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German Pages 182 Year 2010
GesellschaftsrechtUche Verelnlgung (Hrsg.) Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2009 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung
Schriftenreihe der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (Hrsg)
Band 15
Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2009 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (VGR) herausgegeben von der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung mit Beltragen von
Prof. Dr: Wulf Goette Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe
Dr: VIola Saller-Coceanl Rechtsanwältin, MOnehen
Prof. Dr: Dres. h.c. Karsten Schmidt Präsident der Bucerius L.aw School, Harnburg
Dr: Holger Seldler Rechtsanwalt, Steuerberater, Bertln
Prof. Dr: Dirk A Verse MJur. (Oxford) Universitätsprofessor, Osnabrack
2010
Verl~
Dr.OftoSchmidt Köln
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
V erlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221193738-01, Fax 0221/93738-943 info@otto-schmidtde www.otto-schmidtde ISBN 978-3-504-62715-7 ©2010 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
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Vorwort Die 12. Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung hat am 13. November 2009 mit fast 400 Teilnehmern in Frankfurt am Main stattgefunden. Im Anschluss an den traditionsgemäß am Beginn der Tagung stehenden Rechtsprechungsbericht des Vorsitzenden des II. Zivilsenats des BGH, Prof. Dr. Wulf Goette, befasste sich die zweite Abteilung mit den Problemen der Doppelinsolvenz von Gesellschafter und Personengesellschaft. Der Referent hat zum Bedauern von Vorstand und Beirat seine Zusage, ein Manuskript seines Referats zum Abdruck im Tagungsband zur Verfügung zu stellen, nicht eingehalten, so dass dieser Tagungsband leider ohne das Referat erscheinen muss. In der dritten Abteilung standen die Auswirkungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes auf die Regeln über die Kapitalerhaltung und die Verantwortung für die Kapitalerhaltung auf dem Programm. Nach einem bündigen Einführungsstatement von Holger Seidler wandte sich Prof. Dr. Dirk A. Verse dem Spannungsverhältnis zu, das sich ergibt, wenn eine stärkere Informationsorientierung des Jahresabschlusses zum Ausweis höherer Gewinne führt, deren Ausschüttungsfähigkeit den Gläubigerschutz schwächen würde. In der vierten Abteilung nahm sich Prof. Dr. Dres. h.c. Karsten Schmidt des komplexen Themas der Gesellschafterstreitigkeiten vor Schiedsgerichten an, zu dem insbesondere das neue BGHUrteil „Schiedsfähigkeit II“ verortet und hinsichtlich seiner Folgen – auch für die kautelarjuristische Praxis – analysiert werden musste. In der fünften, abschließenden Abteilung referierte Dr. Viola Sailer-Coceani zu aktuellen Fragen der Managervergütung, die derzeit bei allen Aktiengesellschaften, insbesondere den börsennotierten, von besonderem praktischen Interesse sind; Herr Michael H. Kramarsch, Towers Watson, ergänzte die rechtliche Betrachtung durch praktische Anmerkungen aus der Sicht des Vergütungsberaters. Vorstand und Beirat der VGR danken wiederum allen, die zum Gelingen der 12. Jahrestagung beigetragen haben, insbesondere den Referenten, den Diskussionsleitern und -teilnehmern und den Verfassern der Diskussionsberichte. Unser Dank gilt auch Herrn Jun.-Prof. Dr. Heribert Anzinger dessen Diskussionsbericht zum Referat der zweiten Abteilung pünktlich erstellt wurde, aber ohne das zugrundeliegende Referat nicht
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Vorwort
sinnvoll in den Tagungsband aufgenommen werden konnte; Interessenten können den Bericht bei der VGR anfordern. Vorbereitung und Organisation der Tagung lagen im VGR-Sekretariat wie immer in den bewährten Händen von Frau Heike Wieland. Düsseldorf, im April 2010 Für Vorstand und Beirat der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung Gerd Krieger
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Inhalt* Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prof. Dr. Wulf Goette, Karlsruhe Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH . . .
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I. Einleitung – Ausblick auf die kommenden Monate . . . . . . . . .
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II. Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dr. Marco Staake, Leipzig Bericht über die Diskussion des Referats Goette . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dr. Holger Seidler, Berlin Einführungsstatement zum Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prof. Dr. Dirk A. Verse, M.Jur. (Oxford), Osnabrück Auswirkungen der Bilanzrechtsmodernisierung auf den Kapitalschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Zurückdrängung des Vorsichtsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Streichung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten . . . . . . .
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IV. Vom Bruttoausweis zum Nettoausweis des gezeichneten Kapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Andreas Gaschler, LL.M. (Cambridge), Osnabrück Bericht über die Diskussion des Einführungsstatements Seidler und des Referats Verse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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* Ausführliche Inhaltsverzeichnisse jeweils zu Beginn der Beiträge.
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Inhalt
Prof. Dr. Dres. h.c. Karsten Schmidt, Hamburg Gesellschafterstreitigkeiten vor Schiedsgerichten . . . . . . . . . . . . . .
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I. Themenabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Schiedsfähigkeit: ein Scheinproblem! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Wovon handeln die Urteile „Schiedsfähigkeit I“ und „Schiedsfähigkeit II“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Die Anforderungen an die Schiedsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Kritische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VI. Effekte der BGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. Aktienrecht und Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . .
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VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Christian Dolff, Hamburg Bericht über die Diskussion des Referats Karsten Schmidt . . . . . .
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Dr. Viola Sailer-Coceani, München Aktuelle Fragen der Managervergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Festsetzung der Vorstandsvergütung durch den Aufsichtsrat
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III. Festsetzung der Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. D&O-Versicherungen für Vorstand bzw. Aufsichtsrat . . . . . .
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V. Billigung durch die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dr. Lars Kloster, Frankfurt am Main Bericht über die Diskussion der Referate Sailer-Coceani und Kramarsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH Prof. Dr. Wulf Goette Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe I. Einleitung – Ausblick auf die kommenden Monate . . . . . . . . 1 II. Personengesellschaftsrecht . . . 4 1. II ZR 240/08 („SANIEREN ODER AUSSCHEIDEN“) . . 5 2. II ZR 259/07 . . . . . . . . . . . . . 7 3. II ZR 99/08 und II ZR 88/08 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4. II ZR 151/07 . . . . . . . . . . . . . 9 5. II ZR 231/07 . . . . . . . . . . . . 10 6. II ZR 211/08 . . . . . . . . . . . . 11 III. GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . 1. II ZR 260/07 („GUT BUSCHOW“) . . . . . 2. II ZR 120/07 („QIVIVE“) . . 3. II ZR 273/07 („CASH POOL II“) . . . . . . . 4. II ZR 292/07 („SANITARY“) . . . . . . . . . . 5. II ZR 255/08 („SCHIEDSFÄHIGKEIT II“) . . . . . . . . .
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IV. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1. II ZR 116/08 („SCHUTZGEMEINSCHAFTSVERTRAG II“) . . . . . . . . . . 2. II ZR 102/07 („MPS“) . . . . 3. II ZR 185/07 („KIRCH/ DEUTSCHE BANK“) . . . . 4. II ZR 174/08 („UMSCHREIBUNGSSTOPP“) . 5. II ZR 14/09 („MAN“) . . . . 6. II ZR 170/07 („VORSTANDSDOPPELMANDAT“) . . . . . . . . . . . . 7. II ZR 302/06 („WERTPAPIERDARLEHEN“) . . . 8. II ZR 262/07 („MINDESTAUSGABEBETRAG“) . . . . 9. II ZR 80/08 . . . . . . . . . . . . . 10. II ZR 154/08 . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung – Ausblick auf die kommenden Monate Die zurückliegenden zwölf Monate seit meinem letzten Bericht über die Tätigkeit des II. Zivilsenats sind gekennzeichnet von einer hohen Zahl von Entscheidungen mit großer Tragweite. Ehe ich hierüber berichte, möchte ich den Blick in die nähere Zukunft richten: Der Senat ist nach wie vor erheblich belastet, und zwar nicht nur von der Zahl der Fälle her, sondern vor allem durch die zunehmende Komplexität der Verfahren, für die sich verschiedene Gründe ausmachen lassen. Um nur einige zu nennen: In unserem Fallmaterial bildet sich natürlich die mit der Finanzkrise eingetretene Verunsicherung ab, ob die bisher überwiegend konsentierten leitenden Gedanken noch tragen; die kreative Phan-
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tasie der rechtlichen Berater schafft ebenso neue Herausforderungen wie die kritische Begleitung unseres Tuns durch die Wissenschaft; Reformeifer des Gesetzgebers einerseits und beklagenswerte Defizite der Ergebnisse seines Bemühens andererseits bereiten zunächst Ihnen und wenig später auch uns Kopfzerbrechen; und nicht zuletzt sorgen die bekannten Aktionäre, indem sie sich neuerdings in großen Scharen auf die Aktiengesellschaften stürzen, unterschiedliche Anwälte mandatieren und durchaus eigenständig schreiben lassen, dafür, dass mancher Fall nicht so schnell erledigt werden kann, wie er es eigentlich verdient. Man kann nur hoffen, dass das neu gewählte Parlament diese seit Jahren unbefriedigende Situation energisch angeht und einen vernünftigen Weg zwischen Minderheitenschutz und der Ermöglichung und Durchsetzung von Mehrheitsentscheidungen findet. Das inzwischen in Kraft getretene FamFG wird sicher alsbald seine Spuren auch in der Senatsarbeit hinterlassen, ist doch zu erwarten, dass die Registergerichte viel eher als unter der Geltung des früheren § 28 FGG den Weg in die 3. Instanz, in der nun über ein Parteirechtsmittel, die Rechtsbeschwerde, zu befinden ist, öffnen werden. Mustert man nur oberflächlich die bisherige registerrechtliche Rechtsprechung durch, finden sich zahlreiche offene Fragen und Divergenzen, die auszuräumen das neue Verfahrensrecht eine Handhabe bietet. Ähnliches ist für die Spruchverfahren zu erwarten, die schwerlich schneller als in der Vergangenheit zu einem Abschluss gebracht werden können, wenn nunmehr mit der Rechtsbeschwerdeinstanz eine neue Bühne geschaffen worden ist. Der Senat hat außerdem zwei seiner „altgedienten“ Mitglieder in kurzem Abstand im Laufe des Sommers durch die wohlverdiente Pensionierung verloren, und die beiden tüchtigen Nachfolger können die aufgerissene Lücke auf mittlere Sicht schon deswegen nicht füllen, weil sie beide als Richter bisher mit Gesellschaftsrecht nicht befasst waren und einer von ihnen außerdem noch – als zweites Mitglied des Senats – zugleich, und das heißt: mit Vorrang, dem Kartellsenat zugewiesen ist. Wenn Sie also in nächster Zeit länger als gewohnt darauf warten müssen, dass der Senat zu bestimmten Fragen Stellung nimmt, dann finden sie in diesen verschiedenen Gründen die Ursache. Zu den einzelnen Sachen, die für die nächsten Monate zur Beratung oder Verhandlung terminiert sind: Aus der früheren Zuständigkeit des Senats für das Eigentumsrecht steht im Februar die mündliche Verhandlung in zwei Verfahren an, in denen es um die Eigentumsverhältnisse
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an Atombrennstäben1 geht. Die Akten füllen einen großen Wagen, der nur von besonders starken Wachtmeistern bewegt werden kann, und der Fall wirft neben den im Vordergrund stehenden eigentumsrechtlichen Problemen – wenn der Senat die von den Anwälten geworfenen Bälle auffängt – auch noch schwierige atomrechtliche, europarechtliche und IPR-Fragen auf. Ebenfalls im Februar wird der Senat über die Frage zu entscheiden haben, ob auch in der Aktiengesellschaft dieselben Grundsätze für Dienstleistungen gelten, wie sie für die GmbH in dem noch später zu behandelnden „QIVIVE“-Urteil2 aufgestellt worden sind3, kurz darauf geht es erstmals um die neue Regelung in § 131 AktG zur Redezeitbeschränkung in der Hauptversammlung4. Im Aktienrecht stehen zur Beratung weitere Verfahren aus dem Komplex Kirch ./. Deutsche Bank5 an, ferner werden wir über Probleme der aktienrechtlichen Abfindung6, eines angeblich treuwidrigen squeeze out7, über WELLA8 und Eingliederungsfragen bei STRABAG9 sowie über behauptete Einladungsmängel10 beraten. Im Personengesellschaftsrecht beschäftigen uns immer wieder Fälle, in denen die Beteiligten sich mit den Auswirkungen unserer – im vergangenen Jahr von dieser Gesellschaft in einer eigenen Abteilung diskutierten – Rechtsprechung zu den Nachschusspflichten auseinandersetzen und nach zukunftsgerichteten Lösungen suchen, eine Liquidation zu vermeiden, ohne die sog. „Trittbrettfahrer“ weiter mitschleppen zu müssen. Eine ganze Phalanx von Fällen betrifft die Prospekthaftung: Schon in den nächsten Wochen, aber auch in den ersten Monaten des neuen Jahres werden wir uns vor allem mit den Auswirkungen einer „quotalen Haftungsbeschränkung“ und der Frage zu beschäftigen haben, ob in Berlin verwendete Prospekte deswegen haftungsbegründend unrichtig waren, weil eine Anschlussförderung garantiert worden ist11. Schließlich warten wir auf die Entscheidung des EuGH zu unserer Vor_______________
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II ZR 286/07 und 287/07. Siehe unten III. 2. II ZR 173/08 am 1.2.2010. II ZR 94/08 am 8.2.2010. II ZR 93/08 und II ZR 262/08. II ZR 270/08. II ZR 88/09. II ZR 206/08. II ZR 22/09. II ZR 43/09 und II ZR 105/09. Z. B. am 30.11.2009.
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lagefrage12, ob das Haustürwiderrufsrecht die gesellschaftsrechtlichen Erfordernisse – Stichworte: fehlerhafte Gesellschaft und Vermeidung von „Windhundrennen“ – überspielen darf, wie die EU-Kommission für richtig hält. Die Schlussanträge der Frau Generalanwältin13 lassen hoffen, dass unser Appell, die Frage mit Vernunft und Augenmaß und nicht einseitig doktrinär anzugehen, in Luxemburg verstanden worden ist. Im nächstjährigen Bericht wird dann über die Ergebnisse – der Senat hat eine Reihe von Verfahren mit Immobilienfonds verschiedener Gesellschaftsform ausgesetzt – Näheres mitgeteilt werden können.
II. Personengesellschaftsrecht Meinen Rückblick auf das vergangen Jahr beginne ich mit dem Personengesellschaftsrecht. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts hat der oftmals das nüchterne Kalkül ausblendende Wunsch nach Steuerersparnis viele Anleger in Publikums-Immobiliengesellschaften getrieben, deren Konzept sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht als tragfähig erwiesen hat. Zahlreiche Rechtsstreitigkeiten sind die Folge, weil die Anleger einerseits nach Jahr und Tag die Prospekte durchmustern und nach Unklarheiten und Fehlern suchen und sich dabei den den Senat bei der Prospekthaftung leitenden Gedanken zunutze machen, dass die Pflicht zu vollständiger und wahrhaftiger Darstellung in einem Prospekt den Anleger allein in seiner freien Willensbildung, nicht aber davor schützen soll, dass sich gerade ein Umstand als für den Fehlschlag des Projekts ursächlich erwiesen hat, der im Prospekt nicht richtig dargestellt worden ist. Neben den Klägern, die sich auf diese Weise ganz aus der Gesellschaft zurückziehen wollen, treten die Anleger, die ihrer Beitragspflicht genügt haben, ihre Gelder verloren haben und nunmehr nicht neues „gutes“ Geld dem verlorenen hinterher werfen wollen. Bekanntlich hat der Senat in der Vergangenheit diesen Anlegern geholfen, indem er das im Anschluss an Wiedemann so genannte mitgliedschaftliche Grundrecht des § 707 BGB wieder in das Bewusstsein der Beteiligten gerückt und damit verhindert hat, dass Anleger ohne ihre Zustimmung zu weiteren Beitragsleistungen herangezogen werden. Diese Sperrwirkung wird allerdings in der Praxis immer wieder missverstanden: sie wirkt natürlich nicht, wenn es um die Verlusttragungspflicht beim Ausscheiden aus einer Personengesellschaft oder bei der _______________
12 II ZR 292/06, vgl. dazu W. Goette, VGR 2008, S. 8 ff. 13 ZIP 2009, 1902 ff.
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Liquidation geht, und der Gedanke kann auch nicht von Kommanditisten ins Feld geführt werden, wenn über das Wiederaufleben ihrer Haftung gegenüber den Gläubigern nach § 172 HGB zu befinden ist, weil Mittel ausgeschüttet worden sind, obwohl die Hafteinlage dadurch unter den festgesetzten Betrag – u. U. weiter – herabgemindert worden ist. Ein besonderer Anwendungsfall dieser Missdeutung der Senatsrechtsprechung zu § 707 BGB ist das in unseren Verfahren öfter so genannte „Trittbrettfahrertum“. Dabei geht es – plakativ gesprochen – darum, dass ein Teil der Gesellschafter sanierungswillig ist, ein anderer Teil sich aber gegen weitere Belastungen unter Hinweis auf § 707 BGB sperrt und es den Sanierungswilligen allein überlassen will, den „Karren aus dem Sumpf“ zu ziehen. Von dieser Konstellation handelt der soeben verhandelte und entschiedene Fall, den wir „Sanieren oder Ausscheiden“ genannt haben.
1. II ZR 240/08 („SANIEREN ODER AUSSCHEIDEN“)14 Die vier Beklagten sind Gesellschafter der Klägerin, einem als GmbH & Co. oHG geführten Immobilienfonds. Dieser ist in eine finanzielle Schieflage geraten, die nach einem von Externen entwickelten Sanierungskonzept beseitigt werden kann. Danach soll in einer Art „Kapitalschnitt“ das durch die Beiträge der Gesellschafter aufgebrachte Nennkapital auf den symbolischen Wert von 1 % herabgesetzt werden, symbolisch deswegen, weil das Kapital nicht nur gänzlich verbraucht, sondern sogar eine darüber hinausgehende Überschuldung eingetreten ist. Im zweiten Schritt können sich die Gesellschafter zu neuen Einlagen verpflichten, und wenn dadurch eine Summe von mehr als 4,6 Mio. Euro zusammenkommt, wollen die Gläubigerbanken auf gut 2,2 Mio. Euro ihrer Kreditforderungen verzichten. Gesellschafter, die von dem Angebot der Beteiligung an der „Kapitalerhöhung“ keinen Gebrauch machen können oder wollen, müssen die Gesellschaft verlassen; auf den Stichtag des Ausscheidens wird eine Auseinandersetzungsbilanz erstellt, deren anteiligen negativen Betrag jeder ausscheidende Gesellschafter auszugleichen hat. Nach dem Konzept stehen sich die ausscheidenden Gesellschafter finanziell besser, als würde die Gesellschaft sofort liquidiert. _______________
14 Urt. v. 19.10.2009, DStR 2009, 2495 – z.V.b. in BGHZ.
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Entsprechend diesem Konzept wurde eine Änderung des Gesellschaftsvertrages beschlossen, der zwei der vier Beklagten zugestimmt haben, während die beiden anderen ihre Zustimmung verweigert haben. Nach fruchtlosem Ablauf der Zeichnungsfrist behandelt die Klägerin die Beklagten als ausgeschieden und fordert von ihnen Ausgleich des Auseinandersetzungsfehlbetrages. Mit dieser Forderung ist die Klägerin in den Vorinstanzen in Berlin gescheitert, der II. Zivilsenat hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde die Revision zugelassen und unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das KG zurückverwiesen. Dieses hat nun zu prüfen, ob die Klägerin bei der Auseinandersetzungsrechnung richtig vorgegangen ist. Diese zwischen den Parteien umstrittene und bisher nicht geklärte Frage ist deswegen entscheidungserheblich, weil der Senat – anders als das KG, welches die Struktur des § 707 BGB nicht richtig erfasst hatte – angenommen hat, dass das beschlossene und später umgesetzte Sanierungskonzept keinen faktischen Zwang zum Nachschuss enthält, die nicht sanierungswilligen Gesellschafter vielmehr aus Treuepflicht gehalten sind, sich dem Sanierungskonzept – Mitmachen bei der Sanierung durch Zuführung neuen Geldes oder Ausscheiden unter Begleichung des Auseinandersetzungsfehlbetrages – nicht zu widersetzen. Unproblematisch ist dabei die Behandlung der beiden Gesellschafter, die zugestimmt hatten, dann aber den folgerichtigen zweiten Schritt nicht tun wollten; sie sind an ihrer Erklärung festzuhalten. Den beiden dissentierenden Beklagten hat der Senat nicht erlaubt, sich mit einem „Sanierungsbeitrag“ in Gestalt der schlichten Verwässerung ihrer Beteiligung zu begnügen. Denn das Konzept zur Rettung der Gesellschaft konnte rechnerisch nur aufgehen, wenn sich die nicht sanierungsbereiten Gesellschafter – diese Entscheidung: „Ende mit Schrecken“ steht selbstverständlich jedem Mitglied frei – konsequent an ihrer Entschließung, keine neuen Mittel zur Verfügung zu stellen, sondern die überschuldete und zahlungsunfähige Gesellschaft sofort zu liquidieren, festhalten lassen und dann auch so handeln, wie sie dies bei der von ihnen bevorzugten Liquidation hätten tun müssen: Dann wären sie nach § 735 BGB ausgleichspflichtig, und die auf diese Weise in das Gesellschaftsvermögen fließenden Gelder sind für den Erfolg des Konzepts notwendig. Bei der gebotenen Abwägung zwischen den Interessen der fortführungswilligen und der zum Ausscheiden gezwungenen Gesellschafter fällt hier – bei anderer Fallgestaltung kann die Antwort natürlich anders ausfallen – entscheidend ins Gewicht, dass die finanzielle Belastung der nicht sanierungsbereiten Gesellschafter deutlich niedriger
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ist als bei einer sofortigen Liquidation und dass es keinen rechtfertigenden Grund dafür gibt, den aus freien Stücken zu einer Rettung der Gesellschaft bereiten Mitgliedern diesen Weg zu versperren. Denn die Möglichkeit, die Liquidation zu betreiben und dann aus der Liquidationsmasse das Grundstück zu kaufen und unter neuer Organisation die früheren Ziele weiter zu verfolgen, wird regelmäßig zu unnötigen Zerschlagungsverlusten führen und die Gefahr heraufbeschwören, dass die Banken sich an einem solchen Konzept „Zerschlagen und Fortführen“ nicht oder jedenfalls nicht mit dem jetzt in den Verhandlungen erzielten Sanierungsbeitrag durch Forderungsverzicht beteiligen. In der Gesellschaft verbleibende, sich an der Kapitalerhöhung nicht beteiligende Gesellschafter dagegen könnten beruhigt – ihre Beiträge sind ja ohnehin verbraucht – zuwarten, bis die Gesellschaft von den anderen Mitgliedern saniert und in eine gewinnbringende Zukunft geführt wird; die sanierungswilligen Gesellschafter trügen nicht nur das Risiko eines Fehlschlags („Schrecken ohne Ende“) allein, ihnen würde auch zugemutet, die Überschuldung der Gesellschaft insgesamt, also auch die auf die nicht mitmachenden Gesellschafter entfallenden Beträge zu tragen. Ein solches Opfer muss ein Gesellschafter nach Ansicht des Senats nicht aufbringen.
2. II ZR 259/0715 In dem am 25. Mai 2009 entschiedenen Fall – er hat vorläufig seine Erledigung durch Aufhebung und Zurückverweisung gefunden, weil nicht der gesetzliche Richter bei dem OLG entschieden hat – ging es in der Sache darum, ob eine Verpflichtung des beklagten Kommanditisten besteht, einem Beschluss über die Erhöhung seiner Beteiligung an der Klägerin nachzukommen. Der Beklagte hatte bestritten, dass ein solcher Beschluss zustande gekommen sei, die Tatsachengerichte hatten indessen das Gegenteil und obendrein festgestellt, dass der Beklagte selbst der Beitragserhöhung zugestimmt hatte. Wie in dem eben geschilderten Fall „SANIEREN ODER AUSSCHEIDEN“16 muss sich der Beklagte dann an seiner Erklärung festhalten lassen, wenn nicht der genannte Beschluss unter die Bedingung gestellt worden war, dass er Wirksamkeit nur dann entfalte, wenn sämtliche Gesellschafter ihre Zustimmung geben. Dass nur bei einer solchen Bedingung der zustim_______________
15 Urt. v. 25.5.2009, ZIP 2009, 1373; inzwischen ist die Sache erneut bei dem Senat angelangt. 16 Oben II. 1.
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mende Gesellschafter die eingegangene Verpflichtung nicht erfüllen muss, ist die Konsequenz der Rechtsprechungslinie des Senats, dass die wegen § 707 BGB erforderliche, aber fehlende Zustimmung nur ein relatives Wirksamkeitshindernis darstellt. Dem Berufungsgericht hat der Senat in den Hinweisen für die künftige Sachbehandlung – um verfehlten Erwartungen des Beklagten von vornherein zu begegnen – attestiert, zwar nicht durch den zur Entscheidung berufenen Richter, in der Sache aber zutreffend geurteilt zu haben, so dass es dem jetzt berufenen Gremium nicht schwer fallen sollte, die maßgebenden tatrichterlichen Feststellungen ordnungsgemäß zu treffen.
3. II ZR 99/0817 und II ZR 88/0818 In den beiden im Frühjahr durch Beschluss nach § 544 Abs. 7 ZPO bzw. durch Urteil entschiedenen Fällen ging es um die Kommanditistenhaftung. a) Im ersten Fall war der Beklagte seit Juli 1999 Kommanditist der Schuldnerin, welche im Jahr zuvor mit der R GmbH i.Gr. einen Beratungsvertrag über 650.000 DM geschlossen hatte. An dieser GmbH war der Beklagte zunächst zu 1/3 als Gesellschafter beteiligt, er ist erst im Juni 2001 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH geworden. Das vereinbarte Honorar ist gezahlt worden. Der klagende Insolvenzverwalter hat behauptet, eine Beratungsleistung sei nicht erbracht worden, es habe sich um eine verdeckte Teilrückzahlung der Kommanditeinlage gehandelt und verlangt deswegen von dem Beklagten Rückzahlung. In den Tatsacheninstanzen ist die Klage abgewiesen worden, dabei hat das Berufungsgericht die Ansicht vertreten, die Klage stütze sich ausschließlich auf die Verfolgung eines – für verjährt gehaltenen – Innenhaftungsanspruchs, nicht aber auf § 171 Abs. 2 HGB. Dies beruhte, wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht gerügt hat, auf einem entscheidungserheblichen Gehörsverstoß. Der Senat hat deswegen das Berufungsurteil durch Beschluss aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. In der sog. „Segelanweisung“ hat der Senat ausgeführt, die Leistung einer KG an eine andere Gesellschaft sei nur dann eine dem Kommanditisten zuzurechnende Einlagenrückgewähr, die zum Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB führt, _______________
17 Beschl. v. 25.5.2009, ZIP 2009, 1273. 18 Urt. v. 20.4.2009, DStR 2009, 1489.
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wenn der Kommanditist an der empfangenden Gesellschaft in einer Weise beteiligt ist, dass er maßgeblichen Einfluss auf deren Geschäftsführung nehmen kann. U. a. ob diese Voraussetzung vorliegt, ist in dem wieder eröffneten Berufungsverfahren näher zu prüfen. b) In dem anderen Fall wurde der Kommanditist einer KG von der Kreditgeberin der Gesellschaft nach § 172 Abs. 4 HGB in Anspruch genommen, weil er „konzeptbedingt“ Verlustzuweisungen und dann Ausschüttungen erhalten hatte, die zur Folge gehabt haben, dass die von ihm vollständig eingezahlte Einlage teilweise an ihn zurückgezahlt worden ist. Das Berufungsgericht, welches die Klage abgewiesen hat, hat gemeint, zugunsten des Beklagten greife der Ausnahmetatbestand des § 172 Abs. 5 HGB ein. Auch wenn die Bilanzen wie hier nicht unrichtig seien, müsse der gutgläubige, weil einem bloßen Rechtsirrtum unterliegende Kommanditist erst recht geschützt werden. Auf die – zugelassene – Revision der Klägerin hat der Senat der Klage stattgegeben. Denn auch die Auszahlung eines Gewinns bei Verlustausweis auf dem Gesellschafterkonto lässt nach dem Gesetz die Außenhaftung wieder aufleben, und es führt zu einem Verlustausweis, wenn wie hier – „konzeptbedingt“ – steuerliche Sonderabschreibungen vorgenommen werden. Die Anwendung des vom Berufungsgericht herangezogenen § 172 Abs. 5 HGB scheiterte schon daran, dass überhaupt kein Gewinn in den Bilanzen ausgewiesen war; die Erwägungen des OLG waren aber auch schon im Ansatz unzutreffend, weil die Ausnahmevorschrift nur bei unrichtiger Bilanz einschlägig ist. Und schließlich: Gutgläubig war der Anleger keinesfalls, weil er sich – auch als nach Meinung des Berufungsgerichts vermeintlich geschäftsunerfahrener Zeitgenosse – nicht auf die Unkenntnis der im Rechtsverkehr geltenden Regeln berufen darf.
4. II ZR 151/0719 In dem Gesellschaftsvertrag einer KG aus dem Jahres 1943 wird zwischen der Aufstellung und der Feststellung des Jahresabschlusses nicht unterschieden. Für den gesamten Bereich ist der Komplementär zuständig, der nach dem Vertrag „Vorsorge für eine erfolgreiche Weiterentwicklung des Unternehmens“, die „Vorrang hat“, zu treffen hat; sicherzustellen hat der Komplementär aber, dass die Gesellschafter so viel vom Gewinn entnehmen dürfen, dass sie die auf ihre Beteiligung entfallenden individuellen Steuern bezahlen können. Dementsprechend hat _______________
19 Beschl. v. 7.7.2008, DStR 2009, 1544.
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der beklagte Komplementär den Jahresabschluss aufgestellt und 40 % in die Rücklage eingestellt, was der klagende einzige Kommanditist für nicht zulässig hält; seiner Ansicht nach dürfen nur 20 % in die Rücklage eingestellt werden. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, der II. Zivilsenat hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückgewiesen, weil nach „OTTO“20 die Feststellung des Jahresabschlusses einer Personengesellschaft als den Gesellschaftern obliegende Angelegenheit der laufenden Verwaltung regelmäßig von einer allgemeinen Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag gedeckt ist und der mehrheitlich beteiligte Komplementär deswegen die Feststellung – einschließlich der Bestimmung über die Höhe der Thesaurierung – treffen darf; damit ist die Sache allerdings nicht erledigt, auf der zweiten Stufe der erforderlichen Prüfung geht es vor allem darum, ob die Mehrheit von ihrer Befugnis treupflichtgemäß Gebrauch gemacht hat. Bei der konkreten Vertragsbestimmung, die darauf Bedacht nimmt, dass die für die auf die Beteiligung zu entrichtenden individuellen Steuern erforderlichen Beträge entnommen werden dürfen, hat der Senat keinen Grund gesehen, die Feststellung des Jahresabschlusses und Gewinnverwendungsentscheidung des Komplementärs zu beanstanden.
5. II ZR 231/0721 Seit der in BGHZ 45, 221 veröffentlichten Entscheidung wird im Schrifttum angenommen, der II. Zivilsenat sei der Ansicht, dass ausscheidender und eintretender Gesellschafter ohne Mitwirkung der Mitgesellschafter Abreden über die Haftung des Ausscheidenden für gegenüber der Gesellschaft bestehende Verbindlichkeiten dann verbindlich treffen dürften, wenn die Mitgesellschafter einem Gesellschafterwechsel zugestimmt haben. Dass diese Interpretation schwerlich richtig ist, habe ich an anderer Stelle22 versucht darzulegen. Die Frage hat den II. Zivilsenat im Februar dieses Jahres in folgendem Fall beschäftigt: Die Beklagte war Mitglied der klagenden BGB-Gesellschaft, welche gestützt auf eine Rahmen-Nachschussregelung im Gesellschaftsvertrag Zahlung von gut 9.000 Euro für die Jahre 1999–2001 forderte. Die Gesellschafterversammlung hat jeweils für die in Rede stehenden Jahre _______________
20 BGHZ 170, 283. 21 Urt. v. 9.2.2009, ZIP 2009, 864; vgl. dazu Hadding, WuB II J. § 707 BGB 2.09. 22 W. Goette in FS Achim Krämer, 2009, S. 253 ff.
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Beschlüsse über die Höhe des so genannten „Verlustausgleichs“ gefasst; ob die Beklagte diesen Beschlüssen zugestimmt hat, ist streitig, aber ungeklärt, weil das Berufungsgericht – nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats unzutreffend – angenommen hat, die Beklagte könne einen etwaigen Mangel dieser Beschlüsse wegen Ablaufs der im Gesellschaftsvertrag niedergelegten Anfechtungsfrist ohnehin nicht mehr geltend machen. Die Beklagte hat ihren Gesellschaftsanteil und das zugehörige Appartement an ihren Ehemann im Juli 2001 veräußert, der Eigentümerwechsel ist im Oktober in das Grundbuch eingetragen worden. Hinsichtlich der Übertragung der Beteiligung an Dritte enthält der Gesellschaftsvertrag ebenfalls Regelungen, und zwar in § 14: „Der Gesellschafter darf seine Beteiligung auf Dritte übertragen. Dies gilt jedoch nur bei gleichzeitiger Veräußerung seines Appartements an den Dritten. Mit der Abtretung tritt der neue Gesellschafter in alle in der Gesellschaft begründeten Rechte und Pflichten seines Rechtsvorgängers ein …“
Das Berufungsgericht hat angenommen, soweit es um die vor dem Gesellschafter- und Eigentümerwechsel begründeten Verpflichtungen der Altgesellschafterin gegenüber der Gesellschaft gehe, habe dieser Wechsel keinen Einfluss auf die Haftung des ausscheidenden Gesellschafters, und hat deswegen die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die zugelassene Revision der Beklagten hat der Senat die Klage abgewiesen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Nachschusspflicht der Beklagten hält er für rechtsfehlerhaft, hat aber eine weitere Sachaufklärung für nicht erforderlich gehalten, weil die Klage auch dann keinen Erfolg haben könnte, wenn das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei das Bestehen einer Nachschusspflicht der Beklagten angenommen hätte. Eine etwa wirksam begründete Zahlungspflicht wäre nämlich nach der zitierten Bestimmung des Gesellschaftsvertrages wirksam auf den Ehemann übergegangen, ohne dass der Senat zu entscheiden gehabt hätte, ob er an der – ihm zugeschriebenen – Aussage in BGHZ 45, 221 festhalten will.
6. II ZR 211/0823 In einem Prozesskostenhilfeverfahren war der Senat soeben mit einer umwandlungsrechtlichen Problematik befasst: Die Rechtsvorgängerin der Schuldnerin, eine GmbH, war eine 100 %ige Tochtergesellschaft der _______________
23 Beschl. v. 19.10.2009, n. v.
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Beklagten zu 1, einer KG, deren einziger Komplementär der Beklagte zu 2 ist. Zeitgleich mit der Übertragung der Geschäftsanteile der Schuldnerin auf neue Gesellschafter wandelten diese die GmbH in eine gesetzestypische, also mit einer natürlichen Person als Komplementär ausgestattete Kommanditgesellschaft um. Nachdem die Schuldnerin etwa zwei Jahre später in die Insolvenz gefallen war, machte der Insolvenzverwalter gegen die Altgesellschafterin einen Darlehensrückzahlungsanspruch geltend. Die Beklagten hatten nach der Umwandlung eine in Eigenkapitalersatz umqualifizierte Bürgschaft des Beklagten zu 2 durch Bezahlung des Gesellschaftskredits erfüllt und dann – im Einverständnis mit dem Komplementär der Schuldnerin – den Regressanspruch des Bürgen gegen die Schuldnerin verrechnet mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch, den die Schuldnerin gegen die Beklagte zu 1 hatte. Diese Verrechnung wollte der Insolvenzverwalter mit Rücksicht auf den Eigenkapitalersatzcharakter der Bürgschaft nicht gelten lassen. Das OLG hatte die Klage abgewiesen, der Senat hat Prozesskostenhilfe für die Nichtzulassungsbeschwerde verweigert. Entscheidende Frage war, ob die Beklagten die Fesseln des Eigenkapitalersatzrechts haben abstreifen können. Durch schlichte Anteilsabtretung an die neuen Gesellschafter ist dies nach der gefestigten Rechtsprechung nicht möglich, vielmehr bleibt die bis zur Anteilsabtretung verstrickte Forderung infiziert. Die Entsperrung ist aber durch die Umwandlung der verkauften GmbH in eine Personengesellschaft eingetreten, sofern man die dadurch beim Gläubigerschutz u. U. eintretenden Schutzlücken in Kauf nimmt. Ob dieser „Notausgang“ aus dem Eigenkapitalersatzrecht geschlossen werden muss und vor allem, ob hierzu die Rechtsprechung berechtigt ist, ist eine schon vor Jahren beim 25. Deutschen Notartag in Münster24 nachdrücklich erörterte Frage. Die besseren Gründe sprechen nach Meinung des Senats für Zurückhaltung der Rechtsprechung: Der Gesetzgeber hat – in Kenntnis der früheren Diskussionen – möglicherweise, weil er aus praktischer Sicht eine gesetzliche Regelung für die gewiss selten auftretende Konstellation für nicht erforderlich gehalten hat – an seinem Ansatz festgehalten, dass der Gläubigerschutz mit dem Instrumentarium des § 22 UmwG (hier i. V. m. § 204 UmwG) hinreichend gewahrt sei. Alle anderen in der Diskussion vorgeschlagenen Konstruktionen – Verbot der Umwandlung, Bildung einer Rücklage, Anspruch nach § 172 Abs. 4 HGB – setzen sich _______________
24 Siehe dazu Sonderheft der DNotZ 1998 mit eingehender Dokumentation der Diskussion.
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über klare Entscheidungen der gesetzgebenden Organe hinweg. Und: Nach der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG – mögen die alten Regeln auch noch einige Jahre in Altfällen anwendbar sein – besteht auch unter dem Blickwinkel der Rechtsfortbildung kein richterlicher Handlungsbedarf mehr.
III. GmbH-Recht 1. II ZR 260/07 („GUT BUSCHOW“)25 In dem „GUT BUSCHOW“ genannten Fall ging es zum einen darum, die Auswirkungen der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG26 auf Altfälle, also die Tragweite von Art. 103d EGInsO, zu bestimmen; zum anderen war zu prüfen, ob es hinzunehmen ist, dass eine eigenkapitalersetzende Wechselbürgschaft, die durch Bezahlung der Hauptschuld auf Kosten der Gesellschaft ihre Erledigung gefunden hat, deswegen keinen Erstattungsanspruch auslösen kann, weil es sich bei dieser Bürgschaft um eine – wie das Berufungsgericht gemeint hat – „geschäftsübliche“ Sicherung gehandelt hat. Sie werden nicht überrascht sein27, dass der Senat in dem zuletzt genannten Punkt dem Oberlandesgericht nicht gefolgt ist, welches offenbar mit seinem Ausbrechen aus der nicht zweifelhaften Rechtsprechungslinie dem neuerdings weit verbreiteten Unbehagen an den zum Teil harten Folgen der Eigenkapitalersatzregeln hat Rechnung tragen wollen. Ich prophezeie: Viele, die die eigenkapitalersatzrechtliche Judikatur des II. Zivilsenats verwünscht haben, werden sich nach ihr zurücksehnen, wenn ihnen durch die rigide Rechtsprechung unserer Kollegen des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes zur Insolvenzanfechtung erst vor Augen geführt wird, welche Instrumente der Gesetzgeber dem Insolvenzverwalter mit den §§ 133 ff. InsO in die Hand gegeben hat. Zu dem zuerst genannten Fragenkreis: Wir verstehen die Übergangsregelung zum Eigenkapitalersatz dahin, dass jedenfalls für vor dem _______________
25 Urt. v. 26.1.2009, BGHZ 179, 249; vgl. dazu Habighorst, EWiR 2009, 303; Römermann, NZG 2009, 425; Manz, BB 2009, 921; W. Goette, DStR 2009, 702. 26 Vgl. dazu W. Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, Rz. 54 ff.; Habersack in W. Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Kap. 5. 27 Vgl. näher W. Goette/Kleindiek, Das Eigenkapitalersatzrecht in Wissenschaft und Praxis, 5. Aufl. 2007, Rz. 99 ff.
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1. November 2008 eröffnete Insolvenzverfahren das alte Recht in beiden Erscheinungsformen, also auch bezüglich der Rechtsprechungsregeln28 anwendbar ist. Erst auf Neufälle sind die durch das MoMiG geänderten insolvenzrechtlichen Bestimmungen anwendbar. Das hat der Senat – gegen vereinzelte Stimmen im Schrifttum29 – nicht nur aus dem Wortlaut des Art. 103d EGInsO, sondern vor allem aus Regeln des intertemporalen Schuldrechts hergeleitet. Offen – und zwischen dem IX. und dem II. Zivilsenat demnächst zu klären – ist die Behandlung derjenigen Fälle, in denen der eigenkapitalersatzrechtliche Tatbestand vor dem Stichtag verwirklicht, das Insolvenzverfahren aber erst nach dem 1. November 2008 eröffnet worden ist; eine ähnliche Problematik kann sich auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens ergeben, wenn es etwa darum geht, ob der Geschäftsführer nach dem 1. November 2008 noch berechtigt ist, Zahlungen auf ein Darlehen zu verweigern, welches unter der Geltung des alten Rechts eigenkapitalersetzenden Charakter angenommen hat.
2. II ZR 120/07 („QIVIVE“)30 Die Klägerin als Insolvenzverwalterin der Qivive GmbH i.L. hat von der Beklagten erneute Zahlung des ihrer Ansicht nach nicht ordnungsgemäß geleisteten Einlagebetrages gefordert. Die Beklagte hatte sich an einer Kapitalerhöhung der Schuldnerin mit umgerechnet 5 Mio. Euro beteiligt und gleichzeitig einen Media-Vertrag geschlossen, inhalts dessen sie für die Schuldnerin zu vergütende Media-Dienstleistungen im Wert von 82,5 Mio. DM auf – freien, nicht erzwingbaren – Abruf zu erbringen hatte, für die die Schuldnerin aber insgesamt nicht mehr als 10 Mio. DM zahlen sollte. Der Einlagebetrag ist im Dezember 2000 gezahlt worden, zwischen März 2001 und Januar 2002 hat die Schuldnerin Leistungen nach dem Media-Vertrag abgerufen, für die sie die marktübliche Vergütung gezahlt hat. Im April 2002 hat die Schuldnerin Insolvenzantrag gestellt. Nach Meinung der Klägerin soll dieser – vorabgesprochene – Vorgang als verdeckte Sacheinlage oder als kapitalaufbringungsschädliches Hin- und Herzahlen einzuordnen sein, so dass _______________
28 Siehe W. Goette/Kleindiek, Das Eigenkapitalersatzrecht in Wissenschaft und Praxis, 5. Aufl. 2007, Rz. 10, 153 ff. 29 Hirte/Knof/Mock, NZG 2009, 48 ff. 30 Urt. v. 16.2.2009, BGHZ 180, 38; vgl. dazu Schodder, EWiR 2009, 443; Pluskat, NJW 2009, 2353; Weiler, notar 2009, 402; Theusinger, NZG 2009, 641; Lieder, LMK 2009, 284066; Lieder, GmbHR 2009, 1177 (1179).
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die Beklagte von ihrer Einlageschuld nicht frei geworden sei. Sie hat – jenseits des kapitalaufbringungsrechtlichen Ansatzes – die Klage auch auf Eigenkapitalersatz gestützt. Zum zuletzt genannten Punkt hat sich das LG nur knapp, das Berufungsgericht gar nicht geäußert. Der Senat hat – wegen der Grundsatzbedeutung der Sache – die Revision zugelassen und die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dafür war maßgeblich, dass das Berufungsgericht den Gedanken einer eigenkapitalersatzrechtlichen Haftung nicht behandelt hatte. Erforderlich ist das indessen nur, wenn man den Kapitalaufbringungsvorgang als ordnungsgemäß abgeschlossen ansieht, der Klägerin also nicht darin folgt, es liege eine verdeckte Sacheinlage, mindestens aber ein verbotenes Hin- und Herzahlen vor. Da in den Tatsacheinstanzen manches Unrichtige zu der Frage, ob Dienstleistungen eine dem Eigenkapitalersatz unterstehende Gesellschafterhilfe sein können, vertreten worden war, hatte der Senat in diesem Zusammenhang Anlass zu klarstellenden Ausführungen: Kein Gesellschafter kann über die Regeln des Eigenkapitalersatzes zur unentgeltlichen Leistung von Diensten nach Eintritt der Krise gezwungen werden, allerdings unterliegen nicht bezahlte Honoraransprüche, wie jede stehengelassene Forderung, der Durchsetzungssperre31. Zum vorrangigen und eigentlichen Streitpunkt des Falles: Wenn die klagende Insolvenzverwalterin meint, der hier zu beurteilende Vorgang sei den Regeln über die verdeckte Sacheinlage zu unterwerfen, muss man die Frage stellen, ob ihrem Ziel überhaupt gedient wäre, wenn der Senat ihren Vorstellungen folgen würde. Denn mit dem im Laufe des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen, nach § 3 Abs. 4 EGGmbHG rückwirkende Kraft für die Sacheinlageregeln entfaltenden MoMiG hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden: § 27 AktG (a. F.) findet im GmbHRecht keine entsprechende Anwendung mehr, die substituierte Leistung hat keine Erfüllungswirkung, mindert aber den fortbestehenden Einlageanspruch auf dem Wege des neu geschaffenen Rechtsinstituts der „Anrechnung“, so dass ein etwa anrechenbarer Vermögensgegenstand die Klage ganz oder wenigstens teilweise zu Fall bringen würde. Der Senat teilt indessen schon den Ansatzpunkt nicht, dass die Einzahlung der Einlage im Dezember und die Monate später einsetzende sukzessive Bezahlung von seitens der Schuldnerin abgerufener Dienstleis_______________
31 Vgl. W. Goette/Kleindiek, Das Eigenkapitalersatzrecht in Wissenschaft und Praxis, 5. Aufl. 2007, Rz. 79, 109 f. m. w. N.
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tungen überhaupt irgendetwas mit einer verdeckten Sacheinlage zu tun hat. Die verdeckte Sacheinlage ist ja – der neue Text des § 19 Abs. 4 GmbHG belegt dies – davon gekennzeichnet, dass der Gesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung statt der Bareinlage eine einlagefähige Sache zur Verfügung gestellt wird; das missbilligt der Gesetzgeber, weil dadurch die für Sacheinlagen im Interesse des Gläubigerschutzes vorgeschriebenen präventiven Hürden, nicht zuletzt die Werthaltigkeitskontrolle durch des Registergericht, unterlaufen werden. Eine Dienstleistung kann diesen Kriterien nicht entsprechen. Es kann deswegen nur um die Frage gehen, ob man jene präventiven Kontrollen im Sinne eines umfassenden Kapitalaufbringungsschutzes auch auf Fallgestaltungen der hier zu beurteilenden Art erstrecken muss, obwohl ja bei der verdeckten Sacheinlage dem Inferenten der Vorwurf gemacht wird, er habe sich durch seine Gestaltung der ihm eigentlich abverlangten und möglichen Einlageerfüllung auf dem Wege der Sacheinlage entzogen, und obwohl dieser Vorwurf gegenüber dem Dienstleistungsschuldner und Inferenten nicht erhoben werden kann. Das Petitum der Klägerin läuft darauf hinaus, dem Inferenten die Verabredung entgeltlicher Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kapitalmaßnahme zu verbieten, ohne dass die Rechtsordnung ihm ein Verfahren zur Verfügung stellt, auf dem er rechtmäßig „seiner“ Gesellschaft die Dienste leisten kann. Geschäfte zwischen dem Inferenten und seiner Gesellschaft werden damit schlechterdings unmöglich, was für die Normal-GmbH z. B. zur Folge hätte, dass der Gesellschafter nicht zum bezahlten Geschäftsführer seiner GmbH berufen werden könnte, oder – allgemein gesprochen – jeder rechtsgeschäftliche Verkehr zwischen Gesellschafter und Gesellschaft ausscheiden müsste. Dies würde weit über den berechtigten Kern unseres – wie der Gesetzgeber das MoMiG es ausgedrückt hat – „bewährten Haftkapitalsystems“ hinausgehen; denn aus der Sicht der zu schützenden Gläubiger kann es eigentlich nur darum gehen, dass bei derartigen Geschäften, die auch mit jedem fremden Dritten geschlossen und abgewickelt werden könnten, nicht verdeckt haftendes Kapital zurückgezahlt wird. Wenn – wie hier – marktgerechte Preise gezahlt worden sind, kann dieses Problem nicht auftreten; auch die Mitgesellschafter bedürfen übrigens dann nicht des Schutzes gegen die Gewährung von Sondervorteilen. Wenn wir die Regeln über die verdeckte Sacheinlage nicht heranziehen können, bleibt als Umgehungstatbestand das von der Klägerin angeführte, wenngleich im Laufe des Prozesses, wie so oft, nicht streng von der
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verdeckte Sacheinlage unterschiedene Hin- und Herzahlen. Was aber bedeutet Hin- und Herzahlen? Der Senat sagt: Verdeckte Finanzierung der Einlage durch die Gesellschaft bzw. Austausch einer Einlageforderung gegen eine schlichte schuldrechtliche Forderung. Beides liegt hier nicht vor; im Gegenteil: die Geschäftsführung der Schuldnerin konnte über Monate frei über die Mittel verfügen und hat dies auch getan, wie das Berufungsgericht festgestellt hat; es sind nämlich u. a. die Kosten des allgemeinen Geschäftsbetriebs bestritten worden. Leistungen an die Beklagte sind erst nach Monaten geflossen, und es darf nicht übersehen werden, dass es der Geschäftsführung der Schuldnerin frei stand, von der ihr eröffneten Möglichkeit des Abrufs von Dienstleistungen Gebrauch zu machen, oder andere Anbieter zu beauftragen. Deswegen hat der Senat im 2. Leitsatz eine Umgehung des Kapitalaufbringungsrechts allein für den Fall der „Reservierung“ der Einlagemittel für die Bezahlung der Dienstleistungen bejaht; das ist deswegen konsequent, weil es dann an der endgültig freien Verfügung der Geschäftsführung fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Kapitalschutzes kann man diese Sichtweise bedauern, aber: so wichtig Kapitalschutz gerade in der GmbH ist, er ist nicht das alles andere Regeln überrollende Prinzip – jedenfalls so lange nicht, wie nicht der Gesetzgeber den präventiven Schutz glaubt, auch auf die Dienstleistungen erstrecken zu müssen – eine Maßnahme, die wir ihm, falls er uns um unsere Meinung fragen sollte, schwerlich empfehlen würden. Eher sollte – für das GmbH-Recht – die Unterscheidung von Bar- und Sacheinlage ganz aufgegeben werden, was die Handhabung für alle Betroffenen wesentlich erleichtern würde32.
3. II ZR 273/07 („CASH POOL II“)33 „CASH POOL II“ ist nach „GUT BUSCHOW“34 die zweite grundlegende Entscheidung des II. Zivilsenats, die die Umsetzung der neuen MoMiG-Regeln betrifft. Grund für diese schnelle Reaktion des Revi_______________
32 Vgl. schon Lutter, Zusammenstellung der Stellungnahmen der Sachverständigen zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zum MoMiG am 23.1.2008, S. 110 f. 33 Urt. v. 20.7.2009, ZIP 2009, 1561 – z.V.b. in BGHZ; dazu Altmeppen, ZIP 2009, 1545; G. H. Roth, NJW 2009, 3397; Theusinger, NZG 2009, 1017; Maier-Reimer, EWiR 2009, 537; W. Goette, GWR 2009, 333; Lieder, GmbHR 2009, 1177; Schluck-Amend/Penke, DStR 2009, 1433 ff. 34 Siehe oben III. 1.
