen Berater des Vorstands bedienen, sodass es der Beauftragung weiterer Berater nicht bedürfe. Die Gesellschaft hat auch das Honorar dieser Berater zu bezahlen. Ebenso wenig kann der Vorstand etwa im Beispielsfall 5 vom Aufsichtsrat verlangen, die Vorstandsneubesetzung ohne die Hinzuziehung eines Personalberaters durchzuführen. Von der Annexkompetenz des Aufsichtsrats werden allerdings nur diejenigen Maßnahmen erfasst, die von seiner gesetzlichen Aufgabenstellung gedeckt sind. Nach § 111 Abs. 2 AktG kann der Aufsichtsrat beschließen, Einsichten in die Bücher der Gesellschaft zu nehmen und dazu auch Sachverständige bestellen. Diese spezielle Überwachungsbefugnis beschränkt sich jedoch de lege lata60 auf die Gesellschaft selbst; sie erstreckt sich nach allgemeiner Ansicht nicht auf die Einsichtnahme bei Tochtergesellschaften61. Vor diesem Hintergrund scheidet ein Erstattungsanspruch im Beispiel 12 im Grundsatz aus, auch wenn der Aufsichtsrat oder der Prüfungsausschuss die Maßnahme beschlossen hat. In der Praxis kann aber davon ausgegangen werden, dass die Besichtigung des Zweigwerks nicht ohne Begleitung eines Vorstandsmitglieds oder des zuständigen Projektleiters – und damit nicht ohne Einverständnis des Vorstands – erfolgt.
III. Die Abwicklung der Auslagen und Aufwendungen im Einzelnen 1. Handhabung der Abrechnung in der Unternehmenspraxis Das Gesetz enthält keine Regelung über die Abwicklung und Abrechnung der den Aufsichtsratsmitgliedern aus ihrer Tätigkeit entstehenden Kosten oder der vom Aufsichtsrat für die AG erteilten Aufträge. Vor die60 Zu weitergehenden Vorschlägen siehe z.B. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rz. 22; zustimmend z.B. Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 Rz. 436. 61 Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 111 Rz. 64; Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 150; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 Rz. 435; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 245.
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sem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass es an einer einheitlichen Unternehmenspraxis hinsichtlich der Kostenerstattung bzw. Kostenübernahme fehlt. In den meisten Fällen erfolgt die Abwicklung formlos, indem die Aufsichtsratsmitglieder die Belege über ihre jeweiligen Auslagen formlos der im Unternehmen bestimmten Stelle oder Abteilung (Buchhaltung, Vorstandsbüro, Aufsichtsratsbüro) einreichen, ohne dass der Aufsichtsratsvorsitzende persönlich eingebunden ist. Hat der Aufsichtsratsvorsitzende selbst in Vertretung der Gesellschaft einen Vertrag geschlossen, leitet er ihr die von ihm abgezeichnete Rechnung zusammen mit dem Vertrag mit der Bitte um Erledigung zu. Empfänger der Unterlagen kann dabei das Vorstandsbüro oder das Aufsichtsratsbüro oder, falls beides nicht existieren sollte, der Vorstandsvorsitzende sein62.
2. Prüfungs- und Entscheidungskompetenz a) Unklare rechtliche Ausgangslage Ungeachtet der Tatsache, dass die Abwicklung im Regelfall problemlos vonstatten geht, ist nicht zu leugnen, dass die Kostenerstattung gegenüber dem Aufsichtsratsmitglied zu einer Zahlung der AG an das Aufsichtsratsmitglied führt, bzw. bei Begleichung einer der Gesellschaft überlassenen Rechnung die Zahlung der AG unmittelbar an den Dritten erfolgt. In beiden Fällen führt dies zu der Frage, wer die Belege seitens der Gesellschaft prüft, bevor die Freigabe und Zahlung erfolgen kann. Die generelle Verantwortung für die Konten und den Zahlungsverkehr der AG liegt grundsätzlich beim Vorstand als Teil seiner Geschäftsführungskompetenz. Demgemäß kommen Zahlungen der AG grundsätzlich nur mit Freigabe durch den Vorstand in Betracht, der diese Aufgabe in der Unternehmenspraxis typischerweise intern delegiert. Die Freigabe einer Zahlung setzt die Prüfung des Vorgangs, das heißt das Bestehen des Zahlungsanspruchs dem Grund und der Höhe nach voraus. Geht es um Zahlungen der AG unmittelbar an ein Aufsichtsratsmitglied, ist festzustellen, dass gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist, wer diese Prüfung vorzunehmen hat. Die unklare normative Ausgangslage ist besonders misslich, da § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG ausdrücklich die Verantwortung und Haftung des Vorstands für den Fall betont, dass gesetzes-
62 Siehe auch Hasselbach, Der Aufsichtsrat 2012, 36, 37; Knoll/Zachert, AG 2011, 309, 310.
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widrige Zahlungen an die Aufsichtsratsmitglieder erfolgen. Diese Regelung bezieht sich nach zutreffender Ansicht gerade auf Zahlungen, die unter Verstoß gegen §§ 113, 114 AktG erfolgen63. Angesichts dieser diffusen rechtlichen Ausgangslage ist nicht verwunderlich, dass die Meinungen hinsichtlich der Prüfungs- und Entscheidungskompetenz im Schrifttum geteilt sind.
b) Meinungsstand Einige Autoren verweisen auf die Vertretungsmacht des Vorstands nach § 78 AktG und begründen damit dessen Zuständigkeit, als Vertreter der AG den Abrechnungsvorgang zu prüfen und die entsprechende Zahlung freizugeben64. Andere lehnen eine Zuständigkeit des Vorstands ab. Sie betonen die notwendige Unabhängigkeit des Aufsichtsrats gerade gegenüber dem Vorstand und sprechen sich deshalb für die alleinige Zuständigkeit des Aufsichtsrats aus, über die Auslagenerstattung zu befinden65.
c) Eigene Auffassung Festzustellen ist zunächst, dass es sich bei der Zahlung der Auslagenerstattung an die Aufsichtsratsmitglieder nicht um eine Vergütung für eine von diesen erbrachte Leistung handelt, sodass die Zuständigkeit der Hauptversammlung ausscheidet; § 113 AktG ist deshalb nicht anwend-
63 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rz. 249; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rz. 132. 64 Berger, Die Kosten der Aufsichtsratstätigkeit in der AG, 2000, S. 126; Bosse/ Malchow, NZG 2010, 972, 973; Fonk, NZG 2009, 761, 765; Hambloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 107 Rz. 50; Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht AG, 4. Aufl. 2015, § 33 Rz. 16; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, 5. Aufl. 2003, Rz. 447; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 113 Rz. 9; im Ergebnis ebenso – wenn auch die Problematik verharmlosend – Grigoleit/Tomasic in Grigoleit, AktG, 2013, § 113 Rz. 18. 65 Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 113 Rz. 26; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005 § 113 Rz. 26; Knoll/Zachert, AG 2011, 309, 312; Leyendecker-Langner/Huthmacher, NZG 2012, 1415, 1418; Maser/ Göttle, NZG 2013, 201, 207; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 113 Rz. 13; Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 402; Thüsing/Veil, AG 2008, 359, 365.
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bar66. Aus denselben Gründen kommt auch eine Satzungsregelung zur Regelung der Zuständigkeiten nicht in Betracht67. Aufwendungsersatz lässt sich keinesfalls als „Unterfall der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder“ qualifizieren68. Im Übrigen könnte eine Beschlussfassung der Hauptversammlung oder eine Satzungsregelung ohnehin nur den abstrakten Rahmen für die Auslagenerstattung festlegen. Damit wäre die Frage der Recht- und Ordnungsmäßigkeit der Auslagenerstattung im konkreten Einzelfall nicht beantwortet; die Prüfungszuständigkeit in der Gesellschaft bliebe weiterhin offen. Es ist unbestritten, dass dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied ein gesetzlicher Anspruch auf Erstattung der angemessenen Auslagen zusteht. Hieraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die von einem Aufsichtsratsmitglied zur Abrechnung vorgelegten Belege ungeprüft und uneingeschränkt zur Freigabe und Zahlung in entsprechender Höhe durch die Gesellschaft führen müssen. Enthält die Abrechnung z.B. Rechenfehler, die zu einem überhöhten Erstattungsbetrag führen, ist offensichtlich, dass eine Zahlung nicht erfolgen darf. Gleiches gilt, wenn die eingereichten Belege nicht den maßgeblichen Anlässen der Gesellschaft zugeordnet werden können, etwa wenn die Übernachtungskosten des Aufsichtsratsmitglieds ganz oder teilweise im Zusammenhang mit anderen Vorgängen angefallen sind und der Gesellschaft irrtümlich in Rechnung gestellt werden. Da der Vorstand, wie sich § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG entnehmen lässt, keine unzulässigen Zahlungen unter dem Titel der Auslagenerstattung gewähren darf, muss er sicherstellen, dass Erstattungsverlangen von Aufsichtsratsmitgliedern oder eine Aufforderung die Rechnung eines Dritten zu begleichen, auf ihre Rechtmäßigkeit hin geprüft werden69. Die Prüfungskompetenz des Vorstands – bzw. die der 66 Diekmann/Wurst, NZG 2014, 121, 126; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 113 Rz. 2b; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 657; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 113 Rz. 9; Thüsing/Veil, AG 2008, 359, 363; Wagner in Semler/von Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 4. Aufl. 2013, § 11 Rz. 85; a.A. Theisen in FS Säcker, 2011, S. 487, 492, 495; Theisen, BFuP 2012, 349, 357; wohl auch Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 Rz. 18 a.E. 67 Nachweise in voriger Fußnote. 68 So aber Bosse/Malchow, NZG 2010, 972, 974. 69 Berger, Die Kosten der Aufsichtsratstätigkeit in der AG, 2000, S. 125; Fonk, NZG 2009, 761, 765; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, 5. Aufl. 2003, Rz. 447; Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht AG, 4. Aufl. 2015. § 33 Rz. 14; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten
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von ihm beauftragten Sachbearbeiter – findet ihre Schranken dort, wo die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats bei der Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe berührt ist. Mit anderen Worten, wenn es um Fragen der Notwendigkeit und Angemessenheit der vom Aufsichtsratsvorsitzenden oder einem Aufsichtsratsmitglied in Rechnung gestellten Aufwendungen geht, kommt dem Vorstand keinerlei Prüfungskompetenz zu70. Vielmehr entscheidet der Aufsichtsrat selbst, wie er seine Überwachungsaufgabe im Einzelnen wahrnimmt. In Zweifelsfällen hat der Vorstand dem Aufsichtsrat Gelegenheit zur Selbstkontrolle zu geben. Der Aufsichtsratsvorsitzende oder ein entsprechender Ausschuss – Letzterer insbesondere dann, wenn es um Erstattungsangelegenheiten des Aufsichtsratsvorsitzenden geht – haben dann zu entscheiden71. Diese Entscheidung ist für den Vorstand verbindlich, eine Haftung nach § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG scheidet aus. Im Streitfall hat das Aufsichtsratsmitglied gegen die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, Klage auf Zahlung bzw. Freistellung zu erheben.
3. Zwischenfazit Den Mitgliedern des Aufsichtsrats steht für die Aufwendungen, die ihnen im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit sowie bei Personalmaßnahmen entstehen, kraft Gesetzes ein gesetzlicher Erstattungsanspruch gegen die AG zu, wobei im Interesse der Unabhängigkeit der Wahrnehmung der organschaftlichen Aufgaben die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen grundsätzlich allein vom Aufsichtsrat zu beurteilen sind. Darüber hinaus kommt dem Aufsichtsrat eine ungeschriebene Annexkompetenz zur Beauftragung von Beratern und von Sachverständigen im Namen der Gesellschaft zu, deren Rechtsgrundlage sich aus den in §§ 84 Abs. 1 und 3 sowie 111 Abs. 1 AktG angeordneten Aufgaben ergibt.
des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 658; zurückhaltender Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 402; a.A. Hambloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 113 Rz. 25. 70 Hasselbach, Der Aufsichtsrat 2012, 36, 38; a.A. Berger, Die Kosten der Aufsichtsratstätigkeit in der AG, 2000, S. 126; Hambloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 113 Rz. 25. 71 Fonk, NZG 2009, 761, 765; Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht AG, 4. Aufl. 2015, § 33 Rz. 16; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 Rz. 27.
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IV. Budgetrecht des Aufsichtsrats 1. Vorbemerkung Vor mehr als 20 Jahren hat Semler berichtet, dass die Abwicklung der Aufwendungen des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder in der Unternehmenspraxis keine Probleme bereitet72. Dieses Bild scheint seit einigen Jahren ins Wanken zu geraten sein. Denn anders lässt sich die Zahl der Veröffentlichungen, die in den letzten Jahren zum Budgetrecht des Aufsichtsrats erschienen sind, nicht erklären. Ein Grund für die Zunahme der Probleme und Zweifelsfragen mag in der verstärkten Professionalisierung des Aufsichtsrats, der Zunahme von quasi hauptamtlichen Aufsichtsratsmitgliedern und den von den Betroffenen verstärkt wahrgenommenen Haftungsrisiken liegen, die allesamt dazu beitragen, dass der finanzielle Aufwand des Aufsichtsrats ansteigt; sei es durch höhere persönliche Ausgaben der Mitglieder oder die verstärkte Hinzuziehung von externen Beratern.
2. Meinungsstand Neuerdings wird von einigen Autoren, angestoßen von Theisen73, vorgeschlagen den Aufsichtsrat als eigene Kostenstelle zu qualifizieren, die mit einem jährlich zu beziffernden Budget ausgestattet wird, das der Aufsichtsrat in eigener Regie und Verantwortung verwaltet74. Das Budget soll analog § 113 AktG in der Satzung festgelegt oder von der Hauptversammlung bewilligt werden75. Teilweise wird vorgeschlagen, dass das Budget zwischen Aufsichtsrat und Vorstand einvernehmlich festgelegt wird76. Zielsetzung des eigenen Budgets des Aufsichtsrats ist es, dessen Unabhängigkeit gegenüber dem Vorstand bei der Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe sicherzustellen, indem der Aufsichtsrat im Rahmen des verabschiedeten Budgets in eigener Regie über die ange72 Semler in FS Claussen, 1997, S. 381. 73 Theisen, Der Aufsichtsrat 2011, 1. 74 Theisen in FS Säcker, 2011, S. 487, 511; Theisen, BFuP 2012, 349, 360; Diekmann/Wurst, NZG 2014, 121, 126; Hennrichs in FS Hommelhoff, 2012, S. 383, 392; Knoll/Zachert, AG 2011, 309, 311 ff.; siehe auch Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 Rz. 237. 75 Theisen in FS Säcker, 2011, S. 487, 511; Theisen, BFuP 2012, 349, 359. 76 Knoll/Zachert, AG 2011, 309, 313; ebenso Diekmann/Wurst, NZG 2014, 121, 126; wohl auch Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht AG, 4. Aufl. 2015, § 33 Rz. 17.
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fallenen Aufwendungen entscheiden und deren Erstattung auf Grund einer eigenen Kontovollmacht selbst veranlassen kann. Die herrschende Meinung im Schrifttum lehnt demgegenüber ein solches Budgetrecht sowie den eigenen Kontozugang des Aufsichtsrats ab77.
3. Eigene Auffassung a) Zuständigkeit Erste Bedenken gegen ein Budget des Aufsichtsrats ergeben sich hinsichtlich der Zuständigkeit der Hauptversammlung zur Festlegung des Aufsichtsratsbudgets78. Nach § 119 Abs. 1 AktG ist die Zuständigkeit der Hauptversammlung beschränkt auf die gesetzlich normierten Fälle. Die Hauptversammlung kann unstreitig für die Organe der Gesellschaft in der Satzung weder neue Kompetenzen begründen noch vorhandene Kompetenzen anderer Organe an sich ziehen, es sei denn das Gesetz lässt dies ausdrücklich zu79. Die Beschränkungen von § 23 Abs. 5 AktG werden durch § 119 Abs. 1 AktG – ungeachtet seines missverständlichen Wortlauts – nicht aufgehoben80. Mit der Einrichtung eines Budgets für den Aufsichtsrat soll diesem ein fester finanzieller Rahmen eingeräumt werden einerseits für die Kosten der von ihm namens der AG erteilten Aufträge an Berater und Sachverständige sowie andererseits für die Aufwendungen seiner Mitglieder, die nicht als Aufsichtsratshonorar betrachtet werden können. In beiden Konstellationen geht es also gerade nicht um eine Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder für ihre Tätigkeit, sodass § 113 AktG als Ermächtigungsgrundlage nicht – auch nicht ana-
77 Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 111 Rz. 27; Habersack, AG 2014, 1, 7; Hasselbach, Der Aufsichtsrat 2012, 36, 37; Henning/Simon, BOARD 2012, 175, 178; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 111 Rz. 24; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 658; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 112 Rz. 26; von Schenck in Semler/von Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 4. Aufl. 2013, § 1 Rz. 305. 78 Ebenso Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 111 Rz. 24; a.A. Theisen, Der Aufsichtsrat, 2011, 1; Theisen in FS Säcker, 2011, S. 487, 511. 79 Herrler in Grigoleit, AktG, 2013, § 119 Rz. 1; Hoffmann in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 119 Rz. 48; Kubis in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 119 Rz. 17; Reger in Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. 2014, § 119 Rz. 7. 80 Hoffmann in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 119 Rz. 48; Reger in Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. 2014, § 119 Rz. 7.
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log – herangezogen werden kann81. Vielmehr geht es um die bei ihrer Tätigkeit anfallenden erforderlichen Aufwendungen. Hierfür bilden jedoch §§ 670, 675 BGB die verbindliche Anspruchsgrundlage. Die Hauptversammlung kann insoweit den Anspruch der Aufsichtsratsmitglieder auf Erstattung der Aufwendungen mangels Zuständigkeit weder dem Grunde nach noch der Höhe nach regeln82. Würde der Hauptversammlung die Zuständigkeit überantwortet, das Budget des Aufsichtsrats für die Kosten der von ihm wahrzunehmenden Aufgaben und für die Aufwendungen der Aufsichtsratsmitglieder festzulegen, würde ihr damit de facto indirekt auch die Möglichkeit eingeräumt, den Umfang und die Intensität der Überwachungstätigkeit zu bestimmen, was nicht mit dem Wesen der gesetzlichen Überwachungsaufgabe zu vereinbaren ist. Der Umfang und die Intensität der Überwachung stehen nicht zur Disposition der Hauptversammlung. Dies ist z.B. bei der Erteilung des Prüfungsauftrags an den bestellten Abschlussprüfer gemäß § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG ganz offensichtlich. Die Hauptversammlung beschließt über den vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Abschlussprüfer oder bestellt entgegen dem Vorschlag des Aufsichtsrats einen anderen Abschlussprüfer. Die Festlegung des Prüferhonorars wie auch die Vereinbarung der übrigen Vertragsbedingungen des Prüfungsauftrags obliegt aber gemäß § 111 Abs. 3 Satz 2 AktG stets allein dem Aufsichtsrat, der hierüber eigenverantwortlich zu beschließen hat83. Auf Basis der Vereinbarung mit dem Aufschlussprüfer hat der Vorstand im Jahresabschluss gemäß § 249 Abs. 1 HGB eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden84. Auch für den Fall der Beauftragung von Sachverständigen durch den Aufsichtsrat gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG kann die Hauptversammlung weder direkt noch indirekt Vorgaben an den Aufsichtsrat beschließen. Entsprechendes gilt für die 81 Ebenso wohl Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 657; a.A. Theisen in FS Säcker, 2011, S. 487, 511; Theisen, BFuP 2012, 349, 359; wohl auch Thüsing/Veil, AG 2008, 359, 367. 82 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 657; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 112 Rz. 26; a.A. Thüsing/Veil, AG 2008, 359, 367, die übersehen, dass die Gewährung von Aufwendungsersatz über das Maß der Angemessenheit gemäß § 677 BGB hinaus als Vergütung i.S. von § 113 AktG zu qualifizieren ist. 83 Siehe z.B. von Schenck in Semler/von Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 4. Aufl. 2013, § 1 Rz. 72. 84 Schubert in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 9. Aufl. 2014, § 249 HGB Rz. 100.
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Personalmaßnahmen, die der Aufsichtsrat im Rahmen seiner gesetzlichen Personalkompetenz gemäß § 84 Abs. 1 und 3 AktG ergreift; auch hier steht es der Hauptversammlung nicht zu, etwa mittels Erlass von Richtlinien oder über sonstige Vorgaben an den Aufsichtsrat in dessen Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgabe einzugreifen85. So kann die Hauptversammlung dem Aufsichtsrat hinsichtlich der Hinzuziehung von Personalberatern bei der Suche nach geeigneten Personen für die Wahl in den Aufsichtsrat keine Beschränkungen auferlegen. Hier ist allein die Verantwortung des Aufsichtsrats gefordert. Die Tatsache, dass auf Grund der vom Aufsichtsrat erteilten Aufträge an Berater und Sachverständige unerwartete finanzielle Belastungen auf die Gesellschaft zukommen können und damit die vom Vorstand zu verantwortende Finanzierung der Aktivitäten der Gesellschaft berührt ist, vermag keine Aufweichung der aktienrechtlichen Zuständigkeiten zu rechtfertigen86. Was die Kontovollmacht des Aufsichtsrats anbetrifft, so würde damit dem Aufsichtsrat entgegen § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG eine Berechtigung zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft im Außenverhältnis eingeräumt, die das AktG – abgesehen von den Fällen nach §§ 111 Abs. 3 Satz 2 und 112 AktG – nicht vorsieht. Die Vertretung der AG im Geschäftsverkehr mit Kreditinstituten liegt nach § 78 AktG allein beim Vorstand, der die vom Aufsichtsrat auf Grund seiner Annexkompetenz namens der AG eingegangenen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen hat87. Der Hauptversammlung fehlt insoweit jedenfalls de lege lata die Zuständigkeit, dies zu ändern, § 119 Abs. 1 AktG88.
b) Mangelnde Steuerungsfunktion des Budgets Bei dem Budget handelt es sich um einen Begriff aus dem öffentlichen Haushaltsrecht. Im Bereich der privaten Unternehmen dient das Budget der Planung und Steuerung der Unternehmenstätigkeit. Dass insoweit 85 Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 120 Rz. 24; Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 120 Rz. 60; E. Vetter, ZIP 2009, 1307, 1309; E. Vetter, ZIP 2009, 2136, 2140 jeweils zur Vorstandsvergütung. 86 A.A. Theisen in FS Säcker, 2011, S. 487, 511. 87 Siehe dazu auch Habersack, AG 2014, 1, 7; Hasselbach, Der Aufsichtsrat 2012, 36, 38; von Schenck in Semler/von Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 4. Aufl. 2013, § 1 Rz. 304. 88 Für eine Kontovollmacht des Aufsichtsratsvorsitzenden de lege ferenda von Schenck in Semler/von Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 4. Aufl. 2013, § 1 Rz. 305.
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der Aufsichtsrat eines eigenen von der Hauptversammlung festgelegten Budgets bedarf, ist nicht ersichtlich. Es wurde bereits bei der Darstellung der Abrechnungspraxis und der Erörterung der Frage der Erstattung von Aufwendungen der Aufsichtsratsmitglieder festgestellt, dass die Zuständigkeit für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Aufwendungen und die Entscheidung über die Erstattung seitens der AG – abgesehen von der Prüfung der formalen, rechnerischen Richtigkeit – allein beim Aufsichtsrat liegt89. Die Zuständigkeit beruht auf der Verantwortung des Aufsichtsrats, eigenverantwortlich zu entscheiden, in welcher Weise und mit welchen Mitteln er seiner gesetzlichen Überwachungsaufgabe nachkommen will. Die Überwachung ist keine starre Aufgabe des Aufsichtsrats, sondern hängt nach herrschender Ansicht von der wirtschaftlichen Entwicklung und Risikolage ab, in der sich die Gesellschaft befindet. So hat der Aufsichtsrat seine Überwachungstätigkeit zu verdichten, wenn sich für die Gesellschaft erhöhte Risiken abzeichnen oder wenn die Gesellschaft gar in die Krise gerät90. Von dieser Verantwortung kann die Hauptversammlung dem Aufsichtsrat und seinen Mitgliedern auch durch die Festlegung eines Budgets keinen Dispens erteilen. Vor diesem Hintergrund ist das Aufsichtsratsbudget nicht geeignet, Steuerungsfunktion zu entfalten. Der Aufsichtsrat hat seine Überwachungsfunktion als organschaftliche Aufgabe eigenverantwortlich wahrzunehmen und die aus seiner Sicht in der jeweiligen konkreten Lage des Unternehmens notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, auch wenn das verabschiedete Budget bereits erschöpft sein sollte. Andererseits darf er, sollte das Budget zum Ende eines Geschäftsjahres erkennbar nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen worden sein, keine großzügigere Ausgabenpraxis anwenden und den verbleidenden Teil des Budgets weder für bisher nicht für notwendig erachtete Überwachungsmaßnahmen verwenden noch etwa für andere Aufgaben nutzen, bei denen die
89 Siehe oben unter III.2.c. 90 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 131; OLG Düsseldorf v. 31.5.2012 – I-16 U 176/10, Rz. 44, AG 2013, 171; OLG Stuttgart v. 19.6.2012 – 20 W 1/12, AG 2012, 762, 763; OLG Stuttgart v. 29.2.2012 – 20 U 3/11, AG 2012, 298, 300; OLG Hamburg v. 12.1.2001 – 11 U 162/00, AG 2001, 359, 362; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 111 Rz. 15; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 94; E. Vetter in MarschBarner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. 2014, § 26 Rz. 14; siehe bereits Semler Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rz. 231; kritisch etwa Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 111 Rz. 23; Wardenbach, KSzW 2010, 114, 115.
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damit verbundenen Kosten bei strenger Betrachtung nicht als erstattungsfähige Aufwendungen i.S. von §§ 670, 675 BGB betrachtet werden könnten. Für die anderen dem Aufsichtsrat neben dem Überwachungsauftrag gesetzlich zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Kosten gelten diese Grundsätze in gleicher Weise.
c) Untauglichkeit des Budgets Die Aufsichtsratstätigkeit beinhaltet in der Praxis nicht selten besondere Herausforderungen, für die sich im Rahmen der Planung keine speziellen Vorkehrungen treffen lassen. Der Umstand, dass die Gesellschaft das Ziel eines Übernahmeangebotes wird oder dass der Verdacht aufkommt, dass ein Vorstandsmitglied dem Unternehmen durch pflichtwidriges Verhalten einen erheblichen Schaden zugefügt hat, lässt sich nicht planen und kann auch nicht durch pauschale Annahmen im Rahmen eines Budgets berücksichtigt werden. Treten solche Umstände jedoch ein, so ist der Aufsichtsrat in besonderer Weise gefordert. Sein Einsatz ist dann – wie in den Beispielsfällen Nr. 9 und 10 nicht selten – mit erheblichen außergewöhnlichen Aufwendungen verbunden. Hierüber hat der Aufsichtsrat in eigener Verantwortung zu entscheiden und dies wäre auch im Falle eines von der Hauptversammlung festgesetzten Budgets nicht anders. Gerade in Situationen, die außerhalb der Routineangelegenheiten des Aufsichtsrats liegen und in denen die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats in erhöhtem Maße tangiert ist, ist die verantwortungsbewusste Entscheidung über das Ergreifen gezielter Maßnahmen oder die Einschaltung eines Beraters zur Vorbereitung oder Durchführung einer bestimmten Maßnahme besonders gefordert. Das Aufsichtsratsbudget erweist sich damit speziell in Situationen als untauglich, in denen es gerade die ihm von seinen Protagonisten zugesprochene Schutzfunktion zur Wirkung bringen soll91. Aber auch wenn man das Aufsichtsratsbudget nur für die Routineangelegenheiten im Rahmen der Wahrnehmung der dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben vorsehen wollte, würde der Vorschlag zu kurz greifen. Für einen Beschluss der Hauptversammlung zur Festlegung des Budgets des Aufsichtsrats bedarf es nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG eines Beschlussvorschlags nicht nur des Aufsichtsrats, sondern eines Vor-
91 Ebenso von Schenck in Semler/von Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 4. Aufl. 2013, § 1 Rz. 305.
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schlags von Vorstand und Aufsichtsrat92, sodass der Aufsichtsrat dem Vorstand vor Beginn des Geschäftsjahres für die Verabschiedung von dessen Beschlussvorschlag an die Hauptversammlung zuvor seine Vorstellungen und planerischen Annahmen über die inhaltliche Zusammensetzung des Aufsichtsratsbudgets übermitteln müsste. Mit einer solchen Begründungslast würde gerade die Basis für die Abhängigkeit des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand begründet, die die Mindermeinung mit der Einrichtung eines Aufsichtsratsbudgets vermeiden will. Aus den gleichen Gründen führt auch die Annahme einer eigenen Kompetenz des Aufsichtsrats zur gemeinsame Budgetfestlegung mit dem Vorstand, wie sie teilweise vorgeschlagen wird93, nicht weiter. Sie ist mit der unabhängigen Stellung des Aufsichtsrats nicht vereinbar, denn der Aufsichtsrat müsste dazu bereits im Voraus die von ihm im Rahmen der Überwachung geplanten oder erwarteten Maßnahmen sowie seine mit den weiteren organschaftlichen Aufgaben verbundenen Tätigkeiten mit dem Vorstand abstimmen.
V. Fazit 1. Die vom Aufsichtsrat und seinen Mitgliedern veranlassten Aufwendungen, die bei Wahrnehmung der nach § 111 Abs. 1 AktG bestimmten Überwachungsaufgabe wie auch der übrigen gesetzlichen Aufgaben (§ 84 Abs. 1 und 3 AktG) anfallen, sind im Rahmen der Angemessenheit erstattungspflichtig. 2. Abgesehen von der Prüfung von Förmlichkeiten liegt die Zuständigkeit für die Prüfung und Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen der Aufsichtsratsmitglieder beim Aufsichtsrat, der hiermit einen Ausschuss betrauen kann. 3. Dem Aufsichtsrat steht eine sich aus dem Überwachungsauftrag (§ 111 Abs. 1 AktG) und seinen übrigen gesetzlichen Aufgaben (§ 84 Abs. 1 und 3 AktG) resultierende Annexkompetenz zu, auf Kosten der Gesellschaft Maßnahmen zu ergreifen und z.B. in ihrem Namen Aufträge an Berater und Sachverständige zu erteilen, deren Vergütung von der Gesellschaft zu zahlen ist.
92 Die Beschlussvorschläge müssen nicht einheitlich sein, siehe nur Hüffer/ Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 124 Rz. 16. 93 Knoll/Zachert, AG 2011, 309, 313; ebenso Diekmann/Wurst, NZG 2014, 121, 126; dagegen auch Hasselbach, Der Aufsichtsrat 2012, 36, 38.
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4. Der Einrichtung eines von der Hauptversammlung verabschiedeten Aufsichtsratsbudgets bedarf es nicht. Im Normalfall ist das Budget überflüssig, da es den Aufsichtsrat nicht vom verantwortungsbewussten, sorgfältigen und sparsamen Umgang mit den finanziellen Mitteln des Unternehmens bei der Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe sowie den übrigen gesetzlichen Aufgaben entbindet. Auch die das Aufsichtsratsbudget übersteigenden Ausgaben, die z.B. auf Grund der vom Aufsichtsrat im Wege der Annexkompetenz eingegangenen Zahlungsverpflichtungen anfallen, sind von der Gesellschaft zu erfüllen. Im Ausnahmefall des ausgeschöpften Budgets erweist es sich als untauglich, weil der Aufsichtsrat nach sorgfältiger Abwägung eigenverantwortlich die im Interesse des Unternehmens und zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig erscheinenden Schritte und Maßnahmen ergreifen muss, auch wenn insoweit kein Aufsichtsratsbudget mehr verfügbar ist.
