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German Pages 1324 [882] Year 2022
Johann Wolfgang Goethe Briefe Historisch-kritische Ausgabe
Johann Wolfgang Goethe Briefe Historisch-kritische Ausgabe In Verbindung mit der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur im Auftrag des Goethe- und Schiller-Archivs Klassik Stiftung Weimar herausgegeben von Frieder von Ammon, Jutta Eckle, Yvonne Pietsch und Elke Richter begründet von Georg Kurscheidt, Norbert Oellers und Elke Richter
Johann Wolfgang Goethe Briefe Band 13 II 1798 Kommentar
Herausgegeben von Yvonne Pietsch und Alexander Rosenbaum unter Mitarbeit von Anja Stehfest
De Gruyter
IV Die Edition „Johann Wolfgang Goethe: Briefe. Historisch-kritische Ausgabe“ ist Teil des Vorhabens „PROPYLÄEN. Forschungsplattform zu Goethes Biographica“, eines Kooperationsprojekts des Goethe- und Schiller-Archivs / Klassik Stiftung Weimar, der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig sowie der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Dieses Kooperationsprojekt wird von der Bundesrepublik Deutschland, dem Freistaat Thüringen sowie dem Bundesland Hessen gefördert und ist Bestandteil des Akademienprogramms der Bundesrepublik Deutschland, das von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften koordiniert wird.
Redaktion: Peter Heyl Bettina Zschiedrich (Verweise) Zitiertitel: GB 13 II
ISBN 978-3-11-076744-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-077832-8 Library of Congress Control Number: 2021950455 Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Gestaltung der Einbände und Schutzumschläge: deblik, Berlin Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza www.degruyter.com
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Zu diesem Band Der vorliegende Band umfasst alle derzeit bekannten Briefe Goethes aus dem Jahr 1798. Er enthält 253 Briefe aus Goethes persönlicher Korrespondenz an insgesamt 55 Adressaten. Außerdem sind zu 31 Briefen außer den Textzeugen, die dem edierten Text zugrunde liegen, Konzepte überliefert. Sie werden im Textband im Anschluss an die Briefe abgedruckt. Die im Konzept vorgenommenen Korrekturen werden in Form einer integrierten Variantendarstellung mitgeteilt. Nachgewiesen werden darüber hinaus nicht weniger als 142 erschlossene Briefe, unter deren 59 Adressaten sich 37 befinden, an die keine Briefe überliefert sind. Darunter sind etwa Goethes Mutter Catharina Elisabeth und sein Sohn August, der Schwager Johann Georg Schlosser oder im amtlichen Bereich Christian August Vulpius. 17 der erschlossenen Briefe sind an unbekannte Empfänger gerichtet. Da nur Einzelbriefe aufgenommen wurden, die sich quellenmäßig belegen lassen, ist anzunehmen, dass die Zahl der nicht überlieferten Briefe höher liegt, ebenso die Zahl der Adressaten (vgl. die Vorbemerkungen zu den erschlossenen Briefen, S. 317 im Textband). Im Abschnitt „Amtliches“ finden sich 49 Schreiben an 19 Adressaten, von denen lediglich sechs mit Adressaten der überlieferten privaten Briefe identisch sind (über die Aufnahme amtlicher Schreiben vgl. die „Editionsgrundsätze“, S. XIII im vorliegenden Band). Sie wurden von Goethe als Mitglied des Geheimen Consiliums, der obersten staatlichen Behörde des Herzogtums SachsenWeimar und Eisenach, sowie verschiedener Kommissionen geschrieben, wovon diejenigen für den Wiederaufbau des im Mai 1774 abgebrannten Residenzschlosses, für den Umbau des im Oktober 1798 wieder eröffneten Hoftheaters sowie für die Neuordnung der Herzoglichen Bibliothek im vorliegenden Zeitraum die wichtigsten waren. Goethe verfasste diese Schreiben also in Ausübung seiner dienstlichen Verpflichtungen; deshalb wurden sie aus dem Bestand seiner Privatbriefe ausgesondert. Für die Identifikation dieser Stücke entscheidende Kriterien waren 1) der Inhalt und die Sprache der epistolaren Mitteilung sowie 2) die äußere Form des Schriftstücks, 3) die Art der Beziehung, die Goethe zu dem jeweiligen Adressaten unterhielt, schließlich 4) die archivalische Überlieferung der relevanten handschriftlichen Textzeugen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob ein Stück ursprünglich zum handschriftlichen Nachlass Goethes oder zu den Aktenbeständen der herzoglichen Verwaltung gehörte. Mit einigen Korrespondenten – im vorliegenden Zeitraum sind dies vor allem Christian Gottlob Voigt und Franz Kirms, an die zusammen über 40 Briefe
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überliefert sind – unterhielt Goethe sowohl amtliche als auch private Beziehungen. Wenn Goethe in amtlichen Schreiben persönliche Mitteilungen gemacht hat, werden sie grundsätzlich als private Briefe Goethes aufgefasst und der persönlichen Korrespondenz zugeordnet. Durch den 1798 erfolgten Ankauf des Lehn- und Freiguts in Oberroßla war Goethe als Privatmann in Kontakt mit diversen Ämtern und Amtskollegen – diese Schreiben werden zu seiner persönlichen Korrespondenz gezählt. Zu sieben amtlichen Schreiben sind außer den Textzeugen, die dem edierten Text zugrunde liegen, Konzepte überliefert, die im Textband im Anschluss an die Schreiben nach den gleichen Prinzipien wie die Konzepte zu den Privatbriefen wiedergegeben werden. Den insgesamt 302 überlieferten Briefen und amtlichen Schreiben Goethes aus dem Jahr 1798 stehen im selben Zeitraum 596 überlieferte Briefe an ihn gegenüber (vgl. RA 2, Nr 1076–1665 sowie die RA-Ergänzung RA 2, Nr 1076a+ und RA 2, Nr 1251a+ in der Online-Ausgabe). Nur in einem Fall wird im vorliegenden Band ein Bezugsbrief vollständig abgedruckt und kommentiert, da er nicht in die RA aufgenommen wurde (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 128). Alle anderen Bezugs- und Antwortbriefe werden immer nachgewiesen und für die Kommentierung herangezogen. Auf der Forschungsplattform „PROPYLÄEN. Goethes Biographica“ werden diese Briefe an Goethe im Volltext sukzessive zugänglich gemacht. Bei einem Fünftel der Briefe ist die Ausfertigung nicht überliefert, so dass sie nach Konzepten, Drucken oder Abschriften wiedergegeben werden mussten. Hingegen ist rund ein Siebtel der Briefe des vorliegenden Bandes in der WA noch nach solchen sekundären Textzeugen, hier hingegen nach den Ausfertigungen abgedruckt. Dabei konnte die Richtigstellung verschiedener irriger Zuordnungen wie falscher Adressaten (Nr 146) oder fehlender Beilagen (Nr 56) erfolgen. Zwei Briefe (Nr 52 und Nr 102) sowie vier amtliche Schreiben (Nr A 5, Nr A 19, Nr A 33 und Nr A 49) waren in der WA noch nicht enthalten. Zwei dieser Schreiben (Nr A 5 und Nr A 33) werden im vorliegenden Band erstmals veröffentlicht. Bei einem Zehntel der Briefe konnte die in der WA vorgenommene Datierung korrigiert, präzisiert oder ergänzt werden. Die Handschriften der Ausfertigungen und Konzepte von Goethes Briefen und amtlichen Schreiben aus dem Jahr 1798 befinden sich an 23 verschiedenen Standorten. 221 Ausfertigungen und Konzepte und damit den weitaus größten Teil verwahrt das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar, 22 das Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, 18 die Biblioteka Jagiello´nska Kra-
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ków (Krakau), 17 das Deutsche Literaturarchiv Marbach am Neckar, 13 das Stadtarchiv Hannover, sieben das Goethe-Museum Düsseldorf, sechs die Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, jeweils drei das Freie Deutsche Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum und die Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek Jena, jeweils zwei das Germanische Nationalmuseum Nürnberg, die Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky Hamburg sowie das Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Magdeburg, in Wernigerode und jeweils einen Brief die Universitätsbibliothek Amsterdam, das Akademiearchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin, das Braunschweigische Landesmuseum, die Sächsische Landesbibliothek – Staatsund Universitätsblibliothek Dresden, die Stiftsbibliothek Kloster Einsiedeln, das Noord-Hollands Archief Haarlem, die Haverford College Library, die Stadtbibliothek Schaffhausen, das Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, sowie die William A. Speck Collection of Goetheana der Yale University Library/Beinecke Rare Book and Manuscript Library. Ein Brief befindet sich in Privatbesitz. Maßgebend für die Textkonstitution ist das Verständnis der Briefe als persönliche Dokumente, die ihre Adressaten in exakt der äußeren Gestalt erreichten, in der sie von Goethe abgesandt worden sind. Daraus folgt, keinerlei Eingriffe in den Text (Lautstand, Orthographie, Interpunktion) vorzunehmen, ebenso wenig Vereinheitlichungen, Glättungen und Emendationen, wie es noch zu den editorischen Gepflogenheiten der WA gehörte. In den Fällen, in denen Großund Kleinschreibung nicht sicher zu unterscheiden sind (z.B. bei d/D, t/T, h/H), wird nach dem orthographisch Üblichen sowie dem handschriftlichen Kontext entschieden. Bei echten Schreibversehen erfolgt eine Berichtigung ausschließlich im Kommentar. Das gilt auch für Hör- oder Schreibfehler von Goethes Schreiber Ludwig Geist, der die meisten Briefe aus dem Jahr 1798, in dem Goethe seine schriftlichen Mitteilungen in der Regel diktierte, zu Papier brachte. Streichungen und Korrekturen werden als Bestandteile des Textes betrachtet und daher nicht von diesem getrennt in einem gesonderten Apparat im Kommentarband, sondern als Autorvarianten im Textband in den Fußnoten mitgeteilt. Der Dokumentcharakter eines Briefes verlangt schließlich auch die Berücksichtigung der Beilagen. Sind diese integraler Bestandteil des Brieftextes und stehen zu diesem in einem unmittelbaren inhaltlichen Bezug, erscheinen sie im Textband. Beilagen, die keinen unmittelbaren inhaltlichen Bezug zum Brieftext aufweisen, werden im Kommentarband vollständig abgedruckt, wenn es Art und Um-
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fang der Beilagen zulassen. In allen anderen Fällen werden sie ebenso wie die nicht überlieferten Beilagen lediglich verzeichnet. Ein besonderes editorisches Problem stellen in den diktierten Briefen, vor allem in den Briefkonzepten, die Kommata dar, die Goethe bei der Korrektur oft eigenhändig ergänzte: Meist ist aufgrund des handschriftlichen Befundes nur schwer zu entscheiden, ob diese Zusätze tatsächlich von Goethe oder von seinem Schreiber stammen. Am Beispiel von Goethes Brief an Friedrich Wilhelm Joseph Schelling vom 5. Juli 1798 (Nr 126), zu dem Konzept und Ausfertigung überliefert sind, lässt sich beispielsweise erkennen, dass in der Ausfertigung neben einer wohl eigenhändigen Korrektur Goethes auch Kommata gesetzt sind, die im Konzept fehlen. Hier ist davon auszugehen, dass Goethe die Satzzeichen selbst nachträglich eintrug. Oft kann jedoch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es sich tatsächlich um Ergänzungen handelt. Um hier willkürliche Zuweisungen zu vermeiden, werden bei mehr als einem ergänzten Komma in einem Brief diese Korrekturen nicht einzeln in den Varianten nachgewiesen, die in den Fußnoten zum Textband mitgeteilt sind, sondern es wird summarisch im Abschnitt „Überlieferung“ zu dem jeweiligen Brief im Kommentarband darauf aufmerksam gemacht. Eine Ausnahme von dieser Regel bilden selbstverständlich Fälle, in denen die von Goethe ergänzten Kommata durch ein abweichendes Schreibmaterial wie Bleistift eindeutig von der Grundstufe des Brieftextes zu unterscheiden sind (vgl. z.B. im vorliegenden Band Nr 93). Goethes Lebensmittelpunkt lag im Jahr 1798 im Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach und der Residenzstadt Weimar, in die Goethe Ende November 1797 von seiner Schweizer Reise zurückgekehrt war. Bis auf seine häufigen Aufenthalte in Jena, wo er im ehemaligen herzoglichen Residenzschloss eine Dienstwohnung hatte, unternahm Goethe 1798 keine weiteren Reisen. Nach Jena zog sich Goethe so oft wie möglich zurück, um ungestört literarisch arbeiten zu können. 1798 hielt er sich sieben Mal – zumeist für mehrere Wochen und insgesamt für fast 100 Tage dieses Jahres – in der Universitätsstadt auf. Neben der nötigen Ruhe für nichtamtliche Tätigkeiten nutzte Goethe hier auch die Gelegenheiten zu anregendem gesellschaftlichem wie wissenschaftlichem Austausch, vor allem mit Friedrich Schiller, aber auch mit Professoren der Universität wie Justus Christian Loder und Heinrich Eberhard Gottlob Paulus. Vor allem in Jena schrieb Goethe zahlreiche Briefe an Christiane Vulpius, seine Lebensgefährtin und Mutter seines 1789 geborenen Sohnes August, von denen 24
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überliefert und weitere elf zu erschließen sind. Bis auf seine Aufenthalte in Jena verließ Goethe Weimar 1798 selten; das Gut in Oberroßla, das er im Juni 1798 erwarb und verpachtete, besuchte er nur an einigen wenigen Tagen dieses Jahres. Neben seinen zahlreichen amtlichen Verpflichtungen beim Wiederaufbau des Weimarer Residenzschlosses, dem Umbau des Weimarer Hoftheaters, der Leitung der Herzoglichen Bibliothek und der Tätigkeiten für die Hoftheaterkommission wandte sich Goethe im Laufe des Jahres 1798 einer Reihe eigener literarischer Vorhaben zu: So nahm er die Arbeit am „Faust“ wieder auf und konzipierte die epischen Vorhaben „Achilleis“ und „Wilhelm Tell“. Goethes besonderes Augenmerk galt darüber hinaus seiner Kunstzeitschrift „Propyläen“, deren erstes Stück im Herbst 1798 veröffentlicht wurde. Für dieses ambitionierte Projekt arbeitete Goethe eng mit seinem Freund und Hausgenossen Johann Heinrich Meyer zusammen, der dafür seine zuvor in Italien gesammelten kunsthistorischen Aufzeichnungen auswertete. Die Entstehung und die Herausgabe dieser Kunstzeitschrift gehören zu den wichtigsten Themen in den Briefen des vorliegenden Bandes (vgl. auch das Verzeichnis der Beiträge, S. 731–735). Durch die Vermittlung Schillers konnte Johann Friedrich Cotta als Verleger gewonnen werden, womit die fruchtbare Zusammenarbeit Goethes mit dem Verlag der Cotta’schen Buchhandlung begann. Daneben schuf Goethe zahlreiche Gedichte für Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1799“, darunter „Euphrosyne“ und „Die Metamorphose der Pflanzen“. Zugleich setzte Goethe seine intensive Zusammenarbeit mit Schiller fort. So nahm er regen Anteil an der Entstehung von Schillers „Wallensteins Lager“, womit im Oktober 1798 das von dem Stuttgarter Architekten Nikolaus Thouret umgebaute Weimarer Hoftheater wiedereröffnet wurde. Im naturwissenschaftlichen Bereich beschäftigte sich Goethe mit einschlägigen historischen Untersuchungen zur Farbenlehre und zur Optik. Brieflich dokumentiert ist der intensive Austausch mit Schiller über Methodenfragen zur Farbenlehre. Ausgelöst durch eine Schenkung von Carl Ludwig von Knebel verfasste Goethe außerdem den Aufsatz „Betrachtungen über eine Sammlung krankhaften Elfenbeins“. 1798 endete der langjährige, am Schluss jedoch nur sporadische Briefwechsel mit dem hannoverschen Freund Johann Christian Kestner. Für einige Adressaten sind lediglich aus diesem Jahr Briefe überliefert, so etwa zwei sowie ein erschlossener Brief an den Nürnberger Kaufmann Paul Wolfgang Merkel, den Goethe 1797 auf seiner Rückreise aus der Schweiz in Nürnberg kennen
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Danksagung
gelernt hatte oder ein Brief an den aus Straßburg stammenden Übersetzer Johann Gottfried Schweighäuser. Zu den Vertretern der später so genannten ‚Frühromantiker‘ um die Brüder Friedrich und August Wilhelm Schlegel, die sich 1799 in Jena versammelten, unterhielt Goethe bereits 1798 briefliche Kontakte. Dies gilt insbesondere für August Wilhelm Schlegel, den Goethe als Philologen schätzte und an den sieben Briefe gerichtet sind. Ein weiterer Brief kann erschlossen werden. Zudem schrieb Goethe 1798 erstmals an Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck. Als weitere neue, wichtige Korrespondenzpartner sind Johannes Daniel Falk sowie Friedrich Wilhelm Joseph Schelling zu nennen, dessen Ruf an die Universität Jena Goethe mit einem an Schelling persönlich gerichteten Brief ausdrücklich begrüßte. Von alten Freunden Goethes findet sich unter den Adressaten des vorliegenden Bandes vor allem Carl Ludwig von Knebel, der im Februar 1798 eine eheliche Verbindung mit Luise Rudorf einging und seinen Wohnort nach Ilmenau verlegte. Überliefert sind außerdem einzelne Briefe an Christoph Martin Wieland, den einstigen Zögling Friedrich von Stein und den Patensohn Sigismund August Wolfgang Herder, für den sich Goethe auch nach seiner Distanzierung von dessen Eltern fördernd einsetzte. Goethes wichtigster Korrespondenzpartner ist auch in diesem Bandzeitraum Friedrich Schiller, an den insgesamt 83 Briefe, darunter ein gemeinsam mit Christian Gottlob Voigt verfasstes amtliches Schreiben (Nr A 19), erhalten sind. Drei weitere Briefe an ihn lassen sich erschließen. Die Briefe an Friedrich Schiller machen knapp ein Viertel des gesamten Briefwechsels dieses Jahres aus und sind an Umfang und Qualität ohne Vergleich. Die Überlieferungslage dieser Briefe als auch ihre spezifische Editionsgeschichte bedürfen übergreifender Erläuterungen, die über die sonst üblichen Angaben vor dem jeweils ersten Brief an einen Adressaten (im vorliegenden Band Nr 5) hinausgehen (vgl. GB 10 II, X–XII und 69–74).
Danksagung Die Herausgeber erfuhren Hilfe von vielen Seiten, durch Mitarbeiter von Archiven, Bibliotheken und anderen wissenschaftlichen Institutionen, durch den Kreis der Kolleginnen und Kollegen der Klassik Stiftung Weimar, insbesondere des Goethe- und Schiller-Archivs, des Goethe-Nationalmuseums und der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, sowie durch Vertreter verschiedener Disziplinen.
Danksagung
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Für die großzügige Bereitstellung der Handschriften und Digitalisate von Briefen Goethes sowie die freundliche Betreuung bei der Arbeit sind wir folgenden Institutionen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dankbar: dem Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, besonders Katja Deinhardt, Volker Graupner, Stefan Schmidt, Karina Küthe und Anna Riemann von der Abteilung Ältere Bestände, dem Freien Deutschen Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum, insbesondere Anne Bohnenkamp-Renken, Konrad Heumann und Bettina Zimmermann, dem Goethe-Museum Düsseldorf, Antonund-Katharina-Kippenberg-Stiftung, namentlich Christof Wingertszahn, Heike Spies sowie Pater Justinus Pagnamenta und Pater Gregor Jäggi von der Stiftsbibliothek Kloster Einsiedeln, Melanie Haase und Matthias Nuding vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, speziell Joachim Bauer, Joachim Ott, Uwe Dathe und Margit Hartleb, der Biblioteka Jagiello´nska in Krakau, dem Deutschen Literaturarchiv Marbach am Neckar, Wiltrud Fischer-Pache vom Stadtarchiv Nürnberg, dem Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Magdeburg, in Wernigerode, insbesondere Jörg Brückner, ebenso den Kolleginnen des Goethe- und Schiller-Archivs, besonders Karin Ellermann, Susanne Fenske, Birgit Fiebig, Elfie Gräfe, Uta Griesbach, Barbara Hampe, Christiana Herrgott, Gabriele Klunkert, Katrin Neumann, Katharina Oelze und Franziska Stiebritz sowie den Praktikantinnen Giovanna Ciliberti und Katharina Peters. Für vielfältige Unterstützung, namentlich für wertvolle Hinweise zur Kommentierung einzelner Briefe, danken wir: Eva Beck, Ulrike Bischof, Héctor Canal, Michael Enterlein, Margrit Glaser, Volker Giel, Christian Hain, Silke Henke, Johannes Korngiebel, Georg Kurscheidt, Evelyn Liepsch, Ariane Ludwig, Ulrike Müller-Harang, Annette Mönnich, Norbert Oellers, Gabriele Oswald, Christian Pönitz, Jens Riederer, Bastian Roether, Sabine Schäfer, Beate Agnes Schmidt sowie den Gesamtherausgebern Frieder von Ammon, Jutta Eckle und Elke Richter. Eine besonders intensive und produktive Zusammenarbeit ergab sich mit Johannes Barth, der den chronologisch nachfolgenden Band 14 der Goethe-Briefausgabe bearbeitete. Anja Stehfest danken wir für ihre Mitarbeit am Kommentar der Briefe an Christiane Vulpius und für die Zusammenstellung der Akten zum Erwerb des Oberroßlaer Gutes. Bettina Zschiedrich danken wir für die Erstellung der Verweise und Hilfe bei den Verzeichnissen, Annette Mönnich, Carolin Fischer und Sanja Petkovi´c für ihre Mitarbeit an der Registererstellung. Peter Heyl und Wolfgang Ritschel danken wir für ihren redaktionellen Scharfblick.
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Danksagung
Unser spezieller Dank gilt unserer Lektorin (Content Editor) Katrin Hofmann sowie den Buchherstellern Stefan Diezmann und seiner Nachfolgerin Lena Hummel vom Verlag De Gruyter sowie Dr. G. (Frankfurt a. M.), der die Edition in großzügiger Weise finanziell unterstützt.
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Editionsgrundsätze 1. Inhalt Die Ausgabe enthält sämtliche überlieferten Briefe Goethes. Sie besteht aus Text- und Kommentarbänden. Briefe im Sinne der Ausgabe sind alle von Goethe verfassten, d.h. eigenhändig geschriebenen, diktierten oder inhaltlich vorgegebenen, an einen oder mehrere Adressaten gerichteten schriftlich überlieferten Texte. Sie müssen persönliche Mitteilungen enthalten und durch die nachweisbare Tatsache oder die Absicht der Zustellung die Funktion von Briefen erfüllen. Adressaten können Privatpersonen, Firmen oder Institutionen sein. Aufgenommen werden auch Briefe, die Goethe gemeinsam mit anderen Personen verfasste sowie solche, die Goethe im Auftrag anderer Personen oder die andere Personen in seinem Auftrag schrieben, sowie von Goethe verfasste Teile (z.B. Nachschriften) zu Briefen anderer Personen. Die Briefe werden vollständig abgedruckt einschließlich ihrer Beilagen, wenn dies Art und Umfang der Beilagen gestatten. Von der Ausgabe ausgeschlossen bleiben literarische und wissenschaftliche Werke in Briefform und amtliche Schriftstücke wie Voten, Aktenvermerke, Gutachten u.ä., die Goethe in Ausübung der ihm übertragenen Kommissionen und sonstigen Ämter verfasst hat, auch wenn sie von ihm allein unterzeichnet sind. Enthalten amtliche Schriftstücke zusätzliche über Anrede und Grußformel hinausgehende persönliche Mitteilungen, gelten sie als Briefe und werden in die Ausgabe aufgenommen. In einem separaten Anhang „Amtliches“ erscheinen die in der Briefabteilung der Weimarer Ausgabe edierten amtlichen Schriftstücke, die seit einem Jahrhundert zum gedruckten Bestand der Goethe-Briefe zählen.
2. Text 2.1 Textgrundlage und Textkonstitution Textgrundlage ist die Handschrift der behändigten Ausfertigung des Briefes. Ist die Handschrift nicht überliefert und auch nicht in Form einer Reproduktion zugänglich, tritt an ihre Stelle der Textzeuge (z.B. Abschrift, Druck) mit dem
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höchsten Grad der Autorisation. Ist ein Brief nur als Konzept überliefert, bildet dieses die Grundlage des edierten Textes. Der Text gibt die zugrunde liegende Vorlage buchstaben- und satzzeichengetreu wieder. Erfolgt die Textwiedergabe nach einem Druck, werden eindeutige Druckfehler der Vorlage im edierten Text emendiert. Groß-, Klein-, Getrennt- und Zusammenschreibungen werden originalgetreu wiedergegeben. Lässt der graphische Befund die Unterscheidung von Großund Kleinbuchstabe nicht zu (so vor allem bei D–d, F–f, H–h, T–t), sind der semantische Kontext wie zeit- und autorspezifische Schreibgewohnheiten für die Entscheidung mit heranzuziehen. Dies trifft auch für die Schreibung des Anredepronomens zu, die sich im Verlauf des Entstehungszeitraums der Briefe wandelt. Grammatische und orthographische Fehler werden nicht korrigiert, Abkürzungen nicht aufgelöst, fehlende Buchstaben, Satzzeichen, Akzente und Umlautstriche nicht ergänzt, das Abbruchzeichen (wie in WohlgebL, ExzelL, dergL) wird in Angleichung an den handschriftlichen Befund wiedergegeben. Verschleifungen am Wortende werden ausgeschrieben. Der Geminationsstrich (n, m) wird zur Doppelschreibung aufgelöst. Doppelte Binde- und Trennungsstriche erscheinen einheitlich als einfache Bindeoder Trennungsstriche, Umlautschreibungen durch hochgestelltes e einheitlich in der heute üblichen Form (ue bel – übel). Dittographien bei Seitenwechsel werden ausgeschieden.
2.2 Textkritischer Apparat Die Varianten des dem Text zugrunde liegenden Zeugen erscheinen, mit Zeilenzahl auf den edierten Text bezogen, am Fuß der Textseite. Sämtliche Varianten sind in Form eines negativen Einzelstellenapparats verzeichnet, wobei der Korrekturvorgang selbst in visualisierter Form dargestellt wird (vgl. Verzeichnis der Schriftarten, Siglen und Zeichen im edierten Text, GB 13 I, S. XXIf.). Schemata und Konzepte werden im Abschnitt „Konzepte“ abgedruckt. Der Nachweis der Varianten erfolgt in einem integrierten Apparat.
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2.3 Anordnung und Darbietung der Briefe Die Anordnung der Briefe erfolgt chronologisch, ihre Zählung bandweise. Erstreckt sich die Niederschrift über einen Zeitraum von mehr als einem Tag, ist das späteste Datum für die Einordnung in die Chronologie ausschlaggebend. Sind mehrere Briefe vom gleichen Tag überliefert, dienen inhaltliche und/oder überlieferungsgeschichtliche Kriterien zu deren Anordnung. Gelingt mithilfe der genannten Kriterien eine Anordnung nicht zweifelsfrei, erfolgt sie alphabetisch nach den Namen der Adressaten, wobei Briefe an Unbekannt ans Ende gestellt werden. Lässt sich für einen Brief nur der Entstehungsmonat und das Jahr erschließen, wird er an das Ende des entsprechenden Monats gestellt. Betrifft dies mehrere Briefe, werden sie nach den Namen der Adressaten in alphabetischer Folge angeordnet. Das Gleiche gilt sinngemäß, wenn das Jahr, aber nicht der Monat, der Zeitraum, aber nicht das Jahr ermittelt wurden. In den Textbänden erscheinen sämtliche überlieferten abgesandten und nicht abgesandten Briefe Goethes sowie die Auftragsbriefe. Nicht abgesandte Briefe und Auftragsbriefe werden im Briefkopf besonders gekennzeichnet. Die Briefe werden vollständig und einschließlich ihrer Beilagen gedruckt, wenn diese integraler Bestandteil der Briefe sind und es deren Art und Umfang erlauben. Erschlossene Briefe werden für den jeweiligen Zeitraum des Bandes mitgeteilt einschließlich ihrer Erschließungsquellen. Sie erhalten eine eigenständige Zählung mit einer der Briefnummer vorangestellten Kennzeichnung (EB). Die in der Briefabteilung der Weimarer Ausgabe edierten amtlichen Schriftstücke werden am Ende des Textbandes im Abschnitt „Amtliches“ abgedruckt. Sie erhalten eine eigenständige Zählung mit einer der Nummer verangestellten Kennzeichnung (A). Gleiches gilt für Briefe, bei denen die Autorschaft Goethes fraglich ist oder nicht mehr angenommen wird. Sie stehen in den Abschnitten „Zweifelhaftes“ (Z), „Unechtes“ (U) und „Fälschlich Goethe Zugewiesenes“ (F). Der Abdruck beginnt einheitlich mit einem Briefkopf des Editors, bestehend aus Briefnummer, Adressat, Ort und Datum. Erschlossene Angaben erscheinen in spitzen Klammern. Hat Goethe den Brief gemeinsam mit anderen Personen verfasst, z.B. mit August von Goethe, heißt es im Briefkopf in der Adressatenzeile „An … mit August von Goethe“. Briefe, die nicht nach der Handschrift der behändigten
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Ausfertigung abgedruckt werden können, erhalten unter der Datumszeile in spitzen Klammern den Hinweis auf die Art der Textgrundlage (z.B. 〈Konzept〉, 〈Druck〉, 〈Abschrift〉). Der Adressat erscheint mit Familiennamen und, wenn dieser bekannt ist, mit Rufnamen oder mit dem oder den eingeführten Vornamen. Frauen werden bis zu ihrer Eheschließung unter ihrem Mädchennamen geführt. Mehrmals verheiratete Frauen erscheinen unter ihrem jeweils gültigen Familiennamen. Die räumliche Anordnung des Textes wird nicht in urkundlicher, sondern in struktureller Entsprechung wiedergegeben. Nachschriften auf dem Rand der Vorlage erscheinen im Druck am Ende des Briefes nach Datum und Unterschrift. Briefteile, die von anderen Personen stammen, sowie Auftragsbriefe erscheinen in kleinerer Geradschrift.
3. Kommentar 3.1 Briefkopf, Datierung, Zum Adressaten Der Briefkopf des Kommentarteils entspricht dem des Textteils, bestehend aus Briefnummer, Adressatennamen, Ort und Datum. Zusätzlich werden Bestimmungs- oder Empfangsort angegeben. Ermittelte Angaben erscheinen in spitzen Klammern. – Angaben zur Datierung erfolgen bei undatierten und unvollständig datierten Briefen oder bei korrigierten Datierungen. – Ist die Person des Adressaten unsicher oder weicht ein ermittelter Empfänger gegenüber dem in der Weimarer Ausgabe angegebenene Empfänger ab, werden in der Rubrik „Zum Adressaten“ die Argumente, die für oder gegen die Ansetzung eines Adressaten sprechen, mitgeteilt.
3.2 Überlieferung Im Abschnitt „Überlieferung“ werden alle handschriftlich überlieferten textkritisch relevanten Zeugen eines Briefes (Schemata, Konzepte, Handschrift der behändigten Ausfertigung, bei verschollenen Handschriften zeitgenössische und spätere Abschriften) nachgewiesen. Nach der Handschrift der Ausfertigung erscheinen alle anderen Zeugen in der Reihenfolge ihrer nachweisbaren oder ermittelten Entstehung.
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Zu jeder Handschrift erfolgen Angaben zum Besitzer und/oder zum Aufbewahrungsort, bei verschollenen Handschriften zum letzten nachweisbaren Besitzer sowie zum Zeitpunkt des letzten Nachweises. Zusätzlich folgt die Angabe „Verbleib unbekannt“. Die Handschriftenbeschreibung soll – durch Angabe von Umfang und Anzahl der beschriebenen Seiten sowie des Schreibers und Schreibmaterials – die eindeutige Identifizierung einer Handschrift ermöglichen. Zusätzlich können Angaben zur Schrift erfolgen (z.B. „flüchtig geschrieben“). Das Papierformat wird in Zentimetern (Breite × Höhe) angegeben, dazu Besonderheiten wie Zier- oder Trauerränder u.ä., Beschädigungen des Papiers sowie das Vorhandensein eines Kuverts. Wasserzeichen werden nur beschrieben, wenn bei undatierten Briefen im Abschnitt „Datierung“ darauf Bezug genommen wird. Angaben zur Faltung werden nur gemacht, wenn dies für den Nachweis relevant ist, ob ein Brief abgesandt wurde oder nicht. Handschriftliche Beilagen, die als integraler Bestandteil des Briefes im Textband erscheinen, werden analog zu den Briefhandschriften nachgewiesen und beschrieben. Ergänzende Angaben von Faksimiledrucken der Handschrift erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. War der Brief einem anderen Brief beigelegt oder enthielt der Brief einen anderen Brief als Beischluss, wird das in der Überlieferung mitgeteilt. Die gedruckte Überlieferung wird nur soweit mitgeteilt, wie sie textkritisch relevant ist. Verzeichnet wird der Erstdruck (E); wenn dieser ein Teildruck war, wird die Drucküberlieferung bis zum ersten vollständigen Druck nachgewiesen (E1, E2, E3 …). Ist die Handschrift der behändigten Ausfertigung (H) verschollen, werden weitere Drucke (D) aufgeführt, wenn diesen nachweislich oder mutmaßlich H zugrunde lag und sie E vorzuziehen sind. Den Abschluss der Überlieferung bilden der Nachweis des Druckortes in der Weimarer Ausgabe als Referenzausgabe. Erläuterungen zur Textgrundlage erfolgen nur, wenn bei verschollener Handschrift die Wahl der Textgrundlage einer besonderen Begründung bedarf.
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Editionsgrundsätze
3.3 Textkritischer Apparat im Kommentar Abweichungen zwischen textkritisch relevanten Textzeugen werden nicht explizit in einem Einzelstellenapparat nachgewiesen, lassen sich aber aus den Textzeugen selbst, die im Textband vollständig und einschließlich ihrer Varianten mitgeteilt werden, erschließen. Überlieferungsvarianten, d.h. Abweichungen zwischen nicht autorisierten Textzeugen, werden mitgeteilt, wenn bei verschollener Handschrift der behändigten Ausfertigung mehrere voneinander abweichende Drucke und/oder Abschriften vorliegen, denen nachweislich oder mutmaßlich die Handschrift zugrunde lag.
3.4 Beilagen Beilagen, die kein integraler Bestandteil des Briefes sind und die daher nicht im Textband erscheinen, werden im Kommentar buchstaben- und satzzeichengetreu mitgeteilt, wenn es Art und Umfang der Beilage zulassen, und analog zur Überlieferung der Briefhandschriften beschrieben. Umfangreiche gedruckte Beilagen (z.B. Zeitschriften, Bücher, Aushängebogen) werden mit ihren bibliographischen Angaben verzeichnet, sonstige Beilagen (z.B. Stoffproben) beschrieben. Sind Beilagen nicht überliefert, geht aus dem Brieftext oder aus anderen Quellen ihre Existenz jedoch eindeutig hervor, werden sie im Kommentar aufgeführt.
3.5 Erläuterungen Den Erläuterungen eines jeden Briefes gehen Angaben über Bezugs- und Antwortbriefe voraus. Als Referenzausgabe der Briefe an Goethe wird der Druckort in der Regestausgabe (RA) nachgewiesen. Mitgeteilt werden außerdem die Erwähnungen im Tagebuch und/oder in den Postsendelisten. Die Erläuterungen liefern die zum Verständnis des Textes notwendigen sprachlichen, sachlichen, historischen, literarischen und biographischen Aufschlüsse. Am Beginn der Erläuterungen des jeweils ersten Briefes an einen Adressaten stehen zusammenfassende Überblickskommentare zur Person des Adressaten und Goethes Beziehung zu ihm sowie zu den Besonderheiten der Korrespondenz.
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Direkte oder indirekte Zitate im Brieftext werden nachgewiesen, die von Goethe benutzten Quellen angegeben. In den Erläuterungen wird aus den Bezugs- und Antwortbriefen zitiert, gegebenenfalls werden die Briefe ganz oder teilweise mitgeteilt, soweit es zum Verständnis des Textes notwendig ist. Sind andere im Text erwähnte Briefe überliefert, aber ungedruckt oder an entlegener Stelle gedruckt, und sind zum Verständnis des Textes zusammenfassende Angaben zu ihrem Inhalt nicht ausreichend, werden sie in den Erläuterungen ganz oder teilweise mitgeteilt. Zur Ergänzung und Entlastung der Erläuterungen dienen Register der erwähnten Personen und deren Werke, der Anonyma und Periodika sowie der Werke Goethes.
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Hinweise zur Benutzung
Hinweise zur Benutzung Die Angaben zur Handschrift (H) sind so gegliedert, dass dem Besitznachweis und der Handschriftenbeschreibung im engeren Sinne (Umfang, Schreiber, Schreibmaterial usw.) Angaben allgemeiner Art folgen, z.B. die Provenienz betreffend. Die Formatangaben beziehen sich auch bei Doppelblättern jeweils auf die Größe des Einzelblatts (Breite × Höhe in cm). Bei Siglen mit Exponenten (h1, h2, E1, E2 …) gelten diese jeweils nur für die Überlieferung des betreffenden Briefes. Die Formulierung „Verbleib unbekannt“ bedeutet: Die Existenz des Briefes ist sicher, die Handschrift aber nicht nachweisbar. Die Formulierung „nicht überliefert“ ist synonym mit ‚verschollen‘ zu verstehen, das heißt, zum Zeitpunkt des Erscheinens eines Bandes ist der Aufbewahrungsort des Briefes den Herausgebern nicht bekannt. Die Formulierung „vernichtet“ wird nur verwendet, wenn es konkrete Hinweise auf die Vernichtung einer Handschrift gibt. Im Fall der Formulierung „nicht bekannt“ ist es zweifelhaft, ob ein Brief überhaupt existiert hat. Hinweise auf Faksimiles sind als zusätzliche Information gedacht, ohne dass Vollständigkeit angestrebt wurde. Goethes Briefe an Charlotte von Stein und an Friedrich Schiller, die im Goethe- und Schiller-Archiv verwahrt werden, stehen als Digitalisate zur Verfügung und sind über das „Repertorium sämtlicher Goethe-Briefe“ im Internet zugänglich (vgl. die Angaben zu GB Rep im Verzeichnis der „Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wissenschaftliche Literatur“, S. XXX–LV im vorliegenden Band). Im Rahmen der „PROPYLÄEN. Forschungsplattform zu Goethes Biographica“ werden sukzessive weitere Digitalisate veröffentlicht. Der vorliegende Band enthält Briefe, zu denen außer dem Textzeugen, der dem edierten Text zugrunde liegt, Konzepte überliefert sind. Diese werden in einem gesonderten Teil des Textbandes mitgeteilt. Sie tragen die Nummer des dazugehörigen Briefes mit nachgestelltem „K“ (z.B. Nr 126K). Im Unterschied zum edierten Text, dessen Varianten im Hinblick auf die bessere Zitierbarkeit in den Fußnoten mitgeteilt werden, erfolgt die Variantendarstellung der Konzepte in einem integrierten Apparat, doch unter Verwendung derselben Schriftarten, Siglen und Zeichen. Die Erläuterungen folgen dem Grundsatz, dass jeder Brief unter Vermeidung allzu vieler lästiger Verweise für sich allein verständlich kommentiert sein soll.
Hinweise zur Benutzung
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Verweise in den Einzelstellenerläuterungen finden in der Regel nur innerhalb eines Bandes statt. Kürzere Erläuterungen werden wiederholt und gelegentliche Redundanzen in Kauf genommen. Verweise in der Form „vgl. 12,3–4“ beziehen sich auf den jeweils vorliegenden Textband (S. 12, Zeile 3–4), Verweise in der Form „vgl. zu 12,3–4“ auf den jeweils vorliegenden Kommentarband, nämlich auf die der Lemmazahl (12,3–4) folgende Erläuterung. Bei Verweisen in andere Bände tritt jeweils Sigle und Bandzahl davor (z.B. vgl. GB 3 II, zu 123,4–5). Goethes Werke werden nach der Weimarer Ausgabe (WA) zitiert, es sei denn, es gibt eine verbesserte Ausgabe, wie z.B. im Fall von Goethes Autobiographie die von Siegfried Scheibe besorgte Akademie-Ausgabe „Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit“ (AA DuW), im Fall der naturwissenschaftlichen Werke die Leopoldina-Ausgabe (LA) und im Fall der Tagebücher und der Begegnungen und Gespräche die am Goethe- und Schiller-Archiv erarbeiteten Ausgaben (GT und BuG). Zitate aus Werken Dritter werden nach den von Goethe benutzten Ausgaben, in der Regel nach deren Erstdruck, nachgewiesen. Sind diese nicht bekannt oder nicht mehr zugänglich, werden andere zeitgenössische oder, wenn vorhanden, historisch-kritische Ausgaben herangezogen. Bibelstellen sind nach der Ausgabe der Luther-Bibel zitiert, die Goethe selbst besessen hat (Luther-Bibel 1772), weil gelegentlich nicht nur der Nachweis eines Zitats, sondern auch dessen Wortlaut von Bedeutung sein kann. Fremdsprachige Zitate aus Briefen und Werken werden übersetzt, in der Regel auch fremdsprachige Titel. Quellen, Werke, Ausgaben und wissenschaftliche Veröffentlichungen, die mehrfach zitiert werden, erhalten eine Sigle oder werden abgekürzt zitiert. Diese Siglen sowie die in Goethes Briefen verwendeten Abkürzungen werden in vorangestellten Verzeichnissen nachgewiesen (vgl. „Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wissenschaftliche Literatur“, S. XXX–LV im vorliegenden Band). Der Entlastung des Kommentars dienen kommentierte Personen- und Werkregister und eine Übersicht über die Beiträge in Goethes Periodikum „Propyläen“. Informationen zu zeitgenössischen Maßen und Münzen sind dem Verzeichnis „Maßeinheiten und Geldrechnung in Goethes Briefen“ (S. LIX–LX im vorliegenden Band) zu entnehmen.
XXII
Hinweise zur Benutzung
Schriftarten, Abkürzungen, Siglen und Zeichen in Texten Goethes, die im Kommentar gedruckt werden Text Goethes petit Text von fremder Hand (in Goethes Briefen) Sperrung Hervorhebung Sperrung doppelte Hervorhebung S p e r r u n g dreifache Hervorhebung grotesk lateinische Schrift Sperrung Hervorhebung in lateinischer Schrift Sperrung doppelte Hervorhebung in lateinischer Schrift G eigenhändige Korrektur in diktierten Texten G? zweifelhafte Eigenhändigkeit (bei Korrekturen) 1 eigenhändige Korrektur mit Bleistift in diktierten Texten G ××× unlesbare Buchstaben unsichere Lesung abcd 〈abcd〉 Zusätze des Editors 〈 〉 Textverlust der Vorlage l Abbrechungszeichen über der Zeile ergänzt ⎡abcd⎤ unter der Zeile ergänzt ⎣abcd⎦ |abcd| in der Zeile ergänzt am rechten Rand oder in der rechten Spalte ergänzt ⎡abcd ⎡ abcd am linken Rand oder in der linken Spalte ergänzt ⎤ ⎤ am unteren Rand ergänzt ↓abcd↓ ∫ nachträgliche Trennung ∩ nachträgliche Zusammenschreibung gestrichen abcd gestrichen und durch Unterpungierung wiederhergestellt abcd ......... Streichung in der Streichung abcd Streichung vor der Niederschrift des folgenden Wortes oder abcd efgh Zeichens (Sofortkorrektur) abcd efgh ijkl später ersatzlos gestrichen (Tilgung) abcd efgh Stützwort zur eindeutigen Zuordnung einer varianten Textstelle gestr. gestrichen recte
Schriftarten, Abkürzungen, Siglen und Zeichen in Texten Goethes
ab
/ |:abcd:|
XXIII
a überschrieben durch b oder korrigiert zu b Seitenwechsel in der Handschrift; Absatzzeichen in den Varianten historische Klammerzeichen
XXIV
Schriftarten, Abkürzungen und Siglen im Kommentar
Schriftarten, Abkürzungen und Siglen im Kommentar kursiv Sperrung A Abb. Abt. Anm. Bd, Bde Bl., Bll. cm D Diss. dt. E EB ebd. egh. engl. f., ff. fol. franz. geb. gen. gest. griech. H h H. Hd Inv.-Nr ital. Jg. K k
Editortext Hervorhebung im Editortext eigenhändige oder autorisierte Abschrift von H Abbildung Abteilung Anmerkung Band, Bände Blatt, Blätter Zentimeter textgeschichtlich bedeutsamer Druck Dissertation deutsch Erstdruck Erschlossener Brief ebenda Goethe eigenhändig englisch folgende Blattzählung (von lat. folio: Blatt) französisch geboren genannt gestorben griechisch Handschrift; in der Überlieferung der Briefe Goethes: behändigte Ausfertigung, eigenhändig oder diktiert Abschrift von H (nicht autorisiert) Heft Hand Inventarnummer italienisch Jahrgang Konzepthandschrift Abschrift von K (nicht autorisiert)
Schriftarten, Abkürzungen und Siglen im Kommentar
km lat. m mhd. mittellat. mm Ms. N. F. Nr o. J. o. Nr o. O. o. S. r Rs. s. S. Sign. Slg Sp. sS St. Tgb. T., Tle u.a. v V. v. Chr. vgl. Vol. Vs. zS / // L
XXV
Kilometer lateinisch Meter mittelhochdeutsch mittellateinisch Millimeter Manuskript Neue Folge Nummer ohne Jahresangabe ohne Nummerierung ohne Ortsangabe ohne Seitenzählung recto (Blattvorderseite) Rückseite siehe Seite Signatur Sammlung Spalte späterer Schreiber Stück Tagebuch Teil, Teile unter anderem, unter anderen verso (Blattrückseite) Vers, Verse vor Christus vergleiche Volume (Band) Vorderseite zeitgenössischer Schreiber Absatzzeichen in den Lesarten und in Zitaten Seitenwechsel in Zitaten Abbrechungszeichen in Zitaten
XXVI
FDH/FGM
Schriftarten, Abkürzungen und Siglen im Kommentar
Freies Deutsches Hochstift/Frankfurter GoetheMuseum GMD Goethe-Museum Düsseldorf, Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung GNM Germanisches Nationalmuseum Nürnberg GSA Klassik Stiftung Weimar/Goethe- und Schiller-Archiv HAAB Klassik Stiftung Weimar/Herzogin Anna Amalia Bibliothek HStA Hauptstaatsarchiv KSW Klassik Stiftung Weimar LATh – HStA Weimar Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar SLUB Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden SNM/DLA Marbach Schiller-Nationalmuseum – Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar StA Staatsarchiv StadtAN Stadtarchiv Nürnberg SUB Staats- und Universitätsbibliothek ThULB Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena UA Universitätsarchiv UB Universitätsbibliothek ULB Universitäts- und Landesbibliothek
Siglen und Abkürzungen für Archivalien
XXVII
Siglen und Abkürzungen für Archivalien Briefverzeichnis 1797 Briefverzeichnis 1798, 1 Briefverzeichnis 1798, 2 Briefverzeichnis 1798, 3
Briefverzeichnis 1798, 4
Briefverzeichnis 1798/99 Färber-Calender 1798
FB 1798
GR/Belege 1797, 1
GR/Belege 1798, 1
〈Verzeichnis Goethes über abgesandte Briefe 1797.〉 GSA, Sign.: 28/19, Bl. 396–401. 〈Verzeichnis Goethes über abgesandte Briefe Januar– März 1798.〉 GSA, Sign.: 28/20, Bl. 2–3. 〈Verzeichnis Goethes über abgesandte Briefe April– Juni 1798.〉 GSA, Sign.: 28/21, Bl. 134–135. 〈Verzeichnis Goethes über abgesandte Briefe Juli– September 1798.〉 GSA, Sign.: 28/22, Bl. 299– 300. 〈Verzeichnis Goethes über abgesandte Briefe Oktober–Dezember 1798.〉 GSA, Sign.: 28/23, Bl. 481–482. 〈Verzeichnis Goethes über abgesandte Briefe Dezember 1798–Januar 1799.〉 GSA, Sign.: 28/24, Bl. 2. Neuer und verbesserter Historien-Calender, Auf das Jahr nach der Geburt Christi 1798. Darinnen zu finden der Planetenlauf, Aspecten-Stand, und Finsternisse, Witterung, Pflanz- und Säetage, Sonnen Aufund Untergang, und alles, was zu einem vollständigen Calender nöthig ist. Jena, privilegirter Wertherischer Calender, zu haben bey Philipp Jacob Lorenz Werther 〈1797〉. 〈Darin handschriftliche Notizen des Besitzers Johann David Färber.〉 ThULB Jena, Sign.: Nachl. Martin q 20:14. Fourier-Buch / aufs Jahr / 1798. / dermalen geführet / von den Hof-Fouriers, / Johann Christoph Waitz / und / August Christian Friedrich Martini. (Fourierbuch zur Hofhaltung des Herzogs Carl August. 1. Jan. – 31. Dez. 1798). 120 Bl., pag. 1–239. LATh – HStA, Sign.: Hofmarschallamt, Nr 4547. Goethe. Rechnungen. Belege zur Einnahme- und Ausgabe-Rechnung Januar–Dezember 1797. GSA, Sign.: 34/XIII,6,1. Goethe. Rechnungen. Belege zur Einnahme- und Ausgabe-Rechnung September 1797–März 1798. GSA, Sign.: 34/XIII,9,1.
XXVIII
GR/Belege 1798, 2
GR/Belege 1798, 3
GR/Belege 1798, 4
GR/Belege 1798, 5
GR/Belege 1798, 6
GR/Belege 1798, 7
GR/Belege 1799, 1
GR/Belege 1799, 2
GR/Jena 1798, 1
GR/Jena 1798, 2
GR/Jena 1798, 3
GR/RB 1798, 1
GR/RB 1798, 2
Siglen und Abkürzungen für Archivalien
Goethe. Rechnungen. Belege zur Einnahme- und Ausgabe-Rechnung Januar–April 1798. GSA, Sign.: 34/XIII,9,2. Goethe. Rechnungen. Belege zur Einnahme- und Ausgabe-Rechnung Februar–Juni 1798. GSA, Sign.: 34/XIII,9,3. Goethe. Rechnungen. Belege zur Einnahme- und Ausgabe-Rechnung Juni–November 1798. GSA, Sign.: 34/XIII,9,4. Goethe. Rechnungen. Belege zur Einnahme- und Ausgabe-Rechnung Januar 1798. GSA, Sign.: 34/XIII,9,5. Goethe. Rechnungen. Belege zur Einnahme- und Ausgabe-Rechnung Januar–Dezember 1798. GSA, Sign.: 34/XIII,9,6. Goethe. Rechnungen. Belege zu den drei Jenaischen Reiserechnungen. März–Dezember 1798. GSA, Sign.: 34/XIII,9,7. Goethe. Rechnungen. Belege zur Einnahme- und Ausgabe-Rechnung Oktober 1798–Januar 1799. GSA, Sign.: 34/XIV,3,1. Goethe. Rechnungen. Belege zur Einnahme- und Ausgabe-Rechnung November 1798–April 1799. GSA, Sign.: 34/XIV,3,2. Goethe. Rechnungen. Sonderrechnungen. Jenaische Reiserechnung. 20. März–5. April 1798. 20. Mai–11. Juli 1798. GSA, Sign.: 34/XIII,8,1. Goethe. Rechnungen. Sonderrechnungen. Jenaische Reiserechnung. 1.–18. August 1798 und 22. September–22. Oktober 1798. GSA, Sign.: 34/ XIII,8,2. Goethe. Rechnungen. Sonderrechnungen. Jenaische Reiserechnung. 11. November–1. Dezember 1798. GSA, Sign.: 34/XIII,8,3. Goethe. Rechnungen. Rechnungsbuch. Einnahme und Ausgabe Dezember 1797–März 1798. GSA, Sign.: 34/XIII,7,1. Goethe. Rechnungen. Rechnungsbuch. Einnahme und Ausgabe Juni–September 1798. GSA, Sign.: 34/XIII,7,2.
Siglen und Abkürzungen für Archivalien
GR/RB 1798, 3
GR/RB 1799, 1
Knebel, Tgb. 1797 Knebel, Tgb. 1799 Theater/Musik Weimar
XXIX
Goethe. Rechnungen. Rechnungsbuch. Einnahme und Ausgabe Oktober–Dezember 1798. GSA, Sign.: 34/XIII,7,3. Goethe. Rechnungen. Rechnungsbuch. Einnahme und Ausgabe Dezember 1798–März 1799. GSA, Sign.: 34/XIV,1,1. Carl Ludwig von Knebel: Tagebuch 1797. GSA, Sign.: 54/374. Carl Ludwig von Knebel: Tagebuch 1799. GSA, Sign.: 54/375. Theater und Musik in Weimar 1757–1969. – Online verfügbar.
XXX
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wissenschaftliche Literatur AA DuW
AA SL
Adelung
ALZ
AS
Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Historisch-kritische Ausgabe bearbeitet von Siegfried Scheibe (Akademie-Ausgabe). Bd 1: Text. Berlin 1970; Bd 2: Überlieferung, Variantenverzeichnis und Paralipomena. Berlin 1974. Goethe: Schriften zur Literatur. Historisch-kritische Ausgabe (Akademie-Ausgabe). Bd 1: Text, bearbeitet von Edith Nahler. Berlin 1970; Bd 2: Text, bearbeitet von Johanna Salomon. Berlin 1971; Bd 3: Text, bearbeitet von Horst Nahler. Berlin 1973; Bd 4: Überlieferung, Varianten und Paralipomena zu Band 1, bearbeitet von Edith Nahler. Berlin 1976; Bd 5: Überlieferung, Varianten und Paralipomena zu Band 2, bearbeitet von Johanna Salomon. Berlin 1980; Bd 6: Überlieferung, Varianten und Paralipomena zu Band 3, bearbeitet von Horst Nahler. Berlin 1978; Bd 7: Register zu Band 1 bis 6, bearbeitet von Horst Nahler. Berlin 1982. Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen. Zweyte vermehrte und verbesserte Ausgabe. 4 Tle. Leipzig 1793–1801. Allgemeine Literatur-Zeitung. 〈Hrsg. von Christian Gottfried Schütz und Gottlieb Hufeland.〉 Jena 1785–1803; Fortsetzung Halle 1804–1849. Goethes Amtliche Schriften. Veröffentlichung des Staatsarchivs Weimar. 4 Bde. Weimar 1950– 1987. – Bd 1: Goethes Tätigkeit im Geheimen Consilium. Teil 1: Die Schriften der Jahre 1776– 1786. Bearbeitet von Willy Flach. Weimar 1950; Bd 2: Goethes Tätigkeit im Geheimen Consilium. Seine Schriften der Jahre 1788–1819. Bearbeitet von Helma Dahl. 1. Halbbd: 1788–1797. Weimar 1968; 2. Halbbd: 1798–1819. Weimar 1970; Bd 3: Goethes Tätigkeit im Geheimen Consilium. Erläuterungen zu den Schriften der Jahre 1788–1819.
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Aus Herders Nachlaß
Aus Weimars Glanzzeit
Berger, Anna Amalia
Bojanowski, Bibliothek
Bothe, Residenzschloß
Bradish Briefe an Fritz von Stein Briefe an Johann von Müller
BuG
XXXI
Bearbeitet von Helma Dahl. Weimar 1972; Bd 4: Goethes Tätigkeit im Geheimen Consilium. Register. Bearbeitet von Helma Dahl. Weimar 1987. Aus Herders Nachlaß. Ungedruckte Briefe von Herder und dessen Gattin, Goethe, Schiller, Klopstock, Lenz, Jean Paul, Claudius, Lavater, Jacobi und andern bedeutenden Zeitgenossen. Hrsg. von Heinrich Düntzer und Ferdinand Gottfried von Herder. 3 Bde. Frankfurt a. M. 1856–1857. Aus Weimars Glanzzeit. Ungedruckte Briefe von und über Goethe und Schiller, nebst einer Auswahl ungedruckter vertraulicher Schreiben von Goethe’s Collegen, Geh. Rath v. Voigt. Zum funfzigsten Jahrestage des Todes Schillers. Hrsg. von August Diezmann. Leipzig 1855. Joachim Berger: Anna Amalia von Sachsen-WeimarEisenach (1739–1807). Denk- und Handlungsräume einer ‚aufgeklärten‘ Herzogin. Heidelberg 2003. Paul von Bojanowski: Aus der ersten Zeit der Leitung der Großherzoglichen Bibliothek durch Goethe (1797–1800). Weimar 1899. Rolf Bothe: Dichter, Fürst und Architekten. Das Weimarer Residenzschloß vom Mittelalter bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Ostfildern-Ruit 2000. Joseph A〈rno〉 von Bradish: Goethes Beamtenlaufbahn. New York 1937. Briefe an Fritz von Stein. Hrsg. und eingeleitet von Ludwig Rohmann. Leipzig 1907. Briefe an Johann von Müller. (Supplement zu dessen sämmtlichen Werken.) Hrsg. von 〈Johann Heinrich〉 Maurer-Constant, Bibliothekar zu Schaffhausen. Mit einem Vorwort von Dr. Friedrich Hurter. 6 Bde. Schaffhausen 1839–1840. Goethe: Begegnungen und Gespräche. Bd 1–2. Hrsg. von Ernst Grumach und Renate Grumach. Berlin 1965–1966; Bd 3, Bd 5, Bd 6, Bd 8 und Bd 14. Begründet von Ernst Grumach und Renate Grumach. Hrsg. von Renate Grumach. Berlin, New York 1977–2013; Bd 10f. Begründet von Ernst Grumach und Renate Grumach. In Verbindung mit der
XXXII
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Campe
Carl August-Goethe2
Caroline
Charlotte von Schiller Cotta, Verlagsbuch
Dann, Klaproth
Demandt, Falk
DjG3
Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur und der Klassik Stiftung Weimar/Goethe- und Schiller-Archiv hrsg. von Renate Grumach und Bastian Röther. Berlin, New York 2018ff. – Bd 1: 1749–1776. Hrsg. von Renate Grumach (1965); Bd 2: 1777–1785. Hrsg. von Renate Grumach (1966); Bd 3: 1786–1792. Hrsg. von Renate Grumach (1977); Bd 4: 1793–1799. Hrsg. von Renate Grumach (1980); Bd 5: 1800–1805. Hrsg. von Renate Grumach (1985); Bd 6: 1806–1808. Hrsg. von Renate Grumach (1999); Bd 8: 1811– 1812. Bearbeitet von Anke Schmidt-Peter (2013); Bd 10: 1815–1816. Bearbeitet von Angelika Reimann (2018); Bd 14: 1823–1824. Bearbeitet von Angelika Reimann (2011). Joachim Heinrich Campe: Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke. Ein Ergänzungsband zu Adelungs Wörterbuch. 2 Bde. Braunschweig 1801. Briefwechsel des Herzogs-Großherzogs Carl August mit Goethe. Hrsg. von Hans Wahl. 3 Bde. Berlin 1915–1918. Caroline. Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hrsg. von Erich Schmidt. 2 Bde. Leipzig 1913. Charlotte von Schiller und ihre Freunde. 〈Hrsg. von Ludwig Urlichs.〉 3 Bde. Stuttgart 1860–1865. Johann Friedrich Cottas Verlagsbuch von 1787 bis 1806. Hrsg. vom Deutschen Literaturarchiv Marbach. Bearbeitet von Bernhard Fischer. Stuttgart 2011. Georg Edmund Dann: Martin Heinrich Klaproth (1743–1817). Ein deutscher Apotheker und Chemiker. Sein Weg und seine Leistung. Berlin 1958. Johannes Demandt: Johannes Daniel Falk. Sein Weg von Danzig über Halle nach Weimar (1768–1799). Göttingen 1999. Der junge Goethe. Neu bearbeitete Ausgabe. Hrsg. von Hanna Fischer-Lamberg. 5 Bde und Registerbd. Berlin 1963–1974.
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Doebber, Lauchstädt und Weimar
XXXIII
Lauchstädt und Weimar. Eine theaterbaugeschichtliche Studie von A〈dolph〉 Doebber. Mit 20 Tafeln und Abbildungen im Text. Berlin 1908. Doebber, Ober-Roßla Adolph Doebber: Goethe und sein Gut Ober-Roßla. Nach den Akten im Goethe- und Schiller-Archiv und im Geh. Haupt- und Staats-Archiv zu Weimar. In: GJb 6 (1919), S. 195–239. Düntzer, Freundesbilder Freundesbilder aus Goethe’s Leben. Studien zum Leben des Dichters. Von H〈einrich〉 Düntzer. Leipzig 1853. Düntzer, Knebels Nachlaß Zur deutschen Literatur und Geschichte. Ungedruckte Briefe aus Knebels Nachlaß. Hrsg. von Heinrich Düntzer. 2 Bde. Nürnberg 1858. Eckermann, Gespräche Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. 1823–1832. Von Johann Peter Eckermann. 3 Tle. Leipzig (T. 3 Magdeburg) 1836–1848. EGW Die Entstehung von Goethes Werken in Dokumenten. Begründet von Momme Mommsen. Fortgeführt und herausgegeben von Katharina Mommsen. Bd 1 und 2: Reprographischer Neudruck des vom Institut für Deutsche Sprache und Literatur der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Akademie Verlag 1958 herausgegebenen Erstdrucks. Bd 1: Abaldemus – Byron. Berlin, New York 2006; Bd 2: Cäcilia – Dichtung und Wahrheit. Berlin, New York 2006; Bd 3: Diderot – Entoptische Farben. Redaktion: Peter Ludwig. Berlin, New York 2006; Bd 4: Entstehen – Farbenlehre. Redaktion: Peter Ludwig und Uwe Hentschel. Berlin, New York 2008; Bd 5: Fastnachtsspiel – Faust. Bandbearbeiter: Uwe Hentschel. Berlin, Boston 2017; Bd 6: Feradeddin – Gypsabgüsse. Redaktion: Peter Ludwig und Uwe Hentschel. Berlin, New York 2010; Bd 7: Hackert – Indische Dichtungen. Redaktion: Ute Maack. Berlin, NewYork 2015. Eigenmann, Hamburger Susanne Eigenmann: Zwischen ästhetischer Raserei Theater und aufgeklärter Disziplin. Hamburger Theater im späten 18. Jahrhundert. Stuttgart, Weimar 1994. FA/Goethe Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. 40 Bde in 2 Abt. 〈Frankfurter Ausgabe〉. Frankfurt a. M. 1985–
XXXIV
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
FA/Herder
Femmel/Heres
Fischer, Cotta Friedrich, Pharmazeuten um Goethe
GB
1999. – I. Abt. Bd 7/1 und 7/2: Faust. Texte und Kommentare. Hrsg. von Albrecht Schöne (1994); Bd 10: Wilhelm Meisters Wanderjahre. Hrsg. von Gerhard Neumann und Hans-Georg Dewitz (1989); Bd 16: Campagne in Frankreich. Belagerung von Mainz. Reiseschriften. Hrsg. von Klaus-Detlef Müller (1994); Bd 23/2: Schriften zur Farbenlehre 1790–1807. Hrsg. von Manfred Wenzel (1991); Bd 27: Amtliche Schriften. T. 2: Aufgabengebiete seit der Rückkehr aus Italien. Hrsg. von Irmtraut und Gerhard Schmid (1999). Johann Gottfried Herder. Werke 〈Frankfurter Ausgabe〉. Hrsg. von Martin Bollacher, Jürgen Brummack, Ulrich Gaier u.a. 10 Bde. Frankfurt a. M. 1985– 2000. – Bd 4: Schriften zu Philosophie, Literatur, Kunst und Altertum 1774–1787. Hrsg. von Jürgen Brummack und Martin Bollacher (1994). Die Gemmen aus Goethes Sammlung. Goethes Sammlungen zur Kunst, Literatur und Naturwissenschaft. Hrsg. von den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar. Bearbeiter der Ausgabe Gerhard Femmel. Katalog Gerald Heres. Leipzig 1977. Bernhard Fischer: Johann Friedrich Cotta. Verleger – Entrepreneur – Politiker. Göttingen 2014. Christoph Friedrich: Pharmazeuten um Goethe. In: Pharmazie und Chemie in Goethes Leben und Werk. Wissenschaftshistorische Beiträge zu ausgewählten Aspekten. Hrsg. von Peter Dilg. Stuttgart 2010, S. 35–59. Johann Wolfgang Goethe: Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Klassik-Stiftung Weimar/ Goethe- und Schiller-Archiv / (ab 2017:) In Verbindung mit der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur im Auftrag der Klassik Stiftung Weimar/Goethe- und Schiller-Archiv hrsg. von Georg Kurscheidt, Norbert Oellers und Elke Richter. Berlin 2008ff. – Bd 1 I–II: 23. Mai 1764–30. Dezember 1772. Text und Kommentar. Hrsg. von Elke Richter und Georg Kurscheidt (2008);
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
GB Rep
XXXV
Bd 2 I–II: Anfang 1773–Ende Oktober 1775. Text und Kommentar. Hrsg. von Georg Kurscheidt und Elke Richter (2008); Bd 3 I–II: 8. November 1775–Ende 1779. Text und Kommentar. Hrsg. von Georg Kurscheidt und Elke Richter unter Mitarbeit von Gerhard Müller und Bettina Zschiedrich (Kommentar) (2014); Bd 6 I–II: Anfang 1785–3. September 1786. Text und Kommentar. Hrsg. von Volker Giel unter Mitarbeit von Susanne Fenske und Yvonne Pietsch (Text); unter Mitarbeit von Yvonne Pietsch, Markus Bernauer und Gerhard Müller (Kommentar) (2010); Bd 7 I–II: 18. September 1786–10. Juni 1788. Text und Kommentar. Hrsg. von Volker Giel unter Mitarbeit von Susanne Fenske und Yvonne Pietsch (Text); unter Mitarbeit von Yvonne Pietsch, Markus Bernauer und Gerhard Müller (Kommentar) (2012); Bd 8 I–II: 20. Juni 1788–Ende 1790. Text und Kommentar. Hrsg. von Volker Giel und Norbert Oellers unter Mitarbeit von Yvonne Pietsch (Text); unter Mitarbeit von Gerhard Müller und Yvonne Pietsch (Kommentar) (2017); Bd 9 I–II: 1791–1793. Text und Kommentar. Hrsg. von Volker Giel und Norbert Oellers unter Mitarbeit von Yvonne Pietsch (Text); unter Mitarbeit von Gerhard Müller und Yvonne Pietsch (Kommentar) (2020); Bd 10 I–II: 1794–1795. Text und Kommentar. Hrsg. von Jutta Eckle und Georg Kurscheidt (2019); Bd 11 I–II: 1796. Text und Kommentar. Hrsg. von Jutta Eckle und Georg Kurscheidt (2021); Bd 14 I–II: 1799–1800. Text und Kommentar. Hrsg. von Johannes Barth und Georg Kurscheidt (2021). Johann Wolfgang Goethe: Repertorium sämtlicher Briefe. 1764–1832. Hrsg. von der Klassik Stiftung Weimar / Goethe- und Schiller-Archiv. Bearbeitet von Elke Richter unter Mitarbeit von Andrea Ehlert, Susanne Fenske, Eike Küstner, Katharina Mittendorf, Bettina Zschiedrich und Anja Stehfest. Begründet von Paul Raabe an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Gefördert von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung mit Unterstützung der
XXXVI
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Geiger, Acht Briefe
Genast, Aus dem Tagebuche GJb
Deutschen Forschungsgemeinschaft. – Online verfügbar. Ludwig Geiger: Acht Briefe F〈riedrich〉 A〈ugust〉 Wolfs, sechs Briefe A〈loys〉 Hirts, vier Briefe Goethes an Hirt. In: GJb XV (1894), S. 54–108. Eduard Genast: Aus dem Tagebuche eines alten Schauspielers. 4 Tle. Leipzig 1862–1866. Goethe-Jahrbuch. Bd I–XXXIV. Hrsg. von Ludwig Geiger. Frankfurt a. M. 1880–1913; 〈Bd 35–43:〉 Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft. Bd 1–9: Im Auftrage des Vorstandes hrsg. von Hans Gerhard Gräf. Weimar (Bd 1–7 in Kommission beim Insel-Verlag in Leipzig) 1914–1922; 〈Bd 44–55:〉 Bd 10–21: Im Auftrage des Vorstandes hrsg. von Max Hecker. Weimar 1924–1963; 〈Bd 56–57:〉 Goethe. Bd 1–2: Vierteljahresschrift der Goethe-Gesellschaft. Neue Folge des Jahrbuchs. Unter Mitwirkung von Ernst Bertram, Rudolf Buttmann, Anton Kippenberg u.a. hrsg. von Hans Wahl. Weimar 1936–1937; 〈Bd 58–64:〉 Viermonatsschrift der Goethe-Gesellschaft. Neue Folge des Jahrbuchs. Bd 3–9: Unter Mitwirkung von Ernst Bertram, Rudolf Buttmann, Anton Kippenberg u.a. hrsg. von Hans Wahl. Weimar 1938–1944; 〈Bd 65:〉 Neue Folge des Jahrbuchs der Goethe-Gesellschaft. Bd 10: Im Auftrage des Vorstands hrsg. von Hans Wahl. Weimar 1947; 〈Bd 66:〉 Neue Folge des Jahrbuchs der Goethe-Gesellschaft. Bd 11: Im Auftrage des Vorstands hrsg. von Hans Wahl † und Andreas B〈runo〉 Wachsmuth. Weimar 1950; 〈Bd 67–88:〉 Neue Folge des Jahrbuchs der Goethe-Gesellschaft. Bd 12–33: Im Auftrage des Vorstands hrsg. von Andreas B〈runo〉 Wachsmuth. Weimar 1951–1971; Goethe Jahrbuch. Bd 89–90: Im Auftrage des Vorstandes der Goethe-Gesellschaft hrsg. von Helmut Holtzhauer. Weimar 1972–1973; Bd 91: Im Auftrage des Vorstandes der Goethe-Gesellschaft hrsg. von Helmut Holtzhauer † und Karl-Heinz Hahn. Weimar 1974; Bd 92–106: Im Auftrage des Vorstandes der Goethe-Gesellschaft hrsg. von Karl-Heinz Hahn. Weimar 1975–1989; Bd 107: Im Auftrage des Vor-
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Goethe-Cotta
XXXVII
standes der Goethe-Gesellschaft hrsg. von Karl-Heinz Hahn † und Jörn Göres. Weimar 1990; Bd 108– 116: Im Auftrage des Vorstandes (Bd 109ff.: Im Auftrag des Vorstands) der Goethe-Gesellschaft hrsg. von Werner Keller. Weimar 1992–2000; Bd 117– 118: Im Auftrage des Vorstands der Goethe-Gesellschaft hrsg. von Jochen Golz, Bernd Leistner und Edith Zehm. Weimar 2001–2002; Bd 119: Im Auftrag des Vorstands der Goethe-Gesellschaft hrsg. von Jochen Golz und Edith Zehm. Weimar 2003; Bd 120–121: Im Auftrag des Vorstands der GoetheGesellschaft hrsg. von Werner Frick, Jochen Golz und Edith Zehm. Weimar 2004–2005; Bd 122–123: Im Auftrag des Vorstands der Goethe-Gesellschaft hrsg. von Werner Frick, Jochen Golz und Edith Zehm. Göttingen 〈2006–2007〉; Bd 124–127: Im Auftrag des Vorstands der Goethe-Gesellschaft hrsg. von Werner Frick, Jochen Golz, Albert Meier und Edith Zehm. Göttingen 〈2008–2011〉; Bd 128–131: Im Auftrag der Goethe-Gesellschaft hrsg. von Jochen Golz, Albert Meier und Edith Zehm. Göttingen 2012–2013, 〈2014〉, 2015; Bd 132: Im Auftrag der Goethe-Gesellschaft hrsg. von Jochen Golz und Edith Zehm. Göttingen 2016; Bd 133–135: Im Auftrag des Vorstands der GoetheGesellschaft hrsg. von Frieder von Ammon, Jochen Golz und Edith Zehm. Göttingen 2017–2019; Bd 136ff.: Im Auftrag des Vorstands der Goethe-Gesellschaft hrsg. von Frieder von Ammon, Jochen Golz, Stefan Matuschek und Edith Zehm. Göttingen 2020ff. Goethe und Cotta. Briefwechsel 1797–1832. Textkritische und kommentierte Ausgabe in drei Bänden. Hrsg. von Dorothea Kuhn. Stuttgart 1979–1983. – Bd 1: Briefe 1797–1815 (1979; Veröffentlichungen der deutschen Schillergesellschaft 31); Bd 2: Briefe 1816–1832 (1979; Veröffentlichungen der deutschen Schillergesellschaft 32); Bd 3 I: Erläuterungen zu den Briefen 1797–1815 (1983; Veröffentlichungen der deutschen Schillergesellschaft 33/1); Bd 3 II: Erläuterungen zu den Briefen 1816–1832 (1983;
XXXVIII
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Veröffentlichungen der deutschen Schillergesellschaft 33/2). Goethe-Friedrich von Stein Briefe von Goethe und dessen Mutter an Friedrich Freiherrn von Stein. Nebst einigen Beilagen. Hrsg. von J〈ohann〉 J〈acob〉 H〈einrich〉 Ebers und August Kahlert. Leipzig 1846. Goethe Handbuch. Goethe, seine Welt und Zeit in Goethe-Handbuch2 Werk und Wirkung. Zweite, vollkommen neugestaltete Auflage unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter hrsg. von Alfred Zastrau 〈2 Bde erschienen〉. Stuttgart 1956 und 1961. – Bd 1: Aachen–Farbenlehre (1961). 3 Goethe-Handbuch. 5 Bde. Hrsg. von Bernd Witte, Goethe-Handbuch Theo Buck, Hans-Dietrich Dahnke, Regine Otto und Peter Schmidt. Stuttgart, Weimar 1996– 1999. – Goethe-Handbuch. Supplemente. Bd 1: Musik und Tanz in den Bühnenwerken. Hrsg. von Gabriele Busch-Salmen (2008); Bd 2: Naturwissenschaften. Hrsg. von Manfred Wenzel (2012); Bd 3: Kunst. Hrsg. von Andreas Beyer und Ernst Osterkamp (2011). Goethe-Knebel Briefwechsel zwischen Goethe und Knebel. (1774– 1832.) 〈Hrsg. von G[ottschalk] E[duard] Guhrauer.〉 2 Tle. Leipzig 1851. Goethe-Meyer Goethes Briefwechsel mit Heinrich Meyer. Hrsg. von Max Hecker. 4 Bde. Weimar 1917–1932. – Bd 1: Juli 1788 bis Juni 1797 (1917; SchrGG 32); Bd 2: Juni 1797 bis Dezember 1820 (1919; SchrGG 34); Bd 3: Januar 1821 bis März 1832 (1922; SchrGG 35.1); Bd 4: Register zu Band 1–3 (1932; SchrGG 35.2). Goethe-Schiller-Museum Goethe-Schiller-Museum. Hrsg. von August Diezmann. Leipzig 1858. Goethe und Werther. Briefe Goethe’s, meistens aus Goethe und Werther1 seiner Jugendzeit, mit erläuternden Documenten. Hrsg. von A〈gust〉 Kestner. Stuttgart und Tübingen 1854. Goethes Briefe an Christian Gottlob von Voigt. Mit Goethe-Voigt1 Voigts Bildniß. Hrsg. von Otto Jahn. Leipzig 1868. Goethes Briefwechsel mit Christian Gottlob Voigt. 4 Goethe-Voigt2 Bde. Bearbeitet und hrsg. von Hans Tümmler (ab Bd
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Goethe-Wortschatz
Gotthardi, Theaterbilder
Grave
Grimm
Grötzsch, Globusinventarisierung
GT
XXXIX
3 unter Mitwirkung von Wolfgang Huschke; SchrGG 53–56). Weimar 1949 (Bd 1), 1951 (Bd 2), 1955 (Bd 3), 1962 (Bd 4). Goethe-Wortschatz. Ein sprachgeschichtliches Wörterbuch zu Goethes sämtlichen Werken von Paul Fischer. Leipzig 1929. W〈ilhelm〉 G〈otthard〉 Gotthardi: Weimarische Theaterbilder aus Goethe’s Zeit. Ueberliefertes und Selbsterlebtes. 2 Bde. Jena und Leipzig 1865. Johannes Grave: Der „ideale Kunstkörper“. Johann Wolfgang Goethe als Sammler von Druckgraphiken und Zeichnungen. Mit 71 Abbildungen. Göttingen 2006. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde in 32 Teilbänden. Leipzig 1854– 1961 (Bandzählung nach der digitalen Version der Ausgabe, online verfügbar). Helmut Grötzsch: Die ersten Forschungsergebnisse der Globusinventarisierung in der Deutschen Demokratischen Republik (Ein Beitrag zur Internationalen Weltinventarisierung durch die UNESCO). Berlin 1963. Johann Wolfgang Goethe: Tagebücher. Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Stiftung Weimarer Klassik 〈ab Bd V (2007): Klassik Stiftung Weimar〉 hrsg. 〈Bd 1–6: von Jochen Golz unter Mitarbeit von Wolfgang Albrecht, Andreas Döhler und Edith Zehm〉. Stuttgart, Weimar 1998ff. – Bd I 1–2: 1775–1787. Text und Kommentar. Hrsg. von Wolfgang Albrecht und Andreas Döhler (1998); Bd II 1: 1790–1800. Text. Hrsg. von Edith Zehm (2000); Bd II 2: 1790–1800. Kommentar. Hrsg. von Wolfgang Albrecht und Edith Zehm (2000); Bd III 1–2: 1801–1808. Text und Kommentar. Hrsg. von Andreas Döhler (2004); Bd IV 1–2: 1809–1812. Text und Kommentar. Hrsg. von Edith Zehm, Sebastian Mangold und Ariane Ludwig (2008); Bd V 1–2: 1813–1816. Text und Kommentar. Hrsg. von Wolfgang Albrecht (2007); Bd VI 1–2: 1817– 1818. Text und Kommentar. Hrsg. von Andreas Döhler (2014); Bd VII 1–2: 1819–1820. Text
XL
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
und Kommentar. Hrsg. von Edith Zehm, Sebastian Mangold und Ariane Ludwig (2014); Bd VIII 1–2: 1821–1822. Text und Kommentar. Hrsg. von Wolfgang Albrecht (2015). Gubitz, Briefe von Goethe Briefe von Goethe. In: Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz. Hrsg. v. F〈riedrich〉 W〈ilhelm〉 Gubitz. 16. Jg. Berlin 1832, 107. Blatt, Mittwoch den 4. Juli, S. 529f.; 108. Blatt, Freitag den 6. Juli, S. 539; 109. Blatt, Sonnabend den 7. Juli, S. 541f.; 110. Blatt, Montag den 9. Juli, S. 547; 111. Blatt, Mittwoch den 11. Juli, S. 549f.; 112. Blatt, Freitag den 13. Juli, S. 558f.; 113. Blatt, Sonnabend den 14. Juli, S. 561f.; 114. Blatt, Montag den 16. Juli, S. 567; 115. Blatt, Mittwoch den 18. Juli, S. 573f.; 116. Blatt, Freitag den 20. Juli, S. 579; 117. Blatt, Sonnabend den 21. Juli, S. 581f. GWb Goethe Wörterbuch. Bd 1–2. Hrsg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR, der Akademie der Wissenschaften in Göttingen und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1978–1989. – Bd 3ff. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der Akademie der Wissenschaften in Göttingen und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Stuttgart, Berlin, Köln 1998ff. – Online verfügbar. Hagen Die Drucke von Goethes Werken. Hrsg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR. Bearbeitet von Waltraud Hagen. 2., durchgesehene Aufl. Berlin 1983. 〈Hermann Hartung〉: Zwischen Weimar und Jena. Hartung, Zwischen Weimar und Jena Zwanzig bisher unbekannte Briefe von Goethe an Justizrath Hufeland. Manuscript für Herrn S〈alomon〉 H〈irzel〉. Leipzig 〈1855〉. Rudolf Haym: Herder. 2 Bde. Hrsg. von Wolfgang Haym2 Harich. Berlin 1954. HB Johann Gottfried Herder: Briefe. Gesamtausgabe 1763–1803. Unter Leitung von Karl-Heinz Hahn hrsg. von den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar 〈ab Bd 10: Hrsg. von der Klassik Stiftung Weimar〉 (Goethe- und Schiller-Archiv). 17 Bde 〈Bd 1–8: Be-
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
XLI
arbeitet von Wilhelm Dobbek † und Günter Arnold, Bd 9–17: Bearbeitet von Günter Arnold〉. Weimar 1977–2014. – Bd 7: Januar 1793–Dezember 1798 (1982); Bd 8: Januar 1799–November 1803 (1984); Bd 9: Nachträge und Ergänzungen 1763–1803 (1988). Herting, Maximilian Jacobi Carl Wigand Maximilian Jacobi ein deutscher Arzt (1775–1858). Ein Lebensbild nach Briefen und anderen Quellen von Sanitätsrat Dr. Johannes Herting. Görlitz 1930. Hirt, Briefwechsel Aloys Hirt – Briefwechsel 1787–1837. Hrsg. von Uta Motschmann. Digitale Edition der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (https://aloys-hirt.bbaw.de/briefe/index.xql). Hofkalender 1798 Hochfürstl. S. Weimar- und Eisenachischer Hof- und Addreß-Calender, auf das Jahr 1798. Jena 〈o. J.〉. Hofkalender 1799 Hochfürstl. S. Weimar- und Eisenachischer Hof- und Addreß-Calender, auf das Jahr 1799. Jena 〈o. J.〉. Inventare Inventare des Goethe- und Schiller-Archivs. Hrsg. von der Klassik Stiftung Weimar/Goethe- und Schiller-Archiv. – Bd 2: Goethe-Bestand. Teil 1: Gedichte. Redaktor Gerhard Schmid. Weimar 2000. IR I, II, III Italiänische Reise. I. II. III. (WA I 30–32). JbFDH Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts. 〈Hrsg. von Otto Heuer.〉 Frankfurt 1902–1925. – Im Auftrag der Verwaltung hrsg. von Ernst Beutler. Frankfurt 1926–1931; Halle 1931–1940. – Hrsg. von Detlef Lüders. Tübingen 1962–1982. – Hrsg. von Arthur Henkel. Tübingen 1983. – Hrsg. von Christoph Perels. Tübingen 1984–2002. – Hrsg. von Anne Bohnenkamp und Christoph Perels. Tübingen 2003. – Hrsg. von Anne Bohnenkamp. Tübingen 2004– 2009; Göttingen 2010ff. JbdDSG Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft. Im Auftrag des Vorstands hrsg. von Fritz Martini, Herbert Stubenrauch und Bernhard Zeller. Stuttgart 1957– 1959. – Hrsg. von Fritz Martini, Walter MüllerSeidel und Bernhard Zeller. Stuttgart 1960–1987. – Hrsg. von Wilfried Barner, Walter Müller-Seidel und Ulrich Ott. Stuttgart 1988–1998. – Hrsg. von Wilfried Barner, Christine Lubkoll, Ernst Osterkamp
XLII
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Jean Pauls Sämtliche Werke I–IV
Jericke/Dolgner, Klassizismus Keudell
Kant AA
KFSA
Klopstock, Werke HKA
und Ulrich Ott. Stuttgart 1999–2004, Göttingen 2005. – Hrsg. von Wilfried Barner, Christine Lubkoll, Ernst Osterkamp und Ulrich Raulff. Göttingen 2006–2013, Berlin u.a. 2014. – Hrsg. von Alexander Honold, Christine Lubkoll, Ernst Osterkamp und Ulrich Raulff. Berlin u.a. 2015ff. Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Abt. I–IV. Berlin 1927ff. – Abt. III. Briefe. Hrsg. von Eduard Berend. Bd 3: Briefe 1797–1800 (1959); Abt. IV. Briefe an Jean Paul. Bd 3.1: 1797–1799. Hrsg. von Angela Goldack (2009). Alfred Jericke, Dieter Dolgner: Der Klassizismus in der Baugeschichte Weimars. Weimar 1975. Goethe als Benutzer der Weimarer Bibliothek. Ein Verzeichnis der von ihm entliehenen Werke. Bearbeitet von Elise von Keudell. Hrsg. mit einem Vorwort von Werner Deetjen. Weimar 1931. Kant’s gesammelte Schriften. Bd 1–22 hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd 23 hrsg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Bd 24 hrsg. von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Berlin 1900ff. – I. Abtheilung: Werke. Bd 7: Der Streit der Fakultäten. Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1907). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Begründet von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner, fortgeführt von Andreas Arndt, hrsg. von Ulrich Breuer. I. Abt.: Kritische Neuausgabe (10 Bde), II. Abt.: Nachgelassene Werke (12 Bde), III. Abt.: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel, IV. Abt.: Editionen, Übersetzungen, Berichte. Paderborn 1958ff. – III. Abt. Bd 24: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums. 25. Juli 1797–Ende August 1799. Hrsg. von Raymond Immerwahr (1985). Friedrich Gottlieb Klopstock: Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Begründet von Adolf Beck, Karl Ludwig Schneider und Hermann Tiemann.
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Knebel, Nachlaß und Briefwechsel
Kratzsch, Benutzungsordnung Kratzsch, Leserschaft
Krumeich, Geliehene Lektüren
Krünitz
Kublik, Loder
XLIII
Hrsg. von Horst Gronemeyer, Elisabeth Höpker-Herberg, Klaus Hurlebusch und Rose-Maria Hurlebusch †. (Hamburger Klopstock-Ausgabe). Abt. Werke. Berlin und New York 1974ff. – Bd 4 I: Der Messias. Text (Gesang 1–10). Hrsg. von Elisabeth Höpker-Herberg (1974). K〈arl〉 L〈udwig〉 von Knebel’s literarischer Nachlaß und Briefwechsel. Hrsg. von Karl August Varnhagen von Ense und Theodor Mundt. 3 Bde. Leipzig 1835–1836. Die Benutzungsordnung der Weimarer Bibliothek von 1798. Mit einer Einführung von Konrad Kratzsch. Weimar 1990. Konrad Kratzsch: Die Leserschaft der Herzoglichen Bibliothek und ihre Lektüre in den Jahren 1792 bis 1800. Nach den Ausleihbüchern. In: Konrad Kratzsch und Siegfried Seifert: Historische Bestände der Herzogin Anna Amalia Bibliothek zu Weimar. Beiträge zu ihrer Geschichte und Erschließung. Mit Bibliographie. München u.a. 1992, S. 99–113. Kirsten Krumeich: Geliehene Lektüren. Die Ausleihpraxis der Weimarer Bibliothek 1792–1834 und die Entleihungen Johann Wolfgang von Goethes. In: Autorenbibliotheken. Erschließung, Rekonstruktion, Wissensordnung. Hrsg. von Michael Knoche (Bibliothek und Wissenschaft. Hrsg. von Claudia Fabian, Michael Knoche, Monika Linder, Elmar Mittler, Wolfgang Schmitz. Bd 48). Wiesbaden 2015, S. 61–91. Oekonomische Encyklopädie 〈Bd 33ff.: Oekonomisch-technologische Encyklopädie〉, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- u. Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung; von D. Johann Georg Krünitz 〈u.a.〉. 242 Bde. Berlin 1773–1858. Steffen Kublik: Justus Christian Loder (1753– 1832). Vom ambitionierten Hochschullehrer zum Leibarzt des Zaren. In: Wegbereiter der modernen Medizin. Jenaer Mediziner aus drei Jahrhunderten – Von Loder und Hufeland zu Rössle und Brednow. Hrsg. von Christian Fleck, Volker Hesse und Günther Wagner. Jena, Quedlinburg 2004, S. 49–71.
XLIV
LA
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Goethe: Die Schriften zur Naturwissenschaft. Vollständige mit Erläuterungen versehene Ausgabe. Im Auftrage der Deutschen Akademie der Naturforscher (Leopoldina) zu Halle begründet von Karl Lothar Wolf und Wilhelm Troll. Hrsg. von Dorothea Kuhn, Wolf von Engelhardt, 〈seit 2005〉 Irmgard Müller und 〈seit 2012〉 Friedrich Steinle. Weimar 1947– 2019. – I. Abteilung: Texte. 11 Bde. 1947–1970. II. Abteilung: Ergänzungen und Erläuterungen. 10 Bde (in 18 Tlen). 1959–2011. III. Abteilung: Verzeichnisse und Register. 2 Bde. 2014–2019. – Bd I 1: Schriften zur Geologie und Mineralogie 1770– 1810. Hrsg. von Günther Schmid (1947); Bd I 2: Schriften zur Geologie und Mineralogie 1812– 1832. Hrsg. von Günther Schmid (1949); Bd I 3: Beiträge zur Optik und Anfänge der Farbenlehre 1790–1808. Hrsg. von Rupprecht Matthaei (1951); Bd I 4: Zur Farbenlehre. Widmung, Vorwort und Didaktischer Teil. Bearbeitet von Rupprecht Matthaei (1955); Bd I 5: Zur Farbenlehre. Polemischer Teil. Bearbeitet von Rupprecht Matthaei (1958); Bd I 6: Zur Farbenlehre. Historischer Teil. Bearbeitet von Dorothea Kuhn (1957); Bd I 7: Zur Farbenlehre. Anzeige und Übersicht, statt des supplementaren Teils und Erklärung der Tafeln. Bearbeitet von Rupprecht Matthaei (1957); Bd I 8: Naturwissenschaftliche Hefte. Bearbeitet von Dorothea Kuhn (1962); Bd I 9: Morphologische Hefte. Bearbeitet von Dorothea Kuhn (1954); Bd I 10: Aufsätze, Fragmente, Studien zur Morphologie. Bearbeitet von Dorothea Kuhn (1964); Bd I 11: Aufsätze, Fragmente, Studien zur Naturwissenschaft im allgemeinen. Bearbeitet von Dorothea Kuhn und Wolf von Engelhardt (1970); Bd II 1A und II 1B: Zur Naturwissenschaft im allgemeinen. Bearbeitet von Jutta Eckle (2011); Bd II 2: Zur Meteorologie und Astronomie. Bearbeitet von Gisela Nickel (2005); Bd II 3: Beiträge zur Optik und Anfänge der Farbenlehre. Bearbeitet von Rupprecht Matthaei und Dorothea Kuhn (1961); Bd II 4: Zur Farbenlehre. Didaktischer Teil und Tafeln. Bearbeitet von Rupprecht Matthaei und
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Laskus, Bethmann-Unzelmann Lichtenberg, Briefwechsel
Luther-Bibel 1772 AT/ Apokryphen/NT
XLV
Dorothea Kuhn (1973); Bd II 5A: Zur Farbenlehre. Polemischer Teil. Bearbeitet von Horst Zehe (1992); Bd II 5B/1 und II 5B/2: Zur Farbenlehre und Optik nach 1810 und zur Tonlehre. Bearbeitet von Thomas Nickol unter Mitwirkung von Dorothea Kuhn und Horst Zehe (2007); Bd II 6: Zur Farbenlehre. Historischer Teil. Bearbeitet von Dorothea Kuhn und Karl Lothar Wolf (1959); Bd II 7: Zur Geologie und Mineralogie. Von den Anfängen bis 1805. Bearbeitet von Wolf von Engelhardt unter Mitwirkung von Dorothea Kuhn (1989); Bd II 8A: Zur Geologie und Mineralogie. Von 1806 bis 1820. Bearbeitet von Wolf von Engelhardt unter Mitwirkung von Dorothea Kuhn (1997); Bd II 8B/1 und II 8B/2: Zur Geologie und Mineralogie. Von 1821 bis 1832. Bearbeitet von Wolf von Engelhardt unter Mitwirkung von Dorothea Kuhn (1999); Bd II 9A: Zur Morphologie. Von den Anfängen bis 1795. Bearbeitet von Dorothea Kuhn (1977); Bd II 9B: Zur Morphologie. Von 1796 bis 1815. Bearbeitet von Dorothea Kuhn (1986); Bd II 10A: Zur Morphologie. Von 1816 bis 1824. Bearbeitet von Dorothea Kuhn (1995); Bd II 10B/1 und II 10B/2: Zur Morphologie. Von 1825 bis 1832. Bearbeitet von Dorothea Kuhn (2004); Bd III 1: Verzeichnisse. Bearbeitet von Bastian Röther und Uta Monecke (2014); Bd III 2: Register. Bearbeitet von Carmen Götz, Simon Rebohm und Bastian Röther (2019). Irmgard Laskus: Friederike Bethmann-Unzelmann. Versuch einer Rekonstruktion ihrer Schauspielkunst auf Grund ihrer Hauptrollen. Leipzig 1927. Georg Christoph Lichtenberg: Briefwechsel. Im Auftrag der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen hrsg. von Ulrich Joost und Albrecht Schöne. 5 Bde (in 6 Tlen). München 1983–2004. – Bd 4: 1793– 1799 und Undatiertes. Hrsg. von Ulrich Joost und Albrecht Schöne unter Mitwirkung von Julia Hoffmann (1992). Biblia, / Das ist: / Die ganze / Heilige Schrift / Alten und Neuen / Testamentes, / Nach / der deutschen Uebersetzung / D. Martin Luthers, / mit vorgesetz-
XLVI
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
MA/Goethe
Marum-Reisetgb. 1798
Mathes, Kotzebues Briefe an seine Mutter Matthisson, Nachlaß
Meyer, Geschichte der Kunst Mick Mojem/Cotta
Molnár, Kantstudien
tem kurzen / Inhalt eines jeden Capitels, / wie auch mit richtigen / Summarien und vielen Schrift-Stellen / auf das allersorgfältigste versehen, / nach den bewährtesten und neuesten Editionen / mit grossem Fleisse ausgefertiget. / Samt / einer Vorrede / von / Hieronymo Burckhardt, / der Heil. Schrift Doctor. / Basel 1772. (Vgl. Ruppert, Nr 2604.) Johann Wolfgang Goethe. Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens 〈Münchner Ausgabe〉. Hrsg. von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller und Gerhard Sauder (Bd 7, 11 I 1, 11 I 2, 11 II, 13 I, 13 II, 15, 17, 18 I, 18 II, 20 I, 20 II, 20 III: Hrsg. von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller, Gerhard Sauder und Edith Zehm). 21 Bde. München 1985–1998. – Bd 6 I: Weimarer Klassik 1798–1806. Hrsg. von Victor Lange (1986); Bd 6 II: Weimarer Klassik 1798–1806. Hrsg. von Victor Lange, Hans J. Becker, Gerhard H. Müller, John Neubauer, Peter Schmidt und Edith Zehm (1989). Aus van Marums Reisetagebuch (1798). In: J. A. M. Rijk: Drei bisher unveröffentlichte Briefe an Goethe. In: Neophilologus 16 (1931), S. 261–267. Jürg Mathes: Kotzebues Briefe an seine Mutter. In: JbFDH 1969, S. 304–436. Friedrich v. Matthisson’s Literarischer Nachlaß nebst einer Auswahl von Briefen seiner Freunde. Ein Supplement zu allen Ausgaben seiner Schriften. 4 Bde. Berlin 1832. Johann Heinrich Meyer: Geschichte der Kunst. Bearbeitet und hrsg. von Helmut Holtzhauer und Reiner Schlichting (SchrGG 60). Weimar 1974. Ernst Wolfgang Mick: Goethes umränderte Blättchen. Dortmund 1982. Der Verleger Johann Friedrich Cotta (1764–1832). Repertorium seiner Briefe. Hrsg. von Helmuth Mojem. Marbach a. N.: Deutsche Schillergesellschaft 1997. Géza von Molnár: Goethes Kantstudien. Eine Zusammenstellung nach Eintragungen in seinen Hand-
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Mommsen, 1001 Nacht
Müller, Universität Jena
NA
XLVII
exemplaren der „Kritik der reinen Vernunft“ und der „Kritik der Urteilskraft“ (SchrGG 64). Weimar 1994. Katharina Mommsen: Goethe und 1001 Nacht. Bonn 2006 (Aktualisierter reprographischer Nachdruck der ersten Ausgabe: Berlin 1960). Gerhard Müller: Vom Regieren zum Gestalten. Goethe und die Universität Jena (Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800. Ästhetische Forschungen. Hrsg. von Klaus Manger. Bd 6). Heidelberg 2006. Schillers Werke. Nationalausgabe. Bd 1: Im Auftrag des Goethe- und Schiller-Archivs, des Schiller-Nationalmuseums und der Deutschen Akademie hrsg. von Julius Petersen † und Gerhard Fricke. Weimar 1943ff. – Bd 3, 5, 8, 9, 13, 16, 22, 23, 27: Im Auftrag des Goethe- und Schiller-Archivs und des Schiller-Nationalmuseums hrsg. von Julius Petersen † und Hermann Schneider. Weimar 1948–1958. – Bd 6, 7 I, 11, 17, 18, 20, 25, 28, 29, 30, 35, 36 I, 36 II, 38 I, 42: Begründet von Julius Petersen. Hrsg. im Auftrag der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar (Goethe- und Schiller-Archiv) und des Schiller-Nationalmuseums in Marbach von Lieselotte Blumenthal und Benno von Wiese. Weimar 1961–1979. – Bd 2 I, 2 II A, 4, 7 II, 10, 12, 24, 31, 32, 33 I, 34 I, 37 I, 37 II, 39 I, 40 I: Begründet von Julius Petersen. Fortgeführt von Lieselotte Blumenthal und Benno von Wiese. Hrsg. im Auftrag der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar (Goethe- und Schiller-Archiv) und des Schiller-Nationalmuseums in Marbach von Norbert Oellers und Siegfried Seidel. Weimar 1980–1991. – Bd 15 I, 26: 1940 begründet von Julius Petersen. Fortgeführt von Lieselotte Blumenthal und Benno von Wiese. Hrsg. im Auftrag der Stiftung Weimarer Klassik und des Schiller-Nationalmuseums Marbach von Norbert Oellers und Siegfried Seidel †. Weimar 1992–1993. – Bd 2 II B, 5 N, 15 II, 19 I, 33 II, 34 II, 40 II, 41 I, 41 II A: 1940 begründet von Julius Petersen. Fortgeführt von
XLVIII
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Lieselotte Blumenthal, Benno von Wiese, Siegfried Seidel. Hrsg. im Auftrag der Stiftung Weimarer Klassik 〈ab Bd 41 II A (2006): Klassik Stiftung Weimar〉 und des Schiller-Nationalmuseums in Marbach von Norbert Oellers. Weimar 1993ff. – Bd 2 II A: Anmerkungen zu Band 1 (Gedichte). Hrsg. von Georg Kurscheidt (1991); Bd 8 Neue Ausgabe T. I–III: Wallenstein. Hrsg. von Norbert Oellers (T. III mit einem Beitrag von Beate Agnes Schmidt) (T. I–II Text 2010, T. III Anmerkungen 2013); Bd 12: Dramatische Fragmente. In Zusammenarbeit mit Klaus Harro Hilzinger und Karl-Heinz Hucke hrsg. von Herbert Kraft (1982); Bd 20: Philosophische Schriften. 1. Teil. Unter Mitwirkung von Helmut Koopmann hrsg. von Benno von Wiese (1962); Bd 21: Philosophische Schriften. 2. Teil. Unter Mitwirkung von Helmut Koopmann hrsg. von Benno von Wiese (1963); Bd 26: Briefwechsel. Schillers Briefe 1.3.1790–17.5.1794. Hrsg. von Edith Nahler und Horst Nahler (1992); Bd 29: Briefwechsel. Schillers Briefe 1.11.1796–31.10.1798. Hrsg. von Norbert Oellers und Frithjof Stock (1977); Bd 30: Briefwechsel. Schillers Briefe 1.11.1798–31.12.1800. Hrsg. von Lieselotte Blumenthal (1961); Bd 31: Briefwechsel. Schillers Briefe 1.1.1801–31.12.1802. Hrsg. von Stefan Ormanns (1985); Bd 33 I: Briefwechsel. Briefe an Schiller 1781–28.2.1790. Hrsg. von Siegfried Seidel (1989); Bd 37 I: Briefwechsel. Briefe an Schiller 1.4.1797–31.10.1798 (Text). Hrsg. von Norbert Oellers und Frithjof Stock (1981); Bd 37 II: Briefwechsel. Briefe an Schiller 1.4.1797–31.10.1798 (Anmerkungen). Hrsg. von Norbert Oellers und Frithjof Stock (1988); Bd 38 I: Briefwechsel. Briefe an Schiller 1.11.1798– 31.12.1800 (Text). Hrsg. von Lieselotte Blumenthal (1975); Bd 38 II: Briefwechsel. Briefe an Schiller 1.11.1798–31.12.1800 (Anmerkungen). Hrsg. von Andreas Wistoff (2000); Bd 41 I: Lebenszeugnisse I. Schillers Kalender. Schillers Bibliothek. Hrsg. von Georg Kurscheidt und Andreas Wistoff unter Mitarbeit von Horst Nahler 〈…〉 (2003); Bd 41 II
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
XLIX
A: Lebenszeugnisse II. Dokumente zu Schillers Leben. Hrsg. von Martin Schalhorn (2006). Neuper, Vorlesungsangebot Horst Neuper (Hrsg.): Das Vorlesungsangebot an der Jena Universität Jena von 1749 bis 1854 unter Mitarbeit von Katarina Kühn und Matthias Müller. 2 Tle. Weimar 2003. Pasqué Goethe’s Theaterleitung in Weimar. In Episoden und Urkunden dargestellt von Ernst Pasqué. 2 Bde. Leipzig 1863. Pestel, Weimar als Exil Friedemann Pestel: Weimar als Exil. Erfahrungsräume französischer Revolutionsemigranten 1792– 1803 (Deutsch-französische Kulturbibliothek 28). Leipzig 2009. Pfeiffer-Belli Johann Caspar Goethe / Cornelia Goethe / Catharina Elisabeth Goethe: Briefe aus dem Elternhaus. (Erster Ergänzungsband der Goethe-Gedenkausgabe.) Hrsg. von Wolfgang Pfeiffer-Belli. Zürich und Stuttgart 1960. Plitt, Aus Schellings Leben Aus Schellings Leben. In Briefen. 〈Hrsg. von Gustav Leopold Plitt.〉 3 Bde. Leipzig 1869–1870. Post-Bericht 1798 Post-Bericht, wie die Posten allhier abgehen und ankommen. In: Neuverbesserter Calender, für alle Stände, auf das Jahr 1798. Weimar o. J. 〈1797〉, o. S. 〈S. 40〉. Prescher, Goethes Hans Prescher: Goethes Sammlungen zur MineraloSammlungen gie, Geologie und Paläontologie. Katalog. Berlin 1978. Propyläen Propyläen. Eine periodische Schrifft hrsg. von Goethe. 3 Bde. Tübingen 1798–1800. QuZ Quellen und Zeugnisse zur Druckgeschichte von Goethes Werken. Hrsg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. (T. 2–4: Hrsg. vom Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR). 4 Tle. Berlin 1966–1984. – T. 1: Gesamtausgaben bis 1822. Bearbeiter des Bandes: Waltraud Hagen unter Mitarbeit von Edith Nahler (1966); T. 2: Die Ausgabe letzter Hand. Bearbeiter des Bandes: Waltraud Hagen (1982); T. 3: Die nachgelassenen Werke und die Quartausgabe. Bearbeiter des Bandes: Edith Nahler und Horst Nahler (1986); T. 4: Die Ein-
L
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
RA
Reichard, Selbstbiographie
Reil und seine Zeit
Richter/Rosenbaum, Ch. v. Stein
zeldrucke. Bearbeiter des Bandes: Inge Jensen (1984). Briefe an Goethe. Gesamtausgabe in Regestform 〈Regestausgabe〉. Bd 1–5: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar. Goethe- und Schiller-Archiv. Herausgeber: Karl-Heinz Hahn. Redaktor: Irmtraut Schmid. Weimar 1980–1992; Ergänzungsband zu den Bänden 1–5. Hrsg. von der Stiftung Weimarer Klassik/ Goethe- und Schiller-Archiv. Bearbeitet von Manfred Koltes unter Mitarbeit von Ulrike Bischof und Sabine Schäfer. Weimar 1995; Bd 6–8: Hrsg. von der Stiftung Weimarer Klassik/Goethe- und Schiller-Archiv 〈Bd 8: Klassik Stiftung Weimar〉. Bearbeitet von Manfred Koltes unter Mitarbeit von Ulrike Bischof und Sabine Schäfer. Weimar 2000, 2004, 2011; ab Bd 9: In Verbindung mit der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur hrsg. von der Klassik Stiftung Weimar/Goethe- und Schiller-Archiv. Bearbeitet von Manfred Koltes, Ulrike Bischof, Christian Hain und Sabine Schäfer. Weimar 2017ff. – Bd 1: 1764–1795 (1980); Bd 2: 1796–1798 (1981); Bd 3: 1799–1801 (1983); Bd 4: 1802–1804 (1988); Bd 5: 1805–1810 (1992); Ergänzungsband zu den Bänden 1 bis 5 (1995); Bd 6: 1811–1815 (2000); Bd 7: 1816– 1817 (2004); Bd 8: 1818–1819 (2011); Bd 9: 1820–1822 (2017). – Online verfügbar. H〈einrich〉 A〈ugust〉 O〈ttokar〉 Reichard. Seine Selbstbiographie. Überarbeitet und hrsg. von Hermann Uhde. Stuttgart 1877. Johann Christian Reil (1759–1813) und seine Zeit. Hallesches Symposium 1988. Hrsg. von Wolfram Kaiser und Arina Völker. Halle/Saale 1989. Elke Richter, Alexander Rosenbaum (Hrsg.): Charlotte von Stein. Schriftstellerin, Freundin und Mentorin. Berlin, Boston 2018 (Supplemente zu den PROPYLÄEN. Forschungsplattform zu Goethes Biographica. Hrsg. von der Klassik Stiftung Weimar/ Goethe- und Schiller-Archiv, der Sächsischen Akade-
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Riemer, Goethe-Briefe
Roth, Merkel
Ruppert
Ruppert, Ältestes Verzeichnis Satori-Neumann2
Satori-Neumann, Goethe und die Redouten
Schelling HKA
Schiller-Cotta
LI
mie der Wissenschaften zu Leipzig und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz. Bd 1). Briefe von und an Goethe. Desgleichen Aphorismen und Brocardica. Hrsg. von Friedrich Wilhelm Riemer. Leipzig 1846. Friedrich Roth: Nachricht von dem Leben Paul Wolfgang Merkel’s weiland verordneten Vorstehers des Handelsplatzes Nürnberg, Assessors am k. HandelsAppellationsgerichte, und Abgeordneten der Stadt Nürnberg zur Stände-Versammlung des Königreiches. Nürnberg 1821. Goethes Sammlungen zu Kunst, Literatur und Naturwissenschaft. Hrsg. von den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar. Goethes Bibliothek. Katalog. Bearbeiter der Ausgabe Hans Ruppert. Weimar 1958. Hans Ruppert: Das älteste Verzeichnis von Goethes Bibliothek. In: GJb N. F. 24 (1962), S. 253–287. Lothar Schirmer: Die Frühzeit des Weimarischen Hoftheaters unter Goethes Leitung (1791 bis 1798). Nach den Quellen bearbeitet von Bruno Th. SatoriNeumann. Neu hrsg. und kommentiert. 2 Bde. Berlin 2013 (Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte Band 80/1 und 2). Bruno Th〈eodor〉 Satori-Neumann: Goethe und die Einrichtung der Weimarischen Redouten. Ein Beitrag zur Kennzeichnung der amtlichen Tätigkeit des Dichters. In: Festgabe der Gesellschaft für Deutsche Literatur zum siebzigsten Geburtstag ihres Vorsitzenden Max Herrmann. Berlin 1935, S. 47–60. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Schelling-Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hrsg. von Thomas Buchheim, Jochem Hennigfeld, Wilhelm G. Jacobs, Jörg Jantzen und Siegbert Peetz. Stuttgart 1976ff. – Reihe III: Briefe. Bd 1: Briefwechsel 1786–1799. Hrsg. von Irmgard Möller und Walter Schieche (2001). Briefwechsel zwischen Schiller und Cotta. Hrsg. von Wilhelm Vollmer. Stuttgart 1876.
LII
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Schiller-Goethe1
Schiller-Goethe2
Schiller-Goethe3
Schiller-Goethe4
Schiller-Goethe5
Schiller/Goethe-Schlegel
Schillers Bibliothek
Schillers Kalender Schlegel, Korrespondenz
Schlegel, Reise
Schlegel, SW
Schlegel-Schiller/Goethe
Briefwechsel zwischen Schiller und Göthe in den Jahren 1794 bis 1805. 〈Hrsg. von Johann Wolfgang von Goethe.〉 6 Tle. Stuttgart und Tübingen 1828– 1829. Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in den Jahren 1794 bis 1805. Zweite, nach den Originalhandschriften vermehrte Ausgabe. 〈Hrsg. von Hermann Hauff.〉 2 Bde. Stuttgart und Augsburg 1856. Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in den Jahren 1794 bis 1805. Dritte Ausgabe. 〈Hrsg. von Wilhelm Vollmer.〉 2 Bde. Stuttgart 1870. Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe. Vierte Auflage. 〈Hrsg. von Wilhelm Vollmer.〉 2 Bde. Stuttgart 1881. Friedrich Schiller, Johann Wolfgang Goethe: Der Briefwechsel. Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. und kommentiert von Norbert Oellers unter Mitarbeit von Georg Kurscheidt. 2 Bde. Stuttgart 2009. Briefe Schillers und Goethes an A〈ugust〉 W〈ilhelm〉 Schlegel, aus den Jahren 1795. bis 1801. und 1797. bis 1824. nebst einem Briefe Schlegels an Schiller. 〈Hrsg. von Eduard Böcking.〉 Leipzig 1846. Schillers Bibliothek. Hrsg. von Andreas Wistoff unter Mitarbeit von Horst Nahler und unter Benutzung von Vorarbeiten von Friedrich Menzel und Konrad Kratzsch. In: NA 41 I, 559–844. Schillers Kalender. Hrsg. von Georg Kurscheidt. In: NA 41 I, 5–557. August Wilhelm Schlegel: Digitale Edition der Korrespondenz. Hrsg. von Jochen Strobel und Claudia Bamberg. Dresden, Marburg, Trier 2014–2020 (https://august-wilhelm-schlegel.de/briefedigital). 〈Julius Heinrich Gottlieb Schlegel〉: Reise durch einige Theile vom mittäglichen Deutschland und dem Venetianischen. Erfurt 1798. August Wilhelm von Schlegel’s sämmtliche Werke. Hrsg. von Eduard Böcking. 12 Bde. Leipzig 1846– 1847. August Wilhelm und Friedrich Schlegel im Briefwechsel mit Schiller und Goethe. Hrsg. von Josef Körner und Ernst Wieneke. Leipzig 1926.
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Schleif, Goethes Diener
Schöne, Briefschreiber Goethe SchrGG Schuchardt
Seiderer, Paul Wolfgang Merkel
Sprichwörter-Lexikon
Suphan, Goethe und Herder von 1789–1795 Tadday/Frercks, Scherer in Weimar
Theater-Briefe
LIII
Walter Schleif: Goethes Diener (Beiträge zur deutschen Klassik. Hrsg. von Helmut Holtzhauer. Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar. Bd 17). Berlin, Weimar 1965. Albrecht Schöne: Der Briefschreiber Goethe. Zweite, durchgesehene Auflage. München 2015. Schriften der Goethe-Gesellschaft. Chr〈istian〉 Schuchardt: Goethe’s Kunstsammlungen. 3 Tle. Jena 1848–1849. – Erster Theil: Kupferstiche, Holzschnitte, Radirungen, Schwarzkunstblätter, Lithographien und Stahlstiche, Handzeichnungen und Gemälde. Jena 1848. – Zweiter Theil: Geschnittene Steine, Bronzen, Medaillen, Münzen; Arbeiten in Marmor, Elfenbein und Holz; antike Vasen und Terracotten, Gypsabgüsse, Majolica u. A. Jena 1848. – Goethe’s Sammlungen. Dritter Theil: Mineralogische und andere naturwissenschaftliche Sammlungen. Mit einer Vorrede der Gebrüder von Goethe. Jena 1849. Georg Seiderer: Aufgeklärter Bürger in einer Zeit des Umbruchs. In: Paul Wolfgang Merkel (1756– 1820). Kaufmann. Reformer. Patriot (Ausstellungskataloge des Stadtarchivs Nürnberg 16). Nürnberg 2006, S. 12–37. Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Ein Hausschatz für das deutsche Volk. Hrsg. von Karl Friedrich Wilhelm Wander. 5 Bde. Leipzig 1867–1880. Bernhard Suphan: Goethe und Herder von 1789– 1795. In: Preußische Jahrbücher 43 (1879), S. 142–183. Ronny Tadday, Jan Frercks: Scherer in Weimar. Das Scheitern als außeruniversitärer Chemiker. In: Anna Amalia, Carl August und das Ereignis Weimar. Hrsg. von Hellmut Th. Seemann. Klassik Stiftung Weimar. Jahrbuch 2007. Göttingen 〈2007〉, S. 345–353. Theater-Briefe von Goethe und freundschaftliche Briefe von Jean Paul. Nebst einer Schilderung Weimar’s in seiner Blüthezeit. Von Dietmar 〈d. i. Sigismund Gottfried Dittmar〉. Berlin 1835.
LIV
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Tieck-Brüder Schlegel
Ulrich, Charlotte Kestner
Voigt
WA
Wahl, Redouten
Wahle, Weimarer Hoftheater WAN
WB
Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel. Briefe. Auf der Grundlage der von Henry Lüdeke besorgten Edition neu hrsg. und kommentiert von Edgar Lohner. München 1972. Oskar Ulrich: Charlotte Kestner. Ein Lebensbild. Nachdruck der Ausgabe Bielefeld und Leipzig 1921 mit neuen Abbildungen und einem Nachwort von Hartmut Schmidt. Goslar 1987. Goethe und Ilmenau. Unter Benutzung zahlreichen unveröffentlichten Materials dargestellt von Julius Voigt. Leipzig 1912. Goethes Werke. Hrsg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen 〈Weimarer Ausgabe〉. 143 Bde. Weimar 1887–1919. – I. Abtheilung: Goethes Werke. 55 Bde (1887–1918); II. Abtheilung: Goethes Naturwissenschaftliche Schriften. 13 Bde (1890–1906); III. Abtheilung: Goethes Tagebücher. 15 Bde (1887–1919); IV. Abtheilung: Goethes Briefe. 50 Bde (1887–1912). Volker Wahl: „Bal en Masque oder sogenannte Redoute“. Forschungen zur Geschichte der öffentlichen Redouten in Weimar 1770 bis 1835. In: Weimar-Jena. Die große Stadt 8 (2015), H. 4, S. 319– 351. Das Weimarer Hoftheater unter Goethes Leitung. Aus neuen Quellen bearbeitet von Julius Wahle (SchrGG 6). Weimar 1892. Goethes Werke. Weimarer Ausgabe. Nachträge und Register zur IV. Abteilung: Briefe. Hrsg. von Paul Raabe. 3 Bde. München 1990 (WA IV 51–53). Wielands Briefwechsel. 18 Bde. Berlin 1963–2005. Bd 1–2: Hrsg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin/Institut für deutsche Sprache und Literatur (Bd 2: durch Hans Werner Seiffert); Bd 3–5: Hrsg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR/Zentralinstitut für Literaturgeschichte durch Hans Werner Seiffert; Bd 6–18: Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften durch Siegfried Scheibe. – Bd 13 II: Juli 1795–Juni 1797. Zweiter T.: Anmerkungen. Bearbeitet von Klaus Gerlach (2000); Bd 14 I: Juli
Siglen und Abkürzungen für Ausgaben und wiss. Literatur
Wenzel, Goethe-Elefant
Wyder, Sympathie für den Tiger
Zedler
LV
1797–Juni 1799. Erster T.: Text. Bearbeitet von Angela Goldack (2000). Manfred Wenzel: Der „Goethe-Elefant“ in Kassel, 1773–1993. In: Samuel Thomas Soemmerring in Kassel (1779–1784). Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte der Goethezeit (Soemmerring-Forschungen. Beiträge zur Naturwissenschaft und Medizin der Neuzeit. Hrsg. von Jost Benedum und Werner F. Kümmel. Bd IX). Stuttgart, Jena, New York 1994, S. 267–312. Margrit Wyder: Sympathie für den Tiger. Ein Raubtier im klassischen Weimar. In: Durch Lebensereignisse verbunden. Festgabe für Dorothea Kuhn zum 90. Geburtstag am 11. März 2013. Hrsg. von Jutta Eckle und Dietrich von Engelhardt (Acta Historica Leopoldina Nummer 62). Halle (Saale) 2013, S. 251–282. Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste, Welche bishero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden. 〈…〉. Leipzig und Halle, Verlegts Johann Heinrich Zedler. 64 Bde. 1732–1750. 4 Supplementbde. Leipzig 1751–1754.
LVI
Abkürzungen in Goethes Briefen, Rechnungsbüchern u. Postsendelisten
Abkürzungen in Goethes Briefen, Rechnungsbüchern und Postsendelisten Bel. betrl., betrl: Brl. d, d., dl, dl. Dem, Dem., Dem:
dergl., dergl: do Durchl, Durchl., Durchl:, Durhl
eingeschl, eingeschl., eingeschl., eingeschll. Ew, Ew., Ew:, Ewl Excell.
fol, fol., fol: fr, fr. Fr. Fräul fürstl, Fürstl., fürstl: Geh, Geh., Geh: H, H., Hl, Hl., Hl:, Hr. herzogl., Herzogl:
Beleg betreffend Brief den (bei Angabe des Datums); gelegentlich auch: der franz. Demoiselle: Fräulein dergleichen dito: desgleichen, ebenso (von ital. ditto, detto: das Gesagte) Durchlaucht(en): Prädikat, das vom Kaiser verliehen wurde und als Adelstitel nur fürstlichen Personen, auch Prinzen eines regierenden Hauses, zustand (von mhd. durchliuhtet: erleuchtet, Lehnübersetzung zu lat. perillustris: sehr angesehen) eingeschlossen Euer (in Verbindung mit einer Anrede, einem Titel) Exzellenz: Auszeichnungstitel für hohe Staatsdiener, meist für die höchsten Hofbeamten wie Minister und Gesandte erster Klasse (von lat. excellentia: Vortrefflichkeit, Vorzüglichkeit) Folio, Blatt (von lat. folium) franco, frank, frei Frau Fräulein fürstliche(n), Fürstliche(n) Geheimer Herr(n) herzogliche(n), Herzogliche(n)
Abkürzungen in Goethes Briefen, Rechnungsbüchern u. Postsendelisten LVII
Hochedlgebl:
Hochwlgl, Hochwohlgel., Hochwohlgeb., Hochwohlgeb:, Hochwohlgebl, Hochwohlgebl., Hochwohlgebl: Hofk. R., H. K. R. Hofr, Hofr., H. R. ingl. Md., Mad:, Madam. M., Mr, Mr: NB., N B., NB. No, No.
O. C. R. Pl:, Packl. p., p:, pag, pag.
p pp, pp. P P., P. P.
P. M. Prof, Prof., Prof: R. R. R. s m.
Schr. seqq. Semus, Sereniss:, Sermo
Hochedelgeboren: Titulatur für Adressaten aus dem Bürgertum, bei Goethe besonders in amtlichen und geschäftlichen Briefen
Hochwohlgebornen: Titulatur für adlige Personen Hofkammerrat Hofrat ingleichen franz. Madame: Frau franz. Monsieur: Herr lat. nota bene: Wohlgemerkt! Beachte! Nummer Oberkonsistorialrat Packet, Paquet lat. pagina, franz. page: Seite lat. perge (fahre fort); im Sinn von ‚usw.‘ lat. perge perge (fahre fort, fahre fort) oder pergite (fahret fort); im Sinn von ‚usw.‘ lat. praemissis praemittendis: unter Vorausschickung des Vorauszuschickenden; auf Konzepten ohne vollständige Angabe von Titel und Namen des Adressaten Pro Memoria, Denkschrift Professor Rath Regierungsrath lat. salvo meliore: vorbehaltlich eines besseren Vorschlags; Bestandteil der Bitte um Antwort am Endes eines amtlichen Votums Schreiben lat. sequentes: folgende lat. Serenissimus (von lat. serenus: heiter, hell, klar): Durchlauchtigster Herr; Titulierung des regierenden Fürsten
LVIII Abkürzungen in Goethes Briefen, Rechnungsbüchern u. Postsendelisten
St., Stck., Stl. Th. u, u. v, v. Wohlgel, Wohlgeb., Wohlgebl, Wohlgebl., Wohlgebl:, Wohlgebrl.
Stück Teil und von
Wohlgeboren: Titulatur für einen mittleren Offizier oder Beamten
Maßeinheiten und Geldrechnung in Goethes Briefen
LIX
Maßeinheiten und Geldrechnung in Goethes Briefen1 Flächen- und Gewichtseinheiten Acker Pfund, Lot
Weimarischer Acker = 28,49708 a = rund 2.850 m2 Nürnberger Handelspfund = 509,996 g Preußisches Pfund = 467,7 g 1 ⁄32 Pfund
Hohlmaße Maß Nösel
Weimarisches Schenkmaß = 0,90 l Weimarischer Schenknösel = 0,45 l
Münze und Geldwerte Pfennig („denarius“) Gulden („Florin“) Groschen Laubthaler (deutsche Bezeichnung für den französischen Écu aux lauriers, eine Silbermünze mit Lorbeerzweigen) Ldl Louisdor, Louisd’or rl, rl., rh, rh., rh:, rth., Reichsthaler rthlr, rthlr., Rthlr Thlr Thaler
dl, dl. fl, fl., f, f., gl, gl., gr., Lbth., Lbthl, Lbthl., Lbthlr, Lbthlr.
1
Vgl. Münzen, Maße und Gewichte in Thüringen. Hilfsmittel zu den Beständen des Thüringischen Staatsarchivs Rudolstadt (Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt Informationshefte 7). Rudolstadt 32006.
LX
Maßeinheiten und Geldrechnung in Goethes Briefen
Rechenstufen (nach dem sogenannten 20 Gulden-Fuß) 1 Carolin 1 Louisdor 1 Laubthaler 1 Reichsthaler
1 Sächsischer Gulden
= 6 Reichsthaler 8 Groschen = 5 Reichsthaler = 1 Reichsthaler 12 Groschen 6 Pfennige = 24 Groschen zu 12 Pfennigen = 288 Pfennige = 90 Kreuzer zu 4 Pfennigen = 17 Groschen 6 Pfennige
BRIEFE 1798
KOMMENTAR
JANUAR 1798
1. An Johann Friedrich Cotta
3
Weimar, 1. Januar 1798 → 〈Tübingen〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: SNM/DLA Marbach, Cotta-Archiv (Stiftung der Stuttgarter Zeitung), Sign.: Briefe Goethe Nr 9. – 1 Bl. 19,4(–19,7) × 27,5(–27,8) cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Unterschrift, Tinte; Rs. Bearbeitungsvermerk von fremder Hd (Cotta’sche Buchhandlung), Tinte: „Göthe, 1. Jan. 98 / 8. ––. / 19 –“. E: Schiller-Cotta (1876), 281. WA IV 13 (1893), 1f., Nr 3702. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Cottas Briefe vom 1. Dezember 1797 (vgl. RA 2, Nr 1031) und 7. Dezember 1797 (vgl. RA 2, Nr 1043). – Cotta antwortete am 20. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1107). Postsendungen: 1. Januar 1798 (H l. B u c h h ä n d l e r C o t t a. Dank für die besorgten Packete.; Briefverzeichnis 1797, Bl. 401v; vgl. WA IV 13, 428); 1. Januar 1798 (vgl. GR/Belege 1798, 2, Bl. 13r); 1. Januar 1798 (vgl. GT II 1, 229). Zur Person Johann Friedrich Cottas (1764–1832) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zum Brief vom 24. August 1797 (GB 12). – Goethe lernte den Verlagsbuchhändler durch die Vermittlung Friedrich Schillers 1797 auf seiner Schweizer Reise kennen: Während seines Aufenthalts in Tübingen vom 7. bis 16. September 1797 wohnte er als Gast im Hause Cottas (vgl. GT II 1, 174–179). Mit dem vorliegenden Brief vom 1. Januar 1798 knüpfte Goethe nahtlos an die im Vorjahr begonnene Korrespondenz mit Cotta an. Sie beinhaltet wesentlich die – ebenfalls durch Schiller vermittelten – geschäftlichen Vereinbarungen zur Herausgabe von Goethes geplanter Kunstzeitschrift „Propyläen“ (1798– 1800), deren Inhalt Goethe in seinem Brief an Cotta vom 27./28. Mai 1798 ausführlich darlegte (vgl. Nr 99). Mit der im Oktober 1798 erfolgten Veröffentlichung des ersten Stücks der „Propyläen“ begann die überaus fruchtbare Zusammenarbeit Goethes mit dem Verlag der Cotta’schen Buchhandlung. – Von Goethe sind für das Jahr 1798 aus dem Zeitraum zwischen 1. Januar und 14. Dezember 1798 insgesamt 18 Briefe an Cotta bzw. an die Cotta’sche Buchhandlung überliefert. Von Cottas Briefen an Goethe sind aus der Zeit vom 20. Januar bis 28. Dezember 1798 insgesamt 18 Briefe erhalten, die sich gelegentlich mit Goethes Briefen kreuzten. Aufgrund des Geschäftscharakters dieser Korrespondenz ließ Goethe die Briefe Cottas nicht in den Faszikeln der eingegangenen Briefe, sondern in einer der Herausgabe der „Propyläen“ gewidmeten Akte abheften, häufig mit den Konzepten seiner Antwortbriefe (GSA 30/299; vgl. Überlieferung zu Nr 99K).
4
BRIEF 1
3,2 die verschiedenen Packete] Während und im Anschluss an Goethes Schweizer Reise war Cotta wiederholt bei der Übermittlung von Postsendungen behilflich gewesen. Zu den von Cotta erbetenen Nachlieferungen gehörten ein Paket mit in Wachstuch eingeschlagenen Textilien, die Goethe in St. Gallen für Christiane Vulpius bestellt hatte (vgl. Goethes Brief an Christiane Vulpius vom 25. Oktober 1797; WA IV 12, 349) sowie eine Schachtel mit Mineralien. Diese bei Felix Anton Halter bestellte Sammlung mit Eisenspat hatte Goethe vermutlich über Barbara Schultheß aus Zürich an Cotta senden lassen (vgl. RA 2, Nr 1019; RA 2, Nr 1026). Beide Sendungen hatte Cotta am 7. Dezember 1797 auf dem Postweg nach Weimar geschickt (vgl. RA 2, Nr 1043; RA 2, Nr 1251+; vgl. auch Cotta, Verlagsbuch, 67a). Die Lieferung enthielt zudem eine gerollte Tabelle mit der typographischen Darstellung der Koalitionskriege, für die sich Goethe am 11. Januar 1798 bedankte (vgl. zu 17,10). 3,3 mancherley Gefälligkeiten] Neben der Vermittlung von Briefen, Büchern und Kunstwerken sowie von Geldanweisungen wie der Bezahlung des Tübinger Kutschers Johannes Kolb war Cotta bei den Nachforschungen zu einer in Tuttlingen vergessenen Uhr sowie einer vermissten Brieftasche behilflich. Zudem verdankte Goethe ihm die Gastfreundschaft während seines Aufenthalts in Tübingen vom 7. bis 16. September 1797. 3,4 meiner Reise] Goethes dritte Schweizer Reise fand vom 30. Juli bis zum 20. November 1797 statt (vgl. GT II 1, 135–225). 3,5 dasjenige mustere was ich auf meinem Wege gesammelt] In den Wochen nach seiner Rückkehr aus der Schweiz ließ Goethe die schriftlichen Erträge seiner Reise in drei Reiseakten binden (vgl. GSA 25/W 2632–2634; zu Inhalt und Überlieferung vgl. GT II 2, 505–514). Die Faszikel enthalten neben persönlichen Aufzeichnungen, Dokumenten und Druckschriften auch Schemata und Entwürfe zu Aufsätzen, die Goethe zu einem späteren Zeitpunkt ausarbeiten wollte. 3,8 In einigen Tagen 〈…〉 nach Jena] Aufgrund seiner zahlreichen gesellschaftlichen wie amtlichen Verpflichtungen, so beim Theater, bei der Bibliothek und beim Schlossbau, musste Goethe seinen seit Dezember 1797 geplanten Arbeitsaufenthalt in Jena immer wieder verschieben. Goethe reiste erst am 20. März 1798 nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240). 3,10–11 etwas das Sie bey Ihrem Vorhaben brauchen können] Cotta hatte Goethe an seine Zusage erinnert, einen Beitrag für die geplante Zeitung „Neueste WeltKunde“ liefern zu wollen (vgl. RA 2, Nr 1031). Vermutlich handelte es sich dabei um einen Beitrag im Zusammenhang mit dem geplanten Italienwerk, über den sie sich während Goethes Aufenthalt in Tübingen im September 1797 verständigt hatten. Auf Cottas Anregung, darüber hinaus ein Gedicht auf den Frieden von Campo Formio zu verfassen, ging Goethe nicht ein. Goethes erster Beitrag für die im September 1798 in „Allgemeine Zeitung“ umbenannte Zeitung erschien erst am 12. Oktober 1798 (vgl. zu 211,3–4).
JANUAR 1798
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3,12 neuen Zeitung] Mit dem 1. Januar 1798 erschien im Verlag der Cotta’schen Buchhandlung die Tageszeitung „Neueste WeltKunde“. Cotta hatte Goethe während seiner Schweizer Reise auf dieses ambitionierte publizistische Unternehmen aufmerksam gemacht, das der Herausgeber Ernst Ludwig Posselt wie folgt ankündigte: „ein politisches TagBlatt, das wie ein treuer Spiegel die wahre und ganze Gestalt unsrer Zeit zurükstrahle, so vollständig, als ob es der ganzen Menschheit angehörte“ (Verlagsanzeige vom 31. Oktober 1797, überliefert in Goethes Reiseakten, GSA 25/W 2634, Bl. 50). Die „N 1 der Weltkunde“ übersandte Cotta am 31. Dezember 1797 mit einem kurzen Begleitschreiben (vgl. RA 2, Nr 1073) als Beischluss eines Briefes an Schiller, der es erst am 9. Januar 1798 an Goethe weiterleitete (vgl. RA 2, Nr 1087). Die erste Ausgabe enthält die von Posselt verfasste „Einleitung. Uiber die neueste Politik, und über den Plan dieses politischen TagBlattes“. Anliegen der täglich in einem Umfang von einem halben Bogen in Großquartformat erscheinenden und durch ein besonderes Privileg von der Zensur befreiten Zeitung war eine historische, der Vollständigkeit, Wahrheit und Unparteilichkeit verpflichtete Darstellung der durch die Französische Revolution verursachten politischen Entwicklungen in Europa. Posselts parteiische Stellungnahme für Frankreich führte jedoch wiederholt zu Beschwerden seitens des österreichischen und des russischen Hofes. Auch Goethe, der gelegentlich erwog, eigene Schriften in der Zeitschrift ankündigen zu lassen, begegnete ihr mit Ablehnung (vgl. zu 15,17–18). 3,14 Attention der Franzosen] Von franz. attention: Achtung, Aufmerksamkeit, hier im Sinne von ‚ein Geschenk aus Gefälligkeit‘ (vgl. GWb 1, 895). – Cottas „Neueste WeltKunde“ profitierte von einer zwischenzeitlichen Beruhigung der politischen Lage. So endete mit dem am 17. Oktober 1797 zwischen Frankreich und Österreich geschlossenen Frieden von Campo Formio der seit 1792 währende Erste Koalitionskrieg. Die Friedens- und Gebietsverhandlungen zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation blieben dem daraufhin einberufenen Rastatter Kongress vorbehalten, der am 9. Dezember 1797 zusammentrat. 3,16 kann es an Stoff nicht fehlen] Die ersten Nummern enthalten eine von Posselt verfasste programmatische „Einleitung. Uiber die neueste Politik, und über den Plan dieses politischen TagBlattes“ sowie Berichte über den Friedenskongress von Rastatt, die Gründung der Cisalpinischen Republik sowie politische Nachrichten über Preußen, Großbritannien und die Schweiz. 3,18 Ihrem Kreise] Zu Cottas Familie gehörte seine Gattin, Ernestine Philippine Wilhelmine geb. Haas, mit der er seit 1791 verheiratet war, sowie der am 19. Juli 1796 geborene gemeinsame Sohn Georg. Die 1791 geborene erste Tochter Wilhelmine war bereits im Januar 1796 verstorben. In seinen Gruß schließt Goethe neben Cottas kleiner Familie vermutlich weitere Persönlichkeiten der Tübinger Gesellschaft mit ein, die er im September 1797 als Gast in Cottas Wohnhaus in der
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BRIEF 2
Münzgasse 15 kennen gelernt hatte (vgl. GT II 1, 174–179). Zu diesen zählten der am Verlag als Associé beteiligte Christian Jakob Zahn und dessen Ehefrau Elisabeth Friederike geb. Haßenmajer, die ebenfalls in Cottas Wohnhaus lebten, im Mai 1798 aber Tübingen verließen.