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sionsgerichts ist die für das Hin- und Herzahlen und für die verdeckte Sacheinlage geschaffene Übergangsregelung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG35. Die X-GmbH war mit einem Stammkapital von 4 Mio. DM im Jahr 1998 gegründet worden. Sie hatte drei Gründungsgesellschafterinnen (E, S und K), deren Rechtsnachfolgerinnen nunmehr die Beklagten zu 1 (hinsichtlich E und K) und zu 2 (hinsichtlich S) sind. Die Gesellschaft befindet sich in der Insolvenz, der Verwalter hat die jetzigen Gesellschafterinnen, gestützt auf § 16 Abs. 3 GmbHG a. F., auf Zahlung der versprochenen Bareinlagen in Anspruch genommen, weil die Zahlungen der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten keine Tilgungswirkung gehabt, nämlich niemals zur endgültig freien Verfügung der Geschäftsführung gestanden hätten. Dies stützt er darauf, dass zeitgleich mit der Gründung der Gesellschaft ein cash management-System (Zero-Balancing) zwischen der Schuldnerin und den Gründungsgesellschafterinnen E und S eingerichtet wurde, bei dem S für die beiden ersten Jahre die Aufgabe des cash managers übernahm und ein entsprechendes, nur von ihr geführtes Konto einrichtete. Auf dieses Konto wurden buchungstäglich die in mehreren Tranchen auf das Konto der Schuldnerin zu leistenden Bareinlagen transferiert, zugleich räumte S der Schuldnerin den Zugriff auf dieses Konto ein. Beim Eingang der Resteinlagen der drei Gesellschafterinnen am 23.11.1998 auf dem Gesellschaftskonto befand sich das Zentralkonto wegen Inanspruchnahme durch die Schuldnerin mit 91.669,22 DM im Soll. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Der II. Zivilsenat hat die nach § 552a ZPO vorgeschriebene Beratung während des Gesetzgebungsverfahren zum MoMiG durchgeführt. Nach dem zu dieser Zeit geltenden – wegen der Übergangsregelung des schon im Regierungsentwurf enthaltenen § 3 Abs. 4 EGGmbHG aber möglicherweise bald überholten – Recht war das Berufungsurteil jedenfalls hinsichtlich der Sacheinlageproblematik unrichtig, weil man nicht – wie das Oberlandesgericht – annehmen kann, die Inferentin habe ihre Einlageschuld dadurch erfüllt, dass sie der Schuldnerin später aus dem cash pool Mittel zur Verfügung gestellt habe. Deswegen verbot sich eine Erledigung des Revisionsverfahrens durch Beschluss. Wir haben mit Rücksicht darauf nicht terminiert, sondern die Sache bis zum Inkrafttreten der bis zum Schluss immer wieder geänderten Novelle zurückgestellt. Danach musste der Senat wegen der neuen Vorschriften in § 19 _______________
35 Vgl. W. Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2009, Rz. 82 ff., 86.
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Abs. 5 und Abs. 4 GmbHG anders prüfen, denn nunmehr sind die Regeln über die verdeckte Sacheinlage zweifelsfrei vorrangig vor denen des Hin- und Herzahlens. Im Ergebnis hat der Senat die klageabweisende Entscheidung hinsichtlich der Beklagten zu 1, die bzw. deren Rechtsvorgängerin nicht als cash Managerin tätig gewesen war, bestätigt. Denn sie haben mit der Einzahlung ihrer Bareinlagen ihre gegenüber der Schuldnerin eingegangenen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt und – anders als der Kläger gemeint hat – nichts aus dem Gesellschaftsvermögen zurückerhalten; deswegen ist es auch nicht gerechtfertigt, ihr Vorgehen als „kapitalaufbringungsrechtliches nullum“ zu qualifizieren, wie der II. Zivilsenat beim Hinund Herzahlen sonst nach altem Recht36 verfahren ist. Ebenso wenig konnte diesen beiden Gesellschafterinnen vorgehalten werden, sie hätten eine verdeckte Sacheinlage geleistet und müssten deswegen in der Insolvenz noch einmal zahlen. Denn zu keinem der in Rede stehenden Zeitpunkte, in dem diese beiden Gründerinnen Einlagezahlungen bewirkt hatten, bestand eine Forderung der Inferentinnen gegen die Schuldnerin, die – wie im Fall „CASH POOL I“37 – zu einer Rückführung dieser Schuld mit den Einlagemitteln führen konnte und deswegen als verdeckte Sacheinlage keine Tilgungswirkung haben kann. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 dagegen ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen worden. Für diese Inferentin, die als cash managerin tätig und Inhaberin des Zentralkontos war, auf welches die Einlagebeträge transferiert wurden und auf das die Schuldnerin kreditweise Zugriff nehmen konnte, hatte das Oberlandesgericht, die höchstrichterliche Rechtsprechung missdeutend, zu Unrecht judiziert, sie habe ihre Einlageschuld erfüllt. Davon abgesehen hätte das Berufungsgericht hinsichtlich der einzelnen Tranchen der von S erbrachten Einlagezahlungen differenzieren müssen: Jedenfalls bei der Überweisung der Resteinlage Ende November 1998 – sie gelangte zunächst auf das Geschäftskonto der Schuldnerin und wurde von dort auf dem Wege des Zero-Balancing am selben Tag auf das der S gehörende Zentralkonto zurückgeführt – bestand ein Sollsaldo zu Lasten der Schuldnerin auf diesem Zentralkonto, der mit der weitergeleiteten Einlagezahlung getilgt wurde, so dass genau jene Situation eintrat, die der Senat in „CASH POOL I“ als tilgungsschädliche verdeckte Sacheinlage qualifiziert hat. Zumindest in dieser Höhe hätte – selbst wenn _______________
36 BGHZ 165, 113 ff. und 165, 352 ff. 37 BGHZ 166, 8 (Tz. 12).
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der Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts im Übrigen zutreffend gewesen wäre – der Kläger obsiegen müssen. Wie oben ausgeführt, nötigte jedoch die Übergangsvorschrift des § 3 Abs. 4 EGGmbHG dazu, auf diesen Altfall aus dem Jahre 1998 das neue Recht in den Blick zu nehmen. In diesem Zusammenhang verdient festgehalten zu werden, dass sich nach der Ansicht des II. Zivilsenats die tatbestandliche Seite des Hin- und Herzahlens und der verdeckten Sacheinlage durch das MoMiG nicht geändert hat, sondern dass allein die Rechtsfolgen im Interesse der Inferenten liberalisiert worden sind. Für die Beurteilung der verschiedenen Zahlungsvorgänge ist deswegen zu beachten, dass das MoMiG nunmehr dem Hin- und Herzahlen in Abweichung von der bisherigen Sichtweise, nach der dieses Vorgehen ein kapitalaufbringungsrechtliches nullum ist, unter bestimmten Voraussetzungen doch Rechtswirkung beilegt, indem jetzt zugelassen wird, die Bareinlageverpflichtung durch einen – vollwertigen und jederzeit fälligen – Rückzahlungsanspruch zu substituieren. Für die verdeckte Sacheinlage gilt dagegen, dass sie zwar nach wie vor verboten ist und keine Tilgungswirkung entfaltet, dass der Inferent aber für sich in Anspruch nehmen kann, dass der Wert des dem Zahlungsversprechen nicht entsprechenden, anderweitig eingebrachten Gegenstandes kraft Gesetzes anzurechnen ist, so dass er allenfalls die verbleibende Differenz im Nachhinein ausgleichen muss. Jedenfalls für die Einlagezahlungen der S Ende November 1998 – zu dieser Zeit hatte die Schuldnerin einen Sollsaldo gegenüber der S aufgebaut – bedeutete dies, dass es nunmehr darauf ankommt, ob und in welcher Höhe sich die Schuldnerin eine Zahlung der Inferentin anrechnen lassen musste. Wären die Resteinlagezahlungen der drei Gründungsgesellschafterinnen an verschiedenen Tagen auf dem Konto der Schuldnerin eingegangen und wären von dort die jeweiligen Beträge auf das Zentralkonto umgebucht worden, käme es darauf an, ob zuerst die beiden anderen Inferentinnen und dann S geleistet hätte, weil die Zahlungen der ersteren hier den Sollsaldo ausgeglichen hätten, S hernach also in Gestalt des Zentralkontos den Einlagebetrag an sich selbst entrichtet hätte, mit der Folge, dass nur ein Hin- und Herzahlen vorgelegen hätte. Ging dagegen zuerst der von S stammende Einlagebetrag ein, so hätte S damit – in Höhe des Sollsaldos der Schuldnerin – eine eigene Forderung gegen die Schuldnerin getilgt, also ein verdeckte Sacheinlage geleistet. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Frage nicht eindeutig zu beantworten, weil sämtliche Zahlungen auf dem
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Konto der Schuldnerin am selben Tag eingingen und weil bisher nicht festgestellt ist – u. U. auch gar nicht feststellbar ist – in welcher Reihenfolge verbucht worden ist. Für diesen Fall der Nichtaufklärbarkeit des Zeitpunkts der Zahlungseingänge hat der Senat es für richtig erachtet, die Zahlungen beteiligungsproprtional auf die einzelnen Inferentinnen zu verteilen, woraus sich für die S eine Reduktion des anzurechnenden Betrages ergeben würde, während der Teil der Zahlung, für den die Regeln über das Hin- und Herzahlen anzuwenden sind, entsprechend anwüchse. Damit ist indessen die Prüfung der Anrechenbarkeit der Leistung der S noch nicht beendet. Vielmehr ist im Anschluss daran zu prüfen, welchen Wert die Forderung der S gegen die Schuldnerin aus dem cash management-Verhältnis hatte. Das hängt davon ab, ob und inwieweit die Schuldnerin überhaupt in der Lage war, aus eigenen Mitteln jenen Kreditsaldo von gut 91.000 DM zurückzuzahlen. Tragfähige Feststellungen hierzu fehlen bislang38, das Berufungsgericht hatte hierzu auch keinen Anlass, weil sein Urteil lange vor dem Inkrafttreten des MoMiG und zu einer Zeit ergangen ist, zu der mit der sozusagen erst „im Zieleinlauf“ des Gesetzgebungsvorhabens die Anrechnungslösung erdacht und in das Gesetz eingeführt worden ist. Um diese Feststellungen nachholen zu können, war die Zurückverweisung unausweichlich. Dass mit dieser gestuften Prüfung die Handhabung der GmbH-rechtlichen Kapitalschutzvorschriften einfacher geworden ist – die „Deregulierung“ hatte sich der Regierungsentwurf bekanntlich auf die Fahnen geschrieben – wird man schwerlich bejahen können. Die beschriebenen Auswirkungen der neuen Rechtsfolgeregeln bei der verdeckten Sacheinlage zeigen schließlich, dass das neue Recht ein Rückwirkungsproblem aufwirft: Die Gesellschaft bzw. im Insolvenzfall wie hier, der Insolvenzverwalter, müssen sich in dritter Instanz u. U. eine gänzliche oder teilweise Abweisung ihrer auf nochmalige Leistung der Einlage gerichteten Klage gefallen lassen, weil nunmehr der Wert des verbotswidrig eingelegten Gegenstandes angerechnet wird. Eine bis zum Inkrafttreten des MoMiG begründete Klage kann dadurch plötzlich ganz oder teilweise unbegründet werden. Noch deutlicher wird dieser Paradigmenwechsel, wenn man sich vorstellt, der Inferent hätte eine Sache eingelegt und würde nun mit der Widerklage – gestützt auf den analog angewandten § 27 AktG a. F. – diesen Gegenstand heraus verlan_______________
38 In dem wieder eröffneten Berufungsverfahren haben sich die Parteien verglichen.
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gen. Infolge der mit Rückwirkung ausgestatteten Änderung des § 19 Abs. 4 Satz 2 GmbHG – er verbietet die entsprechende Anwendung der genannten aktienrechtlichen Vorschrift im GmbH-Recht – hätte er am 1. November 2008 sein Eigentum kraft Gesetzes verloren. Wie mit dieser Rückwirkungsproblematik umzugehen ist, ist eine nicht leicht zu beantwortende Frage, immerhin hat der II. Zivilsenat erst im Jahr 200339 überhaupt entschieden, dass der Inferent sein Eigentum an der absprachewidrig eingebrachten Sache behält. Man kann durchaus vertreten, dass dem Gesetzgeber schwerlich der actus contrarius zu Gunsten der Gesellschaft und deren Gläubiger verwehrt sein kann, ohne dass eine verbotene Rückwirkung vorliegt. Der II. Zivilsenat musste – entgegen der Hoffnung der Prozessbevollmächtigten – diese Frage in „CASH POOL II“ nicht entscheiden. Denn selbst wenn er zu der Überzeugung gelangt wäre, dass § 3 Abs. 4 EGGmbHG – jedenfalls hinsichtlich der rückwirkenden Inkraftsetzung der neuen Regeln über die Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage – eine verbotene echte Rückwirkung enthält, musste ein Vorlageverfahren nach Art. 100 GG daran scheitern, dass die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage im hier zu entscheidenden Fall nicht gegeben war, denn es steht derzeit noch gar nicht fest, ob überhaupt ein anrechenbarer Wert vorhanden ist. Und nun abschließend noch einmal zum Hin- und Herzahlen. Nach der früheren Sicht des II. Zivilsenats handelt es sich um ein kapitalaufbringungsrechtliches nullum, die Einlageschuld ist offen, eine daneben bestehende Leistungsbeziehung zwischen dem Inferenten und der Gesellschaft – etwa aus „Darlehen“ oder „Treuhandabrede“ – existiert nicht40. Das gilt auch nach dem MoMiG im Grundsatz fort, anders ist dies nur dann, wenn ausnahmsweise der aus der eigentlich nicht existenten anderen Beziehung folgende Rückzahlungs- oder Gegenleistungsanspruch vollwertig ist. Diese – u. U. schwierige – Prüfung obliegt dem Geschäftsführer, der im Falle einer schuldhaften Fehleinschätzung haftbar ist, nach der später41 noch zu erörternden MPS-Doktrin aber auch im Anschluss daran beobachtungspflichtig ist und auch hier Haftungsgefahren nach § 43 Abs. 2 GmbHG ausgesetzt ist, wenn er schuldhaft pflichtwidrig handelt, in der Regel also: gebotene Maßnahmen versäumt.
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39 BGHZ 155, 329. 40 Siehe Fn. 36. 41 Vgl. unten IV. 2.
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Mit der Werthaltigkeitskontrolle begnügt sich der Gesetzgeber indessen nicht. Vielmehr hat der Rechtsausschuss nach der Anhörung von Sachverständigen den Regierungsentwurf in diesem Punkt nicht nur anders geordnet – die Regelung findet sich nicht mehr in § 8, sondern bei § 19 GmbHG, weil man – wohl irrtümlich – geglaubt hat, Hin- und Herzahlen und verdeckte Sacheinlage seien komplementäre Rechtsfiguren –, sondern die Ausnahmevoraussetzungen zum Schutz des Rechtsverkehrs deutlich verschärft. Dazu gehören nicht nur die in § 19 Abs. 5 GmbHG näher ausformulierten Fälligkeitserfordernisse, sondern auch der neu eingestellte § 19 Abs. 5 Satz 2 GmbHG, der ein besonderes Anmeldeerfordernis für diese Sonderform der Kapitalaufbringung aufstellt. In „CASH POOL II“42 hat der Senat seine schon in „QIVIVE“43 vertretene Auffassung bekräftigt, dass dieses Erfordernis konstitutive Bedeutung hat, seine Nichtbeachtung also dazu führt, dass das Hin- und Herzahlen keine Tilgungswirkung haben kann, weil die Substitution der Einlageschuld durch einen schlichten schuldrechtlichen Anspruch dann nicht zugelassen wird. Da diese formellen Erfordernisse sämtlich verfehlt worden sind, hatte der II. Zivilsenat hinsichtlich des unstreitig als Hinund Herzahlen zu qualifizierenden Teils der Einlagen die S zur Zahlung an den Insolvenzverwalter zu verurteilen. Der Senat hat selbstverständlich44 nicht verkannt, dass damit die zugehörige Übergangsregelung weitgehend leer läuft, weil – wie in dem hier entschiedenen Fall – in der Vergangenheit Inferenten nur ausnahmsweise den formellen Anforderungen gerecht geworden sind. Die Kritik45 an der Lösung des Senats blendet aus, dass nach dem zweifelsfreien Willen des Gesetzgebers nicht die Übergangsregelung mit ihrer Ausstrahlung in die Vergangenheit die ihr aus dem Kreis der Wirtschaft beigelegte Präponderanz verdient, sondern dass ein Hin- und Herzahlen im _______________
42 43 44 45
Tz. 14 und Leitsatz 3. Vgl. oben III. 2., BGHZ 180, 38 ff. (Tz. 16). Zutreffend Altmeppen, ZIP 2009, 1545. Vgl. z. B. G. H. Roth, NJW 2009, 3397; Maier-Reimer, EWiR 2009, 537; Lieder, GmbHR 2009, 1177 (1185) versteigt sich in seiner nach der Entstehungsgeschichte verfehlten Fixierung auf die einschränkungslose Durchsetzung seiner Vorstellungen von der besonderen Förderungswürdigkeit des cash poolings dazu, dem Senat einen „Irrweg“ zu attestieren, den er „weiter verfolge“ – gerade die von Lieder herangezogenen Begründung zum ARUG (a. a. O. Fn. 30) belegt seine unzutreffende Sicht: Wenn die Ausnahmevorschriften nicht beachtet werden, bewendet es eben beim kapitalaufbringungsrechtlichen nullum des Hin- und Herzahlens.
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Interesse des vorgängigen Kapitalschutzes nur dann die neue Privilegierung erhalten soll, wenn diese formellen Erfordernisse – und dazu gehört vor allem die präventive registergerichtliche Kontrolle – erfüllt sind. Hätte der Gesetzgeber dies anders behandelt wissen wollen, hätte er die schon im Regierungsentwurf enthaltene Übergangsregelung nicht unverändert übernehmen dürfen, sondern an den neu gestalteten § 19 Abs. 5 GmbHG anpassen müssen; den entsprechenden Bemerkungen von Altmeppen ist nichts hinzuzufügen.
4. II ZR 292/07 („SANITARY“)46 Mit dem am 9. Februar diesen Jahres erlassenen Urteil „SANITARY“ hat der Senat seine neuere Rechtsprechung zur sog. Existenzvernichtungshaftung47 fortgesetzt und ergänzt. Der Fall imponiert durch die Dreistigkeit des beklagten Gesellschafters, der zwei GmbH in die Insolvenz geführt hatte. In beiden Gesellschaften wurde derselbe Kläger zum Verwalter bestellt und machte in dieser Eigenschaft für die eine Gesellschaft, die SANITARY, einen Darlehensrückzahlungsanspruch gegen den Beklagten geltend. Dieser verstand es, das Insolvenzverfahren gegen seine Gläubigerin gegen Leistung einer weit hinter den Gläubigerforderungen zurückbleibenden Sicherheit einstellen zu lassen und konnte danach als Liquidator agieren. In dieser Funktion nahm er durch einen neu bestellten Anwalt das unterbrochene Klageverfahren gegen sich selbst wieder auf, kündigte das Mandat und erwirkte ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil gegen die im Prozess nicht vertretene SANITARY, das er selbstverständlich rechtskräftig werden ließ. Er hatte indessen nicht mit der Findigkeit und Ausdauer des Klägers gerechnet, der für die andere Gesellschaft einen Titel gegen SANITARY erwirkt hatte und deswegen den Anspruch von SANITARY gegen ihren Alleingesellschafter und Liquidator aus – kurz gesprochen – Existenzvernichtungshaftung und Verletzung des § 73 GmbHG – pfänden und sich überweisen ließ. Der Senat hat – an „TRIHOTEL“ anknüpfend und dessen Linie erweiternd – die Auffassung des Berufungsgerichts verworfen, der Beklagte dürfe mit „seiner“ GmbH i.L. verfahren wie er wolle. Vielmehr hat er _______________
46 Urt. v. 9.2.2009, BGHZ 179, 344; vgl. dazu Weller, LMK 2009, 284304; Uwe H. Schneider, WuB II C. § 30 GmbHG 1.09; Podewils, GmbHR 2009, 606; ferner Rubner, DStR 2009, 1538 in einseitiger Kritik, weil er den Innenhaftungsansatz des II. Zivilsenats ablehnt. 47 Vgl. BGHZ 173, 246 („TRIHOTEL“) und VGR 2008, S. 32 m. w. N.
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ausgesprochen, dass die auf prozessualem Schleichweg betriebene sittenwidrige Selbstbedienung durch Forderungsvernichtung ein missbräuchlicher, zum Schadenersatz führender Eingriff ist. Anders als bei der „normalen“ Existenzvernichtungshaftung bedarf es hier keiner Insolvenzverursachung oder -vertiefung, weil schon § 73 GmbHG die GmbH im Interesse ihrer Gläubiger vor solchen Eingriffen besonders schützt.
5. II ZR 255/08 („SCHIEDSFÄHIGKEIT II“)48 Das Senatsurteil vom 6. April 2009, das wir „SCHIEDSFÄHIGKEIT II“ genannt haben und das in seiner Begriffsbildung an die seinerzeitige Diskussion im Schiedsverfahrensrecht vor der Novelle anknüpft, der Sache aber nur sagen will, dass auch für Beschlussmängelstreitigkeiten im GmbH-Recht der Weg zu den Schiedsgerichten eröffnet ist, bildet den Schlussstein einer langjährigen Entwicklung. Vor dreizehn Jahren hatte der II. Zivilsenat in dem Verfahren „SCHIEDSFÄHIGKEIT I“ – es ist u. a. deswegen bemerkenswert, weil an ihm prominent meine beiden verehrten Vorgänger im Amt, Herr Professor Boujong mit seiner letzten mündlichen Verhandlung und Herr Dr. h.c. Röhricht letztmalig als Berichterstatter eines Revisionsverfahrens, beteiligt waren – die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten letztlich verneint, weil die Senatsmehrheit seinerzeit keinen Weg sah, die Zusammensetzung der Richterbank bei einem Mehrparteienschiedsgericht auf verfassungsrechtlich einwandfreiem Weg herbeizuführen. Der Praxis war damit nicht geholfen, weil schon seinerzeit absehbar war, dass der Gesetzgeber seiner Gestaltungsverantwortung nicht nachkommen würde und nunmehr entweder auf eine schiedsrichterliche Erledigung dieser Verfahren ganz verzichtet werden musste oder die Beteiligten zu problematischen Ausweichstrategieen veranlasst wurden. Mit Freude hat der II. Zivilsenat deswegen im Herbst des vergangenen Jahres auf die Bitte des für Schiedsgerichtssachen nach dem Geschäftsverteilungsplan primär zuständigen III. Zivilsenats dieses Revisionsverfahren in seine Zuständigkeit übernommen und zu „SCHIEDSFÄHIGKEIT I“ den fehlenden Schlussstein hinzugefügt. Knapp zusammengefasst: Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH sind schieds_______________
48 Urt. v. 6.4.2009, BGHZ 180, 221; vgl. dazu Witte/Hafner, DStR 2009, 2052; Dürr/Wiggenhorn, EWiR 2009, 477; Römermann, GmbHR 2009, 710; Werner, MDR 2009, 842; Duve/Keller, NJW 2009, 1966; Wolff, NJW 2009, 2021; Nolting, NotBZ 2009, 241; Böttcher/Helle, NZG 2009, 700; Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247; W. Goette, GWR 2009, 103.
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fähig, wenn das schiedsrichterliche Verfahren gleichartig ausgestaltet wird, was an insgesamt vier Voraussetzungen zu messen ist: Eine allseits konsentierte Schiedsabrede ist erforderlich; jeder interessierte Gesellschafter muss die Möglichkeit der Beteiligung haben, woraus sich gewisse Informationserfordernisse ergeben; an der Schiedsrichterauswahl muss jeder Gesellschafter sich beteiligen können, und es ist für eine Zuständigkeitskonzentration bei einem Schiedsgericht Sorge zu tragen. Diese Aussagen hat der Senat vor folgendem tatsächlichen Hintergrund getroffen: Der Kläger ist zu 50 % an der beklagten GmbH beteiligt, die andere Hälfte lag ursprünglich in den Händen des anderen Gründungsgesellschafters. Jetzt halten Witwe und Sohn je 25 % der Geschäftsanteile, die Witwe ist außerdem Geschäftsführerin der Gesellschaft. Zwischen den Gesellschaftern bestehen seit längerer Zeit Differenzen, die auch gerichtlich ausgetragen worden sind. Der Kläger hat sich gegen Beschlüsse – Einziehung seines Geschäftsanteils aus wichtigem Grund, Feststellung der Jahresabschlüsse 2003 und 2004 und Entlastung der Geschäftsführerin für diese beiden Jahre – mit seiner Nichtigkeitsfeststellungs- bzw. Anfechtungsklage gewandt. Der Gesellschaftsvertrag aus dem Jahre 1989 enthält eine eingehende Schiedsklausel für alle „Rechtsstreitigkeiten in Angelegenheiten der Gesellschaft zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern oder den Gesellschaftern untereinander in Angelegenheiten der Gesellschaft – soweit gesetzlich zulässig“, auf die die Satzung im Zusammenhang mit den Regelungen über die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen Bezug nimmt („angefochten werden – durch Klage jedoch nur, soweit diese nicht rechtlich zulässig durch ein vereinbartes Schiedsgericht ausgeschlossen ist“) und zusätzliche Erfordernisse aufstellt. Danach muss ein Beschluss gegenüber der Gesellschaft binnen vier Wochen beanstandet werden, dann hat die Gesellschaft weitere vier Wochen Zeit, der Beanstandung abzuhelfen, und erst dann kann der Beschluss angefochten werden; der anfechtende Teil muss außerdem wenigstens 25 % des Stammkapitals repräsentieren. Nachdem die Beklagte unter Berufung auf den Gesellschaftsvertrag die Einrede des Schiedsvertrages erhoben hatte, hat das LG über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt und die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Der Senat hat – wie er in seinem Beschluss
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ausdrücklich festgeschrieben hat – die Revision wegen Grundsätzlichkeit zugelassen, das Rechtsmittel dann aber zurückgewiesen. Er konnte dabei nicht nur an „SCHIEDSFÄHIGKEIT I“ anknüpfen, sondern auch auf der späteren Entscheidung49 aufbauen, in der er ausgesprochen hatte, dass auch wegen Streitigkeiten über die Kapitalaufbringung in der GmbH der Weg zu privaten Schiedsgerichten eröffnet ist. In dem jetzt ergangenen Urteil hat er besonders betont, dass er nach dem Schweigen des Gesetzgebers „die ihm solchermaßen überantwortete Aufgabe“ angenommen hat. Die seinerzeit zur Ablehnung der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelklagen führenden Argumente hat er neu gewogen und für nicht mehr durchschlagend erachtet, wenn bestimmte Voraussetzungen für ein rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechendes Verfahren erfüllt sind. Im Ausgangpunkt erkennt der II. Zivilsenat an, dass es grundsätzlich ein zulässiger Akt privatautonomer Gestaltung ist, dass sich die Gesellschafter, in deren Hand es ohnehin liegt, einen auch in seiner Wirksamkeit unbedenklichen Beschluss der Gesellschafterversammlung aufzuheben, der Entscheidung eines Schiedsgerichts betreffend einen Beschlussmängelstreit unterwerfen. Das knüpft der Sache nach schon an die – im Zusammenhang mit der subjektiven Vergleichsbefugnis gebrachten – Erwägungen des Senatsurteils vom 29.3.199650 an. Wie sonst, so können aber auch in diesem Zusammenhang diese Gestaltungsbefugnisse nur in den Grenzen des allgemeinen Rechts ausgeübt werden. Die Schaffung einer solchen Form der Streitbeilegung mit Rechtskrafterstreckung auf nicht am Verfahren Beteiligte ist an § 138 BGB zu messen und erfordert, dass Verfahrensgarantien geschaffen werden, die zu einer im Ergebnis vergleichbaren Gewährleistung des Minderheitenschutzes führen, wie sie für einen Beschlussmängelstreit vor den staatlichen Gerichten selbstverständlich ist. Deswegen ist die Erfüllung der eingangs genannten vier Voraussetzungen unerlässlich. Da das private Schiedsgericht nur aufgrund privatautonomer Entschließung an Stelle der staatlichen Gerichte zuständig werden kann, bedarf es einer gültigen Schiedsabrede. Diese kann auf zweierlei Weise getroffen werden, nämlich entweder durch Aufnahme in die Satzung oder außerhalb derselben durch individuelle Vereinbarung. In beiden Fällen ist – bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsabrede – _______________
49 BGHZ 160, 127. 50 BGHZ 132, 278 (283 ff.).
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sichergestellt, dass alle Gesellschafter zugestimmt haben müssen, weil die Regelung entweder in die Satzung aufgenommen oder aber später individuell vereinbart wird. Ist die Schiedsabrede Satzungsbestandteil, entfaltet sie für die Zukunft verbandsrechtliche Wirkung, d. h. jeder neu hinzutretende Gesellschafter unterwirft sich mit seinem Beitritt den vorgefundenen Regeln, und für die Gesellschaft besteht die Bindung ohnehin aus verbandsrechtlichen Gründen, wie der Senat schon in „SCHIEDSFÄHIGKEIT I“51 näher ausgeführt hat. Da für eine individuell geschlossene Schiedsabrede dieser verbandsrechtliche Gesichtspunkt nicht ohne weiteres greift, hat der II. Zivilsenat ausgesprochen, dass ihr nicht nur alle Gesellschafter, sondern auch die Gesellschaft als der als Beklagte betroffene Teil zustimmen muss; wenn alle Gesellschafter zustimmen müssen, handelt es sich allerdings nur um eine Formalie, da ein etwa erforderlicher Beschluss der Gesellschafterversammlung dann unproblematisch herbeigeführt und der im Außenverhältnis auftretende Geschäftsführer zum Abschluss des Vertrages angewiesen werden kann. Das von dem Senat besonders herausgestellte Gleichwertigkeitserfordernis zum Verfahren vor den ordentlichen Gerichten macht es ferner unerlässlich, dass jeder Gesellschafter die Möglichkeit erhält, sich an dem Schiedsverfahren – sei es als Partei, sei es als Nebenintervenient – zu beteiligen. Dies ist nur dann sichergestellt, wenn alle Betroffenen von der Einleitung des Verfahrens Kenntnis erhalten und – soweit es um die Möglichkeit einer späteren Nebenintervention geht – über seinen Verlauf unterrichtet werden. Diese Informationspflicht trifft – so muss man die Entscheidung lesen – in erster Linie die Gesellschaft, dort also den Geschäftsführer; mangels anderer Regelungen wird deswegen das Begehren um Einleitung des Schiedsverfahrens an die Gesellschaft, vertreten durch den Geschäftsführer, zu richten sein. Dessen Aufgabe ist es dann, ungeachtet seiner Beteiligung an dem Verfahren als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft, die übrigen Betroffenen zu unterrichten. Soll das Verfahren sachgerecht durchgeführt werden können, muss mit der Information die Aufforderung verbunden werden, sich innerhalb einer – in der Schiedsabrede bestimmten Frist – über einen Anschluss an die Klage oder einen Beitritt auf der anderen Seite zu äußern. Dass die Gesellschaft Adressatin des genannten Verfahrensantrags ist, ist in dem Urteil des Senats allerdings nur beispielhaft aufgeführt. Denk_______________
51 BGHZ 132, 278 (284).
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bar sind auch andere Lösungen, z. B. dass der Antrag dem Versammlungsleiter zugehen muss und er die – erste – Information mit der genannten Aufforderung zu fristgerechter Erklärung über einen Beitritt zu erteilen hat. Abweichend davon könnte bei Einrichtung eines ständigen Schiedsgerichts auch bestimmt werden, dass der Antrag – wie bei einer Anrufung des staatlichen Gerichts – sogleich an das private Schiedsgericht zu richten ist, dem dann die weitere Verfahrensleitung obliegt. Schließlich bietet es sich an, hier auf die bewährte Organisation der institutionalisierten Schiedsgerichtsbarkeit zurückzugreifen; die DIS hat gerade erst auf das Urteil „SCHIEDSFÄHIGKEIT II“ abgestimmte und nach erster Beurteilung rechtssichere Regeln erstellt und veröffentlicht52. Die Entscheidung über die Zusammensetzung des Schiedsgerichts ist der nächstfolgende wesentliche Punkt, soll den Gleichwertigkeitserfordernissen entsprochen werden. Sie kann antizipiert, also in der Weise getroffen werden, dass ein ständiges Schiedsgericht eingesetzt oder die Auswahl der zu berufenden Personen einer neutralen Stelle – neben den üblicherweise genannten Gerichtspräsidenten ist hier vor allem an die DIS mit ihrem Ernennungsausschuss zu denken – übertragen wird, welche sicherstellt, dass nicht einzelne Beteiligte Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts nehmen und damit im Voraus die Neutralität der Richter und so die Legitimation des außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit stattfindenden Verfahrens in Frage stellen können. Gehen die Gesellschafter diesen Weg nicht, sondern lassen eine ad hocBerufung des Obmanns und der Beisitzer zu, müssen alle Gesellschafter die Möglichkeit der Mitentscheidung bei der Auswahl erhalten. Dem widerspricht es, wenn – wie dies in Schiedsklauseln öfter anzutreffen ist – dem ersten Antragsteller ein bindendes Benennungsrecht „seines“ Schiedsrichters eingeräumt wird; mehr als ein – unverbindliches – Vorschlagsrecht darf ihm nicht überlassen werden. Die Gesellschafter „derselben“ Seite haben dann gemeinsam über die Benennung des Schiedsrichters zu befinden, wobei der Senat ausdrücklich auf die – nach den jüngsten Entscheidungen „OTTO“ und „SCHUTZGEMEINSCHAFTSVERTRAG II“ selbstverständliche – Möglichkeit verweist, innerhalb der jeweiligen Gruppe Mehrheitsentscheidungen zu fällen. Einstimmigkeit zu fordern, entspricht zwar internationalem Standard, würde einem _______________
52 Vgl. die DIS-ERGeS vom September 2009.
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Gesellschafter aber ein unangemessenes Verhinderungspotenzial einräumen, nachdem einmal die von allen Gesellschaftern getroffene Entscheidung gefallen ist, dass überhaupt Beschlussmängelstreitigkeiten auch durch private Schiedsgerichte erledigt werden dürfen. Das gilt vor allem dann, wenn – wie dies z. B. in der DIS-SchO und den DIS-ERGeS vorgesehen ist – das Benennungsrecht für alle Beteiligten verloren geht und der Ernennungsausschuss sämtliche Schiedsrichter ins Amt beruft. Zur sachgerechten Konstituierung des Schiedsgerichts ist ferner unerlässlich, dass eine Frist bestimmt wird, innerhalb der zumindest die Entscheidungen über die Besetzung der Beisitzerposten zu treffen sind; außerdem wird sich empfehlen, ein Ersatzbenennungsrecht eines neutralen Dritten vorzusehen, weil anderenfalls wieder durch Blockadeverhalten die Schiedsabrede obsolet gemacht werden könnte. Schließlich ist die Zuständigkeitskonzentration bei einem privaten Schiedsgericht dadurch sicher zu stellen, dass der Anbringung des Verfahrensantrags bei der Gesellschaft oder der sonst zuständigen Stelle Sperrwirkung für alle weiteren Anträge beigelegt wird. Die den Gesellschaftern zuzuleitende Information über den Eingang des Antrags gewährleistet, dass jeder in der Gesellschaft weiß, dass er etwaige eigene Anträge nur im Rahmen dieses bereits eingeleiteten Verfahrens stellen kann. Die Sperrwirkung gegenüber einem parallel vor staatlichen Gerichten eingeleiteten Klageverfahren ist dadurch herbeizuführen, dass die beklagte Gesellschaft verpflichtet wird, die Schiedseinrede in jenem Rechtsstreit zu erheben. „SCHIEDSFÄHIGKEIT II“ betrifft ausschließlich Beschlussmängelstreitigkeiten im GmbH-Recht. Das hat der Senat mehrfach53 durch entsprechende Hinweise deutlich gemacht. Zur parallelen Problematik der Aktiengesellschaft verhält sich die Entscheidung nicht, woraus man indessen schwerlich den Schluss wird ziehen können, dass mit diesem Schweigen einer Übertragung dieser Grundsätze auf das Aktienrecht eine Absage hat erteilt werden sollen. Im Hinblick auf die vom Senat als „Gleichwertigkeitskautelen“ genannten Verfahrensgarantien scheidet eine Erledigung von Beschlussmängelstreitigkeiten durch private Schiedsgerichte bei großen Aktiengesellschaften ohnehin aus. Dass bei kleinen, vor allem nicht an der Börse notierten Gesellschaften eine Erstreckung der für die GmbH anerkannten Grundsätze ausscheiden soll, ist auch im Hinblick auf § 23 Abs. 5 AktG – auf diese Bestimmung _______________
53 BGHZ 180, 221 (Tz. 10, 11, 14 und 21).
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hatte der Senat in „SCHIEDSFÄHIGKEIT I“ im Zusammenhang mit der Erörterung eine Rechtsprechungsmonopols der staatlichen Gerichte hingewiesen54 – nicht ohne weiteres einzusehen; man kann durchaus – auch dazu finden sich schon Ausführungen in „SCHIEDSFÄHIGKEIT I“55 – die Ansicht vertreten, § 246 Abs. 3 Satz 1 AktG treffe eine Regelung allein für den Fall, dass die staatlichen Gerichte zu entscheiden haben und lege für diesen Fall fest, welches Gericht sachlich und örtlich zuständig sein soll. Deswegen finden sich schon in jüngerer Zeit Stimmen im Schrifttum56, die mit sehr beachtlichen Argumenten dafür eintreten, auch für Aktiengesellschaften die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten nicht schlechthin auszuschließen. In dem konkreten Fall hat der II. Zivilsenat das Berufungsurteil in der Sache bestätigt, weil die von mir eben näher dargestellten Voraussetzungen nicht erfüllt waren, um eine Gleichwertigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens zu bejahen. In diesem Zusammenhang verdienen nicht nur die Einzelausführungen des Senats zur Schiedsrichterauswahl, sondern auch die Betonung des Gedankens besondere Aufmerksamkeit, dass die Regeln der Schiedsabrede darauf Bedacht nehmen müssen, dass den Beschlussmängelklägern eine Klagefrist von mindestens einem Monat zur Verfügung steht.
IV. Aktienrecht 1. II ZR 116/08 („SCHUTZGEMEINSCHAFTSVERTRAG II“)57 Die Entscheidung „SCHUTZGEMEINSCHAFTSVERTRAG II“ hätte man auch in der Abteilung über das Personengesellschaftsrecht behandeln können, betrifft der Fall doch eine Problematik an der Schnittstelle zwischen Personengesellschafts- und Aktienrecht. Der Hintergrund des Falles ist Ihnen allen aus den beiden „GELATINE“-Entscheidungen58 bekannt, in denen der Senat – anknüpfend an grundlegende Überlegungen von Herrn Habersack über den Rechtsgrund für die ausnahmsweise erforderliche Befassung der Hauptversammlung mit bestimmten Maßnahmen der Leitung des Unternehmens – die „HOLZMÜLLER“-Ideen _______________
54 55 56 57 58
BGHZ 132, 278 (282 unter II. 3.). BGHZ 132, 278 (281 unter II. 1.). Vgl. Habersack, Editorial in BB 2003, Heft 33, S. I; Habersack, JZ 2009, 797. Urt. v. 24.11.2008, BGHZ 179, 13. Urt. v. 26.4.2004, II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 und II ZR 154/02, ZIP 2004, 1001, vgl. dazu W. Goette, DStR 2004, 927.
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der Praxis deutlich zurückgeschnitten hat. In dem jetzigen Fall war zu klären, welche Konsequenzen es im Kreis der Aktionäre hat, dass eine Gruppe sich dem Mehrheitswillen widersetzt und im Ergebnis durch die genannten „GELATINE“-Entscheidungen erreicht hat, dass bestimmte Strukturmaßnahmen nicht gegen ihren Willen durchgeführt werden konnten. In diesem Rechtsstreit ging es nämlich um die Auslegung und Handhabung des die Familiengesellschafter bindenden Schutzgemeinschaftsvertrages aus dem Jahre 1972, der hinsichtlich bestimmter Teilfragen bereits Gegenstand des in BGHZ 126, 226 veröffentlichten Senatsurteils (jetzt „SCHUTZGEMEINSCHAFTSVERTRAG I“ genannt) gewesen ist. Rund 90 % der Aktien der Gelatine-Fabriken AG befinden sich in den Händen der Familie. Es gibt drei Stämme, den der während des Revisionsverfahrens verstorbenen Klägerin und ihrer Tochter (38 %), einen zweiten mit 22 % beteiligten Stamm und den der Beklagten, Vater und Kinder, beteiligt mit 32 %. Der im Jahr 1972 bei anderer Zusammensetzung des Gesellschafterkreises geschlossene Schutzgemeinschaftsvertrag will – u. a. – sicherstellen, dass die Mitglieder ihre Gesellschafterrechte auf Dauer einheitlich ausüben. Geschaffen worden ist zu diesem Zweck eine BGB-Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen. In ihr wird mit einfacher Mehrheit Beschluss gefasst. Die Mitglieder dieser Innengesellschaft sind nach dem Vertrag verpflichtet, ihre Gesellschafterrechte in den Beteiligungsunternehmen so auszuüben wie dies mehrheitlich von der Gesellschafterversammlung beschlossen worden ist. Bei einem Verstoß gegen diese Stimmbindung drohen Vertragsstrafen, alternativ können die vertragstreuen Gesellschafter ein ihnen im Schutzgemeinschaftsvertrag eingeräumtes Übernahmerecht ausüben. Die Kündigung des Vertrages ist – abgesehen von einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund – nur mit einer zweijährigen Frist möglich; auch dann besteht ein entsprechendes Übernahmerecht der anderen Gesellschafter. Die verstorbene Klägerin, nach deren Tod Testamentsvollstreckung angeordnet worden ist, war zum geschäftsführenden Mitglied der Schutzgemeinschaft bestellt worden, dem nach dem Vertrag die Verfolgung von Verstößen gegen die vertraglichen Pflichten obliegt. Die Beklagten, die sich an diese Regelungen des Schutzgemeinschaftsvertrages nicht gehalten haben, haben dies mit der Überlegung gerechtfertigt, die Abstimmung in der Schutzgemeinschaft sei nicht bindend, weil für die seinerzeit zur Abstimmung gestellten Beschlussgegenstände nicht die einfache Mehrheitsklausel gelten dürfe, sondern diese durch
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die zwingenden aktienrechtlichen Mehrheitserfordernisse verdrängt oder überlagert werde. Da nach der Konstruktion des Schutzgemeinschaftsvertrages die Abstimmung in der Gesellschafterversammlung wegen der mit Sanktionen flankierten Bindung der Aktionäre der entscheidende Willensbildungsakt sei, ginge die in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft bestehende Sperrminorität der Beklagten verloren, wenn man auch in Angelegenheiten, die in der Aktiengesellschaft eine 3/4-Mehrheit erfordern, die schutzgemeinschaftsvertragliche Mehrheitsklausel gelten lassen wollte. Die beiden anderen Stämme – wie die Beklagten versehen mit eingehenden Rechtsgutachten – haben durch die geschäftsführende Gesellschafterin den geschilderten Sanktionsmechanismus in Gang gesetzt und Vertragsstrafe gefordert; die verstorbene Klägerin hat sich außerdem vorbehalten, statt dessen das Übernahmerecht auszuüben. Über den Vertragsstrafenanspruch war nicht entschieden worden, das LG hatte vielmehr auf dem Wege eines Teilurteils nur über den in erster Instanz gestellten, die Wirksamkeit der Mehrheitsklausel im Schutzgemeinschaftsvertrag betreffenden Feststellungsantrag befunden. Hinsichtlich dieses auf dem Wege der Zwischenfeststellungsklage verfolgten Antrags hat die Klägerin bei den Tatsachengerichten obsiegt. Von der ihnen eröffneten Möglichkeit, Revision einzulegen, haben die Beklagten Gebrauch gemacht und ihre – wie man plakativ sagen kann – „Brechstangenlösung“ weiter verfolgt. Der II. Zivilsenat hat im Ergebnis das Berufungsurteil bestätigt, was zur Folge hat, dass der Rechtsstreit nunmehr wieder beim Landgericht anhängig ist und dort fortgesetzt werden muss. Wir haben die von mir eben so apostrophierte Brechstangenlösung verworfen und ausgesprochen, dass die beiden unterschiedlich strukturierten Gesellschaftsverhältnisse – der Schutzgemeinschaftsvertrag als Anwendungsfall des BGB-Gesellschaftsrechts einerseits und das Verhältnis zwischen den Aktionären und der GELATINE AG auf der anderen Seite – streng voneinander zu trennen sind und je ihrem eigenen Regime unterliegen. Dass der Schutzgemeinschaftsvertrag hier als solcher wirksam ist, hat der Senat bereits in dem ersten Urteil entschieden. Unter personengesellschaftsrechtlichen Aspekten ist die Mehrheitsklausel des Vertrages unbedenklich. Das Einstimmigkeitsprinzip des Gesetzes ist dispositiv; wie in „OTTO“59 klargestellt worden ist, ist zweistufig zu prüfen. _______________
59 BGHZ 170, 283.
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Dabei kann hier kein Zweifel daran bestehen, dass der Einstimmigkeitsgrundsatz abbedungen ist und ein Eingriff in unverzichtbare Rechte der Beklagten nicht stattfindet. Wir haben es auch nicht für richtig gehalten, diese personengesellschaftsrechtlichen Grundsätze wenigstens partiell, nämlich insoweit außer Kraft zu setzen, als der Gegenstand der Abstimmung eine Materie betrifft, für die das Kapitalgesellschaftsrecht, hier das Aktienrecht, qualifizierte Mehrheitserfordernisse aufstellt. Hierzu besteht kein Anlass, weil sich die Mehrheit bei der Ausübung der aus einer wirksamen Mehrheitsklausel folgenden Stimmrechte der im Personengesellschaftsrecht üblichen Kontrolle – besonders zu nennen ist die Treupflicht – zu stellen hat. Diese Ausübungskontrolle reicht nach unserer Überzeugung aus. Abgesehen davon, dass der von den Beklagten angestrebte Minderheitenschutz weit über das angestrebte Ziel hinausschösse und auch nicht für alle drei Stämme in gleicher Weise wirksam würde, ist entscheidend ist, dass die Möglichkeit, eine Sperrminorität in der Hauptversammlung zu bilden, kein mit der einzelnen Aktie verbundenes subjektives Recht ist. Sachgerechte, auf die konkrete Abstimmungssituation zugeschnittene Lösungen lassen sich systemgerecht und zielführend viel besser durch die angesprochene Ausübungskontrolle herbeiführen. Deswegen hat das Landgericht nach unserer „Segelanweisung“ nun auf der personengesellschaftsrechtlichen Ebene näher zu prüfen, ob die Mehrheit unter Treuepflichtgesichtspunkten von ihrer Stimmmacht einen unrichtigen Gebrauch macht, also etwa die ihr durch den Vertrag eröffneten Möglichkeiten zweckwidrig instrumentalisiert. Hier gilt es, sich den Sinn und Zweck des Schutzgemeinschaftsvertrages vor Augen zu führen. Wenn sein Sinn etwa dahin gehen sollte, dass vor allem die Beteiligungsverhältnisse an der gesamten Unternehmensgruppe nicht zu Lasten der einzelnen Familienstämme geändert werden dürfen und ihren Mitgliedern ein weitgehender Einfluss auf die Struktur der Gruppe und die Einwirkungsmöglichkeiten der Stämme auf das Management erhalten bleiben soll, wird man sorgfältig prüfen müssen, ob ein mehrheitlich gefasster Beschluss, der diese Ziele – etwa durch Schaffung einer Holdingstruktur oder durch weitgehende Mediatisierungen der das operative Geschäft betreibenden Gesellschaften – ausblendet, kontrollfest ist. Daneben ist erforderlichenfalls auch die Frage genau zu prüfen, ob die Beklagten gegebenenfalls schuldhaft gegen die Bindungen des Schutzgemeinschaftsvertrages verstoßen haben. Die von der Fallsituation nicht herausgeforderten Erwägungen des Oberlandesgerichts sind weder bindend, noch erscheinen sie besonders überzeugend, weil
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niemand wird sagen können, die in der Rechtsprechung seinerzeit gar nicht und im Schrifttum nicht bzw. nur von „betroffenen“ Personen erörterte Frage eines Durchschlagens der aktienrechtlichen Regeln auf die vorgelagerte Ebene der personengesellschaftsrechtlichen Beschlussfassung sei von vornherein nicht diskussionswürdig gewesen. Dass die Beklagten verpflichtet gewesen sein sollen, schon vorab die Frage der Reichweite der Bindungswirkung der genannten Klausel gerichtlich klären zu lassen, ist dem Senat als eine nicht fundierte kühne These erschienen, zumal sie schwerlich vor den maßgebenden Strukturentscheidungen rechtkräftig hätte entschieden werden können.
2. II ZR 102/07 („MPS“)60 Zu den – sowohl aus dem Blickwinkel des Aktien- wie des GmbHRechts – besonders wichtigen Entscheidungen des letzten Jahres gehört das MPS-Urteil. Unter GmbH-rechtlichem Gesichtspunkt ist es deswegen bemerkenswert, weil der II. Zivilsenat die prononcierten Vorstellungen des MoMiG-Gesetzgebers aufgreifend und Aussagen aus der Gesetzesbegründung umsetzend das sog. „Novemberurteil“61 – es hatte wegen seiner naheliegenden Auswirkungen auf das weit verbreitete cash pooling für beträchtliche Unruhe gesorgt – „in die Wolfsschlucht geworfen“62 und damit, wie wir hoffen, bei den Unternehmen und auch ihren Beratern für eine gewisse Beruhigung gesorgt hat, auch wenn dies für die letzte Gruppe – ähnlich wie seinerzeit bei „GELATINE“ – die Konsequenz hat, dass nicht mehr so viele Gutachtenaufträge anfallen. Unter aktienrechtlichem Gesichtspunkt verdient die Entscheidung Aufmerksamkeit, weil der Senat das Verhältnis von § 311 zu § 57 AktG in den Blick genommen und außerdem – das wiederum hat auch Auswirkungen auf die Pflichtenlage der Geschäftsführer der GmbH nach erfolgreichem Abschluss der im Kapitalaufbringungs- und im Kapitalerhaltungsrecht erforderlichen Vollwertigkeitsprüfung – das Bewusstsein dafür geschärft hat, dass die sorgfaltsgerechte Erfüllung der Prüfung nach § 311 AktG die Organe nicht berechtigt, sich beruhigt zurückzulehnen, sondern dass fortdauernd Beobachtungspflichten zu erfüllen und ggfs. dafür sachgerechte Informationssysteme zu schaffen sind. _______________
60 Urt. v. 1.12.2008, BGHZ 179, 71; vgl. dazu Habersack, ZGR 2009, 347 ff.; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), 649 ff.; Cahn, Der Konzern 2009, 67; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281; Kropff, NJW 2009, 814 ff. 61 BGHZ 157, 72. 62 Vgl. W. Goette, GWR 2009, 1 f.
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Zum Fall: Die Schuldnerin war eine 51 %ige Tochter der MPS GmbH. Sie gehörte mit dieser zu einem Gesellschafts-Konglomerat von rund 160 Einheiten. Die auf dem Bausektor tätige Gruppe kaufte durch die MPS GmbH in großem Stil Grundstücke ein, für die Aufbringung des Kaufpreises wurde die Schuldnerin als Darlehensgeberin herangezogen. Sie gewährte in der Zeit von 1998 bis 2001 insgesamt 25 unbesicherte Darlehen in einer Gesamthöhe von rund 80 Mio. DM. Eine genaue Laufzeit für diese Darlehen wurde nicht vereinbart, eine Kündigung war aber jeweils zum Monatsende möglich. Im Zeitpunkt der Vereinbarung und der Ausreichung der Kredite stand die Bonität der Darlehnsnehmerin, der inzwischen ebenfalls insolventen MPS GmbH, nach den einwandfreien und für die Beurteilung des Senats zugrundezulegenden Feststellungen des Berufungsgerichts außerhalb jeden Zweifels, der Rückzahlungsanspruch war also vollwertig, vor allem gab es kein „Klumpenrisiko“, das der Senat nach Ansicht einiger Kritiker bei seiner Entscheidung übersehen haben soll. Die Streithelferin prüfte den Jahresabschluss 2000 und hielt in ihrem Prüfbericht vom 15.3.2001 fest, dass Sicherheiten für die Kredite zwar nicht vereinbart worden seien, dass aber keine Hinweise darauf bestünden, die Darlehensforderungen der Schuldnerin seien nicht werthaltig. Dieser Bericht wurde dem Aufsichtsrat der Schuldnerin, dessen Mitglieder die beiden Beklagten waren, im März 2001 zur Billigung vorgelegt. Nach Ansicht der klagenden Insolvenzverwalters haben die beiden Aufsichtsratsmitglieder ihre organschaftlichen Pflichten verletzt, weil sie es zugelassen haben, dass die Schuldnerin an die MPS GmbH Darlehen in erheblicher Höhe ohne Sicherheit begeben habe; spätestens nach Vorliegen des erwähnten Prüfberichts wäre es ihre Aufgabe gewesen, dafür zu sorgen, dass die Altkredite, wenn sie nicht zurückgezahlt werden konnten, wenigstens nachträglich besichert und neue Darlehen von vornherein nur gegen Besicherung ausgereicht wurden. Die Grundlage für die geltend gemachte Teilklageforderung – sie bezieht sich auf acht von ihm herausgegriffene Kredite aus der Zeit von März 1998 bis September 2001 – hat er in den §§ 57, 93 Abs. 3 Nr. 1, § 117 Abs. 2 und § 318 Abs. 2 AktG gesehen. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, sich nicht pflichtwidrig verhalten zu haben und schon deswegen nicht schadenersatzpflichtig zu sein; außerdem haben sie gemeint, eine mit Vorstandsmitgliedern getroffene Vereinbarung des Klägers enthalte einen Forderungsverzicht mit Gesamtwirkung (§ 423 BGB), der auch zu ihren Gunsten Platz
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greife, falls entgegen ihrer Auffassung doch eine zum Schadenersatz führende Pflichtverletzung bejaht werden sollte. Das Landgericht hat der Klage weitgehend, das Oberlandesgericht, das sich bei seiner Entscheidung deutlich von dem zum GmbH-Recht ergangenen sog. „Novemberurteil“ hat leiten lassen, hat ihr in vollem Umfang entsprochen und die Revision zugelassen. Der II. Zivilsenat hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Er hat ausgesprochen, dass die Gewährung eines unbesicherten, kurzfristig rückforderbaren „upstream-Darlehens“ durch eine abhängige Aktiengesellschaft an ihre Mehrheitsaktionärin dann kein per se nachteiliges Rechtsgeschäft i. S. von § 311 AktG ist, wenn die Rückzahlungsforderung im Zeitpunkt der Darlehensausreichung vollwertig ist. Damit ist zugleich der Sache nach ausgesprochen, dass § 311 nicht als Verbotsgesetz, sondern – soweit die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind – eine Erlaubnisnorm ist. Die faktisch herrschende Gesellschaft darf also unter der Voraussetzung eines gewährten oder gesicherten Nachteilsausgleichs ihren Einfluss auf die abhängige Gesellschaft auch in einer Weise ausüben, die dort zu Nachteilen führt. Unter dieser Voraussetzung werden auch Kapitalerhaltungsgrundätze nicht verletzt. Denn § 311 AktG ist, soweit § 57 AktG gleich läuft, eine verdrängende Spezialvorschrift, wie sich nun deutlich aus der Neufassung des § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG ergibt, nach dem Auszahlungen aus dem gebundenen Vermögen unter der Voraussetzung unbedenklich sind, dass – wie bei dem wortgleichen § 30 GmbHG n. F. – der Rückzahlungsanspruch vollwertig ist. Bei der Vollwertigkeitsprüfung hält der Senat eine stichtagsbezogene Betrachtung nach dem bei der Schaffung des MoMiG zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers für geboten. Deswegen ist die Rückzahlungsforderung auch nicht etwa abzuzinsen. Die Gewährung eines zinslosen Darlehens kann allerdings ein nachteiliges Geschäft sein, der Nachteil, der auszugleichen ist, beschränkt sich dann aber auf die entgangenen Zinsen, er wirkt sich aber nicht in der Weise aus, dass nur ein verzinstes Darlehen ein vollwertiges Darlehen ist. Eine andere Frage ist indessen, ob den Gesellschaftsorganen deswegen ein zur Schadenersatzpflicht führender Vorwurf gemacht werden kann, weil sie der nachgelagerten Überwachungspflicht nicht gerecht geworden sind, ob also der vollwertige, zunächst nicht zu erfüllende Anspruch diese Qualifikation auch weiter verdient. Das ist eine Frage der allgemeinen organschaftlichen Pflichten, die nur dann ordnungsgemäß
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erfüllt werden können, wenn sich die zuständigen Organmitglieder über die fortdauernde Bonität der MPS GmbH informieren, was nicht ohne sachgerechtes Informationssystem abgehen wird. Wie dieses Informationssystem ausgestaltet sein muss, kann man schwerlich abstrakt bestimmen, es wird auf die Gegebenheiten des konkreten Falles ankommen. Beispiele finden sich in den seit langem etablierten cash poolSystemen. Die Konsequenzen einer Missachtung der hier bestehenden Anforderungen beschränken sich nicht allein auf die organschaftlichen Schadenersatzpflichten von Vorstand und Aufsichtsrat, sie erfassen über §§ 317, 318 AktG auch die herrschende Gesellschaft und die Mitglieder des Leitungs- und des Überwachungsorgans derselben selbst, weil das Unterlassen der gebotenen Beobachtung – und ggfs. der notwendigen Reaktion – seinerseits eine Nachteilszufügung nach § 311 AktG sein kann.
3. II ZR 185/07 („KIRCH/DEUTSCHE BANK“)63 Bei der letztjährigen VGR-Tagung habe ich bereits über das Verfahren „KIRCH/DEUTSCHE BANK“ auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung berichtet. Das Urteil in dieser – zahlreiche Facetten aufweisenden Sache – ist am 16. Februar 2009 verkündet worden, und ich darf in aller Kürze über die Ergebnisse berichten: Der Generalangriff der Kläger, es fehle schon an einem wirksamen notariellen Protokoll, hat nicht zum Ziel geführt. Der Senat hat vielmehr das Vorgehen des Notars, das mit der bewährten und fürsorglichen Verfahrensweise der jahrelangen notariellen Praxis in Einklang steht, gebilligt. Erst das willentlich in den Verkehr gegebene Schriftstück ist die maßgebliche Niederschrift, weil es nicht um die Beurkundung von vor dem Notar abgegebenen Willenserklärungen, sondern um die Aufzeichnung der Wahrnehmungen des Notars geht. Alles Vorhergehende sind Vorbereitungen, die geändert werden dürfen, ohne dass darin ein Urkundendelikt läge. Der Notar ist auch nicht verpflichtet, die Stimmenauszählung zu überwachen und zu protokollieren. Die Anfechtung der angegriffenen Beschlüsse kann nicht darauf gestützt werden, dass die Aufsichtsratsmitglieder durch Listenwahl gewählt worden sind. Wenn die Satzung wie im Falle der Beklagten den Leiter _______________
63 Im Anschluss an W. Goette, VGR 2008 S. 25 ff. – Urt. v. 16.2.2009, BGHZ 180, 9; vgl. dazu Mutter, ZGR 2009, 788; E. Vetter, NZG 2009, 561; Rieder, GWR 2009, 25; Goslar, DB 2009, 1691; Spindler, LMK 2009, 283053; Staake, EWiR 2009, 461.