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Bericht über die Diskussion des Referats E. Vetter Dr. Marc Peters, LL.M. oec. Rechtsanwalt, Köln
I. Die Diskussion wurde von J. Vetter geleitet. Er dankte E. Vetter für sein überzeugendes Referat, in dem er zahlreiche Gesetzeslücken aufgezeigt und praktikablen Lösungen zugeführt habe. Er wies darauf hin, dass die folgende Diskussion nicht in verschiedene Blöcke aufgeteilt werde, sondern von Anfang an die Möglichkeit bestehe, zu sämtlichen Punkten des Vortrags Stellung zu nehmen.
II. Den ersten Diskussionsbeitrag lieferte Heidel, der den Ausführungen von E. Vetter im Grundsatz zustimmte, jedoch anmerkte, man müsse weiter gehen in Bezug auf die Kontovollmacht des Aufsichtsrats. Er verwies insoweit auf zwei Situationen, die er selbst erlebt habe – zum einen als besonderer Vertreter und zum anderen als Berater des Aufsichtsrats, der eine Komplementärin in einer KGaA auf Schadensersatz in Anspruch nehmen wollte –, in denen sich der Vorstand jeweils geweigert habe, den angeforderten Gerichtskostenvorschuss einzuzahlen. Er betonte, dass der Aufsichtsrat auch die Kompetenz haben müsse, seine Berater zu bezahlen, sofern man ihm eine Annexkompetenz zur Beauftragung von Beratern zubillige. Der Aufsichtsrat könne nicht darauf angewiesen sein, dass der Vorstand die Banküberweisung vornehme.
III. Hommelhoff widersprach der aus seiner Sicht zu restriktiven Auslegung von § 113 AktG durch den Vortragenden. § 113 AktG sei Ausdruck der Tatsache, dass die Hauptversammlung zuständig für die Entscheidung darüber sei, was die Aufsichtsratsmitglieder im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit von der Gesellschaft erhalten. Dies sei zwar nur für die Vergütung ausformuliert. Hieraus sei aber der allgemeine Gedanke abzuleiten, dass Geldströme an den Aufsichtsrat eines Hauptversammlungsbeschlusses bedürfen. Hommelhoff verwies insoweit auf die Mög-
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lichkeit eines Beschlusses zu einer entsprechenden Richtlinie durch die Hauptversammlung. Der Aufsichtsrat selbst komme für eine entsprechende Beschlussfassung nicht in Betracht, da er sich dem Vorwurf aussetzen würde, die Grundlagen zu schaffen, um im Anschluss in die eigene Tasche zu wirtschaften.
IV. Ziemons führte aus, dass der Aufsichtsrat nicht nur für seine Überwachungsaufgabe Berater hinzuziehen dürfe, sondern für sämtliche Aufgaben. Er habe insoweit auch das Recht, bei Personalangelegenheiten auf Kosten der Gesellschaft einen Personalberater zu beauftragen. Wenn man eine Annexkompetenz für die Beauftragung von Beratern annehme, müsse dies auch für die Bezahlung der Berater gelten. Der Aufsichtsrat müsse die Möglichkeit haben, die Zahlung derjenigen Beträge bei der Bank anzuweisen, die er als Gremium für erforderlich halte. Durch eine Festschreibung des Aufsichtsratsbudgets in der Satzung werde die Standardausstattung des Aufsichtsrats für wiederkehrende Aufgaben definiert. In Sondersituationen, wie z.B. bei Übernahmen, könne der Aufsichtsrat über diese Standardausstattung hinausgehen.
V. Im Anschluss richtete Doralt zwei Fragen an den Vortragenden. Zunächst warf er die Frage auf, ob der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Überwachungs- und sonstigen Kompetenzen nicht nur die Befugnis habe, z.B. einen Berater zu beauftragen, sondern insoweit auch eine organschaftliche Vertretungsbefugnis habe. Zudem fragte er, in welchem Umfang dies mit welchen juristischen Konstruktionen auf den Vorsitzenden des Aufsichtsrats übertragbar sei.
VI. Nachdem die ersten Wortmeldungen abgearbeitet waren, nahm E. Vetter hierzu Stellung. Er führte aus, dass aus seiner Sicht die rechtsgeschäftliche Vertretung der Gesellschaft nach außen durch den Aufsichtsrat limitiert sei. Das Gesetz sehe für den Aufsichtsrat lediglich eine Vertretungskompetenz gegenüber dem Vorstand vor. Die Vorschrift des § 78 AktG sei demgegenüber für den Vorstand eine allumfassende Norm. Vor
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dem Hintergrund dieser gesetzlichen Ausgangslage könne man dem Aufsichtsrat keine Vertretungskompetenz gegenüber Dritten zuweisen. Sodann ging E. Vetter auf den Beitrag von Hommelhoff ein und merkte hierzu an, dass er für die Hauptversammlung keine Kompetenz sehe, Regelungen hinsichtlich der Aufwendungen der Aufsichtsratsmitglieder zu treffen, da die Aufsichtsratsmitglieder einen gesetzlichen Aufwendungsersatzanspruch für die Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgabe hätten. Er vertrat die Ansicht, dass die Hauptversammlung die Frage der Angemessenheit nicht vorgeben könne. Der Aufsichtsrat müsse sich auch dann, wenn die Hauptversammlung eine Richtlinie beschlossen habe, mit der Frage der Angemessenheit befassen. Hieran ändere eine von der Hauptversammlung beschlossene Richtlinie nichts. E. Vetter schloss sich sodann der Erklärung von Ziemons an, der Aufsichtsrat habe i.S. einer Annexkompetenz auch das Recht, bei Personalangelegenheiten auf Kosten der Gesellschaft einen Personalberater zu beauftragen. Er führte aus, dass er auf diesen Aspekt aus Zeitgründen nicht eingegangen sei und verwies diesbezüglich auf die noch zu veröffentlichende schriftliche Fassung seines Vortrags. E. Vetter widersprach Ziemons allerdings in Bezug auf das Recht des Aufsichtsrats zur Anweisung von Zahlungen an Berater. Dies sei ein zweiter Schritt, für den er keine Grundlage sehe, da der Vorstand verpflichtet sei, die vom Aufsichtsrat begründeten Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Zu dem Hinweis von Heidel in Bezug auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch einen besonderen Vertreter merkte E. Vetter an, dass es sich insoweit um eine Sondersituation handele, die gesondert daraufhin zu überprüfen sei, ob sie sich in das für den Aufsichtsrat vorgesehene Konzept einordnen lasse. Im Anschluss ging E. Vetter auf die von Doralt gestellten Fragen ein und führte aus, dass die Annexkompetenz des Aufsichtsrats für ihn eine organschaftliche Kompetenz sei, die aus der Überwachungsaufgabe bzw. in dem Bereich, wo es um Personalthemen gehe, aus der Geschäftsführungsaufgabe folge. Auf den kurzen Zwischenruf von Doralt mit der Frage, wo es eine Vertretungskompetenz gebe, erwiderte E. Vetter, dass sich die gesetzliche Vertretungsmacht auf den Fall des § 112 AktG beschränke sowie beispielsweise auf den Fall, in dem der Aufsichtsratsvorsitzende für den Aufsichtsrat Räumlichkeiten anmiete. Insoweit komme der Vertrag mit dem Hotel unmittelbar zustande.
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VII. Nachdem J. Vetter zu weiteren Wortmeldungen aufgerufen hatte, lieferte Pütz den nächsten Diskussionsbeitrag und erklärte, dass er sich den Ausführungen von E. Vetter in vielen Punkten vollständig anschließe, in Bezug auf die vorgenommene Differenzierung zwischen Aus- und Fortbildungskosten der Aufsichtsratsmitglieder unter Verweis auf das HertieUrteil jedoch widersprechen müsse. Das Hertie-Urteil enthalte keine Aussage, die eine Differenzierung zwischen Aus- und Fortbildungskosten stütze. Pütz verwies daneben darauf, dass die Kommentarliteratur zur Unterscheidung zwischen den Bereichen Grundqualifikation und Fortbildung sehr different sei und somit eine hohe Rechtsunsicherheit bestehe. Die Differenzierung zwischen Aus- und Fortbildung der Aufsichtsratsmitglieder sei vor dem Hintergrund der den Aufsichtsratsmitgliedern obliegenden Kontrollpflicht überholt und entspräche nicht dem Unternehmensinteresse. Aus diesem Grunde seien die Kosten für sämtliche diese Bereiche betreffenden Schulungen von der Gesellschaft zu tragen.
VIII. Theisen führte aus, dass er mit großem Interesse die Interpretation seines Ansatzes in dem Vortrag von E. Vetter gehört habe. Er betonte, dass er sehr bewusst von der Kostenstelle „Aufsichtsrat“ gesprochen habe. Eine Kostenstelle brauche keinen festen Ansatz und könne überzogen werden. Sie brauche einen Kostenverantwortlichen, wobei diese Funktion intern der Aufsichtsratsvorsitzende übernehmen könne. Schließlich verwies Theisen darauf, dass eine Kostenstelle auch die notwendige Flexibilität habe. Diesem Aspekt komme besonderes Gewicht zu, da der Aufwand natürlich nicht vorausgedacht werden könne.
IX. Puszkajler erläuterte anhand eines Beispiels, warum aus seiner Sicht eine Kontovollmacht oder ein eigenes Budget des Aufsichtsrats notwendig ist. Er verwies insoweit auf die Situation, in der der Aufsichtsratsvorsitzende einen Hinweis auf einen Korruptionsfall betreffend den CEO erhalte. Hier sei es erforderlich, dass der Aufsichtsrat Ermittlungen veranlassen könne, ohne im Nachgang dem Vorstand diesbezügliche Belege vorlegen zu müssen. In Bezug auf die von E. Vetter vertretene Auslegung
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des Vergütungsbegriffs merkte Puszkajler an, dass in jedem Vertrag eines höheren Angestellten im Rahmen der Vergütung auch Aspekte wie Dienstwagen, Pauschalen für ein Home-Office etc. geregelt seien. Die Vergütung i.S.d. § 113 AktG könne daher nicht auf den Bestandteil des Geldes begrenzt werden, sondern es seien auch Sachleistungen einzubeziehen.
X. Hollweg schloss sich der Forderung von Hommelhoff nach einem Hauptversammlungsbeschluss als Grundlage für sämtliche Zahlungen an den Aufsichtsrat an. In Zeiten knapper Haushalte könne der Aufsichtsrat nicht selbst über die Angemessenheit seiner Ausgaben entscheiden. Der Erlass einer Richtlinie sei ein geeignetes Mittel, um der teilweise bestehenden Selbstbedienungsmentalität entgegenzuwirken. Es sei kein Gesichtspunkt ersichtlich, warum man nicht in einer Richtlinie festlegen könne, dass Flüge nur in der Business Class oder in der Economy Class erfolgen dürfen, wenn es der Gesellschaft schlecht gehe.
XI. Im Anschluss merkte v. Schenck an, dass eine Pauschalierung der Kostenerstattung nur bei ganz kleinen Gesellschaften funktioniere. In größeren Gesellschaften, bei denen ein Aufsichtsratsmitglied vor Ort und ein anderes im Zuge der Internationalisierung im Ausland wohne, sei eine Pauschalierung nicht möglich. Wenn die Pauschale an dem Aufsichtsratsmitglied ausgerichtet werde, das die höchsten Kosten habe, bekomme derjenige, der in der Nähe des Gesellschaftssitzes wohne, zu viel. Dies sei jedoch nicht zulässig, sodass eine Pauschalierung in der Praxis außer bei kleinen Gesellschaften nicht funktioniere. v. Schenck betonte ferner, dass der Aufsichtsrat de lege ferenda ein eigenes Vertretungsrecht brauche. Als Beispiel führte er die Beauftragung eines Headhunters bei der Suche nach einem neuen Vorstandsvorsitzenden an. In einer solchen Situation werde bei Beauftragung eines bekannten Headhunters nicht das volle Honorar am Ende abgerechnet, sondern es sei bereits im ersten Monat ein Vorschuss zu zahlen. Hier müsse der Aufsichtsrat selbst verfügen dürfen, ohne dass es einer Veranlassung durch den CFO bedürfe. Auch eine Kontovollmacht sei insoweit nicht ausreichend, wenn diese jederzeit vom Vorstand widerrufen werden könne.
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Die einzig praktikable Lösung sei eine Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats aus eigenem Recht.
XII. Wieneke sprach sich dafür aus, dass der Aufsichtsrat im Rahmen des jährlichen Budgetierungsprozesses mit dem Vorstand ein Budget vereinbaren sollte, das ihm als „Kriegskasse“ für die zu erwartenden Aufgaben zur Verfügung steht und über die er dann zur Erfüllung seiner Aufgaben in eigener Verantwortung verfügen kann. Dies gebe nicht nur dem Aufsichtsrat Planungssicherheit, was etwa die Angemessenheit von Auslagen anbelangt, sondern auch dem Vorstand, der sich im Rahmen seiner Planung ohnehin Gedanken darüber machen müsse, welche Kosten für die Überwachungstätigkeit voraussichtlich anfallen.
XIII. Von Falkenhausen erklärte, dass er den Ausführungen von E. Vetter zustimme und nahm sodann Bezug auf den Beitrag von v. Schenck. Es bedürfe nicht nur einer Regelung der Vertretungsmacht des Aufsichtsrats, sondern auch vernünftiger Regelungen für seine Geschäftsführungsbefugnis. Beim Aufsichtsrat handele es sich um ein Gremium, das strukturell ungeeignet sei, um Geschäfte zu führen. Der Aufsichtsrat habe weder eine Ressortverteilung wie der Vorstand noch könne er delegieren. Auch ein Ausschuss passe häufig nicht. Von Falkenhausen verwies darauf, dass es für einen Anwalt insoweit keinen Verhandlungspartner in Bezug auf den Abschluss eines Mandatsvertrages gebe, da der Aufsichtsratsvorsitzende nur ein Mandat habe, wenn er spezifisch dazu ermächtigt sei. Aufgrund dieses Missstands sei eine Regelung erforderlich, nach welcher der Aufsichtsratsvorsitzende geschäftsführungsbefugt sei.
XIV. In seiner abschließenden Stellungnahme ging E. Vetter zunächst auf die Ausführungen von Theisen zur Kostenstelle „Aufsichtsrat“ ein. Er merkte an, dass die Ausgaben des Aufsichtsrats zwar alle in einer Kostenstelle zusammengefasst würden, der Aufsichtsrat jedoch ungeachtet dessen nach pflichtgemäßem Ermessen selbst entscheiden müsse, wel-
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che Maßnahmen er ergreife. Eine gesonderte Kostenstelle sei insoweit keine Frage eines Budgets, das die Hauptversammlung limitieren könne. E. Vetter widersprach den Aussagen von Pütz zur Erstattungsfähigkeit von Ausbildungskosten und verwies insoweit auf die derzeit geführte Diskussion über die Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit. Hiermit lasse sich nicht in Einklang bringen, dass sich ein Aufsichtsratsmitglied – weil es gewählt sei – auf Kosten der Gesellschaft die Kenntnisse verschaffen dürfe, die es mitbringen müsse, um überhaupt sein Amt ausüben zu können. Vielmehr müsse das betreffende Aufsichtsratsmitglied über die Grundkenntnisse von Haus aus verfügen. Fragen in einer Hauptversammlung nach der Qualifikation eines Aufsichtsratsmitglieds seien sinnlos, wenn sich jedes Aufsichtsratsmitglied nach erfolgter Wahl die erforderliche Qualifikation auf Kosten der Gesellschaft erst erarbeiten dürfe. Zu der von Hollweg vertretenen Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses aufgrund einer teilweise vorzufindenden Selbstbedienungsmentalität des Aufsichtsrats entgegnete E. Vetter, dass zwar Aufwendungen des Aufsichtsrats nur nach pflichtgemäßem Ermessen getätigt werden könnten und demgemäß zu ersetzen seien, jedoch eine gerichtliche Angemessenheitskontrolle stattfinden könne. Es gebe folglich beispielsweise kein freies Ermessen eines Aufsichtsratsmitglieds zur Buchung von Flügen erster Klasse, wenn der Vorstand der Gesellschaft nicht erster Klasse fliege. Insoweit seien bereits unternehmensbezogene Standards vorgegeben. Fliege der Vorstand etwa in einer Krise der Gesellschaft in der Economy Class, habe dies auch für den Aufsichtsrat zu gelten. Im Hinblick auf den von Puszkajler angeführten Korruptionsfall erwiderte E. Vetter, dass der Vorstand von den vom Aufsichtsrat veranlassten Ermittlungen ohnehin Kenntnis erlange, da er für die Bewirtschaftung des Kontos verantwortlich sei und daher von entsprechenden Zahlungen an Berater zwangsläufig erfahre. Es sei schlicht nicht vorstellbar, dass sämtliche Ausgaben des Aufsichtsrats in diesem Zusammenhang am Vorstand vorbeilaufen. Vertraulichkeit könne somit in diesem Kontext nicht der entscheidende Aspekt sein, um dem Aufsichtsrat Kontovollmacht einzuräumen. Auf die Bitte von J. Vetter, aufgrund der fortgeschrittenen Zeit die Diskussion des Referats mit einer kurzen Zusammenfassung abzuschließen, führte E. Vetter aus, dass es nach seiner Ansicht insgesamt dabei bleiben müsse, dass eine Kontovollmacht eines Aufsichtsrats aufgrund
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gesetzlicher Beschränkungen ausscheide und auch eine Kompetenz des Aufsichtsrats zur Führung eines eigenes Kontos nicht anzuerkennen sei, da der Vorstand zur Erfüllung der vom Aufsichtsrat im Rahmen seiner Annexkompetenz im Namen der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten verpflichtet sei.
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Gesellschaftsrecht versus Insolvenzrecht – Möglichkeiten und Probleme in der Sanierung Dr. Alexandra Schluck-Amend Rechtsanwältin, Stuttgart I. ESUG – Erweiterung der Sanierungsinstrumente . . . . . . . 1. Erleichterung der Eigenverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung der vorläufigen Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . 3. Einführung des Schutzschirmverfahrens . . . . . . . . . . 4. Erweiterte Möglichkeiten im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Insolvenzplanverfahren . II. Praxisfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pfleiderer AG – ein Beispiel für die Kapitalherabsetzung auf Null und den Bezugsrechtsausschluss der Aktionäre im Insolvenzplan . . . . . . 2. Centrotherm Photovoltaics AG – ein Beispiel für die Änderung von Beteiligungsverhältnissen mittels Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Suhrkamp – ein Beispiel für die Beschneidung von Minderheitsrechten mittels Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eingriffsmöglichkeiten in Gesellschafterrechte . . . . . . . . . . 1. § 276a InsO – Beschränkung der Überwachungsorgane . . . . 2. Debt-Equity-Swap im Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . .
152 153 153 153
154 154 156
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b) c) d) e)
Die Kapitalherabsetzung . . Die Entschädigung . . . . . . . Die Kapitalerhöhung. . . . . . Die Bewertung der Forderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Änderung von Beteiligungsverhältnissen im Rahmen eines Insolvenzplans . . . . . . . . a) Anteilsübertragung auf Dritte oder andere Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unechter Debt-EquitySwap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umwandlungsmaßnahmen im Rahmen eines Insolvenzplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Alle Umwandlungsformen des UmwG . . . . . . . . . . . . . . b) Reverse Debt-Equity-Swap. 5. Obstruktionsverbot gemäß § 245 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Schlechterstellung von Mitgliedern der Gesellschaftergruppe untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gerichtliche Überprüfung im Rahmen der Planbestätigung (§ 248 InsO) . . . . . . .
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IV. Rechtsschutzmöglichkeiten bei Eingriffen in die Gesellschafterrechte . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Minderheitenschutz/Versagung der Bestätigung des Insolvenzplans (§ 251 InsO) . . . . 179 2. Sofortige Beschwerde (§ 253 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
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Schluck-Amend – Gesellschaftsrecht versus Insolvenzrecht V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Verstoß gegen Art. 9 und 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Verstoß gegen die europarechtliche Kapitalrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
3. Aushebelung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4. Keine Trennung der Vermögenssphären in der Insolvenz. . 185 5. Ergo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
I. ESUG – Erweiterung der Sanierungsinstrumente Zum 1.3.2012, also vor etwa zweieinhalb Jahren, ist das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in Kraft getreten. Ziel des ESUG war und ist es, die Insolvenz als unternehmensstrategische Option in der Krise zu etablieren. Nach dem Vorbild des Chapter11-Verfahrens des U. S. Bankruptcy Codes stand dabei die stärkere Verknüpfung des Insolvenzrechts mit dem Gesellschaftsrecht im Zentrum. Diese soll insbesondere über das Insolvenzplanverfahren erfolgen. Galt bisher gemäß § 217 InsO a.F., dass in einem Insolvenzplan lediglich die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Haftung des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens geregelt werden konnten, sieht § 217 Satz 2 InsO n.F. nunmehr vor, dass auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Insolvenzplan einbezogen werden können. Dies war vorher nicht möglich.1 Flankiert wird die Novellierung des Insolvenzplanverfahrens durch die Stärkung der Eigenverwaltung, insbesondere durch Einführung des § 270a InsO n.F. (vorläufige Eigenverwaltung) sowie das neugeschaffene Schutzschirmverfahren gemäß § 270b InsO n.F. Ziel dieser gesetzgeberischen Maßnahmen ist es, die erfolgreiche Sanierung von Unternehmen unter dem Regime der Insolvenzordnung, namentlich im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens, zu fördern bzw. zu ermöglichen.2 Die rechtlichen Fragestellungen, die sich dabei durch die Einbeziehung der Anteilsinhaber in das Insolvenzplanverfahren ergeben und die Mög1 Bitter, Sanierung in der Insolvenz – Der Beitrag von Treue- und Aufopferungspflichten zum Sanierungserfolg, ZGR 2010, 147, 162 f. 2 Begründung des RegE ESUG, zu A. Problem und Ziel, BT-Drucksache 17/5712, S. 1.
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lichkeiten gesellschafsrechtlicher Restrukturierungsmaßnahmen in der Insolvenz sollen im Folgenden näher erläutert werden. Diskutiert werden soll, ob seit ESUG gilt: Insolvenzrecht sticht Gesellschaftsrecht.
1. Erleichterung der Eigenverwaltung Das Institut der Eigenverwaltung wurde mit dem ESUG neu gestaltet, um einen größeren Anreiz zur frühzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags zu bieten.3 Die Eigenverwaltung ist in der Regel mit einem Insolvenzplan verknüpft und zielt auf die Sanierung des Unternehmens. Dadurch, dass das Initiativrecht für den Insolvenzplan bei der Eigenverwaltung dem Schuldner zusteht, hat dieser einen größeren Einfluss auf die Umsetzung der konkreten Sanierung.
2. Einführung der vorläufigen Eigenverwaltung Mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann zugleich ein Antrag auf Eigenverwaltung gestellt werden. Dann wird erst gar kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und auch kein Verfügungsverbot angeordnet (vgl. § 270a InsO). Dies gewährleistet die Kontinuität der Unternehmensführung und verhindert einen Bruch bei den Sanierungsbemühungen durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters.
3. Einführung des Schutzschirmverfahrens Das vorläufige Insolvenzverfahren kann nach ESUG auch durch das Schutzschirmverfahren flankiert werden. Der Schuldner erhält auf Antrag die Möglichkeit, drei Monate lang – unterstützt von einem gerichtlich bestellten, aber durch den Schuldner ausgesuchten Sachwalter – an der Sanierung des Unternehmens in Form eines Insolvenzplans zu arbeiten. Die Stärkung der Eigenverwaltung durch Einführung des Schutzschirmverfahrens trägt dem gesetzgeberischen Ziel, die Sanierung insolvenzbedrohter Unternehmen zu erleichtern, ganz besonders Rechnung. Auf diese Weise soll das Stigma der Insolvenz aufgeweicht, Kontrolle erhalten bleiben und Insolvenz nicht mehr mit der Liquidation gleichgesetzt werden.4 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Sanierung ei-
3 Lissner, Die Insolvenzrechtsreform – Eine Betrachtung der Entwicklung, DZWIR 2014, 59, 60. 4 Leithaus in Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl. 2014, § 270b Rz. 2; Riggert, in Braun, InsO, 6. Aufl. 2014, § 270b Rz. 1.
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nes fortführungsfähigen Unternehmens dessen Liquidation vorzuziehen ist.5
4. Erweiterte Möglichkeiten im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens Mit dem ESUG will der Gesetzgeber auch vermeintliche Schwächen des Planverfahrens beseitigen: Zahlreiche Änderungen in den Regularien zum Insolvenzplan selbst, allen voran die Eingriffsmöglichkeiten in das Gesellschaftsrecht und die Stellung der Altgesellschafter sowie das Verhindern unnötiger Beschwerdeverfahren, sollen den Insolvenzplan alltagstauglicher und attraktiver machen.6
5. Das Insolvenzplanverfahren Beim Insolvenzplanverfahren handelt es sich um einen bindenden Gesamtvergleich der Gläubiger, welcher in der Regel der Sanierung des Rechtsträgers dient. Anders als bei Regelverfahren endet das Insolvenzverfahren dann nicht mit der Vollbeendigung des Rechtsträgers, sondern dieser geht saniert aus der Insolvenz hervor.7 Mit dem ESUG hat der Gesetzgeber die bisherige strikte Trennung von Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht aufgegeben und eine Einbeziehung der Anteilsrechte der Gesellschafter in das Insolvenzplanverfahren ermöglicht. Dadurch wurde das Insolvenzplanverfahren zu einem gesellschaftsrechtlichen Sanierungsinstrument ausgebaut (§§ 217 Satz 2, 225a InsO). Vor Einführung des ESUG hat das Planverfahren nur eine unbedeutende Rolle gespielt.8 Das hat sich jetzt geändert: nunmehr ist jede
5 Ganter/Lohmann in Münchener Kommentar zur InsO, Band 1, 3. Aufl. 2013, § 1 Rz. 85; Prütting in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2009, S. 21 f. Rz. 67. 6 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, Vor §§ 217 ff. Rz. 2; Braun/Heinrich, Auf dem Weg zu einer (neuen) Insolvenzplankultur in Deutschland – Ein Beitrag zu dem Regierungsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, NZI 2011, 505, 506 ff. 7 Braun/Frank in Braun, InsO, 6. Aufl. 2014, Vor §§ 217 ff. Rz. 15; Braun in Nerlich/Römermann, InsO, 26. Ergänzungslieferung 2014, Vor §§ 217 ff. Rz. 197. 8 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, Vor §§ 217 ff. Rz. 68.
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gesellschaftsrechtlich zulässige Regelung möglich, § 225a Abs. 3 InsO (ausführlich hierzu sogleich unter III.). Zwar sind immer noch nur eine geringe Zahl der Insolvenzverfahren solche nach dem ESUG9, aber: in bedeutenden Verfahren ist das Instrumentarium durchaus relevant! Diese Möglichkeiten werden dadurch flankiert, dass die Zustimmung der Anteilsinhaber zum Insolvenzplan ersetzt werden kann: Über § 245 InsO (Obstruktionsverbot) kann die Zustimmung dann fingiert werden, wenn die Mehrheit der Gruppen für den Insolvenzplan gestimmt hat und andere Mitglieder der Gesellschaftergruppe nicht anders behandelt werden. Nach § 246a InsO wird die Zustimmung fingiert, wenn sich keines der Mitglieder einer Gruppe der Anteilsinhaber an der Abstimmung beteiligt. Gemäß § 254a InsO hat der Insolvenzplan zudem gestaltende Wirkung. Dies äußert sich darin, dass nach § 254a Abs. 2 InsO die in den Plan aufgenommenen Beschlüsse der Anteilsinhaber bzw. die sonstigen Willenserklärungen als in der vorgeschriebenen Form abgegeben und erforderliche Ladungen, Bekanntmachungen und sonstige Maßnahmen zur Vorbereitung von Beschlüssen als in der vorgeschriebenen Form bewirkt gelten. Insoweit verdrängt das Insolvenzrecht das Gesellschaftsrecht: Quoren, Abstimmrechte, Vinkulierung etc. gelten nicht im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens.10 Dies ist für die Stimmrechte der Gesellschafter in der Abstimmung über den Plan auch ausdrücklich geregelt in §§ 244 Abs. 3, 238 InsO. Der Ablauf des Insolvenzverfahrens sieht zeitlich so aus: Nach Insolvenzverfahrenseröffnung (die in jedem Fall erforderlich ist) können Berichtstermin, Prüfungstermin und Erörterungs- und Abstimmungstermin gemäß §§ 29 Abs. 2, 236 Abs. 1 InsO miteinander verbunden werden, wenn dies im Interesse einer zügigen Durchführung des Verfahrens ist und wenn hierdurch die 6-Wochen-Frist des § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht nennenswert verzögert wird.11 Im Abstimmungstermin kann bereits die gerichtliche Bestätigung des Insolvenzplans nach §§ 284, 252 9 Ausweislich der ESUG-Studie von Roland Berger Strategy Consultants GmbH und Noerr LLP aus Februar 2014 machten in 2013 die Anträge auf vorläufige Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren nur 2,8 % der gesamten Insolvenzanträge aus (vgl. Grafik auf S. 13). 10 Braun/Frank in Braun, InsO, 6. Aufl. 2014, § 254a Rz. 4; Madaus in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 254a Rz. 9. 11 Görg/Janssen in Münchener Kommentar zur InsO, Band 2, 3, Aufl. 2013, § 156 Rz. 13.
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InsO bekanntgegeben werden, so dass zwei Wochen danach Rechtskraft der Bestätigung des Plans eintritt (§§ 253 Abs. 1, 6 InsO, §§ 567 ff. ZPO). Der Fortsetzungsbeschluss kann nach der gesetzlichen Konzeption erst nach Aufhebung des Verfahrens – nach Bestätigung des Insolvenzplans – erfolgen. Nach § 225a Abs. 3 InsO ist ein solcher Beschluss auch im gestaltenden Teil möglich, ist dann aber bis zur Aufhebung des Verfahrens nach rechtskräftiger Planbestätigung schwebend unwirksam.12 Aber auch im Rahmen der Beschlussfassung über die Fortsetzung der Gesellschaft gelten nicht die gesellschaftsrechtlichen Zustimmungserfordernisse, sondern die Abstimmungsregeln der §§ 244 ff. InsO. Etwas anderes gilt nach § 230 Abs. 1 InsO nur für persönlich haftende Gesellschafter und Gesellschafter der KGaA, deren Erklärung dem Plan beizufügen ist.
II. Praxisfälle Zur Veranschaulichung des Zusammenspiels von Gesellschafts- und Insolvenzrecht werden nachfolgend einige Praxisbeispiele erläutert.
1. Pfleiderer AG – ein Beispiel für die Kapitalherabsetzung auf Null und den Bezugsrechtsausschluss der Aktionäre im Insolvenzplan 2011 geriet die börsennotierte Holding-Gesellschaft des Pfleiderer-Konzerns in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Nachdem sich die Anleihegläubiger und Aktionäre gegen ein erstes Sanierungskonzept stellten und dieses deshalb scheiterte, wurde im April 2012 das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Der Insolvenzplan sah eine Kapitalherabsetzung auf Null vor, welche zu einem sog. kalten Delisting der Gesellschaft an der Börse führte. Die neu ausgegebenen Aktien wurden nur an die luxemburgische Investmentgesellschaft Atlantik S.A. ausgegebenen und waren nicht an der Börse zugelassen. Im Hinblick auf die Altaktionäre wurde im Insolvenzplan ein Bezugsrechtsausschluss geregelt. Dies wurde damit begründet, dass Atlantik S.A. zur Transaktion nur bei Erwerb von 100 Prozent der
12 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 84.