2. An Carl Ludwig von Knebel
Weimar, 2. Januar 1798 → 〈Nürnberg〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: Biblioteka Jagiello´nska Kraków (Krakau), Autographensammlung Goethe, bis 1945 Preußische Staatsbibliothek Berlin, Sign.: Ms. Germ. Qu. 521, Bl. 152–153. – Doppelblatt 16,5 × 20,8 cm, 2 1⁄3 S. beschr., Schreiberhd (Geist) und egh. (4,17–23), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 von Gottschalk Eduard Guhrauers Hd, Bleistift, oben links: „159“ (vgl. E1), oben in der Mitte: „n. Nbg.“, oben rechts: „98“; oben in der Mitte von Knebels? Hd, Tinte: „N o. 8 7“; S. 2 Anstreichung mit Bleistift am linken Rand, S. 3 Streichung des Textes von Guhrauers Hd, Bleistift (vgl. E1). – In einem 6,5(–8,5) cm starken Konvolut mit schwarzem Ledereinband (23,5 × 29 cm); vorderer Deckel mit Wappen der königlich-preußischen Bibliothek; auf dem Rücken oben in Goldprägung: „GOETHE / Briefe / an / Knebel.“, unten rotes Lederschildchen mit der Signatur: „Ms. Germ. / Quart. 521.“ Auf der Innenseite des vorderen Deckels mit Tinte: „Acc. 3083.“, auf dem Vorsatzblatt oben ebenfalls mit Tinte: „Ms. Germ. 4°. 521.“. Kein Titelblatt. 22 nicht paginierte Zwischenblätter mit Jahreszahlen. 485 Blätter; Paginierung oben rechts mit Bleistift, oben links Nummerierung meist mit Bleistift, einige nach Guhrauers Druck 1851, einige von Knebels Hd, mit Korrekturen (für geplante Veröffentlichung?); Blätter einzeln auf Falz geklebt; Papier mürbe, teilweise mit aufgeklebten, durchsichtigen Papierstreifen restauriert. Wasserschäden, besonders in den Jahrgängen 1828–1830. Siegel auf den Adress-Seiten oft dreieckig ausgeschnitten, Ausschnitt meist unter der Adresse aufgeklebt. Nach Bl. 467 unpaginiertes Zwischenblatt mit der Aufschrift in Tinte: „Undatirte Briefe, No. 1–4, als Nachtrag gedruckt, auf pag. 411. 412. des Briefwechsels zwischen Göthe und Knebel 〈vgl. E1〉, Bd 2. Leipz. 1851. 8°; und No. 5–14, ungedruckte“. Auf der Innenseite des hinteren Deckels mit Bleistift: „482 gez Bll. / 485 gez Bll; dazu Bll. 441a u. 449 a“. – Beischluss zu Nr 4 (vgl. zu 5,10). E1: Goethe-Knebel 1 (1851), 152f., Nr 159 (Teildruck: 4,24–28 Du hast ja 〈…〉 Globus zu liefern. fehlt). E2: WA IV 13 (1893), 2f., Nr 3703.
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BEIL AG E
Beyliegendes Blatt (vgl. zu 3,21). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet keinen Brief Knebels (vgl. zu 3,23–24). – Knebel antwortete am 18. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1102). Postsendungen: 2. Januar 1798 (H e r r n v K n e b e l Packet Bücher. 11 Gulden verschiednes rückständige zu berichtigen. / Anfrage an Behringer; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 428); 2. Januar 1798 (vgl. GT II 1, 229). Portovermerk, 5. Januar 1798: „für 1 〈PL:〉 nach Nürnberg 6 〈gL.〉“ (GR/Belege 1798, 2, Bl. 14). Zur Person Carl Ludwig von Knebels (1744–1834) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 2 II, Nr 175. – Knebel, Goethes Weimarische〈r〉 Urfreund (WA I 4, 83), seit 1784 seines Amtes als Prinzenerzieher entledigt und mit einem Ruhegehalt versehen, siedelte zu Beginn des Jahres 1798 nach Ilmenau über, wo er im Februar die 33 Jahre jüngere Kammersängerin und ehemalige Gesellschafterin der Herzoginmutter, Luise Dorothea Emilie Rudorf (1777–1852), heiratete und bis 1804 im selbst gewählten Exil lebte. Zuvor hatte er sich bereits vom Weimarer Hofleben zurückgezogen und in Jena niedergelassen, mit gelegentlichen Aufenthalten in Franken, wo seine Familie herstammte. Durch die Heirat mit Luise Rudorf fand sich Knebel – ähnlich wie Goethe durch seine Verbindung mit Christiane Vulpius – dem Gerede und Gespött der Weimarer Gesellschaft ausgesetzt. Mit der Heirat adoptierte er Rudorfs zweijährigen Sohn Carl Wilhelm, der aus einer Liaison mit Herzog Carl August hervorgegangen war, was Knebel als einem der wenigen Eingeweihten bekannt war. Der briefliche Austausch wurde durch Knebels Übersiedelung nach Ilmenau im Jahr 1798 reger als in den vorangegangenen Jahren. Goethe kümmerte sich nicht nur darum, dass Knebel seine Pensionsgelder in Ilmenau richtig ausbezahlt erhielt, sondern unterrichtete den Freund auch über seine literarischen und naturkundlichen Aktivitäten. Damit entsprach er Knebels Wunsch nach indirekter Teilhabe am Weimarer Leben, nach Austausch über die gemeinsamen Interessen: „Ich hoffe sehr darauf, daß du mir die Kommunikation zwischen da u. Weimar etwas erleichtern werdest, und ein Mittel ausfinden mögest, den Mangel litterarischer u. andrer Neuigkeiten, ohne deine zu grosse Beschwerde, zu ersetzen.“ (Knebel an Goethe, 18. Januar 1798; H: GSA 28/494, Bl. 4; vgl. RA 2, Nr 1102.) Auch Knebel sendet seine Übersetzung der 1798 erscheinenden „Elegieen von Properz“ an den Freund. Goethe vermittelt hierauf eine Rezension in der „Allgemeinen Literatur-Zeitung“ durch August Wilhelm Schlegel und stellt die Verbindung zwischen den beiden her. Zu einem Wiedersehen zwischen Knebel und Goethe kommt es erst fünf Jahre später, 1803. – Von Goethe sind für das Jahr 1798 aus dem Zeitraum zwischen 2. Januar und 31. Dezember 1798 insgesamt 19 Briefe an Knebel überliefert. Von Knebels
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Briefen an Goethe sind aus der Zeit vom 5. Januar bis 29. Dezember 1798 21 Briefe erhalten. 3,21 Beyliegendes Blatt] Nicht überliefert. Die hier erwähnte Beilage enthielt laut Briefverzeichnis eine Liste mit Aufträgen, die Knebel für Goethe in Nürnberg zu besorgen hatte. Dazu gehörte die Übermittlung einer Anfrage an den Nürnberger Mechanikus David Beringer über die Kosten für die Anfertigung eines Globus (vgl. Nr 3). Georg Wolfgang Franz Panzer sollte ein (nicht zu ermittelndes) Buch erhalten, Johann Karl Siegmund Holzschuher laut Knebels Antwortbrief vom 18. Januar „seinen Herodot“ (H: GSA 28/494, Bl. 3). Der vorliegende Brief erreichte Knebel jedoch nicht in Nürnberg, sondern wurde ihm von Knebels Nürnberger Freund Paul Wolfgang Merkel nach Ansbach nachgeschickt (vgl. zu 17,21), wo sich Knebel bei seiner Mutter Elisabeth Magdalena von Knebel aufhielt. Da sich Knebel vor seiner bevorstehenden Abreise nach Ilmenau nicht mehr selbst um alle Aufträge Goethes kümmern konnte, übernahmen Knebels Freunde die Besorgungen für Goethe, so etwa Paul Wolfgang Merkel (vgl. Nr 4; Nr 24). Katharina von Schückher versprach laut Antwortbrief Knebels, für Goethe „die Würste u. Lebkuchen“ (H: GSA 28/494, Bl. 3) zu besorgen, Holzschuher wollte sich um den Ankauf eines Kupferstichs für Goethe bemühen (vgl. zu 18,23–24). – Mit den beigelegten 11 Gulden (vgl. Postsendungen) sollten Rechnungen bezahlt werden. Näheres ist hierzu nicht bekannt. 3,23–24 Empfangs in Nürnberg] Goethes dritte Schweizer Reise vom 30. Juli bis 20. November 1797 führte ihn auf der Rückreise nach Nürnberg, wo er mit seinem Schreiber Johann Ludwig Geist und Johann Heinrich Meyer vom 6. bis 15. November 1797 Station machte und sich mit Knebel täglich traf, sich von ihm die Stadt zeigen ließ sowie zu Abendgesellschaften und Konzerten ging (vgl. Knebel, Tgb. 1797, 89–91; BuG 4, 383–385). – Der vorliegende Brief ist der erste nach dieser Begegnung. 3,25 Weg und Wetter] Goethe reiste in Begleitung von Meyer und seinem Schreiber Geist von Nürnberg mit Stationen in Erlangen, Forchheim, Bamberg, Kronach, Gräfenthal, Saalfeld, Kahla und Jena zurück nach Weimar. Die Reise dauerte sechs Tage, vom 15. bis 20. November 1797. Geist berichtet in seinem Reisetagebuch von den steilen Wegen und den schlechten Wetterverhältnissen, besonders im Thüringer Wald, wo es am 18. und 19. November „sehr heftig 〈…〉 zu schneyen“ anfing (Geists Tagebuch vom 19. November 1797; GSA 25/W 2646). 3,26–27 mehr einiges vorbereitet als etwas gethan] Goethe führte nach seiner Rückkehr von der Schweizer Reise zwischen dem 20. November und dem Beginn des neuen Jahres 1798 kein Tagebuch. In dieser Zeit beschäftigte er sich neben Vorarbeiten zur Farbenlehre und magnetischen Experimenten vor allem mit der Ordnung der von seiner Reise mitgebrachten Unterlagen. Die Schaffenspause nach der Reise, die sich über Wochen hinzog, thematisierte er u.a. auch in Briefen an Schiller (vgl. 7,20–27) und an Christiane Vulpius (vgl. 119,10–12).
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4,8 den Faust zuerst vorzunehmen] Zu Goethes Wiederaufnahme der Arbeit am „Faust“ vgl. zu 88,21–22. 4,9 meine phisikalischen und naturhistorischen Arbeiten] Goethe begann im Januar und Februar 1798 mit den Vorarbeiten für die „Farbenlehre“. Er beschäftigte sich vor allem mit der systematisierenden Ordnung der Materialien und dem Studium einschlägiger Literatur. Mit Schiller setzte er sich in seinen Briefen intensiv über Methodenfragen auseinander (vgl. Nr 33). – Knebel hieß den Plan Goethes in seinem Antwortbrief vom 18. Januar gut. 4,11 ein Paar Elephanten] Im Tagebuch vermerkt Goethe für den 1., 2. und 3. Januar einen Besuch bei den Tieren, u.a. mit Christiane Vulpius und dem Sohn August (vgl. GT II 1, 229). Die Tiere waren durch eine wandernde Menagerie ins Herzogtum gekommen, die durch den italienischen Schausteller Antonio Alpi in London zusammengestellt worden war (vgl. Wyder, Sympathie für den Tiger, 252). Gezeigt wurden zwei indische Elefanten (vgl. ebd., 253). – Goethe hatte sich bereits 1784 eingehend mit der Anatomie eines Elefantenschädels im Zusammenhang mit seiner Studie über den Zwischenkieferknochen auseinandergesetzt (vgl. GB 6 II, zu 6,13) und beschäftigte sich im März 1798 mit einigen Stücken Elfenbeins aus Elefantenstoßzähnen, die ihm Knebel zugeschickt hatte (vgl. zu 64,2). – Dem lebenden Tier konnte Goethe offenbar wenig abgewinnen, dessen Gestalt er als unharmonisch empfand (vgl. Wenzel, Goethe-Elefant, 277; Oliver Matuschek: Goethes Elefanten. Berlin 2020). 4,13 einigen wilden Thieren] Zu den zur Schau gestellten etwa 30 Säugetieren gehörten außerdem ein Tiger, wahrscheinlich ein Leopard, Panther, Hyänen und Eisbären (vgl. Wyder, Sympathie für den Tiger, 253–256). 4,13–14 außerordentlich schöne Papageyen] Im Tagebuch zählt Goethe unter dem 3. Januar die französischen Namen einiger Vögel auf (vgl. GT II 1, 229), die er während seines Besuches der Menagerie sehen konnte, darunter auch Papageien wie den Regenbogenpapagei, den Keilschwanzlori, den Braunkopfkakadu sowie den Rosenbrustbartsittich (vgl. auch GT II 2, 595). Herzogin Louise bekam von Herzog Carl August einen „Lory“ geschenkt (vgl. LATh – HStA Weimar, Rechnungsbücher A 1219, Bl. 7). 4,15 nach Jena] Der nächste Jena-Aufenthalt kam vom 20. März bis 6. April 1798 zustande (vgl. GT II 1, 237–240). Der Plan, früher nach Jena zu reisen, zerschlug sich aufgrund der vielfältigen Aufgaben beim Theater, bei der Bibliothek sowie beim Schlossbau. 4,15–16 innerhalb deiner vier Wände] Goethe bewohnte im Jenaer Schloss im Nordosten der Stadt, an der Ecke des Fürsten- und Löbdergrabens (Wilhelmerschloss), zwei Zimmer im ersten Stock, die Knebel von Herzog Carl August zur Verfügung gestellt bekommen hatte, weil er zwischen Franken, Weimar und Jena häufig den Wohnsitz wechselte. Knebels Wohnung war nach Heinrich Düntzer „die erste Stube auf dem ersten Stocke links nebst ein paar Nebengemächern, wo
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sich jetzt ein Theil des Mineralienkabinets befindet“ (Düntzer, Freundesbilder, 457). In unmittelbarer Nähe zu diesen Zimmern befanden sich die Räumlichkeiten des Herzogs, die auch ein botanisches, zoologisches und mineralogisches Kabinett umfassten. Die Zimmer waren schlicht eingerichtet und enthielten nur wenige Möbel. Die Einrichtungsgegenstände gehörten Knebel, der einen Teil davon gegen Ende des Jahres 1798 nach Ilmenau schaffen lassen wollte (vgl. zu 248,27). 4,17 Deine Freundinn] Luise Rudorf war wahrscheinlich nach Templin in der Mark gereist, wo ihr Sohn Carl Wilhelm, unehelicher Sohn Herzog Carl Augusts, der dort auch geboren worden war (vgl. Wolfgang Huschke: Unebenbürtige Sprossen Carl Augusts von Weimar. In: Familie und Volk. Zeitschrift für Genealogie und Bevölkerungskunde 6 [1957] S. 257–266, hier S. 260), bei einer Tante wohnte. Nach ihrer Rückkehr mit dem Sohn hielt sie sich noch bis zum 8. Februar 1798 in Weimar auf (vgl. RA 2, Nr 1128) und reiste von dort nach Ilmenau zu Knebel. 4,20 Meyer] Johann Heinrich Meyer hatte Knebel in Nürnberg im November 1797 wieder getroffen und war bei allen gesellschaftlichen Unternehmungen zugegen. Am 10. November 1797 hatte er mit Knebel allein die Rochuskapelle der Familie Imhoff im Westen Nürnbergs besucht (vgl. BuG 5, 383). Nach seiner Ankunft in Weimar entwarf Meyer die Vorlage für das Titelkupfer von Knebels Properz-Übersetzung (vgl. zu 87,27). Die gegenseitige Sympathie spricht sich u.a. in Knebels Antwortbrief vom 18. Januar aus: „Grüsse nochmals den guten Meyer, den ich so sehr schätze 〈…〉!“ (H: GSA 28/494, Bl. 4.) 4,20 und schreibt] Nicht überliefert. 4,22 Grüße die Freunde] Zu den Freunden und Bekannten Knebels, die Goethe in Nürnberg kennen lernte, gehörten der Kaufmann Paul Wolfgang Merkel (vgl. auch die einleitende Erläuterung zu Nr 4), Johann Karl Siegmund Holzschuher, Katharina von Schückher, der Mediziner Johann Carl Osterhausen, Maria Anna Benigna von Hutten, der Pfarrer Schaffer Panzer, der Pfarrer und Historiker Johann Ferdinand Roth sowie Johann Friedrich Häcker. 4,25 die Antwort auf inliegendes Blatt] Gemeint ist Goethes Nachricht an David Beringer (Nr 3) und dessen auf demselben Papier erfolgte Antwort (vgl. zu 5,3). 4,27 Ich habe den Mann selbst besucht] An welchem Tag seines NürnbergAufenthalts dieser Besuch stattfand, ist nicht bekannt. Im Tagebuch finden sich keine Aufzeichnungen für die in Nürnberg verbrachten Tage, in Geists Tagebuch ist es nicht vermerkt. 4,28 den angefangenen Globus] Goethe hatte bereits am 9. Januar 1797 einen Globus aus Nürnberg über den Leipziger Buchhändler Johann Gottlob Gerhard Fleischer bestellt (vgl. GT II 1, 92; EB 8). Die Lieferung erfolgte jedoch aufgrund der großen Nachfrage an Globen nicht, was Fleischer in einem Brief vom 12. Juni 1797 zu entschuldigen suchte (vgl. RA 2, Nr 843). Bei seinem Aufenthalt in Nürnberg konnte Goethe die Angelegenheit persönlich regeln und bestellte nun
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selbst einen Globus bei dem Mechanikus David Beringer. Um Bezahlung und Versand kümmerte sich stellvertretend für Goethe und nach der Abreise Knebels der Nürnberger Kaufmann Paul Wolfgang Merkel.
3. An David Beringer Weimar, 2. Januar 1798 → Nürnberg ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 29/89 I. – Doppelblatt 14,4 × 20,3 cm, Schreiberhd (Geist), mit egh. (?) Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Unterschrift, Tinte; S. 4 Adresse: Herrn Mechanikus / Beringer / nach / N ü r n b e r g.; Textverlust durch Beschnitt am rechten Rand, vgl. 5,1; 5,2; 5,4; 5,5; darunter Antwort Beringers (vgl. zu 5,3). – Beischluss zu Nr 2. E: WA IV 50 (1912), 18, Nr 3703a (Carl Schüddekopf). ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Beringer notierte seine Antwort unter Goethes Brief, wahrscheinlich unmittelbar nach dessen Erhalt im Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1076a+). Postsendungen: 2. Januar 1798 (H e r r n v K n e b e l Packet Bücher. 11 Gulden verschiednes rückständige zu berichtigen. / Anfrage an Behringer; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 428); 2. Januar 1798 (vgl. GT II 1, 229). David Beringer (1756–1821) wurde als Sohn des Ahlenschmieds Friedrich Beringer und seiner Frau Anna geb. Seyfried in Nürnberg geboren. 1777 wurde er Kompassmachermeister und stellte in seiner Werkstatt in der Jakobstraße (früher „Auf dem Steig“) in Nürnberg Kompasse, Sonnenuhren und andere mathematischphysikalische Instrumente her. Einen Namen machte er sich mit der Herstellung von Reisesonnenuhren (vgl. Grötzsch, Globusinventarisierung, 147). Seit 1792 arbeitete er mit dem Astronomen Johann Elert Bode und dem Kartographen Daniel Friedrich Sotzmann zusammen an der Herstellung von Globen. Beringer übernahm die Herstellung und den Alleinvertrieb: Er erhielt die von Berliner Kupferstechern verfertigten Globenstreifen zugesandt, klebte sie auf die aus Gips hergestellten Globen und montierte sie in Holzgestelle. Die Endprodukte wurden nach Berlin gesandt, wo sie regen Absatz fanden. Da Beringer mit der Produktion in Verzug geriet, kam es zu langen Wartezeiten. Diese Erfahrung musste auch Goethe machen, der bereits am 9. Januar 1797 einen Globus über den Leipziger Buchhändler Johann Gottlob Gerhard Fleischer bestellt hatte (vgl. GT II 1, 92; vgl. EB 8). Fleischer entschuldigte sich in einem Brief vom 12. Juni 1797 für die Verzögerung
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der Lieferung (vgl. RA 2, Nr 843). Anlässlich seines Aufenthalts in Nürnberg im November 1797 konnte Goethe die Angelegenheit persönlich regeln: So besuchte er Beringer in seiner Werkstatt und bestellte vor Ort einen Globus. Über das Treffen der beiden ist nichts bekannt (vgl. zu 4,27), jedoch war es insofern erfolgreich, als Goethe bereits im Frühjahr 1798 den von Beringer gefertigten Globus erhielt. In der in Goethes Bibliothek nachweisbaren „Kurzen Beschreibung der Reichsstadt Nürnberg“ (vgl. Ruppert, Nr 3998), die Goethe wahrscheinlich während seines Nürnberg-Aufenthalts mit sich führte, ist Folgendes über Beringers Werkstatt zu lesen: „David Behringer, Compaßmacher aufm Steig, verfertigt auch Astrolabien, Proportionalzirkel, und andere mathematische Instrumente. Ferner nach der Zeichnung Herrn Profess. Bode, und Herrn geheimen Kriegs-Secretair Sotzmann in Berlin, neue Himmels- und Erdkugeln, welche einen Rheinischen Fuß im Durchmesser halten, und sehr schön ausgearbeitet sind.“ (Kurze Beschreibung der Reichsstadt Nürnberg. Ein Handbuch für Einheimische und Fremde, zunächst aber für Reisende. Verfasset von C〈hristian〉 G〈ottlieb〉 Müller. Nebst einem geometrischen Grundriß von der Stadt. Nürnberg 1793, S. 225.) Der Kontakt zwischen Goethe und Beringer war rein geschäftlich. – Der vorliegende Brief Goethes ist der erste und einzige an Beringer gerichtete. Auch von Beringer selbst ist nur der unten abgedruckte Antwortbrief erhalten (vgl. zu 5,3). 5,2 Überbringern] Wahrscheinlich ein Bediensteter oder Knebel selbst bzw. ein Bote von dessen Nürnberger Freund, dem Kaufmann Paul Wolfgang Merkel (vgl. Nr 4 und Nr 24). Goethe hatte Knebel in seinem Brief vom 2. Januar (vgl. Nr 2) gebeten, den Brief an David Beringer weiterzuleiten (vgl. 4,24–26). 5,3 versprochne Erdglobus] Beringer vermerkte die Antworten auf Goethes Fragen nach Preis und Versendetermin direkt unter dem Brief. Wahrscheinlich wurde der Zettel wieder an Goethe am 18. Januar 1798 durch Knebel geschickt (vgl. RA 2, Nr 1102): „Die Erd Globen kost 24 f / Die Emballage ...... 2 f / Im Zeit 4 Wochen / David Beringer Mech:“ – Die Bezahlung von letztlich 28 Florin (franz. Bezeichnung für Gulden) erfolgte wahrscheinlich über Paul Wolfgang Merkel (vgl. 36,19–20). Belege, auch für den Zeitpunkt des Eintreffens des Globus in Weimar, sind nicht überliefert. Der noch heute in Goethes Besitz nachweisbare Erdglobus war von Daniel Friedrich Sotzmann aus Berlin 1791 entworfen und in David Beringers Werkstatt in Nürnberg fertig gestellt worden (GNM Nürnberg, Inv.-Nr GKg/01181; vgl. Gisela Maul, Margarete Oppel: Goethes Wohnhaus. Wien 1996, S. 122f.). 5,4 wegen der B〈ezahlung〉] Um den Versand nach Weimar sowie die Bezahlung kümmerte sich nach Goethes Anfrage am 31. Januar 1798 wahrscheinlich der Nürnberger Kaufmann Paul Wolfgang Merkel (vgl. Nr 24).
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4. An Paul Wolfgang Merkel
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Weimar, 2. Januar 1798 → 〈Nürnberg〉
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H: GNM Nürnberg, Sign.: Autographen Merkel-Archiv (Leihgabe der Familie Merkel). – Doppelblatt 13,8 × 19,5 cm, ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Unterschrift, Tinte; Couvert 17,8(–20,1) × 33,7(–34,5) cm, an den Seiten beschnitten, Adresse von Schreiberhd: 〈…〉dirt / 〈…〉 〈Mer〉ckel / 〈…〉 Nürnberg; Reste eines rotes Siegels. – Beischluss: Nr 2. E: Paul Raabe: Weitere ungedruckte Goethe-Briefe. In: GJb N. F. 21 (1959), 255–272, hier 257, Nr 1. WAN 1 (WA IV 51 [1990]), 130, Nr 3703b. ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Eine Antwort erhielt Goethe über Carl Ludwig von Knebel am 18. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1102). – Von Merkel ist kein Antwortbrief bekannt. Postsendungen: 2. Januar 1798 (vgl. GT II 1, 229). Paul Wolfgang Merkel (1756–1820) wurde als sechstes Kind und dritter Sohn des Kaufmanns Caspar Gottlieb Merkel, Vorsteher des Handelsstandes sowie Assessor am Banko-Gericht, und Maria Magdalena Merkel geb. Merz in Nürnberg geboren. Nachdem die älteren Brüder früh gestorben waren, wurde er trotz seiner Neigung zu Geschichte, Literatur und Sprachen für den Kaufmannsberuf bestimmt, um später das elterliche Unternehmen zu leiten. Nach Abschluss seiner Kaufmannslehre in der Manufakturhandlung Hieronymus Deterding in Nürnberg und dem Tod beider Eltern 1783 führte er gemeinsam mit seinem Bruder Eibert Heinrich Gottlieb Merkel das Geschäft „Merkel und Söhne“ fort. 1784 heiratete er Margarete Elisabeth Bepler, deren Vater das Handelshaus Lödel gehörte und in dessen Unternehmen er als Teilhaber eintrat. Nach dem Tod des Bruders 1787 wurden die beiden Handelshäuser zu „Lödel & Merkel“ vereinigt. Unter Merkel, der als Großhändler zu der wirtschaftlich mächtigsten Schicht Nürnbergs im ausgehenden 18. Jahrhundert gehörte, erlebte das Unternehmen einen großen Aufschwung. Merkel handelte mit Spezereien, Kolonialwaren aus Westindien, Manufaktur- und Fabrikerzeugnissen. Ein Speditionshandel war ebenfalls Teil des Unternehmens. Merkels Ansehen in seiner Heimatstadt vermehrte sich mit der Übernahme verschiedener Ämter: 1786 wurde er zum Marktadjunkten, 1791 zu einem der vier Marktvorsteher gewählt. Mit dem Übergang Nürnbergs an Bayern 1806 erhielt er die Ernennung zum Finanzrat, 1809 zum Assessor am Handels-Appellationsgericht. 1819 ging er als Abgeordneter Nürnbergs nach München in den Landtag und wurde in den Neunerausschuss gewählt. Zeit seines Lebens sammelte er Druckgraphik, Gemälde, Bücher,
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Stiche, Holzschnitte und Kunstgegenstände aus reichsstädtischer Zeit. Als er 1820 unerwartet starb, hinterließ er bedeutende Kunstwerke und Sammlungen wie etwa die umfangreiche Bibliothek Paul Carl Welser von Neunhofs, deren Anschaffung für die Herzogliche Bibliothek in Weimar Goethe 1804 angetragen worden war (vgl. RA 4, Nr 1554), deren Ankauf aber letztlich nicht zustande kam. – Vgl. zu Merkel weiterführend Seiderer, Paul Wolfgang Merkel, 12–37. Goethe lernte Merkel auf seiner Rückreise aus der Schweiz im November 1797 kennen, als er in Nürnberg Station machte und sich in Gesellschaft Carl Ludwig von Knebels zwölf Tage dort vom 6. bis 15. November 1797 aufhielt. Knebel war mit Merkel und dessen ältester Schwester Katharina von Schückher befreundet, wodurch es in einem Gasthaus am Schießgraben, dem so genannten Herrenschießhaus, am 9. November 1797 zu einer ersten Begegnung zwischen Goethe und Merkel kam. In seinem Tagebuch vermerkt Merkel dazu: „Göthe war im Schießgraben. Major Knebel setzte mich neben ihn und wir sprachen beständig miteinander; er unterhielt sich sehr lebhaft mit mir.“ (StadtAN, Sign.: E18_111; vgl. BuG 4, 382.) Auch am 10. und 11. November fand eine Begegnung statt: Über das Treffen am 11. in großer Gesellschaft im Haus von Merkels Schwester von Schückher schreibt Merkel: „Goethe sprach über 1 Stunde mit mir allein, von den bildenden Künsten, von Mengs, von dem menschL. Geist etc – u ließ seinen Geist hervorblickL. Wir waren bis 12 Uhr beisammen.“ (Ebd.) Am Tag der Abreise kam Merkel zu ihm, um Abschied zu nehmen (vgl. ebd.; BuG 4, 385). Knebel, der Merkel 1797 kennen gelernt hatte und ab 1798 freundschaftlich mit ihm verbunden war, schrieb am 21. Januar 1820, einen Tag nach Merkels Tod, in einem Brief an Goethe voll Hochachtung über ihn: „Keinen bravern, würdigern, verdienstlichern Mann kenne ich nicht. So wird er überall geliebt und verehrt. Das ist eine seltne Menschenart.“ (H: GSA 28/516, Bl. 4; vgl. Düntzer, Knebels Nachlaß 1, XXIII.) – Nach Merkels Tod 1820 erhielt Goethe zwei nekrologische Schriften, die sich noch in seiner Bibliothek befinden: „Merkels Begräbnisfeyer am 20. Januar 1820. Nur als Ms. für Freunde des Verewigten von einigen seiner Freunde“ (Nürnberg 1820; vgl. Ruppert, Nr 179) sowie „Nachricht von dem Leben Paul Wolfgang Merkel’s weiland verordneten Vorstehers des Handelsplatzes Nürnberg“ von Karl Johann Friedrich von Roth (vgl. Ruppert, Nr 180). – 1798 nutzte Goethe die Verbindung zu Merkel für die Erledigung von Aufträgen in Nürnberg. Mit deren Ausführung endet die kurze Korrespondenz: Der vorliegende Brief ist der erste von zwei überlieferten Briefen, beide vom Januar 1798. Die Briefe blieben bis in die 1930er Jahre im Merkel’schen Familienbesitz und wurden als Goethe-Devotionalien weitergereicht, bis sie schließlich zum Rest des Familienarchivs als Leihgabe ins Germanische Nationalmuseum in Nürnberg gelangten. – Merkels Antwortbriefe sind nicht überliefert. 5,8 schon von Nürnberg abgegangen] Carl Ludwig von Knebel hielt sich nach dem 5. Januar 1798 für einige Tage in Ansbach auf, um dort seine Mutter Elisabeth Magdalena von Knebel sowie Carl August von Hardenberg aufzusuchen, kehrte
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dann aber für einige Tage wieder nach Nürnberg zurück. In der Nacht vom 21. Januar brach er von Nürnberg nach Ilmenau auf. Über seine Reisepläne setzte Knebel Goethe in seinem Brief vom 5. Januar genauer in Kenntnis (vgl. RA 2, Nr 1081). 5,10 beyliegenden Brief demselben nachzuschicken] Knebel erhielt Goethes Brief (Nr 2) durch Merkel. Er wurde ihm nach Ansbach nachgeschickt (vgl. zu 17,21). 5,10–11 das Packet] Das Paket enthielt Bücher, Geld sowie einen Brief an David Beringer (Nr 3), wie aus dem beigeschlossenen Brief an Knebel hervorgeht (vgl. 3,21–22). 5,11–12 Aufträge] Vgl. zu 3,21.
5. An Friedrich Schiller
Weimar, 3. Januar 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 3–4. – Doppelblatt 19,4 × 22,8(–23) cm, 2 ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 4 Adresse: Des / Herrn Hofrath Schiller / Wohlgebl. / J e n a. / f r a n k.; Reste einer Verschlussoblate, Ausriss durch Öffnen der Oblate. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 4–7, Nr 399. WA IV 13 (1893), 4–6, Nr 3704. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 2. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1076). – Schiller antwortete am 5. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1082). Postsendungen: 3. Januar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 428); 3. Januar 1798 (Brief nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r). Zur Person Friedrich Schillers (1759–1805) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 10 II, Nr 24. – Schiller zählte zu Goethes bedeutendsten Korrespondenzpartnern. Ihre vielschichtige Freundschaft ist in einem über 1000 überlieferte Briefe umfassenden Briefwechsel der Jahre 1794 bis 1805 dokumentiert, dem Goethe Werkcharakter zubilligte. Noch zu Lebzeiten besorgte er 1828/29 dessen Erstdruck (Zur Editionsgeschichte vgl. ebd., S. X–XII). – Mit dem vorliegenden Brief schloss Goethe nahtlos an die Korrespondenz des Jahres 1797 an. Wie in den Jahren zuvor nutzte er die Gelegenheit des Jahreswechsels, um eine Zwischenbilanz seines produktiven, von der Einsicht in die wechselseitige Komplementarität geprägten Arbeitsbündnisses mit Schiller zu ziehen und diesen auf die weitere Zusammenarbeit einzustimmen. Zu den nach der Rückkehr von der Schweizer Reise Ende November 1797 gefassten und mit Schiller
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1798 ausführlich besprochenen Arbeitsvorhaben Goethes zählten die Weiterarbeit am „Faust“, die Übersetzung von „Benvenuto Cellini“ und das geplante Versepos „Achilleis“. Zudem nahm Goethe seine Arbeit an der „Farbenlehre“ wieder auf, die durch Schillers Anregung wichtige methodologische Klärung erfuhr. Regen Anteil nahm Schiller auch an der Vorbereitung von Goethes geplanter Kunstzeitschrift „Propyläen“ (1798–1800), deren erstes Stück im Oktober 1798 erschien. Schiller hatte zuvor mit seinem Verleger Johann Friedrich Cotta die entsprechenden geschäftlichen Vereinbarungen zur Herausgabe dieser Zeitschrift getroffen und damit zugleich die Grundlage für Goethes folgende Zusammenarbeit mit Cotta gelegt. Zu den gemeinsamen Vorhaben des Jahres 1798 gehörte die Vorbereitung des von Schiller herausgegebenen „Musen-Almanachs für das Jahr 1799“. Unter der besonderen Anteilnahme Goethes beendete Schiller im Herbst 1798 den ersten Teil seiner geplanten „Wallenstein“-Trilogie. Unter Goethes Theaterleitung wurde am 12. Oktober 1798 mit der Uraufführung von „Wallensteins Lager“ das neu umgebaute Weimarer Hoftheater wiedereröffnet; die Uraufführung der „Piccolomini“ folgte am 30. Januar 1799. Der kontinuierlich gepflegte Briefwechsel Goethes mit Schiller – dieser schrieb seine Briefe an Goethe in der Regel an seinen Posttagen, am Dienstag und Freitag, Goethe antwortete zumeist an den darauf folgenden Tagen – wurde nur gelegentlich unterbrochen, so im April 1798 aufgrund einer Erkrankung Schillers. In diesen Tagen fiel es Schillers Frau Charlotte zu, als sein „Sekretair“ (an Goethe, 13. April 1798; H: GSA 28/802, St. VII; vgl. RA 2, Nr 1243) den Briefkontakt aufrecht zu halten (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 38). Ihr freundschaftliches Arbeitsbündnis intensivierte sich während Goethes häufiger Aufenthalte in Jena (20. März–6. April, 20. Mai–21. Juni, 6.–9. Juli, 1.–16. August, 22. September–1. Oktober, 14.–22. Oktober, 11.–29. November), während der Goethe fast täglich in Schillers Haus und Garten verkehrte. In diesen Wochen beschränkte sich ihr Briefwechsel auf gelegentliche kurze Nachrichten. – Von Goethe sind für das Jahr 1798 aus dem Zeitraum zwischen 3. Januar und 29. Dezember insgesamt 83 Briefe an Schiller überliefert, darunter ein gemeinsam mit Christian Gottlob Voigt verfasstes amtliches Schreiben (Nr A 19) sowie ein mit Franz Kirms geschriebener Brief vom Ende des Jahres 1798 (Nr 249). Drei weitere Briefe Goethes an Schiller sind erschließbar (EB 73, EB 103, EB 111). Von Schillers Briefen an Goethe sind aus der Zeit vom 2. Januar bis 31. Dezember 1798 insgesamt 83 überliefert. 5,14–15 einander so nahe sind] Sein ursprüngliches Vorhaben, die Wintermonate in Italien zu verbringen, hatte Goethe aufgrund der politischen Lage zugunsten einer Reise in die Schweiz aufgeben müssen, von der er am 20. November 1797 nach Weimar zurückgekehrt war. Den vorherigen Jahreswechsel 1796/97 hatte Goethe in Leipzig verbracht. 5,15 bald wieder sehen] Goethe musste seinen bereits im Dezember 1797 geäußerten Wunsch, Schiller in Jena zu besuchen (vgl. Goethes Brief an Schiller vom
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27. Dezember 1797; WA IV 12, 387), aufgrund seiner amtlichen Verpflichtungen mehrfach verschieben. Er reiste erst am 20. März 1798 nach Jena (vgl. GT II 1, 237). Die letzte persönliche Begegnung mit Schiller hatte am 15. Juni 1797 vor Goethes Schweizer Reise stattgefunden (vgl. ebd., 117). 5,16 Continuation] Lat. continuatio: ununterbrochene Fortführung, Zusammenhang. – Hier im Sinne von ‚auf Dauer, auf längere Sicht‘ (vgl. GWb 5, 602). 5,19 Wallenstein] Goethe nahm an der Entstehung von Schillers gleichnamiger Dramentrilogie großen Anteil. Anlässlich der Arbeit zur „Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs“ hatte sich Schiller 1791 erstmals mit dem Plan eines Trauerspiels über den Tod des böhmischen Feldherrn Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein beschäftigt (vgl. die Dokumente zur Entstehungsgeschichte, NA 8 N III, 45–308). Im Oktober 1796 begann Schiller mit der Ausarbeitung des Dramas, das zur Michaelismesse 1797 bei Cotta erscheinen sollte. Es sah einen eigenständigen Prolog sowie ein einteiliges, fünf Akte umfassendes Hauptdrama vor, das Schiller zunächst in Prosaform konzipierte. Die Arbeit wuchs sich bald aus, weshalb Goethe, der als Theaterleiter aber auch vor dem Hintergrund der gemeinsamen dramentheoretischen Überlegungen der Fertigstellung des „Wallenstein“ größte Bedeutung beimaß und Schiller nachdrücklich zur Weiterarbeit motivierte, einen Zyklus von Stücken empfahl. Erste Textfassungen lernte Goethe während seines Aufenthalts in Jena im März 1798 kennen (vgl. GT II 1, 237f.). Die endgültige Entscheidung für eine Trilogie wurde erst im September 1798 getroffen. Alle drei Stücke wurden unter Goethes Leitung am Weimarer Hoftheater uraufgeführt: Mit dem Prolog und „Wallensteins Lager“ („Ein Vorspiel zu den beyden Trauerspielen Piccolomini, und Wallenstein, von Schiller“; vgl. Theater/Musik Weimar) wurden am 12. Oktober 1798 die neue Theatersaison und zugleich das nach Plänen des Stuttgarter Architekten Nikolaus Thouret umgebaute Weimarer Hoftheater eröffnet. Die Uraufführung der „Piccolomini“ fand am 30. Januar 1799 anlässlich des Geburtstags von Herzogin Louise statt; der abschließende dritte Teil („Wallensteins Tod“) wurde am 20. April 1799 uraufgeführt. Die endgültige Druckfassung wurde Ende Juni 1800 bei Cotta unter dem Titel „Wallenstein. Ein dramatisches Gedicht von Schiller. Erster und Zweiter Theil“ veröffentlicht. 6,1 dies Jahr vollbringen] Schiller beendete seine „Wallenstein“-Trilogie erst im März 1799. 6,3 künftigen Sonntag] 7. Januar. 6,4 ein neues Hinderniß] Der Bibliothekar Johann Christoph Ferdinand Spilcker hatte am 2. Januar 1798 seine ausführliche Antwort auf die von Goethe und Voigt angestellten „Erkundigungen über die gegenwärtige Bibliotheks-Verwaltung“ vorgelegt (LATh – HStA Weimar, Kunst und Wissenschaft – Hofwesen A 11619, Bl. 95–122; vgl. FA/Goethe I 27, 412f.). Die Verbesserung der bestehenden Verhältnisse sollte Goethe in den folgenden Tagen intensiv beschäftigen (vgl. GT II 1, 229f. und FA/Goethe I 27, 413–418). Zu den Schwierigkeiten bei der Reorga-
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nisation der Bibliotheksarbeit nach der im Dezember 1797 erfolgten Übernahme der Oberaufsicht durch Goethe und Christian Gottlob Voigt vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr A 8 sowie zu 83,11. 6,4–5 auf den Sonabend werde ich mehr sagen können] In seinem Brief vom 6. Januar kündigte Goethe an, seine geplante Reise nach Jena erneut verschieben zu müssen (vgl. Nr 6). Grund war diesmal der mit Christian Gottlob Voigt am 4. Januar vereinbarte Besuch der Bibliothek am Morgen des 7. Januar (vgl. GT II 1, 230; vgl. FA/Goethe I 27, 413–418). Goethe reiste erst am 20. März nach Jena (vgl. GT II 1, 237). 6,6 Abschrifft eines alten Gesprächs] Goethe übersandte den von seinem Schreiber Ludwig Geist angefertigten handschriftlichen Auszug aus dem Werk „Neu-polirter Geschicht- Kunst- und Sitten-Spiegel ausländischer Völcker“ (Nürnberg 1670, S. 42f.) des Barockdichters und Polyhistors Erasmus Francisci am 6. Januar (vgl. zu 8,28). Die Abschrift beinhaltet ein theologisches Streitgespräch des Jesuiten und Missionars Matteo Ricci mit einem buddhistischen Priester über die schöpferische Allmacht Gottes: Nach der Behauptung des Chinesen, dass jeder Mensch Gott darin gleichkomme, fordert Ricci seinen Kontrahenten dazu auf, eine mit glühenden Kohlen gefüllte Glutpfanne zu erschaffen. Goethe hatte Franciscis Werk am 6. Dezember 1797 aus der Weimarer Bibliothek entliehen (vgl. Keudell, Nr 83). Es diente Goethe und Schiller wiederholt als Materialquelle für eigene Arbeiten (vgl. zu 21,5). 6,7–8 schaffender Idealist] Im Unterschied zum Jesuiten, der nur ein Ebenbild der Außenwelt anzuerkennen vermag, glaubt der chinesische Gelehrte an eine schöpferische, die Dinge hervorbringende Geistestätigkeit. Goethe deutet diese Position aus der Sicht der idealistischen Philosophie Johann Gottlieb Fichtes und Friedrich Wilhelm Joseph Schellings Schrift „Ideen zu einer Philosophie der Natur“ (1797), der er vorwirft, die Empirie zu vernachlässigen. 6,8 Reinholdianer] Anhänger des Philosophen Karl Leonhard Reinhold. Reinhold lehrte zwischen 1787 und 1794 als Professor der Philosophie an der Universität Jena, bevor er 1794 einem Ruf nach Kiel folgte. Er zählte zu den Wegbereitern von Immanuel Kants kritischer Transzendentalphilosophie, die er zu einer „Elementarphilosophie“ zu systematisieren suchte. Darin werden Vernunft und Sinnlichkeit aus dem menschlichen Vorstellungs- und Erkenntnisvermögen abgeleitet – eine Position, die Goethe hier in polemischer Absicht mit der Haltung des Jesuiten gleichzusetzen versucht. Goethes Beziehung zu Reinhold war distanziert: Ein Gespräch war nicht mit ihm zu führen, ich habe nie etwas durch ihn, oder von ihm lernen können. (Brief an Friedrich Heinrich Jacobi, 2. Februar 1795; GB 10 I, 109,20–21.) 6,11 Buch von Retif] Nicolas Edme Rétif de La Bretonne: Monsieur-Nicolas; ou le cœur-humain dévoilé. 8 Bde. Paris 1794–1797. Schiller hatte Goethe im Bezugsbrief auf die Autobiographie des französischen Schriftstellers aufmerksam ge-
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macht und angefragt, ob er „das seltsame Buch 〈…〉 je gesehen oder davon gehört“ habe (NA 29, 180). Das Werk war Goethe im Titel bekannt, wie eine gestrichene Passage im Konzept seines Briefes an Christian Gottfried Körner vom 8. Dezember 1796 (vgl. GB 11 I, 250,4–5) sowie die Empfehlung durch Herzog Carl August bezeugen, der in seinem Brief an Goethe vom 22. März 1797 das Werk als „über die beschreibung langweilig, roh, u. geschmackloß“ beurteilte (H: GSA 28/770; vgl. RA 2, Nr 688). 6,11–12 zu erhalten suchen] Goethe entlieh die ersten vier Bände des mehrteiligen Werkes am 4. Juni 1798 aus der Weimarer Bibliothek und las sie während seiner folgenden beiden Aufenthalte in Jena (vgl. Keudell, Nr 113 und GT II 1, 247f., 252). 6,17–18 Herrmann und Dorothea] Goethes gleichnamiges Hexameterepos war im Oktober 1797 bei Friedrich Vieweg in Berlin als „Taschenbuch für 1798“ erschienen (vgl. Hagen, 146f., Nr 231a–d). Die zwischen September 1796 und Juni 1797 entstandene Dichtung zählte zu Goethes erfolgreichsten Werken (vgl. EGW 7, 202–318). Sie behandelt ein zeitgenössisches bürgerliches Sujet – die erfolgreiche Werbung des wohlhabenden Wirtssohnes Herrmann um die in den Revolutionswirren heimatlos gewordene Dorothea. Das Werk wurde in Goethes Umkreis begeistert aufgenommen (vgl. zu 112,11) und mehrfach besprochen, so von Wilhelm von Humboldt (vgl. zu 114,24) und von Johann Gottfried Schweighäuser (vgl. zu 72,21). Es ist vielfach Gegenstand in Goethes Briefen des Jahres 1798. 6,20 ein dramatisches Stück] Nicht ermittelt. 6,24 so vieles andere] Über die eigenen literarischen Arbeitsvorhaben Goethes nach seiner Ende November 1797 erfolgten Rückkehr aus der Schweiz informiert ein dem Schreiber Geist diktierter, undatierter Arbeitsplan „Verzeichniß poetischer und litterarischer Arbeiten welche zunächst bevorstehen“ (GSA 27/55; vgl. MA/ Goethe 6 I, 851f.). Zu diesen zählten die Weiterarbeit am „Faust“ (vgl. zu 88,21–22), die Vorbereitung einer „Sammlung der neuern Gedichte“, die Fortsetzung der Novellensammlung „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“, „Cellini“ (vgl. zu 62,4–5), sowie die epischen Vorhaben „Achilleis“ und „Wilhelm Tell“ (vgl. zu 80,29). Da Goethe seine Reise nach Jena mehrfach verschieben musste, konnte er diese und weitere Vorhaben erst im März 1798 mit Schiller in Jena besprechen (vgl. GT II 1, 237f.). 6,27 Elephanten] Zu Goethes Eindrücken von der in diesen Tagen in Weimar gastierenden Menagerie vgl. zu 4,11. 6,27–28 Florentinische Madonna] Gemeint ist Johann Heinrich Meyers Aquarellkopie von Raffaels berühmter „Madonna della Sedia (delle Seggiola)“ (1515/16), die Meyer als „himmlisch, vollkommen“ und als „eine Sammlung der schönsten, zartesten, menschlichsten Gefühle“ rühmte (Brief an Goethe vom 5. Juli 1796; Goethe-Meyer 1, 281; vgl. RA 2, Nr 263). Meyer hatte das Gemälde zwischen Juli und Oktober 1796 in Werkgröße vor dem Original im Palazzo Pitti
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in Florenz kopiert und seine Arbeit im Anschluss der Schweizer Reise nach Weimar gebracht, wo sie in Goethes Wohnhaus am Frauenplan aufgestellt wurde (vgl. zu 79,23–24). 6,30 Schellings Ideen zu einer Philosophie der Natur] Goethe hatte Friedrich Wilhelm Joseph Schellings Werk „Ideen zu einer Philosophie der Natur“ (Leipzig 1797; vgl. Ruppert, Nr 3116) am 31. Dezember 1797 durch Christian Gottlob Voigt erhalten (vgl. RA 2, Nr 1074). Bereits am 1. Januar 1798 hatte er mit der Lektüre begonnen (vgl. GT II 1, 229; LA II 1A, 152–154). Eine erste Einschätzung teilte er Schiller in seinem Brief vom 6. Januar mit (vgl. Nr 6). In den folgenden Wochen setzte Goethe seine Lektüre fort (vgl. GT II 1, 231 und Nr 41). Goethe sandte das Werk am 14. Dezember an Knebel (vgl. zu 261,19). 6,32 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller, geb. von Lengefeld, war seit dem 22. Februar 1790 mit Friedrich Schiller verheiratet. Goethe pflegte eine freundschaftliche Verbindung zu ihr (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 38). Der seine Briefe an Schiller häufig abschließende Gruß an Charlotte zählt zu den Konstanten ihres Briefwechsels. 7,1–5 Friedrich Schlegel 〈…〉 brouillirten.] Goethe kommentiert hier Schillers Bemerkung vom 2. Januar, dass Friedrich Schlegel „mit dem Herausgeber des Lyceums nichts mehr zu schaffen habe“ (NA 29, 181). Schlegel war im Juli 1797 von Jena nach Berlin übergesiedelt, um dort an der von Johann Friedrich Reichardt neubegründeten Zeitschrift „Lyceum der schönen Künste“ mitzuarbeiten. Ende September 1797 veröffentlichte Schlegel im zweiten Teilband des „Lyceums“ eine 127 Stücke umfassende Fragmentsammlung (Friedrich Schlegel: Kritische Fragmente. In: Lyceum der schönen Künste. Ersten Bandes, zweiter Theil. Berlin 1797, S. 133–169). Über diese zeigte sich der Herausgeber Reichardt wenig erfreut. Besonders empfindlich reagierte er auf die im 113. Fragment geäußerte Kritik an dem von ihm geschätzten Homer-Übersetzer Johann Heinrich Voß. Daraufhin war es zum Bruch zwischen Reichardt und Schlegel gekommen, den dieser auch öffentlich erklärte (vgl. Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung, Nr 163, 16. Dezember 1797, Sp. 1352). – ‚Brouillirten‘ von franz. se brouiller: sich überwerfen, hier im Sinne von ‚sich entzweien, aneinandergeraten‘ (vgl. GWb 2, 907).
6. An Friedrich Schiller
Weimar, 6. Januar 1798 → 〈Jena〉
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1) Brief: H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 7–8. – Doppelblatt 19,5(–19,8) × 27,5(–27,8) cm, 4 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu
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ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), egh. Paraphe und egh. Angabe von Ort und Datum, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrekturen: 8,24 |(|Kalb|)| ⎡L.⎤; 8,29 Chineser; 8,33 Scha⎡e⎤ llingischen; 9,24 Chineser⎡n⎤; 9,28 Scha⎡e⎤ llings; 10,3 8|?|. – Goethe nahm für den Erstdruck seines Briefwechsels mit Schiller egh. Bleistiftkorrekturen vor; diese Korrekturen betreffen vor allem die Unterdrückung von Namen seinerzeit noch lebender Personen (so änderte er z.B. im vorliegenden Brief 8,24 Kalb zu L.). Darüber hinaus entfernte Goethe Passagen, die in bestimmten persönlichen Beziehungen hätten unangenehm wirken können (so z.B. in Nr 7 eine kritische Bemerkung über Cotta, vgl. zu 15,18–19). Außerdem finden sich auch Korrekturen von offensichtlichen Hörfehlern des Schreibers (so z.B. in Nr 36, vgl. zu 52,24) oder von Verschreibungen (so änderte er z.B. im vorliegenden Brief 9,28 Schallings zu Schellings, vgl. zu 8,33). Diese Bleistiftkorrekturen und -zusätze werden im vorliegenden Band im Rahmen der Handschriftenbeschreibung mitgeteilt, da es sich nicht um Autorvarianten handelt, die Bestandteil des Briefes waren, den der Empfänger erhielt. K: GSA Weimar, Sign.: 28/20, Bl. 5–8. – 2 Doppelblätter 16,4(–16,6) × 20,5 cm, 6 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 oben rechts Adresse: Brief. Hl. Hofr. Schiller. – In einem gebundenen Faszikel (125 Bl.), S. 1 von Schreiberhd (Geist), Tinte: Briefe / Januar Februar März / 1798.; oben rechts von Schreiberhd (Geist), Tinte: 7.a; oben links mit blauer Kreide von fremder Hd (zS): „XX“. Das Aktenfaszikel beinhaltet die eingegangenen Briefe des ersten Quartals 1798 sowie einige Antwortkonzepte Goethes. E1: Morgenblatt für gebildete Stände, 1829, Nr 201 (22. August), S. 802f. (Teildruck: 8,24–26 Unsere arme Freundin 〈…〉 verlöhre. fehlt). E2: Schiller-Goethe1 4 (1829), 11–17, Nr 401. WA IV 13 (1893), 7–11, Nr 3706. 2) Beilage: H: GSA Weimar, Sign.: 83/177. – Doppelblatt 20,4(–20,9) × 33,1(–33,7) cm, 3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), Tinte. E: NA 37 II (1988), 277–279 (Norbert Oellers und Frithjof Stock). WA: Nicht gedruckt. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 5. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1082). – Schiller antwortete am 12. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1091). Postsendungen: 6. Januar 1798 (H l. H o f r. S c h i l l e r zurückbehaltnes Concept / Briefe von Humboldt u Körner zurück.; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 428); 6. Januar 1798 (Brief nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r); 6. Januar 1798 (vgl. GT II 1, 230).
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7,8–9 fertigen Theil Ihres Werkes] Zu Schillers Arbeit am „Wallenstein“ vgl. zu 5,19. Schiller hatte im Bezugsbrief berichtet, dass er im Stande sei, Goethe „viermal mehr als der Prolog beträgt, vorzulegen, obgleich noch nichts von dem III Akte dabey ist“ (NA 29, 182). 7,11–12 günstige Zusammentreffen unserer beyden Naturen] Die Versicherung der gegenseitigen Wertschätzung zählte zu den Konstanten ihres Briefwechsels (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 5). 7,14 Repräsentanten mancher Objecte] Schiller hatte im Bezugsbrief betont, dass ihm die objektiv entgegenstehende Natur Goethes dabei helfe, seine subjektiven Grenzen auszuweiten und Goethe ihn zu einer genaueren Darstellung des Objektiven bzw. bestimmter Objekte führe. 7,18 zweyte Jugend] Bereits auf seiner Italienischen Reise hatte Goethe 1787 mit diesem Bild seine mit der Ankunft in Rom gewonnene – und sein poetisches Schaffen befruchtende – geistige Wiedergeburt gefeiert (vgl. GB 7 I, 99,13 und 131,10). Anlässlich der Lektüre von Goethes „Herrmann und Dorothea“ deutete auch Schiller in seinem Brief an Goethe vom 17. Januar 1797 dessen gestiegene dichterische Produktivität als Rückkehr eines ausgereiften Geistes zu seinen Ursprüngen: „Jetzt däucht mir kehren Sie, ausgebildet und reif, zu Ihrer Jugend zurück, und werden die Frucht mit der Blüthe verbinden. Diese zweyte Jugend ist die Jugend der Götter und unsterblich wie diese.“ (NA 29, 35; vgl. RA 2, Nr 559.) 7,20 Reise] Goethes dritte Schweizer Reise hatte vom 30. Juli bis zum 20. November 1797 stattgefunden (vgl. GT II 1, 135–225). 7,21 Material, das ich darauf erbeutet] Über den Zweck seines Vorhabens, die Schweizer Reise zu dokumentieren, hatte Goethe Schiller bereits am 22. August 1797 aus Frankfurt am Main informiert (vgl. WA IV 12, 260f.). Nach seiner Rückkehr nach Weimar ließ Goethe die umfangreiche, aus Druckschriften wie Zeitungen und Theaterzetteln sowie aus handschriftlichen Aufzeichnungen bestehende Materialsammlung zu drei Akten heften (vgl. GSA 25/W 2632–2634; zu Inhalt und Überlieferung vgl. GT II 2, 505–514). Wohl im März nahm Goethe diese mit zu Schiller nach Jena, von dem er sie im Juli 1798 zurückforderte (vgl. zu 172,13). Die Akten sollten die Grundlage für eine enzyklopädisch gedachte Reisebeschreibung bilden, die Goethe erst 1832 durch Johann Peter Eckermann in stark überarbeiteter Form herausgeben ließ (WA I 34.1, 201–445). 7,27 erster] Hier im Sinne von ‚nächster‘ Aufenthalt, nach der Rückkehr aus der Schweiz. 7,28 Körnersche Aufnahme des Pausias] Goethes Gedicht „Der neue Pausias und Sein Blumenmädchen“ war im Oktober 1797 in dem von Schiller herausgegebenen „Musen-Almanach für das Jahr 1798“ veröffentlicht worden (S. 1–18). Gegenüber Schiller hatte Christian Gottfried Körner am 25. Dezember 1797 Goethes Gedicht einer ausführlichen Würdigung unterzogen, die Schiller seinem Brief vom 5. Januar an Goethe beilegte: „Den n e u e n P a u s i a s genieße ich am
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besten, wenn ich mir ein Gemählde dazu denke, auf dem das Blumenmädchen mit ihrem Geliebten dargestellt ist, so wie der Dichter die Gruppe in den 6. ersten Distychen schildert. Mit diesem Kunstwerk wetteifert das Gedicht. Der Dichter kennt seinen Vortheil und eilt über das sichtbare Bild hinweg in die Sphäre der Ideen, Gefühle und Erinnerungen. Aber die Vergangenheit soll uns nur ein lebendigeres und vollständigeres Bild von der Gegenwart geben. Die E r z ä h l u n g selbst, nicht das Erzählte allein ist ein Gegenstand der Darstellung. Und hier verehre ich besonders die Kunst mit der die Erzählung unter beyde Personen vertheilt ist. Jedes scheint sich nur die Züge auszuwählen die ihm die wichtigsten sind. Kontrast und Harmonie stehen im schönsten Ebenmaaße und aus ihrer Vereinigung geht ein Ganzes hervor, dessen Theile sich von selbst aneinander zu fügen scheinen. Man vergißt Künstler und Kunst und weidet sich an einem Produkte der edleren menschlichen Natur.“ (NA 37 I, 208.) Goethes Gedicht liegt eine Episode aus der „Naturalis historia“ von Plinius d. Ä. zugrunde. Darin wird berichtet, dass der griechische Maler Pausias ein Gemälde seiner Geliebten, der für ihren Erfindungsreichtum gerühmten Kranzbinderin Glykera, geschaffen habe. Im Unterschied zu Plinius stellte Goethe Pausias als Dichter dar und akzentuierte damit den seit der Antike diskutierten Wettstreit von Malerei und Dichtkunst, auf den auch Körners Deutung rekurriert. 8,5 letzten Musenalmanachs] Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1798“. 8,24 arme Freundin Kalb] Die unglücklich verheiratete Charlotte von Kalb lebte zu dieser Zeit in Weimar, wo sie gelegentlich mit Goethe verkehrte. Schiller hatte vom Gerücht ihrer möglichen Erblindung berichtet. 8,24–25 des besten Gebrauchs ihres Gesichts beraubt] Charlotte von Kalb litt seit ihrer Kindheit unter starker Kurzsichtigkeit und lebte zeitweise in der Gefahr, ihr Augenlicht ganz zu verlieren, wie sie Jean Paul am 10. Dezember 1797 mitteilte: „Fast bin ich blind – und ich kann wenig mehr schreiben, und gar nicht mehr lesen, diese Anstrengung ertragen meine Augen nicht mehr.“ (Jean Pauls Sämtliche Werke IV 3.1, 24.) 8,27 An den Julian will ich denken.] Für sein geplantes Werk über den römischen Kaiser Julian erbat sich Schiller aus der Weimarer Bibliothek dessen Satire „Antiochikos oder Misopogon“ oder eine übersetzte Ausgabe seiner Briefe. Die Bibliothek verfügte über beide Ausgaben (I A « K « M . Des Kaiser Julians zwo Spottschriften die Cäsars und Misopogon. Griechisch, nebst einer deutschen Uebersetzung und mit Anmerkungen versehen von Hermann Jacob Lasius. Greifswald 1770; Jean Philippe René de La Bléterie: Histoire de l’Empereur Jovien et traductions de quelques ouvrages de l’Empereur Julien. Bd 2: Le Misopogon; Lettres choisies; Fable Allegorique. Amsterdam 1750). Ob Goethe diese Exemplare für Schiller entlieh, ist fraglich; im Ausleihjournal findet sich kein entsprechender Vermerk. Ein Gespräch über Schillers seit 1788 geplantes und schließlich nicht verwirklichtes Vorhaben fand während Goethes Aufenthalt in Jena am 25. Mai statt (vgl. GT II 1, 246).
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8,28 angekündigte Philosophische Unterredung] Die Beilage beinhaltet einen handschriftlichen Auszug aus Erasmus Franciscis „Neu polirtem Geschicht-Kunstund Sitten-Spiegel ausländischer Völcker“ (Nürnberg 1670). Goethe hatte die Beilage in seinem Brief an Schiller vom 3. Januar angekündigt (vgl. zu 6,6). 8,29 Glutpfanne] Offener oder geschlossener, häufig tragbarer Behälter für Kohlenfeuer zur Erzeugung von Wärme und Licht (vgl. Grimm 8, 499; GWb 4, 351). Entsprechende Kohlebecken nutzte Goethe bei seinen Versuchen zur Optik und Farbenlehre (vgl. Goethes Abhandlung „Von den farbigen Schatten“; LA I 3, 70). 8,31 ich e r s c h a f f e s i e 〈…〉 zu deinem Gebrauch!] Vgl. zu 6,7–8. Nach Inhalt und in biblischer Diktion vermutlich Anspielung auf die Einsetzungsworte Jesu beim letzten Abendmahl; vgl. z.B. Lukas 22,19: „Und er nahm das brod, danckte und brachs, und gabs ihnen, und sprach: Das ist mein leib, der für euch gegeben wird; das thut zu meinem gedachtniß.“ (Luther-Bibel 1772 NT, 89.) 8,33 Schallingischen Buches] Zu Goethes Beschäftigung mit Friedrich Wilhelm Joseph Schellings Abhandlung „Ideen zu einer Philosophie der Natur“ vgl. zu 6,30. Für den Erstdruck korrigierte Goethe die Schreibung des im vorliegenden Brief doppelt erwähnten Namens des Philosophen jeweils eigenhändig mit Bleistift zu „Schelling“ (vgl. Überlieferung sowie Schiller-Goethe1 4 [1829], 14 und 16). Diese Korrekturen wurden in späteren Ausgaben des Briefwechsels fälschlich als „Schälling“ gelesen (vgl. NA 37 I, 214; Schiller-Goethe5 1, 555). 9,4 Newton] Isaac Newton. Schelling bezieht sich in seiner Schrift „Ideen zu einer Philosophie der Natur“ bereits in der Einleitung auf die Forschungen des englischen Universalgelehrten: „Newton, der sich ihr 〈der bloßen Naturwissenschaft〉 nie ganz überließ, und selbst noch nach der wirkenden Ursache der Anziehung fragte, sah nur allzu gut, daß er an der Gränze der Natur stand“ (S. XXIX, vgl. ebd., S. 106–109). 9,4–5 Idee zu seiner Theorie] Einer Anekdote zufolge verdankte Newton der Beobachtung eines fallenden Apfels den Anstoß zu seiner Gravitationstheorie, die er in seinem Hauptwerk „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“ (1687) veröffentlichte. Die von Newtons Freund und Biograph William Stukeley aufgezeichnete Apfelanekdote wurde vor allem durch Voltaire verbreitet, so in den „Lettres philosophiques“ (1734) und in der Abhandlung „Élémens de la Philosophie de Newton“ (1738). 9,8 Transcendelle Idealist] Vertreter der Transzendentalphilosophie Immanuel Kants. Nach Kant ist „alle Erkenntniß transcendental, die sich nicht so wol mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnißart von Gegenständen, so fern diese a priori möglich seyn soll, überhaupt beschäftigt“ (Critik der reinen Vernunft von Immanuel Kant. Riga 1790, Einleitung, S. 25; vgl. Ruppert, Nr 3086). 9,27–28 philosophischen Naturstande (Schallings Ideen pag XVI.)] In der Einleitung seiner Schrift „Ideen zu einer Philosophie der Natur“ heißt es dazu:
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„Wie eine Welt außer uns, wie eine Natur und mit ihr Erfahrung möglich sey? diese Frage verdanken wir der Philosophie, oder vielmehr mit dieser Frage entstand Philosophie. Vorher hatten die Menschen im (philosophischen) Naturzustande gelebt. Damals war der Mensch noch einig mit sich selbst und der ihn umgebenden Welt.“ (S. XVI.) 10,1 meine Ankunft] Goethe hatte in seinem Brief vom 3. Januar mitgeteilt, am Samstag, dem 6. Januar, nähere Auskunft darüber zu geben, ob er nach Jena kommen könne (vgl. zu 6,4–5). 10,1 Continnation] Versehentlich für ‚Continuation‘ (fehlender u-Strich; vgl. zu 5,16).
7. An Friedrich Schiller
Weimar, 10. Januar 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 10. – Doppelblatt 19,5(–20) × 27,5(–27,8) cm, 2 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrekturen (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 12,22 Schemate; 12,22 rubricirt, (Komma gestrichen); 15,7 |(|Bouterweks|)| ⎡C.⎤; 15,10 A⎡a⎤ lter; 15,15 PBlatt; 15,18–19 |(|Wenn Freund Cotta 〈…〉 findet.|)|; 15,20 ihm; 15,21 habe ich ⎡ist mir⎤; 15,21 erhalten. |zugekommen.| (vgl. E1). E1: Schiller-Goethe1 4 (1829), 18–21, Nr 403 (Teildruck ohne den in H eingeklammerten Text). E2: Schiller-Goethe2 2 (1856), 8f., Nr 409. WA IV 13 (1893), 12–14, Nr 3707. BEIL AG EN
1) Manuskript von Goethes Aufsatz „Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt“ (1793) (vgl. zu 15,4). 2) Friedrich Bouterweks „Grundriß akademischer Vorlesungen über die Aesthetik“ (Göttingen 1797) (vgl. zu 15,7). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 9. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1087). – Schiller antwortete am 12. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1091). Postsendungen: 10. Januar 1798 (H l. H o f r a t h S c h i l l e r. übersendet einen Aufsatz von mir und die Bouterweckische Aesthetik.; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 428).
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12,15–16 Farbenlehre] Goethe beschäftigte sich am 1. sowie vom 8. bis 21. Januar mit der Farbenlehre (vgl. GT II 1, 229–231 sowie den Eintrag vom 9. Januar: Die Materialien zur Farbenlehre nach den verschiedenen Rubriken geordnet. Ebd., 230). Die Weiterarbeit an der „Farbenlehre“ war in den folgenden Monaten wiederholt Gegenstand seiner Gespräche mit Schiller und erfuhr durch dessen Anregungen wichtige methodologische Klärung (vgl. Goethe-Handbuch3, Supplemente 2, 97–103). 12,18 von Anfang an Acten geführt] Die frühesten Aufzeichnungen zur „Farbenlehre“ datieren aus den Jahren 1790/91 (vgl. EGW 4, 273f.). Seiner Gewohnheit folgend, ließ Goethe die erarbeiteten Materialien ordnen und zu Faszikeln heften. 12,20 Volumina] Lat.: Bände. 12,21 Papiersäke] Vermutlich aus Papier gefertigte und an drei Seiten verleimte größere Umschlagmappen oder Tüten zur Aufbewahrung loser Blätter (vgl. GWb 6, 1106). Im Unterschied zu gehefteten Faszikeln konnten die in Papiertaschen (GT V 1, 31) oder Kapseln (GT VI 1, 193) versammelten Texte wiederholt geordnet und neu gegliedert werden – ein Verfahren, das Goethe bei der Vorbereitung größerer Werke wie „Dichtung und Wahrheit“ oder „West-östlicher Divan“ nutzte. 15,4 kleinen Aufsatz] Der auf den 28. April 1792 datierte Aufsatz entstand im zeitlichen Zusammenhang mit Goethes ersten Veröffentlichungen zur Farbenlehre, den „Beiträgen zur Optik“. In ihm skizziert Goethe seine methodologischen Überlegungen zur Rolle des Versuchs in den Naturwissenschaften. Schiller antwortete am 12. Januar mit einer ersten Stellungnahme und sandte den Aufsatz später an Goethe zurück (vgl. zu 172,15). Der zu diesem Zeitpunkt noch unbetitelte Text wurde erst 1823 in revidierter Fassung unter dem Titel „Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt. 1793“ im ersten Heft des zweiten Bandes der Reihe „Zur Naturwissenschaft überhaupt, besonders zur Morphologie“ veröffentlicht (LA I 8, 305–315; erläutert in: LA II 1B, 1319–1333). 15,7 Bouterweks ästhetische Bemühungen] Goethe hatte Friedrich Bouterweks „Grundriß akademischer Vorlesungen über die Aesthetik“ (Göttingen 1797) zuvor über Gottlieb Hufeland erhalten (vgl. zu 16,2–3). 15,11 aus Lappen der neuen Philosophie] Die nur 23 Druckseiten umfassende Schrift Bouterweks enthält keinen in sich geschlossenen Text, sondern bietet nur Stichpunkte, die den Hörern seiner Vorlesungen als Leitfaden dienen sollten. Darunter finden sich auch einzelne Positionen der Kantischen Philosophie wie die Idee der „Zweckmäßigkeit ohne Zweck“ (S. 7), die „Theorie des Erhabenen“ (S. 8) oder „Wolfische und Kantische Theorien des Lächerlichen“ (S. 9). 15,12 nachgeschriebene Hefte] Vgl. zu 16,5–6. 15,13 wornach ich aufstellen will] ‚Aufstellen‘ hier im Sinne von ‚ausspähen, suchen, nachforschen‘ (vgl. GWb 1, 1027). – Goethe fragte entsprechend bei Gottlieb Hufeland nach (vgl. zu 16,5–6).
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15,14 neue Weltkunde] Zu Cottas politischer Tageszeitung „Neueste WeltKunde“ vgl. zu 3,12. 15,15 selbst danken] Vgl. Nr 10. 15,17 Schubartische Chronik] Die von Christian Friedrich Daniel Schubart herausgegebene patriotische Zeitschrift erschien unter wechselnden Titeln mit einer durch Schubarts zehnjährige Festungshaft bedingten Unterbrechung: zunächst als „Deutsche Chronik“ (1774–1778), später als „Schubarts Vaterländische Chronik“ bzw. „Vaterlandschronik“ (1787–1789; vgl. GB 7 II, zu 274,3) und schließlich unter dem Titel „Chronik“ (1790–1793). 15,17–18 weder Geschmack noch Würde] Goethe begegnete der vom Herausgeber Ernst Ludwig Posselt vertretenen unverhohlenen Parteinahme für die französischen Interessen und seiner aufgereizten Rhetorik mit zunehmender Ablehnung. Hielt er sich gegenüber Cotta mit einer Einschätzung zunächst noch zurück, kommentierte er am 14. September 1798 das bald folgende Verbot der „Neuesten WeltKunde“ mit der Bemerkung gegenüber Cotta, dass Posselt dafür die Verantwortung trage (vgl. 207,27–33). 15,18–19 Wenn Freund Cotta nur seine Rechnung dabey findet.] Trotz hoher Herstellungskosten erzielte Cotta mit der Herausgabe der „Neuesten WeltKunde“, die im ersten Quartal einen Absatz von über 2000 Exemplaren hatte, großen Gewinn (vgl. Fischer, Cotta, 123f.). In Weimar verlor die Zeitschrift jedoch bald an Zustimmung, wie auch Carl August Böttiger gegenüber Cotta am 30. März 1798 bemerkte: „da ich meiner weitläuftigen Verbindungen wegen die Oscillationen in den Gesinnungen des nördlichen Deutschlands ziemlich genau beobachten kann, darf ich wohl ohne alle Anmaßung sagen: der beste Vertheidiger der guten Sache der Menschheit fing an an Hr. D. Posselt irre zu werden. Hier, in Gotha, Jena, Berlin wollte man schon viele Exemplare abbestellen.“ (H: SNM/DLA Marbach, Cotta-Archiv [Stiftung der Stuttgarter Zeitung], Sign.: Briefe Böttiger Nr 1; vgl. Goethe-Cotta 3 I, 114.) – Der Satz wurde im Erstdruck des Briefwechsels nicht veröffentlicht (vgl. Überlieferung zu Nr 6). 15,20 Beytrag] Obgleich von Cotta erbeten, sandten weder Goethe noch Schiller Beiträge (vgl. zu 3,10–11). 15,20 dritte Stück] Goethe erhielt die am 3. Januar 1798 veröffentlichte dritte Nummer der „Neuesten WeltKunde“ durch Schiller am 9. Januar (vgl. RA 2, Nr 1087). 15,23 Oper] Zum Geburtstag der Herzogin Louise wurde am Weimarer Hoftheater erstmals die Oper „Die bestrafte Eifersucht“ von Domenico Cimarosa in der Bearbeitung von Friedrich Hildebrand von Einsiedel aufgeführt (vgl. Theater/Musik Weimar). 15,23–24 zu Ihnen hinüber eilen] Goethe reiste erst am 20. März nach Jena (vgl. GT II 1, 237). 15,24 Wallenstein] Zu Schillers Arbeit am „Wallenstein“ vgl. zu 5,19.
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8. An Gottlieb Hufeland
BRIEF 8
Weimar, 10. Januar 1798 → 〈?〉
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H: Verbleib unbekannt. E1: Hartung, Zwischen Weimar und Jena (1855), 9. E2: Aus Weimars Glanzzeit, 7, Nr 12 (1855; August Diezmann). WA IV 13 (1893), 14, Nr 3708 (nach E1). Textgrundlage: E1 und E2. – E1 und E2 erschienen beide 1855 im Druck und sind textidentisch. Während es sich bei E1 laut Titelblatt um einen Privatdruck 20 „bisher unbekannter“ Goethe-Briefe handelte, die von dem Verleger Hermann Hartung als „Manuscript für S〈alomon〉 H〈irzel〉“ zusammengestellt wurden, bietet E2 eine größere Sammlung „Ungedruckter Briefe von und über Goethe und Schiller, nebst einer Auswahl ungedruckter vertraulicher Schreiben von Goethe’s Collegen, Geh. Rath v. Voigt“, die zum „funfzigsten Jahrestage des Todes Schillers“ (9. Mai 1855) im Verlag Hermann Hartungs herauskommen sollte. Da nicht eindeutig entschieden werden kann, welcher Druck zuerst vorlag, werden hier beide Ausgaben als Erstdruck genannt. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Hufelands Brief vom 8. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1085). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. Postsendungen: 10. Januar 1798 (H l. J u s t i t z r. H u f e l a n d. Dank für die Bouterwekische Aesthetik.; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429). Zur Person Gottlieb Hufelands (1760–1817) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 8 II, Nr 224. – In der Zeit des vorliegenden Bandes wirkte der Jurist Hufeland als ordentlicher Professor der Rechte an der Universität Jena. Zudem war er seit 1788 als Redakteur der „Allgemeinen Literatur-Zeitung“ tätig und hatte das angesehene Rezensionsorgan maßgeblich geprägt. Goethe schätzte ihn als Gesprächspartner während seiner Aufenthalte in Jena (so am 3. April, 17. Juni, 15. und 19. November; vgl. GT II 1, 240, 250, 265), traf ihn im Mittwochsklub (vgl. zu 149,24) oder bei Schiller zu Hause (so am 25. März und 8. Juni 1798; vgl. GT II 1, 238, 248). Bei den zu Ehren August Wilhelm Ifflands abgehaltenen Frühstücks-Empfängen in Goethes Wohnhaus war Hufeland viermal eingeladen (am 25., 28., 30. April sowie am 3. Mai; vgl. BuG 4, 412, 415, 417). Im Juli 1797 hatte sich Goethe von Hufeland 1000 Reichstaler für den Umbau seines Hauses geliehen, für die er im Juli 1798 40 Reichstaler Zinsen an ihn zu zahlen hatte (vgl. GR/Belege 1798, 6, Bl. 20; vgl. RA 3, Nr 265). Wie der vorliegende Brief, aber auch weitere Schreiben Goethes an Hufeland belegen, ließ sich Goethe von ihm Bücher besorgen (vgl.
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16,2–3). – Von Goethe sind für das Jahr 1798 aus dem Zeitraum zwischen 10. Januar und 6. Dezember drei Briefe an Hufeland überliefert. Von Hufelands Briefen an Goethe ist einer vom 8. Januar 1798 erhalten. 16,2–3 für die so bald besorgten göttingischen Blätter] Hufeland hatte Goethe mit dem Bezugsbrief „das verlangte Programm von Bouterweck“ (H: GSA 28/20, Bl. 11) zugeschickt. Es handelte sich um den 1797 in Göttingen bei Johann Christian Dieterich erschienenen 23-seitigen „Grundriß akademischer Vorlesungen über die Aesthetik“ von Friedrich Bouterwek (nicht in Goethes Bibliothek vorhanden). Goethe legte das Werk seinem Brief an Schiller vom 10. Januar bei (vgl. Nr 7). Friedrich Bouterwek hatte seit 1796 nach dem Weggang Johann Georg Heinrich Feders eine Professur der Beredsamkeit in Göttingen inne. Der „Grundriß“ sollte als „Leitfaden“ (Bouterwek, Grundriß, Vorrede, [S. 3]) für Bouterweks Zuhörer dienen, um ihnen „den Ueberblick der Aesthetik als einer Wissenschaft zu erleichtern“ (ebd.). Bouterwek hielt jedes Wintersemester eine Vorlesung zur Ästhetik. 16,3–4 die mehr oder weniger alten 〈…〉 Ingredienzien] Bouterweks „Grundriß“ ist in drei Teile gegliedert, die wiederum Unterkapitel, Abschnitte und Anhänge enthalten: Teil 1 befasst sich mit der „Philosophie der ästhetischen Darstellung“ (Bouterwek, Grundriß, 7–13), Teil 2 mit der „Philosophie des ästhetischen Ausdrucks“ (ebd., 14–18) und Teil 3 mit der „Philosophie der Kunstformen“ (ebd., 19–23). Die Themen werden skizzenhaft umrissen, meist in kurzen Sätzen oder unbeantwortet bleibenden Fragen, durch Gedankenstriche voneinander abgesetzt. Gegenüber Schiller äußerte sich Goethe deutlich abwertender über die Zusammenstellung von antiken Begriffen und philosophischen Kategorien Immanuel Kants und Christian von Wolffs mit eigenen, vage bleibenden Thesen (vgl. zu 15,11). Auch Schiller bewertete das Werk in seinem Brief vom 12. Januar kritisch (vgl. RA 2, Nr 1091). 16,5–6 nachgeschriebene Hefte] Bouterwek hatte in der „Vorrede“ bemerkt, dass der „Grundriß“ „höchstens nur als Entwurf zu einem Buche anzusehen“ (Bouterwek, Grundriß, Vorrede, [S. 3]) sei. In seiner 1806 erschienenen „Aesthetik“ legte er schließlich einen „neue〈n〉 Versuch einer Aesthetik zu dem Ganzen“ vor (vgl. Fr. Bouterwek’s Aesthetik. Erster Theil. Allgemeine Theorie des Schönen in der Natur und Kunst. Leipzig 1806, S. III). Ähnliche Publikationen wie sein „Grundriß“ waren der ebenfalls 1799 erschienene, 16-seitige „Abriß akademischer Vorlesungen über die Philosophie der Schreibart in deutscher Prose“ sowie der 1799 publizierte Titel „Bouterwek’s Abrisse seiner akademischen Vorlesungen zum Gebrauche seiner Zuhörer“. In Goethes Bibliothek sind zwar weder die hier erwähnten, noch spätere Werke Bouterweks nachweisbar, jedoch beschäftigte er sich u.a. Anfang August 1807 mit Bouterweks viel beachteter 12-bändiger „Geschichte der Poesie und Beredsamkeit seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts“ (1801–1809; vgl. GT III 1, 353).
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16,6–7 wie er gewisse aufgeworfne Fragen beantwortet] Jeder Abschnitt im „Grundriß“ enthält auch Fragen, auf die die Abhandlung in ihrer skizzenhaften Form keine Antwort gibt. 16,8 Sie bald in Jena zu sehen] Goethe traf Hufeland laut Tagebuch am 25. März bei Schiller (vgl. GT II 1, 238). 16,9 an diese Ausflucht so gewohnt] Jena war bereits 1782 zu einem Zufluchtsort Goethes geworden, um Verpflichtungen und Zerstreuungen in Weimar zu entgehen. Ab 1794 nutzte er die Jena-Aufenthalte für den intensiven Austausch mit Schiller und zur konzentrierten Arbeit an literarischen Texten und zu naturwissenschaftlicher Forschung, ungestört von den Amtsgeschäften und der Familie. Der geplante Jena-Aufenthalt verschob sich bis zum 20. März 1798 (vgl. GT II 1, 237).
9. An Christian Gottlob Voigt, Johann Carl Wilhelm Voigt und andere? Weimar, 11. Januar 1798 → 〈Weimar〉 ZU D EN AD RES S ATEN
Der Brief wendet sich an Mineraliensammler aus Goethes Freundeskreis, denen er im Auftrag des Schweizer Arztes Felix Anton Halter Steine und Mineralien aus dessen Sammlung zum Kauf anbietet. Neben Christian Gottlob Voigt und seinem Bruder Johann Carl Wilhelm Voigt, von denen jeweils eine Bestellliste überliefert ist (vgl. GSA 26/LXVI,2,88, Bl. 11, 12), kommen als weitere Adressaten Sammler aus dem Umfeld der Mineralogischen Gesellschaft in Jena in Frage, wie etwa Johann Georg Lenz (vgl. zu 26,26), jedoch ohne eindeutigen Beleg. – Carl Ludwig von Knebel, der sich noch in Nürnberg aufhielt, wurde am 12. Januar 1798 gesondert zu diesem Sachverhalt angeschrieben (vgl. 19,15–18) und ist deshalb nicht zum Adressatenkreis des vorliegenden Briefes zu zählen. ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 26/LXVI,2,88, Bl. 3. – Doppelblatt (ursprünglich Folioblatt, halbbrüchig gefaltet) 10,4(–10,8) × 35,1 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – In einem gehefteten Faszikel, S. 1 von Schreiberhd (Geist), Tinte: Gotthartische Mineralien betrl. / 1797. 1798., oben rechts von Schreiberhd (Friedrich Theodor David Kräuter), Tinte: „23.“, umfasst 14 Bl. (vgl. LA II 7, 226–228; zu 16,14–15). E: WA IV 13 (1893), 14f., Nr 3709 (Eduard von der Hellen). BEIL AG E
Mineralienliste (vgl. Überlieferung; zu 16,14–15).
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ERL ÄUT ERUNGEN
Anlass für den vorliegenden Brief ist ein Schreiben Felix Anton Halters vom 18. Dezember 1797 (vgl. RA 2, Nr 1056), dessen Anliegen Goethe an mögliche Interessenten weiterleitete. – Sowohl von Johann Carl Wilhelm Voigt (vgl. GSA 26/LXVI,2,88, Bl. 11) als auch von Christian Gottlob Voigt ist je eine (undatierte) Antwort in Form einer Bestellliste überliefert (vgl. ebd., Bl. 12). Postsendungen: 11. Januar 1798 (Briefe; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r). 16,14–15 das Verzeichniß der Mineralien welche auf den Gotthardt zu haben sind] Der Schweizer Mediziner und Mineraliensammler Felix Anton Halter, den Goethe während seiner dritten Schweizer Reise bei einem Aufenthalt in Urseren (Andermatt) am 4. Oktober 1797 kennen gelernt hatte, sandte am 6. November 1797 (in LA II 7, 226 irrig: 6. September) eine Schachtel mit Eisenspat sowie einen handschriftlichen Mineralienkatalog nach Weimar (vgl. RA 2, Nr 1019). Dieser „Catalogus / der Mineralien welche Doctor Halter zu Ursern an der Matt besitzt und zum Verkaufe anbietet“ (H: GSA 26/ LXVI,2,88, Bl. 5–10; vgl. Überlieferung), enthält neben einer langen Mineralienliste mit Preisangaben auch erläuternde Randbemerkungen Goethes, der für potentielle Kaufinteressenten die von Halter verwendete wunderliche Terminologie 〈…〉 mit gewöhnlichen mineralogischen Nahmen deutlich zu machen gesucht hatte (ebd., Bl. 4; Randbemerkungen Goethes abgedruckt in LA II 7, 227f.). 16,16 jeder für zwey Karolin zu nehmen sich engagirte] Karolin: seit 1775 bayerische Münzeinheit. „Nach fränkL. Cours gerechnet, 15 Batzen 1 Gulden 〈…〉 11 Gulden 1 Carolin“ (H: GSA 26/LXVI,2,88, Bl. 11; Währungsberechnung unter der Bestellliste Christian Gottlob Voigts). Christian Gottlob und Carl Wilhelm Voigts Bestelllisten, jeweils mit Angabe der in der Liste verzeichneten Nummern und des Preises, sind überliefert: Während sich Christian Gottlob Voigts Rechnung auf 6 Gulden und 145 Batzen (= 9,7 Gulden, d.h. insgesamt auf umgerechnet 15,7 Gulden bzw. auf 1,42 Karolin; vgl. ebd., Bl. 12) belief (vgl. GSA 26/LXVI,2,88, Bl. 11), wollte Johann Carl Wilhelm Voigt Mineralien zum Preis von insgesamt 6 Gulden und 140 Batzen (= 9,3 Gulden, d.h. insgesamt umgerechnet 15,3 Gulden) erwerben (vgl. ebd., Bl. 12). Beide blieben also deutlich unter den von Goethe geforderten zwei Karolin. – Im Brief an Knebel vom 12. Januar 1798 schlug Goethe dem Freund ebenfalls vor, sich auf 1 bis 2 Karolin zu unterschreiben (vgl. zu 19,15). 16,18 eine Kiste der Art kommen lassen] Die geplante Bestellung von Mineralien wurde aus nicht bekannten Gründen, vermutlich wegen der nicht zustande gekommenen Mindestbestellmenge (vgl. die vorangegangene Erläuterung), nicht vorgenommen. 16,19 Herrn Geßner in Zürch] Die Verbindung zu dem Züricher Buchhändler Heinrich Geßner ergab sich durch Geßners 1795 erfolgte Heirat mit Christoph
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Martin Wielands Tochter Charlotte. Wie hier beschrieben, verfuhr Goethe bereits mit einer Rechnung in Höhe von zwei neuen Louisd’or vom 31. Dezember 1797 (vgl. GR/Belege 1797, 1, Bl. 42), die von Wieland quittiert wurde. Eine weitere Überweisung an Geßner ist in den Rechnungsbelegen nicht verzeichnet. 16,22 Herrn Hofr. Wieland] Christoph Martin Wieland. 16,22 Spesen] Im damaligen Wortgebrauch Beförderungsgebühren (vgl. Grimm 16, 2194). 17,1 Einen Theil der hier verzeichneten Mineralien] Goethe hatte bei der Begegnung mit Halter in der Schweiz einige Mineralien erworben und im Dezember 1797 ein Paket mit Eisenspat zugeschickt bekommen (vgl. zu 3,2). Die Stufen befinden sich noch heute in Goethes Mineraliensammlung (vgl. Prescher, Goethes Sammlungen, Nr 1528 [unleserliche Etiketten]).
10. An Johann Friedrich Cotta
Weimar, 11. Januar 1798 → 〈Tübingen〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: SNM/DLA Marbach, Cotta-Archiv (Stiftung der Stuttgarter Zeitung), Sign.: Briefe Goethe Nr 10. – 1 Bl. 11,4 × 19,7 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Unterschrift, Tinte; Rs. Bearbeitungsvermerk von fremder Hd (Cotta’sche Buchhandlung), Tinte: „Göthe 11. Jan 98 / 21. –– / 23. –“. – Beischluss: Brief Carl August Böttigers an Johann Friedrich Cotta (vgl. zu 17,13). – Beischluss zu Nr 13. E: WA IV 13 (1893), 15f., Nr 3710 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Cottas Brief vom 31. Dezember 1797 (vgl. RA 2, Nr 1073). – Cotta antwortete am 23. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1109). Postsendungen: 12. Januar 1798 (H l. C o t t a Dank für die Weltkunde. eingeschl Brief von Böttiger ingl. / sämmtlich an Hl. Rapp eingeschlossen; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 11. Januar 1798 (Briefe; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r); 12. Januar 1798 (vgl. GT II 1, 230). 17,5 Uebersendung der neusten Weltkunde] Vgl. zu 3,12. Cotta hatte die für Goethe bestimmte erste Ausgabe der „Neuesten WeltKunde“ mit seinem Brief vom 31. Dezember 1797 an Schiller übersandt, der Beides erst am 9. Januar 1798 an Goethe weiterleitete (vgl. RA 2, Nr 1087). Während sich Goethe gegenüber Cotta mit einem Urteil zunächst zurückhielt, äußerte er gegenüber Schiller große Bedenken (vgl. zu 15,17–18). 17,6–7 aufs neue zu Ihrem Schuldner] Während und nach Goethes Schweizer Reise war Cotta wiederholt behilflich gewesen (vgl. zu 3,3).
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17,9 etwas dazu beyzutragen] Goethe kam seinem Versprechen erst im September 1798 nach (vgl. zu 211,3–4). 17,10 Tabelle] Als Beilage seines Briefes vom 7. Dezember 1797 hatte Cotta „ein typographisches Tableau“ mit der Bemerkung übersandt, dass dieses einer Anregung Goethes vom September 1797 zu verdanken sei, „die HauptEpochen des französischen Kriegs kurz zusamengestellt zu sehen“ (Goethe-Cotta 1, 18; vgl. RA 2, Nr 1043). Damit folgte Cotta Goethes Gewohnheit, tabellarische Übersichten zu einzelnen Wissensgebieten erstellen zu lassen, um komplexe Sachverhalte anschaulich im Überblick darstellen und systematisch erschließen zu können. Die auf starkem Papier gedruckte und von Cotta in gerollter Form übersandte großformatige Tabelle („Krieg der fränkischen Republik gegen die Coalition, nach seinem Gange und nach seinen Resultaten, bis zum allgemeinen ContinentalFrieden“) ist in Goethes Nachlass überliefert (GSA 160/124a, Bl. 16). Sie wurde von Ernst Ludwig Posselt verfasst und verzeichnet alle Hauptereignisse des mit dem Frieden von Campo Formio beendeten Ersten Koalitionskrieges. Die Tabelle wurde als Faltblatt Posselts Aufsatz „Die fränkische Republik“ im 11. Stück der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Europäische Annalen“ (S. 147–192) beigelegt. Ihr Inhalt stimmte wesentlich mit Posselts wenig später verfasster „Einleitung. Uiber die neueste Politik, und über den Plan dieses politischen TagBlattes“ zur ersten Ausgabe der Zeitschrift „Neueste WeltKunde“ überein, die Goethe über Schiller erhalten hatte (vgl. zu 3,12). 17,13 Herr Oberconsistorialrath Böttiger legt ein Blättchen bey.] Vgl. Böttigers Brief an Goethe vom 4. Januar 1798, in dem er darum gebeten hatte, sein – nicht überliefertes – „Briefchen“ an Cotta weiterzuleiten (H: GSA 28/20, Bl. 4; vgl. RA 2, Nr 1078). Wahrscheinlich bestätigte Böttiger darin seine Zusage zur Mitarbeit an Posselts „Neuester WeltKunde“, zu der ihn Cotta am 1. Dezember 1797 mit dem Hinweis auf Goethes weitere Vermittlung eingeladen hatte und für die sich Cotta am 20. Januar 1798 bei Böttiger bedankte (vgl. Mojem/Cotta 79, Nr 220 und 82, Nr 231). – Der Titel ‚Oberkonsistorialrat‘ bezeichnet den Angehörigen des Konsistoriums einer kirchlichen Verwaltungseinrichtung. Böttiger war seit 1791 Direktor des Gymnasiums in Weimar und als Oberkonsistorialrat für Schulangelegenheiten zuständig. 17,13–14 Den Brief nach der Schweitz bitte bis Schafhausen zu frankiren.] Brief Goethes an Felix Anton Halter vom 12. Januar 1798 (EB 5), dessen Weiterbeförderung Cotta in seinem Brief vom 23. Januar bestätigte (vgl. RA 2, Nr 1109). Da Cotta das Porto Goethe nicht in Rechnung stellte, ist zu vermuten, dass er es einer Sendung beilegte.
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BRIEF 11
11. An Carl Ludwig von Knebel Weimar, 12. Januar 1798 → Nürnberg ÜBER L IEF ERU NG
H: Biblioteka Jagiello´nska Kraków (Krakau), Autographensammlung Goethe, bis 1945 Preußische Staatsbibliothek Berlin, Sign.: Ms. Germ. Qu. 521, Bl. 154–155. – Doppelblatt 18,5(–18,8) × 22,8 cm, 3 1⁄3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 1 von Gottschalk Eduard Guhrauers Hd, Bleistift, oben links: „161“ (vgl. E1), oben rechts: „Jan. 98“, darüber „98“, gestrichen; oben in der Mitte von Knebels? Hd, Tinte: „N o 8 8“; S. 1 und 2 Anstreichungen am linken Rand, S. 4 Streichung der Nachschrift (19,15–18), von Guhrauers Hd, Bleistift (vgl. E1). – In einem Konvolut mit schwarzem Ledereinband (vgl. Überlieferung zu Nr 2). E1: Goethe-Knebel 1 (1851), 155–157, Nr 161 (Teildruck: 19,15–18 Vielleicht magst du 〈…〉 bald einige Nachricht. fehlt). E2: WA IV 13 (1893), 16–18, Nr 3711 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Knebels Brief vom 5. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1081). – Knebel antwortete am 18. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1102). Postsendungen: 12. Januar 1798 (H l. M a j o r v o n K n e b e l. Antwort auf seinen Brief. v. 5 Januar.; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 12. Januar 1798 (vgl. GR/Belege 1798, 2, Bl. 13r); 12. Januar 1798 (vgl. GT II 1, 230). 17,18 Auf deinen lieben Brief] In seinem Bezugsbrief hatte Knebel Goethe darum gebeten, ihm vor seiner Abreise aus Nürnberg zu schreiben bzw. über Geist eine Nachricht zukommen zu lassen. 17,19 in Nürnberg] Knebel hatte im Bezugsbrief mitgeteilt, er werde am 20. Januar „oder wenigstens sogleich darnach“ (H: GSA 28/494, Bl. 1) von Nürnberg abreisen. Tatsächlich brach er am 21. Januar auf und traf am 23. Januar in Ilmenau ein (vgl. RA 2, Nr 1111). 17,20 ein Packet] Vgl. Goethes Brief vom 2. Januar (Nr 2), mit dem er Bücher und Geld mitschickte. Knebel sollte diese an Bekannte und Freunde in Nürnberg weitergeben. 17,21 durch Herrn Merkel erhalten] Goethe hatte den mit Knebel befreundeten Kaufmann Paul Wolfgang Merkel gebeten, seinen Brief an Knebel vom 2. Januar gegebenenfalls nach Ansbach nachzuschicken (vgl. zu 5,10). – In seinem Antwortbrief vom 18. Januar bestätigte Knebel, Goethes Brief in Ansbach erhalten zu haben. 17,21–22 die kleinen Aufträge] Vgl. zu 3,21.
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17,23 Glück zu deinem Entschluß] Knebel schrieb in seinem Bezugsbrief, dass er sich „in Ilmenau zu etabliren“ gedenke (H: GSA 28/494, Bl. 1). Dort sollte die Hochzeit mit Luise Rudorf stattfinden (vgl. zu 38,5). 18,2–3 zu heftig widerstrebten] Im Bezugsbrief klagte Knebel nicht nur über seine Schwester Henriette, die „gegen alle meine Vorstellungen, Gründe, Zurechtlegungen, taub u. unerbittlich geworden ist, und mit unnatürlicher Härte alles von sich stößt“ (H: GSA 28/494, Bl. 1), sondern auch über die „Weiber u. Närrinnen in W. die bey der Nachgiebigkeit u. der schwachen Repräsentation unsers Geschlechts, zumalen bey Hofe, in W. in den närrischsten Dünkel verfallen, wodurch sie die Tage eines rechtschaffenen Mannes betrüben können.“ (Ebd.) Gemeint sind damit wohl Charlotte von Stein und ihr Kreis, die sich mit ihren Urteilen über Knebels Verlöbnis mit Luise Rudorf nicht zurückhielten. Auch das Ehepaar Herder hätte sich „schwach, zweydeutig u. heuchlerisch“ (ebd.) verhalten. – Goethes Reaktion auf Knebels Klagen spiegelt wohl auch seine eigenen Erfahrungen mit den gesellschaftlichen Schmähungen wider, mit denen er und vor allem Christiane Vulpius durch ihre uneheliche Verbindung konfrontiert wurden. 18,7 Böttiger] Ende November 1797 hatte Knebel an Johann Heinrich Meyer seine Übersetzung der „Elegieen von Properz“ geschickt, der sie an Johann Gottfried Herder und Goethe und schließlich an Carl August Böttiger zur Revision weitergab (vgl. Meyers Brief an Knebel vom 30. November 1797; Knebel, Nachlaß und Briefwechsel 2, 410). In seinem Bezugsbrief bat Knebel Goethe, sich bei Böttiger für ihn zu verwenden, das Manuskript „einer strengen Revision“ zu unterziehen (H: GSA 28/494, Bl. 2), damit das Werk zu Ostern erscheinen könne. Am 29. Dezember 1797 schickte Knebel die letzte Folge der Properz-Anmerkungen an Böttiger mit der „Hauptbitte“ (H: GSA 54/304), als Vorrede eine Biographie des Properz zu verfassen: „Sie haben so viel Geschick u. so viel Weitläuftigkeit der Kenntnisse, daß Ihnen das etwas sehr leichtes werden würde, was mir anjezt beynahe unmöglich ist.“ (Ebd.) Die Übersetzung erschien schließlich im November 1798 unter dem Titel „Elegieen von Properz“ mit einer Vorrede von Knebels Hand. Böttiger übernahm für Knebel die Verhandlungen, etwa über Honorarforderung, Auflagenhöhe und Drucklegung mit dem Verleger Georg Joachim Göschen (so etwa Göschens Brief vom 21. Januar 1798 an Böttiger; SLUB Dresden, Mscr. Dresd.h.37,4, Bd 59, Nr 33; vgl. auch Carl August Böttiger und Georg Joachim Göschen im Briefwechsel von L. Gerhardt. Leipzig 1911, S. 52–54). 18,9 über alle Begriffe überhäuft] Böttiger erteilte Knebel in seinem Brief vom 23. Januar 1798 eine Absage, da er „Bis im Anfang des Mays“ (H: GSA 54/120,1, Bl. 15) zu beschäftigt sei, um sich mit dem Leben des Properz in einer Vorrede zu befassen. 18,12 Schlüssel zu deiner Stube] In seinem Bezugsbrief berichtete Knebel, dass er seiner Schwester, die den Kontakt zu ihm abgebrochen habe, „wenigstens noch geschrieben“ habe, „die Schlüssel meiner Stube u. meines Schreibtisches u. Kommode
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BRIEF 11
an dich zu schicken, oder sie HLn Meyer zu übergeben“ (H: GSA 28/494, Bl. 2). Näheres ist nicht bekannt. 18,12 Meyer] Vermutlich war daran gedacht worden, dass Johann Heinrich Meyer, der in Goethes Haus am Frauenplan wohnte (vgl. zu 81,22), in Jena eine Rückzugsmöglichkeit zum Arbeiten, ähnlich wie Goethe selbst, erhalten sollte. Näheres ist nicht bekannt. 18,13 abfordern] Abverlangen (vgl. GWb 1, 55), hier im Sinne von ‚persönlich einfordern‘. – Für Meyer wäre dies schon aufgrund des Standesunterschieds eine Unmöglichkeit gewesen. 18,14–15 die kleinen Geldgeschäffte] Knebel schickte ihm in den darauffolgenden Jahren die Quittungen für die vierteljährliche Zahlung seiner Pension. Goethe ließ sich die Gelder gegen die übersandten Quittungen auszahlen und übermittelte sie dann an seinen Freund. Das Geld wurde nach Ilmenau über Boten zugestellt. Knebel erhielt pro Quartal 150 Reichstaler von der Weimarer Kammer, 50 Reichstaler von der Eisenacher Kammer sowie weitere 50 Reichstaler aus der Apanagekasse des 1793 verstorbenen Prinzen Constantin von Sachsen-Weimar und Eisenach. 18,16 an dem Bergrath] Johann Carl Wilhelm Voigt, der Bruder Christian Gottlob Voigts, der in Ilmenau seit 1789 als Bergrat tätig war, hatte Knebel bereits versprochen, in Ilmenau alles vorzubereiten (vgl. RA 2, Nr 1081). Dies konnte Knebel am 24. Januar, einen Tag nach seiner Ankunft in Ilmenau, in seinem Brief an Goethe (vgl. RA 2, Nr 1111) bestätigt finden. 18,18 Geheime Rath Voigt] Christian Gottlob Voigt, Bruder des Bergrats (vgl. die vorangegangene Erläuterung). Zwei Briefe Voigts an Knebel sind aus dem Jahr 1798 überliefert, der erste vom 19. Februar, der zweite vom 31. März (vgl. GSA 54/283, Bl. 3–7). In beiden versichert Voigt seine anhaltende Freundschaft. 18,20 Herr von Fürtenbach] In seinem Bezugsbrief erkundigte sich Knebel im Namen der Eltern nach dem „in Weimarischen Jagddiensten“ (H: GSA 28/494, Bl. 2) stehenden Carl von Furtenbach, da dessen Familie schon längere Zeit nichts mehr von ihm gehört hätte und sich u.a. das Gerücht verbreite, er sei „davon gegangen“ (ebd.). Über Christian Gottlob Voigts Brief vom 11. Januar 1798 erfuhr Goethe, dass Furtenbach zwar „einigemal“ bei Voigt gewesen sei, von einem „hiesigen Dienstgesuch“ aber nicht gesprochen habe (Goethe-Voigt2 2, 43; vgl. RA 2, Nr 1090). Entsprechend ist auch kein Eintrag seines Namens im „Hof- und Addreß-Calender auf das Jahr 1798“ vorhanden. 18,23–24 Kupferstich No 37 in der Frauenholzischen Auction] Wahrscheinlich hatte Goethe während seines Nürnberg-Aufenthalts die Frauenholzische Kunsthandlung besucht, in der seit 1791 jährlich Auktionen, hauptsächlich von Kupferstichen und Druckgraphiken, stattfanden. Goethes Kaufinteresse bezieht sich auf den Auktionskatalog, der im September 1797 erschienen war. Der Verkauf sollte laut deutschsprachigem Titelblatt „gegen die Mitte des Monats Februar
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1798“ stattfinden. Unter der Nummer 37 ist ein Kupferstich Martin Schongauers angegeben (von Goethe gewöhnlich und für seine Zeit üblich als Martin Schön bezeichnet, vgl. seinen Brief an Schiller, zu 249,29–250,1) mit dem Titel: „Martin Schoen ou Schoengauer. 〈…〉 La mort de la Ste. Vierge en présence des apôtres, grande composition et pièce capitale, pet. fol. belle épreuve.“, also eine Darstellung des Todes der Heiligen Maria im Beisein der Apostel (Catalogue Speciale du Cabinet d’estampes du conseiller aulique Henri Erneste de Stokker. 〈…〉 Publie au magasin des arts de Jean Frederic Frauenholz. Nuremberg, mois de Septembre 1797, S. 4). – Da Knebel sich wegen seines Weggangs aus Nürnberg am 21. Januar nicht mehr selbst um dieses Anliegen kümmern konnte, übernahm laut Antwortbrief Knebels dessen Freund Johann Karl Siegmund Holzschuher „den Auftrag wegen des Kupferstiches N° 37“ (H: GSA 28/494, Bl. 3). – Goethe erhielt bei dieser Auktion jedoch nicht den Zuschlag. Wahrscheinlich war sein Gebot zu niedrig. In seinem Besitz sind gleichwohl zwei identische Stiche mit diesem Sujet nachweisbar, deren Erwerb jedoch später erfolgte (vgl. KSW, Museen, Inv.-Nr GGr/ Sch.I.140.0349 und Inv.-Nr GGr/Sch.I.140.350; vgl. auch Grave, 465). 18,26 daß du mein Gedicht nochmals vorlesen wollen] Knebel hatte im Bezugsbrief berichtet, dass er Goethes „Herrmann und Dorothea“, „dies herrliche Produkt einer seltnen Geistesintegrität“, bei seinen Nürnberger Freunden, namentlich „bey Holzschuher u. den seinigen vorgelesen“ habe (H: GSA 28/494, Bl. 1–2). – Goethes Epos war von Knebel bereits zuvor in Gesellschaft rezitiert worden, so etwa im Dezember 1796 bei August Wilhelm Schlegel (vgl. RA 2, Nr 528). 18,32 vieles gelesen] Zur Lektüre von Anfang bis Mitte Januar 1798 gehörten laut Tagebuch Friedrich Wilhelm Joseph Schellings „Ideen zu einer Philosophie der Natur“ (vgl. Ruppert, Nr 3116), einige französische Stücke (GT II 1, 229), wahrscheinlich zur Zusammenstellung des neuen Repertoires für das Hoftheater, sowie Christoph Martin Wielands Aristophanes-Übersetzung „Die Ritter oder die Demagogen des Aristofanes“, die 1797 im „Attischen Museum“ (Bd 2, Heft 1, S. 1–144; vgl. Ruppert, Nr 1218) erschienen war. 18,32 manches vorbereitet] Bereits im Brief vom 2. Januar ähnlich thematisiert (vgl. zu 3,26–27). 18,33 die Farbenlehre wieder vorgenommen] Vgl. ähnlich auch an Schiller im Brief vom 10. Januar, zu 12,15–16. Im Tagebuch ist am 12. Januar Goethes Beschäftigung mit der Thematik belegt: Nachmittags Farbenlehre, die Farben durch Druck betrl: (GT II 1, 230). 19,2 diese Lehre] Von den Farben. 19,3–4 die Gelehrsamkeit auf dem Papiere und zum Papiere] Knebel nimmt auf diesen Absatz in seinem Antwortbrief Bezug und pflichtet dem Freund bei: „Der Unterschied der Sophistik u. Wahrheitsliebe, den du in deinem Briefe machst, ist äusserst wahr und bemerkenswerth.“ (H: GSA 28/494, Bl. 4.)
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BRIEF 12
19,10 komm uns glücklich näher] Knebel reiste in der Nacht vom 21. Januar von Nürnberg nach Ilmenau, wo er am 23. Januar ankam. Von seiner beschwerlichen Hinfahrt berichtet er Goethe in seinem Brief vom 24. Januar (vgl. RA 2, Nr 1111.) 19,11 leidliche Communikation nach Ilmenau] Zur Korrespondenz im Jahr 1798 vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 2. – Als ein wichtiges Kommunikationsmittel erachtete Goethe auch die 1798 erscheinende Zeitschrift „Propyläen“ (vgl. zu 113,7). 19,12–13 noch ein Paar Worte von dir] Der Absendeort von Knebels Antwortbrief vom 18. Januar war noch Nürnberg (vgl. RA 2, Nr 1102). Der nächste Brief vom 24. Januar verkündete Goethe Knebels Ankunft in Ilmenau (vgl. RA 2, Nr 1111). 19,15 an einer Sendung Theil nehmen] Knebel bekundete in seinem Antwortbrief Interesse am Kauf von Mineralien. Gerade vor dem Hintergrund seines bevorstehenden Umzugs nach Ilmenau hielt er eine Vergrößerung seiner Mineraliensammlung für zweckmäßig: „Zu einer Theilnehmung an Mineralien vom Gotthardsberge stimme ich für die benannte Summe gar gerne.“ (H: GSA 28/494, Bl. 4.) Vgl. hierzu auch Goethes Rundschreiben vom 11. Januar an andere Mineraliensammler, Nr 9.
12. An Friedrich Schiller Weimar, 13. Januar 1798 → Jena ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 13–14. – Doppelblatt 18,6(–18,8) × 22,8 cm, 2 2⁄3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), egh. Paraphe und egh. Angabe von Ort und Datum, Tinte; S. 3 und 4 rote Siegelreste: Amor mit den Waffen des Herkules (vgl. Femmel/Heres, 71, K 3); S. 4 Adresse: Des / Herrn Hofrath Schillers / Wohlgebl. / J e n a. / f r a n k.; – Egh. Bleistiftkorrekturen (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 19,25–26 glaube ⎡fürchte⎤ wieder bey Gelegenheit des Schellingischen Buches zu bemerken; 19,26 ist ⎡sey⎤; 20,7 phiysische; 20,7–8 ansahe; 20,24 abbetete; 21,7 88 (vgl. E1). E1: Schiller-Goethe1 4 (1829), 26–29, Nr 405 (Teildruck ohne den in H gestrichenen Text). E2: Schiller-Goethe2 2 (1856), 11f., Nr 412. WA IV 13 (1893), 19–21, Nr 3712.
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ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 12. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1091). – Schiller antwortete am 15. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1095). Postsendungen: 13. Januar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 13. Januar 1798 (Brief an Schiller. In der Antwort etwas über das allgemeine der Naturforschung.; GT II 1, 230). 19,19–20 Farben der aneinandergedruckten Glasplatten] Goethe hatte am Nachmittag des 12. Januar mit dem Studium epoptischer Farben begonnen, das er am folgenden Tag fortsetzte (vgl. GT II 1, 230). Diese bezeichnen nach der Darstellung im „Didaktischen Teil“ der „Farbenlehre“ Farbphänomene, die unter bestimmten Bedingungen auf der Oberfläche farbloser Körper wie Glasplatten entstehen (vgl. LA I 4, 140–147, §§ 432–454). 19,20–21 Sie selbst so sehr interessirte] Schillers Interesse wurde vermutlich durch gemeinsame Versuche während Goethes Jenaer Aufenthalte im Frühjahr 1797 geweckt (vgl. Goethe an Charlotte Schiller, 19. März 1797; WA IV 12, 75). 19,23 meines Aufsatzes] Zu Goethes Aufsatz „Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subject“ vgl. zu 15,4. Schiller teilte Goethe am 19. Januar seine ausführlichen Bemerkungen dazu mit (vgl. RA 2, Nr 1104). 19,25 Schellingischen Buches] Zu Goethes Beschäftigung mit Friedrich Wilhelm Joseph Schellings Werk „Ideen zu einer Philosophie der Natur“ vgl. zu 6,30. 19,27 Zertrennen und Ordnen meiner Papiere] Zu Goethes Neuordnung seiner Aufzeichnungen zur Farbenlehre vgl. Nr 7. 20,7 phisische] Naturwissenschaftliche. 20,11 N e w t o n den Geometer] Geometer (lat. geometres, franz. géomètre), hier in dem Isaac Newton zugeschriebenen Sinne von ‚Mathematiker, Geometriker (Vermesser)‘ (vgl. GWb 3, 1497 sowie Goethes Urteil in seinen „Materialien zur Geschichte der Farbenlehre“: Newton war ein wohlorganisierter, gesunder, wohltemperierter Mann, ohne Leidenschaft, ohne Begierden. Sein Geist war konstruktiver Natur und zwar im abstraktesten Sinne; daher war die höhere Mathematik ihm als das eigentliche Organ gegeben, durch das er seine innere Welt aufzubauen und die äußere zu gewältigen suchte. (LA I 6, 296.) Das Argument findet sich bereits in Louis Bertrand Castels Abhandlung „L’optique des Couleurs“ (Paris 1740), wie Goethes Exzerpt belegt: La plus part des Neutoniens Phisiciens n’etant pas Geometres. (LA II 6, 199.) Zu Goethes Kenntnis von Castels Werk vgl. zu 45,20. Mit Blick auf Newton hat Goethe mehrfach betont, dass ein guter Mathematiker kein guter Physiker sein müsse, so in seinem auf Newton gemünzten polemischen Gedicht „Katzenpastete“ [„Mathematiker und Physiker“] (LA II 5A, 30f.; vgl. Albrecht Schöne: Goethes Farbentheologie. München 1987, S. 194–196). 20,11 Optik] Die lateinische Ausgabe von Isaac Newtons „Opticks, or a treatise of the reflections, refractions, inflections and colours of light“ (London 1704) entlieh
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Goethe am 5. Februar 1798 aus der Weimarer Bibliothek (vgl. Keudell, Nr 97). Eine spätere Auflage des Werks (1730) befand sich in Goethes Bibliothek (vgl. Ruppert, Nr 4932). Zu Goethes Kritik an Newtons Abhandlung vgl. seine Darstellung im „Historischen Teil“ der „Farbenlehre“ (vgl. LA I 6, 254–262). 20,14 Licht aus Kugeln] Physikalische Theorie, nach welcher das Licht aus kleinsten kugelförmigen Teilchen oder Korpuskeln (Körperchen) besteht. Zu Goethes Beschäftigung mit der mechanischen Lichttheorie René Descartes’ vgl. seinen 1795 entstandenen Aufsatz „Der Descartische Versuch mit der Glaskugel“ (LA I 3, 102f.; erläutert in: FA/Goethe I 23/2, 382f.). 20,17 Wärmestoff] Franz. calorique, betrachtet die Wärme als Ursache und Stoff zur Erklärung ihrer Erscheinungen (vgl. Grimm 27, 2069). 20,17 Oxygen] Sauerstoff. 20,18 K l ü g e l] Georg Simon Klügel, Professor der Mathematik in Halle, Übersetzer und Herausgeber von Joseph Priestleys „Geschichte der Optik“ (Leipzig 1775/76; vgl. Keudell, Nr 23 und Nr 93). Vgl. Goethes Urteil in den „Materialien zur Geschichte der Farbenlehre“ (LA I 6, 365–367). 20,19 L i c h t e n b e r g] Georg Christoph Lichtenberg, Professor der Physik in Göttingen. Zu Goethes angespanntem Verhältnis zu ihm und ihre Korrespondenz vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 9 II, Nr 85. Bereits 1794 hatte Goethe seine Hoffnung auf einen fachlichen Austausch mit Lichtenberg über Optik und Farbenlehre aufgeben müssen (vgl. GB 10 II, 56f.). Seitdem stand er mit ihm vor allem im Gespräch über Lichtenbergs „Ausführliche Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche“ (vgl. Ruppert, Nr 2459). 20,20 W ü n s c h] Christian Ernst Wünsch, Mathematiker und Physiker, Professor in Frankfurt a. d. Oder. Goethe hatte sich seit 1794 wiederholt mit Wünschs Abhandlung „Versuche und Beobachtungen über die Farben des Lichtes“ (Leipzig 1792; vgl. Ruppert, Nr 4811 und Ruppert, Nr 5291) auseinandergesetzt, an der er vor allem die Hypothesen zur Zusammensetzung von Farben kritisierte (vgl. GB 10 II, zu 67,31–34). 20,23 G r e n] Friedrich Albrecht Carl Gren, Professor in Halle, Autor der Schriften „Grundriß der Naturlehre“ (1788) und „Systematisches Handbuch der gesammten Chemie“ (1794–96) sowie Herausgeber des „Journals der Physik“. Im Februar 1794 hatte Goethe die überarbeitete zweite Auflage von Grens Lehrbuch „Grundriß der Naturlehre“ erworben, zu dem er eine eigenhändige Inhaltsübersicht anfertigte (vgl. Ruppert, Nr 4621; LA II 1A, 149–151). Gegenüber Schiller äußerte sich Goethe am 17. Januar über die Lektüre einzelner Kapitel zu Elektrizität und Farbe (vgl. zu 25,18–19). 20,27 seine Convenienz zu machen] Lat. convenientia: Übereinstimmung, Bequemlichkeit, Harmonie. – Hier im Sinne von ‚es sich angenehm, bequem machen‘ (vgl. GWb 5, 610).
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20,30 ein Apercü über das Ganze] Goethe erarbeitete den – unbetitelt gebliebenen – Aufsatz bereits am Nachmittag des 13. Januar (vgl. GT II 1, 230). Er übersandte ihn Schiller am 17. Januar (vgl. zu 25,15). – Aperçu (franz.: flüchtiger Blick), hier im Sinne von ‚kurze Übersicht, umrisshafte Darstellung‘ (vgl. GWb 1, 766). 21,1–2 Wallenstein] Zu Schillers Arbeit am „Wallenstein“ vgl. zu 5,19. Schiller hatte zuvor sein Bedauern darüber ausgedrückt, dass Goethe seine Reise nach Jena erneut verschieben musste, ihm aber versichert, er werde in der Zwischenzeit „im Wallenstein fleißig voranschreiten“ (NA 29, 187). 21,3–4 Das tolle 〈…〉 Sittenspiegel] Vgl. zu 8,28. Schiller hatte Goethe im Bezugsbrief um Auskunft darüber gebeten, wo er dieses Stück gefunden habe. 21,4–5 abgeschmackten] Hier im Sinne von ‚geschmacklos, geschmackswidrig‘ (vgl. GWb 1, 65, 68). 21,5 manchen für uns brauchbaren Stoff] Goethe verdankte dem Werk Anregungen zum „Faust“, so zur Walpurgisnacht oder das Motiv des „schaffenden Spiegels“ (vgl. Anne Bohnenkamp: „… Das Hauptgeschäft nicht außer Augen lassend“. Die Paralipomena zu Goethes ‚Faust‘. Frankfurt a. M. 1994, S. 226– 235). Schiller nutzte das Werk als Quelle für seine Romanze „Der Kampf mit dem Drachen“ (vgl. NA 2 II A, 647f.). 21,6 Botenfrau] Vgl. zu Botenfrauen allgemein zu 85,21.
13. An Heinrich Rapp
Weimar, 〈15. Januar 1798〉 → 〈Stuttgart〉
DAT IERUN G
Die Datierung ergibt sich aus dem Inhalt des vorliegenden Briefes. Der darin erwähnte Brief Goethes an Nikolaus Thouret (Nr 14) datiert vom selben Tag. Goethe schloss diesen seinem Brief an Rapp bei und sandte beide noch am 15. Januar 1798 ab (vgl. Postsendungen). ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. – Beischlüsse: Nr 10, Nr 14, Nr 15, Nr 16 und EB 5. K: GSA Weimar, Sign.: 28/20, Bl. 29–30. – Doppelblatt 17,1(–17,4) × 20,2 cm, 3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 2 am linken unteren Blattrand egh. Bleistiftvermerk: Clemenza di Tito. – In einem gebundenen Faszikel (vgl. Überlieferung zu Nr 6). E: WA IV 13 (1893), 21–23, Nr 3713 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K.
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BRIEF 13
ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Rapps Brief vom 18. Dezember 1797 (vgl. RA 2, Nr 1057). – Rapp antwortete am 31. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1221). Postsendungen: 15. Januar 1798 (Stuttgard. / H l. P r o f. T h o u r e t. / H l. P r o f. D ä n n e c k e r / H l. H a n d e l s m a n n R a p p / nach zurückbehaltnen Concepten. / sämmtlich an Hl. Rapp eingeschlossen; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 15. Januar 1798 („1. 〈Stck.〉 Mr Rapp. Stuttgardt 10. 〈gL〉“; GR/Belege 1798, 2, Bl. 13r); 15. Januar 1798 (Briefe nach Stuttgard.; GT II 1, 231). Zur Person Heinrich Rapps (1761–1832) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zum Brief vom 24. August 1797 (GB 12). – Nach einer Empfehlung durch Friedrich Schiller hatte Goethe den Stuttgarter Kaufmann, Kunstliebhaber und Schriftsteller am 30. August 1797 in Stuttgart persönlich kennen und bald als einen wohlunterrichteten Verständigen Kunstfreund (GT II 1, 161) schätzen gelernt. Seit Goethes Rückkehr von der Schweizer Reise im November 1797 ließ Rapp ihm regelmäßig Nachrichten aus Stuttgart zukommen, darunter zu Künstlern wie seinem Schwager, dem Bildhauer Johann Heinrich Dannecker, aber auch zu den aktuellen politischen Verhältnissen in Württemberg. Darüber hinaus war Rapp wiederholt bei Geldgeschäften oder der geplanten Erwerbung eines anatomischen Präparats für Goethes Sammlungen behilflich (vgl. zu 21,25). Besondere Verdienste erwarb sich Rapp bei der Vermittlung des Stuttgarter Architekten und Dekorationsmalers Nikolaus Thouret, der im Januar 1798 mit dem Ausbau der herzoglichen Wohnräume des Weimarer Residenzschlosses beauftragt wurde. Da über Thourets erwartete Ankunft in Weimar lange Unklarheit herrschte, kamen Rapps Nachrichten aus Stuttgart eine besondere Bedeutung zu, wie auch die Abrechnung der Reisekosten Thourets über Rapp erfolgte. – Aus dem Jahr 1798 sind drei Briefe Goethes an Rapp (Nr 13, Nr 75, Nr 128) sowie drei Briefe Rapps an Goethe (vgl. RA 2, Nr 1209 und Nr 1221 sowie GSA 30/118, Bl. 47–48; nicht in RA; Brief vollständig abgedruckt in der einleitenden Erläuterung zu Nr 128) überliefert. Der seit November 1797 recht kontinuierlich geführte Briefwechsel mit Rapp fand mit Goethes Brief vom 13. Juli 1798 (Nr 128) ein vorläufiges Ende und wurde erst im September 1799 wieder aufgenommen (vgl. GB 14 I, Nr 151). 21,8 Gefällligkeiten] Versehentlich statt ‚Gefälligkeiten‘. – Rapp war Goethe in den vergangenen Monaten bei Erwerbungen oder Geldgeschäften wiederholt behilflich gewesen. 21,9 Ihre Geschäffte] Rapp führte seit 1783 die Geschäfte der väterlichen Tuchhandlung. Zudem übte er das 1792 von Herzog Carl Eugen von Württemberg übertragene Amt des Assessors des Wechselgerichts aus. 21,11–12 Herrn Thourets Geschicklichkeit, bey unserm Schloßbau] Im Bezugsbrief hatte Rapp ein Schreiben des Stuttgarter Malers und Architekten Nikolaus Thouret mitgeteilt, in dem dieser ankündigte, mit ersten Entwürfen nach
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Weimar kommen zu wollen (vgl. zu 22,28). Im Ergebnis wurde Thouret mit dem Ausbau der herzoglichen Wohnräume im Ostflügel des 1774 abgebrannten Weimarer Residenzschlosses beauftragt. 21,12 ein besonderes Blatt] Gemeint ist Goethes Brief an Thouret vom selben Tag, das er seinem Brief an Rapp beischloss (vgl. Nr 14). 21,14 Urlaub] Zu Thouret folgendem Urlaubsgesuch, das zunächst abgelehnt und später für drei Monate bewilligt wurde vgl. zu 23,5–6. 21,19–20 Ihren Durchl Herzog] Herzog Friedrich II. von Württemberg. 21,22 Sollte Herr Thouret bald abgehen können] Thouret traf erst am 25. Mai 1798 in Weimar ein (vgl. zu 120,28–29). 21,22–23 zu seiner Reise Geld benöthigt seyn] Wie vereinbart erfolgte die Abrechnung der Reisekosten über Rapp. Über die tatsächlichen Kosten der Reise Thourets von Stuttgart nach Weimar in Höhe von 40 Louisd’or informierte Rapp in seinem Brief an Goethe vom 11. Mai 1798 (GSA 30/118, Bl. 47; nicht in RA; Brief vollständig abgedruckt in der einleitenden Erläuterung zu Nr 128). Die Abrechnung der Kosten erfolgte Ende Mai über die Herzogliche Kammer (vgl. zu 161,3). Wie Rapp empfand auch Goethe die Summe als unangemessen hoch (vgl. zu 191,1–2). 21,24 remboursiren] Von franz. rembourser: zurückzahlen, erstatten (vgl. GWb 7, 415). 21,25 osteologische Präparat] Präparat eines Schädelfragments mit Kiefermissbildung in der Sammlung des Stuttgarter Chirurgen und Anatomen Konrad Christian Klein. Goethe hatte das Präparat am 6. September 1797 im Hause Rapps in Stuttgart gesehen (vgl. GT II 1, 174). Seine bei dieser Gelegenheit entstandene Beschreibung „Pathologisches Präparat“ ist in Goethes Akten zur Schweizer Reise überliefert (GSA 25/W 2633, Bl. 36; vgl. LA I 10, 197f.; erläutert in: LA II 9B, 467f.). Bemühungen, das Objekt durch die Vermittlung Rapps zu erwerben, schlugen fehl (vgl. Goethes Brief an Rapp vom 27. November 1797; WA IV 12, 364). Von seinem Wunsch nach zwei Zeichnungen sowie dem Plan einer Veröffentlichung sah Goethe später ab, da Rapp im Antwortschreiben mitteilte, dass der Besitzer selbst eine solche plane. Goethes Beschreibung blieb zu Lebzeiten unveröffentlicht. 21,26–27 unser Dannecker] Der Bildhauer Johann Heinrich Dannecker war seit 1790 mit Rapps Schwester Heinrike Charlotte verheiratet und dem Schwager eng verbunden. Goethe wiederholte seinen Wunsch nach zwei Zeichnungen auch gegenüber Dannecker in seinem Brief vom selben Tag (vgl. Nr 16). 22,6 sollhe] Versehentlich statt ‚solche‘. 22,6 das Loderische chirurchische Joural] Der Jenaer Medizinprofessor Justus Christian Loder gab seit 1797 das „Journal für die Chirurgie, Geburtshülfe und gerichtliche Arzneykunde“ heraus. Loder hatte Goethe im August 1797 darum gebeten, während seiner Reise in die Schweiz auf mögliche „pathologische Acquisitionen“ zu achten (an Goethe, 30. August 1797; H: GSA 28/19, Bl. 527; vgl. RA 2, Nr 951). – ‚Chirurchische Joural‘ versehentlich statt ‚chirurgische Journal‘.
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BRIEF 14
22,10 Herr Conzertmeister Z u m s t e g] Der Violoncellist und Komponist Johann Rudolph Zumsteeg war seit 1793 Herzoglich Württembergischer Konzertmeister in Stuttgart (vgl. Johannes Sturm: Sichtweisen der württembergischen Hofmusik im ausgehenden 18. Jahrhundert. Der Violoncellist Johann Rudolph Zumsteeg und sein Werk. Heidelberg 2017, S. 70). 22,11–12 Composition des ossianischen Gesanges] Gemeint ist Zumsteegs Vertonung der von Goethe übersetzten Ballade „Colma“ (Colma / Ein Gesang Ossians, von Göthe / mit Klavierbegleitung von J〈ohann〉 R〈udolph〉 Zumsteeg. Leipzig 〈1793〉). Das Stück war während Goethes Aufenthalt in Stuttgart am 2. September 1797 im Hause Zumsteegs aufgeführt worden (vgl. GT II 1, 169 sowie Goethes Brief an Zumsteeg vom 6. September 1797; WAN 1 [WA IV 51], 129). Der Text entstammt der Sammlung „Songs of Selma“, die dem sagenhaften schottischen Barden Ossian zugeschrieben wurde, in Wahrheit aber von James Macpherson stammte. Goethe hatte diese Dichtung 1771 in freier Prosa übertragen und später in überarbeiteter Form in „Die Leiden des jungen Werthers“ aufgenommen (vgl. EGW 6, 332–335). Seit Längerem plante Goethe, die Dichtung für die Theaterbühne zu arrangieren (vgl. GB 8 II, zu 157,19–20). 22,13 Dem: Jagemann] Die aus Weimar stammende und in Mannheim ausgebildete Schauspielerin Henriette Caroline Friederike Jagemann war Anfang 1797 als Hofsängerin am Weimarer Hoftheater engagiert worden, wo sie seit ihrem Debüt am 18. Februar 1797 als Oberon in Wranitzkys gleichnamiger Oper große Erfolge feierte. 22,17 Ihre werthe Gattin] Rapp war seit 1785 mit Henriette Friederike Eberhardine geb. Walz verheiratet. 22,17 der neue Ankömmling] Rapps jüngste Tochter Auguste Mathilde war am 13. Oktober 1797 in Stuttgart geboren worden. 22,17–18 Ihre ganze Familie] Zur Familie gehörten zu diesem Zeitpunkt sechs Töchter: Eberhardine Sophie (geb. 1787), Caroline Friederike (geb. 1789), Heinrike Amalie (geb. 1790), Emilie Charlotte (geb. 1792), Marie Pauline (geb. 1796) und Auguste Mathilde (geb. 1797). 22,19 etwas von den Hauptveränderungen melden] Nach dem Tod seines Vaters Friedrich Eugen am 23. Dezember 1797 war dessen Sohn Friedrich II. zum Herzog von Württemberg ernannt worden. Sein Regierungsantritt war von zahlreichen Maßnahmen wie der Einstellung sämtlicher Bauarbeiten in Hohenheim begleitet, worüber Goethe durch Johann Heinrich Dannecker informiert war (vgl. RA 2, Nr 1080). Rapp hielt sich mit Nachrichten indes zurück. In seinem Brief vom 11. Mai 1798 berichtete er lediglich von der erfolgten Wiedereinsetzung des 1797 entlassenen Staatsministers Carl Ludwig Georg von Woellwarth (vgl. GSA 30/118, Bl. 47–48; nicht in RA; Brief vollständig abgedruckt in der einleitenden Erläuterung zu Nr 128; zur Sache: Dienst-Entlassungs- und Prozeß-
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Geschichte des herzoglich wirtembergischen Staats-Ministers Freyherrn von Wöllwarth. Frankfurt, Leipzig 1803, S. 107f.).