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der Hauptversammlung für „berechtigt“ erklärt, über die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern listenweise abstimmen zu lassen, ist dies wirksam und kann keinesfalls auf dem Wege eines Geschäftsordnungsantrages außer Kraft gesetzt werden. Zum Auskunftsrecht der Aktionäre enthält das genannte Urteil ebenfalls einige Klarstellungen zu Angriffen, die in den einschlägigen Prozessen mitunter standardisiert erhoben werden. Entscheidungen im Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG haben für den Anfechtungsprozess keine bindende Wirkung. Informationsmängel muss der anfechtende Aktionär konkret und vor allem innerhalb der Klagefrist von einem Monat benennen. Diesem Erfordernis genügt nicht der Vortrag, der Vorstand habe „eine ganze Reihe von Fragen“ aus einer der Klageschrift beigefügten Frageliste eines Aktionärs nicht oder unzutreffend beantwortet. Und nicht befassen musste sich der Senat mit der mehr als 300 Positionen umfassenden Frageliste des einen der Kläger, die angeblich nicht beantwortet worden war, hinsichtlich derer aber schon nicht klar war, ob die einzelnen Fragen überhaupt in der Hauptversammlung gestellt worden waren. Denn insofern wirkte sich die notwendige Streitgenossenschaft der mehreren Kläger auch zugunsten dieses Aktionärs aus, weil der angegriffene Beschluss schon aus einem anderen Grund zu kassieren war. Diesen durchgreifenden Anfechtungsgrund hat der Senat darin gesehen, dass bezüglich des früheren Vorstandsvorsitzenden und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Breuer eine unrichtige Entsprechenserklärung (§ 161 AktG) abgegeben worden ist, weil weder über den infolge der gegen die Bank und gegen Dr. Breuer gerichteten Schadenersatzklage von Herrn Kirch aufgetretenen Interessenkonflikt, erst recht nicht über dessen Bewältigung entsprechend den Anforderungen des DCGK berichtet worden ist. Damit ist erstmals anerkannt worden, dass Verstöße gegen den DCGK durchaus Sanktionen nach sich ziehen können, obwohl dieses Regelwerk keine Gesetzesqualität besitzt. Der Senat meint, dass der nach § 171 Abs. 2 AktG der Hauptversammlung zu erstattende Bericht nicht unvollständig oder unrichtig sein und die aufgetretenen Interessenkonflikte und den Umgang mit ihnen nicht verschweigen darf. Denn für die Aktionäre, welche in der Hauptversammlung den Mitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat ihr Vertrauen für Vergangenheit und Zukunft aussprechen sollen, ist es nicht gleichgültig, ob solche berichtenswerten Umstände vorgefallen und ob ihnen die Möglichkeit vorenthalten wird, deren Tragweite zu bewerten.
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Der Senat lässt durchblicken, dass ein Verstoß gegen § 161 AktG jedenfalls dann nicht auf die Entlastungsentscheidung durchschlagen muss, wenn der fragliche Umstand allgemein bekannt ist. Das jedenfalls ist einer der Wege, auf denen einer unerwünschten, weit ausgreifenden Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen wegen Nachlässigkeiten im Umgang mit der Entsprechenserklärung begegnet werden kann. Für die Frage, wie die Beklagte mit dem Konflikt intern umgegangen ist, kann der Gesichtspunkt der „Allgemeinkundigkeit“ jedoch nicht greifen, und man kann den Mangel des Berichts und den Verstoß gegen § 161 AktG auch nicht etwa damit beiseite schieben, dass es selbstverständlich sei, dass die Deutsche Bank über die Konsequenzen, die intern zu ziehen sind, ohne Mitwirkung des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds entschieden habe; wollte man diesen Einwand zulassen, wären die Empfehlungen des DCGK über den Umgang mit Interessenkonflikten, die über § 161 AktG auf die rechtliche Ebene transplantiert werden, ohne praktische Bedeutung. Und es verfängt auch der Gesichtspunkt nicht, dass in der Hauptversammlung über diese Umstände berichtet worden ist, weil der Verstoß gegen § 161 AktG gegenüber den nicht erschienen Aktionären damit nicht behoben werden konnte und auch diese – schon für der Entscheidung, ob sie an der Hauptversammlung teilnehmen wollen – ein Recht zu vorgängiger Information besaßen. Wenn ein derart für die Willensbildung über die Entlastung relevanter Verstoß vorliegt, wirkt sich dies nach Ansicht des Senats zu Lasten nicht nur des nach § 171 Abs. 2 AktG berichtenden Aufsichtsrates, sondern zu Lasten aller Organmitglieder aus, die die maßgeblichen Tatsachen kannten, aus denen sich die nunmehr eingetretene Unrichtigkeit der ursprünglich zutreffenden Entsprechenserklärung ergab, und das waren im entschiedenen Fall auch die Vorstandsmitglieder. Damit ist zugleich ausgesprochen worden, dass jede Entsprechenserklärung – soll sie ihren Zweck erfüllen – zu aktualisieren ist, sobald sie nicht mehr dem Verhaltensstandard entspricht, den einzuhalten die Betroffenen für die ganze Gesellschaft vorher zugesagt haben.
4. II ZR 174/08 („UMSCHREIBUNGSSTOPP“)64 In der kürzlich ergangenen Entscheidung „UMSCHREIBUNGSSTOPP“ – nach dem tatsächlichen Hintergrund spielt auch hier die Familie Kirch _______________
64 Urt. v. 21.9.2009, DStR 2009, 2207 – z.V.b. in BGHZ.
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und das Schicksal ihrer Firmengruppe eine Rolle – ging es gleichfalls um Probleme des § 161 AktG; das Urteil behandelt aber außerdem die Namen gebende Frage der Zulässigkeit eines Umschreibungsstopps für Namensaktien im unmittelbaren Vorfeld der Hauptversammlung und – mit umgekehrtem Vorzeichen wie bei „KIRCH/DEUTSCHE BANK“ – die Frage, ob der Versammlungsleiter statt einer Gesamtentlastung die Beschlussfassung auf dem Wege der Einzelentlastung anordnen kann. Der Kläger ist Aktionär der Beklagten mit zwei Namensstückaktien. Beschlüsse der von der Beklagten durchgeführten Hauptversammlungen der Jahre 2006, 2007 und 2008 hat er angegriffen. In dem jetzigen Verfahren geht es um Beschlüsse der Hauptversammlung des Jahres 2006, die der Kläger angegriffen hat, soweit es um die Entlastung des Vorstands (TOP 3) und des Aufsichtsrates (TOP 4) sowie um die Ermächtigung zum Erwerb und zur Verwendung eigener Aktien (TOP 6) geht. Die Satzung der Beklagten enthält in § 5 Abs. 3 eine Vinkulierungsregelung, nach der der Aufsichtsrat über die Erteilung der Zustimmung zur Aktienübertragung zu befinden und der Vorstand sodann die Zustimmung für die Gesellschaft zu erteilen hat. Zur Abkürzung dieses umständlichen und zeitraubenden Verfahrens hat der Aufsichtsrat im Jahr 1986 einen „General“-Beschluss gefasst, nach dem die Zustimmung im Voraus erteilt wird, soweit es nicht um bestimmte Erwerber – u. a. ist die Einzelzustimmung bei einer Übertragung an Wettbewerber vorbehalten – geht. Mit anderen Worten muss nunmehr vor einer Eintragung der Übertragung in das Aktienbuch geprüft werden, ob einer dieser Ausnahmetatbestände, für die generelle Zustimmung nicht gilt, vorliegt. Im Aktienbuch eingetragene und rechtzeitig angemeldete Aktionäre sind nach § 19 der Satzung berechtigt, an der Hauptversammlung teilzunehmen und ihre Stimme abzugeben. Rechtzeitig in diesem Zusammenhang bedeutet, dass die Anmeldung spätestens am fünften Tag vor der Hauptversammlung vorliegen muss. Vor dem Hintergrund dieser beiden Regelungen ist der Text der Einladung zur Hauptversammlung 2006 zu lesen, aus dem der Kläger eine Teilnahmebeschränkung herleiten will, der folgendermaßen lautet: „Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und der Ausübung des Stimmrechts ist jeder im Aktienregister der Gesellschaft eingetragene Aktionär berechtigt, wenn er die Anmeldung zur Teilnahme spätestens am fünften Tag vor der Hauptversammlung, d. h. … spätestens am Freitag, dem 21. April 2006, beim Vorstand der Axel Springer AG schriftlich, per Telefax … oder per E-mail … eingereicht hat. … Ein Anmeldeformular wird unseren Aktionären direkt übersandt.
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W. Goette – Aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH Während der Vorbereitung zur Hauptversammlung können aus arbeitstechnischen Gründen keine Umschreibungen im Aktienregister vorgenommen werden, d. h. Erwerber von Aktien, deren Umschreibungsanträge nach dem 21. April 2006 bei der Gesellschaft eingehen, können daher Teilnahmerechte und Stimmrechte aus diesen Aktien nicht ausüben. … In solchen Fällen bleiben Teilnahme- und Stimmrecht bis zur Umschreibung noch bei dem im Aktienregister eingetragenen Aktionär. Darüber hinaus können Anträge zur Umschreibung des Aktienregisters, die zeitnah vor dem 21. April 2006 bei der Gesellschaft eingehen, im Hinblick auf die erforderliche Überprüfung der Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung zum Erwerb gemäß § 5 Abs. 3 der Satzung gegebenenfalls nicht mehr zu einer rechtzeitigen Eintragung des Erwerbers in das Aktienregister führen, um eine Teilnahme an der Hauptversammlung zu ermöglichen. Sämtliche Erwerber von Aktien der Gesellschaft, die noch nicht im Aktienregister eingetragen sind, werden daher gebeten, Umschreibungsanträge so zeitnah wie möglich zu stellen. Teilnahme- und stimmberechtigt sind die am Tag der Hauptversammlung im Aktienregister eingetragenen und rechtzeitig angemeldeten Aktionäre. …“
Mitglied des Aufsichtsrates der Beklagten war Herr P, welcher – wie dies im Rahmen der sog. „Deutschland“-AG nichts Ungewöhnliches ist – Aufsichtsratsmitglied auch noch bei einer anderen AG, der ProSiebenSat 1 Media, und außerdem Vorstandsvorsitzender einer deren Gesellschafterinnen (H & F) war. In dem fraglichen Zeitraum (im Sommer 2005) hatte der Aufsichtsrat der Beklagten sich mit der Frage einer möglichen Übernahme der ProSiebenSat 1 Media durch Erwerb des von H & F gehaltenen Aktienpakets an dieser Gesellschaft befasst, die beschlossen wurde, im folgenden Jahr aber wegen Bedenken des Bundeskartellamtes aufgegeben werden musste. Herr P hatte sich bei den entsprechenden Beschlüssen der Stimme enthalten. Die Beklagte hat ungeachtet dieser Umstände, die im Lichte von DCGK 5.5.3 zu würdigen sind, im Dezember 2005 die insofern uneingeschränkte – die publizierten Einschränkungen beziehen sich auf vier andere Punkte, die hier nicht interessieren – Entsprechenserklärung nach § 161 AktG abgegeben, sie befolge den DCGK, im Bericht an die Hauptversammlung über den möglichen Interessenkonflikt und seine Bewältigung aber nichts gesagt. Der Kläger greift die genannten Hauptversammlungsbeschlüsse unter verschiedenen Gesichtspunkten an: Er rügt Einladungsfehler und bezieht sich dabei auf den genannten Text betr. die Voraussetzungen der Teilnahme; seiner Meinung nach hat die Beklagte damit gesetzwidrig einen sogenannten „Umschreibungsstopp“
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verhängt. Wegen dieses Fehlers seien sämtliche gefassten Beschlüsse nichtig. Ferner greift der Kläger die Form der Beschlussfassung über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder an. Der Versammlungsleiter hatte für Frau Dr. Springer – unmittelbar und mittelbar Aktionärin der Beklagten – eine Einzelabstimmung angeordnet, für die übrigen Aufsichtsratsmitglieder aber en bloc abstimmen lassen. Das hält der Kläger für unzulässig, weil damit Stimmverbote umgangen würden und der Versammlungsleiter sein Neutralitätsgebot verletzt habe. Schließlich seien die gefassten Beschlüsse auch anfechtbar, wobei hinsichtlich der Entlastung gerügt wird, dass die Entsprechenserklärung unrichtig bzw. unvollständig gewesen sei, weil der Interessenkonflikt von Herrn P und der Umgang mit demselben verschwiegen worden sei. Außerdem beanstandet der Kläger im Zusammenhang mit TOP 6 die Verletzung seines mitgliedschaftlichen Auskunftsrechts, weil die von ihm gestellten Fragen unvollständig oder unrichtig beantwortet worden seien. LG und Kammergericht haben die Klage abgewiesen. Der II. Zivilsenat hat das angefochtene Urteil hinsichtlich der Entlastungsbeschlüsse (TOP 3 und 4) aufgehoben und der Klage insofern in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils stattgegeben, im Übrigen aber das Berufungsurteil bestätigt. Der Senat teilt nicht die Ansicht, der sog. Umschreibungsstopp sei gesetzwidrig. Die Beklagte hat von der Befugnis nach § 123 Abs. 2 AktG Gebrauch gemacht und verlangt deswegen von den teilnahme- und abstimmungswilligen Aktionären, dass sie sich anmelden. Bei Namensaktien, wie sie von der Beklagten ausgegeben worden sind, begründet nach § 67 Abs. 2 AktG die Eintragung in das Aktienregister die unwiderlegliche Vermutung der Aktionärsstellung. Da vor der Eintragung jedenfalls geprüft werden muss, ob eine der Ausnahmen vorliegt, bei deren Vorhandensein der General-Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrates für die Übertragung nicht gilt, bedarf die Gesellschaft einer gewissen Zeit, ehe sie die Umschreibung vornehmen kann. Das schlägt der Natur der Sache nach durch auf die Erstellung der Teilnehmerliste nach § 129 Abs. 1 Satz 2 AktG, die selbstverständlich mit dem Aktienregister übereinstimmen muss, wenn sie ihre Funktion erfüllen soll. Das nicht oder nicht ordnungsgemäß geführte Teilnehmerverzeichnis beschwört die Gefahr herauf, dass Beschlüsse mit Erfolg angefochten werden kön-
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nen. Deswegen ist die ganz h.M., die auch ihren Niederschlag in der Gesetzesbegründung gefunden hat, zutreffend, dass ein solcher Umschreibungsstopp im Interesse der ordnungsgemäßen Durchführung der Hauptversammlung zulässig ist. Dafür kann man sich als Gesellschaft natürlich nicht unbegrenzt Zeit nehmen, überwiegend wird die Siebentagefrist des früheren § 123 AktG als Grenze angesehen. Hier fällt der Umschreibungsstopp mit dem Anmeldeschluss zusammen, das ist fünf Tage vor der Hauptversammlung, also innerhalb der genannten Höchstfrist. Der Kläger meint ferner, es sei eine unzulässige Teilnahmebeschränkung, wenn in dem Einladungsschreiben darauf hingewiesen wird, Umschreibungsanträge sollten möglichst rechtzeitig vor dem Stichtag gestellt werden. Damit versucht er, der aktionärsfreundlichen Vorgehensweise der Beklagten, die teilnahmeberechtigten Personen auf die von ihnen vorzunehmenden Handlungen besonders hinzuweisen, obwohl sich dies eigentlich von selbst versteht, wenn man ein durchschnittlich aufmerksamer Zeitgenosse ist, einen „Strick“ zu drehen. Das geht jedenfalls solange fehl, wie nicht diese Empfehlung irreführend ist. Davon kann hier keine Rede sein. Auch die Angriffe gegen die Einzelentlastung gehen ins Leere. Einzelentlastungsbeschlüsse sind nicht per se verboten, wie sich schon aus § 120 Abs. 1 Satz 2 AktG ersehen lässt. Die Frage kann also nur sein, ob der Versammlungsleiter berechtigt ist, sie autonom anzuordnen oder ob die Voraussetzungen von § 120 Abs. 1 Satz 2 AktG vorliegen müssen. Dem Wortlaut ist für diese Frage nichts zu entnehmen. Der Zweck des § 120, im Interesse der Beschleunigung der Verhandlung eine Gesamtentlastung zuzulassen, zwingt selbstverständlich nicht dazu, von dieser zeitsparenden Möglichkeit Gebrauch zu machen. Aus der Sicht der Aktionäre, die mit ihrer Entschließung für jedes einzelne Mitglied einen Vertrauensbeweis für die Vergangenheit und die Zukunft erbringen, wäre es eigentlich die natürlichere Verfahrensweise, dass über die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Verantwortung durch die einzelnen Mitglieder auch einzeln befunden wird. Der Gesichtspunkt, dass durch eine Verfahrensweise, wie sie hier gewählt worden ist, u. U. einem Aufsichtsratsmitglied, das bei seiner eigenen Entlastung nicht stimmberechtigt ist, die Möglichkeit der Abstimmung bei den anderen Mitgliedern des Gremiums eröffnet wird – der Kläger sieht hier Missbrauchsgefahren –, steht einer gespaltenen Abstimmung über die Entlastung nicht entgegen. Wenn ein Stimm-
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rechtsverbot besteht, kann sich das, wie auch sonst bei Stimmrechtsfehlern, nur auf der Ebene der Erreichung der erforderlichen Stimmenzahl auswirken. M. a. W.: es kommt dann darauf an, ob sich ein etwaiges durch die Einzel- und Gesamtentlastung missachtetes Stimmverbot auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat. Schließlich zur Unrichtigkeit der Entsprechenserklärung: Unstreitig war die Entsprechenserklärung inhaltlich unrichtig, weil die Verwaltungsmitglieder etwas versprochen haben, was sie nicht eingehalten haben. Die Entsprechenserklärung geht dahin, dass nicht nur für die Vergangenheit die gänzliche oder teilweise Befolgung des DCGK, sondern dass auch erklärt wird, wie in Zukunft mit dem Regelwerk umgegangen wird. Wenn hier eine uneingeschränkte „comply“-Erklärung abgegeben wird, wie dies die Beklagte getan hat, muss selbstverständlich Nr. 5.5.3 DCGK eingehalten und in dem der Hauptversammlung nach § 171 Abs. 2 AktG vorgelegten Bericht darüber informiert werden, welche Interessenkonflikte aufgetreten sind und wie man mit ihnen umgegangen ist. Dass diese Regeln verletzt worden sind, hat die Beklagte selbst eingeräumt, indem sie – allerdings vergeblich – versucht hat, in der Hauptversammlung „nachzubessern“. Dass sich solche Fehler bei der Entlastungsentscheidung auswirken können, weil die Abgabe oder das Bestehenlassen einer unrichtigen Entsprechenserklärung einen Gesetzesverstoß darstellt, hat der Senat in der eben referierten Entscheidung „KIRCH/DEUTSCHE BANK“ ausgesprochen. In dem neuen Urteil ist dies – durchaus einschränkend – präzisiert worden. Hier besteht die Unrichtigkeit der Entsprechenserklärung inhaltlich in einer Informationspflichtverletzung. Sie muss für einen objektiv urteilenden Aktionär für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte relevant sein, um die schwere Folge der Anfechtbarkeit auszulösen. Gerade bei der Entlastung muss berücksichtigt werden, dass nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats65 nur eindeutige und schwerwiegende Gesetzesverstöße die Entlastungsentscheidung anfechtbar machen können und deswegen mehr als ein bloßer Formalverstoß, sondern ein Defizit von Gewicht im konkreten Einzelfall vorliegen muss. In diesem Zusammenhang erlangt die zu beachtende Wertung in § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG Bedeutung, es muss ein objektiv urteilender Aktionär die Informationserteilung als Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seines Teilnahme- und _______________
65 BGHZ 153, 47 (51).
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Mitgliedschaftsrechts ansehen. An dieser Relevanz für den Aktionär kann es fehlen, wenn der Interessenkonflikt und seine Behandlung bereits aus allgemeinen Quellen bekannt sind oder beides – etwa wegen Geringfügigkeit – nicht geeignet ist, die Entscheidungen eines objektiv urteilenden Aktionärs zu beeinflussen. Hier war es so, dass der bei Herrn P vorliegende Interessenkonflikt Gewicht hatte. Sein Verschweigen kann auch bei nicht besonders sensiblen Aktionären die Frage aufwerfen, ob die Verwaltungsmitglieder ihre nach Gesetz und Satzung bestehende Verantwortung richtig wahrnehmen, ob sie in der gebotenen Weise den Teilnehmern der Hauptversammlung vollständig und richtig über ihre Amtsführung Rechenschaft ablegen und ob sie deswegen die Kundgabe des Vertrauens verdienen. Zu der auch in diesem Verfahren standardmäßig erhobenen Rüge, das Auskunftsrecht sei verletzt worden, ist bemerkenswert, dass der Kläger Suggestivfragen gestellt hat – etwa: „Wie lautet der Inhalt der Vereinbarung?“ – und dann die Antwort, es gebe keine Vereinbarung, als nicht vollständige Antwort beanstandet hat. Dass man auf diese Weise das wichtige und schützenswerte Informationsrecht der Aktionäre ad absurdum führt, muss nicht näher erklärt werden.
5. II ZR 14/09 („MAN“)66 Soeben, in der Sitzung am vergangenen Montag, spielte § 161 AktG abermals eine Rolle. Nach Meinung des Nichtzulassungsbeschwerdeführers sollte der Senat darüber entscheiden, welche Auswirkungen ein Verstoß gegen in Nr. 5.4.1 und 5.4.2 DCGK niedergelegte Erfordernisse auf die Wahl zum Aufsichtsrat hat. Gerügt wurde die Missachtung der Regeln über die Bewältigung von Interessenkonflikten und Wettbewerbsverboten – in den Vorinstanzen auch noch die Nichtbeachtung der Altersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen und hierzu folgendes bemerkt: „Da das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass der Aufsichtsrat der Beklagten nicht – wie ihm der Kläger vorgeworfen hat – gegen Bestimmungen des DCGK verstoßen hat, kommt es auf die Frage nicht an, ob überhaupt und ggfs. in welchem Umfang eine etwa unrichtige Entsprechenserklärung Auswirkungen auf den Wahlvorschlagsbeschluss des Aufsichtsrates und die nachfolgende Wahl in der Hauptversammlung hat.“
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66 Beschl. v. 9.11.2009.
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Auch dieser Fall zeigt, dass die Anfechtungskläger das Instrument § 161 AktG entdeckt haben und sich auszutesten anschicken, wie weit die Fernwirkung des soft law des DCGK auf die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen reicht.
6. II ZR 170/07 („VORSTANDSDOPPELMANDAT“)67 Die im März erlassene Entscheidung „VORSTANDSDOPPELMANDAT“ betrifft den Streit um ein nach Meinung der klagenden GmbH bestehendes Wettbewerbsverbot in einem faktischen Konzern, aus dem sie Folgerungen für die Besetzung der Leitungspositionen in den beiden beklagten Aktiengesellschaften gezogen wissen will. Im Zentrum des Geschehens steht die Gruner und Jahr AG & Co. KG. Kommanditistinnen dieser KG sind die Beklagte zu 1, die Bertelsmann AG mit 73,4 %, die Klägerin (Constanze) mit 24,6 % und die Komplementärin der KG, die Beklagte zu 2, die Gruner + Jahr AG mit 2 %. Gesellschafterinnen der Gruner + Jahr AG wiederum sind die Klägerin mit 25,1 % und die Beklagte zu 1 mit 74,9 %. Der Aufsichtsrat der GRUNER + JAHR AG hat zwölf Mitglieder, von denen qua Entsenderecht ein Sitz der Klägerin „zusteht“, während ihr ein zweiter Sitz aufgrund einer Absprache zwischen den beiden Gesellschafterinnen zuerkannt ist. Der jeweilige Vorstandsvorsitzende der GRUNER + JAHR AG war üblicherweise zugleich Vorstand der Bertelsmann AG, nahm also ein sog. „Doppelmandat“ wahr. Anlässlich der Berufung und Wiederberufung des seinerzeitigen Vorstandsvorsitzenden der GRUNER + JAHR AG in den Vorstand der Bertelsmann AG entstand Streit zwischen den Parteien um die Zulässigkeit solcher Doppelmandate. Die Klägerin als Minderheitskommanditistin der GRUNER + Jahr KG nimmt für sich das Recht in Anspruch, auf die Bestellung des Vorstandes ihrer Mitkommanditistin entsprechend § 112 HGB Einfluss nehmen zu dürfen, indem sie – negativ – die Zulässigkeit von Doppelmandaten ohne ihre individuell erteilte Zustimmung verneint, m. a. W. also für sich ein Vetorecht beansprucht. Das LG hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Der II. Zivilsenat hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. _______________
67 Urt. v. 9.3.2009, BGHZ 180, 105; vgl. dazu Cahn, WuB II R. § 88 AktG 1.09; Blasche, EWiR 2009, 525; Klöhn/Schaper, LMK 2009, 287721; Böttcher/ Kautzsch, NZG 2009, 819.
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Der von der Klägerin in Anspruch genommene Zustimmungsvorbehalt ergibt sich nicht unmittelbar aus § 112 HGB. Wenn man, wie geboten, revisionsrechtlich als richtig unterstellt, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 ein Wettbewerbsverhältnis besteht, weil sie im gleichen Handelszweig Geschäfte machen, folgt daraus lediglich, dass die Beklagte zu 1 als Mitkommanditistin und Mehrheitsaktionärin der Komplementär-AG Normadressatin eines aus § 112 HGB herzuleitenden Wettbewerbsverbots ist; denn § 165 HGB ist anerkanntermaßen im Wortlaut zu eng68. Das die Gesellschaften nach § 112 HGB treffende Wettbewerbsverbot – also hier die Komplementärin und die Bertelsmann AG – gilt jedoch nicht unmittelbar für deren gesetzliche Vertreter. Die Klägerin kann also nicht präventiv ein Vetorecht gegen die Besetzung der Leitungsposition bei der Mitkommanditistin durch ein Mitglied des Vorstands der Komplementärin auf eine drohende Verletzung des § 112 HGB stützen. Der Senat hat keinen Grund gesehen, ein solches auf ein Vetorecht hinauslaufendes Mitspracherecht der Klägerin aus einer analogen Anwendung des § 112 HGB herzuleiten. Denn die Besetzung von Leitungspositionen ist für sich allein keine Wettbewerbshandlung, fällt also als solche nicht unter § 112 HGB. Allenfalls kann es darum gehen, präventiv dafür zu sorgen, dass es durch die Träger der Doppelmandate nicht zu wettbewerbsrelevanten Handlungen kommt. Und dabei ist es nicht das Doppelmandat als solches, das diese Gefahr begründet, sondern es ist die mögliche Einflussnahme durch die herrschende Gesellschaft, die aber in gleicher Weise auch bei Personenverschiedenheit ausgeübt werden kann. Wirklich entscheidend ist aber, dass gar keine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke besteht, der von der Klägerin in Anspruch genommene Zustimmungsvorbehalt vielmehr mit den Regeln des geltenden Rechts nicht in Einklang steht. Zuständig für die Bestellung der Vorstandsmitglieder wie für die Befreiung von einem Wettbewerbsverbot ist allein der Aufsichtsrat. Ihm ist die Erteilung von Doppelmandaten nicht verboten, sondern erlaubt, wie sich aus § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG entnehmen lässt. Und das gilt in gleicher Weise im Konzern. Eine andere und dann im Einzelfall zu verfolgende Frage ist, ob die betreffenden Mandatsträger ihre jeweiligen Pflichten ordnungsgemäß erfüllen, nämlich bei ihren Entscheidungen die Belange des jeweiligen Pflichtenkreises _______________
68 BGHZ 89, 162 (166) („Heumann/Ogilvy“).
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wahren; keinesfalls ist nämlich mit der Zulassung der hier bekämpften Doppelmandate ein Freibrief dahin gehend verbunden, dass der Doppelmandatsträger berechtigt wäre, seiner Loyalität gegenüber der Konzernspitze den Vorrang einzuräumen. Wenn sogar Beherrschung und Leitung zulässig sind, ist nicht einzusehen, warum die Mitkommanditistin berechtigt sein sollte – am Aufsichtsrat der Bertelsmann AG vorbei, an der sie nicht beteiligt ist – Einfluss auf die Besetzung von deren Vorstand zu nehmen. Das aber beansprucht sie mit ihrer Klage, wenn sie der Bertelsmann AG verbieten will, ohne ihre Zustimmung ein Mitglied des Vorstands der Komplementärin zum Vorstand bei sich zu berufen. Auf der Ebene der Komplementärin dagegen wirkt Constanze über die Bestellungskompetenz (§ 84 AktG) und die Befreiungskompetenz (§ 88 AktG) des Aufsichtsrates, in dem auch sie vertreten ist, daran mit, ob es zu derartigen Doppelmandaten kommt. Dabei gelten die allgemeinen Mehrheitsregeln einschließlich derjenigen des Minderheitenschutzes. Dieser geht jedenfalls nicht so weit, dass der Mehrheitswille unbeachtlich ist, worauf die Argumentation der Klägerin hinausläuft. Auch hier gilt: Es kommt auf die Verhältnisse des Einzelfalls an, ob der von der Mehrheit gefasste Beschluss – ausnahmsweise – nicht gilt. Man kann es auch anders ausdrücken: Ähnlich wie im Fall „SCHUTZGEMEINSCHAFTSVERTRAG II“69 die Minderheit will die Klägerin auch hier in einer Art „Brechstangenlösung“ im Einzelfall möglicherweise auftretende Konflikte und Gefahren präventiv und ohne Differenzierung bekämpft wissen.
7. II ZR 302/06 („WERTPAPIERDARLEHEN“)70 In dem Urteil „WERTPAPIERDARLEHEN“ hatte der Senat über die Frage zu befinden, ob man sich die für ein squeeze out erforderliche Mehrheit auf dem Wege des Wertpapierdarlehens verschaffen kann. In dem Fall lagen 95,11 % der Aktien der beklagten KGaA unmittelbar oder mittelbar in den Händen einer Familie, während die restlichen 4,89 % der Aktien im Streubesitz, u. a. dem der zahlreichen Kläger und Nebenintervenienten, standen. Die L-Beteiligungs-GmbH – sie hielt mehr als 62 % des Kapitals – erwarb darlehensweise die übrigen im _______________
69 Siehe oben IV. 1. 70 Urt. v. 16.3.2009, BGHZ 180, 154; vgl. dazu Bachmann, ZHR 173 (2009), 589 ff.; Ruoff/Marhewka, BB 2009, 1321; Goslar/von der Linden, BB 2009, 1986; Pluskat, DB 2009, 1224; Grunewald, EWiR 2009, 327.
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Familienbesitz stehenden Aktien, u. a. ein Paket von mehr als 30 % von der L-GmbH. Nach den Darlehensbedingungen steht den Darlehensgebern ein etwaiges Bezugsrecht ebenso zu wie die ausgeschüttete Dividende, das Darlehen ist zu verzinsen, der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden. Die Hauptversammlung der Beklagten schloss die Minderheitsaktionäre aus, die Kläger haben diesen Beschluss für nichtig bzw. für anfechtbar gehalten. Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben der Klage entsprochen: Zumindest bei der hier gewählten Gestaltung sei der squeeze out auf dem Wege des Wertpapierdarlehens rechtsmissbräuchlich und nichtig, weil bei wirtschaftlicher Betrachtung die Verleiher sich von den Aktien nicht getrennt, sondern alles behalten hätten. Die weiteren Anfechtungsgründe hat das Berufungsgericht konsequent nicht geprüft. Mit Rücksicht darauf hat der II. Zivilsenat, der die Auffassung des Berufungsgerichts zur Rechtsmissbräuchlichkeit des squeeze out nicht für zutreffend gehalten hat, nicht endgültig entscheiden, sondern die Sache noch einmal an das Oberlandesgericht zurückverweisen müssen. Der Senat hat eine per se eintretende Nichtigkeit verneint. Er meint, dass das Wort „gehören“ in § 327a AktG die formelle Eigentümerposition meint. Da das Wertpapierdarlehen ein Sachdarlehen i. S. von § 607 BGB ist, vermittelt die durch ein solches Darlehen vermittelte Stellung nicht ein „Eigentum 2. Klasse.“ Eine andere Frage ist, ob eine auf diesem formal korrekten Weg geschaffene Stimmmacht sich stets als Gesetzesumgehung darstellt. Auch das haben wir nicht erkennen können. Auf die Art des Erwerbs der Mehrheit von 95 % und dann 100 % und auch auf die Dauer dieser Stellung kommt es richtiger Ansicht nach nicht an, weil der Gesetzeszweck des squeeze out in andere Richtung geht: Eine Minderheit von 5 % soll keinen Bestandsschutz in der AG genießen, weil sie keinen maßgeblichen unternehmerischen Einfluss ausüben kann, aber für die Gesellschaft zu hohem Formalaufwand führt. Diese Zielrichtung ist – wie nicht nur der Senat, sondern auch das Bundesverfassungsgericht entschieden hat – verfassungskonform. Und schließlich hat den Senat auch das Argument der Kläger nicht überzeugt, es müsse sich die Mehrheit von 95 % auf ein Subjekt konzentrieren. Das Gegenteil folgt schon aus den Zurechnungsbestimmungen in § 327a Abs. 2 i. V. m. § 16 Abs. 4 AktG, deren Zweck darin be-
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steht, sich das „Umhängen“ zu ersparen71; dann allerdings kann das Umhängen nichts vom Gesetzgeber schlechthin Missbilligtes sein. Deswegen kommt es in Wahrheit auf eine Prüfung im Einzelfall an, ob die Mehrheit von ihren Befugnissen rechtsmissbräuchlich oder treuwidrig Gebrauch macht, der gefasste Beschluss also anfechtbar ist. Das war im konkreten Fall zu verneinen. Die Haltedauer als Indiz für Rechtsmissbrauch mit der Folge, dass der Hauptaktionär seine „lauteren“ Absichten nachzuweisen hätte, passt nicht dazu, dass nach dem Gesetz eine sachliche Rechtfertigung nicht dargetan werden muss, die Maßnahme vielmehr ihre Rechtfertigung in sich trägt. Wenn man eine solche Haltefrist als Voraussetzung für einen rechtmäßigen squeeze out fordern wollte, müsste er gesetzlich angeordnet werden; gleichzeitig wäre zu klären, wie die Minderheit bei Nichterreichen der Haltefrist ihre Mitgliedschaft wieder erlangen soll. Auch die konkrete Ausgestaltung der Darlehensbedingungen stellt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht als Rechtsmissbrauch dar, weil es für den squeeze out allein auf die Eigentümerstellung ankommt und nicht auf die schuldrechtlichen Abreden der Beteiligten. Und: im konkreten Fall scheidet außerdem auch die als Missbrauchsfall erörterte Gestaltung einer nur zielgerichtet kurzfristigen Schaffung der Mehrheit deswegen aus, weil der Minderheit ein Familienverbund gegenübersteht, der vorher wie nachher – verteilt auf verschiedene „Köpfe“ – die Mehrheit hält. Die – konsequent – nicht geprüften weiteren Anfechtungsgründe, soweit es sich nicht um die sattsam bekannten und vielfältig geklärten Standardrügen gehandelt hat, konnte der Senat nicht sämtlich endgültig bescheiden. Näher eingegangen ist der Senat allerdings auf eine Rüge aus dem inzwischen von den einschlägig bekannten Kreis der Berufsaktionäre entdeckten Feld des Kapitalmarktrechts. Auch hier ist gerügt worden, die Mitteilungspflichten einer der Darlehensgeberinnen nach §§ 21, 22 WpHG seien missachtet worden, so dass die Mehrheitsaktionärin als Darlehensnehmerin keine Rechte aus den entliehenen Aktien ausüben könne. Mit der Hergabe des Wertpapierdarlehens hat die L-GmbH, die vorher über 30 % hielt, die Schwelle des § 21 Abs. 1 WpHG unterschritten, war also meldepflichtig. Die Rechtsfolge nach § 28 WpHG, den Verlust des Stimmrechts, kann die Verletzung der Meldepflicht durch die darlehensgebende L-GmbH bei der darlehensnehmenden L-Beteiligungs-GmbH nicht auslösen, weil § 28 WpHG nur _______________
71 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 327a Rz. 15 m. w. N.
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den Aktionär meint, dem die das etwaige Stimmrecht vermittelnden Aktien gehören; m. a. W.: es soll der Aktionär in seinem Stimmrecht getroffen werden, der der ihn treffenden Mitteilungspflicht nicht nachgekommen ist. § 22 WpHG, der durch Zurechnungsvorschriften eine Erweiterung enthält, passt hier nicht, weil ein Tochter-Mutter-Verhältnis fehlt und ein Halten der Aktien durch die L-Beteiligungs-GmbH für die L-GmbH (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) ausscheidet. § 28 verfolgt keinen Selbstzweck, sondern will nur die – u. U. mittelbare – Stimmrechtsausübung eines Gesellschafters verhindern, der seine Mitteilungspflicht verletzt hat. Die L-GmbH kann aber kraft ihrer Stellung als Entleiherin auf das Stimmverhalten der L-Beteiligungs-GmbH keinen Einfluss ausüben. Ganz anders wäre die Lage, wenn die L-Beteiligungs-GmbH bei Überschreiten der 75 %-Schwelle ihre Mitteilungspflicht verletzt hätte; das ist aber nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall gewesen.
8. II ZR 262/07 („MINDESTAUSGABEBETRAG“)72 Der klagende Verein, Aktionär der Beklagten, hat den zu TOP 9 gefassten Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 5. Mai 2006 – gestuft – angegriffen und eine Reihe von Haupt- und Hilfsanträgen gestellt. Im Kern geht es darum, dass durch den angegriffenen Beschluss die Ermächtigung zur Ausgabe von Options- und/oder Wandelschuldverschreibungen mit korrespondierender bedingter Kapitalerhöhung und zugehörigen Satzungsänderungen erteilt wird und der Kläger dies deswegen für rechtswidrig und gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG verstoßend hält, weil in dem umfangreichen Beschluss lediglich ein Mindestausgabebetrag genannt, aber weder ein bezifferter Ausgabebetrag angeführt wird noch die Grundlagen festgelegt werden, nach denen der Ausgabebetrag zu ermitteln ist. Das Landgericht und das Berufungsgericht sind in diesem Punkt dem Kläger gefolgt. Die zugelassene Revision betrifft vornehmlich die Frage: „Gilt § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG auch im Rahmen des § 221 AktG?“ Daneben beanstandete der Kläger u. a. noch, dass die Art und die Zahl der auszugebenden Aktien nicht bestimmt worden ist, dass die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss fehlerhaft und dass eine Nr. in § 4 der geänderten Satzung doppelt belegt ist. _______________
72 Urt. v. 18.5.2009, ZIP 2009, 1566 – z.V.b. in BGHZ.
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Mit den zuletzt genannten Punkten konnte der Kläger nach Ansicht des Senats nichts erreichen: Die Art der Aktien ist in der Satzung festgelegt, die Zahl der auf das Kapital von 149 Mio. Euro entfallenden Papiere lässt sich unschwer errechnen, der Bezugsrechtsausschluss ist formell und materiell in Ordnung, und die Doppelbelegung eines Absatzes in § 4 der Satzung ist gewiss nicht mehr als ein – im Übrigen bereits behobenes – Versehen. Dagegen hat der Senat zum Kern des Streits die Auffassung des Berufungsgerichts für unzutreffend gehalten. Darin sieht er sich auch durch die damals beabsichtigte und inzwischen in Kraft getretene Änderung des AktG durch das ARUG bestätigt. Der Fehler des Berufungsgerichts besteht darin, dass es einseitig auf den Wortlaut des § 193 AktG geblickt, dessen Zweck obendrein überdehnt und nicht hinreichend berücksichtigt hat, dass der Gesetzgeber zeitlich nach der Schaffung dieser Vorschrift den jetzigen Abs. 2 des § 221 AktG eingeführt hat. Die Intention, ein flexibles Finanzierungsinstrument zu schaffen, wird verfehlt, wenn schon bis zu fünf Jahre im Voraus die Einzelheiten der Kapitalmaßnahme festgelegt werden müssten. Den wesentlichen Zielen – Verwässerungsschutz, Publizität, Werthaltigkeitskontrolle – wird auch dann Rechnung getragen, wenn der Mindestausgabebetrag bestimmt wird. Insofern wird mit der Änderung durch das ARUG nur das nachvollzogen, was für das genehmigte Kapital – wirtschaftlich ist dies ein ähnlicher flexibler Finanzierungsvorgang wie die Begebung von Wandelschuldverschreibungen – anerkanntermaßen („SIEMENS/Nold“) gilt. Dementsprechend muss § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG zurücktreten, soweit bei einer Wandelschuldverschreibung nicht die Hauptversammlung selbst schon die näheren Festlegungen trifft, sondern ein Ermächtigungsbeschluss nach § 221 Abs. 2 AktG mit einer bedingten Kapitalerhöhung verbunden wird.
9. II ZR 80/08 Zu berichten ist über die mündliche Verhandlung vom 28.9.2009 in einem Revisionsverfahren, in dem über die sog. „Endloshaftung“ nach § 303 AktG zu entscheiden gewesen wäre, wenn die Kläger ihr Rechtsmittel nicht zurückgenommen hätten. Die vier Kläger waren Vorstände bzw. Geschäftsleiter von Gesellschaften, die mit der Beklagten in einem Beherrschungsvertrag verbunden waren. Sie sind unstreitig versorgungsberechtigt. Der Beherrschungsvertrag ist zum Ende des Jahres 2004 beendet worden, die anstellenden Ge-
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sellschaften sind teilweise an Dritte veräußert worden, teilweise sind sie umgewandelt worden. Der Streit dreht sich um den Sicherheitsleistungsanspruch der Kläger nach § 303 AktG gegen die Beklagte als ehemals herrschendes Unternehmen. Die Kläger halten eine „Endloshaftung“ für richtig, während die Beklagte für eine zeitliche Begrenzung entsprechend § 160 HGB eintritt. Das Berufungsgericht hat sich an einer älteren zu § 26 KapErhG ergangen Senatsentscheidung73 orientiert, in der der Senat eine Endloshaftung bei einem Mietverhältnis abgelehnt, eine einjährige „Nachhaftung“ aber für unzureichend, vielmehr mindestens drei Jahre für angemessen erachtet und maßgebend darauf abgestellt hat, dass das konkrete Sicherungsinteresse festgestellt werden müsse. Das Berufungsgericht hat gemeint, eine Zeitspanne von zehn Jahren sei angemessen und hat die Beklagte unter Abweisung des weiter gehenden Antrags verurteilt. Die Kläger haben Revision eingelegt, der sich die Beklagte – unselbständig – angeschlossen hat. In der mündlichen Verhandlung hat der Senat das Ergebnis seiner in der Vorberatung angestellten Erwägungen dargestellt und deutlich gemacht, dass er eine entsprechende Heranziehung von § 160 HGB für richtig hält, was zur Folge hat, dass die Revision keinen Erfolg haben konnte, auf die Anschlussrevision aber der zugesprochene Zeitraum um fünf Jahre zu verkürzen wäre. Dem Vorschlag des Senats, unter diesen Umständen die Revision zurückzunehmen und sich mit der für sie günstigen Entscheidung des Oberlandesgerichts abzufinden, zugleich aber der Anschlussrevision den Boden zu entziehen, sind die Kläger gefolgt.
10. II ZR 154/0874 In einem Anfechtungsverfahren gegen einen Entlastungsbeschluss einer in einen Konzern eingebundenen Aktiengesellschaft haben sich die die Kläger u. a. darauf berufen, der Beschluss sei für nichtig zu erklären, weil der Aufsichtsrat eine Vergütungsregelung für die beiden Vorstandsmitglieder getroffen habe, die § 87 AktG widerspreche. Denn bei den variablen Bestandteilen habe man sich nicht an der Lage der Gesellschaft, sondern an den – im konkreten Fall deutlich besseren – Entwicklungen der Muttergesellschaft orientiert; hierin sahen die Kläger einen strukturbedingten Fehlanreiz für Manager, mehr die Interessen der Muttergesellschaft als diejenigen der Gesellschaft zu wahren, deren _______________
73 Urt. v. 18.3.1996 – II ZR 299/94, DStR 1996, 633. 74 Beschl. v. 9.11.2009, DStR 2009, 2692.
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organschaftliche Vertreter sie waren. Beide Tatrichter haben die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat dabei weit ausgreifende Erörterungen zu der Frage angestellt, ob eine solche konzernorientierte Vergütungsregelung gegen § 87 AktG verstößt. Der Senat hat die Nichtzulassungsbeschwerde am vergangenen Montag zurückgewiesen und dies mit folgendem, den üblichen Text ergänzenden Zusatz versehen: „Selbst von dem sich von den Regeln des § 87 AktG a. F. entfernenden Ansatz des Berufungsgerichts kann von einem solchen zur Nichtigkeit des Entlastungsbeschlusses führenden Gesetzesverstoß nicht ausgegangen werden, weil der Aufsichtsrat sich nicht über eine zweifelsfreie Gesetzeslage hinweggesetzt hat; es ist vielmehr in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass umstritten ist, ob und inwieweit im faktischen Konzern die Vergütung des Vorstands einer abhängigen Aktiengesellschaft an der Ertragslage der herrschenden Gesellschaft ausgerichtet werden darf.“
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Bericht über die Diskussion des Referats Goette Dr. Marco Staake Akademischer Rat, Universität Leipzig
I. Personengesellschaftsrecht In der von Altmeppen geleiteten Diskussion im Anschluss an das Referat von Goette rückte zunächst die Entscheidung des II. Zivilsenats zu den Treuepflichten von Gesellschaftern einer Personengesellschaft in Sanierungsfällen1 in den Blickpunkt. Diesbezüglich wies K. Schmidt darauf hin, dass zwar eine Nachschusspflicht der Gesellschafter nicht bestehe, diese aber ungeachtet dessen bei Ausscheiden oder Liquidation der Gesellschaft die angefallenen Verluste zu tragen hätten. Bedeutsam sei in diesem Zusammenhang, ob bei der Bestimmung etwaiger Ausgleichszahlungen eine Sanierungsperspektive oder eine Zerschlagungsperspektive eingenommen werde. Goette erklärte daraufhin, dass insoweit nicht § 735 BGB, sondern § 739 BGB zur Anwendung gelange. Dies führe zu einer Besserstellung der nichtsanierungswilligen und daher zum Ausscheiden verpflichteten Gesellschafter. Im konkreten Fall hätten diese durch das Ausscheiden in finanzieller Hinsicht um circa 40 % besser gestanden als bei einer Liquidation der Gesellschaft. Diese Besserstellung sei ein Grund dafür, dass den nichtsanierungswilligen Gläubigern das Ausscheiden zugemutet werden könne. Sodann griff Altmeppen den von Goette referierten PKH-Beschluss2 auf, in dem der Senat eine Fortgeltung der Eigenkapitalersatzhaftung bei der Umwandlung einer GmbH in eine gesetzestypische KG abgelehnt hatte. Altmeppen wies darauf hin, dass vergleichbare Schutzdefizite auch in anderen Konstellationen auftreten könnten, etwa in einer GmbH & Co. KG beim Auswechseln der Komplementär-GmbH durch eine natürliche Person. Goette entgegnete, dass der II. Zivilsenat die Schutzlücke im _______________
1 BGH, Urt. v. 19.10.2009 – II ZR 240/08, DB 2009, 2596 („Sanieren oder Ausscheiden“). 2 BGH, Beschl. v. 19.10.2009 – II ZR 211/08, NJW-Spezial 2009, 21.
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konkreten Fall durchaus erkannt, ihre Schließung durch eine Ausdehnung des Eigenkapitalersatzrechts jedoch abgelehnt habe. Die Problematik, dass die Eigenkapitalersatzhaftung durch die Umwandlung einer GmbH in eine Personengesellschaft entfallen könne, sei bereits lange bekannt gewesen, ohne dass der Gesetzgeber sich ihrer angenommen hätte. Es sei nicht Aufgabe des Senats, die mutlose Untätigkeit des Gesetzgebers in jedem Fall lückenfüllend zu korrigieren. Auch vor dem Hintergrund der grundlegenden Neugestaltung der gesetzlichen Konzeption des Eigenkapitalersatzrechts sei eine Rechtsfortbildung nicht geboten gewesen. Priester zeigte sich angesichts dieser Zurückhaltung bekümmert und forderte den Senat zu „mehr Mut“ im Umgang mit erkannten Schutzlücken auf. Hierauf entgegnete Goette, dass der Senat nicht generell auf die Lückenschließung verzichten wolle und werde, sondern dies lediglich der konkreten Situation geschuldet war.
II. GmbH-Recht Im GmbH-rechtlichen Teil der Diskussion äußerte zunächst Schäfer Bedenken hinsichtlich der vom II. Zivilsenat in der Entscheidung „Cash Pool II“3 vorgenommen strengen Unterscheidung zwischen verdeckter Sacheinlage und Hin-und-Herzahlen. In den Cash-Pool-Fällen hänge es zumeist vom Zufall ab, ob das Cash-Pool-Konto, auf das die eingelegten Mittel eingehen, einen positiven oder negativen Saldo aufweise und ob eine Forderung gegen die betreffende Gesellschaft bestehe oder nicht. Vorzugswürdig erscheine vielmehr eine Lösung, nach der die Cash-PoolFälle einheitlich behandelt werden, und zwar nach den Regeln für das Hin-und-Herzahlen. Denn für diesen Sonderfall könne man § 19 Abs. 5 GmbHG als die gegenüber Abs. 4 speziellere Norm einordnen, zumal andererseits die unsachgemäße Aufspaltung einheitlicher Sachverhalte drohe. Goette erwiderte, dass eine solche Lösung zwar praktisch sicherlich wünschenswert wäre, aber mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht vereinbar sei. Aus § 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG folge eindeutig, dass das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage vorrangig zu prüfen sei. Abs. 4 der Vorschrift gehe deren Abs. 5 somit vor. Einen eigenständigen Absatz _______________
3 BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07, ZIP 2009, 1561 („Cash Pool II“).
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Staake – Bericht über die Diskussion
für Cash Pools habe der Gesetzgeber in § 19 GmbHG gerade nicht vorgesehen. Die vom Senat vorgenommene Differenzierung sei daher trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten unvermeidlich gewesen. Hinsichtlich der im Referat mehrfach thematisierten4 Problematik rückwirkender Änderungen durch das MoMiG stellte Goette auf Nachfrage Fastrichs klar, dass er den Gesetzgeber grundsätzlich für befugt ansehe, die Regeln der Kapitalaufbringung und -erhaltung auch für bereits verwirklichte Vorgänge abzuändern. Das gelte erst recht, wenn man bedenke, dass der II. Zivilsenat erst 2003 einen entsprechenden Paradigmenwechsel in umgekehrter Richtung mit dem im GmbHRecht entsprechend anzuwendenden § 27 Abs. 3 AktG a. F. vollzogen habe. Auf Hinweis Altmeppens, dass hierdurch auch bereits anhängige Prozesse beeinflusst werden, führte Goette aus, dass namentlich durch die Neufassung des § 19 Abs. 4 GmbHG der bisherigen Behandlung verdeckter Sacheinlagen die Grundlage entzogen worden sei. Mit Inkrafttreten des MoMiG könnten sich daher ursprünglich begründeten Einlageforderungen auch in einem laufenden Prozess durch die nunmehr vorgesehene Anrechnungslösung auf „Null“ reduziert haben. Umgekehrt könnten auch etwaige Widerklagen auf Herausgabe des im Wege der verdeckten Sacheinlage hingegebenen Gegenstandes nachträglich unbegründet geworden sein. In derartigen Fällen könne den Prozessbeteiligten nur der Rat gegeben werden, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Im Übrigen habe der Gesetzgeber im Rahmen des ARUG die Neuerungen auch auf das AktG übertragen, ohne insoweit den im Schrifttum im Hinblick auf die Rückwirkung geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen. Maier-Reimer wies anschließend darauf hin, dass die Rückwirkung auch unter Vertrauensschutzaspekten nicht zu beanstanden sei. Enttäuscht werde allenfalls das Vertrauen in den Ausgang des anhängigen Prozesses. Tatsächlich werde aber gerade das erreicht, was die Parteien ursprünglich bezweckt haben.
_______________
4 BGH, Urt. v. 26.1.2009 – II ZR 260/07, BGHZ 179, 249 („Gut Buschow“); BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 („MPS“).
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III. Aktienrecht Die aktienrechtliche Diskussion kreiste um die jüngste Entscheidung des II. Zivilsenats5 zur Behandlung von Verstößen gegen die Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG. Peltzer wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die vom Deutschen Corporate Governance Kodex empfohlene Information der Hauptversammlung über Interessenkonflikte der Organmitglieder problematisch sei, wenn – wie im vom Senat zu entscheidenden Fall – hochsensible Beratungen geführt werden. Die Offenlegung eines Interessenkonflikts könne im Widerspruch zu Geheimhaltungsvereinbarungen, aber auch zu der Strafvorschrift des § 404 AktG stehen. Insoweit sei es zweifelhaft, ob die entsprechende Kodexempfehlung sinnvoll sei. Goette entgegnete, dass man dem mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex verfolgten soft law-Konzept durchaus skeptisch gegenüber stehen könne. Ungeachtet dessen müsse § 161 AktG als geltendes Recht beachtet werden. Der Senat habe aber versucht, einen Weg aufzuzeigen, wie die Vorschrift mit „Augenmaß“ angewendet werden könne. Goette betonte, dass nicht jedweder Verstoß gegen § 161 AktG zur Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse führe. Hinsichtlich der Kodex-Empfehlung in Ziff. 5.5.3 sei insbesondere die Wertung des § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG zu berücksichtigen, wonach nicht sämtliche, sondern nur für die Entscheidungsbildung der Aktionäre relevante Informationsmängel die Anfechtbarkeit begründen. Im Einzelfall könne gegebenenfalls durch eine Offenlegung von Interessenkonflikten auf anderem Weg dem Informationsinteresse der Aktionäre Rechnung getragen und damit eine Heranziehung von § 161 AktG und ein Durchschlagen zum Beispiel auf den Entlastungsbeschluss vermieden werden.
_______________
5 BGH, Urt. v. 21.9.2009 – II ZR 174/08, ZIP 2009, 2051 („Umschreibungsstopp“).
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Einführungsstatement zum Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) Dr. Holger Seidler Rechtsanwalt, Steuerberater, Berlin Sehr verehrte Mitglieder des Vorstandes, sehr verehrte Damen und Herren, vielen Dank, dass Sie mir erlauben, das Einführungsstatement zu dem Vortrag von Herrn Professor Verse zum Thema „Auswirkungen des BilMoG auf die Regelungen über die Kapitalerhaltung und die Verantwortung für die Kapitalerhaltung“ zu halten. Da ich dem Vortrag von Herrn Professor Verse nichts vorweg nehmen will, werde ich das Einführungsstatement in aller Kürze auf allgemeine Ausführungen zum BilMoG beschränken; dass Ganze in der Hoffnung, dann mehr Zeit für eine Diskussion der von Herrn Professor Verse aufgeworfenen Problempunkte zu haben. Zuerst werde ich auf die Entwicklung des BilMoG eingehen – also die Frage, warum es das BilMoG überhaupt gibt. Danach werde ich die wesentlichen „verbliebenen“ Neuerungen des BilMoG kurz aufführen und abschließend einen Ausblick auf die mögliche künftige Entwicklung geben.