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Anteile an der durch den Plan sanierten Pfleiderer AG bereit war.13 Die anschließende Kapitalerhöhung erfolgte teilweise (in Höhe von 50 000 00 Euro als Barkapitalerhöhung. Die darüber hinausgehende Erhöhung erfolgte als Sachkapitalerhöhung durch Einbringung von Regressforderungen der Atlantik S.A. gegen die Pfleiderer AG, welche aus der Übernahme der Bankschulden der Pfleiderer AG resultierten. Die Gläubiger bestätigten sodann den Insolvenzplan und die beschlossenen Kapitalmaßnahmen wurden nach Rechtskraft des Insolvenzplans in das Handelsregister eingetragen.14
2. Centrotherm Photovoltaics AG – ein Beispiel für die Änderung von Beteiligungsverhältnissen mittels Insolvenzplan Die Centrotherm Photovoltaics AG beantragte im Juli 2012 die Einleitung eines Schutzschirmverfahrens sowie Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Das Amtsgericht Ulm gab diesen Anträgen statt. Der kurz nach Eröffnung vorgelegte Insolvenzplan zielte darauf ab, die Gesellschaft als börsennotierte AG fortzuführen und ihre Kapitalstruktur durch eine Umwandlung der Forderungen der ungesicherten Gläubiger in Aktien der Gesellschaft zu stärken. Die Gläubiger haben hierzu 70 Prozent ihrer festgestellten Forderungen an eine unabhängige und weisungsfreie Verwaltungsgesellschaft abgetreten. Die Verwaltungsgesellschaft brachte die abgetretenen Forderungen wieder in die AG ein, wodurch die Insolvenzforderungen insoweit erloschen und die Gesellschaft maßgeblich entschuldet wurde. Als Gegenleistung für die Einbringung erwarb die Verwaltungsgesellschaft im Rahmen einer kombinierten Kapitalherabsetzung und -erhöhung Aktien der Schuldnerin. In einem ersten Schritt wurde das Grundkapital der Gesellschaft durch Zusammenlegung der Aktien im Verhältnis von fünf zu eins herabgesetzt. In einem zweiten Schritt wurde das Grundkapital im Wege einer Sachkapitalerhöhung durch Einbringung der Gläubigerforderungen wieder auf das ursprüngliche Niveau erhöht (Debt-Equity-Swap). Die Verwaltungsgesellschaft hält damit als Treuhänder in für die Gläubiger
13 Pleister, Restrukturierung nach dem ESUG: Die wichtigsten Praxisfälle, GWR 2013, 220, 221 f. 14 Pleister, Restrukturierung nach dem ESUG: Die wichtigsten Praxisfälle, GWR 2013, 220, 221 f.
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80 Prozent der Aktien, während bei den Altaktionären 20 Prozent verbleiben.15
3. Suhrkamp – ein Beispiel für die Beschneidung von Minderheitsrechten mittels Insolvenzplan Auf den Eigenantrag vom Mai 2013 wurde über das Vermögen der Suhrkamp GmbH & Co. KG (nachfolgend: Schuldnerin) das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. An der Schuldnerin sind als Kommanditisten die Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung (nachfolgend: Stiftung) mit 61 Prozent und eine Medienholding AG Winterthur, eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts (nachfolgend Minderheitsgesellschafterin) mit 39 Prozent beteiligt. Komplementär-GmbH der Schuldnerin ist die Suhrkamp-Verlagsleitungs-Gesellschaft mbH, an der – jeweils mittelbar – die Stiftung Geschäftsanteile von 55 Prozent und die Minderheitsgesellschafterin Geschäftsanteile von 45 Prozent halten. Die Schuldnerin legte einen Insolvenzplan vor, der insbesondere ihre Umwandlung in eine Aktiengesellschaft vorsah. Dadurch sollte die Minderheitsgesellschafterin ihre Mitwirkungsrechte weitgehend verlieren. Im Erörterungs- und Abstimmungstermin fand der Insolvenzplan in allen Gläubigergruppen die Mehrheit. Die Minderheitsgesellschafterin stimmte gegen den Plan, dem sie zuvor widersprochen hatte. Von der ihr durch das Gericht gegebenen Möglichkeit, einen Antrag nach § 251 InsO zu stellen, machte diese keinen Gebrauch. Das Insolvenzgericht bestätigte den Insolvenzplan.16 Gegen die Bestätigung des Insolvenzplans wurden durch die Minderheitsgesellschafterin verschiedene Rechtsmittel eingelegt: Die sofortige Beschwerde der Minderheitsgesellschafterin hat das Landgericht Berlin in zwei Beschlüssen als unzulässig verworfen: Zum einen am 21.2.2014, weil die Minderheitsgesellschafterin keinen Antrag nach § 251 InsO gestellt hatte und dieser Zulässigkeitsvoraussetzung sei.17
15 Pleister, Restrukturierung nach dem ESUG: Die wichtigsten Praxisfälle, GWR 2013, 220, 222. 16 Lang/Muschalle, Suhrkamp-Verlag – Rechtsmissbräuchlichkeit eines rechtmäßig eingeleiteten Insolvenzverfahrens, NZI 2013, 953, 953 f.; Böcker, Gesellschaftsrecht versus Insolvenzrecht oder Suhrkamp: Verfall eines Verlags, DZWIR 2014, 331, 331 ff. und 336 f. 17 LG Berlin v. 24.2.2014 – 51 T 107/14, DZWIR 2014, 374 f.
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Zum anderen am 14.4.2014, weil die sofortige Beschwerde nach § 253 Abs. 4 InsO (Freigabeverfahren) auf Antrag der Schuldnerin wegen drohender Nachteile zurückzuweisen sei.18 Die Minderheitsgesellschafterin hat aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht gegen die beiden Beschlüsse des Landgericht Berlin Rechtsbeschwerde eingelegt. Auf die Rechtsbeschwerde hat der 9. Zivilsenat beim BGH mit Beschluss vom 17.7.2014 die Beschlüsse des Landgericht Berlin aufgehoben und zurückverwiesen19 und mit Beschluss vom 17.9.201420 entschieden, dass eine Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung nach § 253 Abs. 4 InsO nicht statthaft sei. Das Landgericht Berlin hat in einer erneuten Entscheidung am 20.10.2014 die Beschwerde der Minderheitengesellschafterin endgültig zurückgewiesen.21 Parallel dazu waren gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten anhängig, unter anderem ein Verfahren, in dem die Minderheitsgesellschafterin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Unterlassung eines bestimmten Stimmverhaltens gegen den Mitgesellschafter geltend gemacht hat.22 Die meines Erachtens wesentlichen Erkenntnisse aus diesem Verfahren und dem Urteil des BGH sind: Zunächst hat der BGH dargelegt, dass es nicht statthaft sei, zweimal über eine sofortige Beschwerde zu entscheiden, wie es das Landgericht Berlin vorliegend getan hat. Nach Zurückweisung der sofortigen Beschwerde sei eine nachfolgende Entscheidung (hier: Zurückweisung der sofortigen Beschwerde im Wege des Freigabeverfahrens) unzulässig. Gleichzeitig entschied es aber, dass es keine Zulässigkeitsvoraussetzung der sofortigen Beschwerde gegen einen bestätigten Insolvenzplan ist, dass der Beteiligte zuvor einen Minderheitenschutzantrag nach § 251 InsO gestellt hat. § 253 InsO enthält ein solches Erfordernis in der Tat nicht. Vorgesehen ist lediglich, dass der Beschwerdeführer dem Insol-
18 19 20 21 22
LG Berlin v. 14.4.2014 – 51 T 107/14, DZWIR 2014, 375 f. BGH v. 17.7.2014 – IX ZB 13/14, NZI 2014, 751 ff. BGH v. 17.9.2014 – IX ZB 26/14, NZI 2014, 904 ff. LG Berlin v. 20.10.2014 – 51 T 696/14, ZIP 2014, 2197. Vgl. insoweit OLG Frankfurt am Main v. 1.10.2013 – 5 U 145/13, NZI 2013, 978 ff. und LG Frankfurt am Main v. 10.9.2013 – 3-09 O 96/13, NZI 2013, 986 ff.
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venzplan schriftlich oder zu Protokoll widersprochen und gegen den Plan gestimmt hat (§ 253 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 InsO). Außerdem muss er glaubhaft machen, dass er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird als ohne Plan (§ 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Immerhin ist aber in den Materialien davon die Rede, der Beschwerdeführer müsse zuvor seine verfahrensmäßigen Möglichkeiten ausgeschöpft haben.23 Zu diesen Möglichkeiten zählt an sich auch der Versagungsantrag nach § 251 InsO. Außerdem macht es durchaus Sinn, wenn der betroffene Gläubiger oder Gesellschafter eine etwaige Schlechterstellung nicht erst im Rechtsmittelverfahren geltend macht, sondern bereits im Erörterungsund Abstimmungstermin (vgl. § 251 Abs. 2 InsO), in dem der Einwand mit den übrigen Beteiligten unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert werden kann.24 Klarheit über die Folgen eines unterbliebenen Antrags auf Minderheitenschutz könnte durch einen gerichtlichen Hinweis entsprechend § 253 Abs. 3 InsO geschaffen werden. Gleichwohl ist es zu begrüßen, dass der BGH den durch das ESUG ohnehin schon stark eingeschränkten Rechtsschutz nicht ohne klare gesetzliche Grundlage weiter beschneiden will. § 253 Abs. 2 InsO ist als abschließende Regelung der vom Beschwerdeführer darzulegenden individuellen Beschwer zu sehen. Der BGH stellt ferner klar, dass § 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO auch dann gilt, wenn der Beschwerdeführer gar keine Verletzung des § 251 InsO rügt. Hat er eine wesentliche Schlechterstellung glaubhaft gemacht, kann er aber umfassend eine Verletzung der §§ 248 bis 252 InsO geltend machen. Aus Sicht des BGH „spricht manches dafür“, dass die Minderheitsgesellschafterin hier die Hürde des § 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO durch ihr Vorbringen genommen hat.25 Beachtlich ist jedoch, dass der Insolvenzplan im Fall Suhrkamp keinerlei Verzichtsleistungen der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger im Sinne von § 38 InsO vorsieht. Dies impliziert, dass die Schuldnerin an sich auch ohne solche Zugeständnisse überlebensfähig ist. Hieraus schlussfolgert der BGH, dass die Beteiligung der Minderheitsgesellschafterin wohl einen wirtschaftlichen Wert darstellt, der durch eine Fortführung der Gesellschaft in der bisherigen Rechtsform realisiert werden könnte.
23 Begründung des RegE ESUG, zu Art. 1 Nr. 37 (Änderung von § 253), BTDrucksache 17/5712, S. 35. 24 Skauradszun, Suhrkamp – Allgemeines Beschwerdeverfahrensrecht versus § 253 Abs. 4 InsO, DZWIR 2014, 338, 340. 25 BGH v. 17.7.2014 – IX ZB 13/14, NZI 2014, 751 ff.
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Im Gegensatz hierzu verringert aber die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und der hierdurch eintretende Verlust der vertraglich eingeräumten Einwirkungsmöglichkeiten die Vinkulierung der Anteile und die in Aussicht genommene Kapitalerhöhung den Wert der Beteiligung der Minderheitsgesellschafterin deutlich. Das Landgericht Berlin hatte – wie bereits ausgeführt – in einem zweiten Beschluss vom 14.4.2014 die Beschwerde nach § 253 Abs. 4 InsO zurückgewiesen, da ein vorrangiges Vollzugsinteresse der Schuldnerin bestehe. Auch insoweit ist dem BGH zuzustimmen: Das Freigabeverfahren soll nicht dazu dienen, eine fehlerhafte Beschwerdeentscheidung zu heilen und hierdurch eine bereits zugelassenen Rechtsbeschwerde so unzulässig zu machen. Das Landgericht Berlin durfte seine ursprüngliche Entscheidung daher nicht mehr nachträglich abändern. Nicht erforderlich war insoweit, dass die Minderheitsgesellschafterin gegen die verfahrensfehlerhafte zweite Entscheidung ein Rechtsmittel einlegt. Der BGH durfte diese zusammen mit dem angefochtenen ersten Beschluss aufheben.26 Das Landgericht Berlin hat in seinem Beschluss vom 20.10.2014 die sofortige Beschwerde der Minderheitsgesellschafterin endgültig als unzulässig zurückgewiesen, da die Nachteile der Verzögerung des Planvollzugs gegenüber den Nachteilen für die Minderheitsgesellschafterin überwiegen.27 Es hat zunächst ausgeführt, dass eine Bindung an die Entscheidung des BGH nur insoweit vorliege, wie ein Minderheitenschutzantrag nach § 251 Abs. 2 InsO keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die sofortige Beschwerde sei und bei Verwerfung der sofortigen Beschwerde als unzulässig keine Entscheidung über den Eilantrag nach § 251 Abs. 4 InsO mehr möglich sei. Eine Entscheidung nach § 253 Abs. 4 Satz 1 InsO sei aber weiterhin möglich, da der BGH die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 14.4.2014 aufgehoben habe und diese daher rechtlich nicht existent sei. Eine unverzügliche Zurückweisung sei noch möglich, da insoweit auf die Zeitspanne nach Zurückverweisung durch den BGH abzustellen sei.28
26 H.-F. Müller, Anmerkung zu BGH v. 17.7.2014 – IX ZB 13/14, NZI 2014, 756. 27 Zwischenzeitlich hat auch das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 18.12.2014 – 2 BvR 1978/13) den Antrag der Minderheitsgesellschafterin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verhinderung des Eintritts der Wirkungen des Insolvenzplans und der Eintragung der neuen Rechtsform in das Handelsregister abgelehnt. 28 LG Berlin v. 20.10.2014 – 51 T 696/14, (I. Nrn. 1–3) ZIP 2014, 2197, 2198 f.
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Sodann erklärt das Landgericht Berlin den Antrag nach § 253 Abs. 4 Satz 1 InsO für mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, auch verstoße dieses Verfahren nicht gegen den Justizgewährungsanspruch.29 Das Landgericht Berlin führt zu den Nachteilen im Hinblick auf die Mehrheitsgesellschafterin aus, dass diese nicht rechtlos gestellt werde, da ihr ein Schadensersatzanspruch gegen die Masse nach § 253 Abs. 4 Satz 3 InsO zustehe. In der Regel würden die Nachteile einer Verzögerung dann überwiegen, wenn ein fortzuführender Geschäftsbetrieb mit einer gewissen Anzahl an Arbeitnehmern betroffen sei. Hier sei stets fraglich, wie lange dieser Betrieb aufrecht erhalten werden könne, bevor der eigenverwaltende Schuldner über eine Liquidation im Interesse der Gläubiger nachdenken müsse, so dass hier Eile geboten sei. Im vorliegenden Fall sei zudem zu berücksichtigen, dass der Sachwalter glaubhaft dargelegt habe, dass es keinerlei Investoren gegeben habe, die an einem Asset Deal interessiert gewesen seien. Im Hinblick auf die Minderheitengesellschafterin führt das Landgericht Berlin aus, dass zweifelhaft sei, ob diese ihre Kommanditanteile bei Beibehaltung der bisherigen Rechtsform lohnend hätte veräußern können. Nach der gesetzlichen Grundkonzeption sei eine Veräußerung an die Zustimmung aller Gesellschafter gebunden (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, 717 Satz 1, 719 Abs. 1 BGB). Ein anderweitiger Gesellschaftsvertrag habe vorliegend nicht bestanden und auch eine abweichende Gesellschaftervereinbarung sei nicht heranziehbar, da diese von der Stiftung gekündigt worden sei und hierüber noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. Eine Fortführung in der bisherigen Form sei zudem auch deswegen nachteilig, da eine Vielzahl der Autoren, welche Verträge mit der Schuldnerin geschlossen haben, bereits einen Aufruf unterzeichneten hätten, dass die weitere Zusammenarbeit mit der Schuldnerin unter der Bedingung stehe, dass der Insolvenzplan bestätigt werde.30 Im Ergebnis sei daher eine Verzögerung des Insolvenzplans nachteilig, da mit dem Insolvenzplan insgesamt rund 8,0 Mio. Euro an Forderungen wegfallen würden und dem Verlag durch die Beseitigung der Sonderrechte und Blockademöglichkeiten der Minderheitsgesellschafterin die operative Handlungsfähigkeit zurückgegeben werde. Dies gelte umso mehr, als das Land Berlin, Investoren und Banken finanzielle Unterstützung
29 LG Berlin v. 20.10.2014 – 51 T 696/14, ZIP 2014, 2197, 2199 ff. (I. Nr. 4). 30 LG Berlin v. 20.10.2014 – 51 T 696/14, NZI 2015, 66, 67 ff. (II Nrn. 1–4).
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daran geknüpft hätten, dass der Insolvenzplan bestätigt wird. Demgegenüber seien die Nachteile für die Minderheitsgesellschafterin hinnehmbar. Der Zustimmungsvorbehalt im Hinblick auf die Veräußerung der zu übernehmenden Aktien entspreche der Rechtslage, wie sie auch bei der KG bestanden habe, ein Einschluss der Minderheitsgesellschafterin in der AG drohe nicht, da der Aufsichtsrat nicht ausschließlich mit Interessenvertretern der Stiftung besetzt sei und außerdem im Interesse der Gesellschaft entscheiden müsse. Der Nachteil, der durch den Wegfall der Sonderrechte eingetreten sei, sei den gesetzlichen Regelungen immanent und daher hinzunehmen. Das gleiche Schicksal hätte die Minderheitsgesellschafterin auch im Falle einer Liquidation ereilt. Die Liquidation sei zudem insoweit auch der Vergleichsmaßstab und nicht etwa ein alternativer Insolvenzplan oder die Rechtslage ohne ein Insolvenzverfahren. Ein Verstoß gegen Artt. 9 und 14 GG scheitere daran, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 225a InsO explizit ausgeführt hat, dass das der Sozialbindung unterliegende Eigentum der Anteilsinhaber in diesen Fällen dem Gläubigerinteresse und der Gesundung des schuldnerischen Unternehmens nachgehe.31 Das Grundrecht des Art. 9 GG hingegen sei bereits durch die bloße Möglichkeit eines Formwechsels beschränkt, so dass insoweit kein Verstoß vorliege. Auch die Verwässerung der zukünftigen Aktienanteile durch die geplante Aufnahme eines Investors im Wege der Kapitalerhöhung stelle keinen Nachteil dar, da sich die Anteile beider Altgesellschafter hierdurch reduzieren würden und in ihrem Verhältnis zueinander gleich blieben. Auch habe die Minderheitengesellschafterin nicht dargelegt, dass sie im Falle einer Liquidation hier besser stünde.32 Letztlich liege zudem kein besonders schwerer Rechtsverstoß im Sinne von § 253 Abs. 4 Satz 2 InsO vor. Die Entmachtung der Anteilsinhaber sei vom Gesetzgeber explizit in § 225a InsO gewollt und könne daher keinen Nachteil begründen. Die möglicherweise missbräuchliche Beantragung des Insolvenzverfahrens sei in diesem Verfahrensstadium im Rahmen des § 253 Abs. 4 InsO nicht mehr zu prüfen. Die Minderheitsgesellschafterin habe auch nicht nachgewiesen, dass das Abstimmungsverhalten der Gläubiger ein anderes gewesen wäre, wenn die Schuldnerin die von ihr geforderten weiteren Unterlagen vorgelegt hätte. Auch
31 Begründung des RegE ESUG, zu Art. 1 Nr. 17 (Einfügung eines § 225a), BTDrucksache 17/5712, S. 31. 32 LG Berlin v. 20.10.2014 – 51 T 696/14, ZIP 2014, 2197, 2201 ff. (II Nrn. 5–6).
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sei die Wertung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, dass er mit § 253 Abs. 4 InsO die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen einen Insolvenzplan weitestgehend einschränken wollte. Letztlich liege auch keine Ungleichbehandlung der Anteilsinhaber nach § 226 InsO vor, da auch die Stiftung dem Zustimmungsvorbehalt im Hinblick auf die Veräußerung von Aktien unterliege und ihr Bezugsrecht im Falle einer Kapitalerhöhung ausgeschlossen sei.33 Im Ergebnis hat die Minderheitsgesellschafterin nunmehr lediglich noch die Möglichkeit, die Insolvenzmasse gemäß § 253 Abs. 4 Satz 3 InsO auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.
III. Eingriffsmöglichkeiten in Gesellschafterrechte 1. § 276a InsO – Beschränkung der Überwachungsorgane Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens werden juristische Personen kraft Gesetzes aufgelöst (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG, § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, § 101 GenG): Der Rechtsträger als solcher bleibt während des Insolvenzverfahrens zwar ebenso bestehen wie seine Organe, der Verbandszweck wird jedoch durch den Insolvenzzweck verdrängt. Die Abwicklung richtet sich nicht nach den gesellschaftsrechtlichen Abwicklungsvorschriften, sondern nach der Insolvenzordnung.34 Dies ist für die Aktiengesellschaft ausdrücklich angeordnet (§ 264 Abs. 1 AktG), gilt aber auch entsprechend für andere Rechtsformen (dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Vollabwicklung, der in § 199 Satz 2 InsO verankert ist).35 Nur bruchstückhaft geregelt ist die Frage, inwieweit die Befugnisse der Gesellschaftsorgane durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschränkt werden. In der Fremdverwaltung unterscheidet man drei Bereiche: Alles, was die Insolvenzmasse betrifft, fällt in die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzverwalters. Diesbezüglich haben die Gesellschaftsorgane keine Zuständigkeiten mehr. Die Geschäftsleitung hat keine Verwaltungs- und Verwertungsbefugnis (vgl. § 80 InsO), die Überwachung erfolgt weder durch den Aufsichtsrat noch durch die Gesellschafterversammlung, sondern allein durch das Insolvenzgericht und die Gläubiger (vgl. §§ 58 Abs. 1 33 LG Berlin v. 20.10.2014 – 51 T 696/14, ZIP 2014, 2197, 2203 ff. (II Nr. 7). 34 Haas in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2010, § 91 Rz. 28. 35 Begründung des RegE einer Insolvenzordnung, B., zu § 227, BT-Drucksache 12/2443, S. 187; Füchs/Weishäupl/Kebekus/Schwarzer in Münchener Kommentar zur InsO, Band 2, 3. Aufl. 2013, § 199 Rz. 2 f.
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und 69 InsO).36 Der Schuldnerbereich umfasst demgegenüber die Ausübung und Erfüllung der insolvenzverfahrensrechtlichen Rechte und Pflichten der Gesellschaft, die Verwaltung und Verwertung des insolvenzfreien Vermögens und die Vornahme insolvenzneutraler Geschäfte. In diesem Bereich bleibt die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung bestehen, die Gesellschaftsorgane sind aber auf Grund der Auflösung der Gesellschaft und des geänderten Gesellschaftszwecks zur Rücksichtnahme auf die Gläubigerbelange verpflichtet.37 Umstritten ist, inwieweit daneben ein sogenannter Überschneidungsbereich existiert, innerhalb dessen Insolvenzverwalter und Gesellschaftsorgane zur Kooperation verpflichtet sind. Beispielhaft sei etwa die Änderung der Firma genannt.38 In der Eigenverwaltung behält die Gesellschaft grundsätzlich die Verwaltungs- und Verwertungsbefugnis über die Insolvenzmasse (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO). § 276a InsO ist eine insolvenzrechtliche Sondervorschrift, die das Gesellschaftsrecht überlagert, indem sie die gesellschaftsrechtlichen Organkompetenzen auf verbandsrechtlicher Ebene beschränkt („haben keinen Einfluss“). Nunmehr gehört die Gesellschaft wirtschaftlich den Gläubigern, sodass die Geschäftsführung an Gläubiger- und nicht mehr Gesellschafts- oder gar Gesellschafterinteresse auszurichten ist.39 Ziel der Regelung war es, die Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter in der Eigenverwaltung nicht weiter reichen zu lassen als im Regelinsolvenzverfahren. Tatsächlich führt die Regelung jedoch zu einer Überwachungslücke, weil der eigenverwaltende Schuldner engerer Überwachung als der Insolvenzverwalter bedarf, nunmehr aber lediglich durch den Sachwalter in geringem Umfang überwacht wird (nach § 275 InsO ist nur bei der Eingehung außerordentlicher Verbindlichkeiten eine Abstimmung und die Kassenprüfung erforderlich). Eine Überwachung erfolgt je-
36 Drescher in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, § 264 Rz. 9. 37 Hüffer in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Band 4, 3. Aufl. 2011, § 264 Rz. 46 ff.; Drescher, in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, § 264 Rz. 10; Riggert in Braun, Insolvenzordnung, 6. Aufl. 2014, § 276a Rz. 2. 38 Hüffer in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Band 4, 3. Aufl. 2011, § 264 Rz. 46 ff.; Drescher in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, § 264 Rz. 50 und 57; Koch in Hüffer, Aktiengesetz, 11. Aufl. 2014, § 264 Rz. 10; Klöhn in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 276a Rz. 2. 39 Klöhn in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 276a Rz. 8.
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denfalls bspw. nicht im Hinblick auf unternehmenspolitische und strategische Entscheidungen.40
2. Debt-Equity-Swap im Insolvenzplan Im Wege der Änderung der Insolvenzordnung durch das ESUG wurde in § 225a InsO die Möglichkeit geschaffen, im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens in die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen einzugreifen.
a) Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen § 225a Abs. 2 InsO legt fest, dass Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte umgewandelt werden können (Satz 1), allerdings nicht gegen den Willen der betroffenen Gläubiger (Satz 2). Diese Regelung wird durch § 230 Abs. 2 InsO ergänzt, wonach dem Insolvenzplan in diesem Fall eine zustimmende Erklärung eines jeden Gläubigers beizufügen ist. Eine Ausnahme gilt für Anleihen, die dem SchVG unterliegen, insoweit kann gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 3 SchVG die Mehrheit der Anleihegläubiger eine Umwandlung in Gesellschaftsanteile beschließen. An dem Zustimmungserfordernis in § 225a Satz 2 InsO wird durchaus Kritik geübt: Im Rahmen der Reformdiskussion wurde eine Widerspruchslösung, bei der im Falle eines unterbliebenen Widerspruchs von einer Zustimmung ausgegangen werden kann, angeregt, da ansonsten eine Umwandlung unnötig erschwert werde.41 In § 225a Abs. 2 Satz 3 InsO legt der Gesetzgeber dar, welche Varianten ihm insoweit vorschweben: Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, Leistung von Sacheinlagen, Ausschluss von Bezugsrechten und Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber. Dies ist lediglich eine beispielhafte Aufzählung, sie ist also nicht abschließend.42 § 225a Abs. 3 InsO wiederum regelt ergänzend bzw. beschränkend43, dass im Plan alles geregelt werden kann, was gesellschaftsrechtlich zu40 Klöhn in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 276a Rz. 4 ff. 41 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 33. 42 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 38. 43 Schäfer, Insolvenzplan als Lösungsmittel für Mehrheits-/Minderheitskonflikte? – Lehren aus dem Fall Suhrkamp, ZIP 2013, 2237, 2242.
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lässig ist (es handelt sich wohl insoweit um die Grundnorm, die für den Gegenstandsbereich des Debt-Equity-Swaps durch § 225a Abs. 2 InsO konkretisiert wird44). Streitig ist45, ob § 225a Abs. 3 InsO dahingehend zu verstehen ist, dass gesellschaftsrechtliche Maßnahmen nur dann möglich sind, wenn die einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Regelungen gewahrt werden46 oder ob insoweit die Regelungen betreffend gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen im Rahmen der Vorschriften über das Insolvenzplanverfahren vorgehen und lediglich die nicht disponiblen Vorschriften aus dem Gesellschaftsrecht Anwendung finden:47 Die erste Ansicht begründet dies damit, dass der Insolvenzplan lediglich bestimmte Formalitäten und Beschlussfassungen der Gesellschafter ersetze, nicht aber von Anforderungen an die materielle Rechtmäßigkeit entbinde48. Vorzugswürdig ist aber insoweit die zweite Ansicht, da für den Schutz von Minderheitenrechten und gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsätze im Insolvenzplanverfahren kein Raum ist: beides wird dort von den Spezialregelungen in §§ 245 Abs. 3, 251, 253 InsO verdrängt.49 Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber zum Beispiel in § 238a Abs. 1 InsO zum Ausdruck gebracht hat, dass sich die Stimmrechte des Gesellschafters in der Insolvenz auf das Wertinteresse beschränken.
b) Die Kapitalherabsetzung Die praktische Durchführung des Debt-Equity-Swaps erfolgt üblicherweise in der Form, dass zunächst eine nominelle Kapitalherabsetzung erfolgt, sofern das Eigenkapital durch aufgelaufene Verluste zumindest teilweise verloren ist. Die Herabsetzung kann im vereinfachten Verfah-
44 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 39. 45 Zum Streitstand: Haas, Mehr Gesellschaftsrecht im Insolvenzplanverfahren, NZG 2012, 961, 965. 46 Simon/Merkelbach, Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121, 125; Müller, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen im Insolvenzplan, KTS 2012, 419, 441 f. 47 Spliedt, Debt-Equity-Swap und weitere Strukturänderungen nach dem ESUG, GmbHR 2012, 462, 466. 48 Simon/Merkelbach, Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121, 125. 49 Haas, Mehr Gesellschaftsrecht im Insolvenzplanverfahren, NZG 2012, 961, 965.
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ren (§§ 229 ff. AktG, 58a ff. GmbHG) erfolgen. Hierdurch soll wirtschaftlich den Altgesellschaftern der entsprechende Verlust zugewiesen werden, bevor die Einbringung der Gläubigerforderungen erfolgt.50 Problematisch ist, ob eine Kapitalherabsetzung auf Null, das heißt faktisch ein Herausdrängen der Altgesellschafter, möglich ist. Dies ist jedenfalls dann möglich, wenn im Anschluss eine Barkapitalerhöhung erfolgt, so dass jedenfalls wieder der maßgebliche Mindeststammkapitalbetrag bzw. Mindestbetrag des Nennkapitals erreicht wird (vgl. §§ 58a Abs. 4 GmbHG, 229 Abs. 3 i.V.m. § 228 Abs. 1 AktG). Eine Erhöhung, die diesen Betrag übersteigt, kann dann auch in Form einer Sacheinlage durch Umwandlung von Forderungen erfolgen. Im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG wird durch eine Kapitalherabsetzung auf Null aber ggf. eine Entschädigungspflicht gegenüber den Altgesellschaftern ausgelöst, soweit die entzogenen Rechtspositionen noch einen wirtschaftlichen Wert besitzen. Eine solche wird der Plan in der Regel vorsehen, allein schon um eine Schlechterstellung der Altgesellschafter gegenüber einer Abwicklung im Regelverfahren zu vermeiden.51
c) Die Entschädigung Fraglich ist, in welcher Höhe die Altgesellschafter entschädigt werden, das heißt welcher Wert der Anteile maßgeblich ist. Insoweit kann nicht der bilanzielle Wert des verbliebenen Eigenkapitals herangezogen werden. Vielmehr muss der wirkliche wirtschaftliche Wert der bestehenden Anteile angesetzt werden.52 Welchen Wert hätte man also – bei einem fortführungsfähigen Unternehmen, wovon im Insolvenzplanszenario auszugehen ist – im Verkaufsfalle erzielt? Es ist daher richtig, wenn vertreten wird, dass das Unternehmen unter going-concern-Gesichtspunkten zu bewerten ist.53 Allerdings muss
50 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 41. 51 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 42 f. 52 BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613-94, NJW 1999, 3769, 3771; Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 46. 53 So auch: Schäfer/Wüstemann, Unternehmensbewertung, Kapitalmaßnahmen und Insolvenzplan, ZIP 2014, 1757, 1761 und 1766; Schäfer, Insolvenzplan als Lösungsmittel für Mehrheits-/Minderheitskonflikte? – Lehren aus dem Fall Suhrkamp, ZIP 2013, 2237, 2240.