14. An Nikolaus Thouret
Weimar, 15. Januar 1798 → 〈Stuttgart〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: Landesarchiv Baden-Württemberg, HStA Stuttgart, Sign.: A 21 Bü 964. – Doppelblatt 18,5 × 22,8 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Unterschrift, Tinte. – Beischluss zu Nr 13. K: GSA Weimar, Sign.: 28/20, Bl. 27. – Doppelblatt 20,9 × 33,6(–33,8) cm, 1 S. und 5 Zeilen einspaltig rechts beschr. (S. 1–2 oben; darunter S. 2–3 Nr 15), Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 linke Spalte oben Adresse: An Herrn Prof. Thouret nach Stuttgard. – In einem gebundenen Faszikel (vgl. Überlieferung zu Nr 6). E: WA IV 13 (1893), 23–25, Nr 3714 (Eduard von der Hellen; nach K; als erster Teil eines Briefes, als dessen zweiter Teil Nr 15 betrachtet wurde). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet ein undatiertes Schreiben Thourets, das Heinrich Rapps Brief an Goethe vom 18. Dezember 1797 beigelegt war (vgl. RA 2, Nr 1057). – Thouret antwortete am 31. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1222). Postsendungen: 15. Januar 1798 (Stuttgard. / H l. P r o f. T h o u r e t. / H l. P r o f. D ä n n e c k e r / H l. H a n d e l s m a n n R a p p / nach zurückbehaltnen Concepten. / sämmtlich an Hl. Rapp eingeschlossen; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 15. Januar 1798 (Briefe nach Stuttgard.; GT II 1, 231). Nikolaus Friedrich Thouret (1767–1845) wurde als ältester Sohn des Herzoglich Württembergischen Kammerdieners Charles Thouret und seiner Frau Eva Christina geb. Grotz in Ludwigsburg geboren. Von Dezember 1778 bis April 1788 war Thouret Schüler an der Hohen Karlsschule in Stuttgart, wo er im Fach „Malerei“ ausgebildet wurde (vgl. Werner Gebhardt: Die Schüler der Hohen Karlsschule. Ein biographisches Lexikon. Stuttgart 2011, S. 525). Ein herzogliches Stipendium ermöglichte ihm im Herbst 1788 die Reise nach Paris. Hier verkehrte Thouret mit Wilhelm von Wolzogen, mit dem er später in Weimar wieder zusammentraf (zu Wolzogen vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr A 2). Ende Februar 1789 wurde Thouret als Schüler des Malers Jean-Baptiste Regnault an der Pariser Académie Royale des Beaux-Arts angenommen, kehrte aber vermutlich bereits im Frühjahr 1790 vorzeitig nach Stuttgart zurück. Im folgenden Sommer 1791 zog Thouret nach Rom, wo er sich als Ar-
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chitektur- und Dekorationsmaler zu spezialisieren suchte. Während seines über fünf Jahre währenden Romaufenthalts verkehrte Thouret u.a. in der Privatakademie des Schweizer Bildhauers Alexander Trippel, einer der zentralen Anlaufstellen deutschsprachiger Künstler, Architekten und Gelehrter in Rom. Anfang 1797 kehrte Thouret nach Stuttgart zurück, wo er mit Arbeiten zur Innenausstattung von Schloss Hohenheim beauftragt wurde. Hier lernte Goethe ihn im September 1797 während seiner Reise in die Schweiz kennen und schätzen: Dieses ist ein junger lebhafter Mahler der sich aber mit viel Lust auf Architektur gelegt hat. (Brief an Herzog Carl August, 11./12. September 1797; WA IV 12, 295; vgl. GT II 1, 165–168, 173.) Zu Thourets doppelter Qualifikation kam der Umstand, dass er durch seine Lehrjahre in Paris und Rom umfassend im klassizistischen Geschmack vorgebildet war. Durch Goethes Vermittlung wurde Thouret 1798 mit dem Ausbau der herzoglichen Wohnräume im Ostflügel des Weimarer Residenzschlosses beauftragt (vgl. Bothe, Residenzschloß, 48–64). Ein erster Aufenthalt Thourets in Weimar währte von Mai bis Oktober 1798, wobei er zugleich mit dem Umbau des Zuschauerraums des Weimarer Hoftheaters beauftragt wurde. Ende Oktober verließ Thouret Weimar und lieferte seine Entwürfe in den folgenden Monaten von Stuttgart aus. Erst Anfang Dezember 1799 kam Thouret für ein zweites Mal nach Weimar, wo er bis Mitte Februar 1800 blieb, um anschließend endgültig in seine Heimat zurückzukehren und die Verbindungen nach Weimar abzubrechen. Grund hierfür war, dass sich die beruflichen Aussichten des bis zu diesem Zeitpunkt in Stuttgart nicht fest angestellten Thouret gebessert hatten: So war Thouret zunächst zum Hofmaler und dann im September 1799 zum Hofbaumeister ernannt worden. Nach dem Tode seines Dienstherrn König Friedrich I. wurde Thouret 1817 aus diesem Amt entlassen und zum Professor der Architektur an der neubegründeten Stuttgarter Kunstschule ernannt. Thouret hinterließ ein umfangreiches zeichnerisches und architektonisches Werk (vgl. Axel Burkarth: Nikolaus von Thouret [1767–1845]. Forschungen zum Wirken eines württembergischen Hofarchitekten in der Zeit des Klassizismus. Stuttgart 1991). – Goethes Kontakt zu Thouret ging nicht über ein amtliches Verhältnis hinaus. Ihr kurzer Briefwechsel beginnt mit der am 15. Januar 1798 ausgesprochenen Einladung an Thouret, persönlich nach Weimar zu kommen, und endet mit einem – nicht überlieferten – Brief Goethes an Thouret vom 29. Januar 1801 (vgl. GT III 1, 10). Insgesamt sind acht überlieferte Briefe Goethes an Thouret sowie zwei Antwortschreiben Thourets ermittelt. Weitere amtliche Schreiben sind in den Akten der Schlossbaukommission des LATh – HStA Weimar überliefert. Sie können hier numerisch nicht aufgelistet werden. 22,25 Decoration des hießigen fürstl Schlosses] Mit dem Wiederaufbau des 1774 abgebrannten Weimarer Residenzschlosses war 1789 begonnen worden, wobei die Arbeiten in den folgenden Jahren aber häufig stockten. Thouret wurde mit dem Ausbau der herzoglichen Wohnräume im Ostflügel beauftragt (vgl. Bothe, Residenzschloß, 48–64).
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22,26 Herr Professor] Thouret trug seit 1788 den Titel eines Hofmalers, nicht aber den eines Professors, da er nicht an der herzoglichen Akademie angestellt war. Der Umstand war Goethe möglicherweise nicht bekannt und wurde von Thouret auch nicht aufgeklärt. 22,28 auf einige Zeit hierher zu kommen] Thouret hatte im Dezember 1797 angekündigt, „daß es nothwendig seyn wird selbst an Ort und Stelle nach verfertigten Zeichnungen mich einzufinden, um mich mit denen die sie ausführen sollen zu besprechen“ (H: GSA 28/19, Bl. 539; vgl. RA 2, Nr 1057). Thouret traf am 25. Mai 1798 in Weimar ein und blieb für fünf Monate bis Ende Oktober. 23,5 Ihre Arbeiten] Thouret war mit der Innendekoration von Schloss Hohenheim beschäftigt. Diese Arbeiten waren jedoch mit dem Regierungsantritt des Herzogs Friedrich II. von Württemberg Ende Dezember 1797 eingestellt worden, wie Goethe durch Johann Heinrich Dannecker wusste (vgl. Nr 16). 23,5–6 von Ihren Herrn Vorgesetzten Urlaub zu erbitten] Thouret reichte das von Goethe erbetene Urlaubsgesuch am 24. Februar 1798 bei seinem Landesherrn, Herzog Friedrich II. von Württemberg, mit folgender Begründung ein: „Vorigen Sommer hatte ich in Hohenheim Gelegenheit den Herzoglichen Sachsen Weimarischen Geheimen Rath von Göthe kennen zu lernen, welcher meine Arbeiten in dem Conversations-Saale und in der Capelle der englischen Anlage daselbst des guten Geschmacks und seins Beyfalls so würdig fand, daß ich außer mehreren vorhergegangnen noch beyliegendes Schreiben erhielt, worinn ich aufgefordert werde bey dem Schloßbau in Weimar nach meinen Kräften mitzuwirken. / Da meine geringe Besoldung zu meinen Lebensbedürfnißen nicht zureicht, so bin ich genöthigt dießen Ruf anzunehmen. Ich ersuche daher Euer Herzoglichen Durchlaucht mir einen Urlaub von 2. Monathen gnädigst zu gestatten“ (H: Landesarchiv Baden-Württemberg, HStA Stuttgart, Sign.: A 21 Bü 964; vgl. Axel Burkarth: Nikolaus von Thouret [1767–1845]. Forschungen zum Wirken eines württembergischen Hofarchitekten in der Zeit des Klassizismus. Stuttgart 1991, S. 49). Das Gesuch wurde am 26. Februar 1798 vom Herzog mit folgender Begründung zunächst abschlägig beschieden: „Es hat das HerzL. OberHofMarschallenAmt dem Hof-Mahler Thouret auf seine in der Anlage vorgebrachte Bitte Zu eröfnen, daß da man denselben hier selbst nächstens nöthig haben werde, überdies aber ihm Vorschüsse wegen Arbeiten nach Hohenheim, die er noch nicht geliefert habe, gegeben worden seyen, demselben in seinem Urlaubs-Gesuch gegenwärtig nicht willfahrt werden könne.“ (H: Landesarchiv Baden-Württemberg, HStA Stuttgart, Sign.: A 21 Bü 964.) Erst Ende März wurde eine Reiseerlaubnis für drei Monate bewilligt. 23,9 Durchl der Herzog] Herzog Carl August von Sachsen-Weimar und Eisenach. 23,11 eine vorläufige Nachricht] Thouret antwortete am 31. März (vgl. RA 2, Nr 1222 und zu Nr A 15).
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15. An Nikolaus Thouret
Weimar, 15. Januar 1798 → 〈Stuttgart〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. – Beischluss: Nr 14. – Beischluss zu Nr 13. K: GSA Weimar, Sign.: 28/20, Bl. 27–28. – Doppelblatt 20,9 × 33,6(–33,8) cm, 1 S. und 6 Zeilen einspaltig rechts beschr. (S. 2 oben–3; S. 1–2 oben Nr 14K), Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 2 linke Spalte oben Adresse: An denselben. – In einem gebundenen Faszikel (vgl. Überlieferung zu Nr 6). E: WA IV 13 (1893), 23–25, Nr 3714 (Eduard von der Hellen; nach K; als zweiter Teil eines Briefes, als dessen erster Teil Nr 14 betrachtet wurde). Textgrundlage: K. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet ein undatiertes Schreiben Thourets, das Heinrich Rapps Brief an Goethe vom 18. Dezember 1797 beigelegt war (vgl. RA 2, Nr 1057). – Thouret antwortete am 31. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1222). Postsendungen: 15. Januar 1798 (Stuttgard. / H l. P r o f. T h o u r e t. / H l. P r o f. D ä n n e c k e r / H l. H a n d e l s m a n n R a p p / nach zurückbehaltnen Concepten. / sämmtlich an Hl. Rapp eingeschlossen; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 15. Januar 1798 (Briefe nach Stuttgard.; GT II 1, 231). 23,15 Beyliegenden Brief] Vgl. Nr 14. Wie von Goethe vorgeschlagen, legte Thouret diesen Brief Goethes seinem Urlaubsgesuch an den Herzog Friedrich II. von Württemberg bei. 23,20–21 Ihrem letzten Blatte] Gemeint ist Thourets Schreiben, das Heinrich Rapps Brief an Goethe vom 18. Dezember 1797 beigelegt war (vgl. RA 2, Nr 1057). 23,24 Rosen und Stäbe von Herrn Isopis Arbeit] Vgl. zu 24,21–22. 23,28–29 Herrn Rapp habe ich ersucht Ihnen 〈…〉 auszuzahlen] Vgl. zu 21,22–23.
16. An Johann Heinrich Dannecker
Weimar, 15. Januar 1798 → 〈Stuttgart〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. – Beischluss zu Nr 13. K: GSA Weimar, Sign.: 28/20, Bl. 26. – Doppelblatt 21(–21,2) × 34,3 cm, 2 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänz-
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ten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 linke Spalte oben Adresse: An Hl. Prof. Dannecker n. Stuttgard.; S. 2 Briefschluss (25,8–12 N o c h e i n s. 〈…〉 15 Jan. 1798.) in linker Spalte, Blatt um 90 Grad gedreht. – In einem gebundenen Faszikel (vgl. Überlieferung zu Nr 6). E: WA IV 13 (1893), 25f., Nr 3715 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Danneckers Brief vom 5. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1080). – Ein Antwortbrief Danneckers ist nicht bekannt. – Auf die im vorliegenden Brief gestellten Fragen antworteten der Kupferstecher Johann Friedrich Leybold am 24. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1163), der Bildhauer Antonio Isopi im März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1168). Postsendungen: 15. Januar 1798 (Stuttgard. / H l. P r o f. T h o u r e t. / H l. P r o f. D ä n n e c k e r / H l. H a n d e l s m a n n R a p p / nach zurückbehaltnen Concepten. / sämmtlich an Hl. Rapp eingeschlossen; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 15. Januar 1798 (Briefe nach Stuttgard.; GT II 1, 231). Johann Heinrich Dannecker (1758–1841) wurde als Sohn von Johann Georg Dannecker und seiner Frau Anna Catharina geb. Schempp in Stuttgart geboren. Der Vater war als Vorreiter, Stallknecht und Kutscher im Dienst des württembergischen Herzogs Carl Eugen tätig, die Mutter war Tochter eines Webers aus Holzmaden. 1764 zog die Familie mit dem Hof nach Ludwigsburg um. Im April 1771 wurde Dannecker im Fach „Bildhauerei“ in die im Jahr zuvor begründete „Gartenund Stuccator-Knaben-Schule und militärisches Waisenhaus“ auf der Solitude aufgenommen, die 1775 nach Stuttgart verlegt wurde (vgl. Werner Gebhardt: Die Schüler der Hohen Karlsschule. Ein biographisches Lexikon. Stuttgart 2011, S. 203). Zu seinen Schul- und Jugendfreunden zählten neben dem ebenfalls zum Bildhauer ausgebildeten Philipp Jakob Scheffauer auch Friedrich Schiller, dem Dannecker 1794 mit einer lebensgroßen Gewandbüste ein erstes FreundschaftsDenkmal setzen sollte. Im Dezember 1780 wurden Dannecker und Scheffauer aus der „Militär-Pflanzschule“ entlassen und zu Hofbildhauern ernannt, was sie zu Arbeiten für das Fürstenhaus verpflichtete. 1783 erfolgte Danneckers Anstellung als Hofbildhauer auf Lebenszeit. Im selben Jahr gingen Dannecker und Scheffauer zunächst für zwei Jahre nach Paris und 1785 nach Rom, wo sie bis 1789 blieben und enge Kontakte zu Bildhauern wie Alexander Trippel und Antonio Canova pflegten. 1790 kehrten beide Künstler nach Stuttgart zurück und wurden zu Professoren der inzwischen zur Universität erhobenen – und 1794 wieder aufgelösten – „Hohen Carlsschule“ ernannt. Im November 1790 heiratete Dannecker in erster Ehe die 17-jährige Heinrike Charlotte Rapp, jüngste Schwester des wohlhabenden Kaufmanns und Kunstliebhabers Heinrich Rapp, der zu einem engen Freund und För-
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derer Danneckers wurde. In diesem Umfeld lernte Dannecker im Spätsommer 1797 Goethe kennen, der sich auf seiner Reise in die Schweiz für eine Woche in Stuttgart aufhielt (vgl. GT II 1, 162). Bemühungen Goethes, den Bildhauer wie zuvor schon Nikolaus Thouret für Aufträge nach Weimar zu gewinnen, schlugen indes fehl. In den folgenden Jahren machte sich Dannecker als zunehmend geschätzter Porträtbildhauer und Schöpfer mit Aufsehen erregenden Skulpturen wie „Ariadne auf dem Panther“ (1804–14) einen Namen. 1808 eröffnete er am Stuttgarter Schlossplatz die von Thouret erbaute so genannte „Danneckerei“ als Wohnhaus, Atelier, Kunstschule und Museum. 1816 wurde er zum Hofrat ernannt, 1829 zum Direktor der Kunstschule. Er hinterließ ein umfangreiches Werk (vgl. Christian von Holst: Johann Heinrich Dannecker. Der Bildhauer. Stuttgart 1987). – Goethes kurzer Briefwechsel mit Dannecker resultierte aus ihrer persönlichen Bekanntschaft im September 1797 in Stuttgart. Ihre Korrespondenz umfasst insgesamt nur sechs Briefe, davon vier aus dem Jahr 1798: zwei Briefe Goethes (Nr 16, Nr 188), mit denen er auf zwei Briefe Danneckers antwortete (vgl. RA 2, Nr 1080 und RA 2, Nr 1169). Unbeantwortet blieben zwei weitere Briefe Danneckers aus späteren Jahren: ein Empfehlungsschreiben vom 9. Mai 1815 (vgl. RA 6, Nr 1543) sowie ein Brief aus dem Jahr 1820, in dem Dannecker von seinem – nicht realisierten – Vorhaben einer monumentalen Goethe-Büste berichtet (vgl. RA 9, Nr 389). 24,4–5 Herrn Thouret zu schreiben und ihn hierher einzuladen] Vgl. Nr 14. 24,6 mein Andenken] Dannecker hatte im Bezugsbrief den „unvergesslichen Umgang“ mit Goethe während dessen Aufenthalts in Stuttgart im September 1797 gewürdigt und betont, dass er sich nach Goethes Abreise „verwayst“ gefühlt habe (H: GSA 28/20, Bl. 24). 24,12 Abguß der Büste des Prinzen Karl] Erzherzog Carl von Österreich, Bruder von Kaiser Franz II. und militärisch erfolgreicher Feldherr der Koalitionskriege, hatte Dannecker im Herbst 1797 in Stuttgart für eine lebensgroße Porträtbüste Modell gestanden (vgl. Christian von Holst: Johann Heinrich Dannecker. Der Bildhauer. Stuttgart 1987, S. 241–245, Kat.-Nr 77). Abgüsse dieser Büste wurden von der Cotta’schen Buchhandlung vertrieben (vgl. 〈Anonym〉: Portraitbüste des Erzherzogs Carl. In: Journal des Luxus und der Moden, Bd 15, November 1800, S. 603f.). Die von Goethe erbetene Fassung traf im August 1798 in Weimar ein (vgl. zu 221,19). Wahrscheinlich handelte es sich um eine in den Sammlungen der Klassik Stiftung Weimar überlieferte repräsentative Gewandbüste (KSW, Museen, Inv.-Nr KPl/00755; zu einer als Fragment erhaltenen Hermenbüste vgl. KSW, Museen, Inv.-Nr KPl/00280). Die Büste wurde 1801 auf der Weimarischen Kunstausstellung gezeigt und später in der Großherzoglichen Bibliothek aufgestellt (vgl. Weimarische Kunstausstellung von 1801 und Preisaufgaben für 1802. In: Allgemeine Literatur-Zeitung, Extrabeilage vom 1. Januar 1802, S. IV, Nr 31f.; Repertorium ueber das Großherzogliche Kunstcabinet 1818–1851, S. 22, Sign.:
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HAAB, Loc A : 58). Goethe würdigte die Arbeit mit folgender Beschreibung: Wir sahen das Werk noch unter den Händen des Künstlers und bemerkten mit Vergnügen daran die treue, bis ins zarteste Detail, mit ungemeinem Fleiß durchgeführte Nachahmung der Natur. / Aus Liebe zur Kunst muß man also wünschen, daß die Abgüsse dieses Werks im Publikum zahlreiche Liebhaber finden mögen, damit des Künstlers Talent nach Verdienst bekannt und geachtet werde. (Propyläen III 2, 172.) 24,13–15 unsern gnädigsten Herrn 〈…〉 ein marmornes Denkmal stiftete] Ein entsprechender Auftrag von Herzog Carl August kam nicht zustande. Vorbild war Danneckers lebensgroße Marmorbüste des regierenden Herzogs Friedrich Eugen von Württemberg, die Goethe aus Stuttgart bekannt war (vgl. GT II 1, 162). 24,15–16 Sie 〈…〉 zu uns kämen] Dannecker reiste nicht nach Weimar. 24,20 seine Decorationen] Thouret war mit dem Ausbau der herzoglichen Wohnräume im Ostflügel des Residenzschlosses beauftragt worden (vgl. Nr 14). 24,21–22 einige Rosen und Stäbe von Herrn Isopis Arbeit] Die entsprechende Bitte äußerte Goethe auch gegenüber Thouret (vgl. Nr 15). Der italienische Bildhauer Antonio Isopi war als „Hofbildhauer und Hofmarmorier“ mit der Innenausstattung von Schloss Hohenheim beschäftigt (vgl. Herzoglich Wirtembergisches Adreß-Buch, auf das Jahr 1798. Stuttgart 1798, S. 29 und 88). Hier hatte Goethe ihn im September 1797 persönlich kennen gelernt (vgl. GT II 1, 166f., 170). Auf Goethes Wunsch nach ornamentalen Modellen zur geplanten Ausstattung des Weimarer Residenzschlosses antwortete Isopi, dass er zunächst Thourets konkrete Angaben abwarten müsse und danach Muster aus Terrakotta herstellen werde, die später als Vorlagen genutzt werden könnten (vgl. RA 2, Nr 1168). Zu Isopis Beteiligung am Weimarer Schlossbau vgl. Annette Köger: Antonio Isopi (1758–1833). Ein römischer Bildhauer am württembergischen Hof. 2 Bde. Frankfurt a. M. 1996, Bd 1, S. 141–152. 24,26 welchen Preis] Nach Isopis Antwort richtete sich der Preis der Modelle nach Art, Größe und Menge (vgl. RA 2, Nr 1168). 25,3 Herrn Prof Leybold bitte bestens zu grüßen] Der Hofkupferstecher und Miniaturmaler Johann Friedrich Leybold hatte sich im September 1797 während Goethes Aufenthalt in Stuttgart persönlich um eine Anstellung als Zeichenlehrer in Weimar beworben (vgl. RA 2, Nr 959). Wie Leybolds Dankschreiben an Goethe vom 24. Februar zu entnehmen ist, richtete Dannecker die aufgetragenen Grüße aus (vgl. RA 2, Nr 1163). 25,4–5 im Vorschlage zu der durch Herrn Lips erledigten Stelle] Nach dem 1794 erfolgten Weggang des Kupferstechers Johann Heinrich Lips aus Weimar war dessen Stelle als ordentlicher Lehrer an der Herzoglichen Freien Zeichenschule nicht neu besetzt worden (vgl. GB 10 I, Nr A 62). Der Unterricht im Kupferstich erfolgte durch den Unterlehrer Johann Christian Ernst Müller.
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BRIEF 17
25,6 Ihre Grüße richte ich aus.] Danneckers Grüße galten Wilhelm von Wolzogen und Friedrich Schiller sowie deren Ehefrauen, den Schwestern Caroline und Charlotte geb. von Lengefeld. Ob und in welcher Form Goethe die Grüße übermittelte, ist nicht bekannt. 25,6 Ihrer lieben Frau] Dannecker war seit 1790 mit Rapps jüngster Schwester Heinrike Charlotte verheiratet. Goethe kannte sie vermutlich von seinem Stuttgarter Aufenthalt 1797 (vgl. GT II 1, 169). 25,8 Brief an Ihren Herrn Schwager] Heinrich Rapp (vgl. Nr 13). 25,9–10 Zeichnung nach dem bekannten osteologischen Präparat] Vgl. zu 21,25. 25,10 dirigiren] Hier im Sinne von ‚verantwortlich leiten, beaufsichtigen‘ (vgl. GWb 2, 1216).
17. An Friedrich Schiller
Weimar, 17. Januar 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 16–17. – Doppelblatt 11,5 × 19,3 cm, 3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrektur (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 26,3 Böttiger ⎡X.⎤. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 30–32, Nr 407. WA IV 13 (1893), 27–29, Nr 3717. BEIL AG E
Manuskript von Goethes Aufsatz „Das reine Phänomen“ (vgl. zu 25,15). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 15. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1095). – Schiller antwortete am 19. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1104). Postsendungen: 17. Januar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429). 25,13 gute Nachricht] Schiller hatte im Bezugsbrief über seine Weiterarbeit am „Wallenstein“ berichtet. 25,15 einen kleinen Aufsatz] Goethe hatte den Beitrag bereits am 13. Januar angekündigt (vgl. zu 20,30). Die als Beilage an Schiller übersandte Handschrift ist in Goethes Nachlass im Faszikel „Physik überhaupt 1798/99“ überliefert (H: GSA 26/LIX,9,2, Bl. 11–12; vgl. LA I 11, 39f.; erläutert in: LA II 1B, 1154–1158). Das als Brief gefaltete unbetitelte Doppelblatt in der Handschrift des Schreibers Geist ist auf den 15. Januar 1798 datiert und beginnt mit den Worten:
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Die Phänomene die wir andern auch wohl Facta nennen sind gewiß und bestimmt ihrer Natur nach hingegen oft unbestimmt und schwankend in so fern sie erscheinen. (LA I 11, 39.) Der Text blieb zu Goethes Lebzeiten ungedruckt. Er wurde erstmals 1893 in der WA unter dem Titel „Erfahrung und Wissenschaft“ veröffentlicht (WA II 11, 38–41). Der später in LA vorgeschlagene Titel „Das reine Phänomen“ greift das zentrale Argument in Goethes Aufsatz auf: D a s r e i n e P h ä n o m e n steht nun zuletzt als Resultat aller Erfahrungen und Versuche da. Es kann niemals isoliert sein, sondern es zeigt sich in einer stetigen Folge der Erscheinungen (LA I 11, 40). 25,18–19 Grens Naturlehre] Zu Goethes intensiver Beschäftigung mit Friedrich Albrecht Carl Grens Lehrbuch „Grundriß der Naturlehre“ (1793) vgl. zu 20,23. Die erwähnten Kapitel zu Farbe und Elektrizität finden sich im zweiten Teil von Grens Werk („Besondere Naturlehre“) in den Abschnitten „Lichtmaterie“ (S. 369–496) und „Electrische Materie“ (S. 657–713). 26,1–2 Nachtrag von Freund Hirt über seinen Laokoon] Aloys Hirts Aufsatz „Laokoon“ erschien im 10. Stück der erst im Februar 1798 ausgelieferten „Horen“ 1797 (S. 1–26; vgl. Schillers Kalender, 84). Grundlage dieses Beitrags über die berühmte antike Skulpturengruppe war eine Vorlesung, die Hirt im Juli 1797 an der Berliner Akademie der Wissenschaften gehalten hatte. Carl August Böttiger hatte diesen Beitrag Schiller am 12. November 1797 zur Veröffentlichung in den „Horen“ empfohlen (vgl. NA 37 I, 172). Der Goethe hier vorliegende „Nachtrag über Laokoon“ folgte im 12. Stück der „Horen“ 1797 (S. 19–28). Wahrscheinlich hat Goethe dieses – nicht überlieferte Manuskript – durch Böttiger erhalten, der schon den eigentlichen Aufsatz vermittelt hatte. 26,3–4 Böttiger hat 〈…〉 meinen Aufsatz 〈…〉 an ienen Freund verrathen] Goethe hatte im Juli 1797 seinen – zeitgleich zu Hirt – fertig gestellten LaokoonAufsatz an Carl August Böttiger gesandt (vgl. Goethes Brief an Böttiger vom 19. Juli 1797; WA IV 12, 197; vgl. RA 2, Nr 898). Dieser hatte Hirt während eines Aufenthalts in Berlin über Goethes Beitrag informiert und in seinem Brief an Goethe vom 1. September 1797 diesen sogleich darüber in Kenntnis gesetzt: „Hirt hat mir noch vieles über seine Charakterhypothese beim Laokoon vordemonstrirt, da ich ihm etwas von dem sagte, was ich durch Ihre Güte darüber gelesen hatte.“ (H: GSA 28/19, Bl. 525; vgl. RA 2, Nr 956.) Dem ihm nun vorliegenden Manuskript konnte Goethe entnehmen, dass Hirt mit seinem „Nachtrag über Laokoon“ auf Goethes unpublizierten Beitrag reagiert hatte. – Entsprechende Indiskretionen Böttigers wurden von Goethe und Schiller nicht geschätzt. Goethe selbst überarbeitete seinen Aufsatz „Ueber Laokoon“ und eröffnete mit diesem Beitrag im Herbst 1798 die „Propyläen“ (Propyläen I 1, 1–19). 26,6 seine Beyspiele von Basreliefen] Zu den in Hirts „Horen“-Aufsatz „Nachtrag über Laokoon“ (1797, 12. St., S. 19–28) erwähnten antiken Reliefs gehören „Tod des Archemoros“ (Rom, Palazzo Spada) und „Tod des Meleager“
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(Rom, Villa Borghese). – Franz. bas-relief: Flach- oder Halbrelief (vgl. GWb 2, 84). 26,7 subordinirte Kunstwerke] Im Unterschied zu vollplastischen Skulpturen waren Basreliefs häufig architektonischen Zwecken untergeordnet und insofern nicht als selbstständige Kunstwerke zu verstehen. 26,8 Familie der Niobe] Die antike Statuengruppe der Niobe mit ihren Kindern befindet sich in den Uffizien zu Florenz. Johann Heinrich Meyer widmete ihr einen umfangreichen „Propyläen“-Beitrag (vgl. zu 108,18). 26,11 Wäre nur die Gruppe 〈…〉 in Paris angelangt] Die berühmten antiken Skulpturen trafen erst im Sommer 1798 in Paris ein. Ihre öffentliche Aufstellung im Louvre erfolgte 1800. Goethes Bestürzung über den französischen Kunstraub in Italien war mit der leisen Hoffnung verbunden, dass die Kunstwerke in Paris zu neuer ästhetischer Geltung gelangen würden, wie schon Carl Ludwig Fernow in seinem 1796 im „Neuen Teutschen Merkur“ veröffentlichten Beitrag „Ueber die Kunstplünderungen in Italien und Rom“ betonte: „Eine zahlreiche Auswahl unserer vortrefflichsten Statuen wandert aus Rom nach Paris, um, wie man sagt, auf den Trümmern der Tyranney und des Aberglaubens das Auferstehungsfest der Freyheit und Vernunft zu verherrlichen, und der jungen Republik schon in der Wiege einen Kranz zu flechten, den sie erst in der Zukunft verdienen kann, wenn sie hält was sie verspricht.“ (Der Neue Teutsche Merkur. November 1796, S. 249–279, hier S. 252f.) 26,14–15 den übeln Zustand der hingeschafften Kunstwerke] Über diese Frage waren Goethe und Meyer durch Carl August Böttiger unterrichtet, der als Korrespondent des von Aubin Louis Millin herausgegebenen „Magasin encyclopédique“ über die Situation in Paris gut informiert war. Zu Böttigers folgendem Beitrag „Und wie wird alles dieß in Paris aufgehoben seyn?“ vgl. zu 39,23–24. Der zur Veröffentlichung in den „Horen“ vorgesehene Aufsatz erschien im „Neuen Teutschen Merkur“ (Februar 1798, S. 129–168, 199f.). 26,16 Cecilie von Raphael] Das Altargemälde „Die Heilige Cäcilie mit den Heiligen Paulus, Johannes dem Evangelisten, Augustinus und Maria Magdalena“ (um 1514) zählte zu den Hauptwerken Raffaels (vgl. Jürg Meyer zur Capellen: Raphael. A Critical Catalogue of his Paintings. Bd 2. Landshut 2005, Nr 55, S. 124–132). Goethe hatte Raffaels Werk 1786 noch an seinem ursprünglichen Standort, der Kapelle S. Cecilia in San Giovanni in Monte in Bologna gesehen (vgl. GT I 1, 298). Das Tafelbild wurde in Paris umfassend restauriert, wobei das Gemälde von Holz auf Leinwand übertragen wurde. Erst 1815 wurde es nach Bologna zurückgegeben (heute Pinacoteca Nazionale, Bologna). 26,18–19 Posselt] Ernst Ludwig Posselt, der Herausgeber der seit dem 1. Januar erscheinenden „Neuesten WeltKunde“, nahm in seinen zahlreichen Beiträgen entschieden Partei für die Interessen der französischen Republik. 26,19 Success] Von lat. successus: Erfolg, Fortgang.
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26,22 Geburtstag] Gemeint ist der Geburtstag der Herzogin Louise am 30. Januar. 26,22 komme ich] Goethe hielt sich erst wieder vom 20. März bis 6. April in Jena auf. 26,23 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller.
18. An Johann Georg Lenz
Weimar, 18. Januar 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: UA Jena, Sign.: Bestand U Abt. IX, Nr 1a, Mb. 10. – Doppelblatt 13,5(–14,1) × 19,3(–19,7) cm, ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Unterschrift, Tinte; S. 1 oben rechts von fremder Hd, Tinte: „10“. E: WA IV 13 (1893), 29, Nr 3718 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Lenz’ Brief vom 10. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1089). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. Postsendungen: 18. Januar 1798 (vgl. GT II 1, 231). Zur Person Johann Georg Lenz’ (1745–1832) und zu Goethes Beziehung zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zum Brief vom April 1784 (GB 5 II). – Lenz war seit 1794 Professor der Mineralogie an der Universität Jena und Direktor der dortigen mineralogischen Sammlungen. Durch Goethes Aufenthalte im Jenaer Schloss, wo nicht nur ein Naturalienkabinett, sondern auch die Gesteinssammlungen untergebracht waren, kam es immer wieder zu Begegnungen und fachlichem Austausch zwischen den beiden über mineralogische und naturkundliche Themen. – Grundlegend für die weitere Zusammenarbeit war die von Lenz 1796 bereits gegründete, 1798 dann öffentlich bekannt gemachte „Societät für die gesammte Mineralogie zu Jena“, in die Goethe im Januar 1798 durch den Stifter und Direktor Lenz als Ehrenmitglied aufgenommen wurde (vgl. RA 2, Nr 1089). Bereits am 13. Februar konnte Lenz berichten, dass die Sozietät „täglich an Mitgliedern und an Ruf im Auslande“ (H: GSA 28/20, Bl. 66; vgl. RA 2, Nr 1134) zunehme. Da der Zuwachs an zugeschickten mineralogischen Proben beträchtlich war, schlug Lenz vor, diese Neuzugänge dem Kabinett des Herzogs Carl August zuzuführen und dafür im Gegenzug eine Bestätigung der Gesellschaft als herzogliches Institut durch den Herzog zu erhalten. Diesem Gesuch wurde erst am 16. Dezember 1803 stattgegeben (vgl. RA 4, Nr 1197), nachdem Goethe, der im Herbst des gleichen Jahres zum dritten Präsidenten der Gesellschaft gewählt worden war, sich dafür verwendet hatte. – Der vorliegende Brief bildet den Auftakt der bis 1832 andauernden
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gemeinsamen Tätigkeit für die mineralogische Sozietät, die u.a. das gemeinsame Katalogisieren und Nummerieren der Neuzugänge, die Beratung über Möglichkeiten der Erweiterung der Sammlung und der Gewinnung neuer Mitglieder und den fachkundigen Austausch über mineralogische Themen umfasste. Lenz war unter den Jenaer Professoren Goethes häufigster Briefpartner. Über all die Jahre des schriftlichen Austauschs hinweg legte er jedoch nie die formelhaften, ehrerbietigen Anredefloskeln und eine von Amts wegen eingeführte Förmlichkeit ab. Aus dem Jahr 1798 sind zwei Briefe (Nr 18, Nr 139) und ein Schreiben Goethes an Lenz (Nr A 46) überliefert, drei weitere können erschlossen werden (EB 9, EB 95, EB 139). Von Lenz’ Briefen an Goethe sind fünf aus dem Jahr 1798 bekannt. 26,26 Für die Aufnahme zum Glied Ihrer mineralogischen Gesellschafft] Lenz hatte in seinem Bezugsbrief das auf den 8. Dezember 1797 datierte (nicht überlieferte) Diplom übersandt, womit Goethe zum Ehrenmitglied der von Lenz 1796 gegründeten „Societät für die gesammte Mineralogie zu Jena“ ernannt wurde. Die Gesellschaft wurde erst zwei Jahre nach ihrer Gründung überhaupt öffentlich bekannt gemacht. Als erste Ehrenmitglieder wurden am selben Tag neben Goethe auch die Geheimen Räte Jacob Friedrich von Fritsch und Christian Gottlob Voigt sowie Friedrich Justin Bertuch „wegen Seiner grossen Verdienste um die Naturgeschichte“ (H: GSA 6/2267) ernannt, am 11. Januar 1798 auch Carl Ludwig von Knebel. Zwischen 1798 und 1832 wurden etwa 2500 Personen als Mitglieder der Sozietät geführt (vgl. Paul Ziche und Peter Bornschlegell: Überregionale Wissenschaftskommunikation um 1800. Briefe und Reisen einer Jenaer Wissenschaftsgesellschaft. In: Holger Zaunstöck und Markus Meumann [Hrsg.]: Sozietäten, Netzwerke, Kommunikation. Neue Forschungen zur Vergesellschaftung im Jahrhundert der Aufklärung. Tübingen 2003, S. 251–268, hier S. 254). Es wurde nach ordentlichen, Ehren- und Correspondirenden Mitgliedern unterschieden. Ausschlaggebend für die Eingruppierung war der Wohnort: Ordentliche Mitglieder mussten in Jena ansässig sein, auswärtige Gelehrte oder mit der Bergbaukunde Beschäftigte wurden dagegen von Direktor Lenz zunächst in einer Versammlung der Societät vorgeschlagen, wo über ihre Ehrenmitgliedschaft abgestimmt wurde. Die Korrespondenz wurde durch den Direktor sowie durch die „beyden Secretairs, im Namen der Societät“ (Statuten der Societaet für die gesammte Mineralogie zu Jena. Jena 1798, S. 7; GSA 28/20, Bl. 20) geführt. 26,28 zu Ihren Zwecken] Lenz bat Goethe in seinem Bezugsbrief außerdem um „Protection“ (H: GSA 28/20, Bl. 16) der Gesellschaft, aber auch um Mithilfe bei der Vermehrung der Mineraliensammlung. Im ersten Paragraphen der „Statuten der Societaet“, die dem Brief von Lenz beilagen (vgl. ebd., Bl. 17–20; vgl. Ruppert, Nr 4295) heißt es dazu entsprechend: Wichtigstes Anliegen sei, „die Bemühungen aller Kenner und Freunde dieser Wissenschaft, immer mehr in einem Punkte zu vereinigen, und den Flor derselben durch vervielfachte Mittheilung, je mehr und mehr zu befördern. Dieß ist der Zweck dieser Gesellschaft, den sie mit unverwand-
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tem Eifer zu erreichen, sich bestreben wird. In Hinsicht auf Jena, als ihren Sitz aber, ist ihre, jenem allgemeinen Zwecke stets untergeordnete Absicht, das Bedürfniß einer beständigen Anleitung und Aufmunterung zum Studium dieses Theils der Naturgeschichte, zu entfernen, um den Nutzen der gewöhnlichen Vorlesungen über diesen Gegenstand zu erhöhen.“ (Statuen der Societaet für die gesammte Mineralogie zu Jena. Jena 1798, S. 3f.; GSA 28/20, Bl. 18.) – Goethes Engagement für die mineralogische Sozietät hielt bis zu seinem Tod an. Wenn er von seinen Reisen ortstypische Gesteine und Mineralien mitbrachte, bedachte er damit auch die Sozietät. 26,28–29 Nächstens gedenke ich nach Jena hinüber zu kommen] Goethes geplanter Jena-Aufenthalt verschob sich immer wieder, bis er sich schließlich vom 20. März bis 6. April 1798 realisieren ließ. Im Tagebuch ist kein Treffen mit Lenz in dieser Zeit verzeichnet – da Goethe aber im Schloss wohnte und das Museum mit den Steinsammlungen ebenfalls dort untergebracht war, werden sich die beiden aller Wahrscheinlichkeit nach dort getroffen haben.
19. An Friedrich Schiller
Weimar, 20. Januar 1798 → 〈Jena〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 22. – Doppelblatt 19,6(–19,9) × 27,5(–27,7) cm, 1 ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrektur (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 28,4–6 |(|Cotta ist 〈…〉 helfen.|)| (vgl. E1). E1: Schiller-Goethe1 4 (1829), 42–44, Nr 409 (Teildruck ohne den in H eingeklammerten Text). E2: Schiller-Goethe2 2 (1856), 18f., Nr 414. WA IV 13 (1893), 31–33, Nr 3720. BEIL AG E
Schema zur Farbenlehre (vgl. zu 27,19). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 19. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1104). – Schiller antwortete am 23. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1110). Postsendungen: 20. Januar 1798 (H l. H o f r. S c h i l l e r. Entwurf der Farbenlehre übersendet.; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 20. Januar 1798 (vgl. GT II 1, 231). 27,5 die Prüfung meiner Aufsätze nach den Categorien] Schiller hatte im Bezugsbrief Goethes Aufsätze „Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subject“
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(vgl. zu 15,4) und „Das reine Phänomen“ (vgl. zu 25,15) nach der von Immanuel Kant in der „Critik der reinen Vernunft“ (3. Aufl., Riga 1790; vgl. Ruppert, Nr 3086) entwickelten „Tafel der Categorien“ (S. 106) untersucht. Diese gliedern sich in die vier Gruppen ‚Quantität‘ (Einheit, Vielheit, Allheit), ‚Qualität‘ (Realität, Negation, Limitation), ‚Relation‘ (Substanz, Kausalität, Wechselwirkung) und ‚Modalität‘ (Möglichkeit, Wirklichkeit, Notwendigkeit). 27,7 diese Gegenstände] Gemeint ist Goethes Arbeit an der „Farbenlehre“. 27,9 Collectaneen] Lat. collectanea: Gesammelte Auszüge, Bemerkungen. 27,14 acht Jahre] Den Beginn seiner Beschäftigung mit der „Farbenlehre“ datierte Goethe auch später in den „Tag- und Jahres-Heften“ in das Jahr 1790 (vgl. WA I 35, 13f.). 27,19 Entwurf zur Geschichte der Farbenlehre] Das an Schiller übersandte Schema, an dem Goethe laut Tagebucheintrag vom 21. Januar am folgenden Tag weiterarbeitete, ist nicht überliefert (vgl. GT II 1, 231). Es bildete wahrscheinlich eine Vorstufe zu einem späteren Schema, das auf den 10. Februar 1799 datiert und der älteste bekannte Entwurf Goethes zur Geschichte der Farbenlehre ist (vgl. LA II 6, 258–267; erläutert in: FA/Goethe I 23/2, 400–409). 28,1 Rückfälle Ihrer Gesundheit] Schiller hatte im Bezugsbrief über Fieber und Kopfschmerzen berichtet, die seine dichterische Arbeit in den letzten drei Tagen stocken ließen. 28,4–5 ein herrliches Blatt] Goethe stand der seit Jahresbeginn in Cottas Verlag erscheinenden „Neuesten WeltKunde“ distanziert gegenüber. 28,6 Ich habe es 〈…〉 in Gang bringen helfen.] Inwiefern Goethe die Verbreitung der Zeitschrift in Weimar beförderte, ist nicht ermittelt. Die Zeitschrift wurde mit zunehmender Befremdung aufgenommen, wie Charlotte von Stein bemerkte: „Porstels 〈Posselts〉 Weltkunde hält dein Bruder, mich ärgerts seine Partheylichkeit für die Franzosen drum leß ichs nicht, Wieland will ihn auch was drüber abgeben.“ (Brief Charlotte von Steins an Friedrich von Stein, 28. Juni 1798; Richter/ Rosenbaum, Ch. v. Stein, 372; vgl. WB 14 I, 249f.) 28,7 Gottersche Oper] Das Singspiellibretto „Die Geisterinsel“ des im März 1797 verstorbenen Gothaer Legationsrats und Schriftstellers Friedrich Wilhelm Gotter war in den „Horen“ veröffentlicht worden (1797, 8. St., 1–26; 9. St., 1–78). Schiller hatte das Stück zuvor aus dem Gotter’schen Nachlass durch August Wilhelm Schlegel erhalten, dessen Frau mit der Witwe Luise Gotter die nachgelassenen Papiere ordnete (vgl. Schlegels Briefe an Schiller vom 3. Juli 1797 und 3. September 1797; NA 37 I, 57 und 124). Nach anfänglichen Bedenken teilte Goethe Schlegel bereits im Februar 1798 mit, dass das Stück am Weimarer Hoftheater aufgeführt werde (vgl. Nr 40). Nach einer Neubearbeitung des Textes durch Friedrich Hildebrand von Einsiedel wurde das Stück von Friedrich Fleischmann vertont und schließlich am 19. Mai 1798 unter dem Titel „Die Geisterinsel. Eine Oper in drey Aufzügen“ erstaufgeführt (vgl. Theater/Musik Weimar). Aufgrund
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des geringen Publikumserfolgs wurde es nach einer zweiten Aufführung am 23. Mai wieder vom Spielplan genommen (vgl. ebd.). 28,8 Aufsatz über Laokoon] Schiller hatte im Bezugsbrief angeregt, dass Goethe seinen Beitrag ebenfalls in den „Horen“ veröffentliche. 28,10 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller.
20. An Friedrich Schiller
Weimar, 24. Januar 1798 → 〈Jena〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 25. – Doppelblatt 19,4(–19,7) × 27,5(–27,7) cm, 1 ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), egh. Paraphe und egh. Angabe von Ort und Datum, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrekturen (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 29,4 als ⎡wie⎤; 29,5 sonst; 29,18 |(|Böttiger|)| ⎡X⎤. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 48–50, Nr 411. WA IV 13 (1893), 33–35, Nr 3721. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 23. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1110). – Schiller antwortete am 26. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1115). Postsendungen: 24. Januar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 24. Januar 1798 (Briefe v u nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r). 28,13–14 ein besseres Schema einer 〈…〉 Geschichte der Farbenlehre] Goethe hatte Schiller am 20. Januar einen – nicht überlieferten – ersten Entwurf zugesandt (vgl. zu 27,19). 28,23 Versuches mit einem gläsernen Cubus] Die Bemerkung dürfte sich auf entsprechende gemeinsame Studien in Jena im Mai 1796 beziehen (vgl. GB 11 II, zu 59,17–18). Zu Goethes Versuchen zu Farberscheinungen bei Refraktion sind zahlreiche Entwürfe überliefert (vgl. LA I 3, 390–394; erläutert in: LA II 3, 369). Das Thema ist auch Gegenstand in Goethes Urteil über Willebrord Snell im „Historischen Teil“ der „Farbenlehre“ (vgl. LA I 6, 158–160). 28,25 Snellius] Der niederländische Mathematiker Willebrord Snell van Royen hatte um 1618 experimentell das Brechungsgesetz entdeckt, ohne es zu veröffentlichen. Zu Goethes Urteil vgl. den entsprechenden Abschnitt im „Historischen Teil“ der „Farbenlehre“ (vgl. LA I 6, 158–160). 28,27 Huygens] Der niederländische Physiker und Mathematiker Christiaan Huygens hatte als erster auf Snellius’ Entdeckung hingewiesen (vgl. ebd., 159).
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29,2–3 perpendikulare] Senkrechte, gerade, lotrechte (nach lat. perpendiculum: Bleilot). 29,16 die Höhe des Barometers] Da sich Schillers labiler Gesundheitszustand unter günstigen Witterungsbedingungen häufig besserte, informierte Goethe ihn gelegentlich über die Veränderungen des aktuellen Luftdrucks. – Wie in seinem späten Aufsatz „Versuch einer Witterungslehre“ (1825) erläutert, verstand Goethe die Beobachtung eines steigenden oder sinkenden Barometerstands als Hauptphänomen, als Grund aller Wetterbetrachtungen (LA I 11, 246). Die in Goethes Besitz befindlichen Barometer stammten von dem mathematischen und physikalischen Instrumentenbauer Friedrich Wilhelm Voigt in Jena. Goethe bestellte bei Voigt wiederholt Barometer, so auch im Januar 1798 (vgl. LA II 2, 246; KSW, Museen, Inv.-Nr GNP 0261 und Inv.-Nr GNP 0262). 29,18 Masken und Theater-Welt] Zur Vorfeier des Geburtstages der Herzogin Louise am 30. Januar wurde am Abend des 26. Januar auf der Redoute ein Maskenzug nach Versen Goethes („Der lang ersehnte Friede nahet wieder“) aufgeführt (vgl. zu 29,27). Zudem war Goethe mit den Proben von Cimarosas Oper „Die bestrafte Eifersucht“ beschäftigt, die am 30. Januar gegeben wurde (vgl. Theater/ Musik Weimar). 29,18 zu Ihnen hinüber] Goethe kam erst am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240). 29,18–19 An Böttiger will ich das bringen oder bringen lassen] Schiller hatte im Bezugsbrief darum gebeten, Böttiger in seinem Vorhaben eines Aufsatzes über den Kunstraub der Franzosen in Italien zu bestärken und diesen Beitrag für die „Horen“ zu bestimmen (vgl. zu 39,23–24). 29,20 tückischem Streich] Böttiger hatte Hirt über Goethes unveröffentlichten Laokoon-Aufsatz informiert (vgl. zu 26,3–4).
21. An Friedrich Schiller
Weimar, 26. und 27. Januar 1798 → 〈Jena〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 28–31. – 2 hintereinander liegende Doppelblätter 19 × 22,7 cm, 8 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrekturen (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 31,24 Oniyx; 32,2 Zerstöhrung; 32,15 Siylbenmase; 32,17 bBeschreibenden; 32,19 Ttheoretisches; 32,20 Siylbenmase; 32,23 Zoonomie |– –|. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 53–62, Nr 413. WA IV 13 (1893), 35–41, Nr 3722.
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BEIL AG E
Goethes Gedicht „Der lang ersehnte Friede nahet wieder“ (vgl. zu 29,27). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 26. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1115). – Schiller antwortete am 30. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1118). Postsendungen: 27. Januar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 27. Januar 1798 (Briefe nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r). 29,27 Stanzen] Das als Beilage an Schiller übersandte gedruckte Folioblatt beinhaltete ein vier Stanzen umfassendes Gedicht Goethes zu einem Maskenzug („Der lang ersehnte Friede nahet wieder“). Dieser wurde zur Vorfeier des 41. Geburtstags von Herzogin Louise am Abend des 26. Januar in der Redoute aufgeführt (vgl. GT II 1, 231). Zuvor hatte Goethe das Gedicht auf eigene Kosten in einer Auflage von 200 Stück bei Conrad Jacob Leonhard Glüsing drucken (vgl. Glüsings Rechnungsbeleg vom 25. Januar 1798 in GR/Belege 1798, 5, Bl. 4) und sechs Blätter von Conrad Horny „mit einer, von vollen Blumen verzierten Einfassung“ ausmalen lassen (vgl. Hornys Rechnungsbeleg vom 28. Januar 1798 in GR/Belege 1798, 5, Bl. 7). Das Gedicht wurde zunächst im Februar-Heft des „Journals des Luxus und der Moden“ (S. 96f.) und später unter dem Titel „Stanzen“ im „MusenAlmanach für das Jahr 1799“ (S. 204f.) veröffentlicht (vgl. Hagen, 154, Nr 268–272). Spätere Abdrucke erfolgten unter dem Titel „Maskenzug. Zum 30. Januar 1801 [1798]“ (vgl. WA I 16, 454.) – Der Verbleib der Beilage ist nicht ermittelt. Schiller erbat sich im September 1798 das Gedicht von Goethe erneut (vgl. zu 205,10). Ein vergleichbares Exemplar ist im Nachlass Carl August Böttigers nachgewiesen (Sign.: SLUB Dresden, D.O.240,57,41). 29,28 Aufzuge 〈…〉 der heute Abend statt haben soll] Über den Ablauf des Maskenzugs informiert eine eigenhändige Beschreibung Carl August Böttigers auf dem in seinem Nachlass überlieferten Erstdruck von Goethes Gedicht: „Goethe ordnete und decorirte zum Geburtstag unserer regierenden Herzogin Luise folgende allegorische Maskenprocession. Die Friedensgöttin (eine schöne Fräulein von Wolfskeel) mit Flügeln und einem Diadem auf dem Haupte hat zwei Genien (Mädchen von 6 Jahren) vor sich her, wovon der eine einen vergoldeten Helm mit Früchten, der andere ein in seiner Scheide verschlossenes Schwert trägt. Hinter ihr kommen mit einer malerisch gehaltenen Rosenkette zusammen verschlungen die Eintracht und Hoffnung. Ihnen treten zwei grössere Genien (Fräulein von Reizenstein 12 und 13 Jahre) voran, deren der eine den Anker, der andere eine Säule trägt. Nun kommt der Überfluss (eine fast kolossale Frau, die Oberkammerherrin von Werther) mit dem Füllhorn u. s. w. Hinter ihr kommen noch die Kunst (mit einem Portefeuille, worin dies Gedicht war, und einer rosenbekränzten Lyra) und der Ackerbau (im Erndtekranz und mit der Sichel). Alle treten nun schön gruppirt in eine Reihe
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vor die Herzogin. Der Friede legt seinen Palmenzweig ihr zu Füssen, die Kunst bringt ihm das Portefeuille, und indem der Friede das darin liegende Gedicht der Herzogin übergibt, verneigt sich die ganze Procession.“ (WA I 16, 454; vgl. SLUB Dresden, D.O.240,57,41). Die Kosten zur aufwendigen Ausstattung dieses Maskenzugs wurden durch Goethe selbst getragen (vgl. die entsprechenden Rechnungsbelege in GR/Belege 1798, 5). Eine weitere Beschreibung des Maskenzugs wurde mit Goethes Gedicht im „Journal des Luxus und der Moden“ veröffentlicht (Bd 13, Februar 1798, S. 94–97). 29,28–29 Sechs schöne Freundinnen] Gemeint sind die im Folgenden aufgeführten Damen der Weimarer Hofgesellschaft. Sie hatten Goethe zuvor um einen Beitrag gebeten (vgl. RA 2, Nr 1100; RA 2, Nr 1105). 30,3 Zindel] Leichtes, dünnes Gewebe. 30,3 Lahn] Zu einem dünnen Faden geplätteter Metalldraht zur Verzierung oder Herstellung von Stoffen. 30,5 Ihrer lieben Frau] Schillers Antwort lässt vermuten, dass er seine Frau Charlotte über den Maskenzug informierte: „Sie haben uns an dem ganzen stattlichen Aufzug theilnehmen lassen, ohne daß uns das Gedränge und der Staub incommodiert hätte.“ (NA 29, 197.) 30,7 Wolfskeel] Henriette von Wolffskeel von und zu Reichenberg, Hofdame von Herzogin Anna Amalia. 30,8 Eglofstein] Caroline von und zu Egloffstein, Ehefrau des Weimarer Regierungsrats Wolfgang Gottlob Christoph von und zu Egloffstein. 30,8 Seckendorf] Nicht ermittelt. 30,9 Werther] Cäcilie von Werthern, Ehefrau des sachsen-weimarischen Oberkammerherrn Christian Ferdinand Georg von Werthern. 30,10 Beust] Nicht ermittelt. 30,11 Seebach] Charlotte Elisabeth Sophie Wilhelmine von Seebach. 30,12 sechs Kinder] Zu diesen gehörten, wie aus Böttigers oben zitiertem Bericht hervorgeht, u.a. die beiden Töchter von Eleonore Luise von Reitzenstein geb. von Plotho: die 12-jährige Friederike Karoline und ihre ein Jahr ältere Schwester, die musisch begabte Christiane Henriette (Tinette). 30,17–18 Gedichte Darwins, d e r b o t a n i s c h e G a r t e n] Erasmus Darwin: The Botanic Garden; A Poem, in Two Parts. Part I. Containing The Economy of Vegetation. Part II. The Loves of the Plants. With Philosophical Notes. London 1791. Das Werk des englischen Arztes und Naturforschers vereinte zwei ursprünglich separate Schriften – „The Loves of the Plants“ (1789) und „The Economy of Vegetation“ (1791) – in einem Band. Das enzyklopädische Werk, in dem Darwin das naturwissenschaftliche Wissen seiner Zeit in die gefällige Form eines Lehrgedichts kleidete, war ein großer Erfolg und erschien in unterschiedlichen Auflagen. Bei der von Goethe am 26. Januar 1798 konsultierten Fassung (vgl. GT II 1, 231) handelte es sich vermutlich um die dritte Auflage der in London ge-
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druckten Quartausgabe. Durch wen Goethe dieses Exemplar erhalten hatte und wo es verblieb, ist unklar, seine luxuriöse Ausstattung lässt aber auf einen wohlhabenden Besitzer schließen. Mit der ungewöhnlich lebhaften Schilderung seiner Lektüreeindrücke von Darwins „Botanic Garden“ knüpfte Goethe an ein früheres Gespräch mit Schiller an. Dieser hatte im Dezember 1795 auf eine Fußnote in der deutschen Übersetzung von Darwins wissenschaftlichem Hauptwerk „Zoonomia, or the laws of organic life“ (1794–1796) hingewiesen (vgl. GB 10 II, zu 204,17–18). Der Herausgeber Dietrich Brandis hatte darin auf die Gemeinsamkeiten zu Goethes Abhandlung „Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären“ (1790) hingewiesen: „Es ist merkwürdig, daß einer unserer ersten deutschen Dichter, Hr. Geheimerath Göthe ganz änliche Ideen über die Individualität jedes einzelnen Knospen, in Deutschland zuerst vorgetragen hat, wie hier unser englische Sänger des Botanic Garden vorträgt. Alle hier und von Hr. Geheimerath Göthen (über die Metamorphose der Pflanzen) noch mehr erläuterte Analogien geben der Idee ein solches Gepräge von Wahrheit, daß man ihr den Beyfall nicht versagen kann und dadurch noch mehr überzeugt wird, daß Dichtkunst den Sinn für Wahrheit selbst im wissenschaftlichen sehr veredelt. Die Herrn, welche die Kunst üben, ungereimte Dinge in Reime zu bringen, thun zwar ihr möglichstes, das gute Vernehmen zwischen Minerva und den Musen zu stöhren, dafür mögen sie denn auch immer ihre eigene Klaße ausmachen, welche alles wissenschaftliche haßt, weil sie es nicht kennt.“ (Zoonomie oder Gesetze des organischen Lebens von Erasmus Darwin. 〈…〉 Aus dem Englischen übersezt und mit einigen Anmerkungen begleitet von J〈oachim〉 〈Dietrich〉 Brandis. 1. Abt. Hannover 1795, S. 183f.) Spätestens seit diesem Zeitpunkt hatte sich Goethe um ein Exemplar des „Botanic Garden“ bemüht, wie eine Nachricht des auf einer Studienreise in England weilenden Alexander Nikolaus Scherer an Goethe vom 30. Januar 1798 belegt: „Ich erinnere mich, daß Sie von Darwin’s botanical garden sprachen. Ich wünschte zu wißen, ob Sie es besitzen oder ob ich es mitbringen sollte.“ (H: GSA 28/20, Bl. 68; vgl. RA 2, Nr 1117.) 30,19 in groß 4] Die Höhe des Buchdeckels beträgt beim Groß-Quart-Buchformat zwischen 35 und 40 cm. 30,19 Saffian] Feines, weiches Ziegenleder mit naturbelassenen Narben, benannt nach der marokkanischen Stadt Safi. 30,22 Loth] Ein deutsches Handelsgewicht, entspricht 1⁄32 Pfund. 30,26 mit wahnsinnig allegorischen Kupfern, von Füßli] Johann Heinrich Füßli lieferte insgesamt vier Vorlagen zu Darwins Lehrgedicht „The Botanic Garden“, die allerdings nicht in jeder Auflage enthalten waren (vgl. Gert Schiff: Johann Heinrich Füssli 1741–1825. Text und Oeuvrekatalog. 2 Bde. Zürich 1973, Bd 1, S. 532f., Nr 973–976). Neben dem Frontispiz zum ersten Teil des Lehrgedichts („Flora attired by the Elements“ / „Flora, von den Elementen geschmückt“) dürfte vor allem die von William Blake gestochene Darstellung „Fertilization of Egypt“ („Die Fruchtbarmachung Ägyptens“, Part 1, Canto III, S. 127) Goethes
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Interesse geweckt haben. Sie zeigt die Rückenansicht des mit gepreizten Beinen auf den Nilufern vor Jupiter Pluvius stehenden hundeköpfigen Gottes Anubis bei der Anbetung des Sternes Sirius. Nur der dritten Auflage (1795) war die ebenfalls von William Blake gestochene Darstellung „Tornado“ („Zeus’ Kampf mit Typhon“, Part I, Canto IV, S. 168) beigegeben. Der zweite Teil von Darwins Werk („The Loves of the Plants“) enthielt den von Thomas Holloway geschaffenen Nachstich zu Füßlis berühmter Darstellung „Nightmare“ („Die Nachtmahr“). Zu Goethes Interesse an Füßli und dem für die „Propyläen“ geplanten Aufsatz über den Künstler vgl. zu 126,3. 30,27–28 mit botanischen, antiquarischen 〈…〉 Darstellungen] Die Ausgabe enthielt ganzseitige Pflanzenillustrationen, zwei allegorische Titelkupfer, einige Vignetten, die kartographische Darstellung „Section of the Earth“ sowie eine vier Kupfer umfassende Folge mit Ansichten der berühmten antiken Portland-Vase. 31,1 simpathetischen Dinte] Die Beschreibung der Wirkung von „sympathetic inks“ findet sich im ersten, dem Element Feuer gewidmeten Gesang von Darwins Lehrgedicht „The Economy of Vegetation“ (1795, S. 48f.). Es handelt sich um eine verdünnte, blassrosa Lösung aus Cobaltbichlorid, deren Salze sich bei Erhitzung durch Wasserentzug blau färben. Aufs Papier gebrachte unsichtbare Schriftzüge können so sichtbar gemacht werden. Bei Zugabe von Nickelsalz färbt sich die Schrift grün. Das chemische Phänomen wird auch im „Didaktischen Teil“ von Goethes „Farbenlehre“ beschrieben (vgl. LA I 4, 168, § 543). 31,6 Inhalt des Zweyten Gesangs] Der folgende Absatz ist Goethes freie Übersetzung von Darwins Inhaltsangabe zum zweiten Gesang („Argument of the Second Canto“) seines Lehrgedichts „The Economy of Vegetation“, dem ersten Teil von „The Botanic Garden“ (S. 57f.). 31,7 Anrede an die Gnomen.] Gnome: In der Mythologie zwergenhafte, dem Menschen häufig wohlgesonnene Erdgeister (vgl. GWb 4, 360). – Grundgedanke des aus vier Gesängen bestehenden Lehrgedichts „The Economy of Vegetation“ ist, dass die vier Elemente (Feuer, Erde, Wasser, Luft) bei der Hervorbringung der Vegetation zusammenwirken. Der zweite Gesang ist dem Element der Erde gewidmet. 31,16–17 antike Statue des Herkules der von seinen Arbeiten ruht] Die antike Skulptur des „Herkules Farnese“, eine kolossalische Marmorkopie aus der römischen Kaiserzeit (um 100 n. Chr.), zählte zu den bedeutendsten Bildwerken des Altertums. 31,17 Antinous] Antinoos, der geliebte Günstling des römischen Kaisers Hadrian, wurde nach seinem frühen Tod im Jahre 130 n. Chr. kultisch verehrt. Zahlreiche seiner Bildnisse sind überliefert und wurden seit der Renaissance vielfach rezipiert. 31,17 Apoll von Belvedere] Die berühmte antike Marmorskulptur galt im 18. Jahrhundert als Inbegriff des Ideal-Schönen. Benannt ist sie nach ihrem Standort im Statuenhof des vatikanischen Belvedere.
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31,17–18 Venus Medicis] Die lebensgroße antike Marmorstatue vom Typus der „Venus pudica“ stammte aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Sie befand sich im Besitz der Familie Medici in den Uffizien in Florenz. 31,18 Lady Elisabeth Foster und Lady Melbourn von Herrn Damer] Die Bildnisbüsten von Elizabeth Foster, Duchess of Devonshire (1758–1824) und Elizabeth Lamb, Viscountess Melbourne (1751–1818) stammten nicht, wie von Goethe diktiert, von einem männlichen Bildhauer, sondern, wie im Text Darwins korrekt angegeben, von „Mrs. Damer“, der bekannten englischen Bildhauerin Anne Seymour Damer. 31,19 woher das Salz der Erde komme?] Die Passage lautet im Original: „Whence the production of Salt by elutriation.“ (Ebd., S. 57.) 31,21–22 Michels Verbessrung künstlicher Magneten] John Michell: A Treatise of Artificial Magnets; In which is shewn An easy and expeditious Method of making them, Superior to the best Natural Ones 〈…〉 (Cambridge 1750). – Zu Goethes folgenden Studien zum Magnetismus vgl. zu 157,4–5. 31,24 Fluß] Flussspat. 31,24 Mocka] Der Mokkastein (oder Moosachat), ein Chalcedon. 31,27–28 Wedgwoods Werke zu Etruria, in Stafford Shire] Der englische Unternehmer Josiah Wedgwood zählte zu den führenden Tonwarenfabrikanten in Europa. Eine besondere Nachfrage galt seiner um 1770 entwickelten sog. Jasperware, einem mit Metalloxiden gefärbten Steingut mit einer matten, biskuitartigen Oberfläche, auf die modellierte Reliefs aus weißem Ton aufgelegt sind. Für die Herstellung seiner Waren hatte Wedgwood in der mittelenglischen Grafschaft Staffordshire das Unternehmen „Etruria“ gegründet. Der Name leitete sich von der antiken mittelitalienischen Region Etruria („Land der Etrusker“) ab. Indem sich Wedgwood an antiken Vorlagen orientierte, trug er wesentlich zur Verbreitung des klassizistischen Geschmacks bei. Erasmus Darwin stand mit Wedgwood in persönlicher Verbindung. Sein Sohn Robert Waring war mit Wegdwoods ältester Tochter Susannah verheiratet. 31,28 Kamé einen Mohrensclaven in Ketten vorstellend] Zur Unterstützung einer Gesellschaft zur Abschaffung des Sklavenhandels hatte Wedgwood 1787 deren Siegel als Tonware aus weißem Jasper mit schwarzem Relief herstellen lassen. Die Ausführung erinnerte an die antike Technik der Kameeherstellung, bei der aus einem Schmuckstein ein erhabenes Relief geschnitten wird. Das in zahlreichen Exemplaren gefertigte und als Schmuckstück getragene kleine Medaillon zeigt einen in Ketten gelegten knieenden afrikanischen Sklaven mit erhobenen Händen sowie die Aufschrift „Am I Not a Man and a Brother?“ (Bin ich kein Mensch und Bruder?). Es ist in Darwins Lehrgedicht „Botanic Garden“ beschrieben und als Kupferstich abgebildet (ebd., S. 87). 31,28–29 die Hoffnung Vorstellend] Ein zweites, von Wedgwood als Jasperware hergestelltes Medaillon zeigt die allegorische Figur der Hoffnung vor der Bucht
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von Sydney (1789). Das von Henry Webber entworfene Medaillon diente als Titelvignette zum Reisebericht „The Voyage of Governor Phillip to Botany Bay“ (London 1789) und ist in Darwins Lehrgedicht „Botanic Garden“ beschrieben und als Kupferstich abgebildet (ebd., S. 87). 31,29 Portland, oder Barbarini Vase] Die berühmte Portland-Vase, eine in Überfangtechnik hergestellte Amphora aus frühaugusteischer Zeit, zählte zu den bedeutendsten antiken Vasenwerken. Zunächst im Besitz der Familie Barberini in Rom, gelangte sie um 1780 in die Sammlung des englischen Gesandten William Hamilton, der sie später an Margaret Cavendish Bentinck, Herzogin von Portland, verkaufte, in deren Familie sie verblieb. Ab 1790 vertrieb Wedgwood mit großem Erfolg verschiedene Duplikate der Portland-Vase, darunter in Jasperware und Basaltware. Neben einer ausführlichen Deutung der bis heute nicht geklärten Ikonographie enthält Darwins Lehrgedicht auch eine Folge von vier Kupferstichen mit Ansichten der Vase (ebd., S. 88 sowie „additional note“ No. XXII, S. 53–59 und 119). 31,30 Naphta] Naphta: helles, flüchtiges Erdöl (vgl. Adelung 3, 427). 31,31 Franklins Erfindung] Darwin würdigt Benjamin Franklins Entdeckung an verschiedenen Stellen seines Lehrgedichts (S. 37f., 90f.). 31,32 unterirrdise] Schreibversehen für ‚unterirdische‘. 32,1 Merkurius] Übersetzung von engl. ‚mercury‘, der alchemistischen Bezeichnung für ‚Quecksilber‘. 32,2–3 Untergang der Heere des Cambyses] Nach der Eroberung Ägyptens sandte der persische König Kambyses II. (um 558–522 v. Chr.) ein Heer zum Feldzug nach Äthiopien und ein weiteres durch die Sandwüste zur Plünderung des Orakels von Ammon. Nach dem Bericht von Herodot (Buch 3, 17–30) gingen beide Heere verloren. 32,3–4 Himmelsmaschine] Übersetzung von engl. ‚orrery‘: Planetarium, Planetenmaschine. 32,4 bebaut.] Im Originaltext folgt hier der von Goethe ausgelassene Hinweis auf die Überquerung der Alpen durch Hannibal („Hannibal passes the Alps“). 32,7–8 Wanderungen der Materie. Tod und Auferstehung des Adonis.] Diese Abschnitte sind in der ersten Auflage der „Economy of Vegetation“ (1791) nicht enthalten. Sie sind Indiz dafür, dass Goethe eine spätere Ausgabe vorlag. 32,15 Tournüre] Franz. tournure: Wendung, Einkleidung, Anstrich. 32,15 Silbenmase] Das Werk ist in paarweise gereimten fünffüßigen Jamben („heroic couplets“) geschrieben. 32,16 so viel englische Dichter] Zu den bedeutendsten englischen Lehrgedichten des 18. Jahrhunderts zählten Alexander Popes „An Essay on Criticism“ (1711) und „An Essay on Man“ (1733/34), James Thomsons „The Seasons“ (1730) sowie Edward Youngs „The Complaint or Night-Thoughts“ (1742–1745). Zu Goethes späterer Beschäftigung mit dieser poetischen Gattung vgl. seinen Aufsatz „Über das Lehrgedicht“ (1827; WA I 41.2, 225–227).
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32,21 Ich habe das Buch erst seit gestern Abend im Hause] Durch wen Goethe das Exemplar von Darwins „Botanic Garden“ am Abend des 25. Januar erhalten hatte und wo es verblieb, ist nicht ermittelt. 32,22–23 ich bin Darwin im Grunde günstig] Wie Darwin widmete sich auch Goethe der Frage, inwiefern naturwissenschaftliche Gegenstände in der poetischen Gattung eines Lehrgedichts verhandelt werden können. Dessen Zweck bestand nach Darwin darin, „to inlist Imagination under the banner of Science; and to lead her votaries from the looser analogies, which dress out the imagery of poetry, to the stricter ones, which form the ratiocination of philosophy (die Phantasie unter das Banner der Wissenschaft zu führen; und deren Anhänger zu veranlassen, von jenen unbestimmten Analogien, welche die Einbildungen der Dichter ausschmücken, zu jenen genaueren zu gelangen, welche das Denken der Philosophie bestimmen)“ (ebd., S. iii). Die gemeinsame Verständigung mit Schiller über Darwins Werk stimulierte schließlich die Entstehung von Goethes Elegie „Die Metamorphose der Pflanzen“ (1798). Noch in späteren Jahren hat Goethe Darwins Einfluss anerkannt: 〈I〉ch habe mich durch ihn auf meinen wissenschaftlichen Wegen auf mehr als eine Weise gefördert gesehen. (Brief an Alois Clemens, 15. Januar 1826; WA IV 40, 250f.) 32,23 seine Zoonomie] Erasmus Darwins Abhandlung „Zoonomia; or the laws of organic life“ (1794–1796), das wissenschaftliche Hauptwerk des englischen Arztes und Naturforschers. Goethe hatte im Juni 1795 die ersten beiden Teile der von Joachim Dietrich Brandis herausgegebenen deutschen Übersetzung („Zoonomie oder Gesetze des organischen Lebens“) erworben (vgl. GT II 1, 43 und Ruppert, Nr 4486). 32,24–25 Chorführer] Im antiken griechischen Theater der Schauspieler, der als Vorsänger den Chor anführt, hier vermutlich im Sinne von ‚Arrangeur, Regisseur‘ (vgl. GWb 2, 1002). 33,1 unsere Freundinnen] Gemeint sind die drei Horen Eunomia, Dice und Eirene. Schiller hatte im Bezugsbrief mitgeteilt, dass er „das Todesurtheil der drei Göttinnen“ (NA 29, 195) unterschrieben habe und seine Monatsschrift „Die Horen“ eingestellt werde. Schiller hatte sie 1794 in programmatischer Absicht als Namensgeberinnen seiner neuen Zeitschrift gewählt: „Wohlanständigkeit und Ordnung, Gerechtigkeit und Friede werden also der Geist und die Regel dieser Zeitschrift seyn; die drey schwesterlichen Horen Eunomia, Dice und Irene werden sie regieren. In diesen Göttergestalten verehrte der Grieche die welterhaltende Ordnung, aus der alles Gute fließt, und die in dem gleichförmigen Rhythmus des Sonnenlaufs ihr treffendstes Sinnbild findet. Die Fabel macht sie zu Töchtern der Themis und des Zeus, des Gesetzes und der Macht; des nehmlichen Gesetzes, das in der Körperwelt über den Wechsel der Jahrszeiten waltet, und die Harmonie in der Geisterwelt erhält.“ (1. Jg., 1. St., S. VI.) 33,8–9 Böttigers Aufsatz] Zu Carl August Böttigers geplantem „Horen“-Beitrag über den Kunstraub der Franzosen in Italien vgl. zu 39,23–24.
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33,10 Einsidel hat ein paar Mährchen geschrieben] Gemeint ist Friedrich Hildebrand von Einsiedels utopische Dichtung „Die Feste der Arramanden“. Möglicherweise bemühte sich Schiller daraufhin persönlich bei Einsiedel, wie sein nicht überlieferter Brief an Einsiedel vom 29. Januar 1798 vermuten lässt (vgl. Schillers Kalender, 82). Goethe übersandte das Manuskript am 3. Februar (vgl. zu 39,19). Die Dichtung erschien im 11. und 12. Stück der „Horen“ 1797 (S. 45–107; S. 29–38). 33,12 Für den Almanach habe ich einen Einfall] Für Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ plante Goethe eine Sammlung kryptischer Sprüche nach dem Vorbild des mythischen griechischen Wahrsagers Bakis, die er im Frühjahr und Sommer 1798 schrieb (vgl. GT II 1, 238 und 254). Der 32 Doppeldistichen umfassende Zyklus „Weissagungen des Bakis“ wurde erst im siebten Band von Goethes „Neuen Schrifften“ veröffentlicht (1800, S. 309–326). 33,13 Xenien] Die von Goethe und Schiller gemeinsam verfasste gleichnamige Sammlung von 414 kritisch-satirischen Monodistichen war Ende 1796 im „Musen-Almanach für das Jahr 1797“ (S. 197–302) veröffentlicht worden. Damit reagierten Goethe und Schiller auf zeitgenössische Kritiker und sorgten für einen handfesten öffentlichen Skandal. Literarisches Vorbild für ihr Gemeinschaftswerk war Martials Epigramm-Sammlung „Xenia“ („kleine Gastgeschenke“). 33,15 abermaligen Anhangs] Die „Xenien“ waren als Anhang zum „MusenAlmanach für das Jahr 1797“ veröffentlicht worden. 33,22 in Ihrer Nachbarschafft zubringen] Goethe kam erst am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240). 33,22–24 Brief von Stuttgard ob nicht Thouret 〈…〉 bald kommen wird.] Der Stuttgarter Architekt und Dekorationsmaler Nikolaus Thouret sollte mit der Ausstattung des Weimarer Residenzschlosses beauftragt werden (vgl. Nr 14). Seine Ankunft in Weimar, von der Goethe in den folgenden Monaten gegenüber Schiller immer wieder seine Aufenthalte in Jena abhängig machte, verzögerte sich aus verschiedenen Gründen jedoch wiederholt. Thouret traf schließlich erst am 25. Mai 1798 in Weimar ein (vgl. zu 120,28–29).
22. An Johann Friedrich Unger
Weimar, 30. Januar 1798 → 〈Berlin〉
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H: Yale University Library/Beinecke Rare Book and Manuscript Library, New Haven (Connecticut/USA), William A. Speck Collection of Goetheana: Manuscripts, Sign.: YCGL MSS 6, Box 10, folder 300. – Doppelblatt 18,8 × 22,7 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Unterschrift, Tinte; S. 4 Adresse: Herrn / Herrn
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Unger / angesehenen Buchhändler / in / B e r l i n. / f r a n k H a l l e. (H a l l e von fremder Hd gestrichen und dahinter mit roter Tinte: L e i p z i g ) Siegelreste und rotes Gemmensiegel: Amor mit den Waffen des Herkules (vgl. Femmel/Heres, 71, K 3); Bl. 2 zwei Siegelausschnitte. – Beischluss: Nr 23 (vgl. zu 34,12–13). K: GSA Weimar, Sign.: 28/20, Bl. 47. – 1 Bl. 18,9 × 22,8 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte. – In einem gebundenen Faszikel (vgl. Überlieferung zu Nr 6). E: WA IV 13 (1893), 43f., Nr 3724 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Ungers Brief vom 13. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1093). – Unger antwortete am 11. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1133). Postsendungen: 1. Februar 1798 (Herrn Unger, bitte um Auszahl. der 10 Louisd an Hl. Hirt.; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 1. Februar 1798 (vgl. GR/Belege 1798, 6, Bl. 9). Zur Person Johann Friedrich Ungers (1753–1804) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 9 II, Nr 31. – Als Verleger der Werkausgabe „Goethe’s neue Schrifften“ (7 Bde. Berlin 1792–1800) stand der Berliner Buchdrucker und Holzschneider auch 1798 mit Goethe in Verbindung. 1795/96 hatte Unger Goethes Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ sowohl in vier Bänden als Teil der Werkausgabe (Bde 3–6) als auch in Einzeldrucken herausgebracht (vgl. Hagen, 20–24, Nr 14.3–6). Dafür hatte Unger eine eigene Schrifttype, die so genannte „Unger-Fraktur“, verwendet (vgl. zu 34,10–11). Seitdem hatte Unger auf weitere Aufträge warten und hinnehmen müssen, dass Goethe für die Veröffentlichung seiner neuen Dichtung „Herrmann und Dorothea“ (1797) mit Friedrich Vieweg einen anderen Berliner Verleger beauftragt hatte (vgl. RA 2, Nr 1133). So nahm Unger mit seinem Brief an Goethe vom 13. Januar 1798 dessen glücklich erfolgte Rückkehr aus der Schweiz auch zum Anlass, sich dem Dichter in Erinnerung zu rufen: „Werde ich nicht bald so glücklich sein, die Fortfolge Ihrer Neuen Schriften zu drucken, oder etwas Anders zu verlegen. Fast zwei Jahr sind verstrichen wo ich es entbehren mußte, von den beliebtesten u verehrtesten deutschen Dichter nichts zu drucken.“ (H: GSA 28/20, Bl. 35; vgl. RA 2, Nr 1093.) – Der hier vorliegende Antwortbrief Goethes vom 30. Januar 1798 ist der einzige Brief Goethes an Unger aus diesem Jahr. Dagegen sind vier Briefe Ungers an Goethe aus dem Zeitraum zwischen 13. Januar und 4. Dezember 1798 überliefert (vgl. RA 2, Nr 1093, 1133, 1271, 1626). Sie beinhalten wesentlich Nachrichten Ungers zu seinen typographischen Versuchen, über die sich Goethe mit Friedrich Schiller austauschte (vgl. zu 110,15). Durch die Vermittlung August Wilhelm Schlegels lernte Goethe darüber hinaus Ende des Jahres 1798 auch eigenhändige
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Holzschnitte Ungers sowie dessen Aufsatz „Ueber Holzschneidekunst“ kennen (vgl. zu 241,6). 34,1 Für die mir übersendeten Schrifften] Den in Ungers Verlag veröffentlichten Roman „Agnes von Lilien“ (Berlin 1798) von Caroline von Wolzogen sowie die 3. Auflage des zu dieser Zeit viel gelesenen Romans „Julchen Grünthal“ (Berlin 1798) von Friederike Helene Unger hatte Unger mit dem Bezugsbrief am 13. Januar 1798 an Goethe gesandt. – Sie sind nicht in Goethes Bibliothek nachweisbar, vgl. dazu das Folgende. 34,3 ruhige Stunden, in denen mich Julchen und Agnes unterhalten] Eine Lektüre von „Julchen Grünthal“ durch Goethe ist nicht belegt. Zu „Agnes von Lilien“ äußert er sich gegenüber Schiller (vgl. zu 41,18–19). Goethe schickte die Bände schließlich weiter an die Mutter nach Frankfurt, die in einem Brief vom 12. März 1798 Christiane Vulpius für die Übersendung dankte (vgl. RA 2, Nr 1178). 34,4–5 Meine Reise 〈…〉 Stillstand von sechs Monaten] Goethe war am 20. November 1797 von seiner Schweizer Reise nach Weimar zurückgekehrt. Unger hatte dies zum Anlass genommen, Goethe im Bezugsbrief um neue Werke oder Druckaufträge zu bitten. 34,7 neue Obliegenheiten] Bibliotheksgeschäfte und den Umbau im Schloss betreffend. 34,8–9 auch wieder von den Musen besucht zu werden] Der in jenen Wochen mehrfach wiederholte Wunsch Goethes, in Jena wieder literarisch arbeiten zu können, blieb vorerst unerfüllt. Goethe reiste erst am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240). 34,10–11 eine Arbeit Ihrer typographischen Sorgfalt zu übergeben] Goethe entsprach erst im folgenden Jahr Ungers Wunsch nach weiteren Werken (vgl. GB 14 I, Nr 125 und Nr 172). Unger veröffentlichte diese in einem die Werkausgabe von „Goethe’s neuen Schrifften“ abschließenden siebten Band (Berlin 1800; vgl. Hagen, 24, Nr 14.7). – Als Typograph hatte sich Unger sowohl um die Verwendung der Didot-Antiqua – so für Goethes Werk „Das römische Carneval“ (1789) – als auch um eine Reform der Fraktur verdient gemacht (vgl. Christina Killius: Die Antiqua-Fraktur-Debatte um 1800 und ihre historische Herleitung. Wiesbaden 1999). Seine Versuche zur Verbesserung der Fraktur-Schrift hatte Unger erstmals 1793 der Öffentlichkeit vorgestellt (Probe einer neuen Art Deutscher Lettern. Erfunden und in Stahl geschnitten von J〈ohann〉 〈Friedrich〉 Unger. Berlin 1793). Von Goethes Werken druckte er erstmals den Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ (1795/96) in der Unger-Fraktur. Unger informierte Goethe regelmäßig über seine typographischen Versuche (vgl. zu 110,15). 34,12–13 Hirt, nebst beyliegendem Briefe, 10 Louisd’or auszuzahlen] Vgl. Goethes Brief an Aloys Hirt zur Bezahlung des über Hirt erworbenen Landschaftsgemäldes (Nr 23). Unger bestätigte am 11. Februar, „50 rL in Golde“ (H: GSA
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28/20, Bl. 83) an Aloys Hirt ausgezahlt zu haben und legte die Quittung bei (vgl. RA 2, Nr 1133). Die von Hirt am 8. Februar unterzeichnete Quittung befindet sich unter Goethes Rechnungsbelegen (vgl. GR/Belege 1798, 6, Bl. 3; vgl. zu 34,19). 34,13–14 deren Wiedererstattung von mir an das Industrie Comptoir] Die Auszahlung des Geldes erfolgte nicht an Friedrich Justin Bertuchs Landes-Industrie-Comptoir, sondern auf Ungers folgende Bitte an August Wilhelm Schlegel. Zur Begründung führte Unger an, dass es in Berlin ein „sehr geschärftes Verbot, daß kein Gold aus dem Lande soll“ (H: GSA 28/20, Bl. 83) gebe und er bei Schlegel damit zugleich eine „Schuld abtragen“ (ebd.) könne. Als Verleger der seit 1797 veröffentlichten Ausgabe „Shakespeare’s dramatische Werke / übersetzt von August Wilhelm Schlegel“ (9 Bde. Berlin 1797–1810) stand Unger mit Schlegel in enger Verbindung. In seinem Brief an Goethe vom 19. Februar 1798 bestätigte Schlegel den Auftrag und betonte, dass es mit der Übergabe des Geldes nicht eile und bei Goethes nächstem Besuch in Jena erfolgen könne (vgl. zu 55,3).
23. An Aloys Hirt
〈Weimar, 30. Januar 1798〉 → 〈Berlin〉
DAT IERUN G
Der vorliegende Brief wurde am 25. Dezember 1797 geschrieben, jedoch nicht ausgefertigt (kassiertes Mundum). Goethe diktierte den Brief mit inhaltlichen Änderungen am 30. Januar 1798 erneut und schloss ihn seinem Brief an Johann Friedrich Unger vom selben Tag bei (vgl. Nr 22). Dieser an Hirt ausgefertigte Brief Goethes ist nicht überliefert. Sein Inhalt kann nur unvollständig und nicht zuverlässig nach dem vorliegenden Konzept vom 25. Dezember 1797 sowie einem weiteren Brief Goethes an Hirt vom 1. Februar bestimmt werden (vgl. Nr 27). ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. – Beischluss zu Nr 22. K: GSA Weimar, Sign.: 28/20, Bl. 48–49. – Doppelblatt 19,4(–19,8) × 27,6(–27,9) cm, 2 S. und 6 Zeilen beschr., Schreiberhd (Geist), Tinte. – In einem gebundenen Faszikel (vgl. Überlieferung zu Nr 6). E: WA IV 13 (1893), 44–46, Nr 3725 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K. BEIL AG E
Bauzeichnung (vgl. zu 34,21).
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BRIEF 23
ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortete Hirts Brief vom 2. Dezember 1797 (vgl. RA 2, Nr 1033). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. – Die Ausfertigung des am 25. Dezember 1797 diktierten Briefs unterblieb vermutlich deshalb, da Weyland dem im Brief angesprochenen Auftrag nicht nachkommen konnte (vgl. zu 34,18). Nicht ausgefertigt wurde vermutlich auch der Absatz mit Goethes Urteil über Hirts Laokoon-Aufsätze (vgl. zu 35,33). Über diese äußerte sich Goethe in seinem zweiten Brief an Hirt vom 1. Februar (Nr 27). Beide nachweislich am 1. Februar aus Weimar abgesandten Briefe kreuzten sich mit Hirts Brief an Goethe vom 31. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1119). Hirt bestätigte den Eingang von Goethes Briefen gegenüber Carl August Böttiger am 10. Februar 1798: „Lezten Posttag hatte ich auch Briefe v. Goethe“ (H: SLUB Dresden, Sign.: Nachlass Böttiger, Mscr. Dresd. h 37, 4°, Bd 87, Nr 8; vgl. Hirt, Briefwechsel). Postsendungen: 1. Februar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429). Zur Person Aloys Hirts (1759–1837) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 10 II, Nr 44. – Nach dem Einfall der französischen Truppen in Italien war Hirt 1796 nach Berlin gezogen, wo er rasch zu einem einflussreichen Mitglied der „Königlich Preußischen Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften“ avancierte. Von Berlin aus pflegte Hirt den Kontakt zu seiner früheren römischen Bekanntschaft Goethe. So weilte Hirt im Juli 1797 für zwei Wochen in Weimar, wo sich der ausgewiesene Architekturkenner über den Stand der Bauarbeiten am Weimarer Residenzschloss informierte (vgl. GT II 1, 119). Trotz der gemeinsamen Interessen begegnete Goethe ihm mit einer gewissen Distanz: In seinem Brief an Schiller vom 1. Juli 1797 beschrieb er Hirt als eine fremde Erscheinung (WA IV 12, 178). Häufig fungierte der gemeinsame Bekannte Carl August Böttiger als Vermittler. – Aus dem Jahr 1798 sind zwei Briefe Goethes überliefert (Nr 23, Nr 27), die sich mit Hirts Brief vom 31. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1119) kreuzten. Sie dokumentieren den Austausch über Kunstfragen wie Hirts Vorhaben eines königlichen Kunstmuseums in Berlin. Hirt empfahl neben dem jungen Berliner Architekten Heinrich Gentz auch den schwedischen Diplomaten Carl Gustav von Brinckmann nach Weimar, der im Februar 1798 als Goethes Gast im Haus am Frauenplan weilte (vgl. zu 52,1). Für seine private Kunstsammlung erwarb Goethe aus Hirts Besitz ein Dominichino zugeschriebenes Landschaftsgemälde. 34,18 Beyliegenden Brief bitte Herrn 〈…〉 Weiland zu übergeben] Auf diese am 25. Dezember 1797 diktierte Bemerkung wurde in der Ausfertigung sicher verzichtet. Der als Geheimer Sekretär des Herzogs Carl August in sachsen-weimarischen Diensten stehende Kriegsassessor Philipp Christian Weyland war 1797 zum Legationsrat ernannt worden. Im Auftrag des Herzogs hielt er sich im Dezember 1797 in Berlin auf, wo er mit Hirt bekannt wurde (vgl. Hirts Brief an Böttiger
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vom 12. Dezember 1797; SLUB Dresden, Sign.: Nachlass Böttiger, Mscr. Dresd. H 37, 4°, Bd 87, Nr 6; vgl. Hirt, Briefwechsel). Goethes Brief an Weyland vom 25. Dezember 1797 ist nicht überliefert (vgl. GR/Belege 1798, 6, Bl. 9). Er enthielt wahrscheinlich die Bitte Goethes, Hirt für das erworbene Gemälde 10 Louisd’or auszuzahlen. Da Weyland Ende Dezember Berlin verließ, um ab Januar 1798 die Weimarer Regierung auf dem Rastatter Kongress zu vertreten, konnte er Goethes Auftrag nicht ausführen. Goethe regelte die Zahlungsanweisung deshalb über den Berliner Verleger Johann Friedrich Unger (vgl. zu 34,12–13). 34,19 meine Schuld] Hirt quittierte die Bezahlung des Gemäldes am 8. Februar 1798: „Vermittelst titL. Herrn Unger habe ich von dem Herrn Geh. Rathe von Goethe in Weimar zehn Friedric d’or in Golde ausgezahlt erhaltL. / dL 8ten Feb. 1798. / A. Hirt.“ (GR/Belege 1798, 6, Bl. 3.) Goethe erhielt die Quittung mit Johann Friedrich Ungers Brief vom 11. Februar (vgl. RA 2, Nr 1133). 34,19 Gemählde] Die über Hirt erworbene „Kleine Landschaft mit Cephalus und Procris“ ist in Goethes Kunstsammlung überliefert (Öl auf Leinwand, 34 × 44,5 cm, KSW, Museen, Inv.-Nr GGe/00477). Das Werk wurde dem Maler Domenico Zampieri gen. Domenichino zugeschrieben, dürfte aber von der Hand eines unbekannten italienischen oder niederländischen Malers stammen. Hirt hatte das Gemälde im Herbst 1797 erworben und zur Ansicht nach Weimar gesandt (vgl. Hirts Brief an Böttiger vom 31. Oktober 1797; SLUB Dresden, Sign.: Mscr. Dresd. h 37, 4°, Bd 87, Nr 3; vgl. Hirt, Briefwechsel). 34,21 Grund und Aufriß zu einem Zimmer] Die als Beilage übersandte Bauzeichnung eines – nicht näher bestimmten – Zimmers im Weimarer Residenzschloss ist nicht überliefert. Hirt hatte im Bezugsbrief genaue Vorgaben zur Anlage dieser Zeichnung gemacht und die entsprechende Ausführung durch Heinrich Gentz angekündigt. Ob Gentz diesen Auftrag erfüllte, ist nicht bekannt. 34,22 Herr Genz] Hirt hatte den jungen Berliner Architekten Heinrich Gentz wahrscheinlich im Juli 1797 während seines Aufenthalts in Weimar empfohlen. Gentz kam erst im November 1800 nach Weimar, wo er bis 1803 mit dem Ausbau des Residenzschlosses und Entwürfen für weitere Bauten beschäftigt war (vgl. GT II 1, 399–401; vgl. GB 14 I, Nr A 59). 35,2–3 die Schloßbau Commission besteht aus vier Personen] Der „Fürstlichen Schloßbau-Commission“ gehörten zu diesem Zeitpunkt Herzog Carl August, Christian Gottlob Voigt, Wilhelm von Wolzogen und Goethe an. 35,11 Zeichnungen zu dem Monumente Friedrichs des Großen] Hirt hatte im September 1797 mit einem eigenen Vorschlag am Wettbewerb für ein Denkmal auf den 1786 verstorbenen preußischen König Friedrich II. teilgenommen. Sein Entwurf sah einen dorischen Peripteros vor (vgl. Zeichnungen und Entwürfe zu dem auf Seiner Majestät des Königs allergnädigsten Befehl Höchstdero verewigten Oheim dem hochseligen Könige Friedrich dem II zu errichtenden Monumente. Vom Herrn Hofrath Hirt. In: Beschreibung derjenigen Kunstwerke, welche von der Kö-
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niglichen Akademie der bildenden Künste und mechanischen Wissenschaften in den Zimmern der Akademie 〈…〉 öffentlich ausgestellt sind. Berlin 1797, S. 59–61, Nr 311). Carl August Böttiger hatte den in der Schweiz weilenden Goethe über diesen Entwurf informiert, worauf sich dieser eine Zeichnung erbat (vgl. Goethes Brief an Böttiger vom 25. Oktober 1797; WA IV 12, 344). Hirt hatte daraufhin Anfang Dezember 1797 die Entwürfe zur Ansicht nach Weimar übersandt (vgl. Hirts Brief an Böttiger vom 12. Dezember 1797; SLUB Dresden, Sign.: Mscr. Dresd. h 37, 4°, Bd 87, Nr 6; vgl. Hirt, Briefwechsel). Die im Bestand der Berliner Akademie der Künste nachgewiesenen Zeichnungen sind seit 1945 verschollen (vgl. Jürgen Zimmer: Nachrichten über Aloys Hirt und Bibliographie seiner gedruckten Schriften. In: Jahrbuch der Berliner Museen 41 [1999], S. 168–194, hier S. 141, Abb. 3 und S. 143, Anm. 75). 35,17 Aufsatze über den Kunstschatz des Koniglichen Hauses] Aloys Hirt: Ueber den Kunstschatz des Königlich-Preußischen Hauses. Eine Vorlesung, gehalten bei der öffentlichen Sitzung der Akademie der schönen Künste und mechanischen Wissenschaften, den 25. Sept. 1797. In: Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmacks 1797, Bd 2, S. 499–524. In seinem Beitrag referiert Hirt die Geschichte der königlich-preußischen Kunstsammlungen. Sein zentraler Vorschlag „betrift die Vereinigung des königlichen Kunstschatzes sowohl der antiken Marmor, geschnittenen Steine und Münzen, als der Gemälde vorzüglicher Meister und Schulen in ein Museum und in eine Gallerie, und zwar in der Hauptstadt selbst“ (ebd., S. 508f.). 35,23–24 virtualiter] Von lat. virtus: Kraft, Vermögen; hier im Sinne von ‚der Möglichkeit nach‘, im Gegensatz zu ‚realiter‘. – Einen vergleichbaren Vorschlag hatte Goethe bereits im Dezember 1797 anlässlich der Neuordnung von Bibliotheksbeständen geäußert: die hießige, die Büttnerische und Akademische Bibliothek, virtualiter, in Ein Corpus zu vereinigen (Brief an Schiller vom 9. Dezember 1797; WA IV 12, 374). 35,25 Aufsatz des Herrn Genz] 〈Friedrich Gentz〉: Seiner Königlichen Majestät Friedrich Wilhelm dem III. bei der Thronbesteigung allerunterthänigst überreicht. Berlin, den 16ten November 1797. – Die in Goethes Bibliothek überlieferte Broschur trägt die eigenhändige Widmung: „Herrn Hofrath Hirt von dem Verfasser. Berlin den 30t Decbr: 1797.“ (vgl. Ruppert, Nr 2891). Der Schriftsteller und Publizist war der Bruder des Architekten Heinrich Gentz. 35,28 Herrmann und Dorothea] Hirt hatte im Bezugsbrief über die erfolgreichen Lesungen aus Goethes Epos „Herrmann und Dorothea“ (1797) in den Berliner literarischen Gesellschaften berichtet. Zum Erfolg dieses Werks, das im Herbst 1797 durch den Verleger Friedrich Vieweg in Berlin veröffentlicht worden war, vgl. zu 6,17–18. 35,33 Ihre letzten Aufsätze über Laokoon habe ich noch nicht gesehen.] Auch dieser Absatz wurde im ausgefertigten Brief unterdrückt, da Goethe inzwischen beide Texte vorlagen (vgl. zu 26,1–2). Das von Hirt im Bezugsbrief erbetene
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„Endurtheil“ (H: GSA 28/19, Bl. 506; vgl. Hirt, Briefwechsel) gab Goethe in seinem Brief vom 1. Februar (vgl. Nr 27). 36,2–3 meinen Faust zu endigen] Zu Goethes Wiederaufnahme der Arbeit am „Faust“ vgl. zu 88,21–22). 36,3 nordischen Barbarey] Im Unterschied zur antiken klassischen Figur des Laokoon entstammte die historische Gestalt des Schwarzkünstlers Doktor Faust dem nordeuropäischen Mittelalter (vgl. GWb 2, 57). 36,6 Nachrichten] Goethe erhielt Hirts Brief vom 31. Januar 1798 möglicherweise erst am 18. Februar durch Carl Gustav von Brinckmann (vgl. GT II 1, 234). Der Briefwechsel fand erst 1799 seine Fortsetzung (vgl. RA 3, Nr 306).
24. An Paul Wolfgang Merkel Weimar, 31. Januar 1798 → Nürnberg ÜBER L IEF ERU NG
H: GNM Nürnberg, Sign.: Autographen Merkel-Archiv (Leihgabe der Familie Merkel). – Doppelblatt 18,9 × 22,7 cm, 1 ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Unterschrift, Tinte; S. 4 Adresse: Herrn / Herrn Merkel / angesehenen Handelsmann / in / N ü r n b e r g / frank. (oben links von fremder Hd mit roter Tinte ergänzt: Jena); rotes Gemmensiegel: Amor mit den Waffen des Herkules (vgl. Femmel/Heres, 71, K 3), Bl. 2 Papierausriss durch Öffnen des Siegels. K: GSA Weimar, Sign.: 28/20, Bl. 50. – Doppelblatt 20,2(–20,4) × 32,8–(33) cm, 1 2⁄3 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. (?) Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 linke Spalte oben Adresse: An Herrn Handelsmann Merkel / in Nürnberg. – In einem gebundenen Faszikel (vgl. Überlieferung zu Nr 6). E: WA IV 13 (1893), 46f., Nr 3726 (Eduard von der Hellen; nach K). ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt. Postsendungen: 1. Februar 1798 (H e r r n M e r k e l zurück behaltnes Concept.; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 429); 2. Februar 1798 („1. BrL. nach Nurnberg 2 〈gr.〉 6 〈dL.〉“; GR/Belege 1798, 2, Bl. 14r); 1. Februar 1798 (vgl. GT II 1, 232). 36,8–9 bey meinem Aufenthalt in Nürnberg] Auf seiner Rückreise von der Schweiz nach Weimar hielt sich Goethe vom 6. bis 15. November 1797 in Nürnberg auf, wo es zu mehreren Treffen mit Paul Wolfgang Merkel kam, vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 4, Goethes erstem Brief an Merkel.
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36,9 durch eine so gefällige Aufnahme] Laut Merkels Tagebucheintrag vom 11. November 1797 war Goethe bei Merkel durch Knebel eingeführt worden (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 4). Bei Gesellschaften, die Merkel zu sich lud, umgab er sich häufig mit Juristen, Pfarrern und Professoren der Altdorfer Universität (vgl. Seiderer, Paul Wolfgang Merkel, 22). Im Nekrolog heißt es zu seiner Gastfreundlichkeit: „So abgeneigt gehaltlosem Gerede ohne Ansehen der Person, so begierig war er nach unterrichtendem Gespräch; er zog es jedem andern Vergnügen vor, und die ein solches führen konnten, waren ihm nicht nur allezeit willkommene Tischgenossen, sondern er bemühte sich auch darum, daß sie es gern seyn möchten.“ (Roth, Merkel, 20f.) 36,13–14 da Herr von Knebel sich nunmehr von Nürnberg entfernt hat] Knebel war in der Nacht vom 21. Januar von Nürnberg nach Ilmenau abgereist, wo er am 23. Januar eingetroffen war, wie Goethe durch Knebels Brief vom 24. Januar informiert war (vgl. RA 2, Nr 1111). 36,15–16 Mechanikus Herr B e h r i n g e r wird 〈…〉 fertig haben] Vgl. Goethes Brief an David Beringer, Nr 2. 36,18 Stroh-Emballage] Von franz. emballage: Umpolsterung des Frachtguts mit Stroh zum Schutz der Ware (vgl. GWb 3, 51). 36,18–19 auf dem Postwagen an mich abzusenden] Merkels Geschäftsunternehmen betrieb auch einen Speditionshandel – ob Goethe davon wusste, ist nicht bekannt. Wann Goethe den Globus erhielt, ist nicht zu ermitteln. 36,20 Herrn Behringer dagegen 28 fl. auszuzahlen] Bei der genannten Summe von 28 Gulden handelte es sich um den von Beringer festgesetzten Preis (vgl. zu 5,3). 36,21 Herr von Holzschuer] Den Nürnberger Bürgermeister Johann Carl Siegmund von Holzschuher lernte Goethe bei seinem Aufenthalt in Nürnberg am 10. November 1797 über Knebel kennen: „Göthe u. Meyer Morgens hier. Auch Holzschuher.“ (Knebel, Tgb. 1797, 90.) 36,23 kleine Auslage] Goethe hatte Knebel im Brief vom 12. Januar 1798 darum gebeten, bei einer im Februar stattfindenden Auktion der seit 1787 bestehenden Nürnberger Kunsthandlung von Johann Friedrich Frauenholz, den Kupferstich „Tod der Heiligen Maria“ Martin Schongauers zu erwerben (vgl. zu 18,23–24). Nach Knebels Weggang aus Nürnberg übernahm sein Freund Holzschuher diesen Auftrag (vgl. RA 2, Nr 1102). 36,23–24 für mich zu ersetzen beliebten] Der Kauf kam nicht zustande, wie Goethe von Knebel am 29. März erfuhr: Holzschuher habe den Kupferstich nicht erwerben können (vgl. RA 2, Nr 1215). Wahrscheinlich war Goethes Gebot für einen Zuschlag zu niedrig gewesen. 36,25 Remboursement] Von franz. remboursement: Zurückzahlung, Erstattung (vgl. GWb 7, 415).
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36,26–27 den werthen Ihrigen] Zu dieser Zeit hatte Merkel mit seiner Frau Margarete Elisabeth geb. Bepler fünf Kinder: Johannes (geb. 1785), Paul Gottlieb (geb. 1787), Andreas Heinrich (geb. 1790), Catharina Johanna Susanna (geb. 1792), Johanna Susanna Margaretha (geb. 1795). Zehn der insgesamt 14 Kinder, sieben Söhne und drei Töchter, erreichten das Erwachsenenalter. 36,27 Frau von Schükert] Bei Merkels ältester Schwester Katharina, seit 1772 mit dem Marktadjunkt Johann Christoph von Schückher verheiratet, war Goethe während seines Nürnberg-Aufenthalts zu Gast (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 4). Katharina von Schückher war mit Knebel und dessen Schwester Henriette befreundet, mit denen sie im Briefwechsel stand. Nach Knebels Weggang hatte sie Besorgungen in Nürnberg für Goethe übernommen (vgl. zu 3,21). 36,27 Herrn Pestilentiario] Der Arzt Johann Carl Osterhausen, der im Armenund Arbeitshaus der Stadt Nürnberg für die Behandlung von Infektionskrankheiten zuständig war, wovon sich die Bezeichnung ‚Pestilentiarius‘ (lat.: Pestarzt) ableitet. In Goethes Bibliothek befindet sich aus späterer Zeit das von Osterhausen gemeinsam mit Georg Christian Wilder verfasste „Neue Taschenbuch von Nürnberg. Enthaltend eine topographisch-statistische Beschreibung der Stadt nebst einer geschichtlichen Einleitung“ (Nürnberg 1819; vgl. Ruppert, Nr 4000).
25. An Friedrich Schiller
Weimar, 31. Januar 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 34–35. – Doppelblatt 19 × 22,8 cm, 2 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 4 Adresse: Des / Herrn Hofrath Schillers / Wohlgebl / J e n a. / f r a n k.; Reste einer Verschlussoblate, Ausriss durch Öffnen der Oblate. – Egh. Bleistiftkorrektur (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 37,22–25 |(|Dieser Freund 〈…〉 möglichste Glück.|)| (vgl. E1). E1: Schiller-Goethe1 4 (1829), 67–69, Nr 415 (Teildruck ohne den in H eingeklammerten Text). E2: Schiller-Goethe2 2 (1856), 28f., Nr 420. WA IV 13 (1893), 49f., Nr 3728. BEIL AG E
Einblattdruck (vgl. zu 37,16–17).
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Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 30. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1118). – Schiller antwortete am 2. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1124). Postsendungen: 31. Januar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 31. Januar 1798 (Briefe nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r). 37,1 Geschäffte und Zerstreuungen] Neben Schlossbauangelegenheiten und Opernproben war Goethe in diesen Tagen u.a. mit der von Herzog Carl August beauftragten Aufstellung über die Ausbildungsgelder von Johann Gottfried Herders Kindern (vgl. zu 369,20) sowie der Korrespondenz mit Aloys Hirt über dessen „Laokoon“-Aufsätze beschäftigt (vgl. Nr 23, Nr 27). Auch nahm Goethe an diesem Tag an der fürstlichen Mittagstafel teil (vgl. FB 1798, S. 21; GT II 1, 232). 37,3 zu Ihnen hinüber zu kommen] Goethe kam erst am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240). 37,5 neue Oper] Zum Geburtstag der Herzogin Louise wurde am Weimarer Hoftheater erstmals die Opera buffa „Die bestrafte Eifersucht. Eine komische Oper in zwey Aufzügen“ von Domenico Cimarosa aufgeführt (vgl. Theater/Musik Weimar). Das Libretto des neapolitanischen Dichters Giovanni Battista Lorenzi („Il marito disperato“) war dafür von Friedrich Hildebrand von Einsiedel in einer deutschen Fassung bearbeitet worden. Zu den weiteren Aufführungen vgl. zu 75,5. 37,12–13 Philisterhaftigkeit] Hier im pejorativen Sinne für ‚Kleingeistigkeit, Pedanterie‘ (vgl. GWb 6, 1297). 37,13 ästimiren] Von franz. estimer: schätzen, würdigen (vgl. GWb 1, 871). 37,16–17 letzter Abkömmling der alten Nürnberger Meistersänger 〈…〉 Gedichte herausgeben] Um für die geplante Veröffentlichung seiner Werke zu werben, hatte der Nürnberger Stadtflaschner (heute Klempner) und Mundartdichter Konrad Grübel einen Einblattdruck mit dem Gedicht „Ankündigung“ („Es hoben mih scho langa Zeit“) veröffentlicht (vgl. Johann Konrad Grübel, ein Nürnberger Volksdichter. Festschrift zur Feier der 200. Wiederkehr seines Geburtstages. Im Auftrage des Oberbürgermeisters der Stadt Nürnberg von Friedrich Bock. Nürnberg 1936, S. 144, Nr 15 und 16). Der als Beilage an Schiller übersandte Druck – oder dessen Abschrift – ist nicht überliefert. Wie Goethe subskribierte auch Schiller auf diese Gedichtsammlung, die schließlich im Herbst 1798 unter dem Titel „Grübels Gedichte in Nürnberger Mundart“ erschien (vgl. zu 58,19–20). – Als Handwerker und Dichter stand Grübel in der Tradition der Nürnberger Meistersinger des 15. und 16. Jahrhunderts, deren bedeutendster Vertreter Hans Sachs war (vgl. zu 58,20–21). Meistersinger waren hauptberuflich städtische Handwerker, die auch ihre Liedkunst zunftmäßig und in strenger Hierarchie in einer Singschule organisierten. Bereits mit Hans Sachs’ Tod hatte der Niedergang des Meistersangs begonnen; die Singschule in Nürnberg war 1770 aufgelöst worden.
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37,18 Nürnberg] Während seiner Rückreise aus der Schweiz hatte sich Goethe vom 6. bis 15. November 1797 in Nürnberg aufgehalten (vgl. GT II 1, 224). 37,21 Wir erhalten das Buch durch Knebeln] Da auch Schiller Interesse an diesem Werk zeigte, bestellte Goethe bei Knebel gleich zwei Exemplare (vgl. zu 58,19–20). Goethe erhielt diese im Dezember 1798 und sandte Schiller ein Exemplar zu (vgl. zu 258,10). 37,22 Dieser Freund ist nun wieder in Ilmenau angelangt] Nach einem halbjährigen Aufenthalt in Franken war Knebel am 23. Januar nach Ilmenau zurückgekehrt (vgl. RA 2, Nr 1111). 37,22–23 seine Schöne wird in wenig Tagen abreisen] Luise Rudorf brach am 8. Februar von Weimar nach Ilmenau auf (vgl. RA 2, Nr 1128). 37,23–24 das Joch der Ehe auf den alten steifen Nacken zu legen] Die Hochzeit Knebels mit der über 30 Jahre jüngeren Sängerin Luise Rudorf fand am 9. Februar 1798 in Ilmenau statt (vgl. zu 38,5). 37,25 zu diesem Unterfangen das möglichste Glück] Vgl. die entsprechende Passage in Goethes Brief an Knebel vom 12. Januar, 17,23–18,6. 37,27 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller. 37,29–30 ob Justitz Rath Boie die Sechs Bände 〈…〉 erhalten hat] Der Schriftsteller und Jurist Heinrich Christian Boie hatte Goethe im Oktober 1796 eine Ausgabe der englischen Cellini-Übersetzung vermittelt (vgl. Goethe an Schiller, 19. Oktober 1796; GB 11 I, 158,28–159,3). Zum Dank hatte Goethe ihm am 6. Juni 1797 sechs Bände seiner „Neuesten Schrifften“ – der die Ausgabe abschließende siebte Band war zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschienen – übersandt, darauf aber keine Antwort Boies erhalten (vgl. WA IV 12, 139f.). In seiner Antwort betonte Schiller, dass er keinen Kontakt zu Boie habe, aber davon ausgehe, dass dieser die Buchsendung erhalten habe. 38,1 Cellini] The Life of Benvenuto Cellini 〈…〉 translated from the original by Thomas Nugent. 2 Bde. London 1771 (vgl. Ruppert, Nr 55). Zu Goethes langjähriger Beschäftigung mit der Autobiographie dieses Künstlers vgl. zu 62,4–5.
26. An Carl Ludwig von Knebel Weimar, 1. Februar 1798 → Ilmenau ÜBER L IEF ERU NG
H: Biblioteka Jagiello´nska Kraków (Krakau), Autographensammlung Goethe, bis 1945 Preußische Staatsbibliothek Berlin, Sign.: Ms. Germ. Qu. 521, Bl. 156. – 1 Bl. 13,8 × 19,5 cm, 1 ¼ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; Vs. von Gottschalk Eduard Guhrauers Hd, Bleistift, oben links: „164“ (vgl. E), oben rechts: „98“; oben in der Mitte von Knebels? Hd, Tinte: „N o 8 9“. – In ei-
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BRIEF 27
nem Konvolut mit schwarzem Ledereinband (vgl. Überlieferung zu Nr 2). – Beischluss: Nr 28. E: Goethe-Knebel 1 (1851), 160f., Nr 164. WA IV 13 (1893), 50f., Nr 3729. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Knebels Brief vom 24. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1111). – Knebel antwortete am 17. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1144). Postsendungen: 1. Februar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 429); 1. Februar 1798 (vgl. GT II 1, 232). 38,3 in dem Ilmenauer Schnee] Knebel war am 23. Januar in Ilmenau angekommen. Die letzte Reiseetappe hatte er auf dem Schlitten zurückgelegt und im Bezugsbrief auf die Höhe des Schnees verwiesen. Anspielungen auf die widrigen Witterungsverhältnisse in Ilmenau finden sich im Briefwechsel von 1798 mehrmals sowohl bei Knebel, als auch bei Goethe (vgl. 249,18; 261,21–22; 276,25), was nicht zuletzt auf das beiderseitige Interesse an Wetterbeschreibungen zurückzuführen ist. 38,5 der feste Knoten] Knebels Heirat mit der 33 Jahre jüngeren Luise Rudorf, die in Weimarer Kreisen mehrheitlich auf Unverständnis stieß (vgl. zu 18,2–3), stand unmittelbar bevor: Sie fand am 9. Februar 1798 in kleinstem Kreis statt, worüber Knebel dem Freund am 17. Februar berichtete. 38,5–6 dir alles wünschbare Gute herbey führen] Knebel dankte Goethe in seinem Antwortbrief vom 17. Februar für diesen „guten Wunsch“, der ihn gerührt habe: „Nur der Weise weiß was er zu wünschen hat, wie, wann, und unter welchen Bedingnissen. Ich nehme ihn an, als Zusage eines guten Glücks.“ (H: GSA 28/494, Bl. 7.) 38,8–9 irgend was merkwürdig neues] Goethe geht hier auf Knebels Bitte im Bezugsbrief ein, ihn „zuweilen mit Nachrichten von dir, mit etwas Litterarischerem, das dir zufällt“ zu unterstützen: „laß mir den Südwind des Genies von Norden herwehen“ (H: GSA 28/494, Bl. 5). – Goethe schickte ihm u.a. „Die Metamorphose der Pflanzen“ (vgl. Nr 137), die Ballade „Der Müllerinn Verrath“ (vgl. Nr 147) sowie das erste Stück der „Propyläen“ (vgl. Nr 202). 38,10 nur geordnet und bey Seite geschafft] Wahrscheinlich die Nachbereitung der Schweizer Reise, bei der das Registrieren und Sammeln von neuen Erkenntnissen im Bereich der Geographie, Geologie, der Landwirtschaft, des Handels, der Kunst und Politik einen großen Stellenwert einnahm. 38,11–12 um bald einen jenaischen Aufenthalt 〈…〉 nutzen zu können] Goethe hielt sich vom 20. März bis 6. April in Jena auf (vgl. GT II 1, 237–240), wo er u.a. den Aufsatz „Betrachtungen über eine Sammlung krankhaften Elfenbeins“ (vgl. zu 64,2) schrieb und das Schema zu seinem geplanten Epos „Achilleis“ verfasste (vgl. zu 114,10).
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38,12 meine Reise] Goethes dritte Schweizer Reise vom 30. Juli bis 20. November 1797. 38,14 bey dem wilden Zustand der Welt] Wahrscheinlich spielt Goethe auf die Folgen des Ersten Koalitionskrieges an. Nach dem am 17. Oktober 1797 geschlossenen Frieden von Campo Formio setzten am 9. Dezember 1797 die Gebiets- und Friedensverhandlungen im so genannten Rastatter Kongress ein. Der Koalitionskrieg hatte Goethes Reisepläne im Jahr 1797 maßgeblich beeinflusst. 38,16 gieb mir bald Nachricht] Der nächste überlieferte Brief Knebels an Goethe datiert vom 17. Februar (vgl. RA 2, Nr 1144).
27. An Aloys Hirt
〈Weimar, 1. Februar 1798〉 → 〈Berlin〉
DAT IERUN G
Die Datierung des Briefs ergibt sich aus einem eigenhändigen Brief Hirts an Carl August Böttiger vom 24. November 1798: „Hierüber scheint auch Göthe sehr billig zu denken, sowohl aus dem, was er selbst in der Einleitung sagt, und was er ein andermal selbst an mich schrieb. Vielleicht ist Ihnen die Stelle intereßant, und ich schreibe sie Ihnen deswegen her: Der Brief ist vom 1ten Feb. 98.“ (H: SLUB Dresden, Sign.: Mscr. Dresd. h 37, 4°, Bd 87, Nr 12; vgl. Hirt, Briefwechsel.) ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. h: SLUB Dresden, Sign.: Mscr. Dresd. h 37, 4°, Bd 87, Nr 12. – Zitat in Aloys Hirts Brief an Carl August Böttiger vom 24. November 1798. E: Geiger, Acht Briefe, 69f., Nr 10 (nach h). WA IV 18 (1895), 78f., Nr 3729a (nach E). Textgrundlage: h. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortete Hirts Brief vom 2. Dezember 1797 (vgl. RA 2, Nr 1033). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. – Der Brief wurde wahrscheinlich kurz nach Goethes Brief an Hirt vom 30. Januar geschrieben (vgl. Nr 23). Grund dafür war möglicherweise, dass Goethe in diesen Tagen mit zahlreichen Aufgaben beschäftigt war (vgl. GT II 1, 232 und zu 37,1). Beiden Briefen liegt ein nicht ausgefertigtes Mundum vom 25. Dezember 1797 zugrunde. Postsendungen: 1. Februar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2r; vgl. WA IV 13, 429); 1. Februar 1798 (vgl. GT II 1, 232). 38,19 Ihrem zweyten Aufsaz über Laokoon] Goethe hatte das Manuskript von Hirts Aufsatz „Nachtrag über Laokoon“ am 17. Januar an Schiller übersandt (vgl.
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BRIEF 28
zu 26,1–2). Der Beitrag wurde im 12. und letzten Stück der „Horen“ 1797 (S. 19–28) veröffentlicht, das erst im Juni 1798 ausgeliefert wurde. 38,20 nach meinem Urtheil] Goethe dürfte hier auf den Umstand anspielen, dass sich Hirts „Nachtrag zu Laokoon“ der Kenntnis seines eigenen unpublizierten Laokoon-Aufsatz verdankte (vgl. zu 26,3–4). 38,23 meine Deduktion allenfalls auch drucken laßen] Auf Anregung Schillers sollte Goethes Aufsatz „Ueber Laokoon“ ebenfalls in den „Horen“ veröffentlicht werden (vgl. RA 2, Nr 1104). Goethe sah davon jedoch ab und eröffnete mit seinem überarbeiteten Beitrag im Herbst 1798 seine neue Kunstzeitschrift „Propyläen“.
28. An Julius Heinrich Gottlieb Schlegel
Weimar, 1. Februar 1798 → 〈Ilmenau〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: Privatbesitz, Hamburg. – Doppelblatt 14 × 19,5 cm, Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Unterschrift, Tinte. – Faksimile: Wertvolle Bücher. Manuskripte, Autographen, Graphik. Auktion 141, 8./9. Mai 2017. Hartung & Hartung München, S. 351. – Beischluss zu Nr 26. E: Paul Raabe: Weitere ungedruckte Goethe-Briefe. In: GJb N. F. 21 (1959), 255–272, hier 258f., Nr 2. WAN 1 (WA IV 51 [1990]), 130, Nr 3729b (nach einer Fotokopie im GSA, Sign.: 29/435,V). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Julius Heinrich Gottlieb Schlegels Brief vom 28. Dezember 1797 (vgl. RA 2, Nr 1070). – Schlegel antwortete am 5. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1126). Postsendungen: 1. Februar 1798 (H l D o c t o r S c h l e g e l in vorigen eingeschl. / durch des Hl Major Bedienten.; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 429); 1. Februar 1798 (vgl. GT II 1, 232). Zur Person Julius Heinrich Gottlieb Schlegels (1772–1839) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 11 II, Nr 174. – Schlegel war 1798 als Amtsphysikus in Ilmenau tätig. Der vorliegende Brief nimmt Bezug auf eine 1797 erschienene Reisebeschreibung, in der Schlegel seine Erfahrungen während einer vom Juni 1795 bis 1796 unternommenen Bildungs- und Studienreise in die Steiermark und nach Kärnten aufgezeichnet hatte. Aus dem Zeitraum des vorliegenden Bandes ist dieser eine Brief Goethes an Schlegel bekannt.
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Auch von Schlegel ist aus diesem Jahr ein Brief, vom 5. Februar, überliefert (vgl. RA 2, Nr 1126). 39,8 die mir übersendete Reisebeschreibung] Gemeint ist Schlegels 1797 anonym erschienenes Buch „Reise durch einige Theile vom mittäglichen Deutschland und dem Venetianischen“ (Erfurt 1798), das sich in Goethes Bibliothek befindet (vgl. Ruppert, Nr 3968). Das volkskundliche Werk ist, wenn auch verschlüsselt, Goethe, Jacob Friedrich von Fritsch und Christian Gottlob Voigt gewidmet: „Den Herren Freih. von F.**, von G**, G. V.** Geh. Räthen in **“. In Goethes Exemplar, das Schlegel am 28. Dezember 1797 an ihn gesandt hatte (vgl. RA 2, Nr 1070), ist handschriftlich mit Tinte „Goethe“ und „Weimar“ ergänzt (vgl. HAAB, Sign.: Ruppert 3968). In Goethes Exemplar sind Titelkupfer und -vignette handkoloriert. Schlegel hatte Teile der zu diesem Zeitpunkt noch ungedruckten Publikation bereits 1796 an Goethe geschickt (vgl. RA 2, Nr 509). Das Buch enthält eine ausführliche Beschreibung Kärntens und angrenzender Landschaften, handelt von typischen Naturerzeugnissen und deren Benutzung, bietet Charakteristiken der Einwohner, geht auf „ihre Beschäftigungen, ihre Verhältnisse unter und gegen einander – die nur diesem Völkchen eigenen Gewohnheiten, Gebräuche, unschuldige Vergnügungen“ ein (Schlegel, Reise, II) und ist in dieser Art die erste ausführliche Studie überhaupt zu diesem Landstrich (vgl. Thomas Zeloth: Kärntens Wirtschaft und Gesellschaft an der Schwelle zur Industrialisierung dargestellt am Reisebericht von Julius Heinrich Gottlieb Schlegel, 1795 [1797]. In: Carinthia I 199 [2009], S. 281–314). 39,10–11 Ihre Bemerkungen über den Thüringer Wald und den Einfluß des Klimas] Ein längerer Abschnitt von Schlegels Reisebeschreibung widmet sich dem Klima Ober- und Unterkärntens und geht auf die Unterschiede beim Ernteertrag und bei der Verwertung der Lebensmittel ein (vgl. Schlegel, Reise, 286–309). Ein weiterer Teil der Reisebeschreibung befasst sich mit dem Einfluss des Klimas und der Beschreibung der Topographie sowie der Besonderheiten des Landes. In den klimatischen Bedingungen sieht Schlegel die Ursache für das häufige Auftreten des Kropfes bei der dortigen Bevölkerung (vgl. ebd., 98–121, vor allem 116f.). Goethe interessierte sich in Analogie dazu für Schlegels Erkenntnisse im Hinblick auf den Thüringer Wald und dessen Bewohner. Schlegel versprach in seinem Antwortbrief, den „Auftrag ‚das Volk der thüringischen Bergkette betreffend‘ 〈…〉 so bald als es mir möglich ist 〈…〉 zu realisiren“ (H: GSA 28/20, Bl. 59). Erst 1801 veröffentlichte er im zweiten Teil seiner Aufsatzsammlung „Materialien für die Staatsarzneiwissenschaft und praktische Heilkunde“ (vgl. Ruppert, Nr 4203) als fünftes Kapitel „Medicinisch-topographische Bemerkungen über das Thüringer Waldgebirg überhaupt und das Amt und die Stadt Ilmenau insbesondere“ (Materialien für die Staatsarzneiwissenschaft und praktische Heilkunde. Hrsg. von D. Julius Heinrich Gottlieb Schlegel. Herzogl. Sachs. Weim. Amts- und Stadt-Physicus zu Ilmenau. Zweite Sammlung. Jena 1801, S. 81–136). Der Bericht enthält eine Beschreibung
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der topographischen und klimatischen Bedingungen, der Lebens- und Beschäftigungsart der Bewohner, eine Aufstellung von Geburts- und Todesraten in Ilmenau von 1632 bis 1753, eine ausführliche Beschreibung der einzelnen zu Ilmenau gehörenden Amtsdörfer, die Nennung von besonders häufig auftretenden Krankheiten und weist schließlich auf die Vorurteile der Landbevölkerung gegenüber medizinisch geschulten Personen hin.
29. An Friedrich Schiller
Weimar, 3. Februar 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 38–39. – Doppelblatt 19 × 22,8 cm, 4 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 1 Nachschrift (42,4–5 Darf ich 〈…〉 wünschte.) am Kopf des um 180 Grad zur Schreibrichtung gedrehten Blattes. E1: Schiller-Goethe1 4 (1829), 72–77, Nr 417 (Teildruck: 39,19–20 die ich wegen Kürze der Zeit nicht habe lesen können fehlt; ohne Nachschrift). E2: Schiller-Goethe4 2 (1881), 24–26, Nr 415. WA IV 13 (1893), 51–55, Nr 3730. BEIL AG E
Manuskript von Friedrich Hildebrand von Einsiedels Dichtung „Die Feste der Arramanden“ (vgl. zu 39,19). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 2. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1124). – Schiller antwortete am 6. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1127). Postsendungen: 3. Februar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 429); 2. Februar 1798 (Briefe nach u v. Jena.; vgl. GR/RB 1798, 1, Bl. 5r). 39,15 die Umstände welche mich noch hier fest halten] Herzog Carl August hatte am 31. Januar eine wichtige Sitzung der Schlossbaukommission zu den für dieses Jahr anstehenden Arbeiten angeordnet (vgl. RA 2, Nr 1120). Deren Termin wurde jedoch mehrfach verschoben, so dass die Sitzung erst am 11. Februar stattfinden konnte (vgl. GT II 1, 233). Hinzu kamen weitere Aufträge. In Goethes Tagebuch sind für den 2. Februar ein Treffen mit dem Herzog und eine 〈a〉llzulebhafte Unterredung über verschiedne Verhältnisse (GT II 1, 232) notiert. 39,17–18 eine Anzahl guter Tage in Jena] Goethe kam erst am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240).
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39,19 eine Arbeit von Einsiedeln] Friedrich Hildebrand von Einsiedels utopische Dichtung „Die Feste der Arramanden“ erschien im 11. und 12. Stück der „Horen“ 1797 (S. 45–107; S. 29–38). Goethe hatte die Arbeit zuvor angekündigt (vgl. zu 33,10). Das hier als Beilage übersandte Manuskript, das Schiller am 11. Februar an Cotta weiterleitete (vgl. NA 29, 202), ist nicht überliefert. 39,19–20 die ich wegen Kürze der Zeit nicht habe lesen können] Diese Bemerkung wurde im Erstdruck 1829 unterdrückt. Möglicherweise hatte Einsiedel das umfangreiche Manuskript erst am Abend zuvor während eines Balls bei Herzoginmutter Anna Amalia an Goethe übergeben, der es am folgenden Morgen ungelesen an Schiller weiterleitete (vgl. GT II 1, 232). 39,23 am Ende] Nach nur drei Jahrgängen wurde das Erscheinen der von Schiller herausgegebenen Monatsschrift „Die Horen“ eingestellt. Das abschließende 12. Stück der „Horen“ 1797 erschien im Juni 1798. 39,23–24 Böttigers Aufsatz] Über Goethe hatte sich Schiller von Carl August Böttiger einen Beitrag über den Zustand der in Italien geraubten und nach Paris überführten Kunstwerke erbeten (vgl. zu 29,18–19). Böttiger hatte sich daraufhin am 31. Januar 1798 an Schiller gewandt: „Meyer hat mir Ihre gütige Auffoderung bekannt gemacht, etwas über die saubern Kunstausleerungen der vulgo großen Nation für die Horen niederzuschreiben.“ (NA 37 I, 237.) Als Korrespondent des von Aubin Louis Millin herausgegebenen „Magasin encyclopédique“ war Böttiger über die Situation in Paris gut informiert. Böttigers Beitrag „Und wie wird alles dieß in Paris aufgehoben seyn?“ erschien nicht in den „Horen“, sondern im „Neuen Teutschen Merkur“ (Februar 1798, S. 144–168, 199f.). 40,1–2 Hintritt unserer drey geliebten Nymphen] Gemeint sind die drei Horen Eunomia, Dice und Eirene, die Titelgeberinnen von Schillers Monatsschrift „Die Horen“, über deren geplante Einstellung Schiller zuvor informiert hatte (vgl. zu 33,1). Goethes Charakterisierung dieser mythologischen Figuren als Nymphen dürfte auf ihre Aufgabe als Himmelspförtnerinnen anspielen: Wie die Quell- und Flussnymphen spenden auch die Horen dem Land Regen und Fruchtbarkeit (vgl. Johann Heinrich Krause: Die Musen, Grazien, Horen und Nymphen mit Betrachtung der Flussgötter in philologischer, mythisch-religiöser und kunstarchäologischer Beziehung aus den Schrift- und Bildwerken des Alterthums dargestellt. Halle 1871, S. 169). 40,4 meines künftigen Aufsatzes über die Farbenlehre] Goethe setzte seine im Januar 1798 wieder aufgenommene Beschäftigung mit der Farbenlehre vom 2. bis 4. und 11. bis 15. Februar fort (vgl. GT II 1, 232–234). Erst im November 1798 sollte er sich diesem Themenkomplex wieder zuwenden (vgl. GT II 1, 264). 40,5–6 zum studiren der Literatur] Goethe begann am 2. Februar mit der Lektüre verschiedener farbtheoretischer Abhandlungen (vgl. GT II 1, 232–234). Zu den in diesen Tagen konsultierten Werken gehörten Johann Tobias Mayers Abhandlung „De affinitate colorum commentatio“ (1758) sowie Robert Boyles Schrift
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„Experimenta et considerationes de coloribus“ (London 1665; vgl. zu 46,21). Zwei weitere Werke bestellte Goethe über Wilhelm von Humboldt (vgl. Nr 30). Die erarbeiteten Erkenntnisse flossen in das Kapitel „Materialien zur Geschichte der Farbenlehre“ ein, das den zweiten Band der 1810 veröffentlichten „Farbenlehre“ bildete. 40,9–10 in einem Ihrer letzten Briefe] Schillers Brief an Goethe vom 23. Januar (vgl. RA 2, Nr 1110). 40,16–17 zweyten Theil der Unterhaltungen meiner Ausgewanderten] Goethe setzte seine 1795 in den „Horen“ veröffentlichte Novellensammlung „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“ nicht fort. Auch nahm er diese nicht in die bei Johann Friedrich Unger erscheinenden „Neuen Schrifften“ auf, deren letzter, siebter Band 1800 erschien. 40,20 Faust] Zu Goethes Wiederaufnahme der Arbeit am „Faust“ vgl. zu 88,21–22. 40,22 Almanach] Goethes Beiträge zum „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ lagen zum Teil bereits vor. Die restlichen Beiträge beendete er im Juni 1798 während seines Aufenthalts in Jena. 40,25 Die Idylle] Louise Brachmanns Gedicht „Die Kapelle im Walde. Eine Idylle“. Schiller hatte das Manuskript (H: GSA 83/97, Bl. 1–8) seinem Brief an Goethe vom 30. Januar 1798 beigelegt (vgl. RA 2, Nr 1118). Er veröffentlichte es neben weiteren Dichtungen Brachmanns im 12. Stück der „Horen“ 1797 (S. 1–18). 40,26 ein beynahe weibliches Talent] Brachmanns Wunsch nach Anonymität nachkommend, hatte Schiller die junge Dichterin gegenüber Goethe im Maskulinum als „ein neuer Poet“ angekündigt (NA 29, 198; vgl. NA 37 I, 235). Ihre Gedichte wurden unter dem Kürzel „L.“ veröffentlicht. 40,31 meo voto] Lat.: meines Erachtens, nach meinem Wunsch. 41,4 Herrmann und Dorothea] Zur Erfolgsgeschichte von Goethes gleichnamigem Hexameterepos, das im Herbst 1797 erschienen war, vgl. zu 6,17–18. 41,9–10 zum Styl zu erhöhen 〈…〉 zur Manier herabwürdigen] Vgl. Goethes frühere Abhandlung „Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Styl“ (WA I 47, 77–83; vgl. EGW 3, 252f.). 41,14–15 unsere dichterische Freundinnen] Gemeint sind Amalie von Imhoff, Sophie Mereau und Caroline von Wolzogen. Mit der gleichlautenden Formulierung hatte Goethe in seinem Brief an Schiller vom 22.–24. August 1797 auf dessen differenzierte Charakterisierung dieser drei Dichterinnen reagiert (vgl. WA IV 12, 263; vgl. RA 2, Nr 941). Die assoziative Bezugnahme auf die im Brief ebenfalls angesprochenen drei Horen ist wohl kaum zufällig. 41,15 Amelie hat wieder etwas vor.] Amalie von Imhoff arbeitete an ihrem epischen Gedicht „Die Schwestern von Lesbos“, das sie im Frühjahr 1799 vollendete. Das umfangreiche Hexameterepos erschien im „Musen-Almanach für das Jahr 1800“ (S. 1–182).