Warum eine Modernisierung? Im ersten Satz der Begründung zum RegE heißt es sinngemäß, dass die Unternehmen in Deutschland eine moderne Bilanzierungsgrundlage benötigen. Hier kann die Frage aufgeworfen werden, warum eine moderne Bilanzierungsgrundlage erforderlich ist. Hätte es nicht ausgereicht, die Abschlussprüfer- und die Abänderungsrichtlinie umzusetzen und im Übrigen alles beim Alten zu lassen? Aus der Sicht der Bundesregierung – der sich der Gesetzgeber letztlich angeschlossen hat – war und ist diese Frage mit einem klaren Nein zu beantworten. Als der Entschluss zur Modernisierung des Bilanzrechts gefasst wurde, waren die IFRS europaweit im Vordringen. Zu denken ist hier an den IFRS-Konzernabschluss für kapitalmarktorientierte Unternehmen, die
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Seidler – Einführungsstatement zum BilMoG
Konvergenzbestrebungen zwischen IASB und FASB und nicht zuletzt auch den IFRS für SME. Darüber hinaus fehlte es an einer internationalen Akzeptanz der HGB-Rechnungslegung. Diese mangelnde Akzeptanz war u. a. darauf zurückzuführen, dass insbesondere die Pensionsrückstellungen in der Handelsbilanz regelmäßig zu niedrig angesetzt wurden, die Bildung von Rückstellungen für Innenverpflichtungen erlaubt war (Aufwandsrückstellungen) und steuerliche Bilanzierungstatbestände aufgrund der Umkehrmaßgeblichkeit Eingang in die Handelsbilanz fanden. Seitens des Mittelstandes wurde vor diesem Hintergrund die Gefahr gesehen, dass die IFRS sich in der Praxis faktisch durchsetzen und das HGB-Bilanzrecht verdrängen oder sogar der IFRS für SME an die Stelle des HGB-Bilanzrechts tritt. Aufgrund der erwarteten Nachteile (höhere Aufstellungskosten; Änderungsgeschwindigkeit der IFRS) wurde daher eine Modernisierung des HGB-Bilanzrechts grundsätzlich befürwortet. Die deutschen kapitalmarktorientierten Konzerne, die bereits über die IFRS-VO zur Rechnungslegung nach den IFRS verpflichtet waren, sprachen sich ebenfalls grundsätzlich für eine Modernisierung aus, und zwar in der Hoffnung auf die Einführung eines befreienden IFRSJahresabschlusses in Verbindung mit einem Solvenztest. Man kann also sagen, dass die zur Rechnungslegung verpflichteten Unternehmen eine Modernisierung des HGB-Bilanzrechts befürwortet haben, dabei aber eine unterschiedliche Vorstellung über den Inhalt der Modernisierung hatten. Mit dem BilMoG war mithin ein Spagat zu vollführen. Auf der einen Seite die IFRS-Annäherung zur Abwehr der IFRS-Rechnungslegung für den Mittelstand und auf der anderen Seite eine Öffnung des HGBBilanzrechts für die IFRS als alternatives Rechnungslegungssystem neben dem HGB-Bilanzrecht für die kapitalmarktorientierten Unternehmen („Wettbewerb der Rechnungslegungssysteme“). Dies vor dem Hintergrund, dass beide Rechnungslegungssysteme unterschiedliche Schwerpunkte aufweisen (Gläubigerschutz/Vorsichtsprinzip versus Information der Abschlussadressaten [Kapitalmarktinformation/optimale Kapitalallokation]). Zudem sollten die Eckpunkte des HGB-Bilanzrechts (Ausschüttungsbemessungsfunktion/Maßgeblichkeit für die steuerliche Gewinnermittlung) beibehalten werden. Mit dem RefE wurde dieser Spagat versucht. Der RefE enthielt – auch in seinem „wording“ – eine starke Annäherung an die IFRS. Zudem wurde
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– nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen – der „befreiende IFRSJahresabschluss“ vorgesehen. Dieser „Testballon“ wurde aber sofort vom Mittelstand angegriffen („Einfallstor der IFRS“) und auch von den kapitalmarktorientierten Unternehmen als nicht weitgehend genug verworfen. Folge der Kritik war eine umfangreiche Umgestaltung des RegE, und zwar weg von den IFRS und wieder stärker hin zu den handelsrechtlichen Grundsätzen. Gleichzeitig wurden aber die Bewertung der Finanzinstrumente zum beizulegenden Zeitwert und auch die Pflicht zur Aktivierung der selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens beibehalten. Aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Turbulenzen am Kapitalmarkt („Finanzkrise“) wurde insbesondere die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert im Bundestag nochmals äußerst kontrovers diskutiert. Hier wurde die Zeitwertbewertung der Finanzinstrumente auf die Kreditwirtschaft beschränkt und mit einer Verpflichtung zur Stärkung des Eigenkapitals verbunden. Zudem wurde die verpflichtende Aktivierung der selbstgeschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens aufgrund kritischer Äußerungen der Experten in der Anhörung am 18.12.2007 in ein Aktivierungswahlrecht umgewandelt. Hier haben sich leider – kontraproduktiv – Partikularinteressen durchgesetzt. Eines der Ziele des BilMoG – das insoweit zumindest teilweise konterkariert wurde – war nämlich gerade die Abschaffung unzeitgemäßer Bilanzierungswahlrechte.
Was bleibt an wesentlichen Punkten übrig? Das BilMoG weist drei Regelungskomplexe auf, die sich teilweise überschneiden und ergänzen. Dies sind der Deregulierungskomplex, der Richtlinienumsetzungskomplex und der Modernisierungskomplex. Deregulierung – Dazu gehören insbesondere die Heraufsetzung der Schwellenwerte und die Befreiung der Einzelkaufleute von der Buchführung und Bilanzierung. Die im RefE noch vorgesehene Befreiung auch der Personenhandelsgesellschaften wurde wegen (vermeintlicher) Probleme mit dem Nachweis der Erbringung der Einlage seitens des Kommanditisten wieder aus dem Gesetz herausgenommen. Richtlinienumsetzung – Hierzu gehören die Umsetzung der Abänderungsrichtlinie (insbesondere Anhang/Lagebericht: außerbilanzielle Geschäfte; nahe stehende Personen sowie Erklärung zur Unternehmens-
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führung) sowie die Umsetzung der Abschlussprüferrichtlinie (Netzwerkdefinition für Abschlussprüfer; Prüfungsausschuss/unabhängiger und sachverständiger Experte). Modernisierung – Hierzu zählen im Wesentlichen die Beseitigung von Ausweis- und Bewertungswahlrechten für den JA und den KA (dazu gehören u. a. auch der verpflichtende Ausweis ausstehender Einlagen und eigener Anteile auf der Passivseite der Bilanz und das Wahlrecht zur Bilanzierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens) sowie die Aufgabe der Umkehrmaßgeblichkeit, die Änderung der Bilanzierung der latenten Steuern, die Änderung des Konsolidierungskreises (Zweckgesellschaften) und die Änderung der Rückstellungsbewertung. Letztlich ist also der im RegE verwandte Satz, dass das BilMoG das bewährte HGB-Bilanzrecht zu einer im Verhältnis zu den IFRS vollwertigen, aber einfacheren Alternative weiterentwickelt, durchaus berechtigt. Das HGB-Bilanzrecht ist zudem weiterhin Grundlage der Ausschüttungsbemessung und der steuerlichen Gewinnermittlung. Eine Änderung der Kapitalerhaltungskonzeption war mit dem BilMoG nicht beabsichtigt.
Wie geht es weiter? In der Begründung zum RegE wird zudem davon gesprochen, dass das HGB-Bilanzrecht nach BilMoG eine dauerhafte Alternative zu den IFRS darstellt. Eine häufig gestellte Frage ist nun, ob das BilMoG nur eine Zwischenstation auf den Weg zu den sog. full IFRS sei. Hierfür muss man wohl letztendlich nach Brüssel schauen. Im Frühjahr 2009 hat die Europäische Kommission ein Konsultationspapier herausgegeben. Danach soll eine Modernisierung der Bilanzrichtlinien in Anlehnung an das BilMoG erfolgen. Fraglich ist, inwieweit der IFRS für SME (IFRS für KMU; IFRS für PE) dabei berücksichtigt wird. Gegenwärtig spricht Vieles dafür, dass mittelfristig zweigleisig weiter verfahren wird, und zwar mit dem HGB-Bilanzrecht für den JA und den KA von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen und den IFRS für den Konzernabschluss kapitalmarktorientierter Unternehmen. Dies gilt umso mehr, als eine Aufgabe des bilanzbasierten Kapitalerhaltungskonzepts (jedenfalls für die AG) – und damit die Einführung eines Solvenztests – nach hier vertretener Auffassung einer Änderung der
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zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie bedarf. Zwar ist der Solvenztest bereits im Recht der Europäischen Privatgesellschaft vorgesehen, jedoch sieht selbst die Europäische Kommission keinen weiteren Handlungsbedarf, da – so wörtlich – „wesentliche Vorteile nicht erkannt werden“. Zudem haben die IFRS infolge der Finanzmarktkrise etwas von ihrer „Strahlkraft“ verloren. Die Idee weltweit einheitlicher Rechnungslegungsstandards ist in einer globalisierten Welt zwar zu begrüßen, letztlich aber wohl nur eine Utopie. Damit komme ich zum Schluss, bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und übergebe an Herrn Professor Verse.
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Auswirkungen der Bilanzrechtsmodernisierung auf den Kapitalschutz Prof. Dr. Dirk A. Verse, M.Jur. (Oxford) Universität Osnabrück I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Zurückdrängung des Vorsichtsprinzips . . . . . . . . . . 1. Betroffene Regelungen . . . . 2. Ausschüttungssperre als Korrektiv (§ 268 Abs. 8 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . b) Einzelfragen . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . III. Streichung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten . . . . . 1. Betroffene Wahlrechte . . . . 2. Auswirkungen auf den Kapitalschutz . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . .
69 69
70 70 74 77 78 78 78 80
IV. Vom Bruttoausweis zum Nettoausweis des gezeichneten Kapitals . . . . . . . . . . . . . 1. Nettoausweis und eigene Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bilanzielle Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf den Kapitalschutz . . . . . . . . . c) Besonderheiten beim Erwerb unter pari? . . . . 2. Nettoausweis und nicht eingeforderte Einlagen . . . a) Bilanzielle Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf den Kapitalschutz . . . . . . . . .
80 81 81 83 87 88 88 89
V. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . 91
I. Einführung Der gesellschaftsrechtliche Kapitalschutz durchlebt gegenwärtig ereignisreiche Zeiten. Zwar ist auf europäischer Ebene der vor allem von Großbritannien ausgehende1 Angriff auf das herkömmliche, in der Kapitalrichtlinie verankerte Kapitalschutzsystem zunächst einmal abgewehrt worden. Die Kommission hat im Anschluss an eine Studie der KPMG2 im Frühjahr 2008 bekanntlich erklärt, die aktuellen euro_______________
1 Reforming Capital, Report of the Interdisciplinary Group on Capital Maintenance („Rickford Group“), European Business Law Review 2004, 919 ff.; eingehend zu der europaweiten Diskussion um das Kapitalschutzsystem zuletzt Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, 2009, S. 37 ff., mit umfangreichen Nachw. 2 KPMG, Feasibility study on an alternative to the capital maintenance regime established by the Second Company Law Directive, 2008, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/capital/index_de.htm.
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päischen Kapitalerhaltungsregeln bis auf weiteres unangetastet zu lassen3. Auf nationaler Ebene ist dagegen in den vergangenen zwölf Monaten gleich eine ganze Reihe von Neuerungen im Bereich des Kapitalschutzes zu verzeichnen, zunächst durch das MoMiG, sodann durch das ARUG und schließlich durch das hier interessierende Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG)4. Das am 29.5.2009 in Kraft getretene BilMoG wird mit Recht allseits als bedeutendste Reform des deutschen Handelsbilanzrechts seit dem Bilanzrichtlinien-Gesetz von 1985 angesehen. Erklärtes Ziel des neuen Gesetzes ist es, das Bilanzrecht des HGB zu einer im Verhältnis zu den internationalen Rechnungslegungsstandards vollwertigen, aber kostengünstigeren und einfacheren Alternative weiterzuentwickeln5. Dies soll dadurch geschehen, dass zum einen – insoweit in Annäherung an die IFRS – die Informationsfunktion des Jahresabschlusses gestärkt wird, zum anderen aber die hohe Komplexität der IFRS vermieden wird6. Die meisten Änderungen gelten erstmals für das nach dem 31.12.2009 beginnende Geschäftsjahr7. Es besteht allerdings ein Wahlrecht, die neuen Vorschriften auch schon im Jahr 2009 vorzeitig anzuwenden; dies muss dann aber vollständig (also nicht nur für einzelne Vorschriften) geschehen8. Dass eine tiefgreifende Reform des Bilanzrechts die Frage nach den Auswirkungen auf den Kapitalschutz provoziert, liegt auf der Hand, da die Kapitalerhaltung nach § 57 AktG und § 30 GmbHG an bilanzielle Größen anknüpft9. Ebenso evident ist, dass eine stärkere Informationsorientierung der Bilanz, wie sie das BilMoG anstrebt, in einem Spannungsverhältnis zu den Belangen des Gläubigerschutzes steht, um die _______________
3 Europäische Kommission, Results of the external study on an alternative to the capital maintenance regime established by the Second Company Law Directive (abrufbar unter dem in Fn. 2 angegebenen Link); dazu Fischer zu Cramburg, NZG 2008, 223. 4 BGBl. I 2009, 1102. 5 Rechtsausschuss, BT-Drucks. 16/12407, S. 1. 6 Rechtsausschuss, BT-Drucks. 16/12407, S. 1 f. 7 Vgl. Art. 66 Abs. 3 EGHGB. 8 Art. 66 Abs. 3 Satz 6 EGHGB. Näher dazu Petersen/Zwirner/Froschhammer, DB 2009, 2277 ff. 9 Anlässlich der Reform des GmbH-Rechts durch das MoMiG 2008 hat der Gesetzgeber noch einmal ausdrücklich hervorgehoben, dass im Rahmen der Kapitalerhaltung auf die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze zurückzugreifen ist; Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41.
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es dem Kapitalschutz geht; denn je mehr die traditionell vorsichtige und damit gläubigerschützende Bilanzierung zugunsten eines höheren Informationsgehalts des Jahresabschlusses zurückgedrängt wird, umso größer scheint auch der Spielraum für Ausschüttungen an die Gesellschafter zu werden. Wie das BilMoG diesen Konflikt auflöst, ist Gegenstand der folgenden Überlegungen. Zur Annäherung an das Thema ist es zweckmäßig, die vielen Neuerungen des BilMoG in drei Gruppen aufzuteilen, die für unser Thema von besonderem Interesse sind. Die erste Gruppe bilden Regelungen, die sich unter der Überschrift „Zurückdrängung des Vorsichtsprinzips“ zusammenfassen lassen (dazu unter II.). In der zweiten Gruppe geht es sodann um Regelungen, durch die bisher bestehende Ansatz- und Bewertungswahlrechte abgeschafft werden (III.). Die dritte Gruppe schließlich betrifft Änderungen beim Ausweis des gezeichneten Kapitals, konkret: den Übergang vom Brutto- zum Nettoausweis bei eigenen Anteilen und nicht eingeforderten Einlagen (IV.). Diese drei Regelungskomplexe wirken sich jeweils auf unterschiedliche Weise auf den Kapitalschutz aus, weshalb sie im Folgenden getrennt voneinander behandelt werden.
II. Zurückdrängung des Vorsichtsprinzips 1. Betroffene Regelungen Zu beginnen ist mit den Regelungen der ersten Gruppe, also der Zurückdrängung des Vorsichtsprinzips. Das traditionelle Vorsichtsprinzip wird zwar in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB10 im Grundsatz beibehalten. Es wird aber punktuell durchbrochen, da einige neue Vorschriften nunmehr eine Bilanzierung gestatten oder gar vorschreiben, die nach bisherigem Recht als zu unvorsichtig galt und deshalb unzulässig war. Hierher gehören namentlich folgende Neuerungen, wobei die Sonderregeln für Kreditinstitute außer Betracht bleiben11: _______________
10 Vgl. auch Art. 31 Abs. 1 lit. c der 4. Richtlinie (Jahresabschlussrichtlinie, 78/660/EWG). 11 Vgl. § 340e Abs. 3, 4 HGB: Bewertung der Finanzinstrumente des Handelsbestands zum Zeitwert (abzüglich eines Risikoabschlags). Diese Regelung sollte ursprünglich nicht nur für Kreditinstitute eingeführt werden (§ 253 Abs. 1 Satz 3 RegE-BilMoG), unter dem Eindruck der Finanzkrise hat man hiervon jedoch wieder Abstand genommen; Rechtsausschuss, BT-Drucks. 16/12407, S. 85.
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(1.) die neu eingeführte Möglichkeit, selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände zu aktivieren (§ 248 Abs. 2 HGB)12; (2.) das Aktivierungswahlrecht für latente Steuern (genauer: latente Steuervorteile; § 274 HGB), das nunmehr auch auf steuerliche Verlustvorträge und damit eine weitere, mit erheblichen Unsicherheiten behaftete Position erweitert wird (§ 274 Abs. 1 Satz 4 HGB)13; (3.) die Bewertung des sog. Planvermögens für die Altersversorgungsverpflichtungen mit dem Zeitwert, auch wenn dieser über die Anschaffungskosten hinausgeht (§ 246 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 253 Abs. 1 Satz 4 HGB)14; und (4.) die Vorgabe, dass nunmehr sämtliche Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr abzuzinsen sind (§ 253 Abs. 2 HGB)15. Im Ergebnis läuft dies auf die Berücksichtigung unrealisierter Gewinne hinaus16, da unterstellt wird, die Gesellschaft werde den Abzinsungsbetrag durch Anlage der in der Rückstellung gebundenen Finanzmittel künftig erwirtschaften17.
2. Ausschüttungssperre als Korrektiv (§ 268 Abs. 8 HGB) a) Grundlagen aa) Nach Lage des Einzelfalls können diese Änderungen zu einem im Vergleich mit dem bisherigen Recht deutlich höheren Eigenkapital und Ergebnis führen. Hätte diese unvorsichtigere Bilanzierung auch ein entsprechend vergrößertes Ausschüttungsvolumen zur Folge, wäre eine nicht unerhebliche Absenkung des Gläubigerschutzniveaus zu erwarten. Genau das will der Gesetzgeber aber vermeiden, weshalb er zu einer Gegenmaßnahme gegriffen hat. In dem neuen § 268 Abs. 8 HGB _______________
12 Bisher galt insoweit ein Aktivierungsverbot (§ 248 Abs. 2 HGB a. F.). 13 Bisher war die Bildung aktiver latenter Steuern auf Verlustvorträge nach h. M. nicht zulässig; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 274 HGB Rz. 28; Hüttemann in Staub, HGB, 4. Aufl. 2002, § 274 Rz. 28. 14 Es wird also ein noch nicht realisierter Wertzuwachs des Planvermögens berücksichtigt und damit das Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 letzter Hs. HGB) durchbrochen. 15 Bisher bestand lediglich ein Abzinsungswahlrecht für den Fall, dass die zugrunde liegende Verbindlichkeit einen Zinsanteil enthielt (§ 253 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 HGB a. F.). 16 Krit. deshalb Schulze-Osterloh, DStR 2008, 63 (70). 17 Vgl. Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 54.
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hat er für drei der vier genannten unvorsichtigen Positionen eine eigene außerbilanzielle Ausschüttungssperre geschaffen, welche die Auswirkungen der großzügigeren Bilanzierung auf den Gläubigerschutz wieder neutralisieren soll. Das Grundkonzept ist einfach: Die betreffenden Positionen werden zwar im Jahresabschluss ausgewiesen, stehen aber für die Gewinnausschüttung nicht zur Verfügung. Anders gewendet: Die Gläubiger, die bislang durch eine vorsichtige Ergebnisermittlung geschützt wurden, sollen künftig im Rahmen der Ergebnisverwendung, nämlich durch Zwangsthesaurierung, Schutz erfahren18. Auf diese Weise soll beides gleichzeitig gelingen: die Stärkung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses einerseits und die Beibehaltung des bisher gültigen Gläubigerschutzniveaus andererseits. bb) Im Einzelnen erstreckt sich die Ausschüttungssperre auf die Summe aus (i) dem Betrag, der für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens aktiviert wurde (abzüglich hierauf gebildeter passiver latenter Steuern19), (ii) dem ausgewiesenen Aktivüberhang der latenten Steuern und (iii) dem Mehrbetrag, der sich aus der Zeitwertbewertung des Planvermögens gegenüber den Anschaffungskosten ergibt (wiederum abzüglich hierauf gebildeter passiver latenter Steuern). Im Unterschied zu anderen gesetzlich angeordneten Thesaurierungen – wie etwa der gesetzlichen Rücklage (§ 150 AktG) – ordnet die neue Vorschrift nicht an, dass der einzubehaltende Betrag in eine eigens hierfür zu bildende Rücklage einzustellen ist, obwohl dies vielleicht näher gelegen hätte20. Vielmehr bewendet es bei der Vorgabe, dass Ausschüttungen nur zulässig sind, wenn auch nach der Ausschüttung noch so viel frei verfügbares Eigenkapital21 verbleibt, dass der ge_______________
18 So bereits Hommelhoff, ZGR 2008, 250 (257 f.); Hennrichs in Winkeljohann/Ull (Hrsg.), Zukunft des Bilanzrechts in Familienunternehmen, 2009, S. 99 (116); Rammert/Thies, WPg 2009, 34 (36). 19 Dadurch soll verhindert werden, dass die passiven latenten Steuern, die für den betreffenden Aktivposten gebildet worden sind und das Ausschüttungspotenzial ohnehin schon verringern, bei der Ausschüttungsbemessung doppelt berücksichtigt werden; Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 64. Im Fall eines Aktivüberhangs von latenten Steuern ist allerdings darauf zu achten, dass die passiven latenten Steuern nicht doppelt von dem gesperrten Betrag abgezogen werden; näher dazu Küting/Seel, DB 2009, 922 (925); Ellrott/F. Huber in Beck Bil-Komm., 7. Aufl. 2010, § 268 HGB Rz. 143. 20 Vgl. Simon, NZG 2009, 1081 (1087); auch schon Funnemann/Kerssenbrock, BB 2008, 2674 (2678). 21 Genauer: frei verfügbare Rücklagen zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags. Zu den freien Rücklagen zählen bei der AG
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sperrte Betrag gedeckt ist. Mangels Ausweis in einer eigenen Rücklage ist der gesperrte Betrag also aus der Bilanz selbst nicht ersichtlich. Stattdessen ist lediglich vorgesehen, dass er im Anhang anzugeben ist (§ 285 Nr. 28 HGB)22. Die Wirkungsweise der Ausschüttungssperre mag folgendes Beispiel illustrieren: Bilanz der A-AG (vor Gewinnverwendung) Aktiva Aktiva
Passiva 300
Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklagen davon frei verfügbar (§ 272 II Nr. 4 HGB)23: 15 Gesetzliche Rücklage Andere Gewinnrücklagen Gewinnvortrag Jahresüberschuss Verbindlichkeiten
__________ 300
100 25
10 40 5 20 100 __________ 300
Anhang: Gesamtbetrag der gegen Ausschüttung gesperrten Beträge i. S. d. § 268 Abs. 8 HGB = 70
In diesem Beispiel könnte ohne die Sperre des § 268 Abs. 8 HGB unter Auflösung der frei verfügbaren Rücklagen maximal ein Betrag von 80 in _______________
die Kapitalrücklagen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, die anderen Gewinnrücklagen nach § 266 Abs. 3 A III 4 HGB und, soweit sie keinen Verwendungsbeschränkungen unterliegen, die satzungsmäßigen Rücklagen nach § 266 Abs. 3 A III 3. Bei der GmbH sind zusätzlich die Kapitalrücklagen nach § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB frei verfügbar; vgl. Ellrott/F. Huber, § 268 HGB Rz. 142. 22 Zu den Einzelheiten der Darstellung im Anhang Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (591). 23 Nach vorzugswürdiger Ansicht ist aus Gründen der Transparenz eine Untergliederung der Kapitalrücklagen in ausschüttungsfähige und -gesperrte Beträge geboten; Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 272 HGB Rz. 60 m. w. N.; a. A. Reiner in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2008, § 272 Rz. 37; von Falkenhausen, NZG 2009, 1096 (1097 mit Fn. 9).
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Bilanzgewinn überführt und nach § 57 Abs. 3 AktG ausgeschüttet werden (15 [freie Kapitalrücklagen] + 40 [freie Gewinnrücklagen] + 5 [Gewinnvortrag] + 20 [Jahresüberschuss] = 80). Unter Berücksichtigung der im Anhang angegebenen Ausschüttungssperre ist jedoch nur ein Betrag von 10 ausschüttungsfähig. Diese Regelungstechnik ist als solche nicht neu; schon im alten Recht gab es ähnliche handelsrechtliche Ausschüttungssperren für die durch das BilMoG abgeschaffte Bilanzierungshilfe für Ingangsetzungs- oder Erweiterungsaufwendungen (§ 269 Satz 2 HGB a. F.) sowie für aktive latente Steuern (§ 274 Abs. 2 Satz 3 HGB a. F.). Die neue Sperre hat demgegenüber aber ein breiteres Anwendungsfeld und deshalb ungleich größere Bedeutung. Der handelsrechtlich gesperrte Betrag ist – so wie schon zu den Sperren des alten Rechts anerkannt – auch im Rahmen des § 30 GmbHG und § 57 AktG aus dem ausschüttungsfähigen Vermögen herauszurechnen24. Wird § 268 Abs. 8 HGB verletzt, liegt daher stets auch ein Verstoß gegen § 30 GmbHG bzw. § 57 AktG vor. Verstößt ein Gewinnverwendungsbeschluss gegen die Ausschüttungssperre, ist er gemäß § 241 Nr. 3 AktG wegen Verletzung einer gläubigerschützenden Vorschrift nichtig25, allerdings grundsätzlich nur in Höhe des von der Sperre erfassten Teilbetrags26. Unter Missachtung der Sperre ausgekehrte Beträge sind gemäß § 31 GmbHG bzw. § 62 AktG zurückzuerstatten, soweit nicht nach diesen Bestimmungen die Gutgläubigkeit des Dividendenempfängers entgegensteht (§§ 62 Abs. 1 Satz 2 AktG, 31 Abs. 2 GmbHG). _______________
24 Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 10. Aufl. 2010, § 30 Rz. 16; ebenso die allg.M. zu §§ 269, 274 HGB a. F., siehe etwa Habersack in Ulmer, GmbHG, 2006, § 30 Rz. 37; Schmolke, Kapitalerhaltung in der GmbH nach dem MoMiG, 2009, § 30 Rz. 68; Schulze-Osterloh in FS Eisenhardt, 2007, S. 505 (507). Gleichsinnig zur Ausschüttungssperre des § 5a Abs. 3 GmbHG bei der UG Hennrichs, NZG 2009, 1161 (1165 f.). 25 Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (590); Hennrichs, NZG 2009, 921 (923); zweifelnd Simon, NZG 2009, 1081 (1085) („anfechtbar, ggf. sogar nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig“). 26 Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (590); Simon, NZG 2009, 1081 (1085); zu § 269 HGB a. F. auch Reiner in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2008, § 269 Rz. 17; für Gesamtnichtigkeit dagegen Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 269 HGB Rz. 24 („in vollem Umfang nichtig“). Die Frage beurteilt sich richtigerweise nach § 139 BGB und damit vorrangig nach dem mutmaßlichen Willen der den Beschluss tragenden Gesellschaftermehrheit. Dieser wird in den hier interessierenden Fällen in aller Regel für Teilnichtigkeit sprechen.
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cc) Flankiert wird die neue Vorschrift durch eine Parallelregelung für die Gewinnabführung im Rahmen von Ergebnisabführungsverträgen. § 301 AktG sieht in seiner neuen Fassung vor, dass gemäß § 268 Abs. 8 HGB gesperrte Beträge auch von der Gewinnabführung auszunehmen sind27. Auf Einzelheiten dieser sog. Abführungssperre kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden28. Erwähnt sei lediglich, dass sie auch bei Unternehmensverträgen zu beachten sein wird, die schon vor Inkrafttreten des BilMoG abgeschlossen wurden. Dies hat bereits zu sorgenvollen Diskussionen darüber geführt, ob Ergebnisabführungsverträge in ihrer zivilrechtlichen und steuerlichen Wirksamkeit bedroht sind, wenn sie noch den Wortlaut des alten § 301 AktG wiedergeben und damit eine Gewinnabführung in einem Ausmaß vorsehen, das nach neuem Recht unzulässig ist. Diese Sorge ist m. E. unbegründet; die betreffenden Klauseln in Altverträgen sind nur insoweit unwirksam, wie sie die Grenze des Zulässigen überschreiten, im Übrigen aber aufrechtzuerhalten, da nur dies dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und die Vermutung der Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB mithin widerlegt ist. Daher ist eine Änderung von Altverträgen zur Anpassung an die neue Rechtslage richtigerweise entbehrlich29. Selbstverständlich ist aber bei der Durchführung dieser Verträge in Zukunft darauf zu achten, dass die Abführungssperre auch dann beachtet wird, wenn sie im Vertragstext nicht zum Ausdruck kommt.
b) Einzelfragen Auch wenn die soeben geschilderte Grundkonzeption der Ausschüttungs- und Abführungssperre ohne weiteres einleuchtet, wirft eine de_______________
27 Für die Ausschüttungssperren nach §§ 269 Satz 2, 274 Abs. 2 Satz 3 HGB a. F. war diese Frage streitig geblieben; vgl. nur Hüttemann in Staub, HGB, 4. Aufl. 2002, § 269 Rz. 19 m. w. N. 28 Insoweit sei verwiesen auf Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 629 ff., und Simon, NZG 2009, 1081 (1085 ff.). Problematisch ist insbesondere die Frage, ob auch vorvertragliche freie Rücklagen und Gewinnvorträge, die zwar an die Aktionäre ausgeschüttet werden können, aber nicht der Gewinnabführung an den anderen Vertragsteil unterliegen (arg. § 301 Satz 2 AktG), zur Deckung des Sperrbetrags herangezogen werden dürfen; wohl zu Recht verneinend Simon a. a. O., 1085 f.; bejahend aber Gelhausen/Althoff a. a. O., 631; Kropff in FS Hüffer, 2010, S. 539 (550 f.). 29 Näher Kieker/Vollmar, DStR 2009, 842 f.; Simon, NZG 2009, 1081 (1086). Ebenso nunmehr Bundesministerium der Finanzen, Schreiben v. 14.1.2010, abgedruckt in DStR 2010, 113.
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tailliertere Analyse doch einige Fragen auf, und zwar sowohl in rechtspolitischer (lit. aa) als auch in rechtspraktischer Hinsicht (lit. bb). aa) Aus rechtspolitischer Sicht mag man sich zunächst fragen, warum der Gesetzgeber nur drei der vier genannten Durchbrechungen des Vorsichtsprinzips mit der Sperre verbunden hat, nicht aber die neue Regelung zur Abzinsung von Rückstellungen30. Der Grund hierfür dürfte darin liegen, dass das BilMoG im Rahmen der Rückstellungsbewertung auch noch gegenläufige Effekte mit sich bringt, die sich rückstellungserhöhend und damit ergebnisbelastend auswirken, namentlich die Berücksichtigung künftiger Preis- und Kostensteigerungen31 sowie eine realitätsgerechtere Bewertung der Pensionsrückstellungen32. Zwingend ist diese Begründung allerdings nicht. Ferner liegt in Bezug auf die aktiven latenten Steuern die Frage nahe, warum nur der die passiven latenten Steuern übersteigende Saldo mit der Ausschüttungssperre belegt worden ist und nicht der Gesamtbetrag der aktiven latenten Steuern vor der Saldierung. Letzteres wäre konsequenter gewesen, da schließlich der gesamte Betrag und nicht nur der Saldo mit Unsicherheiten behaftet ist33. bb) Dringlicher als die rechtspolitische Beurteilung sind aus Sicht des Rechtsanwenders freilich die konkreten Anwendungsprobleme, die sich im Zusammenhang mit der Ausschüttungssperre stellen. Auf zwei Fragenkreise sei kurz hingewiesen34:
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30 De lege ferenda für eine Ausdehnung der Ausschüttungssperre auch auf diese Position Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209; Hennrichs in Winkeljohann/Ull (Hrsg.), Zukunft des Bilanzrechts in Familienunternehmen, 2009, S. 99 (118). 31 Vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB n. F. und dazu Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 10067, S. 52. 32 Der bisher verbreiteten Praxis, Pensionsrückstellungen in Anlehnung an die steuerlichen Vorschriften mit einem vergleichsweise hohen Zinssatz abzuzinsen (vgl. § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG: 6 %), wird durch § 253 Abs. 2 HGB n. F. ein Ende bereitet. 33 Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209 (215); Schulze-Osterloh, DStR 2008, 63 (67 f.); vgl. auch Petersen/ Zwirner, BilMoG, 2009, S. 486. Allerdings ließ schon die bisher h. M. (Hoyos/Fischer in Beck Bil-Komm., 6. Aufl. 2006, § 274 HGB Rz. 10) eine Saldierung zu mit der Folge, dass sich auch die Ausschüttungssperre des § 274 Abs. 2 Satz 3 HGB a. F. nur auf den Aktivsaldo bezog. 34 Zu weiteren Einzelfragen eingehend Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 ff.
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Verse – Auswirkungen der Bilanzrechtsmodernisierung auf den Kapitalschutz
(1) Der erste betrifft die Auswirkungen der Ausschüttungssperre auf das Kompetenzgefüge innerhalb der Aktiengesellschaft. Angenommen, eine AG hat einen Jahresüberschuss von 100, die gesetzliche Rücklage ist voll dotiert, und ein Betrag von 70 unterliegt der Ausschüttungssperre. Dann ist klar, dass maximal ein Betrag von 30 ausgeschüttet werden darf. Aber wer entscheidet über die Verwendung dieser 30? Sofern wie im Regelfall Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluss feststellen, ergibt sich nach dem Wortlaut des § 58 Abs. 2 AktG, dass vom Jahresüberschuss von 100 Vorstand und Aufsichtsrat maximal 50 in andere Gewinnrücklagen einstellen dürfen. Von den verbleibenden 50 kann die Hauptversammlung eine Ausschüttung in Höhe von bis zu 30 beschließen; den Rest muss sie den Rücklagen zuführen oder auf neue Rechnung vortragen35. Wirklich befriedigend ist diese Lösung allerdings nicht. Im Ergebnis führt sie dazu, dass über das Schicksal des ausschüttungsfähigen Betrags von 30 allein die Hauptversammlung entscheidet. Dem Grundgedanken des § 58 Abs. 2 AktG würde es jedoch besser entsprechen, von einer paritätischen Kompetenzaufteilung zwischen Verwaltung und Hauptversammlung auszugehen. Da der Gesetzgeber diese Auswirkung offenbar übersehen hat, stellt sich die Frage, ob sich das genannte Ergebnis im Wege richterlicher Rechtsfortbildung korrigieren lässt. So könnte man erwägen, die Thesaurierungskompetenz der Verwaltung dergestalt zu erweitern, dass bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses der gesperrte Betrag den Gewinnrücklagen zugewiesen wird und dann analog § 58 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 4 AktG nur noch über den Restbetrag paritätisch entschieden wird; in dem Beispiel würden dann Verwaltung und Hauptversammlung jeweils in Höhe von 15 über das Schicksal der ausschüttungsfähigen 30 entscheiden. Problematisch an diesem Lösungsweg ist jedoch, dass damit der gesperrte Betrag (im Beispiel 70) dauerhaft dem Zugriff der Aktionäre entzogen zu werden droht, obwohl die Ausschüttungssperre in den Folgejahren u. U. wieder entfällt36. Man müsste also zugleich sicherstellen, dass die gesperrten Beträge nur so lange dem Zugriff der Aktionäre entzogen werden, wie sie tatsächlich nach § 268 Abs. 8 HGB gesperrt sind. Es ist allerdings _______________
35 Beides ist gleichermaßen zulässig; Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (590); Simon, NZG 2009, 1081 (1084). 36 Z. B. weil ein mit der Sperre belegter Vermögensgegenstand gegen einen anderen eingetauscht wird, für den die Sperre nicht gilt. Auf diesen Gesichtspunkt hat Kropff im Rahmen der Diskussion hingewiesen.
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Verse – Auswirkungen der Bilanzrechtsmodernisierung auf den Kapitalschutz
zweifelhaft, ob sich all dies noch im Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung begründen lässt. Mehr dürfte dafür sprechen, dass es hierfür einer Intervention des Gesetzgebers bedarf37. Bis auf weiteres wird man es daher bei dem eingangs genannten, nicht vollauf befriedigenden Ergebnis belassen müssen38. (2) Eine zweite Unklarheit rankt sich um die Frage, ob die nach § 268 Abs. 8 HGB gesperrten Beträge nur für Ausschüttungszwecke oder auch in anderem Zusammenhang zu neutralisieren sind, soweit Belange des Gläubigerschutzes berührt werden. Was gilt etwa für die Anzeigepflichten bei Verlust des halben Stamm- bzw. Grundkapitals gemäß §§ 49 Abs. 3 GmbHG, 92 Abs. 1 AktG? Sind auch hier die gesperrten Beträge im Rahmen der Vermögensermittlung wieder herauszurechnen? Richtigerweise dürfte das zu verneinen sein; jedenfalls wurde dies für die handelsrechtlichen Ausschüttungssperren des alten Rechts (§§ 269 Satz 2, 274 Abs. 2 Satz 3 HGB a. F.) so gesehen39. Folgt man dem, verschieben sich im neuen Recht durch die großzügigere Aktivierung die Grenzen der Verlustanzeige nach hinten, was eine gewisse Abschwächung des Gläubigerschutzes mit sich bringt.
3. Zwischenergebnis Dieser Befund ändert jedoch nichts an dem Zwischenergebnis, dass die Gefahren für den Gläubigerschutz, die sich aus der punktuellen Zurückdrängung des Vorsichtsprinzips im Rahmen der Ergebnisermittlung ergeben, durch das Instrument der Ausschüttungssperre jedenfalls in weit überwiegendem Umfang aufgefangen werden und insoweit zumin_______________
37 Eine zur Lösung des Problems geeignete gesetzliche Regelung könnte etwa vorsehen, dass eine eigene Rücklage für ausschüttungsgesperrte Beträge zu bilden ist, dass die in diese Rücklage eingestellten Beträge entsprechend § 58 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 4 AktG vorab vom Jahresüberschuss abzuziehen sind und dass die Rücklage bei Wegfall des Anlasses für die Ausschüttungssperre wieder aufgelöst werden muss. Hierdurch würde zum einen die paritätische Kompetenzaufteilung gewahrt und zum anderen sichergestellt, dass temporär ausschüttungsgesperrte Beträge nicht dauerhaft dem Zugriff der Aktionäre entzogen werden. 38 Ebenso Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (589 f., 590 f.); Kropff in FS Hüffer, 2010, S. 539 (541 f.). 39 Förschle/Hoffmann in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, 4. Aufl. 2008, P 41, 48; ebenso zum neuen Recht implizit Pellens/Kemper/Schmidt, ZGR 2008, 381 (402); Hennrichs in Winkeljohann/Ull (Hrsg.), Zukunft des Bilanzrechts in Familienunternehmen, 2009, S. 99 (116 Fn. 49).
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dest keine wesentliche Beeinträchtigung des Kapitalschutzes festzustellen ist.
III. Streichung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten 1. Betroffene Wahlrechte Die zweite eingangs genannte Gruppe von Neuerungen hat die Abschaffung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten zum Gegenstand. Getrieben von dem Grundanliegen, die Informationsfunktion des Jahresabschlusses zu stärken, sieht das BilMoG die Streichung einiger wichtiger Wahlrechte vor, um die bilanzpolitischen Spielräume einzuengen. Hierher gehören namentlich folgende Neuerungen: (1.) die nunmehr zwingende Aktivierung eines entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB)40, (2.) der Wegfall der Abschreibungswahlrechte nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung (§ 253 Abs. 4 HGB a. F.) und bei nur vorübergehender Wertminderung von Gegenständen des Anlagevermögens (§ 253 Abs. 2 Satz 3 HGB a. F.; siehe stattdessen nunmehr § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB), (3.) die Streichung der Wahlrechte für Aufwandsrückstellungen (§ 249 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 HGB a. F.), (4.) die nunmehr zwingende Berücksichtigung von material- und fertigungsbezogenen Gemeinkosten bei der Berechnung der Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 Satz 2 HGB), sowie (5.) – last not least – die Abschaffung des Grundsatzes der umgekehrten Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a. F.), also der Vorgabe, dass die Ausübung steuerlicher Wahlrechte auch in den handelsrechtlichen Jahresabschluss zu übernehmen ist41.
2. Auswirkungen auf den Kapitalschutz Es liegt auf der Hand, dass sich auch durch diese Neuerungen Eigenkapital und Ergebnis im Vergleich zum bisherigen Recht deutlich verbessern können. Gleichwohl hat der Gesetzgeber hier – anders als bei den Neuerungen der ersten Gruppe – keine Ausschüttungssperre als _______________
40 Bisher bestand hierfür ein Ansatzwahlrecht nach § 255 Abs. 4 HGB a. F. 41 Sei es in Form von Sonderabschreibungen (§§ 254, 279 Abs. 2, 281 Abs. 1 Satz 1 HGB a. F.) oder steuerfreien Rücklagen (§§ 247 Abs. 3, 273 HGB a. F.).
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gläubigerschützendes Korrektiv eingeführt. Das ist im Schrifttum teilweise auf Kritik gestoßen. So ist insbesondere gefordert worden, auch den entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert mit einer Ausschüttungssperre zu belegen42. Hierüber kann man rechtspolitisch sicherlich streiten. Mit Blick auf die bisherige Rechtsentwicklung ist es aber zumindest nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber diesen Schritt nicht gegangen ist. Schon nach altem Recht bestand ja die Möglichkeit, den entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert zu aktivieren, was nach ganz überwiegender Ansicht auch zu einer entsprechenden Erhöhung des Ausschüttungspotenzials führte43. Die Gläubiger konnten daher schon bisher nicht verhindern, dass Beträge aus der Aktivierung des Geschäfts- oder Firmenwerts ausgeschüttet werden. Auf die Ausübung des Wahlrechts hatten sie von Gesetzes wegen keinen Einfluss, das Wahlrecht bezweckte keinen Gläubigerschutz. Daher ist es zumindest plausibel, dass sein Wegfall auch nicht durch eine gläubigerschützende Ausschüttungssperre kompensiert wird44. In gleicher Weise lässt sich auch für die Streichung der sonstigen Wahlrechte argumentieren, und zwar einschließlich der steuerlichen Wahlrechte, die infolge der Abschaffung des Grundsatzes der umgekehrten Maßgeblichkeit ihre bisherige Bedeutung für die Handelsbilanz verlieren. Auch diese Wahlrechte beabsichtigten schon bisher keinen Gläubigerschutz, daher wird ihre Streichung auch nicht durch gläubigerschützende Ausgleichsmaßnahmen kompensiert45.
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42 Hennrichs in Winkeljohann/Ull (Hrsg.), Zukunft des Bilanzrechts in Familienunternehmen, 2009, S. 99 (117 f.) unter Hinweis auf sec. 500 (b) (1) California Corporations Code; ferner Moxter, DB 2008, 1514 (1517). Dagegen jedoch Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 152 (156) („zu Recht nicht vorgesehen“); Pellens/Kemper/Schmidt, ZGR 2008, 381 (403). 43 Vgl. Habersack in Ulmer, GmbHG, 2006, § 30 Rz. 35; Heidinger in Michalski, GmbHG, 2002, § 30 Rz. 18; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 30 Rz. 10; a. A. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 30 Rz. 15; unter dem Eindruck des BilMoG nunmehr aber wie die h. M. Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 30 Rz. 12. 44 In diesem Sinne bereits Hommelhoff, ZGR 2008, 250 (258). 45 Hommelhoff, ZGR 2008, 250 (259).
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3. Zwischenergebnis Als zweites Zwischenergebnis lässt sich somit festhalten, dass die vom BilMoG vorgenommene Streichung der genannten Ansatz- und Bewertungswahlrechte nicht mithilfe einer Ausschüttungssperre kompensiert wird, dass dadurch aber das schon bisher geltende zwingende Mindestniveau des Kapitalschutzes nicht tangiert wird. Die Streichung der Wahlrechte wird allerdings dazu führen, dass Unternehmen, die bisher aus eigenem Antrieb unter Ausnutzung der Wahlrechte über das erforderliche Mindestmaß hinaus besonders vorsichtig bilanziert haben, künftig in dieser Möglichkeit eingeschränkt werden46.
IV. Vom Bruttoausweis zum Nettoausweis des gezeichneten Kapitals Schwierige Fragen stellen sich zur dritten und letzten Gruppe, dem Übergang vom Bruttoausweis zum Nettoausweis des gezeichneten Kapitals. Dabei geht es darum, dass – in Annäherung an die IFRS47 – nicht eingeforderte ausstehende Einlagen (§ 272 Abs. 1 Satz 3 HGB n. F.) sowie eigene Anteile (§ 272 Abs. 1a HGB n. F.) nicht mehr aktiviert werden, sondern künftig in der Bilanz vom gezeichneten Kapital abgesetzt werden müssen. In Bezug auf nicht eingeforderte Einlagen konnte dieser sog. Nettoausweis schon bisher gewählt werden (§ 272 Abs. 1 Satz 3 HGB a. F.); insoweit ergibt sich eine Änderung allein daraus, dass er jetzt zwingend vorgeschrieben ist. Hinsichtlich der eigenen Anteile konnte und musste der Nettoausweis dagegen nur ausnahmsweise angewendet werden, nämlich nur bei der AG und nur bei solchen eigenen Aktien, die zur Einziehung erworben wurden oder deren Weiterveräußerung von einem Beschluss der Hauptversammlung abhängig war (sog. eingefrorene Aktien, § 272 Abs. 1 Satz 4–6 HGB a. F.48). _______________
46 Pellens/Kemper/Schmidt, ZGR 2008, 381 (418). 47 Zur Bilanzierung ausstehender Einlagen nach IFRS etwa Pellens/Fülbier/ Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 7. Aufl. 2008, S. 483 (keine Aktivierung, sondern Abzug vom gezeichneten Kapital). Zur Bilanzierung eigener Anteile nach IFRS (IAS 32.33 f.) Pellens/Fülbier/Gassen/ Sellhorn a. a. O., S. 490–492; Förschle/Kroner in Beck Bil-Komm., 7. Aufl. 2010, § 272 HGB Rz. 493 ff. (keine Aktivierung, sondern Abzug vom Eigenkapital; die IFRS präzisieren aber nicht, in welcher Weise der Abzug innerhalb des Eigenkapitals darzustellen ist); ausführlicher Kirsch, StuB 2005, 9 ff. 48 Eingeführt durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 30.4.1998, BGBl. I 1998, 786.
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1. Nettoausweis und eigene Anteile a) Bilanzielle Auswirkungen Die Auswirkungen des Übergangs zum Nettoausweis bei der Bilanzierung eigener Anteile veranschaulicht folgendes Beispiel, in dem eigene Anteile im Nennbetrag von 10 zum Kaufpreis von 25 erworben werden: Vor Erwerb eigener Anteile Aktiva Aktiva
Passiva
Nach Erwerb eigener Anteile Nach Erwerb eigener Anteile Bruttoausweis Nettoausweis Aktiva
230 GezeichneEigene tes Kapital 100 Anteile
Passiva
GezeichneAktiva 25 tes Kapital 100
Rücklage Sonstige für eigene Aktiva 205 Anteile Andere Gewinnrücklagen Verbindlichkeiten
Aktiva
30
Andere Gewinnrücklagen
100
Verbindlichkeiten
Passiva 205 Gezeichnetes Kapital 100 ./. Nennbetrag eig. Anteile 10 Ausg. Kapital
25
90 90
5
Andere Gewinnrücklagen
15
100
Verbindlichkeiten
100
_______
_______
_______
_______
_______
_______
230
230
230
230
205
205
Die beiden mittleren Spalten zeigen die Auswirkungen des Erwerbs eigener Anteile nach dem bisherigen Bruttoausweis. Auf der Aktivseite wurden die eigenen Anteile mit ihren Anschaffungskosten angesetzt, der Kassenbestand reduzierte sich entsprechend. Auf der Passivseite musste aus frei verfügbarem Eigenkapital eine gleich hohe gebundene Rücklage für eigene Anteile gebildet werden (§ 272 Abs. 4 HGB a. F.). Im Ergebnis bedeutete dies, dass sich das ausschüttungsfähige Vermögen um den vollen Kaufpreis der eigenen Anteile reduzierte. In unserem Beispiel führt das dazu, dass nur noch ausschüttungsfähiges Vermögen in Höhe von 5 vorhanden ist (statt 30 vor dem Erwerb). Die beiden rechten Spalten bilden demgegenüber die Bilanz unter dem künftig geltenden Nettoausweis ab. Der neue § 272 Abs. 1a HGB sieht
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vor, dass auf der Passivseite der Nennbetrag49 der eigenen Anteile (im Beispiel 10) vom gezeichneten Kapital in der Vorspalte offen abgesetzt wird; das Ergebnis dieser Subtraktion kann man als „ausgegebenes Kapital“ bezeichnen50. Zudem ordnet die neue Vorschrift an, dass der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem Nennbetrag der eigenen Anteile mit den frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen ist (§ 272 Abs. 1a Satz 2 HGB)51. In unserem Beispiel beträgt dieser Unterschiedsbetrag 15 (Kaufpreis 25 ./. Nennbetrag 10). Daher verringern sich die anderen Gewinnrücklagen um diesen Betrag von 30 auf 15. Auf der Aktivseite werden die eigenen Anteile nicht mehr ausgewiesen; dementsprechend entfällt auch die hierfür gebildete Rücklage52. Anstelle der tatsächlichen Bildung einer Rücklage für eigene Anteile verlangen § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG und § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG n. F. nur noch, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs aus freien Mitteln eine hypothetische Rücklage in Höhe der Anschaffungskosten bilden könnte, dass also der Erwerb aus ausschüttungsfähigem Vermögen erfolgt53. Der Übergang zum Nettoausweis beruht auf der Überlegung, dass der Rückkauf eigener Anteile bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht als Erwerb eines Vermögensgegenstands, sondern als Auskehr von Gesell-
_______________
49 Bei Stückaktien tritt an die Stelle des Nennbetrags der „rechnerische Wert“ (§ 272 Abs. 1a HGB), also der anteilige Betrag des Grundkapitals i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 3 AktG. 50 So der Vorschlag von Förschle/Hoffmann in Beck Bil-Komm., 7. Aufl. 2010, § 272 HGB Rz. 131. 51 Zum Begriff der frei verfügbaren Rücklagen siehe oben Fn. 21. Falls im Zeitpunkt der Bilanzierung die frei verfügbaren Rücklagen und das Jahresergebnis nicht zur Verrechnung ausreichen sollten, muss die Verrechnung zu Lasten eines Bilanzverlusts vorgenommen werden; Adler/Düring/Schmaltz, Ergänzungsband zur 6. Aufl., 2001, § 272 HGB nF Rz. 20–22; Förschle/Hoffmann in Beck Bil-Komm., 7. Aufl. 2010, § 273 HGB Rz. 133. 52 Das ist gemeinschaftsrechtlich unbedenklich, da Art. 22 Abs. 1 lit. b der Kapitalrichtlinie (77/91 EWG) die Rücklage nur für den Fall vorschreibt, dass eigene Aktien aktiviert werden. 53 In diesem Rahmen ist wiederum die neue Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB zu beachten; vgl. Förschle/Hoffmann in Beck Bil-Komm., 7. Aufl. 2010, § 272 HGB Rz. 133; ausführlich Kropff in FS Hüffer, 2010, S. 539 (545–547).
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schaftsvermögen an die Anteilseigner anzusehen ist54. In der Tat war die bisherige Aktivierung der eigenen Anteile fragwürdig, da diese in den Händen der Gesellschaft keinerlei Mitgliedschaftsrechte vermitteln, sondern im Grunde nur eine wertlose Rechtshülse darstellen55. Auch die Möglichkeit, die Anteile wieder zu veräußern, ändert daran nichts56. Letztlich kam die Wertlosigkeit eigener Anteile auch schon im alten Recht zum Ausdruck, da ihre Aktivierung durch die gleich hohe gebundene Rücklage wieder vollständig neutralisiert wurde. Vor diesem Hintergrund ist der nun vollzogene Übergang zum passivischen Bilanzausweis jedenfalls im Grundansatz konsequent57.
b) Auswirkungen auf den Kapitalschutz Welche Auswirkung hat nun diese Neuregelung auf den Kapitalschutz? Im Vergleich zum bisherigen Recht zeigt sich, dass die anderen Gewinnrücklagen unter dem Nettoausweis in der Ausgestaltung durch das BilMoG höher ausfallen als nach dem bisherigen Bruttoausweis (im Beispiel 15 unter dem Nettoausweis anstatt 5 unter dem Bruttoausweis). _______________
54 Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 65 f. Diese Sichtweise ist insbesondere in den US-amerikanischen Gesellschaftsrechtsordnungen seit langem herrschend; vgl. etwa § 1.40 (6) Revised Model Business Corporations Act; Moye, The Law of Business Organizations, 6. Aufl. 2004, S. 395; T. Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, Rz. 88; Benckendorff, Erwerb eigener Aktien im deutschen und US-amerikanischen Recht, 1998, S. 106 f. 55 Näher dazu T. Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, Rz. 54 ff.; T. Bezzenberger in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 71 Rz. 5; Hirsch, Der Erwerb eigener Aktien nach dem KonTraG, 2004, S. 231 ff.; Seidler, Eigene Aktien, 2004, S. 26 ff.; jeweils m. w. N.; str., a. A. etwa Kropff, ZIP 2009, 1137 (1140) („ein im Prinzip fungibler Wert wie die anderen Vermögensgegenstände der Aktivseite“). 56 Treffend T. Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, Rz. 55: „[Die] Wiederveräußerungsmöglichkeit gibt der Gesellschaft nichts, was sie nicht schon hat, denn sie kann von Haus aus jederzeit Kapital gegen Ausgabe neuer Aktien aufnehmen und braucht dazu keine schon vorhandenen Aktien zu erwerben.“ Ebenso T. Bezzenberger in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 71 Rz. 5; Hirsch, Der Erwerb eigener Aktien nach dem KonTraG, 2004, S. 233 f.; Seidler, Eigene Aktien, 2004, S. 27. 57 Vgl. schon T. Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, Rz. 92 ff.; Seidler, Eigene Aktien, 2004, S. 118–120. Zur Kritik an der konkreten Ausgestaltung der neuen Regelung siehe aber noch unten im Text zu Fn. 65 ff.
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Die Differenz von 10 entspricht genau dem Nennbetrag der eigenen Anteile. Der Grund für diese Differenz liegt darin, dass nach neuem Recht nur der Unterschiedsbetrag zwischen Kaufpreis und Nennbetrag mit den frei verfügbaren Rücklagen verrechnet wird, während nach altem Recht der gesamte Kaufpreis in eine gebundene Rücklage zu überführen war. Diese Beobachtung wirft die Frage auf, ob nach neuem Recht die Gewinnrücklage nunmehr in voller Höhe von 15 (statt bisher 5) an die Gesellschafter ausgeschüttet werden kann. Träfe dies zu, wäre im Vergleich zum alten Recht eine Absenkung des Kapitalschutzniveaus zu konstatieren. In Teilen des Schrifttums wird genau dies angenommen58. Dem ist jedoch m. E. aus einer Reihe von Gründen nicht zu folgen, und zwar weder für die GmbH (lit. aa) noch für die AG (lit. bb). aa) Was die GmbH anbetrifft, so spricht bereits der Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gegen ein derart erweitertes Ausschüttungspotenzial. Nach dieser Vorschrift muss wie bisher das „Stammkapital“ gedeckt sein und nicht nur das ausgegebene Kapital. In unserem Beispiel beträgt das Nettoaktivvermögen (also Aktiva ./. Verbindlichkeiten) 105, das Stammkapital 100. Daher ist nach dem Wortlaut des § 30 GmbHG wie nach altem Recht nur ein Betrag von 5 ausschüttungsfähig, mögen auch die anderen Gewinnrücklagen verwirrenderweise einen Betrag von 15 ausweisen. An dieser wortlautgetreuen Lösung sollte auch in Zukunft festgehalten werden59. In den Gesetzesmaterialien finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sich durch den Übergang vom Brutto- zum Nettoausweis die Ausschüttungsgrenzen verschieben sollten. Zudem würde die Gegen_______________
58 Eingehend Kropff, ZIP 2009, 1137 (1140–1142, insb. 1141 oben [AG], und 1143 f. [GmbH]). Einschränkungen will Kropff nur vornehmen, wenn die eigenen Anteile unter pari erworben werden oder im Wert unter ihren Nennbetrag absinken. Von einer Erweiterung des Ausschüttungspotenzials geht auch der Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft aus, BB 2008, 209 (215) (zum RefE-BilMoG und mit der Aufforderung an den Gesetzgeber, dieses Ergebnis im Gesetzgebungsverfahren noch zu korrigieren). Dieselbe Prämisse findet sich bei Hirsch, Der Erwerb eigener Aktien nach dem KonTraG, 2004, S. 249 ff., der die entstehende Lücke im Gläubigerschutz durch eine Pflicht zur Sicherheitsleistung analog § 22 UmwG zu schließen sucht. 59 Ebenso Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 33 Rz. 28; Förschle/Hoffmann in Beck Bil-Komm., 7. Aufl. 2010, § 272 HGB Rz. 136; trotz Zweifeln im Ergebnis auch Rodewald/Pohl, GmbHR 2009, 32 (34 f.).