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insoweit auch berücksichtigt werden, dass von diesem Wert des Unternehmens, der im Verkaufsfall außerhalb des Insolvenzverfahrens (wenn kein zwingender Insolvenzantragsgrund – Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit – vorliegt) oder im Regelverfahren erzielt werden kann, die bestehenden Verbindlichkeiten mit ihrem Nennwert abzuziehen sind (arg.: Die nachrangig berechtigten Altgesellschafter können kaum verlangen, dass sich die vorrangig berechtigten Gläubiger mit weniger als dem vollen Forderungsbetrag zufrieden geben).54 Es ist insoweit vom Zerschlagungsszenario auszugehen, das der Bewertung der Assets als Ganzem und damit der Bewertung des Unternehmens unter Fortführungsgesichtspunkten nicht entgegensteht, wenn diese Assets insgesamt so im Wege der übertragenden Sanierung verkauft werden könnten. Für die börsennotierte Gesellschaft ergibt sich insoweit nichts anderes, da nicht auf den Verkehrswert der Aktien abzustellen ist, sondern den Verkehrswert des Unternehmens, für den der Börsenkurs keine Relevanz haben dürfte.55 Eine Parallele zum Squeeze Out ist insoweit nicht möglich, da in diesem Zusammenhang gerade nicht durch die Insolvenzeröffnung das Abwicklungsszenario bereits eingeleitet ist.56
d) Die Kapitalerhöhung Im Anschluss an die Kapitalherabsetzung erfolgt eine effektive Kapitalerhöhung in Form einer Sacheinlage durch die umzuwandelnden Gläubigerforderungen.57 Problematisch ist insoweit, dass im Falle einer Kapitalerhöhung den Gesellschaftern prinzipiell ein Bezugsrecht zusteht (AG: § 186 AktG, GmbH: § 186 AktG analog). Die §§ 217 ff. InsO schließen dieses auch nicht zwingend aus: § 225a Abs. 2 Satz 3 InsO legt aber fest, dass Be-
54 Schäfer/Wüstemann, Unternehmensbewertung, Kapitalmaßnahmen und Insolvenzplan, ZIP 2014, 1757, 1762 f.; Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 46. 55 Dechert/Voland, Kapitalschnitt und Bezugsrechtsausschluss im Insolvenzplan – Kalte Enteignung oder Konsequenz des ESUG, ZIP 2013, 103, 111; Spliedt, Debt-Equity-Swap und weitere Strukturänderungen nach dem ESUG, GmbHR 2012, 462, 466 f. 56 Dechert/Voland, Kapitalschnitt und Bezugsrechtsausschluss im Insolvenzplan – Kalte Enteignung oder Konsequenz des ESUG?, ZIP 2013, 103, 110 f. 57 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 40.
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zugsrechte ausgeschlossen werden können. Hierin ist aber nicht festgelegt, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Ausschluss erfolgen kann.58 Eine Mindermeinung vertritt die Auffassung, dass ein Bezugsrechtsausschluss – wie generell im Gesellschaftsrecht – nur bei Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung möglich ist.59 Anderenfalls sieht diese Ansicht hierin einen Verstoß gegen die negative Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG, da den Altgesellschaftern neue Gesellschafter aufgezwängt werden, ohne dass sie sich hiergegen wehren können.60 Zudem lebe nach Beendigung des Insolvenzplanverfahrens die mitverwaltungsrechtliche Komponente der Mitgliedschaft der Gesellschafter wieder auf, so dass ein Eingriff in ihre Rechte nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass wie bei einer Liquidation lediglich noch eine finanzielle Beteiligung erfolge.61 Die herrschende Ansicht hingegen lässt einen solchen Bezugsrechtsausschluss ohne weitere materielle Voraussetzungen zu und stützt sich hierbei in erster Linie auf die Regierungsbegründung62, wonach im Falle der Kapitalerhöhung ein Bezugsrechtsausschluss zulasten der Anteilsinhaber geregelt werden müsse, was darauf hindeute, dass ein solcher ohne weiteres möglich sei.63 Zudem kann auch hier damit argumentiert werden, dass Individual- und Minderheitenschutz nur noch über die §§ 245 Abs. 3, 251, 253 InsO erfolgt und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich ohnehin nicht mit dem Erhalt der Gesellschafterstellung gerechnet werden kann, so dass keine Schlechterstellung ge-
58 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 49. 59 Simon/Merkelbach, Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121, 125; kritisch, aber wohl nicht ablehnend: K. Schmidt, Schöne neue Sanierungswelt: Die Gläubiger okkupieren die Burg!, ZIP 2012, 2085, 2088. 60 Brinkmann, Wege aus der Insolvenz eines Unternehmens, WM 2011, 97, 100. 61 Stöber, Die Kompetenzverteilung bei Kapitalerhöhungen im Insolvenzverfahren, ZInsO 2012, 1811, 1819. 62 Begründung des RegE ESUG, zu Art. I, Nr. 17, BT-Drucksache 17/5712, S. 32. 63 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 49 f.
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genüber dem Regelinsolvenzverfahren erfolgt, sofern eine Vergütung des Restwerts der Gesellschaftsanteile erfolgt.64
e) Die Bewertung der Forderungen Ein weiterer problematischer Punkt, ebenfalls mangels expliziter Regelungen in den §§ 217 ff. InsO, ist die Frage, wie die einzubringenden Gläubigerforderungen zu bewerten sind. Eine Ansicht geht davon aus, dass nur der tatsächliche Zeitwert zugrunde zu legen ist.65 Hierfür spricht die Regelung in § 254 Abs. 4 InsO, wonach nach Durchführung des Debt-Equity-Swap und rechtskräftiger gerichtlicher Bestätigung des Insolvenzplans Ansprüche des Schuldners gegen die bisherigen Gläubiger wegen einer Überbewertung von Forderungen nicht mehr geltend gemacht werden können.66 Ein ähnliches Verständnis ergibt sich aus der Regierungsbegründung zu § 225a InsO, in der es heißt, dass die Werthaltigkeit der eingelegten Forderungen aufgrund der Insolvenz des Schuldners regelmäßig reduziert sei und der
64 Begründung des RegE ESUG, zu Art. I, Nr. 17, BT-Drucksache 17/5712, S. 32; Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 50; so auch: Decher/Voland, Kapitalschnitt und Bezugsrechtsausschluss im Insolvenzplan, ZIP 2013, 103, 106, die insoweit § 276a InsO heranziehen und darauf hinweisen, dass ein solcher Bezugsrechtsausschluss auch außerhalb der Insolvenz möglich sei sowie wohl auch Willemsen/Rechel, Kommentar zum ESUG, § 225a Rz. 31 ff., die einen Bezugsrechtsausschluss von einem hinreichenden Interesse der erwerbenden Gesellschaft abhängig machen, dieses aber bereits dann annehmen, wenn ohne den Ausschluss des Bezugsrechts Nachteile für die Gesellschaft drohen. 65 So BGH vor dem ESUG, vgl. BGH v. 18.2.1991 – II ZR 104/90, NJW 1991, 1754, 1755 und BGH v. 15.1.1990 – II ZR 164/88, NJW 1990, 982, 985 ff.; Schäfer/Wüstemann, Unternehmensbewertung, Kapitalmaßnahmen und Insolvenzplan, ZIP 2014, 1757, 1767 f.; Jaffé in Frankfurter Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2015, § 225a Rz. 21; K. Schmidt, Debt-to-Equity-Swap bei der (GmbH & Co.-)Kommanditgesellschaft, ESUG, „Sanieren oder Ausscheiden“ und vor allem: Fragen über Fragen, ZGR 2012, 565, 573; Brinkmann, Wege aus der Insolvenz eines Unternehmens – oder: Die Gesellschafter als Sanierungshindernis, WM 2011, 97, 101; Kleindiek in FS Hommelhoff, 2012, DebtEquity-Swap im Insolvenzplanverfahren, S. 543, 553 f.; Altmeppen in FS Hommelhoff, 2012, Zur Rechtsstellung der Gläubiger im Konkurs gestern und heute, S. 1, 13. 66 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 51.
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Wert nicht dem buchmäßigen Nennwert entspreche, sondern deutlich darunter liege und ggf. ein Gutachten zur Frage der Werthaltigkeit eingeholt werden müsse.67 Fraglich ist sodann aber, ob man bei der Bewertung von Liquidations-68 oder Fortführungswerten69 ausgehen muss. Auch insoweit enthalten die §§ 217 ff. InsO keine Regelung. Auch wird aber wohl – wie im Hinblick auf den Abfindungsanspruch der Altgesellschafter – der Einzelfall maßgeblich sein, d.h. es ist zu fragen, was mit dem Unternehmen geschehen soll. Dieses Vorgehen ist aber nicht frei von Kritik, weshalb eine andere Ansicht davon ausgeht, dass der Nominalwert heranzuziehen ist. Zum einen ist die Feststellung des wahren Wertes unsicher, teuer und verfahrensverzögernd, zum anderen kann die Einbringung unter dem Nominalwert zu einem ausschüttungsfähigen Ertrag führen und mithin steuerrechtliche Konsequenzen haben.70 Meines Erachtens ist der Zeitwert der Forderung relevant, der unter Fortführungsgesichtspunkten zu ermitteln ist. Wenn dadurch ertragsteuerliche Folgen eintreten, sollten diese ebenso wie bei der – regelmäßig nur anteiligen – Befriedigung von Insolvenzforderungen durch den Plan durch eine verbindliche Auskunft des Finanzamtes geklärt werden.
67 Begründung des RegE ESUG, zu Art. I, Nr. 17, BT-Drucksache 17/5712, S. 32. 68 Wertenbruch, Die Personengesellschaft im Insolvenzplanverfahren, ZIP 2013, 1693, 1699; Simon/Merkelbach, Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121, 123 f.; Haas, Mehr Gesellschaftsrecht im Insolvenzplanverfahren, NZG 2012, 961, 967. 69 K. Schmidt, Schöne neue Sanierungswelt: Die Gläubiger okkupieren die Burg!, ZIP 2012, 2085, 2087; Merten, Die neue Insolvenzrechtsreform 2012 (ESUG), S. 78 f.; Horstkotte/Martini, Die Einbeziehung der Anteilseigner in den Insolvenzplan nach dem ESUG, ZInsO 2012, 557, 563 (Fn. 47); Weber/ Schneider, Die nach dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vorgesehene Umwandlung von Forderungen in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte (Debt-Equity-Swap), ZInsO 2012, 374, 378 f. 70 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 53; Spliedt in K. Schmidt, InsO, 18. Aufl. 2013, § 225a Rz. 24; Maier-Reimer, Debt Equity-Swap, in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011, 2012, 107, 113 ff.; Bork, Grundfragen des Restrukturierungsrechts, ZIP 2010, 397, 408 (Fn. 107).
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3. Änderung von Beteiligungsverhältnissen im Rahmen eines Insolvenzplans Neben einem Debt-Equity-Swap kann die Änderung der Beteiligungsverhältnisse an dem Schuldner auch auf anderem Wege erfolgen.71 Die Eingriffsgrundlage bildet insoweit § 225a Abs. 3 InsO, wonach sonstige gesellschaftsrechtliche Maßnahmen zulässig sind.
a) Anteilsübertragung auf Dritte oder andere Gesellschafter Zunächst ist an die Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf Dritte oder andere Gesellschafter zu denken.72 Auch diese ist gegen den Willen der „veräußernden“ Altgesellschafter möglich. Die §§ 254, 254a InsO gelten auch ohne Zustimmung des Betroffenen. Auch hier stellt sich aber das Problem, dass diesen eine Kompensation zusteht. Insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen zur Kapitalherabsetzung auf Null im Falle des Debt-Equity-Swap. Fraglich ist, ob die Übertragung auf einzelne oder sogar nur einen Altgesellschafter beschränkt werden kann. Insoweit sind drei Punkte zu beachten: erstens das Problem der nötigen Gläubigergleichbehandlung innerhalb einer Gruppe (§ 226 InsO), zweitens die Frage der Zulässigkeit der Gruppenbildung mit nur einem Recht bzw. nur einem Gläubiger nach § 222 InsO und drittens das Problem mit der Anwendungsvoraussetzung des Obstruktionsverbots (insbesondere § 245 Abs. 3 Nr. 2 InsO).73 Die Gesellschafter bilden nach § 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 InsO grundsätzlich eine eigene Gruppe. In diesem Fall würde die Übertragung der Anteile nur eines Gesellschafters gegen das Gleichbehandlungsgebot innerhalb der jeweiligen Gruppen nach § 226 Abs. 1 InsO verstoßen, wenn dieser nicht zustimmt (vgl. § 226 Abs. 2 InsO). Dieses Problem kann grundsätzlich dadurch beseitigt werden, dass die Gesellschafter in unterschiedliche Gruppen aufgeteilt werden74, kommt aber in ähnlichem
71 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 85 ff. 72 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 86 f. und 89. 73 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 87. 74 Flessner in Heidelberger Kommentar zur InsO, 7. Aufl. 2014, § 226 Rz. 3.
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Kleide wieder über die Voraussetzungen des Obstruktionsverbotes, wonach ein Gesellschafter gegenüber anderen außerhalb der Insolvenz gleichgestellten Gesellschaftern nicht schlechter gestellt sein darf (§ 245 Abs. 3 Nr. 2 InsO). Insoweit dürfte der Anwendungsbereich ein sehr geringer sein.75 Nach wohl herrschender Meinung ist die Bildung einer Gruppe mit nur einem Beteiligten durchaus möglich.76 Hiergegen spricht zwar, dass § 222 InsO stets von der Bildung von Gruppen spricht, andererseits ist aber denkbar – zumindest theoretisch –, dass nur ein Absonderungsberechtigter neben mindestens einem Insolvenzgläubiger oder nur ein nachrangiger Insolvenzgläubiger neben mindestens einem Absonderungsberechtigten existiert. Zudem zeigt auch die Sonderregelung für den Pensionssicherungsverein nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG, wonach dieser eine besondere Gruppe bildet, dass die Bildung von Gruppen mit nur einem Beteiligten der InsO nicht wesensfremd ist. Bei der vorgenannten Regelung handelt es sich auch nicht um eine Ausnahmeregelung zu einem grundsätzlich geltenden Verbot von Gruppen mit einem Recht bzw. einem Beteiligten. Dies ergibt sich daraus, dass das Grundprinzip des § 222 InsO, Rechte bzw. Beteiligte nur insoweit zu einer Gruppe zusammenzufassen, als bei ihnen aufgrund der Gleichartigkeit der Rechtsstellung bzw. der wirtschaftlichen Interessenlage eine Mehrheitsentscheidung auch im Interesse der überstimmten Gruppenmitglieder liegt, es erfordert, dass unter Umständen auch die Bildung von Gruppen mit nur einem Recht oder einem Rechteinhaber möglich sein muss.77
b) Unechter Debt-Equity-Swap Denkbar ist auch ein sogenannter unechter Debt-Equity-Swap, bei dem die Übertragung von Anteilsrechten auf Gläubiger gegen den Erlass von 75 Simon/Merkelbach, Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121, 127 f. 76 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 222 Rz. 31; Flessner in Heidelberger Kommentar zur InsO, 7. Aufl. 2014, § 222 Rz. 13; a.A.: Smid, Salvatorische Klauseln als Instrument zur Abwehr von Widersprüchen gegen den Insolvenzplan, ZInsO 1998, 347, 352. 77 Vgl. insgesamt: Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 222 Rz. 31; Simon/Merkelbach, Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121, 127 f.
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Forderungen gegenüber der Gesellschaft nach § 397 BGB erfolgt.78 Dieser wird aber nur dann praktisch relevant, wenn entweder alle Altgesellschafter ausscheiden oder – im Hinblick auf § 226 InsO – bei Übertragung nur eines Alt-Anteils die Zustimmung der betroffenen Gruppe vorliegt. Der Vorteil eines solchen unechten Debt-Equity-Swaps ist, dass das Problem der Kapitalmaßnahmen und die damit insbesondere verbundenen Bewertungsprobleme im Hinblick auf die Kompensation der Altgesellschafter wegfallen (aber: Bewertungsproblem bzgl. Gläubigerforderung bleibt bestehen).79 Erheblicher Nachteil dieser Vorgehensweise ist aber, dass Drittrechte an den Anteilen bestehen bleiben, das heißt keine lastenfreie Übertragung erfolgt.80
4. Umwandlungsmaßnahmen im Rahmen eines Insolvenzplans Im Rahmen eines Insolvenzplans können zudem auch umfassende Umwandlungsmaßnahmen getroffen werden. Dies ergibt sich daraus, dass, wenn explizit ein Fortsetzungsbeschluss gefasst werden kann (§ 225a Abs. 3 InsO), gleiches auch für einen Umwandlungsbeschluss gelten muss.
a) Alle Umwandlungsformen des UmwG Denkbar sind insoweit alle Umwandlungsvorgänge, welche das UmwG vorsieht.81 Vorteil ist dabei die Gesamtrechtsnachfolge, die beispielsweise zur Bildung effektiverer Assetstrukturen, zur Vorbereitung einer übertragenden Sanierung oder deren Begleitung Sinn machen kann. Zunächst ist insoweit an die Verschmelzung mit einem Investorenunternehmen auf einen bereits bestehenden (§ 2 Nr. 1 UmwG) oder einen neuen Rechtsträger (§ 2 Nr. 2 UmwG) zu denken.82 Die Verschmel78 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. § 225a Rz. 88; Wieneke/Hoffmann, Der Erhalt der Börsennotierung Debt Equity-Swap in der Insolvenz, ZIP 2013, 697, 704. 79 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. § 225a Rz. 88; Wieneke/Hoffmann, Der Erhalt der Börsennotierung Debt Equity-Swap in der Insolvenz, ZIP 2013, 697, 705 ff. 80 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. § 225a Rz. 88. 81 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. § 225a Rz. 98. 82 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. § 225a Rz. 98.
2014, beim 2014, beim 2014, 2014, 2014,
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zung auf den insolventen Rechtsträger als Zielgesellschaft ist zwar nunmehr ebenfalls möglich (vor Einführung des ESUG war dies äußerst umstritten83), dies macht aber wohl nur in Einzelfällen Sinn, da hier ein erhebliches Risiko für die Gläubiger des solventen Rechtsträgers besteht, da im Hinblick auf deren Befriedigungsaussichten eine erhebliche Verschlechterung droht. Diese können zwar nach § 22 UmwG Sicherheitsleistung für ihre Forderungen verlangen, dieser Schutz läuft aber im Falle einer Abwicklungsfusion, bei der der insolvente Rechtsträger aufgelöst wird, leer. Die Verschmelzung auf den insolventen Rechtsträger macht daher nur Sinn, wenn es sich hierbei um eine Sanierungsfusion handelt oder das gesunde Unternehmen die Tochtergesellschaft der insolventen Muttergesellschaft ist und daher keine Gläubiger hat, die benachteiligt werden können.84 Zudem kann auch an eine Spaltung/Ausgliederung gedacht werden. Vorteil ist hier, dass das Problem der Anteilsbewertung – wie es im Rahmen des Debt-Equity-Swap besteht – entfällt und rechtsträgerspezifische Berechtigungen aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge (dies gilt für alle Umwandlungsformen, vgl. nur § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) erhalten bleiben und daher Übertragungsbeschränkungen und -hindernisse, wie sie im Rahmen der übertragenden Sanierung existieren, hier kein Problem darstellen. Letztlich stellt sich aber bei einer Spaltung das Problem, dass nach § 133 UmwG eine fünfjährige gesamtschuldnerische Haftung zwischen übernehmendem Rechtsträger und übertragendem Rechtsträger (Insolvenzschuldner) besteht: Insoweit ist entsprechend § 25 HGB, § 75 AO daran zu denken, dass auch § 133 UmwG teleologisch zu reduzieren ist und im Insolvenzverfahren daher keine Anwendung findet. Dies lässt sich mit der im Insolvenzverfahren geltenden Gläubigerautonomie begründen. Solange dies jedoch nicht höchstrichterlich bestätigt ist, wird man wohl zusätzlich im Insolvenzplan einen Verzicht vorsehen (wobei streitig ist, ob dies möglich ist, da der Verzicht keine Erklärung des Schuldners oder Anteilseigners, sondern Dritter wäre). Da § 133 UmwG auf den Zeitpunkt der Eintragung der Spaltung ins Handelsregister abstellt, im Insolvenzplan die Entschuldung aber mit Rechtskraft des Insolvenzplans eintritt, sollten dieses Haftungsrisiko überschaubar sein. 83 Vgl. Madaus, Umwandlungen als Gegenstand des Insolvenzplans nach dem ESUG, ZIP 2012, 2133, 2134. 84 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 98; Madaus, Umwandlungen als Gegenstand des Insolvenzplans nach dem ESUG, ZIP 2012, 2133, 2134 f.
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Letztlich kommt auch ein Formwechsel in Betracht. Dies kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn der eintretende Investor eine Veränderung in den Corporate Governance-Strukturen anstrebt, eine Haftungsbeschränkung gewünscht wird oder einer Unterkapitalisierung auf diesem Weg entgegengetreten werden soll.85 Zudem hat der Fall Suhrkamp gezeigt, dass ein Formwechsel auch im Hinblick auf Sonderrechte von Minderheitsgesellschaftern hilfreich sein kann.
b) Reverse Debt-Equity-Swap Der sog. Reverse Debt-Equity-Swap bildet einen Unterfall der Ausgliederung im Sinne des Umwandlungsgesetzes. Im Unterschied zum Debt-Equity-Swap bringen die Gläubiger hier ihre Forderungen nicht in das insolvente Unternehmen, sondern in eine neu gegründete Zweckgesellschaft ein. Im Gegenzug gliedert die insolvente Gesellschaft ihren Betrieb nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG an diese Gesellschaft aus und erhält im Gegenzug Anteilsrechte. Das Verhältnis richtet sich nach dem Verhältnis des verbliebenen Werts des eingebrachten Geschäftsbetriebs zum Wert der zuvor eingebrachten Darlehensforderungen. Der entsprechende Ausgliederungsbeschluss erfolgt im Plan.86 Die Vorteile eines solchen Reverse Debt-Equity-Swaps bestehen darin, dass durch die gesetzlich normierte Gesamtrechtsnachfolge (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) sichergestellt ist, dass sämtliche Vertragsverhältnisse des insolventen Unternehmens auch ohne Zustimmung der jeweiligen Vertragspartner auf die neu gegründete Gesellschaft übergehen. Des Weiteren entfällt die Bewertungsproblematik weitestgehend, da mit Ausnahme der notwendigen Festlegung des Umtauschverhältnisses die Kapitalverhältnisse der neu gegründeten Gesellschaft frei gestaltbar sind. Hinzu kommt, dass die Höhe der gewünschten Entschuldung relativ einfach durch den Umfang der eingebrachten Darlehensforderung re-
85 Simon/Merkelbach, Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121, 128; Madaus, Umwandlungen als Gegenstand des Insolvenzplans nach dem ESUG, ZIP 2012, 2133, 2135. 86 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 101; Drouven, Neue Wege: „Reverse Debt-to-Equity-Swap“, ZIP 2009, 1052, 1053.
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gulierbar ist. Nach erfolgter Ausgliederung des Geschäftsbetriebs gehen die Darlehensforderungen, welche zuvor in die Zweckgesellschaft eingebracht wurden, im Wege der Konfusion unter.87
5. Obstruktionsverbot gemäß § 245 InsO Über den Insolvenzplan stimmen die Beteiligten in Gruppen ab; dabei kann über das Obstruktionsverbot nach § 245 InsO die Zustimmung von Gruppen, die ihre Zustimmung zum Insolvenzplan verweigert haben, fingiert werden. Voraussetzung ist insoweit, dass die Mehrheit der Gruppen für den Insolvenzplan gestimmt hat (§ 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO), die Angehörigen der nicht zustimmenden Gruppe voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden als sie ohne Plan stünden (§ 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und die nicht zustimmende Gläubigergruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt wird, der auf Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll (§ 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Innerhalb der einzelnen Plangruppen muss jeweils eine doppelte Mehrheit für den Insolvenzplan bestehen: Zum einen die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger, zum anderen die Mehrheit der Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger (§ 244 InsO).
a) Keine Schlechterstellung von Mitgliedern der Gesellschaftergruppe untereinander Für die Gesellschafter gilt insoweit (nach § 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 245 Abs. 3 Nr. 2 InsO), dass kein Mitglied der Gesellschaftergruppe schlechter gestellt werden darf als die anderen Mitglieder. Diese Regel gilt unabhängig davon, ob sich die verschiedenen Gesellschafter in der gleichen Gruppe befinden, in einer anderen, oder gar gedanklich wegen fehlender Betroffenheit noch keiner Gesellschaftergruppe angehören.88 Insoweit sei auch nochmals auf die Ausführungen zu dem Problem der Übertragung der Anteile von einem Gesellschafter auf einen Dritten oben unter III.3. verwiesen.
87 Drouven, Neue Wege: „Reverse Debt-to-Equity-Swap“, ZIP 2009, 1052, 1053. 88 Braun/Frank in Braun, InsO, 6. Aufl. 2014, § 245 Rz. 21; Andres in Andres/ Leithaus, InsO, 3. Aufl. 2014, § 245 Rz. 10.
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b) Gerichtliche Überprüfung im Rahmen der Planbestätigung (§ 248 InsO) Bevor das Insolvenzgericht den Plan bestätigt, prüft es gemäß § 248 InsO das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 244, 245 und 247 InsO. Auch greift vor der Planbestätigung der Minderheitenschutz (vergleiche hierzu sogleich ausführlich unter IV.1.).
IV. Rechtsschutzmöglichkeiten bei Eingriffen in die Gesellschafterrechte 1. Minderheitenschutz/Versagung der Bestätigung des Insolvenzplans (§ 251 InsO) Einzelne Gläubiger können unter anderem über § 251 InsO die Bestätigung des Insolvenzplans verhindern. In formeller Hinsicht bedarf es insoweit zunächst eines Antrags. Zur Antragstellung berechtigt ist jeder einzelne Gläubiger, unabhängig davon, ob dieser an der Abstimmung teilgenommen hat; nach wohl herrschender Meinung sind auch Gläubiger antragsberechtigt, welche überhaupt nicht stimmberechtigt sind.89 In zeitlicher Hinsicht muss der Antrag bis zur rechtskräftigen Bestätigung des Plans gestellt werden (streitig90). Ab Verkündung der Planbestätigung bedarf es zusätzlich auch noch der Anfechtung des Insolvenzplans über § 253 InsO. Dies ergibt sich daraus, dass das Insolvenzgericht gemäß § 318 ZPO an seine eigene Entscheidung gebunden ist. Der Antrag muss entweder schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle gestellt werden.91 In materieller Hinsicht muss der jeweilige Gläubiger spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll dem Plan widersprochen haben (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und der Antragsteller muss durch den
89 Sinz in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 251 Rz. 6; Braun/Frank in Braun, InsO, 6. Aufl. 2014, § 251 Rz. 5; Spliedt, in K. Schmidt, InsO, 18. Aufl. 2013, § 251 Rz. 4; a.A.: Jaffé in Frankfurter Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2015, § 251 Rz. 9. 90 Haas in Heidelberger Kommentar zur InsO, 7. Aufl. 2014, § 51 Rz. 4; Thies in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl. 2015, § 251 Rz. 5; a.A.: Sinz in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 251 Rz. 11; Spliedt in K. Schmidt, InsO, 18. Aufl. 2013, § 251 Rz. 4; Jaffé in Frankfurter Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2015, § 251 Rz. 10. 91 Spliedt in K. Schmidt, InsO, 18. Aufl. 2013, § 251 Rz. 3.
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Plan voraussichtlich schlechter gestellt sein, als er ohne diesen stünde (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Die Glaubhaftmachung dieser Schlechterstellung muss spätestens im Abstimmungstermin erfolgen (§ 251 Abs. 2 InsO). Im Hinblick auf den erklärten Zweck des ESUG, das Insolvenzplanverfahren zu beschleunigen92, sieht § 251 Abs. 3 InsO vor, dass der Antrag abzuweisen ist, wenn Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Gläubiger eine Benachteiligung nachweist. Die Frage, ob der jeweilige Gläubiger einen Ausgleich erhält, ist außerhalb des Insolvenzverfahrens zu klären.93
2. Sofortige Beschwerde (§ 253 InsO) Als weitere Rechtsschutzmöglichkeit steht dem Gläubiger nach erfolgter Bestätigung des Insolvenzplans durch das Gericht die sofortige Beschwerde nach § 253 InsO offen. Die Einlegung der sofortigen Beschwerde hat suspendierende Wirkung, d.h., dass der Insolvenzplan nicht in Rechtskraft erwachsen kann.94 Die sofortige Beschwerde ist in formeller Hinsicht dann zulässig, wenn der Insolvenzgläubiger dem Insolvenzplan widersprochen und gegen den Plan gestimmt hat (§ 253 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 InsO). In materieller Hinsicht muss der Gläubiger eine wesentliche Schlechterstellung durch den Plan glaubhaft machen und es darf kein Nachteilsausgleich durch Zahlung aus Mitteln im Sinne von § 251 Abs. 3 InsO erfolgen (§ 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Begründet ist die sofortige Beschwerde dann, wenn eine Verletzung der §§ 248–252 InsO vorliegt.95 Streitig war allerdings früher, ob es auch eines vorherigen Antrags nach § 251 InsO bedarf. Im Rahmen des Suhrkamp-Verfahrens hat der BGH 92 Begründung des RegE ESUG, A. II. 1., BT-Drucksache 17/5712, S. 17 f.; Fischer, Das neue Rechtsmittelverfahren gegen den Beschluss, durch den der Insolvenzplan bestätigt wird, NZI 2013, 513, 513. 93 Begründung des RegE ESUG, zu Art. 1 Nr. 35 (Änderung von § 251), BTDrucksache 17/5712, S. 35; Sinz in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 251 Rz. 41. 94 Haas in Heidelberger Kommentar zur InsO, 7. Aufl. 2014, § 253 Rz. 13; Jaffé in Frankfurter Kommentar zur InsO, 8. Aufl. 2015, § 253 Rz. 18. 95 Andres in Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl. 2014, § 253 Rz. 8; Thies in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl. 2015, § 253 Rz. 21.
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aber nunmehr beschlossen, dass es eines solchen Antrags nicht bedarf. Dies hat der BGH damit begründet, dass der Wortlaut des § 253 InsO einen solchen Antrag nicht vorsieht und auch die gesetzgeberischen Materialien gegen das Erfordernis eines solchen Antrags sprechen.96 Gibt das Beschwerdegericht der sofortigen Beschwerde statt, so kann es den Rechtsstreit entweder zurückverweisen oder eine eigene Entscheidung treffen.97 Der Insolvenzverwalter (oder der eigenverwaltende Schuldner) hat zudem die Möglichkeit, über § 253 Abs. 4 InsO eine unverzügliche Zurückweisung der sofortigen Beschwerde zu erwirken. Dies ist dann möglich, wenn – nach freier Überzeugung des Gerichts – die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs gegenüber den Nachteilen für den Beschwerdeführer überwiegen.98 Auch diese Regelung entspricht dem erklärten Zweck des ESUG, das Insolvenzplanverfahren zu beschleunigen.99
V. Fazit Nach alledem gilt: Insolvenzrecht sticht Gesellschaftsrecht! Trotz der positiven Neuerungen des ESUG wird an diesem aber auch in rechtlicher Hinsicht erhebliche Kritik geübt.
1. Verstoß gegen Art. 9 und 14 GG Unter anderem wird gerügt, dass die Vorschrift gegen Artt. 9 und 14 GG verstoße.100
96 BGH v. 17.7.2014 – IX ZB 13/14, NZI 2014, 753 f. 97 Braun/Frank in Braun, InsO, 6. Aufl. 2014, § 253 Rz. 9; Sinz in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 253 Rz. 94. 98 Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, IV., zu Artikel 1, § 253 Absatz 4 (neu), BT-Drucksache 17/7511, S. 36; Sinz in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 253 Rz. 68. 99 Andres in Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl. 2014, § 253 Rz. 1; kritisch zu den hieraus resultierenden Konsequenzen in der Praxis: Skauradszun, Insolvenzpläne unter Beschuss – Erfahrungen, Strategien und Prognosen, DB 2014, 2694 ff. 100 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 12; Schluck-Amend in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1039, 1050.