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41,15 Meyer] Als Zeichenlehrer und Freund stand Johann Heinrich Meyer in engem Kontakt zu Amalie von Imhoff. Auf Bitten Schillers schuf er 1799 die Illustrationen zu Imhoffs Gedicht (vgl. Goethe an Meyer, 27. März 1799; GB 14 I, Nr 49). 41,15 das Süjet] Inhalt von Imhoffs Versepos „Die Schwestern von Lesbos“ ist die Dreiecksgeschichte zweier Schwestern und des Jünglings Diokles. Dieser ist mit der älteren Schwester Simaitha verlobt, fühlt sich aber zur jüngeren Likoris hingezogen. Simaitha verzichtet am Ende zugunsten ihrer Schwester freiwillig auf Diokles und wird Priesterin. 41,17–18 ob auch der Gegenstand sich behandeln lasse] Diese Frage wurde von Goethe und Schiller wiederholt thematisiert und in Johann Heinrich Meyers „Propyläen“-Aufsatz „Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst“ (vgl. zu 79,14) umfassend erörtert. 41,18–19 den 2ten Theil von Agnes von Lilien] Den ersten Teil von Caroline von Wolzogens Roman „Agnes von Lilien“ hatte Schiller ab Dezember 1796 in Fortsetzungen in den „Horen“ veröffentlicht. Die anonyme Schrift galt vielen als ein Werk Goethes, der in seiner anfänglichen Begeisterung Schiller darum bat, ihm so lange als möglich die Ehre zu lassen, als Verfasser der Agnes zu gelten (an Schiller, 7. Dezember 1796; GB 11 I, 184,5–6). Das vollständige, von der Autorin erweiterte Manuskript hatte Schiller zur Drucklegung an den Berliner Verleger Johann Friedrich Unger vermittelt, der den Roman Ende des Jahres 1797 in zwei Bänden herausbrachte, die er Goethe im Januar 1798 übersandte (vgl. zu 34,1). Goethe zeigte sich in seinen hohen Erwartungen indes enttäuscht. Seiner Vermutung, dass Schiller die ersten Teile des Romans für die Veröffentlichung in den „Horen“ bearbeitet habe, widersprach Schiller in seinem Antwortbrief vom 6. Februar. 41,25 Sodezz] Ital. sodezza: Festigkeit, Gediegenheit. 41,25 aus geführt] Vermutlich Schreibversehen: Trennungsstrich am Zeilenende fehlt. 41,29 Vollbringgung] Schreibversehen: durch Trennung (Vollbring-gung) bewirkte versehentliche Doppelung von ‚g‘. 41,33 Meyer ist voller Verwunderung] Dieses Urteil von Goethes Kunst- und Hausfreund Johann Heinrich Meyer dürfte in mündlicher Form erfolgt sein. 42,1 Wallenstein] Zu Schillers Arbeit am „Wallenstein“ vgl. zu 5,19. 42,4 Humboldts Addresse] Schiller teilte die gewünschte Adresse in seinem Antwortbrief mit: „Citoyen Humboldt rue de Verneuil Faubourg St. Germain vis à vis la rue St. Marie Nro. 824.“ (NA 29, 200.) Wilhelm von Humboldt hatte sie Schiller nach seiner im November 1797 erfolgten Ankunft in Paris übermittelt (vgl. NA 37 I, 197). Goethe schrieb noch am selben Tag an Humboldt (vgl. Nr 30).
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30. An Wilhelm von Humboldt
BRIEF 30
〈Weimar, 7. Februar 1798〉 → 〈Paris〉
DATIERUN G
Der 7. Februar 1798 als Datum des Versendens lässt sich aus Goethes Briefverzeichnis erschließen (vgl. Postsendungen) und wird durch Humboldts Antwortbrief bestätigt (vgl. RA 2, Nr 1240). ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 28/20, Bl. 53–54. – Doppelblatt 20,2 × 32,7(–33) cm, 4 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte. – In einem gebundenen Faszikel (vgl. Überlieferung zu Nr 6). E: WA IV 13 (1893), 55–58, Nr 3731 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K. BEIL AG E
Goethes Elegie „Amyntas“ (vgl. zu 43,30). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Wilhelm von Humboldts Brief vom 5. September 1797 (vgl. RA 2, Nr 961), geht aber zugleich auf einen an Schiller gerichteten Brief vom 7.〈–11.?〉 Dezember 1797 (vgl. NA 37 I, 187–197) ein, den Schiller am 29. Dezember 1797 einem Brief an Goethe beigelegt hatte (vgl. RA 2, Nr 1072). – Humboldt antwortete am 10.? April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1240). Postsendungen: 7. Februar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 429); 7. Februar 1798 (vgl. GR/Belege 1798, 2, Bl. 13r). Zur Person Wilhelm von Humboldts (1767–1835) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 10 II, Nr 188. – Humboldt war im November 1797 mit seiner Familie nach Paris gereist und hielt sich dort bis 1799 auf. Über einen an Schiller gerichteten Brief Wilhelm von Humboldts vom Dezember 1797 erhielt Goethe erste Nachrichten von ihm aus der französischen Hauptstadt. Trotz Humboldts Vorsatz, an den engen und regelmäßigen Kontakt zu Goethe und Schiller während des Frühjahrs 1797 in Jena anzuschließen, wurde die Korrespondenz unregelmäßig, mit längeren Pausen. Die wenigen überlieferten Briefe dieser Zeit spiegeln gleichwohl das gegenseitige, freundschaftliche Interesse und den produktiven Austausch untereinander. Von Goethe sind für das Jahr 1798 aus dem Zeitraum zwischen dem 7. Januar und 16. Juli 1798 insgesamt zwei Briefe an Humboldt überliefert. Von Humboldts Briefen an Goethe ist für das Jahr 1798 ein Brief vom 10.? April 1798 erhalten.
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42,6 wie ich hören muß] Aus dem an Schiller gerichteten Brief Wilhelm von Humboldts vom 7.〈–11.?〉 Dezember 1797, den Humboldt am Ende auch als Lektüre an Christian Gottfried Körner und Goethe empfiehlt (vgl. NA 37 I, 197). 42,6–7 haben wir uns in der Schweitz verfehlt] Wilhelm von Humboldt hatte seine Italien-Reisepläne, ähnlich wie Goethe, aufgrund der Kriegsereignisse verschieben müssen und war von Wien über Schaffhausen und Basel nach Paris gereist, wie er Goethe am 5. September 1797 mitgeteilt hatte (vgl. RA 2, Nr 961). Auch Goethe hatte sich während seiner Schweizer Reise vom 16. bis 19. September 1797 in Schaffhausen aufgehalten (vgl. GT II 1, 186–193). An Schiller schrieb Humboldt, dass er Goethe „um 8 Tage“ (NA 37 I, 189) verfehlt habe. 42,7 Auf Ihren freundschafftlichen Brief von Wien] Humboldts Brief vom 5. September 1797 (vgl. RA 2, Nr 961). An Schiller schrieb Humboldt, dass ein Treffen in Schaffhausen hätte stattfinden können, wenn Goethe ihm auf seinen Brief aus Wien geantwortet hätte (vgl. NA 37 I, 189). 42,10 auf unserm Rückzug] Goethes Rückreise mit Johann Heinrich Meyer und Ludwig Geist führte von Schaffhausen über Tuttlingen und Balingen nach Tübingen, mit einem Wiedersehen von Johann Friedrich Cotta, weiter über Stuttgart, Schwäbisch Gmünd, Ellwangen, Großenried, Schwabach nach Nürnberg mit Aufenthalt bei Carl Ludwig von Knebel, über Erlangen, Breitengüßbach, Kronach, Gräfenthal, Uhlstädt nach Jena und Weimar. Auskunft über die Beschwerlichkeiten der Reise, etwa auf der Strecke von Tübingen nach Nürnberg, geben auch Goethes kurz vor Reiseantritt bzw. auf der Reise geschriebene Briefe, etwa an Cotta vom 6. November 1797 (vgl. WA IV 12, 354). Vor allem der Rückweg durch den Thüringer Wald, wo es zu schneien begann, wurde von Ludwig Geist im Tagebuch als beschwerlich beschrieben (vgl. GT II 2, 817). 42,12 in meiner Wohnung] Im Haus am Frauenplan. 42,13 manche Geschäffte] Goethe musste sich in den Wintermonaten 1798 vor allem amtlichen Verpflichtungen beim Theater, in der Bibliothek und beim Schlossbau widmen. 42,14–16 Mein nächster Aufenthalt in Jena 〈…〉 Reihe kommen soll.] Zu Goethes eigenen literarischen Vorhaben des Jahres 1798 vgl. zu 6,24. Während seines folgenden Aufenthalts in Jena vom 20. März bis 6. April 1798 beschäftigte sich Goethe vor allem mit seiner Cellini-Übersetzung, der Niederschrift des Aufsatzes „Betrachtungen über eine Sammlung krankhaften Elfenbeins“ sowie der intensiven Lektüre der „Ilias“ zur Vorbereitung seines geplanten Epos „Achilleis“ (vgl. GT II 1, 237–239). 42,19 manches neue concipirt] Vgl. zu 7,21. 42,20–21 Ihren Antheil] Hier bezogen auf Humboldts Interesse an Goethes dichterischem Schaffen, vor allem an dem Epos „Herrmann und Dorothea“, das er mit Goethe im April 1797 kritisch durchgesehen hatte (vgl. BuG 4, 299; GT II 1, 104).
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42,22 mit seinem Wallenstein] In dieser Zeit arbeitete Schiller noch an einer einteiligen Fassung der späteren „Wallenstein“-Trilogie (vgl. zu 5,19). 42,23 noch nichts gesehen] Erste Einblicke erhielt Goethe während seines JenaAufenthalts, gleich an den ersten Abenden nach seiner Ankunft (vgl. GT II 1, 237). 42,23–24 noch immer an Weimar gefesselt] Vgl. zu 3,8. 42,25 Meyer hat schöne Sachen mitgebracht] Johann Heinrich Meyer hatte während seiner Italienreise, die er im Auftrag Goethes und in Vorbereitung eines ursprünglich gemeinsam geplanten Aufenthalts vom Oktober 1795 bis Juni 1797 unternommen hatte, Material für das umfangreiche Projekt einer enzyklopädischen Darstellung der Kultur, Kunst und geographischen Beschaffenheit Italiens gesammelt. 42,26 Copien] Während seiner Aufenthalte in Rom und Florenz hatte Meyer u.a. Aquarellkopien des berühmten antiken Gemäldes der „Aldobrandinischen Hochzeit“ sowie von Raffaels „Madonna della Sedia“ angefertigt. 43,2 das ungeheure Paris] Humboldts Aufenthaltsort von Herbst 1797 bis Herbst 1799, auch er spricht im Brief an Schiller vom 7.〈–11.?〉 Dezember 1797 von der „ungeheuren Stadt“ (NA 37 I, 188). – Paris hatte damals rund 500.000 Einwohner; über den französischen Nationalcharakter berichtete Humboldt ausführlich in seinem Antwortbrief. 43,3–4 Schiller hat mir Ihren Brief mitgetheilt] Schiller hatte Humboldts an ihn gerichteten Brief vom 7.〈–11.?〉 Dezember 1797 (vgl. NA 37 I, 187–197) am 29. Dezember 1797 an Goethe geschickt (vgl. RA 2, Nr 1072). 43,4–5 gelegentlich um einige Nachricht] Aus dem Jahr 1798 ist nur der vorliegende Antwortbrief Wilhelm von Humboldts an Goethe überliefert. 43,7–8 die ich in Deutschland noch nicht finden konnte] Goethe beschäftigte sich laut Tagebuch ab 2. Februar intensiv mit der Lektüre verschiedener Werke zur Farbenlehre und arbeitete an seinem Schema (vgl. GT II 1, 232–234). 43,10 Nouveau Systême de l’Univers] Jacques Gautier d’Agotys „Chroa-genésie ou génération des couleurs, Contre le Systeme de Newton“ (Chroa-Genese oder Bildung der Farben, Gegen das System von Newton) in zwei Teilen (Paris 1750–1751), hier wohl nur Teil 1 gemeint (vgl. Ruppert, Nr 4583 [1]). Das Buch erhielt Goethe nicht über Humboldt, sondern über Johann Friedrich Cotta, der ihm die Zusendung durch Johann Christian Gädicke in einem Brief vom 8. Januar 1801 ankündigte (vgl. RA 3, Nr 1078). 43,12 im größten Duodez] Beliebtes Buchformat der Zeit (von lat. duodecim: zwölf), bei dem der Bogen zerschnitten und bei der Heftung so ineinandergeschoben wird, dass sich die Blattzahl zwölf ergibt (vgl. GWb 2, 1301). 43,13 Examen du Systéme de M. Newton Sur la lumiere et le couleurs] Das hier genannte Werk war erstmals 1761 anonym in drei Teilen in der Zeitschrift „Mémoires pour l’histoire des sciences et beaux-arts“ veröffentlicht worden
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(Paris, Januar 1761, S. 103ff.; Februar 1761, S. 406ff.; März 1761, S. 632ff.). Goethe kannte den Titel wahrscheinlich durch eine Rezension in der „Gazette littéraire de l’Europe“ (vgl. EGW 4, 321; Gazette littéraire de l’Europe. Janvier 1767. Bd 17, S. 186f.) oder durch das im Oktober 1766 bereits veröffentlichte „Journal encylopédique“ (dort die gleichlautende Rezension, vgl. Journal encyclopédique [ed. Pierre Rousseau]. Dédié à son altesse Sérénissime, Mgr. Le Duc de Bouillon Band 7, Teil 1. Oktober 1766. Bouillon 1766, S. 131f.). 43,14 Metophile. A Euphronophe, chez G. Saphendore 1766] Der korrekte Autorname lautete ‚Aletophile‘, griechisch für ‚der Wahrheitsliebende‘. In der Goethe vorliegenden Rezension wahrscheinlich schlecht leserlich. Hinter dem Pseudonym verbarg sich François-Guillaume Quériau (vgl. EGW 4, 321), der den sprechenden Namen Aletophile bei der Veröffentlichung seiner Schriften verwendete. – Auch der Druckort und der Verlag sind gräzisiert und eine ironische Anspielung gegen Newton: ‚Euphronophe‘ (eigentlich ‚Euphronople‘) als ‚Ort, an dem man gut denkt‘, ‚Saphendore‘ als ‚Wahrheitsgeschenk‘. In der Rezension ist über den Autor, Druckort und Verlag zu lesen: „Le nom qu’a pris l’Auteur, celui de la ville où l’ouvrage est imprimé, & le nom du Libraire, tout anonce la bonté de cet examen. Quoi qu’il en soit, il y a de très-bonnes objections contre le sistême de Newton 〈…〉.“ (Journal encyclopédique [ed. Pierre Rousseau]. Dédié à son altesse Sérénissime, Mgr. Le Duc de Bouillon Band 7, Teil 1. Oktober 1766. Bouillon 1766, S. 131; Der Name des Autors, der des Druckortes und der Name des Verlags, alles kündigt die Güte dieser Untersuchung an. Alles in allem enthält sie sehr gute Entgegnungen gegen das System von Newton.) 43,15–16 eine Gelegenheit mir sie herauszu schicken] Humboldt versprach in seinem Antwortbrief, die Bücher zu beschaffen. In seinem nächsten Brief vom 18. März 1799 und später geht er jedoch nicht mehr darauf ein. 43,17 nach meiner Rückkünft] Goethe war von seiner Schweizer Reise am 20. November 1797 zurückgekommen. – Die zusätzlichen Umlautstriche auf ‚Rückkünft‘ sind ein Schreibversehen. 43,18–19 arbeite nun vor allen Dingen das Schema aus] Vgl. Goethes Arbeit an einem nicht überlieferten Schema zur Geschichte der Farbenlehre im Februar 1798 (vgl. GT II 1, 232) sowie seinen Brief an Schiller vom 3. Februar (40,3–5). 43,22–23 Die Felsen des Gotthardts 〈…〉 wieder in Bewegung gesetzt] Zu Goethes Besteigung des Sankt Gotthard während seiner Schweizer Reise am 3. Oktober 1797 vgl. GT II 1, 210–211; vgl. außerdem Goethes Kontakt zu Felix Anton Halter und sein Rundschreiben vom 11. Januar 1798 an andere Mineraliensammler, Nr 9. 43,26–27 Stücke von dem Montmartrer Gips 〈…〉 von Fontainebleau] Humboldt teilte Goethe in seinem Bezugsbrief mit, dass er die Mineralien Friedrich Vieweg mitgebe, der sie an Carl August Böttiger übermittelte. Von Böttiger gelang-
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ten sie am 13. Mai 1798 an Goethe (vgl. RA 2, Nr 1279). Goethe schickte einige Stücke davon wiederum drei Tage später weiter an Carl Ludwig von Knebel (vgl. Nr 89). 43,30 sende einstweilen was ich habe] Die Elegie „Amyntas“, die Humboldt bei Erhalt des Briefes „eine außerordentliche Freude gemacht“ (H: GSA 28/439, Bl. 40; vgl. RA 2, Nr 1240) habe. – Die Beilage ist nicht überliefert. 44,1–2 wie es mit den eroberten Kunstsachen 〈…〉 und aufgestellt ist?] Goethe war über Carl August Böttiger über die von Napoleons Truppen aus Italien geraubten Kunstgegenstände und deren schlechten Zustand bei der Ankunft in Paris unterrichtet (vgl. zu 26,14–15). Humboldt antwortete, dass man darüber noch keine Aussagen treffen könne. 44,3 Ihrer Frau Gemahlin] Caroline Friederike von Humboldt. 44,3 die beste Gesundheit] In seinem Brief an Schiller vom 20. Januar 1798 berichtete Humboldt von gesundheitlichen Problemen seiner Frau seit ihrer Ankunft in Paris (vgl. NA 37 I, 224). 44,6 zusammen führen] Die Wiederbegegnung fand am 19. bzw. am 21. September 1802 statt, als Humboldt auf dem Weg nach Rom als preußischer Gesandter in Weimar Station machte (vgl. GT III 1, 96f.).
31. An Friedrich Schiller
Weimar, 7. Februar 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 43. – Doppelblatt 18,9(–19,1) × 22,8 cm, 1 ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrekturen (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 44,22 practischenm; 45,2 |[| Ich (eckige Klammer zur Kennzeichnung eines Absatzes); 45,2 Schlossers ⎡Zs⎤. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 84–86, Nr 420. WA IV 13 (1893), 58f., Nr 3732. BEIL AG E
Johann Georg Schlossers „Zweites Schreiben an einen jungen Mann“ (Lübeck und Leipzig 1798) (vgl. zu 45,2). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 6. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1127). – Schiller antwortete am 9. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1132). Postsendungen: 7. Februar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 429); 6. Februar 1798 (Briefe nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r).
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44,7 Ihrem wenigern Einfluß auf Agnes von Lilien] Zu Goethes differenzierter Beurteilung von Caroline von Wolzogens Roman „Agnes von Lilien“ vgl. zu 41,18–19. Schiller hatte im Bezugsbrief berichtet, dass er im ersten Teil nur geringfügige Korrekturen vorgenommen habe: „Bei dem zweiten Theil war an nichts zu denken als an das Fertigwerden, und bei diesem habe ich nicht einmal mehr auf die Sprache Einfluß gehabt.“ (NA 29, 200.) 44,8 die Verfasserin] Caroline von Wolzogen, Schillers Schwägerin. 44,9 nochmals vornehmen] Eine Überarbeitung des Romans erfolgte nicht. 44,12 Süjet] Gegenstand des Romans ist die fiktive autobiographische Geschichte des vermeintlichen Waisenkindes Agnes, das gegen alle Intrigen seine adelige Herkunft entdeckt und um die Liebe zu Baron von Nordheim kämpft. 44,16 die Scheinheirath mit Julius] Um die Verbindung zwischen Agnes und Nordheim zu unterbinden, drängt der Fürst auf eine Ehe zwischen Agnes und Julius von Alban. Zum Schutz von Agnes schlägt der ihr ergebene Julius eine Scheinheirat vor, zu der es am glücklichen Ende des Romans aber nicht kommt. 44,17 retardirend] Von franz. retarder: verzögern. 44,19 determiniren] Franz. déterminer: bestimmen, veranlassen (vgl. GWb 2, 1159). 44,22 in allerley practischen] Neben seiner Tätigkeit für die Schlossbaukommission war Goethe am 6. Februar mit Bibliotheksangelegenheiten beschäftigt (vgl. GT II 1, 233). Am 6. und 7. Februar widmete er sich zudem seinem Plan zum Wiederaufbau der durch einen Brand am Schweinemarkt im August 1797 zerstörten Scheunen („Vorschlag wie die Scheunenbrandstätte vielleicht zu bebauen sein möchte“; WA I 53, 257–260; vgl. das Konzept Goethes vom 7. Februar, GSA 30/73). 44,24 Determination] Hier im Sinne von ‚Bestimmtwerden durch Absichten, Zwecke, äußere Umstände‘ (vgl. GWb 2, 1159). 44,25–26 die größten Pfuschereyen] Die Klage über ein unkoordiniertes Vorgehen bei Bauvorhaben wie dem Wiederaufbau des Scheunenviertels erhob Goethe auch gegenüber Wilhelm von Wolzogen (vgl. Nr A 11). Sie fand Eingang in Goethes Gutachten „Über die neue Straßenanlage vor dem Erfurther Thor“ vom 1. März 1798 (vgl. WA I 53, 260–266 sowie Goethes Konzept vom 27. Februar, GSA 30/73). 45,1–2 zu Ihnen] Goethe kam erst am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240). 45,2 Schlossers zweytes Schreiben] Gemeint ist Johann Georg Schlossers Abhandlung „Zweites Schreiben an einen jungen Mann, der die kritische Philosophie studieren wollte, veranlaßt durch den angehängten Aufsatz des Herrn Professor Kant über den Philosophen-Frieden“ (Lübeck und Leipzig 1798; vgl. Ruppert, Nr 3123). Schlossers erstes „Schreiben an einen jungen Mann“ (Lübeck und Leipzig 1797; vgl. Ruppert, Nr 3122) beinhaltete eine scharfe Kritik von Kants Trans-
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zendentalphilosophie. Auf Schlossers Kritik hatte Kant mit seinem Aufsatz „Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie“ geantwortet, auf die Schlosser mit seinem zweiten Schreiben reagierte. Die an Schiller übersandte Beilage ist nicht überliefert. – Zu Goethes persönlicher Verbindung zu Schlosser vgl. zu 45,15–16. 45,4–5 zu sprechen wenn wir zusammen kommen] Ein entsprechendes Gespräch Goethes mit Schiller in Jena ist nicht ermittelt. Es erübrigte sich insofern, als Schiller in seinem Antwortbrief ausführlich auf Schlossers Schrift einging. 45,10 Ihre Frauenzimmer] Die Ehefrau Charlotte Schiller und ihre Schwester Caroline von Wolzogen.
32. An Friedrich Schiller
Weimar, 10. Februar 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 46–47. – Doppelblatt 19 × 22,8 cm, 4 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrekturen (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 45,14 Schlosserische; 45,22 |(|Monumentis|)| (Einweisungszeichen über der Zeile und am unteren linken Rand des Blattes); 47,10 tyrannisirten. h: GSA Weimar, Sign.: 29/432,II, Bl. 14–15. – Doppelblatt 20,1 × 32,7(–33) cm, 2 4⁄5 S. beschr., Schreiberhd (Geist), Tinte; S. 1 oben links: „Copia“. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 90–95, Nr 422. WA IV 13 (1893), 59–62, Nr 3733. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 9. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1132). – Schiller antwortete am 13. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1135). Postsendungen: 10. Februar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430); 10. Februar 1798 (Brief nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r); 10. Februar 1798 (Früh Brief an Schiller bezüglich auf die Schlosserische Schrifft; GT II 1, 233). 45,12 Nach einer Redoute] Goethe hatte am Abend des 9. Februar an der Redoute im Weimarer Hoftheater teilgenommen (vgl. GT II 1, 233). Es handelte sich um die vierte Redoute der Theatersaison (vgl. Weimarische Wöchentliche Anzeigen, Nr 101. Mittwoch, den 20ten December 1797, S. 401). 45,12 Facultäten] Franz. faculté: Fähigkeit, Kraft, Vermögen (vgl. GWb 3, 533).
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45,14–15 die Schlosserische Schrifft] Vgl. zu 45,2. Schiller hatte sich im Bezugsbrief ausführlich über die zuvor von Goethe erhaltene Druckschrift geäußert (Johann Georg Schlosser: Zweites Schreiben an einen jungen Mann 〈…〉. Lübeck und Leipzig 1798). 45,15–16 seit 30 Jahren] Zu Goethes biographischer Verbindung zu dem ebenfalls aus Frankfurt stammenden Jugendfreund Johann Georg Schlosser vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 7 II, Nr 45. Sie hatten sich im Frühjahr 1766 in Leipzig näher kennen gelernt. Eine letzte persönliche Begegnung hatte 1793 in Heidelberg stattgefunden. Spätere Briefe bezeugen, dass Goethe bis zu Schlossers Tod 1799 mit diesem in loser Verbindung stand (vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 14 II, Nr 140). 45,16–17 in einem wissenschafftlichen Fache] Gemeint ist die Farbenlehre, über die Goethe 1793 mit Schlosser in eine heftige Auseinandersetzung geraten war, die er rückblickend in seiner autobiographischen Schrift „Belagerung von Mainz“ beschrieb (vgl. WA I 33, 326–328). 45,20 Pater Castel] Der französische Jesuitenpater, Mathematiker und Physiker Louis Bertrand Castel hatte 1740 seine Schrift „L’Optique Des Couleurs, Fondée sur les simples Observations, & tournée sur-tout à la pratique de la Peinture, de la Teinture & des autres Arts Coloristes“ (Paris 1740) veröffentlicht. Als erklärter Gegner Newtons bemühte sich Castel darin um die Widerlegung von Newtons Beweisführung. Die Schrift war Goethe seit 1795 bekannt (vgl. GB 10 II, zu 202,18). Goethe widmete ihr einen ausführlichen Abschnitt im „Historischen Teil“ der „Farbenlehre“ (vgl. LA I 6, 328–333). Das in seiner Bibliothek überlieferte Exemplar (vgl. Ruppert, Nr 4459) erwarb Goethe erst im Oktober 1798 (vgl. Quittung in: GR/Belege 1798, 4, Bl. 26r). 45,20 gerade zu] Vermutlich Schreibversehen: Trennungsstrich am Zeilenende fehlt. 45,22 Monumentis opticis] Gemeint sind Isaac Newtons 1669–1671 gehaltene Vorlesungen über die Optik, die 1729 postum unter dem Titel „Lectiones opticae“ veröffentlicht worden waren (vgl. LA I 6, 254). Der hier fehlerhaft angegebene Titel wurde im Erstdruck von Goethes Brief zu „Lectionibus opticis“ korrigiert (vgl. Schiller-Goethe1 4 [1829], 91). 45,22 Optik] Zu Goethes Beschäftigung mit Isaac Newtons Werk „Opticks or a Treatise of the Reflexions, Refractions, Inflexions and Colours of Light“ (London 1704) vgl. zu 20,11. 45,26 Confidenz] Von lat. confidentia: Vertrauen, Zuversichtlichkeit, Dreistigkeit. 45,26 das Scheinbarste] Hier im Sinne von ‚das Wahrscheinlichste, das Annehmbarste‘ (vgl. Goethe-Wortschatz, 527). 46,7 constitutiv] Hier im Sinne von ‚grundlegend, wesentlich, bestimmend‘ (vgl. GWb 5, 597). 46,12 in einem vorigen Briefe] Vgl. Nr 31.
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46,13 überascht] Schreibversehen für ‚überrascht‘. 46,17–18 meine Natur, wie getrennte Quecksilberkugeln 〈…〉 vereinigt] Goethe hat auf diese Metapher mehrfach Bezug genommen, so in seinem Brief an Charlotte von Stein vom 11. März 1781 (vgl. GB 4 I, 226,17–18) sowie in seinem Roman „Die Wahlverwandtschaften“ (vgl. WA I 20, 49). 46,19–20 Schema der Farbenlehre] Goethe hatte Schiller am 20. Januar einen – nicht überlieferten – ersten Entwurf zu einer Geschichte der Farbenlehre zugesandt (vgl. zu 27,19). 46,21 das Werk des Robert Boyle über die Farben] Goethe hatte sich mit Robert Boyles Abhandlung „Experiments and considerations upon Colours, with Observations on a Diamond that shines in the Dark“ (London 1663) am 4. Februar befasst (vgl. GT II 1, 232). Er benutzte dafür vermutlich eine in seiner Bibliothek befindliche spätere lateinische Ausgabe (vgl. Ruppert, Nr 4414f.). Neben Theophrast erkannte Goethe in Boyle einen zweiten wichtigen Vorgänger im Versuch, ein System der Farbenlehre zu entwickeln (vgl. LA I 6, 196–203). 46,28 honet] Franz. honnête: anständig, ehrbar (vgl. GWb 4, 1388). 47,8 des Baco gutem Rath] Der Philosoph und Staatsmann Francis Bacon gilt als Propagandist des englischen Empirismus und Vorreiter einer positivistischen Naturwissenschaft. Goethe beschäftigte sich wiederholt mit Bacon, den er bereits 1793/94 in seinem Entwurf „Über Newtons Hypothese der diversen Refrangibilität“ gegenüber Newton in Stellung brachte: Er 〈Bacon〉 zeigt zuerst, daß selbst der gute Wille, die Natur und ihre Kräfte kennenzulernen, nicht hinreiche, sondern daß der Forscher sich zu diesem wichtigen Geschäfte besonders auszubilden habe. Er zeigt uns die Macht gewisser Vorstellungsarten, gewisser Vorurteile, die uns hindern, die Gegenstände, welche die Natur uns darbietet, genau zu kennen und den Zusammenhang, in dem sie untereinander stehen, zu begreifen. 〈…〉 Jeder Beobachter scheint gezwungen, auf die Willkür seines eigenen Geistes Verzicht zu tun und sich den bestimmten Sachen zu unterwerfen. (LA I 3, 152f.; vgl. LA I 6, 141–151.) 47,9 ehe Newton auf seine Hypothese fiel] Vgl. zu 9,4–5. 47,16 Success] Von lat. successus: guter Fortgang, Erfolg.
33. An Friedrich Schiller
Weimar, 14. Februar 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 50–51. – Doppelblatt 19,1 × 22,8 cm, 3 1⁄3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte.
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E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 98–103, Nr 424. WA IV 13 (1893), 64–66, Nr 3735. BEIL AG E
Schema zur Farbenlehre (vgl. zu 47,18–20). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 13. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1135). – Schiller antwortete am 16. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1141). Postsendungen: 14. Februar 1798 (H l. H o f r. S c h i l l e r. Schema zur Farbenlehre; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430); 14. Februar 1798 (Brief nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r); 14. Februar 1798 (vgl. GT II 1, 230). 47,18–20 die Phänomene und hypothetischen Enunciationen 〈…〉 nach den Categorien] Goethe hatte das Schema am 13. Februar entworfen (vgl. GT II 1, 233). Es verdankte sich wesentlich Schillers Anregung vom 19. Januar, die von Immanuel Kant in der „Critik der reinen Vernunft“ entworfene Kategorientafel anzuwenden (vgl. RA 2, Nr 1104). Das an Schiller übersandte Manuskript ist nicht überliefert. – Zu Goethes Studium von Kants Werk vgl. Molnár, Kantstudien sowie LA II 1A, 32–110. – ‚Enunciationen‘ nach lat. enunciatio: Aussage, Satz (vgl. GWb 3, 212). 47,25–26 dreyfachen Eintheilung] Gemeint ist die Einteilung in physiologische, physische und chemische Farben (vgl. zu 50,7). 47,27–48,1 bis ich komme 〈…〉 überspringt] Für Goethes folgenden Aufenthalt in Jena ist kein Gespräch über die Farbenlehre ermittelt (vgl. GT II 1, 237–240). 48,4 retardirt] Von franz. retarder: verzögern. 48,9 impräscriptiblen] Von franz. imprescriptible: unverjährbar, unverlierbar (vgl. GWb 4, 1506). 48,14 Nachricht von Ihrem Uebelbefinden] Schiller litt unter Halsschmerzen und Katarrh. Hinzu kam das im Bezugsbrief benannte „alte Uebel“: Krämpfe im Unterleib, die wahrscheinlich durch eine chronische Bauchfellentzündung ausgelöst wurden. 48,19 Reise nach Jena] Goethe kam erst am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240). 48,26 Odyssee] Homers Epos „Odyssee“ zählte zu den von Goethe zeitlebens bewunderten Werken der antiken Dichtkunst. 48,29 Nausikaa] Der sechste und siebte Gesang der „Odyssee“ erzählt von Nausikaa, Tochter des Phäakenkönigs Alkinoos, die dem schiffbrüchigen Odysseus hilft und sich in ihn verliebt. Bei Odysseus’ Abreise verabschiedet Nausikaa ihn mit der Bitte, seine Lebensretterin nicht zu vergessen. Angeregt durch seine Reise nach Si-
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BRIEF 34
zilien und die damit verbundene Lektüre von Homers „Odyssee“ hatte Goethe im April 1787 mit der Ausarbeitung eines Trauerspiels „Nausikaa“ begonnen, das aber unvollendet blieb (vgl. GB 7 II, zu 145,13). 48,30 Medea, Helena, Dido] Alle drei Figuren der griechischen Mythologie verbindet die tragische Liebe zu einem Reisenden: Medea, die Tochter des Königs von Kolchis, verliebt sich in Iason, den Anführer der Argonauten; Helena, die Frau des Menelaos, folgt Paris nach Troja; Dido verbindet sich mit Aeneas und wählt nach dessen Abreise aus Karthago den Freitod. 48,31 Tochter des Alcinous] Auch Nausikaas Vater, der Phäakenkönig Alkinoos, sucht die Verbindung zu verhindern. 48,31–32 Narine des Vaillants] Schiller hatte im Bezugsbrief auf den poetischen Gehalt der Reisebeschreibungen des französischen Afrikareisenden und Ornithologen François Levaillant hingewiesen. Dieser schildert die Begegnung mit einer jungen Afrikanerin, die er Narina („Blume“) nennt (vgl. Voyage de M. Le Vaillant dans l’intérieur de l’Afrique, par le Cap de Bonne-Espérance, Dans les Années 1780, 81, 82. 83. 84 et 85. Paris 1790, Bd 1, S. 365–370 und Taf. IV, S. 367; dt. Ausgabe: Le Vaillant’s erste Reise in das Innere von Afrika, während der Jahre 1780 bis 1782. Aus dem Französischen übersetzt. Mit Anmerkungen von Johann Reinhold Forster. Berlin 1790, Bd 1, S. 200–209 und Taf. III). Goethe hatte sich bereits im Januar 1797 mit diesem Reisewerk beschäftigt (vgl. GT II 1, 93; vgl. NA 12, 581). 49,4 Mittellandes] Hier in Sinne von ‚Binnenland‘, das – im Unterschied zu Italien – nicht an einer Küste liegt (vgl. GWb 6, 243). 49,8 als ich Gesänge derselben in Neapel und Sicilien las] Vgl. Goethes entsprechende Beschreibung der sizilischen Küste in der „Italiänischen Reise“: 〈D〉as alles rief mir die Insel der seligen Phäaken in die Sinne so wie in’s Gedächtniß. Ich eilte sogleich einen Homer zu kaufen, jenen Gesang mit großer Erbauung zu lesen (IR II, 106f.). 49,9 ein eingeschlagnes Bild mit Firnis überzieht] ‚Eingeschlagen‘ hier im Sinne von ‚beim Austrocknen der Farben matt geworden‘ (vgl. GWb 2, 1509). – Durch die Überziehung eines Gemäldes mit Firnis wird erreicht, dass die dem Auge nicht sichtbaren kleinen Zwischenräume der Farbschichten geschlossen werden und diese nicht stumpf oder grau erscheinen. 49,16 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller.
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34. An Friedrich Schiller
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〈Weimar, 17. Februar 1798〉 → 〈Jena〉
DAT IERUN G
Der Brief wurde am Morgen des 17. Februar geschrieben und mit der Botenfrau nach Jena gesandt (vgl. GT II 1, 234; GR/RB 1798,1, Bl. 17). Schiller erhielt ihn am selben Tag (vgl. Schillers Kalender, 84). ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 54–55. – Doppelblatt 19,1 × 22,8 cm, 3 ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrektur und egh. Paraphe, Tinte; S. 1 am unteren linken Blattrand egh. Bearbeitungsvermerk, Bleistift: Siehe Schillers Brief. K: GSA Weimar, Sign.: 28/20, Bl. 76–77. – Doppelblatt 20,1 × 32,8(–33,1) cm, 4 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 linke Spalte oben Adresse: An Herrn Hofrath Schiller.; S. 4 Briefschluss (51,14–29 Alles rückt 〈…〉 durchhält.) in linker Spalte, Blatt um 90 Grad gedreht. – In einem gebundenen Faszikel (vgl. Überlieferung zu Nr 6). E: Riemer, Goethe-Briefe (1846), 139–142, Nr 4. WA IV 13 (1893), 67–70, Nr 3736. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 16. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1141). – Schiller antwortete am 20. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1151). Postsendungen: 17. Februar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430); 17. Februar 1798 (Brief nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r); 17. Februar 1798 (vgl. GT II 1, 234). 49,19 ersten Versuches] Das am 14. Februar an Schiller übersandte Schema zur Farbenlehre, in dem Goethe auf Anregung Schillers die Kantischen Kategorien anwendet, ist nicht überliefert (vgl. zu 47,18–20). 49,21–22 wieder zusammenkommen] Ein Gespräch über die Farbenlehre ist für Goethes folgenden Aufenthalt in Jena vom 20. März bis 6. April 1798 durch Goethes Tagebuch nicht dokumentiert (vgl. GT II 1, 237–240). 50,4 Vernunfteinheit] Nach Kants Bestimmung der Vernunft als „das Vermögen der Einheit der Verstandesregeln unter Principien“: „So geht also niemals zunächst auf Erfahrung, oder auf irgend einen Gegenstand, sondern auf den Verstand, um den mannigfaltigen Erkenntnissen desselben Einheit a priori durch Begriffe zu geben, welche Vernunfteinheit heißen mag“ (Critik der reinen Vernunft von Immanuel Kant. Riga 1790, S. 359; vgl. Ruppert, Nr 3086).
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50,7 meine Eintheilung 〈…〉 die Sie verlangen] Schiller hatte im Bezugsbrief Goethes Einteilung der Farben in physiologische, physische und chemische als zu unbestimmt bezeichnet und angeregt, „die Farbe in dreifacher Beziehung“ zu betrachten: „1) in Beziehung auf das Licht und die Finsterniß / 2) in Beziehung auf das Auge / 3) in Beziehung auf die Körper an denen sie erscheint.“ (NA 29, 207.) Tatsächlich behielt Goethe seine Einteilung für den „Didaktischen Teil“ seiner 1810 veröffentlichten „Farbenlehre“ so bei. 50,9 p h i s i o l o g i s c h e] Physiologische Farben bezeichnen nach Goethes Definition im „Didaktischen Teil“ der „Farbenlehre“ alle sichtbaren Farben, weil sie dem gesunden Auge angehören, weil wir sie als die notwendigen Bedingungen des Sehens betrachten, auf dessen lebendiges Wechselwirken in sich selbst und nach außen sie hindeuten (LA I 4, 25, § 3). 50,11 p h i s i s c h e] Schiller hatte im Bezugsbrief angemerkt, dass ihm diese Bestimmung unklar sei und er darunter „prismatische Farben“ (NA 29, 207) verstehe, d.h. Farben, welche bei Brechung des Lichts durch ein Prisma entstehen. Vgl. dagegen Goethes Definition im „Didaktischen Teil“ der „Farbenlehre“: Physische Farben nennen wir diejenigen, zu deren Hervorbringung gewisse materielle Mittel nötig sind, welche aber selbst keine Farbe haben, und teils durchsichtig, teils trüb und durchscheinend, teils völlig undurchsichtig sein können. Dergleichen Farben werden also in unserm Auge durch solche äußere bestimmte Anlässe erzeugt, oder, wenn sie schon auf irgend eine Weise außer uns erzeugt sind, in unser Auge zurückgeworfen. Ob wir nun schon hiedurch denselben eine Art von Objektivität zuschreiben, so bleibt doch das Vorübergehende, Nichtfestzuhaltende meistens ihr Kennzeichen. (LA I 4, 61, § 136.) 50,14 Chemische] Schiller hatte im Bezugsbrief angemerkt, dass er unter dieser Bestimmung „Pigmente“ (NA 29, 207) verstehe. Vgl. dagegen Goethes Definition der chemischen Farben im „Didaktischen Teil“ der „Farbenlehre“: So nennen wir diejenigen, welche wir an gewissen Körpern erregen, mehr oder weniger fixieren, an ihnen steigern, von ihnen wieder wegnehmen und andern Körpern mitteilen können, denen wir denn auch deshalb eine gewisse immanente Eigenschaft zuschreiben. Die Dauer ist meist ihr Kennzeichen. (LA I 4, 155, § 486.) 50,21–22 zwey Theile 〈…〉 Geschichte der Meinungen] Eine entsprechende Vorarbeit zu dieser Einteilung ist in Goethes Nachlass überliefert (vgl. LA II 6, 3–5). 50,22 und in die letztere müssen] Vermutlich Versehen des Schreibers. WA folgt K und korrigiert zu ‚und die letztern müssen‘ (vgl. WA IV 13, 68 und 383; vgl. Nr 34K). 50,25 die neuern Aristoteliker] Goethe versteht darunter Scholastiker des 16. Jahrhunderts (vgl. GWb 1, 816) wie Simon Portius und Julius Cäsar Scaliger
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(vgl. LA I 6, 110f.; LA II 6, 259) sowie jesuitische Gelehrte des 17. Jahrhunderts wie Franciscus Aguilonius, Athanasius Kircher und Franciscus Maria Grimaldi (vgl. LA I 6, 166–168, 175–179, 192–195; LA II 6, 260). Zur Beschäftigung mit der Farbenlehre des Aristoteles entlieh sich Goethe am 15. Februar aus der Herzoglichen Bibliothek das Werk „Aristotelis, vel Theophrasti de coloribus“ in der Ausgabe von Simon Portius (Paris 1549; vgl. Keudell, Nr 104; GT II 1, 234). 50,27 dialectische Fach] Die (formale) Logik. In der scholastischen Philosophie wird die Quaestio (Frage) aus der dialektischen Gegenüberstellung der Argumente, aus These und Gegenthese, entwickelt. Vgl. dagegen Goethes Bemerkung über Francis Bacon: Er der für die Wirklichkeit geboren war und in der Wirklichkeit lebte fand das dialectische Wesen ganz hohl. (LA II 6, 66; zu Goethes zeitgleicher Beschäftigung mit dem Werk des englischen Philosophen vgl. zu 47,8.) 50,31 prädiciren] Lat. praedicare: aussagen, behaupten, eine Eigenschaft beilegen (vgl. GWb 6, 1440). 50,36 Prädikabeln] Im Sinne von ‚des Aussagbaren‘ (vgl. GWb 6, 1439). 51,3 ein E m a n a t i o n s oder E m i s s i o n s s y s t e m] Goethes scherzhaft-polemische Bemerkung richtet sich gegen Newtons Korpuskulartheorie. Diese fußt auf der – im „Polemischen Teil“ der „Farbenlehre“ erörterten – Grundannahme, dass Licht aus körperlichen Teilchen bestehe (vgl. LA I 5, 6–8, §§ 17–23). – Emanation: von lat. emanatio: Ausfließen, Ausfluss. In der – den jungen Goethe beeinflussenden – neuplatonischen Philosophie bezeichnet das ‚systema emanativum‘ das Hervorgehen aller Dinge aus dem Wesen der Gottheit (vgl. GWb 3, 51). – Emission: von lat. emissio: Aussendung. 51,5 unruhigen Dialectik] Im Unterschied zu Newtons unitarischer Lehre ist Goethes Ansatz dualistisch und geht von einer Polarität von Licht und Finsternis aus. 51,7 meo voto] Lat.: meines Erachtens, nach meinem Wunsch. 51,12 das Schema über das Ganze] Die angekündigte Ausarbeitung unterblieb. Das älteste bekannte Schema Goethes zur Geschichte der Farbenlehre datiert vom 10. Februar 1799 (vgl. LA II 6, 258–267; erläutert in: FA/Goethe I 23/2, 400–409). 51,21 ein Duzend Autoren] Zu den von Goethe in diesen Tagen nachweislich konsultierten Autoren gehörten Robert Boyle (vgl. zu 46,21) und der englische Chemiker Edward Hussey Delaval („Versuche und Bemerkungen über die Ursache der dauerhaften Farben undurchsichtiger Körper“ [Berlin, Stettin 1788]; vgl. Ruppert, Nr 4488 und GT II 1, 233). Am 13. Februar hatte sich Goethe aus der Herzoglichen Bibliothek zwei Bände der „Acta Eruditorum“ entliehen, in denen die Kontroverse zwischen Georg Friedrich Richter und Giovanni Rizzetti über dessen Newton-Kritik verhandelt wird (vgl. Keudell, Nr 101f.; GT II 1, 233). Am 15. Februar war die Entleihung des Werks „Aristotelis, vel Theophrasti de colori-
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bus“ (Paris 1549) sowie von Christian von Wolffs Werk „Allerhand nützliche Versuche, dadurch zu genauer Erkenntnis der Natur und Kunst der Weg gebähnet wird“ (3 Bde. Halle 1745–47) gefolgt (vgl. Keudell, Nr 104f.; GT II 1, 234). 51,30 G] Der Brief wurde ohne Gruß und Datum abgesandt, wofür sich Goethe am folgenden Tag bei Schiller entschuldigte (vgl. zu 52,6).
35. An Friedrich Schiller Weimar, 18. Februar 1798 → Jena ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 56–57. – Doppelblatt 18,6 × 22,8 cm, ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Paraphe, Tinte; S. 4 egh. Adresse: Herrn / Hofrath Schillers / Wohlgebl. / Jena.; Reste einer Verschlussoblate, gesiegelt (Amor mit den Waffen des Herkules?; vgl. Femmel/Heres, 71, K 3); Papierausriss durch Öffnen der Oblate. – Egh. Bleistiftkorrektur (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 52,1 |(|Brinkmann|)| ⎡Sch⎤. – Beischluss zu Brinckmanns Brief an Schiller vom 19. Februar 1798 (vgl. NA 37 I, 247). E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 107f., Nr 426. WA IV 13 (1893), 70f., Nr 3737. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief bezieht sich auf Brinckmanns Brief an Goethe vom 18. Februar 1798 und die darin ausgesprochene Bitte um eine Empfehlung bei Schiller (vgl. RA 2, Nr 1148). Schiller erhielt Goethes Brief am Nachmittag des 19. Februar als Beischluss zu Brinckmanns Brief an Schiller vom selben Tag (vgl. NA 37 I, 247). – Schiller antwortete am 20. Februar auf Goethes Briefe vom 17. und 18. Februar (vgl. RA 2, Nr 1151). 52,1 Herr von Brinkmann] Der schwedische Diplomat und deutschsprachige Schriftsteller Carl Gustav von Brinckmann war von 1792 bis 1797 als Legationssekretär in Berlin tätig, wo er enge Kontakte zu den literarischen Salons und den mit ihm befreundeten Brüdern Alexander und Wilhelm von Humboldt pflegte. Anlässlich seiner Versetzung als Geschäftsträger (chargé d’affaires) nach Paris besuchte er im Februar 1798 auf der Durchreise Weimar, um den von ihm verehrten Dichter Goethe persönlich kennenzulernen. Brinckmann traf am 17. Februar in Weimar ein und kündigte sich mit einem Brief bei Goethe an (vgl. RA 2, Nr 1142), dem er ein Empfehlungsschreiben von Aloys Hirt vom 31. Januar 1798 beilegte (vgl. RA 2, Nr 1119). Am Vormittag des 18. Februar wurde er von Goethe zu einem längeren Gespräch empfangen und für einen der folgenden Tage eingeladen (vgl. GT II 1, 234 und RA 2, Nr 1148). Später nahm Brinckmann an der fürstlichen Mittagstafel bei Hofe teil (vgl. FB 1798, S. 34). Am 19. Februar besuchte Brinck-
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mann Friedrich Schiller in Jena sowie Christoph Martin Wieland in Oßmannstedt. Am 20. Februar weilte er zu einem Mittagessen im Haus am Frauenplan, zu dem Goethe auch Caroline von Wolzogen und Amalie von Imhoff geladen hatte (vgl. zu 52,15–17). Auf Goethes Bitte verschob Brinckmann am 22. Februar seine geplante Abreise erneut für einen weiteren Tag, um am Abend an einer Teegesellschaft teilzunehmen, die Goethe zu seinen Ehren gab (vgl. GT II 1, 234). Über seinen sechstägigen Aufenthalt in Weimar, Jena und Oßmannstedt berichtete Brinckmann ausführlich in einem Brief an Luise von Berg vom 25. und 26. Februar 1798 (GSA 5/26,1, Bl. 14–21; Teildruck: BuG 4, 401f.). 52,1 der um Sie zu sehen nach Jena geht] Brinckmann reiste am 19. Februar nach Jena zu einem Besuch bei Schiller, dem er sich am Nachmittag mit Goethes Empfehlung schriftlich ankündigte (vgl. NA 37 I, 247 sowie Schillers Kalendernotiz: „Brinkmann hier gewesen.“; Schillers Kalender, 84). Zu dieser Begegnung vgl. zu 52,13–14. 52,2–3 Da er Ihnen durch die Musen schon empfohlen ist] Mit ähnlichen Worten hatte bereits Aloys Hirt in seinem Brief an Goethe vom 31. Januar 1798 Brinckmann empfohlen: „〈A〉ls ein Mann von liberalem Geiste, der selbst verschiedene glückliche Versuche in den Musenkünsten gemacht hat, bedarf derselbe keiner weitern Introduction.“ (H: GSA 28/20, Bl. 70; vgl. RA 2, Nr 1119.) Von Brinckmann stammten 15 Epigramme sowie das Lobgedicht „An Alexander v. H〈umboldt〉 bey Uebersendung eines Lukrez“, die Schiller im „Musen-Almanach für das Jahr 1798“ anonym unter der Chiffre „R.“ veröffentlicht hatte (S. 23, 37, 40, 48, 79, 99, 104, 114, 116, 130, 136, 140, 257, 264–266, 291). Das Manuskript hatte Schiller über den gemeinsamen Freund Wilhelm von Humboldt erhalten. Unter dem Pseudonym „Selmar“ hatte Brinckmann in den Jahren zuvor bereits umfangreiche Gedicht- und Textsammlungen veröffentlicht (Gedichte von Selmar. 2 Bde. Leipzig 1789; Sellmar’s Feier-Abende. Mannheim 1794). 52,5 Meinen gestrigen Brief] Vgl. Nr 34. 52,6 ging alles bey mir durch einander] Goethes Tagebuch vermerkt für den 17. Februar neben seinem Brief an Schiller (Nr 34) einen Besuch bey Hof auf dem Zimmer (GT II 1, 234). Grund war eine in den Morgenstunden erhaltene briefliche Aufforderung von Herzog Carl August, sich um 10 Uhr bei Wilhelm von Wolzogen im Schloss einzufinden, um dort gemeinsam mit Johann Christoph Gottlob Vent „den Plan für den Schweine Marckt bestimmen u. das haupt Allignement versteinigen“ zu lassen (H: GSA 28/770; vgl. RA 2, Nr 1146). Danach nahm Goethe an der fürstlichen Mittagstafel teil (vgl. FB 1798, S. 33). Am Abend fand die Erstaufführung von August von Kotzebues Lustspiel „Der Wildfang“ am Hoftheater statt (vgl. GT II 1, 234). 52,7 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller. 52,8 Ihre Arbeit bald wieder in Gange] Schiller hatte Goethe am 16. Februar berichtet, dass er seine durch die wiederholten Erkrankungen unterbrochene Arbeit
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am „Wallenstein“ wieder aufgenommen habe, aber noch „einige Zeit brauchen“ werde, „um die rechte Stimmung wieder zu finden“ (NA 29, 207; vgl. RA 2, Nr 1141).
36. An Friedrich Schiller
Weimar, 21. Februar 1798 → 〈Jena〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 60. – Doppelblatt 19,4(–19,9) × 27,5(–27,7) cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Paraphe, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrekturen (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 52,13 |(|Brinkmann|)| ⎡Sch.⎤; 52,24 Räu⎡ei⎤ me. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 113f., Nr 428. WA IV 13 (1893), 71f., Nr 3738. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief bezieht sich auf Schillers Brief vom 19. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1104). Der Brief kreuzte sich mit Schillers Brief vom 20. Februar (vgl. RA 2, Nr 1151), den Goethe erst am Abend des 21. Februar erhielt (vgl. zu 52,11). – Schiller antwortete am 23. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1156). Postsendungen: 21. Februar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430); 21. Februar 1798 (Brief nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r). 52,11 Heute früh erwartete ich vergebens einen Brief von Ihnen] Wahrscheinlich nahm Charlotte Schiller, die am 21. Februar zu einer Vorstellung der „Zauberflöte“ nach Weimar reiste, Schillers Brief vom 20. Februar (vgl. RA 2, Nr 1151) persönlich mit nach Weimar. Goethe dürfte ihn deshalb erst am Abend des 21. Februar erhalten haben. 52,13–14 Brinkmann war sehr erfreut 〈…〉 zu haben.] Zum Besuch des schwedischen Diplomaten und Schriftstellers Carl Gustav von Brinckmann vgl. zu 52,1. Über seine Begegnung mit Schiller berichtete Brinckmann an Luise von Berg: „Ich wolte in W. nur 2 od. 3 Tage bleiben, u. es wurden 6 draus, wovon aber beinah 2 wieder zu einer kleinen Reise nach Jena u. nach Osmanstedt abgingen, um Schiller u. Wieland zu sprechen. An erstern gab mir Göthe einen Brief mit, ich soupirte bei ihm, u. wir plauderten 6 Stunden hinter einander. Ich glaube bei dieser Gelegenheit ein ziemlich richtiges Bild von seinem Geist aufgefaßt zu haben; u. der Abdruck desselben in seine Schriften ist mir dadurch viel verständlicher geworden. Schiller ist durch seine Kränklichkeit, u. eine dadurch nach u. nach bewirkte Stimmung eigentlich seit Jahren von keiner l e b e n d i g e n We l t umgeben. Aus I d e e n muß sein immer regsamer Geist eine neue Schöpfung in ihm hervorbringen;
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u. statt daß Göthes freundliche Muse sich auf jedem Tummelplatz des w i r k l i c h e n L e b e n s herumtreibt, um dessen flüchtigste Erscheinungen schelmisch zu erhaschen – sucht Schiller nur sie von weitem in den Zauberspiegel seiner Fantasie aufzufassen, um sie unvermerkt in die Region der Filosofie hinüberzuspielen, u. die Empfindungen selbst in Ideen aufzulösen. Sein Gespräch, wie seine Muse, weilt nur so lange bei einen Gegenstand der Wirklichkeit, bis er seinen Berührungspunkt mit der Spekulazion gefunden. Diesen trift er gewöhnlich äusserst glücklich, u. verfolgt ihn mit einem Scharfsinn u. einer poetischen Konsequenz welche den Dichter u. / den Filosofen gleich beneidenswürdiger darstellen. Der leichte Göthische Witz ist ihm wol immer fremd gewesen, auch ehe er in einer so strengen Eingezogenheit lebte, wie jezo; denn dieser scheint unverträglich mit jener ernsthaften, ich möchte sagen f ö r m l i c h e n Würde, die Schillers ganzes Wesen, wie jeder Abdruck desselben in seinen Schriften charakterisirt.“ (An Luise von Berg, 25./26. Februar 1798; GSA 5/26,1, Bl. 16f.) Zu Schillers Einschätzung dieser Begegnung vgl. den – Goethe zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannten – Brief Schillers vom 20. Februar (vgl. RA 2, Nr 1151). 52,15–17 gestern aß er mit mir 〈…〉 gut befand] Goethe hatte am Tage ihrer ersten Begegnung am 18. Februar die entsprechende Einladung ausgesprochen (vgl. RA 2, Nr 1148). Das Essen fand am Mittag des 20. Februar im Haus am Frauenplan statt (vgl. GT II 1, 234). Bei den dazu geladenen zwey liebenswürdige〈n〉 Schrifftstellerinnen handelte es sich um Schillers Schwägerin Caroline von Wolzogen, Verfasserin des in Schillers Zeitschrift „Die Horen“ (1796/97) und 1798 bei Friedrich Unger in Berlin verlegten Romans „Agnes von Lilien“ sowie Amalie von Imhoff, Autorin verschiedener in den „Horen“ sowie im „Musen-Almanach für das Jahr 1798“ veröffentlichter Werke. Zu Goethes Intentionen und dem Eindruck dieser Begegnung auf Brinckmann vgl. dessen Bericht an Luise von Berg: „Der geselschaftliche Scherz nemlich, u. der rücksichtlose freiere Witz, ist an G〈oethe〉 noch eine sehr glänzende Seite, von der ich ihn vorzüglich bei einem Diné kennen lernte, das er ausdrücklich mir zu Ehren gab, u. das aus sehr ausgewählten Personen bestand. Es ist unmöglich ihn in dieser jovialischen Stimmung nicht höchst liebenswürdig zu finden, u. selbst X e n i e n gegen mich würde ich ihm bei einem solchen Göttermahl willig verzeihen. Uebrigens versicherte er mich selbst, er habe mir eigentlich aus Bosheit diese F ê t e gegeben, um sich selbst dadurch eine zu bereiten. Er hatte nemlich blos zwei Damen dazu gebeten, die mich kennen lernen wolten; die Verfasserin der Agnes von Lilien, u. ein schönes junges Mädchen von seltenem Genie, ein Fräulein v. I m h o f, von der ich Ihnen noch mehr sagen werde. Um mich nun, wie er meinte, nicht zu Athem kommen zu lassen, hatte er die Plätze durch gelegte Zettelchen vorgeschrieben, u. mir den meinigen zwischen diesen beiden weiblichen Genien angewiesen. Da Frau v. Wolzogen schon eine Frau von gewissen Jahren, nicht hübsch, u. Anfangs etwas stille ist, die Imhof hingegen sehr reizend, witzig u. im höchsten Grad unterhaltend ist, so behaupte G., der heftigste
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Kampf zwischen meiner Artigkeit u. meiner reizbaren Organisazion sei sehr sichtbar, u. ihm sehr amüsant gewesen.“ (An Luise von Berg, 25./26. Februar 1798; GSA 5/26,1, Bl. 15.) 52,19–20 Ihre Gedanken über die Versart in welcher der Schlegelsche Prometheus geschrieben ist] August Wilhelm Schlegels Gedicht „Prometheus“ ist in Terzinen geschrieben, wobei die durch Kettenreim verbundenen Strophen aus jeweils drei alternierenden elf- bzw. zehnsilbigen Versen bestehen. Das Gedicht war auf Goethes Vermittlung in Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1798“ veröffentlicht worden (S. 49–73). Gegenüber Schlegel hatte Schiller am 27. Juli 1797 betont, dass das gewählte moderne Versmaß insofern geeigneter als der Hexameter sei, als Schlegel einen antiken Stoff philosophisch behandelt und „aus seiner Urwelt heraus in ein modernes raisonnierendes Zeitalter versetzt“ habe (NA 29, 109). Gegenüber Goethe fiel Schillers Antwort verhaltener aus: „Was Ihre Anfrage wegen des Sylbenmaaßes betrift, so kommt freilich das meiste auf den Gegenstand an, wozu Sie es brauchen wollen. Im Allgemeinen gefällt mir dieses Metrum auch nicht, es leyert gar zu einförmig fort, und die feierliche Stimmung scheint mir unzertrennlich davon zu seyn. Eine solche Stimmung ist es wahrscheinlich nicht, was Sie bezwecken. Ich würde also die Stanzen immer vorziehen, weil die Schwierigkeiten gewiß gleich sind, und die Stanzen ungleich mehr Anmuth haben.“ (NA 29, 210.) 52,20–21 Ich habe etwas vor das mich reizt Stanzen zu machen] Stanze: Strophenform des italienischen Epos, bestehend aus acht elfsilbigen jambischen Versen, zumeist in der Reimfolge „abababcc“. Goethe verwendete diese Strophenform häufig für Zueignungs- oder Festgedichte wie die am 27. Januar an Schiller gesandten Stanzen zum Maskenzug zur Vorfeier des Geburtstags von Herzogin Louise (vgl. zu 29,27). An welche Dichtung Goethe hier denkt, lässt sich nicht mit Bestimmtheit feststellen. Möglicherweise dachte er an den „Faust“ oder spielte mit dem Gedanken, „Die Metamorphose der Pflanzen“ in Stanzen zu fassen wie Darwins „The Botanic Garden“. 52,21 obligat] Lat. obligatus: verbindlich, verpflichtend; hier im Sinne von ,den Normen entsprechend‘ (vgl. GWb 6, 910). – Nach Goethes Verständnis bezeichnet ein obligates Werk (an Schiller, 2. und 7. Juli 1796; GB 11 I, 83,10) „einen streng geregelten, kunstvoll durchkomponierten, enggeführten Text, der eben deshalb hohe Ansprüche stellt an die Aufmerksamkeit des Lesers“ (Albrecht Schöne: Götterzeichen, Liebeszauber, Satanskult. Neue Einblicke in alte Goethetexte. München 1982, S. 67). 52,24 Räume] Wahrscheinlich ein Hörfehler des Schreibers, den Goethe für die Druckausgabe mit Bleistift egh. in „Reime“ korrigierte. Jedoch ist nicht auszuschließen, dass Goethe bewusst „Räume“ diktierte und damit an die Doppelbedeutung von ital. stanza: Zimmer, Strophe erinnerte. Gegen diese Annahme spricht aber, dass Stanzenstrophen durch Paarreime deutlich abgeschlossen sind, während
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die Terzinenstrophen, gegen die sich Goethe hier wendet, durch Kettenreime verzahnt und deshalb nicht abgeschlossen sind. 52,25 und] Vermutlich Schreibversehen für ‚um‘. 52,25–53,1 die Anforderungen 〈…〉 die Sie mir 〈…〉 zuschickten] Vgl. Schillers Brief an Goethe vom 19. Januar (vgl. RA 2, Nr 1104). Goethe hatte darauf am 20. Januar geantwortet (vgl. zu 27,5). 53,2 wieder an den Baco] Zu Goethes Beschäftigung mit dem Werk des englischen Philosophen Francis Bacon vgl. zu 47,8. 53,7 bald mündlich] Für Goethes folgenden Aufenthalt in Jena vom 20. März bis 6. April ist kein Gespräch über die Farbenlehre bezeugt (vgl. GT II 1, 237–240).
37. An Franz Kirms Weimar, 21. Februar 1798 → Weimar DAT IERUN G
WA IV 13, 73 gibt irrtümlich den 24. Februar 1798 an. Dabei handelt es sich offensichtlich um einen Lesefehler. ÜBER L IEF ERU NG
H: Stadtarchiv Hannover, Sign.: 4. AS.01 Nr 0675 Slg Culemann. – Doppelblatt 19,5 × 27,6 cm, 2 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 4 Adresse: Des / Herrn Hofkammerrath / Kirms / Wohlgebl.; Reste einer roten Verschlussoblate, Bl. 2 Papierausriss durch Öffnen der Oblate; S. 1 oben in der Mitte von Friedrich Wilhelm Gubitz’ Hd, rote Tinte: „2.“ (vgl. E), Bleistiftkorrekturen und -streichung im Text sowie Ergänzung eines Satzes mit Tinte, später radiert (vgl. zu 54,3–4). – Die auf den Handschriften aus der Slg Culemann mit Bleistift vorgenommenen Streichungen, Änderungen von Klein- zu Großschreibung sowie die Einfügung von Zeichensetzung (Komma, Semikolon) stammen von Friedrich Wilhelm Gubitz’ Hd (vgl. E) und wurden in Sigismund Gottfried Dittmars Ausgabe (vgl. Theater-Briefe [1835]) sowie von der WA nachgedruckt. Gelegentlich fügte Gubitz den Briefen einzelne, verallgemeinernde Sätze über Schauspieler und Theaterpublikum hinzu oder milderte Formulierungen ab (erstmals nachgewiesen durch Wilhelm Arndt: Zu Goethes Theaterbriefen. In: GJb III [1882], 351f.). Nur im vorliegenden Brief wurde dieser Zusatz auf der Handschrift vermerkt und später radiert (vgl. zu 54,3–4) in den übrigen Fällen stillschweigend im Druck ergänzt. Die vorliegende Edition bietet erstmals eine bereinigte Fassung der Briefe ohne die in E hinzugefügten Korrekturen und Zusätze. E: Gubitz, Briefe von Goethe (1832), 530, Nr II.
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BRIEF 37
D: Theater-Briefe (1835), 5f., Nr II (nach E). WA IV 13 (1893), 72f., Nr 3739 (nach D; Hinweis auf H und Textkorrektur in den „Berichtigungen“, vgl. WA IV 30 [1905], 260). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Kirms’ Brief vom 21. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1152). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. Zur Person Franz Kirms’ (1750–1826) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 9 II, Nr 6. – Als Beamter des Hofmarschallamtes hatte Franz Kirms bereits 1791 die Bellomo’sche Truppe geführt und gehörte seit dieser Zeit als zweites Mitglied zur Hoftheaterintendanz. 1797 wurde er Mitglied der Hoftheaterkommission (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr A 37) und übernahm unter Goethes Leitung die finanziellen Aufgaben sowie andere Verwaltungsangelegenheiten, so etwa die Einstellung und Entlassung der Schauspieler. In Zeiten von Goethes Abwesenheit führte er die Geschäfte fort, hielt aber stets schriftlich Rücksprache mit Goethe. Die Verantwortung für die Filialbühnen in Rudolstadt und Lauchstädt lag 1798 fast gänzlich in Kirms’ Hand. Die Briefe beider weisen, trotz der intensiven Zusammenarbeit, einen amtlichen, zurückhaltenden Ton auf. Persönliche Belange, wie etwa die Hochzeit von Kirms’ Nichte, finden selten Erwähnung. Für 1798 sind 23 Briefe Goethes an Franz Kirms aus dem Zeitraum zwischen 21. Februar und 31. Dezember überliefert, neun können erschlossen werden. Von Franz Kirms sind aus der Zeit zwischen 21. Februar und 26. November 38 Briefe an Goethe bekannt. 53,10 unsere Preise nach und nach steigern] Goethe wollte die Preise auf den ‚billigen Plätzen‘ im Hoftheater erhöhen, um damit einen zu großen Andrang bei den Aufführungen zu vermeiden. Die Eintrittspreise für die am 21. Februar 1798 stattfindende „Zauberflöte“ waren auf dem Theaterzettel wie folgt angegeben: „Auf dem ersten Platz 12 Gr.; auf dem zweyten Platz 8 Gr.; auf der Galerie-Loge 6 Gr.; auf der Galerie 4 Gr.“ (Theater/Musik Weimar.) Für andere Opern lagen die Preise für die Galerie-Loge und die Galerie deutlich niedriger, bei 4 und 2 Gr. (vgl. etwa die Aufführung von Mozarts „So sind sie alle“ am 3. März 1798, ebd.). Nach dem Theaterumbau entfielen die Plätze auf der Galerie-Loge; für Parkett und Loge belief sich der Operneintritt weiterhin auf 12 Gr., im Parterre auf 8 Gr. und auf der Galerie auf 4 Gr. (vgl. etwa die Aufführung von Paul Wranitzkys „Oberon“ am 20. Oktober 1798, ebd.). 53,10–11 Umstände sind mehr als wir denken verändert] Wahrscheinlich eine Anspielung auf eine tendenzielle Veränderung des Publikums, mit erhöhtem Studenten-Anteil. 53,12 auf dem obersten Platze] Die billigsten Plätze im Theater, die Stehplätze auf der Galerie.
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53,14 nur eine mäßige bestimmte Zahl] In einem Brief an Franz Kirms vom 〈22. Januar 1796〉 hatte Goethe die Zahl der Stehplätze auf der Galerie bei einer „Hamlet“-Aufführung mit 239 angegeben und dafür plädiert, künftig maximal 160 einzulassen (vgl. GB 11 I, Nr A 1). 53,15 wir sind es dem Hofe schuldig] Da es im Weimarer Theater keine Hofloge gab, saßen die herzogliche Familie und der Hofstaat sowie der Adel im ersten Parterre, mit etwa 40 bis 70 Plätzen, die sich vor dem zweiten Parterre befanden, in das etwa 360 Zuschauer eingelassen wurden (vgl. Satori-Neumann2 1, 250). 53,18 wieder Unarten] Bereits am 9. Juni 1797 hatte Goethe ein Promemoria an das Hofmarschallamt verfasst und Maßnahmen empfohlen, die zur Vorkehrung vor störendem Benehmen durch Jenaer Studenten im Theater angewandt werden sollten (vgl. WA IV 12, 149f.). 53,20 die Hüte bald abgethan bald aufgesetzt] Das provozierende Verhalten der Studenten, den Hut im Theaterraum wieder aufzusetzen, war ebenfalls bereits 1797 von Goethe moniert worden und hatte u.a. zu einer Erhöhung der Wachposten geführt, die bereits am Eingang das Abnehmen des Hutes forderten, damit der Zuschauer erinnert würde, daß er dem Orte Achtung schuldig sey (Brief Goethes an Franz Kirms, 9. Juni 1797; WA IV 12, 147). 53,21–22 Ich werde Herrn v Luck hierüber einige Worte schreiben.] Ein Schreiben an Lebrecht von Luck, das Mitglied der Hoftheaterkommission, das für die Disziplinarverfahren verantwortlich war, ist nicht überliefert (vgl. EB 18). 53,22–23 Schliessen Sie nur Sonabends die Duzend-Billets wieder aus.] Als ‚Dutzendbillets‘ wurden Theaterkarten bezeichnet, die durch Mehrabnahme zu einem günstigeren Preis erworben werden konnten (vgl. GWb 2, 1350). Um dem höheren Besucheraufkommen an den Samstagen gerecht zu werden, sollten diese Karten nur werktags (also dienstags und donnerstags) gelten. Auf dem Theaterzettel zur Aufführung der „Zauberflöte“ am Samstag, 24. Februar war entsprechend (wie auch bei den Aufführung vom 19. und 21. Februar) vermerkt, dass die Dutzendbillets „wiederum nicht gelten“ (Theater/Musik Weimar) können sowie der Zusatz: „〈E〉s können aber die rückständigen bey der Behörde gegen andere zum Monat März ausgetauscht werden.“ (Ebd.) 53,23–24 man giebt die Zauberflöte alsdann erst nach Ostern] Darum hatte Kirms in seinem Bezugsbrief gebeten, um eine „Nachlese im May“ (H: GSA 28/20, Bl. 84) zu haben. „Die Zauberflöte“ wurde am 19., 21. und noch ein weiteres Mal am 24. Februar gegeben. Die nächste Aufführung auf dem Weimarer Hoftheater ist erst für den 9. September sowie für den 28. November 1798 verzeichnet, im September zu strengeren Bedingungen, wie auf dem Theaterzettel ausdrücklich vermerkt: „Die Billets gelten nur am Tage der Vorstellung, und sind um 4 Uhr bey der Casse zu haben. Zur Vermeidung aller Unannehmlichkeiten kann niemand unter dem Vorwande, das Abonnement-Billet vergessen zu haben, passiren.“ (Theater/Musik Weimar.)
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BRIEF 38
54,2–3 nicht daß man den Leuten zu Willen lebe] Ähnlich argumentierte Goethe auch bei der Entscheidung über eine Rollenbesetzung (vgl. 146,18). 54,3–4 wovon man doch zuletzt noch Undanck und durch Hintansetzung des Hauptgeschäfftes Schande erlebt] Auf H wurde vermutlich durch den Herausgeber des Erstdrucks, Friedrich Wilhelm Gubitz, der später radierte Zusatz hinzugefügt: „Nachgiebigkeit macht immer alle Mühe und Arbeit halb verloren.“
38. An Charlotte Schiller
〈Weimar, 22. Februar 1798?〉 → 〈Weimar〉
DATIERUN G
Die Datierung des vorliegenden Briefes ist nicht gesichert. Das fehlende Adelsprädikat in der Adresse weist darauf hin, dass der Brief vor November 1802 geschrieben wurde. Wahrscheinlich ist, dass er anlässlich eines spontanen Kurzbesuchs Charlotte Schillers in Weimar und deshalb vor dem Ende 1799 erfolgten Umzug der Familie von Jena nach Weimar entstand. Für die im Erstdruck ohne weitere Erläuterung vorgeschlagene Datierung auf den 6. März 1798 spricht der Umstand, dass Charlotte Schiller an diesem Tag zum Frühstück im Haus am Frauenplan weilte, um die von Johann Heinrich Meyer aus Italien mitgebrachten Kunstwerke und eigenhändigen Kopien anzusehen (vgl. GT II 1, 235f.). Dagegen spricht, dass dieser Besuch durch Friedrich Schiller angekündigt war (vgl. RA 2, Nr 1174; vgl. auch WA IV 13, 386). Wahrscheinlich wurde der Brief bereits zwei Wochen zuvor am 22. Februar 1798 geschrieben: Am Abend des 21. Februar besuchte Charlotte Schiller im Weimarer Hoftheater eine Aufführung der „Zauberflöte“. Entgegen ihrer ursprünglichen Absicht blieb sie über Nacht bei ihrer Schwester Caroline von Wolzogen in Weimar (vgl. zu 54,6). Beide wurden am folgenden Tag von Goethe zu einer kurzfristig zu Ehren von Carl Gustav von Brinckmann veranstalteten Abendgesellschaft eingeladen (vgl. zu 54,7). Aufgrund ihrer Rückkehr nach Jena konnte Charlotte Schiller daran jedoch nicht teilnehmen, wofür sie sich am 23. Februar in einem Brief an Goethe entschuldigte (vgl. RA 2, Nr 1157). Die darin ebenfalls ausgesprochene Absicht, sich „Meyers Schäze“ (ebd.) anschauen zu wollen, holte sie am 6. März 1798 nach. Goethe antwortete am 24. Februar mit einem weiteren Billet (EB 19). ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 29/430,I, Bl. 15. – Doppelblatt 11,8 × 18,4 cm, 2⁄3 S. beschr., egh., Tinte; S. 2 Adresse: Frau Hofrath / Schiller; S. 1 und 2 Reste einer roten Verschlussoblate; Bl. 1 Papierausriss durch Öffnen der Oblate. E: Charlotte von Schiller 2 (1862), 236. WA IV 18 (1895), 11, Nr 5071.
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ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Möglicherweise handelt es sich bei Charlotte Schillers Brief an Goethe vom 23. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1157) um die Antwort auf Goethes undatierten Brief. Zur Person Charlotte Schillers geb. von Lengefeld (1766–1826) und zu Goethes Verhältnis zu ihr vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 10 II, Nr 133. – Ihre Verbindung wurde wesentlich durch die gemeinsame Freundin Charlotte von Stein befördert. Wie diese verstand sich auch Goethe als ein Mentor Charlotte Schillers, deren literarische und zeichnerische Ambitionen er auf vielfache Weise unterstützte. Zu den Begegnungen im Hause Charlotte von Steins in Weimar kamen Besuche Goethes im Hause der Lengefelds in Rudolstadt. Hier traf Goethe im September 1788 erstmals mit Friedrich Schiller zusammen, den Charlotte im Februar 1790 heiratete. Seit Beginn der Freundschaft beider Dichter fiel Charlotte Schiller die Aufgabe zu, als „Sekretair“ (an Goethe, 13. April 1798; H: GSA 28/802, St. VII; vgl. RA 2, Nr 1243) ihres Mannes den kontinuierlich gepflegten Briefkontakt weiterzuführen. Diese Funktion erfüllte Charlotte Schiller auch während Schillers Erkrankung im April 1798, aus dem drei, innerhalb weniger Tage geschriebene Briefe Goethes an Charlotte Schiller überliefert sind (Nr 73, Nr 78, Nr 79), die insofern Teil des Briefwechsels zwischen Schiller und Goethe sind (vgl. Charlottes Bemerkung: „Es ist ihm 〈Schiller〉 selbst nöthig Ihnen Nachricht von sich zu geben, und daher kann er auch den Posttag nicht vergehen laßen, ohne daß Sie auf eine oder andere Art von ihm hören“ (an Goethe, 20. April 1798; H: GSA 28/802, St. IX; vgl. RA 2, Nr 1252). Anlässlich ihrer regelmäßigen Kurzbesuche in Weimar lud Goethe sie auch wiederholt in sein Wohnhaus am Frauenplan ein. Ihr freundschaftliches Verhältnis intensivierte sich während Goethes häufiger Aufenthalte in Jena (20. März–6. April, 20. Mai–21. Juni, 6.–9. Juli, 1.–16. August, 22. September–1. Oktober, 14.–22. Oktober, 11.–29. November), bei denen Goethe fast täglich in Schillers Haus und Garten verkehrte. – Von Goethe sind für das Jahr 1798 aus dem Zeitraum zwischen 22. Februar (?) und 21. April insgesamt vier Briefe (Nr 38, Nr 73, Nr 78, Nr 79) sowie ein erschlossener Brief (EB 19) überliefert. Charlotte Schiller antwortete mit vier Briefen. 54,6 Wo Sie auch dieses Blat antrift] Charlotte Schiller war am 21. Februar nach Weimar gefahren, um dort am Abend im Hoftheater eine Vorstellung der „Zauberflöte“ zu besuchen. Friedrich Schiller hatte Goethe am Tag zuvor darüber informiert, dass sie bereits in der Nacht nach Jena zurückkehren werde und Goethe sie deshalb „schwerlich sprechen“ könne (NA 29, 209; vgl. RA 2, Nr 1151). Charlotte Schiller blieb jedoch über Nacht in Weimar und reiste erst am folgenden Tag zurück nach Jena. Wahrscheinlich übernachtete sie bei ihrer Schwester Caroline von Wolzogen, wo Goethes Brief sie erreicht haben dürfte. Zur Wohnung der Wolzogens in Weimar vgl. zu 62,21–22.
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BRIEF 39
54,7 diesen Abend] Anlässlich der Abreise von Carl Gustav von Brinckmann aus Weimar gab Goethe am Abend des 22. Februar im Haus am Frauenplan eine Teegesellschaft, zu der er Brinkmann mit einigen Freunden (GT II 1, 234) einlud. Die Einladung erfolgte kurzfristig, da Brinckmann Weimar bereits an diesem Tag verlassen wollte, dies aber auf Bitten Goethes auf den folgenden Tag verschob: „Ich wolte vorigen Donnerstag 〈22. Februar〉 früh ganz zuverlässig von dort 〈Weimar〉 wegreisen. Meine Pferde waren schon bestellt u. alles angeordnet, als Göthe mich nach dem Abschied von den Fürstlichkeiten noch bei Seite zog, u. sagte: ‚Nun lassen Sie noch ein vernünftiges Wort mit sich sprechen. Dieser Abschied ist recht gut; aber Sie bleiben noch einen Tag incognito, u. ich geb’ Ihnen einen Thee, wie Sie ihn in ganz Paris nicht wieder bekommen sollen. Es ist schon alles angeordnet; Sie werden keine Einwendungen machen. Die Fr. v. Wolzogen giebt Ihnen auch noch ein Diné, u. Sie sollen Ihre Freunde noch Einmal recht orndlich geniessen.‘“ (Brinckmann an Luise von Berg, 25. Februar 1798; GSA 5/26,1, Bl. 20.) Charlotte Schiller hatte Brinckmann bereits am Abend des 19. Februar in Jena kennen gelernt. Zu Brinckmanns Aufenthalt in Weimar vgl. zu 52,1. 54,7 Malepartus] Nach franz. mal pertuis: übles Loch. – In der Tierfabel sowie in Goethes epischer Dichtung „Reinecke Fuchs“ Bezeichnung für die Schutz bietende Höhle des Fuchses bzw. dessen Burg (vgl. WA I 50, 17). In scherzhafter Übertragung bezeichnete Goethe damit wiederholt seine als Refugium verstandenen Wohnräume in Weimar und im Jenaer Schloss (vgl. GWb 5, 1395). Bereits im Brief vom 29. Dezember 1797 hatte Goethe Charlotte Schiller dazu eingeladen, ihn in meinem Kloster zu besuchen (WA IV 12, 388). 54,7 frugales Mahl] Bezeichnet ein familiäres Mittag- oder Abendessen: ‚frugal‘ (lat. frugalis: zu den Früchten gehörig, fruchtig) hier im Sinne von ‚einfach, bescheiden‘ (GWb 3, 985). 54,8–9 Sie sind zu jeder Stunde willkommen 〈…〉 zu machen hat.] Goethe erneuert hier indirekt auch seine Einladung an Charlotte Schiller, in seinem Hause die von Johann Heinrich Meyer aus Italien mitgebrachten Kunstwerke zu besichtigen. Vermutlich sollte Meyer diese Führung übernehmen, was erklärt, warum sich der Gastgeber Goethe aufgrund weiterer amtlicher Verpflichtungen zugleich entschuldigen lässt.
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39. An Friedrich Schiller
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Weimar, 24. Februar 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 63. – 1 Bl. 19(–19,2) × 11,4 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. (?) Korrektur und egh. Paraphe, Tinte. – Beischluss: EB 19. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 117f., Nr 430. WA IV 13 (1893), 74, Nr 3740. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 23. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1156). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. Postsendungen: 24. Februar 1798 (H l. H o f r S c h i l l e r nebst Billet an Frau Hofräthin Schiller.; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430); 24. Februar 1798 (2 Briefe von u nach Jena 2 〈gL.〉 6. 〈dL.〉; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r). 54,11 Schon Mitwochs hatte ich ein Blatt an Sie dictirt] Vgl. Nr 41. 54,13–14 Es soll morgen abend mit der reutenden Post abgehen.] Die reitende Post nach Jena ging am Sonntagabend um 8 Uhr ab (vgl. Post-Bericht 1798). Laut Schillers Kalender kann Schiller den Brief noch am Sonntag oder erst Montag, dem 26. Februar, erhalten haben (vgl. Schillers Kalender, 84). 54,15 Schlegeln] August Wilhelm Schlegel hatte Goethe am 19. Februar über seine Reisepläne informiert (vgl. RA 2, Nr 1149). Schlegel ging im Mai nach Berlin und von dort Anfang Juli nach Dresden. Anfang Oktober traf er wieder in Jena ein. 54,17 hinüber komme] Goethe kam erst am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240). 54,17–18 Vorschlag 〈…〉 daß Sie ihn 〈…〉 noch ein paar mal sehen] Dieser erfolgte nach Goethes persönlicher Begegnung mit Schlegel in Jena Anfang April 1798 (vgl. Nr 67). 54,19 Unmuth] Schiller hatte im Mai 1797 den Kontakt zu den Brüdern August Wilhelm und Friedrich Schlegel weitgehend abgebrochen. Grund hierfür waren vor allem Friedrich Schlegels kritische Rezensionen der „Horen“, auf die Schiller empfindlich reagierte (vgl. NA 29, 80f.). Trotz Goethes wiederholter Vermittlungsbemühungen kam es zu keiner Annäherung. 54,19–20 seine Beyträge 〈…〉 Ihrem Almanach entwende] Goethes Sorge, dass Schlegel seine geplanten Beiträge für den „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ zurückziehen könnte, waren unbegründet. Schlegel lieferte die vier Gedichte „An Friederike Unzelmann. als Nina“ (S. 73), „Kampaspe“ (S. 86–89), „Lebensmelodien“ (S. 111–115) und „Der neue Pygmalion /. An Iffland“ (S. 144). Zu Schlegel als Beiträger des „Musen-Almanachs“ vgl. zu 144,15–16.
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40. An August Wilhelm Schlegel
BRIEF 40
Weimar, 24. Februar 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: ULB Bonn, Bestand: Nachlass Schlegel, Sign.: S 506 : II : 5. – 1 Bl. 24 × 18,5 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Unterschrift, Tinte. E: Schiller/Goethe-Schlegel (1846), 31. WA IV 13 (1893), 74f., Nr 3741 (nach E). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet August Wilhelm Schlegels Brief vom 19. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1149). – Ein Antwortbrief ist nicht überliefert. Postsendungen: 25. Februar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430). Zur Person August Wilhelm Schlegels (1767–1845) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zum Brief vom 25. Mai 1797 (GB 12). – Das Jahr 1798 markiert den Beginn einer regen Korrespondenz zwischen Goethe und Schlegel, neben den zahlreichen Treffen während Goethes Aufenthalten in Jena im Frühjahr und Herbst. Die beiden tauschten sich über literarische und kunsttheoretische Themen aus, ermunterten sich wechselseitig bzw. im jeweiligen Freundeskreis zu Rezensionen und gaben sich gegenseitig Lektüreempfehlungen. Von 1798 bis 1800 erschien die von Friedrich und August Wilhelm Schlegel herausgegebene und für die Frühromantik als Programmschrift entscheidende Zeitschrift „Athenaeum“, die Goethe und sein Werk als Vorbild propagierte. Nach Schlegels Berufung am 30. Juli 1798 zum außerordentlichen Professor der Ästhetik und Literatur in Jena festigte sich seine Bindung an Goethe und den Weimarer Kreis noch einmal mehr, trotz des 1797 erfolgten Bruchs mit Schiller. – Aus dem Jahr 1798 sind sieben Briefe Goethes an Schlegel aus dem Zeitraum zwischen 24. Februar und 28. Dezember überliefert, ein weiterer kann erschlossen werden (EB 32). – Von Schlegel sind elf Briefe aus der Zeit zwischen 18. Februar und 27. Dezember an Goethe erhalten. 55,1 nach Ostern verlassen] Schlegel kündigte in seinem Bezugsbrief an, „nach Ostern einen kleinen Ausflug nach Berlin“ (H: GSA 28/805, Bl. 3) zu unternehmen, um dort seinen Bruder Friedrich zu besuchen und mit ihm am „Athenæum“ zu arbeiten. Den Sommer wolle er in Dresden verbringen und dann im Herbst nach Jena zurückkommen. 55,2 im März nach Jena] Goethe hielt sich vom 20. März bis 6. April in Jena auf (vgl. GT II 1, 237–240). Schlegel erkundigte sich im Bezugsbrief, wann Goethe nach Jena kommen werde, wo man „lebhaft“ seine Ankunft erwarte (H: GSA 28/805, Bl. 3).
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55,3 das Geld] Goethe hatte am 30. Januar 1798 den Berliner Verleger Johann Friedrich Unger gebeten, an Aloys Hirt in Berlin 50 Reichstaler auszuzahlen (vgl. zu 34,12–13), er werde ihm das Geld wiedererstatten. Unger bat in seiner Antwort vom 11. Februar darum, mit dem Geldbetrag „Schlegel ein Schuld abtragen zu können.“ (H: GSA 28/20, Bl. 83; vgl. RA 2, Nr 1133.) Schlegel wies auf diese Vereinbarung in seinem Bezugsbrief hin, jedoch mit dem Zusatz, die Auszahlung habe „gar keine Eil“ (H: GSA 28/805, Bl. 3) und könne bei Goethes nächstem Besuch in Jena erfolgen. Die Geldübergabe fand wahrscheinlich beim ersten Treffen in Jena statt, im Tagebuch für den 29. März belegt (vgl. GT II 1, 239). 55,4 von Ihren neuen Arbeiten] Schlegel stellte in seinem Bezugsbrief in Aussicht, Goethe in Jena seine neuesten Arbeiten zeigen zu wollen. Dazu gehörten nicht nur seine Shakespeare-Übersetzungen, sondern vor allem auch die Arbeit an der Zeitschrift „Athenæum“, deren „Ersten Bandes Erstes Stück“ gerade von ihm und seinem Bruder Friedrich vorbereitet wurde. Die Korrekturfahnen waren bis März 1798 fertig, Goethe erhielt ein Exemplar der Zeitschrift mit Schlegels Brief vom 9. Mai (vgl. RA 2, Nr 1276; vgl. Ruppert, Nr 278). 1798 erschien außerdem der dritte Teil von „Shakespeare’s dramatische Werke, übersetzt von August Wilhelm Schlegel“ bei Unger mit den Stücken „Der Sturm“ und „Hamlet“ (nicht in Goethes Bibliothek). 55,5 für das poetische Fach ungenutzt verstrichen] Zu Goethes amtlichen Aufgaben und der dadurch verursachten wiederholten Verschiebung seines geplanten Jena-Aufenthalts vgl. zu 3,8. Erst in Jena begann Goethe wieder mit literarischen Arbeiten wie dem Schema zum „Achilleis“-Epos (vgl. zu 114,10). 55,8 Herr von Brinkmann] Carl Gustav von Brinckmann (vgl. zu 52,1) hatte sich am 19. Februar in Jena aufgehalten und dort auch Schlegel kennen gelernt. Er brachte Schlegels Brief vom 19. Februar an Goethe nach Weimar mit (vgl. RA 2, Nr 1149). 55,12 Gotters letztes Lustspiel] Der Gothaer Legationsrat und Schriftsteller Friedrich Wilhelm Gotter, den Goethe 1772 während seiner Wetzlaer Zeit kennen gelernt hatte, war am 17. März 1797 gestorben. Um die Ordnung seines Nachlasses kümmerten sich seine Frau Luise Gotter und Caroline Schlegel. August Wilhelm Schlegel berichtete Goethe in seinem Brief vom 19. Februar, dass die beiden das fünfaktige Lustspiel „Der schöne Geist“ in den „verwirrten Papieren“ (H: GSA 28/805, Bl. 3) gefunden hätten. Sie planten, diese Adaption des „Poetischen Landjunker, nach Destouches“ von Johann Gottfried Dyk dem Berliner Theater zur Aufführung anzubieten. Das Stück wurde in Berlin nicht gespielt, der Text erschien 1802 im dritten Band der „Gedichte“ Gotters (nicht in Goethes Bibliothek). 55,13 Effect machen] Positive Wirkung hervorrufen (vgl. GWb 2, 1373). 55,13–14 die Composition der Zauberinsel] Im Januar 1798 war Goethe noch gegen eine Aufführung der Oper in drei Akten (eigentlicher Titel „Die Geisterinsel“) von Friedrich Wilhelm Gotter gewesen, die Schlegel vermittelt hatte (vgl. zu 28,7).
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BRIEF 41
55,14 nach Ostern zu geben] Die Oper wurde in einer von Friedrich Hildebrand von Einsiedel bearbeiteten Textfassung am 19. Mai 1798 in Weimar aufgeführt (vgl. Theater/Musik Weimar), jedoch ohne Erfolg beim Publikum: „Man hatte sich etwas ganz Vortrefliches vorgestellt, und sah etwas sehr Alltägliches.“ (Neues Journal für Theater und andere schöne Künste 1 [1799], S. 164.) Nach einer weiteren Aufführung am 23. Mai wurde die „Die Geisterinsel“ wieder vom Spielplan genommen (vgl. Theater/Musik Weimar). 55,15 Die Zauberflöte] Wolfgang Amadeus Mozarts und Emanuel Schikaneders Oper, deren Libretto von Christian August Vulpius bearbeitet worden war, erfreute sich beim Publikum großer Beliebtheit und wurde am 19., 21. und 24. Februar 1798 auf der Weimarer Bühne gespielt (vgl. Theater/Musik Weimar). 55,15 viele Zuschauer aus der Nachbarschafft] Vermutlich sind hier landläufig alle Ortschaften um Weimar herum gemeint. In seinem Brief vom 21. Februar hatte Kirms davon gesprochen, dass „alle Fremde, die die Zauberflöte sehen wollen“ (H: GSA 28/20, Bl. 84; vgl. RA 2, Nr 1152), zu den bevorstehenden Vorstellungen am 21. und 24. Februar kommen würden. 55,17 Ihre liebe Frau] Caroline Schlegel.
41. An Friedrich Schiller
Weimar, 〈21. und〉 25. Februar 1798 → Jena
DATIERUN G
Wie in der Nachschrift des Briefes angegeben, wurde der voranstehende Briefteil am Mittwoch, dem 21. Februar, geschrieben. Diese Datierung wird durch eine entsprechende Bemerkung Goethes in seinem Brief an Schiller vom 24. Februar bestätigt (vgl. 54,11). Der Brief ging am Sonntagabend mit der reitenden Post nach Jena (vgl. Postsendungen). ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 64–65. – Doppelblatt 19 × 22,8 cm, 2 ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 3 und 4 Reste eines roten Siegels; Blatt am rechten Rand und Mitte links ausgerissen durch Öffnen des Siegels, dadurch geringer Textverlust: was ich gest〈ern〉 〈…〉 nach Go〈tha〉 (57,10–12); S. 4 Adresse: 28. / Des / Herrn Hofrath Schillers / Wohlgebl / J e n a. / f r a n k – Egh. Bleistiftkorrekturen (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 55,25 Schweden; 56,1 ihnen|,|; 56,2 haben|,|; 56,8 gelassen|,|; 56,9 wäre|,|; 56,19 wollte|,|; 56,25 ist|,|; 56,27 Sche|l|lings; 56,28 unterhalten|;|; 56,34 ⎡ver⎤ tuschen; 57,1 zwingen|,|.
FEBRUAR 1798
117
E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 118–122, Nr 431. WA IV 13 (1893), 75–78, Nr 3742. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 20. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1151). – Schiller antwortete am 27. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1166). Postsendungen: 25. Februar 1798 (H l H o f r S c h i l l e r / reutende Post.; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430); 25. Februar 1798 (vgl. GR/Belege 1798, 2, Bl. 13r). 55,21 Mitwochs und Sonabends] Schiller schrieb seine Briefe an Goethe in der Regel an seinen Posttagen, am Dienstag und Freitag, so dass sie jeweils am folgenden Mittwoch- und Samstagmorgen bei Goethe eintrafen. Der für Mittwoch erwartete Brief Schillers war zunächst ausgeblieben (vgl. zu 52,11). 55,21 mein Zimmer] Gemeint ist wahrscheinlich das im hinteren Trakt des Wohnhauses am Frauenplan gelegene Arbeitszimmer Goethes (vgl. zu 224,1–2). 55,24 ein blaues Couvert am Abend] Schillers Brief vom 20. Februar war nicht durch die Botenfrau, sondern durch Charlotte Schiller nach Weimar gebracht worden, die hier am Abend des 21. Februar eine Vorstellung der „Zauberflöte“ besuchte. Das Couvert ist nicht überliefert. 55,25 Unsern Schweden] Zum Aufenthalt des schwedischen Diplomaten und Schriftstellers Carl Gustav von Brinckmann in Weimar und Jena vgl. zu 52,1. 55,26 Unsere Frauen in Weimar] Caroline von Wolzogen und Amalie von Imhoff hatte Brinckmann am 20. Februar während eines Mittagessens bei Goethe kennen gelernt (vgl. zu 52,15–17). Weitere Damen der Weimarer Hofgesellschaft traf Brinckmann während seiner Teilnahme an der fürstlichen Mittagstafel am 18. und 21. Februar sowie im Umkreis von Herzoginmutter Anna Amalia (vgl. FB 1798, S. 34 und 36; RA 2, Nr 1156). Im Unterschied zu Louise von Göchhausen begegnete Charlotte von Stein ihm allerdings mit Distanz, wie sie ihrem Sohn Friedrich von Stein am 24. Februar berichtete: „Herr von Brinckman ist sehr unterhaldent, aber mir hat er etwas abstoßendes 〈…〉, ich wolte wetten er ist hertzlos und eitel, aber ich bin recht ruchlos daß ich bloß auf mein Gefühl das von ihm sage, denn er zielt immer in seinen Gesprächen auf Gegenstände die das Gegentheil beweisen: In die Amelie Imhof hat er sich ein bisgen oder wohl gar viel verliebt, der Herzog plagt sie sehr damit 〈…〉. Die Goechhaus ist auch von ihm bezaubert und da der beliebte Fremde auch einen juden ähnlich sieht, so sagte ich zum Spaß die Lade wäre bey der Goechhausen wo die Geselschafft der schöngeisterey vorigen Mittwoch versamlet war.“ (Brief vom 15. Januar–26. Februar 1798; GSA 122/102.) 56,3 affirmativen] Von lat. affirmativus: bejahend, versichernd (vgl. GWb 1, 282). 56,4 supponiren] Von lat. supponere: unterstellen, voraussetzen.
118
BRIEF 42
56,6–7 Resultate Ihrer Arbeiten] Schiller hatte im Bezugsbrief über die stockende Weiterarbeit am „Wallenstein“ berichtet und betont, dass ihn die zunehmende Nachfrage nach dem Stück ängstige. 56,7–8 Hätten mich die Stuttgarder nicht ohne Antwort gelassen] Gemeint sind vor allem Heinrich Rapp und Johann Heinrich Dannecker, die Goethe gelegentlich über Thourets Reisepläne informierten (vgl. zu 33,22–24). 56,9 Thourets Ankunft] Der mit der Ausstattung des Weimarer Residenzschlosses beauftragte Stuttgarter Architekt und Dekorationsmaler Nikolaus Thouret traf erst am 25. Mai 1798 in Weimar ein (vgl. zu 120,28–29). 56,10 zu Ihnen kommen] Goethe kam erst am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240). 56,11–12 was ich heute früh über den rationellen Empirism schrieb] In seinem Brief vom 21. Februar hatte Goethe an eine entsprechende frühere Unterhaltung mit Schiller erinnert (vgl. zu 52,25–53,1). 56,17 die drey Eintheilungen] Zu Goethes Gespräch mit Schiller über die Einteilung in physiologische, physische und chemische Farben vgl. zu 50,7. 56,18 Enunciationen] Vgl. zu 47,18–20. – ‚Enunciationen‘ nach lat. enunciatio: Aussage, Satz, Erklärung (vgl. GWb 3, 212). 56,27 Schelings Ideen] Zu Goethes Beschäftigung mit Friedrich Wilhelm Joseph Schellings „Ideen zu einer Philosophie der Natur“ (Leipzig 1797) vgl. zu 6,30. 56,34 alter Hofgärtner] Möglicherweise handelte es sich um den 1797 verstorbenen weimarischen Hofgärtner und Gartenbauinspektor Johannes Reichert. Der von Goethe geschätzte Botaniker war seit 1777 für die Gärten und Parkanlagen von Belvedere zuständig und betrieb einen eigenen Handelsgarten (vgl. LA I 9, 240). 1804 veröffentlichte sein Sohn Johann Friedrich Reichert das Werk „Hortus Reichertianus, oder ein vollständiger Catalog für Handelsgärtner und Liebhaber der Gärtnerey“ (Weimar 1804; vgl. Ruppert, Nr 4283). Auch Schillers Vater Johann Kaspar war als Hofgärtner und herzoglicher Gartenbauinspektor tätig gewesen. 57,1 forciren] Von franz. forcer: zwingen, hier ‚verstärken, steigern‘ (vgl. GWb 3, 799). 57,2 Aproximationen] Von lat. approximatio: Annäherung (vgl. GWb 1, 779). 57,4 Lamberts Photometrie] Goethe hatte sich am 17. Januar mit Johann Heinrich Lamberts Werk „Photometria sive de mensura et gradibus luminis, colorum et umbrae“ (Augsburg 1760; vgl. Ruppert, Nr 4777) beschäftigt (vgl. GT II 1, 231). Zu Goethes Urteil im „Historischen Teil“ der „Farbenlehre“ vgl. LA I 6, 357. 57,10 was ich ges〈tern〉 dictirte] Das am 24. Februar Diktierte ist nicht überliefert. 57,11 h〈eute〉 〈Ab〉end] Der Brief ging am Sonntagabend mit der reitenden Post nach Jena (vgl. Postsendungen). 57,12 Die Herrschafft ist nach Go〈tha〉.] Herzog Carl August und seine Gemahlin Louise reisten am 24. Februar gegen 10 Uhr morgens nach Gotha ab (vgl.
FEBRUAR 1798
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FB 1798, S. 37). Es handelte sich um einen Gegenbesuch der im Herbst 1797 mit Erbprinz August von Sachsen-Gotha und Altenburg vermählten jungen Erbprinzessin Luise Charlotte geb. Prinzessin von Mecklenburg-Schwerin, wie eine Bemerkung Charlotte von Steins in ihrem Brief an den Sohn Friedrich von Stein vom 24. Februar 1798 belegt: „Heute früh ist der regierende Hoff auf einige Tage nach Gotha abgereißt der Erbprinzeß ihre visitte zu erwiedern“ (H: GSA 122/102). Die Rückreise nach Weimar erfolgte am 27. Februar (vgl. zu 61,1–2). 57,13 Bibliotheks Einrichtungen] Vgl. Goethes Tagebucheintrag von diesem Tag (vgl. GT II 1, 234). Die erarbeiteten Schriftstücke übersandte Goethe mit den entsprechenden Anweisungen am folgenden Tag an Voigt (vgl. Nr A 12). 57,15 Mitwoch] Wie gewohnt erhielt Goethe am folgenden Mittwoch, dem 28. Februar, Schillers Brief vom Vortag (vgl. RA 2, Nr 1171).
42. An Carl Ludwig von Knebel
Weimar, 〈26. Februar 1798〉 → Ilmenau
DAT IERUN G
Die Datierung auf den 26. Februar wird durch Goethes Briefverzeichnis bestätigt (vgl. Postsendungen). ÜBER L IEF ERU NG
H: Biblioteka Jagiello´nska Kraków (Krakau), Autographensammlung Goethe, bis 1945 Preußische Staatsbibliothek Berlin, Sign.: Ms. Germ. Qu. 521, Bl. 157– 158. – Doppelblatt 19 × 22,8 cm, 2 1⁄3 S beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 von Gottschalk Eduard Guhrauers Hd, Bleistift, oben links: „166“ (vgl. E1), oben in der Mitte: „An Knebel / 1798“; S. 3 unter dem Text von fremder Hd, Bleistift: „Goethe.“; S. 2 Streichung des Absatzes 58,9–14 (vgl. E1) von Guhrauers Hd, Bleistift. – In einem Konvolut mit schwarzem Ledereinband (vgl. Überlieferung zu Nr 2). E1: Goethe-Knebel 1 (1851), 163f., Nr 166 (Teildruck: 57,18–21 Zu der Bestätigung deines häußlichen Glücks 〈…〉 erwarten soll. 58,9–14 Von Eisenach habe ich 〈…〉 zu zahlen ist. fehlen). E2: WA IV 13 (1893), 78–80, Nr 3743 (Eduard von der Hellen). BEIL AG E
Gesteinsproben (vgl. zu 58,3).
120
BRIEF 42
ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Knebels Brief vom 17. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1144). – Knebel antwortete am 6. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1173). Postsendungen: 26. Februar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430). 57,18–19 Bestätigung deines häußlichen Glücks durch die gesetzlichen Formen] Knebel hatte im Bezugsbrief von seiner Hochzeit mit Luise Rudorf berichtet, die am 9. Februar in Ilmenau stattgefunden hatte. 57,22 das überschickte Mirandum Naturae] Seinem Bezugsbrief hatte Knebel „ein kleines mirandum naturae“ (lat.: das zu Bewundernde der Natur) beigelegt und Goethe zur Auflösung des Rätsels aufgefordert (H: GSA 28/494, Bl. 8). Goethes Antwort deckte sich nicht mit dem, was Knebel selbst vermutet hatte, wie aus Knebels Antwortbrief hervorgeht. Darin dankt er für die „Berichtigung des wunderbaren Zahnes“, den er „einem fleischfressenden Thiere“ (H: GSA 28/494, Bl. 9) zugeschrieben hatte. In Goethes naturhistorischer Sammlung finden sich „zwei Pappkästchen mit Schweinshauern und anderen Thierzähnen und kleineren Knochen“ (Schuchardt 3, 284, Nr 16). – Ob sich Knebels Präparat darunter befindet, lässt sich nicht feststellen. – Ein ähnliches Naturrätsel, das Schwänzlein eines beliebten Thiers (WA IV 12, 56f.), das jedoch schriftlich nicht aufgelöst wurde, hatte Goethe am 2. März 1797 an Knebel geschickt. 57,28–29 das alte 〈…〉 Gesetz, der organischen Natur] Das so genannte EtatPrinzip, nach dem die Natur nur über ein bestimmtes Budget verfügt, wodurch es bei Begünstigung des einen Teils zu einem Mangel an anderer Stelle kommen muss, thematisierte Goethe u.a. in seinem Gedicht „Metamorphose der Tiere“ (vgl. LA I 9, 152f.; erläutert in: LA II 9B, 481–487) sowie in seinen morphologischen Studien (vgl. LA I 10, 59). 58,3 Einiges vom Gotthardsberge] Vgl. Knebels Bitte vom 17. Februar, ihm in die Ilmenauer Einsamkeit „ein paar Müsterchen von Deinem Gotthardtberge“ (H: GSA 28/494, Bl. 8) zu schicken. – Im Antwortbrief vom 6. März bedankt sich Knebel für die Gesteinsproben, unter denen sich „blättrige〈r〉 Granit“ (H: GSA 28/494, Bl. 9) befand. Mehr ist dazu nicht ermittelt. 58,5–6 mein Correspondent vom Gipfel dieses Ehrwürdigen Berges] In seinem Brief vom 12. Januar 1798 hatte Goethe Knebel in Aussicht gestellt, über den Schweizer Mediziner und Mineraliensammler Felix Anton Halter Mineralien besorgen zu können (vgl. zu 19,15; vgl. auch Halters Katalog, den Goethe an interessierte Freunde schickte, Nr 9). Goethe hatte Halter auf seiner Schweizer Reise am 4. Oktober 1797 kennen gelernt und stand mit ihm seit dem 6. November 1797 in Verhandlung zum Ankauf von Steinen und Mineralien aus der Schweiz. 58,6 Stufen] ‚Stufen‘ meint hier einzelne Stücke eines natürlich gewachsenen Kristalls/Minerals (vgl. Grimm 20, 307f.).
FEBRUAR 1798
121
58,7 Die Wahl unseres Bergrath Voigt] Knebel berichtete am 17. Februar 1798 von der geplanten Verlobung Johann Carl Wilhelm Voigts mit Johanna Elisabeth Friederike Burghardt, einer Tochter des Ilmenauer Bürgermeisters Carl Friedrich Wilhelm Burghardt. Voigt, dessen erste Frau Friederike Caroline Auguste am 3. Januar 1798 gestorben war, befürchtete Ressentiments vonseiten der Weimarer Familie, insbesondere durch seine Schwägerin Johanna Victoria Voigt, „welcher diese Heurath nicht vornehm genug seyn möchte“ (H: GSA 28/494, Bl. 8). Knebel bat Goethe, bei Christian Gottlob Voigt ein „gutes beyfallgebendes Wort“ (ebd.) für die Verbindung einzulegen. Die Hochzeit fand, noch im Trauerhalbjahr, am 17. April statt. Im Mai konnte sich Goethe aus eigener Anschauung vom guten Gang dieser Ehe überzeugen (vgl. zu 121,14–15). 58,8 auch in seiner Familie] Hier bezogen auf die in Weimar lebende Familie, Johann Carl Wilhelms Bruder Christian Gottlob Voigt und seine Frau Johanna Victoria geb. Hufeland mit zwei Kindern. 58,9 Von Eisenach] Die Auszahlung von 50 Reichstalern für Knebel pro Quartal sind als Pensionsgelder in der „FürstL. EisenachL. Cammer Rechnung“ nachgewiesen, für Ostern 1798 am 14. Februar 1798 (vgl. LATh – HStA Weimar, Rechnungsbücher A 1043, Bl. 95). 58,11–12 das Geld regelmäßig durch den Rentsecretair Herzog erhältst] Johann Adolf Herzog, seit 1782 Rentkommissar in Ilmenau, war in der ersten Zeit der Überbringer der Pensionsgelder Knebels. 58,13–14 compendiosesten] Superlativ zu ‚kompendiös‘: schlicht, nicht aufwendig (vgl. GWb 5, 546). 58,14 was hier zu zahlen ist] Wahrscheinlich hier bezogen auf das Agio, das Aufgeld, das beim Wechseln von Geldsorten zu zahlen war (vgl. GWb 1, 287). Am 16. März schickte Goethe eine Berechnung mit einigen Bemerkungen (vgl. zu 74,5) an Knebel, die zu einer Verbesserung des Geldtransfers beitragen sollte. 58,15–16 mit dem Studio der Farbenlehre] Vgl. Goethes vorangegangenen Brief an Knebel, 18,32–33. Goethes Beschäftigung mit dem (nicht überlieferten) Schema zur „Geschichte der Farbenlehre“ ist mit den Tagebucheinträgen zum letzten Mal für den 15. Februar 1798 nachweisbar (vgl. GT II 1, 234). 58,19–20 Ich subscribire für zwey Exemplare des Werkes von G r ü b e l m i t d e m P o r t r a i t.] Im Herbst 1798 erschien ein in Nürnberg im Selbstverlag aufgelegter, 222-seitiger Band „Grübels Gedichte in Nürnberger Mundart“ (vgl. Ruppert, Nr 924). Er enthielt neben vier die Gedichte illustrierenden Kupferstichen auch ein als Frontispiz eingeheftetes Porträt des Autors „Gemahlt und gestochen von G. Baehrenstecher 1797.“ mit der Unterschrift: „Johann Conrad Grübel. / Stadt-Flaschner und Volks-Dichter / zu Nürnberg.“ – In seiner „Ankündigung“, die Goethe wohl als Einzelblattveröffentlichung vorlag (vgl. zu 37,16–17) und die Grübel auch an den Beginn seines Gedichtbandes stellte, weist der Mundartdichter auf das Porträt in seinen Schlussversen hin, das zum Preis von
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BRIEF 43
6 Batzen erworben werden konnte (vgl. Grübels Gedichte in Nürnberger Mundart. [Nürnberg] 1798, S. 4.) – Goethe bestellte für Schiller, der ihn am 2. Februar darum gebeten hatte (vgl. RA 2, Nr 1124), und sich je ein Exemplar, wahrscheinlich über Knebel oder direkt über den Nürnberger Kaufmann Paul Wolfgang Merkel (vgl. EB 30). Wahrscheinlich hatte Goethe während seines Nürnberg-Aufenthalts durch Vermittlung von Merkel oder Knebel Grübels Gedichte bereits kennen gelernt. In seiner im Dezember 1798 erscheinenden Rezension nennt Goethe Gedichte, die wir als Manuscript von ihm kennen (Allgemeine Zeitung. 23. Dezember 1798, S. 1f.). 58,20–21 aus einer alten Welt] Goethe bezeichnete Grübel gegenüber Schiller als letzten Abkömmling der alten Nürnberger Meistersänger (37,16). Er sah in ihm einen volkstümlichen Dichter in der Tradition von Hans Sachs, der Themen aus den unteren Bildungsschichten poetisch aufgreife (vgl. Goethes Rezension in: Allgemeine Zeitung. 23. Dezember 1798, S. 1f.; zur Rezension allgemein vgl. zu 262,1). Auch Schiller fühlte sich von der „Stimme aus einem ganz andern Zeitalter“ angesprochen (an Goethe, 2. Februar 1798; NA 29, 199; vgl. RA 2, Nr 1124). 58,22 ins gewöhnliche Deutsch übersetzen] Hier kündigt sich Goethes Vorhaben bereits an, auf Schillers Anregung hin eine Rezension zu Grübel zu schreiben (vgl. RA 2, Nr 1124). Seine Besprechung in der „Allgemeinen Zeitung“ enthält keine Übersetzungen der Gedichte, jedoch weist Goethe immer wieder auf die Eigenheit der Nürnberger Mundart hin, die den Zugang zu den Texten anfangs erschwere (vgl. Allgemeine Zeitung. 23. Dezember 1798, S. 1f.; ähnlich in einer weiteren Rezension Goethes zu Grübel in: Goethe, Grübel’s Gedichte in Nürnberger Mundart. Nürnberg: Selbstverl. 1798–1800. Bd 1–2. In: Jenaische allgemeine Literatur-Zeitung, 2. Jahrgang, Bd 1, Nr 37 [1805], Sp. 294– 296). 58,23–24 dem Armen Teufel] Grübels „Ankündigung“ weist immer wieder auf die bescheidene finanzielle Lage des Autors und auf die hohen Kosten für den Druck des Gedichtbandes hin (vgl. Grübels Gedichte in Nürnberger Mundart. [Nürnberg] 1798, S. 4). Mit der Rezension in der „Allgemeinen Zeitung“ vom 23. Dezember 1798 wollte Goethe dem Werk zu einer größeren Bekanntheit über die Nürnberger Stadtgrenze hinaus verhelfen. 58,25 deine Gattin] Luise Rudorf, seit 9. Februar Knebels Frau. 58,26 nach Jena] Die Abreise erfolgte erst am 20. März (vgl. GT II 1, 237). 58,27 deiner Sachen] Bei Knebels Weggang von Weimar hatte er bereits im Jahr 1782 „Bücher, Meublen und anderer Sachen“ (H: GSA 30/14, Bl. 1) an Goethe abgegeben, wovon eine Liste aller Gegenstände existiert (vgl. ebd., Bl. 2–11). In der Jenaer Wohnung bewahrte Knebel außerdem noch Teile seiner Mineraliensammlung auf, die im Oktober/November 1798 von Goethe nach Ilmenau geschickt wurden (vgl. Nr 204).
FEBRUAR 1798
43. An Friedrich Schiller
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Weimar, 28. Februar 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 68–69. – Doppelblatt 18,8(–19) × 28,1 cm, 3 1⁄3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), egh. Paraphe und egh. Angabe von Ort und Datum, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrekturen (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 60,3–8 |(|Wie sehr 〈…〉 fortbedient.|)|; 60,12–28 |(|doch merkt 〈…〉 was bessers machen.|)|; 61,2 Stegreifen; 61,2 Suppeé; S. 2 egh. Bleistiftergänzung am unteren Blattrand unter der letzten Zeile: |doch merckt man daß sie sich immer im Stillen ein gewißes Praecipuum vorbehalten, manches besser zu wissen, über manches besser zu dencken glauben.| (vgl. zu E1). E1: Schiller-Goethe1 4 (1829), 126–129, Nr 433 (Teildruck ohne den in H eingeklammerten Text). E2: Schiller-Goethe2 2 (1856), 54–56, Nr 440. WA IV 13 (1893), 81–84, Nr 3745. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 27. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1166). – Schiller antwortete am 2. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1171). Postsendungen: 28. Februar 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430); 27. Februar 1798 (Briefe nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5r); 28. Februar 1798 (vgl. GT II 1, 235). 59,1 die Stuttgarder Freunde] Vgl. zu 56,7–8. 59,2 Thourets Ankunft] Der mit der Ausstattung des Weimarer Residenzschlosses beauftragte Stuttgarter Architekt und Dekorationsmaler Nikolaus Thouret traf schließlich erst am 25. Mai 1798 in Weimar ein (vgl. zu 120,28–29). 59,2–3 bey Ihnen] Goethe kam erst am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240). 59,3–4 alles übrige hinter mich gebracht] Neben der am 25. und 26. Februar erfolgten Neuregelung der Bibliotheksangelegenheiten hatte Goethe am 27. Februar auch seinen Bebauungsvorschlag für das Scheunenviertel überarbeitet (vgl. GT II 1, 234f.; zu Nr A 12 und zu 372,24). 59,4 Wallenstein] Zu Schillers Arbeit am „Wallenstein“ vgl. zu 5,19. 59,5 das bisherige Entbehren] Neben dem in Prosaform verfassten Dramenkonzept kannte Goethe vom „Wallenstein“ bislang nur den umfangreichen Prolog, den er im Mai 1797 mit Schiller diskutiert hatte (vgl. Goethes Brief an Schiller vom 28. Mai 1797; WA IV 12, 131). Erste Textfassungen lernte Goethe während seines Aufenthalts in Jena im März 1798 kennen.
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BRIEF 43
59,6 wie es auch Humboldten geht] Über Wilhelm von Humboldts Aufenthalt in Paris war Goethe durch Humboldts Brief an Schiller vom 20. Januar 1798 informiert, den Schiller seinem Bezugsbrief beigelegt hatte (vgl. NA 37 I, 224–228). Humboldt hatte darin beklagt: „Hier herrscht über nichts ein so gänzliches und ununterbrochenes Stillschweigen, als über die Theorie der Kunst. So viel ich auch hie und da angeklopft habe, so scheint niemand nur den Mangel, ja, was mir noch mehr der Fall scheint, die Nothwendigkeit davon zu fühlen;“ (ebd., S. 225). 59,9 eludiren] Von lat. eludere: entgehen, ausweichen (vgl. GWb 3, 49). 59,12 Mounier] Der Anwalt und frühere Präsident der Französischen Nationalversammlung Jean Joseph Mounier lebte seit Herbst 1795 als politischer Emigrant in Weimar (vgl. Pestel, Weimar als Exil). Hier leitete er sein 1797 in Belvedere eröffnetes Erziehungsinstitut für junge Ausländer (vgl. GT II 1, 66). Ein entsprechendes Gespräch Goethes mit Mounier ist nicht ermittelt. In ihrem kurzen Briefwechsel von Mitte Februar wird es nicht erwähnt (vgl. RA 2, Nr 1145 sowie Goethes amtliches Schreiben vom 18. Februar, gedruckt in: Auktions-Katalog 75 von Karl Ernst Henrici, Versteigerung vom 13.–15. März 1922, S. 43, Nr 319). 59,19 une sorte de creation] Franz.: eine Art Schöpfung. 59,23 Assertion] Hier im Sinne von ‚Behauptung ohne beweiskräftiges Argument‘ (vgl. GWb 1, 859). 59,25 Ihre Frau Schwägerinn] Caroline von Wolzogen, die Ehefrau des für Mouniers Erziehungsinstitut kommissarisch zuständigen Wilhelm von Wolzogen und Schwester Charlotte Schillers. Ob sie Schiller informierte, ist nicht ermittelt. 59,26 daß auch Mounier Kantens Ruhm untergraben hat] Zu Jean Joseph Mouniers Abhandlung „Lettre sur la Philosophie de Kant“ vgl. die nachfolgenden Erläuterungen. 59,28–29 daß Kant die Lüge 〈…〉 für unsittlich erklärt] Immanuel Kants Aufsatz „Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen“ war in den „Berlinischen Blättern“ (Jg. 1, Bl. 10, Mittwoch, 6. September 1797, S. 301– 314) erschienen. Darin wendet sich Kant gegen die von dem französischen Philosophen Benjamin Constant vorgetragene Behauptung, dass die Pflicht, die Wahrheit zu sagen, nur gegenüber demjenigen gelte, welcher ein Recht auf die Wahrheit habe. Im Gegensatz dazu betont Kant die Pflicht zur Wahrheit als „ein heiliges, unbedingt gebietendes, durch keine Konvenienzen einzuschränkendes Vernunftgebot“ (ebd., S. 307). 59,29–60,1 Böttiger hat eine Abhandlung 〈…〉 nach Paris geschickt] Als deutscher Beiträger des Pariser „Magasin encylopédique ou Journal des Sciences, des Lettres et des Arts“ stand Carl August Böttiger mit dessen Herausgeber Aubin Louis Millin in Verbindung (vgl. zu 72,21). Wann Böttiger das Manuskript Mouniers nach Paris übersandt hatte, ist nicht ermittelt. Gegenüber Böttiger bestätigte Millin Anfang Februar, dass der Aufsatz gedruckt vorliege (vgl. Geneviève Espagne
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und Bénédicte Savoy [Hrsg.]: Aubin Louis Millin et l’Allemagne. Le Magasin encyclopédique – Les lettres à Karl August Böttiger. Hildesheim 2005, S. 329). Er erschien ohne Angabe des Verfassers im „Magasin encylopédique“ unter dem Titel „Lettre sur la philosophie de Kant, par M. M***“ (3ième Année, T. V, Paris 1797, S. 409–415). Wohl über Böttiger erhielt Goethe im März 1798 eine gedruckte Fassung dieses Beitrags, die er am 14. März an Schiller zur Beurteilung übersandte (vgl. zu 66,15). 60,1 Decade Philosophique] Die in Paris erscheinende Zeitschrift „La Décade philosophique, littéraire et politique“ (1794–1804) zählte zu den wichtigen Publikationsmedien der Zeit. 60,4 Freund ubique] Als ‚ubique‘ (lat.: überall, allgegenwärtig) bezeichnete Goethe den vielgeschäftigen Publizisten gegenüber Schiller wiederholt, wobei er sich auch gegen Böttigers Indiskretionen wandte (vgl. 177,10 und zu 211,16; vgl. RA 2, Nr 1139). Als Herr Überall ist Böttiger auch Gegenstand in Goethes postum veröffentlichtem Gedicht „Triumvirat“ (1802/03; WA I 5.1, 172). In Ludwig Tiecks Märchennovelle „Die Vogelscheuche“ (1834) wird Böttiger als „Magister Ubique“ persifliert (vgl. René Sternke: Böttiger und der archäologische Diskurs. Mit einem Anhang der Schriften „Goethe’s Tod“ und „Nach Goethe’s Tod“ von Karl August Böttiger. Berlin 2008, S. 447–490). 60,6 die Bücher die man ihm geliehen hat hartnäckig abschwört] Im Zuge der Neuregelung des Leihverkehrs der Bibliothek wurde Böttiger wiederholt um die Rückgabe entliehener Bücher gebeten (vgl. RA 2, Nr 1137 und RA 2, Nr 1139). Zu den in seinem Besitz befindlichen Werken gehörte auch eine Reihe französischer Journale, darunter Hefte des „Magasin encylopédique“, der „Décade philosophique“, der „Bibliothèque Britannique“ sowie des „Journal des Savans“ (vgl. zu Nr A 23 sowie das entsprechende Schreiben Böttigers in GSA 150/B 42, Bl. 18). 60,9 Grafen und der Gräfin Fouquet] Der französische Generalleutnant und Feldmarschall Jean Gabriel François Marquis de Foucquet lebte mit seiner Gemahlin, Marie Louise Eugénie geb. Blondel d’Aubert seit 1797 als politischer Emigrant in Weimar. 60,9–10 ein Verhältniß wegen naturhistorischer Gegenstände] Wie Goethe beschäftigten sich auch die Foucquets mit entomologischen Studien, darunter zur Schädlingswirkung bestimmter Raupenarten. Auf der Grundlage einer Denkschrift Goethes vom 23. Februar zur Metamorphose von Raupen zu Schmetterlingen (vgl. LA II 9B, 133f.) hatte Foucquet angeboten, einen Künstler mit entsprechenden bildlichen Darstellungen zu beauftragen (vgl. RA 2, Nr 1154). Zur Klärung dieser Angelegenheit besuchte Goethe die Familie am Mittag des 28. Februar (vgl. GT II 1, 235). Im Ergebnis der Gespräche schuf der Maler Jacques Joseph Duhen entsprechende Aquarelle zur Entwicklung des Wolfsmilchspinners (vgl. LA I 10, Taf. XI). Goethe setzte seine Beschäftigung mit dieser Thematik bis in den Sommer 1798 fort (vgl. EGW 3, 446f.).
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BRIEF 43
60,12 wie Voßen] Die Bemerkung bezieht sich auf Johann Heinrich Voß’ Urteil über Goethes „Herrmann und Dorothea“, das Wilhelm von Humboldt aus Paris an Schiller berichtet und das dieser im Bezugsbrief sinngemäß zitiert hatte: „Er habe gefürchtet, sagt Voß, der Herrmann würde seine Louise in Vergeßenheit bringen. Das sei nun zwar nicht der Fall, aber er enthalte doch einzelne Stellen, für die er seine ganze Louise hingeben würde. Daß Sie im Hexameter die Vergleichung mit ihm nicht aushalten könnten, sei Ihnen nicht zu verdenken, da dieß einmal seine Sache sey, aber doch finde er daß Ihre neuesten Hexameter viel vollkommener seyen“ (NA 29, 210; vgl. NA 37 I, 228). 60,15 Mein Gedicht] Zu Goethes Hexameterepos „Herrmann und Dorothea“ vgl. zu 6,17–18. 60,16–18 Ich bin mir 〈…〉 im Merkur sehen ließ] Johann Heinrich Voß’ episches Gedicht „Luise“ war 1783 und 1784 zunächst in drei einzelnen Teilen erschienen: die Idylle „Des Bräutigams Besuch. An F. H. Jacobi“ im Hamburger „Musen-Almanach für das Jahr 1783“ (S. 3–21), die Idylle „Luise“ im folgenden Jahrgang dieses Almanachs (S. 115–154) und die dritte Idylle unter dem Titel „Luise. An Schulz“ im „Teutschen Merkur“ (November 1784, S. 97–136). Darin wird die Vermählung von Luise, Tochter des Landpfarrers von Grünau, geschildert. Anlässlich einer erneuten Veröffentlichung dieser – überarbeiteten und unter dem Titel „Luise. Ein ländliches Gedicht in drei Idyllen“ (Königsberg 1795; vgl. Ruppert, Nr 1183) vereinigten – Idyllen hatte sich Goethe am 1. Juli 1795 begeistert an den Autor gewandt (vgl. GB 10 I, Nr 126). 60,21–22 sie hat 〈…〉 den Herrmann erzeugt] Dazu heißt es in der Ende 1796 entstandenen Elegie „Herrmann und Dorothea“, mit der Goethe sein gleichnamiges Epos ankündigen wollte: Uns begleite des Dichters Geist, der seine Luise / Rasch dem würdigen Freund, uns zu entzücken, verband. (WA I 1, 294; vgl. EGW 7, 208.) In seinem Brief an Voß vom 6. Dezember 1796 hatte Goethe seinen Dank auch persönlich bekräftigt (vgl. GB 11 I, Nr 157). 60,23 se defendendo] Lat.: ‚indem er sich verteidigt‘. 60,29–30 daß ich 〈…〉 in Jena kleine Sachen machen will] Zu Goethes literarischen Vorhaben gehörten „Weissagungen des Bakis“, „Achilleis“ und „Tell“ (vgl. GT II 1, 237–240). 61,1–2 Ankunft der gothaischen fürstl. Jugend] Erbprinz August von Sachsen-Gotha und Altenburg und seine Gemahlin Luise Charlotte sowie sein jüngerer Bruder Prinz Friedrich trafen in Begleitung von Herzog Carl August gegen 5 Uhr nachmittags in Weimar ein (vgl. FB 1798, S. 39). Der Herzog hatte sich seit dem 24. Februar zu einem Besuch in Gotha aufgehalten (vgl. zu 57,12). Die Gäste wurden im Fürstenhaus einlogiert und reisten am folgenden Mittag nach einem Frühstück im Römischen Haus wieder ab (vgl. FB 1798, S. 40). Möglicherweise stand ihr Aufenthalt in Zusammenhang mit dem geplanten Begräbnis des am 25. Februar verstorbenen Landschaftskassendirektors Johann Siegmund von Oppel,
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wie ein Bericht Charlotte von Steins an ihren Sohn Friedrich vom 1. März 1798 vermuten lässt: „Unßre Herrschafft kam vorigen Dienstag von Gotha zurück und der Erbp. mit seiner Gemahlin zur Begleidung wieder mit, es war Ball bis in die späte Nacht, die Tanzenden Herrns solten Oppels Leiche begleiden, der Tode muste nachgeben und sichs noch 24 Stunden länger auf der Erde gefallen laßen, den andern Morgen reißten sie wieder ab“ (H: GSA 122/102; vgl. FB 1798, S. 40 und zu 64,23). 61,2–3 Ball aus dem Stegreifen und Suppe um 2 Uhr] Der Ball wurde am Abend des 27. Februar im Fürstenhaus mit einer Tafel für 70 Personen ausgerichtet (vgl. FB 1798, S. 39). – Souper (Suppe, Suppé): ein spätes Abendessen in Gesellschaft. 61,4 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller. 61,5 für den Sommer im Garten ein heiteres Daseyn] Friedrich Schiller hatte im März 1797 ein Gartengrundstück mit dazugehörigem Gartenhaus erworben, das die sieben Personen umfassende Familie in den folgenden drei Sommerhalbjahren (1797–1799) bewohnte (vgl. Thomas Pester: Schillers Gartenhaus in Jena und der Historische Gartenplan von 1799. Golmsdorf 2003). Das Anwesen befand sich auf dem so genannten Judengraben an der Leutra vor den Toren der Stadt Jena. Die Familie bezog das Gartenanwesen am 7. Mai 1798 und kehrte am 6. November 1798 in ihre Stadtwohnung im Griesbach’schen Haus in der Schlossgasse 17 zurück (vgl. Schillers Kalender, 89 und 103). Schon 1797 veranlasste Schiller einige Ausbau- und Renovierungsarbeiten am Gartenhaus, woran Goethe regen Anteil nahm (vgl. seinen Brief an Schiller vom 8. Februar 1797; WA IV 12, 36; vgl. GT II 1, 102). Gleichwohl störte sich Goethe während seiner Aufenthalte in Jena aber an den durch die schleppenden Bauarbeiten verursachten Unannehmlichkeiten (vgl. seinen Brief an Christiane Vulpius vom 28. Mai 1797; WA IV 12, 133). Goethes Bemerkung, dass sich Schiller für den Sommer ein heiteres Daseyn bereiten möge, kommentiert insofern geplante neue Bauvorhaben, die Schiller im Bezugsbrief ankündigte: „Es beschäftigt mich jetzt zuweilen auf eine angenehme Weise, in meinem Gartenhause und Garten Anstalten zur Verbeßerung meines dortigen Aufenthalts zu treffen. Eine von diesen ist besonders wohlthätig und wird eben so angenehm seyn: ein Bad nehmlich, das ich reinlich und niedlich in einer von den Gartenhütten mauren lasse. Die Hütte wird zugleich um einen Stock erhöht und soll eine freundliche Aussicht in das Thal der Leitra erhalten. Auf der entgegengesetzten Lambrechtischen Seite ist schon im vorigen Jahr an die Stelle der Hütte eine ganz maßivgebaute Küche getreten. Sie werden also, wenn Sie uns im Garten besuchen allerlei nützliche Veränderungen darinn finden. Möchten wir nur erst wieder dort beisammen seyn!“ (NA 29, 211.) Zu Goethes Kritik an Schillers Bauvorhaben vgl. zu 130,18–19 und zu 163,26–27.
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BRIEF 44
44. An Friedrich Schiller Weimar, 3. März 1798 → Jena ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 72–73. – Doppelblatt 19 × 22,8 cm, 2 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 4 Adresse: Des / Herrn Hofrath Schillers / Wohlgebl. / J e n a. / frank.; Verschlussoblate; Ausriss durch Öffnen der Oblate. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 132–134, Nr 435. WA IV 13 (1893), 84–86, Nr 3746. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 2. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1171). – Schiller antwortete am 6. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1174). Postsendungen: 3. März 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430); 3. März 1798 (Briefe nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5v); 3. März 1798 (vgl. GT II 1, 235). 61,8 Bürger Decrete] Gemeint ist das mit dem Bezugsbrief an Goethe übersandte Diplom, in dem Schiller 1792 das französische Bürgerrecht verliehen worden war. Schiller hatte es am 1. März 1798 durch Joachim Heinrich Campe aus Braunschweig erhalten (vgl. Schillers Kalender, 85; NA 37 I, 249). Es handelte sich um zwei, mit der Anschrift „M. Gille Publiciste allemand“ versehene gedruckte Schriftstücke: Das von Georges Danton eigenhändig unterzeichnete Gesetz der Nationalversammlung („Loi / Qui confère le titre de Citoyen François à plusieurs Etrangers“) vom 26. August 1792 sowie ein von Jean Marie Roland de la Platière signiertes Begleitschreiben vom 10. Oktober 1792 (vgl. Friedrich v. Schiller. Bürger von Frankreich. Faksimile des Bürgerbriefes der Französischen Republik. Mit einer Einführung von Gerhard Schmid. [Weimar 1983]). – Schillers Bitte, diese Schriftstücke Herzog Carl August mitzuteilen, folgte Goethe noch am selben Tag mit einem amtlichen Begleitschreiben (vgl. AS 2, 564). Auf Wunsch des Herzogs beschloss das Geheime Consilium in seiner Sitzung vom 9. März 1798, beide Schriftstücke der Bibliothekskommission zur Aufbewahrung in der Herzoglichen Bibliothek zu übergeben (vgl. NA 41 IIA, 449). Die Dokumente verblieben zunächst bei Christian Gottlob Voigt (vgl. RA 2, Nr 1274). Erst am 18. Mai wurden sie an Johann Christoph Ferdinand Spilcker übergeben (vgl. Nr A 20). Schiller selbst erhielt eine beglaubigte Abschrift seines Bürgerdiploms (vgl. zu 65,23–25). Die Originaldokumente wurden 1890 mit weiteren Handschriften der Bibliothek an das Goethe- und Schiller-Archiv abgegeben, wo sie im Schiller-Bestand überliefert sind (GSA 83/595). 61,8 aus dem Reiche der Toden] Beide Unterzeichner von Schillers Bürgerdiplom waren inzwischen verstorben: Der Innenminister Roland de la Platière hatte sich
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1793 das Leben genommen; der Justizminister Danton war 1794 hingerichtet worden, wie zuvor bereits der französische König Ludwig XVI., dessen Siegel das Diplom beglaubigte. – Mit seiner aus dem apostolischen Glaubensbekenntnis entlehnten Formulierung spielt Goethe wahrscheinlich auch auf die auf Lukian zurückgehende literarische Gattung der fiktiv-biographischen „Totengespräche“ an, die u.a. durch David Fassmanns historisch-politisches Journal „Gespräche in dem Reiche derer Todten“ (Leipzig 1718–1740) populär waren. Schiller griff Goethes Formulierung in seinem Brief an Christian Gottfried Körner vom 16. März auf (vgl. NA 29, 220). 61,11–13 Herr Campe scheint 〈…〉 krank zu liegen.] Der Pädagoge und Publizist Joachim Heinrich Campe zählte zu den frühen Anhängern der Französischen Revolution, die er u.a. in seiner Schrift „Briefe aus Paris zur Zeit der Revolution geschrieben“ (Braunschweig 1790) pries. 61,15 zu Ihnen] Goethe kam erst am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240). 61,16–17 die Insecten wieder vorgenommen] Zu Goethes fortgesetzten entomologischen Studien vgl. zu 60,9–10. Goethe hatte sich am 1. März mit der Durchsicht seiner Raupen- und Schmetterlingspräparate beschäftigt (vgl. GT II 1, 235). 61,17 meine Mineralien geordnet] Vgl. die entsprechenden Tagebucheinträge Goethes vom 2., 3., 4. und 7. März (vgl. GT II 1, 235f.). 61,20 Meyer ruckt mit seinen Arbeiten vor] Zu den kunsthistorischen Abhandlungen Johann Heinrich Meyers gehörte vor allem der geplante „Propyläen“-Beitrag „Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst“, den Goethe während seines folgenden Aufenthalts in Jena ausführlich mit Schiller besprach (vgl. zu 79,14). 61,22 neusten Begebenheiten in Italien und in der Schweitz] Nach dem Einmarsch der französischen Truppen in Rom war am 15. Februar Papst Pius VI. abgesetzt und die Römische Republik ausgerufen worden. Auch aus der Schweiz wurde von heftigen militärischen Auseinandersetzungen berichtet, die Goethe und Meyer zunehmend besorgt beobachteten (vgl. 72,29–73,7). Sie führten in der Folge zur Gründung der Helvetischen Republik am 12. April. 61,23 unsern Rückzug] Aufgrund der politischen Entwicklungen hatte Goethe im Sommer 1797 auf seine geplante Reise nach Italien verzichtet. Stattdessen hatte er sich mit Johann Heinrich Meyer in der Schweiz getroffen, aus der er im November 1797 nach Weimar zurückgekehrt war. 61,24–25 was wir gesammelt fragmentarisch herauskommt] Zu Goethes Faszikeln seiner Schweizer Reise und dem Vorhaben ihrer Veröffentlichung vgl. zu 7,21. 61,27 Einleitung] Mit der geplanten Erarbeitung seiner allgemeinen Einleitung zu den „Propyläen“ begann Goethe erst während seines übernächsten Aufenthalts in Jena im Mai 1798 (vgl. zu 182,1). 61,28 Schema] Das Schema ist nicht überliefert. Zu den für die „Propyläen“ geplanten verschiedenen Schemata vgl. Goethes Brief an Cotta vom 27. und 28. Mai 1798 (Nr 99).