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ansicht zu unerklärlichen Wertungswidersprüchen führen. Wäre es möglich, neben den 25, die bereits als Kaufpreis an die Gesellschafter ausgekehrt wurden, nun nochmals 15 an die Gesellschafter auszuschütten, würde damit insgesamt ein Betrag von 40 an die Gesellschafter ausgekehrt, obwohl vor dem Erwerb der eigenen Anteile doch nur frei verfügbare Rücklagen von 30 zur Verfügung standen. Daran zeigt sich, dass die ganze Operation im wirtschaftlichen Ergebnis auf eine Kapitalherabsetzung hinausläuft60. Eine solche ist aber nach dem ausgefeilten System der §§ 58 ff. GmbHG nur um den Preis besonderer Sicherungen für die Gläubiger zu haben, an denen es hier gerade fehlt61. bb) Nichts anderes kann für die AG gelten, für die sich das Problem in einzelnen Fällen schon bisher stellte, nämlich in Bezug auf die erwähnten „eingefrorenen“ Aktien, für die schon das KonTraG zum Nettoausweis übergegangen war62. Zwar lässt sich hier die Lösung nicht schon aus dem Wortlaut des § 57 AktG ablesen63. Auch hier gilt aber, dass eine Absenkung des Kapitalschutzniveaus ersichtlich nicht der gesetzgeberischen Intention entspricht und die Vorschriften über die Kapitalherabsetzung (§§ 222 ff. AktG) nicht ausgehöhlt werden dürfen. Letzteres wäre in der AG im Übrigen auch mit der Kapitalrichtlinie nicht vereinbar64. Davon abgesehen wäre es auch ein wenig einleuchtendes Er_______________
60 Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209 (215); Rodewald/Pohl, GmbHR 2009, 32 (34); Schön, JbFSt 2008, 253. 61 Daneben lässt sich noch ein weiteres Argument anführen. Für Anteile an einem Mutterunternehmen muss wie im alten Recht weiterhin eine gebundene Rücklage gebildet werden (§ 272 Abs. 4 HGB). Insoweit wird das bisherige Kapitalschutzniveau also ausdrücklich aufrechterhalten. Es wäre widersprüchlich, wenn der Kapitalschutz schwächer ausfiele, wenn die Gesellschaft ihre eigenen Anteile erwirbt. 62 Aus der Diskussion zum KonTraG (§ 272 Abs. 1 Satz 4–6 HGB a. F.) im gleichen Sinne wie hier T. Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, Rz. 109 ff.; zum neuen Recht vgl. jetzt auch Förschle/Hoffmann in Beck Bil-Komm., 7. Aufl. 2010, § 272 HGB Rz. 134. 63 § 57 Abs. 3 AktG stellt auf den Bilanzgewinn ab. Grundsätzlich können andere Gewinnrücklagen aufgelöst und in Bilanzgewinn überführt werden; dieser wäre dann gemäß § 57 Abs. 3 AktG ausschüttungsfähig. 64 Die Kapitalrichtlinie (77/91/EWG) in der Fassung durch die Änderungsrichtlinie von 2006 (2006/68/EG) enthält für die AG in Art. 30–38 detaillierte Vorgaben für Kapitalherabsetzungen, die Beeinträchtigungen des Gläubigerschutzes zu verhindern suchen. Hinzuweisen ist insbes. auf Art. 37 Abs. 2; danach muss bei einer Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien, welche die Gesellschaft aus frei verfügbaren Mitteln erworben hat, in Höhe des Herabsetzungsbetrags eine Rücklage gebildet werden, die nicht an die
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gebnis, wenn der Kapitalschutz in der AG insoweit schwächer ausfiele als in der GmbH. cc) Im Ergebnis lässt sich somit für GmbH und AG gleichermaßen festhalten, dass zwar nach neuem Recht die anderen Gewinnrücklagen um den Nennbetrag der eigenen Anteile höher ausgewiesen werden als nach altem Recht, dass aber dieser Differenzbetrag nicht ausschüttungsfähig ist. Daher ist mit dem Übergang zum Nettoausweis keine Absenkung des Kapitalschutzniveaus verbunden. Festzuhalten ist allerdings, dass die neue bilanzielle Darstellung unter dem Gesichtspunkt der Transparenz alles andere als gelungen ist65. Es wird eine andere Gewinnrücklage ausgewiesen, die aber in Höhe des Nennbetrags der eigenen Anteile nicht ausschüttungsfähig ist. Diese zusätzliche Ausschüttungssperre lässt sich der Bilanz nur mittelbar entnehmen, nämlich durch Betrachtung der Vorspalte zum Posten gezeichnetes Kapital, aus der sich der Nennbetrag der eigenen Anteile ergibt. Um die gebotene Transparenz herzustellen, muss m. E. ähnlich wie bei den nach § 268 Abs. 8 HGB gesperrten Beträgen zumindest im Anhang dargelegt werden, dass die ausgewiesenen anderen Gewinnrücklagen in Höhe des Nennbetrags der eigenen Anteile nicht ausschüttungsfähig sind66. De lege ferenda hätte sich übrigens eine wesentlich einfachere Lösung angeboten. Sie bestünde darin, den gesamten Kaufpreis für die eigenen Anteile von den anderen Gewinnrücklagen abzuziehen und das gezeich-
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Gesellschafter ausgeschüttet werden darf. Im deutschen Recht entspricht dem § 237 Abs. 5 AktG, der die Bildung einer Kapitalrücklage vorschreibt. Es wäre ungereimt, wenn diese Ausschüttungssperre erst im Zeitpunkt der Einziehung eingreifen würde, im davor liegenden Zeitraum zwischen Rückerwerb der eigenen Anteile und Einziehung der vom gezeichneten Kapital abgesetzte Betrag aber ausgeschüttet werden könnte; näher dazu T. Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, Rz. 111. 65 Krit. auch Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 33 Rz. 28; Rodewald/Pohl, GmbHR 2009, 32 (35); zu § 272 Abs. 1 Satz 4–6 HGB a. F. bereits T. Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, Rz. 108 ff. 66 Ebenso zu § 272 Abs. 1 Satz 4–6 a. F. T. Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, Rz. 112; strenger insoweit jüngst Förschle/Hoffmann in Beck Bil-Komm., 7. Aufl. 2010, § 272 HGB Rz. 134: Pflicht zur Bildung einer gesonderten Rücklage analog § 237 Abs. 5 AktG in Höhe des vom gezeichneten Kapital abgesetzten Betrags.
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Verse – Auswirkungen der Bilanzrechtsmodernisierung auf den Kapitalschutz
nete Kapital unberührt zu lassen67. Auf diese Weise wird etwa in Großbritannien verfahren68. Die nun durch das BilMoG entstandenen Zweifelsfragen hätten sich dann von vornherein vermeiden lassen.
c) Besonderheiten beim Erwerb unter pari? In unserem Beispiel wurde unterstellt, dass der Kaufpreis für die eigenen Anteile über dem Nennbetrag liegt. Im gegenteiligen Fall (Erwerb unter pari) gilt mutatis mutandis das Gleiche. Auch hier wird der Nennbetrag der zurück erworbenen eigenen Anteile vom gezeichneten Kapital abgesetzt und der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem Nennbetrag mit den frei verfügbaren Gewinnrücklagen verrechnet. Im Fall des unter-pari-Erwerbs führt das dazu, dass sich die anderen Gewinnrücklagen nicht reduzieren, sondern erhöhen69. Eine Vergrößerung des Ausschüttungsvolumens im Vergleich zum alten Recht tritt dadurch aber ebenso wenig ein wie beim Erwerb über pari, da die Gewinnrücklagen aus den unter IV. 1. b) genannten Gründen auch hier wieder
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67 Wie hier T. Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, Rz. 113 f.; Seidler, Eigene Aktien, 2004, S. 129 f., 140. Zu weiteren Lösungsansätzen de lege ferenda einerseits Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209 (215) (Anlehnung an § 237 Abs. 5 AktG, d. h. Absetzung des Nennbetrags der eigenen Anteile vom gezeichneten Kapital und Einstellung des abgesetzten Betrags in eine Sonderrücklage); andererseits Hayn/Prasse/Reuter/Weigert in Küting/Pfitzer/Weber (Hrsg.), Das neue deutsche Bilanzrecht, 2. Aufl. 2009, S. 309 f. (eigene negative Eigenkapitalposition in Höhe der Anschaffungskosten der eigenen Anteile entsprechend der in der internationalen Rechnungslegung üblichen „Anschaffungskostenmethode“). 68 Vgl. Department of Trade and Industry (DTI), Treasury Shares, URN 01/500, 2001, para. 2.23; Morse, Journal of Business Law (J.B.L.) 2004, 303 (310) zu sec. 162 (2B) Companies Act 1985 (nunmehr sec. 724 (1) (b) Companies Act 2006). 69 Förschle/Hoffmann in Beck Bil-Komm., 7. Aufl. 2010, § 272 HGB Rz. 131; Seidler, Eigene Aktien, 2004, S. 127 (jeweils zu § 272 Abs. 1 Satz 6 HGB a. F.); a. A. insbes. Kropff, ZIP 2009, 1137 (1141), der sich im Interesse des Kapitalschutzes trotz des entgegenstehenden Gesetzeswortlauts für eine Einstellung des Unterschiedsbetrags in eine gebundene Rücklage ausspricht. Nach der hier vertretenen Ansicht ist dies entbehrlich, da dem Kapitalschutz bereits dadurch Rechnung getragen wird, dass die anderen Gewinnrücklagen in Höhe des vom gezeichneten Kapital abgesetzten Nennbetrags der eigenen Anteile ausschüttungsgesperrt sind; siehe oben unter IV. 1. b).
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Verse – Auswirkungen der Bilanzrechtsmodernisierung auf den Kapitalschutz
in Höhe des Nennbetrags der eigenen Anteile ausschüttungsgesperrt sind70.
2. Nettoausweis und nicht eingeforderte Einlagen a) Bilanzielle Auswirkungen Ähnliche Beobachtungen wie für die eigenen Anteile lassen sich auch für den Nettoausweis der nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen machen. Nach § 272 Abs. 1 Satz 3 HGB n. F. sind künftig die nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen stets vom gezeichneten Kapital abzusetzen; das bisherige Wahlrecht entfällt. Durch den Abzug auf der Passivseite entfällt der korrespondierende Aktivposten. Die bilanziellen Auswirkungen zeigt folgendes Beispiel: Bruttoausweis
Nettoausweis
Aktiva
Passiva
Ausstehende Einlagen 50
Gezeichnetes Kapital
Aktiva
Passiva
Eingeforderte 100 Einlagen 10
Gezeichnetes Kapital 100 ./. Nicht eingef. Einlagen 40
davon eingefordert: 10
Eingef. Kapital
Sonstige Aktiva
250 ______ 300
60 60
Andere Gewinnrücklagen 20
Andere Gewinnrücklagen 20
Verbindlichkeiten
Verbindlichkeiten
Sonstige 180 Aktiva 250 ______ ______ 300
260
180 ______ 260
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70 Beispiel: Rückerwerb eigener Anteile im Nennbetrag von 10 zum Kaufpreis von 4. Die Aktiva sinken um 4, auf der Passivseite reduziert sich das gezeichnete Kapital um 10 und die Gewinnrücklagen erhöhen sich um 6. In Höhe des Nennbetrags der eigenen Anteile (10) sind die Gewinnrücklagen aber ausschüttungsgesperrt. Insgesamt sinkt das Ausschüttungsvolumen damit im Zuge der Transaktion um die als Kaufpreis bezahlten 4. Unter dem Bruttoausweis hätte sich durch die Bildung der Rücklage für eigene Anteile derselbe Effekt eingestellt.
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Verse – Auswirkungen der Bilanzrechtsmodernisierung auf den Kapitalschutz
b) Auswirkungen auf den Kapitalschutz aa) Auf den ersten Blick könnte man jedenfalls für die GmbH meinen, dass sich das ausschüttungsfähige Vermögen durch den Übergang zum Nettoausweis verringert; denn das Nettoaktivvermögen (Aktiva ./. Verbindlichkeiten) reduziert sich um den Nennbetrag der nicht eingeforderten Einlagen71. Nichts deutet jedoch darauf hin, dass der Gesetzgeber eine derartige Verringerung des Ausschüttungspotenzials gewollt hat. Daher wird im Schrifttum mit Recht angenommen, dass für Zwecke des § 30 Abs. 1 GmbHG weiterhin auch die nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen gedanklich zum Aktivvermögen zu addieren sind72. bb) Fraglich ist jedoch, wie zu verfahren ist, wenn die nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen nicht (mehr) vollwertig sind, sondern ihre Einbringlichkeit zweifelhaft ist. Sind sie dann im Rahmen des § 30 GmbHG trotzdem mit dem vollen Nennbetrag zu berücksichtigen oder nur mit dem geringeren tatsächlichen Wert? Unter Kapitalschutzgesichtspunkten spricht mehr für letztere Lösung; sie entspricht auch der überwiegenden Ansicht zum bisherigen Recht73. Problematisch ist allerdings, dass sich nach dem nunmehr zwingenden Nettoausweis der tatsächliche Wert der nicht eingeforderten Einlagen nicht mehr aus der Bilanz ablesen lässt, da ein entsprechender Aktivposten nicht mehr gebildet wird74. Deshalb stellt sich die Frage, ob es künftig auch im Rahmen der Ausschüttungsbemessung nur noch auf den Nennbetrag ankommt und nicht mehr auf den tatsächlichen Wert. Wäre dies anzunehmen, entstünde eine Lücke im Kapitalschutz, da die nicht eingeforderten Einlagen dann mit einem unrealistisch hohen Wert in die Berechnung des ausschüttungsfähigen Vermögens einfließen würden. _______________
71 Im Beispiel sinkt das Nettoaktivvermögen von 120 (Bruttoausweis) auf 80 (Nettoausweis), so dass eine Ausschüttung mangels Deckung des Stammkapitals (100) auf den ersten Blick unmöglich scheint. 72 Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 30 Rz. 13; wohl auch Kropff, ZIP 2009, 1137 (1139 f.); Hueck/Fastrich in Baumbach/ Hueck, GmbHG, 10. Aufl. 2010, § 30 Rz. 15. 73 Dazu Kropff, ZIP 2009, 1137 (1138 f.); ferner die Nachw. in Fn. 74. 74 Aus diesem Grund ging die h. M. zum bisherigen Recht davon aus, dass bei fehlender Vollwertigkeit der Bruttoausweis gewählt werden müsse, um die Abwertung in der Bilanz abbilden zu können; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 272 HGB Rz. 66–71; Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 272 HGB Rz. 21 f. m. w. N.; a. A. Reiner in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2008, § 272 Rz. 11. Nach neuem Recht besteht diese Möglichkeit nicht mehr.
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Richtigerweise wird man jedoch davon ausgehen müssen, dass eine solche Deckungslücke auch nach neuem Recht nicht entsteht. Wie dargelegt müssen die nicht eingeforderten Einlagen für Zwecke des § 30 GmbHG ohnehin gedanklich aktiviert werden. Dann ist es konsequent, sie auch zu bewerten und ggf. abzuschreiben75. Dass sich der tatsächliche Wert nicht mehr aus der Bilanz ergibt, sollte kein unüberwindbares Hindernis sein. Aus § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB wird man nämlich immerhin die Pflicht ableiten können, über den niedrigeren tatsächlichen Wert im Anhang zu berichten76. Akzeptiert man diese Lösung für die GmbH, liegt es nahe, auch bei der AG entsprechend zu verfahren, da der Kapitalschutz hier schwerlich schwächer ausfallen kann als in der GmbH. Auch in der AG sprechen daher die besseren Gründe dafür, dass sich das gemäß § 57 AktG ausschüttungsfähige Vermögen um den Differenzbetrag zwischen dem Nennbetrag der nicht eingeforderten Einlagen und ihrem tatsächlichen Wert vermindert77. Einzuräumen ist indes, dass die Kapitalrichtlinie auch für das gegenteilige Ergebnis Raum ließe78. cc) Unter Zugrundelegung der hier vertretenen Ansicht ergibt sich somit, dass auch der Nettoausweis der nicht eingeforderten Einlagen keine Lücke in den Kapitalschutz reißt. Vielmehr bleibt auch hier wieder – der Intention des Gesetzgebers entsprechend – in Bezug auf das Ausschüttungsvolumen alles beim Alten. Allerdings lässt sich das aus_______________
75 Ebenso Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 30 Rz. 13; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 10. Aufl. 2010, § 30 Rz. 15; Kropff, ZIP 2009, 1137 (1139 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Gesetzesmaterialien (Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 65) eine Abwertung der nicht eingeforderten Einlagen ausdrücklich ablehnen. Denn diese Aussage bezieht sich nach ihrem Zusammenhang nur auf den bilanziellen Ausweis, nicht auf §§ 30 GmbHG, 57 AktG. 76 Ebenso im Erg. Förschle/Hoffmann in Beck Bil-Komm., 7. Aufl. 2010, § 272 HGB Rz. 36 a. E.; ferner diejenigen, die bereits nach altem Recht trotz fehlender Vollwertigkeit den Nettoausweis für zulässig hielten; etwa Reiner in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2008, § 272 Rz. 11. 77 Zurückhaltender Kropff, ZIP 2009, 1137 (1138 f.). 78 Vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. b Kapitalrichtlinie. Danach unterliegt – zzgl. gebundener Rücklagen – nur das eingeforderte Kapital (Grundkapital abzüglich Nennbetrag des nicht eingeforderten Kapitals) der Kapitalbindung. Das schließt aber einen strengeren Kapitalschutz nach nationalem Recht nicht aus, da es sich lediglich um eine Mindestvorgabe handelt; vgl. Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2006, § 6 Rz. 36 m. w. N.
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Verse – Auswirkungen der Bilanzrechtsmodernisierung auf den Kapitalschutz
schüttungsfähige Vermögen nunmehr (wie schon bei § 268 Abs. 8 HGB) nur noch unter Zuhilfenahme des Anhangs ermitteln.
V. Fazit und Ausblick Nach alledem lässt sich folgendes Fazit ziehen: Eine wesentliche Beeinträchtigung des bilanziellen Kapitalschutzes lässt sich in keiner der eingangs gebildeten drei Gruppen feststellen. Unter dem Strich wird man vielmehr trotz der im Einzelnen genannten Kritikpunkte festhalten können, dass dem BilMoG der Spagat zwischen der Stärkung der Informationsfunktion einerseits und der Wahrung des Gläubigerschutzniveaus andererseits im Großen und Ganzen gelungen ist. Der Preis für die stärkere Informationsorientierung besteht freilich darin, dass sich das ausschüttungsfähige Vermögen nicht mehr unmittelbar aus der Bilanz, sondern nur noch aus einer Nebenrechnung im Anhang und – in Bezug auf die eigenen Anteile und die nicht eingeforderten Einlagen – aus der Vorspalte der Bilanz ablesen lässt. Das damit einhergehende Mehr an Komplexität ist im BilMoG noch überschaubar. Richtet man den Blick aber in die Zukunft, ist zu erwarten, dass sich die Komplexität umso weiter erhöhen wird, je mehr das deutsche Bilanzrecht im Sog der IFRS (und der neuen IFRS for SMEs79) auf dem Weg voranschreitet, die Informationsfunktion des Jahresabschlusses zu Lasten der Ausschüttungsbemessungsfunktion in den Vordergrund zu rücken; denn umso mehr Korrekturen werden nötig sein, wenn man das herkömmliche Kapitalschutzniveau beibehalten will80. Schon aus diesem Grund werden auch nach dem BilMoG diejenigen Stimmen vernehmbar bleiben, die es rechtspolitisch für vorzugswürdig halten, statt einer Vielzahl von aufwändigen Korrekturen lieber eine Abschwächung des bilanzgestützten Kapitalschutzes in Kauf zu nehmen und als Kompensation hierfür verstärkt auf formalisierte liquidi-
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79 Dazu Winkeljohann/Morich, BB 2009, 1630 ff. 80 Eindringlich Lanfermann/Röhricht, DStR 2009, 1216 (1220 f.), unter Hinweis auf die Erfahrungen in Großbritannien. Dort ist nach informationsorientierten Vorschriften Rechnung zu legen (UK GAAP, seit 2004 wahlweise IFRS auch für den Einzelabschluss); in einer Überleitungsrechnung werden sodann zahlreiche Korrekturen vorgenommen, um daraus den ausschüttungsfähigen Gewinn abzuleiten.
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Verse – Auswirkungen der Bilanzrechtsmodernisierung auf den Kapitalschutz
tätsorientierte Solvenztests zu setzen81. Der Nachweis, dass ein solcher Paradigmenwechsel unter dem Strich wirklich handfeste Vorteile mit sich brächte, kann allerdings bislang nicht als geführt gelten82; vielmehr hat die bisherige Kapitalschutzdebatte zu einem argumentativen Patt geführt83. Vor diesem Hintergrund ist es zumindest nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber bis auf weiteres von einem radikalen Schnitt abgesehen und stattdessen einer behutsamen Fortentwicklung des tradierten bilanzgestützten Kapitalschutzes den Vorzug gegeben hat.
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81 So zuletzt wieder Lanfermann/Röhricht, DStR 2009, 1216 (1221 f. m. w. N.); zuvor etwa Engert, ZHR 170 (2006), 296 ff.; Haas, Gutachten E für den 66. Deutschen Juristentag, 2006, E 125 ff.; Jungmann, ZGR 2006, 638 ff.; ferner Lutter, Zusammenfassung der Überlegungen des Arbeitskreises „Kapital in Europa“, in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 2006, S. 11, mit dem Vorschlag, optional die Ausschüttungsbemessung auf Basis eines IFRS-Einzelabschlusses zuzulassen, dann aber zusätzlich einen Solvenztest zu verlangen; ebenso IDW (Hrsg.), Vorschläge des IDW zur Neukonzeption der Kapitalerhaltung und zur Ausschüttungsbemessung, Presseinformation 8/06 v. 11.9.2006 (abrufbar unter www.idw.de); Krapf/Schürmann, Solvenztest, 2008, S. 211 ff. Zur europäischen Diskussion siehe bereits die Nachw. in Fn. 1-3. Überblick über die denkbaren Alternativmodelle bei Hennrichs, ZGR 2008, 361 (366 ff.). 82 Zur Kritik am Solvenztest statt vieler A. Arnold, Der Konzern 2007, 118 (120 ff.); Hennrichs, Der Konzern 2008, 42 ff.; Rammert, Festgabe 100 Jahre Südtreu/Deloitte, 2008, S. 429 ff.; Siebler, Internationalisierung der Rechnungslegung und deren Auswirkungen auf Handels- und Steuerbilanz nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen, 2008, S. 361 ff. 83 Ebenso Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, 2009, S. 40 f., 65 m. w. N.
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Bericht über die Diskussion des Einführungsstatements Seidler und des Referats Verse Andreas Gaschler, LL.M. (Cambridge) Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Osnabrück Die sich an das Einführungsstatement von Seidler und das Referat von Verse anschließenden Diskussionsbeiträge zeigten, dass die Abstimmung der unterschiedlichen Bilanzfunktionen nach dem BilMoG (verstärkte Informationsfunktion einerseits, bilanzgestützte Kapitalerhaltung andererseits) eine Reihe für Wissenschaft und Praxis interessanter Fragen aufwirft. Gegenstand der Diskussion waren u. a. die Auswirkungen der „Ausschüttungssperre“ des § 268 Abs. 8 HGB auf die Thesaurierungskompetenz der Verwaltung nach dem AktG sowie die Problematik mangelnder Transparenz der neuen Bilanzierungsregeln hinsichtlich ausschüttungsgesperrter Beträge. Zum Abschluss der Diskussion wurde die rechtspolitische Grundsatzdebatte aufgegriffen, ob an einem bilanzgestützten Kapitalschutz überhaupt festgehalten werden sollte.
I. Die Beiträge zweier Teilnehmer befassten sich mit den von Verse behandelten Auswirkungen der Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB auf die in § 58 Abs. 2 AktG vorgesehene Kompetenz von Vorstand und Aufsichtsrat, bei der Feststellung des Jahresüberschusses bis zu der Hälfte des Überschusses in andere Gewinnrücklagen einzustellen. Verse hatte ausgeführt, dass die paritätische Kompetenzverteilung zwischen Verwaltung und Hauptversammlung beeinträchtigt zu werden drohe, soweit Anteile des Jahresüberschusses gemäß § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrt seien. Er hatte deshalb die Frage aufgeworfen, ob die Thesaurierungskompetenz der Verwaltung so zu erweitern sei, dass der gesperrte Betrag vorab den Gewinnrücklagen zugewiesen werde und dann über den Restbetrag paritätisch zu entschieden sei. Ein Teilnehmer führte aus, dass auch die gesperrten Beträge dem „Jahresüberschuss“ i. S. v. § 58 Abs. 2 AktG hinzuzurechnen seien und er der Lösung zuneige, die damit verbundene Abschwächung der Thesaurierungskompetenz der Verwaltung hinzunehmen. Bei der Entwicklung einer Lösung müsse in jedem Fall mitbedacht werden, dass die Summe
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Auswirkungen des BilMoG auf die Kapitalerhaltung
der nach § 268 Abs. 8 HGB gesperrten Beträge nicht unveränderlich sei, sondern sich von Jahr zu Jahr ändern könne und werde. Dann stelle sich die Frage, wer über die Verwendung der freigewordenen Beträge entscheiden solle, wofür wiederum die Hauptversammlung einerseits und die Verwaltungsorgane andererseits in Betracht kämen. Der Teilnehmer enthielt sich einer abschließenden Stellungnahme. Er deutete aber Zweifel an der Lösungsoption an, die Thesaurierungskompetenz der Verwaltung zu erweitern und ihr zu ermöglichen, die gesperrten Beträge vorab in eine Rücklage einzustellen, in der sie auch dann noch dem Zugriff der Hauptversammlung entzogen seien, wenn die Ausschüttungssperre wieder entfalle. Dies liefe auf eine deutliche Verschiebung der Gewinnverwendungskompetenzen zugunsten des Vorstandes hinaus. Ein weiterer Diskutant wies demgegenüber darauf hin, dass die Ausschüttungssperre gemäß § 268 Abs. 8 HGB nicht bedeute, dass die Beträge nicht verwendet werden dürften. Sie müssten in eine Gewinnrücklage eingestellt werden, und dort bekäme sie die Hauptversammlung mangels einer eigenen Kompetenz, Gewinnrücklagen aufzulösen, ohne eine Mitwirkung der Verwaltungsorgane nicht mehr heraus. Daher sei die Thesaurierungskompetenz der Verwaltung insgesamt nicht abgeschwächt.
II. Weiter ging es um die Auswirkungen der neuen Bilanzierungsregeln auf die Geschäftsleiterpflichten zur Einberufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung bei Verlust der Hälfte des Grund- bzw. Stammkapitals (§ 92 Abs. 1 AktG, § 49 Abs. 3 GmbHG). Ein Teilnehmer führte aus, es stelle sich die Frage, ob diese „Warnpflichten“ weiterhin bei einem Verlust in Höhe der Hälfte des gezeichneten Kapitals oder aber des bereits um den Nennbetrag eigener Anteile geminderten (vgl. § 272 Ia Abs. 1a HGB) sog. ausgegebenen Kapitals einsetzen. Der Teilnehmer wies auf die strafrechtlichen Konsequenzen des Verstoßes gegen § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG hin (Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, § 401 Abs. 1 Nr. 1 AktG, § 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG) und deutete an, dass deshalb einer wortlautgetreuen Auslegung, die weiterhin auf das Grund- bzw. Stammkapital abstellt, der Vorzug zu geben sei. Verse schloss sich dieser Sichtweise an.
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Gaschler – Bericht über die Diskussion
III. Ein weiterer Beitrag befasste sich mit der Feststellung Verses, dass die Ermittlung des ausschüttungsfähigen Vermögens nach den neuen Bilanzierungsregeln in verschiedener Hinsicht schwerer falle als nach altem Recht. Ein Diskutant merkte an, dass das ausschüttungsfähige Vermögen auch schon nach bisherigem Recht nicht mit letzter Sicherheit aus der HGB-Bilanz erkennbar sei. Aus der Bilanz ergebe sich nämlich nicht, welche Beträge der Kapitalrücklagen bei der AG ausschüttbar seien (§ 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB) und welche nicht (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB). Ein gesonderter Ausweis der frei verfügbaren Anteile der Kapitalrücklagen sei weder gesetzlich vorgeschrieben noch aus der praktischen Erfahrung bekannt. Verse bezeichnete es als bedauerlich, dass die Kapitalrücklagen häufig nicht in frei verfügbare und gebundene Anteile aufgegliedert würden. Allerdings könne man erwägen, ob nach allgemeinen Grundsätzen des Bilanzrechts nicht doch eine Pflicht bestehe, über die frei verfügbaren Anteile der Kapitalrücklage wenigstens im Anhang zu informieren. An der Analyse der neuen Regeln ändere dieser Punkt aber jedenfalls nichts.
IV. Eine Teilnehmerin nahm sich zum Abschluss der Diskussion des Problemkreises an, ob der deutsche Gesetzgeber sich nicht überhaupt vom bisherigen Modell eines bilanzgestützten Kapitalschutzes verabschieden sollte. Als Alternativmodell könnte dasjenige eines IFRS-Bilanztests in Kombination mit einem sog. Solvenztest in Betracht gezogen werden. Die zusätzliche Anwendung des Solvenztests solle nach diesem Modell die Schwächen der IFRS-Bilanz für Ausschüttungszwecke kompensieren. Die Teilnehmerin betonte, eine Lanze für das grundsätzliche Festhalten am bilanzgestützten Kapitalschutz durch das BilMoG brechen zu wollen. Denn der Solvenztest sei eine denkbar schlechte Alternative, die Kapitalerhaltung zu realisieren. Der zukunftsorientierte Solvenztest begründe die Gefahr einer Ausschüttung bloßer Einzahlungshoffnungen, da er mit prognostizierten Zahlen operiere. Die Teilnehmerin verwies darauf, dass es daher im Falle einer IFRS-Bilanz eines anderen Mittels bedürfte, um sicherzustellen, dass nur die tatsächlich realisierten Gewinne ausgeschüttet würden. Dieses Mittel könne allenfalls in einer
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Auswirkungen des BilMoG auf die Kapitalerhaltung
Überleitungsrechnung bestehen, welche die unrealisierten Gewinne aus der IFRS-Bilanz eliminiere, womit aber letztlich das Problem zweier Rechnungen mit unterschiedlichen Zweckrichtungen bestehen bleibe. Seidler und Verse kamen im Ergebnis zu einer ähnlichen Beurteilung. Seidler hob hervor, die Option einer Überleitungsrechnung entspreche im Prinzip der Lösung, welche der Gesetzgeber mit der Ausschüttungssperre gemäß § 268 Abs. 8 HGB im Rahmen des BilMoG gewählt habe. Verse betonte, die Kapitalschutzdebatte um bilanzgestützte und solvenzgestützte Ausschüttungssperren habe aus seiner Sicht zu einem argumentativen Patt geführt. Daher sei es zumindest gut nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber keinen radikalen Kurswechsel vorgenommen, sondern das tradierte Kapitalschutzsystem lediglich behutsam fortentwickelt habe.
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Gesellschafterstreitigkeiten vor Schiedsgerichten Prof. Dr. Dres. h.c. Karsten Schmidt Präsident der Bucerius Law School, Hamburg* I. Themenabgrenzung . . . . . . . . 97 1. Binnenkonflikte im Gesellschafterkreis . . . . . . . . . . . . 98 2. Nicht: Verbands-Schiedsgerichtsbarkeit; rein schuldrechtliche Streitigkeiten ohne Drittwirkung; internationales Prozessrecht; Außenstreitigkeiten . . . . . . 98 3. Schwerpunktsetzung durch das Urteil „Schiedsfähigkeit II“ vom 6.4.2009 auf der Grundlage des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes von 1997 . . . . . . . 101 II. Schiedsfähigkeit: ein Scheinproblem! . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ein Streit unter falscher Flagge . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klarstellung durch das Schiedsverfahrens-Änderungsgesetz . . . . . . . . . . . . 3. Kein kartellrechtliches Hindernis mehr . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . III. Wovon handeln die Urteile „Schiedsfähigkeit I“ und „Schiedsfähigkeit II“? . . . . . 1. „Schiedsfähigkeit I“ . . . . . 2. „Schiedsfähigkeit II“ . . . . 3. Zum Legitimationsbedarf bei Beschlussmängelstreitigkeiten vor Schiedsgerichten . . . . . . . .
101 101
103 105 107
108 108 110
112
IV. Die Anforderungen an die Schiedsklausel . . . . . . . . . . 1. Mindestanforderungen . 2. Nichtigkeit unzulänglicher Schiedsklauseln . 3. Rechtsfolgen im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kritische Analyse . . . . . . . 1. Zu den Anforderungen an die Schiedsklausel . . 2. Ein Plädoyer für mehr ergänzende Auslegung . 3. Prüfung ex ante oder Prüfung ex post? . . . . . . VI. Effekte der BGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 1. Notbremsung? . . . . . . . . 2. Reparatur von Altklauseln? . . . . . . . . . . . . 3. Eine Chance für die institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit? . . . . . . . 4. Abhilfe ad hoc . . . . . . . .
113 113 114 116 117 117 120 120 122 122 123
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VII. Aktienrecht und Personengesellschaftsrecht ................ 128 1. Anfechtungs-Schiedsverfahren im Aktienrecht? 128 2. Personengesellschaften 129 VIII. Zusammenfassung . . . . . . 130 1. Zur Bedeutung der BGHEntscheidungen . . . . . . . 130 2. Thesen . . . . . . . . . . . . . . 131
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* Druckfassung des inhaltsgleich, jedoch verkürzt bei der VGR-Tagung am 13.11.2009 gehaltenen Vortrags.
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Karsten Schmidt – Gesellschafterstreitigkeiten vor Schiedsgerichten
I. Themenabgrenzung 1. Binnenkonflikte im Gesellschafterkreis Von Gesellschafterstreitigkeiten vor Schiedsgerichten soll die Rede sein, also von der Austragung innergesellschaftlicher Streitigkeiten zur Entscheidung von Interessenkonflikten im Gesellschafterkreis, sei es durch Prozesse der Gesellschafter untereinander, sei es – wie vor allem im Kapitalgesellschaftsrecht – durch gegen die Gesellschaft erhobene Schiedsklagen von Gesellschaftern, meist Minderheitsgesellschaftern, die aber alle Gesellschafter betreffen. Nicht die Parteirollen bestimmen damit unser Thema, sondern Abgrenzungskriterium ist das Betroffensein des Gesellschafterkreises. Es geht um Binnenstreitigkeiten, die alle Gesellschafter angehen. Prozessual kann dieses Betroffensein aller Gesellschafter auf zwei unterschiedlichen Grundlagen ruhen: –
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auf einer Gestaltungswirkung wie etwa bei Anfechtungsklagen (vgl. § 248 AktG), aber z. B. auch bei Ausschließungsklagen nach § 140 HGB, oder auf einer Feststellungswirkung wie etwa bei Streitigkeiten um die Kapitalanteile und Gewinnbeteiligungsquoten in einer Personengesellschaft oder beim Streit um eine Mitgliedschaft z. B. nach einem gesellschaftlich zugelassenen Ausschließungsverfahren, das den Effekt eines Ausschließungsurteils vorwegnimmt.
Charakteristisch ist immer die spezifisch verbandsrechtliche Natur der Prozesse.
2. Nicht: Verbands-Schiedsgerichtsbarkeit; rein schuldrechtliche Streitigkeiten ohne Drittwirkung; internationales Prozessrecht; Außenstreitigkeiten Die Themenbegrenzung lässt einige praktisch durchaus wichtige Fragenbereiche aus der Darstellung ausscheiden. a) Außerhalb meines Themas liegt die sogenannte Verbands-Schiedsgerichtsbarkeit, die sich insbesondere mit verbandsinternen Sanktionen („Vereinsstrafen“) beschäftigt. Die Rechtsprechung erkennt deren Zu-
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lässigkeit grundsätzlich an1, ebenso die Entscheidung durch Schiedsgerichte, wenn sie durch die Satzung2 und nicht bloß durch sog. Nebenordnungen3 begründet ist. Die Berührungspunkte mit unserem Thema sind unübersehbar, aber die Verbands-Schiedsgerichtsbarkeit bleibt doch ein Sonderbereich, der mehr mit der Verbandsmacht gegenüber dem Einzelmitglied und mit ihrer Begrenzung zu tun hat als mit Binnenstreitigkeiten im Mitgliederkreis, auch wenn im Einzelfall solche Konflikte den Hintergrund abgeben können. b) Gleichfalls außerhalb meines Themas liegt die Schiedsgerichtsbarkeit bei rein schuldrechtlichen Streitigkeiten über Gesellschaftsverhältnisse. Hierher gehören etwa Prozesse zwischen dem Unternehmensträger und einem typischen stillen Gesellschafter. Während Gesellschafterstreitigkeiten in der „typisch atypischen“ stillen Gesellschaft – ich verwende für sie den Begriff einer „Innen-KG“4 – als einer organisierten Personengesellschaft, insbesondere in Gestalt der sog. „GmbH & Still“5, direkt zu unserem Thema gehörten6, handelt es sich bei typischen Innengesellschaften um rein obligatorische Verträge und damit um klassische Beispiele der reinen Vertrags-Schiedsgerichtsbarkeit. Zwar können, sobald mehr als zwei Personen an einer solchen Innengesellschaft beteiligt sind, auch bei typischen stillen Beteiligungen Probleme der Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit auftreten7. Aber der Streitgegenstand bleibt doch auf der schuldrechtlichen Ebene. _______________
1 Z. B. BGHZ 21, 370 (374) = NJW 1956, 1793; BGHZ 29, 352 (357) = NJW 1959, 982 (983); BGHZ 36, 105 (114) = NJW 1962, 247 (248 f.); BGHZ 47, 172 (173) = NJW 1967, 1268; eingehend Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 32. 2 RGZ 147, 11 (15); BGHZ 47, 172 (173) = NJW 1967, 1268; BGHZ 88, 314 (316) = NJW 1984, 1355; BGH, NJW 1989, 1724 (1725). 3 BGH, NJW 1989, 1724 (1725); Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl. 2010, Rz. 5317; a. M. Reuter, ZHR 148 (1984), 525 ff.; siehe auch Grunewald, ZHR 152 (1988), 242 ff. 4 Vgl. zuletzt Karsten Schmidt, NZG 2009, 361 ff. m. w. N. 5 Dazu die Angaben bei Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2007, § 230 Rz. 87. 6 Vgl. die Schiedsklausel in § 13 Abs. 2 eines Formulars für atypische stille Beteiligungen an einer GmbH & Co. KG bei Böhmer, Beck’sche Online-Formulare, 9. Edition, Stand 1.6.2009, 7.2.2. 7 Über die Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit bei mehrgliedrigen Schuldverträgen vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 10 Rz. 14; zu Mehrparteiverfahren allgemein Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. 2008, Kapitel 29.
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Selbst bei den hier in den Blick genommenen verbandsmäßig strukturierten Gesellschaften kann es inter-partes-Prozesse geben, die nicht zum Thema gehören. Der Streit etwa zwischen dem gesetzlichen und dem testamentarischen Erben darüber, wem ein Gesellschaftsanteil zugefallen ist, fällt aus dem Thema ebenso heraus wie der Streit um eine schuldrechtlich vereinbarte Stimmbindung zwischen zwei Gesellschaftern. c) Auch auf Fragen des internationalen Prozessrechts, wie sie bei rein schuldrechtlichen Gesellschaftsverträgen mit ausländischen Partnern oder Investoren sogleich einbezogen werden müssten, werde ich deshalb nicht eingehen. Unser Ausgangsszenario bezieht sich auf spezifisch verbandsrechtliche Binnenstreitigkeiten bei rechtsfähigen (Handels-)Gesellschaften deutschen Rechts mit Sitz im Inland. Diese Streitigkeiten unterliegen ohne weiteres und unabhängig von der Nationalität und dem Domizil ihrer Gesellschafter dem deutschen Prozessrecht8 unter Einschluss des Rechts der Schiedsgerichtsbarkeit. d) Schließlich geht es hier nicht um die Schiedsgerichtszuständigkeit bei Außenstreitigkeiten, also z. B. nicht um die Frage, ob eine von einer Kommanditgesellschaft gegenüber einem Vertragspartner eingegangene Schiedsvereinbarung auch die persönliche Gesellschafterhaftung erfasst, ob also das Schiedsgericht einen an die Schiedsabrede nicht gebundenen persönlich haftenden Gesellschafter ohne weiteres mit verurteilen kann, was entgegen der herrschenden Auffassung9 grundsätzlich verneint werden sollte10. Anzuerkennen ist nur eine Auslegungsregel, nach der die Vereinbarung im Zweifel auch für und gegen die Gesellschafter wirkt und auch von der Vertretungsmacht der Gesellschaftsorgane gedeckt ist11. Doch das liegt außerhalb der folgenden Überlegungen.
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8 Es gilt die lex fori; vgl. zur ausschließlichen Zuständigkeit am Sitz der Gesellschaft Art. 22 Nr. 2 EuGVO und dazu Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2005, Art. 22 Rz. 39. 9 BGH, NJW-RR 1991, 2644 (2646); BayObLG, DB 2004, 302 (303); aus der Literatur vgl. m. w. N. Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl. 2008, § 128 Rz. 40. 10 Karsten Schmidt, DB 1989, 2315 (2318); Karsten Schmidt, ZHR 162 (1998), 265 (273); Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2006, § 128 Rz. 222; Habersack, SchiedsVZ 2003, 241 (245 f.). 11 Karsten Schmidt, ZHR 162 (1998), 265 (273) m. w. N.
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3. Schwerpunktsetzung durch das Urteil „Schiedsfähigkeit II“ vom 6.4.2009 auf der Grundlage des SchiedsverfahrensNeuregelungsgesetzes von 1997 a) Auch nach diesen Beschränkungen wäre noch sehr Unterschiedliches über Gesellschafterstreitigkeiten vor Schiedsgerichten zu sagen. Eine umfassende Darstellung war zunächst auch meine Absicht, und zwar durchaus in Kenntnis des Urteils „Schiedsfähigkeit II“ vom 6.4.200912. Dieses mir grosso modo zusagende Urteil sollte den umfassender angelegten Vortrag mit prägen, aber nicht dominieren. Am Ende erwiesen sich aber Inhalt und Folgen dieser Entscheidung als so weittragend, dass nach unerlässlichen Kürzungen kaum mehr als eine Verortung, Kritik und Folgenanalyse dieses Urteils herausgekommen ist, allerdings mit Ausblicken auch auf das Aktienrecht und das Personengesellschaftsrecht. b) Die gesetzliche Grundlage bietet die Zivilprozessordnung, deren Schiedsverfahrensrecht seinerseits auf dem Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz vom 22.12.199713 beruht. Dieses Gesetz hat vor einem Dutzend Jahren im Wesentlichen das UNCITRAL-Modellgesetz in die ZPO überführt. Es hat damit ein Hauptgewicht auf die Handels-Schiedsgerichtsbarkeit gelegt. Für die Schiedsgerichtsbarkeit in Gesellschaftsrechtssachen hat das Gesetz gleichfalls Verbesserungen gebracht, die eigentlichen Problemlösungen aber der Gesellschaftsrechtspraxis überlassen. Weitere gesetzliche Klärung wäre hilfreich gewesen, ist aber, wie noch zu zeigen sein wird, nicht unerlässlich. Dies aufgezeigt zu haben, wird sich als das entscheidende Verdienst des Urteils „Schiedsfähigkeit II“ erweisen.
II. Schiedsfähigkeit: ein Scheinproblem! 1. Ein Streit unter falscher Flagge Wer von unserem Thema spricht oder darüber schreibt, meint damit meist die BGH-Urteile „Schiedsfähigkeit I“ aus dem Jahr 199614 und „Schiedsfähigkeit II“ aus dem Jahr 2009. Das gilt, wie schon gesagt, auch für die folgende Diskussion, handelt es sich doch um große, ja _______________
12 BGHZ 180, 221 = JZ 2009, 794 m. Anm. Habersack = GmbHR 2009, 705 m. Anm. Römermann = NJW 2009, 1962 m. Anm. Duve/Keller. 13 BGBl. I 2007, S. 3224. 14 BGHZ 132, 278 = JZ 1996, 1027 m. Anm. Schlosser = NJW 1996, 1753.
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grundlegende Entscheidungen. Aber beide segeln unter falscher Flagge, ja, die ganze Diskussion um die Schiedsfähigkeit von gesellschaftsinternen Streitigkeiten wird – allemal aus heutiger Sicht – unter falscher Flagge geführt. Schiedsfähig sind nämlich aufgrund des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes seit 1998 gemäß § 1030 Abs. 1 ZPO alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten15 und damit ohne weiteres alle gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten16. Das war nicht immer so. Unter dem bis 1997 geltenden § 1025 ZPO a. F. galten als objektiv schiedsfähig nur Streitgegenstände, über die sich die Parteien vergleichen konnten. Diese Voraussetzung wurde feinsinnig in die Merkmale der objektiven und subjektiven Schiedsfähigkeit unterteilt. In diesem Licht wurde die Vergleichs- und Schiedsfähigkeit zu meinem Befremden als Gretchenfrage der gesellschaftsrechtlichen Schiedsgerichtspraxis verstanden, was teils zu unsinnigen Fragestellungen, teils auch zu praxisfernen Antworten führte17: –
Da wurde ernsthaft geprüft, ob die zum Schutz der Gläubiger im GmbH-Gesetz ausgesprochenen Vergleichsverbote bei Einlageverpflichtungen und Haftungsregeln auch Schiedsprozessverbote waren18, bis der BGH dem in einem der Amtlichen Sammlung für würdig befundenen Urteil von 2004 – ein halbes Jahrzehnt nach dem Außerkrafttreten des alten Schiedsverfahrensrechts! – endlich ein Ende setzte19.
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Da wurde ernsthaft vertreten, dass unabdingbare Gesellschafterrechte, wie etwa das Informationsrecht nach § 51a GmbHG, der Schiedsgerichtsbarkeit entzogen seien20.
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Da wurde die Durchführung von Anfechtungsprozessen vor Schiedsgerichten a limine mit dem Argument ausgeschlossen, die Gesell-
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15 Die ZPO sagt in aktionenrechtlicher Terminologie „jeder vermögensrechtliche Anspruch“; gemeint ist „Streitgegenstand“; vgl. Münch in MünchKomm. ZPO, 3. Aufl. 2008, § 1030 Rz. 13; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 1030 Rz. 2. 16 Vgl. auch zur Intention des Gesetzgebers den RegE des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-Drucks. 13/5274, S. 34 f. 17 Belege bei Karsten Schmidt, ZHR 162 (1998), 267 f.; vgl. zu § 51b GmbHG auch OLG Hamm, EWiR 2000, 863 (Westphal). 18 OLG Köln, VersR 1998, 112 (113 f.); OLG Düsseldorf, SchiedsVZ 2004, 262. 19 BGHZ 160, 127 = JZ 2005, 154 m. Anm. Schlosser = NJW 2004, 2898. 20 Vgl. nur AG Mönchengladbach, NJW-RR 1987, 224; kritisch dazu Karsten Schmidt, ZIP 1987, 218 ff.; richtig nunmehr OLG Hamm, BB 2000, 1159 = EWiR 2000, 863 (Westphal).
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schaft könne sich über die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses nicht vergleichen, folglich auch keinen Schiedsprozess darüber führen21. Bei der letzten Frage mischte sich erkennbar schon das gleichfalls irreführende Merkmal der sog. subjektiven Vergleichs- und Schiedsfähigkeit ein. Statt aus dem Kriterium der subjektiven Vergleichsfähigkeit – also der Verfügungszuständigkeit der Parteien – nur die Selbstverständlichkeit abzuleiten, dass eine zwischen den falschen Parteien angestrengte Klage entweder unzulässig oder unbegründet sein muss, leitete man hieraus auch die Folgerung ab, Anfechtungsprozesse seien der Schiedsgerichtsbarkeit mangels Vergleichskompetenz der Parteien entzogen22. Nur eine Minderheit im Schrifttum (ich gehörte dazu)23 vertrat schon damals standhaft die Auffassung, es gehe bei all dem gar nicht um die Schiedsfähigkeit des Streitgegenstands, sondern nur um eine einzige, dafür aber sehr schwierige Frage. Diese lautete und lautet noch immer: Welches sind die prozessualen und materiellrechtlichen Voraussetzungen, unter denen Gesellschaften und Gesellschafter die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts, die Durchführung eines Schiedsverfahrens und die urteilsgleichen Wirkungen eines Schiedsspruchs (§ 1055 ZPO) herstellen können und hinnehmen müssen24?
2. Klarstellung durch das Schiedsverfahrens-Änderungsgesetz a) Unter dem nunmehr geltenden Recht, wonach alle vermögensrechtlichen und damit alle gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten der Entscheidung eines Schiedsgerichts unterworfen werden können, ist endlich offenkundig, dass es ein Problem der Schiedsfähigkeit im Gesell-
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21 BGH, LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937 = MDR 1951, 674; NJW 1966, 2055 = GmbHR 1966, 274 m. Anm. Ganßmüller = WM 1966, 1132 (1133); OLG Hamm, DB 1987, 680 = ZIP 1987, 780 = AG 1988, 80. 22 Vgl. nur BGH, LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937 = MDR 1951, 674; NJW 1966, 2055 = GmbHR 1966, 274 m. Anm. Ganßmüller = WM 1966, 1132; OLG Hamm, DB 1987, 680 = ZIP 1987, 780 = AG 1988, 80; DB 1992, 2180; Petermann, BB 1996, 277 ff.; zum Streitstand vor 1996 vgl. Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl. 1995, § 1025 Rz. 38; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 47 Rz. 12. 23 Zu nennen sind namentlich Geimer, Kornmeier, Günter H. Roth, Karsten Schmidt, Peter Schlosser, Vollmer und Timm; vgl. auch Henze, ZGR 1988, 542 (551 ff.). 24 Dazu Karsten Schmidt, BB 2001, 1857 (1859 ff.).
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schaftsrecht nicht mehr gibt25, richtigerweise niemals gegeben hat, so viel auch darüber gesprochen und geschrieben wurde und wird. Insbesondere gibt es auch nicht – wie in der Vergangenheit angenommen26 – einen Grundsatz, wonach nur Leistungs- und Feststellungsprozesse, nicht aber Gestaltungsprozesse vor Schiedsgerichte gebracht werden können27. Gestaltungsprozesse sind nicht a limine schiedsunfähig28. Dies gilt nicht nur für Beschlussanfechtungsanträge, sondern z. B. auch für Ausschließungsanträge. Ja, dies gilt sogar – ein mehr für die argumentative Zuspitzung als für die praktische Verwendung interessantes Beispiel – für Auflösungsklagen nach § 133 HGB oder § 61 GmbHG29. Im Grundsatz ist nicht das Geringste dagegen einzuwenden, wenn ein hierzu gegenüber allen Betroffenen legitimiertes Schiedsgericht in einem hierfür legitimierten Schiedsverfahren eine Gesellschaft auflöst, einen Gesellschafter ausschließt oder eben einen Beschluss nach §§ 248, 249 AktG für nichtig erklärt. b) Das bedeutet nicht etwa, dass die Schiedsgerichtsbarkeit in diesen Bereichen keine Probleme kennt. Aber die Frage ist und war eben immer nur: Können wir (und auf welche Weise können wir) durch Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln, Schiedsgerichtsbesetzungen und Schiedsverfahrensregeln die legitimierenden Voraussetzungen für die urteils_______________
25 Dazu Schulze, Grenzen der objektiven Schiedsfähigkeit im Rahmen des § 1030 ZPO 2003, S. 111 ff.; verwirrend und kaum haltbar der Rettungsversuch für die Kriterien der Schiedsfähigkeit nach § 1025 ZPO a. F. bei Korff, Beschlussmängelstreitigkeiten der Kapitalgesellschaft im Schiedsverfahrensrecht, 2004, S. 26–140; Korff sieht die Einordnung aller Beschlussstreitigkeiten als vermögensrechtlich als „gescheitert“ an (S. 61); er unterscheidet „vermögensrechtliche“ und „nicht vermögensrechtliche“ Unternehmensund Beschlussgegenstände (S. 42 ff.) und will § 1030 Abs. 1 ZPO teleologisch reduzieren (S. 62 ff.), um dann am Ende doch zur Anwendbarkeit der Bestimmung zu gelangen (S. 255). 26 OLG Hamm, AG 1988, 80 (81) = ZIP 1987, 780 (781) (unter Vermischung von Gestaltungswirkung und Rechtskraft); siehe auch BGH, NJW 1979, 2567. 27 Vgl. auch Henze, ZGR 1988, 542 (551 f.). 28 BGHZ 132, 278 (281 f.) = JZ 1996, 1017 m. Anm. Schlosser = NJW 1996, 1573 (1574) („Schiedsfähigkeit I“): „Kein Hindernis für die Schiedsfähigkeit ergibt sich ferner … aus der rechtsgestaltenden Wirkung des im Beschlussmängelstreit ergehenden Urteilsausspruchs“; siehe auch Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 47 Rz. 153a. 29 Vgl. Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2006, § 133 Rz. 44; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2006, § 61 Rz. 6; Becker, ZZP 97 (1984), 314 (318 ff.).
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gleichen Wirkungen eines Schiedsspruchs schaffen? Dies und nur dies ist das Thema.
3. Kein kartellrechtliches Hindernis mehr a) Ein gleichfalls nur in der Vergangenheit relevantes Hindernis stammte aus dem Kartellrecht. Bis einschließlich 1997 erklärte das GWB Schiedsvereinbarungen über künftige Rechtsstreitigkeiten „aus Kartellverträgen“ und „über Kartellbeschlüsse“ für nichtig, wenn sie nicht jedem Beteiligten in jedem Prozess das Recht geben, statt des vereinbarten Schiedsgerichts die ordentlichen Gerichte anzurufen30. Der Geist dieser Regel stammte noch aus der Zeit echter gesellschaftsrechtlich oder gar verbandsmäßig organisierter Kartelle. Aus ihr sprach die Besorgnis, Schiedsgerichte und Schiedssprüche könnten zum Mittel inneren Kartellzwangs gemacht werden. Als hiergegen gerichtete Bestimmung passte sie jedoch schon beim Erlass des GWB nicht mehr in das Konzept eines Gesetzes „gegen Wettbewerbsbeschränkungen“31. Sollte § 91 GWB a. F. bedeuten, dass die Behandlung kartellrechtlicher Vorfragen in einem Gesellschafterstreit der schiedsrichterlichen Beurteilung entzogen wäre, dass die Einbeziehung einer kartellrechtlichen Prüfung in die Schiedsgerichtszuständigkeit etwa gar die Schiedsabrede oder Schiedsklausel nichtig mache? Es lässt sich denken, dass diese Frage der Gestaltungspraxis beispielsweise bei Gemeinschaftsunternehmen Kopfschmerzen bereitete, wenn es um Schiedsvereinbarungen unter den Müttern ging, ähnlich auch bei konzerninternen Streitigkeiten. _______________
30 § 91 GWB a. F.: „(1) Schiedsverträge über künftige Rechtsstreitigkeiten aus Verträgen oder Beschlüssen der in den §§ 1 bis 5c, 7, 8, 29, 99 Abs. 1 Nr. 2, §§ 100, 102, 102a und 103 bezeichneten Art oder aus Ansprüchen im Sinne des § 35 sind nichtig, wenn sie nicht jedem Beteiligten das Recht geben, im Einzelfalle statt der Entscheidung durch das Schiedsgericht eine Entscheidung durch das ordentliche Gericht zu verlangen. Schiedsverträge über künftige Rechtsstreitigkeiten aus Verträgen oder Beschlüssen der in § 6 bezeichneten Art, die nicht jedem Beteiligten das Recht geben, im Einzelfall statt der Entscheidung durch das Schiedsgericht eine Entscheidung durch das ordentliche Gericht zu verlangen, sind unwirksam, soweit nicht die Kartellbehörde auf Antrag eine Erlaubnis erteilt.“ 31 Karsten Schmidt in FS Pfeiffer, 1988, S. 765 ff.; dem folgend Zimmer, Zulässigkeit und Grenzen schiedsgerichtlicher Entscheidung von Kartellrechtsstreitigkeiten, 1991, S. 144 ff.; zum langen Weg einer allmählichen Herausbildung eines Kartell-Zivilprozessrechts „gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ vgl. Karsten Schmidt, ZWeR 2007, 394 ff.; speziell zur Schiedsgerichtsbarkeit vgl. ebd., S. 414 ff.