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Nach einer Ansicht ergibt sich ein Verstoß gegen Art. 9 GG daraus, dass durch § 225a InsO die Möglichkeit, sich gegen neue Gesellschafter zu verteidigen, unzulässig beschränkt wird. Dies gelte lediglich dann nicht, wenn der Gesellschaftsvertrag Kapitalerhöhungen und Bezugsrechtsausschlüsse auch durch Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter vorsieht.101 Nach der Gegenansicht liegt generell kein Verstoß gegen Art. 9 GG vor, da die Gesellschafter im Rahmen des Insolvenzverfahrens ihre Anteile nur treuhänderisch für die Gläubiger halten würden.102 Diese Argumentation überzeugt nur beschränkt, da sich nicht erklären lässt, warum nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder eine alleinige Verfügungsbefugnis der Anteilsinhaber besteht.103 Auch die Argumentation, ein Verstoß liege deshalb nicht vor, weil im Wege des kollidierenden Verfassungsrechts jedem Eigentumsrecht der Gläubiger nach Art. 14 GG Vorrang gebühre104, überzeugt nicht gänzlich, da nach § 35 Abs. 1 InsO Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter nicht Teil der Insolvenzmasse sind.105 Allerdings kann der Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 9 GG dadurch begegnet werden, dass der Insolvenzplan so gestaltet wird, dass den Altgesellschaftern in diesem Fall eine Kündigungsmöglichkeit zusteht.106
101 Brinkmann, Wege aus der Insolvenz eines Unternehmens, WM 2011, 97, 100 f.; Hölzle, Die „erleichterte Sanierung von Unternehmen“ in der Nomenklatur der InsO – ein hehres Regelungsziel des RefE-ESUG, NZI 2011, 124, 128; Madaus, Keine Reorganisation ohne die Gesellschafter – Von den Grenzen der Gläubigermacht in der Insolvenz, ZGR 2011, 749, 762 ff.; Müller, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen im Insolvenzplan, KTS 2012, 419, 425 ff. 102 Spliedt in K. Schmidt, InsO, 18. Aufl. 2013, § 225a Rz. 12; Bitter, Sanierung in der Insolvenz – Der Beitrag von Treue- und Aufopferungspflichten zum Sanierungserfolg, ZGR 2010, 147, 196 f.; Landfermann, Das neue Unternehmenssanierungsgesetz (ESUG) – Überblick und Schwerpunkte – Teil I, WM 2012, 821, 829. 103 Schluck-Amend in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1039, 1050. 104 Dechert/Voland, Kapitalschnitt und Bezugsrechtsausschluss im Insolvenzplan – Kalte Enteignung oder Konsequenz des ESUG, ZIP 2013, 103, 112; Verse, Anteilseigner im Insolvenzverfahren, ZGR 2010, 299, 312. 105 Madaus, Keine Reorganisation ohne die Gesellschafter – Von den Grenzen der Gläubigermacht in der Insolvenz, ZGR 2011, 749, 765 f.; SchluckAmend in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1039, 1050. 106 Schluck-Amend in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1039, 1051.
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Teilweise107 wird auch vertreten, dass die Norm gegen Art. 14 GG verstoße. Meines Erachtens ist die Verfassungsmäßigkeit insoweit dadurch sichergestellt, dass eine Entschädigung an die Anteilsinhaber zu zahlen ist (vergleiche insoweit auch oben unter III.2.).108
2. Verstoß gegen die europarechtliche Kapitalrichtlinie Weiterhin wird gerügt, die Vorschrift verstoße gegen die europarechtliche Kapitalrichtlinie. Die Artt. 25 Abs. 1, 29 Abs. 4 und 30 der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (nachfolgend „Kapitalrichtlinie“) schreiben vor, dass eine Kapitalherabsetzung, eine Kapitalerhöhung und der Ausschluss des Bezugsrechts von Gesellschaftern der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen. Im Hinblick auf die Kapitalherabsetzungen sowie den Bezugsrechtsausschluss bestehen keine europarechtlichen Bedenken. Art. 30 der Kapitalrichtlinie sieht für die Kapitalherabsetzung vor, dass im Falle einer gerichtlichen Anordnung kein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich ist. Im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens erfolgt eine solche gerichtliche Anordnung in Form der Planbestätigung nach § 248 Abs. 1 InsO. Art. 29 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie gilt nach seinem expliziten Wortlaut nur für Barkapitalerhöhungen. Im Falle eines Debt-Equity-Swaps erfolgt aber eine Kapitalerhöhung im Wege der Einlageforderungen, d.h. eine Sachkapitalerhöhung.109 Möglicherweise verstößt aber die Möglichkeit, eine Kapitalerhöhung ohne Zustimmung der Hauptversammlung vorzunehmen, gegen Art. 25 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie.110 Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf es einer solchen Zustimmung lediglich dann nicht, wenn die Kapi-
107 Stöber, Die Kompetenzverteilung bei Kapitalerhöhungen im Insolvenzverfahren, ZInsO 2012, 1811, 1818 f.; Simon/Merkelbach, Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121, 125 f. 108 Schluck-Amend in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1039, 1051; Eidenmüller/ Engbert, Reformperspektiven einer Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (Debt-Equity-Swap) im Insolvenzplanverfahren, ZIP 2009, 541, 546 f.; Sassenrath, Der Eingriff in Anteilseignerrechte durch den Insolvenzplan, ZIP 2003, 1517, 1524. 109 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 124. 110 Eidenmüller in Münchener Kommentar zur InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014, § 225a Rz. 125; Schluck-Amend in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1039, 1048.
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talerhöhung im Rahmen von kollektiven Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgt, welche die Gesellschaft zum Schutz der Gläubigerrechte einer Zwangsverwaltung unterstellen und in deren Rahmen eine nicht nur vorübergehende Enthebung der Gesellschaftsorgane erfolgt.111 Diese kollektiven Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind insoweit zu einfachen Sanierungsregelungen abzugrenzen. Einer Ansicht nach handelt es sich beim Insolvenzplanverfahren um ein reines Sanierungsverfahren, da dieses nicht ausschließlich auf die Gläubigerbefriedigung ausgerichtet ist, sondern auch der Sanierung des Unternehmens dient. Insbesondere bleibt das Unternehmen auch faktisch bestehen.112 Nach der Gegenansicht handelt es sich bei dem Insolvenzverfahren hingegen um ein kollektives Zwangsvollstreckungsverfahren. Dies ergebe sich bereits daraus, dass sonst die vom EuGH anerkannte Ausnahme leerliefe. Im Rahmen eines Liquidationsverfahrens sei von vornherein keine Kapitalerhöhung erforderlich. Zudem würden die Organe der Gesellschaft im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens jedenfalls teilweise ihrer Rechte enthoben (vgl. zum Beispiel § 276a InsO).113 Problematisch ist insoweit aber, dass die Aktionäre nicht ihrer Rechte enthoben werden.114
3. Aushebelung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht Kritik wird zudem daran geübt, dass im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens eine Aushebelung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht er-
111 EuGH v. 30.5.1991 – C-19/90, Slg. 1991, I-02691 – Karella, BeckRS 2004, 74810; EuGH v. 24.3.1992 – C-381/89, Slg. 1992, I-02111 – Syndesmos Melon, BeckRS 2004, 76896; EuGH v. 12.3.1996 – C-441/93, Slg. 1996, I-01347 – Pafitis u.a., BeckRS 2004, 77279. 112 Madaus, Keine Reorganisation ohne die Gesellschafter – Von den Grenzen der Gläubigermacht in der Insolvenz, ZGR 2011, 749, 768 ff.; Müller, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen im Insolvenzplan, KTS 2012, 419, 430 f. 113 Spliedt in K. Schmidt, InsO, 18. Aufl. 2013, § 225a, Rz. 15; Eidenmüller/Engbert, Reformperspektiven einer Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (Debt-Equity-Swap) im Insolvenzplanverfahren, ZIP 2009, 541, 547 f.; Verse, Anteilseigner im Insolvenzverfahren, ZGR 2010, 299, 313 ff. 114 Madaus, Keine Reorganisation ohne die Gesellschafter – Von den Grenzen der Gläubigermacht in der Insolvenz, ZGR 2011, 749, 769; Schluck-Amend in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1039, 1049.
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folge. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht sorge dafür, dass alle Gesellschafter im Interesse der Gesellschaft (und ggf. der Mitgesellschafter) handeln und nicht in ihrem eigenem.115 Durch die erweiterten Möglichkeiten des ESUG (insbesondere den Debt-Equity-Swap) besteht nunmehr – aber die Möglichkeit, andere Gesellschafter durch eine „taktische“ Insolvenz loszuwerden116, was in der Regel nicht im Interesse der Gesellschaft, sondern lediglich im Interesse eines einzelnen Gesellschafters ist. Insoweit bestehe ein Widerspruch zu der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.117 Teilweise wird vertreten, dass die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht in der Insolvenz der Gesellschaft ohnehin suspendiert sei, da das Insolvenzrecht diese überlagere.118 Dies wird unter anderem damit begründet, dass über die außerhalb des Insolvenzverfahrens durchzusetzende Treuepflicht das Insolvenzplanverfahren erheblich gestört und verzögert werden könne, was dem erklärten Zweck des ESUG (Beschleunigung des Insolvenzplanverfahrens) zuwiderlaufe.119 Der letzten Auffassung ist zuzustimmen, zumal die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei „falschen“ Insolvenzen zu unterbleiben hat, wenn diese insolvenzzweckwidrig ist.120
4. Keine Trennung der Vermögenssphären in der Insolvenz Letztlich wird zudem zu Recht kritisiert, dass die neu geschaffenen Möglichkeiten zu einer Aufhebung der Trennung der Vermögenssphären 115 Bitter, Sanierung in der Insolvenz – Der Beitrag von Treue- und Aufopferungspflichten zum Sanierungserfolg, ZGR 2010, 147, 164 ff. 116 Schäfer, Insolvenzplan als Lösungsmittel für Mehrheits-/Minderheitskonflikte? – Lehren aus dem Fall Suhrkamp, ZIP 2013, 2237, 2237. 117 LG Frankfurt am Main v. 10.9.2013 – 3-09 O 96/13, NZI 2013, 986, 988 (durch Beschluss des OLG Frankfurt, vgl. nachfolgende Fn., aufgehoben); Fölsing, Die Zähmung der Widerspenstigen im Suhrkamp-Fall: Schutzschirmverfahren bei Gesellschafterstreit, ZInsO 2013, 1325. 118 Wohl auch: OLG Frankfurt am Main v. 1.10.2013 – 5 U 145/13, NZI 2013, 978, 979; Thole, Treuepflicht-Torpedo? Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im Insolvenzverfahren, ZIP 2013, 1937, 1939 ff. 119 Ausführlich zu dem gesamten Themenkomplex: Thole, Treuepflicht-Torpedo? Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im Insolvenzverfahren, ZIP 2013, 1937 ff. 120 Brinkmann, Der strategische Eigenantrag, ZIP 2014, 197, 200; Lang/Muschalle, Suhrkamp-Verlag – Rechtsmissbräuchlichkeit eines rechtmäßig eingeleiteten Insolvenzverfahrens, NZI 2013, 953, 955.
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in der Insolvenz führten. § 35 Abs. 1 InsO stelle klar, dass Anteils- und Mitgliedschaftsrechte nicht zur Insolvenzmasse gehören. Daher gebe es keine Begründung oder Rechtfertigung, warum im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens auch ein Zugriff auf die Rechtsposition der nicht insolventen Gesellschafter möglich sein soll. Dies gelte umso mehr, als die Anteilsrechte an sich keine Forderungen bzw. Ansprüche der Gesellschafter gegen die Gesellschaft darstellten, sondern sich solche lediglich hieraus ergeben könnten.121
5. Ergo Obwohl immer mehr Entscheider bereits Erfahrungen mit dem Instrumentarium des Insolvenzplans, insbesondere der Möglichkeit des DeptEquity-Swaps, gemacht haben122 und einige spektakuläre Fälle erfolgreich durchgeführt wurden (Pfleiderer AG, Centrotherm Photovoltaics AG, Suhrkamp, IVG Immobilien AG), besteht mangels ausreichender höchstrichterlicher Rechtsprechung sowie der vorstehend dargelegten Kritik im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht noch immer eine gewisse Unsicherheit bezüglich des Einbaus des gesellschaftsrechtlichen Instrumentariums in den Insolvenzplan. Es liegt daher am Gesetzgeber, entsprechende Korrekturen vorzunehmen. Aufgabe der Gesellschaftsrechtler ist es insoweit, den Gesetzgeber hierauf deutlich hinzuweisen und entsprechende Änderungen anzumahnen.
121 Schluck-Amend in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1039, 1051 f. 122 Noerr LLP/Roland Berger Strategy Consultants GmbH, ESUG-Studie, Düsseldorf/Frankfurt, Februar 2014, S. 23.
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Bericht über die Diskussion des Referats Schluck-Amend Dr. Astrid Roesener Rechtsanwältin, München Diskussionsleiter Bachmann verwies zunächst mit Blick auf die Grundthese „Insolvenzrecht sticht Gesellschaftsrecht“ auf die Vielzahl offener Fragen bei der Eigenverwaltung, etwa im Bereich der Organhaftung, mit denen sich kürzlich auch der Insolvenzverwalterkongress beschäftigt habe. Anders als dort gebe es hier mit der Suhrkamp-Rechtsprechung immerhin Judikatur. Diese Rechtsprechung und ihre Folgen bestimmten sodann auch einen guten Teil der Diskussion, zumal sich unter den Teilnehmern einige unmittelbar mit dem Fall befasste Kolleginnen und Kollegen befanden.
I. Westermann stellte fest, dass aus dem Vortrag bereits deutlich geworden sei, wie schwer es für einen Minderheitsgesellschafter sei, Rechtsschutz zu erlangen. Im Fall Suhrkamp würden wegen der später vom Bundesgerichtshof aufgehobenen Beschlüsse, mit denen die sofortige Beschwerde der Minderheitsgesellschafterin als unzulässig verworfen wurde, sogar Ansprüche gegen das Landgericht Berlin auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung diskutiert. Der Bundesgerichtshof habe erwähnt, dass das gesamte Verfahren zur Gläubigerbefriedigung nicht notwendig gewesen wäre. Westermann geht davon aus, dass es vielmehr nur zu dem Zweck eingeleitet wurde, die Rechte der Minderheitsgesellschafterin einzuschränken. Würde man unter Treuwidrigkeitsgesichtspunkten einen Schadensersatzanspruch unter den Gesellschaftern bejahen, so stelle sich die Frage, welchen Inhalt dieser hätte. Westermann wies darauf hin, dass in der Literatur vertreten werde, dass der Schadensersatzanspruch auf Naturalrestitution gerichtet sei, mithin auf Mitwirkung an der Wiederherstellung einer Kommanditgesellschaft. Wertenbruch unterstützte diese These. Gesellschaftsrechtlich sei entscheidend, ob der Insolvenzantrag gestellt werden durfte. Falls nicht, liege hierin die Treuepflichtverletzung. Wenn das Verfahren dennoch eröffnet werde, greife das Insolvenzrecht mit seinen eingeschränkten Rechts-
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schutzmöglichkeiten, die nach Einschätzung von Wertenbruch in den meisten Fällen auch sinnvoll seien. Suhrkamp sei kein guter Testfall für das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG). Bei Schadensersatzansprüchen wegen Treuepflichtverletzung nach Beendigung des Insolvenzplanverfahrens, wenn die Gläubiger nicht mehr betroffen seien, komme Naturalrestitution gerichtet auf die Wiederherstellung einer Kommanditgesellschaft in Betracht und sei nicht durch die Insolvenzordnung ausgeschlossen. Auch Schäfer schloss sich mit Blick auf die Zustimmungsbedürftigkeit des Insolvenzantrags seinen Vorrednern an. Schluck-Amend entgegnete, dass die Insolvenzordnung eindeutig vorsehe, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch nicht auf Naturalrestitution gerichtet sein könne, sobald der Insolvenzplan festgestellt und rechtskräftig sei. Es käme also lediglich Schadensersatz in Geld in Betracht. Gesellschaftsrechtlich sei in der Tat – bezogen auf den Zeitpunkt der Insolvenzantragsstellung – zu prüfen, ob der Geschäftsführer pflichtwidrig gehandelt habe, etwa wenn er vor Stellung des Insolvenzantrags wegen drohender Zahlungsunfähigkeit keinen flankierenden Gesellschafterbeschluss eingeholt habe. Später in der Diskussion kam Leo auf die Problematik des Missbrauchs des ESUG zurück und wies darauf hin, dass man auch de lege lata das Gesellschaftsrecht hochhalten könne, da die entscheidende Frage zunächst sei, ob die Geschäftsführer überhaupt den Antrag stellen dürfen und wenn ja, welchen Antrag. Sowohl den Antrag auf Eigenverwaltung als auch die Wahl des Sachwalters hält Leo für zustimmungsbedürftig. Leo regte an, auch bei der Wahl des Bescheinigers, der die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens bestätigen soll, und bei der Entscheidung über den Gang in das Insolvenzplanverfahren über die Erforderlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses zu diskutieren. Mit Blick auf die extrem hohe Entscheidungsgeschwindigkeit der Insolvenzgerichte forderte Leo mehr Augenmaß bei der Frage, ob Indizien für eine Beeinträchtigung der Gesellschafter vorliegen und ob diesen Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt wird.
II. Schäfer warf die Frage auf, inwieweit das Insolvenzrecht das Gesellschaftsrecht tatsächlich aussteche und ob davon auch die Aushebelung zwingender Schutzinstrumente umfasst sei. Er betonte, dass die von den
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Insolvenzrechtlern präferierte Auslegung auch unter Berücksichtigung der Zwecke der Insolvenzordnung keineswegs zwingend sei. Die auf Planversagung gerichtete Beschwerde stelle eine Möglichkeit dar, den Rechtsschutz auch während des Verfahrens zu verbessern. Materiell angebracht sei diese insbesondere dann, wenn die Anteile nicht wertlos seien. Bei der Frage der Bewertung monierte Schäfer sodann einen aus seiner Sicht unhaltbaren systematischen Bruch: Dass bei der Bewertung der Forderungen die Fortführungsprognose zugrunde gelegt werden müsse, während bei der Bewertung der Anteile der Zerschlagungswert maßgeblich sein solle, sei so nicht vertretbar. Auch wenn die Diskussion in dieser Frage stark insolvenzrechtlich dominiert und Praktikabilität in den Vordergrund gestellt werde, müssten gewisse Grenzen eingehalten werden. Es dürfe keine Enteignung dadurch geben, dass man das Insolvenzverfahren eröffne. Schluck-Amend widersprach Schäfer mit dem Argument, dass die Unternehmensbewertung unter Fortführungsgesichtspunkten erfolgen könne, während man sich insgesamt im Zerschlagungsszenario befinde. Beim Regelverfahren werde der Rechtsträger aufgelöst. Verschiedene Assets dieses Rechtsträgers müsse man zu Liquidationswerten zusammenfassen. Die Assets, die im Wege der übertragenden Sanierung veräußert werden könnten, seien im Rahmen der Unternehmensbewertung nach ihrem Ertragswert und den üblichen Methoden zu bewerten, für die Anteile habe der Gesetzgeber dagegen den Zerschlagungswert als maßgeblich festgesetzt. Bei Forderungen sei entscheidend, was diese im Fortführungsszenario wert seien.
III. Die von Schluck-Amend im Vortrag erwähnte Entmachtung der Aufsichtsorgane im Rahmen von § 276a InsO nahm Wieneke zum Anlass, die Frage zu stellen, ob bei bestimmten Transaktionen weiterhin die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich sein sollte. Vor über zehn Jahren habe er dies im Rahmen eines Gutachtens zu einem der ersten Fälle der Eigenverwaltung bejaht, da der Schuldner schließlich durch alle seine Organe handeln müsse, während ein Insolvenzrechtler damals zum gegenteiligen Ergebnis gekommen sei. Letzteres sei Gesetz geworden, diese Runde gehe also an die Insolvenzrechtler. Wieneke wies darauf hin, dass nun Schutz- und Aufsichtslücken bedauert würden und rief zu
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einer Rückkehr zum Gesellschaftsrecht auf, was diese Probleme lösen würde. Auch Anzinger griff den Aspekt der Organisationsverfassung im Insolvenzrecht, insbesondere gemäß § 276a InsO, auf. Während der Sachwalter im Rahmen der Eigenverwaltung die Interessen der Gläubiger wahrzunehmen habe, blieben die – in der Praxis häufig speziell für die Sanierung berufenen – Geschäftsführer im Amt. Anzinger fragte, wer die Interessenskonflikte zwischen diesen beiden quasi mit Superkräften ausgestatteten Parteien, die das ESUG nicht adressiert habe, lösen könne. Ohne damit eine inhaltliche Bewertung zu verbinden, bestätigte SchluckAmend, dass sich der Gesetzgeber für eine Überlagerung des Gesellschaftsrechts durch das Insolvenzrecht entschieden habe, so wie schon bisher das Vertragsrecht überlagert worden sei. Sie stimmte Wieneke zu, dass es auch in der Eigenverwaltung entgegen der momentanen Gesetzeslage wünschenswert wäre, dass der Aufsichtsrat die Geschäftsführung bei Strukturmaßnahmen überwacht.
IV. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im Fall Suhrkamp sind nach Auffassung von Raeschke-Kessler Beleg dafür, dass ein erheblicher Nachjustierungsbedarf am Gesetz besteht. Er verglich die derzeitige Lage im Insolvenzrecht mit der Situation nach dem MoMiG. Das ESUG müsse schnell nachgebessert werden und zwar unter Einbeziehung gesellschaftsrechtlicher Expertise. Raeschke-Kessler forderte insbesondere eine Änderung des Rechtswegs. Der Bundesgerichtshof müsse in die Lage versetzt werden, schnell einen eigenen Rechtsprechungskörper für Fragen des Insolvenzplans zu bilden. Es könne nicht sein, dass das Bundesverfassungsgericht – wie im Fall Suhrkamp – für die Rechtsprechung zum ESUG zuständig werde. Als notwendig betrachtete Raeschke-Kessler eine Unterscheidung zwischen Minderheitsgesellschaftern, die ihre Gesellschafterstellung missbrauchen, und solchen, die mitunternehmerisch beteiligt seien, ähnlich wie im Squeeze-Out-Verfahren. De lege ferenda dürfe ein Ausschluss mitunternehmerisch beteiligter Minderheitsgesellschafter, die eine Schlüsselstellung innehaben, nicht mehr möglich sein. Ziemons fügte dem hinzu, dass das europäische Gesellschaftsrecht bis jetzt zu wenig Beachtung gefunden habe. Sie formulierte die These „Eu-
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ropäisches Gesellschaftsrecht sticht Insolvenzrecht“ und verwies auf die Kapitalrichtlinie, insbesondere darauf, dass etwa für den Bezugsrechtsausschluss bei einer Kapitalerhöhung sowie für eine Kapitalherabsetzung grundsätzlich jeweils ein Beschluss der Hauptversammlung erforderlich sei. Nur mit viel Phantasie könne man in der Entscheidung zum Insolvenzplan eine „gerichtliche Anordnung“ im Sinne von Art. 30 der Kapitalrichtlinie sehen. Auch Spaltung und Verschmelzung seien wegen des europäischen Gesellschaftsrechts nicht ohne Beschluss der Hauptversammlung möglich. Schluck-Amend verwies dazu auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach im Falle von Kapitalerhöhung im Rahmen von kollektiven Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, welche die Gesellschaft zum Schutz der Gläubigerrechte einer Zwangsverwaltung unterstellen und in deren Rahmen eine nicht nur vorübergehende Enthebung der Gesellschaftsorgane erfolge, keine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich sei. Zwar stelle sich die Frage, ob die Eigenverwaltung als ein solches Zwangsverfahren zu qualifizieren sei, da der Schuldner verfügungsbefugt bleibe. Für den Europäischen Gerichtshof sei jedoch die Einschränkung der Organbefugnisse entscheidend, die auch der Eigenverwaltung insbesondere wegen § 276a InsO immanent sei.
V. Karsten Schmidt eröffnete seinen Diskussionsbeitrag mahnend: „Die Gesellschaftsrechtler hätten das merken müssen: Das Insolvenzrecht mischt sich ein!“ Er stimmte sodann Schäfer darin zu, dass es absonderlich sei, wenn im selben Insolvenzplan die Forderungen mit going concern und die Anteile zu Zerschlagungswerten bewertet würden, auch wenn Schluck-Amend den Wortlaut des Gesetzes auf ihrer Seite habe. Karsten Schmidt hob hervor, wie stark die Veränderungen durch das ESUG seien: Zuvor sei eine Sanierung im eröffneten Insolvenzverfahren nur theoretisch möglich gewesen, nämlich durch einen bedingten Plan, der Insolvenzplan habe Gesellschafterrechte nicht ändern können und es habe daneben einer gesellschaftsrechtlichen Regeln folgenden Kapitalerhöhung bedurft. Stattdessen habe man in der Regel die übertragende Sanierung gewählt. Die neue Regelung des § 276a InsO sei allerdings aus gesellschaftsrechtlicher Sicht etwas ganz Wunderliches. Der Geschäftsführer sei nunmehr eine Art Insolvenzverwalter und faktisch weisungsunabhängig.
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Mit Blick auf die von Schäfer monierte Nullbewertung wies Karsten Schmidt auf die insolvenzrechtlich geprägte Sicht seines Schülers Bitter hin, der den Gesellschaftern im Insolvenzverfahren lediglich die Funktion von Treuhändern der Gläubiger zubillige. Mit diesem Ansatz komme man dazu, dass Debt-Equity-Swaps, so wie von Schluck-Amend in ihrem Vortrag geschildert, ohne Gesellschafterbeteiligung stattfänden. Das ESUG biete darüber hinaus einen immensen Anreiz für Debt-Equity-Swaps, nämlich den Wegfall der Differenzhaftung, die ansonsten beim Debt-Equity-Swap drohe und nunmehr gemäß § 254 Abs. 4 InsO ausdrücklich ausgeschlossen sei. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht sei hier eine kleine Welt zusammengebrochen. Als Beispiel führte Karsten Schmidt noch einmal den von Schluck-Amend erwähnten Fall der Pfleiderer AG an und verwies insbesondere auf die Zahlenrelationen. Der zwingend vorgeschriebenen Barkapitalerhöhung in Höhe von 50 000 Euro habe ein Debt-Equity-Swap in Höhe von – seiner Kenntnis nach – 200 Mio. Euro gegenübergestanden. Die Gläubiger hätten in diesem Fall schlicht das Unternehmen gepfändet. Karsten Schmidt äußerte die Befürchtung, dass künftig Hedge Fonds günstig Forderungen zusammenkaufen, Insolvenzantrag stellen, über den Insolvenzplan die Gesellschafter auf Null setzen und unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altgesellschafter das Unternehmen übernehmen könnten. Sodann kam Karsten Schmidt auf die Auswirkungen für die Insolvenzgerichte zu sprechen, die die Angemessenheit der Bewertung einschätzen müssten. Karsten Schmidt verwies darauf, dass Maier-Reimer bei einer früheren Veranstaltung pauschal für eine Bewertung der Forderungen nach dem Nominalwert plädiert habe. Wenn man dies jedoch anders sehe und das Insolvenzgericht die Angemessenheit der Bewertung im Rahmen der Bestätigung des Insolvenzplans nicht prüfe, sei dies eine Amtspflichtverletzung, bei der noch nicht einmal das Richterprivileg greife. Karsten Schmidt warnte abschließend Neugierige vor einem schlecht vorbereiteten Eigenantrag nach § 18 InsO bei bloß drohender Zahlungsunfähigkeit in Verbindung mit der Eigenverwaltung. Die neue Sanierung im Insolvenzplanverfahren sei Chance, aber auch Gefahr. Gute Sanierungen seien früh, schnell und still. Schluck-Amend teilte den Ansatz von Raeschke-Kessler, Schäfer und Karsten Schmidt, dass die Gesellschaftsrechtler aktiv werden und sich gegen die Auswüchse, die das Gesetz begründet, wehren müssten. Der Gesetzgeber habe sich die Ansicht von Bitter zu eigen gemacht, indem
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er entschieden habe, dass die Anteile am Insolvenzschuldner ebenfalls in die Insolvenzmasse fielen. Schluck-Amend sieht darin eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Insolvenzordnung, die man mit Bitter begründen könne, aber nicht so begründen müsse. Die Befürchtung, Hedge Fonds könnten die durch das ESUG eröffneten Möglichkeiten für sich nutzen, bestätigte Schluck-Amend. Es gebe in der Praxis bereits Verfahren, die mit dem Ziel der Übernahme von Unternehmen eingeleitet würden. De lege lata und de lege ferenda müsse das Gesellschaftsrecht insgesamt früher ansetzen und zwar bei der Frage, welche Gesellschafterbeschlüsse für welchen Antrag erforderlich seien. Sicher sei ein Gesellschafterbeschluss bei drohender Zahlungsunfähigkeit einzuholen, möglicherweise auch bei Eigenverwaltung, gerade weil die bestehenden Organe durch § 276a InsO ausgehebelt würden. Der Insolvenzplan stelle dagegen die einzige Möglichkeit dar, die Anteile überhaupt zu erhalten. Die Diskussion machte insgesamt deutlich, dass aus gesellschaftsrechtlicher Sicht erheblicher Handlungsbedarf besteht, insbesondere mit Blick auf die Rechte von Minderheitsgesellschaftern im Insolvenzplanverfahren. Schluck-Amend fasste in ihrem Schlusswort treffend zusammen: „Gesellschaftsrechtler wehret Euch!“
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Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken beim Unternehmenskauf Dr. Jan Bauer Rechtsanwalt, Frankfurt am Main I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . 196 II. Rechtsgrundlagen der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftungsvoraussetzungen . . . 2. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Enthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . III. Business Judgement Rule (BJR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmerische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidung auf angemessener Informationsgrundlage. . . 3. Handeln zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gutgläubiges Handeln . . . . . . 5. Ex-ante Perspektive bei der nachträglichen Beurteilung . . IV. Entscheidungsdreiklang bei M&A Transaktionen . . . . . . . . 1. Due Diligence Prüfung . . . . . . a) Pflicht zur Durchführung einer Due Diligence? . . . . . b) Umfang der Due Diligence 2. Kaufpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermittlung des objektiven Unternehmenswertes . . . . b) Ermittlung des angemessenen Kaufpreises aus der Bewertungsbandbreite . . . . c) Fairness Opinion erforderlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedingungen des Unternehmenskaufvertrags . . . . . . . . . .
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V. Aktuelle Fragen der Vorstandshaftung bei Unternehmenskäufen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interessenkollision einzelner Vorstandsmitglieder bei Gremienentscheidungen. . . . . a) Keine Offenlegung des Interessenkonflikts . . . . . . . b) Offenlegung des Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeitsteilung und externe Expertise bei M&A Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Horizontale Delegation innerhalb des Vorstands . . . b) Vertikale Delegation innerhalb des Unternehmens bzw. an externe Dienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pflicht zur Einholung von Expertenrat? . . . . . . . . . . . . . (1) Umfassende Offenlegung des Sachverhalts . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Qualifizierter Rat und Überprüfung der Expertise . . . . . . . . . . . . . . (3) Unabhängigkeit des Beraters . . . . . . . . . . . . . (4) Plausibilitätskontrolle durch den Vorstand. . . . 3. Nützliche Gesetzesverstöße und unsichere Rechtslage . . . . a) Nützliche Gesetzesverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidungsspielraum bei unsicherer Rechtslage? .