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62,4–5 eine zweyte Ausgabe des Cellini] Die 1795 begonnene Beschäftigung Goethes mit der Autobiographie des florentinischen Bildhauers Benvenuto Cellini verdankte sich den gemeinsamen Kunststudien mit Johann Heinrich Meyer. Eine erste, auszugsweise Übersetzung hatte Goethe in Schillers Monatsschrift „Die Horen“ in zwölf Folgen in den zwischen April 1796 und Juni 1797 ausgelieferten Heften veröffentlicht (vgl. EGW 2, 120). Anlässlich der Vorbereitung seiner neuen Kunstzeitschrift „Propyläen“ plante Goethe eine vollständige und um Anhänge erweiterte Ausgabe, mit deren Ausarbeitung er im März 1798 begann (vgl. zu 63,7). Sowohl Schiller als auch Goethe kündigten das Werk dann gegenüber Cotta an, der das Vorhaben aber zunächst ablehnte (vgl. zu 126,30). Erst im September 1802 nahm Goethe seine Arbeit an der geplanten Ausgabe wieder auf (vgl. GT III 1, 96). Das Werk erschien im April 1803 im Verlag der Cotta’schen Buchhandlung unter dem Titel „Leben des Benvenuto Cellini, Florentinischen Goldschmieds und Bildhauers, von ihm selbst geschrieben. Übersetzt und mit einem Anhange herausgegeben von Goethe“ (Tübingen 1803). 62,5–6 Meyers Arbeiten über die florentinische Kunstgeschichte] Während seines knapp einjährigen Studienaufenthalts in Florenz (1796/97) hatte Meyer eine umfangreiche Materialsammlung zur florentinischen Kunstgeschichte erarbeitet (vgl. GSA 64/90 und 64/91). Deren Inhalte stellte er Goethe im Oktober 1797 in Stäfa vor (vgl. GT II 1, 220f. sowie das in Goethes Reiseakten überlieferte Schema vom 15. Oktober 1797, GSA 25/W 2634, Bl. 28; vgl. WA I 34.2, 114f.). Die Ausarbeitung seiner Notizen erfolgte im März 1798. Im Mai empfahl Goethe sie Cotta als möglichen „Propyläen“-Beitrag (vgl. 126,28–29). In den „Propyläen“ veröffentlichte Meyer allerdings nur seinen Beitrag „Masaccio“ (Propyläen III 1, 3–32). Gründe für diese Zurückhaltung waren, dass Goethe das Material für seine Cellini-Ausgabe nutzen wollte und zeitgleich Johann Dominik Fiorillos „Geschichte der zeichnenden Künste“ (Göttingen 1798) erschien. Meyers Notizen fanden später Eingang in seine – postum veröffentlichte – „Geschichte der Kunst“ (vgl. Meyer, Geschichte der Kunst). 62,7 die Form einiger Briefe an Sie] Die „Einleitung“ erschien nicht in dieser geplanten Form. 62,9 ein Wort an uns] Ein entsprechender Beitrag Schillers erfolgte nicht. Goethes und Meyers Hoffnung, dass Schiller als der „dritte Mann“ (NA 29, 216) – so Schillers Antwort vom 6. März – zum Gelingen der neuen Kunstzeitschrift beitrage, wurde enttäuscht. Schillers Anteil an den „Propyläen“ blieb gering, erst für das letzte Stück der „Propyläen“ lieferte er die kurzen Beiträge „An den Herausgeber der Propyläen“ (Propyläen III 2, 146–163) sowie die Ankündigung „Dramatische Preisaufgabe“ (ebd., 169–171). 62,14 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller.
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45. An Friedrich Schiller
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Weimar, 7. März 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 76. – Doppelblatt 18,8(–19) × 28,1 cm, 1 ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 137–140, Nr 437. WA IV 13 (1893), 86–88, Nr 3747. BEIL AG E
Brief Wilhelm von Humboldts an Schiller vom 20. Januar 1798 (vgl. zu 63,27). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 6. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1174). – Schiller antwortete am 9. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1176). Postsendungen: 7. März 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430); 7. (korrigiert aus „5.“) März 1798 (Brief nach Jena; GR/ RB 1798, 1, Bl. 5v). 62,17 Ihre liebe Frau hat uns 〈…〉 auf allzukurze Zeit besucht] Während einer ihrer Kurzbesuche in Weimar war Charlotte Schiller am 6. März Goethes Einladung zum Frühstück im Haus am Frauenplan gefolgt, um hier die von Johann Heinrich Meyer aus Italien mitgebrachten Kunstwerke und eigenhändigen Kopien anzusehen (vgl. GT II 1, 235f.). Schiller hatte den Besuch seiner Frau zuvor angekündigt. 62,18 Meyers Arbeiten] Gemeint sind die von Johann Heinrich Meyer aus Italien mitgebrachten Kunstwerke. In seinem Antwortbrief betonte Schiller, seine Frau könne „noch nicht satt werden, Meiers schöne Werke zu preisen“ (NA 29, 216f.). Aufgrund seines angegriffenen Gesundheitszustandes konnte Schiller die Arbeiten erst am 1. Juni besichtigen (vgl. GT II 1, 247). 62,21–22 da sich Ihr Herr Schwager 〈…〉 einrichten kann] Der zuvor in württembergischen Diensten tätige Wilhelm von Wolzogen hatte im März 1797 seinen Dienst als Kammerherr und Kammerrat in Weimar angetreten (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr A 2). Seit Sommer 1797 richtete sich die Familie in der ehemaligen Wohnung von Christian Gottlob Voigt ein, der nach Wielands Umzug nach Oßmannstedt dessen frei gewordene Wohnung Am Markt 18 bezogen hatte (vgl. NA 37 I, 46). Die Wohnung befand sich im so genannten Heydenreich’schen Haus vor dem Frauentor (heute Marienstraße 1). 62,22–23 Quartier für den Winter] Mit Unterstützung Wilhelm von Wolzogens hatte Schiller geplant, einen Teil des Winters 1797/98 in Weimar zu verbringen (vgl. NA 37 I, 46). Nachdem Schiller im November 1797 bereits ein entspre-
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BRIEF 45
chendes Quartier angemietet hatte, musste er Anfang Dezember das Vorhaben aber aus gesundheitlichen wie logistischen Gründen wieder aufgeben (vgl. RA 2, Nr 1040). Im folgenden Winter 1798/99 konnte Schiller seinen Plan realisieren: Vom 4. Januar bis 7. Februar 1799 logierte er mit seiner Familie in einer zuvor von Nikolaus Thouret bewohnten Wohnung im Schloss (vgl. zu 270,20). 62,27 im Proscenio] Aus Rücksicht auf Schillers Gesundheitszustand hatte Goethe anlässlich von August Wilhelm Ifflands erstem Gastspiel 1796 im Parterre des Zuschauerraums im Weimarer Hoftheater eine kleine Proszeniumsloge einbauen lassen, in der Schiller ungestört vom Publikum die Aufführungen besuchen konnte (vgl. NA 28, 211). Mit dem Hinweis auf diese Loge hatte Goethe bereits im November 1797 Schiller zu einem Aufenthalt in Weimar eingeladen (vgl. Goethes Brief an Schiller vom 22. November 1797; WA IV 12, 357). Anlässlich des im Sommer 1798 erfolgten Umbaus des Zuschauerraums wurde die Loge beseitigt, wie Caroline Schlegel anlässlich der Uraufführung von „Wallensteins Lager“ bemerkte: „Bey der Umwandlung des Hauses war Schillers Käfig weggefallen, so dass er sich auf dem offnen Balkon präsentiren muste, anfangs neben Göthe, dann neben der herzoglichen Loge“ (an Friedrich Schlegel, 14./15. Oktober 1798; KFSA III, 24, 178). 63,4 Zodiak] Lat. zodiacus: der in zwölf Zeichen unterteilte Tierkreis mit seinen Sternbildern, dessen Konstellationen das Schicksal des Menschen bestimmen. – Obgleich kein Anhänger des astrologischen Glaubens, deutet Goethe hier vermutlich seinen Ankauf des Gutes in Oberroßla an, den er Schiller im folgenden Brief vom 10. März nicht ohne Stolz verkünden wird (vgl. zu 65,1). 63,6 Sonabends] 10. März (vgl. Nr 47). 63,7 Cellini wieder vorgenommen] Zu Goethes geplanter vollständiger Übersetzung der Autobiographie des florentinischen Bildhauers Benvenuto Cellini vgl. zu 62,4–5. Goethe hatte die Arbeit am 5. März begonnen und setzte diese bis zum 25. März fort (vgl. GT II 1, 235–238). Die in diesen Tagen erarbeiteten Vorstudien sind im Faszikel „Collectanien zur neuen Bearbeitung des Cellini. 1798“ überliefert (GSA 25/W 3571; vgl. WA I 44, 410–422). 63,9 die kleinen Historischen Aufsätze] Der geplante Anhang erschien im zweiten Teilband der 1803 erfolgten Erstausgabe unter dem Titel „Anhang zur Lebensbeschreibung des Benvenuto Cellini, bezüglich auf Sitten, Kunst und Technik“ (S. 253–334). 63,12–13 Meyers Arbeit über die florentinische Kunstgeschichte] Vgl. zu 62,5–6. 63,16 in Ihrer Nähe] Goethe kam erst am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240). 63,19 Coburger Rescript] Das am 3. März 1798 an der Universität Jena eingegangene Schreiben beinhaltete die seit über zwei Jahren erwartete Zustimmung von Herzog Ernst Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld zur geplanten Ernen-
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nung Schillers zum ordentlichen Honorarprofessor. Die drei weiteren Erhalterstaaten der Herzoglich Sächsischen Gesamtuniversität zu Jena hatten dem Verfahren bereits Ende 1795 bzw. Anfang 1796 zugestimmt (vgl. Volker Wahl: Coburger „Canzley Unfug“ oder späte Revanche? Antwortversuch zu einem ungelösten Rätsel der Schiller-Forschung. In: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 30 [1985], S. 189–222). 63,21 ein Duzend Rescripten] Neben der Zustimmung zu Schillers Ernennung waren sieben weitere Vorgänge verschleppt worden, darunter die zur Berufung des Juristen Gottlieb Hufeland sowie zur Beförderung Friedrich Immanuel Niethammers zum Extraordinarius an der theologischen Fakultät. 63,21 Solicitation] Lat. sollicitatio: Aufwiegelung, hier im Sinne von: ‚dringliche Bitte, Gesuch‘. 63,22 unser Herzog] Herzog Carl August von Sachsen-Weimar und Eisenach. 63,23–24 Empfehlungsschreiben an den Herzog und die Herzogin] Herzog Carl August hatte sich in einem Schreiben vom 16. Februar 1798 direkt an Herzog Ernst Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld gewandt und darin an die rückständigen Resolutionen erinnert (abgedruckt in Volker Wahl: Coburger „Canzley Unfug“ oder späte Revanche? Antwortversuch zu einem ungelösten Rätsel der Schiller-Forschung. In: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 30 [1985], S. 208). Dessen Gemahlin Sophie Antoinette geb. von Braunschweig-Wolfenbüttel wird in diesem Schreiben nicht erwähnt. 63,27 Humboldts Brief] Gemeint ist Wilhelm von Humboldts Brief an Schiller vom 20. Januar 1798 (vgl. NA 37 I, 224–228). Schiller hatte diesen Brief am 27. Februar an Goethe geschickt, der ihn nun wieder an Schiller zurücksandte. 63,27–28 sein Urtheil über das französische Theater] In seinem Brief an Schiller hatte Humboldt zu den Kennzeichen der französischen Poesie ausgeführt: „Gerade, weil ihr das, wodurch sie sich als eigentliche Kunst legitimiren müßte, die Objectivität und Idealität, die reine Wirkung auf die Einbildungskraft, bis auf wenige Stellen ihrer genievollsten Dichter, fast ganz fehlt, und sie auf der andern Seite soviel von dem oratorischen und malerischen Schmuck besitzt, dessen Uebergewicht immer nur eine Afterkunst verräth, so zeigt sie mehr, als eine andre, gerade den ächten und hohen Kunststil, den sie nur so selten erreicht. Ich kann nicht anders, als mit Freude bemerken, dass wir Deutsche hierin auf einem unendlich besseren Wege sind, ob ich gleich auch unpartheiisch gestehen muß, daß ein gewisser Grad der Vollendung, zu dem man hier gekommen ist, uns gewiß noch lange, wenn nicht immer fehlen wird. Dieß bemerke ich z.B. auf eine so auffallende Weise an den Schauspielern der tragischen Bühne, denn mit denen der komischen halten die unsrigen in keiner Rücksicht eine Vergleichung aus. Die Tragödie wird bei uns offenbar natürlicher und wahrer, ja, was anfangs auffallend scheint, edler gespielt, als hier.“ (NA 37 I, 225.) Der Brief bildete eine Grundlage für Humboldts späteren
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BRIEF 46
„Propyläen“-Beitrag „Ueber die gegenwärtige französische tragische Bühne. Aus Briefen“ (Propyläen III 1, 66–109).
46. An Carl Ludwig von Knebel Weimar, 9. März 1798 → Ilmenau ÜBER L IEF ERU NG
H: Biblioteka Jagiello´nska Kraków (Krakau), Autographensammlung Goethe, bis 1945 Preußische Staatsbibliothek Berlin, Sign.: Ms. Germ. Qu. 521, Bl. 159–160. – Doppelblatt 19,2(–19,5) × 22,7(–23) cm, 1 ½ S beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 3 Adresse: Des / Herrn Major von Knebel / Hochwohlgebl / Ilmenau / f r a n c k.; Reste einer Verschlussoblate, Bl. 2 Papierausriss durch Öffnen der Oblate; S. 1 von Gottschalk Eduard Guhrauers Hd, Bleistift, oben links: „168“, oben rechts: „1798“; oben in der Mitte von Knebels? Hd, Tinte: „N o 9 0“; S. 1 und 2 Anstreichungen am linken Rand von Guhrauers Hd, Bleistift. – In einem Konvolut mit schwarzem Ledereinband (vgl. Überlieferung zu Nr 2). E: Goethe-Knebel 1 (1851), 166f., Nr 168. WA IV 13 (1893), 88–90, Nr 3748. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief bezieht sich auf einen Brief Christian Gottlob Voigts vom 9. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1177) und beantwortet einen Brief Knebels vom 6. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1173). – Knebel antwortete am 31. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1220). Postsendungen: 9. März 1798 (H l M a j o r v o n K n e b e l. Dank vor das überschickte Elfenbein. Verschiedne Stadt neuigkeiten mitgetheilt.; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430); 7. (korrigiert aus „5.“) März 1798 (Brief nach Ilmenau; GR/RB 1798, 1, Bl. 5v). 64,1 Boten] Verschiedene Boten wurden für den Weg zwischen Ilmenau und Weimar eingesetzt (vgl. zu 157,6–7), u.a. auch der Amtsbote Voigt (mehr nicht zu ermitteln). In Christiane Vulpius’ Ausgabenrechnung wird beispielsweise für Juni 1798 8 Groschen Botengeld vermerkt für den Boten „Holzmann v. den Herrn Major v. Knebel / desgl. den Hr. Treuter“ (GR/RB 1798, 2, Bl. 4). Zu den Boten Holzmann bzw. Treuter war nicht mehr zu ermitteln. 64,2 Elfenbein] Knebel schickte am 6. März 1798 „die gesammelten Helfenbeinstückchen, die freylich sehr enge zusammengeschnitten sind, weil sie von den Kammachern kommen, die auf den Gebrauch des Materials etwas sparsam sind“ (H: GSA 28/494, Bl. 9). Am 26. März diktierte Goethe im Zuge seiner Beschäfti-
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gung mit diesen Stücken einen Aufsatz zu dem pathologischen Elfenbein (GT II 1, 238), wovon er 1822 eine spätere Fassung mit dem Titel „Betrachtungen über eine Sammlung krankhaften Elfenbeins“ veröffentlichte (vgl. LA I 9, 281–287; erläutert in: LA II 10A, 888–892). In den „Tag- und Jahres-Heften“ für 1798 erwähnt er auch die von Knebel geschickten Stücke und dass er eine Sammlung an Zahl mehr denn zwanzig Stücke (WA I 35, 79f.) besessen habe. Diese Elefantenzähne schenkte er wenige Tage nach Verfassen des Aufsatzes und der 〈v〉öllige〈n〉 Einrichtung (GT II 1, 239) am 30. März Justus Christian Loder (vgl. zu 83,2–3). In Goethes naturhistorischer Sammlung haben sich folgende Stücke Elfenbein erhalten: „Drei krankhafte verwachsene Stücke und eine Spitze von einem Elephanten-Stoßzahn.“ (Schuchardt 3, 284, Nr 22.) 64,2–3 instructiv] In Zusammenhang mit Mineralien häufig verwendet, im Sinne von ‚mit einem bestimmten Erkenntnisinteresse korrespondierend‘, markant (vgl. GWb 5, 42). – An den Elefantenzähnen ließ sich zeigen, so Goethe in den „Tag- und Jahres-Heften“ für 1798, wie eine eiserne Kugel in’s Innere der Zahnmasse eindringen, wohl die organische Lebendigkeit stören aber nicht zerstören kann, indem diese sich hier auf eine eigne Weise wehrt und wieder herstellt (WA I 35, 80). 64,3–4 unbarmherzig zusammengeschnitten] Wahrscheinlich lag Knebels Bezugsquelle des Elfenbeins in Nürnberg, dem Zentrum des deutschen KammmacherHandwerks bis ins späte 18. Jahrhundert mit etwa 300 Kammmachern und einer fortgeschrittenen Arbeitsteilung unter den Meistern (vgl. Adalbert Ruschel: Der Handwerkerfriedhof Sankt Rochus zu Nürnberg. Norderstedt 2015, S. 179): „In Deutschland hat unstreitig Nürnberg die meisten Künstler und Arbeiter in Elfenbein 〈…〉. Diese Arbeit ist unter mehrere Meister so vertheilt, daß einer dem andern immer weiter vorarbeitet 〈…〉. Ein Hauptvortheil besteht hier aber auch darinn, daß man alle Abfälle bis auf die kleinsten Stückchen, selbst die Sägespähne, sehr gut benutzen kann. Der Kammmacher legt jedes Stück für Andere zurück, die es vortheilhafter zu benutzen wissen; diese suchen es dann bey ihm, und überlassen, was ihnen nicht vortheilhaft genug ist, wieder einer dritten Gattung von Arbeitern 〈…〉.“ (Gottfried Christian Bohns Waarenlager, oder Wörterbuch der Produktenund Waarenkunde. Des wohlerfahrnen Kaufmanns zweyte Abtheilung. Neu ausgearbeitet von G〈erhard〉 P〈hilipp〉 H〈einrich〉 Norrmann. 1. Bd. Hamburg 1805, S. 528.) 64,6 Von dem Erdpech] Zum Erdpech, einem brennbaren Mineral, das in der Nähe von Jena gefunden worden war, vgl. zu 122,11–12. – Knebel berichtete in seinem Bezugsbrief vom 6. März 1798, dass Johann Carl Wilhelm Voigt „auf die Entdeckung des krystallisirten Erdpechs von Lenz sehr eifersüchtig“ sei: „Er kann nicht ruhen, bis er auch davon erhalten hat.“ (H: GSA 28/494, Bl. 9.) 64,6–7 Wenn ich nach Jena gehe, will ich davon zu erhalten suchen.] Goethe hielt sich vom 20. März bis 6. April 1798 in Jena auf (vgl. GT II 1,
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237–240). In dieser Zeit scheint er mit Johann Georg Lenz über Knebels Wunsch gesprochen zu haben (vgl. zu 26,28–29). Lenz, der in einer am 21. Februar im „Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung“ geschalteten Anzeige über die Entdeckung des kristallisierten Erdpechs berichtet und zugleich den Verkauf von Gesteinssammlungen an Liebhaber angeboten hatte (zum Abdruck der Anzeige vgl. zu 122,11–12), schickte auf Goethes Bitte einige Stücke nach Ilmenau an Voigt. 64,8 Wegen G r ü b e l s Gedichten will ich an Herrn Merkel schreiben] Knebel hatte in seinem Bezugsbrief gefragt, ob er wegen der Subskription von Konrad Grübels 1798 veröffentlichten Gedichten in Nürnberger Mundart nach Nürnberg schreiben solle. Ein Brief Goethes an den Nürnberger Kaufmann Paul Wolfgang Merkel (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 4) in dieser Angelegenheit ist nicht überliefert (vgl. EB 30). 64,10 dem guten W i t s c h e l ] Goethe bezieht sich hier auf Knebels Bericht vom 6. März 1798 über eine in der „Allgemeinen Literatur-Zeitung“ erschienene Rezension über Johann Heinrich Wilhelm Witschels Schauspiel „Hermolaus“ (Nürnberg 1796). Witschels Stück wird darin äußerst scharf kritisiert und dem Dichter attestiert, dass „in dessen Brust schwerlich ein Funke von dem Feuer des Prometheus glühen dürfte“ (Rezension unter der Rubrik „Schöne Künste“ in: ALZ 1798, Nr 45, Sp. 357–359, hier Sp. 357). – Witschel war mit Knebel persönlich bekannt, und auch Goethe war dem Theologen und Dichter am 9. November 1797 während seines Aufenthalts in Nürnberg „im Abendclubb“ (H: GSA 28/494, Bl. 9) vorgestellt worden, wohin ihn Paul Wolfgang Merkel mitgenommen hatte (vgl. BuG 4, 382). Knebel beschrieb ihn im Bezugsbrief als einen, „der das Diplom als Dichter, wie wenige nur, aus den Händen der Natur erhalten hat“ (H: GSA 28/494, Bl. 9–10). In seinem Antwortbrief geht Knebel auf die für ihn zu harsch ausfallende Rezension noch einmal ein. 64,11–12 Wir hatten ein Bändchen seiner Gedichte auf der Reise mit uns] Wahrscheinlich auf der Rückreise von der dritten Schweizer Reise nach Goethes und Johann Heinrich Meyers Aufenthalt in Nürnberg vom 6. bis 15. November 1797. Ein Exemplar von Johann Heinrich Wilhelm Witschels „Dichtungen“, erschienen in der Stiebner’schen Buchhandlung 1798 in Nürnberg, ist in Goethes Bibliothek nachweisbar (vgl. Ruppert, Nr 1209). 64,16 Deine Geldsachen] Knebel bezog seine Pension aus verschiedenen Kassen des Herzogtums (vgl. zu 18,14–15). Christian Gottlob Voigt riet Goethe in seinem Brief vom 9. März, wie er die Gelder, auf die Knebel Anspruch hatte, nach Ilmenau transferieren könne: „Der Kammerkassierer sagt, daß das Rentamt itzt wegen der Forstkasse eher Verlag brauche als Abrechnung pflegen könne. Er erbietet sich, vor Übermachung der Gelder für Herrn v. K. zu sorgen, falls eben nicht Assignationsfähigkeit vorhanden wäre. Mithin sollte ich glauben, Euer Hochwohlgeboren gäben ihm den Auftrag, quartaliter so viel hinzuschicken, ohne besonders Bo-
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tenlohn zu veranlassen, sondern durch die Rentamtsspedition, und Ihnen die Quittung zuzurechnen.“ (Goethe-Voigt2 2, 50; vgl. RA 2, Nr 1177.) 64,17 Auszahlung durch Herzog] Rentkommissarius Johann Adolf Herzog, der das Geld nach Ilmenau transferierte. 64,18 Resolution erwarte] Nicht ermittelt. 64,19 den Cellini wieder vorgenommen] Vgl. zu 63,7. 64,23 Unser alter Oppel] Der Landschaftskassendirektor Johann Siegmund von Oppel war überraschend am 25. Februar 1798, „nach einigen Stunden Kranckseyn“ verstorben, wie Charlotte von Stein ihrem Sohn Friedrich am 26. Februar berichtete (Brief vom 15. Januar–26. Februar 1798; GSA 122/102). „Vergangenen Sonntag, den 25. Febr. erlitte unser Staat abermals einen beträchtlichen Verlust, und das Land und hiesige Stadt verlohr einen in allem Betracht äußerst schätzbaren Einwohner. An diesem Tage früh halb 10 Uhr verschied nach einem nur 36 Stunden angedauerten Krankenlager, Sr. Excellenz, Herr Johann Siegmund von Oppel, auf Wellersbalde, Sr. Herzogl. Durchl. zu S. Weimar und Eisenach wirklichen Geheimen Rath und Weimarischer Landschafts-Casse-Director, im 68sten Jahre seines Lebens und nach 46 Jahre hindurch dem Hochfürstl. Hause geleisteten treuen und ersprieslichen Diensten.“ (Weimarische Wöchentliche Anzeigen, Nr 18. Sonnabend, den 3ten März 1798, S. 69.) 64,23–24 Fräul Seebach die ältere heyrathet Carl von Stein] Amalie von Seebach und der älteste Sohn Charlotte von Steins, Carl von Stein, heirateten am 21. Mai 1798 in Weimar. – Sie wurden im Rahmen einer dreifachen Hochzeit „von Sr. Hochwürdl. Magnificenz dem Herrn Ober-Consistorial Vicepräsident und Oberhofprediger, Herder, bey einer sehr glänzenden Versammlung im Hause copulirt“ (Weimarische Wöchentliche Anzeigen, Nr 41. Mittwoch, den 23ten May 1798, S. 164). Carl von Stein teilte die Nachricht seinem Bruder Friedrich am 6. März 1798 nach Schlesien mit: „3 Hochzeiten auf einmal, und Papas, Mamas, Onkels Tanten – alles in alarm. Vorgestern nachmittag hab ich um sie angehalten und gestern früh wußten es alle Leute und freueten sich so darüber, daß ich mich mit dem alten Weimar ausgesöhnt habe.“ (Briefe an Fritz von Stein, 60.) 64,24 die jüngere einen Herrn von Ahlefeld] Charlotte Elisabeth Sophie Luise Wilhelmine von Seebach, die Schwester Amalie von Seebachs, heiratete, ebenfalls am 21. Mai 1798, den schleswigschen Gutsherren Johann Rudolph von Ahlefeld. Am gleichen Tag fand auch die Hochzeit des jüngsten Bruders, Ludwig Ernst Rudolph Gustav von Seebach, mit Caroline Christiane Auguste von Beulwitz statt (vgl. Weimarische Wöchentliche Anzeigen, Nr 41. Mittwoch, den 23ten May 1798, S. 163). 64,26–27 in der übrigen Welt 〈…〉 will es noch nicht lustiger aussehen] Anspielung auf die politischen Umwälzungen in Italien: Am 10. Februar 1798 wurde Rom unter dem Befehl von Louis-Alexandre Berthier von französischen Truppen besetzt. Die Ermordung des französischen Generals und Militärattachés
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Léonard Mathurin Duphot am 27. Dezember 1797 durch päpstliche Soldaten gab für Napoleon Bonaparte den Anlass zum Angriff auf den vatikanischen Kirchenstaat: Papst Pius VI. wurde gefangen genommen, am 15. Februar 1798 die ‚Römische Republik‘ ausgerufen. 64,28 die deinige] Luise Rudorf, seit 9. Februar Knebels Frau. 64,28 Herrn Bergrath Voigt] Johann Carl Wilhelm Voigt in Ilmenau, der Bruder von Goethes Amtskollegen Christian Gottlob Voigt.
47. An Friedrich Schiller Weimar, 10. März 1798 → Jena ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 79–80. – Doppelblatt 18,7(–18,9) × 28 cm, 2 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 4 Adresse: Des / Herrn Hofrath Schiller / Wohlgebl. / J e n a. / f r a n k.; Verschlussoblate; Ausriss durch Öffnen der Oblate. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 143–146, Nr 439. WA IV 13 (1893), 90f., Nr 3749. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 9. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1176). – Schiller antwortete am 13. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1180). Postsendungen: 10. März 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430); 10. März 1798 (Brief nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5v); 10. März 1798 (vgl. GT II 1, 236). 65,1 das zehente Haus meines Horoscops] Die astrologische Einteilung des Himmelsglobus in zwölf konzentrische Kreise weist jedem Planeten ein Haus zu, in dem er regiert und dessen Stand das Horoskop bestimmt. Das für Goethes Horoskop wichtige zehnte Haus steht für die überpersönliche gesellschaftliche Stellung, zu welcher der Erwerb des Lehn- und Freigutes zu Oberroßla gehörte (zu Goethes astrologischem Verständnis vgl. Carl Heinrich Müller: Goethes Horoskop. In: JbFDH 1905, S. 117–143 und Goethe-Handbuch2 1 (1961), Sp. 413–419). Eine astrologische Konstellation ist auch Gegenstand von Goethes Gespräch mit Schiller über das Buchstabenorakel im „Wallenstein“ (vgl. Nr 230). 65,2 Hufen] Altes Landmaß, hier im Sinne von ‚Landbesitz, Anwesen‘ (vgl. GWb 4, 1413). Die Grundstücksfläche des erworbenen Guts in Oberroßla umfasste etwa 54 Hektar (vgl. Rudolf Hessler: Goethe, die Landwirtschaft und das Landwirtschaftsrecht. In: Jahrbuch des Agrarrechts 10 [2011], S. 11–32, hier S. 22).
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65,3–4 das Oberroßlaer Freygut endlich doch noch erstanden] Gemeint ist der am 8. März erfolgte Erwerb des Lehn- und Freigutes zu Oberroßla, zwischen Apolda und Oßmannstedt, etwa 15 km nordöstlich von Weimar an der Ilm gelegen. Mit dem Kauf und der folgenden Klärung der juristischen Übergabe kamen die langjährigen Bemühungen Goethes um den Besitz eines Landgutes zum Abschluss. Der Wunsch nach einem solchen Gut reichte Jahre zurück, wie aus einem Brief Goethes an Christian Gottlob Voigt vom 10. September 1792 hervorgeht (vgl. GB 9 I, 105,18–26). 65,4–5 die bisherigen Pächter] Das so genannte Hofmann-Crahmerische Sohn- und Tochterlehngut zu Oberroßla lag in den Händen von vier Besitzparteien mit insgesamt sechs beteiligten Personen. Seitens der Familie Hofmann zählten hierzu Johann Caspar Hofmann (gest. im Juli 1797), der zugleich langjähriger Pächter des Gutes war, sowie nach dem Tod seiner Schwester, Maria Magdalena Schlütter geb. Hofmann, deren drei Söhne Christian Heinrich, Johann Christoph und Johann Heinrich Adolf Schlütter (gest. im Juli 1796). Die drei Brüder hatten gemeinsam ein Viertel des Gutes geerbt. Die beiden verbleibenden Anteile entfielen auf die beiden Schwestern Eva Maria Slevoigt und Dorothea Elisabetha Lehne, beide gebürtige Crahmer. 65,5 Hofrath Gruner] Der Jenaer Medizinprofessor Christian Gottfried Gruner hatte ebenfalls mitgeboten, wobei er durch seine hohen Gebote den Kaufpreis steigerte, am Ende aber aus dem 21 Monate dauernden Bietungsverfahren ausstieg. Auch der Mitbesitzer Johann Caspar Hofmann hatte sich bis zu seinem Tod im Juli 1797 an dem Verfahren beteiligt. 65,6 Acquisition] Lat. acquisitio: Erwerbung. 65,8 Sibyllinischen Büchern] Sammlung von Orakelsprüchen in griechischen Hexametern (‚libri Sibyllini‘). Der römischen Sage zufolge bot die Seherin Sibylle von Cumae dem römischen König Tarquinius Superbus neun prophetische Bücher zum Kauf an, für die sie eine hohe Summe forderte. Als dieser ablehnte, verbrannte sie drei Bücher und bot die verbliebenen sechs Bücher zum selben Preis an. Als der König auch dieses Angebot ausschlug, verbrannte sie drei weitere Bücher und bot die restlichen drei zum unveränderten Preis an, worauf Tarquinius schließlich einging. Die Bücher galten als heilig und wurden in kritischen Situationen befragt. 65,12–13 werde es morgen zum erstenmal in Augenschein nehmen] Goethe fuhr am Morgen des 11. März gemeinsam mit Christian Gottlob Voigt, Johann Heinrich Meyer und Osann nach Oberroßla (vgl. GT II 1, 236). 65,14 acht Tage] Goethe beschäftigte sich in der Woche vom 12. bis 19. März fast täglich mit den Gutsangelegenheiten (vgl. GT II 1, 236f.; Nr 59–62). 65,14 Wenn Sie uns besuchen könnten] Schiller kam nicht nach Weimar. Goethe reiste am 20. März nach Jena, wo er bis zum 6. April blieb (vgl. GT II 1, 237–240).
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65,16 Oper] Am 15. März fand am Weimarer Hoftheater die Aufführung von Domenico Cimarosas Oper „Die vereitelten Ränke“ („Le trame deluse“; Libretto: Giuseppe Palomba) statt (vgl. Theater/Musik Weimar). 65,16–17 ein neues Kotzebuisches Stück] Am 17. März fand am Weimarer Hoftheater die Erstaufführung von August von Kotzebues Schauspiel „Die Corsen“ statt (vgl. Theater/Musik Weimar). 65,18–19 neben Freund Meyern in dem grünen Stübchen behelfen] Als Hausgenosse lebte Johann Heinrich Meyer von 1792 bis zu seiner Heirat 1803 in Goethes Wohnhaus am Frauenplan. Seine Wohnräume befanden sich in der Mansarde des Vorderhauses. Das daneben gelegene grüne Stübchen wurde als Gästezimmer genutzt. Möglicherweise war dieser Raum grün ausgemalt oder mit einer der in dieser Zeit beliebten grünen Papiertapete ausgestattet. 65,21 englischen Trauerspiel] Schiller hatte im Bezugsbrief auf eine Neuveröffentlichung von Horace Walpoles Drama „The Mysterious Mother“ (London 1796; EA als Privatdruck 1768) hingewiesen und angekündigt, das Werk erwerben zu wollen. Dieses war kurz zuvor im Intelligenzblatt der „Allgemeinen Literatur-Zeitung“ lobend besprochen worden: „Verdient irgend ein fremdes Stück durch die Kunst eines Meisters eine Verpflanzung in unsere Sprache und auf unsere Bühne; so ist es dies.“ (IB der ALZ 1798. Nr 33 vom 24. Februar, Sp. 289–298, hier Sp. 296.) Das auf die englische Schauerromantik vorausweisende Stück Walpoles behandelt die inzestuöse Beziehung einer Mutter zu ihrem Sohn. Das im März 1800 wieder aufgenommene Vorhaben Goethes und Schillers, das Stück gemeinsam zu bearbeiten, unterblieb (vgl. GT II 1, 350; WA I 35, 86). 65,22 gut wenn wir es erhalten könnten] Das Werk ist in Goethes Bibliothek in einer 1791 in Dublin gedruckten Ausgabe überliefert (vgl. Ruppert, Nr 1536). Goethe erwarb sie vermutlich erst im folgenden Jahr 1799 (vgl. GSA 34/XIV,3,6, Bl. 2). 65,23–25 Von Ihren Bürgerdiplom 〈…〉 ausfertigen lassen.] Zu Schillers Ehren-Diplom als Bürger der französischen Republik vgl. zu 61,8. Schiller hatte im Bezugsbrief zugestimmt, die originalen Schriftstücke der Bibliothek zu übergeben, zugleich aber um eine beglaubigte Abschrift gebeten, „wenn etwa einmal eins meiner Kinder sich in Frankreich niederlassen und dieses Bürgerrecht reclamieren wollte“ (NA 29, 217). Diese Abschrift wurde Anfang Mai im Auftrag von Christian Gottlob Voigt angefertigt (vgl. RA 2, Nr 1274) und Schiller mit einem Begleitschreiben vermutlich am 21. Mai durch Goethe persönlich in Jena übergeben (vgl. Nr A 19). Der Verbleib dieser Abschrift ist nicht ermittelt (vgl. GSA 83/595). – Vidimirt von franz. vidimer: beglaubigen. 65,25–26 des Herzogs Gelüst nach diesem Document] Die Übergabe der Dokumente an die Bibliothek erfolgte auf Anweisung von Herzog Carl August, der hier eine umfangreiche Sammlung zur Französischen Revolution anlegte. 65,26 reponirt] Von lat. reponere: zurücklegen, aufbewahren.
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65,26–27 die Nachricht, in vielen Sprachen] Nicht ermittelt. 65,29 kommen Sie ja!] Unter dem Eindruck der Schilderungen seiner Frau Charlotte hatte Schiller am 9. März angekündigt, „einen Flug nach Weimar vornehmen“ zu wollen (NA 29, 217). Schillers Besuch erfolgte jedoch erst am 1. Juni (vgl. Goethes Tagebucheintrag vom selben Tag: Kam Hl. Hofr. Schiller die Meyerschen Sachen zu sehen und fuhr wieder weg.; GT II 1, 247). 65,30 Meyerischen Arbeiten] Gemeint sind die von Johann Heinrich Meyer von seiner Italienreise (1795–97) mitgebrachten Kunstwerke und eigenhändigen Kopien. 66,1 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller.
48. An Friedrich Schiller
Weimar, 14. März 1798 → 〈Jena〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 83. – Doppelblatt 18,8 × 28 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 148–150, Nr 441. WA IV 13 (1893), 91f., Nr 3750. BEIL AG EN
2 Druckschriften (vgl. zu 66,15). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 13. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1180). – Schiller antwortete am 14. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1181). Postsendungen: 14. März 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430). 66,4–5 herüber kommen] Schillers geplanter Besuch in Weimar fand erst am 1. Juni 1798 statt (vgl. zu 65,29). 66,6–7 meine kleine Acquisition] Gemeint ist Goethes Erwerb des Lehn- und Freigutes in Oberroßla (vgl. zu 65,3–4). 66,9 einen ganz leidlichen Kauf] Der Kaufpreis betrug 13 125 Reichstaler. Goethe hatte das Gut am 11. März erstmals besichtigt (vgl. GT II 1, 236). Es wurde bei der Übergabe vereinbart, dass nicht die volle Kaufsumme sofort zu entrichten war: 8000 Reichstaler (jeweils 4000 Reichstaler als Anteil der Hofmanns und der Crahmer’schen Schwestern Eva Maria Slevoigt und Dorothea Elisabetha Lehne) sollten als Hypothek auf dem Gut stehen bleiben und wurden entsprechend vom Käufer verzinst. Für die übrigen 5125 Reichstaler nahm Goethe Darlehen
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auf, was er – wie allgemein üblich – nicht bei Banken, sondern bei Privatpersonen tat. 66,10 Gruner] Christian Gottfried Gruner, Professor für Medizin und Botanik in Jena, hatte sich ebenfalls am Versteigerungsverfahren des Oberroßlaer Gutes beteiligt (vgl. zu 65,5). 66,14 sehen welcher] Schreibversehen: ‚in‘ fehlt. 66,15 einige französische Blätter] Die Beilage enthielt zwei gedruckte Beiträge aus dem „Magasin encylopédique ou Journal des Sciences, des Lettres et des Arts“ (3ième Année, T. V, Paris 1797): Johann Gottfried Schweighäusers Rezension von Goethes Epos „Herrmann und Dorothea“ („Hermann und Dorothea, Poëme de M. Goethe. Imprimé à Berlin, chez Vieweg, sous forme d’Almanac, pour l’année 1798“, ebd., S. 216–228; GSA 25/W 3806, Bl. 9–15) sowie Jean Joseph Mouniers anonym veröffentlichten Aufsatz über die Kantische Philosophie („Lettre sur la Philosophie de Kant“, ebd., S. 409–415). Beide Texte sandte Schiller noch am selben Abend mit einer kurzen Einschätzung an Goethe zurück. Wahrscheinlich hatte Goethe sie über Carl August Böttiger erhalten, der als Beiträger des „Magasin encyclopédique“ mit dessen Herausgeber Aubin Louis Millin in Verbindung stand (vgl. zu 72,21). 66,21 sie] Gemeint sind die französischen Truppen. Zum besseren Verständnis wurde im Erstdruck der Zusatz „(die Franzosen)“ beigefügt, in den folgenden Auflagen wurde „sie“ durch „die Franzosen“ ersetzt. 66,21 Basel besetzen] Die zu dieser Zeit von einer Nationalversammlung regierte Stadt Basel wurde zunächst nicht von den französischen Truppen besetzt. Erst im Oktober 1798 wurde sie dem Oberbefehl eines französischen Platzkommandanten unterstellt. 66,23 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller. 66,25 Sturm von Bocksberg] „Der Sturm von Boxberg. Ein pfälzisches National-Schauspiel in drei Aufzügen“ (Mannheim 1778). Das Stück des Mannheimer Kammerrats Jakob Maier war am 28. April 1795 am Weimarer Hoftheater in einer Bearbeitung von Christian August Vulpius ohne großen Erfolg aufgeführt worden (vgl. WA I 35, 50). In seinem Brief vom 13. März hatte Schiller allerdings nicht von diesem Werk gesprochen, sondern von der Lektüre eines weiteren Stücks Jakob Maiers berichtet: dem Ritterstück „Fust von Stromberg. Ein Schauspiel in fünf Aufzügen. Mit den Sitten Gebräuchen und Rechten seines Jahrhunderts. Auf der Nationalschaubühne in Mannheim zum erstenmal aufgeführt den 5. Nov. 1782“ (Mannheim 1782). Das Stück spielt zur Zeit der Kreuzzüge und beinhaltet eine Fülle an historischen Details, die der Autor in einer dem Schauspiel beigefügten Sammlung „Anmerkungen zum Fust von Stromberg“ erläuterte.
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Weimar, 15. März 1798 → 〈Weimar〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 30/39, Bl. 9, 16. – Doppelblatt 18,8 × 27,9 cm, ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; unter dem Brieftext Antwort Voigts (vgl. zu 68,8–9); S. 4 Adresse: Des / Herrn Geheimde Rath / Voigt / Hochwohlgebl; Reste einer Verschlussoblate; S. 4 in umgekehrter Schreibrichtung Rückadresse von Voigts Hand, Tinte: „An / des Herrn Geheimraths / von Goethe / HochwohlgebL“; darunter rotes Gemmensiegel: nicht identifizierbar, wahrscheinlich aus dem Besitz Voigts. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut in grauer Pappe, 22,5 × 34,9 cm, Aufschrift von Schreiberhd, Tinte: „Separat Fascikel / verschiedener / die Acquisition / des Ober Roßlaer Freyguths / betreffenden Papiere. / 1797. / 1798.“; darüber mit blauem Buntstift von späterer Hd: „O.Ross. II“; teilweise von Schreiberhd mit Tinte rechts oben nummeriert, 107 Bl., enthält insgesamt 58 Schriftstücke. E: WA IV 13 (1893), 93, Nr 3751 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Voigts undatierte Antwort wahrscheinlich vom gleichen Tag befindet sich auf demselben Blatt unter Goethes Brief (vgl. RA 2, Nr 1184; im Folgenden abgedruckt, vgl. zu 68,8–9). 68,1 Anwünschung] Formeller Stil, von Goethe nur in Briefen an Amtskollegen oder Geschäftspartner gebraucht (vgl. GWb 1, 753). 68,3 Bey einer freywilligen Subhastation] Die bisherigen Besitzer des Gutes hatten sich 1796 entschieden, das Oberroßlaer Lehn- und Freigut „sub hasta“ (lat.: bei einer öffentlichen Versteigerung; vgl. GWb 4, 729) zu versteigern und dem Meistbietenden zuzuschlagen. Das Prozedere einer freiwilligen Versteigerung war verhältnismäßig offen angelegt und bot den Verkäufern Spielräume für individuelle Bestimmungen, beispielsweise hinsichtlich der Anzahl der Versteigerungstermine. Entsprechend hatte das Bietverfahren im Falle des Oberroßlaer Gutes insgesamt 21 Monate gedauert. 68,3–4 hat ein Interessent das Recht in das letzte Gebot einzutreten] ‚Interessent‘ hier im Sinne eines Teilhabers, Anteilseigners (vgl. GWb 5, 58) oder Mitbesitzers am Oberroßlaer Lehn- und Freigut. Insgesamt gab es nach dem Tod der mit einem Viertel des Gutes belehnten Maria Magdalena Schlütter, welches an ihre drei Söhne fiel, sechs Interessenten (vgl. zu 65,4–5). Bei einer freiwilligen Subhastation stand es den Verkäufern frei, das Gut noch beim letzten Lizitationstermin (Ablauf der Gebotsfrist) entweder selbst zum Gebotspreis zu erstehen oder es zurückzubehalten, wenn ihnen das höchste Gebot nicht ausreichend erschien.
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BRIEF 50
Goethe befürchtete nun, dass sich die bisherigen Besitzer trotz abgelaufener Frist doch noch bis zum Tag der Übergabe auf das Recht berufen könnten, erneut zu bieten und damit das Versteigerungsverfahren wieder für fremde Kaufinteressenten zu öffnen. – Dieser Punkt wird in einem Aufsatz an die Fürstliche Baukommission erneut aufgegriffen (vgl. 70,15–20). 68,5–6 letzten Licitationstermin] Der letzte Tag, an dem noch ein mündliches oder schriftliches Gebot zur Ersteigerung des Oberroßlaer Lehn- und Freigutes bei der Fürstlichen Kommission abgegeben werden konnte (lat. licitatio: Versteigerung; vgl. GWb 1, 267), war der 7. März 1798 gewesen. Dieser Termin war am 20. Januar 1798 in den „Weimarischen Wöchentlichen Anzeigen“ unter der Rubrik „Subhastationes“ bekannt gemacht worden: „Nachdem auf das zeither subhastirte Hofmann Cramerische Lehn- und Freyguth zu Oberroßla 13 125 Rthlr. in Laubthalern zu 1 Rthlr. 14 gr. geboten, solches auch mit diesem Licito unter dem heutigen Dato angeschlagen worden; Als wird solches zu dem Ende hiermit öffentlich bekannt gemacht, damit diejenigen, so mehreres hierauf zu licitiren gesonnen sind, sich binnen sechs Wochen hierzu melden können. Sign. Weimar, den 17. Januar 1798. F. S. zur Sache gnädigst verordnete Commission. F. H. G. Osan. Commiss.“ (Weimarische Wöchentliche Anzeigen, Nr 6. Sonnabend, den 20sten Januar 1798, S. 21; ebenso abgedruckt in: Jenaische Wöchentliche Anzeigen, Nr 7. Mittwochs, den 24ten Januar 1798, S. 25f.; Gnädigst privilegirtes Leipziger Intelligenz-Blatt, in Frag- und Anzeigen, für Stadt- und Land-Wirthe, zum Besten des Nahrungsstandes, Nr 4. Sonnabends den 27. Januar 1798, S. 27; Kaiserlich privilegirter Reichs-Anzeiger, Nr 22. Freytags, den 26ten Januar 1798, S. 234.) Da bis zum Ablauf der Frist kein weiteres Gebot eingegangen war, bekam Goethe bzw. dessen Beauftragter Georg Christoph Steffany für das Gut am 8. März 1798 als Meistbietender den Zuschlag. 68,6–7 Adjudicationstermin] Fälligkeitstag nach einer Versteigerung, an dem der Zuschlag erfolgt (lat. adiudicatio: richterlicher Zuspruch durch Urteil; vgl. GWb 1, 267). Der Adjudikationstermin für das Oberroßlaer Gut wurde auf den 22. Juni 1798 festgesetzt. 68,7–8 Eine Geschichte die Herr Regierungs Rath Osan neulich erzählte] Goethe zog hinsichtlich der Gutsangelegenheit neben Georg Christoph Steffany, Christian Gottlob Voigt und Johann Heinrich Meyer vor allem den Regierungsund Oberkonsistorialrat Friedrich Heinrich Gotthelf Osann zurate, der auch der zuständigen Fürstlichen Kommission vorstand (vgl. zu 68,16). Mit den drei Letztgenannten hatte Goethe wenige Tage zuvor, am 11. März 1798, erstmalig das Gut in Oberroßla in Augenschein genommen und nach der Rückkehr zu Mittag gegessen (vgl. GT II 1, 236). Vermutlich erzählte Osann bei dieser Gelegenheit jene (nicht zu ermittelnde) Geschichte, die Goethe zu seiner Nachfrage veranlasste. Goethes Zweifel resultierten nicht zuletzt aus der langen und wechselvollen Erwerbsgeschichte des Oberroßlaer Gutes.
MÄRZ 1798
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68,8–9 Zweifel, den ich um so mehr gelößt wünschen muß] Voigts Antwort auf Goethes Nachfrage lautete: „Ich glaube allerdings, daß die Ausübung der Selbstbehaltung des Guts bey der freywilligen Subh. bis zum Adjudicationstermin dauert. Daher möchte es rathsam seyn, daß HL. R. R. Osan die Intressenten darüber so bald vernähme, indem er Ihnen die Erstehung bekant macht. V“ (H: GSA 30/39, Bl. 9). – Es kam zu keinem erneuten Gebot durch die bisherigen Besitzer. 68,10 neuen Verpachtung auf Johanni] Goethe hatte sich bereits frühzeitig gegen eine Verlängerung des Pachtvertrages mit der Hofmann’schen Familie entschieden – nicht zuletzt, da diese ein weiteres Gut mit Ländereien in Oberroßla (die teilweise an jene des Freigutes angrenzten) besaß und im Verdacht stand, ihr eigenes Gut durch das Lehn- und Freigut mit zu unterhalten. Mit der Suche nach einem geeigneten Pächter für das Gut beauftragte Goethe erneut Georg Christoph Steffany. Die Verhandlungen über Pachthöhe und Eigentumsverhältnisse der Pachtanwärter begannen in den darauffolgenden Tagen. So holte Steffany etwa am 19. März Erkundigungen über potentielle Interessenten bei den Pächtern Friedrich Tischner aus Köttendorf und Johann Andreas Weidner aus Niederroßla ein (vgl. GSA 30/39, Bl. 31, 33). Der Pachtvertrag wurde schließlich nach längeren Verhandlungen am 26. Juni 1798, kurz nach der offiziellen Übergabe am 22. und 23. Juni, mit Johann Friedrich Fischer geschlossen. – Zu ‚Johanni‘ (24. Juni) begann das Rechnungsjahr der Kammer (vgl. auch zu 119,29). 68,10 von andern Einrichtungen] Dies ist möglicherweise als Hinweis auf die sich bereits andeutenden Schwierigkeiten mit der bisherigen Pächterin Johanne Marie Hofmann im Hinblick auf die Gutsübergabe zu verstehen (vgl. die Beilage zu Nr 51). 68,11 geriren] Lat. se gerere: auftreten als, in der Funktion von (vgl. GWb 3, 1518). – Nur in der offiziellen Funktion als Gutsbesitzer war es möglich, dringliche Fragen wie die der Neuverpachtung mit der entsprechenden Autorität voranzutreiben.
50. An Georg Christoph Steffany
〈Weimar〉, 16. März 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 30/39, Bl. 20, 25. – Doppelblatt 17,5 × 20,4 cm, ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (vgl. Überlieferung zu Nr 49). E: WA IV 13 (1893), 93f., Nr 3752 (Eduard von der Hellen).
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BRIEF 50
BEIL AG E
Aufsatz (vgl. zu 68,15). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Steffanys Brief vom 12. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1179). – Steffany antwortete am 16. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1190). Zur Person Georg Christoph Steffanys (um 1749–1807) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 11 II, Nr A 53. – Steffany trat 1777 als Fürstlich Sächsischer Bauschreiber in die Dienste des Weimarer Herzogtums. Über seine Herkunft und Ausbildung ist nichts bekannt. Für 1779 ist seine Eheschließung mit Johanna Maria Elisabetha Meyer belegt, mit der er sechs Kinder hatte. Die Frau starb bereits 1794. 1789 stieg Steffany zum Bauverwalter auf und blieb in dieser Stellung bis zu seiner Beförderung zum Bauinspektor 1799. Für Goethe übernahm er in seiner Funktion als Bauverwalter neben amtlichen Aufträgen die Ersteigerung des Gutes Oberroßla. In die folgenden Verhandlungen brachte sich Steffany als Bevollmächtigter Goethes ein (vgl. Nr 102 sowie die von Goethe ausgestellte Vollmacht für Rühlmann und Steffany bei der Gutsübergabe; LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4314, Bl. 273), kümmerte sich um die amtlichen Vorgänge wie im vorliegenden Brief, bemühte sich durch gezielte Anfragen, die Suche nach einem geeigneten Pächter zu befördern und war bei der Übergabe des Gutes am 22./23. Juni 1798 anwesend, in deren Organisation er durch Goethe stark einbezogen wurde und für deren reibungslosen Ablauf er verantwortlich war. Zum feierlichen Abschluss der Übergabe des Gutes war es Steffany, der ein Stück Erde und einen Zweig entgegennahm, die als symbolische Stellvertreter für die Übergabe aller zum Gut gehörigen Gärten, Wiesen und Felder standen. Goethe brachte ihm bei all den amtlichen Angelegenheiten großes Vertrauen entgegen. Als Anerkennung seiner Verdienste erhielt Steffany von Goethe im September 1798 ein Geschenk (H: GSA 30/50, Bl. 4) in Höhe von 50 Reichstalern wegen seiner Bemühungen (ebd.). 1802 setzte sich Goethe mit einem Brief an Carl Friedrich Zelter für Steffanys Sohn Carl August Christian ein, der als Zimmergeselle eine Arbeitsmöglichkeit in Berlin suchte. In diesem Brief vom 1. April 1802 bezeichnete er Steffany als einen unserer tüchtigen Geschäftsmänner, der subalternen Klasse (WA IV 16, 63). Über die amtlichen Kontakte hinaus verband sie kein engeres persönliches Verhältnis. – Insgesamt sind elf Briefe Goethes an Georg Christoph Steffany in die WA aufgenommen worden, die vorwiegend amtlichen Charakters sind. Eine Vielzahl anderer amtlicher Schreiben ließe sich in den Aktenfaszikeln des LATh – HStA Weimar auffinden. Ähnliches gilt für die Briefe Steffanys an Goethe, von denen 27 aus einem Zeitraum zwischen 24. Juni 1797 und 21. Juni 1803 in der RA erfasst sind.
MÄRZ 1798
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68,14–15 wie Sie sich befinden] Steffany litt seit 14 Tagen an einer Unpässlichkeit und konnte die Geschäfte nur von zu Hause aus leiten. – An seinem Zustand hatte sich noch nichts gebessert, als er seinen Antwortbrief an Goethe schrieb. 68,15 einen Aufsatz] Hier im Sinne eines schriftlich niedergelegten Dokuments mit offiziellem, geschäftlichem Charakter (vgl. GWb 1, 1003), das Instruktionen für Steffany bezüglich des Oberroßlaer Gutskaufes enthielt. Der Aufsatz ist in verschiedenen Fassungen erhalten (vgl. Überlieferung zu Nr 52): als Konzept mit egh. Korrekturen in Goethes Akten (vgl. GSA 30/44, Bl. 45) mit egh. Vermerk An den Bauverw. Steffany abgegeben. dl. 16 Merz 1798 (ebd.), als Reinschrift von Schreiberhd, die an die Fürstliche Baukommission gelangte (vgl. zu 69,1, dort abgedruckt: 70,10–71,23) sowie als Abschrift, die sich inhaltlich nicht von der Reinschrift unterscheidet (vgl. GSA 30/39, Bl. 30f.). Wahrscheinlich erhielt Steffany das Konzept, da Goethe im Brief darauf hinweist, dass er eine Ausfertigung nach Sichtung des Textes anfertigen lassen würde. 68,16 Fürstl Commission] Da es sich bei dem Oberroßlaer Gut um ein dem Landesherrn unterstelltes Lehngut handelte, war die Fürstliche Kommission für den formalen Versteigerungsvorgang zuständig. Nachdem die Besitzer des Gutes im April 1796 um eine freiwillige Versteigerung nachgesucht hatten, beauftragte Herzog Carl August den Regierungs- und Oberkonsistorialrat Friedrich Heinrich Gotthelf Osann mit der Leitung des so genannten Subhastations- und Adjudikationsverfahrens (vgl. LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4312, Bl. 1). Die Kommission begleitete nachfolgend das gesamte Versteigerungsverfahren und den anschließenden Aushandlungsprozess zu den Konditionen der Gutsübergabe. Sie stellte somit eine vermittelnde Instanz zwischen den verschiedenen Parteien – den Verkäufern, der bisherigen Pächterfamilie und dem Käufer – dar. 68,16–17 Haben Sie nichts dabey zu erinnern] Steffany hatte in seinem Antwortbrief vom 16. März „vorjezt weiter nichts zu erinnern“ (H: GSA 30/39, Bl. 21). Er reichte Goethes Aufsatz jedoch an den Vorsitzenden der Fürstlichen Kommission Friedrich Heinrich Gotthelf Osann weiter, der diesen noch am selben Tag nebst einem Brief mit Hinweisen und Erläuterungen zum weiteren Vorgehen an Goethe zurücksandte (vgl. RA 2, Nr 1188). In diesem privaten Schreiben, das Osann nicht in offizieller Funktion als Kommissionsvorsitzender verfasste, erklärte er bereits seine Absicht, eine Verordnung an die Pächterin und Mitbesitzerin des Gutes, Johanne Marie Hofmann, zu erlassen sowie Goethes Vorschläge und Forderungen den anderen Mitbesitzern zur Kenntnis zu bringen. 68,18–19 am Schlusse den Auftrag noch 〈…〉 erweitern werde] Im neunten Punkt des Aufsatzes wird bei eventuell eintretenden „Hinderungen und Weiterungen“ (H: GSA 30/44, Bl. 45) darauf hingewiesen, dass Goethe Steffany entsprechend instruieren würde. Auf einem undatierten Blatt sind von Schreiberhd weitere Aufgaben für Steffany aufgelistet, u.a. auch der Auftrag, Kopien der Flurkarten und
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BRIEFE 51/52
eine genaue Beschreibung der Güte der Felder anfertigen zu lassen (vgl. ebd., Bl. 48–49; vgl. zu 82,5–6). 68,20 Fischer von Oberweimar hat auch geboten] Neben der bisherigen Pächterin Johanne Marie Hofmann, die am 12. März das Angebot unterbreitete, auf drei Jahre jährlich 375 Taler Pacht zu zahlen (vgl. GSA 30/44, Bl. 41), war auch Johann Friedrich Fischer, bisher Pächter des kleinen Prieserischen Gutes in Oberweimar, an einer Pacht des Gutes in Oberroßla interessiert. Unter ein Schreiben Fischers vom 12. März, in dem er seine Eigentumsverhältnisse darlegt, notierte Goethe egh.: Mündlich bot die Frau 400 rh / G / Am 14 ten März bot der Mann 450 rh / G (ebd., Bl. 40). Fischer und seine Ehefrau Johanna Christiana Maria standen mit Christiane Vulpius sowie ihrer Halbschwester Ernestine in Kontakt. Christiane Vulpius setzte sich in der Folgezeit für die Fischers als Pächter ein, die schließlich auch den Zuschlag erhielten.
51. An Georg Christoph Steffany
〈Weimar〉, 16. März 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 30/39, Bl. 29, 32. – Doppelblatt 17,4 × 21 cm, ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (vgl. Überlieferung zu Nr 49). E: WA IV 13 (1893), 94, Nr 3753 (Eduard von der Hellen). BEIL AG EN
1) Aufsatz in Abschrifft (vgl. zu 69,1). 2) Pachtcontract (vgl. zu 69,3). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Steffanys Brief vom 16. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1190). – Ein Antwortschreiben ist nicht bekannt, die nächsten Absprachen erfolgten wohl mündlich (vgl. zu 69,5). 69,1 Aufsatz in Abschrifft] Vgl. die unter Nr 52 abgedruckte Beilage, 70,10– 71,23). 69,2 kurzen Schreibens] Vgl. Steffanys Brief im Auftrag Goethes an die Fürstliche Kommission vom 16. März (Nr 52). Das Schreiben ist in der Kommissionsakte vor dem Aufsatz in Abschrifft (vgl. die vorangegangene Erläuterung) eingeordnet (vgl. LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4314, Bl. 181). 69,2 Fürstl Commission] Vgl. zu 68,16.
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69,3 Pachtcontract] Der Pachtvertrag zwischen den Besitzerinnen des Oberroßlaer Gutes, Eva Maria Slevoigt, Dorothea Elisabetha Crahmer, Maria Magdalena Schlütter und dem Mitbesitzer sowie Pächter desselben Johann Caspar Hofmann war am 23. April 1783 geschlossen worden. Die Ausfertigung des Schriftstückes mit der Inventarliste von 1783 ist in Goethes Akten zum Oberroßlaer Freigut überliefert (vgl. GSA 30/45, Bl. 25–32). Dieser mehrere Jahre nach Pachtbeginn verfasste Vertrag, der nur ein unvollständiges Inventarium enthielt, sollte eine Lösung der Konflikte zwischen den damaligen Mitbesitzern und dem Pächter Hofmann herbeiführen. Enthalten sind u.a. die Erklärung des Ehepaares Slevoigt mit Einwänden gegen den Pachtvertrag und das Inventarium, wodurch Goethe sowohl Einblick in die Unstimmigkeiten zwischen den Parteien als auch in die Unzulänglichkeiten des Pachtvertrages erhielt. Durch die Ungenauigkeit des Contracts waren die Eigentumsverhältnisse vieler Einrichtungsgegenstände und landwirtschaftlicher Gerätschaften nicht dokumentiert. 69,3 Copie] Eine beglaubigte Abschrift des Pachtvertrages befindet sich in den „Acta privata das Freyguth zu Ober Roßla betrL. 1798“ (vgl. GSA 30/44, Bl. 29–36). 69,4 Ihr Uebel] Noch am 19. März konnte Steffany aus Krankheitsgründen das Haus nicht verlassen. 69,5 besuche ich Sie] Goethe besprach am 19. März Belange des Gutskaufs mit Steffany (vgl. GT II 1, 237).
52. Georg Christoph Steffany an Friedrich Heinrich Gotthelf Osann Weimar, 16. März 1798 → 〈Weimar〉 ÜBER L IEF ERU NG
1) Brief: H: LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4314, Bl. 181, 184. – Doppelblatt 20,6(–21,2) × 34,1 cm, 2 S. beschr., egh. (Steffany), Tinte; S. 4 Adresse: Dem Wohlgebohrnen und Hochgelahrten / Herrn, Herrn Friedrich Heinrich Gotth. / Osann, Herzogl. Sächsl. Weimarischen / hochbestallten Regierungs- und OberCon/sistorial-Rath, als zur Sache gnädigst / verordneten Commissario / meinem insonders zu ehrenden Herrn / Weimar.; Reste eines roten Siegels; Bl. 2 Papierausriss durch Öffnen des Siegels; S. 1 oben Eingangsvermerk: „eingeg. d. 26 März 1798“. – In einem gebundenen Konvolut mit der Aufschrift: „Vol: III / Acta Commissionis / ulterius continuata / die Subhastation und Adjudication des LehnGuths zu Ober.Roßla. betrL: / Weimar. 1797. 98“. Ungedruckt. 2) Beilage: LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4314, Bl. 182–183. – Doppelblatt 20,9(–21,5) × 34,1 cm, 2 2⁄3 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist),
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BRIEF 52
Tinte; S. 1 oben mittig über rechter Spalte von anderer Hand, Tinte: „A“. – In einem gebundenen Konvolut (vgl. Überlieferung zu H). K: GSA Weimar, Sign.: 30/44, Bl. 45, 66. – Doppelblatt 21 × 35,1 cm, 2 S. einspaltig rechts beschr., Ergänzungen in der linken Spalte, Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII); S. 1 unten links egh.: An den Bauverw. Steffany / abgegeben dl. 16 Merz / 1798. / G. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (112 Bl.) mit der Aufschrift: „Acta privata / das Freyguth zu Ober Roßla / betrL: / 1798.“; darüber mit blauem Buntstift von späterer Hd: „O.-Ross.VI.“ E: Doebber, Ober-Roßla, 199f. WAN 1 (WA IV 51 [1990]), 132f., Nr 3753B. BEIL AG E
Original-Beylage (vgl. zu 69,19). ERL ÄUT ERUNGEN
Goethe beauftragte Steffany mit dem Brief am 16. März 1798 (vgl. Nr 51). – Die Fürstliche Kommission antwortete Steffany am 17. März 1798 (vgl. LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4314, Bl. 187). 69,14 Das Hofmann- und Crahmerische Freiguth zu Ober-Roßla] Unter diesem Namen firmierte das Gut, bevor es in Goethes Besitz überging (vgl. zu den Besitzverhältnissen zu 65,4–5). 69,15 vor kurzem] Steffany hatte am 8. März 1798 als Beauftragter Goethes den Zuschlag für das Gut erhalten (zum Verfahren vgl. zu 68,5–6). 69,17 von Hochdenenselben fernerweit instruirt] Den Auftrag erhielt Steffany in Goethes Brief vom 16. März 1798 (vgl. 69,1–2). 70,1 Hoher Resolution] Das auf den 17. März datierte Antwortschreiben der Fürstlichen Kommission an Steffany erhielt dieser am 19. März (vgl. Ausgangsvermerk auf LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4313, Bl. 187). Darin wurde ihm mitgeteilt, dass Briefe an die Interessenten, und im Besonderen an Johanne Marie Hofmann, wie unter Punkt 3 und 4 der Beilage erbeten, abgegangen seien (vgl. ebd.). 70,14 Adjudicationstermin] Vgl. zu 68,6–7. 70,15 sämmtliche Interessenten] Zu den vier Besitzparteien vgl. zu 65,4–5. 70,16 Johannis] 24. Juni 1798. Die Übergabe fand schließlich an den Tagen zuvor, am 22. und 23. Juni 1798, statt (vgl. zu 68,10). 70,17 ihr Recht] Vgl. zu 68,3–4. – Die Fürstliche Kommission reagierte auf Goethes Forderungen am 17. März 1798 mit einer Kommissarischen Verordnung an alle Teilhaber des Oberroßlaer Gutes. In dieser wurden Goethes Vorschläge und Forderungen vorgebracht sowie seine Instruktionen in Abschrift beigefügt. Wegen des Verzichtes auf das Recht, das Gut noch zum Adjudikationstermin selbst zu erste-
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hen, wurde eine Erklärung der Interessenten binnen 14 Tagen gefordert. Ein Stillschweigen bis zum Fristablauf kam einer Zustimmung zu den genannten Vorschlägen gleich (vgl. LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4314, Bl. 188–190). 70,19 renunciren] Von lat. renuntiare: verzichten (vgl. GWb 7, 424). 70,19–20 neuen Verpachtung] Die Dringlichkeit des unter 3. formulierten Punktes unterstreichen die zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden Pachtangebote von Johanne Marie Hofmann, der bisherigen Pächterin des Oberroßlaer Gutes, und von Johann Friedrich Fischer, der letztlich den Zuschlag erhielt. 70,22 Wittwe Hofmannin] Johanne Marie Hofmann war seit Juli 1797 verwitwet. Ihr Ehemann Johann Caspar Hofmann war Mitbesitzer und zugleich Pächter des Oberroßlaer Gutes. Sein Erbteil ging auf die gemeinsamen Kinder, Wilhelm Christian, Ernst August, Johanna Ernestina Rosina, bzw. auf den Vormund der beiden noch unmündigen Kinder über. Die Witwe führte die Gutspacht bis Johanni 1798 fort. Johann Caspar Hofmann hatte bereits im Januar 1797 gebeten, das Gut auf 15 Jahre für 348 Taler jährlich zu pachten (vgl. GSA 30/39, Bl. 2) und zugleich versucht, das Gut selbst zu ersteigern. Nach seinem Tod setzte seine Frau die Kaufbestrebungen fort und richtete im August 1797 ein Gesuch an Goethe. Sie bat ihn, sich aus dem Versteigerungsverfahren zurückzuziehen und damit ihr und ihren Kindern das Gut zu überlassen (vgl. GSA 30/39, Bl. 12–13). Goethe schrieb am 10. August 1797 an Christian Gottlob Voigt, dass er darauf nicht eingehen werde (vgl. WA IV 12, 222f.). 70,23–24 Brennerey] Eine zum Gut gehörige Branntweinbrennerei, die der künftige Pächter weiter betreiben sollte. Die dazu benötigten Utensilien wurden nicht im Pachtvertrag aufgeführt, so dass die Pächterfamilie diese als ihr Eigentum deklarieren konnte. 70,27 Verfügung] Von der Fürstlichen Kommission wurde u.a. verfügt, dass die Interessenten, insbesondere Johanne Marie Hofmann, „keine Veränderung an und in den erstandenen Guths-Gebäuden vorzunehmen“ (H: LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4314, Bl. 189) hätten. „Dagegen wird denselben aufgegeben wegen dieser Ansprüche, binnen 4. Wochen ein gütliches Abkommen unter sich zu treffen und wie solches geschehen, anher anzuzeigen“ (ebd.). In einem weiteren, ausschließlich an die Pächterin Johanne Marie Hofmann adressierten Erlass, wurde diese nochmals gesondert aufgefordert, „die Pachtbedingungen genau zu erfüllen und überhaupt weder selbst noch durch andere zum Nachtheil der Guths-Wirthschaft etwas zu unternehmen, oder unternehmen zu laßen“ (H: GSA 30/44, Bl. 56; vgl. auch LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4314, Bl. 186). 71,1 allenfalsigen] Eine vorwiegend in Briefen gebrauchte Form für ‚etwaig, eventuell‘ (vgl. GWb 1, 360). 71,3 beym Abgange] Offensichtlich war Goethes Entscheidung gegen eine erneute Verpachtung an die Familie Hofmann bereits gefallen, wie es seine missbilligenden Ausführungen unter den Punkten 4, 5 und 6 nahelegen. Der Kommissionsvorsit-
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BRIEF 53
zende Osann favorisierte hingegen die Fortsetzung der Pacht durch Johanne Marie Hofmann, da ihr diese „wohl zu gönnen wär und 〈…〉 auch ohne Remis Gefahr zu besorgen“ sey (H: GSA 30/44, Bl. 47). 71,4–5 die nöthigen Vorkehrungen zu erbitten] Die Kommission verfügte diesbezüglich gegenüber der Pächterin Hofmann, „daß bey dem Abgange aus dem Pachte alles an Stroh, Dünger, geschlagenen Holze und dergL. auf dem Guthe zurückgelaßen werde, so wie überhaupt, daß Vorkehrungen getroffen werden möchten, welche den Herrn Käufer hierunter vollkommen sicher stellten.“ (H: GSA 30/44, Bl. 54v–55r.) 71,7–8 auf Treue und Glauben, inne gehabt] Diese Äußerung wird durch den Pachtbrief vom 23. April 1783 (vgl. zu 69,3) gestützt, in dem es fast 15 Jahre vor Goethes Gutserwerbung hieß, es seien über die Gutspacht von Herrn Johann Caspar Hofmann „allerley Irrungen erwachsen, welche um so mehr zu grosen Weiterungen hätten ausschlagen können, als lezterer gedachtes Guth nun schon seit langen Jahren ohne Pachtbrief, auf blose mündliche Verabredung mit denen zum Theil verstorbenen Mittheilhabern, in Pacht gehabt;“ (H: GSA 30/45, Bl. 25). 71,8–9 als unzulänglich getadeltes Inventarium] Das „Inventarium / des Lehn Guths zu Ober-Roßla, wie solches dessen ieziger Pachter, Herr Johann Caspar Hofmann daselbst, bey seinem Abzug zu gewähren hat“ vom April 1783 (H: GSA 30/45, Bl. 30–31) verzeichnet den Bestand „An Viehe“, „An Schiff und Geschier“, womit das für die Bewirtschaftung des Gutes notwendige mobile Zubehör gemeint ist, sowie den Bestand „An Saamen Getreyde“ (ebd., Bl. 30). Unter einem letzten Punkt sind Anweisungen bezüglich des Feldbaus vermerkt (vgl. ebd., Bl. 30–31). Die Angaben waren jedoch unvollständig und ungenau. Goethes Kritik wird durch ein Schreiben der Mitbesitzerin Eva Maria Slevoigt und ihres Mannes, des Pfarrers Christlieb Slevoigt, gestützt. Sie wiesen bereits am 18. Mai 1783 darauf hin, dass in ein „ordentlich Inventarium Land“ üblicherweise die Anzahl der verschiedenen Bäume in den Gärten und an den Wiesen sowie die Auflistung der Felder und Gärten gehörten (vgl. GSA 30/44, Bl. 34). Aufgrund des unvollständigen Inventariums, das als maßgebliche Grundlage der Gutsübergabe diente, entstand Unstimmigkeit hinsichtlich der Besitzverhältnisse einiger Gegenstände. Zudem war es damit schwer nachvollziehbar, ob die vormaligen Pächter ihren Verpflichtungen hinsichtlich einer einträglichen Bewirtschaftung der Ländereien nachgekommen waren und in welchem Zustand sie diese sowie das Gut selbst zu hinterlassen hatten. 71,9–10 der bisher bestandene Pachtcontract] Vgl. die erste und zweite Erläuterung zu 69,3. 71,11–12 besondere eigne Güther in der Fluhr] Die Hofmann’sche Familie hatte nicht nur das Oberroßlaer Lehn- und Freigut gepachtet, sondern besaß und bewirtschaftete noch einen zweiten Hof, der dem Freigut direkt gegenüberlag. Die dazugehörigen Ländereien grenzten teilweise direkt an die Besitzungen des Freigutes
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(vgl. GSA 30/44, Bl. 19–24, Bl. 27–28). Aus diesen zwei in unmittelbarer Nähe befindlichen Gutswirtschaften der Hofmanns erwuchsen zahlreiche Probleme im Hinblick auf die Übergabe des Freigutes an Goethe. Der Kommissionsvorsitzende Osann gab diesbezüglich Folgendes zu bedenken: „Die damalige doppelte Wirthschaft wird, wie wohl anzunehmen ist, hauptsachL. von dem Guthe unterhalten, das hingegen was auf dem Eigenthum des Pachters wächst, – gutgeacht.“ (H: GSA 30/44, Bl. 47.) Der Verdacht lag nahe, dass die Familie nicht gründlich zwischen den verschiedenen Besitz- und Wirtschaftsverhältnissen unterschied (vgl. auch Doebber, Ober-Roßla, 202). Um seinerseits Nachteile zu vermeiden, forderte Goethe eine genaue Einsicht in die Hofmanische Wirthschafft 〈…〉, denn ohne Kenntniß beyder Güther läßt sich eine S e p a r a t i o n nicht denken (H: GSA 30/39, Bl. 84; vgl. auch Doebber, Ober-Roßla, 206).
53. An Johannes Daniel Falk
Weimar, 16. März 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GMD, Sign.: NW 2228/1996. – 1 Bl. 18,5(–18,7) × 27,9 cm, 1 S. beschr. Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Unterschrift, Tinte. K: GSA Weimar, Sign.: 28/20, Bl. 108. – 1 Bl. 20,1 × 33,2 cm, 4⁄5 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. (?) Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte. – In einem gebundenen Faszikel (vgl. Überlieferung zu Nr 6). E: WA IV 13 (1893), 94f., Nr 3754 (Eduard von der Hellen; nach K). BEIL AG E
Lustspiel (vgl. zu 71,25). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Falks Brief, der vor dem 16. März 1798 verfasst worden war (vgl. RA 2, Nr 1185). – Falk antwortete nach dem 16. März (vgl. RA 2, Nr 1191). Johannes Daniel Falk (1768–1826) wurde als zweites von sieben Kindern des Perückenmachers Johann Daniel Falk und seiner Frau Constantia geb. Chaillou in Danzig geboren. Entgegen dem Wunsch des Vaters trat er nicht in den elterlichen Handwerksbetrieb ein, sondern absolvierte das Akademische Gymnasium in Danzig. 1791 erhielt er durch ein Stipendium des Danziger Stadtrats die Möglichkeit, an der Universität Halle Theologie zu studieren, wandte sich aber bald der Philologie und Altertumswissenschaft zu. Als Falk im Juli 1792 erstmals nach Thürin-
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gen reiste, suchte er vor allem die persönliche Bekanntschaft mit den berühmten Dichtern in Jena und Weimar: Es kam zu Begegnungen mit Friedrich Schiller in Jena, mit Goethe in Weimar. Weitere Reisen nach Thüringen in den Jahren 1794 und 1796 führten außerdem zu einer ersten Bekanntschaft mit Herder und Wieland, zu denen sich nach Falks Übersiedlung nach Weimar 1797 enge Freundschaften entwickelten. Ab 1794 trat Falk mit eigenen literarischen Texten an die Öffentlichkeit. Durch Beiträge u.a. in dem von Johann Heinrich Voß herausgegebenen „Musen-Almanach“ oder in Wielands „Neuem Teutschen Merkur“ machte er sich als satirischer Dichter einen Namen. Wielands positive Rezensionen im „Neuen Teutschen Merkur“ trugen dazu bei, dass sich sein Ruf als Satiriker festigte. 1797 beendete Falk sein Studium in Halle und zog im Herbst desselben Jahres mit seiner frisch angetrauten Ehefrau Caroline, geb. Rosenfeld, nach Weimar. Schreibend verdiente er sich nun den Lebensunterhalt. In den Jahren 1797 bis 1803 gab er sieben Bände des „Taschenbuchs für Freunde des Scherzes und der Satire“ heraus, in denen er seine politische und literarische Gegenwart satirisch verarbeitete. – Über seine Begegnung mit Goethe 1794 berichtete Falk seinem Bruder David Wilhelm in einem Brief vom 8. Februar 1795: „Ein mehr angebohrner als angenommener Ernst, erweckt in jedem der mit ihm spricht ein gewisses Gefühl von Hochachtung ich möchte beynahe sagen von Ehrfurcht; das aber keinesweges zurückstossend ist Ich hätte ihn ehr für einen biederherzigen Amtman als für den großen Schriftsteller gehalten, auf den unser Vaterland nicht ohne Ursache stolz seyn darf. – Er empfing mich freundschaftlich und wir sprachen über eine Stunde miteinander.“ (H: GSA 15/I,2 A4; vgl. auch Demandt, Falk, 146.) In seiner ersten Weimarer Zeit verhielt sich Falk gegenüber Goethe und Schiller noch ehrerbietig, da er auf die Protektion der beiden für seinen weiteren Aufstieg als Schriftsteller angewiesen zu sein glaubte (vgl. Demandt, Falk, 295). Je mehr sich Falk Wieland und Herder freundschaftlich anschloss, um so loser wurde die Verbindung zu Goethe und Schiller. Ausdruck dieser Distanz war u.a. Falks Stück „Der Jahrmarkt zu Plundersweilern. Parodie des Göthischen“, die im fünften Band des „Taschenbuchs für Freunde des Scherzes und der Satire auf das Jahr 1801“ erschien (Weimar 1800, S. 307–398). Zu einer freundschaftlichen Annäherung mit Goethe kam es seit 1803 bis etwa 1813. In dieser Zeit war Falk des Öfteren bei Goethe zu Gast und tauschte sich mit ihm über gemeinsame Interessensgebiete wie Literatur, Theater, aber auch naturwissenschaftliche Themen wie Mineralogie oder Goethes Farbenlehre aus. Goethe forderte ihn zu Rezensionen für die „Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung“ auf. Gleichwohl gab es auch Differenzen zwischen den beiden. 1804 kam es durch die Aufführung von Falks Lustspiel „Die Prinzessin mit dem Schweinerüssel“ zu einem Eklat zwischen Falk und den Schauspielern des Weimarer Hoftheaters, was zum Verbot der Aufführung des Stücks durch Goethe und beinahe zu einem Landesverweis Falks führte. Nach Falks verdienstvollen Bemühungen während der französischen Besatzungszeit, die ihm den Titel eines Legationsrates einbrachten, wur-
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den seine Besuche bei Goethe wieder häufiger. 1807 stand Goethe Pate bei seiner Tochter Eugenie. Seit Mai 1813 setzte sich Falk, der in diesem Jahr vier seiner sieben Kinder verlor, zunehmend für in den Kriegswirren verwaiste oder obdachlos gewordene Kinder ein und gründete die „Gesellschaft der Freunde in der Not“. Im Falk’schen Institut kümmerte er sich um Mädchen und Jungen aller Altersgruppen und vermittelte ihnen Ausbildungsberufe bzw. die Möglichkeit einer Schulbildung. Goethe stand dem sozialpädagogischen Einsatz Falks mit Hochachtung gegenüber. Als Falk 1826 starb, versicherte er dem Falk-Biographen Heinrich Döring auf dessen Anfrage, dass er bereit sei, einem so vorzüglichen Manne ein würdiges Denkmal (WA IV 41, 272) zu setzen. Tatsächlich verhielt es sich schließlich umgekehrt, indem nach Goethes Tod 1832 Falks Gesprächssammlung „Göthe aus näherm persönlichen Umgange dargestellt. Ein nachgelassenes Werk“ veröffentlicht wurde. Es handelte sich hier um die erste Zusammenstellung von Gesprächen über Goethe mit anderen Zeitgenossen. – Insgesamt sind zwölf Briefe Goethes an Falk aus dem Zeitraum von 1798 bis 1814 überliefert. Von Falks Briefen an Goethe sind 18 Briefe aus den Jahren 1798 bis 1824 bekannt. Der vorliegende Brief ist der erste Brief der Korrespondenz zwischen Goethe und Falk. Er zeigt noch ungleiche Briefpartner, deutet aber bei aller Distanz auch Wohlwollen von Goethes Seite an. 71,25 Das Lustspiel] Falk hatte Goethe einen „unvollkommenen Versuch“ in der dramatischen Gattung gesandt und ihn um sein Urteil gebeten, das ihm mehr wert sei „als ein halbes Dutzend gelehrte Recensionen“ (H: GSA 28/20, Bl. 99; vgl. auch WA IV 13, 387). Es dürfte sich um jenes Stück handeln, von dessen Entstehung Falks Frau Caroline an ihre Mutter Elisabeth Rosenfeld am 30. November 1797 nach ihrer Ankunft in Weimar im Herbst 1797 berichtete: „Wir leben recht vergnügt zusammen, Falk arbeitet jetzt an ein Lustspiel was er vielleicht nach Weinachten hier aufführen läst, sagen Sie dies aber keinen, ich will nur wünschen, daß es ihm geräth, er arbeitet sehr fleißig daran 〈…〉.“ (H: GSA 15/1,1 B,3; vgl. auch Katrin Horn: Caroline Falk – die ersten Weimarer Jahre in den Briefen an ihre Mutter Elisabeth Theodore Rosenfeld. In: Falk-Jahrbuch 2004/2005. Vorträge, Forschungsergebnisse, Falk-Abende. 2., korrigierte Auflage, S. 37–51, hier S. 46.) – In der Sekundärliteratur wurde der Titel des Stückes wiederholt mit „Othas“ bezeichnet (erstmals Siegmar Schultze: Falk und Goethe. Ihre Beziehungen zu einander nach neuen handschriftlichen Quellen. Halle a. S. 1900, S. 28; auch in RA 2, Nr 1185). Diese Annahme wird aber durch keine Quelle gestützt. Über den Titel, den Inhalt oder den Verbleib des Stückes ist Näheres nicht bekannt. In späterer Zeit veröffentlichte Falk einige Lustspiele, so z.B. „Das Gedicht, oder die junge Schweizerinn. Ein Lustspiel in zwey Aufzügen“ (Wien 1800). In einigen Stücken verarbeitete er antike Stoffe, wie etwa in „Prometheus“ (1803) oder in „Amphitryon“ (1804). 71,28 artige] Im Sinne von ‚Gefallen erregend‘ (GWb 1, 840).
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72,1–2 dem Ganzen fehlt es aber an einer fortschreitenden Handlung] Falk hatte in seinem Brief betont, dass er es von Goethes Urteil abhängig machen würde, ob das Stück „auf das hiesige, oder vielmehr auf irgend ein Theater kommen soll“ (H: GSA 28/20, Bl. 99). Auf Goethes hier vorgebrachte Kritik antwortete er, dass er das Stück „nie anders als einen ersten Wurf betrachtet“ (ebd.) habe. 72,4 Lassen Sie es bey diesen meinem einzelnen Urtheil nicht bewenden.] In seinem Antwortbrief versprach Falk, Goethes Rat zu befolgen und „diesen Versuch Mehreren zur Beurtheilung vorzulegen“ (H: GSA 28/309, Bl. 10). Wem er das Stück zeigte und wie die Reaktion ausfiel, ist nicht bekannt. Vgl. dazu die folgende Erläuterung. 72,5 Sie stehen mit mehrern Personen in Verhältniß] Goethe wird hier vor allem Christoph Martin Wieland im Blick gehabt haben, der in Weimar als Falks größter Förderer galt. Wielands positive Rezensionen von Falks Werken im „Neuen Teutschen Merkur“ hatten maßgeblich zu dessen Bekanntheit beigetragen. Falk legte ihm häufig seine Werke vor ihrer Veröffentlichung zur Beurteilung vor. Da Wieland und seine Frau während der Osterfeiertage des Jahres 1798 bei Falk vom 7. bis 11. April Quartier bezogen, ist es möglich, dass ihm Falk das Stück zu diesem Zeitpunkt vorstellte. Näheres ist dazu nicht bekannt. Als weitere potentielle Kritiker kommen Johann Gottfried Herder sowie Carl August Böttiger in Betracht, mit denen und deren Familien das Ehepaar Falk freundschaftlich verkehrte. Seit ihrer Ankunft im Herbst 1797 hatte das Ehepaar Falk schnell Anschluss an literarische Kreise Weimars gefunden. – Auf wen Goethe hier eventuell noch anspielt, ist nicht bekannt. Intensiven geistigen Austausch über seine Texte führte Falk darüber hinaus mit seinem Studienfreund, dem späteren Dorpater Altphilologen Karl Morgenstern. Auch Ludwig Gleim war für Falk in dieser Angelegenheit ein entscheidender Gesprächspartner und zugleich wichtiger Mäzen. Es findet sich kein Hinweis über eine Aufführung des Stücks.
54. An Friedrich Schiller
Weimar, 17. März 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 86. – Doppelblatt 18,9(–19,1) × 22,8 cm, 2 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 153–155, Nr 444. WA IV 13 (1893), 95–97, Nr 3755.
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BEIL AG EN
Briefe (vgl. zu 72,17). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Briefe vom 14. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1181) und 16. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1189). – Eine Antwort Schillers unterblieb, da Goethe am 20. März 1798 nach Jena reiste (vgl. zu 72,11–12). Postsendungen: 17. März 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430); 17. März 1798 (Briefe nach Jena; GR/RB 1798, 1, Bl. 5v). 72,11–12 wieder zusammen befinden] Goethe reiste am 20. März nach Jena, wo er sich bis zum 6. April aufhielt (vgl. GT II 1, 237–240). 72,12–13 die Geschäffte 〈…〉 sind im Gange] Zu diesen gehörten der Ankauf des Gutes in Oberroßla, die geplante Bebauung der Straße am Erfurter Tor, die durch den Stollenbruch im Ilmenauer Bergwerk erforderlich gewordenen Baumaßnahmen, Bibliotheksangelegenheiten sowie die Regelung der Pensionszahlungen an Carl Ludwig von Knebel. 72,15 die Jenaische absolute Stille und Ihre Nähe] Neben den täglichen Arbeitsgesprächen mit Schiller suchte Goethe in Jena vor allem die Tages-Einsamkeit des Jenaischen Schlosses (an Schiller, 9. Dezember 1797; WA IV 12, 374). Wie er gegenüber Schiller ausführte, gehörte es zu seinen Grunderfahrungen, dass er nur in einer absoluten Einsamkeit arbeiten könne, während die häusliche Gegenwart geliebter und geschätzter Personen seine poetische Quellen gänzlich ableitet (ebd., 374f.; vgl. zu 80,27). 72,17 ein paar wunderliche Briefe] Nicht ermittelt. 72,21 französischen Aufsatz über Herrman] Johann Gottfried Schweighäusers in französischer Sprache verfasste Rezension von Goethes Epos war unter dem Titel „Hermann und Dorothea, Poëme de M. Goethe. Imprimé à Berlin, chez Vieweg, sous forme d’Almanac, pour l’année 1798“ im „Magasin encylopédique ou Journal des Sciences, des Lettres et des Arts“ (3ième Année, T. V, Paris 1797, S. 216–228) erschienen. Wahrscheinlich hatte Goethe die Rezension über Carl August Böttiger erhalten, der als Beiträger des „Magasin encyclopédique“ mit dessen Herausgeber Aubin Louis Millin in Verbindung stand. Millin hatte Böttiger am 20. Februar 1798 den Text übersandt und darum gebeten, diesen an Goethe weiterzuleiten (vgl. Geneviève Espagne und Bénédicte Savoy [Hrsg.]: Aubin-Louis Millin et l’Allemagne. Le Magasin encyclopédique – Les lettres à Karl August Böttiger. Hildesheim 2005, S. 333f. und 335). Zum Dank widmete Goethe Millin ein Exemplar von „Herrmann und Dorothea“, das Böttiger nach Paris schickte: „Die mit Ihrer eigenen Handschrift geschmückte Dorothea wandert jetzt schon zu den Bürger Millin, den sie zuverlässig sehr glücklich machen wird.“ (Brief Böttigers an Goethe, 21. März 1798; H: GSA 28/20, Bl. 117; vgl. RA 2, Nr 1197.) Dieses in der
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Universitätsbibliothek Basel überlieferte Exemplar trägt Goethes eigenhändige Widmung: Dem Bürger Millin / der Verfasser. / Weimar den / 17. März 1798. (Sign.: UBH AN VI 224); zu Millins Dank vgl. Goethe-Meyer 2, 42). – Der über Böttiger erhaltene und an Schiller übersandte Druck ist vermutlich in Goethes Nachlass erhalten (GSA 25/W 3806, Bl. 9–15). Darüber hinaus ist Schweighäusers Rezension in Goethes Nachlass in zwei weiteren Drucken überliefert: einem Sonderdruck mit persönlicher Widmung, den Goethe mit Schweighäusers Brief vom 7. April 1798 erhielt (vgl. RA 2, Nr 1236 und Ruppert, Nr 1951) und für den er sich später beim Autor bedankte (vgl. Nr 77) sowie einem weiteren, möglicherweise über Wilhelm von Humboldt erhaltenen Sonderdruck (vgl. GSA 25/W 3806, Bl. 3–8). 72,22 mit Ihren Augen] Goethe hatte die Rezension am 14. März zur Beurteilung an Schiller gesandt (vgl. zu 66,15). Schiller hatte Goethe daraufhin noch am selben Tag geantwortet, dass ihm der „Discours über Herrmann und Dorothea 〈…〉 doch gar nicht übel“ gefalle: „wenn ich wüßte daß er von einem recht leibhaften Franzosen herrührte so könnte mich diese Empfänglichkeit für das Deutsche des Stoffes und das Homerische der Form erfreuen und rühren“ (NA 29, 219). 72,24–25 ein Deutscher wie ich wohl weiß] Der Beitrag war mit dem Kürzel „S......“ unterzeichnet, der Name des Verfassers wurde aber aus einer editorischen Anmerkung des Herausgebers Aubin Louis Millin ersichtlich, in der Schweighäuser als Sohn des Straßburger Gelehrten Johannes Schweighäuser vorgestellt wurde (ebd., S. 216f.). Möglicherweise war Goethe auch durch Carl August Böttiger oder durch Wilhelm von Humboldt über den Verfasser informiert. 72,26 Amalgam] Bezeichnet die Verbindung von Quecksilber und einem Metall, hier im übertragenen Sinne von ‚Gemisch von nicht Zusammengehörigem‘ (vgl. GWb 1, 440). 72,27 in verschiednen Fächern] In seiner Fußnote zu Schweighäusers Aufsatz hatte Millin auf Goethes vielfältige Interessen und seine naturwissenschaftlichen Abhandlungen aufmerksam gemacht (ebd., S. 216). 72,29 Die armen Berner] Im Versuch, den Vorstoß der französischen Invasionstruppen zu stoppen, waren die unter dem Oberbefehl von Karl Ludwig von Erlach stehenden Berner Truppen nach verlustreichen Gefechten unterlegen. Am 4. März 1798 hatte die Berner Regierung, die sich den Reformparteien bislang widersetzt hatte, kapitulieren müssen, und nach der am folgenden Tag stattfindenden Schlacht am Grauholz waren die Franzosen am Nachmittag des 5. März in Bern eingerückt. 72,30 Meyer] Goethes Kunstfreund Johann Heinrich Meyer stammte aus Stäfa, einem am rechten Ufer des Zürichsees im Kanton Zürich gelegenen Ort. Hier lebte seine Mutter Anna Dorothea. 73,5–6 Ein Glück daß wir in der unbeweglichen nordischen Masse stecken] Preußen hatte im April 1795 mit Frankreich einen Separatfrieden (Frieden von Ba-
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sel) geschlossen, der ihm Neutralität sicherte. Diesem Vertrag waren 1796 Kursachsen und seine Verbündeten, darunter das Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach, beigetreten (vgl. Hans Tümmler: Der Friede des klassischen Weimar. Wege und Erfolge weimarischen Friedensbemühens am Beginn der Hohen Klassik [1795/96]. In: GJb N. F. 10 [1947], 191–218). Der Friede hatte bis 1806 Bestand. 73,8–9 allerley fremdes an Planen, Aufsätzen und Einfällen] Zu den in Jena besprochenen Arbeiten zählten neben Schillers „Wallenstein“ die Cellini-Übersetzung und ein dazu geplanter Anhang, Johann Heinrich Meyers „Propyläen“-Aufsatz „Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst“, dessen Ausarbeitungen zur florentinischen Kunstgeschichte, der aus dem Briefwechsel mit Schiller hervorgegangene Entwurf „Ueber epische und dramatische Dichtung“ sowie Goethes eigene literarische Vorhaben „Weissagungen des Bakis“, „Achilleis“ und „Tell“ (vgl. GT II 1, 237–240). 73,10 nicht viel unter einem Ries Pappier] Dem Papiermaß ‚Ries‘ entsprachen 480 Bogen Schreibpapier. In scherzhafter Übertreibung dürfte Goethe damit Schillers Bitte vom 16. März beantwortet haben, „viel Geschriebenes, Schemata und Ausarbeitungen“ (NA 29, 221) mit nach Jena zu bringen. 73,11 Ihrer Herreise] Schiller hatte angekündigt, seinen geplanten Besuch in Weimar aufgrund von Kopfschmerzen und des rauen Wetters verschieben zu müssen. Er reiste erst am 1. Juni für einen Tag nach Weimar, um Meyers Arbeiten zu sehen (vgl. zu 65,29). 73,13 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller.
55. An Christiane Kotzebue
Weimar, 17. März 1798 → 〈Weimar〉
ZUR AD RESSATI N
Goethe schreibt, wie aus der Anrede hervorgeht, an die Mutter August von Kotzebues (vgl. 73,18), die verwitwete Legations Räthin (73,17) Christiane Kotzebue – nicht, wie in der WA angegeben (vgl. WA IV 13, 97) an Caroline Kotzebue. ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 29/63. – Doppelblatt 16,5 × 20,1(–20,3) cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte. – In einem nicht gehefteten Konvolut (64 Bl.) mit der Aufschrift: „Die Aufführung des Ion / von Schlegel / im Winter 1802 betrL. / ingL. / die verhinderte Ausführung / des von p Kotzebue / zu / Schillers NamensFest, 5 März 1802 / projectirten theatraliL. Festes / im WeimariL. Stadthauße / betrL.“
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E: WA IV 13 (1893), 97, Nr 3756 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christiane Kotzebues Brief vom 24. Februar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1162). – Christiane Kotzebue antwortete am 7. September 1798 (vgl. RA 2, Nr 1464). Christiane Kotzebue geb. Krüger (1736–1828) wurde als Tochter des Kaufmanns und Stadtkämmerers Johann Anton Krüger und dessen Frau Anna Elisabeth geb. Eilers in Wolfenbüttel geboren. 1757 heiratete sie den Braunschweiger Kanzleisekretär Levin Carl Christian Kotzebue, mit dem sie sich 1758 in Weimar niederließ. Der erste Sohn Carl Ludwig Anton war im Mai desselben Jahres in Wolfenbüttel geboren worden. Ihr Mann gehörte zur Personage, die die Herzogin Anna Amalia bei ihrer Verheiratung 1756 mit Herzog Ernst August II. von SachsenWeimar und Eisenach aus Braunschweig und Wolfenbüttel mitbrachte und die während ihrer Obervormundschaft wichtige Ämter übernahm. Carl Christian Kotzebue stieg in der Anfangsphase der Witwenregentschaft Anna Amalias zum sachsen-weimarischen Legationsrat und Geheimen Referendar der Herzogin auf. In dieser Funktion, bei der ihm u.a. die Kassenverwaltung oblag, nahm er beträchtlichen Einfluss auf die Regentin (vgl. Berger, Anna Amalia, 261). Christiane Kotzebue brachte drei Kinder zur Welt: Nach Carl wurde 1759 Caroline Amalie, später verheiratete Gildemeister, 1761 August Friedrich Ferdinand geboren. Wenige Monate nach Augusts Geburt starb der Vater. Über die Mutter und seine Weimarer Kindheit schreibt der jüngste Sohn 1796 in seiner autobiographischen Skizze „Mein literärischer Lebenslauf“: „Meine gute Mutter entsagte, als eine noch sehr junge Wittwe, manchem Reiz und manchem Genuß des Lebens, um sich ganz für die Bildung ihrer Kinder aufzuopfern. Sie besaß Geschmack, Belesenheit, zartes Gefühl, und einen reichen Schatz von duldender Mutterliebe;“ (August Kotzebue: Mein literärischer Lebenslauf. In: Ders.: Die jüngsten Kinder meiner Laune. Bd 5. Leipzig 1796, S. 123–243, hier S. 129). Die Mutter wohnte mit den Kindern zunächst im Gelben Schloss (heute Teil des Studienzentrums der Herzogin Anna Amalia Bibliothek), später in der Schlossgasse 6 und unterhielt ein bescheidenes, gastliches Haus, in dem Goethe nach seiner Ankunft in Weimar mehrmals verkehrte. Ihre finanzielle Situation war beschränkt: Augusts Studium in Jena und Duisburg wurde ihm von Verwandten ermöglicht, die ihn bei sich aufnahmen (vgl. Mathes, Kotzebues Briefe an seine Mutter, 305). Trotz der Abwesenheit des jüngsten Sohnes bestand durch den Briefwechsel eine wechselseitige Anteilnahme am Leben des jeweils anderen durch die gewechselten Briefe. Stolz berichtete der Sohn über seine Erfolge, die die Mutter dann in Weimar weiter verbreitete. Von seiner Heimatstadt verhieß er sich nichts Gutes: Noch 1791 hatte Kotzebue in einem Brief an die Mutter geklagt: „dort gefällt nichts was ich mache“ (ebd., 348). – 1798 wendet sich Christiane Kotzebue als
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Mutter des zu dieser Zeit schon berühmten Schauspieldichters August von Kotzebue (Adelsprädikat seit 1785) an den Schauspieldirektor Goethe. Ihre Briefe zeigen einen Charakterzug, den Goethe auch beim Sohn bemerkte und in „Biographische Einzelnheiten“ kritisierte: Kotzebue hatte bei seinem ausgezeichneten Talent in seinem Wesen eine gewisse Nullität, die niemand überwindet, die ihn quälte und nöthigte, das Treffliche herunter zu setzen damit er selber trefflich scheinen möchte. (WA I 36, 283; vgl. zu 73,22–23.) – Der vorliegende Brief ist der erste in der überschaubaren Korrespondenz zwischen Goethe und Kotzebues Mutter. Insgesamt sind zwei Briefe Goethes an Christiane Kotzebue überliefert, der vorliegende und ein Schreiben vom 3. März 1802. Von Christiane Kotzebue sind vier Schreiben aus der Zeit vom 24. Februar 1798 und 3. März 1802 bekannt. In allen vier Fällen wendet sie sich stellvertretend bzw. im Namen ihres Sohnes an Goethe als den Weimarer Schauspieldirektor, fungiert also als Mittlerin zwischen ihrem Sohn und Goethe, deren Verhältnis, besonders nach Kotzebues Rückkehr nach Weimar 1799 und seines erneuten Aufenthalts in seiner Heimatstadt 1801, von Konflikten und Intrigen geprägt war. Trotz der werbenden Bemühungen der Mutter und des Sohnes um die Gunst Goethes verhielt sich dieser beiden gegenüber distanziert. 73,18 Ihrem Herrn Sohn] August von Kotzebue, der 1781 Weimar verlassen hatte und nach St. Petersburg gegangen war, trat dort in russische Dienste und stieg in vier Jahren zum Präsidenten des Gouvernements-Magistrats der Provinz Estland auf. Mit den Stücken „Adelheid von Wulfingen“ (1789), „Menschenhaß und Reue“ (1790) und „Die Indianer in England“ (1790) machte er sich schnell international als Rührspieldichter einen Namen. Nach dem Tod seiner ersten Frau Friederike, geb. von Essen, 1790 begann er ein unstetes Reiseleben, heiratete 1794 Christine Gertrude von Krusenstiern und ließ sich 1795 in Narva (Estland) nieder. Zahlreiche Dramen, die in mehrere europäische Sprachen übersetzt wurden, und Erzählungen entstanden in dieser Zeit. 1798 leitete er das Hoftheater in Wien. Er gab den Posten Ende 1798 jedoch aus verschiedenen Gründen, u.a. wegen einiger Intrigen von Schauspielern und wegen seines Gesundheitszustandes auf (vgl. Mathes, Kotzebues Briefe an seine Mutter, 429). Im März 1799 reiste er nach Weimar, um seine Mutter zu besuchen (vgl. ebd., 430). August von Kotzebue war 1798 nicht direkt mit Goethe in Kontakt getreten – die Kommunikation lief stellvertretend über die Mutter (vgl. ebd., Nr 30, 428f.). 73,18–19 für die Mittheilung so manches 〈…〉 Theaterstückes zu danken] August von Kotzebue hatte 1796 im Februar und im Oktober Stücke an die Weimarer Theaterkommission gesandt bzw. schicken wollen; es handelte sich dabei um „Die Verleumder“, „Die falsche Scham“ und „Der Graf von Burgund“ (vgl. RA 2, Nr 82) sowie „Die Versöhnung“ und zwei weitere Stücke (vgl. RA 2, Nr 380). Am 31. August 1798 kündigte Kotzebue in einem Brief an die Mutter an, seine Schauspiele „Üble Laune“, „Das Schreibpult“ und „Das Epigramm“ nach Weimar
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zu senden (vgl. Mathes, Kotzebues Briefe an seine Mutter, 428) – die Mutter leitete diese Nachricht am 7. September 1798 an Goethe weiter (vgl. RA 2, Nr 1464). 73,20 sein Talent] Über Kotzebues vorzügliche〈s〉, aber schluderhafte〈s〉 Talent (an Carl Ludwig von Knebel, 17. März 1817; WA IV 28, 24) und die Bühnenwirksamkeit seiner Stücke äußerte sich Goethe vorwiegend positiv. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, Änderungen an den Stücken zur Aufführung auf dem Weimarer Theater selbst oder durch Christian August Vulpius vornehmen zu lassen. Allein im Jahr 1798 spielte das Weimarer Hoftheater insgesamt zehn Kotzebue-Stücke, vier davon in Erstaufführung, 34 Mal auf dem Weimarer Hoftheater, in Lauchstädt und in Rudolstadt. Es handelte sich um „Armuth und Edelsinn“, „Die Versöhnung“, „Der Wildfang“, „Die Corsen“, „Menschenhaß und Reue“, „Graf Benjowsky oder Die Verschwörung auf Kamtschatka“, „Der Mann von vierzig Jahren“, „Die silberne Hochzeit“, „Die Verwandtschaften“ und „Üble Laune“ (vgl. Theater/Musik Weimar). Am 17. März 1798 besuchte Goethe die Aufführung von „Die Corsen“ (vgl. GT II 1, 237), vermutlich nachdem er den Brief an die Mutter geschrieben hatte. 73,20–21 freue mich seines lebhaften Andenkens] In ihrem Brief vom 24. Februar bat Christiane Kotzebue Goethe im Namen ihres Sohnes, „Ihm die Freundschafft die Sie Ihm als Knabe geschenckt, als Mann nicht zu entziehen“ (H: GSA 28/539, Bl. 1). Ihr Sohn habe ihr versichert, „daß Er noch oft mit der innigsten Freude daran dächte, wie Sie Ihn so gütig behandelt, und zu Ihm in Ihren Garten herunter gekommen, wenn Er den Vögeln Sprengel gestelt“ (ebd.; Sprenkel sind Fallen um Vögel zu fangen, vgl. Adelung 4, 235). Ähnlich formuliert es Kotzebue selbst in seiner 1796 veröffentlichten autobiographischen Skizze „Mein literärischer Lebenslauf“: „Indessen war dieser geistreiche Mann in meinem Knabenalter doch immer sehr gütig gegen mich. Er erlaubte mir, in seinem Garten Vögel in Schlingen zu fangen, denn ich war damals schon ein leidenschaftlicher Jäger. Wenn ich nun des Morgens um sechs Uhr, auch wohl noch früher, hinauswanderte, um zu sehen, ob ich einen Krammsvogel oder ein Rothkehlgen erbeutet hätte, so kam er oft zu mir herab, unterhielt sich freundlich mit mir, und munterte mich auf zum Fleiße. Er hat das vermuthlich schon längst vergessen, ich aber werde es nie vergessen; denn jedes seiner Worte war mir höchst merkwürdig, und machte einen tiefern Eindruck auf mich, als die schulgerechten Ermahnungen meines Conrectors.“ (August von Kotzebue: Mein literärischer Lebenslauf. In: Die jüngsten Kinder meiner Laune. Bd 5. Leipzig 1796, S. 123–243, hier S. 175.) Goethe greift diese Erinnerung an Kotzebue in „Biographische Einzelnheiten“ ebenfalls auf: Ich denke mir ihn gern als Weimaraner und freue mich, daß er der mir so werthen Stadt das Verdienst nicht rauben kann, sein Geburtsort gewesen zu sein; ich denke mir ihn gern als schönen muntern Knaben, der in meinem Garten Sprenkel stellte und mich durch seine jugendliche freie Thätigkeit sehr oft ergötzte; (WA I 36, 281).
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73,21 verflossner] Versehentlich nicht korrigiert nach eingefügter Präposition ‚an‘, eigtl. ‚verflossne‘. 73,22–23 In der Silberhochzeit werden einige Veränderungen, nach meiner Angabe, gemacht] August von Kotzebues „Die silberne Hochzeit. Ein Schauspiel in fünf Aufzügen“ wurde am 29. März 1798 erstmals am Weimarer Theater aufgeführt (vgl. Theater/Musik Weimar). Ein Textbuch mit den hier angekündigten vorgenommenen Änderungen ist nicht überliefert. Auch auf dem Theaterzettel für die Erstaufführung sowie für alle folgenden in diesem Jahr (9. Mai, 1. Juli, 28. August, 19. September, 29. Oktober; vgl. Theater/Musik Weimar) wird nur der Autor Kotzebue genannt und kein weiterer Bearbeiter erwähnt. – Christiane Kotzebue hatte im Bezugsbrief im Namen ihres Sohnes Goethe darum gebeten, Änderungen in Kotzebues Stücken nur durch Goethe, den „Meister“, vorzunehmen „und keine Pfuscher Hand“ daran zu setzen (H: GSA 28/539, Bl. 1). Die implizit im Brief geäußerte Kritik richtete sich wahrscheinlich gegen Christian August Vulpius, den Kotzebue in einem Brief an die Mutter vom 13. Dezember 1796 seinen „critische〈n〉 Freund und Apolls Bastard“ nannte (Mathes, Kotzebues Briefe an seine Mutter, 401). Kotzebues Kritik bezog sich wohl auf die Erstaufführung des durch Vulpius bearbeiteten Kotzebue-Lustspiels „Der Wildfang“ vom 17. Februar 1798 (vgl. Theater/Musik Weimar). Auch andere Kotzebue-Stücke, wie etwa „Graf Benjowsky oder Die Verschwörung auf Kamtschatka“ (erste Aufführung 1792, dann erneut 1794, 1796 und 1798; vgl. ebd.) waren von Vulpius überarbeitet worden. – Goethes ausweichende Erklärung im Brief, dass Veränderungen nach seiner Angabe gemacht werden würden, schließt Vulpius als ausführenden Bearbeiter nicht aus, wurde aber von Kotzebue wohlwollend quittiert, wie die Mutter in ihrem Antwortbrief schreibt: „was der H. G. R. Göthe in meinen Stücken ändert, ist gewiß auch verbeßert, und ich bin stolz darauf, daß Er sich dazu herabläßt“ (H: GSA 28/22, Bl. 433; vgl. RA 2, Nr 1464 sowie den Brief an die Mutter vom 31. August 1798; Mathes, Kotzebues Briefe an seine Mutter, 428f.). 73,24 wenn er die Ursachen vernimmt] Es ist nicht bekannt, dass sich Goethe mit Kotzebue über die Gründe der Überarbeitung verständigte. 73,25–26 unsere kleine Vorarbeit] Nicht überliefert. Da durch einen Brand des Weimarer Schauspielhauses 1825 die dort aufbewahrten Spielmaterialien, Regieund Soufflierbücher zu großen Teilen vernichtet wurden, gibt es für die Bearbeitung des Stückes keinen Textzeugen, der über Ausmaß und Umfang der Eingriffe durch Vulpius bzw. Goethe Auskunft geben könnte. 74,1 fleißige und freundliche Zuschauerin] In den Abonnementlisten ist „Fr. Leg. Rath Kotzebue“ regelmäßig verzeichnet (H: LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar Nr 1416/2, Bl. 26), stets in Begleitung von „Dem Lippold“ (ebd.). – Den hier von Goethe geäußerten Wunsch nahm Christiane Kotzebue in ihrem Antwortbrief zum Anlass, für sich im
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Falle eines Gastspiels von August Wilhelm Iffland oder Friedrich Ludwig Schröder um ein „Frey Billet“ zu bitten (H: GSA 28/22, Bl. 434; vgl. RA 2, Nr 1464).
56. An Carl Ludwig von Knebel Weimar, 18. März 1798 → Ilmenau ÜBER L IEF ERU NG
1) Brief: H: Biblioteka Jagiello´nska Kraków (Krakau), Autographensammlung Goethe, bis 1945 Preußische Staatsbibliothek Berlin, Sign.: Ms. Germ. Qu. 521, Bl. 161– 162. – Doppelblatt 19,5 × 22,9 cm, 3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 1 von Gottschalk Eduard Guhrauers Hd, Bleistift, oben links: „169“ (vgl. E1), in der Mitte und rechts: „Mrz / 1798“; oben in der Mitte von Knebels? Hd, Tinte: „N o 9 1“; S. 1 vollständige Streichung, S. 2 bis 74,27 (vgl. E1) von Guhrauers Hd, Bleistift. – In einem Konvolut mit schwarzem Ledereinband (vgl. Überlieferung zu Nr 2). E1: Goethe-Knebel 1 (1851), 168, Nr 169 (Teildruck: 74,5–27 Ich schicke dir bezahlten Posten. fehlt). E2: WA IV 13 (1893), 98–100, Nr 3757 (Eduard von der Hellen). 2) Beilage 1: H: GSA 34/XIII,8,4, Bl. 1–2. – Doppelblatt 17,6 × 21 cm, 3 S. beschr., egh., Tinte. Ungedruckt. 3) Beilage 2: H: GSA Weimar, Sign.: 34/XIII,9,6, Bl. 7. – Doppelblatt 20,6(–20,9) × 34,9(–35,2) cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), Tinte, mit egh. Hervorhebungen und einer Notiz am Ende mit rötlicher Tinte (vgl. 78,2–5). Ungedruckt. BEIL AG EN
1) Berechnung (vgl. zu 74,5). 2) Sortenzettel (vgl. zu 74,9). ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Knebel antwortete am 29. 〈27.〉 März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1215) und am 30. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1220).
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Postsendungen: 19. März 1798 (H l. M a j o r v K n e b e l. Rechnungen übersendet; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 2v; vgl. WA IV 13, 430). 74,5 eine Berechnung] Eine „Berechnung / Für Herrn Major von Knebel / gegenwärtig in Ilmenau / über Ausgabe und Einnahme / des Oster Quartals seiner Pension / 1798.“ ist in Goethes Rechnungen erhalten, vgl. Beilage 1. 74,8 die übersendeten 225 rthlr meistens in Lbthlr] Knebels Pension setzte sich aus drei Zahlungen zusammen. Die Berechnung erfolgte in Laubtalern zu 1 rh. 15 gl.: Aus der fürstlichen Weimarer Kammer erhielt Knebel den Betrag von 153 Talern 2 ½ Groschen, von der fürstlichen Eisenachischen Kammer 50 Taler 19 Groschen und von der Fürstlichen Schatulle 51 Taler und 1 Groschen. Von der Gesamtsumme von 254 Talern, 22 Groschen und 6 Pfennigen zog Goethe Beträge von unterschiedlicher Höhe ab: eine Almosen Zurechnung, die Bezahlung der Boten sowie zwei Rechnungen, die er für Knebel bezahlte. An Knebel schickte er den Betrag von 225 Reichstalern und 14 Groschen und behielt die kleine Restsumme von 15 Groschen und 6 Pfennigen zur späteren Verrechnung. 74,9 beygefügten Sortenzetteln] In Goethes Rechnungsbelegen ist der Sortenzettel in Abschrift überliefert, vgl. Beilage 2. 74,11 gleihsam] Versehentlich statt ‚gleichsam‘. 74,14 das Agio von 126 Stl. Lbthlr] Aufgeld, das beim Wechseln von Geldsorten zu zahlen war (vgl. GWb 1, 287). In Goethes „Berechnung“ unter Beleg d geführt, betrug das Agio 5 Reichstaler und 6 Groschen (vgl. GSA 34/XIII,8,4, Bl. 2). 74,15 Eisenachischen Gelde] Bei dem von der fürstlichen Eisenachischen Kammer ausgezahlten Geld handelte es sich um eine Pension, die aus der Kasse des 1793 verstorbenen Prinzen Constantin gezahlt wurde. 74,18 Die Belege F. und g. kommen nach.] In Goethes „Berechnung“ wird als Beleg F eine Quittung „An Paulsen in Jena“, als Beleg g eine „An Schneider Heisinger“ angegeben. – Näheres ist nicht bekannt. 74,25–26 durch den Amtsboten] Der Ilmenauer Amtsbote Voigt (mehr nicht zu ermitteln). 75,1 nach Jena] Goethe hielt sich vom 20. März bis 6. April in Jena auf (vgl. GT II 1, 237–240). 75,3 Unser Theater] Von Neujahr bis Karfreitag (6. April) 1798 wurden an 22 Abenden Schauspiele gegeben (vgl. Theater/Musik Weimar), darunter drei Erstaufführungen: August von Kotzebues „Der Wildfang“ (17. Februar), Christoph Friedrich Bretzners „Die Pastete“ (1. März, gemeinsam mit dem Lustspiel Wilhelm Heinrich Brömels „Wie machen sies in der Comödie?“) und Kotzebues „Die Corsen“ (17. März; vgl. ebd.). 75,3–4 besonders aber die Oper] Von Neujahr bis Ostern 1798 verzeichnete der Opernspielplan des Weimarer Theaters 15 Aufführungen, u.a. Mozarts „Die Zauberflöte“ (19., 21., 24. Februar), „Don Juan“ (22. Januar), „Così fan tutte“
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(3. März), „Die Entführung aus dem Serail“ (10. März), „Die Hochzeit des Figaro“ (31. März), Domenico Cimarosas „Die bestrafte Eifersucht“ (30. Januar, 3. und 10. Februar) sowie „Die theatralischen Abentheuer“ (13. und 20. Januar) und „Die vereitelten Ränke“ (15. März; vgl. Theater/Musik Weimar). Goethe hatte den Proben und Aufführungen oft beigewohnt (vgl. GT II 1, 231–237; Satori-Neumann2 1, 221f.). 75,4 viel Unterhaltung] Vgl. auch ähnlich im Brief an Schiller, 62,23–26. 75,5 Oper Il marito disperato] Friedrich Hildebrand von Einsiedels Übertragung des italienischen Opernlibrettos Giovanni Battista Lorenzis mit Musik von Domenico Cimarosa wurde am 30. Januar 1798 auf dem Hoftheater in Weimar unter dem Titel „Die bestrafte Eifersucht. Eine komische Oper in zwey Aufzügen“ zum ersten Mal gegeben. Fünf weitere Aufführungen fanden im Jahr 1798 am 3. und 10. Februar, 2. Mai, 22. Juli und am 5. September nicht nur in Weimar, sondern auch in Rudolstadt und Lauchstädt statt. Erst für das Jahr 1807 sind noch weitere drei Aufführungen im Weimarer Theater belegt (vgl. Theater/Musik Weimar). Ähnlich positiv äußerte sich Goethe auch gegenüber Schiller (vgl. zu 37,5). 75,6 die h e i m l i c h e H e i r a t h] Christian August Vulpius’ Bearbeitung des italienischen Opernlibrettos Giovanni Bertatis mit Musik von Domenico Cimarosa wurde am 3. Dezember 1796 auf dem Hoftheater in Weimar erstmals aufgeführt unter dem Titel „Die heimliche Heirath. / Eine komische Oper in zwey Aufzügen, / nach Il matrimonio Secreto frey bearbeitet“. Sechs weitere Aufführungen fanden bis zum 23. Januar 1799 in Weimar und den Filialbühnen statt: am 17. Dezember 1796, am 28. Januar und 28. Oktober 1797, am 4. Juli und 29. August 1798 sowie am 23. Januar 1799. Die nächste Aufführung ist erst wieder für den 29. Dezember 1806 belegt (vgl. Theater/Musik Weimar). 75,6–7 Cosi fan tutte] Christian August Vulpius’ Bearbeitung des italienischen Opernlibrettos Lorenzo da Pontes mit Musik von Wolfgang Amadeus Mozart wurde am 21. Januar 1797 erstmals auf dem Hoftheater in Weimar aufgeführt unter dem Titel „So sind sie alle. / Eine komische Oper in zwey Aufzügen; / neu bearbeitet nach Così fan-tutte.“ (Theater/Musik Weimar.) Die Oper erfreute sich offenbar großer Beliebtheit, was an der Zahl der Aufführungen erkennbar ist: 1797 gab es am 21. Januar, 4. Februar und 25. November drei weitere Aufführungen, 1798 waren es sechs: am 3. März, 2. und 24. Juni, 18. Juli, 25. August und 31. Oktober (vgl. ebd.). 75,8–9 das kleine Gut zu Ober Roßla] Zu Goethes Erwerb des Lehn- und Freigutes in Oberroßla vgl. zu 65,3–4. 75,11 es zu administriren] Hier im Sinne von ‚bewirtschaften‘ (vgl. GWb 1, 270). – Zu Goethes Suche nach einem geeigneten Pächter vgl. zu 81,10. 75,18 Meinen Cellini] Zu dem bereits im Brief an Knebel vom 9. März (vgl. 64,19) erwähnten Vorhaben einer vollständigen Übersetzung der Autobiographie Benvenuto Cellinis vgl. zu 62,4–5.
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75,18–19 abermals corrigirten Abschrifft] Zu den überlieferten Vorstudien vgl. das Faszikel „Collectanien zur neuen Bearbeitung des Cellini. 1798“ (GSA 25/W 3571; vgl. WA I 44, 410–422). 75,24 der deinigen] Luise Rudorf, seit 9. Februar Knebels Frau. 75,27 von dem Berühmten Erdpech] Johann Georg Lenz hatte am 13. Februar 1798 eine „Schachtel“ mit Erdpech (H: GSA 28/20, Bl. 66; vgl. RA 2, Nr 1134) nach Weimar gesandt. Es handelte sich dabei um Asphalt „in vierseitigen Säulen crystallisirt“ (ebd.), der sich „in den Gypsbergen bey Jena“ (ebd.) gezeigt habe. Lenz hielt die Entdeckung für so ungewöhnlich, dass er eine Anzeige dazu in das „Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung“ setzte (vgl. zu 122,11–12). 75,28–29 einige Stücke von Jena senden] Die Sendung erfolgte über Lenz (vgl. zu 64,6–7). 75,30 Meyer] Zu Johann Heinrich Meyers freundschaftlichem Verhältnis zu Knebel vgl. zu 4,20. 78,1 detto] Synonym zu ‚dito‘: ebenso (vgl. GWb 2, 1224).
57. An Johann Gottfried Herder
〈Weimar, 18. März 1798〉 → 〈Weimar〉
DAT IERUN G
Johann Gottfried Herder sandte am 23. März 1798 einen offiziellen Brief an seinen Schweizer Freund Johann Georg Müller mit der Zusicherung, ihm eine Stelle in Weimar als Lehrer anbieten zu können (vgl. HB 7, 378–380). Der vorliegende Brief, in dem dieses Vorgehen empfohlen wird, muss also vor diesem Datum verfasst worden sein. Vor seiner Abreise nach Jena am 20. März 1798 beschäftigte sich Goethe intensiv mit seinen amtlichen Verpflichtungen. Für den 18. März 1798 vermerkt er im Tagebuch einen Spaziergang mit Christian Gottlob Voigt und dem Herzog, wo verschiednes über neue Einrichtungen und über das Personal gesprochen wurde (GT II 1, 237). Wahrscheinlich ging es in diesem Gespräch nicht nur um die Mitarbeiter der Fürstlichen Bibliothek, sondern auch um die für Müller vorgesehene Lehrerstelle am Gymnasium, in dessen unmittelbarer Folge Goethe den vorliegenden Brief an Herder verfasste. ÜBER L IEF ERU NG
H: Stadtbibliothek Schaffhausen, Sign.: Nachlass Johann Georg Müller, Fasc 505/148. – 1 Bl. 11,4 × 19 cm, egh., Tinte; Rs. Adresse: Hl. Vicepräsident / Herder; rotes Gemmensiegel: Amor mit den Waffen des Herkules (vgl. Femmel/ Heres, 71, K 3), Papierausriss durch Öffnen des Siegels.
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E: Johann Georg Müller. Doktor der Theologie, Professor und Oberschulherr zu Schaffhausen, Johannes von Müllers Bruder und Herders Herzensfreund. Lebensbild, dargestellt von Karl Stokar. Basel 1885, S. 392f. WA IV 13 (1893), 106, Nr 3763. ERL ÄUT ERUNGEN
Dem vorliegenden Brief war wahrscheinlich eine mündliche Absprache vorausgegangen, ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Herder antwortete mit einem undatierten Brief, der wahrscheinlich nach dem 23. März 1798 verfasst wurde (vgl. RA 2, Nr 1143; dort datiert auf 17.? Februar 1798). Dieser Antwortbrief ist zwar im Faszikel der „Eingegangenen Briefe“ nach dem 17. Februar 1798 eingeordnet, ihm folgen aber weitere undatierte Briefe vom Februar und März 1798. Darüber hinaus bezieht sich Herder darin auf die durch Herzog Carl August für Müller „bewilligte Gnade“ (H: GSA 28/20, Bl. 79), die der vorliegende Brief überhaupt erst in Aussicht stellt. Zur Person Johann Gottfried Herders (1744–1803) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 1 II, Nr 80. – Der vorliegende Brief an Herder fällt in die Zeit der Entfremdung zwischen Goethe und dem Ehepaar Herder, die sich seit Herders Italienreise immer mehr verstärkt hatte. Im Januar 1798 vermittelte Goethe erneut zwischen Herzog Carl August und den Herders wegen der finanziellen Unterstützung der Kinder (vgl. Nr A 1), was wieder zu einer Verstimmung auf allen Seiten führte. Der Kontakt zum Ehepaar Herder war 1798 entsprechend spärlich. In Goethes Tagebuch ist lediglich ein Treffen in großer Runde am 27. April 1798 während August Wilhelm Ifflands Gastspielzeit zum Frühstück am Frauenplan belegt (vgl. GT II 1, 242). Goethe wird Johann Gottfried Herder außerdem gelegentlich bei Hofe gesehen haben. – Der vorliegende Brief ist der einzige überlieferte Brief Goethes an Herder aus dem Jahr 1798. Von Herder ist ebenfalls nur ein Brief von 1798 an Goethe bekannt. 79,1 Vorschlag wegen Prof. Müller genehmigt] Herder war eng befreundet mit dem Schaffhausener Theologen und Schriftsteller Johann Georg Müller, den er 1780 in Weimar kennen gelernt und im Winter 1781/82 bei sich aufgenommen hatte. In dieser Zeit beförderte er Müllers theologische Studien, so dass dieser im Frühjahr nach Schaffhausen zurückkehren und sein theologisches Examen ablegen konnte. 1794 erhielt Müller eine Professorenstelle für griechische und hebräische Sprache am Collegium humanitatis, der Schaffhausener Vorbereitungsschule für die Universität. Er half Herder bei der Unterbringung seiner beiden Söhne Wilhelm und August Herder in einem Erziehungsinstitut in Neuchâtel und stand in regelmäßigem Briefverkehr mit dem Ehepaar Herder. Am 3. Februar 1798 hatte Müller an Herder geschrieben und über die politischen Entwicklungen in der Schweiz geklagt (vgl. Haym2 2, 772–774). Im Zuge des zweiten napoleonischen Koalitionskrieges spitzte sich die Lage in der Schweiz derart zu, dass am 12. April 1798 die Helve-
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tische Republik als Tochterrepublik von Frankreich ausgerufen wurde. Da sich diese Entwicklung bereits Anfang 1798 durch den Einfall der Franzosen in die Schweiz anbahnte, befand sich Müller spätestens seit Februar 1798 in tiefster Sorge und Unruhe. Er äußerte Herder gegenüber den Wunsch, einen Zufluchtsort für ein stilles, friedliches Leben außerhalb seines Heimatlandes zu finden und bat ihn um Rat und Hilfe (vgl. ebd., 772–774). Zunächst riet ihm Herder in seinem Brief vom 12. und erneut am 16. Februar 1798, in der Schweiz zu bleiben (vgl. HB 7, 365 und 369). Mitte März 1798 stellte Herder als Leiter und Aufseher über die Schulen im Herzogtum Müller erstmals die Möglichkeit in Aussicht, ihn in Weimar als „professor honorarius am Gymnasio“ anzustellen (ebd., Nr 388, 375). Durch Goethes Vermittlung, wahrscheinlich am 18. März 1798 (vgl. Datierung), erklärte sich Herzog Carl August damit einverstanden, Müller eine unbesoldete Stelle als Geschichtslehrer zu gewähren. Seinem Brief an Müller vom 23. März 1798 (vgl. ebd., Nr 390, 378) legte Herder daraufhin einen offiziellen Brief bei (vgl. ebd., Nr 391, 378–380), der Müller eine Stelle in Weimar in Aussicht stellte: „machen Sie davon den besten Gebrauch, jedoch mit Ueberlegung u. Vernunft“ (ebd., Nr 390, 378). 79,2 heute Abend vorläufig davon Notiz geben] Nicht überliefert. 79,3 einen ostensiblen Brief] Von franz. ostensible: zum Vor- bzw. Herumzeigen gedacht. – Einen solchen Brief mit ausdrücklichem Hinweis auf den offiziellen Charakter seines Schreibens schickte Herder am 23. März 1798 an Müller. Er selbst unterschrieb mit sämtlichen Amtstiteln, behielt aber den freundschaftlichen Ton dem Freund gegenüber bei (vgl. HB 7, 380). 79,3–4 vielleicht im Concept von Sermo signiren] Über die Angelegenheit wurde keine Geheime Kanzleiakte angelegt, da es nie zu einer Anstellung Johann Georg Müllers in Weimar kam. Ein durch den Herzog signiertes Konzept hat es entsprechend nicht gegeben bzw. ist nicht überliefert. – Sermo: Abkürzung für Serenissimo, Dativ von lat. Serenissimus: Durchlauchtigster; Titulierung für den regierenden Fürsten, d.h. Herzog Carl August. 79,4 Der könnte ja Montags abgehen.] Am 19., oder eine Woche später, am 26. März 1798. – Herders Briefe an Müller – der eine vertraulich, der andere offiziell – datieren beide vom 23. März 1798 und gingen demnach wahrscheinlich am 26. März ab (Post-Bericht 1798). 79,4–5 Wäre künftig etwa ein Dekret nötig] Das Einstellungsverfahren wurde nach diesen Vorverhandlungen abgebrochen, da Müller am 17. März 1798 von den Wahlmännern der Landschaft Schaffhausen zum ersten Repräsentanten in die Kirchen- und Schulkammer der Übergangsregierung gewählt wurde. Am 18. Mai 1798 wurde er ferner Vice- und Unterstatthalter der Helvetischen Republik im Distrikt Schaffhausen (vgl. hierzu auch Johann Georg Müller. Doktor der Theologie, Professor und Oberschulherr zu Schaffhausen, Johannes von Müllers Bruder und Herders Herzensfreund. Lebensbild, dargestellt von Karl Stokar. Basel 1885, S. 178f.).