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b) Heute ist die Sache ganz einfach: Nicht die Schiedsabrede selbst (soweit sie nicht – ein wohl theoretischer Fall – ihrerseits als Instrument in den Dienst verbotener Kartellierung gestellt wird), wohl aber der Schiedsspruch wird am Kartellverbot gemessen. Das wirksam eingesetzte Schiedsgericht darf nicht nur zwingendes Kartellrecht in seine Prüfung einbeziehen, sondern muss dies sogar tun. Der Schiedsspruch unterliegt der Aufhebung (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO) und wird nicht für vollstreckbar erklärt (§ 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO), wenn seine Anerkennung und Vollstreckbarerklärung wegen Unvereinbarkeit mit dem GWB zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (dem ordre public) widerspricht32. Gleiches gilt für die Verstöße gegen Artt. 101, 102 AEUV (bis 2009 Artt. 81, 82 EG)33. Auch das Verbot, einen Zusammenschluss zu vollziehen (§ 41 GWB; Art. 7 FKVO), fällt unter § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO34. Mit Recht hat der Bundesgerichtshof schon im Jahr 1966 betont, es handle sich hierbei um eine eigenständige, von der Kompetenz der Schiedsgerichte selbst zu unterscheidende, den staatlichen Gerichten vorbehaltene Kontrolle des Schiedsspruchs35. Damit hat sich die Schiedsgerichtsdiskussion im Kartellrecht von einer rigiden ex-ante-Kontrolle der Schiedsgerichtsvereinbarung mit Entschiedenheit einer ex-post-Kontrolle des Schiedsspruchs zugewandt. c) Der Fragenkreis scheint auf den ersten Blick akademisch. Aber seit der Kartellverordnung Nr. 1/200336 und, bezogen auf Deutschland, seit _______________
32 Vgl. für das GWB BGH, WuW/E BGH 810 („Zimcofot“) = BB 1966, 754; BGHZ 46, 365 (367) = BGH, WuW/E BGH 823 (826) („Schweißbolzen“) = NJW 1967, 1178; BGH, WuW/E BGH 1226 (1227) („Eiskonfekt“) = NJW 1972, 2180 (2181); OLG München, WuW/E OLG 939 (941) („Fruchtsaft“); OLG Celle, BB 1958, 1107 m. Anm. Roellecke. 33 BGH, WuW/E BGH 1000 („Fruchtsäfte“) = NJW 1969, 978; BGH, WuW/E BGH 1226 (1227) („Eiskonfekt“) = NJW 1972, 2180 (2181); Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 24 Rz. 45; Zimmer, Zulässigkeit und Grenzen schiedsgerichtlicher Entscheidung von Kartellrechtsstreitigkeiten, 1991, S. 90 ff.; Eilmannsberger, SchiedsVZ 2006, 5 (14 ff.); Karsten Schmidt in FS Kerameus, Bd. I, Athen/Brüssel 2009, S. 1197 ff.; Karsten Schmidt, BB 2006, 1397 (1400). 34 Vgl. Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, Bd. II, GWB, 4. Aufl. 2007, § 87 Rz. 75. 35 BGHZ 46, 365 (369) = NJW 1967, 1178 (1179) = WuW/E BGH 823 (827) („Schweißbolzen“); st. Rspr.; dazu Karsten Schmidt, in Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, Bd. II, EG, Teilband 2, 2007, Anh. 2 zur VO Nr. 1/2003, Rz. 70. 36 VO (EG) Nr. 1/2003 des Rates v. 16.12.2002, ABl. L 1/1 v. 4.1.2003.
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der Siebenten GWB-Novelle von 200537 ist den Gerichten – auch den Schiedsgerichten – zusätzliche kartellrechtliche Prüfungskompetenz, damit aber auch ein größeres Fehlentscheidungsrisiko, zugewachsen38. Seitdem das Freistellungsmonopol der Kommission im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV (Art. 81 Abs. 3 EG) bzw. des Bundeskartellamts im Rahmen des § 2 GWB durch diese Reform gefallen ist, entscheiden Zivilgerichte und Schiedsgerichte über kartellrechtliche Ge- und Verbote allein, ohne die Parteien auf vorgreifliche Behördenentscheidungen verweisen zu können. Der EuGH gesteht den Schiedsgerichten auch das Recht zu Vorlagen gemäß Art. 267 AEUV (Art. 234 EG) nicht zu39. Das Aufhebungsrisiko bei Schiedssprüchen mit Kartellrechtsrelevanz ist also durchaus erheblich, aber die Schiedsfähigkeit einschlägiger Streitigkeiten steht vollkommen außer Frage. Das wird allerorts als ein Segen empfunden und nicht einmal mehr diskutiert.
4. Zwischenergebnis Das Zwischenergebnis lautet hiernach: Die Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten ist kein Streitpunkt, über den weitere Worte verloren werden müssten. Das aber bedeutet, dass weder das noch unter dem alten Schiedsverfahrensrecht ergangene Urteil „Schiedsfähigkeit I“ von 1996 noch (und erst recht) das neue Urteil „Schiedsfähigkeit II“ von 2009 überhaupt von der Schiedsfähigkeit handelt. Dies darzulegen, verlangt freilich absurderweise, dass ich doch noch einmal in die soeben für fruchtlos erklärte Frage der „Schiedsfähigkeit“ einsteige. Wer sich darüber beklagen will, halte sich bitte an den Bundesgerichtshof.
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37 Gesetz v. 7.7.2005, BGBl. I 2005, S. 1954. 38 Vgl. dazu Karsten Schmidt, BB 2006, 1397 (1402 f.). 39 EuGH v. 23.3.1982 – Rs. 10/82 Slg. 1982, 1095 Rz. 10–12 („Nordsee Deutsche Hochseefischerei“); EuGH v. 1.6.1999 – Rs. C 126/97, Slg. 1999, I-3055 Rz. 34 („Eco Swiss“); EuGH v. 27.1.2005 – Rs. C 125/04, Slg. 2005, I-925 Rz. 13 („Guy Denuit, Betty Cordenier v. Transorient-Mosaïque Voyagers et Culture SA“); näher Karsten Schmidt, BB 2006, 1397 (1401).
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III. Wovon handeln die Urteile „Schiedsfähigkeit I“ und „Schiedsfähigkeit II“? 1. „Schiedsfähigkeit I“ a) Erinnern wir uns: Im Fall „Schiedsfähigkeit I“ (BGHZ 132, 278) hatte ein GmbH-Gesellschafter Anfechtungsklage beim LG Freiburg mit dem Antrag erhoben, einen gegen seine Stimme gefassten Beschluss für nichtig zu erklären. Die Satzung der GmbH enthielt eine Schiedsklausel, weshalb die beklagte Gesellschaft die Schiedseinrede erhoben hatte. Das Landgericht hatte die bei ihm erhobene Klage gleichwohl durch Zwischenurteil für zulässig, das OLG hatte sie wegen der Schiedsklausel für unzulässig erklärt40. Die Revision führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der BGH hielt also die Schiedsgerichtszuständigkeit nicht für begründet. Dieses Grundlagenurteil wurde überwiegend dahin verstanden, das Gericht habe Anfechtungsstreitigkeiten für schiedsunfähig erklärt41. Der amtliche Leitsatz des Urteils zielte allerdings, was die Sache nicht besser machte, auf einen anderen Punkt. Er lautete: „§§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1 S. 1 AktG (m. a. W. die Regelungen über die erga-omnes-Wirkung des Anfechtungsurteils) sind auf Entscheidungen privater Schiedsgerichte nicht entsprechend anwendbar.“ Da stutzte der Leser. Verwirrend waren auch die Entscheidungsgründe. Da wurde die in § 1025 ZPO a. F. damals noch für die damals so genannte Schiedsfähigkeit von Anfechtungsprozessen geforderte objektive Vergleichsfähigkeit klipp und klar bejaht42, die subjektive Vergleichsfähigkeit der Prozessparteien jedenfalls nicht ausgeschlossen43. Trotzdem standen nach Auffassung des Senats „der generellen Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten … weiterhin Bedenken entgegen, die nur durch eine gesetzliche Regelung überwunden werden
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40 OLG Karlsruhe, WM 1995, 66 = ZIP 1995, 915; dazu Timm, ZIP 1996, 445. 41 OLG Celle, NZG 1999, 167 m. Anm. Ebbing; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 47 Rz. 95; Raiser in Großkomm. GmbHG, 2006, Anh. § 47 Rz. 232; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl. 2008, § 1030 Rz. 2; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 47 Rz. 153; Bosch, WiB 1996, 718; Ebbing, NZG 1998, 285 ff.; Lüke/Blenske, ZGR 1998, 255. 42 BGHZ 132, 278 (282) = JZ 1996, 1017 m. Anm. Schlosser = NJW 1996, 1753. 43 BGHZ 132, 278 (284) = JZ 1996, 1017 (1018) m. Anm. Schlosser = NJW 1996, 1753 (1754); dazu auch Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. 2008, Rz. 303 ff.
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können“44, denn es sei „kein Raum für eine analoge Anwendung der §§ 246, 248, 249 AktG“45. Abhilfe, so damals der II. Senat, könne nur der Gesetzgeber schaffen. Der aber gab in der Regierungsbegründung zur Schiedsgerichtsnovelle von 1998 die Lösung des Problems einfach an die nach dem BGH-Urteil hierzu angeblich doch gar nicht fähige Rechtsprechung zurück46. Da wurde nochmals gestaunt. Was war von diesem rechtspolitischen Renvoi zu halten? Stand die Praxis in einer paradoxen Situation? War das rechtspolitische Knäuel unentwirrbar? Nur scheinbar! b) Abhilfe war möglich, wenn man, ungestört durch den in mehreren Punkten missglückten Wortlaut des Leitsatzes und der Gründe, das Urteil „Schiedsfähigkeit I“ in dreifacher Hinsicht vom Kopf auf die Füße stellte47: –
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Das Urteil gab vor, die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelprozessen zu verneinen. Aber es bejahte sie und sprach nur dem in der konkreten Satzung vorgesehenen Schiedsgericht die Fähigkeit ab, einen solchen Prozess zu entscheiden. Das Urteil gab vor, die Anwendbarkeit der §§ 248 und 249 AktG – also die erga-omnes-Wirkung eines Anfechtungs- oder Nichtigkeitsurteils – auf Schiedssprüche abzulehnen, doch verhielt es sich genau umgekehrt: Gerade weil es ohne die §§ 248, 249 AktG gar nicht geht, kann ein Schiedsgericht nach dem Urteil über Anfechtungsoder Nichtigkeitsklagen nur entscheiden, wenn es auch imstande ist, diese gesetzlichen Urteilswirkungen herzustellen. Der Senat hatte also die Anwendung der §§ 248, 249 AktG entgegen eigener Beteuerung gar nicht verneint, sondern implizit bejaht und gerade hieraus Folgerungen für – oder besser: gegen – die Zulässigkeit eines Anfechtungsschiedsprozesses gezogen. Das Urteil gab vor, eine allein vom Gesetzgeber zu lösende Aufgabe zu benennen. Richtig war aber nur, dass die Legitimationsaufgabe
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44 BGHZ 132, 278 (281) = JZ 1996, 1017 m. Anm. Schlosser = NJW 1996, 1753 (1754); krit. Ebenroth/Bohne, BB 1996, 1393 ff. 45 BGHZ 132, 278 (289) = JZ 1996, 1017 (1020) m. Anm. Schlosser = NJW 1996, 1753 (1756). 46 Begr. RegE Schiedsgerichtsnovelle, BT-Drucks. 13/5274, S. 35; dazu auch Chr. Berger, ZHR 164 (2000), 298. 47 Vgl. Karsten Schmidt, BB 2001, 1857 (1858) mit Hinweis auf die luzide Interpretation des Urteils aus dem Senat selbst bei Henze, Aktienrecht, 4. Aufl. 2000, Rz. 1011 ff.
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vom Gericht nicht durch nachträgliches Schulterklopfen unter den Tisch gekehrt werden kann, sondern vor dem Prozess gelöst sein muss: sei es vom Gesetzgeber, sei es von den Beteiligten selbst, nämlich durch die Satzung oder durch eine Nebenabrede, oder durch ein ad hoc zustande gebrachtes Einvernehmen über das Schiedsverfahren. Nicht die Schiedsfähigkeit des Anfechtungsprozesses stand also zur Debatte und ebenso wenig die Anwendbarkeit der §§ 246–249 AktG, sondern die Frage war schon damals genau die hier bereits formulierte48: Wie können die Beteiligten die sich im Lichte der §§ 248, 249 AktG ergebenden Legitimationsanforderungen erfüllen, ohne die ein Beschlussanfechtungsprozess vor dem Schiedsgericht nicht möglich ist? Da wir nun wissen, dass der Gesetzgeber weiterhin schweigt, bleiben nur drei taugliche Legitimationsgrundlagen: – – –
die Satzung, eine satzungsbegleitende Nebenabrede oder eine Schiedsabrede ad hoc.
Dies war der Stand nach dem Urteil „Schiedsfähigkeit I“ aus dem Jahr 1996, und dies ist der Stand auch nach dem Urteil „Schiedsfähigkeit II“. Dieses neue Urteil aus dem Jahr 2009 bügelt die soeben geprüften Mängel des Urteils „Schiedsfähigkeit I“ teils explizit49, teils implizit aus. Es fördert allerdings auch entscheidende Probleme der Anfechtungs-Schiedsgerichtsbarkeit zutage, verschärft sie teilweise sogar. Das sei nunmehr gezeigt.
2. „Schiedsfähigkeit II“ a) Das Szenario im Fall „Schiedsfähigkeit II“50 ist kaum anders als im Fall „Schiedsfähigkeit I“. Diesmal hatte ein 50 %-Gesellschafter bei dem Landgericht Klage auf Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise auf Nichtigerklärung eines gegen ihn gerichteten Beschlusses über die An_______________
48 Vgl. in diesem Sinne Geimer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 1030 Rz. 9; Bender, DB 1998, 1900; Lüke/Blenske, ZGR 1998, 300 f.; Karsten Schmidt, ZHR 162 (1998), 285; Karsten Schmidt, BB 2001, 1857 (1858); siehe auch (im Kontrast zu Rz. 232) Raiser in Großkomm. GmbHG, Anh. § 47 Rz. 231, 233 ff. 49 Rz. 13 f. 50 BGHZ 180, 221 = GmbHR 2009, 705 m. Anm. Römermann = JZ 2009, 794 m. Anm. Habersack = NJW 2009, 1962; eingehend dazu nach der VGR-Tagung Nietsch, ZIP 2009, 2269 ff.
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teilseinziehung aus wichtigem Grund erhoben. Die beklagte GmbH hatte die Schiedseinrede erhoben und diese auf eine satzungsmäßige Schiedsklausel gestützt. Wörtlich lautete diese wie folgt: „Rechtsstreitigkeiten in Angelegenheiten der Gesellschaft zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern oder von Gesellschaftern untereinander in Angelegenheiten der Gesellschaft sollen – soweit gesetzlich zulässig – unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges durch ein aus zwei Beisitzern und einem Vorsitzenden bestehendes Schiedsgericht entschieden werden, von dem, jeweils durch eingeschriebenen Brief an den anderen Teil, die das Schiedsgericht anrufende Partei den einen und die andere Partei binnen zwei Wochen den anderen Beisitzer bestimmt; der Vorsitzende, welcher die Befähigung zum Richteramt besitzen muss, wird durch die Beisitzer binnen zwei Wochen nach Benennung des zweiten Beisitzers bestimmt; benennt die andere Partei ihren Beisitzer oder benennen die Beisitzer den Vorsitzenden nicht frist- oder ordnungsgemäß, so werden der zweite Beisitzer bzw. der Vorsitzende auf Antrag einer Partei durch den Präsidenten des für den Gesellschaftssitz zuständigen Landgerichts bestellt; bei Wegfall eines Schiedsrichters – gleichgültig aus welchem Grund – ist ein anderer Schiedsrichter zu bestellen; insoweit gelten die vorstehenden Bestimmungen entsprechend. Mehrere Beteiligte auf Seiten des Klägers oder des Beklagten gelten im Sinne der vorstehenden Regelungen als die eine bzw. die andere Partei; sie treffen die Entscheidungen innerhalb ihrer Partei mit einfacher Mehrheit der vorhandenen Beteiligten nach Köpfen. Die gesetzlichen Bestimmungen über das Schiedsverfahren im 10. Buch der Zivilprozessordnung bleiben im Übrigen und auch insoweit, als sie zwingendes Recht darstellen, unberührt.“
Zusätzlich hatte die Satzung eine Befristungsregelung für Anfechtungsklagen enthalten51. Das Landgericht hatte die Klage aufgrund der Schiedseinrede auch diesmal als unzulässig abgewiesen. Aber OLG und BGH entschieden anders. Der Leitsatz des BGH-Urteils lautet: „Beschlussmängelstreitigkeiten im Recht der GmbH sind auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung der Wirkungen der §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG grundsätzlich kraft einer dies analog im Gesellschaftsvertrag festschreibenden Schiedsvereinbarung oder einer außerhalb der Satzung unter Mitwirkung aller Gesellschafter und der Gesellschaft getroffenen Individualabrede „schiedsfähig“, sofern und insoweit das schiedsgerichtliche Verfahren in einer dem Rechtsschutz durch staatliche Gerichte gleichwertigen Weise – das heißt unter Einhaltung eines aus dem Rechtsstaatprinzip folgenden Mindeststandards _______________
51 Allerdings vierwöchig! Diese Beschränkung war nach der Rechtsprechung nichtig; vgl. Rz. 30 des Urteils mit Hinweis auf BGHZ 104, 66 (72) = GmbHR 1988, 304; BGH, NJW 1995, 1218 = ZIP 1995, 460 (zu einer GmbH & Co. KG).
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b) Auch dem Urteil „Schiedsfähigkeit II“ wird – wen überrascht das? – in Besprechungen nachgesagt, es handle von der Schiedsfähigkeit der Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage52. Wir sollten aber beachten, dass der Senat das Wort im Leitsatz wie auch in den Gründen53 vorsichtig in Anführungsstriche setzt und die „grundsätzliche Schiedsfähigkeit“ von Beschlussmängelstreitigkeiten sogar ausdrücklich bejaht54. Mit vollem Recht stellt er auch klar, dass für die Legitimation von BeschlussmängelSchiedsverfahren eben nicht auf ein Einschreiten des Gesetzgebers gewartet werden muss55. Das aber bedeutet, wenn man statt bloß auf die gebrauchten Worte auf die Sache blickt: Der BGH bejaht ohne Wenn und Aber die Schiedsfähigkeit und befasst sich im Weiteren ausschließlich mit den Anforderungen an die Schiedsklausel und an das Schiedsverfahren. Dem ist mit Entschiedenheit zuzustimmen, ebenso der bemerkenswerten Klarstellung, dass die nunmehr viel klarer artikulierten Grundsätze für Altklauseln ebenso zutreffen wie für Schiedsklauseln, die unter dem neuen – die Schiedsfähigkeit nun ganz eindeutig außer Zweifel stellenden – Schiedsrecht von 1998 stipuliert worden sind56. So weit, so gut! Aber die Anforderungen, um die es nun geht, haben es wahrhaftig in sich.
3. Zum Legitimationsbedarf bei Beschlussmängelstreitigkeiten vor Schiedsgerichten a) Schiedssprüche bedürfen einer doppelten Legitimationsgrundlage: eines wirksamen Schiedsvertrags (bzw. einer satzungsmäßigen oder letztwilligen Schiedsklausel) und eines verfahrensrechtlichen Anforderungen entsprechenden schiedsgerichtlichen Verfahrens. Das erste Element dieses Legitimationsinstrumentariums wird bei einer Körperschaft bewerkstelligt durch (1.) eine Satzungsklausel nach § 1066 ZPO oder (2.) durch eine satzungsbegleitende Nebenvereinbarung der Gesellschafter oder (3.) durch eine Ad-hoc-Vereinbarung nach § 1031 ZPO. Beide Ele_______________
52 Vgl. nur Böttcher/Helle, NZG 2009, 700 ff.; Witte/Hafner, DStR 2009, 2052 ff.; klar dagegen Reinmar Wolff, NJW 2009, 2021 ff. 53 Rz. 10. 54 Rz. 12. 55 Rz. 14. 56 Rz. 11.
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mente – die Klausel und das Verfahren – müssen geeignet sein, die urteilsgleichen Wirkungen eines Schiedsspruchs (§ 1055 ZPO), im Fall eines Beschlussmängelstreits also auch die erga-omnes-Wirkung der §§ 248, 249 AktG, zu rechtfertigen. Beide unterliegen der gerichtlichen Kontrolle ex ante (§§ 1032, 1040 ZPO) und ex post (§§ 1059, 1060 ZPO). b) Für die Vertragsgestaltungspraxis ist das Ausmaß der ex-ante-Kontrolle von entscheidender Bedeutung. Die Fälle „Schiedsfähigkeit I“ und „Schiedsfähigkeit II“ haben insofern eines gemeinsam: In beiden Fällen scheiterte die Schiedsgerichtszuständigkeit an der ex-ante-Kontrolle der Schiedsklausel. Das ist ein Thema nicht nur für die Schiedsgerichtsbarkeit, sondern auch für die Gestaltungspraxis: Welchen Anforderungen müssen Schiedsklauseln in Satzungen und Gesellschaftsverträgen genügen?
IV. Die Anforderungen an die Schiedsklausel 1. Mindestanforderungen Der Bundesgerichtshof formuliert Mindestvoraussetzungen für wirksame Schiedsklauseln, die auch den Anforderungen von Beschlussmängelstreitigkeiten standhalten57: –
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–
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Die Schiedsklausel muss unter Mitwirkung aller Gesellschafter in die Satzung aufgenommen worden sein, oder alle gegenwärtigen Gesellschafter müssen der Schiedsklausel zugestimmt haben. Das Schiedsgericht muss entweder durch eine neutrale Stelle oder, sofern die Prozessparteien mitwirken, unter Mitwirkung aller Gesellschafter – in diesem Fall durchaus auch durch Mehrheitsbeschluss – ausgewählt und bestellt werden. Es muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem und demselben Schiedsgericht ausgetragen werden. Jeder Gesellschafter muss – neben den Gesellschaftsorganen – über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und
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57 Vgl. nur Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. § 47 Rz. 97 ff.; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47 Rz. 37; Böttcher/Helle, NZG 2009, 700; Nietzsch, ZIP 2009, 2269 (2271 ff.); Nolting, NotBZ 2009, 241 (242 ff.); Werner, MDR 2009, 842 ff.; Reinmar Wolff, NJW 2009, 2021 ff.
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dadurch in die Lage versetzt werden, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten. Diese Grundsätze gelten für alle Beschlussmängelklagen, also für die Nichtigkeitsklage ebenso wie für die Anfechtungs- und die positive Feststellungsklage analog §§ 241 ff. AktG58. Das leuchtet vollkommen ein, weil sich beide Prozessvarianten im Streitgegenstand nicht unterscheiden59, richtigerweise sogar beides Gestaltungsklagen sind60.
2. Nichtigkeit unzulänglicher Schiedsklauseln a) Schiedsklauseln, die den geschilderten Anforderungen nicht entsprechen, gehen ins Leere. Der BGH erklärt sie sogar für nichtig. Prüfungsmaßstab ist nach dem Urteil „Schiedsfähigkeit II“ § 138 BGB: „Nach § 138 Abs. 1 BGB (dazu BGH v. 26.1.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336 [338 f.]) sind Schiedsvereinbarungen nichtig, wenn sie eine übermäßige Einschränkung des Rechtsschutzes zum Gegenstand haben. § 138 Abs. 1 BGB hat die Funktion, den wesentlichen Grundsätzen und grundlegenden Maßstäben der Rechtsordnung – zu denen auch das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes gehört – gegenüber einem Missbrauch der Vertragsfreiheit Achtung zu verschaffen. Aus dem Rechtsstaatprinzip ist für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten.“
Dem letzten Satz wird man leichten Herzens zustimmen können. Was er mit § 138 BGB zu tun hat, scheint indes zweifelhaft. Gewiss: Knebelnde Schiedsverträge und Schiedsklauseln sind nach dieser Bestimmung unzweifelhaft nichtig61. Aber darum handelt es sich bei den Anforderungen des neuen Urteils nicht, und ebenso wenig geht es um eine dem § 138 BGB unterfallende Inhaltskontrolle. Es geht nicht um _______________
58 Vgl. BGHZ 132, 278 (280) = JZ 1996, 1017 = NJW 1996, 1753 (allerdings unter Einordnung der Nichtigkeitsklage als Feststellungsklage); vgl. auch Bayer, ZIP 2003, 881 f.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rz. 4 (in Fn. 15). 59 Vgl. nur Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 246 Rz. 17 f. und § 249 Rz. 5. 60 So Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 858; Karsten Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 249 Rz. 3 ff.; zuvor Karsten Schmidt, JZ 1977, 769 ff.; Karsten Schmidt, JZ 1988, 729 ff.; anders die immer noch vorherrschende Doktrin. 61 BGHZ 106, 336 = NJW 1989, 1477 = ZIP 1989, 535; dem Urteil grds. zustimmend Walter, JZ 1989, 590 ff.; Raeschke-Kessler, EWiR 1989, 827; siehe auch Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rz. 15; Karsten Schmidt, ZHR 162 (1998), 265 (281 f.).
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eine Missbilligung des Vertrags- oder Klauselinhalts, sondern um ein Spezifikum des Schiedsvertrags als eines Prozessrechtsvertrags und um seine legitimierende Wirkung. Ein Schiedsvertrag, der nicht imstande ist, die Legitimationsvoraussetzungen für die urteilsgleichen Wirkungen eines Schiedsspruchs zu schaffen (§ 1055 ZPO), ist gegenstandslos und bar jeder Bindungswirkung, ohne dass dies gleich auf Normen wie § 134 BGB oder § 138 BGB gestützt werden müsste. Ein auf ihn gestütztes Schiedsverfahren wäre vorbehaltlich einer heilenden Zustimmung rechtswidrig. Und wenn der Schiedsspruch für und gegen alle Gesellschafter wirken soll, sind eben die Legitimationsanforderungen andere als bei reinen Zweipersonenverhältnissen. Mit guten Sitten und mit Knebelungsverboten braucht das nicht begründet zu werden. Nicht von ungefähr stellt § 1032 Abs. 1 ZPO die Nichtigkeit, Unwirksamkeit und Undurchführbarkeit von Schiedsklauseln einander gleich. b) Doch wie immer dem sei: Die Gerichte werden von der Nichtigkeit unzureichender Schiedsklauseln ausgehen. Inzwischen hat das OLG Bremen auf der Grundlage des Urteils „Schiedsfähigkeit II“ folgende Schiedsklausel in einer GmbH-Satzung für nichtig erachtet62: „Alle Streitigkeiten, die sich aus und im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag oder über seine Gültigkeit ergeben, werden – soweit in dem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist – nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden. Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern, die die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Das Schiedsgericht kann auch über die Gültigkeit dieses Schiedsvertrags bindend entscheiden.“
Weder die Information aller Gesellschafter über die Einleitung des Schiedsverfahrens noch die Zusammenfassung aller denselben Beschluss betreffenden Schiedsklagen bei demselben Schiedsgericht sei durch die vorliegende Schiedsklausel gesichert. c) Der Senat hat im Urteil „Schiedsfähigkeit II“ auch eine die Schiedsklausel rettende ergänzende Vertragsauslegung abgelehnt. Eine solche Auslegung schlage nämlich in „freie richterliche Rechtsschöpfung“ um, wenn verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Anfüllung einer Regelungslücke bestünden, aber kein Anhaltspunkt vorhanden sei, welche
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62 OLG Bremen v. 22.6.2009 – 2 Sch 1/09, GmbHR 2010, 147.
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Regelung die Parteien in Kenntnis der neuen Rechtslage gewählt hätten63, und genau so sei es hier. Wörtlich sodann: „Die Schiedsklausel stammt aus einer Zeit, zu der die Vorgaben des Senats für eine rechtsstaatliche Gestaltung des Schiedsverfahrens in Beschlussmängelstreitigkeiten noch nicht entwickelt waren. Diesen Vorgaben kann auf verschiedene Weise Rechnung getragen werden. Welche der den Erfordernissen rechtsstaatlicher Ausgestaltung des schiedsrichterlichen Verfahrens genügende Variante die Parteien gewählt hätten, ist ungewiss. Dementsprechend lässt sich ein hypothetischer Parteiwille, die Lücken in der einen oder der anderen Weise auszufüllen, nicht ermitteln.“
3. Rechtsfolgen im Einzelfall Was diese Rechtsprechung im Einzelfall bedeutet, liegt auf der Hand. Fehlt es an einer die Schiedsklausel rettenden Vorsorge und kommt auch eine von allen Gesellschaftern gebilligte Besetzung des Schiedsgerichts nicht zustande64, so ist das Schiedsverfahren unzulässig und der Weg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Ein mit der Sache befasstes Zivilgericht wird die Rüge der Schiedsgerichtsbarkeit bei der Prüfung nach § 1032 Abs. 1 ZPO für unbegründet, die Klage also für zulässig erklären. Ein etwa angerufenes Schiedsgericht ist zu der komplementären Prüfung nach § 1040 Abs. 1 ZPO nicht nur berechtigt („kann“), sondern hierzu sogar verpflichtet65, muss also ggf. die Schiedsklage abweisen, wenn nicht die Unzulässigkeitsrüge nach § 1040 Abs. 2 ZPO verfristet ist. Bejaht das Schiedsgericht zu Unrecht seine Zuständigkeit, so unterliegt der Schiedsspruch nach § 1059 ZPO der Aufhebung.
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63 Der Senat weist hin auf BGH v. 10.12.1998 – IX ZR 262/97, ZIP 1999, 234 (236); Wendtland in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. 2007, § 157 Rz. 42; dem Senat ausdrücklich zustimmend Nietsch, ZIP 2009, 2269 (2277). 64 Vgl. nur Bork, ZIP 2003, 881 (891); wenig praktikabel scheint ausgerechnet in Anfechtungsstreitigkeiten der an die Gründe des BGH angelehnte Vorschlag einer Schiedsrichterbesetzung durch Wahl in der Gesellschafterversammlung; zu diesem Vorschlag vgl. Chr. Berger, ZHR 164 (2000), 295 (306 ff.); krit. Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253 (287). 65 Vgl. Münch in MünchKomm. ZPO, 3. Aufl. 2008, § 1040 Rz. 4; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 1040 Rz. 2; Hartmann in Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. 2009, § 1040 Rz. 2; nur für rügeunabhängiges Recht zur Prüfung Voit in Musielak, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 1040 Rz. 5.
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V. Kritische Analyse 1. Zu den Anforderungen an die Schiedsklausel Wer meine Vorarbeiten kennt, wird sich nicht darüber wundern, dass ich das neue Urteil als einen bedeutenden Fortschritt gegenüber dem Urteil „Schiedsfähigkeit I“ einschätze, so wie dieses schon ein Fortschritt gegenüber der vorher herrschenden Ansicht war. Eines aber ist das neue Urteil, wie wir noch sehen werden, wahrhaftig nicht: ein Befreiungsschlag für die Schiedsgerichtsbarkeit. Wir sollten deshalb die Erfordernisse des Urteils „Schiedsfähigkeit II“ genauer betrachten. a) Das erste Erfordernis, nämlich die Zustimmung aller Gesellschafter, meint im Lichte des § 1066 ZPO nicht die Zustimmung aller gegenwärtigen Gesellschafter. Diese verlangt der BGH nur für eine satzungsbegleitende Nebenabrede oder Ad-hoc-Vereinbarung66. Für eine satzungsmäßige Schiedsklausel genügt dagegen, dass sie in der Vergangenheit von allen Gesellschaftern – also nicht bloß mit satzungsändernder Mehrheit67 – eingeführt worden ist. Einen Beitritt aller gegenwärtigen Gesellschafter verlangt § 1066 ZPO in diesem Fall nicht. Auch für Personengesellschaften sollte sich die herrschende Meinung endlich auf diese Vorschrift besinnen68, statt, wie bisher69, eine Bindung von Rechtsnachfolgern auf den hierfür doch eher ungeeigneten § 401 BGB zu stützen70. Das Erfordernis allseitiger Bindung an die Schiedsklausel ist jedenfalls keine unzumutbare, sondern eine geradezu unverzichtbare Hürde.
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66 Rz. 20: „… alternativ reicht eine außerhalb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Absprache aus“. 67 H. M.; vgl. nur Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. zu § 47 Rz. 98 m. w. N.; eine Satzungsänderung genügt nicht einmal bei einem Verein, vgl. BGHZ 144, 146 = LM GrundG Art. 2 Nr. 74 (9/2000) m. Anm. Prinz von Sachsen Gessaphe = NJW 2000, 1713 = DStR 2000, 938 m. Anm. Goette = NZG 2000, 847 m. Anm. Ebbing; näher dazu Karsten Schmidt, BB 2001, 1857 (1861 f.). 68 Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2006, § 105 Rz. 121 ff.; Karsten Schmidt, ZHR 162 (1999), 277 ff.; zust. z. B. Geimer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 1066 Rz. 1; Ebbing, NZG 1999, 755 f. 69 Vgl. BGH, NJW 1980, 1049; BGHZ 72, 162 (165 f.); BGH, NZG 1998, 63 m. Anm. Ebbing. 70 Zum Schutz von Publikumsgesellschaftern vgl. Karsten Schmidt, BB 2001, 1857 (1863).
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b) Die zweite Frage bezieht sich auf die Zusammensetzung eines neutralen Schiedsgerichts. Fehlt es daran, so geht die Schiedsklausel ins Leere. Gesetzliche Abhilfe ist nach dem Wortlaut der ZPO nicht möglich. Schlosser hat zwar in einer Stellungnahme zum Urteil „Schiedsfähigkeit I“ erwogen, ob nicht Zuflucht zu einer gerichtlichen Bestimmung der Schiedsrichter analog § 1035 Abs. 3 ZPO gesucht werden kann71. Indes besteht wohl wenig Aussicht, dass sich die Gerichte dieser unwillkommenen Zusatzaufgabe annehmen und die Rolle eines Gebrechlichkeitspflegers für Gesellschaften mit unzureichenden Schiedsgerichtsklauseln spielen werden. De lege ferenda hat der Verfasser eine Ergänzung des § 1035 Abs. 1 ZPO um folgenden Satz 2 vorgeschlagen72: „Für eine Schiedsklage, die auf einen für und gegen Dritte wirkenden Schiedsspruch zielt, wird das Schiedsgericht durch eine neutrale Stelle (Präsident eines Land- oder Oberlandesgerichts, einer Handelskammer etc.) bestellt. Fehlt eine entsprechende Vereinbarung, so gelten Abs. 4 und Abs. 5 sinngemäß.“ Einstweilen fehlt es an einer rettenden Gesetzesnorm, und das bedeutet nach dem Urteil: Das Ernennungsverfahren muss in der Schiedsklausel festgelegt werden. c) Noch schwieriger ist, drittens, die Gewährleistung der Verfahrenskonzentration. Mit dem BGH bin ich der Auffassung, dass es bei Gestaltungsklagen kein „bis in idem“ geben darf. Nachvollziehbar, aber schwer umzusetzen ist auch, dass dieses Erfordernis schon in der Schiedsklausel oder der Schiedsvereinbarung gewährleistet werden muss. Keinem Gesellschafter soll nach der Einschätzung des Senats die Führung des Rechtsstreits bei einem Schiedsgericht angesonnen werden, wenn von dessen Schiedsspruch keine allseits bindende und endgültige Entscheidung erwartet werden kann. Aber gilt dies auch in einer Zweipersonengesellschaft, etwa in einem 50/50-Gemeinschaftsunternehmen? Gilt dies auch, wenn sich ein klagender Minderheitsgesellschafter nur einem einzigen Gegner gegenübersieht, nämlich dem geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafter? Hier kann ja keine Rede davon sein, dass nicht alle Gesellschafter bei der Konstituierung des Schiedsgerichts mitwirken oder dass ein Zweitprozess bei einem anderen Schiedsgericht droht. Aber der BGH sieht dies eindeutig anders: „Die Sittenwidrigkeit einer Schiedsklausel ist – wie die anderer Rechtsgeschäfte – nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihrer Einführung in den Gesellschaftsvertrag zu beurteilen, nicht hingegen nach den Verhältnissen in dem Zeitpunkt, _______________
71 Schlosser, JZ 1996, 1020 (1022); zust. Bender, DB 1998, 1900 (1902). 72 Karsten Schmidt in Verhandlungen des 63. DJT II, 2001, S. O 33.
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Karsten Schmidt – Gesellschafterstreitigkeiten vor Schiedsgerichten in dem sie ihre Rechtswirkungen entfaltet (BGHZ 125, 206 [209]; 120, 272 [276]; 107, 92 [96 f.]; 100, 353 [359]). Ob eine Schiedsklausel wirksam ist oder nicht und damit die Schiedseinrede eröffnet ist oder nicht, darf nicht nachträglich von Fall zu Fall entschieden werden. Deshalb spielt es auch keine Rolle, dass der Kl. als Initiator eines Schiedsverfahrens auf die Bestimmung des Schiedsgerichts in einem konkreten, von ihm in Gang gesetzten Schiedsverfahren hätte Einfluss nehmen können. Dass die Bekl. bei ihrer Gründung lediglich zwei Gesellschafter hatte und gegenwärtig auch nur drei Gesellschafter hat, mithin aus einem überschaubaren Personenkreis besteht, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, zumal der Gesellschaftsvertrag eine Erweiterung des Kreises der Gesellschafter schon bei seinem Abschluss vorgezeichnet hat. Die Entscheidung über die Einhaltung rechtsstaatlicher Mindeststandards und damit über die Wirksamkeit der Schiedsklausel darf nicht von Zufallskriterien abhängen (anders OLG Düsseldorf, GmbHR 2004, 572 [577]), zu denen auch gehört, ob sämtliche Gegner einer Beschlussanfechtung – wie im Falle der Bekl. freilich nicht – zugleich organschaftliche Vertreter der Gesellschaft sind und damit notwendig Kenntnis von der Auseinandersetzung haben. Die Zahl der Gesellschafter der Bekl. ist an keiner Stelle auf die Höchstzahl drei festgeschrieben. Diese Höchstzahl wäre im Übrigen völlig zufällig gewählt. Eine Schiedsklausel kann – vom Systembruch im Hinblick auf die § 138 Abs. 1 BGB sonst beherrschenden Grundsätze ganz abgesehen – nicht jeweils in Abhängigkeit vom aktuellen Bestand der Gesellschafter als wirksam oder als unwirksam behandelt werden. Die von der Revision zitierten statutarischen Erschwernisse einer Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen führen zu keinem anderen, für die Bekl. günstigeren Ergebnis, weil sie nicht auszuschließen vermögen, dass gerade über ihre Wirksamkeit zugleich und denselben Beschluss betreffend vor verschiedenen Schiedsgerichten gestritten wird …“
Diese Ausführungen sind samt und sonders in sich schlüssig. Sie basieren allerdings auf einer Prämisse, über die der Senat kein Wort verliert: dass und warum es sich nämlich um ex ante zu prüfende Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Schiedsklausel und nicht um Legitimitätsvoraussetzungen für das Schiedsverfahren handelt, für die eine Kontrolle ex post genügen würde. Das Urteil „Schiedsfähigkeit II“ baut mit seinem Katalog an Anforderungen einen perfektionistischen ex-anteSchutz der Gesellschafter auf. Dieser Schutz ist effektiv. Er macht aber die Formulierung wirksamer Schiedsklauseln schwierig. d) Meine vierte Frage betrifft das Erfordernis einer Gesellschafterinformation, die jeden Gesellschafter zur Nebenintervention instand setzen soll. Vollends wird hier nämlich deutlich, dass es sich um ein unverzichtbares Element eines legitimierenden Verfahrens, nicht ohne weite-
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res aber auch der Schiedsklausel handelt. Und vollends fragt man sich: Muss das alles in der Schiedsklausel im Voraus geregelt sein? Und soll diese nichtig sein, wenn es an solcher ex-ante-Klärung fehlt? Ich will einmal hoffen, dass der BGH sich doch auf die ergänzende Auslegung besonnen hätte, wenn hier in casu der einzige Mangel der Klausel gelegen hätte. Es handelt sich eben doch nur um eine das Verfahren betreffende Voraussetzung, deren nachträgliche Prüfung genügen sollte.
2. Ein Plädoyer für mehr ergänzende Auslegung a) Überhaupt drängt mich die Ablehnung einer ergänzenden Auslegung zu einem Stoßseufzer: Wenn man die Entscheidungsgründe beim Wort nimmt, kann es der BGH der Kautelarpraxis in unendlich vielen Fällen schwer machen, indem er die rechtlichen Anforderungen an Verträge verschärft und eine geltungserhaltende Klauselanpassung mit der Begründung verweigert, hierfür fehle jede Grundlage, da die Parteien die nunmehr aufgestellten Anforderungen nicht hätten kennen können. Das scheint mir schlecht zur sonstigen Praxis des II. Senats zu passen. b) Noch ein Punkt ist zu ergänzen: Nehmen wir einmal an, eine Satzung oder Gesellschaftervereinbarung verweist auf eine schiedsgerichtliche Institution wie die DIS, und diese bessert – wie im Fall der DIS geschehen – ihre Regeln nach, so spricht in meinen Augen alles dafür, die Klausel als eine dynamische Verweisung zu verstehen oder doch jedenfalls die ergänzende Auslegung der Schiedsklausel zuzulassen.
3. Prüfung ex ante oder Prüfung ex post? a) Wie schon bemerkt, ist das Urteil durch eine strenge ex-ante-Kontrolle der Schiedsklausel gekennzeichnet. Die Klausel muss das Verfahren schon vorzeichnen. Eine später ansetzende Verfahrenskontrolle genügt dem BGH also nicht. Zum Kontrast möchte ich hier an frühere Überlegungen erinnern, die seinerzeit auf Verwunderung gestoßen sind. 1988 habe ich – nachzulesen in der ZGR73 – vor Bundesrichtern und Professoren die damals noch ungewohnte These vertreten, Beschlussmängelklagen seien schiedsfähig (nur Walter Stimpel stimmte damals nach meiner Erinnerung zu). Aber die Beschlussvernichtung durch Gestaltungsurteil gemäß §§ 248, 249 AktG bedürfe im Fall eines Schiedsspruchs analog § 1060 ZPO (damals § 1042 ZPO a. F.) der Vollstreck_______________
73 Karsten Schmidt, ZGR 1988, 523 ff.
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barerklärung (das gab einen Preis für Humor). Das Konzept war begründungsbedürftig, denn ein Gestaltungsurteil vollstreckt sich ja gewissermaßen selbst und bedarf keiner Vollstreckung. Wozu also die Vollstreckbarerklärung? Doch mein Gedanke war im Grunde ganz einfach: Gegen die Schiedsfähigkeit als solche spreche nichts, wenn nur – – –
die Schiedsklausel allseits bindend und das Schiedsgericht hinzureichend neutral besetzt sowie schließlich das Schiedsverfahren einer nachträglichen Legitimationskontrolle unterworfen sei, nicht anders, als beruhe die Gestaltungswirkung auf einer fingierten Beschlussaufhebung nach § 894 ZPO.
Es sollte also eine ex-ante-Legitimation durch eine alle Betroffene bindende Schiedsklausel, ein rechtswahrendes Schiedsverfahren und am Ende eine ex-post-Legitimation durch die verfahrensrechtliche Prüfung analog § 1060 ZPO geben74. Mir gefällt das Konzept noch heute75. Aber der BGH denkt in dieser Hinsicht offenbar anders. Er bepackt die Schiedsklausel mit der ganzen Legitimationslast, prüft also extensiv ex ante76, womit sich der Bedarf nach einer Vollstreckbarerklärung verringern, wohl sogar ganz erledigen müsste. Ob dieses Konzept überzeugt, ob also das Verfahren in der vom BGH verlangten Weise durch die Schiedsklausel vorgezeichnet sein muss, ist aber doch zu bezweifeln77. b) Zugegebenermaßen hat die Verlegung des gesamten Legitimationsbedarfs in die Schiedsklausel allerdings einen für die weitere Prozedur beachtlichen Vorteil: Im ordentlichen Verfahren wird die Wirksamkeit der Schiedsabrede endgültig geprüft, wenn – aber auch nur wenn – vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache die sog. Schiedseinrede erhoben wird (§ 1032 Abs. 1 ZPO). Auch kann bis zur Konstituierung des Schiedsgerichts bei dem ordentlichen Gericht ein Antrag auf Feststellung gestellt werden, dass das schiedsrichterliche Verfahren zulässig oder unzulässig ist (§ 1032 Abs. 2 ZPO). Umgekehrt entscheidet das Schiedsgericht selbst ex officio über seine Zuständigkeit oder Unzuständigkeit78. Wenn spätestens mit der Klagebeantwortung seine Unzuständigkeit gerügt wird (§ 1040 Abs. 1, 2 ZPO), muss das Schiedsgericht _______________
74 Ähnlich z. B. auch Bayer, ZIP 2003, 881 (891); Nolting, NotBZ 2009, 241 (247). 75 Zuletzt wieder Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 45 Rz. 171. 76 Vgl. auch Duve/Keller, NJW 2009, 1967. 77 In diesem Sinne auch Nolting, NotBZ 2009, 241 (247). 78 Vgl. Fn. 65.
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die Schiedsklage für unzulässig oder durch einen besonderen Zwischenbescheid für zulässig erklären, gegen den das Gericht angerufen werden kann (§ 1040 Abs. 3 ZPO). Das Schiedsverfahren darf zwar während dieser gerichtlichen Prüfung einstweilen fortgeführt werden (§ 1032 Abs. 3, § 1040 Abs. 3 Satz 3 ZPO), aber lange bleibt die Frage, ob die Schiedsabrede wirksam und bindend ist, wenn sie im Verfahren aufgeworfen wird, nicht in der Schwebe. Anzumerken ist allerdings, dass die beklagte Gesellschaft wohl nur im ordentlichen Zivilprozess die Unzulässigkeit des Verfahrens rügen wird, nicht im Schiedsverfahren. Im eröffneten Schiedsverfahren steht nicht der Schutz des Klägers und der Beklagten im Mittelpunkt, sondern der Schutz mitbetroffener Dritter. Ihm dient der Ansatz des BGH. c) Aber die Methode des Bundesgerichtshofs – die nahezu komplette ex-ante-Kontrolle der Schiedsverfahrensvoraussetzungen – hat auch einen gehörigen Pferdefuß. Sie bepackt die Satzungs- oder Vertragsgestaltung mit der Aufgabe, die Voraussetzungen eines legitimierenden Schiedsverfahrens nahezu total ex ante festzulegen. Insofern ist sie durch Prozessdenken geprägt und bürdet der Gestaltungspraxis schwierige Aufgaben auf, denen die bisher üblichen Schiedsklauseln schwerlich gerecht werden.
VI. Effekte der BGH-Rechtsprechung 1. Notbremsung? Schon das Urteil „Schiedsfähigkeit I“ stand in dem Ruf, es habe Schiedsgerichtsbarkeit aus der GmbH-Praxis verbannt79. Seine einschüchternde Wirkung lässt sich beispielsweise aus dem Beck’schen Formularbuch ablesen. Aus der Feder von Jörg Risse finden wir da die folgende GmbHSchiedsklausel80: „(1) Alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Gesellschaftsvertrag werden, soweit nachfolgend nicht etwas anderes bestimmt ist, durch ein Schiedsgericht nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) entschieden. Die Anzahl der Schiedsrichter beträgt drei. Schiedsort ist der Sitz der Gesellschaft.
_______________
79 Bosch, WiB 1996, 720. 80 Risse in Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, 9. Aufl. 2006, XII 4.
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Karsten Schmidt – Gesellschafterstreitigkeiten vor Schiedsgerichten (2) Für Beschlussmängelstreitigkeiten (Streitigkeiten über die Nichtigkeit/Wirksamkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen) gilt diese Schiedsvereinbarung nicht. Beschlussmängelstreitigkeiten werden von dem zuständigen Gericht entschieden. (3) Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern, die keinen unmittelbar mitgliedschaftlichen Bezug haben, aber mit der Gesellschafterstellung in Zusammenhang stehen, werden ebenfalls durch ein Schiedsgericht nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) entschieden. Die Gesellschafter schließen hierfür eine gesonderte Schiedsvereinbarung, die als Anlage X diesem Vertrag beigefügt ist.“
Wir sehen an Absatz 2 dieses Vorschlags: Eine Satzungsklausel solchen Inhalts gibt gegenüber der Rechtsprechung klein bei. Sie führt das herbei, was es ex lege nicht gibt: die Schiedsunfähigkeit von Anfechtungsklagen. Wird sich dies durch das Urteil „Schiedsfähigkeit II“ ändern? Schwerlich! Das neue Urteil hat zwar den rechtsdogmatischen Ansatz berichtigt und die Kriterien rechtmäßiger Schiedsgerichtspraxis präzisiert, aber die Klauselgestaltung hat es nicht eben erleichtert. Das ist wenig ermutigend und wirft die Frage auf, was aus Altklauseln in Gesellschaftsverträgen werden soll, die zu einem erheblichen Teil weit hinter den Anforderungen von „Schiedsfähigkeit II“ zurückbleiben.
2. Reparatur von Altklauseln? a) Dass der BGH mit der ergänzenden Vertragsauslegung knausert, der Gesellschaft hier also nicht die Hand reicht, wurde schon kritisch angemerkt. Auch wurde der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass die Rechtsprechung bei Schiedsklauseln und Schiedsverträgen, denen es an einzelnen Elementen des nunmehr entworfenen Anforderungsprofils fehlt – z. B. an einer Regelung über die Information von Mitgesellschaftern –, doch etwas geltungsfreundlicher mit Altklauseln umgehen möge. b) Eine nur auf den ersten Blick einfache Frage ist, ob vorhandene Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen mit qualifizierter Mehrheit durch Satzungsänderung geheilt werden dürfen, wenn sie hinter den Anforderungen des BGH zurück bleiben. Wer die Entscheidungsgründe wörtlich nimmt, wird dies spontan verneinen, denn eine (qualitative) Mehrheitsentscheidung soll ja gerade nicht für eine wirksame Schiedsklausel ausreichen. Aber ist Nachbesserung einer Altklausel wirklich dasselbe wie die Unterwerfung unter eine Schiedsklausel? Das möchte ich verneinen, weil es ja nur um die Umsetzung des längst satzungsmäßig Gewollten geht. Schon im Anschluss an das Urteil „Schieds-
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fähigkeit I“ habe ich die Frage aufgeworfen, ob der Kernbereichsschutz der Gesellschafterrechte einem Satzungsänderungsbeschluss im Wege sein kann, wonach z. B. die Bestimmung der Schiedsrichter durch die Handelskammer zum Satzungsbestandteil erklärt wird. Ich habe das damals verneint, die qualifizierte Mehrheit also für zulässig erklärt81. Hier könne es keinen Schutz gegen die Majorisierung geben, denn kein Kapitalgesellschafter könne ein bestandsfestes Recht darauf reklamieren, dass eine im Konsens in die Satzung aufgenommene Schiedsklausel an den vom BGH aufgestellten Erfordernissen scheitert. Für die Heilung unzureichender Schiedsklauseln müsse also ein mit qualifizierter Mehrheit gefasster Satzungsänderungsbeschluss genügen. Damit habe ich Zustimmung gefunden82. Ich würde den Mehrheitsbeschluss sogar bei Personengesellschaften ausreichen lassen, sofern Gesellschaftsverträge Mehrheitsbeschlüsse über Vertragsänderungen zulassen. Dass dieser Standpunkt nicht auf ungeteilte Zustimmung rechnen kann, ist nicht zu verkennen. Wir werden aber sehen, dass er auch auf der Ebene individueller Rechte und Pflichten Vorzüge aufweist. c) Offen gelassen hat der BGH in dem neuen Urteil eine theoretisch weniger dubiose, jedoch in meinen Augen praktisch nur zweitbeste und nur hilfsweise zum Einsatz gelangende Lösung83. Anpassungsvehikel ist hiernach die Treupflicht, also ein Obstruktionsverbot: Alle Gesellschafter müssen nach diesem Konzept in den Grenzen der Zumutbarkeit einer heilenden Satzungsänderung zustimmen84. Aber der Pferdefuß ist ein doppelter: Erstens nämlich ist die Durchsetzung einer solchen Zustimmungspflicht von der rechtstechnischen Frage abhängig, ob alle Opponenten zuvor rechtskräftig zur Stimmabgabe verurteilt werden müssen, bevor die fiktive Einstimmigkeit erzielt ist (§ 894 ZPO). Zweitens kehrt hier in neuem Gewand dieselbe Schwierigkeit ein, die den BGH von der ergänzenden Auslegung abhält: nämlich die inhaltliche Offenheit der konkreten Satzungsänderung, wenn, wie der Senat herauskehrt, unterschiedliche Satzungsklauseln in Betracht kommen. Um _______________
81 Karsten Schmidt, BB 2001, 1857 (1862). 82 Bayer, ZIP 2003, 881 (890); Nietzsch, ZIP 2009, 2269 (2277 f.); Witte/Hafner, DStR 2009, 2052 (2055). 83 BGHZ, 180, 221 (235) = GmbHR 2009, 705 (710) m. Anm. Römermann = JZ 2009, 794 (797) m. Anm. Habersack = NJW 2009, 1962 (1966) m. Anm. Duve/Keller = DStR 2009, 1043 (1047). 84 Dazu zusammenfassend Witte/Hafner, DStR 2009, 2052 (2056); zum Konzept des II. Zivilsenats vgl. auch nach Manuskriptabschluss BGH, ZIP 2009, 2289 („Sanieren oder Ausscheiden“).
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diesen Zweifeln gerecht zu werden, sollte man die Zustimmungspflicht von einer doppelten Voraussetzung abhängig machen, dass nämlich die Klauselergänzung erstens den vom BGH aufgestellten Anforderungen und zweitens dem Votum der qualifizierten Mehrheit entspricht. Einer Heilungsvariante, die eine satzungsändernde Mehrheit findet, dürfen dann auch die Minderheitsgesellschafter ihre Zustimmung billigerweise nicht versagen. Wenn das aber richtig sein sollte, dann belegt dieser Gedanke nur, dass eine Satzungsänderung nicht in den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte eingreift, womit sich der Umweg über das Obstruktionsverbot nur noch als ängstliche Vergewisserung der hier favorisierten Lösung erweist: Die satzungsändernde Mehrheit genügt, um die Obstruktion einer Mehrheit zu vernachlässigen. Einer besonderen Durchsetzungsprozedur gegenüber einer opponierenden Minderheit bedarf es jedenfalls nicht.
3. Eine Chance für die institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit? a) Die Einrichtung eines ständigen Schiedsgerichts bei der Gesellschaft, wie sie mit einem Blick auf die großen Verbände bisweilen empfohlen wird85, wird für die Mehrzahl der Gesellschaften unpraktisch sein. Dass sich die ständige Präsenz eines Schiedsgerichts praktisch lohnt, möchte man den Gesellschaften und ihren Gesellschaftern wahrlich nicht wünschen, denn dies würde ja eine immense Prozesshäufigkeit voraussetzen. Ich lasse diese Variante deshalb beiseite. Eine GesellschaftsrechtsSchiedsgerichtsbarkeit mit Breitenwirkung kann allerdings immer noch durch institutionalisierte Schiedsgerichtsorganisationen gewährleistet werden, wie sie z. T. bei den Handelskammern (Industrie- und Handelskammern) empfohlen wird86. Die theoretisch einfachste Lösung bestünde darin, dass sich die Gesellschaft in toto einem vorhandenen87 oder von einer dritten Autorität (etwa dem Präses der Handelskammer oder
_______________
85 Zur Unterscheidung zwischen Schiedsgericht und Gesellschaftsorgan vgl. BGHZ 43, 261 = NJW 1965, 1378. 86 Ausführlich zu administrierten Schiedsverfahren Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. 2008, Kapitel 31 ff. 87 Vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 1 Rz. 10.