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Bauer – Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken beim Unternehmenskauf (1) Anwendbarkeit der BJR bei unsicherer Rechtslage? . . . . . . . . . . . . . . . . 223
(2) Gleichwohl: Fehlende Pflichtwidrigkeit oder unvermeidbarer Verbotsirrtum? . . . . . . . . . . 224
I. Vorbemerkung Die ARAG/Garmenbeck Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 19971 hat eine Zeitenwende bei der Verfolgung von Pflichtverletzungen von Geschäftsleitern durch die Gesellschaft eingeleitet. Auswirkungen auf die nachträgliche Bewertung von Unternehmenskäufen konnten nicht ausbleiben. Eine Reihe von publizitätsträchtigen Fällen aus den letzten Jahren illustrieren, dass eine nachträgliche gerichtliche Aufarbeitung von fehlgeschlagenen Unternehmenskäufen heute keine Seltenheit mehr ist.2 Dies hat auch Auswirkungen auf die Praxis und zwar sowohl bei der Vorbereitung und der Durchführung der einzelnen Schritte eines Unternehmenskaufs, als auch hinsichtlich der Dokumentation der dabei jeweils zu treffenden (Zwischen-)Entscheidungen. Viele der rechtlichen Fragestellungen rund um die Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken beim Unternehmenskauf unterscheiden sich nicht wesentlich vom allgemeinen Sorgfalts- und Haftungsmaßstab eines Geschäftsleiters. Es gibt jedoch Besonderheiten und Fallgestaltungen, zu denen es bisher keine einheitliche Meinung in Rechtsprechung und Literatur gibt. Grund genug sich etwas ausführlicher mit der Thematik zu beschäftigen. Besonderer Dank gilt Frau Constanze Winkler und Herrn Benjamin Borschel, beide wissenschaftliche Mitarbeiter unserer Sozietät, für die Zusammenstellung der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur sowie ihre Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts.
II. Rechtsgrundlagen der Haftung Bei der Frage nach den Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken beim Unternehmenskauf ist zunächst zwischen der Haftung der Geschäftsleitung gegenüber der Gesellschaft (Innenhaftung) und gegenüber außen1 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, AG 1997, 377, 379. 2 Beispielhaft genannt seien der Kauf der Dresdner Bank durch die Commerzbank sowie der Erwerb der Bank Hypo Alpe Austria durch die BayernLB, deren politische und juristische Aufarbeitung noch immer nicht abgeschlossen ist.
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Bauer – Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken beim Unternehmenskauf
stehenden Dritten (Außenhaftung) zu unterscheiden. Eine Außenhaftung der Geschäftsleitung findet nur ausnahmsweise und in engen Grenzen statt (z.B. nach § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Schutzgesetzen wie § 15a InsO). Hiervon ist wiederum die Haftung der Gesellschaft als Schuldner gegenüber Dritten zu trennen. Der folgende Beitrag konzentriert sich ausschließlich auf die Innenhaftung der Geschäftsleitung gegenüber der Gesellschaft und beschränkt sich dabei wiederum auf die Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der AG. Für die GmbH gelten die nachfolgenden Ausführungen jedoch in weiten Teilen entsprechend.
1. Haftungsvoraussetzungen Die zentrale Vorschrift für die Haftung des Vorstands der AG ist § 93 Abs. 2 AktG. Danach hat die Geschäftsleitung mit der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ (§ 93 Abs. 1 und 2 AktG) zu erfolgen. Eine Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG setzt zunächst voraus, dass die handelnde Person in ihrer Eigenschaft als Vorstandsmitglied gehandelt hat.3 Dieses Vorstandsmitglied muss sodann den Verhaltensmaßstab nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG missachtet und damit eine Pflichtverletzung begangen haben, welche es auch zu vertreten hat. Wie sich noch zeigen wird, kann sich eine Pflichtverletzung bei Einschaltung externer Dritter insbesondere aus einer unzulässigen Delegation oder unzulänglicher Überwachung ergeben. Letztlich muss daraus ein Schaden bei der Gesellschaft entstanden sein, welcher nach den allgemeinen Grundsätzen (§§ 249 ff. BGB) zu ermitteln ist.
2. Beweislast Die Darlegungs- und die Beweislast der Gesellschaft erstrecken sich auf die schadensauslösende Handlung des Vorstandsmitglieds, den Eintritt und die Höhe des Schadens sowie die Kausalität zwischen Handlung und Schaden.4 Die geltend gemachte Pflichtverletzung des Vorstandsmitgliedes muss die Gesellschaft lediglich darlegen. Ist streitig, ob ein Vorstandsmitglied pflichtwidrig gehandelt hat, so trifft dieses die Beweislast für Erfüllung seiner Pflichten sowie für fehlendes Verschulden
3 Hölters in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 93 Rz. 227. 4 Koch in Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 93 Rz. 53.
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Bauer – Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken beim Unternehmenskauf
(§ 93 Abs. 2 Satz 2 AktG).5 Diese Beweislastumkehr gewinnt in der Praxis immer mehr an Bedeutung, als sie den umsichtigen Vorstand zwingt, die Entscheidungsfindung im Rahmen eines Unternehmenskaufs, bei dem es sich meist um einen gestuften Prozess handeln wird, entsprechend zu dokumentieren, um später in der Lage sein zu können, die Pflichtgemäßheit seines Verhaltens nachweisen zu können.
3. Gesamtschuldnerische Haftung Liegen diese Voraussetzungen vor, so haften die Vorstandsmitglieder, sofern mehrere pflichtwidrig gehandelt haben, gesamtschuldnerisch.6 Eine gesamtschuldnerische Haftung setzt allerdings kein gleichgerichtetes gemeinsames aktives Handeln oder Unterlassen voraus. Zum Beispiel kann auch eine Pflichtverletzung des ressortverantwortlichen Vorstands und die diesbezügliche Verletzung der Überwachungspflichten anderer Vorstände eine gesamtschuldnerische Haftung begründen. Dabei wird im Verhältnis zur Gesellschaft nicht nach dem Ausmaß des jeweiligen Verursachungsbeitrags differenziert. Ob ein Vorstandsmitglied den Schaden selbst herbeigeführt oder nur seine Überwachungspflicht verletzt hat, ist nur für den Gesamtschuldnerausgleich im Innenverhältnis der Vorstandsmitglieder relevant.7
4. Enthaftung Die Geschäftsleitung ist dagegen nicht haftbar, wenn sie auf Grundlage eines gesetzmäßigen Beschlusses der Hauptversammlung handelt (§ 93 Abs. 4 Satz 1 AktG). Ein zustimmender Beschluss des Aufsichtsrats wirkt dagegen nicht enthaftend (§ 93 Abs. 4 Satz 2 AktG). Wenn aber die Haftung einmal begründet ist, ist sie zwingend. Der Haftungsmaßstab kann weder durch Satzung noch durch Anstellungsvertrag ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.8 Der Verzicht auf einmal begründete Ansprüche ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG möglich. Jedoch kann ein entstandener Schaden unter Umständen durch eine abgeschlossene D&O Versicherung kompensiert werden.9
5 6 7 8 9
Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rz. 181. Koch in Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 93 Rz. 57. Hölters in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 93 Rz. 245 f. Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rz. 3 f. Dauner-Lieb in Henssler/Strohn, AktG, 2. Aufl. 2014, § 93 Rz. 55.
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III. Business Judgement Rule (BJR) Das Kernelement bei der Frage, ob ein Vorstandmitglied pflichtgemäß gehandelt hat, ist die in § 93 Abs. 1 Satz 2 enthaltene Business Judgement Rule (BJR). Ausgangspunkt für die BJR ist, dass es zu den typischen Aufgaben des Managements gehört, Prognoseentscheidungen auf der Grundlage einer unsicheren Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeiten zu treffen. Vorstandsmitglieder sind daher typischerweise einer großen Anzahl von Haftungsrisiken ausgesetzt. Diese Gefährdungslage könnte dazu führen, dass Vorstände und Geschäftsführer risikoreiche Entscheidungen meiden, obwohl diese einen großen Nutzen für die Gesellschaft bringen und für die positive wirtschaftliche Entwicklung notwendig sein könnten.10 Diesem Umstand trägt die BJR Rechnung. Die Geschäftsleitung soll für falsch getroffene unternehmerische Entscheidungen nicht nachträglich herangezogen werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Entscheidung gutgläubig annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Soweit sich ein Vorstandsmitglied auf ein Handeln im Rahmen der BJR berufen kann, scheidet eine Pflichtverletzung von vorne herein aus.
1. Unternehmerische Entscheidung Eine unternehmerische Entscheidung setzt zunächst die Wahl zwischen verschiedenen Handlungsalternativen voraus.11 Daran fehlt es, wenn eine Pflicht zu einer konkreten Handlung besteht.12 Auch durch bloßes Unterlassen kann eine unternehmerische Entscheidung getroffen werden, wenn sich die Geschäftsleitung bewusst dafür entschieden hat, untätig zu bleiben.13 Selbst wenn eine Handlungsalternative gewählt wurde, besteht kein schützenswerter Ermessensspielraum, wenn gegen das Legalitätsprinzip oder die Treuepflicht verstoßen wird.14 Dazu gehören z.B. die Fälle, in denen die Vornahme der entsprechenden Handlung nur mit vorheriger Zustimmung des Aufsichtsrats zulässig ist. Setzt sich der Vorstand darüber hinweg, kann er sich nicht auf die BJR berufen und
10 Wellhöfer in Wellhöfer/Peltzer/Müller, Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, 1. Aufl. 2008, § 9 Rz. 20. 11 Dauner-Lieb in Henssler/Strohn, AktG, 2. Aufl. 2014, § 93 Rz. 20. 12 Dauner-Lieb in Henssler/Strohn, AktG, 2. Aufl. 2014, § 93 Rz. 21. 13 Nauheim/Goette, DStR 2013, 2520, 2522. 14 BT-Drucks. 15/5092, S. 11.
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Bauer – Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken beim Unternehmenskauf
nach h.M. den Vorwurf der Pflichtwidrigkeit auch nicht unter Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten entkräften.
2. Entscheidung auf angemessener Informationsgrundlage Die Geschäftsleitung muss auf Grundlage angemessener Information gehandelt haben. Uneinigkeit herrscht, ob diesbezüglich alle verfügbaren Informationsquellen ausgeschöpft werden müssen oder eine eingeschränkte Informationsbeschaffung unter Berücksichtigung von Zeit, Kosten und Nutzen ausreichend ist.15
3. Handeln zum Wohle der Gesellschaft Zum Wohle der Gesellschaft wurde gehandelt, wenn die Entscheidung der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen dient.16 Ein Handeln zum Wohle der Gesellschaft kann dann nicht mehr angenommen werden, wenn das mit der Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt wurde.17
4. Gutgläubiges Handeln Des Weiteren muss das Geschäftsleitungsmitglied gutgläubig ohne Sonderinteressen und sachfremde Erwägungen gehandelt haben. Gutgläubigkeit setzt voraus, dass das Vorstandsmitglied von der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung überzeugt ist.18 Ein Handeln ohne Sonderinteressen liegt vor, wenn eine Entscheidung sachlich unbefangen getroffen wurde.19 Insbesondere stellt sich die Frage, inwieweit bei Interessenkonflikten sachliche Unbefangenheit anzunehmen ist und inwieweit einzelne Vorstandsmitglieder diese Interessenkollision gegenüber dem Gesamtvorstand offenlegen müssen.20
15 Vgl. Koch in Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 93 Rz. 20. Hierzu im Kontext der bei Unternehmenskäufen üblichen Due Diligence ausführlich unten in Abschnitt IV unter Ziffer 1. 16 BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 17 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, AG 1997, 377, 379. 18 Dauner-Lieb in Henssler/Strohn, AktG, 2. Aufl. 2014, § 93 Rz. 25. 19 BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 20 Hierzu ausführlich unten in Abschnitt V unter Ziffer 1.
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5. Ex-ante Perspektive bei der nachträglichen Beurteilung Ob die Voraussetzungen der BJR vorliegen, ist aus der Ex-ante-Perspektive der Geschäftsleitung zu beurteilen, um unternehmerische Entscheidungen einer nachträglichen Beurteilung aus Ex-post-Perspektive zu entziehen (hindsight bias).21 Die Beweislast liegt bei dem Vorstandsmitglied, welches sich auf die BJR beruft.
IV. Entscheidungsdreiklang bei M&A Transaktionen Bei der Beurteilung der Pflichtgemäßheit des Vorstandshandelns bei Unternehmenskäufen kommt es maßgeblich auf drei Kriterien an, die miteinander in einem Wechselbezug stehen. In Anlehnung an eine Entscheidung des OLG Frankfurt aus dem Jahr 2000 kann man daher von einem Entscheidungsdreiklang bei Unternehmenskäufen sprechen. In seinem Urteil vom 7.12.2010 musste das OLG Frankfurt beurteilen, inwieweit dem Vorstand der Commerzbank AG hinsichtlich des Erwerbs der Dresdner Bank AG eine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist. Hierbei hat das Gericht drei Gesichtspunkte herausgearbeitet, auf die besonderen Wert zu legen ist und welche sich gegenseitig beeinflussen.22 Diese drei Kriterien sind die Vornahme bzw. der Umfang einer Due Diligence Prüfung, die Ermittlung des Kaufpreises und die Ausgestaltung der Vertragsbedingungen für den Unternehmenskauf. Der Entscheidungsdreiklang ist dabei so zu verstehen, dass Defizite in einem Bereich (z.B. eine nur eingeschränkt mögliche Due Diligence) in einem anderen Bereich ausgeglichen werden können (z.B. durch einen Abschlag beim Kaufpreis oder durch besondere Haftungsregeln im Unternehmenskaufvertrag, die die durch die eingeschränkte Due Diligence resultierenden Informationsdefizite wieder ausgleichen). Wichtig aus Vorstandssicht ist, dass der Vorstand die einzelnen Prüfungsschritte und wechselseitigen Abwägungen nicht nur nach Maßgabe der durch die BJR gesetzten Vorgaben durchführt, sondern sein Vorgehen und die Gründe für und gegen seine Entscheidung auch ausreichend dokumentiert. Dabei reicht es nicht aus, lediglich die finale Entscheidung im Sinne eines Ergebnisprotokolls zu dokumentieren, sondern es sind sowohl die Sachverhaltsgrundlagen als auch die Abwägung der Argumente, 21 Rieder/Holzmann, AG 2011, 265, 266. 22 OLG Frankfurt a.M. v. 7.12.2010 – 5 U 29/10, WM 2011, 116, 122 ff.
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die für bzw. gegen die getroffene Entscheidung sprechen, nachvollziehbar festzuhalten. Ohne eine solche Dokumentation wird es ihm im Falle einer späteren Infragestellung der Pflichtgemäßheit seines Vorgehens sonst schwer bis unmöglich sein, den Nachweis zu führen, dass die einmal getroffene Entscheidung im Einklang mit der BJR erfolgt ist.
1. Due Diligence Prüfung a) Pflicht zur Durchführung einer Due Diligence? Ob die Durchführung einer Due Diligence im Vorfeld einer Transaktion verpflichtend ist, wird nicht einhellig beantwortet. Aus der in der BJR angelegten Verpflichtung, stets auf angemessener Informationsgrundlage zu entscheiden, ergibt sich jedoch zwangslos, dass der Vorstand grundsätzlich gehalten ist, eine vorherige Überprüfung des Zielunternehmens durchzuführen, bevor er eine Kaufentscheidung trifft. Dem folgt die Rechtsprechung. Danach besteht grundsätzlich die Pflicht zu einer Due Diligence, um eine Entscheidung auf Grundlage „angemessener Information“ zu ermöglichen.23 Interessanter ist jedoch die Frage, welchen Umfang die Due Diligence haben muss. Ausgehend vom Gesetzeswortlaut muss eine Entscheidung auf der Grundlage „angemessener Information“ getroffen werden.
b) Umfang der Due Diligence Der BGH hat sich gleich in mehreren Entscheidungen für die Ausschöpfung aller verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art und eine sorgfältige Abwägung der sich daraus ergebenden Vor- und Nachteile der verschiedenen Handlungsoptionen ausgesprochen.24 So sei bei einer Umfinanzierung von Krediten eine finanzwirtschaftliche Planrechnung zu den Vor- und Nachteilen der Umfinanzierung aufzustellen. Diese müsse ausreichend detailliert erfolgen, um auf Änderungen der Marktbedingungen reagieren zu können.25 Des Weiteren seien regelmäßige Kontrollrechnungen und die frühzeitige Erstellung eines Tranchenplans notwendig.26 Der im konkreten Fall aufgestellte Maßnahmenplan und die angestellten Berechnungen, die die 23 OLG Oldenburg v. 22.6.2006 – 1 U 34/03, NZG 2007, 434, 437. 24 BGH v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, NJW 2008, 3361, 3362; BGH v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, NJW 2013, 3636, 3638. 25 BGH v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, NJW 2008, 3361, 3362. 26 BGH v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, NJW 2008, 3361, 3362.
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obigen Anforderungen nicht erfüllt hatten, waren als Entscheidungsgrundlage nach Ansicht des BGH nicht ausreichend. In einem zweiten aktuelleren Urteil betonte der BGH, dass ein Geschäftsführer einer GmbH alle verfügbaren Informationsquellen ausgeschöpft habe, wenn dieser bei Abschluss einer anwaltlichen Honorarvereinbarung alle denkbaren Gesichtspunkte, die die Höhe der Vergütung beeinflussen können, berücksichtigt (Rechtspflicht zu einem bestimmten Honorar, Exklusivität der Beratung, dauerhafte Bindung des Beraters, Wille aller Gesellschafter bezüglich eines bestimmten Beraters).27 Nach einem Großteil der Literatur geht der BGH mit seinem Erfordernis der Auswertung aller verfügbaren Informationen zu weit und steht im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut, der lediglich eine „angemessene“ Informationsgrundlage verlangt.28 Vielmehr sei nur eine sinnvolle Auswahl der Informationen abhängig von den konkreten Umständen wie Zeit, Kosten und Nutzen der Due Diligence durchzuführen, da eine stets umfassende Prüfung kaum möglich sei.29 Diese Sichtweise steht im Einklang mit der Gesetzesbegründung. Nach dieser sollen die verfügbare Zeit, Wichtigkeit und Art der Entscheidung bei der Einholung der Informationen berücksichtigt werden.30 Letztlich hat teilweise auch der BGH diese Sichtweise bestätigt.31 Die Beschaffung von zeitnahen und damit aussagekräftigen Informationen über einen Kunden reiche aus, um die möglichen Risiken bei einer Kreditvergabe einschätzen zu können und damit auf der Grundlage angemessener Informationen zu handeln.32 Richtigerweise folgt man daher der Literatur und sieht die Ausführungen des BGH nicht als eine absolut zu verstehende Vorgabe, sondern als Ausdruck eines strengen Prüfungsmaßstabes, was angesichts der oft weitreichenden Folgen von Unternehmenskaufentscheidungen auch angemessen erscheint. Die Due Diligence Prüfung muss nicht selbst von der Geschäftsleitung vorgenommen werden, sondern kann unternehmensintern weiterdele27 BGH v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, NJW 2013, 3636, 3638 f. 28 Peltzer in Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, S. 83, 90; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rz. 75; Bachmann, NZG 2013, 1121, 1124. 29 Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rz. 33; Seibt/ Schwarz, AG 2010, 301, 306. 30 BT-Drucks. 15/5092, S. 11 ff. 31 BGH v. 3.11.2008 – II ZR 236/07, NZG 2009, 117. 32 BGH v. 3.11.2008 – II ZR 236/07, NZG 2009, 117.
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giert oder an externe Berater weitergegeben werden.33 Erfolgt die Beratung durch Dritte fehlerhaft, muss sich die Geschäftsleitung diese Pflichtverletzung nicht zurechnen lassen (§ 278 BGB findet keine Anwendung), sofern es sich um einen fachlich qualifizierten und unabhängigen Berater gehandelt hat, dieser einen ausreichenden Informationszugang bekommen hat und die Ergebnisse der Prüfung seitens der Geschäftsleitung zumindest einer Plausibilitätskontrolle durch den Vorstand selbst unterzogen wurden.34 Zu beachten ist, dass die Durchführung einer Due Diligence Prüfung in manchen Konstellationen nur teilweise möglich oder in seltenen Fällen sogar ganz ausgeschlossen ist. So findet bei öffentlichen Übernahmen regelmäßig nur eine eingeschränkte Due Diligence Prüfung statt. Besteht hoher Zeitdruck die Transaktion abzuschließen, ist in manchen Fällen eine Due Diligence Prüfung praktisch unmöglich, um die Transaktion nicht zu gefährden. Des Weiteren kann der Vorstand der Zielgesellschaft aus rechtlichen oder geschäftspolitischen Gründen zur Verschwiegenheit verpflichtet sein, sodass nicht alle Informationen preisgegeben werden können. Hierbei muss der Vorstand als „Herr der Geschäftsgeheimnisse“ im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft und Interesse am Zustandekommen der Transaktion entscheiden, ob und welche Geheimnisse dem potenziellen Erwerber zur Verfügung gestellt werden.35 Bezüglich des Umfangs der Offenlegung gilt, dass je größer das Interesse am Zustandekommen der Transaktion ist, desto umfangreicher dürfen vertrauliche Angaben offengelegt werden und desto eher können auch streng geheime Informationen preisgegeben werden.36 Ist wie in den oben aufgeführten Fällen keine angemessene Due Diligence möglich, hat zumindest eine eingehende Bewertung der wirtschaftlichen Tragweite und der mit der Transaktion einhergehenden Risiken zu erfolgen. Hierbei muss der Vorstand eine sorgfältige Abwägung der sich ergebenden Vor- und Nachteile der verschiedenen Handlungsoptionen vornehmen und diesen Vorgang dokumentieren und begründen. Maßgeblich für die Pflichtgemäßheit des Verhaltens des Vorstands ist in solchen Konstellationen nicht, dass er möglicherweise nur eine 33 BGH v. 20.9.2011 („Ision“) – II ZR 234/09, AG 2011, 876, 877. 34 BGH v. 20.9.2011 („Ision“) – II ZR 234/09, AG 2011, 876, 878. Hierzu ausführlich unten in Abschnitt V unter Ziffer 2. 35 Rubner, KsZW 2011, 412, 413. 36 Rubner, KsZW 2011, 412, 414.
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eingeschränkte Due Diligence durchgeführt hat, sondern dass er die Situation richtig analysiert und die Vorteile und Chancen der Transaktionen sorgfältig gegen die Risiken, insbesondere aus dem durch die unzureichende Due Diligence Prüfung folgenden Informationsdefizit, abgewogen hat.
2. Kaufpreis Besondere Bedeutung hat bei M&A Transaktionen naturgemäß die Ermittlung des Kaufpreises. Gleichzeitig ist die Bewertung der zukünftigen Geschäftschancen der Bereich, der zugleich in besonderem Maße mit Unsicherheiten verknüpft ist! Die Kaufpreisermittlung liegt daher in besonderem Maße in der Prärogative des Vorstands und damit ganz typischerweise im Anwendungsbereich der BJR. Für die Pflichtgemäßheit des Verhaltens des Vorstands kommt es daher vor allem darauf an, dass er methodisch korrekt vorgeht und seine Bewertungsentscheidung rationalisiert.
a) Ermittlung des objektiven Unternehmenswertes Ausgangspunkt für die Ermittlung des Kaufpreises stellt der nach anerkannten betriebswirtschaftlichen Methoden ermittelte objektive Unternehmenswert dar. Dieser ist sodann durch situativ bedingte Sondereffekte wie die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen der Beteiligten zu hinterfragen und gegebenenfalls zu modifizieren. Typische und anerkannte Methoden zur Ermittlung des objektiven Unternehmenswerts sind die Ertragswertmethode, das DCF-Verfahren sowie die kapitalmarktorientierte Bewertung bzw. das Multiplikatorverfahren.37 Zwischen den einzelnen Methoden herrscht freie Wahl, solange die gewählte Methode geeignet und nach Bewertungstheorie und -praxis vertretbar ist.38 Die Bewertungsmethode muss daher zur Zielgesellschaft passen.39 In den meisten Fällen erfolgt eine Bewertung ohnehin auf Grundlage mehrerer Methoden. Auf diese Weise ergänzen sich die verschiedenen Methoden 37 Theysohn-Wadle in Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, 6. Aufl. 2009, Kap. 3 II Rz. 14. 38 OLG Frankfurt v. 3.9.2010 – 5 W 57/09, AG 2010, 751, 755; OLG Stuttgart v. 8.3.2006 – 20 W 5/05, AG 2006, 421, 425. 39 Kapitalmarktorientierte Bewertungsmethoden setzen voraus, dass das zu bewertende Unternehmen mit börsennotierten Unternehmen aus der gleichen Branche vergleichbar ist. Bei kleinen oder regional fokussierten Unternehmen kann das problematisch sein.
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im Sinne einer wechselseitigen Plausibilisierung. Bei der Anwendung der einzelnen Methoden sind selbstverständlich die konkreten Ergebnisse der Due Diligence Prüfung einzubeziehen. Die Unternehmensplanung des Zielunternehmens ist für die Zwecke der Bewertung gegebenenfalls entsprechend anzupassen. Am Ende der Unternehmensbewertung wird es meist unmöglich sein, einen konkreten Betrag zu beziffern, bei dem es sich um den vermeintlich angemessenen Kaufpreis handelt. Das Ergebnis der Unternehmensbewertung wird vielmehr eine Bewertungsbandbreite sein, in deren Rahmen sich ein angemessener Kaufpreis bewegt. Falsch wäre es, die „richtige“ Bewertung und damit den angemessenen Kaufpreis als den Mittelwert aus allen angewandten Methoden anzusehen.40 Vielmehr ergibt sich die zulässige Bewertungsbandbreite aus dem niedrigsten und dem höchsten Wert aller anerkannten Bewertungsmethoden.41 Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel: Wurde durch Methode A der Wert einer Aktie zwischen EUR 20 und EUR 24 bestimmt, ergibt sich nach Methode B aber ein Wert zwischen EUR 23 und EUR 28, liegt die Bewertungsbandbreite zur Ermittlung eines angemessenes Kaufpreises je zu erwerbenden Aktie zwischen EUR 20 und EUR 28.42
b) Ermittlung des angemessenen Kaufpreises aus der Bewertungsbandbreite Fraglich ist, ob ein Käufer dazu verpflichtet ist, stets am unteren Ende der Bewertungsspanne zu bieten. Eine pauschale Antwort lässt sich hierauf nicht geben, sondern die Beurteilung hat im Einzelfall anhand konkreter Umstände der Transaktion stattzufinden. So spielt es z.B. eine Rolle, ob ein potenzieller Erwerber im Bieterwettbewerb mit anderen Interessenten oder alleine in Verhandlungen mit dem Verkäufer steht. Weiterhin ist entscheidend, in welcher Verhandlungsposition sich der Verkäufer befindet, insbesondere wie groß sein Interesse an der Durchführung der Transaktion ist bzw. wie sehr er auf deren Durchführung wirtschaftlich angewiesen ist. Dem Vorstand steht daher ein „taktisches“ Beurteilungsermessen zu, mit welchem Kaufpreis er in die Verhandlungen mit dem Käufer geht, wobei das Leitmotiv seiner Entscheidung sein muss, wie er sich die Transaktion möglichst effektiv und zu 40 Cannivé/Suerbaum, AG 2011, 317, 324. 41 Cannivé/Suerbaum, AG 2011, 317, 324. 42 Cannivé/Suerbaum, AG 2011, 317, 324.
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angemessenen Konditionen sichert, ohne einen im Vergleich zu anderen Bietern überhöhten Kaufpreis zu zahlen. Dementsprechend ist es durchaus gerechtfertigt, von vornherein am oberen Ende der Bewertungsspanne zu bieten, wenn damit z.B. eine Exklusivitätsvereinbarung mit dem Verkäufer erzielt werden kann, die es dem Käufer ermöglicht, die anderen Bieter aus dem weiteren Prozess auszuschließen und in kurzer Zeit zu einem Vertragsabschluss zu kommen (sog. Pre-emptive Bid). Die Ermittlung einer Bewertungsbandbreite bedeutet nicht, dass sich der Kaufpreis bei Abschluss der Transaktion zwingend innerhalb dieser Bandbreite bewegen muss. Es kann auch ein Preis oberhalb der ermittelten Bandbreite gezahlt werden, sofern dieser durch besondere Umstände gerechtfertigt ist. Bietet eine Transaktion enorme wirtschaftliche Chancen, ist ein Kaufpreis oberhalb der Bandbreite zulässig.43 Dies wird insbesondere in Betracht kommen, wenn es gleichzeitig verschiedene Interessenten für das Zielunternehmen gibt und der Vorstand fürchten muss, dass die Gesellschaft ohne die Zahlung einer strategischen Prämie überhaupt nicht zum Zug kommen wird und die sich daraus ergebenden Nachteile die Zahlung eines (bewertungstheoretisch) überhöhten Kaufpreises übersteigen. Das Gleiche gilt, wenn durch die Transaktion die Möglichkeit besteht, Mitbewerber vom Markt zu verdrängen oder die eigene wirtschaftliche Situation zu verbessern (etwa weil sich zu viele Wettbewerber auf dem Markt befinden und durch die Transaktion Mitbewerber erheblich geschwächt werden können). So bewertete der BGH einen deutlich überhöhten Kaufpreis für UMTS-Lizenzen der Telekom noch als angemessen. Eine Investition in die zukunftsweisende UMTS-Technologie sei seinerzeit notwendig gewesen, um eine enorme wirtschaftliche Chance nicht zu versäumen und sich auf einem völlig überfüllten Markt als Unternehmen zu behaupten.44 Bei der Beurteilung, ob ein besonderer Grund gegeben ist, sei ein weiter Spielraum zu gewähren.45 Weiterhin stellt sich die Frage, ob eine Prämie zusätzlich auf den objektiv ermittelten Unternehmenswert zulässig ist, wenn der Erwerber zwar einen erhöhten Kaufpreis zahlt, sich dadurch aber einen Vorteil verspricht. So erscheint die Zahlung eines erhöhten Kaufpreises sinnvoll, wenn durch diese Kontrollprämie ein erheblicher (oder der einzige) Einfluss über Geschäftsführung und Gewinnverteilung ausgeübt werden kann. Zum anderen kann der Käufer auf Synergieeffekte vertrauen, die 43 BGH v. 3.3.2008 („UMTS“) – II ZR 124/06, BGHZ 175, 365, 369. 44 BGH v. 3.3.2008 („UMTS“) – II ZR 124/06, BGHZ 175, 365, 369 f. 45 BGH v. 3.3.2008 („UMTS“) – II ZR 124/06, BGHZ 175, 365, 371.
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den (bewertungstheoretisch) überteuerten Kaufpreis letztendlich ausgleichen.46 Die Grenze wird hier erreicht sein, wenn der Käufer auf diese Weise sämtliche Synergieeffekte über den Kaufpreis sogleich wieder aus der Hand gibt. Eine Prämie auf den Kaufpreis kann auch zulässig sein, wenn der Käufer dadurch vergleichsweise höhere Markteintrittskosten umgeht. Ebenso verhält es sich, wenn durch eine zusätzliche Prämie das Zielunternehmen mit Sicherheit erworben wird und auf diese Weise einem Wettbewerber zuvor gekommen wird (Verdrängungseffekt). Eine Prämie muss aber in jedem Fall betriebswirtschaftlich begründbar und deren Berechnung nachvollziehbar dokumentiert sein. Es zeigt sich somit, dass ein Kaufpreis angemessen ist, wenn er sich im Rahmen der ermittelten Bandbreite befindet oder besondere Umstände oder eine Kontrollprämie einen höheren Kaufpreis betriebswirtschaftlich rechtfertigen. Ohne diese Rechtfertigung darf der Käufer keinen außerhalb der Bandbreite liegenden Kaufpreis akzeptieren. Um die Unternehmensbewertung und Kaufpreisermittlung gegen spätere Vorwürfe, man habe leichtfertig einen zu hohen Kaufpreis gezahlt, abzusichern, ist dem Vorstand dringend zu empfehlen, seine Überlegungen und Abwägungen sorgfältig und in ausreichender Detailtiefe zu dokumentieren.
c) Fairness Opinion erforderlich? Die finanzielle Angemessenheit des Transaktionspreises kann durch die Stellungnahme eines unabhängigen Sachverständigen überprüft werden (Fairness Opinion). Im Grundsatz besteht keine generelle Pflicht zur Einholung einer Fairness Opinion.47 Insbesondere ist diese nicht erforderlich, wenn der Vorstand bereits über eine fundierte Informationsbasis verfügt und somit die Angemessenheit selbst beurteilen kann.48 Dennoch kann diese zur Dokumentation und Vervollständigung der eigenen Entscheidungsgrundlagen ratsam sein. Soweit die eigenen Erkenntnismöglichkeiten nicht ausreichen, kann der Vorstand aber zur Einholung einer Fairness Opinion verpflichtet sein.49
46 47 48 49
OLG Frankfurt v. 7.12.2010 – 5 U 29/10, WM 2011, 116, 125 f. Fleischer, ZIP 2011, 201, 206. Fleischer, ZIP 2011, 201, 206. Schiessl, ZGR 2003, 814, 824.