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58. An Johann Heinrich Meyer
BRIEF 58
Jena, 23. März 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 64/69,3. – Doppelblatt 11,9 × 18,9 cm, 4 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Spätere Absatzkennzeichnungen von fremder Hd (Friedrich Wilhelm Riemer?), Bleistift (vgl. E1). E1: Riemer, Goethe-Briefe (1846), 62f., Nr 29 (Teildruck: 79,11–22 Mit Cellini komme 〈…〉 abschließen wollen. 79,25–80,3 Schreiben Sie mir auch 〈…〉 vorlegen könnte. 80,12–18 Ueber manches theoretische 〈…〉 verhandelt worden. 80,26–28 Leben Sie recht wohl 〈…〉 Stande bin. fehlen). E2: WA IV 13 (1893), 100–102, Nr 3758 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Anlass für den vorliegenden Brief war ein Brief von Franz Kirms vom 21. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1201). – Meyer antwortete am 24. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1206). Postsendungen: 23. März 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 3r; vgl. WA IV 13, 430). Zur Person Johann Heinrich Meyers (1760–1832) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 8 II, Nr 29. – Nach der Rückkehr von der gemeinsam im Herbst 1797 unternommenen Schweizer Reise setzten Goethe und Meyer ihren intensiven und von freundschaftlichem Respekt getragenen Austausch auch im folgenden Jahr 1798 fort. Gegenstand ihrer Gespräche waren vor allem die von Meyer während seines zweiten Italienaufenthalts (1795–1797) geschaffenen Werke und kunsthistorischen Aufzeichnungen. Diese bildeten eine Grundlage für Goethes geplante neue Kunstzeitschrift „Propyläen“, zu der Meyer wichtige Beiträge wie den Aufsatz „Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst“ beisteuerte, den Goethe im März 1798 intensiv mit Friedrich Schiller diskutierte. Da Meyer in der Mansarde von Goethes Wohnhaus am Frauenplan lebte, stand Goethe mit seinem Hausfreund in einem kontinuierlichen mündlichen Kontakt. Ihr brieflicher Austausch konzentrierte sich wesentlich auf jene Wochen, in denen Goethe in Jena weilte. Der Briefwechsel beinhaltet den Austausch über eigene literarische, künstlerische oder kunsttheoretische Arbeiten, den Fortgang der Baumaßnahmen beim Wiederaufbau des Residenzschlosses und der Umgestaltung des Hoftheaters, aber auch private Angelegenheiten wie gemeinsame Schweizer Bekannte sowie die beunruhigende politische Lage in Meyers Heimat. – Von Goethe sind für das Jahr 1798 aus dem Zeitraum zwischen 23. März und 27. November insgesamt elf Briefe sowie sechs erschlossene Briefe (EB 39, EB 42, EB 90, EB 91,
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EB 133, EB 135) an Meyer bekannt. Von Meyers Briefen an Goethe sind aus der Zeit vom 24. März bis 28. November 1798 21 Briefe überliefert. 79,8 Mein hießiger Aufenthalt] Goethe hielt sich vom 20. März bis 6. April 1798 in Begleitung seines Schreibers Johann Ludwig Geist in Jena auf. 79,10 statt guter Stimmung nicht eine falsche Schwingung] Neben täglichen Besuchen bei Schiller war Goethe in den ersten drei Tagen seines Jenaer Aufenthalts mit Schillers „Wallenstein“, der Cellini-Übersetzung, Meyers Aufsatz „Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst“ sowie den eigenen epischen Vorhaben „Achilleis“ und „Wilhelm Tell“ beschäftigt (vgl. GT II 1, 237f.). Darüber hinaus galt seine Aufmerksamkeit der Einrichtung einer Sammlung pathologischer Elfenbeine (vgl. zu 83,2–3). – Die Bemerkung steht möglicherweise im Zusammenhang mit Goethes Beschäftigung in der „Farbenlehre“ mit der Schwingungs- oder Undulationstheorie (vgl. LA I 5, 136, § 457; LA I 11, 290). 79,11 Cellini] Zu Goethes geplanter vollständiger Übersetzung der Autobiographie des florentinischen Bildhauers Benvenuto Cellini vgl. zu 62,4–5. Goethe hatte die Arbeit am 5. März begonnen und setzte diese bis zum 25. März fort (vgl. GT II 1, 235–238 und zu 63,7). 79,11–12 gleichzeitigen] Im Sinne von ‚derselben Epoche angehörig, zeitgenössisch‘ (GWb 4, 305). 79,14 neue Abschrifft Ihres Aufsatzes] Meyers Abhandlung „Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst“ verdankte sich der engen Zusammenarbeit mit Goethe und Schiller. Ausgangspunkt war Goethes Gespräch mit Schiller über die Wahl des Gegenstandes bey Kunstwerken (GB 11 I, 135,1–2), über das Goethe Meyer in seinem Brief vom 15. September 1796 informierte und dies mit der Bitte verband, Meyer möge während seines Aufenthalts in Italien entsprechende Beispiele dazu sammeln. Während der gemeinsamen Schweizer Reise erarbeiteten Goethe und Meyer im Oktober 1797 einen gleichlautenden ersten Entwurf (GSA 25/W 2634, Bl. 24–27; vgl. WA I 47, 91–95). Dieser bildete die Grundlage für einen Aufsatz, den Meyer nach seiner Rückkehr nach Weimar im Dezember 1797 niederschrieb und danach mehrfach überarbeitete (zur Überlieferung der vier Handschriften vgl. MA/Goethe 6 II, 982f.). Die von Goethe wohl persönlich nach Jena mitgenommene neue Abschrifft von der Hand des Schreibers Geist enthält eigenhändige Korrekturen Goethes und Schillers (GSA 64/14). Beide unterzogen das Manuskript in den folgenden Wochen einer kritischen Durchsicht (vgl. Nr 86 und MA/Goethe 6 II, 990–999). Meyers Aufsatz erschien in überarbeiteter und gekürzter Form im Herbst 1798 bzw. im Januar 1799 im ersten und zweiten Stück des ersten Jahrgangs der „Propyläen“ (Propyläen I 1, 20–54 und I 2, 45–81). 79,15–16 Gestern abend 〈…〉 Conferenz gehalten.] Zu Goethes Besuch bei Schiller am 22. März vgl. GT II 1, 238. Inhalt der Beratung waren vermutlich die kurze Einleitung zu Wesen und Bedingungen eines Kunstwerks sowie die daran
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anschließende Analyse zu den vorteilhaften, d.h. zur Darstellung geeigneten Gegenständen. Goethe und Schiller setzten die Lektüre von Meyers Abhandlung bis zum 27. März fort (vgl. ebd.). 79,16 seine Erinnerungen] Bis auf wenige eigenhändige Randnotizen in der ihm vorliegenden Abschrift (GSA 64/14; vgl. die nachfolgende Erläuterung) sind keine weiteren Aufzeichnungen Schillers zu Meyers Aufsatz „Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst“ überliefert. Goethes Vorhaben, Schillers Notizen dem Beitrag später als Zusatz beizugeben, wurde nicht umgesetzt. Stattdessen überarbeitete Meyer seinen Aufsatz nach Goethes und Schillers Anmerkungen. 79,18–19 Verschiedene Vorstellungsarten] Schillers erster kritischer Einwand betraf Meyers – im Druck gestrichene – Formulierung, dass der Endzweck eines Bildes darin bestehen müsse, im Betrachter Gefühle der Liebe oder des Mitleidens zu erwecken: „Hier scheint auf das wichtige aesthetische I n t e r e s s e der F o r m und Behandlung nicht genug Rücksicht genommen; das angeführte ist pathologisch.“ (H: GSA 64/14, Bl. 2r; vgl. MA/Goethe 6 II, 991.) Die zentrale Forderung Meyers, dass ein Kunstwerk für sich selbst bestehen müsse, präzisierte Schiller: „Weil jedes Kunstwerk Anspruch macht, a l l g e m e i n zu gefallen, so darf es keine andre als allgemeine Bedingungen voraus setzen. Alle bestimmte (historische oder wißenschaftliche) Notizen aber sind besondre Bedingungen“ (ebd., Bl. 2v). Zudem regte Schiller an, Meyers Kategorien der vorteilhaften Gegenstände nach „Individuelle Darstellung“ (historische, Charakterbild) und „Ideale Darstellung“ (erfundene [poetische, mythische, allegorische], symbolische) zu unterscheiden (ebd., Bl. 3v). 79,23–24 Lassen Sie doch 〈…〉 herüber gebracht werden kann.] Die Aquarellkopie der „Madonna della Sedia“ nach Raffael zählte zu Meyers wichtigsten künstlerischen Erträgen seiner zweiten Italienreise (vgl. zu 6,27–28). Gegenüber Goethe hatte Charlotte Schiller bereits am 19. Dezember 1797 den Wunsch geäußert: „Ich möchte wohl bald auf kurze Zeit nach Weimar, um Meyers Schäze zu sehn, von denen noch lezt Einsiedel mir viel erzählt hat, dem besonders die Madonna sehr vortreflich u. bewunderungswürdig ist.“ (H: GSA 28/802, St. V; vgl. RA 2, Nr 1059.) Während eines kurzen Aufenthalts in Weimar hatte sie das Werk am 6. März in Augenschein nehmen können (vgl. GT II 1, 235). Durch die Übersendung nach Jena wurde es nun auch Friedrich Schiller und den Jenaer Freunden bekannt. In seinem Antwortbrief vom 24. März bestätigte Meyer, den „Kasten zur Madonne 〈…〉 heute bestellen“ und „so bald möglich“ nach Jena schicken zu wollen (Goethe-Meyer 2, 34). Goethes Rechnungsbuch verzeichnet für den 26. März eine Zahlung von 10 Groschen dem Buchbinder vor 1 Kästchen (GR/Jena 1798, 1, Bl. 2r). Meyers Aquarellkopie wurde am 2. April durch Friedrich Christoph Gotthard Heinrich von Lützow nach Jena gebracht (vgl. Christiane Vulpius’ Brief an Goethe vom 31. März 1798; vgl. RA 2, Nr 1224). Die Übersendung war auch insofern motiviert, als Meyer beabsichtigte, das Werk zu ver-
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äußern (vgl. RA 2, Nr 1233). Zu den Kaufinteressenten zählte der im August 1798 in Weimar und Jena weilende Adam Gottlob Detlef Graf von Moltke (vgl. zu 187,24–25). Der Verbleib der Kopie konnte nicht ermittelt werden. 79,25 Titel des Buchs] Angelo Fabroni, „Dissertazione sulle statue appartenenti alla favola di Niobe“ (Florenz 1779). Das 18 Kupfertafeln enthaltende Werk, das auch in einer zeitgleich veröffentlichten französischen Ausgabe vorlag, war Meyer nur nach dem italienischen Titel aus Carlo Fèas italienischer Ausgabe von Winckelmanns „Geschichte der Kunst“ bekannt (vgl. Storia delle arti del disegno presso gli antichi. 3 Bde. Rom 1783/84, Bd 1, S. LXVII; vgl. Goethe-Meyer 2, 34). Es sollte Meyer zur Erarbeitung seines „Propyläen“-Aufsatzes „Niobe mit ihren Kindern“ dienen (Propyläen II 1, 48–91 und II 2, 123–140). 79,25–26 von Göttingen zu erlangen suchen] In seiner Antwort teilte Meyer mit, dass Carl August Böttiger angeboten habe, das Stichwerk aus Göttingen zu besorgen, eine Bestellung in Jena aber zu bevorzugen sei. Auf welchem Wege man das Werk bald darauf erhielt, ist nicht ermittelt. In der Weimarer Bibliothek ist die französische Ausgabe nachgewiesen (Dissertation sur les statues appartenantes à la fable de Niobé. Florence 1779; HAAB, Sign.: Th D 1 : 9 [c]). Neben Meyers „Niobe“-Aufsatz werden die Kupferstiche auch in Goethes „Propyläen“-Beitrag „Der Sammler und die Seinigen“ erwähnt (vgl. Propyläen II 2, 72). Zur „Bequemlichkeit des Nachschlagens“ stellte Meyer abschließend eine Konkordanz von „Fabronis Nummern mit den Nummern unserer Abhandlung“ zusammen, die er ebenfalls in den „Propyläen“ veröffentlichte (Propyläen II 2, 133–135). 80,1 wenn Sie herüber kommen] Meyer reiste nicht nach Jena (vgl. EB 39 und 86,21–87,2). 80,1–2 Rafaels Bibel] Die von Nicolas Chapron radierte, 54 Blatt umfassende Kupferstichfolge „Sacrae Historiae Acta a Raphaele Urbin. In Vaticanis Xystis ad Picturae Miraculum“ (Rom 1649) reproduzierte jene Fresken, die Raffael mit seiner Werkstatt zwischen 1516 und 1519 in den Loggien im zweiten Stock des Westflügels des vatikanischen Palastes ausgeführt hatte. Die insgesamt 52 Deckenbilder zeigen Szenen aus dem Alten sowie vier Szenen aus dem Neuen Testament. Das vollständige Exemplar der „Bibel, nach den Gemälden in den Vaticanschen Logen“ befand sich in Goethes Graphiksammlung (Schuchardt 1, 66, Nr 620; vgl. KSW, Museen, Inv.-Nr GGr/Sch.I.066,0620). Goethe hatte den Pergamentband 1780/81 über Johann Heinrich Merck erworben und nutzte ihn wiederholt zu Studienzwecken. 80,4–5 Monument für die Beckern] Die von Goethe geschätzte Weimarer Schauspielerin Christiane Becker geb. Neumann war am 22. September 1797 im Alter von 19 Jahren verstorben. Die anlässlich der öffentlichen Trauerfeier im Weimarer Theater am 29. September gesammelten Einnahmen dienten der Finanzierung eines Grabdenkmals (vgl. Journal des Luxus und der Moden, Bd 12, Oktober 1797, S. 520f.). Gegenüber Goethe hatte Franz Kirms am 2. Oktober 1797 be-
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tont, dass Goethe die „Angabe dieses Monuments 〈…〉 aufgehoben bleib〈e〉“ (H: GSA 28/19, Bl. 472; vgl. RA 2, Nr 990). Goethes Wunsch folgend entwarf Meyer eine erste Ideenskizze (vgl. zu 138,3–4). 80,5 die Elegie] Goethe vollendete sein Gedicht „Euphrosyne“ auf Christiane Becker geb. Neumann im Juni 1798 (vgl. zu 138,1). Es wurde in Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ veröffentlicht (S. 1–13). 80,7 Wallenstein] Zu Goethes Anteilnahme an der Entstehung von Schillers „Wallenstein“ vgl. zu 5,19. Erste Textfassungen lernte Goethe unmittelbar nach seiner Ankunft in Jena am 20. März kennen (vgl. GT II 1, 237f.). 80,12 manches theoretische] Goethes Gespräche mit Schiller beinhalteten neben Meyers geplantem „Propyläen“-Aufsatz „Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst“ auch die Verständigung über episches und dramatisches (Goethes Tagebucheintrag vom 23. März 1798, GT II 1, 238). Möglicherweise handelte es sich dabei um die fortgesetzte Unterhaltung über den im Dezember 1797 konzipierten gemeinsamen Aufsatz „Ueber epische und dramatische Dichtung“. 80,19 Sehen Sie Hl. O. C. R. Böttiger so danken Sie ihm] Wann und auf welche Weise Meyer den Dank des in Jena weilenden Goethe an Carl August Böttiger übermittelte, ist nicht bekannt. Vermutlich erfolgte er in mündlicher Form. Der Titel ‚Oberkonsistorialrat‘ (O. C. R.) bezeichnet den Angehörigen des Konsistoriums einer kirchlichen Verwaltungseinrichtung. Böttiger war ab 1791 Gymnasialdirektor in Weimar sowie als Oberkonsistorialrat für Schulangelegenheiten zuständig. 80,19–20 die Uebersendung des Schröderschen Briefes] Böttiger hatte seinem Brief an Goethe vom 21. März 1798 die Teilabschrift eines an ihn gerichteten Schreibens des Hamburger Schauspielers Friedrich Ludwig Schröder vom 10. März 1798 beigelegt (vgl. RA 2, Nr 1197). Darin heißt es: „Ich habe mit Herrn Vulpius gespaßt – Sie werden es sicher, eher wie jeder andere, erfahren, wenn ich auf theatralische Abentheuer ausziehe. Hier haben Sie meine izigen Ideen: ich bleibe gern den Sommer auf meinem Landwesen, weil ich allerhand zu bauen und einzurichten habe – Ich machte auch gern eine kleine Reise, und vorzüglich nach Coppenhagen. Sollte sie vor sich gehen, und ich auch nicht Copenhagen, sondern Berlin oder Weimar wählen, so wird doch auf keinen Fall eine theatralische Reise daraus. Wenn ich irgend wo spiele, und das würde nur in Berlin oder Weimar seyn, so geschieht es erst im Herbst. Hier in Hamburg werde ich höchstens 12 male im Winter spielen, und mit 1800, wenn ich lebe meine theat. Laufbahn sicher enden. Ich werde auch dann nicht mehr anzusehen seyn, wenn ich auch lebe. Es wäre mir lieb eine neue Rolle zu lernen, und am liebsten wäre es mir, wenn Schillers Wallenstein auch theatralisch vortreflich würde. False Impressions habe ich eben durchgelesen, es ist ein hübsches Stück. Die heishungrigen Uebersetzer werden schnell genug darüber herfallen. Morgen, den 9 habe ich einen heißen Tag – Macbeth. Ich schreibe den 9, obgleich die Post erst übermorgen geht. / Haben Sie ja einen verwirrtern
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Brief gelesen? / Von ganzer Seele / Ihr / Schröder. / Noch eine Bitte, lieber Freund! Sagen Sie doch dem Geh. Rath Göthe, es wäre hier ein junger Schauspieler Cordemann, der nicht bleiben will, der ein braver Mensch und Schauspieler auch Sänger ist, für den ich mich sehr interessire – ob er diesen Mann nicht brauchen kann?“ (H: GSA 96/2627.) Auch Franz Kirms, den Böttiger ebenfalls über dieses Schreiben informiert hatte, wandte sich am 21. März an Goethe, um Schröders Äußerungen hinsichtlich seiner möglichen Übernahme der Wallenstein-Rolle und dessen Empfehlung des Schauspielers Friedrich Cordemann zu kommentieren (vgl. RA 2, Nr 1201). Zur Person Schröders und zu Goethes Einladung an diesen vgl. Nr 187. 80,22 Rolle des Wallensteins] Goethes und Schillers Bemühen, den Hamburger Schauspieler Friedrich Ludwig Schröder für die Rolle des Wallenstein zu gewinnen, war nicht erfolgreich (vgl. Nr 187). 80,27 in dieser absoluten Stille des Jenaischen Schlosses] Zu Goethes Unterkunft im Jenaer Schloss vgl. zu 4,15–16. Neben den täglichen Arbeitsgesprächen mit Schiller suchte Goethe in Jena vor allem Einsamkeit, um ungestört arbeiten zu können. Im März 1797 hatte Goethe hier an seinem Hexameterepos „Herrmann und Dorothea“ gearbeitet. 80,29 Meine beyden epischen Gegenstände sowohl Tell als Achill] Beide Vorhaben hatte Goethe am Abend des 22. März 1798 mit Schiller besprochen (vgl. GT II 1, 238). Die Idee zu einer epischen Darstellung der Geschichte Wilhelm Tells in Hexametern hatte Goethe während seiner Schweizer Reise Anfang Oktober 1797 gemeinsam mit Johann Heinrich Meyer entwickelt. Der Ende Juni 1798 wieder aufgenommene Plan blieb unverwirklicht (vgl. zu 156,8). Das Vorhaben zum Epos „Achilleis“ entstand im Dezember 1797 anlässlich der Erarbeitung der Abhandlung „Ueber epische und dramatische Dichtung“, ein erstes Schema diktierte Goethe während seines Jenaer Aufenthalts am 31. März 1798 (vgl. zu 114,10).
59. An Christiane Vulpius
Jena, 23. März 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 76. – Doppelblatt 11,9 × 18,9 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: WA IV 13 (1893), 103, Nr 3759 (Eduard von der Hellen).
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BRIEF 59
ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christiane Vulpius’ Brief vom 20./21. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1196). – Christiane Vulpius antwortete am 24. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1207). Postsendungen: 23. März 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 3r; vgl. WA IV 13, 430). Zur Person Christiane Vulpius’ (1765–1816) und zu Goethes Verhältnis zu ihr vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 9 II, Nr 104. – Das Jahr 1798 ist – wie schon 1797 durch die Schweizer Reise – durch Goethes Absenz geprägt: Von März bis November hält er sich acht Mal mehrere Tage oder Wochen in Jena auf, um dort ungestört arbeiten zu können (20. März–6. April:, 20.–31. Mai, 4.–21. Juni, 6.–9. Juli, 1.–16. August, 22. September–1. Oktober, 14.–22. Oktober, 11.–29. November). Christianes Briefe zeigen immer wieder ein Werben um Goethes Aufmerksamkeit, während sich Goethe in seinen größtenteils von Schreiberhd (Geist) verfassten und meist nur eine Seite umfassenden Briefen auf kurze Berichte beschränkt. Den gemeinsamen Sohn August grüßt er in jedem Brief (vgl. zu 81,12) und schickt ihm im Beischluss vier (nicht überlieferte) Nachrichten (EB 33, EB 37, EB 52, EB 61). Meist enthalten seine Briefe an Christiane Beilagen bzw. Beischlüsse an Dritte und Aufträge, die sie in Weimar für ihn erledigen soll. Dreimal schickt er für sie und den Hausgenossen Johann Heinrich Meyer eine Rehkeule nach Weimar (Nr 60, Nr 96, Nr 210), im Sommer gelegentlich, etwa zu ihrem Geburtstag, für sie und das Kind Obst. Meist bittet er sie aber, den Botenweibern Nahrungsmittel für ihn mitzugeben, da die Versorgungslage in Jena schlecht ist. Bis zum Abschluss der Verhandlungen im Juni unterrichtet er sie in den Briefen über die Fortschritte beim Erwerb des Landgutes in Oberroßla, das Christiane Vulpius und dem gemeinsamen Sohn eine unabhängige Existenz (187,11) sichern soll. Der offiziellen Übergabe bleibt sie fern, obwohl sie maßgeblich an der Organisation des Festmahls beteiligt ist. Kurz darauf richtet sie ein Fest für die Dorfbewohner Oberroßlas aus, bei dem wiederum Goethe abwesend ist. – Bereits zu ihrem Geburtstag am 4. August klagt Christiane über Einsamkeit. Im Herbst nimmt ihre gesellschaftliche Isolation aufgrund von Gerüchten in der Weimarer Gesellschaft zu. Goethe greift in dieser Situation selbst zur Feder, um ihr schriftlich seine Liebe zu versichern. Am Ende des Jahres hat sich der Ton in Goethes Briefen, trotz erneuter Verwendung des Schreibers, verändert und ist empathischer geworden. Auch Christiane scheint die sich andeutende neue Phase der Beziehung, die von einer stärkeren Differenzierung der Lebensbereiche beider geprägt ist, gegen Ende des Jahres akzeptiert zu haben. – Insgesamt sind 24 Briefe Goethes aus dem Zeitraum zwischen 23. März und 27. November 1798 überliefert, elf weitere können erschlossen werden (EB 56, EB 57, EB 60, EB 64, EB 85, EB 86, EB 96, EB 108, EB 119, EB 127, EB 130). Von Christiane
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sind 35 Briefe aus der Zeit zwischen dem 20. und 21. März bis 29. November 1798 an Goethe bekannt. 81,1 Die beyden ersten Tage wollte es nicht recht gehen] Zu Goethes Vorhaben während seines Jena-Aufenthalts vgl. zu 79,10. 81,5 Deine erste Sendung] Wahrscheinlich hatte Christiane Vulpius Lebensmittel nach Jena geschickt; in Goethes Rechnungen findet sich am 22. März 1798 die Ausgabe für 1 Pfund Schokolade (vgl. GR/Belege 1798, 6, Bl. 8; vgl. 82,4). 81,6 mein hießiger Aufenthalt] Goethe hielt sich vom 20. März bis zum 6. April in Jena auf (vgl. GT II 1, 237–240). 81,8 Der Bauverwalter schreibt mir] Georg Christoph Steffany teilte Goethe in seinem Brief vom 22. März 1798 ein neues Pachtangebot für das am 8. März erworbene Lehn- und Freigut in Oberroßla mit (vgl. RA 2, Nr 1204). 81,8–9 ein Pachter aus dem Blankenhaynischen] Bei dem Pachtinteressenten handelte es sich um den ältesten, noch ledigen 28-jährigen Sohn des Landwirts „Becker von Kiliansroda aus den BlanckenhaynL.“ (H: GSA 30/39, Bl. 47; vgl. RA 2, Nr 1204). Da der Vater „als ein guter Wirth bekannt ist“ (ebd.), ließe sich denken, dass „auch der Sohn ein guter Oeconome seyn muß“ (ebd.). 81,9–10 durch den Kettendorfer empfohlen] Der Pächter des Köttendorfer Freigutes, Friedrich Tischner, der mit Steffany befreundet war, hatte sich für Becker verwendet (vgl. RA 2, Nr 1204), wie auch Christiane Vulpius in ihrem Antwortbrief bestätigte. Tischner stand Steffany gelegentlich beratend zur Seite. – Köttendorf ist ein südöstlich von Weimar gelegenes Dorf. 81,10 noch mehr] Es blieb bei drei Pachtangeboten: Becker aus Kiliansroda, Johann Friedrich Fischer aus Oberweimar und die bisherige Pächterin Johanne Marie Hofmann, die sich um die Fortsetzung ihres bestehenden Pachtverhältnisses bemühte (vgl. zu 70,22). Aus einem Briefkonzept des Bauverwalters Steffany an Johann Andreas Weidner, Gutspächter in Niederroßla, geht hervor, dass Goethe sich gegen ein Inserat zur Verpachtung in den „Weimarischen Wöchentlichen Anzeigen“ ausgesprochen hatte, obwohl dies wahrscheinlich zu weiteren Angeboten geführt hätte (vgl. GSA 30/39, Bl. 33). 81,12 den Kleinen] Der gemeinsame Sohn August. – Briefe des Vaters an den Sohn sind für das Jahr 1798 nicht überliefert, vier lassen sich erschließen (EB 33, EB 37, EB 52, EB 61). In den Briefen an Christiane Vulpius lässt Goethe dem Achtjährigen stets Grüße ausrichten – die Bezeichnung ‚der Kleine‘ ist dabei die am häufigsten verwendete Form der Adressierung (zur Verwendung von Kosenamen vgl. zu 129,8). 81,13 ein Briefchen] Der Sohn August schrieb bereits am nächsten Tag, dem 24. März 1798, an den Vater (vgl. RA 2, Nr 1205).
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60. An Christiane Vulpius
BRIEFE 60/61
Jena, 27. März 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 77. – Doppelblatt 11,9 × 18,7 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. (?) Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Beischluss: EB 33 (vgl. 82,1). E: WA IV 13 (1893), 103f., Nr 3760 (Eduard von der Hellen). BEIL AG E
Rehkeule (vgl. 81,22). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christiane Vulpius’ Brief vom 24. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1207). – Christiane Vulpius antwortete am 28. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1213). Postsendungen: 27. März 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 3r; vgl. WA IV 13, 430); 28. März 1798: Botenlohn nach u v W. (GR/Jena 1798, 1, Bl. 2r). 81,17 schon manches bey Seite gebracht] Am Vortag hatte Goethe die Abhandlung „Betrachtungen über eine Sammlung krankhaften Elfenbeins“ (vgl. zu 64,2) diktiert und die Arbeit daran am 27. März fortgesetzt (vgl. GT II 1, 238). Im Gespräch mit Schiller erfolgte die Revision von Johann Heinrich Meyers Aufsatz „Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst“ (vgl. ebd.; zu 79,14). 81,18 noch nicht gethan was ich wünschte] Vermutlich Anspielung auf Goethes Beschäftigung mit der „Ilias“ im Zusammenhang mit seiner Arbeit am Epos „Achilleis“ (vgl. zu 82,9). 81,20–21 spatziren zu gehen] Im Tagebuch notierte Goethe Spaziergänge für den 25., 26. und 27. März 1798 (vgl. GT II 1, 238). 81,22 mit Freund Meyer] Johann Heinrich Meyer wohnte von November 1791 bis zu seiner Heirat 1803 bei Goethe und seiner Familie. Nach dem Umzug in das Haus am Frauenplan Mitte 1792 bezog er die Mansarde des Vorderhauses. Insbesondere während Goethes Abwesenheiten kam ihm eine wichtige Rolle als Vertrauter und Beschützer von Christiane Vulpius zu (vgl. auch die einleitende Erläuterung zu Nr 95). 81,23 Mit meinem Essen] Positive Äußerungen über die Versorgungssituation in Jena wie in diesem Brief finden sich selten in Goethes Briefen. Während seiner Jena-Aufenthalte war er auf Wirtshauskost oder die Versorgung durch Maria Dorothea Trabitius, die Ehefrau des Schlossvogts, angewiesen (vgl. zu 117,4). Von der Familie Schiller wurde er ebenfalls mit Essen versorgt (vgl. 119,15). Wiederholt bat
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er Christiane Vulpius, u.a. Wildbret, Knackwürste, Salatöl, Spargel oder anderes Gemüse aus dem heimischen Garten, Schokolade sowie Wein aus den eigenen Vorräten nach Jena zu schicken. 81,24 die beliebten Gemüße] Wahrscheinlich eine Anspielung auf Gemüsearten, die Christiane Vulpius selbst im Garten am Frauenplan anbaute und nach Jena sandte oder aber in der allgemeinen Bedeutung von ‚Gericht, Speise‘ (vgl. GWb 3, 1426). 82,1 den Kleinen] Der gemeinsame Sohn August (vgl. zu 81,12). 82,1 ein Blättchen] Nicht überlieferter Brief an August, im Briefverzeichnis unter dem 27. März 1798 verzeichnet (vgl. EB 33).
61. An Christiane Vulpius
Jena, 30. März 1798 → 〈Weimar〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 78. – Doppelblatt 11,8 × 18,8 cm, 2 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Beischlüsse: Nr 63 sowie nicht überlieferte Briefe an Johann Christoph Gottlob Vent (EB 35), Christian August Vulpius (EB 36) und August Vulpius (EB 37). E: WA IV 13 (1893), 104f., Nr 3761 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christiane Vulpius’ Brief vom 28. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1212). – Christiane Vulpius antwortete am 31. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1224). Postsendungen: 30. März 1798 (D e m: Vu l p i u s. Über meine Arbeiten / Ostergeschenk für den Kleinen. Was in der nächsten Epoche wegen des Guts zu thun.; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 3r; vgl. WA IV 13, 431); 30. März 1798 (vgl. GT II 1, 239). 82,5 Mit beykommenden Billet] Nicht überlieferter Brief an den Weimarer Ingenieuroffizier Johann Christoph Gottlob Vent (EB 35). 82,5–6 die zwey Flurcharten von Ober Roßla] Goethe hatte vor dem 16. März 1798 von der Landschaftskasse die Genehmigung eingeholt, eine Kopie einer Oberroßlaer Flurkarte anfertigen zu lassen (vgl. Johann August Ludecus’ Befürwortung am 16. März 1798; GSA 30/39, Bl. 35; vgl. RA 2, Nr 1187). Ludecus empfahl ihm Johann Christoph Gottlob Vent als Kopisten (vgl. ebd.). Dieser verwies ihn wiederum auf Johann Christoph Gottlob Weise, der Goethe am 21. März um Zusendung der Flurkarte bat, um sie in den nächsten sechs Wochen kopieren zu können (vgl. RA 2, Nr 1203). Goethe ließ am 30. Mai die Flurkar-
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ten an Vent schicken (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 3r; WA IV 13, 431; EB 35). Ungeklärt bleibt, woher die zweite Karte stammte, da im Schriftverkehr mit Ludecus, Vent und Weise nur von einer Karte die Rede ist. In Goethes Akten ist eine von Johann Valentin Blaufuß gefertigte, topographische Karte mit ausgewiesenen Flurgrenzen aus der Gegend um Oberroßla und Apolda überliefert (vgl. GSA 30/47, Bl. 30; ein zweites Exemplar befindet sich in Goethes Kartensammlung, KSW, Museen, Inv.-Nr GHz/KS 136). Sie reicht im Norden bis Mattstedt und im Süden bis Oberndorf. Die Ost-West-Ausdehnung umfasst die Ortschaft Heusdorf bis zur Wüstung Dieterstedt. Es ist jedoch auch möglich, dass Goethe die zweite Flurkarte beim Verkauf des Gutes 1803 an den neuen Besitzer Immanuel Reimann weitergab. Sie wird im Ausschnitt vermutlich etwa jener von Adolf Doebber nachgezeichneten Flurkarte von Oberroßla (vgl. Doebber, Ober-Roßla, Tafel 4) entsprochen haben, bei der sich Doebber an einer 1791 gefertigten Karte orientierte. Diese weist die zum Freigut gehörigen, verstreut liegenden Teilstücke, „durch Ländereien des Pfarrguts, der Schule und der Bauern voneinander getrennt“ (ebd., 197) in der Oberroßlaer Flur aus. 82,6 Lieutenant Vent] Johann Christoph Gottlob Vent. 82,6 die übrigen Einlagen] Post an Dritte, die meist direkt weiterzuleiten war (vgl. GWb 2, 1478). Laut Briefverzeichnis (vgl. Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 3r) handelte es sich um einen Brief an Christian Gottlob Voigt (vgl. Nr 63), an Johann Christoph Gottlob Vent (EB 35), Christian August Vulpius (EB 36) und an den Sohn August (EB 37). 82,8 manches gearbeitet, nur gerade das nicht was ich wünschte] Am Vortag hatte Goethe mit der Ausarbeitung eines Schemas zu seinem geplanten Epos „Achilleis“ begonnen und setzte dies in den folgenden Tagen fort (vgl. GT II 1, 239; WA I 50, 435–439). Berichte Goethes über Verzögerungen im Arbeitsprozess treten in dieser Zeit häufiger auf, so auch in den beiden vorangegangen Briefen an Christiane Vulpius (Nr 59, Nr 60). 82,9 doch vieles vorbereitet] Für Ende März ist Goethes eingehende Lektüre der „Ilias“ durch das Tagebuch belegt (vgl. GT II 1, 239). Er beschäftigte sich außerdem mit den Tragödien „Hekabe“, „Iphigenie in Aulis“ und „Die Phönikerinnen“ des Euripides (vgl. ebd., 238) und las verschiedene, mit der „Ilias“ in Zusammenhang stehende Schriften, darunter „Robert Woods Versuch über das Originalgenie des Homers“, übersetzt von Christian Friedrich Michaelis (Frankfurt a. M. 1773) und Jean Baptiste Le Chevaliers „Beschreibung der Ebene von Troja mit einer auf der Stelle aufgenommenen Charte“, übersetzt von Christian Gottlob Heyne (Göttingen 1792) (vgl. ebd., 239f.). Die Lektüre diente der Vorbereitung seines Epos „Achilleis“ (vgl. zu 114,10). 82,12 Ich hoffe du bist wohl und geschäftig] Christiane Vulpius berichtete in ihrem Antwortbrief von einer am Waschtag zugezogenen Erkältung, weswegen sie zwei Tage im Bett verbracht hatte.
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82,13 den Kleinen] Der gemeinsame Sohn August (vgl. zu 81,12). 82,13 zu Ostern] August erhielt zu Ostern einen Band aus Joachim Heinrich Campes 12-bändiger „Kleinen Kinderbibliothek“, davon die „verminderte Ausgabe“ (GR/Belege 1798, 2, Bl. 17). Dieser Kinderalmanach enthielt Gedichte, Lieder, Fabeln, Erzählungen und Reisebeschreibungen. Um welchen Band es sich handelte, ist nicht bekannt. Goethe kam am Karfreitag, dem 6. April, zurück nach Weimar (vgl. GT II 1, 240) und war zu Ostern anwesend. 82,13–14 Frage Herr Eiserten] Adolf Eysert, Augusts Hauslehrer seit 1797, bei dem August bis 1802 regelmäßig Unterricht erhielt. 82,14 das Buch was er neulich wünschte] Nicht ermittelt, vielleicht Campes „Kleine Kinderbibliothek“. 82,16 so binden sie dir’s vor Ostern auch noch ein] Das Buch wurde in der Hoffmann’schen Buchhandlung gekauft, von der Goethe seine Bücher bezog. Auf einer Quittung der Buchhandlung vom 10. April 1798 wird der Preis für „1 Campe Kinderbibliothek verminderte Ausgabe“ mit 2 Talern und 12 Groschen angegeben (GR/Belege 1798, 2, Bl. 17), ohne Aufpreis für eine Bindung. Üblicherweise lieferten die Verleger nur ungefalzte Bogen, so dass der Buchhändler oder der Käufer selbst über den Einband entscheiden konnte (vgl. Walter Wilkes, Frieder Schmidt, Eva-Maria Hanebutt-Benz: Die Buchkultur im 19. Jahrhundert. Bd 1: Technische Grundlagen. Hamburg 2010, S. 470). Da sich in Goethes Rechnungen kein zeitnaher Beleg für eine Bindung finden lässt, wurde das Buch entweder bereits gebunden gekauft oder später eingebunden. 82,18 die Erklärungen der Interessenten wegen des Guths] Die bisherigen Besitzer des Oberroßlaer Gutes waren von der Fürstlichen Kommission aufgefordert worden, bis Anfang April 1798 zu entscheiden (vgl. 85,4), ob sie der richterlichen Zueignung und Übergabe des Gutes zum Johannisfest um den 24. Juni zustimmen und dafür auf ihr Recht, das Gut an diesem Termin noch selbst zum Erstehungspreis zu behalten, verzichten wollten (vgl. die Beilage zu Nr 52 sowie zu 68,3–4). 82,20 nach Roßla zu reisen] Goethe fuhr am 13. April nach Oberroßla, um das unzureichende Inventarium der bisherigen Pächter in Augenschein zu nehmen. Wahrscheinlich wurde er dabei von einem Sachkundigen wie dem Bauverwalter Georg Christoph Steffany begleitet. – Vgl. zur Problematik des Inventariums zu 71,8–9. 82,21 suppliren] Von lat. supplere: ergänzen, hier wohl zu verstehen als ‚zunächst schriftlich vervollständigen‘. 82,21–22 einige Schritte Thun] Im Hinblick auf die laufenden Pachtverhandlungen und die Ausarbeitung des neuen Pachtvertrages war eine detaillierte Kenntnis des Zustandes von Ländereien, Wohngebäuden und Ausstattung des Gutes erforderlich. 82,23 mit dem Entschluß des Verpachtens] Zu den Pachtangeboten vgl. zu 81,10. In den darauffolgenden Tagen begann die Ausarbeitung des Pachtvertrages,
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zu dem Christian Gottlob Voigt einen ersten Entwurf lieferte (vgl. GSA 30/39, Bl. 42–45). 82,24 Schreibe mir wie es geht.] Christiane Vulpius antwortete am nächsten Tag und bat Goethe, baldmöglichst nach Weimar zurückzukehren, um die Gutsund Pachtangelegenheiten mit ihr zu besprechen.
62. An Justus Christian Loder
〈Jena〉, 30. März 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 28/21, Bl. 136. – 1 Bl. 17,2(–18) × 23,7 cm, 2⁄3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte. – In einem gebundenen Faszikel (164 Bl.), S. 1 von Schreiberhd (Geist), Tinte: Briefe / April, Mai, Juni / 1798.; oben rechts mit Rötel von fremder Hd: „7b“; oben links mit blauer Kreide von fremder Hd: „XXI.“. Das Aktenfaszikel enthält die eingegangenen Briefe des zweiten Quartals 1798 sowie einige Antwortkonzepte Goethes. E: WA IV 13 (1893), 105f., Nr 3762 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K. BEIL AG EN
1) Elfenbeinsammlung (vgl. zu 83,2–3). 2) Aufsatz (vgl. zu 83,6). ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Loder antwortete Ende März oder Anfang April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1225). Postsendungen: 30. März 1798 (die Elfenbeinsammlung an Loder.; GT II 1, 239). Justus Christian Loder (1753–1832, seit 1809: von) wirkte 25 Jahre als Professor der Medizin an der Universität Jena, wo er Anatomie, Chirurgie, Geburtshilfe und Gerichtsmedizin unterrichtete. Viermal übte er in dieser Zeit das Amt des Rektors der Universität aus. Seit 1781 war er Leibarzt Herzog Carl Augusts. In den 1790er Jahren gehörte er zu den berühmtesten Jenaer Gelehrten und namhaftesten Anatomieprofessoren (vgl. Kublik, Loder, 49–71). Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen gehörte u.a. ein als Loseblattsammlung vertriebener Atlas mit dem Titel „Anatomische Tafeln zur Beförderung der Kenntniß des menschlichen Körpers“, der zwischen 1794 und 1803 bei Friedrich Justin Bertuch in Weimar verlegt wurde. 1803 verließ Loder Weimar und war bis 1806 als ordentlicher Pro-
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fessor an der preußischen Universität Halle tätig. Aufgrund der politischen Entwicklungen konnte er sich nicht zu einer Anstellung im Staatsdienst entschließen und folgte der preußischen Königsfamilie ins Exil nach Königsberg. Seine Ernennung zum preußisch-königlichen Leibarzt und zum Staatsrat sowie ein Adelsdiplom konnten ihn 1809 indes nicht zum Bleiben bewegen. Er ging 1810 zunächst nach St. Petersburg und siedelte sich schließlich in Moskau an. Dort wurde er 1810 zum kaiserlichen Leibarzt und Staatsrat ernannt. Ohne je wieder nach Weimar zurückgekehrt zu sein, obwohl er diesen Wunsch im hohen Alter gegenüber Goethe in einem Brief äußerte, starb Loder 1832, einen Monat nach Goethe, am 16. April 1832, in Moskau. – Goethe pflegte mit dem Jenaer Professor für Anatomie und Medizin während seiner Aufenthalte in Jena regelmäßig Kontakt (vgl. die zahlreichen Einzelstellenerläuterungen in GB 4–12, die Goethes intensiven Austausch mit ihm belegen). Im Oktober 1781 hatte er sich von Loder in die Anatomie einführen lassen und besuchte seine anatomischen Vorlesungen über Knochen- und Bänderlehre sowie seine Privatdemonstrationen. Das durch Loder vermittelte Wissen gab Goethe wiederum im Wintersemester 1781/82 an die Teilnehmer des Unterrichts in der Weimarer Zeichenschule weiter. Die Entdeckung des menschlichen Zwischenkieferknochens 1784 ist auf das mit Loder betriebene Studium der vergleichenden Anatomie zurückzuführen. Neben dem fachlichen Austausch waren sich die beiden auch freundschaftlich gewogen – dies belegen die zahlreichen gemeinsam verbrachten Abende während Goethes Jena-Aufenthalten. Im Jahr 1798 sind im März mehrere Treffen Goethes mit Loder in Jena durch das Tagebuch belegt, u.a. der Besuch einer anatomischen Sektion am 25. März 1798 (vgl. GT II 1, 238) sowie die Treffen im Professorenklub. – Aus dem Jahr 1798 ist nur der vorliegende Brief Goethes an Loder überliefert, ein weiterer an Loder vom 14. Juli 1798 (EB 74) sowie ein Schreiben an Loders Frau Charlotte Luise Auguste vom 1. März 1798 mit der Zusendung von Kaviar (EB 22) können erschlossen werden. In den „Tag- und Jahres-Heften“ für 1798 gedenkt Goethe der freundschaftlichen Beziehung zu Loder und erwähnt die im vorliegenden Brief thematisierte Schenkung der Elfenbeinsammlung: Ich freute mich diese Sammlung, beschrieben und ausgelegt, dem Kabinette meines Freundes Loder, dem ich so viel Belehrung schuldig geworden, dankbar einzuverleiben. (WA I 35,80.) Der vorliegende Brief ist der erste überlieferte Privatbrief aus einer nur teilweise erhaltenen Korrespondenz. Insgesamt sind zwölf Briefe Goethes an Loder aus dem Zeitraum zwischen 22. Oktober 1796 (vgl. GB 11 I, Nr A 45) und 22.–26. Juni 1831 überliefert. Zahlreiche weitere Briefe können erschlossen werden. Dies wird durch die wesentlich höhere Anzahl der überlieferten Briefe Loders an Goethe belegt. Aus dem Jahr 1798 sind drei Briefe Loders erhalten: sein Antwortbrief auf den vorliegenden Brief Goethes von Ende März/Anfang April (vgl. RA 2, Nr 1225), ein Brief vom 17. Juli 1798 (vgl. RA 2, Nr 1385) und einer vom 12. September 1798 (vgl. RA 2, Nr 1474).
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83,2–3 Sammlung pathologischen Elfenbeins] Goethe hatte eine Sammlung von Elefantenzähnen zusammengetragen – erst am 6. März 1798 war sie durch Carl Ludwig von Knebel durch weitere Stücke ergänzt worden (vgl. zu 64,2). Am 26. März 1798 diktierte Goethe seinen Aufsatz „Betrachtungen über eine Sammlung krankhaften Elfenbeins“. Die Schenkung an Loder wird im 1822 dem Aufsatz hinzugefügten Nachwort erwähnt: Vorgemeldete Sammlung verehrte ich meinem freundschaftlichen Lehrer, dessen höchst merkwürdige anatomische Sammlung eine solche Gabe nicht verschmähte; hoffentlich findet sie sich noch in dem Loderschen Kabinett zu Moskau 〈…〉 (LA I 9, 286). – Loder nahm seine große Präparatensammlung, zu der bereits 1795 „Zwei Stücke Elfenbein“ (Beschreibung der physiologischen und pathologischen Präparate welche in der Sammlung des Herrn Hofrath Loder zu Jena enthalten sind, entworfen von Johann Valentin Heinrich Köhler. Erster Theil. Leipzig 1795, S. 113) gehörten, bei seiner Übersiedelung nach Russland (1810) mit sich, musste sie jedoch 1812, nachdem er sein gesamtes Vermögen verloren hatte, an die Moskauer Universität verkaufen. In dem gedruckten „Index praeparatorum aliarumque rerum ad anatomiam spectantium, que in museo caesareae universitatis Mosquensis servantur“ (Katalog der Präparate und anderer, zur Anatomie gehörender Gegenstände, die im Kabinett der Kaiserlichen Moskauer Universität aufbewahrt werden) von 1823 (Nachdruck 1826; Ruppert, Nr 4264) sind unter dem zweiten Abschnitt „Ossa morbis adfecta, deformia etc.“ (Krankhafte, missgebildete etc. Knochen) unter „W. Morbi dentium“ (Zahnkrankheiten) 33 Elefantenzähne verzeichnet, wozu mit hoher Wahrscheinlichkeit die von Goethe geschenkten Exemplare gehören. Loder hatte dazu vermerkt: „Haec praeparata dentium elephantinorum eximie illustrant varios dentium morbos.“ (Diese Elfenbein-Präparate erklären ausgezeichnet die Erkrankungen der Zähne. – Loder, Index, Nr 2382–2414, 48.) 83,3 freundlich aufzunehmen] Loder antwortete, dass Goethe ihm „durch das vortreffliche und mir höchst interessante Geschenk eine eben so lebhafte, als unvermuthete, Freude gemacht“ habe (H: GSA 28/21, Bl. 137). 83,3–4 auf meiner Reise fand] Auf dem Rückweg seiner dritten Schweizer Reise hielt sich Goethe vom 6. bis 15. November 1797 in Nürnberg auf (vgl. GT II 1, 224), wo er das Elfenbein wahrscheinlich bei den dort ansässigen Kammmachern entdeckte (vgl. zu 64,3–4). 83,4 Ihr Cabinett] Loders naturkundliche Sammlung umfasste die verschiedensten physiologischen und pathologischen Präparate, die er 1823 in seinem „Index“ verzeichnete (vgl. zu 83,2–3). Zur Zeit des vorliegenden Briefes bemühte sich Loder ständig um Vermehrung dieser Sammlung und ließ sich auch Präparate aus Paris schicken (vgl. Heinz E. Müller-Dietz und Juris Salaks: Dies ist mein Palladium. Justus Christian von Loders Sammlung anatomischer Präparate. Riga 1992, S. 46f.).
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83,6 dem beygefügten Versuche eines raisonnirten Catalogs] Goethe legte seinem Brief eine nicht überlieferte Abschrift des Aufsatzes „Betrachtungen über eine Sammlung krankhaften Elfenbeins“ (vgl. LA I 9, 281–287; erläutert in: LA II 10A, 888–892) bei, wofür ihm Loder im Antwortbrief dankte, da er „den Werth dieser schönen Sammlung so sehr erhöht“ (H: GSA 28/21, Bl. 137). 83,6–7 das was ihm fehlt, 〈…〉 hinzu zu fügen] Da Loder den Aufsatz Goethes bislang nur flüchtig gelesen hatte, antwortete er: „Ob ich im Stande seyn werde, auf dem bereits gelegten trefflichen Grunde weiter zu bauen, weiß ich nicht“ (H: GSA 28/21, Bl. 137). – Loder deutete an, durch das Hinzufügen von Erkenntnissen über „〈e〉 inige menschliche ossa morbosa“ (lat.: krankhafte Knochen; ebd.) Goethes Aufsatz noch ergänzen zu können. In einer Veröffentlichung des Weimarischen Hof-Zahnarztes Friedrich Hirschfeld mit dem Titel „Practische Bemerkungen über die Zähne und einige Krankheiten derselben“ (1796) hatte Loder in seinem Vorwort die Vorteile einer Sammlung von Zahnpräparaten hervorgehoben, die auch zur Aufklärung von Patienten verwendet werden könnte (Justus Christian Loder: Vorrede. In: Friedrich Hirschfeld: Practische Bemerkungen über die Zähne und einige Krankheiten derselben. Jena 1796, S. III–XVIII, hier S. XVIIf.). – Eine eigenständige Veröffentlichung Loders zur Zahnthematik konnte nicht ermittelt werden.
63. An Christian Gottlob Voigt
Jena, 30. März 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 150/B 36, Bl. 3, 6. – Doppelblatt 20,6 × 35 cm, 3 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 1 oben rechts „1.“; S. 3 oben rechts „4.“. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (12 Bl.) mit der Aufschrift von Christian Gottlob Voigts Hd, Tinte: „Die Abschriften der Catalogi / der Büttnerischen Bibliothek / zu Jena, / betrL“; oben Mitte von Schreiberhd: „Loc F. 3.“ – Beischluss zu Nr 61. K: LATh – HStA Weimar, Kunst und Wissenschaft – Hofwesen, Sign.: A 11619, Bl. 151–152. – Doppelblatt 20,8(–21,5) × 34,2 cm, 3 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 linke Spalte oben Vermerk von Schreiberhd (Geist): „Die Bibliothek betrL:“. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (351 Bl.) mit der Aufschrift: „Acta Commissionis / Die Ober-Aufsicht / über die / FürstL. Bibliothec / und / das MedaillenCabinet / betrL: / 1795. 1796. 97. / 1798. 99–1803. / C.“. E: Bojanowski, Bibliothek (1899), 14f. WAN 1 (WA IV 51 [1990]), 133–135, Nr 3762a (nach K).
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Der Brief beantwortet Christian Gottlob Voigts Brief vom 28. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1211). – Voigt antwortete am 31. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1223). Postsendungen: 30. März 1798 (H l. G e h. R. Vo i g t. Pro Memoria die Bibliothek betrl: Gratulation zur Verheirathung seines Sohnes. Versprechen nächstens mehr zu schreiben; Briefverzeichnis 1798, 1, Bl. 3r; vgl. WA IV 13, 431); 30. März 1798 (vgl. GT II 1, 239). – Die im Briefverzeichnis erwähnte Gratulation ist nicht überliefert (vgl. EB 34). 83,11 Unser guter Spilker] Zu Goethes und Voigts kritischer Einstellung dem Bibliothekar Johann Christoph Ferdinand Spilcker gegenüber vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr A 35. 83,12 Raum und Zeit ihm niemals breit und lang genug] Hier Anspielung auf die Reorganisation der Systematik in der Herzoglichen Bibliothek mit Errichtung neuer Bücherregale. Voigt berichtete in seinem Bezugsbrief, dass Spilcker darum gebeten habe, „auf den neuen Bücherfächern 2 Reihen Folianten zu machen, nur aber sie etwas niedriger als sonst zu machen“ (Goethe-Voigt2 2, 52). Goethe teilte Spilckers Meinung nicht, auch für die Zukunft zwei Reihen der Bibliotheksregale für derart großformatige Bände bereitzustellen. Ein großer Zuwachs an Büchern in Folioformat mit einer Rückenhöhe ab 40 cm war nicht zu erwarten, da das Format nicht mehr so handelsüblich war wie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (vgl. 84,9). Goethe plädierte deshalb für platzsparendere Regalabmessungen, um mehr Bücher in kleinerem Format unterzubringen. 83,15 Repositorien] Bücherregale. 83,15–16 die untern Fache] Die für die großen Folianten vorgesehenen Fächer. Die Bücherregale waren bislang mit zwei Foliantenfächern ausgestattet, was Spilcker nach Auskunft Voigts aus Symmetrie- und Ordnungsgründen gerne beibehalten wollte. Goethe dagegen bevorzugte Regalfächer in nun gängigeren, kleinen Formaten, was sich auch als platzsparender erwies, so dass von acht auf neun „oder gar 10“ (Goethe-Voigt2 2, 53) Regalböden aufgestockt werden konnte. 83,17 ein Quart Locat] Abteilung, Fach (vgl. GWb 5, 1283) für Bücher in Quartformat (von lat. quartus: der vierte, bezogen auf die zweifache Faltung eines Bogens), mit einer Rückenhöhe von 25–35 cm. 83,17–18 Octav Höhen] Regalhöhe für Bücher in Octavformat (von lat. octavus: der achte, bezogen auf die dreifache Faltung eines Bogens), mit einer Rückenhöhe von 18–25 cm. 84,2 in Loco] Lat.: vor Ort. 84,2 des Bibliothekars] Johann Christoph Ferdinand Spilcker. 84,3 des Registrators] Christian August Vulpius, seit 1797 als Registrator an der Bibliothek angestellt. 84,3 vom Baumeister vortragen zu lassen] Der seit 1791 in Weimar tätige Architekt und Baumeister Johann Friedrich Rudolf Steiner.
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84,9 Die Foliobände wachsen jetzt nicht in der Mase zu wie Octav] Folio war ein beliebtes Buchformat im 15. und 16. Jahrhundert, also in der frühen Zeit des Buchdrucks. Spilcker wandte dagegen ein, wie Voigt in seinem Antwortbrief berichtete, dass bei der Neustellung der Bücher „durch das Heraufschaffen von unten, um in der innern Runde Platz zu erlangen, der Folianten oben viele werden müßten“ (Goethe-Voigt2 2, 57). 84,10 noch kleineres Format] Neben dem beliebten Duodezformat (von lat. duodecim: zwölf; vgl. zu 43,12) mit einer Rückenhöhe von 10–15 cm gab es noch weitere kleinformatige Taschenbücher in Sedez (von lat. sedecim: 16, bezogen auf die vierfache Faltung eines Bogens) mit einer Rückenhöhe von kleiner als 10 cm. 84,15 Was den Hofkantor und dessen Schreiberey betrifft] Der Hofkantor Johann Christoph Rudolph war seit 1798 auch mit Schreibtätigkeiten für die Bibliothek beauftragt. Voigt hatte am 28. März mitgeteilt, dass Rudolph „mit dem Mundo des Landkartencatalogi fertig“ sei und nun gewünscht habe, „an dem Nominalcatalogo ebenso fortschreiben zu dürfen“ (Goethe-Voigt2 2, 52). 84,16–17 die retardirende Manier unseres Rath Spilkers] Voigt berichtete, dass Spilcker nicht zulassen wollte, „nämlich daß der Hofkantor länger als die sonst gewöhnliche Zeit oben auf der Bibliothek arbeite“ (Goethe-Voigt2 2, 52). 84,17 contrabalanciren] Eigentlich ‚contrebalancieren‘, durch ein Gegengewicht ausgleichen (vgl. GWb 2, 1021). 84,19 Hofrath Loder] Zu dem Jenaer Professor der Anatomie und Chirurgie Justus Christian Loder vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 62. 84,19–20 wegen den Büttnerischen Catalogen] Die Bibliothek des Göttinger Sprachforschers Christian Wilhelm Büttner war im Sommer 1783 von Herzog Carl August erworben und im Jenaer Schloss aufgestellt worden. In den Verhandlungen zuvor kam es zu der Abmachung, dass der in eine finanzielle Notlage geratene Büttner seine Bibliothek nach seinem Tod der Weimarischen Bibliothek vermachen, die (noch festzusetzende) Summe jedoch als lebenslängliche Rente in Höhe von jährlich 300 Reichstalern erhalten werde. Zur Ermittlung des Preises sollte ein Katalog des Bestandes hergestellt werden, um anhand von Buchhändlerkatalogen den Preis jedes Buches bestimmen zu können. Der Katalog wurde zu großen Teilen von dem Göttinger Studenten Heinrich Moritz Grellmann angefertigt und im Juli 1782 fertig gestellt. 1781 ließ Herzog Carl August Michael Hißmann, außerordentlicher Professor der Philosophie in Göttingen, ersuchen, bei der Verfertigung des Katalogs von der Büttner’schen Bibliothek behilflich zu sein (vgl. Johann Karl Schuller: Magister Hißmann in Göttingen. Ein Beitrag zur siebenbürgisch-sächsischen Gelehrtengeschichte. Kronstadt 1863, S. 12; vgl. auch Werner Ronneberger: Die Schloßbibliothek zu Jena. In: Otto Glauning zum 60. Geburtstag. Festgabe aus Wissenschaft und Bibliothek. 2 Bde. Leipzig 1936–1938, Bd 2, S. 64–72). Eine Abschrift dieser Kataloge auch für den Standort Weimar hielt die Bibliothekskommission für „überhaupt ganz unentbehrlich“ (H: GSA 150/B 36, Bl. 8).
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Die Büttner’sche Bibliothek war zunächst von Justus Christian Loder und Johann Georg Lenz verwaltet worden, bis sie 1797 in den Zuständigkeitsbereich Goethes und Christian Gottlob Voigts gelangte (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr A 12). Der bisherige Katalog sollte nun abgeschrieben werden. 84,21 vor kurzem angefragt] Nicht schriftlich überliefert. Wahrscheinlich zeitgleich mit Hufelands und Loders Anfrage (GT II 1, 239) wegen des Mediziners Johann Gottlob Bernstein vom 28. März 1798, die Goethe im Tagebuch notierte. 84,21–22 30 rthlr vor die Abschrifft] Vgl. dazu das amtliche Schreiben der Bibliothekskommission vom 29. Oktober 1798 von Voigts Hand an die „FürstL. SächsL. Cammer“, dass der „Betrag der AbschreibeGebühren 〈…〉 nach beyliegenden Quittungen mit 26 Rthlr 14 gL“ bezahlt worden ist (H: GSA 150/B 36, Bl. 8). 84,27 Copisten] Nicht ermittelt.
64. An Christiane Vulpius
Jena, 2. April 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 79. – Doppelblatt 11,8 × 18,8 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: WA IV 13 (1893), 106f., Nr 3764 (Eduard von der Hellen). BEIL AG E
Brief von August Vulpius an Catharina Elisabeth Goethe (vgl. zu 85,9–10). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christiane Vulpius’ Brief vom 2. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1228). – Christiane Vulpius antwortete am 3.? April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1232). Postsendungen: 2. April 1798 (D e m. Vu l p i u s. / Extra Bot. retour.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 431). 85,1 Durch den rückkehrenden Boten] Laut Goethes Briefverzeichnis handelte es sich um einen Extra-Boten (vgl. Postsendungen), den Christiane Vulpius laut Bezugsbrief mit den für Goethe angekommenen Briefen nach Jena geschickt hatte. – Vgl. zum Botenwesen allgemein zu 85,21. 85,1–2 daß der Herzog Mitwoch hierher kommt und den Donnerstag bleibt] Christian Gottlob Voigt hatte in einem Brief, den der Bote überbracht hatte, seine für den 4. April geplante Ankunft mit dem Herzog angekündigt (vgl. RA 2,
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Nr 1229). Voigt kam schließlich allein und kehrte am selben Tag wieder zurück nach Weimar (vgl. Färber-Calender 1798, Bl. 9). 85,3 vor Freytag nicht nach Weimar könnte] Goethe reiste am Karfreitag, dem 6. April, nach Weimar zurück (vgl. GT II 1, 240). 85,4 Heute ist der Termin herum] Der Kommissionsvorsitzende Friedrich Heinrich Gotthelf Osann teilte sowohl Christian Gottlob Voigt am 3. April (vgl. RA 2, Nr 1231), als auch Georg Christoph Steffany am 9. April (vgl. GSA 30/39, Bl. 34) mit, dass keine Erklärung der Verkäufer erfolgt sei, und dass diese somit den Adjudikations- und Übergabetermin zu Johannis stillschweigend akzeptiert hätten (vgl. auch zu 82,18). 85,4–5 was die Commission resolvirt] Zur Verfügung der Fürstlichen Kommission vgl. zu 68,16. Auf Antrag Georg Christoph Steffanys vom 9. April 1798 (vgl. LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4314, Bl. 199) wurde der Übergabetermin zunächst auf den 21. Juni festgelegt (vgl. ebd., Bl. 202–207), wegen Verhinderung einer Partei aber auf den 22. Juni verschoben (vgl. ebd., Bl. 215–218). Steffany wurde über die Terminveränderung am 1. Juni in Kenntnis gesetzt (vgl. ebd., Bl. 215), die anderen Parteien in den darauffolgenden Tagen. – Resolvieren: beschließen (von lat. resolvere: wieder auflösen, von Zweifeln befreien). 85,6–7 damit alles besprochen und auf einmal abgethan werden kann] Christiane Vulpius war in den Gutskauf u.a. bei der Suche nach einem neuen Pächter involviert. Sie hatte selbst die Wirtschaft des Pachtanwärters Johann Friedrich Fischer auf dessen Pachtgut in Oberweimar in Augenschein genommen, um sich ein Bild davon zu machen, ob er als Pächter für Oberroßla in Frage kommen würde. Daraufhin hatte sie Goethe am 31. März gebeten, einiges mündlich mit ihm zu besprechen (vgl. RA 2, Nr 1224). Sie wiederholte ihre Bitte im Bezugsbrief vom 2. April. 85,8 bald das nähere hören] Zwei Tage später kündigte Goethe seine Rückkehr für das kommende Wochenende an, kam aber schließlich doch bereits am Freitag, dem 6. April, nach Weimar (vgl. zu 86,20). 85,9 das Kind] Der gemeinsame Sohn August (vgl. zu 81,12). 85,9–10 seinen Brief an die Großmama] August Vulpius’ nicht überlieferter Brief an seine Großmutter Catharina Elisabeth Goethe hatte Christiane Vulpius’ Brief an Goethe vom 31. März beigelegen (vgl. RA 2, Nr 1224). Christiane Vulpius bat Goethe um dessen Rücksendung, da sie ihn am 6. April auf die Post geben wollte (vgl. ebd.). Die Großmutter dankte dem Enkel in ihrem Brief vom 7. Mai für die „schöne Beschreibung von Verfertigung des Papiers“ (H: GSA 37/N 12; vgl. Pfeiffer-Belli, 743).
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65. An Christiane Vulpius
BRIEFE 65/66
Jena, 3. April 1798 → 〈Weimar〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 80. – 1 Bl. 18,8 × 23,7 cm, 2⁄3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Beischluss zu Nr 68 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; WA IV 13, 431). E: WA IV 13 (1893), 107, Nr 3765 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christiane Vulpius’ Brief vom 2. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1228). Da der vorangegangene Brief (Nr 64) wegen des abgehenden Boten in Eile geschrieben worden war (vgl. 85,1), geht Goethe im vorliegenden Brief noch einmal ausführlicher auf Christiane Vulpius’ Fragen ein. – Christiane Vulpius antwortete am 3.? April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1232). Postsendungen: 3. April 1798 (Brief nach W.; GR/Jena 1798, 1, Bl. 2v). 85,13 was ich gestern schon gesagt habe] Vgl. 85,1–7. Christiane Vulpius hatte den Wunsch geäußert, Goethe bald persönlich wegen des Gutes in Oberroßla sprechen zu können. 85,15 Donnerstag Abends erfährst du das nähere, durch des Herzogs Leute] Da der Herzog seine Reise nach Jena nicht antrat (vgl. zu 86,18), teilte Goethe Christiane Vulpius in einem Brief am Folgetag seine voraussichtliche Ankunft für Freitag oder Samstag selbst mit (vgl. zu 86,20). 85,16–18 Ich habe Herrn Meyer den Vorschlag gethan 〈…〉 eine Zeit lang hier zu bleiben.] Nicht überlieferter Brief an Johann Heinrich Meyer vom 2. April (EB 39). – Der Plan wurde verschoben; Goethe nahm eine Kutsche von Jena und fuhr damit nach Weimar zurück (vgl. 86,21–87,2). 85,18 im Schlosse] Vgl. zu Goethes Wohnsituation im Schloss in Jena zu 4,15–16. 85,20 den Kleinen] Der gemeinsame Sohn August (vgl. zu 81,12). 85,21 morgen mit den Botenweibern] Christiane Vulpius antwortete am 3.? April. – Bei den namentlich nicht bekannten ‚Botenfrauen‘ bzw. ‚Botenweibern‘ handelte es sich um weibliche Laufboten, die fast täglich zwischen Weimar und Jena Sendungen wie Briefe und Pakete transportierten. Sie waren eine wichtige Ergänzung zu Kammerwagen und reitender bzw. fahrender Post. Die weiblichen Laufboten arbeiteten auf eigene Kosten. Sie beförderten Sendungen aus dem Umland bzw. aus Gegenden, die von der Postkutsche nicht angefahren wurden, und nahmen Briefe und Pakete, die an ihren Heimatort adressiert waren, mit zurück. 85,22 Antwort] Der nächste überlieferte Brief Goethes stammt vom Mittwoch, dem 4. April (vgl. Nr 68).
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85,22 Ich bin fleißig] Vgl. zu 82,9. 85,23 wie ich wünschte] Vgl. zu 82,8.
66. An August Wilhelm Schlegel
〈Jena, 4. April 1798〉 → 〈Jena〉
DAT IERUN G
WA nimmt als Datierung den 4. April 1798 an, BuG den 18. Oktober (BuG 4, 452), die Schlegel-Ausgabe den 14. November 1798 (Schlegel-Schiller/Goethe, 76). Indizien für eine Datierung auf den 4. April liefern die Erwähnung der Gäste von Weimar (86,4), bei denen es sich wahrscheinlich um den für den 4. April angekündigten Besuch Christian Gottlob Voigts und Herzog Carl Augusts mit Begleitung handelte (vgl. RA 2, Nr 1229; vgl. GT II 1, 240; vgl. zu 86,4) sowie ein ebenfalls undatierter Brief an Schiller (Nr 67). Schlegel hatte in dieser Zeit den befreundeten Porträtmaler Johann Friedrich August Tischbein mit seiner Frau Sophie zu Gast, was mit Goethes Erwähnung der Freunde (86,3) übereinstimmen könnte. Im Brief an Schiller (Nr 67), der in der Gestaltung der Adresse dem vorliegenden Brief an Schlegel stark ähnelt, nimmt Goethe Bezug auf das für ihn unvermeidliche Aufeinandertreffen mit Tischbein (vgl. zu 86,14). Im Tagebuch sind zudem Ende März wiederholt Spaziergänge Goethes notiert (vgl. GT II 1, 237f.), ähnlich also wie die im vorliegenden Brief erwähnte Promenade (86,5). Diese Indizien fehlen bei einer Datierung auf den 14. November 1798. Die Mittheilung der Holzschnitte (86,1) lässt sich jedoch wiederum für April 1798 weder durch Briefe noch durch das Tagebuch belegen, könnte aber durch den intensiven Austausch zwischen Goethe und Schlegel im Frühjahr 1798 auch nur mündlich erfolgt sein. Am 14. November 1798 ist mit dem Tagebucheintrag Rath Schlegel, Ungarische und Englische Holzschnitte (ebd., 265) zwar eine thematische Nähe zum vorliegenden Brief offenkundig, jedoch passen alle anderen Indizien nicht dazu. Es ist deshalb anzunehmen, dass Goethe sich zwar erst im Juni praktisch und im November theoretisch mit der Holzschnitt-Thematik beschäftigte (vgl. zu 86,1), die Anschauungsmaterialien aber schon im April von Schlegel zur Verfügung gestellt bekam. Die Datierung auf den 18. Oktober ließe sich durch den Besuch Willem Ferdinand Mogge Muilmans und Johann Jacobus Metelerkamps in Jena erklären; Metelerkamp beschreibt in seinem Reisetagebuch für diesen Tag einen morgendlichen Besuch mit Schlegel, dem ehemaligen Hauslehrer Mogge Muilmans, bei Goethe (vgl. BuG 4, 452f.). Goethe selbst hatte wiederum den Erbprinzen Carl Friedrich, mit Ridel und Familie Voigt zur Weinlese eingeladen (vgl. GT II 1, 262). Widersprüchlich in diesem Zusammenhang ist Goethes Aufforderung an Schlegel, sich gegen zwölfe zu melden, während er sich am 18. Oktober mit Ridel
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BRIEF 67
und dem Erbprinzen bereits vormittags im Mühltal treffen wollte (vgl. RA 2, Nr 1526). ÜBER L IEF ERU NG
H: ULB Bonn, Bestand: Nachlass Schlegel, Sign.: S 506 : II : 7. – Doppelblatt 18,9 × 23,5 cm, 1⁄3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 4 Adresse: Des / Herrn Rath Schlegels / Wohlgebl.; S. 3 und S. 4 Reste einer roten Verschlussoblate. E: Schiller/Goethe-Schlegel (1846), 32f. WA IV 13 (1893), 108, Nr 3766 (nach E). ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt. 86,1 Für die Mittheilung der Holzschnitte] Wahrscheinlich hatte Schlegel einige Holzschnitte zur näheren Begutachtung an Goethe ausgeliehen. Es könnte sich neben altdeutschen Holzschnitten um Arbeiten des Engländers Thomas Bewick gehandelt haben, die Goethe am 12. Dezember an Schlegel zurückschickte (vgl. zu 258,25). Näheres ist hierzu nicht zu ermitteln. 86,3 Sie und Ihre Freunde] Schlegel hatte zu dieser Zeit den Porträtmaler Johann Friedrich August Tischbein mit Frau zu Gast, den er 1792 in Amsterdam kennen gelernt hatte. Goethe war den Tischbeins im Beisein von Schlegel am 3. April begegnet (vgl. GT II 1, 240), stand Tischbein aber distanziert gegenüber (vgl. 86,14). 86,4 Gäste von Weimar] Christian Gottlob Voigt hatte seinen Besuch in Jena am 4. April mit einem Brief vom 2. April angekündigt (vgl. RA 2, Nr 1229; vgl. GT II 1, 240). Er wollte mit Goethe einige amtliche Angelegenheiten persönlich besprechen. Zugleich teilte er mit, dass der Herzog am gleichen Tag in Begleitung von Joseph Charles Mellish und Julius Wilhelm Ernst von Stein zu Nord- und Ostheim von Dornburg auf dem Rückweg nach Weimar in Jena Station machen werde (vgl. ebd.). Der Herzog sagte die Reise jedoch kurzfristig wegen Unpässlichkeit und aufgrund des schlechten Wetters ab (vgl. RA 2, Nr 1234). 86,4–5 noch vor Tische] Goethe verbrachte den Abend laut Tagebuch bey Schiller (GT II 1, 240). – Ein Spaziergang wird nicht erwähnt, weder mit Christian Gottlob Voigt noch mit Schlegel und dessen Begleitung. Vermutlich war das Wetter, das den Herzog daran gehindert hatte, nach Jena zu kommen (vgl. RA 2, Nr 1234), dafür zu schlecht.
APRIL 1798
67. An Friedrich Schiller
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〈Jena, 4. April 1798〉 → 〈Jena〉
DAT IERUN G
Der eigenhändige Brief wurde durch Goethes Begegnungen mit August Wilhelm Schlegel und Johann Friedrich August Tischbein in Jena am 3. April 1798 veranlasst. WA und NA nehmen eine Datierung auf den 4. April 1798 vor; eine Datierung auf den 3. oder 5. April ist aber nicht auszuschließen. Laut seiner Tagebucheinträge (vgl. GT II 1, 240) traf Goethe am 3. April nachweislich zweimal mit Schlegel zusammen: Eine erste Begegnung fand am Vormittag wohl im Hause Schlegels statt, wo Tischbein als Gast weilte. Darauf folgte zu Mittag ein Besuch Goethes bei Schiller. Am Abend war Goethe zum Essen im Hause von Justus Christian Loder eingeladen, wo auch Schlegel und Tischbein anwesend waren. Eine erneute Begegnung Goethes mit beiden am 4. April ist wenig wahrscheinlich, da Goethe an diesem Tag mit Christian Gottlob Voigt zusammentraf (vgl. Nr 66). Am Abend des 4. April war Goethe erneut bei Schiller zu Besuch, den er am folgenden Mittag und Abend des 5. April wiederholte. Am Morgen des 6. April reiste er aus Jena ab (vgl. GT II 1, 240). ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 88–89. – Doppelblatt 18,7 × 23,5 cm, 1 S. beschr., egh., Tinte; S. 4 Adresse von Schreiberhd (Geist): Herrn Hofrath Schillers / Wohlgebl.; Rote Verschlussoblate; Ausriss durch Öffnen der Oblate. E: Riemer, Goethe-Briefe (1846), 138f., Nr 4. WA IV 13 (1893), 108, Nr 3767. ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt. Da Goethe am Abend des 4. April 1798 Schiller besuchte, ist davon auszugehen, dass die Antwort in mündlicher Form erfolgte. 86,7 wegen Schlegels anfragen] In seinem Brief vom 24. Februar 1798 hatte Goethe eine persönliche Begegnung Schillers mit August Wilhelm Schlegel vorgeschlagen (vgl. Nr 39). Schiller war darauf nicht eingegangen. 86,8–9 seine Verbannung] Schillers Entfremdung von Schlegel resultierte wesentlich aus seiner Verärgerung über dessen Bruder Friedrich (vgl. zu 54,19). 86,11 Tischbein] Der Porträtmaler Johann Friedrich August Tischbein – ein Vetter von Goethes römischem Künstlerfreund Johann Heinrich Wilhelm Tischbein – hatte Schlegel 1792 in Amsterdam kennen gelernt und war seitdem mit ihm befreundet. Er weilte zu einem Besuch im Hause Schlegels in Jena (vgl. zu 86,3). Ob Tischbein in diesen Tagen mit Schiller zusammentraf, ist nicht bekannt.
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BRIEFE 68/69
86,12 da S. nach Ostern fortgeht] Über die Reisepläne Schlegels hatte Goethe Schiller bereits am 24. Februar informiert (vgl. Nr 39). Schlegel reiste Mitte Mai für fünf Wochen nach Berlin, begab sich von dort nach Dresden und kehrte erst im Herbst nach Jena zurück (vgl. zu 143,18). 86,14 Tischbein 〈…〉 nicht vermeiden kann] Der 1795 zum Hofmaler des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau ernannte Porträtmaler war in den folgenden Jahren mit großem Erfolg in Berlin und Dresden tätig. 1800 wurde er Nachfolger Adam Friedrich Oesers als Direktor der Kunstakademie in Leipzig. Wiederholt weilte Tischbein mit Bildnisaufträgen in Weimar, so 1798 für ein Standesporträt der drei Kinder des Herzogs Carl August. Zu den von Tischbein porträtierten Dichtern der Weimarer Gesellschaft gehörten Christoph Martin Wieland (1795) und Johann Gottfried Herder (1796). Trotz der Vermittlungsbemühungen von August Prinz von Sachsen-Gotha (vgl. RA 1, Nr 1328) entzog sich Goethe jedoch beharrlich den Wünschen des Künstlers, auch ihn zu porträtieren. 86,16 Fortschritte] Gemeint ist Schillers Arbeit am „Wallenstein“.
68. An Christiane Vulpius Jena, 4. April 1798 → Weimar ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 81–82. – Doppelblatt 18,8 × 23,7 cm, ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 4 Adresse: An / Demoiselle Christiana Vulpius / in / We i m a r.; Reste einer roten Verschlussoblate, Papierausriss durch Öffnen der Oblate. – Beischluss: EB 42. E: WA IV 13 (1893), 109, Nr 3768 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christiane Vulpius’ Brief vom 3.? April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1232). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt; Goethe kehrte zwei Tage später nach Weimar zurück. Postsendungen: 4. April 1798 (D e m. Vu l p i u s. vorigen mit eingeschl.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 431). 86,18 Unser hoher Gast ist heute nicht gekommen] Herzog Carl August, dessen Besuch in Jena für den 4. April 1798 angekündigt worden war, hatte die Reise wegen Unpässlichkeit und schlechten Wetters verschoben (vgl. RA 2, Nr 1234). 86,20 wohl Freytag oder Sonabend zu dir kommen] Goethe reiste am Freitagmorgen, dem 6. April, um 9 Uhr von Jena ab und traf mittags in Weimar ein (vgl. GT II 1, 240).
APRIL 1798
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86,21 die wenigen Geschäffte] Hierzu ist nichts Näheres bekannt. Laut Tagebuch hielt sich Goethe am 4. April abends und am 5. April mittags bei Schiller auf (vgl. GT II 1, 240). 87,1 Herrn Professor] Johann Heinrich Meyer, seit 1795 Professor an der Malund Zeichenschule. 87,1 eine bessere Zeit abwarten wollen] Ursprünglich hatte Goethe Johann Heinrich Meyer vorgeschlagen, einige Zeit in Jena zu verbringen und im Schloss zu wohnen (vgl. 85,16–17). 87,4 den Kleinen] Der gemeinsame Sohn August (vgl. zu 81,12).
69. An Friedrich Schiller
Weimar, 7. April 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 92. – Doppelblatt 18,8 × 23,7 cm, 2 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 158–160, Nr 447. WA IV 13 (1893), 109–111, Nr 3769. BEIL AG EN
1) Kupferstich (vgl. zu 87,27). 2) Büchelchen (vgl. 88,8). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 6. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1235). – Schiller antwortete am 10. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1241). Postsendungen: 7. April 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 431). 87,6 häuslichen Geschäffte] Es handelte sich vor allem um die geplante Verpachtung des im März 1798 erworbenen Lehn- und Freigutes in Oberroßla. Eine von Christian Gottlob Voigt entworfene „Punctation des Pachtcontractes“ (H: GSA 30/39, Bl. 42–44) wurde am 15. April dem Pächter Johann Friedrich Fischer übergeben (vgl. GT II 1, 240f.). 87,8 von Ihnen weggegangen] Goethe hatte sich vom 20. März bis 6. April in Jena aufgehalten (vgl. GT II 1, 237–240). 87,10 Arbeit] In Jena hatte sich Goethe u.a. mit seinem geplanten Epos „Achilleis“ beschäftigt, an dem er in den kommenden Wochen weiter arbeitete (vgl. zu 114,10). Am 9. April nahm er zudem seine Arbeit am „Faust“ wieder auf (vgl. zu 88,21–22).
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BRIEF 70
87,11–12 das nächste mal] Goethe reiste am 20. Mai wieder nach Jena, wo er – abgesehen von einer fünftägigen Unterbrechung vom 31. Mai bis 4. Juni – bis zum 21. Juni 1798 blieb (vgl. GT II 1, 245–251). 87,14 langen Entfernung] Abgesehen von einem kurzen Besuch Goethes in Jena am 20. November 1797 (vgl. BuG 4, 387f.) hatte die letzte persönliche Begegnung beider vor Goethes Schweizer Reise stattgefunden, als Schiller vom 11. bis 18. Juli 1797 als Goethes Gast in Weimar weilte (vgl. GT II 1, 120). 87,14 – 15 die Opposition unserer Naturen] Die Betonung der Gegensätzlichkeit beider Seiten und die Versicherung der wechselseitigen Bereitschaft, sich dem anderen zu erklären, gehörten zu den Grundkonstanten der Arbeitsfreundschaft zwischen Goethe und Schiller. Anlässlich seiner Planungen einer erneuten Reise nach Italien hatte Goethe in seinem Brief vom 17. Mai 1797 Schiller dazu aufgefordert, unsere Zweyheit immer mehr in Einklang 〈zu〉 bringen, damit selbst eine längere Entfernung unserm Verhältniß nichts anhaben könne (WA IV 12, 125). Schiller hatte daraufhin betont, das „〈e〉in solches auf wechselseitige Perfectibilität gebautes Verhältniß 〈…〉 immer frisch und lebendig bleiben“ müsse (an Goethe, 21. Juli 1797; NA 29, 104; vgl. RA 2, Nr 901). 87,17 zunehmenden Materialität unserer Freundin] Schiller hatte von seiner Begegnung mit Charlotte von Kalb berichtet. Ihre zerrütteten Vermögensverhältnisse verleiteten sie gelegentlich zu kaufmännischen Spekulationen (vgl. GB 10 II, zu 72,1). 87,19 Ingredientien] Von lat. ingredientia: Bestandteil, hier im Sinne von ‚wirkendes Element‘ (vgl. GWb 4, 1533f.). 87,22 Wallenstein] Zu Schillers Arbeit am „Wallenstein“ vgl. zu 5,19. Während seines Aufenthalts in Jena hatten sich Goethe und Schiller ausführlich über Schillers Arbeit verständigt (vgl. GT II 1, 237f.). 87,27 Ich lege einen derben Amor, von Guttenberg, nach Meyer, bey] Der von dem Nürnberger Kupferstecher Heinrich Guttenberg nach einem Entwurf von Johann Heinrich Meyer ausgeführte Kupferstich zeigt einen stämmigen kleinen Amor mit den Waffen des Herkules und verbildlicht die Überwindung der Stärke durch die Kraft der Liebe. Als Vorlage hatte Meyer eine Gemme aus Goethes Besitz genutzt (siehe die nachfolgenden Erläuterungen). Der Kupferstich diente als Frontispiz zu Carl Ludwig von Knebels Übersetzung „Elegieen von Properz“, die im Herbst 1798 bei Georg Joachim Göschen in Leipzig erschien (vgl. Charlotte Kurbjuhn: Knebels Autonomie. Elegien und Epikureismus im klassischen Weimar [1798–1800]. In: JbdDSG 60 [2016], S. 243–275). Die Beilage ist nicht überliefert. 88,3 etwas ähnliches für den Almanach] Für das Titelkupfer zum geplanten „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ entwarf Johann Heinrich Meyer die Darstellung einer Psyche, wofür eine weitere Gemme aus Goethes Sammlung als Vor-
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lage diente. Auch dieser Entwurf wurde von Heinrich Guttenberg als Kupferstich ausgeführt (vgl. zu 118,20–21). 88,3–4 mein gewöhnlicher Siegelring] Der aus Goethes Besitz überlieferte geschnittene flache Karneol stammt aus späthellenistischer Zeit und ist in einen Goldring gefasst; er zeigt die Darstellung „Amor mit den Waffen des Herkules“ (KSW, Museen, Inv.-Nr GGM/003; vgl. Femmel/Heres 71, K 3). Goethe hatte den Ring vermutlich in Italien erworben und siegelte mit ihm seit 1789, darunter auch Briefe des Jahres 1798 an Schiller (vgl. Überlieferung zu Nr 12, Nr 165, Nr 167) und an Knebel (vgl. Überlieferung zu Nr 229). Bereits im Dezember 1797 hatte Meyer gegenüber Knebel auf diese Gemme als Vorlage für seinen Entwurf hingewiesen: „Was die Zeichnung nun selbst betrifft, so werden Sie wohl erkennen, daß Goethe’s Siegelring dabei zum Muster gedient hat. Die Vorstellung scheint mir dem allgemeinen Geiste in Properz’s Werken verwandt, und gleichsam anzukündigen, was man zu erwarten hat; deßwegen hat sie uns geschienen, ganz schicklich zum Titelblatt dienen zu können.“ (Knebel, Nachlaß und Briefwechsel 2, 411.) 88,6 Ihrer lieben Frau] Charlotte Schiller. 88,7 Vorsorge] Hier im Sinne von ‚Fürsorge‘ (vgl. GWb 3, 1037). Während seines zurückliegenden Aufenthalts in Jena war Goethe fast täglich Gast der Familie Schiller. 88,8 Büchelchen] Nicht ermittelt. Goethe nutzte diese Form der Übersendung wiederholt, um Kunstblätter vor möglichen Transportschäden zu schützen (vgl. zu 118,20–21).
70. An Friedrich Schiller
Weimar, 11. April 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 95. – Doppelblatt 18,6(–18,8) × 28 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrektur (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 88,25 |(|J a c o b i|)| ⎡Mm⎤. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 164f., Nr 450. WA IV 13 (1893), 112f., Nr 3772. BEIL AG EN
1) Brief Max Jacobis an Schiller vom 29. März 1798 (vgl. zu 88,25). 2) Gedichte Jacobis für die „Horen“ (vgl. zu 88,26). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 10. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1241). – Schiller antwortete am 24. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1254).
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Postsendungen: 11. April 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 431). 88,11 von Jena abreiste] Goethe war am Morgen des 6. April überraschend aus Jena abgereist, um die Verpachtung seines im März 1798 erworbenen Gutes in Oberroßla zu regeln (vgl. zu 87,6). 88,13 sowohl allgemeine als besondere Angelegenheiten] Zu den allgemeinen Aufgaben, mit denen Goethe in diesen Tagen beschäftigt war, zählten der Schlossbau und die Bibliotheksordnung, zu den besonderen, d.h. privaten, die Gutsangelegenheiten in Oberroßla (vgl. GT II 1, 240f.). 88,15 Iffland giebt wirklich, vom 24ten an, Sechs Repräsentationen.] August Wilhelm Iffland kam am 23. April 1798 in Weimar an und blieb bis zum 5. Mai. Die Modalitäten seines Aufenthalts besprach er in Briefen mit Franz Kirms. So schreibt er am 17. April an Kirms über die bevorstehende Reise: „Nun denn – Sonnabend den 21n, früh 7 Uhr, gehen wir ab. So hoffe ich, den 22n früh, di vor Abend in Leipzig zu sein. Den 23n 4 Uhr früh, aus Leipzig. Da wären wir ja wohl, den 23n des Abends 8 Uhr zu Weimar. Es steht bei Ihnen, ob ich den 24 spielen soll, oder den 25n. Einen Ruhetag wünsche ich, für Öttersberg früh und Belvedére Nachmittags, wenn es angeht. Außerdem, gebietet über Euren Knecht.“ (H: LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar, Sammlung Pasqué, Nr 254, Bl. 160; vgl. auch Satori-Neumann2 1, 225.) Goethe geht von sechs Aufführungen aus, die auch in einer von Kirms entworfenen, durch Goethe redigierten gedruckten „Nachricht“, die öffentlich kursierte, Ifflands Gastspiele ankündigt: „Der ganz Deutschland auf das vortheilhafteste bekannte Künstler und gegenwärtige Director des Königl. Preußischen deutschen Schauspiels, Herr Iffland, wird, vom 24sten April an, auf dem hiesigen Hoftheater, sechs nahe auf einander folgende Vorstellungen geben, und mit der Rolle des alten Dominique in dem Essighändler, mit welcher derselbe in Berlin debütirte, den Anfang machen.“ (H: LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar, Sammlung Pasqué, Nr 254, Bl. 163; vgl. auch Satori-Neumann2 1, 223f.) – Tatsächlich trat Iffland schließlich in neun Stücken an acht Tagen in zehn Vorstellungen auf: in der Titelrolle als alter Vater Dominique in „Der Essigmann mit seinem Schubkarren“, übersetzt von Friedrich Ludwig Schröder, nach Louis Sébastien Mercier (24. April), als Graf Wodmar in „Der deutsche Hausvater oder die Familie“ von Otto Heinrich von Gemmingen (25. April), in der Titelrolle des Melodrams „Pygmalion“, Text von Friedrich Wilhelm Gotter nach Jean-Jacques Rousseau, Musik von Georg Benda (27. April, wiederholt am 1. Mai), als Wallen in Schröders Bearbeitung von „Stille Wasser sind tief“ (27. April), als Haushofmeister Bittermann in August von Kotzebues „Menschenhaß und Reue“ (28. April), als Hettmann in Kotzebues „Graf Benjowsky oder Die Verschwörung auf Kamtschatka“ (30. April), neben der Wiederholung des „Pygmalion“ als Treumund in Wolfgang Heribert von Dalbergs „Die eheliche Probe“ (1. Mai), als Apotheker
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Agapito in „Die verstellte Kranke“ nach Carlo Goldoni, vermutlich nach einer Übersetzung von Justus Heinrich Saal (3. Mai), und als Amtmann Riemen in seinem eigenen Stück „Die Aussteuer“ (4. Mai). 88,16–17 der Zudrang noch lebhafter seyn als das erste mal] Ifflands erstes Gastspiel in Weimar hatte vom 28. März bis 25. April 1796 stattgefunden (vgl. GT II 1, 65–68). – Die Eintrittspreise wurden 1798 für diese Aufführungen erhöht, wie es durch eine in Umlauf gebrachte Nachricht über Ifflands Gastspiele heißt: „Die Einlaßpreise sind während gedachten Vorstellungen / 1 Rthlr. auf den ersten Platz, / – - 16 Gr. auf den zweyten, / – - 8 – auf die Gallerie.“ (H: LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar, Sammlung Pasqué, Nr 254, Bl. 163; vgl. auch Satori-Neumann2 1, 224.) Tatsächlich entsprachen die Zuschauerzahlen in etwa denen von Ifflands erstem Gastspiel vom 28. März bis 25. April 1796. 88,17–19 Schon in der Stadt haben wir mehr Fremde 〈…〉 gewachsen.] Als Fremde werden hier die nicht aus Weimar, sondern von außerhalb eigens anreisenden Theaterbesucher bezeichnet. – Kirms und Goethe hatten Ifflands Gastspiel in verschiedenen Zeitungen, u.a. im „Kaiserlich-privilegirten Reichs-Anzeiger“ (Nr 89, 19. April 1798, Sp. 1042) außerhalb Weimars ankündigen lassen, um Publikum anzulocken. – In der in diesen Organen in Umlauf gebrachten „Nachricht“ über Ifflands Gastspiele wird mit dem Andrang von außen gerechnet und erste Vorkehrungen getroffen: „Fremde, die an diesem Genuß Theil nehmen wollen, würden allenfalls vor ihrer Ankunft durch hiesige Bekannte sich mit Billets zu versehen haben, weil nur eine bestimmte Anzahl von Personen in das Schauspielhaus Eingang findet.“ (H: LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar, Sammlung Pasqué, Nr 254, Bl. 163; vgl. Satori-Neumann2 1, 224.) 88,20 die nächsten vier Wochen] Goethe kam erst 5 ½ Wochen später, am 20. Mai, wieder nach Jena (vgl. GT II 1, 245). 88,21–22 den Faust vorgenommen] Nach einer über siebenjährigen Pause hatte sich Goethe im Juni 1797 wieder seiner „Faust“-Dichtung zugewandt (vgl. GT II 1, 118; EGW 5, 12–836). Das Werk war 1790 in einer ersten Fassung unter dem Titel „Faust. Ein Fragment“ im 7. Band der bei Georg Joachim Göschen erscheinenden Werkausgabe von „Goethe’s Schriften“ (Leipzig 1790, S. 1–168) veröffentlicht worden. Schon zu Beginn ihres Briefwechsels hatte sich Schiller beeindruckt von diesem „Torso des Herkules“ (Schiller an Goethe, 29. November 1794; NA 27, 95; vgl. RA 1, Nr 1114) gezeigt und Goethe zu einer Fortsetzung gedrängt, die dieser aber zunächst ablehnte: Von Faust kann ich jetzt nichts mittheilen, ich wage nicht das Packet aufzuschnüren das ihn gefangen hält. Ich könnte nicht abschreiben ohne auszuarbeiten und dazu fühle ich mir keinen Muth. Kann mich künftig etwas dazu vermögen; so ist es gewiß Ihre Theilnahme. (Brief an Schiller vom 2. Dezember 1794; GB 10 I, 90,8–11.) Auf
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Goethes unvermittelte Ankündigung vom 22. Juni 1797, seine Arbeit am „Faust“ wieder aufgenommen zu haben, hatte Schiller am folgenden Tag mit verhaltener Freude reagiert: „Ihr Entschluß an den Faust zu gehen ist mir in der That überraschend, besonders jetzt, da Sie Sich zu einer Reise nach Italien gürten. Aber ich hab es einmal für immer aufgegeben, Sie mit der gewöhnlichen Logik zu meßen, und bin also im Voraus überzeugt, daß Ihr Genius sich vollkommen gut aus der Sache ziehen wird.“ (NA 29, 86.) Nach der Ende November 1797 erfolgten Rückkehr aus der Schweiz zählte der „Faust“ dann zu den zentralen Arbeitsvorhaben Goethes des Jahres 1798, das er auch gegenüber Carl Ludwig von Knebel ankündigte (vgl. 4,8). Ein wohl Anfang 1798 diktierter Arbeitsplan („Verzeichniß poetischer und litterarischer Arbeiten welche zunächst bevorstehen“) nennt die Weiterarbeit am „Faust“ an erster Stelle: a.) Das Schema nochmals durchzugehen. b.) Stimmung zur Ausführung abzupassen. (H: GSA 27/55; vgl. MA/Goethe 6 I, 851f.) Erst am 9. April 1798 nahm Goethe die Beschäftigung am „Faust“ auf, die er mit einigen täglichen Unterbrechungen bis zum 21. April kontinuierlich fortsetzte (vgl. GT II 1, 241f.). Über das Ergebnis seiner Arbeiten berichtete er Schiller am 5. Mai (vgl. Nr 85). Ob sich Goethe in den folgenden Monaten weiterhin mit „Faust“ beschäftigte, ist aufgrund fehlender Zeugnisse zweifelhaft. Die geplante Dichtung wurde während Goethes folgendem Aufenthalt in Jena nur noch einmal, am 7. Juni, besprochen (vgl. GT II 1, 248). Eine vorsichtige Anfrage des Verlegers Johann Friedrich Cotta im Dezember 1798 zum möglichen Abschluss der Dichtung beantwortete Goethe am 2. Januar 1799 abschlägig (vgl. GB 14 I, 3,8–10). Der erste Teil der Dichtung erschien erst 1808 im 8. Band der von Cotta verlegten Ausgabe von „Goethe’s Werken“ (Tübingen 1808, S. 1–234), der zweite Teil nach Goethes Tod 1833 im selben Verlag. 88,22 Ihre Bemerkung] Wohl eine mündliche Äußerung Schillers während Goethes Aufenthalt in Jena vom 20. März bis 6. April. 88,25 J a c o b i, der an Sie geschrieben hat] In seinem Brief an Schiller vom 29. März hatte Max Jacobi um eine Nachricht von Goethe gebeten (vgl. NA 37 I, 271f.). Schiller hatte diesen „Brief nebst Gedichten von einem gewißen Jacobi“ (NA 29, 224) im Bezugsbrief an Goethe weitergeleitet. Es handelte sich um den dritten Sohn von Goethes Freund Friedrich Heinrich Jacobi. Goethe hatte ihn während seines Medizinstudiums in Jena (1793–1795) unterstützt und stand auch nach seiner 1797 erfolgten Niederlassung als Arzt in Vaals bei Aachen mit ihm in loser Verbindung (vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 14 II, Nr 130). 88,26 Gedichte] Die von Jacobi zur Veröffentlichung in den „Horen“ bestimmten Gedichte sind nicht überliefert. Möglicherweise handelte es sich um die umfangreichen Idyllen „Des Kantors Brautwerbung“ und „Der Wahrsager“ (Herting, Maximilian Jacobi, 199–206; vgl. NA 37 II, 353). In den „Horen“ wurden keine Werke Jacobis veröffentlicht.
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88,29 bey uns eintreffen] Aufgrund seiner Erkrankung reiste Schiller nicht nach Weimar. Charlotte Schiller besuchte nur die Vorstellung am 3. Mai (vgl. RA 2, Nr 1269). 89,1–2 Sie können neben Meyern sich recht gut einquartieren.] Vgl. zu 65,18–19.
71. An Friederike Unzelmann
Weimar, 12. April 1798 → 〈Berlin〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GMD, Sign.: NW 395/1960. – 1 Bl. (Fragment 90,9–14) 18,6(–19) × 12,8(–13,7) cm, links abgerissen, unten unregelmäßig abgeschnitten, restauriert, egh., Tinte. K: GSA Weimar, Sign.: 28/21, Bl. 167. – Doppelblatt 21,2(–21,4) × 34,3 cm, 2 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 oben links Adresse: An Madame Unzelmann. – Vgl. Überlieferung zu Nr 62. E1: Wahle, Weimarer Hoftheater (1892), 121–122 (nach K). E2: Wilhelm Jacobsohn & Co. Buch-, Musikalien- und Antiquariatshandlung. Antiquarischer Katalog Nr 166. Breslau 1901, S. 58 (nach H, bereits das heute überlieferte Fragment 90,9–14). WA IV 13 (1893), 113–115, Nr 3773 (nach K). Textgrundlage: Aufgrund der fragmentarischen Überlieferungslage von H werden K und H im Textband dargeboten. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Friederike Unzelmanns Brief vom 1. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1226). – Friederike Unzelmann antwortete am 27. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1260). Postsendungen: 12. April 1798 („2. 〈gL.〉 vor 1. 〈Schreiben〉 a Md. Unzelmann, den 12t 〈April.〉 1798.“; GR/Belege 1798, 4, Bl. 22r). Friederike Auguste Caroline Conradine Unzelmann (1768–1815) wurde als Tochter des herzoglich sächsischen Beamten Jacob Flittner und seiner Frau Caroline Sophie Auguste geb. Hartmann in Gotha geboren. Der Vater starb früh (Lebensdaten unbekannt), nach seinem Tod schloss sich die Mutter einer Schauspieltruppe an und ging nach Frankfurt am Main. Bereits 1782 stand Friederike in Kinderrollen auf der Frankfurter Bühne und trat unter dem Namen ihres Stiefvaters, des Theaterdichters und Schauspielers Gustav Friedrich Wilhelm Großmann, auf. Aufgrund ihrer schauspielerischen Begabung übernahm sie bald das Rollenfach der jugendlichen Liebhaberin. 1785 heiratete sie Karl Wilhelm Ferdinand Unzelmann, der im
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selben Jahr nach Frankfurt gekommen war und sich bereits als Schauspieler in komischen Rollen hervorgetan hatte. Goethes Mutter stand in engem Kontakt mit der Familie Großmann, die sie gern zu sich als Gäste lud. Bei mehreren Kindern übernahm sie die Patenschaft und unterstützte die Familie in finanziellen Notlagen. Insbesondere zu Friederikes Ehemann knüpfte sie eine freundschaftliche Beziehung, die im Laufe der Jahre immer vertrauter wurde (vgl. den Briefwechsel in PfeifferBelli, 561–613). Ab 1788 ging das Schauspielerpaar an das Berliner Theater und spielte unter dem dortigen Schauspieldirektor August Wilhelm Iffland. Mit ihrem Debüt als Nina in dem Singspiel „Nina oder Wahnsinn aus Liebe“ avancierte Friederike Unzelmann zum Berliner Publikumsliebling. Im Repertoire war sie nicht festgelegt und spielte sowohl im komischen als auch im tragischen Fach. Zahlreiche Gastspiele in Hamburg, Wien, Prag und München, 1801 auch in Weimar, machten sie über die Berliner Bühne hinaus berühmt. 1803 ließ sich das Paar scheiden. Friederike Unzelmann heiratete zwei Jahre später den Schauspieler Heinrich Eduard Bethmann. Trotz einiger Konflikte mit Iffland blieb sie der Berliner Bühne treu. Sie starb am 16. August 1815. – Goethe kannte Friederike Unzelmann bereits aus Berichten seiner Mutter über das Frankfurter Theater (so etwa in einem Brief vom 5. Oktober 1794; ebd., 673, Nr 228). Zu einer ersten Begegnung kam es im Juli 1795 in Karlsbad. Friederike Unzelmann war mit der befreundeten Rahel Levin in die böhmischen Bäder gereist, u.a. mit dem Wunsch, Goethe dort kennen zu lernen. Dass sie während des Karlsbad-Aufenthalts miteinander verkehrten, ist durch einen Tagebucheintrag Friederike Bruns dokumentiert (vgl. BuG 4, 159–161). Goethe schätzte vor allem ihr schauspielerisches Talent. Ein Gastauftritt der Unzelmann auf dem Weimarer Hoftheater kam vom 21. bis 30. September 1801 zustande (vgl. Theater/Musik Weimar). Goethe schrieb darüber im „Journal des Luxus und der Moden“: Der Geist, in welchem diese treffliche Schauspielerin die einzelnen Rollen bearbeitet und sich für eine jede umzuschaffen weiß, 〈…〉 kurz das Ganze, was Natur an ihr und was sie für die Kunst gethan, war dem Weimarischen Theater eine wünschenswerthe Erscheinung, deren Wirkung noch fortdauert und nicht wenig zu dem Glück der diesjährigen Wintervorstellungen beigetragen hat. (Weimarisches Hoftheater. In: Journal des Luxus und der Moden, Bd 17, März 1802, S. 136–148, hier S. 139.) Die freundschaftlichen Beziehungen wurden befestigt, indem Goethe 1802 auf Unzelmanns Bitte, aber auch 〈a〉us Achtung für Mad. Unzelmann, aus Neigung zu derselben, als einer allerliebsten Künstlerin (Tag- und Jahres-Hefte; WA I 35, 128), ihren 16-jährigen Sohn Karl zur Ausbildung an das Weimarer Theater nahm. – Der vorliegende Brief ist der erste Brief (und der einzige aus dem Jahr 1798) aus einer wahrscheinlich nur teilweise überlieferten Korrespondenz. Insgesamt sind acht Briefe Goethes an Friederike Unzelmann-Bethmann aus einem Zeitraum zwischen 〈12. April 1798〉 und 12. November 1814 bekannt. Von Friederike Unzelmann-Bethmann sind zwölf Briefe an Goethe, zwei aus dem
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vorliegenden Zeitraum (vgl. RA 2, Nr 1226; RA 2, Nr 1260), zwischen 1. April 1798 und 19. Juli 1804, überliefert. 89,5 kleine Frau] Unzelmann weist im Bezugsbrief selbst darauf hin, dass sie „von Figur zwar sehr klein, doch mit einer großen Empfänglichkeit für alles Schöne und Große gebohren wurde“ (H: GSA 28/21, Bl. 166). Trotz ihrer Zierlichkeit soll sie über eine außerordentliche Bühnenpräsenz verfügt haben. 89,6 gekannt] ‚Kennen‘ hier im Sinne von ‚um das Verdienst einer Person wissen‘ (vgl. GWb 5, 336). 89,7–8 Ihre Neigung sehr erfreulich ist] Friederike Unzelmann hatte im Bezugsbrief angeboten, noch im April für 14 Tage in Weimar zu gastieren, da König Friedrich Wilhelm III. von Preußen gerade nicht in Berlin und sie damit abkömmlich sei. Bei der Wahl der Stücke lasse sie Goethe freie Hand. 89,12 Herrn Ifland] Der Berliner Schauspieldirektor August Wilhelm Iffland, unter dessen Direktion Friederike Unzelmann als Schauspielerin stand, gastierte selbst in Weimar in der Zeit vom 24. April bis 4. Mai (zu Ifflands Gastspiel in Weimar vgl. zu 88,15). – Offenbar hatte es im Vorfeld keine Absprache untereinander gegeben. Iffland stand mit Unzelmann häufig auf der Bühne und schätzte ihr schauspielerisches Talent. In den Anfangsjahren ihrer Zusammenarbeit, nachdem Iffland 1796 Direktor geworden war, kam es jedoch immer wieder zu Zerwürfnissen, da Iffland der Schauspielerin Rollen vorenthielt, auf die sie Anspruch zu haben glaubte (vgl. Laskus, Bethmann-Unzelmann, 32). 89,14 auf eine andere Epoche] Bereits für Frühjahr 1799 sind erneute Verhandlungen zwischen der Hoftheaterkommission und Friederike Unzelmann belegt (vgl. GB 14 II, zu 37,15–16), jedoch waren die Gageforderungen zu hoch (vgl. ebd.). Erst 1801 erfüllte sich ihr Wunsch: Unzelmann spielte vom 21. September bis 1. Oktober 1801 an acht Abenden in Weimar (vgl. Theater/Musik Weimar; GT III 1, 54f.). 89,17 Honorar] Zur Festlegung eines Honorars ist nichts bekannt. – Zuzüglich zum Honorar wurden die Auslagen für die Reise gezahlt sowie freie Kost und Logis gewährt. 89,19 blos eine Sache der Theaterdirection] Die Gagen wurden von der Hoftheaterkommission bezahlt und wurden nicht durch die herzogliche Kammer beglichen. 90,1–2 Punctation] Nicht bindender Vorvertrag, in dem die Konditionen für den endgültigen Vertrag festgelegt und erstmals schriftlich fixiert werden. 90,7–8 beneidenswerthen] Das Wort ist in K nicht eindeutig zu entziffern und wurde in der WA als ‚bemerckenswerthen‘ wiedergegeben. In der vorliegenden Textwiedergabe wurde zugunsten der (im Kontext schlüssigeren) Lesart in der Ausfertigung entschieden. 90,8 Onyx] Eigentlich Bezeichnung für ein Mineral: schwarzer Quarzstein mit weißen Mineraleinschlüssen, hier Bezeichnung für den Mops der Schauspielerin, der
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eigentlich Musch gerufen wurde. – Unzelmann hatte in der Nachschrift ihres Bezugsbriefs auf ihren Hund hingewiesen, den Goethe (offenbar wegen der Farbe seines Fells) „Onyx“ getauft hatte.
72. An Johann August Ludecus
Weimar, 14. April 1798 → 〈Weimar〉
ZUM A D RESSATEN
WA nimmt als Adressaten Friedrich Heinrich Gotthelf Osann an (vgl. WA IV 13 [1893], 115). Da der Antwortbrief jedoch von Johann August Ludecus stammt (vgl. RA 2, Nr 1244), ist es wahrscheinlicher, dass sich Goethe mit seinem Anliegen die Brennerei betreffend direkt an Ludecus als Steuer- und Akziserat der Landschaftskasse wandte. ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 30/39, Bl. 49, 52. – Doppelblatt 16,8 × 20,5 cm, ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (vgl. Überlieferung zu Nr 49). E: WA IV 13 (1893), 115, Nr 3774 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K. ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Johann August Ludecus antwortete am 14. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1244). Zur Person Johann August Ludecus’ (1742–1801) und zu Goethes amtlichem Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 3 II, Nr 357. – Aus dem Zeitraum des vorliegenden Bandes ist nur dieser eine Brief Goethes an Ludecus bekannt. Von Ludecus sind zwei Briefe vom 16. März und 14. April 1798 überliefert (vgl. RA 2, Nr 1187; RA 2, Nr 1244). 90,16 Hofmann] Der Pächter Johann Caspar Hofmann, der Ende Juli 1797 gestorben war, hatte eine Branntweinbrennerei auf dem Gut betrieben. 90,16 Brandweinbrennerey] Die von Hofmann betriebene Brennerei befand sich im Hauptgebäude des Gutes. 90,17 künftigen Pachter] Johann Friedrich Fischer übernahm mit der Gutspacht im Juni 1798 auch die Brennerei. Eine Quittung vom 29. Oktober 1798 dokumentiert die Anschaffung neuer Gerätschaften, da am 18. Juni 1798 unter den Teilhabern entschieden worden war, dass die bisherige Ausstattung der Brennerei bei der Pächterfamilie Hofmann verbleiben solle (vgl. LATh – HStA Weimar, Lehns-
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wesen A 4314, Bl. 231–232). Die Kosten für ein „Neu Kupfernes brandweinszeug“ (H: GSA 30/50, Bl. 33) beliefen sich auf 114 Reichstaler und 20 Groschen (vgl. ebd.). Sie wurden von Goethe beglichen. 90,19–20 eines solchen Guthes] Das Oberroßlaer Gut war als so genanntes Freigut oder freies Lehngut mit Privilegien ausgestattet und von bestimmten Abgaben ausgenommen. Mit dem Kauf hatte Goethe so genannte Gerechtsame erworben, wozu u.a. die Schriftsässigkeit mit Sitz und Stimme auf den Landtagen, die Befreiung von der Grundsteuer, die Akzise- und Tranksteuerfreiheit auf Wein und Bier sowie die Erlaubnis zu brauen, gehörten. Die Herstellung von Branntwein war im Gegensatz zur Wein- und Bierproduktion für den Eigenbedarf des Gutes nicht steuer- und abgabefrei möglich und bedurfte einer entsprechenden Beantragung (vgl. GSA 30/44, Bl. 25). 90,21 bey fürstl Cassedirectorium eine Anzeige zu machen] Ludecus antwortete noch am gleichen Tag, dass die Branntweinblase durch den „Accis Controleur“ geohmt (H: GSA 30/44, Bl. 85), d.h. ihr Fassungsvolumen bestimmt werden müsse. Daraufhin werde die wöchentliche Pacht festgelegt und ein Pachtbrief ausgestellt, der zur Legitimation diene. Die im Oktober 1798 neu angeschaffte Blase hatte laut Quittungsbeleg ein Gewicht von 87 ½ Pfund (vgl. GSA 30/50, Bl. 33).
73. An Charlotte Schiller
Weimar, 14. April 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 29/430,I, Bl. 9. – Doppelblatt 18,7 × 23,7 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. (?) Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: Charlotte von Schiller 2 (1862), 236f. WA IV 13 (1893), 115f., Nr 3775 (nach E). BEIL AG EN
Schachtel mit: 1) Brief von August von Goethe an Carl Schiller (vgl. zu 91,17). 2) Spielzeugbrunnen aus Blech (vgl. zu 91,17). 3) Püppchen (vgl. zu 91,20). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Charlotte Schillers Brief vom 13. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1243). – Charlotte Schiller antwortete am 17. April (vgl. RA 2, Nr 1248).
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Postsendungen: 14. April 1798 (F r. H o f r S c h i l l e r. mit einer Schachtel worin ein blecherner Brunnen.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 431). 91,1 zum Schluß der Woche] Der 14. April fiel auf einen Samstag. Friedrich Schillers letzter Brief datierte vom Dienstag, dem 10. April (vgl. RA 2, Nr 1241). 91,3 Schillers Gesundheit] Charlotte Schiller hatte im Bezugsbrief über die Erkrankung ihres Mannes berichtet: „Er hat seit Sonnabend Catharr, aber seit einigen Tagen wurde es ärger, und sein Kopf ist ihm nun sehr mitgenommen, u. es ist eine Art Fieber dabey. Ich hoffe es soll bald vorüber gehen.“ (H: GSA 28/802, St. VII.) Schillers Zustand verbesserte sich allerdings in den nächsten Tagen nicht (vgl. zu 95,7). 91,4 Homerische Welt] In Vorbereitung seiner geplanten epischen Dichtung „Achilleis“ beschäftigte sich Goethe in diesen Wochen mit Homers „Ilias“ (vgl. zu 114,10). 91,5 Faust und Compagnie] Zu Goethes Wiederaufnahme der Arbeit am „Faust“ vgl. zu 88,21–22. 91,10 Ifflands Erscheinung] Zu August Wilhelm Ifflands Gastspiel in Weimar vgl. zu 88,15. 91,11 Thourets Gegenwart] Der mit dem Ausbau des Residenzschlosses beauftragte Stuttgarter Architekt Nikolaus Thouret hatte sein Kommen für Ende April in Aussicht gestellt (vgl. zu 375,26), traf aber schließlich erst Ende Mai in Weimar ein. 91,12–13 im halben Mai wieder bey Ihnen] Goethe reiste am 20. Mai nach Jena, wo er sich – mit einer Unterbrechung vom 31. Mai bis 4. Juni – bis zum 21. Juni aufhielt (vgl. GT II 1, 245–251). 91,15 versäumen Sie mit Schillern Ifflands Spiel nicht] Schiller reiste nicht nach Weimar. Charlotte sah Iffland nur in der Vorstellung vom 3. Mai in der Rolle des tauben Apothekers Agapito im Stück „Die verstellte Kranke“ nach Carlo Goldoni. 91,16 Epoche] Hier im Sinne von ‚Zeitpunkt eines bedeutenden, einschneidenden Ereignisses‘ (vgl. GWb 3, 222). 91,17 ein Briefchen von August an Karl] Charlotte Schiller hatte im Bezugsbrief die Grüße ihres fünfjährigen ältesten Sohnes Carl an Goethes Sohn August ausgerichtet und darum gebeten, dieser möge „Carl nicht vergeßen“ (H: GSA 28/ 802, St. VII). Das Briefchen ist nicht überliefert. 91,17 ein Brunnen] Nicht ermittelt. Wahrscheinlich handelte es sich um einen aus Blech gefertigten kleinen Spielzeugbrunnen mit Pumpe und einem befüllbaren Wasserbehälter. Hydraulische Blechspielzeuge dieser Art wurden durch verschiedene Spielwarenhändler vertrieben, darunter durch Peter Friedrich Catel (vgl. Mathematisches und physikalisches Kunst-Cabinet, dem Unterrichte und der Belustigung der Jugend gewidmet. Berlin 1790, S. 2f.) oder durch Georg Hieronymus Bestelmeier
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(vgl. Systematisches Verzeichnis eines Magazins von verschiedenen Spiel- Kunstund andern nützlichen Sachen. Nürnberg 1798, S. 33–35). 91,18 als denn] Das Adverb ist in Goethes Sprachgebrauch in den Schreibweisen ‚alsdenn‘ und ‚alsdann‘ nachgewiesen (vgl. GWb 1, 403). Eine Verwendung beider Formen in einem Satz ist jedoch ebenso ungewöhnlich wie ihre auffällige Getrennt-Schreibung, für die das markante Schluss-„s“ spricht. 91,18–19 plumpen] Mundartlich (mitteldeutsch) für ‚pumpen‘ (vgl. Grimm 13, 1941f.; Thüringisches Wörterbuch. Hrsg. von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Bd 4. Berlin 1975, Sp. 1243). 91,19 eine inverse Danaidenarbeit] Hier scherzhaft gemeinter Bezug auf das vergebliche Bemühen der Danaiden, nach der griechischen Sage die 50 Töchter des Königs Danaos. Sie waren dazu verurteilt, in der Unterwelt (Tartaros) unablässig Wasser in ein durchlöchertes Fass zu schöpfen (vgl. GWb 2, 1061 sowie das in Schillers Zeitschrift „Die Horen“ veröffentlichte Gedicht „Die Danaiden“ von Johann Diederich Gries [1797, 10. St., S. 82–91]). – ‚Invers‘ von lat. inversus: umgekehrt (vgl. GWb 5, 69). 91,20 ein Püppchen] Nicht ermittelt.
74. An Friedrich Brück’l
Weimar, 16. April 1798 → 〈Wien〉
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H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 28/21 Bl. 152–153. – Doppelblatt 18,9 × 20(–20,3) cm, 2⁄3 S. beschr. (S. 3, S. 1 Brief von Christiane Vulpius an Goethe vom 2. April 1798, vgl. RA 2, Nr 1228), Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 3 oben Mitte: Antwort / auf nachstehenden Brief des Herrn Brück’l. – Vgl. Überlieferung zu Nr 62. E: WA IV 13 (1893), 117, Nr 3776 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Brück’ls Brief vom 21. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1198). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. Postsendungen: 20. April 1798 (H l. B r ü c k’l nach dem Concept.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 431); 20. April 1798 („1. 〈Stck.〉 〈Mr〉 Priehl. Wien 4. 〈gr.〉“; GR/Belege 1798, 3, Bl. 18r). – Der Brief wurde am 16. April diktiert und die Ausfertigung am 20. April abgesandt (vgl. GT II 1, 241f.).
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Friedrich Brück’l (1756–nach 1814) wurde in Wien geboren. Über seine Kindheit und Jugend ist nichts bekannt, über seine schauspielerische Laufbahn gibt es nur wenige Quellen. Früh entschied er sich für den Schauspielerberuf. 1770 trat er erstmals in Leipzig auf, 1775–1777 schloss er sich der Schauspieltruppe von Johann Christian Wäser in Leipzig an, 1777 und 1782–1784 spielte er am Hoftheater in Schwedt. Gemeinsam mit seiner Frau Henriette spielte er in den Jahren 1780– 1782 und 1784–1792 unter Pasquale Bondini bzw. ab 1789 unter Franz Seconda bei der Kurfürstlich sächsischen Hofschauspielertruppe mit Auftritten in Dresden, Leipzig und Prag. Christian Gottfried Körner berichtete am 19. Februar 1789 an Friedrich Schiller von einer Aufführung des „Don Carlos“ in Dresden, in der Brück’l die Rolle des Königs Philipp spielte, äußerst kritisch: „Aber Brückl war unausstehlich. Seine Würde that ihm gar zu gütlich, so daß er überall das Beywort k ö n i g l i c h einflickte. M e r k t e u c h d a s, war auch eine Lieblingsredensart von ihm. Denke Dir so eine unedle Gestalt wie Brückl, die nur das crasse, nur den Tyrannen in Philipp heraushebt, und für den alle andern Züge verloren sind.“ (NA 33 I, 305.) 1792/93 erfolgte ein Engagement der Familie Brück’l, inzwischen mit zwei Töchtern in Kinderrollen, am Stadttheater in Frankfurt am Main. Es folgten Engagements in Riga (1795/96), Wien (1798), Prag (1798–1814) und St. Petersburg (seit 1814). Noch im Jahr 1811 übernahm er „erste zärtliche Väter, und Karrakter:Rollen“ (an Goethe, 25. August 1811; H: GSA 28/56, Bl. 176; vgl. RA 2, Nr 600). Das genaue Todesjahr Brück’ls ist nicht bekannt. Goethe und Brück’l sind sich persönlich nie begegnet. In seinen Briefen ist Brück’l Bittsteller und zugleich Verehrer von Goethe und dessen Schriften. Von Goethe gibt es keine Äußerungen über den Schauspieler. – Der vorliegende Brief ist das einzige überlieferte Zeugnis einer Kontaktaufnahme zu Brück’l von Goethes Seite. – Von Brück’l sind fünf Briefe aus der Zeit vom 18. Oktober 1794 bis 25. August 1811 an Goethe überliefert. Bei allen fünf Briefen handelt es sich um Anstellungsgesuche am Weimarer Hoftheater, die von Goethe jedes Mal abschlägig beantwortet wurden. Von Goethe ist nur der vorliegende Brief an Brück’l überliefert, ein weiterer kann erschlossen werden (vgl. GB 10 I, EB 62). 91,23 Das Fach] Brück’ls Engagement in Wien sollte im Mai 1798 enden – aus diesem Grund bat er Goethe im Bezugsbrief um eine Anstellung am Weimarer Theater. Sein Repertoire sei „ausgedehnt“ und er „in den meisten guten Stüken einstudiert“ (H: GSA 28/21, Bl. 154). In seinem vorangegangenen Anstellungsgesuch vom 18. Oktober 1794 war er spezifischer auf sein Rollenfach eingegangen: „Helden, erste Charakter, Noble Väter, Zärtliche, Launigte, und Pollternte alte. 〈…〉 ich und meine Frau singen auch in der Oper; doch sind wir nicht Musikalisch“ (H: GSA 28/7, Bl. 303; vgl. RA 1, Nr 1080). Am 15. November 1794 gehörte zu Brück’ls Forderungen, „das ich alle erste Rollen, die man erste Carractere nennt, oder auch in’s Väterfach gehören, erhalte“ (H: GSA 28/7, Bl. 325; vgl. RA 1, Nr 1098). – Am Weimarer Theater wurden die Schauspieler nach Fächern
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verpflichtet, was ausdrücklich im Vertrag festgelegt wurde. In der praktischen Umsetzung hatten die Darsteller jedoch freie Wahl. Der Einsatz in Opern war bei Bedarf verpflichtend (vgl. Satori-Neumann2 1, 284). 91,23–24 bey uns 〈…〉 dergestalt besetzt daß unser Publikum zufrieden] Mit dem 53-jährigen Karl Friedrich Malcolmi, seit 1788 in Weimar, war das Rollenfach der „würdevollen Väter, der gutmüthigen, humoristischen, polternden Alten“ (Gotthardi, Theaterbilder 2, 25f.) sowie der ersten Charaktere bereits besetzt. In Brück’ls Alter war außerdem der 1754 geborene Johann Christoph Beck, der jedoch überwiegend komische Rollen spielte. 91,25 unsere Contracte] Die Verträge wurden zunächst auf ein bis zwei Jahre ausgestellt und immer weiter verlängert – ein häufiger Personalwechsel, gerade auch bei den ältern Acteurs war von der Theaterleitung nicht erwünscht (Goethe an Herzog Carl August, 11./12. September 1797; WA IV 12, 293; vgl. dazu auch Satori-Neumann2 1, 285). 91,25 die Gagen] Die wöchentlich gezahlten Gagen für einzelne Schauspieler betrugen in Weimar zwischen 2 und 10 Taler, mit gelegentlichen Geschenken und Vorschüssen. Schauspieler, die auch erste Opernpartien sangen, erhielten vier Taler extra. Wenn die Theaterdirektion einen Schauspieler für das Theater gewinnen wollte, wurden auch höhere Gagen gezahlt oder Garderobenzuschüsse gewährt (vgl. Satori-Neumann2 1, 282). 92,1 Ihre Forderung] Brück’ls Bezugsbrief enthält drei Forderungen für den Fall eines Engagements am Weimarer Theater: „Einen festen Contract auf 2 – 3 – und mehrere jahre, mit einem wöchentlichen Gehallt von 20 rthL: vom Tage meiner Abreise an gerechnet, nebst halbjähriger vorher Aufkündigung oder Erneuerung“ (H: GSA 28/21, Bl. 154), „freye Wahl in rücksicht der Debüts, und dem versprechen mich nach Verdienst anzustellen“ (ebd.) sowie Begleichung der Reisekosten für ihn und seine Familie. – Die Gagen der Weimarer Schauspieler waren deutlich niedriger (vgl. die vorangegangene Erläuterung). 92,3 abermals] Brück’l hatte sich mit der Bitte um ein Engagement am Weimarer Hoftheater bereits am 18. Oktober 1794 an Goethe gewandt (vgl. RA 1, Nr 1080), worauf er selbst in seinem Bezugsbrief verweist. Durch konkrete Forderungen im Falle eines Engagements in Brück’ls Brief vom 15. November 1794 (vgl. RA 1, Nr 1098) an Goethe schien eine Anstellung am Weimarer Theater in nächste Nähe gerückt zu sein. Goethes damaliger Absagebrief ist nicht überliefert (vgl. GB 10 I, EB 62).
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BRIEF 75
75. An Heinrich Rapp Weimar, 16. April 1798 → Stuttgart ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. – Beischluss: Nr 76. K: GSA Weimar, Sign.: 28/21, Bl. 175–176. – Doppelblatt 21(–21,3) × 34(–34,2) cm, 3 S. einspaltig rechts beschr. (S. 1–3, S. 4 Konzept zu Nr 76), Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 oben links Adresse: An Herrn Heinrich Rapp in Stuttgard. – Vgl. Überlieferung zu Nr 62. E: WA IV 13 (1893), 117–119, Nr 3777 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Rapps Briefe vom 27. und 31. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1209 und RA 2, Nr 1221). – Rapp antwortete am 11. Mai 1798 (GSA 30/118, Bl. 47–48; nicht in RA; Brief vollständig abgedruckt in der einleitenden Erläuterung zu Nr 128). Postsendungen: 20. April 1798 (H e r r R a p p. nach dem Concept.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 431); 20. April 1798 (vgl. GR/ Belege 1798, 3, Bl. 18r). – Der Brief wurde am 16. April diktiert und die Ausfertigung am 20. April abgesandt (vgl. GT II 1, 241f.). 92,8 so mancherley Aufträge] Vgl. Nr 13. 92,11–12 Herrn Thouret] Der Stuttgarter Architekt und Dekorationsmaler Nikolaus Thouret war im Januar 1798 mit der Ausstattung des Weimarer Residenzschlosses beauftragt worden (vgl. Nr 14). Seine Ankunft in Weimar verzögerte sich aus verschiedenen Gründen aber wiederholt. 92,12–13 vor Ende des Monats] Nach seinem Ende März bewilligten Urlaubsgesuch hatte Thouret angekündigt, dass er Ende April in Weimar eintreffen werde (vgl. zu 375,26). Seine Ankunft sollte sich allerdings um einen weiteren Monat verzögern. Über die Gründe informierte Rapp in seinem Antwortbrief vom 11. Mai. 92,13 Herrn Iffland] Zu August Wilhelm Ifflands Gastspiel in Weimar vgl. zu 88,15. 92,16 Krankengeschichte jener unglücklich zahnenden Person] Zu Goethes Vorhaben einer Veröffentlichung über das osteologische Präparat einer Kiefermissbildung, das er am 6. September 1797 bei Rapp in Stuttgart gesehen hatte, vgl. zu 21,25. Auf Goethes Wunsch hin hatte Rapp nähere Angaben zu diesem Präparat mitgeteilt. Es handelte sich um eine mit 19 Jahren verstorbene Tochter des Arztes Johann Georg Hopfengärtner.
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92,17 einem geschickten Manne] Nach Rapps Auskunft handelte es sich um den Bruder der Kranken, den Mediziner Philipp Friedrich Hopfengärtner. Ein entsprechender Aufsatz ist nicht ermittelt. 92,20 das dißrheinische Deutschland] Für die zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörenden Gebiete des linken Rheinufers hatte Frankreich 1797 die Gründung einer Tochterrepublik, der Cisrhenanischen Republik, beschlossen. Nach dem Frieden von Campo Formio wurde dieser Plan jedoch wieder aufgegeben. 92,25 den zufällig erbrochnen Brief] Über die Umstände der Übersendung des Briefes von Ernst Friedrich Hesler an Goethe vom 18. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1101) hatte Rapp im Bezugsbrief vo 27. März ausführlich berichtet: „Ich habe ohngefär zur nemlichen Zeit da ich Ihr schäzbares Schreiben erhielt, einen Brief an Sie durch eine gewiße Jgfr. Höslerin empfangen, der, wie sie sagte, von Ihrem Bruder komme und die Bitte enthalte, daß Sie selbst KupferGegenstände für eine neue Ausgabe Ihres Meisters auslegten möchten. Ihr Bruder fürchte, keine Antwortt zu erhalten, wenn ich nicht den Brief gelegenheitL. einschließen würde. – Ich war über diesen / Auftrag nicht sonderlich erfreut, weil ich schon aus der Haupt- und NebenSache schließen konte, wie wenig Freude Sie an dieser Bitte haben werden. Bücherkupfer gehören so gar nicht zu Ihrer LieblingsMaterie. – Inzwischen nahm ich den Brief aus Höflichkeit an, und legte ihn auf meinen Schreibtisch. – Kaum war ich hinweg so kam ein Lamento: die kleine Polly (Sie kennen vielleicht noch das kleine siebenvierteljährige muntere Mädchen) habe ein Unglück angerichtet. Sie erhaschte den Brief und fuhr, – unter den Worten: Das Papa riefle! – mit ihrer kleinen Hand durchs Couvert – und offen war es. Es war in dem ersten Augenblik nichts zu thun, als daß ich den Brief in Beiseyn der Zeugen wieder versiegelte. Ob ich aber ein neues Couvert vor der Jgfr. Höslerin fordern oder ob ich Ihnen den Vorgang entdeken solle, darüber ware ich lange zweifelhaft. Beide Theile, so dachte ich, können Argwohn aus der Sache schöpfen, und dadurch quälte sich meine Delicatesse auserordentL. Sie seye nun Ihnen entdekt! und ich will lieber in Ihr Urtheil fallen, als in das Urtheil eines mir unbekanten Mannes. Ich erzähle deßwegen alles, selbst das was ich von den seynsollenden Inhalt rechtmäsig wußte, unter der heiligL Versicherung daß weder ich noch sonst Jemand den Brief selbst gesehen hat. / Und jezt, nach dieser Herzens Erleichterung, habe ich die Ehre Ihnen Nachricht davon zu geben, wie weit ich glücklich oder unglücklich mit der Ausführung Ihrer Aufträge geweßen bin.“ (H: GSA 28/721, Bl. 1–2.) 93,3 Antwort] Goethes Brief an Hesler (Nr 76). 93,4 die gethanen Vorschläge] Hesler hatte Goethe um Beiträge für seinen geplanten neuen Taschenkalender gebeten (vgl. zu 94,1). 93,6 Daß unser Dannecker sich 〈…〉 Ehre machen wird] Rapp hatte im Bezugsbrief vom 31. März berichtet, dass sein Schwager, der württembergische Hofbildhauer Johann Heinrich Dannecker, von der russischen Zarin Maria Feodorowna den Auftrag erhalten habe, das Brustbild ihrer Mutter, Friederike Sophie Dorothea
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BRIEF 76
Herzogin von Württemberg, als Pendant zur Büste ihres Vaters, Friedrich Eugen Herzog von Württemberg, anzufertigen. Da die Herzogin jedoch kurz zuvor verstorben sei, habe Dannecker die Büste auf der Grundlage einer Totenmaske angefertigt und dabei das Bildnis der Verstorbenen „bereits so lebendig wieder hergestellt, daß es nicht ähnlicher seyn könte“ (H: GSA 28/21, Bl. 160). Im Januar 1798 hatte Goethe Dannecker einen vergleichbaren Auftrag – eine Bildnisbüste des Herzogs Carl August – in Aussicht gestellt (vgl. zu 24,13–15). 93,8 Reise nach Petersburg] Der Porträtauftrag war mit einer Berufung Danneckers nach St. Petersburg verbunden, der Dannecker aber nicht folgte. 93,14 Dank an Herrn Isopi] Goethe hatte im Januar 1798 um Entwürfe des württembergischen Hofbildhauers und Stuckateurs Antonio Isopi zum Ausbau des Weimar Residenzschlosses gebeten (vgl. zu 24,21–22). 93,14 Sein Vorschlag] In seinem Schreiben vom März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1168) hatte Isopi berichtet, dass er bislang keine Modelle erstellt habe, da er weder die Maße der Räume noch die Anzahl der gewünschten Ornamente kenne und er erst die entsprechenden Auskünfte Thourets abwarten müsse. Zugleich schlug Isopi vor, die gewünschten Schmuckformen in Terrakotta zu liefern, da diese sich nicht abnutzten und als Vorlage für Gipsabgüsse besser geeignet seien. 93,15 Herrn Thourets Ankunft] Thouret traf schließlich erst am 25. Mai 1798 in Weimar ein (vgl. zu 120,28–29). 93,17 Ihrer lieben Frau] Rapp war seit 1785 mit Henriette Friederike Eberhardine geb. Walz verheiratet.
76. An Ernst Friedrich Hesler
〈Weimar, 16. April 1798〉 → Stuttgart
DATIERUN G
Die Datierung ergibt sich aus dem Überlieferungszusammenhang und dem Inhalt von Goethes Brief an Heinrich Rapp vom selben Tag (Nr 75). Beide Konzepte stehen auf einem Doppelblatt (vgl. Überlieferung zu K). Die Ausfertigung schloss Goethe seinem Brief an Rapp bei, den er am 20. April 1798 absandte. ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. – Beischluss zu Nr 75. K: GSA Weimar, Sign.: 28/21, Bl. 176. – Doppelblatt 21(–21,3) × 34(–34,2) cm, ½ S. einspaltig rechts beschr. (S. 4, S. 1–3 Nr 75), Schreiberhd (Geist), Tinte; S. 4 linke Spalte oben Adresse: An Herrn Hofrath Hesler in Stuttgard. – Vgl. Überlieferung zu Nr 62. E: WA IV 13 (1893), 119f., Nr 3778 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K.
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ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Heslers Brief vom 18. Januar 1798 (vgl. RA 2, Nr 1101). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. – Der Brief wurde am 16. April diktiert und die Ausfertigung wahrscheinlich am 20. April abgesandt (vgl. GT II 1, 241f.). Ernst Friedrich Hesler (1771–1822) wurde in Dettingen an der Erms als Sohn des württembergischen Theologen Jakob Nikolaus Hesler und seiner Frau Ernestine Friderica geb. Nicolai geboren. Nach einer Ausbildung an den Klosterschulen Denkendorf und Maulbronn studierte Hesler ab Oktober 1788 mit seinem Freund und Kompromotionalen Friedrich Hölderlin Theologie an der Tübinger Universität, die er im Sommer 1791 vorzeitig verließ. Ein Studium der Jurisprudenz führte ihn 1793 an die Universität Jena, wo er am 25. April 1793 immatrikuliert wurde. In diesen Jahren veröffentlichte Hesler anonym mehrere Dramen wie „Der Prozeß“ (1792), „Das Wiedersehen“ (1793), „Die schöne Sünderinn“ (1794) und „Das Leben eines Farospielers“ (1794). Aufgrund privater Schulden verließ Hesler Jena im Herbst 1795 und kehrte als Kanzleiadvokat in seine Heimat zurück. 1796 wurde er zum fürstlich Ysenburgischen Hofrat zu Vaihingen in Württemberg ernannt, wo sein Vater als Spezialsuperintendent tätig war. In den folgenden Jahren veröffentlichte Hesler – ebenfalls anonym – politische Schriften wie „Winke für die Waehler und Gewaehlten zum Landtage Wirtembergs“ (1796) sowie „Ueber das Vorzugsrecht der Wirtembergischen Landeskinder bey Ersezung öffentlicher Aemter“ (1797) und gab die Schriftenreihe „Die Verhandlungen auf dem Wirtembergischen Landtage“ (1797–1799) heraus. Zwischen 1806 und 1813 war Hesler als württembergischer Oberjustizprokurator tätig; später lebte er als Rechtskonsulent in Stuttgart, wo er 1822 starb. – Ob Goethe mit Hesler persönlich bekannt war, ist zweifelhaft. Möglicherweise lernte er ihn während eines Aufenthalts in Jena (1793–1795) oder auf der Schweizer Reise in Stuttgart (1797) kennen. Der vorliegende Brief ist der einzige bekannte Brief Goethes an Hesler. Auch von Hesler ist nur ein Brief an Goethe überliefert. Weitere Äußerungen oder Mitteilungen Goethes über Hesler sind nicht bekannt. 93,25–26 Arbeit welche sie unternommen] Hesler hatte berichtet, dass er „von einem hiesigen Bücherverleger, Herrn Maclot, die Redaktion eines Taschenbuchs auf das Jahr 1799“ (H: GSA 28/21, Bl. 150) übernommen habe. Um welches Taschenbuch es sich dabei handelte, ist unklar. Möglicherweise bezieht sich Hesler auf das von dem Karlsruher Buchhändler Karl Friedrich Macklot geplante „Rastatter Congreß Taschenbuch für 1799“ oder ein Vorhaben seines Bruders, des Stuttgarter Verlegers August Friedrich Macklot, in dessen Verlag Hesler die Schriftenreihe „Die Verhandlungen auf dem Wirtembergischen Landtage“ (1797–1799) herausgab. Beide Brüder waren Söhne des Karlsruher Buchhändlers Johann Michael Macklot, den Goethe 1775 in „Hanswursts Hochzeit oder der Lauf der Welt“ parodiert hatte (vgl. AA DuW 1, 597).