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dem Präsidenten eines Land- oder Oberlandesgerichts) zu besetzenden88 Schiedsgericht unterwirft, doch ist dies eine Frage der Akzeptanz. b) In der Praxis einfacher umzusetzen ist die Einschaltung eines institutionellen und deshalb neutralen Dienstleisters. Die verbreitete Verweisung auf die Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit in Köln (DIS) konnte nach dem Urteil nicht mehr ohne weiteres ausreichen. Rüdiger Werner hat in der MDR Nachbesserungen bei diesen Schiedsklauseln vorgeschlagen89. Mehr verspreche ich mir von Änderungen nicht in allen einzelnen Satzungen bzw. Gesellschaftsverträgen, sondern in den Schiedsgerichtsordnungen der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit, auf die in Satzungen und Gesellschaftsverträgen verwiesen werden könnte. Die DIS hat „Ergänzende Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten“ erlassen90, mit denen sie den neuen Vorgaben des Bundesgerichtshofs für die Zukunft gerecht werden will91. Die Ergänzenden Regeln zeigen allerdings ihrerseits, wie schwierig es ist, den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderungen zu genügen. Im Wesentlichen sorgen diese Ergänzenden Regeln nämlich nur für Folgendes: – –
–
für die Möglichkeit einer Nebenintervention und der fortlaufenden Unterrichtung Betroffener (§§ 2–6 der Ergänzenden Regeln), für die Konstituierung des Schiedsgerichts unter Beteiligung auch aller Nebenintervenienten erst nach Einreichung der Schiedsklage bei der DIS (§ 6 DIS-Schiedsgerichtsordnung 1998), für auch nachträgliche Beitrittsmöglichkeiten (§ 9 der Ergänzenden Regeln) und für eine Wirkungserstreckung des Schiedsspruchs auf alle der DIS benannten Betroffenen (§ 11 der Ergänzenden Regeln).
Ob damit auch dem weiteren Erfordernis des neuen Urteils, nämlich der ausschließlichen Zuständigkeit eines und desselben Schiedsgerichtsspruchkörpers für denselben Streitgegenstand, Genüge getan werden kann, hängt davon ab, ob man diese Anforderung auf die Spitze treibt _______________
88 Bork, ZHR 160 (1996), 374 (383); Ebbing, NZG 1998, 281 (286 f.); Karsten Schmidt, BB 2001, 1857 (1859 f.); Böttcher/Helle, NZG 2009, 700 (702); kritisch zur Besetzung durch den Präses der IHK Schlosser, JZ 1996, 1020 (1021); Bayer, ZIP 2003, 881 (889). 89 Werner, MDR 2009, 842 (846 f.). 90 Abrufbar unter www.dis-arb.de sowie abgedruckt in NZG 2009, 1281; SchiedsVZ 2009, 311 ff. 91 Vgl. die Pressemitteilung, „DIS setzt Vorgaben des BGH für Gesellschaftsrechtsstreitigkeiten in die Praxis um!“, abrufbar unter www.dis-arb.de.
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oder ob man, dem gesunden Menschenverstand folgend, darauf setzt, dass unter derselben Schiedsgerichtsorganisation die Konstituierung unterschiedlicher Spruchkörper in der nämlichen Sache für verschiedene Prozessparteien nicht ernsthaft zu befürchten ist. Wofür hier plädiert wird, ist nicht schwer zu erraten. Erste Diskussionen auch mit Angehörigen des II. Zivilsenats geben Anlass zu einer optimistischen Einschätzung92.
4. Abhilfe ad hoc Letzte Rettung kann, wenn es an der Heilungsprozedur ex ante fehlt, eine Schiedsgerichtsvereinbarung ad hoc unter allen Betroffenen sein. Sehr wahrscheinlich ist eine solche Gestaltung im Streitfall nicht, aber sie ist auch nicht ausgeschlossen93. Es kann ja sein, dass sich die streitenden Gesellschafter bei allem Hader in einem Punkt einig sind: darin, dass sie nicht im kleinen Freiburg oder Herzogenaurach vor den Augen und Ohren der Angestellten und Nachbarn, der Lokalpresse, der Stationsreferendare und der gerade ein Praktikum absolvierenden Studenten ihren Streit bei dem Landgericht ausfechten wollen, sondern vor einem verschwiegenen und mit besonderer Sachkunde versehenen Schiedsgericht. Hätten sich in den Sachen „Schiedsfähigkeit I“ und „Schiedsfähigkeit II“ alle Gesellschafter auf eine solche Besetzung geeinigt, so wären die Probleme der beiden Urteile nicht aufgetreten. Der Schiedsspruch hätte allen Anforderungen des Gerichts genügt, denn er hätte mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter ergehen können94. Ebenso wie die Gesellschafter den Beschluss durch allseitigen Vertrag aufheben können, können sie ja auch in allseitigem Einvernehmen dem Schiedsgericht die Befugnis verleihen, den Beschluss nach Maßstäben objektiven Gesellschaftsrechts zu prüfen und ggf. mit den aus §§ 248, 249 AktG ersichtlichen Wirkungen für nichtig zu erklären. Zwar wird die Auffassung vertreten, ein Schiedsverfahren bringe nur dann etwas ein, wenn alle Gesellschafter auch am Rechtsstreit beteiligt seien; dieser müsse also als Mehrparteienprozess durchgeführt werden, oder es müssten mehrere Schiedsverfahren mit gleichem Ergebnis nebeneinander betrieben werden95. Dieser Vorschlag ist kleinmütig und bleibt hinter dem neuen Urteil zurück. Er bringt das GmbH-Schiedsverfahrens_______________
92 93 94 95
Vgl. auch Lilja/Schaper, NZG 2009, 1281 ff. Wörtlich Karsten Schmidt, BB 2001, 1857 (1859). Vgl. Bender, DB 1998, 1903; Lüke/Blenske, ZGR 1998, 299. Münch in MünchKomm. ZPO, 3. Aufl. 2008, § 1030 Rz. 36.
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recht auf den – wie noch zu zeigen sein wird: seinerseits fortbildungsbedürftigen – Stand des Personengesellschaftsrechts. Für die Praxis wirkt er schiedsgerichtsfeindlich, ist er doch kaum etwas anderes als eine Rückkehr in die Gedankenwelt der „subjektiven Vergleichsfähigkeit“, die durch nichts gerechtfertigt ist. Nicht eine aktuelle Prozessbeteiligung aller Gesellschafter, sondern die Legitimation des Schiedsspruchs ihnen gegenüber ist erforderlich, aber auch ausreichend und entscheidend, um eine sinngemäße Anwendung der §§ 248, 249 AktG zu rechtfertigen.
VII. Aktienrecht und Personengesellschaftsrecht 1. Anfechtungs-Schiedsverfahren im Aktienrecht? a) Auf Anfechtungsprozesse bezogene Schiedsklauseln in AG-Satzungen sind nach überwiegender Auffassung gemäß § 23 Abs. 5 AktG unwirksam96 und könnten nur durch Änderung des Aktiengesetzes zugelassen werden97. Zugrunde liegt die – durchaus nicht unbestreitbare98 – Annahme, dass § 246 AktG mehr als nur eine Prozessregel, vielmehr eine Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes für Aktionäre enthält99. Dass die Rechtsfolge bei einer „kleinen AG“ wenig überzeugt, ist einzuräumen, aber der Mangel liegt nicht im Schiedsverfahrensrecht, sondern darin, dass die Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG de lege lata nicht auf Publikumsgesellschaften beschränkt ist100. Durch Nebenvereinbarung in der „kleinen AG“ kann eine Schiedsvereinbarung für etwaige künftige Prozesse bereits de lege lata wirksam getroffen wer_______________
96 Vgl. nur Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 246 Rz. 10; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 246 Rz. 19; Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 Rz. 156; Karsten Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 246 Rz. 114 ff.; Karsten Schmidt, ZGR 1988, 523 (537 ff.); Henze, ZIP 2002, 97 (99 f.); Reichert in FS Ulmer, 2003, 511 (530 f.); a. M. Geimer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 1030 Rz. 9. 97 Gesetzgebungsvorschlag bei Karsten Schmidt in Verhandlungen des 63. DJT, Bd. II, 2001, S. O 25, O 32 f. 98 Anders etwa Papmehl, Die Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 2001, S. 101 ff.; Geimer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 1030 Rz. 9 m. w. N.; Schwab in Karsten Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 246 Rz. 33; Bork, ZHR 160 (1960), 374 (377); Zöllner, AG 2000, 150; Habersack, JZ 2009, 797 (798 f.). 99 Vgl. Karsten Schmidt, BB 2001, 1857 (1861). 100 Insofern für kleine, nicht börsennotierte Aktiengesellschaften großzügiger Goette, GWR 2009, 103 (105).
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den101. Für den Inhalt der Schiedsabrede gelten die für die Schiedsgerichtskompetenz in GmbH-Sachen entwickelten Regeln sinngemäß. b) Ein Unterschied besteht allerdings in der Frage der Fristwahrung. Während man sich bei der Anfechtung von GmbH-Beschlüssen in die Formel der „angemessenen“ Anfechtungsfrist retten und die bisweilen mühsame Konstituierung des Schiedsgerichts abfedern kann102, bleibt es im Fall einer Aktiengesellschaft bei der strengen Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG. Um Kalamitäten zu vermeiden, wird deshalb teils zu einer Abbedingung der Monatsfrist in der Schiedsvereinbarung geraten103. Zu erwägen ist allerdings auch, ob nicht der Antrag auf Einleitung des Schiedsverfahrens, der bereits wesentliche Essentialia einer Klagschrift enthält, für die Fristwahrung ausreichen könnte104.
2. Personengesellschaften a) § 1066 ZPO, wonach Schiedsgerichte „in gesetzlich statthafter Weise durch nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügungen angeordnet werden“ können, gilt nach h.M. zwar für die Satzung von Körperschaften (Verein, AG, GmbH, Genossenschaft), nicht aber für Personengesellschaftsverträge105. Dieser Standpunkt ist überholt106. Nur die von der h. M. abgelehnte Anwendung des § 1066 ZPO rechtfertigt auch die automatische Erstreckung der gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel bei Personengesellschaften auf Anteilserwerber, die immer noch, aber wenig überzeugend, auf § 401 BGB gestützt wird107. Vorsorglich ist aber bei Personengesellschaften nach wie vor anzuraten, in einem separat von den Beteiligten unterschriebenen Schriftstück (§ 1031 Abs. 1 ZPO) _______________
101 102 103 104 105
Karsten Schmidt, AG 1995, 551 ff. Dafür Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 45 Rz. 145 a. E. So Nolting, NotBZ 2009, 241 (246). Dagegen freilich Nolting, NotBZ 2009, 241 (245). Vgl. BGHZ 45, 282 (286); BGH, NJW 1980, 1049; OLG Karlsruhe, DB 1991, 903 m. abl. Anm. Karsten Schmidt (zu § 1048 ZPO a. F.); OLG Oldenburg, NZG 2002, 931 (932 f.); Münch in MünchKomm. ZPO, 3. Aufl. 2008, § 1066 Rz. 20; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl. 2008, Einl. v. § 1 Rz. 90; Ebbing, NZG 1998, 281 (282). 106 Vgl. aus der Kommentarliteratur Geimer in Zöller, ZPO 28. Aufl. 2010, § 1066 Rz. 1, 13 f.; Habersack, SchiedsVZ 2003, 241 (243 f.); Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB, § 105 Rz. 121; zuerst Karsten Schmidt, JZ 1989, 1077 (zu § 1048 ZPO a. F.); zusammenfassend Karsten Schmidt, BB 2001, 1857. 107 Dazu BGH, NZG 1998, 63 m. Anm. Ebbing.
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auf die gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel Bezug zu nehmen. Schiedsklauseln bei einer Publikumsgesellschaft, bei denen die satzungsgleiche Wirkung einer Schiedsklausel bedenklich sein könnte, unterliegen der Inhaltskontrolle108. b) In einer Personengesellschaft sind Beschlussmängelstreitigkeiten nach ständiger Rechtsprechung durch Klage gegen alle dem Standpunkt des Klägers widersprechenden Gesellschafter auszutragen, nicht gegen die Gesellschaft109. Wird danach verfahren, so werfen Binnenprozesse in Personengesellschaften Probleme der Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit auf. Zulässig ist eine Vertragsklausel, wonach bei der Rüge von Beschlussmängeln gegen die organschaftlich vertretene Gesellschaft zu klagen ist110. Dann gelten dieselben Regeln wie bei Anfechtungsprozessen in der GmbH. Es ist kein Zufall, dass die Drittschutzprobleme einander gleichen, ganz unabhängig davon, ob der Prozess unter allen Gesellschaftern oder – die moderne Lösung111 – durch Schiedsklage gegen die Gesellschaft geführt wird. Denn das Betroffensein aller Gesellschafter ist allemal dasselbe.
VIII. Zusammenfassung 1. Zur Bedeutung der BGH-Entscheidungen Schiedsgerichtsfragen im Gesellschaftsrecht werfen nicht nur Verfahrensprobleme auf, sondern auch Fragen der Satzungs- bzw. Vertragsgestaltung. Die Urteile „Schiedsfähigkeit I“ und „Schiedsfähigkeit II“ befassen sich nicht mit der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten, wohl aber mit den Legitimationsvoraussetzungen von Schiedsverfahren und Schiedssprüchen. Die Urteile haben nachhaltige Auswirkungen auch auf die Gestaltungspraxis.
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108 Näher Karsten Schmidt, BB 2001, 1857 (1863). 109 BGHZ 81, 263 (264 f.) = NJW 1981, 2565; st. Rspr.; für die h. M. etwa v. Gerkan/Haas in Röhricht/v. Westphalen, HGB, 3. Aufl. 2008, § 119 Rz. 12; Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2008, § 119 Rz. 75 ff.; dagegen Enzinger in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2006, § 119 Rz. 98; Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2006, § 105 Rz. 74; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 453 ff.; Karsten Schmidt, ZGR 2008, 1 (24 ff.). 110 BGHZ 85, 350 (353); BGH, BB 2003, 1029 = NJW-RR 2003, 696. 111 Vgl. die Gegenmeinung in Fn. 109.
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2. Thesen112 a) § 1030 ZPO lässt im Gegensatz zu § 1025 ZPO a. F. erkennen, dass es ein Problem der „Schiedsfähigkeit“ gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten nicht (mehr) gibt. Auch das sog. Kartellgesetz stellt sich der Schiedsfähigkeit aller gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten nicht mehr in den Weg (Streichung des § 91 GWB a. F. durch das SchiedsverfahrensNeuregelungsgesetz von 1997). b) Die Urteile „Schiedsfähigkeit I“ (BGHZ 132, 278) und „Schiedsfähigkeit II“ (BGHZ 180, 221) handeln nicht von der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelprozessen, wohl aber von den für Schiedsklagen und Schiedssprüche geltenden Legitimationsvoraussetzungen. c) Schiedssprüche bedürfen einer doppelten Legitimationsgrundlage: – –
eines wirksamen Schiedsvertrags (bzw. der Schiedsklausel) und eines verfahrensrechtlichen Anforderungen entsprechenden schiedsgerichtlichen Verfahrens.
Das erste Element dieses Legitimationsinstrumentariums wird bei einer Körperschaft bewerkstelligt durch (1.) eine Satzungsklausel nach § 1066 ZPO oder (2.) durch eine Nebenvereinbarung der Gesellschafter oder (3.) durch eine Ad-hoc-Vereinbarung nach § 1031 ZPO. Beide Elemente müssen geeignet sein, die urteilsgleichen Wirkungen eines Schiedsspruchs (§ 1055 ZPO), im Fall eines Beschlussmängelstreits also auch die erga-omnes-Wirkung der §§ 248, 249 AktG, zu rechtfertigen. Beide unterliegen der gerichtlichen Kontrolle ex ante (§§ 1032, 1040 ZPO) und ex post (§§ 1059, 1060 ZPO). d) Für die Vertragsgestaltungspraxis ist das Ausmaß der ex-ante-Kontrolle von entscheidender Bedeutung. Die Fälle „Schiedsfähigkeit I“ und „Schiedsfähigkeit II“ haben eines gemeinsam: In beiden Fällen scheiterte die Schiedsgerichtszuständigkeit an der ex-ante-Kontrolle der Schiedsklausel. e) Für eine auch Beschlussmängelprozesse erfassende Schiedsklausel verlangt der Bundesgerichtshof (1.) die Aufnahme der Klausel in die Satzung durch sämtliche Gesellschafter, also nicht durch Satzungsänderung, oder die Zustimmung aller gegenwärtigen Gesellschafter, (2.) die Besetzung des Schiedsgerichts durch eine neutrale Stelle oder durch _______________
112 Die Thesen lagen den Teilnehmern vor und bildeten die Grundlage der Diskussion.
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Mitwirkung aller Gesellschafter, (3.) die Information aller Gesellschafter und (4.) die Konzentration des Verfahrens bei einem allein zuständigen Schiedsgericht. Eine diesen Anforderungen nicht entsprechende Schiedsklausel ist nach dem Urteil nichtig. Der BGH hat auch den Weg einer ergänzenden Auslegung versperrt (bedenklich). f) Für den konkreten Fall bedeutet die Nichtigkeit der Schiedsklausel bzw. Schiedsvereinbarung, dass im ordentlichen Prozess die Rüge der Schiedsgerichtszuständigkeit („Schiedseinrede“) bei der Prüfung nach § 1032 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen wird. Vorbehaltlich des Rügeverlusts (§ 1040 Abs. 2 ZPO) ist das Schiedsgericht unzuständig (§ 1040 Abs. 1 ZPO), ein etwaiger Schiedsspruch nach § 1059 ZPO aufzuheben. g) Dieses hohe Maß an ex-ante-Kontrolle der Schiedsklausel macht der Vertragsgestaltungspraxis die Formulierung wirksamer Schiedsklauseln schwer, und zwar selbst dann, wenn konkrete Interessen nicht verletzt sind. Mindestens hinsichtlich des Merkmals Nr. 3 (Information aller Gesellschafter) schiene eine ex-post-Kontrolle des Verfahrens ausreichend, auch eine ergänzende Klauselauslegung naheliegend. Aber hierauf darf sich die Vertragsgestaltungs- und Schiedsverfahrenspraxis nach dem Urteil „Schiedsfähigkeit II“ nicht einrichten, ebenso wenig auf eine gerichtliche Bestellung des Schiedsgerichts analog § 1035 Abs. 3 ZPO. h) Die Reaktion der Gestaltungspraxis kann – – –
in einem Verzicht auf jede Beschlussmängel-Schiedsgerichtsbarkeit, im Versuch einer Heilung von Altklauseln durch Satzungsänderung, in einem Ausweichen auf die institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit
bestehen. Der zweite und der dritte Weg weisen noch Unsicherheiten auf, doch scheinen diese behebbar. i) Auf Anfechtungsprozesse bezogene Schiedsklauseln in AG-Satzungen sind de lege lata nach § 23 Abs. 5 AktG unwirksam und könnten nur durch Änderung des Aktiengesetzes zugelassen werden (str.). Rechtspolitisch überzeugt diese Strenge des Gesetzes, wie vielfach im Bereich des § 23 Abs. 5 AktG, nur bei Publikumsgesellschaften. Durch Nebenvereinbarung in der „kleinen AG“ kann eine Schiedsvereinbarung für etwaige künftige Prozesse aber bereits de lege lata wirksam getroffen werden.
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j) § 1066 ZPO, wonach Schiedsgerichte „in gesetzlich statthafter Weise durch nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügungen angeordnet werden“ können, gilt nach h.M. zwar für die Satzungen von Körperschaften (Verein, AG, GmbH, Genossenschaft), nicht aber für Personengesellschaftsverträge. Dieser Standpunkt ist überholt. Vorsorglich ist bei Personengesellschaften jedoch nach wie vor anzuraten, in einem von den Beteiligten unterschriebenen Schriftstück (§ 1031 Abs. 1 ZPO) auf die gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel Bezug zu nehmen. Schiedsklauseln bei einer Publikumsgesellschaft unterliegen der Inhaltskontrolle. k) In einer Personengesellschaft sind Beschlussmängelstreitigkeiten über Mehrheitsbeschlüsse nach ständiger Rechtsprechung durch Klage gegen alle dem Standpunkt des Klägers widersprechenden Gesellschafter auszutragen, nicht gegen die Gesellschaft (bedenklich). Wird danach verfahren, so werfen Binnenprozesse in Personengesellschaften Probleme der Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit auf. Zulässig ist aber eine Vertragsklausel, wonach bei der Rüge von Beschlussmängeln gegen die organschaftlich vertretene Gesellschaft zu klagen ist. Dann gelten dieselben Regeln wie bei Anfechtungsprozessen in der GmbH.
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Bericht über die Diskussion des Referats Karsten Schmidt Christian Dolff Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Bucerius Law School, Hamburg In der von Priester geleiteten Diskussion, stieß das von K. Schmidt gehaltene Referat weitgehend auf Zustimmung. Im Mittelpunkt der Aussprache standen Fragen nach dem Bedarf einer formalen, an starren Kriterien orientierten ex ante-Kontrolle von Schiedsklauseln (I) und der praktischen Umsetzbarkeit der durch den II. Zivilsenat in seinem Urteil „Schiedsfähigkeit II“1 aufgestellten Maßstäbe (II). Ein dritter Fragenkreis beschäftigte sich mit ad hoc zu schließenden Schiedsvereinbarungen sowie dem Umgang mit bestehenden Klauseln und ihrer Anpassung an die neuen Vorgaben (III).
I. Am Beispiel einer Streitigkeit zwischen dem Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH hatte K. Schmidt in seinem Referat darauf hingewiesen, dass eine formalisierte ex anteKontrolle von Schiedsklausel nicht in allen Fällen notwendig sei. Hiergegen brachte Raeschke-Kessler vor, dass diese Sachverhaltsgestaltung am eigentlichen Problem vorbeigehe. Es handele sich um einen Fall der Zwei-Parteien-Schiedsgerichtsbarkeit, den das Gesetz ohne weiteres erfasse. Problembehaftet seien allein Mehrparteien-Schiedsverfahren, weil das deutsche Prozessrecht, im Unterschied etwa zum österreichischen, hierfür keine Regelungen vorhalte. Nolting bemerkte, dass sich aus den Äußerungen des BGH in der Rechtssache „Schiedsfähigkeit II“ nicht eindeutig ergebe, worin das Gericht die dogmatischen Grundlagen der erga omnes-Wirkung von Schiedssprüchen sehe. Soweit man die gegenüber allen Gesellschaftern eintretende Rechtswirkung auf die Schiedsvereinbarung selbst stütze, stelle sich die Folgefrage, wie zu verfahren sei, wenn eine Klausel diese Wirkung nicht explizit anordne. Dieses Defizit könne entweder zur _______________
1 BGHZ 180, 221.
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Nichtigkeit der Klausel oder dazu führen, dass der Schiedsspruch nur Wirkung inter partes entfalte. Richtigerweise werde man die Rechtslage indes dahingehend verstehen müssen, dass sich die erga omnesWirkung aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 248, 249 AktG und damit aufgrund gesetzlicher Anordnung ergebe. Darin, dass die Anwendung der vom BGH entwickelten Vorgaben in Teilbereichen zu unangemessenen Ergebnissen führe, stimmte Nolting K. Schmidt zu. So handele es sich namentlich bei der Verpflichtung des Geschäftsführers, alle Gesellschafter über die Einleitung des Schiedsverfahrens zu informieren, um eine organschaftliche Verpflichtung, die auch in Verfahren vor den staatlichen Gerichten bestehe. Eine darauf gerichtete Satzungsregelung habe nur deklaratorischen Charakter, weshalb nicht einsichtig sei, warum ihr Fehlen die Nichtigkeit der Schiedsklausel nach sich ziehen solle. Auch für die Besetzung des Schiedsgerichts bedürfe es keiner Regelung in der Schiedsklausel. Vielmehr müsse in Abwesenheit einer diesbezüglichen Vereinbarung die Vorschrift des § 1034 Abs. 2 ZPO zur Anwendung gelangen. Gesellschafter, die bei der Bildung des Schiedsgerichtes nicht beteiligt worden seien, hätten die Möglichkeit, hiergegen nach den §§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 d), 1060 Abs. 2 ZPO vorzugehen. Diese ex post-Kontrolle sei zum Schutz der Interessen des einzelnen Gesellschafters ausreichend. K. Schmidt stimmte mit Raeschke-Kessler darin überein, dass der Umgang mit Zwei-Parteien-Schiedsverfahren bei Gesellschafterstreitigkeiten auch nach seiner dezidiert vorgetragenen Ansicht unproblematisch sei. Der von ihm gebildete Fall habe allein Beispiel dafür sein sollen, dass es Konstellationen gebe, in denen eine ausnahmslose ex ante-Kontrolle selbst dann zur Unwirksamkeit von Schiedsvereinbarungen führe, wenn es im Einzelfall keine ungeschützten Interessen gebe. Wie Nolting hielt K. Schmidt auch die ex post-Prüfung der Schiedsgerichtsbesetzung für ausreichend. Sie könne innerhalb des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung erfolgen. Für Einzelheiten verwies er auf seine in diesem Band enthaltenden schriftlichen Ausführungen. Im Übrigen bekräftigte er, dass sich die erga omnes-Wirkung von Schiedssprüchen, trotz einiger unklarer Formulierungen in den Urteilsgründen, nach „Schiedsfähigkeit II“ eindeutig aus einer analogen Anwendung der §§ 248, 249 AktG ergebe. Auch Röhricht konstatierte, dass sich die Probleme von Beginn an allein um die Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit gerankt hätten. Dort
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Dolff – Bericht über die Diskussion
könne die erga omnes-Wirkung von Schiedssprüchen die Interessen der Betroffenen schwerwiegend beeinträchtigen. Allen Gesellschaftern müsse deshalb die Möglichkeit einer frühzeitigen Beteiligung offen stehen. Insbesondere stelle die Wahl der Schiedsrichter oftmals eine entscheidende Weichenstellung auf dem Weg zur späteren Entscheidung dar. Die Verpflichtung, alle Gesellschafter frühzeitig über das Schiedsverfahren zu informieren, trage diesem Umstand Rechnung und müsse deshalb in die Vereinbarung aufgenommen werden. Ihre Rechtfertigung erfahre die formalisierte ex ante Überprüfung von Schiedsklauseln sowie das Verbot einer ergänzenden Vertragsauslegung aus dem unabweisbaren Bedürfnis nach Rechtssicherheit.
II. Zur Frage der praktischen Umsetzbarkeit der durch den II. Zivilsenat aufgestellten Kriterien merkte Raeschke-Kessler an, dass er direkt im Anschluss an „Schiedsfähigkeit I“2 1996 zusammen mit Röhricht versucht habe, eine den Anforderungen entsprechende Klausel zu formulieren. Das Ergebnis, ein mehrere DIN A4 Seiten umfassendes Dokument, sei bei Praktikern einhellig auf Ablehnung gestoßen, weil die Aufnahme einer derart umfangreichen Regelung in die Satzung der Gesellschaften nicht akzeptiert werde. Daraufhin habe die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) eine halbseitige Musterschiedsvereinbarung aufgestellt, die auf die Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS)3 Bezug nehme. Hiermit sei den praktischen Erfordernissen Rechnung getragen. K. Schmidt begrüßte die von der DIS ausgearbeiteten Vorschläge und propagierte, in den Satzungen hierauf dynamisch zu verweisen. Kritik erhielten die Thesen g) und h), in denen auf die Schwierigkeiten einer Formulierung wirksamer Klauseln hingewiesen worden war, von Goette. Dieser meinte, die vom II. Zivilsenat vorgegebenen Kriterien seien jedenfalls hinreichend konkret, um den damit befassten Rechtsanwälten Orientierung zu geben. Die Arbeiten der DIS belegten dies. Ihr sei es gelungen, die vom BGH gestellten Anforderungen in die DISERGeS umzusetzen. Seiner Ansicht nach verbiete es sich, die DIS_______________
2 BGHZ 132, 278. 3 Abgedruckt in NZG 2009, 1296 ff.
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ERGeS nachträglich dynamisch in eine Vereinbarung hineinzulesen, wenn eine Klausel nur den allgemeinen Verweis auf die DIS enthalte. K. Schmidt widersprach Goettes Einwand, wonach es Rechtsberatern immer möglich sei, dem neuen Urteil genügende Klauseln zu entwerfen Die Praxis liefere eine Vielzahl von Beispielen, in denen dies nicht gelungen sei. Voraussetzung der dynamischen Einbeziehung der DISERGeS sei ein eindeutiger Verweis. Schließlich wies Goette auf die Widersprüchlichkeit der Aussagen in „Schiedsfähigkeit I“ hin und äußerte, dass zumindest für personalistisch strukturierte Aktiengesellschaften § 23 Abs. 5 AktG kein Hindernis darstelle, wenn man im Sinne der ersten Ausführungen des BGH4 § 246 Abs. 3 Satz 1 AktG als eine Zuständigkeitsnorm für den Fall ansehe, dass die ordentlichen Gerichte zulässigerweise angerufen werden. In diesem Zusammenhang bat er darum, den zweiten Teil der These i) noch einmal zu erläutern. Priester erwiderte, er habe K. Schmidt dahingehend verstanden, dass dieser § 246 Abs. 3 AktG nicht bloß als eine Prozessregel, sondern vielmehr als Teil des aktienrechtlichen Rechtsschutzes verstehe. Entsprechend müsse § 23 Abs. 5 AktG zur Anwendung kommen und gebe es keinen Anlass, zwischen der „kleinen“ und der Publikums-Aktiengesellschaft zu unterscheiden. In Gesellschaften mit einem kleinen Aktionärskreis biete es sich im Unterschied zur Publikumsgesellschaft allerdings an, eine schuldvertragliche, das heißt außerhalb der Satzung stehende, Schiedsvereinbarung zu treffen.
III. Nach Auffassung von Raeschke-Kessler ist für den Fall, dass es an einer wirksamen Schiedsklausel fehlt, an eine nachträgliche ad hoc-Vereinbarung in der Praxis nicht zu denken, weil bei bereits entstandenem Streit der Minderheitsgesellschafter dazu regelmäßig nicht bereit sei. Stattdessen steigere er mit einer Weigerung seinen Lästigkeitswert. Seiner Erfahrung, so Röhricht, entspreche diese Beobachtung indes nicht. Vielmehr liege die ad hoc-Vereinbarung von Schiedsklauseln oftmals im Interesse aller Beteiligten. Insbesondere, wenn man sich zuvor bereits auf eine Schiedsklausel verständigt habe, die sich im Nach_______________
4 BGHZ 132, 278 (281) sub II.1.
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Dolff – Bericht über die Diskussion
hinein als unwirksam herausstellte, sei eine ad hoc-Vereinbarung notwendig. Dem pflichtete K. Schmidt bei. Nicht selten sei allen Beteiligten daran gelegen, einem Verfahren vor den staatlichen Gerichten aus dem Weg zu gehen. Auch entspreche es ja der Übung, dass der Obmann im Schiedsverfahren das allseitige Einverständnis feststelle. Den Schluss der Diskussion bildete die Frage, wie man bestehende Satzungsklauseln „BGH-fest“ machen könne. Unter Hinweis auf § 53 Abs. 3 GmbHG kritisierte Goette den von K. Schmidt gewagten Vorstoß, zur Anpassung von Altklauseln die Mehrheit von drei Vierteln genügen zu lassen. Stattdessen sei, wie bei der erstmaligen Einführung der Schiedsklausel, auch für die nachträgliche Anpassung Einstimmigkeit erforderlich. Dissentierende Gesellschafter könne man im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht zur Zustimmung verpflichten. Es habe sich bereits in anderem Zusammenhang gezeigt, dass die Handhabung dieses allgemein anerkannten Instituts der Rechtssprechung keine nennenswerten Schwierigkeiten bereite. In seinem abschließenden Statement sprach K. Schmidt die Empfehlung aus, sich in der Beratungspraxis schnellstmöglich mit den neuen Anforderungen auseinanderzusetzen, alte Klauseln zu prüfen und nötigenfalls anzupassen.
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Aktuelle Fragen der Managervergütung Dr. Viola Sailer-Coceani Rechtsanwältin, München I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 141 II. Festsetzung der Vorstandsvergütung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Zuständigkeit des Aufsichtsratsplenums . . . . . . 142 2. Persönliche Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrats für unangemessene Vergütung . . . . . . . . . . . . . 143 III. Festsetzung der Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Höhe der Vergütung . . . . . 144 2. Struktur der Vergütung . . 147
3. Cap für außerordentliche Entwicklungen . . . . . . . . . 4. Aktienoptionsprogramme 5. Anwendungsbereich . . . . a) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung auf die GmbH mit Aufsichtsrat? . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Herabsetzung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . IV. D&O-Versicherungen für Vorstand bzw. Aufsichtsrat
150 151 153 153
154 155 159
V. Billigung durch die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . 164
I. Einleitung Mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), welches am 5.8.2009 in Kraft getreten ist, hat sich der Gesetzgeber des Themas Managervergütung angenommen. Mit diesem sehr zügig durch das Gesetzgebungsverfahren gebrachten Gesetz sollte insbesondere auf die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise reagiert werden, sahen doch viele Stimmen überhöhte bzw. durch Fehlanreize gekennzeichnete Managervergütungssysteme als wesentlichen Krisenauslöser1. Zwar beschränkt sich der Gesetzgeber mit dem VorstAG darauf, Änderungen für die Vergütung der Vorstände von Aktiengesellschaften einzuführen. Es ist jedoch zu erwarten, dass diese Änderungen auf der Vorstandsebene eine Ausstrahlungswirkung für die nachgelagerten Führungsebenen entfalten und somit Bedeutung über ihren engen rechtlichen Anwendungsbereich hinaus erlangen werden. Im Folgenden möchte ich einige der wichtigsten Rechtsprobleme im Zusammenhang mit den Regelungen des VorstAG zur Managervergütung beleuchten. _______________
1 So schon die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drucks. 16/12278, S. 5.
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Sailer-Coceani – Aktuelle Fragen der Managervergütung
II. Festsetzung der Vorstandsvergütung durch den Aufsichtsrat 1. Zuständigkeit des Aufsichtsratsplenums Während der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) bislang in Ziff. 4.2.2 lediglich vorsah, dass das Aufsichtsratsplenum das „Vergütungssystem einschließlich der wesentlichen Vertragselemente“ beschließt, ordnet § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG in der Fassung des VorstAG die umfassende Zuständigkeit des Aufsichtsratsplenums für Beschlüsse über die Vorstandsvergütung an. Die bisherige Praxis, welche Vergütungsfragen häufig auf einen Ausschuss des Aufsichtsrates ausgelagert hat2, kann unter dieser neuen Regelung nicht unverändert fortgeführt werden. Von der Zuständigkeit des Aufsichtsratsplenums sind alle Regelungen des Anstellungsvertrags erfasst, welche Vergütungscharakter haben. Dazu zählen insbesondere Vereinbarungen zur Pension, zu einer Karenzentschädigung sowie Abfindungsvereinbarungen im Rahmen eines Aufhebungsvertrages3. Wenngleich einige Regelungskomplexe verbleiben, welche nicht in die zwingende Zuständigkeit des Aufsichtsratsplenums fallen, erscheint es dennoch empfehlenswert, jedenfalls beim Neuabschluss eines Anstellungsvertrags den vollständigen Vertrag im Plenum zur Abstimmung zu stellen. Dies vermeidet ggf. schwierige Abgrenzungsfragen und dürfte zudem vergleichsweise wenig Streitpotenzial bergen, sind doch die nicht vergütungsrelevanten Regelungen des Vertrages üblicherweise ohnehin unproblematisch4. Auch die Anwendung der Vergütungsvorschriften eines Anstellungsvertrages fällt unter die Zuständigkeit des Aufsichtsratsplenums, soweit sie sich nicht in der reinen mathematischen Berechnung einer Vergütungskomponente erschöpft5. Derartige reine Berechnungsvorgänge können weiterhin auf einen Ausschuss ausgelagert werden. Nach diesem Grundsatz ist insbesondere die Ermessensausübung im Rahmen der Festlegung einer Ermessenstantieme durch das Plenum vorzuneh_______________
2 Vgl. nur Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (731); Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (8, Rz. 67). 3 Zu letzterem vergleiche Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (9, Rz. 75). 4 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (10, Rz. 80). 5 So auch Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 (2439); Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (9, Rz. 69 f.).
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Sailer-Coceani – Aktuelle Fragen der Managervergütung
men. Dasselbe gilt für die Festlegung von jährlichen Zielvereinbarungen für variable Vergütungskomponenten; auch diese können nicht mehr auf einen Ausschuss delegiert werden. Die dargestellte weitgehende Verlagerung der Vergütungskompetenz von Ausschüssen auf das Aufsichtsratsplenum bringt für die Praxis insbesondere zwei Schwierigkeiten mit sich: Zum einen wird es infolge der höheren Anzahl beteiligter Personen schwieriger, die Diskretion über Vergütungsangelegenheiten zu gewährleisten6. Zum anderen könnte die Entscheidung über Vergütungsfragen im Aufsichtrsratsplenum zunehmend für politische Zwecke genutzt werden – etwa um einen erfolgten Arbeitsplatzabbau zu sanktionieren oder den künftigen Verzicht auf einen solchen mit der Zustimmung zu einem Vorstandsbonus zu verknüpfen7. Diesen Unwägbarkeiten begegnet der bereits jetzt festzustellende Trend, vermehrt auf Vergütungskomponenten zu setzen, welche während der Laufzeit des Anstellungsvertrages durch reine mathematische Berechnungen umsetzbar sind. In vielen Fällen wird es notwendig sein, die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates an die neuen Zuständigkeitsregelungen des VorstAG anzupassen. Dabei kann daran gedacht werden, im nach dem VorstAG noch zulässigen Umfang nach Möglichkeit diskretionswahrende Abläufe vorzusehen. So könnte man etwa die ausführliche Diskussion von Vergütungsfragen und die Vorbereitung hiermit zusammenhängender Entscheidungen auf Ausschüsse auslagern, während nur die endgültige Diskussion und Beschlussfassung dem Plenum vorbehalten bleibt8.
2. Persönliche Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrats für unangemessene Vergütung Das VorstAG hat als dritten Satz des § 116 AktG die Regelung eingefügt, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats „namentlich zum Ersatz verpflichtet [sind], wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen (§ 87 Abs. 1)“. Dieser neue Satz bewirkt nach einhelliger Auffassung
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6 Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 (2439); Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (731); letztlich weniger Bedenken jedoch offenbar Thüsing, AG 2009, 517 (524). 7 Siehe Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (9, Rz. 72). 8 Für die Zulässigkeit dieses Vorgehens etwa Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 (2439); Thüsing, AG 2009, 517 (524).
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Sailer-Coceani – Aktuelle Fragen der Managervergütung
jedoch keine Veränderung der Rechtslage9. Vielmehr war schon bisher anerkannt, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates für die Festlegung einer unangemessenen Vorstandsvergütung haften. Die Regelung hat damit lediglich Appell- oder Warncharakter10. Während der Fraktionsentwurf für das VorstAG noch die Festlegung eines gesetzlichen Mindestschadens (nämlich die Differenz zwischen dem tatsächlich festgelegten und einem angemessenen Gehalt) vorsah, hat diese Regelung in die Endfassung des Gesetzes keinen Eingang gefunden. Für die Berechnung der Schadenshöhe finden somit die allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. BGB Anwendung. Umstritten ist hierbei allerdings, ob zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder besonders hohe Gewinne oder sonstige Vorteile für das Unternehmen, für die der betreffende Vorstand verantwortlich zeichnet, als Vorteil auf den Schaden angerechnet werden können. Der Rechtsausschuss11 und einzelne Stimmen in der Literatur12 verneinen dies. Richtigerweise handelt es sich hierbei jedoch um eine Scheindiskussion: Vermag der Vorstand nämlich besondere Vorteile für die Gesellschaft zu erarbeiten, wird man seine Vergütung schon nicht als unangemessen bezeichnen können. Schließlich stellt sich die Frage, ob es sich bei der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder um einen „Papiertiger“ handelt, ist doch grundsätzlich der Vorstand für die Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs aus §§ 116, 93 AktG gegen die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder zuständig. Diese Grundregel wird jedoch durch die §§ 147 und 148 AktG ergänzt, welche den Aktionären effektive Mitwirkungsrechte einräumen, um die Schadenersatzansprüche gegen die Aufsichtsratsmitglieder durchzusetzen.
III. Festsetzung der Vorstandsvergütung 1. Höhe der Vergütung Die grundsätzlichen Bemessungskriterien für die Vorstandsvergütung sowohl in börsennotierten wie nicht-börsennotierten Aktiengesellschaften legt § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG fest. Diese Vorschrift wurde durch das _______________
9 Nikolay, NJW 2009, 2640 (2645); von Kann/Keiluweit, DStR 2009, 1587 (1591); Seibert, WM 2009, 1489 (1491); Lingemann, BB 2009, 1918 (1922 f.); Fleischer, NZG 2009, 801 (804). 10 Vgl. BT-Drucks. 16/12278, S. 6. 11 BT-Drucks. 16/13433, S. 12. 12 Lingemann, BB 2009, 1918 (1923); Gaul/Janz, NZA 2009, 809 (813).
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Sailer-Coceani – Aktuelle Fragen der Managervergütung
VorstAG insbesondere dahingehend ergänzt, dass die Gesamtbezüge des Vorstandsmitglieds auch in einem angemessenen Verhältnis zu dessen Leistungen stehen müssen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen dürfen. a) Die Einbeziehung des Kriteriums der Leistung des Vorstandsmitglieds steht im Einklang mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex (vgl. dort, Ziff. 4.2.2). Zudem war schon vor den Änderungen durch das VorstAG anerkannt, dass die Leistung des Vorstandsmitglieds als ein Kriterium neben anderen für die Festlegung der Vorstandsbezüge herangezogen werden kann13. Allerdings betont § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG die persönliche Leistung des einzelnen Vorstandsmitglieds jetzt im Vergleich zur Leistung des Gesamtvorstands stärker. Es könnte daher geboten sein, mehr als zuvor zwischen den einzelnen Vorstandsmitgliedern zu differenzieren. Damit stellt sich auch die Frage, ob die weit verbreitete Praxis, für alle ordentlichen Vorstandsmitglieder die gleiche Vergütung festzusetzen und dem Vorstandsvorsitzenden einen bestimmten Aufschlag zu gewähren, nach der Neuregelung noch zulässig ist. Mit Blick auf die Gesamtverantwortung des Kollegialorgans Vorstand ist jedoch davon auszugehen, dass eine solche einheitliche Vergütung weiterhin zulässig ist14. Eine gewisse Abweichung vom Gebot der Leistungsbezogenheit mag auch in Fällen einer Erstanstellung zulässig sein, da in dieser Situation die individuelle Leistung des neuen Vorstands unter Umständen noch gar nicht bekannt ist, was allerdings auch dafür sprechen kann, die Festvergütungskomponente in solchen Fällen zu erhöhen. Für eine möglichst rechtssichere Ausgestaltung in der Praxis sollten derartige Gestaltungen besonders begründet und diese Gründe umfassend dokumentiert werden. b) § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG sieht ferner vor, dass die Vorstandsvergütung die „übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen“ darf. Der Begriff der üblichen Vergütung umfasst nach der Begründung des Fraktionsentwurfs15 und dem Bericht des Rechtsausschusses16 zwei Komponenten, nämlich die horizontale und die vertikale Vergleichbarkeit. _______________
13 Bauer/Arnold, BB 2009, 717 (718); Hohenstadt, ZIP 2009, 1349 (1350); Thüsing, AG 2009, 517 (518); Fleischer, NZG 2009, 801 (802). 14 Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (719). 15 BT-Drucks. 16/12278, S. 5. 16 BT-Drucks. 16/13433, S. 10.
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Sailer-Coceani – Aktuelle Fragen der Managervergütung
aa) Dabei meint horizontale Vergleichbarkeit, dass sich die festzusetzende Vorstandsvergütung bezogen auf Branche, Größe und Land im üblichen Bereich bewegen muss. Unter Landesüblichkeit versteht der Bericht des Rechtsausschusses die Üblichkeit im Geltungsbereich des VorstAG, also innerhalb der Bundesrepublik Deutschland17. Von diesem Grundsatz sind jedoch Ausnahmen denkbar, wie bereits die Formulierung „nicht ohne besondere Gründe“ zeigt. So ist ein Vergleich mit ausländischen Unternehmen beispielsweise dann zulässig, wenn entweder das fragliche Vorstandsmitglied realistischerweise auch im Ausland eine vergleichbare Stellung erlangen könnte oder wenn das Unternehmen nur im Ausland Wettbewerber ähnlichen Zuschnitts hat18. Im letzteren Fall ist zusätzlich ein Vergleich mit inländischen branchenfremden Unternehmen gleichen Zuschnitts anzuraten. Schließlich verbietet das Gesetz nicht generell, eine überdurchschnittlich hohe Vergütung festzusetzen; diese muss sich nur durch besondere Umstände (z. B. außerordentliche Leistungen, ein äußerst spezifisches Anforderungsprofil oder eine herausragende Eignung des Bewerbers) nachvollziehbar begründen lassen. bb) Die vertikale Vergleichbarkeit, also das Einfügen des Vorstandsgehalts innerhalb des Unternehmens, ist ein nur schwer fassbares Kriterium19. Nicht notwendig ist, dass sich das Vorstandsgehalt quasi als lineare Fortschreibung der Gehaltsprogression im Unternehmen darstellt. Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich kein griffiger Maßstab: Im Bericht des Rechtsausschusses20 heißt es nur unbestimmt, dass die Vergütungsstaffelung im Unternehmen nicht beim Vorstand Maß und Bezug verlieren solle. Die Schwäche eines derart unklaren Maßstabes zeigt sich unter anderem daran, dass die Anlehnung der Vorstandsgehälter an die Höhe der Vergütung auf nachgelagerten Führungsebenen bei strikter Umsetzung dazu führen müsste, dass der Vorstand, der seinen Mitarbeitern überhöhte Gehälter zahlt, am meisten profitiert21.
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17 BT-Drucks. 16/13433, S. 10. 18 Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (719 f.); Fleischer, NZG 2009, 801 (802); Hohaus/Weber, DB 2009, 1515 (1516); Lingemann, DB 2009, 1918 f.; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (Rz. 5). 19 Vgl. nur Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (720). 20 BT-Drucks. 16/13433, S. 10. 21 So auch Wagner/Wittgens, BB 2009, 906 (907).
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cc) Schließlich ist die Situation zu bedenken, dass sich die Ergebnisse eines horizontalen und eines vertikalen Vergleichs widersprechen. In einem solchen Fall ist die Üblichkeit der Vorstandsvergütung im horizontalen Vergleich vorrangig zu berücksichtigen22. dd) Hinsichtlich der Bestimmung des üblichen Vergütungsumfangs wird es ausreichen, wenn der Aufsichtsrat die Vergütungsberichte anderer börsennotierter Unternehmen als Datengrundlage heranzieht, der Einsatz externer Vergütungsexperten ist nicht zwingend erforderlich23. Werden solche Experten allerdings hinzugezogen, müssen sie unabhängig sein (vgl. auch Ziff. 4.2.2 DCGK). c) Insgesamt dürfte sich die Neufassung des § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG in der Praxis vor allem dadurch bemerkbar machen, dass der im Rahmen der Vergütungsfestlegung durch den Aufsichtsrat zu betreibende Aufwand in Form von Datenerhebung, Begründung und Dokumentation erheblich ansteigt. Letztlich wird sich aber die Höhe der Vorstandsvergütung von jener vor Inkrafttreten des VorstAG wohl nicht wesentlich unterscheiden.
2. Struktur der Vergütung Zur Struktur der Vorstandsvergütung finden sich nach dem VorstAG neue Regelungen in § 87 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 AktG. Nach Satz 2 ist die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten, nach Satz 3 ist für variable Vergütungsbestandteile eine mehrjährige Bemessungsgrundlage vorzusehen. Diese Vorgaben gelten zwar ihrem Wortlaut nach nur für börsennotierte Aktiengesellschaften; allerdings vertritt der Rechtsausschuss die Auffassung24, dass der Nachhaltigkeitsgedanke grundsätzlich auch von nicht-börsennotierten Gesellschaften berücksichtigt werden sollte. a) Zunächst stellt sich die Frage, was unter „mehrjährig“ zu verstehen ist. Schon zur Bedeutung dieses Wortes werden verschiedene Auffassun-
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22 Fleischer, NZG 2009, 801 (802); Gaul/Janz, NZA 2009, 809 (810); HoffmannBecking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (2, Rz. 8); Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (720); etwas anders Thüsing, AG 2009, 517 (518 f.). 23 Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (719); Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (2, Rz. 9). 24 BT-Drucks. 16/13433, S. 10.
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gen vertreten25. Zudem geht die Gesetzesbegründung26 von einer Ausstrahlungswirkung des § 193 Abs. 2 AktG aus, welche dazu führen würde, dass unabhängig von der Wortbedeutung die neue Mindesthaltefrist von vier Jahren auch für § 87 Abs. 1 AktG heranzuziehen wäre. Im Ergebnis werden in der Literatur zum VorstAG Mindest-Bemessungsgrundlagen von zwei bis fünf Jahren (letzteres in Anlehnung an die maximale Bestelldauer für Vorstandsmitglieder) vertreten27. Richtigerweise ist von der lexikalischen Bedeutung des Wortes „mehrjährig“ auszugehen, so dass grundsätzlich jede Bemessungsgrundlage von mindestens zwei Jahren der Neuregelung des § 87 Abs. 1 Satz 3 AktG entspricht. Im Hinblick auf die vorstehend geschilderten, in der Literatur vertretenen unterschiedlichen Auffassungen, kann sich in der Praxis allerdings in Abhängigkeit vom Einzelfall empfehlen, eine längere Bemessungsgrundlage anzuwenden. Dabei ist jedoch nicht zwingend von einer Bemessungsgrundlage von vier Jahren auszugehen, denn selbst eine „Ausstrahlungswirkung“ des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG würde nicht bedeuten, dass dessen Vorgabe 1:1 zu übertragen ist. Auch Bemessungsgrundlagen von drei Jahren sollten daher im Regelfall ausreichen, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen28. Eine Ausnahme, mit der Folge der Anwendung einer vierjährigen Bemessungsgrundlage, könnte man allenfalls für solche Vergütungen annehmen, welche – wie etwa Phantom Stocks oder SAR’s – inhaltlich einem Aktienoptionsprogramm, für welches § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG unmittelbar gilt, ähneln. b) Angesichts des neuen § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG kann man sich fragen, ob auch weiterhin die Festsetzung eines reinen Festgehaltes möglich ist, enthält ein solches doch gerade keinen Zukunftsaspekt. Langfristige _______________
25 Seibert, WM 2009, 1489 (1490) („drei oder vier Jahre“); Hoffmann-Becking/ Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (3, Rz. 17) (zwei Jahre); Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (722) (Bemessungsgrundlage „mehrjährig, wenn sie auf zwei Jahre abstellt“). 26 BT-Drucks. 16/12278, S. 5. 27 Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (722 f.) (grds. zwei Jahre; Programme auf DreiJahres-Basis jedenfalls nicht anzupassen), Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 (2436) (auch zwei und drei Jahre können zulässig sein); Seibert, WM 2009, 1489 (1490) („drei oder vier Jahre“); Fleischer, NZG 2009, 801 (803) (vier Jahre oder in Anlehnung an die übliche Bestellungsdauer drei bis fünf Jahre); Gaul/Janz, NZA 2009, 809 (810) (in der Regel vier Jahre); Deilmann/Otte, GWR 2009, 261 (262) (drei Jahre); Thüsing, AG 2009, 517 (521) (Richtschnur: fünf Jahre als Höchstdauer der Bestellung). 28 So auch Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (3, Rz. 20).
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Auswirkungen der Vorstandstätigkeit könnten dann das Gehalt nicht beeinflussen. Richtigerweise ist ein reines Festgehalt gleichwohl weiterhin zulässig29. Das ergibt sich daraus, dass der Zweck des § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG darin liegt, kurzfristige Fehlanreize der Vorstandsvergütung zu verhindern30. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Festgehalt unproblematisch, setzt es doch weder kurzfristige noch langfristige (Fehl-)Anreize31. Zu beachten ist allerdings, dass Ziff. 4.2.3 DCGK vorsieht, dass die Vorstandsvergütung fixe und variable Bestandteile umfassen soll. Daher muss bei der Festsetzung einer reinen Festvergütung die Entsprechenserklärung entsprechend eingeschränkt werden. c) Fraglich ist auch, welche Mischung verschiedener Vergütungskomponenten nach der Neuregelung gesetzeskonform ist. Ist etwa eine Vergütungskomponente mit einer nur einjährigen Bemessungsgrundlage überhaupt noch zulässig? Zweifel hieran weckt die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses32 mit folgender Formulierung: „Die neue Regelung verlangt für variable Vergütungsbestandteile eine mehrjährige Bemessungsgrundlage“. Allerdings heißt es an anderer Stelle auch: „Bei variablen Vergütungsbestandteilen ist auf eine langfristige Wirkung (…) zu achten. Dabei ist auch eine Mischung aus kurzfristigeren und längerfristigen Anreizen möglich, wenn im Ergebnis ein langfristiger Verhaltensanreiz erzeugt wird.“ Die differenzierende Sichtweise ist vorzugswürdig33 und wird auch durch die Verwendung des Wortes „sollen“ in § 87 Abs. 1 Satz 3 AktG gestützt. Diese legt die Zulässigkeit _______________
29 Fleischer, NZG 2009, 801 (803); Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (722); Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (S. 2, Rz. 10); Thüsing, AG 2009, 517 (519); Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 (1351); Lingemann, BB 2009, 1918 (1919); wohl auch Seibert, WM 2009, 1489 (1490); für die Zulässigkeit als Vergütungskomponente, vgl. BT-Drucks. 16/12278, S. 5; Deilmann/Otte, GWR 2009, 261. 30 Vgl. BT-Drucks. 16/12278, S. 5, mit deutlicher Kritik an kurzfristigen Leistungsanreizen. 31 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (2, Rz. 12); Lingemann, BB 2009, 1918 (1919). 32 BT-Drucks. 16/13433, S. 10. 33 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (2, Rz. 11); Bauer/ Arnold, AG 2009, 717 (722); Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 (2436); Bosse, BB 2009, 1650 (1651); Deilmann/Otte, GWR 2009, 261 (262); Fleischer, NZG 2009, 801 (803); Hohaus/Weber, DB 2009, 1515 (1518); Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 (1351); van Kann/Keiluweit, DStR 2009, 1587 (1588); Seibert, WM 2009, 1489 (1490); Thüsing, AG 2009, 517 (520); bzgl. Jahresboni vorsichtig Nikolay, NJW 2009, 2640 (2642).
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von Ausnahmen vom Grundsatz einer mehrjährigen Bemessungsgrundlage nahe. Ziff. 4.2.3 DCGK gibt lediglich den Wortlaut des Gesetzes wieder, indem es dort heißt, dass der Aufsichtsrat dafür zu sorgen habe, dass variable Vergütungsteile grundsätzlich eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben. Hier weist aber das Wort „grundsätzlich“ auf die Zulässigkeit von Ausnahmen hin. Bei der Kombination verschiedener variabler Vergütungskomponenten ist allerdings entsprechend der Gesetzesbegründung sicherzustellen, dass die langfristigen Elemente überwiegen34. Dabei kann für die Gewichtung der verschiedenen Komponenten zueinander darauf abgestellt werden, wie die jeweiligen Komponenten in der Vergangenheit tatsächlich ausgefallen sind35. Bei der Frage, ob insgesamt ein langfristiger Verhaltensanreiz erzeugt wird, können zudem auch weitere Gestaltungsfaktoren, wie z. B. langfristige Haltepflichten im Hinblick auf im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen erworbene Aktien (restricted shares) herangezogen werden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für eine praxisgerechte und rechtssichere Ausgestaltung Mischverhältnisse zu vermeiden sind, deren Langfristigkeit nicht klar erkennbar ist. So könnte etwa die Kombination einer Vergütungskomponente von nur knapp unter 50 % auf einjähriger Basis und einer Vergütungskomponente von nur knapp über 50 % auf zweijähriger Basis ohne Hinzutreten weiterer Faktoren mit einer Rechtsunsicherheit behaftet sein, nicht zuletzt unter Berücksichtigung der bereits dargestellten Streitigkeit um den Begriff „mehrjährig“.
3. Cap für außerordentliche Entwicklungen Ebenfalls nur für börsennotierte Unternehmen gilt die in Form einer Soll-Vorschrift in § 87 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 AktG eingeführte Pflicht des Aufsichtsrats, für außerordentliche Entwicklungen eine Möglichkeit zur Begrenzung der variablen Vergütungsbestandteile (Cap) zu vereinbaren. Für variable Vergütungskomponenten mit langfristiger Anreizwirkung und Risikocharakter bestand eine entsprechende Empfehlung bereits vor dem VorstAG in Ziff. 4.3.2 Abs. 3 Satz 4 DCGK. Die Änderung des Aktiengesetzes ist in der aktuellen Fassung des Kodex nachgezogen. _______________
34 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (2, Rz. 12) („Faustregel“). 35 So auch Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (2, Rz. 12) unter zusätzlicher Bezugnahme auf etwa vorhandene Planwerte für kommende Jahre.