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3. Bedingungen des Unternehmenskaufvertrags Drittens muss der Vorstand bei der Ausgestaltung des Unternehmenskaufvertrags und Festlegung von Bedingungen besonders aufmerksam sein. Grundvoraussetzung um überhaupt Bedingungen in einem Unternehmenskaufvertrag aufnehmen zu können, ist das Bestehen eines Gestaltungsspielraums, in dessen Rahmen Bedingungen festgelegt werden können. Bei öffentlichen Übernahmen werden oft keine detaillierten Verhandlungen mit dem Zielunternehmen geführt bzw. ist der Gestaltungsspielraum durch die gesetzlichen Vorgaben des Übernahmerechts stark eingeschränkt. Ebenso besteht bei einem Kauf aus der Insolvenz in der Regel nur ein kleiner bis gar kein Gestaltungsspielraum, sodass hier keine oder nur wenige Gewährleistungen möglich sind.50 Existiert ein Gestaltungsspielraum, können durch die konkrete Vertragsausgestaltung bereits identifizierte Risiken abgesichert werden. Hierzu gehören Vollzugsbedingungen bzw. Rücktrittsrechte vor Vollzug in Form von „No Material Adverse Change“-Klauseln51, Kaufpreisanpassungsmechanismen (Closing Accounts52) oder Gewährleistungen. Zudem können mit dem Verkäufer Freistellungsregelungen getroffen werden. Grundsätzlich gilt: Je weniger Informationen über die Zielgesellschaft zur Verfügung stehen, desto umfangreicher sollte der Gewährleistungskatalog sein. Es empfiehlt sich den Verhandlungsverlauf zu dokumentieren, um nachträglich beweisen zu können, warum ein angemessener Schutz über Gewährleistungen nicht zu erzielen war. Dementsprechend kann es durchaus ratsam sein, bestimmte Forderungen zu stellen, auch wenn absehbar ist, dass sich die andere Seite darauf nicht einlassen wird, weil andernfalls nachträglich nur schwer zu dokumentieren ist, warum entsprechende Regelungen nicht Eingang in den Unternehmenskaufvertrag gefunden haben. Neben einem Zusammenhang zwischen vorhandenen Informationen und Umfang des Gewährleistungskatalogs ist ebenso ein Zusammenhang zwischen Ausschluss der Gewährleistung und der Höhe des Kaufpreises zu erkennen.53 Erhält der Käufer keinerlei Gewährleistungen, 50 51 52 53
Mörshäuser/Falkner, NZG 2010, 881, 886. Ausführlich dazu Lange, NZG 2005, 454 ff. Kleinheisterkamp/Schell, DStR 2010, 833, 837. Klumpp in Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, 6. Aufl. 2009, Kap. 11, I Rz. 5.
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steigt für ihn das mit der Transaktion verbundene Risiko, was sich wiederum mindernd auf den Kaufpreis auswirkt. Der Vorstand tut daher gut daran, sich bereits im Vorfeld einer Transaktion nicht nur Gedanken über die Bewertung des Zielunternehmens und den zahlbaren Kaufpreis zu machen, sondern die anderen beiden Elemente des Entscheidungsdreiklangs und den dabei bestehenden Gestaltungsspielraum von vornherein in seine Überlegungen mit einzubeziehen. Eine Transaktion muss im Extremfall unterbleiben, wenn sich die Risiken nicht realistisch bewerten lassen und diese nicht durch einen niedrigeren Kaufpreis oder einen umfangreichen Gewährleistungskatalog ausgeglichen werden können. Wird die Transaktion trotzdem vorgenommen, sind gesteigerte Anforderungen an die Abwägung der Vor- und Nachteile sowie an die Dokumentation und Begründung der Entscheidung zu stellen. Selbst wenn ein umfangreicher Gewährleistungskatalog ausgehandelt wurde, ist dieser nutzlos, wenn dessen Durchsetzbarkeit nicht gesichert ist. Eine Durchsetzbarkeit kann dadurch erreicht werden, dass zunächst ein Teil des Kaufpreises solange einbehalten wird, bis potenzielle Gewährleistungsansprüche verjährt sind. Denkbar ist ebenfalls eine Treuhandlösung (Escrow Account54), bei welcher ein Teilbetrag durch einen Dritten treuhänderisch verwaltet oder auf ein gemeinsam eingerichtetes und vertraglich abgesichertes Konto einbezahlt wird. Alternativ kann eine Garantie durch eine solvente Partei abgegeben werden. Dies kann zum Beispiel eine Bank oder die Konzernmutter des zu veräußernden Unternehmens sein. Letztlich ist auch ein zusätzlicher Abschluss von Versicherungen zur Absicherung der Gewährleistungsansprüche denkbar.
V. Aktuelle Fragen der Vorstandshaftung bei Unternehmenskäufen Während beispielsweise die Frage nach dem Erfordernis und dem Umfang einer Due Diligence als weitgehend geklärt gelten kann,55 sind an54 Kästle/Oberbracht, Unternehmenskauf – Share Purchase Agreement, 2. Aufl. 2010, S. 105 f. Wobei es in großen Unternehmen durchaus regelmäßig Unternehmenskäufe geben mag, die aufgrund ihrer geringen Größe und eingeschränktem Risikoprofil nicht zu den Leitungsaufgaben gehören. 55 Siehe hierzu die Ausführungen oben in Abschnitt IV unter Ziffer 1.
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dere Aspekte des Vorstandshandelns bei Unternehmenskäufen nach wie vor in der Diskussion. Nachfolgend sollen drei davon besonders hervorgehoben und erörtert werden:
1. Interessenkollision einzelner Vorstandsmitglieder bei Gremienentscheidungen Da M&A Transaktionen in der Regel zu den Leitungsaufgaben des Vorstandes gehören56 und somit nach einer Entscheidung des Gesamtvorstandes als Kollegialorgan verlangen, stellt sich die Frage, wie sich ein Interessenkonflikt eines einzelnen Vorstandsmitglieds mit Blick auf die konkrete Entscheidung bei der Beurteilung der Kollegialentscheidung auswirkt. Grundsätzlich ist die Entscheidung über eine M&A Transaktion eine unternehmerische und somit an § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu messen. Entscheidend kommt es daher im Rahmen der BJR gem. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG darauf an, dass das Vorstandsmitglied „annehmen durfte […] zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Nach allgemeiner Ansicht ist dies so zu interpretieren, dass das Vorstandsmitglied ausschließlich am Gesellschaftswohl orientiert sein muss und keine Sonderinteressen in der betreffenden Sache haben darf.57 Liegt also ein Interessenkonflikt bei einem Vorstandsmitglied vor, findet die BJR keine Anwendung auf dessen Entscheidung. Damit ist allerdings noch keine Aussage über die Pflichtwidrigkeit des Vorstandshandelns getroffen. Es entfällt lediglich die Anwendbarkeit der BJR zugunsten des Vorstandsmitglieds und die Entscheidung ist damit voll gerichtlich überprüfbar. Fraglich ist, ob in einem solchen Fall die BJR auf die Entscheidung der übrigen Vorstandsmitglieder anwendbar bleibt. Die Antwort hierauf hängt wesentlich davon ab, ob das befangene Vorstandsmitglied seinen Interessenkonflikt im Vorstand offengelegt hat oder nicht, wobei unstreitig ist, dass das befangene Organmitglied verpflichtet ist, den Interessenkonflikt offenzulegen.58 Das stellt auch Art. 4.3.4 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) nochmals klar.59
56 57 58 59
Dazu sogleich mehr. Dauner-Lieb in Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rz. 24. Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rz. 61. Der aber fälschlich als Empfehlung formuliert ist.
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a) Keine Offenlegung des Interessenkonflikts Hat das betroffene Vorstandsmitglied (pflichtwidrig) den Interessenkonflikt nicht aufgedeckt, handeln die übrigen Vorstandsmitglieder aus ihrer Perspektive ausschließlich am Gesellschaftswohl orientiert. Das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen unterstellt, befinden sie sich damit subjektiv im Rahmen der BJR. Objektiv hingegen ist im Nachhinein nicht mehr feststellbar, welchen Einfluss das befangene Vorstandsmitglied auf die Beratung und Entscheidungsfindung hatte. Hier ist also eine Abwägung vorzunehmen: Wiegt das Interesse der subjektiv völlig korrekt handelnden Vorstandsmitglieder, weiterhin von der BJR zu profitieren oder das Interesse der Gesellschaft an einer korrekten Entscheidung schwerer?60 Der Wortlaut des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG stellt zwar auch auf die Sicht der Vorstandsmitglieder ab, allerdings ist der Maßstab objektiviert („annehmen dürfen“), so dass der Wortlaut nicht eindeutig dafür spricht, die BJR auf alle subjektiv unbefangenen Entscheidungsträger anzuwenden. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage nach der Anwendbarkeit der BJR in diesen Konstellationen ist der hinter ihr stehende gesetzgeberische Zweck. Die BJR dient dazu, Entscheidungssituationen einer nachträglichen gerichtlichen Inhaltskontrolle zu entziehen, bei denen es um die für Managemententscheidungen typischen Prognoseentscheidungen unter Unsicherheit geht, eine darüber hinausgehende besondere Gefährdungslage jedoch nicht besteht. Das Privileg der BJR kann daher dort keine Anwendung finden, wo der zu beurteilendende Sachverhalt nicht zu denen zählt, bei denen objektiv gewöhnlich kein Sorgfaltsverstoß vorliegt. Zu fragen ist also, ob in der hier geschilderten Situation die übrigen Vorstandsmitglieder typischerweise eine Entscheidung treffen werden, die ausschließlich auf das Gesellschaftswohl zielt.61 Da sich der Einfluss des befangenen Mitglieds im Nachhinein kaum feststellen lässt, kann davon jedenfalls pauschal nicht ausgegangen werden. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass die übrigen Vorstandsmitglieder den Argumenten des befangenen Vorstandsmitglieds aufgeschlossen gegenübertreten und nicht erkennen, dass dessen Argumentation von Sonderinteressen beeinflusst ist, die sich nicht mit dem Gesellschaftsinteresse decken. Damit besteht in einer solchen Konstellation eine Gefährdungslage, wie sie nach dem gesetzgeberischen Leitbild im Anwendungsbereich der BJR gerade nicht vorliegt. Die BJR
60 So Lutter in FS Canaris II, 2007, S. 245, 249. 61 Blasche, AG 2010, 692, 695.
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findet daher in einer solchen Konstellation nach der wohl h.M. keine Anwendung.62 Wegen der weitreichenden Folgen für die unbefangenen Vorstandsmitglieder, sollte der Vorstand der Frage möglicher Interessenkollisionen im Rahmen seiner Entscheidungsfindung aktiv nachgehen.
b) Offenlegung des Interessenkonflikts Weitestgehende Einigkeit besteht für den Fall, dass ein Vorstandsmitglied seinen Interessenkonflikt offenlegt und weder an den Beratungen noch an der Entscheidungsfindung teilnimmt. Die BJR ist dann auf die Vorstandsentscheidung grundsätzlich anwendbar.63 Ob der Vorstand annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, ist im Einzelfall zu überprüfen. Umstritten ist noch, ob die BJR anwendbar bleibt, wenn sich der Vorstand bewusst entscheidet, das befangene Mitglied am Entscheidungsprozess teilhaben zu lassen. Nach einer Ansicht ist die BJR auch hier pauschal auszuschließen, da die Gefahr unterschwelliger Beeinflussung bestehe und eine generelle Haftungsfreistellung daher unangebracht sei.64 Eine solche Argumentation ist gemessen an der gesetzgeberischen Wertung, die keinen Ausschluss des betroffenen Mitglieds vorsieht, aber verfehlt. Daher ist mit der wohl herrschenden Meinung davon auszugehen, dass die BJR auch hier grundsätzlich anwendbar bleibt.65 Es mag Sonderkonstellationen geben, in denen man aufgrund der exponierten Stellung des betroffenen Vorstandsmitglieds oder der Schwere des Interessenkonflikts wertungsmäßig zu einem anderen Ergebnis gelangt. Richtigerweise müsste man das betroffene Vorstandsmitglied in einer solchen Konstellation dann von den Verhandlungen und der Entscheidung über die konkrete Unternehmenskaufentscheidung ausschließen.
62 Lutter in FS Canaris II, 2007, S. 245, 249; Blasche, AG 2010, 692, 695; Scholderer, NZG 2012, 168, 175; so wohl auch Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rz. 29; differenzierend Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rz. 64; a.A. Koch in Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 93 Rz. 26. 63 Lutter in FS Canaris II, 2007, S. 245, 250. 64 Lutter in FS Canaris II, 2007, S. 245, 249 f. 65 So auch Blasche, AG 2010, 692, 698; a.A. Bunz, NZG 2011, 1294, 1296 f.
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2. Arbeitsteilung und externe Expertise bei M&A Transaktionen Nach dem gesetzlichen Leitbild66 ist grundsätzlich der Gesamtvorstand als Kollegialorgan für sämtliche Aufgaben in der Unternehmensführung zuständig und verantwortlich. Diese Gesamtgeschäftsführung wird aber für die große Mehrheit der Aktiengesellschaften den Anforderungen der Praxis nicht gerecht: Der Vorstand wäre nicht mehr handlungsfähig, wenn er die Vielzahl seiner Aufgaben gemeinschaftlich bearbeiten wollte. In der Realität wird daher ganz überwiegend von der Öffnungsklausel gem. § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG Gebrauch gemacht.67 Satzung oder Geschäftsordnung des Vorstandes bestimmen dann, dass jedem Vorstandsmitglied ein Ressort zugewiesen wird.68 Vertikal werden zudem diverse Aufgaben an untergeordnete Mitarbeiter und externe Dienstleister delegiert. Hierfür gibt es keine gesetzliche Öffnungsklausel, gleichwohl ist es selbstverständlich, dass auch diese Form der Arbeitsteilung zulässig ist.69 Die Pflicht der einzelnen Vorstandsmitglieder, jede Aufgabe im Kollegium selbst zu erfüllen, wandelt sich in beiden Fällen in die Pflicht, die Delegationsempfänger zu überwachen.70
a) Horizontale Delegation innerhalb des Vorstands Dementsprechend haften bei der horizontalen Geschäftsverteilung nicht mehr alle Vorstandsmitglieder als Gesamtschuldner für die Erfüllung der Aufgabe, sondern nur noch das jeweils zuständige Mitglied.71 Dieses trägt in seinem Bereich die sog. Ressortverantwortung: Es muss durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass die nachgeordneten Mitarbeiter rechtmäßig handeln.72 Gleichzeitig hat es aber 66 Vgl. §§ 76 Abs. 1, 77 Abs. 1 AktG. 67 Vgl. dazu Weber in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 77 Rz. 27; Schmidt-Husson in Hauschka, Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 7 Rz. 4. 68 Vgl. dazu Weber in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 77 Rz. 27; zur Ressortverteilung auch Vetter in Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 1. Aufl. 2007, § 18 Rz. 13 ff. 69 Schmidt-Husson in Hauschka, Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 7 Rz. 6. 70 Bachmann, Reform der Organhaftung? Materielles Haftungsrecht und seine Durchsetzung in privaten und öffentlichen Unternehmen, 2014, E 42. 71 Bachmann, Reform der Organhaftung? Materielles Haftungsrecht und seine Durchsetzung in privaten und öffentlichen Unternehmen, 2014, E 42. 72 Fleischer, NZG 2003, 449, 452.
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auch entsprechende Gestaltungsfreiheiten, die vom Kollegium nicht ohne weiteres beschnitten werden dürfen.73 Eine etwaige Pflichtverletzung des jeweils zuständigen Vorstandsmitgliedes wird den übrigen nicht zugerechnet. Sie können lediglich für eigene Pflichtverletzungen im Rahmen der Aufsicht in Regress genommen werden.74 Bei der Überwachung gilt zugunsten der Vorstandsmitglieder der sog. Vertrauensgrundsatz. Demnach dürfen sie sich grundsätzlich auf die Aufgabenerfüllung durch den jeweiligen Ressortvorstand verlassen.75 Vertrauensgrundsatz und Ressortverantwortung auf der einen Seite und Überwachungspflicht des Gesamtvorstandes auf der anderen Seite stehen in einem Spannungsfeld zueinander und es ist noch nicht abschließend geklärt, wie weit die Überwachungspflicht für die Nachbarressorts überhaupt reichen soll.76
b) Vertikale Delegation innerhalb des Unternehmens bzw. an externe Dienstleister Bei der vertikalen Arbeitsteilung dagegen ist der Pflichtenkanon klar: Der Delegierende hat den Ausführenden sorgsam auszuwählen, einzuweisen und zu überwachen;77 für eine Verletzung dieser Pflichten haftet er. Fehler des Delegationsempfängers aber werden dem Prinzipal auch hier nicht zugerechnet.78 Ihre Grenze findet die Delegationsfähigkeit zunächst bei solchen Aufgaben, die das Gesetz dem Vorstand als Kollegialorgan zuweist, beispielsweise die Berichtspflicht aus § 91 Abs. 1 AktG.79 Die ganz h.M. leitet zudem aus den entsprechenden Vorschriften ab, dass alle Aufgaben, die zur Unternehmensleitung gehören, dem Gesamtvorstand ob-
73 Fleischer in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 8 Rz. 9. 74 Schmidt-Husson in Hauschka, Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 7 Rz. 9 f. 75 Vetter in Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 1. Aufl. 2007, § 18 Rz. 20. 76 Fleischer in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 8 Rz. 3 m.w.N.; Pietzke, CCZ 2010, 45, 48. 77 Bachmann, Reform der Organhaftung? Materielles Haftungsrecht und seine Durchsetzung in privaten und öffentlichen Unternehmen, 2014, E 42. 78 Fleischer in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 8 Rz. 25. 79 Aufzählung bei Vetter in Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 1. Aufl. 2007, § 18 Rz. 26 ff.
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liegen.80 Der Begriff der Leitung ist nicht legal definiert. Er wird vom Gesetzgeber begrifflich von der Geschäftsführung getrennt (§ 77 AktG),81 ansonsten aber vorausgesetzt. Unzweifelhaft zur Unternehmensleitung zählen jedenfalls die Unternehmensplanung, -koordination, -kontrolle und die Besetzung der Führungspositionen im Unternehmen.82 Dass die Verantwortung hierfür dem Gesamtvorstand obliegt bedeutet auch, dass jedes Vorstandsmitglied die Pflicht trifft, sie höchstpersönlich wahrzunehmen. Eine Delegation vom Gesamtvorstand an ein einzelnes Mitglied respektive untergeordnete oder externe Dritte bedeutet daher stets eine Pflichtverletzung der einzelnen Organmitglieder.83 M&A Transaktionen werden jedenfalls in der großen Mehrzahl der Fälle ebenfalls zu den Leitungsaufgaben gehören, sei es wegen ihrer schieren Größe, der damit einhergehenden Risiken oder ihrer strategischen Bedeutung für die Gesellschaft. Die Entscheidung über die Durchführung einer solchen Transaktion muss damit regelmäßig der Gesamtvorstand treffen. Mit Blick auf die Komplexität von Unternehmenskäufen wird aber klar: Leitungsverantwortung kann nicht bedeuten, dass der Vorstand alle mit der Transaktion verbundenen Aufgaben selbst durchführen muss. Wie eingangs ausgeführt wird der Vorstand gerade in der Vorbereitung, beispielsweise bei einer Due Diligence, den Sachverstand Dritter in Anspruch nehmen. Dem steht § 76 Abs. 1 AktG nicht entgegen, er zielt nur auf die Wahrnehmung der Leitungsverantwortung. Demnach kann der Vorstand die Entscheidungsvorbereitung, ausführende Handlungen,84 und Detailfragen durchaus delegieren, solange er sich nur mit den wesentlichen transaktionsrelevanten Fragen befasst und am Ende in eigener Verantwortung entscheidet.85 Nur bei wenigen Unternehmen werden M&A Transaktionen zum alltäglichen Geschäftsbetrieb gehören oder so unbedeutend sein, dass sie
80 Vetter in Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 1. Aufl. 2007, § 18 Rz. 29. 81 So Dreher in FS Hopt, 2010, S. 517, 518; a.A. Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 1996, Rz. 5 f. 82 Koch in Hüffer, Aktiengesetz, 11. Aufl. 2014, § 76 Rz. 9. 83 Vgl. Dreher in FS Hopt, 2010, S. 517, 527. 84 Weber in Hölters, Aktiengesetz, 2. Aufl. 2014, § 77 Rz. 29. 85 Fleischer in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 1 Rz. 17.
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nicht mehr in den Bereich der Leitungsaufgaben fallen. Daher sind sie selten Teil des Geschäftsverteilungsplans. Um Haftungsfallen bei der Aufgabendelegation zu vermeiden, ist daher beim arbeitsteiligen Vorgehen bei M&A Transaktionen eine klare Dokumentation der Zuständigkeiten unerlässlich.86 Nach der Aufgabenübertragung gelten die obigen Ausführungen bei der horizontalen Delegation zur Überwachungspflicht. Bei entsprechender Größe und strategischer Bedeutung der Transaktionen sind die Anforderungen naturgemäß deutlich intensiver als bei kleineren Transaktionen ohne strategische Bedeutung.
c) Pflicht zur Einholung von Expertenrat? Einen Sonderfall in der Aufgabendelegation stellt es dar, wenn der Vorstand externe Expertise zur Entscheidungsvorbereitung einholt. Dies kann in Einzelfällen nicht nur zulässig, sondern sogar erforderlich sein. Zuerst ist das regelmäßig dann der Fall, wenn sich der Vorstand auf rechtlich unsicherem Boden bewegt.87 Zweitens ist es gewöhnlich auch notwendig, wenn der Vorstand bei einer bestimmten Sachfrage, beispielsweise im Rahmen der Kaufpreisermittlung, nicht selbst über die erforderliche Fachkunde verfügt. Grundsätzlich gibt es zwar keine Pflicht zur Einholung externer Expertise als Absicherungsstrategie.88 Im Anwendungsbereich der BJR kann der Sachverständigenrat aber zur angemessenen Informationsbeschaffung erforderlich sein; bei gebundenen Entscheidungen seine Einholung eine Organpflicht darstellen.89 Eine Haftungsfreistellung geht damit allerdings nicht automatisch einher. Die Rechtsprechung hat hierzu Anforderungen formuliert, die der BGH zuletzt in der Ision-Entscheidung nochmal konkretisiert hat:90
(1) Umfassende Offenlegung des Sachverhalts Zuerst muss der Vorstand seinem Berater die Verhältnisse der Gesellschaft umfassend schildern und alle relevanten Unterlagen offenlegen. Eine schlichte Anfrage bei einer sachkundigen Stelle genügt also nicht.91
86 Verallgemeinernd Schmidt-Husson in Hauschka, Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 7 Rz. 20. 87 Siehe dazu unten Ziffer 3 b)(2). 88 BT-Drucks. 15/5092, S. 12. 89 Hahn/Naumann, CCZ 2013, 156, 164. 90 BGH v. 20.9.2011 – II ZR 234/09 = NJW-RR 2011, 1670. 91 BGH v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, Rz. 18.
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(2) Qualifizierter Rat und Überprüfung der Expertise Zweitens muss der Vorstand einen fachlich qualifizierten Berufsträger in Anspruch nehmen.92 Dabei wurde in der Rechtsprechung kaum näher bestimmt, welche Anforderungen an einen solchen zu stellen sind.93 Nach einem Urteil des OLG Stuttgart muss sich der Vorstand jedenfalls selbst von der Qualifikation überzeugen. Auf Empfehlungen Dritter dürfe er sich nicht ohne weiteres verlassen.94 In der Literatur wird aber zu Recht eingeschränkt, dass an die Überprüfung durch den Vorstand keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind:95 Hätte der Vorstand den Sachverstand, die befragten Experten zu bewerten, hätte er sie gar nicht erst hinzuziehen müssen. Demnach kann und muss der Vorstand die Sachkunde seines Beraters nur anhand dessen Formalqualifikation überprüfen.96
(3) Unabhängigkeit des Beraters Drittens muss der Beratende unabhängig sein. Auch hier bleibt die genaue Definition des Merkmals bislang der Literatur überlassen. Generell ist ein Sachverständiger unabhängig, wenn er keine Interessenkonflikte hat.97 Insofern kann man beispielsweise Zweifel an der Unabhängigkeit von Beratern haben, wenn diese bereits mit der Sache befasst waren98 oder wirtschaftlich eng verbunden mit einem Organmitglied sind.99 Umstritten ist noch, inwieweit internen Fachabteilungen die geforderte Unabhängigkeit zukommt. Es erscheint am überzeugendsten, auch diese als unabhängig zu bewerten, sofern sie tatsächlich zur selbstständigen Erarbeitung einer Stellungnahme aufgefordert wurden:100 Einerseits 92 BGH v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, Rz. 18. 93 Lediglich für die Insolvenzantragspflicht in der GmbH konkretisierend: BGH v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, CCZ 2013, 34, 35; konkretisierend nur für den Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft: OLG Stuttgart v. 25.11.2009 – 20 U 5/09, NZG 2010, 141, 144. 94 OLG Stuttgart v. 25.11.2009 – 20 U 5/09, NZG 2010, 141, 144. 95 Fleischer, NZG 2010, 121, 123. 96 Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 17 Rz. 18; Fleischer, NZG 2010, 121, 123. 97 Hahn/Naumann, CCZ 2013, 156, 160. 98 Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 140. 99 Vgl. OLG Hamburg, BeckRS 2009, 29278; Merkt/Mylich, NZG 2010, 525, 528. 100 So auch Hölters in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 93 Rz. 249 m.w.N.; vgl. auch Selter, AG 2012, 11, 14 f.
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spricht dafür, dass auch externe Beratungsfirmen in langjährigen Vertragsbeziehungen vom Auftraggeber wirtschaftlich abhängig werden können. Gerade die bei juristischen Fragen zu bemühenden Mitarbeiter der Rechtsabteilung sind zudem verpflichtet, die Gesellschaft vor zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen zu bewahren.101 Schließlich sind u.U. die internen Mitarbeiter in bestimmten Fragestellungen besonders kompetent. Sie von vornherein als Berater abzulehnen hieße rein praktisch damit auch, wertvollen Sachverstand ungenutzt zu lassen. Daher ist davon auszugehen, dass der Vorstand grundsätzlich frei ist, sich betriebsinternen oder externen Rat einzuholen. Dabei muss er sich an die im Einzelfall kompetente Stelle wenden und auch die Gefahr der Betriebsblindheit seiner Mitarbeiter beachten.102
(4) Plausibilitätskontrolle durch den Vorstand Schließlich ist der Vorstand verpflichtet, die Einschätzungen seiner Berater einer eigenen Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Dabei steigen die Anforderungen an die Überprüfung bestimmter Sachurteile, wenn das jeweilige Organmitglied über Spezialkenntnisse in diesem Bereich verfügt.103 Der Vorstand muss prüfen, ob die Beurteilung an zutreffende und vollständige Tatsachen anknüpft. Zusätzlich hat er diese auf offensichtliche Widersprüche und Begründungslücken zu untersuchen und abzugleichen, ob das geplante Vorstandshandeln von der Beratung vollständig gedeckt ist.104 Bei komplexen Fragestellungen ist als Basis dieser Kontrolle eine schriftliche Auskunft notwendig.105 Ergeben sich bei der Prüfung Zweifel an der Richtigkeit des Sachverständigenrates, ist eine zweite Meinung einzuholen.106 Zusammenfassend ist hier festzuhalten, dass M&A Transaktionen ganz überwiegend zu den nicht delegationsfähigen Leitungsaufgaben des Vor101 Hahn/Naumann, CCZ 2013, 156, 161. 102 Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rz. 78. 103 Für den Aufsichtsrat: BGH v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, NJW-RR 2011, 1670, 1673; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rz. 25. 104 Merkt/Mylich, NZG 2012, 525, 529 m.w.N; Selter, AG 2012, 11, 17 f. 105 BGH v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, NJW-RR 2011, 1670, 1672; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 142. 106 Hölters in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 93 Rz. 250.
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standes gehören. Die Grundsatzentscheidung über die Durchführung einer solchen Transaktion kann also weder einem einzelnen Vorstandsmitglied noch nachgeordneten Mitarbeitern oder externen Kräften überantwortet werden. Einzelfragen, Vorbereitung und Durchführung der Vorstandsentscheidung sind dagegen delegationsfähig. Werden sie abgegeben, wandelt sich die Pflicht des Vorstandes zur Durchführung der betroffenen Aufgabe zu einer Überwachungspflicht. Er haftet dann nur für eigenes Verschulden in diesem Rahmen, Fehler des Delegationsempfängers werden ihm nicht zugerechnet. Eine klare Dokumentation der Zuständigkeiten stellt dabei sicher, dass der Vorstand nicht mehr für die originäre Aufgabenerfüllung haftbar gemacht werden kann. Ein Sonderfall der Delegation ist das Einholen externer Expertise. Die Inanspruchnahme von Expertenrat kann nicht nur erlaubt, sondern sogar verpflichtend sein. Seine Befolgung durch den Vorstand wirkt für diesen haftungsbefreiend, wenn die in der Ision-Entscheidung dargelegten Standards eingehalten werden.
3. Nützliche Gesetzesverstöße und unsichere Rechtslage Zum Pflichtenkanon des Vorstandes gem. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG gehört auch die sog. Legalitätspflicht: Die Vorstandsmitglieder haben ihr Amt gesetzestreu zu führen und sicherzustellen, dass sich die Gesellschaft entsprechend verhält.107 Dabei ist zu unterscheiden zwischen der internen Pflichtenbindung, die das Verhältnis des Vorstandes zur Gesellschaft betrifft und in Aktiengesetz, Satzung und Geschäftsordnung wurzelt und der externen Pflichtenbindung. Letztere betrifft das Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten und fußt auf diversen Normen außerhalb des Aktiengesetzes.108 Grundsätzlich folgt aus einem Rechtsverstoß im Außenverhältnis stets auch eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis. Begründet wird das häufig mit der Pflicht des Vorstandes, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Infolge des Gesetzesverstoßes könne der Gesellschaft ein Schaden, etwa in Form von Geldbußen, erwachsen.109 Alternativ wird
107 Anstatt vieler: Dreher in FS Konzen, 2006, S. 85, 92. 108 Zum Ganzen anstatt vieler: Fleischer, ZIP 2005, 141, 142 und Bicker, AG 2014, 8. 109 Fleischer, ZIP 2005, 141, 144.