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94,1 zu einem Beytritte einladen] Hesler plante, für den Taschenkalender sechs Szenen aus Goethes Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ in Kupfer stechen zu lassen: Da es sich dabei um „des Dichters Eigenthum“ (H: GSA 28/21, Bl. 150) handle, erbittet er Goethes ausdrückliche Erlaubnis und äußert den Wunsch, Goethe möge „mit mehr oder weniger Bestimmungen die Scenen selbst angeben“ (ebd.). – Auch Heslers Wunsch um weitere Beiträge wie „die gefällige Mittheilung einer prosaischen Erzählung“ (ebd.) sowie einiger „Gedichte oder anderer ästhetischer Aufsäze“ (ebd.) entsprach Goethe nicht. Gegenüber Heinrich Rapp, durch den er Heslers Brief erhalten hatte, bemerkte Goethe lediglich, er habe Heslers Anliegen nicht unbeantwortet lassen wollen (vgl. 93,3–5). 94,3–4 Ich wünsche 〈…〉 zu einer bildlichen Darstellung schicken] Goethe begegnet der Frage nach einer Illustrierung seines Romans „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ mit ausweichender Zurückhaltung. Anlässlich einer vergleichbaren Anfrage des Berliner Verlegers Friedrich Vieweg hatte Goethe im Januar 1797 lediglich zwei Szenen mit Darstellungen der Philine vorgeschlagen, zugleich über Carl August Böttiger aber ausrichten lassen: „Göthe fordert Sie, falls die Sache statt hat, ausdrücklich auf, auch Ihren und Ihrer Freunde Rath hierbey zu hören, und ihm Ihre Gedanken mitzuteilen. Je weniger Kupfer, je besser!“ (Carl August Böttiger an Vieweg, 16. Januar 1797; QuZ 4, 652.) Die von Johann Friedrich Bolt nach einer Vorlage von Franz Catel gestochenen Kupfer erschienen in Viewegs „Taschenbuch für 1799“. Ob auch Hesler entsprechende Kupfer in Auftrag gab, ist nicht bekannt. 94,5–6 da jene Arbeit als eine geendigte schon weit hinter mir liegt] Goethe hatte die Arbeit am abschließenden achten Buch seines Romans „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ im Sommer 1796 beendet. Das Werk erschien als Einzeldruck zwischen Januar 1795 und Oktober 1796 in vier Bänden von je zwei Büchern sowie als Band 3–6 von Goethes „Neuen Schrifften“ bei Johann Friedrich Unger in Berlin (1795/96).
77. An Johann Gottfried Schweighäuser 〈Weimar, 16. April? 1798〉 → 〈Straßburg〉 DATIERUN G
Die Datierung des vorliegenden Briefs ist unsicher. Sie gründet auf der – inhaltlich naheliegenden – Annahme, dass Goethe auf Schweighäusers Bezugsbrief vom 7. April 1798 zügig, d.h. „noch im April antwortete“ (WA IV 13, 393). In einer handschriftlichen Bleistiftnotiz auf dem vorliegenden Briefkonzept schlug Eduard von der Hellen eine Datierung auf den 16. April vor. Für diesen Tag verzeichnet Goethes Tagebuch Früh verschiedne Briefe (GT II 1, 241). Zu diesen gehörten nachweislich die Briefe an Friedrich Brück’l (Nr 74), Heinrich Rapp (Nr 75) und
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Ernst Friedrich Hesler (Nr 76), deren Ausfertigungen erst am 20. April verschickt wurden (vgl. GT II 1, 242). Wahrscheinlich gehörte zu dieser Sendung auch der vorliegende Brief an Schweighäuser. Für eine spätere Datierung finden sich keine Belege. In den folgenden Tagen war Goethe mit der Vorbereitung für August Wilhelm Ifflands Gastspiel in Weimar vom 23. April bis 5. Mai beschäftigt. ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 29/461,II. – Doppelblatt 20,7 × 33,8(–34) cm, 2 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 linke Spalte oben Adresse: An Herrn Schweikhäuser / nach Strasburg.; S. 2 Briefschluss (95,2–5 Um wo nicht 〈…〉 zu erhalten) in linker Spalte unten. E: WA IV 13 (1893), 128f., Nr 3784 (Eduard von der Hellen; nach K; Textkorrektur in den „Berichtigungen“, vgl. WA IV 30 [1905], 260). Textgrundlage: K. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schweighäusers Brief vom 7. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1236). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. Johann Gottfried Schweighäuser (1776–1844) wurde als Sohn des klassischen Philologen Johannes Schweighäuser und seiner Frau Katharina Salome geb. Häring in Straßburg geboren. 1788 bis 1791 studierte Schweighäuser an der philosophischen und juristischen Fakultät in Straßburg und war als Archäologe und Philologe tätig. Zum Zeitpunkt des Briefes unterrichtete er in Vertretung seines Vaters klassische Sprachen an der neu gegründeten École centrale in Straßburg. Bei einer Reise nach Tübingen lernte er Johann Friedrich Cotta kennen. Daraus entwickelte sich eine kontinuierliche Publikationstätigkeit Schweighäusers bei Cotta, u.a. von Gedichten und Beiträgen im „Damencalender“ und in „Flora“ (vgl. Cotta, Verlagsbuch, 82b). Zudem gab er dort die „Miscellen aus Frankreich“ heraus. Im Sommer 1798 wurde er Hauslehrer in der Familie Wilhelm von Humboldts in Paris, bis diese 1801 wieder nach Tegel zurückkehrte. Im Auftrag seines Vaters war er in Paris auch, wie schon 1792, mit dem Vergleich von Handschriften beschäftigt (vgl. Wilhelm Kühlmann: Zwischen Direktorium und Empire. Die Briefe Gottlieb Konrad Pfeffels an Johann Gottfried Schweighäuser. Heidelberg 1992, S. 216). Wie Madame de Staël, mit der er in Paris verkehrte, gehörte Schweighäuser zu den Vermittlern der deutschen Literatur im französischsprachigen Raum. In diesem Zusammenhang veröffentlichte er Aufsätze in dem von Aubin Louis Millin herausgegebenen „Magasin encyclopédique“, wo auch die Rezension zu Goethes „Herrmann und Dorothea“ erschienen war, und plante – neben einer Besprechung von Schillers „vornehmsten Werke〈n〉“ (Brief an Schiller vom
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8. April 1798; NA 37 I, 274) – auch eine Übersetzung von dessen „Wallenstein“ (vgl. Schillers Brief an Cotta vom 28. Oktober 1798; NA 29, 294). Während Schweighäuser auf Deutsch dichtete, so etwa das seine Bewunderung zu Schiller dokumentierende Gedicht „Zu Schillers Würde der Frauen“, waren seine wissenschaftlichen Schriften meist auf Französisch abgefasst, so auch seine Rezension über Goethes „Herrmann und Dorothea“ (vgl. zu 94,7). Am 24. Dezember 1798 schrieb Caroline von Humboldt an Charlotte Schiller über Schweighäuser: „Der junge Mensch, den wir bei uns haben, ein Straßburger, hat auf nichts einen solchen Trieb als mit uns nach Deutschland zurück zu reisen, und vorzüglich um Schiller und Goethe von Angesicht zu Angesicht zu sehen und anzubeten.“ (Charlotte von Schiller 2, 178.) Briefe Schweighäusers an Schiller vom 8. April 1798 (vgl. zu 94,17–18) sowie an Johann Gottfried Herder vom 3. Juli 1798 (vgl. HB 9, 784, Anm. 421a) zeigen, wie er 1798 gezielt den Kontakt nach Weimar suchte. Zu einer Annäherung an Goethe kam es jedoch nicht. Das vorliegende Konzept ist der einzige überlieferte Brief Goethes an Schweighäuser. – Auch von Schweighäuser ist nur der Bezugsbrief vom 7. April 1798 überliefert. 94,7 durch Ihren Brief und durch das überschickte] Dem Bezugsbrief lag Schweighäusers 12-seitige französische Rezension zu „Hermann und Dorothea. Poëme de M. Goethe. Imprimé à Berlin, chez Vieweg, sous forme d’Almanac pour l’année 1798.“ (Hermann und Dorothea. Gedicht von Herrn Goethe. Gedruckt in Berlin bei Vieweg, in der Form eines Almanachs für das Jahr 1798) mit der handschriftlichen Widmung auf dem Schutzumschlag „A M. Goethé / dela part de l’auteur / G: Schweighaeus.“ (An Herrn Goethe vonseiten des Autors G. Schweighaeus.; vgl. Ruppert, Nr 1951) bei. Die Abhandlung war im fünften Band des „Magasin encyclopédique“ (Paris 1797, S. 216–228) erschienen. Im Brief lobte Schweighäuser Goethes Epos, das beim Vorlesen in gesellschaftlichen Kreisen Entzücken erregt habe. Goethe kannte Schweighäusers Rezension bereits über Carl August Böttiger (vgl. zu 72,21). 94,9 das rechte und linke Rheinufer im schwersten Conflicte] Anspielung auf die Folgen des Ersten Koalitionskrieges, bei dem Frankreich linksrheinische Gebiete erobert hatte, dieses Gebiet 1798 in vier Départements gliedern und zu einer Tochterrepublik, der Cisrhenanischen Republik, umbilden wollte. Straßburg war der Hauptort des Départements Bas-Rhin. Nach dem am 17. Oktober 1797 geschlossenen Frieden von Campo Formio setzten am 9. Dezember 1797 die Gebiets- und Friedensverhandlungen beim so genannten Rastatter Kongress ein. 94,13–14 Personen 〈…〉, denen ich eine frühere Bildung verdanke] Schweighäuser spielte in seinem Bezugsbrief auf Goethes Studienzeit in Straßburg von Anfang April 1770 bis 9. August 1771 an. Zu den alten Bekannten in Straßburg gehörte der Aktuar Johann Daniel Salzmann. 94,17–18 bald von Hofrath Schiller so wie von mir noch mehr hören] Schweighäuser hatte am 8. April 1798 auch an Friedrich Schiller geschrieben (vgl.
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NA 37 I, 273f.) und ihm ebenfalls ein Exemplar seiner Rezension von „Herrmann und Dorothea“ beigelegt. Schweighäuser bat Schiller darum, ihm „einige Materialien“ (ebd., 274) zu schicken, die er im „Magasin encyclopédique“ besprechen wollte. Schiller antwortete wahrscheinlich nicht auf Schweighäusers Brief. 94,22 Bey meiner letzten Reise nach der Schweitz] Die Rückreise von der dritten Reise in die Schweiz im November 1797 sollte zunächst wie bei der ersten Schweizer Reise beim Hin- und Rückweg (24./25. Mai und 12./13. Juli 1775) sowie bei der zweiten Schweizer Reise auf dem Hinweg (26. Februar 1779) über Straßburg gehen, erfolgte 1797 schließlich aber über Tübingen, Stuttgart und Nürnberg. 94,24–25 Erneuerung alterer Verhältnisse] In seinem Bezugsbrief erwähnt Schweighäuser eine „Dame“ (H: GSA 28/848), mit der wahrscheinlich Goethes frühere Verlobte Anna Elisabeth Schönemann, inzwischen verheiratete von Türckheim, gemeint war. 95,1–2 etwas von Ihren Vorsätzen und Beschäfftigungen] Weitere Briefe von Schweighäuser an Goethe sind nicht überliefert. Die weiteren Pläne Schweighäusers konnte Goethe aus dem Brief Schweighäusers an Schiller vom 8. April 1798 (vgl. NA 37 I, 273f.) entnehmen.
78. An Charlotte Schiller
Weimar, 18. April 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 29/430,I, Bl. 10–11. – Doppelblatt 14 × 18,6(–18,8) cm, 3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: Charlotte von Schiller 2 (1862), 237f. WA IV 13 (1893), 121f., Nr 3780 (nach E). BEIL AG E
Undatierter Brief von Wilhelm von Humboldt an Goethe (vgl. zu 95,11). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Charlotte Schillers Brief vom 17. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1248). – Charlotte Schiller antwortete am 20. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1252). Friedrich Schiller antwortete am 27. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1259). Postsendungen: 18. April 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 431). 95,7 der Inhalt Ihres Briefs] Charlotte Schiller hatte im Bezugsbrief mitgeteilt, dass sich das Befinden ihres Mannes nicht gebessert habe: „Der Catharr ist recht
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ernstlich geworden leider! und das Fieber war heftig. Schiller ist noch immer zu Bette und sein Kopf sehr angegriffen, so daß die welt ihm nicht freundlich vorkommt, und er in einen unheimlichen zustand ist. Heute Abend ist es aber um vieles leichter, und ich hoffe es soll nun nicht wieder rückwärts gehen. Ich befürchtete aber nach den Anfall von Sonntag, eine ernstliche lange Krankheit.“ (H: GSA 28/802, St. VIII.) 95,8 der hohe Barometerstand] Vgl. zu 29,16. 95,10 in Jena] Goethe hatte sich vom 20. März bis 6. April in Jena aufgehalten (vgl. GT II 1, 237–240). 95,10 Möchte er doch bald wieder hergestellt seyn.] Bereits am 20. April konnte Charlotte Schiller vermelden, dass sich die Gesundheit Schillers gebessert habe (vgl. zu 96,12). Dieser meldete sich am 24. April erstmals wieder persönlich bei Goethe (vgl. RA 2, Nr 1254). 95,11 Brief von Humbold] Zu welchem Zeitpunkt Goethe Humboldts undatierten Brief aus Paris erhielt, ist nicht ermittelt (vgl. RA 2, Nr 1240, in RA irrtümlich auf 〈10. April〉 1798 datiert). Humboldt hatte den Brief wohl um den 25. März 1798 geschrieben und Friedrich Vieweg mitgegeben, der Paris am 27. März 1798 verließ (vgl. Humboldts Notiz: „Diesen Brief, die Steine u. Catalogen gebe ich Vieweg aus Berlin, der hier ist, mit“; H: GSA 28/439, Bl. 43; vgl. Philip Mattson: Verzeichnis des Briefwechsels Wilhelm von Humboldts. Bd 1. Heidelberg 1980, S. 54, Nr 533). Wahrscheinlich gab Vieweg den Brief nach seiner Ankunft in Berlin in die Post, möglicherweise aber auch an Carl August Böttiger, der die mitgesandten Mineralien Goethe allerdings erst am 13. Mai übermittelte (vgl. RA 2, Nr 1279). Schiller sandte Humboldts Brief am 27. April 1798 an Goethe zurück (vgl. RA 2, Nr 1259). Aufgrund der auf der Handschrift enthaltenen alten Foliierung („44“) ist davon auszugehen, dass der Brief im Faszikel der eingegangenen Briefe abgelegt wurde (vgl. Überlieferung zu Nr 62). 95,12 eine bedeutende Stelle] Die von Goethe eigenhändig am linken Blattrand mit roter Tinte angestrichene Passage betrifft Humboldts Einschätzung des französischen Nationalcharakters: „Ehe ich mit meinem Begriff eines Nationalcharakters zufrieden bin, muß ich also Etwas finden, das eben so wohl mit der gewöhnlichen Wirksamkeit, als mit den fehlerhaften Ausartungen, u. den gelungensten Energien über einstimmt; etwas Gemeinsames, das ich in allen einzelnen Theilen der menschlichen Beschaffenheit u. Thätigkeit als sich selbst gleich wiedererkenne; etwas endlich, das sich mit jeder Art individueller Charaktere verträgt, aber jeden so modificirt, daß dadurch alle eine allgemeine Aehnlichkeit erhalten. / Es ist nicht möglich, auch vor dem vollendeten Studium nicht gewisse vuen zu haben, nicht schon vorläufig nach dem bloßen Takt einiges festzusetzen, u. so habe auch ich einige solche Ideen über den Französischen Charakter. Es scheint mir auffallend, daß in demselben mehr Ve r s t a n d als Geist, mehr außer sich aufs L e b e n gerichtete, als eigentlich in sich gekehrte u. künstlerisch gestimmte Einbildungskraft, mehr Heftigkeit u. L e i d e n s c h a f t als Empfindung herrscht. Es scheint mir ferner eine sehr wich-
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tige Eigenschaft desselben, daß er schlechter dings nicht p a t h e t i s c h ist, u. daß dieser Mangel des Pathetischen durch eine entgegengesetzte Anlage, durch eine immer rege Beweglichkeit u. Leichtigkeit des Te m p e r a m e n t s bewirkt wird. Insofern er also ein wirklicher Te m p e r a m e n t s c h a r a k t e r ist, unterscheidet er sich von dem Deutschen, da der Deutsche einen so allgemeinen, oder wenn Sie wollen, so keinen Charakter hat, daß D e u t s c h u. N i c h t - D e u t s c h für eine allgemeine Classification der Nationalcharaktere gelten kann. Als durchgängig u n p a t h e t i s c h steht er dem Englischen entgegen; da ein Engländer in der That alles, auch die unbedeutendste Kleinigkeit mit Pathos thut. / Es ist nicht zu berechnen, wie hoch sich derselbe durch diese Freiheit von allem Pathos schwingen kann. Er genießt, wenn Sie mir ein anfangs wunderbar scheinendes Gleichniß erlauben wollen, dadurch des ganzen Vorzugs, den die Comödie vor der Tragödie hat. Es ist nicht bloß, daß er dadurch da gut fortkommt, wo das Pathetische sich schlechterdings nicht einmischen darf, sondern es ist wunderbar, wie das Entgegengesetzte sogar nun, nur gut behandelt, gut geräth, wie pathetisch das Pathetische in dem Munde dessen wird, der gar keine Anlage hat es zu seyn. Seitdem ich darauf Acht gebe, sind mir ganz einzelne Beispiele davon in Büchern sogar aufgestoßen. Aber auf der andern Seite ist es auch schwer einzusehen, wie sich dieser Charakter von den Fesseln losmachen kann, die ihn an die W i r k l i c h k e i t ketten, u. ihm allen i d e a l i s c h e n Aufflug verwehren, wie er besonders die Hindernisse besiegen wird, die ihm eine so beschränkte Sprache entgegensetzt.“ (H: GSA 28/439, Bl. 41; vgl. NA 29, 572.) – Goethes Wunsch nach einer Abschrift folgte Schiller nicht. Charlotte Schiller teilte Goethe am 20. April mit, dass er Humboldts Brief bald zurücksenden und die undeutliche Stelle auslegen werde. Schiller sandte Humboldts Brief am 27. April an Goethe mit der kurzen Bemerkung zurück: „Die unterstrichene Stelle in Humboldts Briefe den ich Ihnen zurücksende, ist ihm vermuthlich selbst noch nicht so recht klar gewesen, und dann scheint das Ganze mehr eine Anschauung als einen deutlichen Begriff auszusprechen.“ (NA 29, 229.) 95,16 Faust] Zu Goethes Wiederaufnahme der Arbeit am „Faust“ vgl. zu 88,21–22). Nach der Klärung einiger Gutsangelegenheiten hatte Goethe sich am 14. und 15. April mit seiner Dichtung beschäftigt (vgl. GT II 1, 241). Welche Szenen er bearbeitete, ist nicht ermittelt. 95,17 meine Camera obscura] Vgl. Goethes Tagebucheintrag vom 17. April: Die Camera obscura in Ordnung. (GT II 1, 241.) – Camera obscura: Ein geschlossener, abgedunkelter Raum in variabler Größe mit einer kleinen, häufig durch eine Sammellinse verstärkten Öffnung zum Lichteinfall, wodurch die erhellten äußeren Gegenstände als farbliches Abbild auf die der Öffnung gegenüberliegende Wand im Innern des Raumes projiziert wurden, um dort betrachtet oder abgezeichnet werden zu können (vgl. GWb 2, 968). Als ‚Camerae obscurae‘ bezeichnete Goethe sowohl Räume wie sein durch Fensterläden abgedunkeltes Arbeitszimmer als auch technische Apparate wie die in seinem Besitz befindlichen Sonnenmikro-
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skope (KSW, Museen, Inv.-Nr GNF 0508 und Inv.-Nr GNF 0509) oder eine pyramidale Dunkelkammer (KSW, Museen, Inv.-Nr GNF 0499). Zu Goethes vielfältiger Verwendung dieser Apparate und optischen Versuchsanordnungen im Rahmen seiner naturwissenschaftlichen Studien vgl. Kerrin Klinger, Matthias Müller: Goethe und die Camera obscura. In: GJb 125 (2008), 219–238. – In ihrem Antwortbrief erinnert Charlotte Schiller Goethe an sein Versprechen, die Camera obscura mit nach Jena zu bringen. Vermutlich handelte es sich dabei um ein – ebenfalls aus Goethes Besitz überliefertes – tragbares Modell, das auch als Zeichenapparat Verwendung fand (KSW, Museen, Inv.-Nr GNF 0498). 95,22 Ifflands hierseyn] Zu August Wilhelm Ifflands Gastspiel in Weimar vgl. zu 88,15. 95,22–23 zahlreiche Gesellschafft zum Frühstück] Anlässlich von Ifflands Gastspiel in Weimar richtete Goethe in den Mittagsstunden des 25.–28. und 30. April sowie am 1. und 3. Mai 1798 in seinem Haus am Frauenplan ein Frühstück (déjeuner) aus, zu dem er neben der fürstlichen Familie zahlreiche Personen der Weimarer Gesellschaft sowie Gäste einlud (zu den Einladungslisten und Besucherberichten vgl. BuG 4, 412–420). Auch Charlotte Schiller folgte Goethes Einladung und nahm am 3. Mai an diesem Frühstück teil (vgl. ebd., 418). 95,27 Pachter] Johann Friedrich Fischer pachtete das im März 1798 von Goethe erworbene Oberroßlaer Lehn- und Freigut ab Juni 1798. Die entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen waren am 15. April festgelegt worden (vgl. GT II 1, 241). 95,28 Thouret] Der mit dem Ausbau des Weimarer Residenzschlosses beauftragte Stuttgarter Architekt Nikolaus Thouret hatte sein Kommen für Ende April in Aussicht gestellt (vgl. zu 375,26), sollte aber schließlich erst Ende Mai in Weimar eintreffen (vgl. zu 120,28–29). 95,29 Kaiser Asverus] Kaiser Ahasverus, Figur im Esther-Spiel in Goethes Drama „Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“ (1773/1778). Nach dem Buch Esther des Alten Testaments war der persische König Ahasveros (Xerxes) mit der Jüdin Esther verheiratet, welche die vom kaiserlichen Günstling Haman bewirkten Judenverfolgungen im persischen Reich verhinderte. Das Thema war häufig Gegenstand der bildenden Kunst und Charlotte Schiller möglicherweise auch deshalb bekannt. 95,30 Beschlossen hab ich es, nun gehts mich nichts mehr an!] Der Alexandriner ist in der 1778 entstandenen zweiten Fassung von Goethes „Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“ enthalten, die 1789 im achten Band von „Goethe’s Schriften“ veröffentlicht worden war (S. 45, V. 401). 96,1–2 Möchte ich Sie doch 〈…〉 im Garten finden.] Die Familie Schiller bezog ihr in den Sommermonaten genutztes Gartenanwesen erst am 7. Mai (vgl. zu 107,18). Bis zu diesem Zeitpunkt lebte sie in ihrer Stadtwohnung im Griesbach’schen Haus in der Schlossgasse 17.
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96,4 R i c h t e r] In ihrem Antwortbrief teilte Charlotte Schiller mit, dass Johann Paul Friedrich Richter (Jean Paul) vorerst nicht nach Weimar kommen werde. 96,5 manche fürstl Personen] Anlässlich von Ifflands Gastspiel weilte Prinz Friedrich von Sachsen-Gotha und Altenburg vom 25. April bis 5. Mai in Weimar (vgl. FB 1798, S. 73–82). Zu den weiteren fürstlichen Gästen zählte die Familie des Grafen Heinrich XLIII. von Reuß-Köstritz (vgl. ebd., S. 73). 96,5–6 Theatralischen Jahrmarkt] Vermutlich eine weitere Anspielung auf „Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“ (vgl. die vorangegangenen Erläuterungen).
79. An Charlotte Schiller
Weimar, 21. April 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 29/430,I, Bl. 12. – Doppelblatt 18,8 × 23,7 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. (?) Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: Charlotte von Schiller 2 (1862), 238f. WA IV 13 (1893), 122f., Nr 3781 (nach E). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Charlotte Schillers Brief vom 20. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1252). – Friedrich Schiller antwortete am 24. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1254). 96,11 nochmals an Schillers Statt] Aufgrund der Erkrankung ihres Mannes hatte Charlotte Schiller in der zurückliegenden Woche an dessen Stelle geschrieben (vgl. Nr 73 und Nr 78). 96,12 bald wieder recht gut gehen] Charlotte Schiller hatte im Bezugsbrief darüber informiert, dass sich Schillers Gesundheit gebessert habe und er Goethe „bald wieder selbst schreiben“ (H: GSA 28/802, St. IX) könne. 96,13 Sie beyde die nächste Woche zu sehen] Friedrich und Charlotte Schiller reisten nicht gemeinsam nach Weimar. Charlotte Schiller weilte erst am 3. Mai in Weimar (vgl. zu 101,1–2). 96,14 Iffland spielt wirklich Dienstag zum erstenmal] August Wilhelm Iffland eröffnete sein achttägiges Gastspiel in Weimar am Dienstag, 24. April, mit der Rolle des alten Dominique in der Uraufführung des Stücks „Der Essigmann mit seinem Schubkarren“ von Friedrich Ludwig Schröder nach Louis Sébastien Merciers „La Brouette du vinaigrier“. 96,15–16 Daß sich die vielen Irrsterne 〈…〉 bedeutende Constellation] Mit seiner astrologischen Anspielung bezieht sich Goethe auf Charlotte Schillers ironische
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BRIEF 80
Bemerkung, dass zu Ifflands Gastspielen neben „Hesperus mit seiner Fackel“ (gemeint ist Johann Paul Friedrich Richter) auch „die berühmten Critiker“ (gemeint sind August Wilhelm Schlegel und seine Frau Caroline) nach Weimar kommen würden (H: GSA 28/802, St. IX). Das zehnte Haus steht hier für Weimar bzw. dessen Hoftheater als einen Ort der gesellschaftlichen Begegnung (vgl. zu 65,1). 96,18 Faust hat diese Tage immer zugenommen] Zu Goethes Wiederaufnahme der Arbeit am „Faust“ vgl. zu 88,21–22. Goethe hatte die Arbeit am 18. und 19. April fortgesetzt (vgl. GT II 1, 241f.). 96,21–22 auf Cellinische Weise] Anspielung auf den autobiographischen Bericht des italienischen Bildhauers Benvenuto Cellini über den ins Stocken geratenen Guss seiner Plastik „Perseus“. Um die Wirkung des Feuers zu verstärken, ließ Cellini trockenes Eichenholz bringen und warf an die 200 Zinnschüsseln und -teller aus seinem Besitz in das flüssige Erz, um den Metallfluss zu optimieren: „Nun glaubte ich einen Toden auferweckt zu haben, triumphirte über den Unglauben aller der Ignoranten, und fühlte mir eine solche Lebhaftigkeit, daß ich weder ans Fieber dachte, noch an die Furcht des Todes“. Der Bericht war 1797 als Auszug aus Goethes Cellini-Übersetzung in Schillers Zeitschrift „Die Horen“ erschienen (3. St., S. 45–88, Zitat S. 71; vgl. zu 62,4–5). 96,22 Schock] Mengenangabe, zumeist für die Anzahl von 60 Stück oder Haufen (vgl. Grimm 15, 1430). 96,28 Mitwoch etwas weniges von der ersten Vorstellung.] Vgl. Nr 80.
80. An Friedrich Schiller Weimar, 25. April 1798 → Jena ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 98–99. – Doppelblatt 18,4(–18,6) × 28 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Paraphe, Tinte; S. 4 egh. Adresse: Herrn Hofrath / Schillers / Wohll / Jena / fr.; Verschlussoblate. – Egh. Bleistiftkorrektur (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 98,9 ihnen⎡m⎤. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 167–169, Nr 452. WA IV 13 (1893), 123f., Nr 3782. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 24. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1254). – Schiller antwortete am 27. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1259). Postsendungen: 25. April 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 431).
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98,1–2 wieder einen Brief von Ihrer Hand] Während Schillers zweiwöchiger Krankheit hatte Goethe mit Charlotte Schiller in brieflicher Verbindung gestanden (vgl. Nr 78). 98,4 Iffland hat seinen Essigmann fürtrefflich gespielt] Iffland war am 24. April in der Rolle des alten Essighändlers Dominique im Schauspiel „Der Essigmann mit seinem Schubkarren“ von Friedrich Ludwig Schröder nach Louis Sébastien Mercier aufgetreten (vgl. GT II 1, 242 und Journal des Luxus und der Moden, Bd 13, Mai 1798, S. 307). Zu Ifflands Gastspiel in Weimar vgl. zu 88,15. 98,12 Heute ist der Hausvater] Das Schauspiel „Der deutsche Hausvater“ von Otto Heinrich von Gemmingen nach Denis Diderots Erfolgsstück „Le Père de Famille“. Iffland spielte die Rolle des Grafen Wodmar (vgl. GT II 1, 242 und Journal des Luxus und der Moden, Bd 13, Mai 1798, S. 307). 98,12–13 was den Freytag gespielt wird wissen wir noch nicht] Die Entscheidung über den weiteren Spielplan zu Ifflands Gastspiel in Weimar fiel erst im Laufe des Tages bzw. am folgenden Donnerstag, der vorstellungsfrei war (vgl. den von Goethe diktierten und unterzeichneten Spielplan der folgenden Aufführungen, LATh – HStA Weimar, Kunst und Wissenschaft – Hofwesen A 10349b, Bl. 13). Am Freitag, dem 27. April, wurden im Hoftheater das Melodram „Pygmalion“ und anschließend das Lustspiel „Stille Wasser sind tief“ gegeben (vgl. GT II 1, 242). Iffland wirkte in beiden Stücken mit. 98,14 Es ist wirklich der Pigmalion von Benda] Im Bezugsbrief hatte Schiller sich befremdet darüber gezeigt, dass Iffland im Stück „Pygmalion“ auftreten wolle: „Denn wenn darunter wirklich das Monodram gemeint ist, welches däucht mir Benda componirt hat, so werden Sie, mit Meiern, einen merkwürdigen Beleg zu den unglücklichen Wirkungen eines verfehlten Gegenstandes erleben.“ (NA 29, 226.) Das von Jean-Jacques Rousseau verfasste Stück war 1771 unter dem Titel „Pygmalion. Scène lyrique“ im „Mercure de France“ veröffentlicht worden (Januar 1771, T. II, S. 200–209). In der Übersetzung von Friedrich Wilhelm Gotter hatte es der Gothaer Hofkapellmeister Georg Anton Benda 1779 vertont (vgl. Pygmalion ein Monodrama von J. J. Rousseau. Nach einer neuen Uebersetzung mit musikalischen Zwischensätzen begleitet von G. Benda. Gotha 1779). Das Werk wurde am 27. April und 1. Mai im Weimarer Hoftheater mit Iffland in der Hauptrolle und Caroline Jagemann in der Rolle der Galathea aufgeführt. 98,15–16 das Stück kenn ich und habe es mehrmals gesehen] Goethe hatte das Werk 1773 durch Sophie La Roche erhalten. In seinem Brief an La Roche vom 19. Januar 1773 würdigte er es als eine treffliche Arbeit (GB 2 I, 5,6–7; vgl. AA DuW 1, 404f.). In der Vertonung von Georg Anton Benda erlebte Goethe das Stück in einer ersten Aufführung am 18. Februar 1782 (vgl. GT I 1, 136) sowie in einer zweiten Aufführung am 29. Januar 1791 in einer Vorstellung der Bellomo’schen Gesellschaft mit dem Mannheimer Schauspieler Heinrich Beck in der Rolle des Pygmalion (vgl. Annalen des Theaters, 7. H., Berlin 1791, S. 63).
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BRIEFE 81/82
98,18 nächstens wieder Nachricht] Über den Eindruck der Aufführung vom 27. April, bei der „Pygmalion“ vor dem Lustspiel „Stille Wasser sind tief“ gegeben wurde, berichtete Goethe in seinem Brief vom 28. April (vgl. Nr 82).
81. An Friedrich Schiller
〈Weimar, 27. April 1798〉 → 〈Jena〉
DATIERUN G
Aufgrund der formalen wie inhaltlichen Unterschiede kann das vorliegende undatierte und Fragment gebliebene Briefkonzept nicht als ein Entwurf zu Goethes Brief an Schiller vom folgenden Tag (Nr 82) verstanden werden (vgl. dagegen NA 37 II, 368; Schiller-Goethe5 2, 87f.). Sehr wahrscheinlich wurde es am 27. April 1798 als unmittelbare Antwort auf eine Schlussbemerkung in Schillers Brief vom selben Tag diktiert (vgl. zu 98,25–99,1). Eine Datierung in das Jahr 1798 ist durch den Hinweis auf Ifflands Gastspiel in Weimar und die Überlieferungsspuren des doppelseitigen Folioblattes gesichert: Aufgrund der alten Foliierung („52“) und der Heftungsspuren des Blattes ist davon auszugehen, dass es ursprünglich Bestandteil des Faszikels der eingegangenen Briefe der Monate April, Mai und Juni 1798 (GSA 28/21; vgl. Überlieferung zu Nr 71K) war, aus dem es später herausgelöst wurde. ÜBER L IEF ERU NG
H: Nicht bekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 29/432,II, Bl. 16. – Doppelblatt 21,1 (–21,3) × 34,5 cm, 1 1⁄5 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 oben rechts mit Bleistift: „52“. E: Bernhard Suphan: Eine Charakteristik. In: GJb XVI (1895), 20–30, hier 28. WA IV 18 (1895), 79, Nr 3784a (nach K). Textgrundlage: K. ERL ÄUT ERUNGEN
Der vorliegende nicht ausgefertigte Brief sollte den Brief Schillers vom 27. April 1798 beantworten (vgl. RA 2, Nr 1259). 98,21 geselligen und Theatralischen Bewegungen] Seit der Eröffnung von August Wilhelm Ifflands Gastspiel in Weimar am 24. April fanden neben den abendlichen Theateraufführungen zahlreiche Gesellschaften statt. Goethe richtete ab dem 25. April täglich im Haus am Frauenplan ein Frühstück für geladene Gäste aus (vgl. BuG 4, 412–420).
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98,22 unsere Correspondenz nicht unterbrochen] Nach seiner zweiwöchigen Krankheit hatte Schiller erstmals am 24. April wieder persönlich an Goethe geschrieben (vgl. zu 98,1–2). Auf Goethes Brief vom folgenden Tag hatte Schiller am 27. April geantwortet. 98,25–99,1 ich bin 〈…〉 als ein beschauender Mensch ein Stockrealiste] In seinem Brief an Goethe vom 27. April hatte Schiller über das Theater der Franzosen geurteilt: „Das ist keine Frage daß sie beßere Realisten als Idealisten sind, und ich nehme daraus ein siegendes Argument, daß der Realism keinen Poeten machen kann.“ (NA 29, 229.) Möglicherweise plante Goethe, seine hier getroffene spontane Einschätzung dieser Äußerung zu einem späteren Zeitpunkt näher auszuführen, was aber unterblieb. Seinen gewissen realistischen Tic hatte Goethe schon früher gegenüber Schiller betont (an Schiller, 9. Juli 1796; GB 11 I, 84,12). Der am folgenden Tag diktierte Brief (Nr 82) spart die Goethes Selbstverständnis berührende Frage zum Verhältnis von Idealismus und Realismus aus. 99,9 Ifflands Spiel] Iffland hatte sein Gastspiel am 24. April in der Rolle des alten Vaters Dominique in „Der Essigmann mit seinem Schubkarren“, übersetzt von Friedrich Ludwig Schröder nach Louis Sébastien Mercier, eröffnet und war am 25. April als Graf Wodmar in „Der deutsche Hausvater“ von Otto Heinrich von Gemmingen aufgetreten. Nach einem Ruhetag folgte am Abend des 27. April sein Auftritt in der Titelrolle des Melodrams „Pygmalion“ von Friedrich Wilhelm Gotter in der Vertonung von Georg Anton Benda sowie als Lieutenant Wallen in Friedrich Ludwig Schröders Lustspiel „Stille Wasser sind tief“ (vgl. zu 99,12). 99,11 vielmehr] Mit dieser eigenhändigen Einfügung Goethes bricht der Brieftext unvermittelt ab. Eine ausführliche Würdigung von Ifflands Spiel folgte in Goethes Brief an Schiller vom 2. Mai (vgl. Nr 84).
82. An Friedrich Schiller
Weimar, 〈28.〉 April 1798 → 〈Jena〉
DAT IERUN G
Die Datumsangabe am Schluss des Briefes ist zu korrigieren. Die im Brief erwähnte Aufführung des „Pygmalion“ fand am 27. April 1798 statt. Der Brief wurde am Morgen des 28. April geschrieben und unmittelbar danach abgesandt (vgl. Postsendungen). Schiller erhielt ihn am selben Tag (vgl. Schillers Kalender, 88). ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 102–103. – Doppelblatt 19,2 × 23,3 cm, 3 ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrekturen (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 99,19 Piygmalion; 100,4–10
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BRIEF 82
|(|Für Cottas Erklärung 〈…〉 löbliche Aussichten.|)|; 100,11–18 |(|Eben so 〈…〉 kommen|.)|; 100,33 vor ⎡für⎤ (vgl. E1). E1: Schiller-Goethe1 4 (1829), 171–174, Nr 454 (Teildruck ohne die in H eingeklammerten Texte). E2: Schiller-Goethe2 2 (1856), 74–76, Nr 460. WA IV 13 (1893), 124–127, Nr 3783. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 27. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1259). – Schiller antwortete am 1. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1265). Postsendungen: 28. April 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 431). 99,12 Lieutenant Wallen] In der Rolle dieses windigen Glücksritters in Friedrich Ludwig Schröders Lustspiel „Stille Wasser sind tief“ war Iffland am 27. April im Weimarer Hoftheater aufgetreten. Die Floskel ‚so zu sagen‘ dürfte eine Anspielung auf Ifflands Spiel sein, das für seine Komik und Improvisationskunst berühmt war. In der 1786 erstmals im Druck veröffentlichten Fassung des Stücks ist diese Formulierung nicht enthalten. 99,13 Theatralischen Abentheuern] Zu Ifflands Gastspiel in Weimar vgl. zu 88,15. 99,19 Pigmalion] Das von Georg Anton Benda bearbeitete gleichnamige Melodram war am 27. April vor dem Lustspiel „Stille Wasser sind tief“ aufgeführt worden. Schiller hatte sich zuvor kritisch über die Wahl dieses Stücks geäußert (vgl. zu 98,14). 99,22 Pudelnärrischen Humor] Hier im Sinne von ‚närrische, spaßhafte Laune‘: „Ein pudelnärrischer Mensch. Etwa von den Hunden dieses Nahmens, weil sie vor andern Arten Hunden zu Spaßen und Possen abzurichten sind?“ (Adelung 3, 858.) Vgl. Wagners Schilderung der Erscheinung des Pudels, die Faust mit der Bemerkung kommentiert, er finde nicht die Spur / Von einem Geist, und alles ist Dressur. (FA/Goethe I 7/1, 59, V. 1172f.) 99,24–25 abwarten was Freund Böttiger leisten wird] Carl August Böttigers Bericht über Ifflands Gastspiel erschien im Maiheft des „Journals des Luxus und der Moden“ unter dem Titel „Iffland in Weimar“ (S. 307–317). Böttiger knüpfte darin an eine ausführliche Abhandlung über die Darstellungskunst des befreundeten Schauspielers an, die er 1796 anlässlich eines früheren Weimarer Gastspiels veröffentlicht hatte (vgl. Entwickelung des Ifflandischen Spiels in vierzehn Darstellungen auf dem Weimarischen Hoftheater im Aprillmonath 1796. Leipzig 1796). 100,1 Montag wird Benjovsky seyn] Am 30. April fand die Aufführung von August von Kotzebues Schauspiel „Graf Benjowsky oder Die Verschwörung auf Kamtschatka“ in der Einrichtung von Christian August Vulpius statt (vgl. Theater/Musik Weimar). Iffland trat darin in der Rolle des Hettmann auf.
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100,1 Mittwoch der taube Apotheker] Das Lustspiel „Die verstellte Kranke“ nach Carlo Goldoni wurde erst am Donnerstag, dem 3. Mai, gegeben (vgl. Theater/Musik Weimar). Iffland trat darin in der Rolle des tauben Apothekers Agapito auf. 100,1–2 was er Donnerstags zum Schlusse giebt] Zum Abschluss seines Gastspiels in Weimar trat Iffland am 4. Mai mit seinem eigenen Schauspiel „Die Aussteuer“ in der Rolle des Amtmann Riemen auf (vgl. Theater/Musik Weimar). 100,3 bald bey Ihnen] Goethe reiste erst am 20. Mai wieder nach Jena, wo er – abgesehen von einer fünftägigen Unterbrechung vom 31. Mai bis 4. Juni – bis zum 21. Juni 1798 blieb (vgl. GT II 1, 245–251). 100,4 Cottas Erklärung] Die verlegerischen Vereinbarungen zur Herausgabe der „Propyläen“ wurden durch Schiller vermittelt. Nachdem Goethe im März 1798 Schiller in Jena über sein Projekt informiert hatte, hatte sich dieser am 28. März schriftlich an Cotta gewandt (vgl. NA 29, 222f.). Cottas offizielle Zusage war mit seinem Brief an Schiller am 10. April erfolgt (vgl. NA 37 I, 274f.). Aufgrund seiner Erkrankung konnte Schiller dieses Schreiben erst mit dem Bezugsbrief vom 27. April an Goethe weiterleiten (vgl. RA 2, Nr 1239). Auf der Grundlage von Cottas Zusage wandte sich Goethe Ende Mai direkt an den Verleger, um den Inhalt seiner geplanten Zeitschrift darzulegen (vgl. Nr 99). 100,11 Faust] Zu Goethes Wiederaufnahme der Arbeit am „Faust“ vgl. zu 88,21–22. In seinem Brief an Schiller vom 11. April 1798 hatte Cotta seine verlegerischen Bedenken zur Herausgabe der „Propyläen“ geäußert und betont: „Ganz beruhiget würde ich daher seyn wenn Sie den Herrn GeheimenRat bestimmen könnten, daß er mir zugleich die Zusicherung für seine künftige Produkte gäbe, zB Faust p.“ (NA 37 I, 276.) Schiller hatte Goethe daraufhin im Bezugsbrief den Vorschlag unterbreitet, Cotta „die Expectanz auf Ihr nächstes poetisches Werk, etwa den Faust zu geben, oder es ihm lieber gleich zu veraccordieren“ (NA 29, 228). 100,13–14 Freund Meyer wird 〈…〉 Zeichnungen zu verfertigen.] Der hier einmalig ausgesprochene Plan zur Veröffentlichung einer Sammlung kolorierter Umrissstiche zum „Faust“, für die Johann Heinrich Meyer die Entwürfe liefern sollte, wurde nicht umgesetzt. Entsprechende Zeichnungen Meyers oder weitere Zeugnisse sind nicht bekannt. Späteren Bemühungen Cottas zu einer – verkaufsfördernden – illustrierten „Faust“-Ausgabe erteilte Goethe 1805 eine definitive Absage. Erste Bildzyklen zum „Faust“ erschienen erst nach der Veröffentlichung von „Faust I“ (1808). 100,19 Freund Humboldt antworten] Zu Wilhelm von Humboldts Brief an Goethe vom Ende März 1798 vgl. zu 95,11. Mit seiner Antwort begann Goethe im Juni (vgl. GT II 1, 248, 250), schloss den Brief aber erst am 16. Juli ab (vgl. Nr 138). 100,20–21 mit Brinkmann einen prosodischen Congreß über Herrmann und Dorothea] Humboldt hatte mitgeteilt, dass er gemeinsam mit dem befreundeten schwedischen Diplomaten und deutschsprachigen Schriftsteller Carl Gustav von
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BRIEF 82
Brinckmann plane, das Silbenmaß in Goethes Epos „Herrmann und Dorothea“ kritisch zu prüfen (vgl. RA 2, Nr 1240; zum Erfolg von Goethes Werk, das im Herbst 1797 erschienen war, vgl. zu 6,17–18). Brinckmann hatte sich im Februar 1798 auf seiner Reise nach Paris in Weimar aufgehalten (vgl. zu 52,1). Er war durch Humboldt ausführlich über dessen Anteilnahme an der Entstehung von Goethes Werk im Frühjahr 1797 informiert (vgl. Wilhelm von Humboldts Briefe an Karl Gustav von Brinkmann. Hrsg. von Albert Leitzmann. Leipzig 1939, S. 99). Eine gemeinsame Abhandlung beider zu Goethes Epos ist nicht bekannt. In seinem Brief an Humboldt vom 16. Juli ermunterte Goethe lediglich zu einer Prosodie der deutschen Sprache (vgl. Nr 138). 100,24 jene Arbeit] Zu Goethes geplantem Vorhaben eines Versepos über den Tod des Achill vgl. zu 114,10. 100,26 Chorizonten] Griech. X «: Sonderer, Ordner. Gemeint sind die antiken Grammatiker, welche die „Ilias“, nicht aber die „Odyssee“ als ein Werk Homers anerkannten. Die Einheit der Homerischen Dichtung wurde von Gelehrten wie Friedrich August Wolf abgelehnt, gegen den Goethe wiederholt polemisierte, so im Xenion „Die Aufgabe“: Wem die Verse gehören? Ihr werdet es schwerlich errathen, / Sondert, wenn ihr nun könnt, o Chorizonten, auch hier! (Musen-Almanach für das Jahr 1797, S. 221.) 100,26–27 Fluche des Bischoff Erulphus] Anspielung auf Lawrence Sternes Roman „The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman“ (1759–1767; vgl. Ruppert, Nr 1533). Im elften Kapitel des dritten Buches wird eine dem Bischof Ernulfus von Rochester zugeschriebene lateinische Exkommunikationsrede zitiert. – ‚Erulphus‘: Schreibversehen für ‚Ernulphus‘. 100,27 wie die Franzosen] Die französische Homer-Forschung war in der Frage der Autorschaft gespalten. Möglicherweise bezieht sich Goethe hier auf eine im „Magasin encyclopédique“ veröffentlichte Abhandlung des Altphilologen Guillaume Emmanuel Joseph Guilhem de Clermont-Lodève de Sainte-Croix („Réfutation d’un paradoxe sur Homère“, Bd 5, 1797, S. 66–79, 191–209). Darin wendet sich der Autor gegen einen zuvor veröffentlichten Auszug aus Werken von Friedrich August Wolf (ebd., Bd 3, 1797, S. 202–222) und betont: „Il ne faut que sentir et obéir à sa propre imagination, sans aucun effort d’esprit, pour être intimément convaincu que l’Iliade et l’Odyssée sont sorties toutes aussi entières de la tête d’Homère que Minerve sortant du cerveau de Jupiter. L’opinion contraire est un véritable outrage à la mémoire d’Homère qui se trouve par-là plus maltriaté que le corps d’Hector ne le fut dans les champs de Troye.“ (S. 205.) In der 1798 veröffentlichten dt. Übersetzung: „Man darf nur seinem Gefühl und seiner Einbildungskraft trauen, ohne die geringste Anstrengung des Nachdenkens, um innigst überzeugt zu seyn, daß die Iliade und Odyssee ebenso vollständig dem Kopfe des Homer hervorgegangen sind, als Minerva dem Gehirne Iupiters. Die entgegenstehende Meinung ist eine völlige Beeinträchtigung von Homers Andenken, der sich dadurch weit übler behandelt sieht, als Hek-
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tors Leichnam in der Ebene von Troia.“ (Sainte-Croix: Widerlegung des Wolfischen Paradoxons über die Gedichte Homers. Leipzig 1798, S. 65f.) 100,28 Einheit und Untheilbarkeit] Mit dieser Formulierung verteidigte Goethe wiederholt die Autorschaft Homers an der „Ilias“ und der „Odyssee“ (vgl. 113,24–26). In seinem vielbesprochenen Werk „Prolegomena ad Homerum“ (1795) hatte der klassische Philologe Friedrich August Wolf diese in Zweifel gezogen und zu belegen versucht, dass die Dichtungen ursprünglich nur mündlich tradiert und später von verschiedenen Autoren zusammengetragen worden seien. Schon in seinem Brief an Wolf vom 26. Dezember 1796 hatte sich Goethe gegen diese Annahme gewandt (vgl. GB 11 I, Nr 175). Die Frage war auch Gegenstand von Friedrich Schlegels Aufsatz „Über die Homerische Poesie. Mit Rücksicht auf die Wolfischen Untersuchungen“ in der Zeitschrift „Deutschland“ (1796, Bd 4, 11. St., S. 124–156). – Beide Schlagwörter verwendete Goethe später auch im Zusammenhang seiner Beschäftigung mit dem Werk Shakespeares (vgl. Goethes Aufsatz „Ludwig Tiecks Dramaturgische Blätter“; WA I, 40, 178–182, hier 179). 100,30–31 musikalischen Frühstücks] Zu Ifflands Gastspiel in Weimar richtete Goethe im Haus am Frauenplan seit dem 25. April fast täglich ein Frühstück für zahlreiche geladene Gäste aus (vgl. BuG 4, 412–420). Welche musikalische Unterhaltung für den 28. April geplant war, ist nicht ermittelt. Zu den für diesen Tag geladenen Schauspielern gehörte Caroline Jagemann, die nachweislich zum Frühstück am 25. April gesungen hatte und gemeinsam mit Corona Schröter auch am 30. April für die musikalische Umrahmung sorgte (vgl. ebd., 413, 415). 101,1–2 schicken Sie uns dieselbe wenigstens Montags] Charlotte Schiller kam erst am Donnerstag, dem 3. Mai 1798, nach Weimar, wo sie am Morgen am Frühstück bei Goethe teilnahm und sich abends Ifflands Spiel als tauber Apotheker Agapito im Lustspiel „Die verstellte Kranke“ nach Carlo Goldoni ansah. Über ihre Eindrücke berichtete Schiller in seinem Brief an Goethe vom 4. Mai (vgl. RA 2, Nr 1269). 101,4 Impresar] Von ital. impressario: Theaterunternehmer. 101,4–5 ohnerachtet der erhöhten Preiße] Anlässlich von Ifflands Gastspiel in Weimar waren die Eintrittspreise erhöht worden (vgl. zu 88,16–17) Die Preiserhöhung wurde von Besuchern wie Charlotte von Stein kritisch gesehen, die am 26. April ihrem Sohn Friedrich berichtete: „Herr Ifland ist hier und spielt als Gast, aber die entré kostet 1 rL, dies erlaube ich mir nicht zu geben, für 1 rL kan ich mancherley haben daß mir mehr Vergnügen macht als eine comedie, das erste mahl als er hier war gab man nur 16 gL.“ (Brief an Friedrich von Stein vom 18. bis 28. April 1798; GSA 122/102.) 101,7 Sollte Schröter kommen] Goethes und Schillers Bemühen, den Hamburger Schauspieler Friedrich Ludwig Schröder für die Rolle des Wallenstein zu gewinnen, war nicht erfolgreich (vgl. Nr 187).
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101,8–9 wenn Iffland künftig wiederkommen sollte] Iffland gastierte erst wieder im September 1810 in Weimar; sein viertes und letztes Gastspiel fand vom 20. bis 30. Dezember 1812 statt (vgl. GT IV 1, 424–427).
83. An August Wilhelm Schlegel
〈Weimar〉, 1. Mai 1798 → Jena
ÜBER L IEF ERU NG
H: ULB Bonn, Bestand: Nachlass Schlegel, Sign.: S 506 : II : 6. – Doppelblatt 23,3 × 19 cm, ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Unterschrift, Tinte; S. 4 egh. Adresse, Tinte: Des Herrn / Rath Schlegels / Wohlgel; Reste einer Verschlussoblate; Bl. 2 obere rechte Ecke angestückt. E: Schiller/Goethe-Schlegel (1846), 32. WA IV 13 (1893), 129, Nr 3785 (nach E). ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt. 101,15 Durchl der Herzog haben mir befohlen] Herzog Carl August von Sachsen-Weimar und Eisenach. – Die Aufforderung des Herzogs ist nicht schriftlich überliefert. 101,16 morgen früh in das so genannte Römische Haus zu führen] Zu Ehren des Berliner Schauspieldirektors und Schauspielers August Wilhelm Iffland, der in Weimar gastierte, wurden ab 25. April 1798 fast täglich Frühstücksempfänge in Goethes Haus am Frauenplan abgehalten (vgl. GT II 1, 242f.). Am 2. Mai fand ein Empfang im Römischen Hause statt (vgl. ebd., 243). Schlegel war für zehn Tage nach Weimar gekommen, um das Gastspiel zu erleben (Caroline 1, 450). 101,16–17 um Sie mit Herrn Melisch bekannt zu machen] Der Engländer Joseph Charles Mellish war, nachdem er 1796 auf einer Bildungsreise für drei Monate in Weimar Station gemacht hatte, 1798 nach Weimar zurückgekehrt, wo er am 10. August Caroline von Stein heiratete. Als Sohn eines Rechtsanwalts hatte er in seiner Heimat in London eine juristische Ausbildung begonnen, wandte sich aber bald mit großem Interesse der Literatur zu, übersetzte deutsche Literatur ins Englische, so etwa Schillers „Maria Stuart“ und Goethes „Herrmann und Dorothea“, und war selbst schriftstellerisch tätig. Herzog Carl August ernannte ihn zum Kammerherrn und gewährte ihm per Dekret vom 5. November 1798 freies Wohnrecht über 15 Jahre im Rokokoschloss in Dornburg, wo er bis 1804 zeitweise mit seiner größer werdenden Familie wohnte. In Weimar kaufte er 1801 das Haus an der Esplanade, das 1802 in den Besitz Schillers übergehen sollte (heute Schiller-Museum); Mellish verließ Weimar und trat in diplomatische Dienste (vgl. weiterführend
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Volker Wahl: Der englische Diplomat, Schriftsteller und Übersetzer Joseph Charles Mellish of Blyth in Weimar und Dornburg zwischen 1796 und 1804. In: Holger Böning et al. [Hrsg.]: Medien – Kommunikation – Öffentlichkeit. Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Festschrift für Werner Greiling zum 65. Geburtstag. Wien, Köln, Weimar 2019, S. 97–112). Mellish war laut Goethes Einladungsliste bereits am 1. Mai 1798 bei einem der Frühstücksempfänge in Goethes Haus als Gast gewesen (vgl. BuG 4, 416). Goethe hatte vor, Schlegel die „Herrmann und Dorothea“-Übersetzung Mellishs vorzulegen, um dessen Meinung darüber einzuholen (vgl. 105,24–28). Gleichzeitig wollte der Herzog Schlegel unverbindlich kennen lernen, da dieser als außerordentlicher Professor für die Jenaer Universität vorgesehen war. – Der hier initiierte Kontakt zwischen Mellish und Schlegel wurde fortgesetzt: Ein weiteres Treffen der beiden ist durch Goethes Tagebuch für März 1799 belegt (vgl. GT II 1, 289). 101,18 Bewundrer Ihrer Uebersetzung] 1797 waren die ersten beiden Teile von „Shakespeare’s dramatischen Werken / übersetzt von August Wilhelm Schlegel“ bei Unger in Berlin erschienen. Die Bände enthalten die Dramen „Romeo und Julia“, 1796 als Vorabdruck bereits in Schillers „Horen“ veröffentlicht, sowie „Ein Sommernachtstraum“ (Erster Theil), „Julius Cäsar“ und „Was ihr wollt“ (Zweyter Theil). 1798 kam als dritter Teil „Der Sturm“ und „Hamlet, Prinz von Dänemark“ hinzu. 101,20 heute Abend in der Comödie] Am 1. Mai wurden drei Stücke hintereinander gegeben: „Pygmalion. / Ein Melodrama nach Rousseau“ mit Musik von Georg Anton Benda und August Wilhelm Iffland in der Titelrolle, der zweite Akt der Oper „Die Theatralischen Abentheuer“ und schließlich „Die eheliche Probe. Ein Lustspiel in einem Aufzuge“ mit Iffland als Treumund (vgl. Theater/Musik Weimar). – August Wilhelm Schlegel ließ sich von der Aufführung zu einem Gedicht inspirieren, das er im „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ unter dem Titel „Der neue Pygmalion. / An Iffland.“ veröffentlichte (S. 144).
84. An Friedrich Schiller
Weimar, 2. Mai 1798 → 〈Jena〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 106–109. – 2 Doppelblätter 17,1 (–17,4) × 20,7(–21,6) cm, hintereinandergelegt, 8 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und 2 egh. Paraphen, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrekturen (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 102,5 Disti⎡n⎤ ction; 102,5 de⎡r⎤ ssselben; 103,5–7 |(|Freund Böttiger 〈…〉 werden.|)|; 104,32 gGanzens; 105,1 Rechtslehre|r|; 105,8 gewesen|,|; 105,14 günstig|,|; 105,15 und das (vgl. E1).
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BRIEF 84
E1: Schiller-Goethe1 4 (1829), 178–186, Nr 456 und Nr 457 (Abdruck als 2 Briefe; Teildruck ohne den in H eingeklammerten Text). E2: Schiller-Goethe2 2 (1856), 77–81, Nr 462 und Nr 463. WA IV 13 (1893), 130–135, Nr 3786. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 1. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1265). – Schiller antwortete am 4. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1269). Postsendungen: 2. Mai 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 432). 101,23 Iffland] Zu August Wilhelm Ifflands Gastspiel in Weimar vom 24. April bis 4. Mai 1798 vgl. zu 88,15. 102,2 Humor] Hier zur Charakterisierung von Ifflands schöpferisch-produktiver Grundgestimmtheit im Sinne von ‚Schwung, Spielwitz‘ (vgl. GWb 4, 1434). 102,5 Distiction] Schreibversehen für ‚Distinction‘. 102,18 Assiduität] Franz. assiduité: Beharrlichkeit, Frequenz; im Plural assiduités: häufige Besuche. 102,19 zwischen 380 und 430] Das Weimarer Hoftheater fasste vor dem Umbau etwa 600 Plätze (vgl. Goethes Schreiben an Franz Kirms vom 〈22. Januar 1796〉; GB 11 I, Nr A 1). Die Aufführung war damit zu gut zwei Dritteln ausgelastet. 102,21 das vorige mal] August Wilhelm Ifflands erstes Gastspiel in Weimar hatte vom 28. März bis 25. April 1796 stattgefunden (vgl. GT II 1, 65–68). 102,21 Der erhöhte Preis] Anlässlich von Ifflands Gastspiel waren die Eintrittspreise erhöht worden (vgl. zu 101,4–5). 102,23–24 über den ungläubigen Hofkammerrath gesiegt] Franz Kirms hatte zuvor wiederholt Bedenken geäußert, die Eintrittspreise zu erhöhen (vgl. zu 53,10). 102,28 alberne Negationen] Nicht ermittelt. Zu weiteren Berichten über Ifflands Gastspiel in Weimar vgl. BuG 4, 412–421. 102,29 Ta u b e n A p o t h e k e r] Die Aufführung des Lustspiels „Die verstellte Kranke“ nach Carlo Goldoni fand am Abend des 3. Mai im Weimarer Hoftheater statt (vgl. Theater/Musik Weimar). Iffland spielte darin die Rolle des tauben Apothekers Agapito. Über diesen Auftritt wurde Schiller durch seine Frau Charlotte informiert (vgl. RA 2, Nr 1269). 103,1 zu Ihnen hinüber] Goethe reiste am 20. Mai wieder nach Jena, wo er – abgesehen von einer fünftägigen Unterbrechung vom 31. Mai bis 4. Juni – bis zum 21. Juni 1798 blieb (vgl. GT II 1, 245–251). 103,3 heute keinen Brief von Ihnen] Schiller schrieb seine Briefe an Goethe in der Regel an seinen Posttagen, am Dienstag und Freitag, so dass sie jeweils am folgenden Mittwoch- und Samstagmorgen bei Goethe eintrafen. Der für diesen Tag er-
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wartete Brief Schillers erreichte Goethe erst verspätet, weshalb er ihn mit einem zweiten Briefteil beantwortete (siehe unten). 103,4 kein Uebel] Während Schillers Krankheit hatte Goethe im April 1798 mit Charlotte Schiller in brieflicher Verbindung gestanden. Erst am 25. April hatte Goethe wieder ein eigenhändiges Schreiben Schillers erhalten (vgl. RA 2, Nr 1254). 103,5–6 Böttiger brütet 〈…〉 an einer Didaskalie über Pygmalion.] Carl August Böttigers Bericht über Ifflands Gastspiel in Weimar wurde im „Journal des Luxus und der Moden“ veröffentlicht (Bd 13, Mai 1798, S. 307–317). Er enthält eine ausführliche Würdigung des von Iffland am 27. April und 1. Mai im Weimarer Hoftheater aufgeführten Monodrams „Pygmalion“ in der Vertonung von Georg Anton Benda (ebd., S. 310–312). – Didaskalie von griech. : Unterweisung, Lehre (vgl. GWb 2, 1190). Nach dem antiken Sprachgebrauch bezeichnen Didaskalien chronologisch geordnete Aufzeichnungen zu Dramenaufführungen mit Personenangaben. 103,9–11 Wielanden 〈…〉 drucken zu lassen] Die ersten vier Stücke seiner „Gespräche unter vier Augen“ hatte Wieland ab Februar 1798 im „Neuen Teutschen Merkur“ veröffentlicht („Erstes Gespräch zwischen Geron und Sinibald. Ueber die Vorurtheile“ [Februar 1798, S. 105–129]; „Zweytes Gespräch, über den neufränkischen Staatseid ‚Haß dem Königthum!‘“ [März 1798, S. 259–288]; „Drittes Gespräch. Was ist zu thun?“ [April 1798, S. 355–383]; „Viertes Gespräch, über Demokratie und Monarchie“ [Mai 1798, S. 3–48]). Die Beiträge beinhalten Dialoge verschiedener Gesprächspartner, von denen der eine jeweils konservativ und monarchistisch, der andere demokratisch und republikanisch eingestellt ist. Sowohl Mitarbeiter dieser Zeitschrift als auch Freunde Wielands hatten Bedenken gegen diese Beiträge geäußert, so Carl Ludwig von Knebel am 4. April 1798 gegenüber Carl August Böttiger: „Nur, (unter uns gesagt!) wollte ich, daß Sie ihn aus seinem politischen Dialog, unter vier Augen, bald ganz gemächlich herausbrächten. Zu Anfang der Revolution ist es in der That erlaubt gewesen, Manches auf diese Art zu räsonniren und deräsonniren, und weil man noch nicht wußte, was aus dem Kinde werden sollte, es mit Fabeln und Geschichten voriger Zeiten zu vergleichen. Jetzt erwartet man von einem Manne, wie Wieland, tiefere Blicke, allgemeinere Resultate; nach den Angaben und Fortschritten, die wirklich der menschlich Geist und Verstand vor jenen Zeiten voraus hat, und die in moralischen Dingen, wie in chymischen, durch eine Veränderung des Prozesses und neuer Hinzuthat einiger Materialien, auch einen ganz veränderten Zustand hervorbringen.“ (Knebel, Nachlaß und Briefwechsel 3, 32f.) Böttiger fürchtete daraufhin, „daß der aristokratisch gewordene Merkur bei dem zu dreiviertel demokratisch gesinnten Publikum künftig die Thüre verschlossen finden werde“ (Brief an Johannes von Müller vom 20. Mai 1798; Briefe an Johann von Müller 1, 284). Mit dem heimlich demokratische〈n〉 Gericht dürfte vor allem Böttiger gemeint sein, der wiederholt Stimmung gegen die Beiträge machte (vgl. zu 118,6).
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103,11–12 das nächste Stück wird zeigen ob der gute Alte gehorcht] Auf eine am 23. Mai folgende Nachricht Johann Heinrich Meyers, dass Wieland „seine Gepräche gedruckt und gelesen wissen“ (Goethe-Meyer 2, 37; vgl. RA 2, Nr 1287) wolle, reagierte Goethe erfreut (vgl. 118,5–9). Das fünfte Stück von Wielands „Gesprächen unter vier Augen“ erschien im siebten Stück des „Neuen Teutschen Merkurs“ unter dem Titel „Fünftes Gespräch. Was wird endlich aus dem allen werden?“ (Juli 1798, S. 201–222). Um sieben weitere Stücke vermehrt, wurden die „Gespräche unter vier Augen“ schließlich 1799 im 31. Band der von Göschen in Leipzig verlegten „Sämmtlichen Werke“ Wielands veröffentlicht. 103,13 goldnen Spiegels] Christoph Martin Wielands Roman „Der Goldne Spiegel, oder die Könige von Scheschian, eine wahre Geschichte“ (4 Tle. Leipzig 1772) behandelt Fragen der Prinzenerziehung und einer vernunftgerechten Staatsverfassung, die ihren Ausdruck in der Gestalt des guten Herrschers Tifan findet. Kurz nach der Veröffentlichung dieses Werks war Wieland 1772 zum Erzieher des Erbprinzen Carl August von Sachsen-Weimar und Eisenach nach Weimar berufen worden. 103,13 Agathons] In Christoph Martin Wielands Roman „Geschichte des Agathon“ (2 Tle. Frankfurt, Leipzig 1766/67) wird der gleichnamige Titelheld wiederholt mit Fragen zur politischen Verfassung konfrontiert. 103,17 Herr Posselt] Zu Goethes Urteil über Ernst Ludwig Posselt und die von ihm herausgegebene „Neueste WeltKunde“ vgl. zu 15,17–18. 103,18 Herr Gentz] Der Berliner Schriftsteller und Publizist Friedrich Gentz hatte anlässlich der Thronbesteigung des jungen preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. eine politische Abhandlung veröffentlicht. Goethe hatte die Schrift im Dezember 1797 durch Aloys Hirt aus Berlin erhalten (vgl. zu 35,25). 103,21 Liebeskindern] Unehelich geborene Kinder. 103,22 Vor 14 Tagen ohngefähr kam er nach Weimar] Wieland und seine Familie lebten seit dem 25. April 1797 auf ihrem Gut in Oßmannstedt in der Nähe von Weimar. Am 7. April 1798 war Wieland nach Weimar gefahren, hatte dieses aber aufgrund eines Katarrhs bereits nach vier Tagen wieder verlassen müssen (vgl. Thomas C. Starnes: Christoph Martin Wieland. Leben und Werk. Bd 2. Sigmaringen 1987, S. 639f.). Anlässlich von Ifflands Gastspiel war Wieland am 27. April erneut nach Weimar gefahren, jedoch bereits am 29. April nach Oßmannstedt zurückgekehrt, da seine Tochter Wilhelmine Johanna Friederika verstorben war (vgl. ebd., S. 641–643). Goethes Einladung zum Frühstück am 30. April hatte er deshalb nicht folgen können (vgl. BuG 4, 415). 103,27–28 Mestizen eines Aristo-demokratischen Ehebandes] In seinen „Geprächen unter vier Augen“ lässt Wieland Monarchisten und Republikaner gleichermaßen zu Wort kommen. Seinen Dialogen liegt der Gedanke einer Synthese aus Monarchie und Demokratie zugrunde und ist dem Modell einer konstitutionellen Monarchie nach englischem Vorbild verpflichtet. – Als Mestizen (von lat. mix-
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ticius: Mischling) wurden in Amerika die Nachkommen von europäischen (weißen) und indigenen (farbigen) Eltern bezeichnet (vgl. Krünitz 89, 521). 104,1 Ihren lieben Brief] Gemeint ist Schillers Brief vom 1. Mai, der Goethe an diesem Tag verspätet erreicht hatte und auf den er mit dem nachfolgenden Briefteil antwortete. Dieser ist im Erstdruck des Briefwechsels 1829 als Einzelbrief abgedruckt worden. 104,2 Garten] Die Familie Schiller bezog ihr in den Sommermonaten genutztes Gartenanwesen am 7. Mai (vgl. zu 107,18). 104,4 Pygmalion] Vgl. zu 98,14. 104,9 Monodram] Monologisches Theaterstück mit nur einer handelnden Person. 104,14–16 Man kann jeden Manieristen loben und 〈…〉 vergleichen.] Dieses Thema ist auch Gegenstand von Goethes früherem Aufsatz „Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Stil“ (1789). 104,17 Zweymal gesehen] Das Werk war am 27. April und 1. Mai im Weimarer Hoftheater mit Iffland in der Hauptrolle und Caroline Jagemann in der Rolle der Galathea aufgeführt worden. Goethe hatte beide Vorstellungen besucht (vgl. GT II 1, 242f.). Er kannte das Stück auch aus früheren Aufführungen (vgl. zu 98,15–16). 104,18 Meyern] Die Frage nach der Gegenstandswahl war der zentrale Gedanke von Johann Heinrich Meyers geplantem „Propyläen“-Aufsatz „Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst“. Ein entsprechendes Urteil Meyers über „Pygmalion“ ist nicht ermittelt. 104,19 D i d a s k a l i e] Vgl. zu 103,5–6. 104,21 Wegen Schröders] Zu Goethes und Schillers Bemühen, den Hamburger Schauspieler Friedrich Ludwig Schröder für die Rolle des Wallenstein nach Weimar zu gewinnen, vgl. Nr 187. 104,22 k o k e t] Hier im Sinne von ‚launisch-unernst, kapriziös‘ (vgl. GWb 5, 505). 104,26 in 10 Tagen bey Ihnen] Goethe reiste erst am 20. Mai nach Jena (vgl. GT II 1, 245). 104,27 Cotta wieder zu sehen] Schiller hatte berichtet, dass Johann Friedrich Cotta anlässlich seines Besuchs der Leipziger Jubilatemesse einen Aufenthalt in Jena plane. Dieser erfolgte auf der Rückreise von Leipzig am 17. Mai (vgl. RA 2, Nr 1281). Goethe traf nicht mit Cotta zusammen. 104,28 Stelle in der Odysse] Schiller hatte um Auskunft über eine Passage im achten Buch von Homers „Odyssee“ gebeten. Diese beinhaltet das von dem Sänger Dämodokos vorgetragene Lied über den Streit zwischen Achilles und Odysseus („Aber als die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war, / Trieb die Muse den Sänger, das Lob der Helden zu singen. / Aus dem Liede, deß Ruhm damals den Himmel erreichte, / Wählt’ er Odüßeus Zank und des Päläiden Achilleus: / Wie sie einst mit einander am festlichen Mahle der Götter / Heftig
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stritten, und sich der Führer des Heers Agamemnon / Herzlich freute beim Zwiste der tapfersten Helden Achaias. / Denn dies Zeichen war ihm von Föbos Apollon geweißagt, / In der heiligen Pütho, da er die steinerne Schwelle / Forschend betrat; denn damals entsprang die Quelle der Trübsal / Für die Achaier und Troer, durch Zeus des Unendlichen Rathschluß.“ (Homers Odüßee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg 1781, S. 142 f.; vgl. Schillers Bibliothek, Nr 220.) Hintergrund der Anfrage ist Goethes ablehnende Haltung zu der von Friedrich August Wolf in seiner Schrift „Prolegomena ad Homerum“ (1795) aufgestellten Behauptung, dass Homers Epen das Werk verschiedener Autoren seien (vgl. zu 100,28). 104,31 ebem] Schreibversehen für ‚eben‘. 104,32 calescirten] Hörfehler beim Diktat; irrtümlich für ‚coalescirten‘: von lat. coalescere: zusammenwachsen, verschmelzen. 104,33 Epigrammensammlung] Gemeint ist die „Anthologia Graeca“, eine im 1. Jahrhundert v. Chr. von Meleagros von Gadara angelegte und in zwei Fassungen („Anthologia Palatina“ und „Anthologia Planudea“) überlieferte Sammlung griechischer Epigramme, Inschriften und Gelegenheitsgedichte antiker Dichter. Die Sammlung war Goethe in einer von dem Straßburger Gräzisten Richard Franz Philipp Brunck besorgten Ausgabe bekannt (Analecta Veterum Poetarum Graecorum. 3 Bde. Straßburg 1772–1776; vgl. GB 4 II, zu 337,15). Den Verlust vieler Werke hatte bereits Johann Gottfried Herder in seiner Abhandlung „Anmerkungen über die Anthologie der Griechen, besonders über das Griechische Epigramm“ betont: „Aber das Schicksal! Es richtete Anthologie gerade durch Anthologie zu Grunde.“ (Zerstreute Blätter. Erste Sammlung. Gotha 1785, S. 104; vgl. FA/ Herder 4, 502.) 105,1–2 Pandecten] Die ‚Pandectae‘ (von griech. P «: Allumfassendes) bezeichnen eine zu einem juristischen Gesetzeswerk und Lehrbuch zusammengestellte Sammlung von Werken römischer Rechtsgelehrter. Das von Kaiser Justinian veranlasste Werk trat 533 in Kraft und ist Bestandteil des ‚Corpus iuris‘. 105,2 digerirte] Lat. digerere: einteilen, auflösen. Goethe spielt hier auf den Begriff der Digesten (von lat. digesta: Geordnetes) an, mit dem die Pandekten zumeist bezeichnet werden. 105,2 chorizontische] Vgl. zu 100,26. 105,7 Contiguität] Von lat. contiguitas: Angrenzung, Berührung, hier auch im Sinne von ‚Beziehung, Zusammenhang‘ (vgl. GWb 5, 601). 105,14 meiner jetzigen Production] Zu Goethes geplantem Epos „Achilleis“ vgl. zu 114,10. 105,15 das ungeheure Dichtungsmeer] Zur Bedeutung der antiken Dichtungen als Reservoir für eigene literarische Vorhaben vgl. Goethes Brief an Schiller vom 23. Dezember 1797 sowie die diesem Brief beiliegende gemeinsame Abhandlung „Ueber epische und dramatische Dichtung“ (vgl. Schiller-Goethe5 1, 535–541).
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105,17 Noch ein Wort wegen Schröders] Zu Goethes und Schillers Bemühen, den Hamburger Schauspieler Friedrich Ludwig Schröder für die Rolle des Wallenstein zu gewinnen, vgl. Nr 187. Gegenüber Carl August Böttiger hatte Schröder am 5. Dezember 1797 betont: „Daß es mir Ehre machen würde, in Schiller’s ‚Wallenstein‘ zu spielen, fühle ich; aber ich glaube nicht, daß es mir möglich ist, eine solche Rolle bis Ostern zu lernen, wenn ich sie auch jetzt schon hätte. Meine ältesten Rollen kosten mich unglaubliche Mühe, so sehr ist mein Gedächtniß durch den Widerwillen geschwächt.“ (Hermann Uhde: Friedrich Ludwig Schröder in seinen Briefen an K. A. Böttiger [1794–1816]. In: Historisches Taschenbuch. Begründet von Friedrich von Raumer. Hrsg. von W. H. Riehl. Fünfte Folge. Fünfter Jahrgang. Leipzig 1875, S. 245–311, hier S. 266.) 105,18 Wallenstein] Zu Schillers Arbeit am „Wallenstein“ vgl. zu 5,19. 105,18 Correlation] Hier im Sinne von ‚wechselweise Beziehung, Abhängigkeit‘ (vgl. GWb 5, 653). 105,21 Frühstück] Zu Ehren Ifflands hatte Herzog Carl August für den 2. Mai zu einem Frühstück ins Römische Haus geladen, an dem Goethe gemeinsam mit August Wilhelm Schlegel teilnahm (vgl. Nr 83 und GT II 1, 243). 105,22 morgen 〈…〉 bey mir, wozu Ihre liebe Frau eingeladen ist] Anlässlich von Ifflands Gastspiel in Weimar veranstaltete Goethe im Haus am Frauenplan ab dem 25. April fast täglich ein Frühstück für geladene Gäste. Am letztmalig am 3. Mai veranstalteten Frühstück nahm auch Schillers Frau Charlotte teil (vgl. BuG 4, 419). 105,24 die englische Uebersetzung meiner Dorothea] Der englische Diplomat und Schriftsteller Joseph Charles Mellish arbeitete an einer Übersetzung von Goethes Epos „Herrmann und Dorothea“. Das Manuskript seiner – unveröffentlicht gebliebenen – Übersetzung ist nicht überliefert, wie auch nähere Urteile Goethes dazu nicht bekannt sind. Eine Bemerkung Charlotte von Steins legt nahe, dass Mellish seine Übersetzung im Sommer 1798 vollendete: „Melesch ein Engländer der eine Nordheimer Stein kürtzlich geheyrathet und auf den Dornburger Schloß wohnt wofür er den Herzog miethe bezahlt, hat Hermann und Dorothea vom Goethe ins englische übersezt und 60 Carolin dafür bekommen.“ (Brief an Friedrich von Stein vom 17. September 1798; GSA 122/102.) Möglicherweise übersandte Goethe dieses Manuskript im Juli 1799 an Jane Dalton (vgl. GT II 1, 309 und GB 14 I, Nr 110). Im April 1800 erbat sich Mellish über Schiller erneut Goethes Urteil (vgl. NA 38 I, 243). Bemühungen um eine Veröffentlichung schlugen indes fehl, zumal Thomas Holcroft 1801 eine konkurrierende zweite englische Übersetzung vorlegte (vgl. EGW 7, 295–298). 105,25 wie er mir gestern sagte] Auf Einladung Goethes hatte Mellish am 1. Mai am Frühstück im Haus am Frauenplan teilgenommen (vgl. BuG 4, 416). Am selben Tag waren beide auch Gäste der fürstlichen Mittagstafel (vgl. FB 1798, S. 78). 105,27 daß Schlegel sie zu sehen kriegt] Eine erste Begegnung zwischen Mellish und August Wilhelm Schlegel fand am 2. Mai während eines Frühstücks im
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Römischen Haus statt (vgl. Nr 83). Ein weiteres Treffen Goethes mit Mellish und Schlegel ist durch Goethes Tagebuch für den 29. März 1799 in Jena belegt (vgl. GT II 1, 289). In seinem Brief an Schlegel vom 27. März 1799 hatte Mellish zuvor um ein Treffen gebeten, um seine Übersetzung, die er lediglich als „Corpus delicti“ bezeichnet, mit ihm durchzusprechen (SLUB Dresden, Sign.: Mscr.Dresd.e.90,XIX, Bd 15, Nr 40; vgl. digitale Edition des Schlegel-BW).
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Weimar, 5. Mai 1798 → 〈Jena〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 112–113. – Doppelblatt 18,9 × 23,1 cm, 2 ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 190–193, Nr 459 und Nr 460 (Abdruck als 2 Briefe). WA IV 13 (1893), 136–138, Nr 3787. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 4. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1269). – Schiller antwortete am 8. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1273). Postsendungen: 5. Mai 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 432). 106,1–2 Iffland hat nun gestern mit dem Amtmann 〈…〉 geschlossen] Mit einer Aufführung seines Lustspiels „Die Aussteuer“ hatte August Wilhelm Iffland am 4. Mai sein Gastspiel in Weimar beendet (vgl. zu 88,15). Iffland trat darin in der Rolle des Amtmann Riemen auf. Das 1794 uraufgeführte Schauspiel stand seit März 1796 auf dem Spielplan des Weimarer Hoftheaters (vgl. Theater/Musik Weimar). 106,3 was Sie äussern] Im Bezugsbrief hatte Schiller abschließend über Ifflands Schauspielkunst geurteilt: Während Iffland in den komischen Rollen seinem Naturell folge und alles wie ein „augenblicklicher Einfall und Genialität“ erscheine, bewundere er an Ifflands ernsten Rollen „seine Geschicklichkeit, seinen Verstand, seinen Calcul und Besonnenheit“; gleichwohl könne ihm Iffland „für die Tragödie, kaum eine poetische Stimmung geben“ (NA 29, 232). Zu Goethes Urteil über Ifflands Spiel vgl. Nr 80, Nr 82 und Nr 84. 106,5 Wegen des Wallensteins] Zur Entstehung von Schillers „Wallenstein“ vgl. zu 5,19. Mit Blick auf das geplante Engagement des Hamburger Schauspielers Friedrich Ludwig Schröder hatte Schiller im Bezugsbrief betont, dass er das Stück nicht rechtzeitig werde fertig stellen können. Statt „auf einen äussern Zweck“ zu
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arbeiten, plane er deshalb, „meinen Gang frey und ohne bestimmte Theaterrücksichten fortzusetzen und mir wo möglich die Stimmung zu bewahren“ (NA 29, 232). 106,10–11 bey dieser Gelegenheit] Ifflands Gastspiel in Weimar. 106,12–13 Homerischen Gesängen] Homers Epen „Ilias“ und „Odyssee“ zählten zu den von Goethe besonders geschätzten Werken der antiken Dichtkunst, mit denen er sich zeitlebens beschäftigte und die u.a. auch die Entstehung seiner epischen Dichtung „Herrmann und Dorothea“ nachhaltig motivierte. Zur Vorbereitung seiner geplanten epischen Dichtung „Achilleis“ begann Goethe Ende März 1798 mit einer erneuten Lektüre der „Ilias“ (vgl. GT II 1, 239 und zu 114,10). Durch Schiller bestärkt, beschäftigte sich Goethe vom 11. bis 17. Mai täglich mit dieser Dichtung, zu deren Inhalt er ein ausführliches Schema anfertigte, das er am 21. Mai in Jena abschloss (vgl. GT II 1, 244f. und zu 109,1). 106,13 zu Ihnen komme] Goethe reiste am 20. Mai wieder nach Jena, wo er – abgesehen von einer fünftägigen Unterbrechung vom 31. Mai bis 4. Juni – bis zum 21. Juni 1798 blieb (vgl. GT II 1, 245–251). 106,15 Meinen Faust habe ich um ein gutes weiter gebracht.] Zu Goethes Wiederaufnahme der Arbeit am „Faust“ vgl. zu 88,21–22. Goethe hatte die Arbeit am 9. April begonnen und diese bis zum 21. April fortgesetzt, dann aber aufgrund von Ifflands Gastspiel in Weimar vom 24. April bis 4. Mai unterbrochen. Da Schiller in diesen Wochen an einem fieberhaften Katarrh litt, hatte Goethe dessen Frau Charlotte über die Fortschritte informiert (vgl. Nr 73, Nr 78 und Nr 79). Welche Szenen Goethe in dieser Zeit bearbeitete, ist nicht ermittelt. Ob er sich in den folgenden Wochen und Monaten weiterhin mit „Faust“ beschäftigte, ist zweifelhaft. Die geplante Dichtung kam während Goethes folgendem Aufenthalt in Jena nur noch einmal, am 7. Juni, zur Sprache (vgl. GT II 1, 248). Eine Wiederaufnahme der Arbeit erfolgte erst im September 1799 (vgl. GT II 1, 315). 106,15–16 Das alte noch vorräthige höchst confuse Manuscript] Zur Vorbereitung seiner Weiterarbeit am „Faust“ hatte Goethe im Juni 1797 die bislang veröffentlichte Textfassung von „Faust. Ein Fragment“ (1790) aufgelöst und mit den vom Druck ausgeschlossenen Prosa-Szenen und Vorstudien nach einem Schema neu geordnet (vgl. Goethes Briefe an Schiller vom 22. Juni und 5. Juli 1797; WA IV 12, 167f. und 181f.). Auf dieser Grundlage hatte Goethe am 9. April 1798 seine Arbeit fortgesetzt. Das am 23. Juni 1797 angefertigte Schema zum Faust (GT II 1, 118) ist nicht überliefert (vgl. EGW 5, 150). 106,21 Einige tragische Scenen] Gemeint sind die drei Schlussszenen von „Faust I“, von denen Goethe nur die Szene „Kerker“ in Verse umwandelte. Die Szenen „Trüber Tag“ und „Nacht“ beließ Goethe in der Prosafassung des „Urfaust“. 106,27–28 die guten Barometer] Vgl. zu 29,16.
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BRIEF 86
107,4 Fichte hat mir den zweyten Theil seines Naturrechts geschickt] Johann Gottlieb Fichtes Werk „Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre. Zweiter Theil oder Angewandtes Naturrecht“ (Jena und Leipzig 1797; vgl. Ruppert, Nr 2752) war Goethe am 3. Mai durch Johann Friedrich Abegg überreicht worden, der Goethe mit einem Empfehlungsschreiben Fichtes besucht hatte (vgl. RA 2, Nr 1268; BuG 4, 417f.). Goethe besprach das Werk mit Schiller am 7. Juni in Jena (vgl. GT II 1, 248). 107,8 neulich] Vgl. Nr 41.
86. An Friedrich Schiller
Weimar, 9. Mai 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 116–117. – Doppelblatt 19,7(–19,9) × 27,7 cm, 2 ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrekturen (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 107,23 was|,|; 107,25 zerstöhrt; 108,23 wenigenm. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 195–198, Nr 462. WA IV 13 (1893), 138–140, Nr 3788. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 8. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1273). – Schiller antwortete am 11. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1277). Postsendungen: 9. Mai 1798 (H l . H o f r S c h i l l e r. Nachr. wegen Fortsetz. d. 2ten Th. der Zauberflöte.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 432). 107,18 Zu Ihrer Gartenwohnung wünsche ich Ihnen Glück] Schiller hatte im Bezugsbrief mitgeteilt, dass er es „bei dem gestrigen unsichern Wetter gewagt“ habe, seinen „Auszug in den Garten zu halten“ (NA 29, 233; vgl. Schillers Kalender, 89). Zur Nutzung seines 1797 erworbenen Gartenanwesens vgl. zu 61,5. 107,20 besuchen] Goethe kam am 20. Mai nach Jena, wo er noch am selben Abend Schiller in seinem Gartenanwesen besuchte (vgl. GT II 1, 245). 107,21–22 die Ifflandischen Abende] Zu August Wilhelm Ifflands Gastspiel in Weimar vom 24. April bis 4. Mai 1798 vgl. zu 88,15. Zu Ehren Ifflands hatte Goethe in diesen Tagen fast täglich im Haus am Frauenplan ein Frühstück ausgerichtet, zu denen eine Vielzahl von Personen eingeladen waren (vgl. BuG 4, 412–420). 107,27 zweyten Theil der Z a u b e r f l ö t e] Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Zauberflöte“, mit Libretto von Emanuel Schikaneder in einer Bearbeitung von
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Christian August Vulpius, war erstmals am 16. Januar 1794 am Weimarer Hoftheater aufgeführt worden. Das Stück erfreute sich beim Publikum großer Beliebtheit und stand regelmäßig auf dem Weimarer Spielplan (vgl. Theater/Musik Weimar). 1795 hatte Goethe mit einer eigenen Fortsetzung des Librettos begonnen, worüber Iffland Kenntnis erhielt: „Als ich in Weimar war, sagte Herr von Göthe, er habe eine Fortsetzung der Zauberflöte fast vollendet und – war er es Selbst, oder ein Anderer – das weiß ich nicht mehr genau, doch meine ich, er war es Selbst, der sagte, er würde dieses Werck für 100 Dukaten verkauffen.“ (Iffland an Kirms, 3. Juni 1810; H: GSA 28/53, Bl. 51; vgl. RA 5, Nr 1482.) Das geplante Werk blieb unvollendet. Goethe veröffentlichte das Fragment 1801 unter dem Titel „Der Zauberflöte zweiter Theil. Entwurf zu einem dramatischen Märchen“ im „Taschenbuch auf das Jahr 1802. Der Liebe und Freundschaft gewidmet“ (Bremen 1801, S. 15–36; vgl. Goethe an Friedrich Wilmans, 30. Mai 1800; GB 14 I, Nr 280). Spätere Bemühungen Ifflands, Goethe zu einer Wiederaufnahme seines Vorhabens zu bewegen, blieben erfolglos. 108,3–4 ich habe die Acten wieder vorgenommen] Laut Tagebuch arbeitete Goethe vom 5. bis 10. Mai täglich am geplanten Libretto für einen zweiten Teil der „Zauberflöte“ (vgl. GT II 1, 243f.). Unter den wenigen in Goethes Nachlass überlieferten Notizen und Szenenentwürfen befindet sich ein gehefteter Foliofaszikel (27 Bl.), der auf dem Umschlag von der Hand des Schreibers Geist mit „Zauberflöte Zweyter Theil. 1798.“ bezeichnet ist und die egh. korrigierte Handschrift des Fragments enthält (GSA 25/W 1293; vgl. WA I 12, 379–391). Am 13. Februar 1799 besprach Goethe sein Vorhaben mit Schiller in Jena noch einmal, gab es aber später endgültig auf (vgl. GT II 1, 283). 108,6 des leidigen Vortheils willen] Schon 1796 hatte Goethe – ohne Erfolg – sein geplantes Libretto dem Orchesterdirektor der Wiener Hofoper, Paul Wranitzky, für den Preis von 100 Gulden angeboten (vgl. Goethe an Wranitzky, 24. Januar 1796; GB 11 I, Nr 15). 108,9 Stimmung zu was bessern] Gemeint ist Goethes Weiterarbeit an „Achilleis“ und „Faust“, die Schiller in seinem Antwortschreiben auch anmahnte: „Daß Sie Sich durch die Oper nur nicht hindern lassen, an die Hauptsache recht ernstlich zu denken.“ (NA 29, 235.) 108,10 Herr Thouret bleibt noch immer aus] Der mit dem Ausbau des Weimarer Residenzschlosses beauftragte Stuttgarter Architekt Nikolaus Thouret hatte sein Kommen für Ende April in Aussicht gestellt (vgl. zu 375,26), traf aber schließlich erst Ende Mai in Weimar ein (vgl. zu 120,28–29). 108,11 mit Cotta kommen] Johann Friedrich Cotta war Ende April 1798 von Tübingen nach Leipzig zur Jubilatemesse gereist (vgl. zu 114,29). 108,18 Meyer hat seine Abhandlung über die Familie der Niobe vollendet] Die berühmte antike Skulpturengruppe der Niobe mit ihren Kindern befand sich in den Uffizien zu Florenz. Hier hatte Johann Heinrich Meyer sie im Oktober 1796
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BRIEF 86
eingehend studiert (vgl. Goethe-Meyer 1, 366, 374f.). Erste Erkenntnisse hatte er Goethe im folgenden Jahr während der gemeinsamen Schweizer Reise vorgetragen (vgl. GT II 1, 220). Für seine im März erarbeitete und Anfang April weitgehend fertig gestellte Abhandlung nutzte Meyer eine Ausgabe von Angelo Fabronis Kupferwerk „Dissertazione sulle statue appartenenti alla favola di Niobe“ (Florenz 1779) (vgl. Goethe-Meyer 2, 35f. und zu 79,25–26). Das Manuskript seines Aufsatzes „Niobe mit ihren Kindern“ ist in einer von Geist geschriebenen und mit Korrekturen von Meyer und Goethe versehenen Fassung in Meyers handschriftlichem Nachlass überliefert (vgl. GSA 64/28). Der Aufsatz war für den ersten Band der „Propyläen“ vorgesehen, erschien aber mit einem Nachtrag erst in den beiden Stücken des zweiten Bandes (Propyläen II 1, 48–91 und II 2, 123–140). 108,19 ich bringe sie mit] Goethe übergab das Manuskript von Meyers Abhandlung „Niobe mit ihren Kindern“ Schiller erst Anfang August und erbat es am 27. August wieder zurück (vgl. zu 199,8). Sehr wahrscheinlich handelte es sich dabei um die in Meyers Nachlass überlieferte Fassung (GSA 64/28). 108,20 Abhandlung über die Wahl der Gegenstände] Zu Meyers geplanter „Propyläen“-Abhandlung „Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst“ vgl. zu 79,14. 108,22–23 Wir lesen sie vielleicht nochmals zusammen durch] Eine erste Fassung von Meyers Aufsatz hatten Goethe und Schiller im März 1798 gemeinsam in Jena gelesen (vgl. GT II 1, 238). Eine erneute gemeinsame Lektüre ist nicht belegt. 108,23–24 Er ist gegenwärtig an den Rafaelischen Werken] Meyers geplante Abhandlung über die Werke Raffaels war ein weiteres Resultat seiner früheren Kunststudien in Rom und Florenz (vgl. RA 2, Nr 61 und RA 2, Nr 173). Erste Ergebnisse hatte er Goethe im Herbst 1797 während der gemeinsamen Schweizer Reise vorgetragen. Mit der Ausarbeitung seiner Abhandlung begann Meyer im April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1233). Das eigenhändige Manuskript ist in Meyers handschriftlichem Nachlass überliefert (GSA 64/29). Anfang August ließ Goethe durch seinen Schreiber Geist eine Abschrift anfertigen, die er eigenhändig korrigierte und dann Schiller übergab (vgl. 188,3–5). Auch diese Fassung, die sich Goethe Ende November noch einmal von Meyer erbat (vgl. zu 246,16–17) ist in Meyers Nachlass überliefert (GSA 64/29). – Das Druckmanuskript des für das erste Stück der „Propyläen“ vorgesehenen ersten Teils übersandte Goethe am 31. August an Cotta (vgl. zu 202,2). Das Manuskript der im zweiten Stück veröffentlichten ersten Fortsetzung übersandte Meyer in zwei Lieferungen am 13. und 16. November 1798 an Cotta (vgl. zu 237,17–18). Die Abhandlung erschien in insgesamt zwei Fortsetzungen unter dem Titel „Rafaels Werke besonders im Vatikan“ (Propyläen I 1, 101–127, I 2, 82–163 und III 2, 75–96 [unter dem Titel „Rafaels Werke im Vatikan“]).
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108,25–27 Womit wir zum Troste des Buchhändlers 〈…〉 würzen wollen] In seinem Brief an Goethe vom 27. April hatte Schiller Cottas Bedenken vor einem drohenden geschäftlichen Misserfolg der „Propyläen“ geteilt: „Soviel aber zeigt sich, daß er 〈Cotta〉 bei dem überwiegenden kunstwißenschaftlichen Innhalt ein zu eingeschränktes Publikum fürchtet, und deßwegen einen mehr allgemeinen Innhalt wünscht. Ich kann ihm darinn als Buchhändler gar nicht Unrecht geben;“ (NA 29, 228; vgl. RA 2, Nr 1259.) Schillers Empfehlung folgend, schlug Goethe Cotta daraufhin weitere Beiträge wie eine an seinen Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ anschließende Brieferzählung vor (vgl. zu 126,21–22). 108,27–28 wo nicht belohnt doch wenigstens v e r g e b e n] Anspielung auf einen Vers in Friedrich Gottlieb Klopstocks „Messias“: „Wie krümmen alsdann der Tugenden höchste / Sich in das Kleine! wie fliegt ihr Wesen verstäubt in die Luft aus! / Einige werden belohnt; die meisten werden vergeben!“ (7. Gesang, V. 419– 421; Klopstock, Werke HKA 4 I, 150.) Das Zitat wurde in abgewandelter Form auch in Schillers Xenion auf den Dichter Albrecht von Haller verwendet: „Ach! Wie schrumpfen allhier die dicken Bände zusammen, / Einige werden belohnt, aber die meisten verziehn.“ (Musen-Almanach für das Jahr 1797, S. 287.) 108,29 ich erwarte Herrn von Retzer] Der österreichische Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber Joseph Friedrich von Retzer unternahm von Wien aus eine Bildungsreise, die ihn nach Berlin und Schlesien führen sollte, um namhafte Persönlichkeiten und Geistesgrößen persönlich aufzusuchen. Zu seinen Zielen gehörten Jena, Weimar und wegen seiner freundschaftlichen Verbindung zu Johann Wilhelm Ludwig Gleim auch Halberstadt (vgl. zu 110,14). Nach einer Begegnung mit Schiller in Jena am 8. Mai hatte dieser Goethe im Bezugsbrief Retzer mit folgender Einschätzung angekündigt: „Ein klägliches Subject, das aber durch die Erinnerung an ein bereits vergeßenes Zeitalter einigermaßen merkwürdig wird.“ (NA 29, 234; vgl. NA 37 I, 126.) Goethe empfing Retzer am 9. Mai (vgl. GT II 1, 243). In seinem Antwortschreiben an Schiller vom 12. Mai betonte auch er den eigentümlichen Eindruck, den Retzer hinterließ (vgl. 110,12–13). 108,30 wie sich die K. K. Bücher Censur 〈…〉 ausnehmen wird] Retzer war seit 1783 als Kaiserlich-Königlicher Bücherzensor in Wien tätig und 1787 zum Hofsekretär ernannt worden. Er trat für die Einhaltung aufklärerischer Ideale ein und verteidigte in diesem Sinne auch die Pressefreiheit (vgl. Retzers Brief an Friedrich Matthisson vom 10. August 1803; Matthisson, Nachlaß 3, 100f.). 108,31 lieben Frau und den Kindern] Gemeint sind Charlotte Schiller und ihre gemeinsamen beiden kleinen Söhne, der 1793 geborene Carl und der 1796 geborene Ernst.
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87. An Friedrich Schiller
BRIEF 87
Weimar, 12. Mai 1798 → 〈Jena〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 120–121. – Doppelblatt 19,9 × 27,7 cm, 3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrektur (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 109,13 dasß. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 201–205, Nr 464. WA IV 13 (1893), 140–143, Nr 3789. BEIL AG E
Schrifftprobe (vgl. zu 110,15). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 11. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1277). – Schiller antwortete am 15. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1281). Postsendungen: 12. Mai 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 432). 109,1 Ihr Brief hat mich 〈…〉 bey der Ilias angetroffen] Schiller hatte im Bezugsbrief angemahnt, dass Goethe die Arbeit an seinen eigenen literarischen Vorhaben zur „Hauptsache“ (NA 29, 235) machen möge. Goethe beschäftigte sich vom 11. bis 17. Mai mit der „Ilias“ und setzte dies am 21. und 22. Mai in Jena gemeinsam mit Schiller fort (vgl. GT II 1, 244f.). Die Lektüre von Homers Werk diente zur Vorbereitung von Goethes geplanter Dichtung „Achilleis“ (vgl. zu 114,10). 109,3 Montgolfiere] Heißluftballon, benannt nach seinen Erfindern, den Brüdern Joseph Michel und Jacques Etienne Montgolfier. Beide hatten 1783 eine erste bemannte Ballonfahrt veranstaltet. Ihrem Vorbild folgend ließ auch Goethe 1784 in Weimar einen Ballon auf Montgolfierische Art steigen (Brief an Samuel Thomas Soemmerring vom 9. Juni 1784; WA IV 6, 293; vgl. GB 6 II, zu 52,8). 109,4 im] Schreibversehen für ‚in‘. 109,5 Ich fahre im Schematisiren und Untersuchen fort] Goethes Lektüre der „Ilias“ führte zu dem Entwurf eines ausführlichen Handlungsschemas, das Goethe am 21. Mai in Jena beendete (vgl. GT II 1, 245). Goethe veröffentlichte es 1821/22 in überarbeiteter Form in „Kunst und Alterthum“ (WA I 41.1, 266–327; vgl. EGW 7, 493–516). 109,10 besten Saamen] Zu dem von Goethe wiederholt gebrauchten Gleichnis vom biblischen Sämann, dessen Aussaat nur zu Teilen aufgeht vgl. zu 234,24. 109,14 pathologische] ‚Pathologisch‘ hier in dem – im Zusammenhang der Dilettantismus-Debatte häufiger gebrauchten – Sinne von ‚unzulänglich, von gestörter
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Harmonie‘ (vgl. GWb 6, 1162 und zu 265,15–16). Goethe knüpft damit an Schillers Bemerkung vom 8. Dezember 1797 über „das pathologische Interesse der Natur“ (NA 29, 165; vgl. RA 2, Nr 1044) an der Arbeit des Dichters an. Es bezeichnet dessen psychische Erregung, die über ein rein ästhetisches Interesse hinausweist (vgl. Goethes Brief an Schiller vom 9. Dezember 1797; WA IV 12, 373). 109,15 ein Gedicht gelingen] Über Titel und Inhalt des – Fragment gebliebenen – Epos „Achilleis“ informierte Goethe erst in seinem folgenden Brief an Schiller vom 16. Mai (vgl. Nr 90). 109,20–21 wegen des letzten habe ich wohl schon etwas gesagt] In seinem Brief an Schiller vom 23. Dezember 1797 hatte Goethe am Beispiel seiner Dichtung „Herrmann und Dorothea“ ausgeführt, dass diese keine Gleichnisse enthalte, weil bey einem mehr sittlichen Gegenstande das Zudringen von Bildern aus der physischen Natur nur mehr lästig gewesen wäre (WA IV 12, 384). In der zeitgleich erarbeiteten gemeinsamen Abhandlung „Ueber epische und dramatische Dichtung“ heißt es dazu: „Diese 〈die Natur〉 bringt der epische Dichter, der sich überhaupt an die Imagination wendet, durch Gleichnisse näher, deren sich der Dramatiker sparsamer bedient.“ (NA 21, 58.) 109,25 bey Ihnen] Goethe reiste am 20. Mai nach Jena, wo er – abgesehen von einer fünftägigen Unterbrechung vom 31. Mai bis 4. Juni – bis zum 21. Juni 1798 blieb (vgl. GT II 1, 245–251). 109,27 ausführen] Mit der Ausführung seines geplanten Epos „Achilleis“ begann Goethe erst im Frühjahr 1799, wobei er nur den ersten Gesang fertig stellte (vgl. zu 114,10). 109,28 Zauberflöte] Zu Goethes geplanter Fortsetzung des Librettos von Mozarts „Zauberflöte“ vgl. zu 107,27. Goethe hatte vom 5. bis 10. Mai täglich am geplanten Stück gearbeitet (vgl. GT II 1, 243f.). 110,4 Der Herzog ist noch nicht wieder von Leipzig zurück.] Herzog Carl August war am Morgen des 5. Mai nach Leipzig zum Besuch der Frühjahrsmesse gereist und kehrte am Nachmittag des 12. Mai nach Weimar zurück (vgl. FB 1798, S. 82 und 85). 110,5 Thouret] Der mit der Ausstattung des Weimarer Residenzschlosses beauftragte Stuttgarter Architekt und Dekorationsmaler Nikolaus Thouret traf erst Ende Mai 1798 in Weimar ein (vgl. zu 120,28–29). 110,5 noch] Schreibversehen für ‚ist noch‘. 110,7 Johanni] 24. Juni, Tag des heiligen Johannes des Täufers, Ende des zweiten Jahresquartals. Zu diesem Termin war die Übergabe des Guts von Oberroßla vorgesehen, die mit einem Fest gefeiert werden sollte. 110,9 Krüger ist ein entsetzlicher Windbeutel.] Schiller hatte im Bezugsbrief von dem Gerücht berichtet, dass Herzog Carl August den mit seiner Truppe in Eisenach spielenden Schauspieldirektor Carl Krüger nach Weimar eingeladen habe. Krügers Gesuch wurde am 15. Mai abgelehnt (vgl. Nr A 17).
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BRIEF 88
110,12 Der Edle von Retzer] Der österreichische Schriftsteller und Zensor Josef Friedrich von Retzer hatte Goethe am 9. Mai besucht (vgl. zu 108,29). Retzer führte Empfehlungsschreiben von Goethes Studienfreund Franz Christian Lersé (vgl. RA 2, Nr 1237; vgl. zu 165,8) und des ehemals in Weimar angestellten, jetzigen Wiener Reichshofrats Franz Paul Christoph von Seckendorff (vgl. RA 2, Nr 1238; vgl. zu 166,4–5) mit sich. 110,14 sein Gedicht an Gleimen] Anlässlich seines Besuchs hatte Retzer Goethe einen Privatdruck seines Johann Wilhelm Ludwig Gleim gewidmeten Gedichts „An Gleim. Bey Uebersendung meines u. d. Herrn von Sonnenfels Bildnisses“ (vgl. Ruppert, Nr 1096) übergeben. Auch Schiller hatte ein solches Exemplar erhalten, wie er in seinem Antwortbrief vom 15. Mai bestätigte. Das mit „Berlin, den 20. April 1798“ datierte Gedicht wurde unter Angabe des Verfassernamens im „Neuen Teutschen Merkur“ (Juni 1798, S. 168–172) sowie in den „Jahrbüchern der preußischen Monarchie“ (Bd 2, Juni 1798, S. 129–132) veröffentlicht. Gleim antwortete mit seinem Gedicht „An Joseph von Retzer“, das ebenfalls in den „Jahrbüchern der preußischen Monarchie“ (Bd 2, Juli 1798, S. 317) erschien. Hintergrund der Veröffentlichung war die Übergabe eines – nicht überlieferten – Porträtgemäldes von Retzer für Gleims Freundschaftstempel (vgl. Ute Pott [Hrsg.]: Das Jahrhundert der Freundschaft. Johann Wilhelm Ludwig Gleim und seine Zeitgenossen. Göttingen 2004, S. 117, Nr 85). 110,15 Unger hat mir beyliegende neue Schrifftprobe geschickt] Als Verleger von Goethes Werken informierte Johann Friedrich Unger diesen regelmäßig über seine Versuche mit der Frakturtype (vgl. zu 34,10–11). Bereits 1793 hatte er Goethe erste Letternproben übersandt, von denen sich Goethe aber letztlich nicht ganz überzeugt zeigte (vgl. Christina Killius: Die Antiqua-Fraktur-Debatte um 1800 und ihre historische Herleitung. Wiesbaden 1999, S. 321–324). Den hier beiliegenden Probedruck hatte Unger in seinem Brief an Goethe vom 11. Februar 1798 zunächst angekündigt: „Ich bin bald mit einer sehr deutlichen, aber äusserst kleinen Art deutscher Lettern fertig; sie sind noch nie so klein geschnitten worden.“ (H: GSA 28/20, Bl. 83; vgl. RA 2 Nr 1133.) Mit seinem Brief vom 7. Mai hatte Unger die angekündigte Probe an Goethe übersandt, verbunden mit der fragenden Bitte, „zur ehrenvollesten Einweihung dieser kleinen Buchstaben etwas von Sich damit drucken zu laßen?“ (H: GSA 28/21, Bl. 203; vgl. RA 2 Nr 1271.) Schillers Urteil fiel verhalten aus: „Die Ungarische Schriftprobe däucht mir viel zu scharf. Auf diesem Wege könnte man das Publikum bald blind machen.“ (NA 29, 236.) Die als Beilage an Schiller übersandte Schriftprobe ist nicht überliefert. Eine Antwort Goethes an Unger ist nicht bekannt. 110,16–17 zu drucken geben soll] Goethe ging nicht auf Ungers Bitte ein. 110,18 Almanach] Goethe beendete seine Beiträge zum „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ erst im Juni 1798.
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110,19 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller. 110,20 Ihren Arbeiten] Schillers Weiterarbeit am „Wallenstein“.
88. An Friedrich Heinrich Gotthelf Osann
Weimar, 15. Mai 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 30/39, Bl. 55, 65. – Doppelblatt 17,3 × 20,8 cm, 2 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (vgl. Überlieferung zu Nr 49). E: WA IV 13 (1893), 143f., Nr 3790 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K. BEIL AG E
Commissions Acten (vgl. zu 110,25). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Osanns Brief vom 17. April 1798 (vgl. RA 2, Nr 1247). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. Friedrich Heinrich Gotthelf Osann (1753–1803) war Goethe als Regierungsbeamter in Weimar gut bekannt und genoss offensichtlich sein Vertrauen: Christian Gottlob Voigt attestierte ihm „Kopf und Festigkeit“ (Voigt an Goethe, 12. August 1793; Goethe-Voigt2 1, 112; vgl. RA 1, Nr 680) und beförderte 1794 seine Berufung zum Mitglied der Ilmenauer Bergwerkskommission. Spätestens zu diesem Zeitpunkt setzte eine Zusammenarbeit zwischen Goethe und Osann ein. 1795 stieg Osann vom Regierungs- zum Konsistorialrat und fürstlichen Baukommissar auf. In seiner Funktion als Vorsitzender der Fürstlichen Baukommission unterstützte er Goethe bei den amtlichen Formalitäten des Gutserwerbs in Oberroßla. Explizit hebt Goethe in seinen Briefen aus dem Jahr 1798 dabei den privaten Charakter seiner Schreiben an Osann hervor (vgl. zu 111,12–13): Bevor Goethe eine offizielle Eingabe bei der Fürstlichen Kommission machte, holte er die Meinung des Privatmanns Osann ein. Osann informierte Goethe, den Bauverwalter Steffany oder Voigt daraufhin zunächst informell über wichtige Entwicklungen und Entscheidungen während der Übergabeverhandlungen, bevor die offiziellen Verfügungen seitens der Kommission veranlasst wurden. – Der vorliegende Brief ist der erste private Brief Goethes von insgesamt vier aus der Zeit vom 14. April bis 18. Juli 1798 an Friedrich Heinrich Gotthelf Osann. In allen Schreiben geht es um den Gutskauf und Goethes Bitte um Beratung und Beistand. Vier Briefe Osanns an Goethe aus der Zeit vom 16. März bis
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17. Juli 1798 sind überliefert. Amtliche Schreiben, die sich in den Akten des LATh – HStA Weimar noch auffinden ließen, wurden bei der Zählung nicht berücksichtigt. 110,25 Commissions Acten] Die von Osann am 17. April an Goethe geschickten „Commiss. Acten das OberroßL. Lehn- und Freyguth betreffend“, die Osann in seinem Begleitschreiben erwähnt (H: GSA 30/39, Bl. 54). Welche Dokumente im Einzelnen darin enthalten waren, konnte nicht ermittelt werden. 110,26–27 Pachter F i s c h e r] Zu Johann Friedrich Fischer, der das Oberroßlaer Lehn- und Freigut ab Juni 1798 von Goethe pachtete, vgl. zu 68,20. 111,1 ungleiche Aufführung der Hofmannischen] ‚Ungleich‘ hier im Sinne eines wankelmütigen, unsteten Betragens der Hofmannischen Familie. Johanne Marie Hofmann bewirtschaftete seit dem Tod ihres Ehemannes im Juli 1797 das gepachtete Oberroßlaer Gut. Ihre Kinder hatten den vierten Teil des Gutes geerbt. Die Familie war bestrebt die Pacht zu verlängern, was Goethe ablehnte. Ungeklärte Eigentumsverhältnisse brachten sowohl für Goethe als auch für den zukünftigen Pächter Fischer zahlreiche Schwierigkeiten mit der Pächter- und Mitbesitzerfamilie mit sich, die sich im Recht sah, große Teile des Inventariums für sich in Anspruch zu nehmen bzw. einen Vorteil daraus zu schlagen. 111,4 Angabe] Hier im Sinne von ‚Anweisung‘ (vgl. GWb 1, 539). 111,6 Nachzählung] Eine Inventarisierung wurde am 19. April 1798 vom künftigen Pächter Johann Friedrich Fischer durchgeführt (vgl. GSA 30/44, Bl. 93). Fischer ließ Goethe daraufhin wissen, dass im Tröbel (einem zum Gut gehörenden kleinen Talgrund) „12 Aschen“, auf den „8 Ackern 〈…〉 8 Aschen“ sowie ebendort „34 Erlen“ fehlten (ebd.). 111,6 Aschen] Eschen, bei Goethe öfter in dieser Schreibweise gebräuchlich (vgl. GWb 3, 461). 111,7 durch Gruners damals veranlaßte Untersuchung] Christian Gottfried Gruner, Professor für Medizin und Botanik in Jena, hatte sich ebenfalls am Versteigerungsverfahren des Oberroßlaer Gutes beteiligt. Er veranlasste 1797 nach dem Tod des Gutspächters Johann Caspar Hofmann eine Untersuchung des Baumbestandes auf den zum Gut gehörigen Wiesen (vgl. GSA 30/44, Bl. 90). Eine Kopie des von den Gerichtsschöppen Johann Gottlieb Müller und Michael Bierlich am 14. November 1797 eingereichten Berichtes befindet sich in Goethes Gutsakten (vgl. GSA 30/44, Bl. 91). Der Bericht enthält die Anzahl der nach Hofmanns Tod gefällten Bäume und deren Stammumfang. Der pekuniäre Wert des geschlagenen Holzes konnte nicht genau beziffert werden. 111,10 paar Wochen] Bis zum Adjudikations- und Übergabetermin am 22. Juni verblieben noch gut fünf Wochen. Damit verbunden war auch das Pachtende für die Hofmann’sche Familie und damit deren Weggang vom Oberroßlaer Lehn- und Freigut. 111,11–12 die Hoffmannischen auf alle Cominationen nicht viel zu geben scheinen] ‚Cominationen‘ sind als Androhungen im juristischen Sinne zu verste-
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hen (vgl. GWb 2, 1018). Die Fürstliche Kommission hatte nach Versteigerungsende Verfügungen erlassen, die insbesondere die Pächterin Hofmann aufforderten, keinerlei Maßnahmen zu treffen, die sich nachteilig für den Käufer auswirken könnten. Diese Ermahnungen zeigten offensichtlich keine Wirkung. 111,12–13 zu Ew Wohlgebl privat Notiz] Osann trat hinsichtlich der Gutsangelegenheiten gegenüber Goethe in zweierlei Funktion auf, einerseits als Vorsitzender der Fürstlichen Kommission und andererseits, wie in diesem Fall, als Privatmann, an den sich Goethe wiederholt rat- und unterstützungsuchend wandte. 111,15–16 durch den letzten Vorfall] Wahrscheinlich erneute Bezugnahme auf die von Goethe beschriebene Entwendung der Buchsbäume und Rosensträucher. 111,16 intimidirt] Von franz. intimider: einschüchtern (vgl. GWb 5, 65). 111,17 noch blutige Köpfe] Die Übergabe verlief dann, vor allem durch Vermittlung des als Gutachter auftretenden Johann August Bernhard Rühlmann friedlich und zugunsten des neuen Pächters (vgl. zu 151,22–152,1).
89. An Carl Ludwig von Knebel Weimar, 15. Mai 1798 → Ilmenau ÜBER L IEF ERU NG
H: Biblioteka Jagiello´nska Kraków (Krakau), Autographensammlung Goethe, bis 1945 Preußische Staatsbibliothek Berlin, Sign.: Ms. Germ. Qu. 521, Bl. 163– 164. – Doppelblatt 19,9 × 25,1 cm, 3 2⁄3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), egh. Ortsund Datumsangabe, egh. Paraphe sowie egh. Nachschrift (113,17–20), Tinte; S. 1 von Gottschalk Eduard Guhrauers Hd, Bleistift, oben links: „172“ (vgl. E1); oben in der Mitte von Knebels? Hd, Tinte: „N o: 9 2“; S. 3 Streichung des Absatzes 113,8–12 (vgl. E1) von Guhrauers Hd, Bleistift. – In einem Handschriftenkonvolut mit schwarzem Ledereinband (vgl. Überlieferung zu Nr 2). – Beischluss: EB 49 (vgl. zu 111,23). E1: Goethe-Knebel 1 (1851), 172–174, Nr 172 (Teildruck: 113,8–12 Da Johanni 〈…〉 vorigemal zu seyn. fehlt). E2: WA IV 13 (1893), 144–147, Nr 3791. BEIL AG EN
1) Schachtel mit Modellen aus Holz (vgl. 111,22). 2) Mineralien (vgl. 111,26–112,1).
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BRIEF 89
ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. Knebels letzter Brief datiert vom 31. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1220). – Knebel antwortete am 30. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1306). Postsendungen: 15. Mai 1798 (H l. M a j o r v. K n e b e l. nebst einer Schachtel inliegend 4 geometrische Körper.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r; vgl. WA IV 13, 432). 111,21 lange nicht geschrieben] Der letzte überlieferte Brief Goethes an Knebel stammte vom 18. März 1798 (Nr 56), Knebels Antwort darauf vom 31. März 1798 (vgl. RA 2, Nr 1220). 111,22 eine Schachtel] Nicht überliefert. – Das Briefverzeichnis vermerkt als Inhalt 4 geometrische Körper (Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134r), die Knebel an den Bergrat Johann Carl Wilhelm Voigt übergeben sollte (vgl. EB 49). Die aus Holz gefertigten Körper sollten im Eisenhüttenwerk in Ilmenau in Eisen gegossen werden (vgl. zu 111,24–25), die Goethe für magnetische Versuche verwenden wollte. Am 9. Juli 1798 erhielt Goethe sowohl seine Modelle, als auch die metallenen Körper mit einer Rechnung von Knebel zurück (vgl. RA 2, Nr 1370). 111,23 nebst dem Billet] Nicht überlieferter Brief an Johann Carl Wilhelm Voigt vom 15. Mai 1798 (EB 49). 111,24–25 diese Körper in Eisen giesen zu lassen] Laut Antwortbrief übernahm Knebel den durch „Voigt bewilligten Auftrag“ (H: GSA 28/494, Bl. 15) selbst, indem er die Modelle eigenhändig zum etwa 8 km östlich von Ilmenau gelegenen Eisenhütten- und Hammerwerk Günthersfeld brachte, da die Möglichkeiten auf dem Hammer in Ilmenau für eine solche Anfertigung nicht vorhanden waren. Der Günthersfelder Pächter Johann Friedrich Herrleb versprach, „die Gießung der mathematischen Körper aufs beste zu besorgen“ (ebd.). 111,25 magnetischen Versuchen] Bereits am 5. und 6. Mai 1798 hatte Goethe laut Tagebuch magnetische Versuche unternommen (vgl. GT II 1, 243), die er in den Sommermonaten, u.a. im Beisein Schillers, fortsetzte (vgl. zu 157,4–5). 112,1–2 von Humbold einige Stücke] In seinem Brief an Wilhelm von Humboldt nach Paris vom 7. Februar 1798 hatte Goethe um die Zusendung einiger Mineralien gebeten (vgl. zu 43,26–27). Diese waren am 13. Mai über Friedrich Vieweg und Carl August Böttiger in Weimar angekommen (vgl. RA 2, Nr 1279). 112,2–3 der Gefälligkeit Dolomieus] Der französische Geologe und Mineraloge Dieudonné Sylvain Guy Tancrède Dolomieu ließ Goethe über Wilhelm von Humboldt Gipskristalle und kristallisierten Sandstein schicken, die sich Goethe in seinem Brief vom 7. Februar 1798 an Humboldt gewünscht hatte (vgl. zu 43,26–27). 112,4 Humboldts] Wilhelm von Humboldt war Ende 1797 mit seiner Frau Caroline und den drei Kindern, Caroline (geb. 1792), Wilhelm (geb. 1794) sowie Theodor (geb. 1797), und dem Bruder Alexander von Humboldt im Mai 1798
MAI 1798
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nach Paris gereist. Der letzte Brief Wilhelm von Humboldts an Goethe datiert vom 10. April? 1798 (vgl. RA 2, Nr 1240). 112,5 Iffland hier gehabt] Zu Ifflands Gastspiel in Weimar vom 24. April bis 5. Mai 1798 vgl. zu 88,15. 112,7 was ich bisher gethan] Seit seinem letzten Brief an Knebel vom 18. März arbeitete Goethe u.a. am Schema der „Achilleis“, verfasste ab April den „Propyläen“-Beitrag „Der Sammler und die Seinigen“, schrieb „Über die Flaxmannischen Werke“ und verfasste mit Schiller das Schema „Über den Dilettantismus“ (vgl. GT II 1, 237–244). 112,9 das Studium der Ilias] Im Tagebuch dokumentiert Goethe für den 11. Mai 1798: Die Ilias wieder vorgenommen (GT II 1, 244). Seine Lektüre der „Ilias“ führte zu dem Entwurf eines Handlungsschemas und Auszügen, die Goethe 1820 für „Über Kunst und Altertum“ überarbeitete. Beide Homerische Epen, „Ilias“ und „Odyssee“, galten Goethe als Meisterwerke der Dichtkunst. 112,11 mein erster epischer Versuch gut aufgenommen] Goethes Epos „Herrmann und Dorothea“ war im Oktober 1797 erschienen (vgl. zu 6,17–18). Das Werk fand nicht nur bei Schiller großen Zuspruch, der an dessen Entstehung starken Anteil genommen und auch nach Erscheinen die Gattungsfrage mit Goethe diskutierte. Knebel hatte aus „Herrmann und Dorothea“ seinem Freundeskreis in Nürnberg vorgelesen und über die Wirkung berichtet (vgl. zu 18,26). Von August Wilhelm Schlegel wurde das Epos in vier Nummern der „Allgemeinen LiteraturZeitung“ im Dezember 1797 rezensiert (vgl. 〈August Wilhelm Schlegel〉, 〈Rezension zu:〉 Berlin b. Vieweg d. ält.: Taschenbuch für 1798. Herrmann und Dorothea von J. W. von Göthe. Mit Kupfern. 174 S. ohne den Calender. Taschenformat. In: ALZ 1797. Nr 393–395 vom 11. bis 13. Dezember, Sp. 641–662, 665–668). Auch Herder und Schelling äußerten sich positiv gegenüber dem Werk. Wilhelm von Humboldt veröffentlichte 1799 seine Monographie „Über Göthe’s Hermann und Dorothea“ als „Ersten Theil“ seiner „Ästhetischen Versuche“ (vgl. zu 114,24). 112,12 diese Dichtungsart noch näher zu studiren] Vgl. hierzu den intensiven Austausch mit Schiller, etwa zu Nr 33, Nr 82, Nr 87. 112,18–19 in Herrmann und Dorothea mich näher an die Odyssee] In August Wilhelm Schlegels Rezension über „Herrmann und Dorothea“ war die Nähe von Goethes Epos zu Homers „Odyssee“ explizit benannt worden, worauf Goethe wohl hier anspielt: „Ein in unserm Zeitalter und unsern Sitten einheimisches Epos wird daher mehr eine Odyssee als eine Ilias seyn, sich mehr mit dem Privatleben als mit öffentlichen Thaten und Verhältnissen beschäftigen müssen.“ (ALZ 1797. Nr 394 vom 12. Dezember, Sp. 652.) 112,19–20 so möchte ich mich wohl in einem zweyten Falle] Gemeint ist das geplante Versepos „Achilleis“ (vgl. zu 114,10). Nach vorbereitenden Schemata arbeitete Goethe im Frühjahr 1799 den ersten Gesang aus. Danach geriet die Arbeit ins Stocken und wurde erst 1805 wieder aufgenommen. Das Epos blieb unvollendet.
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BRIEF 90
112,31 Bergrath Scherer ist am Sonabend zurück] Alexander Nikolaus Scherer, am 3. Mai 1797 zum Bergrat ernannt (vgl. LATh – HStA Weimar, Kunst und Wissenschaft – Hofwesen A 6486, Bl. 2), kam von seiner am 6. Juni 1797 begonnenen Englandreise am Samstag, dem 12. Mai 1798 zurück. Am nächsten Tag traf sich Goethe bereits mit ihm in Belvedere (vgl. GT II 1, 244). 112,32 ein Chemisches Orakel in der Nähe] In Weimar erhoffte man sich von Scherer nach seiner Rückkunft aus England neue Impulse und Vorschläge zur technischen Verbesserung bei der Einrichtung von Bierbrauereien, Branntweinbrennereien, Färbereien, Gerbereien sowie von Ziegel- und Kohlefabrikationen (vgl. Tadday/Frercks, Scherer in Weimar, 347). Worauf sich die Anspielung auf das Orakel konkret bezieht, konnte nicht ermittelt werden. 112,33–113,1 als diese Wissenschafft 〈…〉 vorschreitet 〈…〉 schwankt] Die Chemie erhielt Ende des 18. Jahrhunderts ihre konzeptionellen Grundlagen vor allem durch die Standardisierung der Experimente sowie durch die Systematisierung der chemischen Substanzen. Sie war bereits als eigenständiges Universitätsfach etabliert (vgl. Christoph Meinel: Zur Sozialgeschichte des chemischen Hochschulfaches im 18. Jahrhundert. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 10 [1987], S. 147– 168). 113,3 Unser guter Meyer] Zu Johann Heinrich Meyers freundschaftlichem Verhältnis zu Knebel vgl. zu 4,20. 113,3–4 seine Bemerkungen 〈…〉 über bildende Kunst] Hier in Anspielung auf Meyers Mitarbeit an den „Horen“, für die er verschiedene Beiträge zur Geschichte der bildenden Kunst verfasst hatte (vgl. GB 10 II, 602). Im April hatte Meyer an der Abhandlung „Niobe und ihre Kinder“ sowie am Aufsatz „Rafaels Werke, besonders im Vatikan“, der in drei Teilen in den „Propyläen“ erschien, gearbeitet (vgl. RA 2, Nr 1233). 113,5–6 wir wollen mit dem Druck nicht lange säumen] Nach den erfolgreichen Verhandlungen mit Johann Friedrich Cotta erschien das erste Stück der „Propyläen“ im Oktober 1798. 113,7 einen neuen Communicationsweg] Das Vorwort und der Titel „Propyläen“ nehmen auf diese neue Form der Kommunikation unmittelbar Bezug: Stufe, Thor, Eingang, Vorhalle, der Raum zwischen dem Innern und Aeussern, zwischen dem Heiligen und Gemeinen kann nur die Stelle seyn, auf der wir uns mit unsern Freunden gewöhnlich aufhalten werden. (Propyläen I 1, III.) Damit kam Goethe auch einem persönlichen Wunsch Knebels vom 18. Januar 1798 nach, der nach dem Umzug in die Abgeschiedenheit Ilmenaus geäußert hatte, dass Goethe ein Mittel ausfindig machen würde, um „den Mangel literarischer u. andrer Neuigkeiten, ohne deine zu grosse Beschwerde, zu ersetzen“ (H: GSA 28/494, Bl. 4; vgl. RA 2, Nr 1102). 113,8 Johanni] Mit dem 24. Juni, dem Ende des zweiten Jahresquartals, war wieder die Anweisung von Knebels Rentenansprüchen fällig, die Goethe für ihn besorgte.
MAI 1798
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113,8–9 deine Quittungen] Vgl. zu 18,14–15. 113,9 besondere Asignation] Eine weitere Zahlungsanweisung (von lat. assignatio: Zuweisung), nicht überliefert. 113,11–12 nicht so umständlich wie das vorigemal] Vgl. Goethes ausführliche Erläuterung zur Abrechnung im ersten Quartal im Brief vom 18. März 1798, vgl. zu 74,5. 113,13–14 laß mir bald hören] Knebel antwortete am 30. Mai (vgl. RA 2, Nr 1306). 113,17 – 18 No. 1. Chaux sulfatée 〈…〉 de Montmartre pres Paris.] Gipskristalle aus den tertiären Gipsschichten des Montmartre, bei Paris (vgl. LA II 7, 469). – In Goethes Mineraliensammlung noch vorhanden (vgl. Prescher, Goethes Sammlungen, Nr 813). 113,19–20 No. 2. Gres a pate calcaire 〈…〉 de Fontainebleau.] Tertiärer Sandstein, der Formen von Kalkspat aufweist, aus Fontainebleau. – Der Kalkspat bildet Kristalle, in denen Sandkörner und Kalkmasse enthalten sind (vgl. LA II 7, 469). – In Goethes Mineraliensammlung noch vorhanden (vgl. Prescher, Goethes Sammlungen, Nr 260, Nr 6466).