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a) Die von der Neuregelung verwendete weite Formulierung „außerordentlichen Entwicklungen“ ist nicht unproblematisch. Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus36: „Der Aufsichtsrat hat danach auch darauf zu achten, dass an Bilanzparametern ausgerichtete erfolgsabhängige Vergütungen nicht durch außerordentliche Gewinne (z. B. Beteiligungsverkäufe) oder volatile Buchgewinne aufgebläht werden können.“ Der Rechtsausschuss37 nennt als Beispiele Unternehmensübernahmen, die Veräußerung von Unternehmensteilen, die Hebung stiller Reserven sowie externe Einflüsse. Kritisch zu sehen sind diese Beispiele vor allem, weil sie dazu führen könnten, dass eine außergewöhnlich gute Leistung eines Vorstandsmitglieds, welche sich etwa in dem Verkauf eines Unternehmensteils zu hervorragenden Konditionen niederschlägt, pauschal mit Verweis auf die gesetzlich vorgeschriebene Begrenzungsmöglichkeit unberücksichtigt bleiben könnte. b) Wie der Aufsichtsrat die Beschränkungsmöglichkeit auszugestalten hat, ist nicht durch das Gesetz vorgegeben. Möglich ist daher sowohl eine höhenmäßige Begrenzung als auch eine Regelung, welche außerordentliche Effekte zu eliminieren versucht. Da letztere Variante jedoch deutlich mehr Konfliktpotential in sich trägt (Auflistung der erfassten außerordentlichen Effekte? Handhabung, wenn ein überraschend aufgetretener Effekt in der Auflistung vergessen wurde?), erscheint für die Umsetzung in der Praxis eine höhenmäßige Begrenzung vorzugswürdig.
4. Aktienoptionsprogramme Mit dem VorstAG wurde die Haltefrist für Aktienoptionen in § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG von zwei auf vier Jahre verlängert. Nach § 23 Abs. 3 EGAktG soll diese neue Regelung erstmals für Beschlüsse der Hauptversammlung gelten, die nach Inkrafttreten des VorstAG einberufen wird; Stichtag ist damit der 5.8.2009. a) Fraglich ist, welche Auswirkungen die neue Regelung auf bestehende Aktienoptionsprogramme hat. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass bereits ausgegebene Tranchen von der verlängerten Haltefrist nicht nachträglich erfasst werden. Man kann sich jedoch fragen, ob bei rollierenden Programmen mit bereits vorhandenem bedingtem Kapital neue Tranchen mit Haltefristen von unter vier Jahren ausgegeben werden dürfen oder ob die Neuregelung des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG auch _______________
36 BT-Drucks. 16/12278, S. 5. 37 BT-Drucks. 16/13433, S. 10.
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für derartige Tranchen maßgeblich ist. Dabei dürfte eine Ausgabe der Optionen mit längerer Wartefrist dann nicht möglich sein, wenn das bereits beschlossene bedingte Kapital ausdrücklich eine Haltefrist von zwei Jahren vorsieht. Ist dagegen eine Haltefrist von „mindestens zwei Jahren“ vorgesehen oder ergibt sich anderweitig eine Zulässigkeit einer längeren Haltefrist, so wäre eine Ausgabe mit längerer Haltefrist grundsätzlich möglich. Es stellt sich daher die weitere Frage, ob die Gesellschaft verpflichtet ist, eine längere Haltefrist vorzusehen (was im erstgenannten Fall dazu führen würde, dass das vorhandene bedingte Kapital nicht mehr ausgenutzt werden kann). Aus § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG folgt eine derartige Pflicht richtigerweise nicht, da diese Vorschrift sich ausdrücklich nur auf neu zu fassende Beschlüsse über die Schaffung von bedingtem Kapital, nicht aber auf die Ausgabe neuer Optionen auf der Grundlage von bereits bestehendem bedingtem Kapital bezieht38. Allerdings ist stets zu prüfen, ob eine solche Pflicht zur Ausgabe neuer Tranchen aus bestehendem bedingtem Kapital mit verlängerter Haltefrist aus dem allgemeinen Grundsatz über mehrjährige Bemessungsgrundlage in § 87 Abs. 1 Satz 3 AktG abzuleiten ist. Diese Frage kann nicht allgemein, sondern stets nur nach den Umständen des Einzelfalls beantwortet werden. Denn wie zuvor erläutert, kommt es im Rahmen des § 87 Abs. 1 Satz 3 AktG nicht nur auf die einzelnen Komponenten, sondern auch auf die Gesamtstruktur der Vergütung an. Eine Pflicht zur Einführung einer verlängerten Haltefrist besteht daher nach dieser Vorschrift nicht, wenn dem Gebot der (überwiegenden) langfristigen Anreizwirkung durch andere langfristige Komponenten bereits ausreichend Rechnung getragen wird. b) Fraglich ist allerdings, ob die neue Mindesthaltefrist von vier Jahren eine Ausstrahlungswirkung auf Vergütungsprogramme hat, welche Aktienoptionsprogrammen vergleichbar sind39. Zu denken ist hier insbesondere an Phantom Stocks, Stock Appreciation Rights und ähnliche _______________
38 So auch Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009 1 (11, Rz. 91); Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 (2436); Lingemann, BB 2009, 1918 (1920); für die Beratungspraxis ebenfalls auf „Beschlüsse von Hauptversammlungen“ abstellend Wagner/Wittgens, BB 2009, 906 (908). 39 So etwa Bosse, BB 2009, 1650 (1651); Fleischer, NZG 2009, 801 (803); Hohaus/Weber, DB 2009, 1515 (1517); Thüsing, AG 2009, 517 (521); gegen eine strikte Übertragung der Vier-Jahres-Frist aus § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG allerdings Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 (2436); Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 (1356); Lingemann, BB 2009, 1918 (1920) („Spielraum für abweichende Gestaltungen“); Wagner/Wittgens, BB 2009, 906 (908).
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schuldrechtliche Instrumente. Hierzu führt die Gesetzesbegründung aus40, dass derartige Instrumente wie Aktienoptionsprogramme nur die langfristige Kursentwicklung und damit das langfristige Unternehmenswohl belohnen sollten. Da bei Vergütungskomponenten, welche Aktienoptionsprogrammen lediglich ähneln, kein bedingtes Kapital erforderlich ist, ist eine Ausgabe mit einer Haltefrist von mindestens vier Jahren unmittelbar möglich und mit Blick auf die gesetzliche Neuregelung auch vorsorglich zu empfehlen41. Allerdings führt dies zu dem seltsamen Ergebnis, dass bei „echten“ Aktienoptionsprogrammen die Umsetzung der neuen Haltefrist erst später verpflichtend wird als bei Programmen, welche lediglich vergleichbar ausgestaltet sind.
5. Anwendungsbereich a) Zeitlicher Anwendungsbereich Für die Anwendung der neuen Vergütungsregelungen nach § 87 Abs. 1 AktG gibt es keine ausdrückliche Übergangsregelung. Allerdings geht der Bericht des Rechtsausschusses wie selbstverständlich davon aus, dass die neuen Vorschriften nur auf Neuverträge anzuwenden seien42. Man kann sich fragen, ob die Neuregelung auch dann anwendbar ist, wenn ein Altvertrag anlässlich der Wiederbestellung eines Vorstands auf Basis einer entsprechenden Klausel lediglich automatisch verlängert wird. Für eine Anwendung der neuen Fassung des § 87 Abs. 1 AktG spricht, dass der Aufsichtsrat mit Blick auf die Wiederbestellung des Vorstands zur Prüfung verpflichtet ist, ob die Fortführung des Anstellungsverhältnisses zu den Konditionen des Altvertrages unter Berücksichtigung der aktuellen Umstände noch angemessen ist43. Bei Vertragsänderungen wird man davon ausgehen dürfen, dass diese eine Anwendung der neuen Regeln nicht nach sich ziehen, solange jegliche Vereinbarungen zur Vergütung unberührt bleiben; dagegen muss § 87 Abs. 1 AktG n. F. berücksichtigt werden, sobald auch nur ein vergütungsbezogenes Element des Altvertrages geändert wird. _______________
40 BT-Drucks. 16/12278, S. 5. 41 So auch Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009 1 (11, Rz. 91 f.). 42 BT-Drucks. 16/13433, S. 10. 43 Hoffmann-Becking/Krieger NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (4, Rz. 28); anders unter Berufung auf einen Umkehrschluss zur Begründung des Rechtsausschusses bezüglich der Neuregelung von D&O-Versicherungen Lingemann, BB 2009, 1918 (1920).
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Kurz zu betrachten ist auch die Frage, ob eine komplette Anpassung der Vergütungsregelungen an § 87 Abs. 1 AktG n. F. bereits dadurch ausgelöst wird, dass für eine variable Vergütungskomponente, wie im Anstellungsvertrag vorgesehen, eine Zielvereinbarung getroffen wird. Das ist richtigerweise nicht der Fall: Das Treffen einer Zielvereinbarung ist nämlich lediglich ein Fall der Vertragsanwendung und nicht der Vertragsänderung. Das sieht man bereits daran, dass der Aufsichtsrat im Normalfall die Zielvereinbarung nicht zum Anlass nehmen kann, den Anstellungsvertrag an anderen Stellen bezüglich der Vergütung einseitig zu ändern44. Etwas anderes könnte gelten, wenn der Anstellungsvertrag ausdrücklich vorsieht, dass ein der Vergütungsberechnung zugrunde liegendes Ziel mit dem Vorstand „zu vereinbaren“ ist. Unabhängig davon, ob eine Komplettanpassung des Anstellungsvertrags ausgelöst wird, kann der Aufsichtsrat dazu verpflichtet sein, offene Regelungen des Anstellungsvertrags in einer Art und Weise auszufüllen, welche den Grundsätzen der Neuregelung folgt, insbesondere auf eine nachhaltige Vergütung ausgerichtet ist. Eine solche Pflicht besteht aber wiederum (nur) in Abhängigkeit zur gesamten Struktur der Vorstandsvergütung45.
b) Anwendung auf die GmbH mit Aufsichtsrat? Es stellt sich des Weiteren die Frage, ob die Vergütungsregelungen in § 87 Abs. 1 AktG und die Zuständigkeitsregelung des § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG auch für die mitbestimmte GmbH gelten. Dabei ist zwischen zwei Sachverhalten zu unterscheiden, nämlich zwischen der GmbH mit Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz und der GmbH mit Aufsichtsrat nach dem Drittelbeteiligungsgesetz. aa) Ausgangspunkt bei der nach Mitbestimmungsgesetz paritätisch mitbestimmten GmbH ist die Verweisungsnorm des § 25 MitbestG. § 107 AktG (und damit die Zuständigkeitsregelung in Abs. 3 Satz 3) ist in § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG aufgeführt. Das spricht dafür, dass das Aufsichtsratsplenum für Vergütungsentscheidungen zuständig ist46. Auf die inhaltlichen Vorgaben für die Vorstandsvergütung (§ 87 Abs. 1 AktG) verweist das MitbestG dagegen nicht direkt. Mit der herrschenden Auffassung im GmbH-Recht könnte man daher annehmen, dass _______________
44 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (4, Rz. 30). 45 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (4, Rz. 30). 46 Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121 (1127); Gaul/Janz, NZA 2009, 809 (813); letztlich offen gelassen bei Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (9 f., Rz. 77–79).
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sich die Vergütung der Geschäftsführung in der paritätisch mitbestimmten GmbH nicht nach § 87 Abs. 1 AktG zu richten habe47; konsequenterweise wären dann auch die durch das VorstAG neu eingeführten Vorgaben nicht maßgeblich. Dem entspricht auch eine Anmerkung des Rechtsauschusses48 dahingehend, dass der geänderte § 87 AktG bei der GmbH mit Aufsichtsrat nicht anwendbar sei. Andererseits vertritt der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 198349 die Auffassung, dass der Aufsichtsrat in der paritätisch mitbestimmten GmbH „ähnliche Grundsätze zu beachten [habe], wie sie die §§ 87–89, insbesondere § 87 Abs. 1 AktG, (…) aufstellen“, was für eine Anwendbarkeit der Vergütungsgrundsätze in der Form des VorstAG sprechen könnte50. Letztlich kann man zu diesem Zeitpunkt nicht davon ausgehen, dass die Frage der Anwendbarkeit der VorstAG-Regeln auf die paritätisch mitbestimmte GmbH für die Praxis bereits entschieden ist. bb) Im Bereich des Drittelbeteiligungsgesetzes verbleibt es bei der gesetzlichen Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für die Vergütung der Geschäftsführer. Diese ergibt sich daraus, dass § 52 GmbHG keinen Verweis auf § 84 AktG enthält51. Etwas anderes könnte sich lediglich dann ergeben, wenn die Satzung der fraglichen GmbH die Kompetenz zur Bestellung der Geschäftsführer von der Gesellschafterversammlung auf einen Aufsichtsrat verlagert hätte52.
6. Herabsetzung der Vergütung Bereits bisher sah § 87 Abs. 2 AktG eine Berechtigung des Aufsichtsrats vor, die Vorstandsvergütung im Falle einer wesentlichen Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft herabzusetzen, wenn in der unveränderten Weiterzahlung der Vorstandsbezüge eine schwere Unbilligkeit liegen würde. Das VorstAG hat diese Regelung deutlich verschärft: Nun „soll“ der Aufsichtsrat die Vergütung bereits herabsetzen, wenn eine einfache Verschlechterung in der Lage der Gesellschaft vorliegt, sodass die Weitergewährung der Vorstandsbezüge unbillig wäre _______________
47 Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121 (1127); im Ergebnis ebenso Annuß/ Theusinger BB 2009, 2434 (2438); Greven, BB 2009, 2154 (2158). 48 BT-Drucks. 16/13433, S. 10. 49 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/38, NJW 1984, 733 (735). 50 Siehe hierzu Greven, BB 2009, 2154 (2158 m. w. N.). 51 So auch Greven, BB 2009, 2154 (2158). 52 Auch in diesem Fall gegen eine Anwendung von § 87 AktG Greven, BB 2009, 2154 (2158).
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(eine „schwere“ Unbilligkeit ist also nicht mehr erforderlich). Insgesamt ist die neue Regelung durch Härte gegenüber den Vorständen gekennzeichnet. Die betroffenen Aufsichtsräte sollten angesichts dieser klaren Verschärfung aber gleichwohl nicht in Aktionismus verfallen. a) Unklar bleibt der Begriff der Verschlechterung. Nach der Gesetzesbegründung53 liegt bei Insolvenz und Krise stets eine Verschlechterung der Lage der Gesellschaft vor. Zudem sei eine Verschlechterung beispielsweise dann gegeben, wenn die Gesellschaft Entlassungen oder Lohnkürzungen vornehmen müsse und keine Gewinne mehr ausschütten könne. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass das „und“ in der Gesetzesbegründung als kumulatives „und“ zu lesen ist54: Nicht jede Entlassung eines Mitarbeiters oder Kürzung einer Vergütung stellt automatisch eine Verschlechterung der Unternehmenslage dar, welche eine Kürzung der Vorstandsbezüge rechtfertigen würde; im Gegenteil ist ein Arbeitsplatzabbau, etwa im Rahmen einer Sanierung, oft gerade ein Mittel, um eine Gesellschaft wieder in die Gewinnzone zu führen. Eine relevante „Verschlechterung“ ist daher nur dann anzunehmen, wenn zu Entlassungen und Lohnkürzungen eine Unfähigkeit zur Gewinnausschüttung noch hinzutritt. Auch unabhängig davon sind die in der Gesetzesbegründung genannten Kriterien durchaus problematisch55. So muss das Fehlen einer Gewinnausschüttung nicht zwingend auf eine Schieflage der Gesellschaft hinweisen, vielmehr könnte zum Beispiel ein Großteil des Gewinns in der Gesellschaft zurückgehalten werden, um anstehende Forschungsprojekte zu finanzieren. Auch Entlassungen sind als Kriterium heikel, denn es ist unklar, wie viele Entlassungen für die Annahme einer Verschlechterung der Gesamtlage der Gesellschaft erforderlich sind. Diese Zweifelsfragen sprechen dafür, ähnlich wie in § 87 AktG an die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft anzuknüpfen und insoweit auch in Zukunft eine krisenhafte Situation des Unternehmens als Voraussetzung für eine Herabsetzung der Vorstandsvergütung zu fordern56. Schließlich ist _______________
53 BT-Drucks. 16/12278, S. 6. 54 So auch Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (725). 55 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (4, Rz. 32); Annuß/ Theusinger BB 2009, 2434 (2437); Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (725); Gaul/ Janz, NZA 2009, 809 (811 f.); Fleischer, NZG 2009, 801 (804); Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 (1352); Thüsing, AG 2009, 517 (522). 56 Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (725); gegen eine Herabsetzung bei jeglichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft auch Annuß/Theusinger BB 2009, 2434 (2438); Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 (1352); vgl. auch Fn. 59.
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im Zusammenhang mit einer solchen Herabsetzung stets zu bedenken, dass ein Eingriff in die vertraglich zugesicherte Vergütung des Vorstands auch vor der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Bestand haben muss. Insgesamt sollte an dieser Stelle Augenmaß bewahrt werden; die Anpassung der Vorstandsvergütung sollte nicht zu einer Standardmaßnahme bei jeder konjunkturellen Verschlechterung der Geschäftslage werden. b) „Unbillig“ ist die Fortzahlung der Vorstandsvergütung nach der Gesetzesbegründung des VorstAG57 immer dann, wenn der fragliche Vorstand pflichtwidrig gehandelt hat. Liegt kein Pflichtenverstoß vor, so soll eine Unbilligkeit im Sinne von § 87 Abs. 2 AktG trotzdem in Betracht kommen, wenn die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft in die Amtszeit des fraglichen Vorstandsmitglieds fällt und sie ihm zurechenbar ist. Was in diesem Zusammenhang unter „Zurechenbarkeit“ zu verstehen ist, wird nicht weiter ausgeführt, der Begriff bleibt unscharf. Richtigerweise ist wohl zu fordern, dass die Verschlechterung der Gesellschaftslage kausal auf eine individuelle Handlung des fraglichen Vorstandsmitglieds zurückgeführt werden kann58. Schließlich wird zum Teil in der Literatur angemerkt, dass eine Weitergewährung der vereinbarten Bezüge bei Verschlechterung der Lage der Gesellschaft nur dann unbillig sein könne, wenn die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft wesentlich sei; dies müsse unabhängig davon gelten, ob der Gesetzgeber das Merkmal „wesentlich“ aus dem Gesetzestext gestrichen hat59. c) Da es sich bei § 87 Abs. 2 AktG um eine Soll-Vorschrift handelt, kann der Aufsichtsrat bei Vorliegen besonderer Umstände von einer Herabsetzung absehen60. Ein solcher besonderer Umstand kann auch darin liegen, dass die Gesellschaft auf das fragliche Vorstandsmitglied in besonderem Maße angewiesen ist und bei einer Herabsenkung der Vorstandsvergütung die Gefahr besteht, dass das Vorstandsmitglied von seinem Kündigungsrecht aus § 87 Abs. 2 Satz 3 (nach VorstAG: Satz 4) _______________
57 BT-Drucks. 16/12278, S. 6. 58 Ähnlich Hohaus/Weber, DB 2009, 1515 (1519) (normzweckorientierter Zurechnungszusammenhang über die bloße Kausalität hinaus); weiter aber wohl Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (726) („etwas diffuse Mischung aus Verschulden und objektiver Zurechenbarkeit“, wohl nur eindeutig externe Entwicklungen kein Herabsetzungsgrund). 59 DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2009, 612 (613); ähnlich Gaul/Janz, NZA 2009, 809 (812) (Zurückhaltung beim Merkmal „unbillig“, um Charakter als „äußersten Notbehelf“ zu wahren). 60 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 10.
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AktG Gebrauch macht. In einem solchen Fall kann es gerade geboten sein, von einer Herabsetzung abzusehen, um größeren Schaden durch den Weggang des Vorstandsmitglieds von der Gesellschaft fern zu halten61. d) In der Praxis wird sich der Aufsichtsrat nun grundsätzlich bei einer Verschlechterung der Situation der Gesellschaft mit der Frage einer Herabsetzung der Vorstandsbezüge befassen müssen. Dabei unterfällt die Entscheidung des Aufsichtsrats aufgrund ihres unternehmerischen Charakters der Business Judgement Rule62. Das Vorgehen des Aufsichtsrats sollte stets umfassend dokumentiert werden. Zu beachten ist schließlich, dass auch die Neuregelung es nicht erlaubt, Vergütungsansprüche für vergangene Zeiträume, deren Voraussetzungen erfüllt sind, herabzusetzen63. Nur künftige Bezüge der Vorstände – allerdings auch solche aus laufenden Verträgen, die vor Inkrafttreten des VorstAG geschlossen wurden64 – können beschnitten werden. An diesem Grundsatz hat die Neuregelung festgehalten, obwohl gerade die Auszahlung hoher Boni aus noch guten Geschäftszeiten in der letzten Zeit für Empörung in der breiten Öffentlichkeit gesorgt hat. e) § 87 Abs. 2 Sätz 1, 2 AktG erstreckt die Herabsetzungsmöglichkeit neu auch auf Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art, wobei eine Herabsetzung nur in den ersten drei Jahren nach Ausscheiden des fraglichen Vorstandsmitglieds aus der Gesellschaft, dann aber mit Wirkung für alle Zukunft, möglich ist. Unter Ausscheiden ist hier richtigerweise das Ende der Bestellung zu verstehen65. aa) Gegenüber der vorherigen Rechtslage, nach der eine Herabsetzung höchstens im Fall einer Notlage denkbar war, stellt die neue Regelung eine deutliche Verschärfung dar. Das ergibt sich insbesondere auch daraus, dass die Herabsetzung, sofern sie in dem Dreijahresfenster des _______________
61 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (5, Rz. 38); Bauer/ Arnold, AG 2009, 717 (727); Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 (1352); Bosse, BB 2009, 1650 (1651); DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2009, 612 (614). 62 Vgl. nur Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (731), der für die Inanspruchnahme dieser Haftungserleichterung eine umfassende Informationsgrundlage anmahnt. 63 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (5, Rz. 36); DAVHandelsrechtsausschuss, NZG 2009, 612 (613); anders Thüsing, AG 2009, 517 (522) (Herabsetzung möglich, soweit noch nicht ausgezahlt). 64 Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (730). 65 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (5, Rz. 41); anders Lingemann, BB 2009, 1918 (1921); Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (729).
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§ 87 Abs. 2 Satz 3 AktG erfolgt, für den gesamten Zahlungszeitraum des Ruhegelds möglich ist. Der Rechtsausschuss spricht sich jedoch dafür aus, dass Ruhegelder nur dann gekürzt werden dürften, wenn die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft dem ausgeschiedenen Vorstand zugerechnet werden kann, wobei eine Zurechnung nicht zeitlich unbegrenzt stattfinden könne66. Damit ist wie bei aktiven Vorständen ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Handlung des Vorstandsmitglieds in seiner Amtszeit und der Herabsetzung des Ruhegehalts erforderlich. bb) Gegenüber der Situation eines aktiven Vorstandmitglieds ist das ausgeschiedene Vorstandsmitglied allerdings dadurch massiv benachteiligt, dass ihm die Möglichkeit, auf eine Herabsetzung mit einer Kündigung des Anstellungsvertrages zu reagieren, nicht mehr zur Verfügung steht. Insgesamt begegnet die Möglichkeit, Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge und ähnliche Instrumente kürzen zu können, verfassungsrechtlichen Bedenken67. Dies beruht insbesondere darauf, dass es sich bei derartigen Ansprüchen um solche für bereits erbrachte Leistungen handelt. Eine Kürzung greift somit rückwirkend in das Leistungsgefüge ein, ohne dass dem betroffenen ehemaligen Vorstandsmitglied die Möglichkeit offen stünde, hierauf zu reagieren. Es ist zweifelhaft, ob diese Rechtslage mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG vereinbar ist. Alleine das Abheben auf eine Kausalität zwischen aktivem Vorstandshandeln und einer aktuellen Schieflage der Gesellschaft reicht vermutlich nicht aus, um diese Ungewissheit zu beseitigen.
IV. D&O-Versicherungen für Vorstand bzw. Aufsichtsrat 1. Durch das VorstAG wurde ein neuer Satz 3 in § 93 Abs. 2 AktG eingeführt. Nach dieser neuen Vorschrift ist bei einer Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit (sogenannte „directors & officers“ bzw. D&O-Versicherung) ein „Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis _______________
66 BT-Drucks. 16/13433, S. 10 f. 67 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (6, Rz. 42); DAVHandelsrechtsausschuss, NZG 2009, 612 (614); Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 (1353); Nikolay, NJW 2009, 2640 (2643) („bedenklich“, allerdings ohne Verweis auf Verfassungsrecht); dagegen ohne verfassungsrechtliche Bedenken Fleischer, ZIP 2009, 801 (804); Thüsing, AG 2009, 517 (523) (beide unter Verweis auf vergleichbaren Notlagenvorbehalt bei Betriebsrenten); Bauer/ Arnold, AG 2009, 717 (729).
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mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung“ des Vorstandsmitglieds vorzusehen. Diese Formulierung ist zwar äußerst kompakt68, dafür jedoch eher schwer verständlich. Gemeint ist, dass der Selbstbehalt grundsätzlich mindestens 10 Prozent eines jeden Schadensfalls erfassen muss. Darüber hinaus darf die Gesamtsumme des Selbstbehalts in einem Jahr das Anderthalbfache der jährlichen Festvergütung des betroffenen Vorstandsmitglieds nicht unterschreiten69. Der Selbstbehalt im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG ist im Versicherungsvertrag zu regeln70. Maßgeblich für die Feststellung der Vergleichsgröße Jahresvergütung ist das Jahr des Pflichtverstoßes71. Dabei ist allerdings unklar, ob das Kalender-, das Geschäfts- oder das Versicherungsjahr heranzuziehen ist72. Es spricht viel dafür, dass das Tätigkeitsjahr maßgeblich sein sollte; dadurch wird nämlich die Situation vermieden, dass ein Vorstand zu Beginn oder Ende der Amtszeit in einem Kalenderjahr nur zeitanteilig (etwa einen Monat des Jahres) für die Gesellschaft tätig ist und dann auch nur der auf diesem Zeitraum entfallende geringe Betrag für das Jahresgehalt herangezogen wird. 2. Soweit nach Inkrafttreten des VorstAG eine D&O-Versicherung neu abgeschlossen wird, sind die neuen Anforderungen für den Selbstbehalt zu berücksichtigen. Für laufende D&O-Policen sieht Art. 23 Abs. 1 Satz 1 EGAktG eine Anpassungsfrist bis zum 30.6.2010 vor. Für Fälle, in denen das Vorstandsmitglied vor Inkrafttreten des VorstAG im Rahmen seines Anstellungsvertrags einen Anspruch auf eine D&O-Versicherung ohne Selbstbehalt hatte, besteht in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 EGAktG eine Ausnahme von der Anpassungspflicht. Der Anstellungs_______________
68 Vgl. Seibert, WM 2009, 1489 (1492) („sehr komprimiert und ein hermeneutischer Leckerbissen“). 69 Beispiel: Unterstellt man ein Festgehalt von EUR 1 Million und einen Schaden in der Höhe von EUR 1 Million, so muss der Selbstbehalt des Vorstandsmitglieds pro Schadensfall mindestens EUR 100.000 betragen. Fallen drei Schäden à EUR 6 Millionen an, so beträgt der Selbstbehalt pro Schaden EUR 600.000; es ist aber möglich, den Gesamtselbstbehalt für alle drei Schäden auf EUR 1,5 Millionen zu begrenzen. 70 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (7, Rz. 49); Lingemann, BB 2009, 1918 (1922). 71 So schon der Rechtssausschuss, BT-Drucks. 16/13433, S. 11. 72 Vgl. hierzu Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1660) (Stellungnahme für das Kalenderjahr); Dauner-Lieb/Tettinger, ZIP 2009, 1555 (1556) (durch die Vertragsparteien zu klären).
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vertrag kann dann bis zum Ende seiner Laufzeit gemäß seinen Regelungen erfüllt werden. Wenn auch Art. 23 Abs. 1 Satz 2 EGAktG seinem Wortlaut nach nur den Fall regelt, dass ein Anspruch auf eine D&OVersicherung ganz ohne Selbstbehalt besteht, so muss dasselbe erst recht dann gelten, wenn ein Vorstandsmitglied einen vertraglichen Anspruch auf eine Versicherung mit einem lediglich geringeren als dem nun gesetzlich vorgeschriebenen Selbstbehalt erhalten hat73. Da die Gesellschaften üblicherweise Sammelpolicen abschließen, stellt sich ein Anpassungsproblem aus Sicht der Gesellschaft im Übrigen immer schon dann, wenn auch nur ein Vorstandsmitglied keinen Anspruch auf einen „untergesetzlichen“ Selbstbehalt hat. Schließlich wird auch an dieser Stelle die Frage relevant, wie Alt- von Neuverträgen abzugrenzen sind. Hierzu wird in der Literatur vertreten74, dass eine Gesamtbetrachtung anzustellen sei, in deren Rahmen es darauf ankomme, ob die Parteien wesentliche Bestandteile des Vertrages (wie zum Beispiel das versicherte Interesse, die Prämienzahlung, die Versicherungssumme oder die Vertragsdauer) änderten. Dabei indiziere die Umgestaltung einzelner, wenngleich für sich gesehen wesentlicher, Abreden nicht zwingend die Einordnung als Neuvertrag. 3. Es dürfte mittlerweile geklärt sein, dass Vorstandsmitgliedern die Möglichkeit offen steht, sich bezüglich einer Inanspruchnahme auf den Selbstbehalt auf eigene Kosten zu versichern75. Ein im Gesetzgebungsverfahren erwogener Ausschluss dieser Versicherungsmöglichkeit ist gerade nicht Gesetz geworden; eine solche Beschränkung wäre auch verfassungsrechtlich bedenklich gewesen. 4. Der deutsche Corporate Governance Kodex verlangte bereits vor Inkrafttreten des VorstAG die Vereinbarung eines Selbstbehalts, so dass nach alter Gesetzeslage eine Offenlegung erfolgen musste, wenn ein Selbstbehalt vereinbart worden war. Die aktuelle Fassung des Kodex _______________
73 Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 (1354); Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (7, Rz. 52). 74 Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1661). 75 Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 (2441); Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (7, Rz. 56); Bosse, BB 2009, 1650 (1652); Dauner/ Lieb/Tettinger, ZIP 2009, 1555 (1557); Fleischer, NZG 2009, 801 (806); Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 (1354); Lingemann, BB 2009, 1918 (1922); Olbrich/Kassing BB 2009, 1959 (1662); wohl auch Gaul/Janz NZA 2009, 809 (813); die Versicherbarkeit des Selbstbehalts zwar bejahend, aber mit ausdrücklicher Stellungnahme für ein Verbot dieser Umgehungsmöglichkeit Thüsing, AG 2009, 517 (527).
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gibt lediglich die gesetzliche Regelung des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG wieder. Geht man – richtigerweise – davon aus, dass diese Wiedergabe des Gesetzestextes implizit auch die gesetzlichen Übergangsfristen miterfasst, wäre jetzt für Abweichungen in Altfällen, d. h. bei Bestehen eines Anspruchs auf eine Versicherung ohne Selbstbehalt, keine Offenlegung mehr erforderlich. Um Missverständnissen vorzubeugen, erscheint es jedoch sinnvoll, dennoch eine Offenlegung vorzunehmen, jedoch mit der erläuternden Angabe, dass wegen eines vertraglichen Anspruchs des Vorstandsmitglieds die gesetzliche Übergangsfrist genutzt wird. Eine derartige höchst vorsorgliche Handhabung empfiehlt sich auf Grund der Tatsache, dass ein Verstoß gegen die Offenlegungspflicht aus § 161 AktG nach der Deutsche Bank/Kirch-Entscheidung des BGH76 zur Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses der Hauptversammlung führen kann. 5. Für D&O-Versicherungen von Aufsichtsratsmitgliedern sieht das Gesetz auch nach dem VorstAG keine Regelung vor. Ziffer 3.8 DCGK empfiehlt allerdings eine Regelung entsprechend jener für Vorstände nach dem VorstAG. In diesen Fällen müsste folgerichtig auch die soeben dargestellte Übergangsregelung Anwendung finden77. Da Aufsichtsratsmitglieder jedoch keinen Anstellungsvertrag haben, kann zu ihren Gunsten auch kein Anspruch auf eine Versicherung ohne Selbstbehalt bestehen. Daher gilt für sie stets, dass die Umstellung bis zum 30.6. 2010 zu bewerkstelligen ist. Bei Abweichungen von diesen Grundsätzen müsste die Entsprechenserklärung der Gesellschaft entsprechend eingeschränkt werden. 6. Es stellen sich schließlich einige Einzelfragen zur Anwendbarkeit der gesetzlichen Selbstbehaltsregeln. aa) Die Pflicht zur Vereinbarung eines Selbstbehalts bezieht sich nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG vorbehaltlich einer Kappungsgrenze stets auf 10 Prozent des eingetretenen „Schadens“. Soweit also die D&O-Police auch die Kosten des Vorstandsmitglieds für die Abwehr eines Schadenersatzanspruches abdeckt, muss kein Selbstbehalt vereinbart werden, da es sich bei den Abwehrkosten des Vorstands nicht um einen Schaden der Gesellschaft handelt78. _______________
76 BGH v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, NJW 2009, 2207. 77 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (7, Rz. 54). 78 Siehe nur Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (6, Rz. 47) m. w. N.
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bb) Vorsorglich sollten die Selbstbehaltsregeln des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG auch dann beachtet werden, wenn das Vorstandsmitglied einer Tochter-AG in die D&O-Police der Muttergesellschaft einbezogen wird. Einleuchtend ist dies insbesondere in dem Fall, dass die Muttergesellschaft die Versicherungskosten an die Tochter-AG weitergibt79. Für die Verhandlungsposition des Aufsichtsrats der Tochter-AG kann es im Ergebnis nämlich keinen Unterschied machen, ob es sich um eine eigene Police der Tochter-AG handelt, oder ob diese über einen Dritten organisiert wird, solange nur die Tochter-AG letztlich die Versicherungskosten für das eigene Vorstandsmitglied selber trägt. Es wäre auch denkbar, zu demselben Ergebnis über eine verallgemeinerte Pflicht der Konzernmutter zu gelangen, in ihrem gesellschaftsrechtlichen Einflussbereich nur D&O-Versicherungen mit gesetzeskonformem Selbstbehalt zu vereinbaren80. cc) Schließlich stellt sich die Frage, ob ein Selbstbehalt auch für Pflichtverletzungen vor Inkrafttreten des VorstAG vorzusehen ist, wenn der Versicherungsfall erst nach Inkrafttreten der Regelung geltend gemacht wird. Hierfür könnte sprechen, dass bei D&O-Policen das Claims-MadePrinzip gilt, ein Versicherungsfall also immer erst dann eintritt, wenn ein Schaden geltend gemacht wird81. Richtigerweise ist ein solcher rückwirkender Eingriff in einen bei Inkrafttreten des VorstAG abgeschlossenen Sachverhalt nicht zulässig: Sinn und Zweck der neuen Selbstbehaltsregelung ist die Schaffung eines positiven Verhaltensanreizes für die betroffenen Vorstandsmitglieder. Eine Beeinflussung künftigen Verhaltens kann jedoch nicht durch eine nachträgliche Sanktionierung vergangener Pflichtverstöße erreicht werden. 7. Zwar könnte daran gedacht werden, dass ein D&O-Versicherungsvertrag, welcher den Anforderungen des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG nicht genügt, nach § 134 BGB nichtig sein könnte. Eine derart drastische Sanktion, nämlich der Verlust des gesamten Versicherungsschutzes, entspricht jedoch nicht dem Sinn und Zweck der Neuregelegung und ist daher richtigerweise abzulehnen82.
_______________
79 80 81 82
Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (7, Rz. 50). So Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 (2441). So offenbar Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1661). Dauner-Lieb/Tettinger, ZIP 2009, 1555 (1556).
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V. Billigung durch die Hauptversammlung Für börsennotierte Aktiengesellschaften hat das VorstAG in § 120 Abs. 4 AktG eine Möglichkeit für die Hauptversammlung geschaffen, über eine Billigung des Systems der Vorstandsvergütung zu beschließen. Bisher sah Ziffer 4.2.3 Abs. 6 DCGK lediglich vor, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats die Hauptversammlung über die Grundzüge des Vergütungssystems und deren Veränderung informieren soll, und in Ziffer 4.2.5 DCGK wurde empfohlen, dass als Teil des Corporate Governance Berichts auch das System der Vorstandsvergütung in einem allgemein verständlichen Vergütungsbericht erläutert wird. 1. Ein Beschluss der Hauptversammlung über das Vergütungssystem für die Vorstände der Gesellschaft nach § 120 Abs. 4 AktG ist nur dann möglich, wenn er durch einen Punkt der Tagesordnung der Hauptversammlung gedeckt ist. Ausweislich des Berichts des Rechtsausschusses83 ist davon auszugehen, dass für die Verwaltung keine Verpflichtung besteht, einen entsprechenden Tagesordnungspunkt vorzusehen. Somit bestünde für die Aktionäre nur die Möglichkeit, einen Beschluss nach § 120 Abs. 4 AktG auf dem Wege eines Minderheitsverlangens nach § 122 Abs. 2 AktG herbeizuführen. Man könnte überlegen, ob ein Beschluss über das Vergütungssystem für den Vorstand auch im Rahmen des Tagesordnungspunkts „Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats“ gefasst werden kann84. Hierfür könnte sprechen, dass etwa ein Beschluss über die Bestellung eines Sonderprüfers nach allgemeiner Meinung dann im Rahmen des Tagesordnungspunktes „Entlastung“ möglich ist, wenn und weil dieser Vorgänge der Geschäftsführung bzw. Vorgänge der Aufsichtsratstätigkeit prüfen soll85. Das würde den Schluss nahelegen, dass auch der an die Aufsichtsratstätigkeit anknüpfende Beschluss zum Vergütungssystem im Rahmen des Tagesordnungspunktes „Entlastung“ durchgeführt werden kann. Dafür, dass stets ein eigener Tagesordnungspunkt für den Beschluss nach § 120 Abs. 4 AktG erforderlich ist, spricht jedoch entscheidend, dass eine Behandlung unter dem TOP „Entlastung“ dem Beschluss eine gewisse Entlastungswirkung zukommen lassen könnte. Wie sich jedoch deutlich aus § 120 Abs. 4 _______________
83 BT-Drucks. 16/13433, S. 12. 84 Vgl. Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (10 f., Rz. 83– 85) („nicht auszuschließen, dass sich in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung durchsetzt, …“). 85 Siehe nur Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 142 Rz. 9; Schröer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 142 Rz. 33.
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Satz 2 Halbsatz 1 AktG ergibt, soll der Billigungsbeschluss gerade keinerlei rechtsverbindliche Wirkungen, und somit auch keine Form einer „Teilentlastung“, herbeiführen86. 2. Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen, ob es sinnvoll sein kann, dass die Verwaltung selbst einen entsprechenden Tagesordnungspunkt aufnimmt. Hier ist eher Zurückhaltung zu empfehlen – was sich allerdings ändern könnte, sobald große Unternehmen diesen Beschluss auf die Tagesordnung nehmen oder Interessenvertreter wie etwa Proxy Agents die Herbeiführung von Beschlüssen nach § 120 Abs. 4 AktG in ihre Agenda aufnehmen. Wie bereits erwähnt, sieht das Gesetz in § 120 Abs. 4 Satz 2 AktG vor, dass der Beschluss der Hauptversammlung zum System der Vorstandsvergütung keine rechtlichen Wirkungen entfalten soll. In dem Fall, dass der Beschluss nach § 120 Abs. 4 AktG negativ ausfällt, hat dies also (lediglich) Auswirkungen auf das Bild des Unternehmens in der Öffentlichkeit. Ein positiver Beschluss bringt entsprechend keine Enthaftungswirkung mit sich. § 120 Abs. 4 Satz 3 AktG legt ausdrücklich fest, dass der Beschluss über das System der Vorstandsvergütung nicht anfechtbar ist. Diese Anordnung ist zwar einerseits vorteilhaft, weil ein Beschluss über das Vergütungssystem so nicht nachträglich, etwa durch Berufskläger, angegriffen und mit Zusatzkosten belastet werden kann87. Andererseits wird dem betroffenen Vorstand aber auch die Möglichkeit genommen, gegen einen fehlerhaft gefassten negativen Beschluss vorzugehen. Zu bedenken ist schließlich, dass den Aktionären das Fragerecht aus § 131 AktG in vollem Umfang zur Verfügung steht, sobald ein Tagesordnungspunkt zur Vorstandsvergütung vorgesehen ist. Ich hoffe, dieser Überblick hat gezeigt, dass der Gesetzgeber uns mit dem VorstAG, gewollt oder ungewollt, einige Probleme für Auslegung und Rechtsanwendung beschert hat – es bleibt zu hoffen, dass Praxis und Gerichte Augenmaß bewahren und die zahlreichen Schwierigkeiten einer ebenso richtigen wie handhabbaren Lösung zuführen werden.
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86 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG Beil. zu Heft 26/2009, 1 (11, Rz. 86). 87 Vgl. Begemann/Laue, BB 2009, 2442 (2445); Seibert, WM 2009, 1489 (1491); BT-Drucks. 16/13433, S. 12.
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Bericht über die Diskussion der Referate Sailer-Coceani und Kramarsch Dr. Lars Kloster Rechtsanwalt, Frankfurt am Main Bereits die in die Diskussion der Referate Sailer-Coceani und Kramarsch einführende rhetorische Frage des Diskussionsleiters Krieger, ob denn die Welt auf die vielfältigen, durch das VorstAG aufgeworfenen juristischen Fragen gewartet habe, machte deutlich: Die gesetzgeberische Umsetzung des – nach der Auffassung mancher – eher von politischem Drang als von einem echten Bedürfnis getriebenen Projekts, (angebliche) Exzesse bei Managervergütungen zu unterbinden, ist nur bedingt gelungen. Indirekt bestätigte dies Kramarsch in seinem Einführungsstatement, das da lautete: Der hohe Beratungsbedarf rechtfertige eigentlich einen sehr großen Blumenstrauß der Berater und insbesondere der Juristen an das BMJ (scil. Frau Zypries). Zu den vielen Zweifelsfragen, die das VorstAG aufwirft, gehört zunächst ganz grundsätzlich auch die nach seiner Berechtigung. Dass hohe Managervergütungen keineswegs ein Problem einer „Amerikanisierung“ des Wirtschaftslebens sind, betonte Semler in seinem Diskussionsbeitrag. Er verfasse schon seit mehr als 40 Jahren Vorstandsverträge und könne bestätigen, dass hohe Vorstandsbezüge – illustrierend erwähnte er Mindestbezüge in Höhe des 10-fachen Gehalts des im Übrigen bestbezahlten Mitarbeiters – keineswegs selten seien. Dennoch unterstrich er, dass der Aufsichtsrat schon bislang, also ohne die Kautelen des VorstAG, durchaus in der Lage gewesen sei, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen und Exzesse bei den Vorstandsbezügen zu verhindern. Die Drohung von so manchen dergestalt „beaufsichtigten“ Vorständen mit der Abwanderung Richtung USA, habe er noch in keinem Fall umgesetzt gesehen. Dies illustriere seines Erachtens zugleich, dass der regionale Bezug bei der Bestimmung der „üblichen Vergütung“ in § 87 Abs. 1 AktG sinnvoll sei. Freilich sehe er mit Bedenken, dass das VorstAG letztlich den Fokus der Sorgfaltspflichten des Aufsichtsrates insgesamt zu sehr in die Richtung Überwachung der Managervergütung verschiebe. Lutter akzentuierte in seinem Diskussionsbeitrag, dass angesichts bestimmter Ruhegehalts- und Übergangsgelder-Praktiken das VorstAG im
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Ergebnis in die richtige Kerbe stoße, wenngleich in Teilbereichen durchaus Diskussionsbedarf bestehe. Zutreffend sei die regionale Ausrichtung bei der Bestimmung der üblichen Vergütung. Ein Vergleich mit Vergütungen, wie sie etwa in den USA gewährt werden, passe nicht in die deutsche Corporate Governance Landschaft. Bei der „mehrjährigen“ Ausrichtung der Bemessungsgrundlage variabler Vergütungsbestandteile nach § 87 Abs. 1 Satz 3 AktG seien – anders als Frau Sailer-Coceani in ihrem Vortrag meinte – mindestens drei Jahre in den Blick zu nehmen – eine Auffassung, der sich Schäfer in einem späteren Redebeitrag anschloss. Lutter stimmte Frau Sailer-Coceani aber durchaus zu, dass eine Gesamtbetrachtung, insbesondere des Mischungsverhältnisses fester und variabler Vergütungsbestandteile, anzustellen ist. Anders als sein Vorredner vertrat ein Diskutant die Auffassung, die übliche Vergütung müsse in einschlägigen Fällen über einen Vergleich über die Ländergrenzen hinweg bestimmt werden. Nur eine solche Bestimmung entspreche der Lebenswirklichkeit internationaler Unternehmen, während ein regionaler Bezug insoweit schlicht lebensfremd sei. § 116 Satz 3 AktG, der nach seinem Dafürhalten die business judgment rule nicht einschränke, bereite ihm große Sorge: Von dieser Bestimmung gehe ein großer Abschreckungseffekt aus, so dass man sich fragen müsse, ob angesichts einer drohenden Haftung und der weiteren Limitierung des Auswahlkreises durch § 100 Abs. 2 Nr. 4 AktG, geeignete Aufsichtsräte in der Praxis nunmehr (noch) schwerer zu finden seien. Auf die Bitte, hierzu Stellung zu beziehen, berichtete Kramarsch, in seiner Beratungspraxis könne er insoweit noch keine Zurückhaltung feststellen. Die Befürchtungen seien derzeit nicht begründet. Doralt drückte in seinem Diskussionsbeitrag sein Missfallen an dem Verständnis vieler aus, das VorstAG sei nur „für die Augen der Öffentlichkeit“ gemacht, um insbesondere die öffentliche Diskussion des Themas Managervergütung einzudämmen. Zwar zeige der internationale Vergleich der Aktionärsstrukturen, dass in Deutschland mit seinen typischen Ankeraktionär-Aktiengesellschaften wirkliche Exzesse eher selten vorkämen, während insbesondere in den USA, wo infolge hoher Streubesitzanteile ausgleichende Kräfte fehlten, Exzesse weitaus häufiger seien; das zentrale Anliegen des VorstAG, die Managervergütung an einem nachhaltigeren Unternehmenserfolg zu messen, sei indes vollauf berechtigt. Im Lichte der Kernkompetenz des Aufsichtsrates zur Bestimmung der Vorstandsvergütung, an der sich auch durch § 120 Abs. 4 AktG nichts
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Kloster – Bericht über die Diskussion
geändert habe, bereitete Krieger die Empfehlung von Kramarsch, der Aufsichtsrat solle zunächst die Abstimmung mit institutionellen Investoren über die angemessene Vorstandsvergütung suchen, bevor er die Bezüge des Vorstandes festlege, „Bauchschmerzen“. Kramarsch betonte in seiner Erwiderung, diese Empfehlung sei eher als Antwort zur Vermeidung von Konflikten in der Praxis zu verstehen; freilich könne man sich fragen, woher denn überhaupt die Legitimation des Aufsichtsrates komme und ob das VorstAG insoweit nicht eine gewisse Akzentverschiebung mit sich bringe. Dem entgegnete Semler die (rhetorische) Frage, ob Kramarsch sich wirklich sicher sei, die Grundstrukturen des deutschen Aktienrechts zu beherrschen, woraufhin Kramarsch augenzwinkernd erwiderte, nun sei er am Ende doch noch als Nichtjurist enttarnt worden. In ihrer abschließenden Stellungnahme wies Frau Sailer-Coceani noch ergänzend darauf hin, dass die Übergangsregelungen des VorstAG ihrer Ansicht nach in den Kodex „hineinzulesen“ seien. In der Beratungspraxis, so ihre Antwort auf die Stellungnahmen von Lutter und Schäfer zu der Frage der mehrjährigen Ausrichtung der Bemessungsgrundlage variabler Vergütungsbestandteile, werde die Tendenz in Richtung drei Jahre gehen. Dennoch dürfe nicht übersehen werden, dass die aus ihrer Sicht notwendige Gesamtbetrachtung durchaus Spielräume eröffne und dieser Beurteilungszeitraum daher weniger als feste Größe, sondern lediglich als eine Richtschnur verstanden werden dürfe.
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Stichwortverzeichnis Aktie – Aktienbuch 41 ff. – Ausgabe 52 f. – Vinkulierung 41 Aktiengesellschaft – Aufsichtsrat s. dort – Hauptversammlung s. dort – Vorstand s. dort – Vorstandsvergütung s. dort Aktienoptionsprogramm 151 ff. – Haltefrist 151 f. – Phantom Stocks 148, 152 – Stock Appreciation Rights (SARs) 148 Aktienrecht 31 ff., 60 Aktionär – Abfindung 3 – Auskunftsrecht 39 – Informationsinteresse 60 – Redezeitbeschränkung 3 Ansatz- und Bewertungswahlrechte 78 ff. ARUG 53, 68 Atomrecht 3 Aufsichtsrat – Ausschuss 142 – D&O-Versicherung s. dort – Entlastung 43 ff., 164 – Geschäftsordnung 143 – Haftung 143 f. – Wahl 39 Ausschüttungssperre 70 ff., 93 f. Bedingtes Kapital 151 BGB-Gesellschaft – Gesellschafterhaftung 10 BGH s. Entscheidungen des BGH BilMoG 61 ff., 67 ff., 93 ff.
– Regelungskomplexe 63 f. Bruttoausweis 80 ff. Business Judgment Rule 158 BVerfG 50 Cash Pool 17 ff., 58 D&O-Versicherung 159 ff. – Abwehrkosten 162 – Aufsichtsratsmitglieder 162 – Anpassungsfrist 160 – Claims-Made-Prinzip 163 – Selbstbehalt 159 f., 162 Darlehen – Upstream-Darlehen 37 – Rückzahlungsanspruch 12 – Wertpapierdarlehen 49 ff. Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) 115, 122 f., 126, 137 Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) 39 f., 41 f., 60, 142, 145, 161 f., 164 – Entsprechenserklärung s. dort – soft law 60 DrittelbG 154 Eigene Anteile 81 ff. – Anschaffungskosten 81 – Erwerb unter pari 87 f. Eigenkapitalersatzrecht 12, 13 f., 14 ff., 17 ff., 57 f. – MoMiG s. dort – Übergangsregelung 13 f., 18 ff., 59 – Umwandlung einer GmbH in eine KG 57 Eigentumsgarantie 157
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Stichwortverzeichnis
Einlagen – ausstehende Einlagen 80 – nicht geforderte Einlagen 88 ff. Entlastungsbeschluss – Anfechtbarkeit 60 Entscheidungen des BGH – Cash Pool I 19 – Cash Pool II 17 ff., 58 – Gut Buschow 13 f. – Kirch ./. Deutsche Bank 38 ff., 162 – MAN 46 f. – Mindestausgabebetrag 52 f. – MPS 22, 35 ff. – Qivive 14 ff., 23 – Sanieren oder Ausscheiden 5 ff. – Sanitary 24 f. – Schiedsfähigkeit I 25, 27 f., 31, 101, 108 ff., 137 f. – Schiedsfähigkeit II 25 ff., 101, 110 ff., 135 ff. – Schutzgemeinschaftsvertrag II 31 ff. – Strabag 3 – Umschreibungsstopp 40 ff. – Vorstandsdoppelmandat 47 ff. – Wella 3 – Wertpapierdarlehen 49 ff. Entsprechenserklärung 39 f., 40 ff., 60, 162 Existenzvernichtungshaftung 24 f.
Hauptversammlung 40 ff. – Beschluss über Vorstandsvergütung 164 f. – Einberufung 3, 94 – Tagesordnung 164 – Teilnahmebeschränkung 41, 44 Haustürwiderrufsrecht 4 Hin- und Herzahlen 15, 17, 18 f., 22, 58 IASB 62 IFRS 61 ff., 68, 80, 91 Immobilienfonds 4, 5 Kapitalherabsetzung 85 Kapitalschutz 35 ff., 61 ff., 67 ff. – Eigenkapitalersatzrecht s. dort Kommanditgesellschaft – Erhöhung der Beteiligung 7 f. – Jahresabschluss 9 f. – Kommanditistenhaftung 8 f., 9 Konzern 163 – „Endloshaftung“ 53 f. – Ergebnisabführungsvertrag 74 – Vorstand s. dort – Wettbewerbsverbot 47 ff. Latente Steuern 73, 75 MitbestG 154 Mitbestimmung – GmbH 154 f. MoMiG 13 ff., 16, 17 ff., 20 f., 35, 59, 68
FamFG 2 Finanzkrise 1, 63, 141
Nettoausweis 80 ff.
Geschäfts-/Firmenwert 79 Gezeichnetes Kapital 80 ff. GmbH-Recht 13 ff., 58 ff.
Personengesellschaftsrecht 4 ff., 57 f. – Fehlerhafte Gesellschaft 4
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Stichwortverzeichnis
– – – – – –
Liquidation 7, 57 Nachschusspflicht 57 Prospekthaftung 3 Sanierungsbeitrag 6 Schutzgemeinschaft 31 ff. Treuepflicht s. dort
Sacheinlage 15 – Anrechnung 15, 59 – Verdeckte Sacheinlage 15 f., 18 f., 22, 58 Schiedsklausel 26, 29, 113 ff., 137 ff. – Altklauseln 123 ff. – Anforderungen 113 ff. – Auslegung 115 f., 120 – Gesellschafterinformation 119 – Kontrolle 120 ff. – Nichtigkeit 114 ff. – Satzung 113 – Schiedsgericht 113, 118 – Streitgegenstand 113 – Verfahren 113 f., 118 f. – Zustimmung 113, 117 Schiedsverfahrensrecht 25 ff., 97 ff., 135 ff. – Abgrenzung 98 ff. – Anwendungsbereich 128 ff. – Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) s. dort – Institutionalisierung 125 ff. – Kartellrecht 105 ff. – Prüfungskriterien 120 ff. – Schiedsfähigkeit 25 ff., 101 ff. – Schiedsgericht 25 ff., 113, 118, 136 – Schiedsklausel s. dort – Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz 101 ff.
Solvenztest 92, 95 Squeeze out 3, 49 ff. – Rechtsmissbrauch 50 – Wertpapierdarlehen 49 ff. – Zurechnungsbestimmungen 50 f. Treuepflicht 6, 34, 57 – in Sanierungsfällen 57 Überleitungsrechnung 96 Umwandlungsrecht 11 f. UNCITRAL-Modellgesetz 101 Vorsichtsprinzip 69 ff. VorstAG 141 ff. – Altverträge 153, 161 – Anwendungsbereich 153 ff. – Neuverträge 153, 161 Vorstand – Anstellungsvertrag 142 – Aktienoptionsprogramm s. dort – Doppelmandat 47 ff. – VorstAG s. dort – Vorstandsvergütung s. dort – Vorstandsvorsitzender 47, 145 Vorstandsvergütung 54 f., 141 ff. – Angemessenheit 141 ff. – Aufsichtsrat s. dort – Bemessungskriterien 144 ff. – Cap 150 f. – einheitliche Vergütung 145 – Festgehalt 148 f. – Herabsetzung 155 ff. – Hinterbliebenenbezüge 158 – horizontale/vertikale Vergleichbarkeit 146 f. – Ermessenstantieme 142
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Stichwortverzeichnis
– externer Vergütungsexperte 147 – Hauptversammlung s. dort – Leistung des Vorstandsmitglieds 145 – nachhaltige Unternehmensentwicklung 147 f. – mehrjährige Bemessungsgrundlage 147 f.
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– – – – – – –
Ruhegelder 158 f. übliche Vergütung 145 Unangemessenheit 143 f. Unbilligkeit 155 f. Verschlechterung 155 ff. VorstAG s. dort Zielvereinbarungen 143