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argumentiert, die Gesellschaft ebenso wie ihre Vertreter seien wie alle Rechtspersonen an gesetzliche Pflichten gebunden.110
a) Nützliche Gesetzesverstöße Fraglich ist, ob Durchbrechungen dieses Grundsatzes anzuerkennen sind. Mit Blick auf die soeben dargestellte erste Herleitung des Legalitätsprinzips stellt sich diese Frage insbesondere in dem Fall, in dem der Vorstand einen so genannten „nützlichen“ Gesetzesverstoß111 veranlasst oder zumindest wissentlich duldet. Gemeint sind Gesetzesverstöße der Gesellschaft, die zwar Nachteile für die Gesellschaft haben, sich im Ergebnis aber gleichwohl wirtschaftlich lohnen. Illustrativ hierfür ist eine Konstellation, mit der sich US-amerikanische Gerichte befasst hatten: Dort ging es um die Direktive der Geschäftsleitung eines Paketdienstleisters, der es seinen Fahrern erlaubte, ordnungswidrig zu parken und damit Ordnungsgelder in Höhe von 1,5 Mio. USD zu verursachen, was im konkreten Fall gleichwohl deutlich günstiger war, als entsprechende Parktickets zu lösen.112 Im US-amerikanischen Schrifttum begreift man in solchen Konstellationen die anfallenden Strafgelder teilweise als Preis, der für einen Rechtsbruch zu zahlen ist.113 Lohne sich die Entrichtung dieses Preises für die Gesellschaft, so läge keine Pflichtverletzung des veranlassenden Vorstandes vor. Eine Ausnahme solle lediglich für strafbewehrte Handlungen gelten.114 Die einhellige Meinung in Deutschland tritt dem mit unterschiedlichen Argumenten entgegen. Letztlich münden aber alle Begründungen in die Feststellung, das Recht sei der Rahmen, innerhalb dessen der Vorstand die Pflicht habe, zum wirtschaftlichen Wohl der Gesellschaft zu handeln.115 Ein Vorstand, der rechtswidrige, aber lukrative Geschäfte unterlasse, verletze also nicht seine Pflichten. Nehme er umgekehrt rechtswidrige Handlungen vor oder veranlasse er sie, könne er sich nicht im Innenverhältnis darauf berufen, der Gesetzesverstoß sei zum wirtschaftlichen Vorteil der Gesellschaft gewesen.116
110 111 112 113
Dreher in FS Konzen, 2006, S. 85, 92. Auch häufig als „nützliche“ Pflichtverletzung bezeichnet. Siehe die Nachweise bei Fleischer, ZIP 2005, 141, 149, Fn. 128. Vgl. die Nachweise und Ausführungen zu verwandten Konzeptionen bei Fleischer, ZIP 2005, 141, 147. 114 Nachweis bei Fleischer, ZIP 2005, 141, 147. 115 Vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, Rz. 36 m.w.N. 116 Vgl. Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 43 Rz. 6.
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Konsequenterweise muss man dann aber auch feststellen, dass die Pflichtverletzung des Vorstandes bei einem Verstoß gegen die Legalitätspflicht nicht allein aus dem der Gesellschaft erwachsenden Schaden folgen kann. Dieses Verständnis zugrunde gelegt, läge bei nützlichen Pflichtverletzungen wegen der überwiegenden Vorteile für die Gesellschaft gerade kein Verstoß gegen die Legalitätspflicht vor. Richtigerweise ist die Frage der Pflichtverletzung in solchen Konstellationen von der nach einem etwaigen Schaden der Gesellschaft zu trennen.117 Entscheidender Anknüpfungspunkt für die Beurteilung ist vielmehr die allgemeine Bindung der Gesellschaft an das Recht. Zumindest für gravierende Gesetzesverstöße kann zusätzlich auf § 396 Abs. 1 AktG verwiesen werden. Demnach kann eine Gesellschaft aufgelöst werden, wenn sie wegen Gesetzesverstößen ihrer Verwaltungsmitglieder das Allgemeinwohl gefährdet. Auch sonst findet sich jedenfalls kein positiver Anhaltspunkt im Aktiengesetz dafür, dass die Figur des „efficient breach of law“ anzuerkennen ist.118 Folgt man dieser Lösung, ergeben sich Folgefragen nach der Kausalität und der Vorteilsanrechnung beim Schaden, die in der Literatur bisher aber kaum aufgearbeitet sind und auf die an dieser Stelle lediglich hingewiesen werden soll.119 Von den nützlichen Gesetzesverstößen zu trennen sind die nützlichen Vertragsverletzungen (efficient breach of contract).120 Mit dem Begriff werden Konstellationen umschrieben, in denen der Vorstand einen Vertragsbruch verantwortet, der zwar einen Schaden für die Gesellschaft verursacht, sich per saldo aber für sie lohnt. Abweichend von den nützlichen Gesetzesverstößen geht die herrschende Meinung hier davon aus, dass der Vorstand nach sorgfältiger Abwägung von Chancen und Risiken in bestimmten Fällen auch die Verurteilung zu Schadensersatz riskieren kann.121 Begründet wird das mit der fehlenden Gesetzesqualität von Verträgen.122 Allerdings ist hier zu nuancieren, da Vertragsverstöße durchaus auch einen Gesetzesverstoß begründen können. So wird der vorsätzli-
117 118 119 120
Bicker, AG 2014, 8, 9. Thole, ZHR 173 (2009), 504, 515. Ausführlich: Bicker, AG 2014, 8, 13 f. Vgl. zum Begriff die Nachweise bei Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93, Fn. 401. 121 Fleischer, ZIP 2005, 141, 150. 122 Bicker, AG 2014, 8, 9 f.
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che Vertragsbruch im Regelfall von § 826 BGB erfasst werden. In diesem Fall gibt es wieder einen Gesetzesverstoß als Anknüpfungspunkt und das soeben dazu Ausgeführte beansprucht – unabhängig von dem Vertragsbruch – Geltung.123
b) Entscheidungsspielraum bei unsicherer Rechtslage? Beide soeben diskutierten Konstellationen sind dadurch geprägt, dass der Vorstand bewusst gegen eine gesetzliche oder vertragliche Bindung verstößt. Davon zu trennen sind Vorstandsentscheidungen bei unsicherer Rechtslage. In diesen Konstellationen ist zum Zeitpunkt der Vorstandsentscheidung nicht eindeutig ermittelbar, ob eine bestimmte Handlungsvariante rechtskonform ist oder nicht. Die Ursachen dafür können beispielsweise in unbestimmten Rechtsbegriffen, fehlender Rechtsanwendungspraxis, einer inkonsistenten Rechtsprechung oder in Gesetzesänderungen liegen. Das Risiko besteht dann darin, dass der Vorstand eine nach seiner Rechtsauffassung erlaubte Entscheidung trifft, die ein Gericht im Nachhinein zum Nachteil der Gesellschaft als rechtswidrig einstuft. Die Gesellschaft könnte dann versuchen, den Vorstand in Regress zu nehmen. Umgekehrt könnte sich der Vorstand dem Vorwurf ausgesetzt sehen, eine Geschäftschance nicht wahrgenommen zu haben, weil er fälschlicherweise davon ausging, ihre Wahrnehmung verstoße gegen das Legalitätsprinzip. Zu klären ist daher zunächst die Frage, ob die getroffene Entscheidung hier, anders als in den Fällen der nützlichen Gesetzesverstöße, im Anwendungsbereich der BJR liegt.
(1) Anwendbarkeit der BJR bei unsicherer Rechtslage? Der Begriff der unternehmerischen Entscheidung im Sinne der BJR setzt definitionsgemäß voraus, dass es sich nicht um eine sog. gebundene Entscheidung handelt. Es muss mit anderen Worten mehrere rechtmäßige Optionen zur Auswahl geben.124 Im Falle der unsicheren Rechtslage gibt es zum Entscheidungszeitpunkt zwar eine klare Rechtspflicht, sie hat sich aber noch nicht (in Form einer höchstrichterlichen Entscheidung) manifestiert und ist dem Vorstand daher in ihrer konkreten Gestalt nicht bekannt. Fraglich ist, ob das ausreicht, die vom Vorstand zu treffende Entscheidung in den Anwendungsbereich der BJR einzubezie-
123 Thole, ZHR 173 (2009), 504, 518 f. 124 Schneider, DB 2005, 707, 710.
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hen. Dafür spricht, dass die Ausgangssituation des Vorstandes bei der Entscheidung bei unsicherer Rechtslage vergleichbar ist mit den „typischen“ Konstellationen, die der BJR zugrunde liegen: Sowohl im Kernanwendungsbereich der Business Judgement Rule als auch bei unsicherer Rechtslage stellt der Vorstand eine Prognose an und handelt auf deren Grundlage.125 Eine solche Bewertung widerspricht aber der klaren gesetzgeberischen Weichenstellung, die im Rahmen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zwischen unternehmerischen Entscheidungen und sonstigen Pflichten deutlich unterscheidet. Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass es keinen sicheren Hafen für illegales Verhalten geben soll.126 Demnach ist i.E. davon auszugehen, dass die Legalitätspflicht dem unternehmerischen Ermessen vorgeht und für die BJR bei unsicherer Rechtslage kein Raum bleibt. Jede Vorstandsentscheidung auf solcher Grundlage ist damit voll gerichtlich überprüfbar.
(2) Gleichwohl: Fehlende Pflichtwidrigkeit oder unvermeidbarer Verbotsirrtum? Es wird häufig vertreten, dem Vorstand stehe dennoch ein gewisser Spielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er auf Grundlage angemessener Information die Vor- und Nachteile seiner Entscheidung abwägen müsse.127 Zwei Ausgangssituationen sind hier zu unterscheiden. Erstens muss der Vorstand, wenn er eine unsichere Rechtslage ausmacht, entscheiden, was er zur Aufklärung unternehmen soll. Zweitens kann sich später das Problem ergeben, dass der Vorstand trotz großer Bemühungen die Unsicherheit nicht ausräumen kann und handeln muss. Zunächst muss der Vorstand nach seinen Möglichkeiten versuchen, die Rechtslage aufzuklären und sich so eine angemessene Informationsgrundlage zu schaffen.128 Ein fixer Kanon, welche Maßnahmen der Vorstand zu ergreifen hat, ist aber, wie bereits ausgeführt, nicht anzuerkennen. Vielmehr hat der Vorstand im Einzelfall zu bewerten, was zu einer pflichtgemäßen Aufklärung zu unternehmen ist. Kriterien sind dabei
125 Spindler in FS Canaris II, 2007, S. 403, 414. 126 BT-Drucks. 15/5092 S. 11; dem folgend die wohl h.L. Vgl. den Nachweis bei Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2251 (Fn. 93). 127 Bicker, AG 2014, 8, 10 m.w.N. 128 Kocher, CCZ 2009, 215, 217.
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vor allem die Bedeutung der Frage für die Gesellschaft, das Ausmaß der Rechtsunsicherheit und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung.129 Bei entsprechender Bedeutung oder Komplexität der Frage hat der Vorstand demnach Expertenrat nach den bereits dargelegten Ision-Kriterien einzuholen.130 Bei Rechtsfragen von besonders hervorgehobener Bedeutung, zu denen im Regelfall auch M&A Transaktionen gehören werden, kann der Vorstand sogar verpflichtet sein, eine Zweitmeinung einzuholen bzw. ausnahmsweise auch Rat außerhalb des Unternehmens zu suchen.131 Eilt die Entscheidung, soll dagegen auch eine summarische Prüfung genügen.132 Lässt sich auch nach dem Versuch sorgfältiger Aufklärung die Rechtslage nicht abschließend klären, soll dem Vorstand nach h.M. ein Handlungsspielraum zukommen, dessen Reichweite allerdings bislang ungeklärt ist. Die wohl vorherrschende Ansicht vertritt, der Vorstand könne bei mehreren vertretbaren Rechtsauffassungen nach pflichtgemäßem Ermessen die für die Gesellschaft günstigste einnehmen. Allerdings sei hier nach dem Ausmaß der Rechtsunsicherheit zu differenzieren. Wenn eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung bzw. eine eindeutige h.M. existiere, müsse der Vorstand diese i.d.R. beachten.133 Zumindest für regulierte Branchen wird eingeschränkt, dass die am besten zu vertretende Rechtsauffassung zu ermitteln und nach dieser zu handeln sei. Lasse sich diese nicht ausmachen, so müsse die dem Vorstandshandeln zugrunde gelegte Meinung mindestens so gut vertretbar sein wie die konkurrierende Ansicht.134 Unklar bleibt die Herkunft des behaupteten Beurteilungsspielraums. Bisweilen wird seine Existenz ohne gesetzliche Grundlage behauptet.135 Alternativ wird entgegen der hier vertretenen Auffassung teilweise dafür votiert, auch rechtliche Unsicherheit unter § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG (analog) zu fassen.136 Beides vermag eben wegen der klar entgegenste129 Ähnlich Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rz. 77; so wohl auch Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2255 ff. 130 Vgl. Spindler in FS Canaris II, 2007, S. 403, 420 f. 131 Spindler in FS Canaris II, 2007, S. 403, 421; Merkt/Mylich, NZG 2012, 525, 528. 132 Spindler in FS Canaris II, 2007, S. 403, 420 m.w.N. 133 Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rz. 30 f. 134 Langenbucher, ZBB 2013, 16, 22. 135 Vgl. den Nachweis bei Thole, ZHR 173 (2009), 504, 522 (Fn. 77). 136 Kocher, CCZ 2009, 215, 221.
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henden Gesetzesbegründung nicht so recht zu überzeugen. Vorzugswürdig erscheint es daher, von der Geltung des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabs des § 93 Abs. 1 Satz 1 auszugehen.137 Auch auf der Rechtsfolgenseite ergibt sich noch kein eindeutiges Meinungsbild. Klar ist, dass ein Vorstand, der seine Rechtsauffassung gewissenhaft gebildet, die gebotene Risikoabwägung vorgenommen und schlussendlich danach gehandelt hat, nicht haften soll.138 Innen- und Außenhaftung entfernen sich dann also voneinander: Während die Gesellschaft ganz überwiegend für ihren Rechtsirrtum haften wird, wird der Vorstand dafür aktienrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen. Ob das aber mangels Pflichtverletzung oder mangels Verschulden gelten soll, ist bis dato umstritten. Der BGH hat in der Ision-Entscheidung die Frage an das Verschulden angeknüpft.139 Auch die Regierungsbegründung zum UMAG deutet in diese Richtung. Ihr zufolge soll es bei illegalem Verhalten in Einzelfällen „am Verschulden fehlen“.140 Die Literatur präferiert demgegenüber bereits das Entfallen der Pflichtverletzung.141 Geht man davon aus, dass der Vorstand konform mit § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG geht, wenn er von seinem Handlungsspielraum Gebrauch macht, ist konsequenterweise auch vom Fehlen der Pflichtverletzung auszugehen.142 Resümierend kann festgehalten werden, dass die Figur des efficient breach of law keine Grundlage im geltenden Aktienrecht findet. Ein Rechtsbruch der Gesellschaft im Außenverhältnis stellt daher im Regelfall auch eine Pflichtverletzung des Vorstandes im Innenverhältnis dar. Ein per saldo lohnender Vertragsbruch kann hingegen auf pflichtgemäßem Vorstandshandeln beruhen. Das setzt aber zumindest voraus, dass dadurch nicht auch gegen gesetzliche Normen verstoßen wird. Noch weitgehend in der aktuellen Diskussion ist die Frage nach der Vorstandshaftung bei unklarer Rechtslage. Die überwiegende Meinung vertritt, dass die BJR bei gebundenen Entscheidungen grundsätzlich nicht anwendbar ist. Dabei erfolgt die Abgrenzung zu den unternehmerischen 137 138 139 140 141
Bicker, AG 2014, 8, 10. Fleischer, BB 2008, 1070, 1071. BGH v. 20.9.2011 – II ZR 234/09 = NJW-RR 2011, 1670, 1671. BT-Drucks. 15/5092, S. 11. Ohne Begründung: Fleischer, BB 2008, 1070, 1071; Fleischer in Spindler/ Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rz. 32; Bicker, AG 2014, 8, 11; Hölters in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 93 Rz. 76, Thole, ZHR 173 (2009), 504, 524. 142 So wohl auch Dreher in FS Konzen, 2006, S. 85, 93.
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Entscheidungen anhand objektiver Kriterien und unabhängig von der Kenntnis des Vorstandes. Somit liegt, wenn der Vorstand bei unsicherer Rechtslage eine Entscheidung fällt, im Regelfall eine gebundene Entscheidung vor. Die Einhaltung sämtlicher im Einzelfall anwendbaren Rechtsvorschriften unterliegt dann der vollen gerichtlichen Überprüfung. Dennoch ist weitgehend anerkannt, dass dem Vorstand bei unsicherer Rechtslage ein Beurteilungsspielraum zukommen muss. Dessen Grundlage und Reichweite ist aber noch ungeklärt. Nach derzeit herrschender Meinung gilt zumindest für nicht regulierte Branchen, dass der Vorstand bei mehreren vertretbaren Rechtsauffassungen die für die Gesellschaft günstigste seiner Entscheidung zugrunde legen darf.
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Bericht über die Diskussion des Referats Bauer Dr. Rüdiger Schmidt-Bendun Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
I. Die Diskussion wurde von Harbarth geleitet und in zwei Themenkomplexe aufgeteilt. Im ersten Teil ging es um Fragen zur Business Judgment Rule im Zusammenhang mit dem von Bauer vorgestellten Entscheidungsdreiklang: Due Diligence, Kaufpreisermittlung und vertragliche Regelungen des Unternehmenskaufvertrags; im Zweiten um die Arbeitsteilung und Entscheidung bei unklarer Rechtslage.
II. Den ersten Diskussionsbeitrag lieferte Drygala, der die Darstellung von Bauer im Hinblick auf die Unternehmensbewertung und die daraus abgeleitete Kaufpreisermittlung aufgriff. Drygala kritisierte den von Bauer zugrunde gelegten objektiven Unternehmenswert als Grundlage der Kaufpreisermittlung und wies darauf hin, dass die von ihm hierzu zitierten Gerichtsentscheidungen sich nur deshalb so dezidiert mit der Kaufpreisermittlung auseinandergesetzt hätten, weil in den zugrunde liegenden Sachverhalten kein Marktpreis ermittelbar gewesen sei. Vielmehr befassten sich die Urteile mit einseitig dominierten Transaktionen wie Squeeze-out, Unternehmensvertrag und Verschmelzung. Hier könne die beherrschende Partei die Gegenleistung faktisch einseitig bestimmen, während bei M&A-Transaktionen verhandelt werde. Drygala sprach sich daher für einen geringeren Aufwand bei der Ermittlung des Kaufpreises bei allgemeinen M&A-Transaktionen aus, insbesondere wenn es aufgrund von Angebot und Nachfrage einen Marktpreis gebe. Auch sollten die Gerichte respektieren, dass der Vorstand auf Veräußererseite regelmäßig versuchen werde, den maximal möglichen Kaufpreis zu erzielen. Die gerichtliche Kontrolle solle daher zurückhaltender sein. Dieser – gelockerten – Sichtweise trat Doralt entgegen. Er wies darauf hin, dass es für einen Vorstand auch andere als monetäre Anreize gebe, als Erwerber einen höheren bzw. objektiv zu hohen Kaufpreis zu zahlen. Doralt plädierte daher – wie von Bauer vorgestellt – für eine objektive
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Unternehmensbewertung als Grundlage für die Kaufpreisermittlung. Der Kaufpreis solle einem Drittvergleich standhalten. Maume führte ergänzend aus, dass die Rechtsfigur der Business Judgment Rule aus dem Ausland übernommen wurde und es sich somit um ein Legal Transplant handele. Vor diesem Hintergrund stellte er die Frage in den Raum, wie vergleichbare Fragestellungen im Ausland behandelt würden und ob es eine Rolle spiele, dass ausländische Jurisdiktionen nicht wie das deutsche Recht die Unterscheidung zwischen Pflichtverletzung und Verschulden kennen. Entgegen dem Leitbild, wonach zunächst eine Gesamtzuständigkeit und -verantwortung des Vorstands besteht, vertrat Nietsch schließlich die Auffassung, dass M&A-Transaktionen nicht zu den Aufgaben des Gesamtvorstands gehörten. Eine solche Zuständigkeit wäre auch praktisch nur schwer umzusetzen.
III. In der ersten Antwortrunde griff Bauer zunächst die von Nietsch getroffene Aussage zur Gesamtzuständigkeit des Vorstands bei M&A-Transaktionen auf und stimmte zu, dass M&A-Transaktionen nicht per se Aufgaben des Gesamtvorstands seien. Vielmehr komme es im Einzelfall auf die Bedeutung und Größenordnung der Transaktion an, wobei insbesondere bei Transaktionen auf der Ebene einer Tochtergesellschaft deren Bedeutung im Verhältnis zum Konzern bzw. der Holding insgesamt zu berücksichtigen sei. Im Hinblick auf die Anmerkungen von Drygala und Doralt zur (erforderlichen) Feststellung des objektiven Unternehmenswerts als Ausgangspunkt für die Kaufpreisermittlung pflichtete Bauer Drygala bei. Er, Bauer, habe ebenfalls eine Präferenz dafür, dass der „richtige“ Kaufpreis keine Rechtsfrage sei, die von Gerichten bewertet werden solle. Das Problem sei oftmals allerdings, dass sich im Nachhinein eine Diskrepanz zwischen dem geschätzten und dem späteren tatsächlichen Wert herausstelle. Insbesondere aufgrund der in § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG verankerten Beweislastumkehr sei es in diesem Fall für den Vorstand aber schwierig nachzuweisen, dass die Einschätzung zum Kaufpreis nicht pflichtwidrig gewesen ist, wenn keine objektiven Bewertungsmethoden, ggf. eine Bandbreite, ermittelt und zugrunde gelegt worden seien. Auch wenn keine Pflicht des Vorstands bestehe, entsprechende Bewertungen vorzunehmen, halte er diese Vorgehensweise vor dem Hin-
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tergrund der Beweislastumkehr für ein sinnvolles Element der Haftungsvermeidung. Im Anschluss ging Bauer auf die von Maume angesprochene und dem deutschen Recht aber nicht dem Common Law bekannte Unterscheidung zwischen Pflichtverletzung und Verschulden ein. Bauer betonte, dass er die im deutschen Recht vorgesehene Unterscheidung zwischen Pflichtwidrigkeit und Verschulden für vorzugswürdig erachte, insbesondere, weil die Frage der Pflichtwidrigkeit für die Bewertung der Rechtsfolgen von Bedeutung sein könne.
IV. Im zweiten Teil der Diskussion ging von Schenck auf die umstrittene Frage ein, ob die Business Judgment Rule auch bei einer unsicheren Rechtslage Anwendung findet. Bauer hatte in seinem Referat eine entsprechende Anwendung verneint, ging aber davon aus, dass dem Vorstand bei unklarer Rechtslage ein Beurteilungsspielraum zustehe. Von Schenck widersprach diesem Ansatz und befürwortete die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule, weil man mit ihr – vergleichbar wie bei dem Zugeständnis eines Beurteilungsspielraums – zu sachgerechten Ergebnissen käme. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule sei daher gerechtfertigt. Bauer verteidigte anschließend seine Position mit dem Hinweis, dass aufgrund der Gesetzesmaterialien de lege lata keine Anwendung der Business Judgment Rule zu rechtfertigen sei. Der Gesetzgeber habe bei deren Einführung bewusst zwischen unternehmerischen und rechtlich gebundenen Entscheidungen unterschieden, insbesondere um den Vorrang des Legalitätsprinzips zu gewährleisten. Seiner Ansicht nach sei dies auch konsequent, um eine klare Abgrenzung zu einem ebenfalls nicht von der Business Judgment Rule erfassten Breach of Law zu gewährleisten.
V. Am Ende der Diskussion wies Hein darauf hin, dass im Referat unter den Abwägungskriterien für eine Entscheidung bei unsicherer Rechtslage nicht die objektive Bedeutung der Norm als weiteres Kriterium aufgeführt sei. Er vertrete jedoch die Auffassung, dass auch die objektive Bedeutung der Norm bei der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs berücksichtigt werden müsse. Hein verwies insoweit exemplarisch auf eine entsprechende Vorgehensweise bei § 130 OWiG. Dort werde ebenfalls
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die Aufsichtspflicht durch die Bezugsnorm und deren objektive Bedeutung bestimmt. Bauer hielt den Ansatz für gut nachvollziehbar, schloss sich ihm allerdings nicht an. Zur Begründung und Verdeutlichung des Problems führte er zunächst eine Gerichtsentscheidung aus den USA an. In dem zugrundeliegenden Fall ginge es um den Paketzusteller UPS. Das Unternehmen habe dadurch Geld sparen wollen, dass es die gegen ihre Fahrer verhängten Ordnungsgelder wegen Falschparkens billigend in Kauf nahm, weil die Ordnungsgelder im Ergebnis geringer ausfielen als die anderenfalls erforderlichen Parkgebühren bzw. Parkerlaubnisse. In einem solchen Fall – so Bauer – stelle sich ebenfalls die Frage, ob es sich unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Vorteile für das Unternehmen und der objektiven Bedeutung der Bezugsnorm (Parkverbot) um einen gerechtfertigten Breach of Law handele. Insofern zeige sich, dass die Grenzziehung sehr schwierig sei und das Problem nur vorverlagert werde. Nach dem Ende der Diskussion bat Hein insoweit um die Klarstellung, dass auch er nicht bewusste Rechtsverstöße gegen „minderwertige Normen“ rechtfertigen wolle, sondern auch er in dem Beispiel von Bauer eine Verletzung des Legalitätsprinzips sehe; ihm gehe es vielmehr darum, bei der Konkretisierung der technischen Anforderungen an eine „gehörige Aufsicht“ i.S.v. § 130 OWiG die objektive Bedeutung der Norm zu berücksichtigen, die durch die Anknüpfungstat verletzt werde.
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Stichwortverzeichnis Aktionärsrechterichtlinie – Proxy advisors 30 – Related party transactions 32 ff., 60 ff. – Say on pay 30 ff. – Vergütungsbericht, -politik 30 ff. Aktionsplan – Corporate Governance 26 ff. – Europäisches Gesellschaftsrecht 26 ff. Aufsichtsrat – Annexkompetenz 129 f., 143 – Budgetrecht 135 ff., 146 – Kostenstelle 146 ff. – Vergütung 118 ff. Aufsichtsratsmitglied – Aufwendungsersatz 124 – Auslagen, persönliche 118 ff. – Erstattungsanspruch 119 ff. BGH – Abfindungsausschluss, sittenwidriger 12 – Aktienrecht 12 ff. – Aktionäre, Fragerecht 13 ff. – Geldsanktion, Übernahme für Vorstandsmitglied 12 ff., 22 f. – Gesellschafterbefugnisse 7 ff. – Gesellschafterliste, ausländischer Notar 11 ff. – GmbH-Recht 9 ff. – Öffentliches Übernahmeangebot, Gegenleistung 15 ff. – Personengesellschaftsrecht 2 ff. – Stille Gesellschaft, fehlerhafte mehrgliedrige 3 ff. – unrichtige Gesellschafterliste, Korrektur 9 ff. Business Judgement Rule – Anwendung bei unsicherer Rechtslage 223 ff. Comply or Explain 35 f.
Due Diligence Prüfung – Durchführung 202 ff. EU-Bilanz-Richtlinie 32 f., 41 ff. EuGH – Hirmann 51 ff. – Impacto Azul 49 – VW II 49 ff. Geldbuße – Zustimmung der Hauptversammlung 23 f. Gesellschafterliste – Abtretung, Richtigkeitsgewähr 21 f. – Notarbescheinigung, qualifizierte 21 f. Gesellschafterrechte – Eingriff, Rechtsschutz 179 ff. – Eingriffsmöglichkeiten 164 ff. Gesellschaftsrecht – Testamentsvollstreckung 70 ff. Hauptversammlung – Vorstand, Auskunftsverweigerung 24 Insolvenzplanverfahren – Beteiligungsverhältnisse, Änderung 173 ff. – Bezugsrechtsausschluss 156 ff. – Debt-Equity-Swap 166 ff., 192 – ESUG 152 ff. – Kapitalherabsetzung, -erhöhung 156 ff., 167 f., 169 ff. – Umwandlungsmaßnahmen 175 ff. M&A-Transaktionen – Durchführung 214 ff. – Vorstand, Interessenkonflikt 210 ff. Pflichtangebot – Referenzzeitraum 22 – Stimmrechte, Zurechnung 22
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Stichwortverzeichnis Registergericht – Prüfungskompetenz 22 – Gleichwertigkeit der Beurkundung 22 Societas Europaea (SE) 27 Societas Privata Europaea (SPE) 28 Societas Unius Personae (SUP) – Identitätsprüfung 62 – Mindestkapital 39 f. – Shadow-director-Haftung 63 Stille Gesellschafter – Abfindungsanspruch 20 Testamentsvollstrecker – Beschränkungen 98 ff. – GmbH, Kapitalerhöhung 94 ff. – GmbH, Neugründung 94 ff. – Handelsregister 105 ff. Testamentsvollstreckung – AG 96 f.
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Einheitlichkeit der Beteiligung 97 f. Einzelunternehmen 72 ff. Fortsetzungs-, Eintrittsklausel 80 GbR 89 GmbH, Vinkulierungsklauseln 90 ff., 93 Kommanditist, Gesellschaftsanteil 85 ff. Treuhandlösung 74 ff. Umwandlungsklauseln 76 ff. Vollmachtlösung 73 f., 111
Unternehmenskauf – Haftung, Rechtsgrundlagen 196 ff. – Kaufpreisermittlung 205 ff., 229 ff. Vorstand – Auskunftsverweigerung 24 – Business Judgement Rule 199 ff. – Haftung 197 ff. – M&A-Transaktionen 210 ff.
Schriftenreihe der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (VGR) Bd. 1 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 1998 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 1999, 146 S., brosch. 29,80 7. ISBN 978-3-504-62701-0 Bd. 2 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 1999 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2000, 281 S., brosch. 49,80 7. ISBN 978-3-504-62702-7 Bd. 3 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2000 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2001, 200 S., brosch. 38,– 7. ISBN 978-3-504-62703-4 Bd. 4 – Umwandlungen in den neuen Bundesländern nach der Rechtsprechung des BGH Von RiLG Dr. Guido Wißmann, RiLG Dr. Markus Märtens und VorsRiLG Dr. Enno Bommel. Herausgegeben von der Vereinigung. 2001, 171 S., brosch. 34,80 7. ISBN 978-3-504-62704-1 Bd. 5 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2001 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2002, 205 S., brosch. 42,80 7. ISBN 978-3-504-62705-8 Bd. 6 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2003, 204 S., brosch. 49,80 7. ISBN 978-3-504-62706-5 Bd. 7 – Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling Von RA Dr. Jochen Vetter und RA Dr. Christoph Stadler. Herausgegeben von der Vereinigung. 2003, 168 S., brosch. 34,80 7. ISBN 978-3-504-62707-2
Bd. 8 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2004, 195 S., brosch. 49,80 7. ISBN 978-3-504-62708-9 Bd. 9 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2005, 187 S., brosch. 47,80 7. ISBN 978-3-504-62709-6 Bd. 10 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2006, 179 S., brosch. 47,80 7. ISBN 978-3-504-62710-2
Schriftenreihe der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (VGR) Bd. 11 – Die GmbH-Reform in der Diskussion Sondertagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2006, 244 S., brosch. 59,80 7. ISBN 978-3-504-62711-9 Bd. 12 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2007, 226 S., brosch. 54,80 7. ISBN 978-3-504-62712-6 Bd. 13 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2008, 196 S., brosch. 54,80 7. ISBN 978-3-504-62713-3 Bd. 14 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2008 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2009, 206 S., brosch. 54,80 7. ISBN 978-3-504-62714-0 Bd. 15 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2009 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2010, 182 S., brosch. 49,80 7. ISBN 978-3-504-62715-7 Bd. 16 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2011, 254 S., brosch. 64,80 7. ISBN 978-3-504-62716-4 Bd. 17 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2012, 215 S., brosch. 54,80 7. ISBN 978-3-504-62717-1 Bd. 18 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2012 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2013, 205 S., brosch. 54,80 7. ISBN 978-3-504-62718-8 Bd. 19 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2014, 166 S., brosch. 44,80 7. ISBN 978-3-504-62719-5