90. An Friedrich Schiller
Weimar, 16. Mai 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 124–125. – Doppelblatt 18,7 × 23,1 cm, 3 ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Egh. Bleistiftkorrektur (vgl. Überlieferung zu Nr 6): 115,4 diesenm. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 207–211, Nr 466. WA IV 13 (1893), 148–150, Nr 3794. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 15. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1281). – Schiller antwortete am 18. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1282). Postsendungen: 16. Mai 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134v; vgl. WA IV 13, 432). 113,21 wieder bey der Ilias] Vgl. zu 109,1. 113,24–25 von der Einheit und Untheilbarkeit des Gedichts überzeugt] Vgl. zu 100,28. 114,2 mein erstes Apperçü einer Achilleis] Goethe hatte Schiller am Abend des 22. März 1798 in Jena erstmals über seine geplante neue Versdichtung „Achilleis“ informiert, über deren Erfolg er Johann Heinrich Meyer am folgenden Tag be-
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BRIEF 90
richtete (vgl. 80,29–30). Zu Inhalt und Entstehungsgeschichte der „Achilleis“ vgl. die nachfolgende Erläuterung. – Aperçu (franz.: flüchtiger Blick), hier im Sinne von ‚Eingebung, Gedanke‘ (vgl. GWb 1, 766). 114,10 Achilleis ist ein t r a g i s c h e r S t o f f] Goethes Vorhaben zu einem Versepos über den Tod des Achill verdankte sich sowohl seiner anhaltenden Wertschätzung für Homers Dichtungen als auch dem Gespräch mit Schiller über die im Dezember 1797 erarbeitete Abhandlung „Ueber epische und dramatische Dichtung“ (vgl. EGW 1, 1–17). Dem Plan lag die Überlegung zugrunde, dass Homer die Ereignisse nach Hectors Tod und dem Fall Trojas nicht dargestellt habe, mithin zwischen der „Ilias“ und der „Odyssee“ noch eine Epopée inne liege (Brief an Schiller vom 27. Dezember 1797; WA IV 12, 387). Während seines Aufenthalts in Jena hatte Goethe Ende März 1798 Schiller sein Vorhaben zunächst in mündlicher Form vorgestellt (vgl. GT II 1, 238). Am 31. März hatte Goethe seinem Schreiber Geist ein erstes Schema für eine acht Gesänge umfassende Dichtung diktiert (GSA 25/W 3807, Bl. 2–3; vgl. WA I 50, 435–439). Zur weiteren Vorbereitung widmete sich Goethe im April und Mai zunächst dem Studium von Homers „Ilias“, an die seine geplante Dichtung unmittelbar anschließen sollte (vgl. GT II 1, 239, 244f.). In den folgenden Monaten setzte er das Studium historischer Quellen fort (vgl. zu 223,21). Erst im Frühjahr 1799 wandte sich Goethe wieder der Arbeit an seinem geplanten Werk zu: So entwarf er ein umfangreiches zweites Schema und arbeitete den ersten Gesang aus, den er am 5. April 1799 abschloss (GSA 25/W 3808; vgl. WA I 50, 439–446). Zur Ausarbeitung der weiteren Gesänge kam es nicht mehr. Goethe veröffentlichte die Fragment gebliebene Dichtung erstmals 1808 im 10. Band der Cotta-Ausgabe seiner Werke unter dem Titel „Achilleïs. Erster Gesang“ (S. 295–322). 114,12 s e n t i m e n t a l] Hier im Sinne von ‚poetisch‘, wahrscheinlich aber auch in Anspielung auf Schillers Begriff des ‚Sentimentalischen‘. In seiner Abhandlung „Ueber naive und sentimentalische Dichtung“ definiert Schiller diesen als den Versuch des ‚modernen‘ Dichters, die zivilisatorisch verloren gegangene ‚Natürlichkeit‘ der alten Dichter wiederzugewinnen: „Der Dichter 〈…〉 i s t entweder Natur, oder er wird sie s u c h e n. Jenes macht den naiven, dieses den sentimentalischen Dichter.“ (NA 20, 436.) 114,21–22 nach meiner alten Weise, daraus ein Geheimniß machen] Vgl. Goethes Bemerkung in seinem Brief an Schiller vom 28. April 1797 zum – später nicht ausgeführten – Vorhaben seines epischen Gedichts „Die Jagd“: Da ich nun weiß daß ich nie etwas fertig mache, wenn ich den Plan zur Arbeit nur irgend vertraut, oder jemanden offenbart habe, so will ich lieber mit dieser Mittheilung noch zurückhalten, wir wollen uns im allgemeinen über die Materie besprechen, und ich kann nach den Resultaten im Stillen meinen Gegenstand prüfen. Sollte ich dabey noch Muth und Lust behalten, so würde ich es ausarbeiten, und fertig gäbe es immer mehr Stoff zum Nach-
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denken, als in der Anlage. Sollte ich daran verzweifeln so ist es immer noch Zeit auch nur mit der Idee hervorzutreten. (WA IV 12, 104f.) 114,24 erfreulichen Novität] Schiller hatte im Bezugsbrief eine „ganz neue und unerwartete Novität“ (NA 29, 236) angekündigt, die Goethe „viel Freude machen“ (ebd.) werde, die er aber bis zu Goethes Ankunft in Jena zurückbehalte. Es handelte sich um das Manuskript von Wilhelm von Humboldts Abhandlung „Ueber Göthe’s Hermann und Dorothea“, das Schiller am 12. Mai erhalten hatte (vgl. Schillers Kalender, 90). Goethe und Schiller lasen das Werk ab dem 21. Mai gemeinsam in Jena (vgl. GT II 1, 245f.). Zu Goethes Beurteilung vgl. seinen Brief an Humboldt vom 16. Juli 1798 (Nr 138). Die ursprünglich für das 12. Stück der „Horen“ bestimmte Abhandlung erschien 1799 als erster Teil von Humboldts Schrift „Ästhetische Versuche“ (Braunschweig 1799). 114,27–28 Vor Sonntag kann ich leider nicht kommen.] Wie hier angekündigt, traf Goethe am Sonntag, den 20. Mai, in Jena ein (vgl. GT II 1, 245). 114,29 Grüßen Sie Cotta] Johann Friedrich Cotta hielt sich seit dem 29. April in Leipzig zur Jubilatemesse auf (vgl. NA 37 I, 276). Schiller hatte im Bezugsbrief angekündigt, dass Cotta ihn auf seiner Rückreise am 17. Mai in Jena besuchen werde und Goethe dazu eingeladen. Da Goethe erst am 20. Mai nach Jena kam, konnte er an diesem Treffen nicht teilnehmen. 114,30 liberal erwiesene Gefälligkeiten] Während und nach Goethes Schweizer Reise 1797 war Cotta dem Dichter wiederholt behilflich gewesen (vgl. zu 3,3). – ‚Liberal‘ hier im Sinne von ‚freigebig, großzügig, uneigennützig‘ (vgl. GWb 5, 1153). 114,30–31 in seiner Schuld] Vgl. Cottas Rechnung vom 20. April 1798 (GSA 30/299, Bl. 5; vgl. Goethe-Cotta 1, 21). 114,32–33 theoretisch empirischen Aufsätze] Goethes und Johann Heinrich Meyers Beiträge zur geplanten neuen Kunstzeitschrift „Propyläen“. 114,33 neulich] Vgl. Nr 82. 114,33–115,1 ein Alphabeth] Bezeichnet im Buchdruck des 18. Jahrhunderts die Druckbogen eines Buchs. Diese wurden nach dem Alphabet gezählt, wobei die Buchstaben J, U und W ausgelassen wurden. Ein Buch von einem Alphabet umfasst 23 Bogen, im Oktavformat somit 368 Seiten. 115,3 versagen] Hier in der Bedeutung von ‚zusagen, versprechen‘ (vgl. Adelung 4, 1112). 115,6 Schlegeln kann die Professur wohl nicht fehlen] August Wilhelm Schlegel wurde am 30. Juli 1798 zum außerordentlichen Professor der Ästhetik und Literatur an der Universität Jena ernannt. 115,6–7 der Herzog ist ihm wegen der Schakespearschen Uebersetzung günstig] Herzog Carl August war nominell Rektor der Universität Jena, die von den vier ernestinischen Herzogtümern Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Coburg unterhalten wurde. Am 1. Mai hatte er Schlegel durch
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BRIEFE 91/92
Goethe ins Römische Haus einladen lassen, um Schlegel persönlich kennen zu lernen (vgl. Nr 83). In den Tagen danach hatte Schlegel sein Berufungsgesuch gestellt (vgl. Müller, Universität Jena, 393). Von der geplanten neunbändigen Ausgabe „Shakespeare’s dramatische Werke / übersetzt von August Wilhelm Schlegel“ (9 Bde, Berlin 1797–1810) lagen zu diesem Zeitpunkt die beiden ersten Bände vor. Sie enthalten die Dramen „Romeo und Julia“ und „Ein Sommernachtstraum“ (Erster Theil) sowie „Julius Cäsar“ und „Was ihr wollt“ (Zweyter Theil). Im Herbst 1798 kam als dritter Teil „Der Sturm“ und „Hamlet, Prinz von Dänemark“ hinzu. Ausgewählte Szenen waren zuvor in Schillers „Horen“ veröffentlicht worden. 115,8 nach Gotha communicirt] Ein entsprechendes Schreiben ist nicht ermittelt. Zum Berufungsvorgang August Wilhelm Schlegels vgl. LATh – HStA Weimar, Kunst und Wissenschaft – Hofwesen A 6437, Bl. 208f., 213–217, 231. 115,10–11 bald ein Jahr daß ich nichts gethan habe] Goethe hatte im Juni 1797 in Jena die Arbeit an seiner epischen Dichtung „Herrmann und Dorothea“ abgeschlossen. Seit seiner daran anschließenden Schweizer Reise hatte er kein umfangreiches Werk beendet. 115,11–12 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller. 115,12–13 unter freyem Himmel] Die Familie Schiller hatte am 7. Mai ihr Gartenanwesen bezogen (vgl. zu 107,18).
91. An Friedrich Schiller
Weimar, 19. Mai 1798 → 〈Jena〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 128. – Doppelblatt 18,9 × 23,2 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 215f., Nr 467. WA IV 13 (1893), 151, Nr 3796. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Schillers Brief vom 18. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1282). – Eine Antwort Schillers unterblieb, da Goethe am 20. Mai nach Jena kam (vgl. zu 116,1). Postsendungen: 19. Mai 1798 (H l. H o f r. S c h i l l e r meine Ankunft gemeldet.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134v; vgl. WA IV 13, 432). 115,16 dem ersten Blatt Ihres lieben Briefes] Im ersten Teil seines vierseitigen Bezugsbriefs hatte Schiller auf Goethes Bedenken vom 16. Mai (vgl. Nr 90) reagiert und ihn darin bestärkt, die Arbeit an seiner geplanten „Achilleis“-Dichtung fortzusetzen: „Sie werden sich ganz gewiß Ihren Stoff so bilden, wie er sich zu Ihrer Form
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qualifiziert und umgekehrt werden Sie die Form zu dem Stoffe nicht verfehlen. Für beides bürgt Ihnen Ihre Natur und Ihre Einsicht und Erfahrung.“ (NA 29, 237.) 115,22 nächstens muthiglich beginnen] Mit der Ausarbeitung des ersten Gesangs der „Achilleis“ begann Goethe erst im März 1799 (vgl. zu 114,10). 115,23 Humboldts Arbeit] Zu Wilhelm von Humboldts Abhandlung über Goethes „Herrmann und Dorothea“ vgl. zu 114,24. 115,24 seine Reise] Nach dem Verzicht auf seine geplante Italienreise war Humboldt im Herbst 1797 über Wien und die Schweiz nach Paris gereist, wo er sich Ende November 1797 niedergelassen hatte. 116,1 Morgen Abend bin ich bey Ihnen] Goethe kam am 20. Mai nach Jena und quartierte sich wie gewohnt im Jenaer Schloss ein: „den 20 sind dHL. Geh. rat v Göthe ein logiret“ (Färber-Calender 1798, Bl. 11). 116,2 vier Wochen] Abgesehen von einer fünftägigen Unterbrechung vom 31. Mai bis 4. Juni blieb Goethe bis zum 21. Juni 1798 in Jena (vgl. GT II 1, 245–251). 116,3 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller.
92. An Christian Gottlob Voigt
Jena, 22. Mai 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 30/39, Bl. 58. – 1 Bl. 11,7 × 17,4 cm, 1 S. und 4 Zeilen beschr., Schreiberhd (Geist), Tinte. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (vgl. Überlieferung zu Nr 49). E: WA IV 13 (1893), 152, Nr 3797 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K. ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Christian Gottlob Voigt antwortete am 23. Mai 1798 mit zwei Briefen (vgl. RA 2, Nr 1288; RA 2, Nr 1289). Zum Sachverhalt der Taxatoren äußerte sich Georg Christoph Steffany gegenüber Voigt in einem Brief vor dem 26. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1295). Postsendungen: 22. Mai 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134v; vgl. WA IV 13, 432); 22. Mai 1798 (dem H. Geh. R.; GR/Jena 1798, 1, Bl. 4r). 116,5 noch in Weimar] Die für den 23. Mai geplante Reise nach Eisenach mit Herzog Carl August in Begleitung des Lieutenants Johann Christoph Gottlob Vent und des Bergrats Alexander Nikolaus Scherer verschob sich aufgrund „fortdauernder Fieberhaftigkeit des Herzogs“ (Goethe-Voigt2 2, 62; vgl. RA 2, Nr 1288) auf den 1. Juni (vgl. FB 1798, S. 98).
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BRIEF 93
116,5–6 über eigne und fremde Sachen mehr beruhigt] Zum einen konnte Voigt in Weimar weiterhin bei Goethes Gutsangelegenheiten beraten und unterstützen (vgl. 120,19–27), zum anderen gab es verschiedene amtliche Verpflichtungen, die in den folgenden Tagen von Goethe und Voigt besprochen und geregelt wurden, wie etwa die Eröffnung des wieder instand gesetzten Stollens in Ilmenau, die nächste Nachricht über den Ilmenauer Bergbau (vgl. zu 127,22), den Umbau der Bibliothek, die Abschrift des Büttner’schen Katalogs (vgl. zu 378,1) sowie die Holzknappheit im Herzogtum und etwaige Lösungsmöglichkeiten (vgl. zu 120,14). 116,6–7 morgen noch ein Wort mit den Botenweibern] Voigt sandte am Folgetag gleich zwei Antwortbriefe an Goethe. – Zu Botenfrauen allgemein vgl. zu 85,21. 116,8 R. R. Osan] Regierungsrat Friedrich Heinrich Gotthelf Osann war Vorsitzender der Fürstlichen Kommission, die mit der Abwicklung des Versteigerungsverfahrens zum Oberroßlaer Lehn- und Freigut betraut war (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 88). 116,8 Taxatoren] Sowohl die Verkäufer als auch die Pächterfamilie und der Käufer des Oberroßlaer Gutes konnten jeweils einen oder mehrere Gutachter (Taxatoren, von lat. taxare: schätzen) bestimmen, die an der Gutsübergabe teilnehmen sollten. Sie hatten die Aufgabe, den Wert der Gebäude, des Viehs, der land- und gutswirtschaftlichen Inventarien sowie der Ländereien zu erfassen und ihre Einschätzung zu offenen ökonomischen Fragen abzugeben. Es war im Mai 1798 noch fraglich, ob jede Partei gesondert Taxatoren vorschlagen müsse oder ob man sich auf dieselben verständigen könne. Sowohl Goethe als auch die Verkäufer hatten den Burgmüller Johann Gottfried Hesse aus Weimar und den Rittergutspächter Georg Christian Hartung zu Denstedt im Blick (vgl. GSA 30/44, Bl. 107). Bei der Gutsübergabe traten schließlich für beide Parteien unterschiedliche Taxatoren auf (vgl. zu 142,14). 116,9 haben Sie ihn gesprochen] Voigt antwortete am darauffolgenden Tag, dass Osann derselben Meinung wie Voigt und Goethe sei, „daß nämlich die Taxatoren der Erben ausreichend wären, um darnach die Übergabe an den Herrn Käufer zu bewirken“ (Goethe-Voigt2 2, 63; vgl. RA 2, Nr 1288). 116,11 gütiger Besorgung des Geldpunctes] Wahrscheinlich eine Anspielung auf Voigts Hilfe bei der Beschaffung der Gelder zum Kauf des Oberroßlaer Gutes. Goethe musste sich einen Großteil des Geldes leihen. Aus einem Brief Steffanys an Christian Gottlob Voigt vom 20. Mai 1798 geht hervor, dass sich sowohl Steffany als auch Voigt in dieser Angelegenheit für Goethe einsetzten (vgl. GSA 30/39, Bl. 57). – Möglich wäre aber auch eine Anspielung auf eine amtliche Angelegenheit, die die Verschuldung von Jacob Friedrich von Fritsch betraf, die von Voigt in seinem Brief vom 23. Mai angedeutet, am 26. Mai näher verhandelt wurde (vgl. RA 2, Nr 1198).
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116,12–13 Resultate der Holz- und Feurungssession] Voigt berichtete in seiner Antwort vom 23. Mai von einem Treffen mit Herzog Carl August und dem Kammerpräsidenten Johann Christoph Schmidt, bei dem „die zwei famosen Tagesgegenstände, Holz und F. 〈Jacob Friedrich von Fritsch, vgl. die vorangegangene Erläuterung〉“ (Goethe-Voigt2 2, 62; vgl. RA 2, Nr 1288) behandelt wurden. Aufgrund von steigender Holzknappheit im Herzogtum musste nach alternativen Brennmaterialien, vor allem nach Kohleaufkommen, gesucht werden. In der Session war beschlossen worden, „Prämien auf Entdeckung und Adhibierung der Stein- und Erdkohlen“ (ebd.) auszugeben sowie die „Negoziierung der Holzkontracte“ (ebd.) zu verfügen. 116,15–16 Redaction so mancher Betrachtungen über Natur und Kunst] Laut Tagebuch hatten sich Goethe und Schiller seit Goethes Ankunft in Jena mit dem Humboldtischen Aufsatz (21. Mai 1798, GT II 1, 245), der Abhandlung „Über Göthe’s Herrmann und Dorothea“ (gedruckt 1799; vgl. Ruppert, Nr 1937) und die epische Gattung auseinandergesetzt. Zugleich hatte Goethe das Schema der Ilias geendigt (21. Mai 1798, ebd.; vgl. zu 114,10) und arbeitete nun an der Umsetzung der mit Johann Heinrich Meyer während der Schweizer Reise 1797 entwickelten Idee zu einer Zeitschrift über Natur- und Kunstwissenschaft, die schließlich unter dem Titel „Propyläen“ erschien. 116,17 reisen Sie glücklich] Nach Eisenach, am 1. Juni (vgl. zu 116,5). 116,17–18 von Zeit zu Zeit etwas hören] Von seinem Aufenthalt in Eisenach (und Umgebung) sind insgesamt drei Briefe Voigts aus dem Zeitraum vom 11. Juni bis 21. Juni 1798 an Goethe überliefert (vgl. RA 2, Nr 1323; RA 2, Nr 1335; RA 2, Nr 1354).
93. An Christiane Vulpius
Jena, 22. Mai 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 83. – Doppelblatt 13,8 × 19,9 cm, 2 S. beschr., Schreiberhd (Geist), Tinte, mit ergänzten Bleistiftkommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII). E: WA IV 13 (1893), 152f., Nr 3798 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt – es handelt sich um den ersten Brief von Goethes Jena-Aufenthalt ab 20. Mai 1798. – Christiane Vulpius antwortete am 22./23. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1285). Postsendungen: 22. Mai 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134v; vgl. WA IV 13, 432); 22. Mai 1798 (Brief nach W.; GR/Jena 1798, 1, Bl. 4r).
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BRIEF 93
116,20 Diese ersten Tage] Goethe hielt sich seit dem 20. Mai 1798 in Jena auf (vgl. GT II 1, 245). 116,22 vieles in Ordnung und in Gang bringe] Goethe setzte in Vorbereitung seines geplanten Epos „Achilleis“ sein Studium der „Ilias“ fort, besprach in diesem Zusammenhang mit Schiller die Abhandlung Wilhelm von Humboldts „Über Göthe’s Herrmann und Dorothea“ (gedruckt 1799; vgl. Ruppert, Nr 1937) und beendete laut Tagebuch am 21. Mai 1798 das Schema zur Ilias (GT II 1, 245). Mit Schiller wurden außerdem Ideen und Pläne für die „Propyläen“ diskutiert. Goethe arbeitete auch an der Einleitung der Zeitschrift und beschäftigte sich mit Aufsätzen Johann Heinrich Meyers. 116,24 Freund Meyer] Johann Heinrich Meyer (vgl. zu 81,22). 116,25 unsere gemeinschafftlichen Arbeiten] Zur Zusammenarbeit an den „Propyläen“ vgl. zu 118,2. 116,26 bald in Gang] Nach den erfolgreichen Verhandlungen mit Johann Friedrich Cotta erschien das erste Stück der „Propyläen“ bereits im Oktober 1798. 117,1–2 Eine allgemeine Uebersicht 〈…〉 wenn er herüber kommt.] Wahrscheinlich handelte es sich um das Verzeichnis der geplanten Beiträge zu den „Propyläen“, das Goethe in diesen Tagen erarbeitete (vgl. GT II 1, 246) und am 28. Mai an Cotta schickte (vgl. 125,20–127,12). Ein entsprechendes Schema mit dem Titel „Zu bearbeitende Materie“ ist in Goethes Nachlass überliefert (GSA 25/W 3619; WA I 47, 278–281). Da Meyer auf seinen geplanten Besuch in Jena verzichtete (vgl. zu 118,26–27), wird Goethe ihm das Schema wohl erst nach seiner am 31. Mai erfolgten Rückkehr nach Weimar vorgestellt haben. 117,3 Wegen der Nahrung] Goethe hatte bereits bei seinem ersten Jena-Aufenthalt vom 20. März bis 6. April über die Essensversorgung geklagt (vgl. zu 81,23). – Christiane Vulpius nahm darauf in ihrem Antwortbrief Bezug: „ich wünste ich könde mich alle dage ein bar Stunden unsicht bar machen und Dir kochen da solte es wohl schmeken“ (H: GSA 28/21, Bl. 211). 117,3–4 Da Schillers im Garten wohnen] Nachdem Schiller im März 1797 das Gartenhaus an der Leutra in Jena erworben hatte, hielt sich die Familie dort bis 1799 jeweils in den Sommermonaten auf. Im Jahr 1798 waren sie am 7. Mai aus ihrer Stadtwohnung dorthin gezogen (vgl. zu 107,18). 117,4 mit der Trabitius] Maria Dorothea Trabitius, Frau des Jenaer Schlosstorwärters, versorgte Goethe in den folgenden Wochen mit Essen. So geht aus der Ausgabenrechnung für den Zeitraum vom 20. bis 26. Mai 1798 hervor, dass sie Goethe mit Graupenschleim, Semmel, Brot, Provenceöl, Essig, Bier, Spargel, Rindfleisch, Eierkuchen, Salat, Spinat und Eiern beköstigte (vgl. GR/Belege 1798, 7, Bl. 2). – Aufstellungen von Trabitius’ Hand, „Was ich für Ihro HochwohlgebL. des Herrn Geh.Rath v Göthe ausgelegt habe“, sind für jeden der drei Jena-Aufenthalte überliefert (vgl. ebd., Bl. 1–15).
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117,5 im Ballhaus probiren] Das Ballhaus in Jena, 1670 von Herzog Bernhard von Sachsen-Jena als Gebäude für das Ballspiel ‚Jeu de Paume‘, einer Vorform des Tennis, errichtet, befand sich dem Schloss gegenüber, neben dem Gasthaus „Zum Schwarzen Bären“, also in unmittelbarer Nähe zu Goethes Wohnung. Nachdem das Ballspiel aus der Mode gekommen war, wurde es als Kaffeehaus privat bewirtschaftet (vgl. GWb 2, 33). In einem zeitgenössischen Studenten-Handbuch heißt es zu dem dortigen Essensangebot: „Das Ballhaus reicht seinen Verehrern täglich Suppe, Braten mit Sallat oder Pflaumen. Der Preiß dieses Tisches ist wöchentlich zu achtzehn Groschen festgesezt. Sie treffen dort eine brave, und sehr einige Tischgesellschaft.“ (〈Anton Kühl〉: Zeichnung der Universität Jena. Für Jünglinge, welche diese Akademie besuchen wollen. Leipzig 1798, S. 71.) Aus welchen Gründen es für Goethe nicht möglich war, dort zu essen, ist nicht bekannt. 117,7 gewöhnlichen Oel zum Sallat] Christiane Vulpius kam dieser Bitte nach: Am 25. Mai dankte Goethe ihr für das Öl, das er für den Salat zum Mittagessen verwendete (vgl. 119,15–17). Goethe hatte eine Vorliebe für das so genannte Provence-Öl, ein Olivenöl, mit dem ihn auch Maria Dorothea Trabitius laut Ausgabenliste versorgte (vgl. zu 117,4). 117,10 noch kein Pyrmonter getrunken] Goethe schätzte das Pyrmonter Mineralwasser aufgrund seiner gesundheitsfördernden und entschlackenden Wirkung und bezog es in abgefüllten Flaschen von Zwischenhändlern in Weimar. Aus dem Tagebuch geht hervor, dass er zwischen 1796 und 1799 in den Sommermonaten mehrfach Trinkkuren mit Pyrmonter Wasser unternahm. – Im Jahr 1798 begann er die Kur am 26. Mai (vgl. GT II 1, 246) und setzte sie mit unterschiedlicher Intensität bis in den August fort (vgl. 135,21–22). 117,11 den kleinen] Der gemeinsame Sohn August (vgl. zu 81,12). 117,11 in der Mühllache] Die Mühllache bildete zu Goethes Zeiten zwischen der Brücke nach Lobeda und der Camsdorfer Brücke einen linken Seitenarm der Saale, der hinter der Tonnenmühle (heutiges Stadtarchiv Jena) und dem Schloss entlangführte und schließlich wieder in die Saale mündete. Vor der Schur, die bei einschürigen Schafen „im Frühjahr zu Anfang des Aprils, oder Anfang des Mayen“ (Zedler 34, 645) vorgenommen wurde, trieb man die Schafe zur Säuberung durch einen Teich oder ein fließendes Gewässer (vgl. ebd.). – Drei Tage nach dem Brief des Vaters berichtete August von seiner Anwesenheit bei der Schafschur in Oberweimar (vgl. RA 2, Nr 1292). 117,13–14 bald Nachricht zu geben] Vgl. Goethes Brief vom 25. Mai 1798 an Christiane (119,6–7). 117,16 ein kurzes Verzeichniß] Das hier erbetene, nicht überlieferte Verzeichnis Meyers sollte wahrscheinlich Goethes Übersicht über Arbeiten, die theils fertig, theils, mehr oder weniger, in kurzer Zeit zu redigiren und auszuarbeiten sind (125,20–22), die er am 27./28. Mai an Cotta schickte (vgl. Nr 99), ergänzen.
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94. An Friedrich Schiller
BRIEFE 94/95
Jena, 24. Mai 〈1798〉 → 〈Jena〉
DATIERUN G
Die Datierung in das Jahr 1798 ergibt sich aus dem Inhalt des vorliegenden Briefes. ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 129. – Doppelblatt 13,8 × 19,9 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 1 am linken unteren Blattrand egh. Bleistiftvermerk: S. Propyläen. E: Schiller-Goethe2 2 (1856), 93f., Nr 475. WA IV 13 (1893), 154, Nr 3799. BEIL AG EN
1) Aufsatz (vgl. zu 117,19). 2) Manuskript von Goethes Aufsatz „Ueber Wahrheit und Wahrscheinlichkeit der Kunstwerke“ (vgl. zu 117,23). ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt. – Der Brief wurde innerhalb Jenas befördert und ist nicht in Schillers Schreibkalender verzeichnet (vgl. Schillers Kalender, 90). 117,19 Aufsatz] Wahrscheinlich handelte es sich dabei um den Entwurf einer Auflistung aller für die „Propyläen“ vorgesehenen Beiträge. Ein entsprechendes Schema hatte Goethe am 22. Mai entworfen (vgl. GT II 1, 245 sowie Goethes Brief an Christiane Vulpius vom selben Tag, Nr 93). Seine Überarbeitung erfolgte am 26. Mai (vgl. Goethes Tagebucheintrag: Den an Cotta zu sendenden Aufsatz berichtigt; GT II 1, 246). Goethe legte den Beitrag („Arbeiten, die theils fertig, theils, mehr oder weniger, in kurzer Zeit zu redigiren und auszuarbeiten sind“) seinem Brief an Cotta vom 27. Mai bei (vgl. Nr 99). Schiller, der als Vermittler fungierte, übersandte diesen am 29. Mai an den Verleger (vgl. NA 29, 239f.). 117,21 ersten Stücke] Gemeint ist das geplante erste Stück der „Propyläen“, an deren allgemeiner Einleitung Goethe am 24. Mai zu arbeiten begann (vgl. GT II 1, 245). Eine erste Manuskriptsendung an Cotta erfolgte erst am 25. Juli (vgl. zu 178,16). 117,23 Gespräch] Der Aufsatz „Ueber Wahrheit und Wahrscheinlichkeit der Kunstwerke. Ein Gespräch“ erschien im ersten Stück des ersten Bandes der „Propyläen“ (S. 55–65; WA I 47, 255–266). Goethe hatte den Text unter dem Ersttitel „Über das Natürliche in Kunstwerken“ am 18. und 19. August 1797 in Frankfurt am Main verfasst (vgl. GT II 1, 129).
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117,23 neulich] Goethe dürfte seinen Beitrag nach seiner Ankunft in Jena am Abend des 20. Mai angekündigt haben. 117,24–25 die angekündigte Fortsetzung] Eine Fortsetzung wurde nicht geschrieben. 117,26 Heute Mittag bin ich in Ihrer Nachbarschafft zu Gaste] Goethe besuchte Christian Gottfried Schütz, Professor der Poesie und Beredsamkeit und Mitherausgeber der „Allgemeinen Literatur-Zeitung“ (vgl. GT II 1, 245). Dessen Wohnhaus befand sich am Engelplatz Nr 8 (vgl. zu 244,20) in der unmittelbaren Nähe von Schillers Gartenhaus, in das die Familie am 7. Mai gezogen war (vgl. zu 107,18). 117,27 die gestrige Lectur und Unterhaltung fortzusetzen] Goethe und Schiller hatten am 21. Mai die gemeinsame Lektüre von Wilhelm von Humboldts Abhandlung „Ueber Göthe’s Hermann und Dorothea“ begonnen, die sie an den folgenden sechs Abenden fortsetzten (vgl. GT II 1, 245f. und zu 114,24).
95. An Johann Heinrich Meyer Jena, 25. Mai 1798 → Weimar ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 64/69,3. – Doppelblatt 19,6(–19,8) × 27,7 cm, 1 ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 4 Adresse: Des / Herrn Professor Meyer / in / Weimar.; Bl. 2 Reste eines roten Gemmensiegels: Amor mit den Waffen des Herkules (vgl. Femmel/Heres, 71, K 3), Papierausriss durch Öffnen des Siegels. – Spätere Absatzkennzeichnungen von fremder Hd (Friedrich Wilhelm Riemer?), Bleistift. E: WA IV 13 (1893), 154f., Nr 3800 (Eduard von der Hellen). BEIL AG EN
1) Adresskalender (vgl. zu 118,20–21). 2) Zeichnung Johann Heinrich Meyers (vgl. zu 118,20–21). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Meyers Brief vom 23.? Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1287). – Meyer antwortete am 26. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1297). Postsendungen: 25. Mai 1798 (H l. P r o f. M e y e r. Wegen der Ausgabe unseres Werkes. Wegen Gespräch unter 4 Augen. Wegl. d. Schweizer neuen Obern. der Zeichn. z Almanach u den Decken.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134v; vgl. WA IV 13, 432); 25. Mai 1798 (Porto nach W.; GR/Jena 1798, 1, Bl. 4r).
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BRIEF 95
118,1 Die wenigen Tage daß ich mich hier befinde] Goethe hielt sich seit dem 20. Mai 1798 in Jena auf (vgl. GT II 1, 245f.). 118,2 unser gemeinschafftliches Werk] Gemeint ist die geplante neue Kunstzeitschrift „Propyläen“, auf deren Titel sich Goethe und Meyer erst im Juli 1798 endgültig verständigten (vgl. zu 179,22). Goethe hatte am 22. Mai zunächst ein Schema zu dem neuen gemeinschafftlichen Werke (GT II 1, 245) konzipiert, am folgenden Tag die schon vorliegenden Beiträge Meyers durchgesehen und am 24. Mai mit der Arbeit an der Einleitung zu den Propyleen (ebd.) begonnen, die er bis zum 28. Mai fortsetzte (ebd., 245f.). 118,3 Vorschlag an Cotta] Goethes folgender Brief an Cotta vom 27. und 28. Mai enthält neben konkreten Vorschlägen zur Drucklegung der „Propyläen“ auch ein detailliertes Verzeichnis der dafür vorgesehenen Beiträge (vgl. Nr 99). 118,5 alte Herr] Christoph Martin Wieland. Meyer hatte im Bezugsbrief berichtet, dass „der Alte in Oßmannstedt“ (Goethe-Meyer 2, 37) durchgesetzt habe, seine seit Februar 1798 im „Neuen Teutschen Merkur“ stückweise veröffentlichten „Gespräche unter vier Augen“ weiterhin erscheinen zu lassen. Die Beiträge beinhalten Wielands Betrachtungen zur Französischen Revolution und waren von verschiedenen Seiten kritisiert worden (vgl. zu 103,9–11). 118,6 speditionären Redacteurs] Gemeint ist hier vor allem Carl August Böttiger, der seine Ablehnung einer weiteren Veröffentlichung von Wielands „Gesprächen unter vier Augen“ mit kaufmännischen Argumenten begründete, so in einem Brief an Johann Wilhelm Ludwig Gleim vom 25. Mai 1798: „Denn glauben Sie wohl, daß seit der Merkur entschieden Partei gegen den Frankendespotismus genommen hat, viele Exemplare abbestellt worden sind, und freilich dürfen nicht noch viele abbestellt werden, wenn nicht beym äußerst wohlfeilen Preiß desselben offenbarer Verlust entstehen soll. So mächtig ist die Partey der Französischgesinnten in unserm Vaterlande.“ (Thomas C. Starnes: Christoph Martin Wieland. Leben und Werk. Bd 2. Sigmaringen 1987, S. 647.) 118,7 das Rohr das vom Winde hin und her gewehet wird] Die sprichwörtliche Redewendung bezeichnet Personen, die in ihren Entschlüssen unsicher und schwankend sind. So antwortet Jesus den Anhängern Johannes des Täufers: „Was seyd ihr hinaus gegangen in die wüste zu sehen? Wolltet ihr ein rohr sehen, das der wind hin und her wehet?“ (Matthäus 11,7, Luther-Bibel 1772 NT, 13; vgl. Sprichwörter-Lexikon 3, 1710, Nr 30). 118,8 perpendicularen] Von lat. perpendicularis: lotrecht, senkrecht. 118,10 unbewundnen] Hier im älteren Sinne für ‚unumwundenen‘ (vgl. Grimm 24, 380f.). 118,10–11 Bekenntniß des Freund Eschers] Hans Conrad Escher von der Linth – ein Onkel des Meyer-Freundes Johann Caspar Escher vom Glas – gehörte zu Goethes Bekanntschaften der Schweizer Reise 1797. Neben seiner kaufmännischen Tätigkeit für das väterliche Textilgeschäft widmete sich Escher seinen natur-
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wissenschaftlichen Studien und dem Aufbau eines geologischen Kabinetts, das Goethe während seiner Schweizer Reise am 22. Oktober 1797 besichtigt hatte (vgl. GT II 1, 221). Escher bekannte sich zu den Idealen der Aufklärung und der Französischen Revolution, von denen er sich eine Reformierung der Eidgenossenschaft erhoffte. 1798 in den Helvetischen Großen Rat gewählt, hatte er hier am 3. Mai eine Rede gehalten, die am 17. Mai in der „Neuesten WeltKunde“ im Auszug veröffentlicht worden war. Bei dem unbewundnen Bekenntniß handelt es sich um Eschers Plädoyer für einen vernunftgeleiteten Patriotismus angesichts der französischen Besatzung: „Nach allen angehörten Auesserungen ist es einmal Zeit, mit Freimüthigkeit zu sprechen; bis vor wenigen Wochen wurde das Volk der kleinen Kantone Helvetiens überall, und selbst von uns und den Franken als das freieste Volk, als dasjenige, welches zuerst in Europa die Freiheit errang und bekannt machte, anerkannt, und izt da die Franken denselben eine andre, ihnen unbekannte Freiheit aufzwingen wollen, da sie die, noch vor wenigen Wochen allgemein verehrte Freiheit ihrer Väter mit einem beispiellosen Muth vertheidigen, sollen sie kein FreiheitsGefühl, keinen Patriotismus mehr kennen, sondern nur aus blosem Fanatism handeln? Haben Sie denn die Revolution anerkannt, die Constitution je angenommen, daß sie durch ihre jezige Weigerung den Namen Gegen-Revolutionairs verdienen sollten? Brächte man ihnen mit Vernunft die Grundsäze der ausgebreiteteren repräsentativen und systematischen Freiheit, derjenigen Freiheit die wir verehren bei, so würden sie gewiß allmählig dieselbe anerkennen, und sich mit uns vereinigen. Aber die Art, wie sie zu unsrer Freiheit gezwungen werden, ist aller ächten, auf VolksSouverainetät gegründeten Freiheit zuwider. Es mag zwar unklug seyn, mitten unter den fränkischen Bajonetten so zu sprechen; aber der wahre Patriot, der ächte Freund der Freiheit und Wahrheit kennt keine Gefahr, wenn er Unschuld und Wahrheit unterstüzen soll“ (Nr 137, S. 645). 118,11 derben] Hier im – positiv verstandenen – Sinne von ‚kräftig, entschieden‘ (vgl. GWb 2, 1145f.). 118,11–12 Schreiben des Schweitzer Directoriums an die französischen Commissairs] Über die Auseinandersetzung des Vollziehungsdirektoriums (Directoire exécutif) – das mit Inkrafttreten der Verfassung vom 12. April 1798 nach französischem Vorbild gebildete oberste politische Leitungsgremium der Helvetischen Republik – mit der französischen Besatzungsarmee informierte die „Neueste WeltKunde“ in mehreren Beiträgen. Goethes Bemerkung bezieht sich vermutlich auf ein am 23. Mai veröffentlichtes Schreiben vom 17. Mai. Darin widerspricht das Direktorium einer Forderung von Jean-Jacques Rapinat, Regierungskommissär der französischen Helvetien-Armee, dass die Amtsvollmacht des Direktoriums auf die innere Verwaltung der Helvetischen Republik beschränkt sei: „Das fränkische VollziehungsDirectorium gab uns unsre Constitution. Ihnen wies es Ihren WirkungsKreis bei der Armee an, welche ihr Blut vergießt um diese Constitution festzugründen. Vergessen Sie aber nicht, B. Commissair, daß es eine Ihrer Pflichten ist, in uns
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das Werk und den Willen der Regierung zu ehren, die uns in ihren Schuz genommen hat. Oder, wenn es der Wille dieser Regierung ist, uns zu erniedrigen, und auf die Verrichtungen einer VerwaltungsKammer herabzusezen, so wünschen wir, daß Sie uns Ihre Vollmacht hiezu vorweisen möchten, da uns dieselbe gänzlich unbekannt ist“ (Nr 143, S. 570). In seinem Antwortschreiben an Goethe lobte Meyer die „Kühnheit“ seiner Landsleute, fürchtete aber um deren Sicherheit: „In den mitkommenden Zeitungen steht auch schon eine Anzeige von böser Vorbedeutung für unsere biedern Freunde.“ (Goethe-Meyer 2, 39.) 118,16–17 welche andere Rolle die neuen Schweitzer Obern gegen die Cisalpiner spielen] Seit der Bildung der Cisalpinischen Republik im Sommer 1797 waren die Beziehungen zur Eidgenossenschaft belastet, da diese fürchtete, ihre südlich der Alpen gelegenen Gebiete wie das Tessin aufgrund der kulturellen und sprachlichen Nähe an Norditalien zu verlieren. Mit der Gründung der Helvetischen Republik im April 1798 normalisierten sich die diplomatischen Beziehungen. 118,20–21 die in dem Addreß-Calender zurückkommende Zeichnung] Bei der Zeichnung handelte es sich sehr wahrscheinlich um Meyers Entwurf für das geplante Titelkupfer zum „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ (KSW, Museen, Inv.-Nr KK 2611). Goethe hatte Schiller im April 1798 einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet (vgl. zu 88,3) und Meyers Zeichnung vermutlich am 20. Mai mit nach Jena genommen. Die Darstellung zeigt eine Frauengestalt in antikem Gewand (Psyche), die unter einem traubenbehangenen Weinstock Amor die Brust gibt. Als bildliche Vorlage hatte Meyer einen antiken Cameo aus Goethes Sammlung gewählt, dessen Motiv er recht frei adaptierte (KSW, Museen, Inv.-Nr GGM/035; vgl. Femmel/Heres, K 35). Goethes Bitte folgend übersandte Meyer am 12. Juni die Zeichnung nach Nürnberg an den Kupferstecher Heinrich Guttenberg, der den Entwurf wenig später ausführte (vgl. RA 2, Nr 1327). Schiller kündigte den Entwurf gegenüber Cotta am 3. Juli an: „Göthe und Meier haben es übernommen für Decke und Titelkupfer zum Almanach zu sorgen, die Zeichnung ist sehr hübsch, für Kupferstich und Abdruck werden sie auch Sorge tragen.“ (NA 29, 250.) Die ersten Abzüge lagen im Oktober vor. – Um einen sicheren Transport von Meyers Entwurfszeichnung zu gewährleisten, legte Goethe sie einer ebenfalls als Beilage mitgesandten Druckschrift bei. Bei dieser handelte es sich vermutlich um ein Exemplar des in Jena gedruckten „Hochfürstlich Sachsen-Weimarund Eisenachischen Hof- und Addreß-Calenders auf das Jahr 1798“, der kurz zuvor erschienen war. Die Beilage ist nicht überliefert. 118,23 Decke für den Musenalmanach] Der von Meyer entworfene Einband für den „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ zeigt rombenförmig angeordnete reiche Fruchtgirlanden, in die auf der Vorderseite der Titel „Schillers Almanach 1799“ und auf der Rückseite ein auf zwei Leiern stehender Kauz eingestellt sind. Meyer teilte Goethe bereits am 12. Juni mit, dass die „Zeichnung zum Deckel erfunden“ sei (Goethe-Meyer 2, 43; vgl. RA 2, Nr 1327; zu den in Meyers Nach-
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lass überlieferten Entwürfen vgl. KSW, Museen, Inv.-Nr KK 2510 und Inv.-Nr Gr-2006/5491). Goethe plante zunächst, den Entwurf im anaglyphischen Verfahren umsetzen zu lassen (vgl. 174,28–175,6 und 179,3–5), kehrte später aber zum Kupferstich zurück, der von Johann Christian Ernst Müller ausgeführt wurde. Erste Probedrucke lagen Anfang September vor (vgl. 203,20–21). 118,23–24 eine in groß 8 für unser eigen Werk] Für den Umschlag der geplanten „Propyläen“-Hefte entwarf Meyer eine aus Ähren und Pinienzapfen gebildete umlaufende Zierkante, die von Friedrich Wilhelm Facius im anaglyphischen Verfahren umgesetzt wurde. Die einzelnen Hefte wurden im Großoktavformat gedruckt und jeweils broschiert ausgegeben. 118,26–27 uns bald besuchen] Meyer blieb mit Hinweis auf die „rauhe Witterung“ (Goethe-Meyer 2, 39) in Weimar. Goethe kehrte am 31. Mai 1798 nach Weimar zurück.
96. An Christiane Vulpius
Jena, 25. Mai 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 84–85. – Doppelblatt 19,9 × 27,8 cm, 2 S. und 4 Zeilen beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. (?) Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Beischluss: EB 52 (vgl. 120,1). E: WA IV 13 (1893), 156f., Nr 3801 (Eduard von der Hellen). BEIL AG E
Rehkeule (vgl. zu 120,6). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christiane Vulpius’ Briefe vom 22./23. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1285) und vom 23.? Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1290). – Christiane Vulpius antwortete am 25. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1294). Postsendungen: 25. Mai 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134v; vgl. WA IV 13, 432); 25. Mai 1798 (Porto nach W.; GR/Jena 1798, 1, Bl. 4r). 119,1 in meiner Abwesenheit] Goethe hielt sich vom 20. bis 31. Mai 1798 und nach kurzer Unterbrechung wieder vom 4. bis 21. Juni 1798 in Jena auf (vgl. GT II 1, 245–251). 119,2–3 des Zustandes erfreust in dem du dich befindest] Wahrscheinlich Anspielung auf Christiane Vulpius’ Mitteilung, sie habe „ser vill zu thun Welges mir Freude macht“ (H: GSA 28/21, Bl. 230; vgl. RA 2, Nr 1290). Für den kommenden Sonntag bereitete sie zudem ein Fest für ihre Freunde aus Jena und
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BRIEF 96
Weimar vor (vgl. ebd.). Goethes Formulierung könnte auch auf eine erneute Schwangerschaft hindeuten, was in den Folgebriefen aber nicht bestätigt wird. Die Geburt des vierten Kindes war am 30. Oktober 1793 erfolgt, die fünfte und letzte Schwangerschaft endete im Dezember 1802. 119,8 durch welche zufällige Kleinigkeit] Nicht ermittelt. 119,10 die vorjährige Reise] Goethe hatte seine Reise in die Schweiz vom 30. Juli bis 20. November 1797 bereits am 6. Januar 1798 in einem Brief an Schiller als Grund für seine ungewollte Schaffenspause angeführt (vgl. 7,20–27). 119,13–14 die Trabitius] Maria Dorothea Trabitius (vgl. zu 117,4). 119,14 die Spargel] Christiane Vulpius schickte den selbst angebauten Spargel mit dem Brief vom 22./23. Mai 1798 nach Jena (vgl. RA 2, Nr 1285). Spargel gehörte zu Goethes bevorzugten Gemüsesorten. Ein Spargelland (H: GSA 34/ XIII,1, Bl. 61), das 1796 bis an das Grundstück des Nachbarn Johann Christoph Schmidt erweitert werden sollte, wie aus den Rechnungsbelegen aus dem Jahr 1796 hervorgeht (vgl. ebd.), befand sich demzufolge im Garten am Stern. Maria Dorothea Trabitius, die die Essensversorgung für Goethe in Jena übernahm, stellte ihm ebenfalls Spargel in Rechnung (vgl. zu 117,4). 119,15 dein Oel] Goethe hatte Christiane Vulpius drei Tage zuvor gebeten, ihm Olivenöl zu schicken (vgl. zu 117,7). 119,17 Abends bin ich bey Schiller im Garten] Seit Goethes Ankunft in Jena am 20. Mai 1798 sind im Tagebuch allabendliche Besuche bei Schiller vermerkt (vgl. GT II 1, 245; zu Schillers Garten vgl. zu 61,5). 119,18 viel interessantes zusammen gelesen und gesprochen haben] Vgl. zu Goethes Gesprächen und Lektüren in den ersten Tagen des Jenaer Aufenthalts zu 116,22. 119,19 der Rückweg ein wenig sauer] Die Entfernung zwischen Schillers in der Vorstadt gelegenem Gartenhaus und Goethes Wohnung im Schloss (vgl. zu 4,15–16) betrug einen knappen Kilometer. 119,21–22 des Tags viel Bewegung mache] In ähnlicher Weise thematisiert Goethe dies für seinen Jena-Aufenthalt vom 20. März bis 6. April 1798 (vgl. zu 81,20–21). 119,24 Herr Geheimde Rath Voigt ist nicht verreißt] Christian Gottlob Voigts für den 30. Mai geplante Abreise nach Eisenach mit Herzog Carl August verzögerte sich auf den 1. Juni 1798 (vgl. FB 1798, S. 98). 119,24–25 Fischer kann ihm also das Geld gelegentlich bringen.] Der zukünftige Pächter des von Goethe erworbenen Oberroßlaer Gutes, Johann Friedrich Fischer (vgl. zu 68,20), hatte die Kaution in Höhe von 500 Reichstalern zu entrichten, die jährlich mit drei Prozent verzinst wurde. Er beglich die Summe am 2. Juni 1798 (vgl. GSA 30/49, Bl. 24), als sich Goethe in Weimar aufhielt und Christian Gottlob Voigt bereits nach Eisenach abgereist war.
MAI 1798
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119,25–26 Wegen einem kleinen Spase 〈…〉 in Roßla bey der Uebergabe] Für die Dorfbewohner Oberroßlas sollte nach erfolgter Übergabe des Gutes am 24. Juni ein Fest stattfinden, das von Christiane Vulpius organisiert und veranstaltet wurde. Vermutlich wird hier auf die feierliche Übergabe eines Hammels angespielt, der zuvor den Festumzug vom Gut zum Wirtshaus anführen sollte (vgl. zu 147,10; zum Ablauf des Festes auch Doebber, Ober-Roßla, 211–214). 119,27–28 an diesem Tage] Das Gut wurde am 22. und 23. Juni 1798 übergeben (vgl. GT II 1, 251). 119,29 Johannisfest] Der 24. Juni ist nach Johannes dem Täufer Johannistag benannt. In katholischen Gegenden wurde das Hochfest seiner Geburt u.a. mit Brunnenfesten, die mit der alljährlichen Reinigung des Dorfbrunnens verbunden wurde, gefeiert. Der Tag steht im Zusammenhang mit der zwischen dem 20. und 22. Juni erfolgenden Sommersonnenwende, weshalb vom 23. auf den 24. Juni in manchen Gegenden große Johannisfeuer entzündet wurden. Auch für das Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach sind Brauchtümer um den Johannistag belegt, so etwa ein Brunnenfest im Dorf Schöten bei Apolda (etwa 6 km entfernt von Oberroßla), das Blumen- oder Johannisrad von Eisenach sowie Johannisfeuer rund um Jena (vgl. August Witzschel: Der Johannistag in seiner alten Feier und Bedeutung als Fest der Sommersonnenwende. Eisenach 1858, S. 7–9). Goethe berichtet u.a. in den „Tag- und Jahres-Heften“ für 1804 von Johannisfeuern, die sich um Jena auf den Bergen, sowohl in der Nähe der Stadt, als wenn man das Thal auf- und abwärts fährt (WA I 35, 174), finden würden. 119,29 mit einem Fest nach meiner Art] Zur Ausrichtung eines Festes gehörten für Goethe nicht nur die Bereitstellung von gutem Essen und Trinken, sondern wahrscheinlich auch die Aufführung eines Theaterstücks zur Unterhaltung der Leute. Ob Goethes Vorstellungen bei dem von Christiane ausgerichteten Fest umgesetzt wurden, ist nicht bekannt. Goethe war beim Johannisfest nicht anwesend; er reiste bereits am 23. Juni 1798 von Oberroßla nach Weimar zurück (vgl. GT II 1, 251). 119,30 nächstens mehr] Wahrscheinlich erfolgte die Absprache mündlich; von Goethe ist kein Brief überliefert, der diese Thematik erneut aufgreift. 120,1 Für den Kleinen lege ich ein Briefchen bey.] Nicht überlieferter Brief an den Sohn August (EB 52). 120,1–2 Die Seife soll nächstens ankommen] Die Seife wurde in einem Brief Ludwig Geists am 31. Mai 1798 angekündigt und am selben Tag nach Weimar gebracht (vgl. 129,4). 120,2–3 noch viel gethan werden ehe ich dich wiedersehe] Vor seiner zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgesehenen Rückreise nach Weimar am 31. Mai 1798 arbeitete Goethe an der Einleitung sowie an einer Übersicht über geplante Aufsätze für die Zeitschrift „Propyläen“, die er mit einem Brief vom 27. Mai 1798 an Cotta sandte (vgl. Beilage zu Nr 99).
270
BRIEF 97
120,3–4 unsern Meister] Scherzhaft für Johann Heinrich Meyer. In anderen Briefen Goethes an Christiane Vulpius wird Meyer auch Herr Professor (87,1) oder Freund Meyer (81,22; 116,24) genannt, wodurch der vertraute Umgang mit dem Hausgenossen deutlich wird. 120,6 Dazu sende ich dir eine Rehkeule] In Goethes Rechnungsbuch ist unter dem 24. Mai 1798 die Ausgabe von 3 gL. für Schiesgeld vor das Reh eingetragen (GR/Jena 1798, 1, Bl. 4r). Es handelte sich um die zweite Rehkeule, die Christiane in diesem Jahr aus Jena erhielt (vgl. 81,22).
97. An Christian Gottlob Voigt
Jena, 27. Mai 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
1) Brief: H: LATh – HStA Weimar, Bergwerke B 16077, Bl. 170, 174. – Doppelblatt 19,8 × 27,8 cm, 2 ¼ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – In einem gehefteten Handschriftenkonvolut (220 Bl.) mit der Aufschrift: „Voigt’sche Privatacten. / 1791–98. / Acten, chron. geordn / Rechnungen u. Belege / Hist. Bergm. Extracte.“ E: Goethe-Voigt1 (1868), 210–213, Nr 75 (Otto Jahn). WA IV 13 (1893), 158–161, Nr 3802 (nach E; Hinweis auf H und Textkorrekturen in den „Berichtigungen“, vgl. WA IV 50 [1912], 220). 2) Beilage 1: H: Verbleib unbekannt; bis 1945 Weimar, StA, in der Kommissionsakte „Sectio X. Locat 2. No.14, Fol. 17“ (Angabe nach h: GSA 31/III,14, Eduard von der Hellen 1890); Kriegsverlust. K: GSA Weimar, Sign.: 28/21, Bl. 217. – 1 Bl. 22,6 × 35,2 cm, 1 1⁄3 S. beschr., von Voigts Hd, mit egh. Korrekturen, Tinte. Ungedruckt. Textgrundlage: K. 3) Beilage 2: H: LATh – HStA Weimar, Bergwerke B 16077, Bl. 169. – 1 Bl. 19,8 × 27,8 cm, 1 2⁄3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Paraphe, Tinte. – Im gleichen Handschriftenkonvolut wie 1. E: Goethe-Voigt1 (1868), 213, Nr 75 (Otto Jahn).
MAI 1798
271
BEIL AG EN
1) Verordnung an den Bergrath in Concept und Mundo nebst den Acten (vgl. zu 120,12). 2) Pro Memoria (vgl. zu 120,14). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christian Gottlob Voigts Brief vom 26. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1298). – Voigt antwortete am 28. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1302). Postsendungen: 27. Mai (H l. G e h. R a t h Vo i g t. Verordnung an den Bergrath wegl. der brennbaren Materialien. P. M. wegl. des Bergharzes bey Wölnitz. varia.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134v; vgl. WA IV 13, 432f.). 120,9 die mir übersandte Depesche] Voigts Sendung vom 26. Mai mit amtlichen Akten, u.a. die Holzknappheit im Herzogtum betreffend (vgl. RA 2, Nr 1298). 120,12 Die Verordnung an den Bergrath] Die Ausfertigung der Verordnung an Voigts Bruder, den Bergrat Johann Carl Wilhelm Voigt, ist nur in späterer Abschrift überliefert (vgl. Überlieferung). Die Beilage enthält die Aufforderung, sich nach brennbaren Fossilien umzusehen und Vorschläge zu deren Gewinnung zu unterbreiten. Voigt hatte sie mit seinem Brief vom 26. Mai an Goethe geschickt (vgl. RA 2, Nr 1300). Herzog Carl August hatte bereits am 10. Dezember 1797 einen Befehl an die Bergwerkskommission gelangen lassen, um nach alternativen Brennmaterialien zu suchen, die bei schwindenden Holzvorräten zum Betreiben der Hochöfen, der ersten Dampfmaschinen sowie zur Salzgewinnung aus Solen verwendet werden sollten (vgl. LA 7 II, 461f.). 120,12–13 nebst den Acten] Wahrscheinlich die mit dem Buchstaben „K“ betitelten „Acta Commissionis / Die bergmännische Untersuchung der im Fürstenthum Weimar vorkommenden brennbaren Fossillien betrL. 〈1797.〉 1798“ (Angabe nach h: GSA 31/III,14), die auch in der Verordnung an Johann Carl Wilhelm Voigt als Beilage erwähnt werden (vgl. 121,21–22). 120,14 ein Pro Memoria] Das an den Herzog Carl August gerichtete Promemoria Beilage 2) enthält Goethes Votum für das 1797 entdeckte Erdpech (vgl. zu 75,27), das als alternatives Brennmaterial geprüft werden sollte. Goethe schlug vor, an der Wöllnitzer Flur bei Jena, wo das Mineral nachgewiesen werden konnte, eine Sprengung vorzunehmen, um es genauer untersuchen zu können (vgl. LATh – HStA Weimar, Bergwerke B 16077, Bl. 169). 120,14 secretiren] Von lat. secernere: trennen, hier ‚unter Verschluss halten‘. 120,14 Ihre Meinung] In seinem Antwortbrief befürwortete Voigt die von Goethe vorgeschlagenen Schritte. Bevor diese eingeleitet werden könnten, müsse jedoch der Herzog in Kenntnis gesetzt werden. 120,19 Osan] Der Regierungsrat Friedrich Heinrich Gotthelf Osann war Vorsitzender der Fürstlichen Kommission, die mit dem Versteigerungsverfahren des Oberroßlaer Lehn- und Freigutes betraut war (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 88).
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BRIEF 97
120,19–20 wenn Schenk die beyden Taxatoren vorgeschlagen hat] Der Amtsaktuar Friedrich Schenck, der zwei der Verkäuferinnen des Oberroßlaer Gutes, Eva Maria Slevoigt geb. Crahmer und deren Schwester Dorothea Elisabetha Lehne geb. Crahmer, vertrat, setzte Voigt am 31. Mai 1798 über die Gutachter der Verkäuferseite in Kenntnis; berufen wurden der Rittergutspächter Georg Christian Hartung zu Denstedt und der Burgmüller Johann Gottfried Hesse (vgl. GSA 30/44, Bl. 107). 120,20 zeigt alsdenn bey der Commission an] Nicht ermittelt. 120,21 bey ihnen acquiescire] Von franz. acquiescer: einwilligen, sein Einverständnis erklären. Goethe wollte zunächst keine weiteren eigenen Gutachter berufen, sondern sich mit den Taxatoren der Käuferseite einverstanden erklären (vgl. zu 142,14). 120,22 Fischer] Johann Friedrich Fischer übernahm im Juni 1798 die Pacht des Gutes (vgl. zu 68,20). 120,22 Cautionsgelder] Fischer entrichtete die Kaution am 2. Juni 1798 bei Goethe selbst, da dieser vom 30. Mai bis 4. Juni nach Weimar zurückkehrte (vgl. Nr 101). 120,24 Auction] Im Bezugsbrief wies Voigt auf eine Auktion der Pächterfamilie Hofmann hin, die am 23. Mai in der Zeitung angekündigt worden war: „Den 8. Juny d. J. früh 9 Uhr und den folgenden Tag sollen, auf dem Freyguthe zu Oberroßla, verschiedene Mobilien, Schiff und Geschirr an den Meistbietenden gegen gleich baare Zahlung überlassen werden.“ (Weimarische Wöchentliche Anzeigen, Nr 41. Mittwoch, den 23sten May 1798, S. 162.) Voigt hielt es für ratsam, durch Georg Christoph Steffany „bei dieser Auktion aufpassen zu lassen, was vorkommt?“ (Goethe-Voigt2 2, 67.) Die beiden Mitbesitzerinnen und Verkäuferinnen des Oberroßlaer Gutes Eva Maria Slevoigt und deren Schwester Dorothea Elisabetha Lehne bekundeten über ihren Bevollmächtigten Friedrich Schenck bei der Fürstlichen Kommission ihr Unbehagen über diese Auktion, da sie Stücke enthalten könne, die nicht im Inventarium aufgeführt seien (vgl. zu dessen Unvollständigkeit 71,8–9), aber eigentlich zum Gut gehörten. Die Fürstliche Kommission wurde deshalb gebeten, die Auktion zu untersagen (vgl. LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4314, Bl. 221–222; vgl. auch die Unterweisung der Kommission an die Bevollmächtigten, ebd., Bl. 225–226). 120,25 überkomme] Hier in der Bedeutung ‚erhalten, erwerben‘ (Grimm 23, 343). 120,26 Brandweinblase] Ein kupfernes Gefäß, in dem Branntwein destilliert wird (vgl. GWb 2, 855). 120,27 Uebergabe] Die Gutsübergabe fand in Oberroßla am 22. und 23. Juni statt (vgl. GT II 1, 252). 120,28–29 wie sich Thouret anläßt] Voigt hatte im Bezugsbrief berichtet, dass der mit der Ausstattung des Weimarer Residenzschlosses beauftragte – und von Goethe seit Monaten erwartete – Stuttgarter Architekt Nikolaus Thouret am
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25. Mai im Weimar eingetroffen sei: „Gestern ist auch Thouret angekommen; wegen meines Besuches konnte ich nicht in die Bausession gehen.“ (Goethe-Voigt2 2, 66.) Auch in den folgenden Tagen fand Voigt keine Gelegenheit, mit Thouret zu sprechen (vgl. zu 128,12). 121,1 expedit] Von lat. expedire: befreien, hier ‚flink, gewandt‘ (vgl. GWb 3, 498). 121,2–3 privatim im Gespräche] In Voigts Briefen vom 27. und 28. Mai wird berichtet, dass ein Gespräch bislang noch nicht stattgefunden habe (vgl. RA 2, Nr 1300; RA 2, Nr 1302). 121,4–5 Wenn Riehl fleißig ist und accurat 〈…〉 was mehr geben] Gottlieb Wilhelm Christian Riehl, Sohn des Schreibmeisters Johann Andreas Riehl, war von Voigt mit dem Abschreiben des Büttner’schen Bibliothekskatalogs beauftragt worden (vgl. zu 378,2). Da er aber offenbar noch über keine Erfahrung verfügte, hatte er mit Voigt vereinbart, erst einige Bogen ‚auf Probe‘ zu schreiben, bevor er Geld fordern würde. 121,5–6 auf dem jenaischen Tramite] Von span. el tramité: Dienstweg. 121,8 mir Mitwochs einige Buch Papier] Die Papiersendung erfolgte nicht am 30. Mai, wie hier gewünscht, sondern wurde, wie Voigt in einem Brief vom 29. Mai ankündigte (vgl. RA 2, Nr 1303), auf ein Treffen am 31. Mai in Weimar verschoben (vgl. GT II 1, 247). Näheres ist nicht bekannt. 121,9 Geist] Goethes Diener und Schreiber Ludwig Geist. Inwieweit er mit dieser Aufgabe tatsächlich betraut wurde, ist nicht bekannt. 121,10 bey meinem Hierseyn] Goethe hielt sich noch bis zum 21. Juni in Jena auf, dann wieder vom 6. bis 9. Juli, vom 1. bis 16. August, vom 22. September bis 1. Oktober, vom 14. bis 22. Oktober sowie vom 11. bis 29. November 1798. 121,11 Trebra] Voigt berichtete im Bezugsbrief über sein Treffen am 24. Mai mit dem ehemaligen Clausthaler Berghauptmann Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra. Dieser wohnte seit 1795 auf seinem Gut Bretleben an der Unstrut und widmete sich, wie Voigt berichtete, ganz dem Pflanzen von Bäumen. 121,14–15 Behaglichkeit des Bergraths in seinem neuen Zustande] Voigts Bruder Johann Carl Wilhelm Voigt, dessen erste Frau Friederike Voigt Anfang 1798 gestorben war, hatte am 17. April 1798 Johanna Elisabeth Friederike Burghardt, eine Tochter des Ilmenauer Bürgermeisters Carl Friedrich Wilhelm Burghardt, geheiratet. Über Carl Ludwig von Knebel hatte Goethe in einem Brief vom 17. Februar erfahren, dass Johann Carl Wilhelm Voigt Ressentiments gegenüber der neuen Frau vonseiten der Weimarer Familie fürchtete (vgl. RA 2, Nr 1144 und Goethes Antwort an Knebel, 58,7–8). 121,17 Serenissimo] Dativ von lat. Serenissimus: Durchlauchtigster; Titulierung für den regierenden Fürsten, d.h. Herzog Carl August. 121,21 beygelegten Actenfascikul sub K.] Nicht überliefert (nach Auskunft von LATh – HStA Weimar Kriegsverlust).
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BRIEF 98
121,25 Zottelstedt] Nordöstlich von Weimar, nördlich von Ober- und Niederroßla gelegener Ort bei Apolda. – Christiane Vulpius machte Goethe in einem Brief vom 13. August 1798 auf einen Steinkohlefund in Zottelstedt aufmerksam (vgl. RA 2, Nr 1429). 121,25 Mattstedt] Nördlich von Ober- und Niederroßla gelegener Ort unmittelbar neben Zottelstedt. 121,26 Wickerstedt] Nördlich von Ober- und Niederroßla gelegener Ort unmittelbar neben Mattstedt. 121,26 p] Abkürzung von lat. perge: fahre fort, hier im Sinne von ‚und so weiter‘. 122,3 Dürrnberge] Wahrscheinlich Dürrenberg an der Saale, in der Nähe von Merseburg gelegen, bis 1815 zum Gebiet des Hochstifts Merseburg gehörend. 122,6 weitere Untersuchungen und Entdeckungen] Die Berichte sind nicht überliefert. Eduard von der Hellen weist in seiner Auswertung der Akte darauf hin, dass der weitere Verlauf „Fo. 18–50 〈…〉 ohne ausdrückliche Beteiligung Goethes“ vonstatten ging (H: GSA 31/III,14). Bereits im September 1798 wurde entschieden, dass die entdeckten Vorkommen zu gering seien und der Abbau interessierten Privatpersonen überlassen werde. 122,11–12 Anzeige eines neugefundnen cristallisirten Erdpeches] Am 21. Februar 1798 hatte Johann Georg Lenz im „Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung“ folgende Nachricht über eine scheinbar neue, kristallisierte Form des Asphalts (Erdpech; vgl. LA II 7, 467) publiziert: „III. Mineralogische Anzeige. / Für das mineralogische Publicum. / Mit lebhafter Freude mache ich dem mineralogischen Publicum bekannt, dass vor einigen Tagen einer meiner fleissigen Zuhörer, Hr. Werneburg aus Eisenach, in den Jenaischen Gypsbergen das Erdpech nicht nur derb, sondern auch in vierseitigen kleinen Säulen crystallisirt entdeckt hat. Diese Entdeckung scheint mir um so mehr interessant zu seyn, da meines Wissens noch nirgends dieses Fossil in crystallinischer Form vorgekommen ist. Zugleich kündige ich auch auf Verlangen vieler Freunde, den Liebhabern der Stein- und Gebirgskunde, Sammlungen von den hiesigen Gebirgsarten mit Einschluss der an den Ufern der Saale und der Leutra sich vorfindenden merkwürdigen Geschieben für einen Reichsthaler an. Die vollständigste Sammlung besteht aus funfzig ziemlich grossen Stücken mit einem gedruckten Verzeichniss. Briefe und Gelder erwarte ich postfrey. / Jena, den 14. Febr. 1798. / Joh. Georg Lenz.“ (IB der ALZ 1798. Nr 31 vom 21. Februar, Sp. 279.) Goethe war am 13. Februar 1798 auch persönlich über diesen Fund durch Lenz unterrichtet worden (vgl. zu 75,27). 122,13–14 die vierseitige Säulenform] Es ist unbekannt, wie die Form der angeblichen Kristalle zu erklären ist (vgl. LA 7 II, 467). 122,16–17 wegen seiner mineralogischen Wichtigkeit] Auf die Einzigartigkeit und Besonderheit des Fundes hatte Lenz in seiner Anzeige hingewiesen (vgl. zu 122,11–12).
MAI 1798
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122,17–18 Anlaß und Ursache 〈…〉 zu verfolgen] Der Mangel an Holz im Herzogtum war Anlass für verschiedene Bemühungen, brennbare Alternativen zu finden. 122,19 in einem lettenartigen Trum] Geologisch ein tonig-lehmartiger (von Letten, Lehmerde, vgl. GWb 5, 1136) Ausläufer einer Gesteinsader (vgl. Grimm 22, 1336). 122,21 in der Wölnitzer Fluhr] Wöllnitzer Flur, bei dem südöstlich von Jena, am rechten Ufer der Saale gelegenen Dorf Wöllnitz (heute Stadtteil von Jena) befand sich ein Steinbruch, von dem Tuffstein abgebaut wurde. Mehrere Adelsfamilien hatten hier Anteile. 122,22 Meo voto] Lat.: meines Erachtens, nach meinem Wunsch. 122,22–23 aus den weimarischen Steinbrüchen] Vor den Toren der Stadt wurde der Abbau von Travertingestein betrieben, auf Höhe der heutigen Berkaer Straße/Belvederer Allee und weiter südlich, heute in der Nähe der Falkenburg. 123,1 Herrn von Ziegesar] August Friedrich Carl von Ziegesar, der auf dem Rittergut Drakendorf unweit von Wöllnitz wohnte, gehörten Anteile der Wöllnitzer Flur. Voigt antwortete am 28. Mai, dass er Ziegesar diesbezüglich schreiben werde. Ein entsprechender Brief Voigts an Ziegesar ist nicht ermittelt. 123,1–2 begrüßen] Hier im Sinne von ‚jemanden um seine Einwilligung bitten, auf etwas ansprechen‘ (vgl. GWb 2, 242).
98. An Franz Kirms
〈Jena, 27.? Mai 1798〉 → 〈Weimar〉
DAT IERUN G
Laut Briefverzeichnis beantwortete Goethe am 27. Mai in einem nicht überlieferten Schreiben den letzten Brief (Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134v) Franz Kirms’, indem er ihm die zwey ersten Acte von Gleiches mit Gleichem (ebd.) zurücksandte (vgl. EB 54), die ihm Kirms am 26. Mai 1798 zugeschickt hatte mit der Bitte um Besetzungsvorschläge (vgl. RA 2, Nr 1296). Im gleichen Brief hatte Kirms von der Schauspieltruppe Krüger/Bianchi berichtet, die einem Gerücht zufolge nach Frankfurt am Main abreisen wollte statt, wie vertraglich mit der Weimarer Theaterkommission vereinbart, ab 19. Juni in Naumburg zu gastieren (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr A 17). Im vorliegenden Brief wird die im Briefverzeichnis dokumentierte Beilage „Gleiches mit Gleichem“ nicht erwähnt, jedoch auf den zweiten Teil des Bezugsbriefes, in dem das Thema Krüger/Bianchi verhandelt wird, ausführlich eingegangen. Es ist zu vermuten, dass Goethe das Schreiben ebenfalls am 27. Mai verfasste, wegen der unterschiedlichen Themen aber aus Rücksicht auf die Aktenablage zwei Schreiben nach Weimar sandte.
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BRIEF 98
ÜBER L IEF ERU NG
H: LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar Nr 1272/47, Bl. 29. – Doppelblatt 16,9(–17,2) × 20,5(–21,2) cm, 2 S. beschr., egh., Tinte. – In einem gehefteten Faszikel (vgl. Überlieferung zu Nr 102). E: WA IV 13 (1893), 161f., Nr 3803 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Kirms’ Brief vom 26. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1296). Er bezieht sich außerdem auf ein an Herzog Carl August gerichtetes, auf Französisch abgefasstes Schreiben des Schauspieldirektors Antonio Bianchi vom 25. Mai 1798, der um Erlaubnis bat, mit seiner gemeinsam mit Carl Krüger geleiteten Truppe während der Abwesenheit der Weimarer Schauspielgesellschaft in Weimar spielen zu dürfen (vgl. LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar Nr 1272/47, Bl. 31). – Kirms antwortete am 28. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1301). Postsendungen: 27. Mai 1798 (H l. H o f k a m r a t h K i r m s. Antw: auf seinen letzten Brief die zwey ersten Acte von Gleiches mit Gleichem.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134v; vgl. WA IV 13, 433). 123,8 neulich gemeldet] In schriftlicher Form ist hierzu nichts überliefert. 123,9 diesen Sommer auf einige Zeit geschlossen] Das Frankfurter Nationaltheater wurde vom 2. bis 28. Juli 1798 geschlossen (vgl. Chronik der Frankfurter National-Bühne vom Jahr 1798. Nebst Anhang. Frankfurt a. M. o.J., S. 22). 123,9–10 Meine Mutter schriebs] Catharina Elisabeth Goethe hatte am 22. Mai berichtet, dass das Frankfurter Theater „〈w〉egen einer zu machenden Reperatur“ im Juli seine Türen schließen werde (H: GSA 28/356, Bl. 136; vgl. RA 2, Nr 1284). 123,10 einige Schauspieler anfragen] Catharina Elisabeth Goethe hatte bei ihrem Sohn am 22. Mai angefragt, ob das Schauspielerehepaar Bernhard Heinrich Carl und Charlotte Henriette Reinhard während der Schließzeit des Frankfurter Theaters ein Gastspiel in Weimar geben könne (vgl. RA 2, Nr 1284). Reinhard wandte sich mit einem Brief vom 25. Mai auch persönlich in dieser Angelegenheit an Goethe (vgl. RA 2, Nr 1293). Dieser Brief erreichte Goethe jedoch erst, nachdem er das vorliegende Schreiben abgeschickt hatte. Weitere Anfragen aus Frankfurt sind nicht überliefert, jedoch bezeugten im Frühjahr 1798 andere Schauspieler ebenfalls ihr Interesse an Gastspielen in Weimar, so etwa der in Salzburg engagierte Friedrich Satzenhoven mit seinem Brief an Goethe vom 9. Mai (vgl. RA 2, Nr 1275) oder die in Berlin engagierte Schauspielerin Friederike Unzelmann (vgl. Nr 71). 123,11 Sorge] Franz Kirms war besorgt, dass die von Carl Krüger und Antonio Bianchi geleitete Schauspieltruppe, die sie für die Naumburger Messe unter Vertrag
MAI 1798
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genommen hatten (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr A 17) nach Frankfurt am Main gehen und dort ein Engagement eingehen könnte. Dies hätte zur Folge gehabt, dass sie ihren mit der Weimarer Theaterkommission geschlossenen Vertrag für die Spielzeit in Naumburg nicht eingehalten hätte. 123,12–13 daß Kr. und Bianchi Gott dancken werden wenn die Naumburger Messe angeht] Goethe ging davon aus, dass die Schauspieldirektoren Krüger und Bianchi aufgrund ihrer hohen Verschuldung (vgl. u.a. Bianchis Brief an den Herzog vom 25. Mai 1798; LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar Nr 1272/47, Bl. 31) froh sein würden, sechs Wochen während der Messe vor vielen Zuschauern spielen zu können. 123,13–14 Da man die Leute in W. nicht sehen will] Vgl. Nr A 17. 123,15 Serenissimus] Lat.: Durchlauchtigster; Titulierung für den regierenden Fürsten, d.h. Herzog Carl August. 123,15 die abschlägige Antwort durch uns ertheilen] Auf der Rückseite des Briefumschlags von Bianchis Bittschreiben an Herzog Carl August (vgl. LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar Nr 1272/47, Bl. 31) vermerkte Carl August eigenhändig den Hinweis für die Theaterkommission: „Schlagen Sie die Bitte ab.“ (Ebd., Bl. 30.) 123,16–17 eine ruhige, kalte Antwort 〈…〉 auf Serenissimi Befehl] Die Resolution datiert vom 29. Mai 1798 (vgl. Abschrift in LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar Nr 1272/47, Bl. 32). 123,17–18 H. v Luck unterschreibt sie wohl mit] Lebrecht von Luck gehörte neben Goethe und Franz Kirms seit dem 1. August 1797 als drittes Mitglied zur Theaterkommission (vgl. Bradish, 105) und zeichnete mit Kirms die Resolution ab (vgl. LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar Nr 1272/47, Bl. 32). 123,19–20 wenn unsre Gesellschaft abgereist ist] Die Weimarer Theatersaison endete am 16. Juni. Vom 21. Juni bis 15. August 1798 spielte die Weimarer Truppe in Lauchstädt. Die Abreise der Schauspieler erfolgte am 19. Juni (vgl. LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar Nr 1272/10, Bl. 9–10). 123,21 mit ihrer Bitte nochmals wiederkommen] Carl Krüger hatte sich bereits am 14. Mai 1798 (vgl. LATh – HStA Weimar, Generalintendanz des Deutschen Nationaltheaters Weimar Nr 1272/47, Bl. 25) mit demselben Anliegen an Herzog Carl August gewandt (vgl. auch Erläuterungen zu Nr A 17).
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99. An Johann Friedrich Cotta
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Jena, 27. und 28. Mai 1798 → 〈Tübingen〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: SNM/DLA Marbach, Cotta-Archiv (Stiftung der Stuttgarter Zeitung), Sign.: Briefe Goethe Nr 11–12. – 2 Doppelblätter 19(–19,2) × 22,8(–23) cm; 1) 3 S. und 6 Zeilen beschr., 2) 3 ½ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), egh. Unterschrift und egh. Paraphe; S. 8 über dem Brieftext Bearbeitungsvermerk von fremder Hd (Cotta’sche Buchhandlung), Tinte: „Goethe 28 Mai 98 / 8 Jun –. / 11 – quod“; spätere Bleistiftkorrekturen von fremder Hd. – Beischluss zu Schillers Brief an Cotta vom 29. Mai 1798 (vgl. NA 29, 239f.). K: GSA Weimar, Sign.: 30/299, Bl. 9–10 und 12–13. – 2 Doppelblätter; 1) 20,9 × 33,9 cm, 3 ½ S. einspaltig rechts beschr., 2) 20,9(–21,1) × 34 cm, 4 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte. – In einem gebundenen Faszikel (105 Bl.), S. 1 von Schreiberhd (Geist), Tinte: Propyläeen. / Vol. I. / Das Geschäffl betrl: / Correspondenz pp. / 1798.; oben rechts von Schreiberhd (Geist), Tinte: „1.b.“; oben links mit blauem Stift von fremder Hd (sS): „Verl. I C“; auf der Innenseite des hinteren Umschlags egh., Tinte: Der Künstler / 1798. Das Faszikel beinhaltet die Korrespondenz Goethes mit Cotta zur Herausgabe der Zeitschrift „Propyläen“ (1798–1800), darunter 15 Konzepte zu Briefen Goethes an Cotta sowie egh. korrigierte Aufsatzentwürfe, Druckbögen, Kalkulationen und Rechnungen. E: Schiller-Cotta (1876), 297–302. WA IV 13 (1893), 162–167, Nr 3804. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief nimmt Bezug auf Cottas Brief an Friedrich Schiller vom 10. April 1798, den Schiller seinem Brief an Goethe vom 27. April 1798 beischloss (vgl. RA 2, Nr 1239). – Cottas Antwort vom 11. Juni 1798 ist nicht überliefert (vgl. Antwortvermerk Cottas). 124,1 Das Werk, welches wir heraus zu geben gedenken] Der Titel der geplanten neuen Zeitschrift „Propyläen“ stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Schiller, der mit Cotta die vertraglichen Vereinbarungen aushandelte, kündigte das Werk unter dem Titel „Der Künstler“ an (Brief Schillers an Cotta vom 29. Mai 1798; NA 29, 240). Mit diesem bezeichnete Goethe zunächst auch den Umschlag seiner Geschäftsakte mit Cotta (GSA 30/299, Bl. 129; vgl. Überlieferung zu K). Erst im Juli 1798 entschied sich Goethe für den durch Johann Heinrich Meyer vorgeschlagenen Titel „Propyläen“ (vgl. zu 179,22).
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124,2 harmonirender Freunde] Die ursprüngliche Formulierung harmonischer (290,18) korrigierte Goethe in der Ausfertigung eigenhändig zu harmonirender. Gemeint sind Goethe, Schiller und Meyer, die Beiträge für die geplante Zeitschrift versprachen. Die Bezeichnung weist auf den Titel ‚Weimarische Kunstfreunde‘ (‚W. K. F.‘) voraus, mit dem Goethe und Meyer später zahlreiche gemeinsame Beiträge unterzeichneten. 124,3–5 Was aus N a t u r g e s c h i c h t e und N a t u r l e h r e 〈…〉 für den bildenden Künstler brauchbar] Aus den Bereichen der Morphologie und der Farbenlehre boten sich Themen zur Theorie des Lichtes und der Farbe sowie zur Anatomie an. Goethe behandelte diese nicht in den „Propyläen“, sondern in seinen späteren naturwissenschaftlichen Schriften wie „Zur Farbenlehre“ (1810) und „Zur Naturwissenschaft überhaupt, besonders zur Morphologie“ (1817–1824). 124,6 K u n s t] Trotz Cottas Bedenken, dass eine „blos für das KunstPublikum“ (Brief Cottas an Schiller vom 11. April 1798; NA 37 I, 276) bestimmte Zeitschrift keinen Absatz finde, hielt Goethe am Primat der bildenden Kunst fest. Tatsächlich war der spätere Absatz der „Propyläen“ gering und für Cotta ein wirtschaftlicher Misserfolg. 124,10 Dichtkunst und Musik] An poetischen Beiträgen erschienen nur wenige Texte, darunter Goethes Gedichte „Phöbos und Hermes“ (Propyläen II 1, 3) und „Spiegel der Muse“ (ebd. II 2, 3), Wilhelm von Humboldts Abhandlung „Ueber die gegenwärtige französische tragische Bühne. Aus Briefen“ (ebd. III 1, 66–109), zwei von Goethe bearbeitete „Scenen aus Mahomet, nach Voltaire“ (ebd. III 1, 169–179) sowie Schillers Ankündigung „Dramatische Preisaufgabe“ (ebd. III 2, 169–171). Musikalische Beiträge waren in den „Propyläen“ nicht enthalten. 124,13 verbinden] Im Sinne von ‚verpflichten‘. 124,18 Beylage] Gemeint ist das dem Brief beiliegende und auf den 28. Mai datierte umfangreiche Verzeichnis Arbeiten, die theils fertig, theils, mehr oder weniger, in kurzer Zeit zu redigiren und auszuarbeiten sind (125,20–22). Goethe hatte es in den Tagen zuvor erarbeitet (vgl. GT II 1, 245f.). 124,23–24 einzelne Stücke 〈…〉 zwey einen Band] Die „Propyläen“ erschienen zwischen 1798 und 1800 in insgesamt drei Bänden zu je zwei Stücken (vgl. Hagen, 201–203, Nr 483 sowie das Verzeichnis der Beiträge, S. 731–735). 124,25 geheftet ausgegeben] Zu der von Goethe gewünschten Form der Bindung der broschierten Exemplare vgl. zu 195,1–3. 124,26 anständigen Umschlag] Für den Umschlag der „Propyläen“-Hefte wurde mit dem anaglyphischen Verfahren eine neuartige Drucktechnik entwickelt (vgl. zu 178,27–28). 124,27 groß Octav, mit einer mäßigen Zeilenzahl] Die „Propyläen“ wurden im selben Format wie Schillers „Horen“ ausgegeben, allerdings umfasste jede gedruckte Seite nur 24 Zeilen statt der bei den „Horen“ üblichen 28 Zeilen (vgl. zu 186,10–11). Das Oktavformat ergibt sich aus der dreimaligen Faltung eines Pa-
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pierbogens, der auf diese Weise in acht Blätter gebrochen wird, die 16 Seiten ergeben. Die Höhe des Buchdeckels liegt im Großoktav-Format zwischen 22,5 und 25 cm. 124,28 eine allgemeine Einleitung] Mit dem zwischen Mai und August 1798 erarbeiteten Beitrag eröffnete Goethe das erste Stück des ersten Bandes der „Propyläen“ (Propyläen I 1, III–XXXVIII; vgl. zu 182,1). 124,29 Jedes Stück erhielte eine besondere Einleitung] Auf dieses Vorhaben verzichtete Goethe, und es blieb bei seiner umfassenden Einleitung zum ersten Stück des ersten Bandes der „Propyläen“. 125,5–6 Manuscript 〈…〉 nach Johannis abgeliefert werden und 〈…〉 Michael herauskommen.] Goethe übersandte das Manuskript in drei Teilen am 25. Juli, 3. August und 31. August. Der als Stichtag benannte Johannistag (24. Juni) sollte sicherstellen, dass der Band zur Michaelismesse in gedruckter Form vorlag. Das erste Stück der „Propyläen“ erschien Anfang Oktober 1798 (vgl. RA 2, Nr 1513), d.h. zur Herbstmesse, die alljährlich am Sonntag nach dem Michaelistag (29. September) begann. 125,8 Convenienz] Lat. convenientia: Zusammen-, Übereinstimmung, Harmonie. – Hier im Sinne von ‚Bequemlichkeit, Rücksicht auf Umstände und Verhältnisse‘ (vgl. GWb 5, 610). 125,10–11 zwey Bände zur Messe] Zu der am 14. April 1799 eröffneten Ostermesse in Leipzig lagen die beiden Stücke des ersten Bandes sowie das erste Stück des zweiten Bandes vor (vgl. zu 234,3–4). 125,13–15 Könnte Herr Hofrath Schiller 〈…〉 ausarbeiten] Friedrich Schiller lieferte nur zwei kurze Beiträge zum letzten Stück der „Propyläen“: das Sendschreiben „An den Herausgeber der Propyläen“ (Propyläen III 2, 146–163) sowie die Ankündigung „Dramatische Preisaufgabe“ (ebd., 169–171). 125,23 Einleitung] Zur Entstehungsgeschichte von Goethes allgemeiner Einleitung zu den „Propyläen“ vgl. zu 182,1. 125,24 Schema über das Studium der organischen Natur] Zu den im Folgenden angekündigten drei Schemata zur Fundierung der Kunstausbildung durch ein naturwissenschaftliches Studium sind in Goethes Schweizer Reiseakten (GSA 25/W 2633–2634) sowie in seiner Akte zur Herausgabe der „Propyläen“ (GSA 30/299; vgl. LA II 9B, 41–46) verschiedene Vorarbeiten überliefert. Die Schemata sind auch in Goethes vorbereitendem Entwurf „Zu bearbeitende Materie“ (GSA 25/W 3619; WA I 47, 278–281) gelistet. 125,25 Schema über das Studium der bildenden Kunst] Ein entsprechendes unbetiteltes Schema ist im dritten Faszikel von Goethes Schweizer Reiseakten überliefert (GSA 25/W 2634, Bl. 51–52; vgl. WA I 47, 293f.) 125,26–27 Schema über 〈…〉 eine Farbenlehre] Das Thema erörterte Goethe ausführlich erst im „Didaktischen Teil“ seiner „Farbenlehre“ im Kapitel „Sinnlichsittliche Wirkung der Farbe“ (LA I 4, 224–256). In der Einleitung seiner „Far-
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benlehre“ wies Goethe darauf hin, dass er damit für den Maler das Dankenswerteste geleistet habe (ebd., 23). 125,29 Gutachten an einen jungen Mahler] Unter dem Eindruck seiner Gespräche mit dem Bildhauer Johann Heinrich Dannecker hatte Goethe am 4. September 1797 in Stuttgart einen entsprechenden kurzen didaktischen Text zu Papier gebracht („Vortheile, die ein junger Mahler haben konnte, der sich zuerst bey einem Bildhauer in die Lehre gäbe“; GSA 25/W 2633, Bl. 25; WA I 47, 247f.; vgl. GT II 1, 170). Auf dessen Grundlage erarbeitete Meyer im September 1798 seinen Aufsatz „Gutachten über die Ausbildung eines jungen Mahlers“ (GSA 25/W 3596, Bl. 8–11; WA I 47, 249–253; vgl. RA 2, Nr 1498). Beide Texte wurden nicht in den „Propyläen“ veröffentlicht. 125,33 Ueber Dilettantism, seinen Nutzen und Schaden] Die entsprechenden tabellarischen Schemata erarbeiteten Goethe und Schiller im Mai 1799 (WA I 47, 299–317). Sie wurden – wie alle weiteren Paralipomena zu dieser Thematik – nicht veröffentlicht (vgl. EGW 3, 63–71). 125,33–34 Rath an Dilettanten und Künstler] Derselbe Wortlaut auch im „Propyläen“-Schema „Zu bearbeitende Materie“ (GSA 25/W 3619, Bl. 2; WA I 47, 280). Ein entsprechender Text ist nicht ermittelt. 126,1 Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst] Johann Heinrich Meyers Aufsatz „Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst“ (Propyläen I 1, 20–54 und I 2, 45–81). Zur Entstehung dieses für die Kunstauffassung der „Weimarischen Kunstfreunde“ zentralen Abhandlung vgl. zu 79,14. 126,3 Ueber Heinrich Fuisli’s Arbeiten] Eine auf den 9. August 1797 datierte Vorarbeit gleichen Titels ist in Goethes Akten zur Schweizer Reise überliefert (GSA 25/W 2632, Bl. 33; vgl. WA I 47, 347 und GT II 1, 126). Goethe beabsichtigte, die Werke des Zürcher Malers und Graphikers Johann Heinrich Füßli aus dessen Biographie und in ihrer Beziehung zur Dichtkunst zu erläutern. Besondere Berücksichtigung sollte Füßlis Gemälde „Die drei Eidgenossen beim Schwur auf dem Rütli“ finden, das Goethe am 24. Oktober 1797 im Zürcher Rathaus gesehen hatte (vgl. GT II 1, 222) und deren Vorzeichnung sich in der Graphiksammlung von Herzog Carl August befand (KSW, Museen, Inv.-Nr KK 1383; vgl. Hermann Mildenberger: Im Blickfeld der Goethezeit I. Aquarelle und Zeichnungen aus dem Bestand der Kunstsammlungen zu Weimar. Berlin 1997, S. 196f., Nr 78). Durch die Vermittlung Johann Caspar Lavaters war Goethe seit 1779 im Besitz eines Konvoluts von Zeichnungen Füßlis sowie von Johann Heinrich Lips geschaffenen Nachstichen (vgl. GB 3 II, zu 358,1–2; vgl. Schuchardt 1, 123, Nr 200 und 264, Nr 318). Zu den Goethe nachweislich bekannten Werken Füßlis zählten ein 1796 für John Boydells „Shakespeare Gallery“ publizierter und von Jean Pierre Simon geschaffener Nachstich zum Gemälde „Titania liebkost Bottom mit dem Eselskopf (Sommernachtstraum, IV. Akt, 1. Szene)“ (vgl. BuG 4, 263 und KSW, Museen, Inv.-Nr Reg-2014/3373) sowie die Kupferstiche zu
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Erasmus Darwins Lehrgedicht „The Botanic Garden“ (1791; vgl. zu 30,26). Der in Zusammenarbeit mit Johann Heinrich Meyer geplante Aufsatz über Füßli kam nicht zustande. Zu Goethes intensiver wie lebenslanger Beschäftigung mit Füßli vgl. Petra Maisak: „Goethe – und Füßli – vortrefflich zusammengepaart“. Johann Heinrich Füßli im Blickfeld Goethes. In: GJb 135 (2018), 89–105. 126,7 Ueber Laokoon] Unter diesem Titel erschienen zwei Beiträge in den „Propyläen“: Goethes Aufsatz „Ueber Laokoon“ (Propyläen I 1, 1–19) sowie Meyers kurzer Text „Einige Bemerkungen über die Gruppe Laokoons und seiner Söhne“ (ebd. I 2, 175f.). 126,8 Ueber Niobe und ihre Kinder] Johann Heinrich Meyers Aufsätze „Niobe mit ihren Kindern“ (Propyläen II 1, 48–91) und „Die Familie der Niobe. Nachtrag“ (ebd. II 2, 123–140). Zu Inhalt und Entstehungsgeschichte vgl. zu 108,18. 126,9 Ueber Etrurische Monumente] Johann Heinrich Meyers Aufsatz „Ueber Etrurische Monumente“ (Propyläen I 1, 66–100). Zu Inhalt und Entstehungsgeschichte dieser in zwei Briefen veröffentlichten Schrift vgl. zu 176,18. 126,13 Ueber Rafael] Johann Heinrich Meyers in zwei Fortsetzungen veröffentlichter Aufsatz „Rafaels Werke besonders im Vatikan“ (Propyläen I 1, 101–127, I 2, 82–163 und III 2, 75–96 [unter dem Titel „Rafaels Werke im Vatikan“]). Zu Inhalt und Entstehungsgeschichte vgl. zu 108,23–24. 126,14 Mantua] Johann Heinrich Meyers Aufsatz „Mantua im Jahre 1795“ (Propyläen III 2, 3–66). Zu Inhalt und Entstehungsgeschichte vgl. GB 14 II, zu 91,5. 126,15 Ueber Restauration] Johann Heinrich Meyers Aufsatz „Ueber Restauration von Kunstwerken“ (Propyläen II 1, 92–123). Das eigenhändige Konzept ist in Meyers Nachlass überliefert (vgl. GSA 64/23). 126,18–19 Betrachtungen 〈…〉 zu treiben sey] Auf welche Vorarbeiten sich Goethe bei dem hier angekündigten Beitrag über die Bedeutung einer kunsthandwerklichen Ausbildung und Tätigkeit stützen konnte, ist unklar. Entsprechende Aufzeichnungen sind aus dem Zeitraum der Schweizer Reise nicht überliefert. Lediglich eine Notiz im Tagebuch seines Reisebegleiters Ludwig Geist belegt Goethes Interesse für die Weberei und den Garnhandel (vgl. GT II 2, 787). Möglicherweise steht sie im Zusammenhang mit Meyers undatierter Beschreibung der Schweizer „Baumwollen Manufactur“ (GSA 25/W 2202, vgl. WA I 25.2, 261–271), die sich Goethe 1810 von Meyer erbat, um sie später im Roman „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ zu verarbeiten (vgl. GT IV 1, 139 und GT VII 1, 239). Im Rahmen seiner amtlichen Tätigkeiten setzte sich Goethe wiederholt für die Förderung der Spinn- und Webindustrie im Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach sowie für die Einrichtung einer Stickerei-Klasse an der Freien Zeichenschule ein. Das Thema fand in den „Propyläen“ allerdings keine Berücksichtigung.
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126,21–22 Briefe 〈…〉 an Wilhelm Meister anschliessend] Mit diesem und den folgenden beiden Vorschlägen dürfte Goethe den Bedenken Cottas und Schillers entsprochen haben, dass eine ausschließlich kunstwissenschaftlich ausgerichtete Zeitschrift keine Käufer finde (vgl. zu 108,25–27). Goethe führte das Vorhaben, seinen Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ (1796) in Form einer Brieferzählung fortzusetzen, nicht aus. Zu den wenigen Vorarbeiten gehören zwei Briefe Jarnos an Therese und an Friedrich bezüglich der weiteren Ausbildung von Felix (GSA 25/ W 2224; vgl. FA/Goethe I 10, 839–843) sowie das in den Geschäftsakten mit Cotta überlieferte Schema zu einem Brief Wilhelm Meisters an Natalie (GSA 30/299, Bl. 16; vgl. FA/Goethe I 10, 844). 126,23 Bemerkungen] Der Johann Heinrich Meyer zugedachte Beitrag wurde nicht ausgeführt. 126,26 Etwas über die Schweitz besonders Schilderung von Stäfa.] Während seiner Schweizer Reise hatte sich Goethe im Herbst 1797 in Stäfa aufgehalten, dem am Zürichsee gelegenen Geburtsort Meyers (vgl. GT II 1, 195–199, 219–221). Die dort entstandene Beschreibung der Aussicht vom Balkon seines Zimmers, die Goethe seinem Brief an Herzog Carl August vom 17. Oktober 1797 beilegte (vgl. WA IV 12, 334), ist in Goethes Reiseakten überliefert (GSA 25/W 2634, Bl. 17, vgl. WA I 34.1, 410f.). Das ebenfalls enthaltene Schema „Nachtrag zu einer Beschreibung von Stäfe“ (GSA 25/W 2634, Bl. 33–34; vgl. GT II 2, 590f.) lässt vermuten, dass Goethe seinen Beitrag entsprechend erweitern wollte. Das Vorhaben wurde nicht umgesetzt. 126,28–29 Vorrath zur Geschichte der Florentinischen Schule] Zu Johann Heinrich Meyers umfangreicher Materialsammlung zur florentinischen Kunstgeschichte vgl. zu 62,5–6. 126,30 neuen Ausgabe des Cellini] Zu Goethes Vorhaben einer vollständigen Übersetzung der Autobiographie des florentinischen Bildhauers Benvenuto Cellini vgl. zu 62,4–5. Schiller hatte Cotta bereits am 28. März 1798 darüber informiert, dass Goethe anlässlich der Herausgabe der „Propyläen“ eine vollständige und um historische Erläuterungen erweiterte Ausgabe plane, die er „an die Suite dieses Werks 〈die ‚Propyläen‘〉 anzuhängen“ gedenke (NA 29, 223). Cotta lehnte dies mit dem Hinweis auf die kürzliche „Horen“-Veröffentlichung und das geringe Leserinteresse jedoch ab (vgl. NA 37 I, 276). Die Ausgabe erschien als eigenständige Buchausgabe erst im Mai 1803 in Cottas Verlagsbuchhandlung. 126,32 eine Ausarbeitung] Die genannten Gegenstände werden in der Einleitung knapp thematisiert, eine eigens dafür angefertigte Abhandlung ist nicht bekannt. 127,4 Dislocationen] Mittellat. dislocare: verschieben, verlagern, hier bezogen auf den Kunstraub der Franzosen in Italien und die Überführung der Kunstwerke nach Paris (vgl. GWb 2, 1220). 127,15 nichts ins Publikum] Wie Schiller befürchtete auch Goethe vor allem die Indiskretionen Carl August Böttigers (vgl. zu 60,4).
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127,20–21 Ankündigung 〈…〉 in die Weltkunde] Eine erste Anzeige der „Propyläen“ erfolgte am 2. November 1798 in der Beilage der „Allgemeinen Zeitung“ (vormals „Neueste WeltKunde“; vgl. zu 226,28–29).
100. An Christian Gottlob Voigt
Jena, 29. Mai 1798 → 〈Weimar〉
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H: LATh – HStA Weimar, Bergwerke B 16077, Bl. 171. – 1 Bl. 19,7 × 27,7 cm, 1 2⁄3 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – In einem Handschriftenkonvolut (vgl. Überlieferung zu Nr 97). E: Goethe-Voigt1 (1868), 213f., Nr 76 (Otto Jahn). WA IV 13 (1893), 167–169, Nr 3805 (nach E; Hinweis auf H und Textkorrekturen in den „Berichtigungen“, vgl. WA IV 50 [1912], 220). BEIL AG EN
Zwei amtliche Schreiben in Konzeptform (vgl. zu 127,22). ERL ÄUT ERUNGEN
Das Schreiben beantwortet Christian Gottlob Voigts Briefe vom 27. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1300) und 28. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1302). – Voigts nächster Brief vom 29. Mai 1798 enthält nur die Aufforderung an Goethe, nach Weimar zu kommen (vgl. RA 2, Nr 1303). Postsendungen: 29. Mai 1798 (H l. G e h. R a t h Vo i g t. Bergwerksconcepte. wegl. Schelling; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 134v; vgl. WA IV 13, 433). 127,22 Die beyden Concepte] Voigt hatte Goethe am 27. Mai noch vor seiner Abreise nach Eisenach, wohin er Herzog Carl August begleitete, „die Konzepte wegen Ilmenau“ geschickt (Goethe-Voigt2 2, 71). Bei dem ersten Konzept handelt es sich um einen Entwurf von Voigts Hand zur Benachrichtigung der Kuxinhaber über die gegenwärtige Situation im Ilmenauer Bergbau. Der Text, datiert auf den 29. Mai 1798, wurde nach diesem Konzept, zuzüglich der von Goethe vorgenommenen Korrekturen, gedruckt (LATh – HStA Weimar, Bergwerke B 16291, Bl. 54 und 57; der Druck ist in die Mitte des Doppelblattes geheftet, vgl. ebd., Bl. 55–56) Das zweite Konzept ist ein, ebenfalls auf den 29. Mai 1798 datiertes Schreiben „An das fürstL. BergbauAmt zu Ilmenau“ (ebd., Bl. 61), in dem von der Bergwerkskommission die Anweisung gegeben wird, „den ganzen Stollen genau zu untersuchen, und alle Vorsorge zu tragen, daß dergleichen Unglücksfall sich nicht wieder ereignen könne“ (ebd.). Gemeint war der Stollenbruch im Ilmenauer Bergwerk im
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Oktober 1796, der schließlich das Schicksal des Unternehmens besiegelte und zur Aufgabe des Ilmenauer Bergbaus 1812/13 führte. Das ebenfalls von Voigt verfasste Konzept enthält weitere Anordnungen zur Prüfung der Sicherheit des Kunstzeugs. 127,22 Nachricht] Die auf den 29. Mai 1798 datierte, von Goethe und Christian Gottlob Voigt unterzeichnete Nachricht über den Ilmenauer Bergbau enthält den dringenden Aufruf an alle Kuxinhaber, die notwendig gewordenen Zubußen zu zahlen, um den Fortgang des Bergbaus gewährleisten zu können. Im Dezember 1797 war entschieden worden, dass „innerhalb Eines Jahres, als der zur Ausführung nöthigen Zeit, eine Quartalzubuße von Zwey Laubthalern für jeden Kux“ (H: LATh – HStA Weimar, Bergwerke B 16291, Bl. 55) erforderlich sei. Die Mehrheit der Kuxinhaber unterließ aber eine solche Zahlung, so dass nun der Fortgang des Unternehmens erheblich gefährdet war. 127,23 den enclavirten Schluß] Enklavieren, von franz. enclaver: einklammern (vgl. GWb 3, 110). – Bereits in seinem Bezugsbrief vom 27. Mai hatte Voigt es Goethes Urteil überlassen, ob „die S c h l u ß k l a u s e l so stehen könne“ (GoetheVoigt2 2, 71). Die von Voigt verfasste Version endete mit einem pessimistischen Blick auf die Lage: „Die gesamte Bergwerkschaft, die zu Erreichung des Zweckes schon so viel geleistet hat, wird hoffentlich zu dessen eigener Erreichung zuletzt nicht noch die Mittel versagen wollen, und eher muß man wünschen und bitten sich ausdrücklich ganz loszusagen, als die Direction länger in einer Ungewisheit zu lassen, woraus sie selbst schon den Vorwurf einer Unbilligkeit zu erregen, sich vor der Hand nicht wohl ziehen könne.“ (H: LATh – HStA Weimar, Bergwerke B 16291, Bl. 57.) Goethe milderte die Passage ab, so dass in der gedruckten Fassung zu lesen war: „Die gesammte Berggewerkschaft, die schon so viel geleistet hat, wird hoffentlich zu eigener Erreichung des nächsten Zweckes gegenwärtig die Mittel nicht zurückhalten wollen.“ (Ebd., Bl. 56.) 127,23–24 wie ich mit Bleistift bemerkt habe, schliessen] Die von Goethe mit Bleistift angefertigte egh. Ergänzung auf Voigts Konzept wurde offenbar später von fremder Hd (?) mit Tinte nachgefahren (vgl. LATh – HStA Weimar, Bergwerke B 16291, Bl. 57). Die Bleistiftkonturen sind jedoch noch zu erkennen. 127,25 kleinen Versuch auf das Erdpech] Goethe hatte wegen der Holzknappheit im Herzogtum Nachforschungen zu Kohlevorkommen in den gipshaltigen Felsen der Wöllnitzer Flur bei Jena angeregt. Da Asphalt (Erdpech), wie Voigt am 28. Mai mitteilte, „oft ein Begleiter der Steinkohlen ist“ (Goethe-Voigt2 2, 72), sollte an Stellen von Erdpech-Aufkommen ebenfalls gesucht werden. Der Versuch führte jedoch nicht zu einer praktikablen Lösung (vgl. auch Maria Wagner: Goethe und die Forstwirtschaft. Remagen 2007, S. 88–90). 127,25 Serenissimo] Dativ von lat. Serenissimus: Durchlauchtigster; Titulierung für den regierenden Fürsten, d.h. Herzog Carl August. 127,27 Emissarien] Beauftragte (vgl. GWb 3, 55).
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127,28–29 den Brief an Herrn von Zigesar] August Friedrich Carl von Ziegesar, der auf dem Rittergut Drakendorf unweit von Wöllnitz wohnte, gehörten Anteile der Wöllnitzer Flur. Dort wollte Goethe zur Gewinnung von alternativen Brennmaterialien eine Sprengung vornehmen lassen, um das Gestein untersuchen zu können (vgl. 122,22–26). Ein (amtliches) Schreiben an Ziegesar in dieser Angelegenheit ist nicht überliefert. 127,29 in Drakendorf] Das Gut Drakendorf bei Lobeda, einem nur wenige Kilometer südlich von Jena gelegenen Städtchen, gehörte dem Gothaischen Geheimen Rat August Friedrich Carl von Ziegesar. Das zur Untersuchung gehörende Gebiet lag in dessen Gutsbezirk in unmittelbarer Nähe des Gutes. 127,29–128,1 Er geht heute, hör ich, hier durch] Nicht ermittelt. Weder in Goethes Tagebuch, noch im Fourierbuch erwähnt. 128,2–3 bey dem Angriff selbst davon zu benachrichtigen] Wann Ziegesar informiert wurde, ist nicht bekannt. 128,4–5 den Doctor S c h e l l i n g als Professor hierher zu ziehen] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling hielt sich zu Pfingsten, vom 27. bis 30. Mai 1798, in Jena auf, wo es am 28. Mai im Hause Schillers zu einer ersten persönlichen Begegnung mit Goethe kam (vgl. GT II 1, 246). Am 29. und 30. Mai unternahm Goethe laut Tagebuch mit ihm optische Versuche (ebd.). Eine Berufung Schellings an die Jenaer Universität als Lehrender ohne Honorar war im Frühjahr 1798 bereits von Fichte betrieben worden. Voigt, der für den Weimarer Hof für Schelling eintrat, wurde schließlich mit der Ablehnung seitens der Höfe Sachsen-Coburg und Gotha konfrontiert. Schiller hatte sich erneut am 10. April 1798 für seine Berufung als außerordentlicher Professor für Philosophie bei Goethe eingesetzt (vgl. hierzu die einleitende Erläuterung zu Nr 126). In seinem nächsten Brief an Voigt vom 〈21. Juni〉 listet Goethe die Gründe für eine Berufung Schellings an die Universität Jena auf (vgl. Nr 115). 128,8 Sanscülotten-Tournüre] Von franz. sansculottes: ohne Kniebundhose; Bezeichnung der Pariser Arbeiter und Kleinbürger zur Zeit der Französischen Revolution und von franz. tournure: Wendung, hier im Sinne von ‚zum Sansculottismus tendierend‘, ‚revolutionär mit republikanischer Gesinnung‘ verwendet. Der Ruf eines Revolutionärs ging Schelling noch aus Studientagen voraus. 128,9 mäßig] ‚Maßvoll, bescheiden‘ (vgl. GWb 5, 1491). 128,12 daß Sie nun Thouret werden gesehen haben] Voigt hatte im ersten Bezugsbrief mitgeteilt, dass er von dem am 25. Mai in Weimar eingetroffenen Stuttgarter Architekten Nikolaus Thouret „weiter noch nichts vernommen“ habe (Goethe-Voigt2 2, 72; vgl. zu 120,28–29). Auch am Folgetag war Thouret Voigt nicht vorgestellt worden, was er im zweiten Bezugsbrief entsprechend monierte: „Auf den Mittwoch will ich Wolzogen sagen, daß er ihn mir bekannt machen soll, was er schon getan haben könnte, wenn er nicht allzu gern einseitig handelte.“ (Goethe-Voigt2 2, 73.) Zu Voigts kritischer Bemerkung zu Wilhelm von Wolzo-
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gen, auf die Goethe im Folgenden ebenfalls anspielt, sowie zu Wolzogens Bekanntschaft mit Thouret vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr A 2. 128,16 der vollkommenen Bessrung] Der Herzog war, so Voigt in seinem Brief vom 29. Mai, noch nicht so weit hergestellt, dass er die Tafel besuchen konnte. Auch auf seiner Reise nach Eisenach musste er „alle Anstrengung vermeiden“ (GoetheVoigt2 2, 74; vgl. RA 2, Nr 1303). 128,17 einmal besuchen] Ein Besuch Voigts in Jena kam nicht zustande, jedoch wurde Goethe auf Wunsch des Herzogs durch Voigts Brief vom 29. Mai für den 31. Mai nach Weimar zurück beordert (vgl. RA 2, Nr 1303).
101. Johann Ludwig Geist an Christiane Vulpius Jena, 30. Mai 1798 → Weimar ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 86–87. – Doppelblatt 19,8 × 27,8 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), Tinte; S. 4 Adresse: An Demoiselle / Demoiselle Christiana Vulpius / Hochedlgebl: / in / We i m a r. / d u r c h e i n e n b e z a h l t e n / E x p r e s s e n.; Reste eines roten Gemmensiegels: Amor und Psyche (vgl. Abb. bei Femmel/Heres, 25), Papierausriss durch Öffnen des Siegels. Ungedruckt. ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt. – Der Brief wurde mit einem Extraboten nach Weimar (vgl. Postsendungen) geschickt, um Christiane die Ankunft Goethes am nächsten Morgen zu melden. Postsendungen: 30. Mai 1798 (Extra Bote nach W.; GR/Jena 1798, 1, Bl. 4v; zu einem weiteren Eintrag zum selben Datum vgl. EB 57). 128,25 Demoiselle] Franz. für ‚Fräulein‘: geläufige Anrede einer unverheirateten Frau aus bürgerlichem Stand, „welche man nicht schlechthin bey ihrem Nahmen nennen will und darf, und auch nicht für vornehm genug hält, sie mit dem Franz. Mamsell oder Mademoiselle anzureden“ (Adelung 2, 1449). 128,26–27 Auf einen Brief] Christian Gottlob Voigt teilte Goethe am 29. Mai 1798 mit, dass Herzog Carl August ihn vor seiner Abreise nach Eisenach am 31. Mai 1798 in Weimar zu sehen wünsche (vgl. RA 2, Nr 1303), um mit ihm über Schlossbauangelegenheiten zu sprechen, nachdem der lange erwartete Stuttgarter Architekt Nikolaus Thouret mit einmonatiger Verspätung am 25. Mai 1798 in Weimar eingetroffen war. Die Abreise erfolgte schließlich erst am 1. Juni 1798 (vgl. FB 1798, S. 98).
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BRIEFE 102/103
129,1 nach Weimar, wenigstens auf einen oder ein paar Tage] Goethe blieb fünf Tage in Weimar und kehrte am 4. Juni 1798 wieder nach Jena zurück. 129,2–3 wir werden also morgen 〈…〉 ankommen] Die Abreise ist im Tagebuch für den 31. Mai um 5.30 Uhr verzeichnet (vgl. GT II 1, 247). 129,4 und auch zugleich Seife] Seife war in Jena preiswerter als in Weimar. Christiane Vulpius hatte Goethe deshalb mehrfach darum gebeten, ein Stück zu besorgen. In Goethes Rechnungen ist für den 30. Mai der Kauf von ½ Stein Seife (GR/Jena 1798, 1, Bl. 4v) mit 1 rh. 15 gL vermerkt. 129,5 Der Herzog geht] Herzog Carl August reiste am Freitag, den 1. Juni 1798, nach Eisenach ab (vgl. FB 1798, S. 98). 129,8 Augustchen] Goethes und Christianes Sohn August. Christiane Vulpius verwendet diesen Kosenamen auch von 1793 bis 1806 bei der Aufzeichnung der Ausgaben in den Rechnungsbüchern in der oberen Spalte: „Vor mich und Augustchen“ (passim, z.B. GR/RB 1798, 3, Bl. 5). Goethe bezeichnet den Sohn in seinen Briefen des vorliegenden Zeitraums meist als das Kind oder den Kleinen ohne Vornamen, nur an einer Stelle nennt er ihn Gustel (187,17).
102. Georg Christoph Steffany an Friedrich Heinrich Gotthelf Osann Weimar, 6. Juni 1798 → Weimar ÜBER L IEF ERU NG
H: LATh – HStA Weimar, Lehnswesen A 4314, Bl. 230, 233. – Doppelblatt 20,3 × 33 cm, 2 S. beschr., egh. (Steffany), Tinte; S. 4 Adresse: Dem Wohlgebohrnen und Hochgelahrten / Herrn, Herrn Friedrich Heinrich Gotthelf / Osann, Fürstl. Sächsl. Weimarl. Hochbestallten / Regierungs- und OberConsistorial Rath, als / zur Sache gnädigst verordneten Herrn Commissario. / Meinen insonders hochzuverehrenden Herrn / Weimar.; rotes Siegel mit Bildmotiv, wahrscheinlich aus dem Besitz Steffanys (Initiale „S“ auf Schild, an Säule gelehnt); Bl. 2 Papierverlust durch Öffnen des Siegels; S. 1 rechts oben Eingangsvermerk: „eingeg. d. 18. Jun. 1798“. WA: Nicht gedruckt. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Auftragsbrief nimmt Bezug auf ein Schreiben Friedrich Heinrich Gotthelf Osanns vom 30. Mai 1798 (GSA 28/21, Bl. 69; nicht in RA). – Ein Antwortschreiben ist nicht bekannt. 129,19 der zu stellenden Taxatoren] Zur Notwendigkeit der Ernennung von Taxatoren vgl. zu 142,14. 129,21–22 des unterm 30n vergangenen Monats erlaßenen Circularis] Die Erklärung wegen der zu benennenden Taxatoren betreffend. Osann teilte Goethe
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am 30. Mai 1798 zum einen mit, dass der Adjudikationstermin vom 21. auf den 22. Juni verlegt werde, zum anderen kündigte er an, dass demnächst alle Interessenten über die zu benennenden Taxatoren informiert werden würden (vgl. GSA 30/39, Bl. 69). 129,24 wahlenden] Versehentlich statt ‚wählenden‘. 129,24–25 sistiren] Von lat. sistere: einstellen. 129,25 prasentiren] Versehentlich statt ‚präsentiren‘. 129,26–27 Erklärung wegen der unmittelbaren Übergabe des Guths] Die Übergabe fand in zwei Schritten (und damit auch an zwei Tagen) statt: Zunächst erfolgte die Übergabe der Pächter an die Gutsverkäufer, dann die Übergabe von allen Interessenten bzw. der Fürstlichen Kommission an den Käufer Goethe. 130,2 überhaupt alle jura] Durch diese Erklärung war Steffany noch einmal ausdrücklich als Goethes Bevollmächtigter auch bei der Übergabe des Gutes festgelegt. 130,3 großten] Versehentlich statt ‚größten‘.
103. An Johann Heinrich Meyer
Jena, 8. Juni 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 64/69,3. – Doppelblatt 13,9 × 19,9 cm, 1 S. und 3 Zeilen beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Paraphe, Tinte; S. 3 Adresse: An / Herrn Professor Meyer.; Bl. 2 Reste eines roten Gemmensiegels: Amor mit den Waffen des Herkules (vgl. Femmel/Heres, 71, K 3); S. 2 und S. 3 egh. Zeichnungen Johann Heinrich Meyers mit brauner Feder: Dekorationsentwürfe für eine Rahmenleiste oder einen Wandfries (Palmetten und Blattwerk, Eicheln, Zapfen). – Spätere Absatzkennzeichnungen von fremder Hd (Friedrich Wilhelm Riemer?), Bleistift (vgl. E1). E1: Riemer, Goethe-Briefe (1846), 63, Nr 30 (Teildruck: 130,17–22 Schiller befindet sich 〈…〉 Rettung finden kann. fehlt). E2: WA IV 13 (1893), 170, Nr 3807 (Teildruck: 130,26–27 Wenn Facius 〈…〉 communicabel ist. fehlt; abgedruckt ebd., 398). E3: Goethe-Meyer 2, 40, Nr 135. ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Meyer antwortete am 12. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1327). Postsendungen: 8. Juni 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 135r; vgl. WA IV 13, 433); 8. Juni 1798 (Porto nach W; GR/Jena 1798, 1, Bl. 5r); 8. Juni 1798 (vgl. GT II 1, 248).
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BRIEF 104
130,12–13 hier in allerley Geschäfften 〈…〉 zugebracht] Goethe hielt sich seit Montagnachmittag, dem 4. Juni, in Jena auf (vgl. GT II 1, 247f.). Die ersten Tage beinhalteten tägliche Begegnungen mit Friedrich Schiller, die Aufsicht über die Planierung des am botanischen Garten aufgeschütteten Fürstengrabens sowie die Lektüren von Nicolas Edme Rétif de La Bretonnes Autobiographie „Monsieur Nicolas“ und von Friedrich Wilhelm Joseph Schellings Schrift „Von der Weltseele“. Am Vormittag des 7. Juni arbeitete Goethe an seinem Aufsatz „Ueber Laokoon“, den er für den Druck im geplanten ersten Heft seiner Kunstzeitschrift „Propyläen“ vorbereitete. 130,14 Ihren Kunstverwandten] Gemeint sind der mit dem Ausbau des Residenzschlosses beauftragte Stuttgarter Architekt Nikolaus Thouret und der ihn begleitende Dekorationsmaler Carl Heideloff. Goethe hatte sich mit beiden am Abend des 3. Juni 1798 vor seiner Abreise nach Jena getroffen (vgl. GT II 1, 247). Auch dürfte Goethe hier an den Medailleur Friedrich Wilhelm Facius denken, der am Deckblatt zur geplanten Zeitschrift „Propyläen“ arbeitete. 130,15–16 Schreiben Sie mir 〈…〉 wie Thouret avancirt und was Sie 〈…〉 auguriren.] Der seit langem erwartete Stuttgarter Architekt Nikolaus Thouret war am 25. Mai 1798 in Weimar eingetroffen (vgl. zu 120,28–29). Meyer antwortete, dass er von Thouret „nun ein paar Zeichnungen gesehen“ habe, dieser „sehr fleißig und seine Arbeit sauber“ sei und er „Einwendungen ertragen“ könne (Goethe-Meyer 2, 41); unzufrieden zeige sich Thouret mit dem schleppenden Fortgang der Arbeiten am Kabinett der Herzogin, wobei Meyer „etwas Chicane“ (ebd.) seitens der heimischen Arbeitskräfte vermutet. – Avanciren: franz. avancer: vorankommen, in einer Arbeit Fortschritte machen (vgl. GWb 1, 1303). – Auguriren: lat. augurare: vorhersagen, prophezeien, aufgrund bestimmter Anzeichen ein Urteil über eine künftige Entwicklung abgeben (vgl. GWb 1, 1086). 130,17–18 unsere Unterhaltungen sind sehr fruchtbar] Goethe traf sich mit Schiller an den Abenden des 4., 5. und 7. Juni sowie am Mittag des 6. Juni (vgl. GT II 1, 247f.). Die Gespräche umfassten Themen wie die literarische Gattung der autobiographischen „confessiones“, Goethes Weiterarbeit am „Faust“ sowie Schriften wie Johann Gottlieb Fichtes „Grundlage des Naturrechts“ und Friedrich Wilhelm Joseph Schellings „Von der Weltseele“. 130,18–19 leider bringt mich seine Gartenbaukunst 〈…〉 zur Verzweiflung.] Für sein 1797 erworbenes Gartenanwesen plante Schiller einige Baumaßnahmen (vgl. zu 61,5). Goethe unterstützte diese Vorhaben, sah sie aber aufgrund von Schillers dilettantischer Unbefangenheit und der vorhersehbaren Verzögerungen zunehmend kritisch und drängte wiederholt auf ihren Abschluss (vgl. zu 163,26–27; vgl. 174,5–17). Selbst Schiller betonte, dass er aufgrund der Arbeiten seinen Garten „nur halb genießen“ könne (an Wilhelm Friedrich Hermann Reinwald, 19. Juli 1798; NA 29, 254) und ihn die Arbeiten „öfters als nöthig ist vom Geschäft“ abzögen (an Goethe, 20. Juli 1798; NA 29, 256; vgl. RA 2, Nr
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1391). Schillers gestalterische Maßnahmen waren eher einer ökonomischen, praktisch orientierten Haushaltung verpflichtet und folgten weniger einem ästhetischen Prinzip. 130,19 neue Küche] Das räumlich vom Gartenhaus separierte neue Küchengebäude befand sich in der nordwestlichen Ecke von Schillers Garten. Schiller hatte das kleine, mit einem Vorbau an der Ostseite versehene Gebäude bereits 1797 in massiver Bauweise an Stelle einer älteren Gartenhütte errichten lassen (vgl. Schillers Brief an Goethe vom 27. Februar 1798; RA 2, Nr 1166). Die abseitige Lage erwies sich auch bei regnerischer Witterung als nachteilig. 130,19 Nw. Wind] Wind aus nordwestlicher Richtung. 130,23–24 schreiben sie mir wie weit auch Sie 〈…〉 gekommen sind] Meyer antwortete, dass er mit seiner Arbeit nicht so rasch vorankomme wie geplant. Neben seiner Tätigkeit für den Schlossausbau war Meyer in diesen Tagen mit den Umschlag-Entwürfen für den „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ und die „Propyläen“ sowie der Ausführung seines Entwurfs für das Fresko „Musentanz“ am Römischen Haus beschäftigt. 130,26 Facius] Der Medailleur Friedrich Wilhelm Facius war mit Probedrucken für das Deckblatt zur geplanten Zeitschrift „Propyläen“ beauftragt worden. 130,27 schicken mir was communicabel ist] Meyer antwortete, das Facius „bis jetz noch nichts von seinen Versuchen sehen oder hören“ ließ (Goethe-Meyer 2, 42). Vermutlich suchte Meyer daraufhin den Kontakt zu Facius, dessen Entwürfe er als – nicht überlieferte – Beilage seines Briefes vom 12. Juni an Goethe übersandte (vgl. zu 137,5–6). Möglicherweise handelt es sich bei den auf Goethes Brief enthaltenen eigenhändigen Federzeichnungen Meyers um entsprechende Ideenskizzen, die Meyer nach dem Empfang von Goethes Brief auf das Papier brachte (vgl. Überlieferung). – Communicabel: mitteilbar, vorzeigbar (vgl. GWb 5, 538).
104. An Johann August Bernhard Rühlmann
Jena, 8. Juni 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 30/39, Bl. 72, 91. – Doppelblatt 20,5 × 33,8 cm, 1 ¼ S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 linke Spalte oben Adresse: An Herrn Landkammerrath / Rühlemann. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (vgl. Überlieferung zu Nr 49). E: WA IV 13 (1893), 170f., Nr 3808 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K.
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BRIEF 104
BEIL AG E
Papiere (vgl. zu 134,3). ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Rühlmann antwortete am 16. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1340). Postsendungen: 8. Juni 1798 (H l. L a n d k a m m e r r a t h R ü h l e m a n n. Die Oberroßlaer Guthsacten übersendet. Anfrage wegen Ueberbringung der Fluhrcharten.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 135r; vgl. WA IV 13, 433); 8. Juni 1798 (Porto nach W; GR/Jena 1798, 1, Bl. 5r); 8. Juni 1798 (vgl. GT II 1, 248). Johann August Bernhard Rühlmann (auch Rühlemann) (1759–1834) war Jurist und Kammerbeamter im Weimarer Herzogtum. 1782 trat er die Nachfolge von Johann Friedrich Vulpius, dem Vater von Christiane und Christian Vulpius, als Amtsactuarius an. 1791 wurde er Kammerkonsulent und Hofadvokat. Über weitere Zwischenstationen gelangte er 1798 in das Amt eines Landkammerrats und stieg 1817 zum Kammerdirektor auf. 1823 erfolgte seine Pensionierung. Über Voigts Vermittlung (vgl. 149,29–30) wurde Rühlmann ein wichtiger Berater in Fragen, die das Freigut Oberroßla betrafen. Er verfügte selbst über Erfahrungen in der Gutsadministration, da er Rittergutsbesitzer in Cospeda war. Auf Goethes Wunsch nahm er an der Adjudikation und Übergabe des Gutes in Oberroßla im Juni 1798 teil und trat als Gutachter auf. Goethes Kontakt zu Rühlmann beschränkte sich auf die Zeit der Gutsübergabe. Insgesamt sind zwei Briefe Goethes an Rühlmann überliefert, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gutserwerb stehen. – Von Rühlmann ist ein Brief an Goethe vom 16. Juni 1798 bekannt (vgl. RA 2, Nr 1340). 134,3 verschiedene Papiere] Rühlmann erhielt diverse Schriftstücke zur Begutachtung, die später, nachvollziehbar durch die präzisen Blattangaben Goethes, in anderer Anordnung in Goethes Privatakten abgelegt wurden. Über den Umfang der an Rühlmann überschickten Papiere ist nichts Näheres bekannt. 134,6 was Fol. 36. notirt ist] In den „Acta privata das Freyguth zu Ober Roßla betrL.: 1798“ befindet sich ein Schriftstück mit der alten Paginierung „36“ folgenden Inhaltes: „Wegen der Aecker in der Ulrichshalber Fluhr welche nur in zwey Felder eingetheilt sind ist das Winterfeld beym Gut Ober Roßla nicht jedes Jahr gleich stark. Gedachte Ulrichshalber Aecker werden bestellt wie folgt: / 1798. Sommerfeld und Brache / 1799. Brache Winterfeld / 1800. Winterfeld Sommerfeld“ (H: GSA 30/44, Bl. 37). In seinem Antwortschreiben teilte Rühlmann bezüglich dieser Besitzungen mit, dass nach dem „General Subhastations-Patent“ für das Lehn- und Freigut zu Oberroßla in der Ulrichshalber Flur im Jahre 1796 acht Acker Sommerfeld und fünf Acker Brachfeld verzeichnet seien. Diese Einteilung widerspreche jedoch dem auf Fol. 36 Mitgeteilten, wo nur von zwei Feldern ausge-
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gangen worden war. Rühlmann schlug vor, diesen strittigen Punkt bei der Gutsübergabe untersuchen zu lassen. Wie aus dem Protokoll vom 23. Juni 1798 hervorgeht, forderte Rühlmann, der sich dazu bereit erklärt hatte, als Gutachter während der Übergabe aufzutreten, dass „so viel Winter- und Sommerfeld, nach dem Acker-Gehalt, bestelt hinterlassen werden“ müsse „als zu Johann. 1797. bestellt vorhanden gewesen wäre; wegen Ungleichheit der Felder wäre aber heuer 16 Acker weniger bestelt und glaubte Er 〈Rühlmann〉 daher, für Seinen Herrn Principalen die Bestell- und Bearthung von 16 Aeckern noch verlangen zu können.“ (H: GSA 30/42, Bl. 21.) 134,7 Ulrichshalber Fluhr] Ulrichshalben ist ein in der Nähe von Oßmannstedt gelegenes Dorf, in dessen Nähe sich einige der zum Gut gehörenden Äcker befanden. 134,7 vollkommene Erndte] 1797 wurde ein maximaler Ernteertrag erzielt, da ein Feld als Sommerfeld und das andere als Winterfeld bestellt und somit kein Brachland vorhanden war. 134,7–8 dieses Jahr die geringste] Nach dem Prinzip der Dreifelderwirtschaft war für 1798 ein geringerer Ertrag als im Jahr zuvor zu erwarten. 134,9 Fol 7] Die Aufstellung „Nähere Bestimmung des Flächengehaltes nach dem neuen Ruthenmaase“ wurde in Goethes Privatakte „Zum Guthe in Oberroßla einschlagende Piecen“ als erstes Blatt abgelegt, weist aber rechts oben mit Bleistift noch die alte, hier maßgebliche Foliierungsziffer „7“ auf (vgl. GSA 30/46, Bl. 2). Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass sich die Äcker „in der Ulrichshalber Fluhr“ (ebd.) auf insgesamt 1873 ½ Ruten beliefen. Das Sommerfeld betrug dabei 1197 ½ Ruten, das Brachfeld hingegen nur 676 Ruten (vgl. ebd.), so dass bei Bewirtschaftung des Brachfelds aufgrund der kleineren Größe eine geringere Ernte zu erwarten war. Diese Angaben deckten sich jedoch nicht, wie Rühlmann in seinem Antwortschreiben vom 16. Juni 1798 bemerkt, mit den „General SubhastationsPatent über das ehemalige Cramerische Lehn- und Freyguth zu Ober-Roßla“ (H: GSA 30/39, Bl. 79) aus dem Jahr 1796. 134,15 auf das klärste] ‚Klärer‘, ‚klärste‘ war eine gängige Steigerungsform im 18. Jahrhundert (vgl. Adelung 2, 1605); bei Goethe insbesondere in der Wendung ‚auf das Klärste‘ verwendet (vgl. GWb 5, 405). 134,16 beyden Oberroßlaischen Fluhrcharten] Christiane Vulpius versicherte Goethe am 8. Juni, dass die (nicht überlieferten) Karten noch am selben Tag zu Rühlmann gebracht worden seien (vgl. RA 2, Nr 1316; vgl. zu 82,5–6). Rühlmann bestätigte in seinem Antwortbrief, die Flurkarten noch bei sich zu haben. 134,18 übernommene Bemühung] Goethes Dank bezieht sich auf Rühlmanns Einsatz in dieser Angelegenheit.
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105. An Friedrich Schiller
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〈Jena〉, 11. Juni 1798 → 〈Jena〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 132. – Doppelblatt 13,7(–13,9) × 19,8 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 1 und 2 Reste der Verschlussoblate, rechte untere Ecke ausgerissen durch Öffnen; S. 2 Adresse: Des / Herrn Hofrath Schillers / Wohlgebl:. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 216, Nr 468. WA IV 13 (1893), 172, Nr 3810. ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt. Der Brief wurde innerhalb Jenas befördert. Er ist nicht in Schillers Schreibkalender verzeichnet (vgl. Schillers Kalender, 92). 135,1 Humboldtische Werk] Zu Wilhelm von Humboldts Abhandlung „Ueber Göthe’s Hermann und Dorothea“ vgl. zu 114,24. Goethe und Schiller hatten das Werk im Mai 1798 gemeinsam in Jena gelesen (vgl. GT II 1, 245f.). Goethe benötigte das Manuskript für seinen an Humboldt geplanten Brief, mit dessen Ausarbeitung er am 10. Juni begonnen hatte (vgl. Nr 138). 135,1 eisernen Staab] Der Stab diente wohl zu magnetischen Versuchen, die Goethe am 9. Juni beschäftigt hatten und die er vermutlich bei Schiller vorgeführt hatte (vgl. GT II 1, 248). Sein Verbleib ist nicht ermittelt. 135,1–2 Heute Abend werde ich bey Loders seyn] Goethe folgte einer Einladung des Jenaer Anatomieprofessors Justus Christian Loder und seiner Frau Luise (vgl. GT II 1, 248). Zu den weiteren Gästen zählten Johann Friedrich Hartknoch (d. J.) und der Verlagsbuchhändler Friedrich Frommann. 135,2–3 vorher auf einige Stunden] Goethe besuchte Schiller am Nachmittag des 11. Juni (vgl. GT II 1, 248). 135,4–5 einen cursorischen Vortrag meiner Farbenlehre] Goethes neuerliche Beschäftigung mit der Farbenlehre stand unter dem Eindruck seiner ersten persönlichen Begegnung mit Friedrich Wilhelm Joseph Schelling in Jena, wo beide am 29. und 30. Mai gemeinsame optische Versuche (GT II 1, 246) unternommen hatten. – ‚Cursorisch‘ hier im Sinne von ‚überblickshaft, summarisch‘ (vgl. GWb 5, 884). Erst im November 1798 sollte sich Goethe wieder eingehender mit der Farbenlehre beschäftigen (vgl. GT II 1, 264f.). 135,6 Schellingische Werk] Laut Tagebucheintrag las Goethe Friedrich Wilhelm Joseph Schellings Werk „Von der Weltseele, eine Hypothese der höhern Physik zur Erklärung des allgemeinen Organismus“ (Hamburg 1798; vgl. Ruppert, Nr 3118) am 7. und 8. Juni (vgl. GT II 1, 248). Die Lektüre bestärkte Goethe in
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JUNI 1798
seinem Entschluss, sich für eine Berufung Schellings an die Universität Jena einzusetzen. Neben dem vom Autor persönlich erhaltenen Exemplar erwarb Goethe am 8. Juni in Jena ein zweites Exemplar, das er an Christian Gottlob Voigt respektive den Herzog Carl August sandte (vgl. zu 149,6). 135,8–9 grüssen Ihre liebe Frau wenn sie angekommen ist] Charlotte Schiller war am 3. Juni zu ihrer Mutter Louise von Lengefeld nach Rudolstadt gefahren (vgl. NA 37 I, 300). Sie kehrte am 10. oder 11. Juni über Weimar nach Jena zurück.
106. An Christiane Vulpius
Jena, 11. Juni 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 88. – Doppelblatt 13,7 × 19,9 cm, 1 ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – Beischluss: EB 61 (vgl. zu 135,15). E: WA IV 13 (1893), 174f., Nr 3812 (Eduard von der Hellen). BEIL AG EN
1) Zettel für Weinbestellung (vgl. zu 135,13). 2) Papiere (vgl. zu 135,19). 3) Packet (vgl. zu 135,25). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christiane Vulpius’ Brief vom 8. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1316). – Christiane Vulpius antwortete am 12.? Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1328). Postsendungen: 11. Juni 1798 (A n Dem Vu l p i u s. Wegl. verschiedner Besorgl. auf den Mittwoch ingl die Knebelschl. Commissionen betrl.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 135r; vgl. WA IV 13, 433); 11. Juni 1798 (Bote nach Weimar abgefertigt zur Einladung zur Gesellschafft.; GT II 1, 248). 135,12 die Botenfrau] Die Erledigung von Goethes Bestellungen sowie die Einladung zur Gesellschafft (GT II 1, 248) mussten unverzüglich erfolgen, da Goethe seine Gäste bereits für den 13. Juni erwartete (vgl. RA 2, Nr 1324) und die Botenfrau sich am selben Tag wieder auf den Rückweg nach Jena machen würde (vgl. 135,17–18). – Zu Botenfrauen allgemein vgl. zu 85,21. 135,13 Einen Zettel auf 8 Flaschen und 2 Nösel] Goethes Bestellung von Vier Flaschen guten Burgunder / Vier 〈Flaschen〉 Rheinwein 80ger / Zwey Nösel Malaga No 1. (H: Verbleib unbekannt; Faksimile in: 1. Frankfurter Antiqua-
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BRIEF 107
riatsmesse in der Frankfurter Buchmesse. 19.–23. Oktober 2005. o. O., o. J., S. 135; Nösel: 0,45 Liter) konnte laut Quartalsrechnung der Hofkellerei bei der Bestellung vom 12. Juni 1798 beim Rheinwein nicht entsprochen werden: Dort sind neben den „2 Nösel Mallaga No: 1“ (GR/Belege 1798, 6, Bl. 17r) drei Maß „Rheinwein 80er“ (ebd.) für 2 rL und ein Maß Rheinwein 83er für 16 gL aufgeführt (vgl. ebd.). Der Wein wurde von einem Extraboten aus Weimar geholt (vgl. den Portovermerk vom 12. Juni 1798 über 12 Groschen in Goethes Rechnungsbuch: Einem extra Boten nach W. um Wein zu holen; GR/Jena 1798, 1, Bl. 5v). 135,15 Einen Brief an Goors] Nicht überlieferte Einladung Goethes für den 13. Juni 1798 an Emilie Gore (EB 62). 135,16 nebst dem Spargel, so viel du stechen kannst] Spargel aus dem eigenen Garten am Stern erbat sich Goethe auch am 25. Mai (vgl. zu 119,14). 135,19 Die Papiere, die Herrn von Knebel betreffen] Goethe kümmerte sich um die Anweisung der Besoldungsgelder Carl Ludwig von Knebels, der seit Februar 1798 nach Ilmenau übersiedelt war (vgl. zu 18,14–15). Da Ende Juni die nächste Quartalszahlung anstand, mussten die Gelder durch Einreichung von Quittungen angewiesen werden. Knebel hatte sie mit seinem Brief vom 5. Juni 1798 an Goethe geschickt (vgl. RA 2, Nr 1312). 135,22 der Pyrmonter] Zu Goethes Trinkkur vgl. zu 117,10. Christiane Vulpius unterzog sich einer ähnlichen Kur, allerdings mit „sällser wasser“ (Selterswasser aus Niederselters; vgl. GSA 28/21, Bl. 260). 135,22 nebst der Bewegung] Goethe legte während seines Jena-Aufenthalts täglich die Strecke von seiner Wohnung im Schloss bis zu Schillers Gartenhaus zurück, die einen knappen Kilometer betrug. Für den 9. Juni notierte er darüber hinaus zwei Spaziergänge (vgl. GT II 1, 248). 135,25 Das Packet an den Hofkammerrath] Franz Kirms erhielt mit einem Schreiben Goethes (vgl. Nr A 25) zwei Theater-Verordnungen, die er Goethe am Vortag geschickt hatte (vgl. RA 2, Nr 1319), unterschrieben zurück. 136,1 den Kleinen] Der gemeinsame Sohn August (vgl. zu 81,12). 136,1–2 auf den Sonabend wieder etwas Obst] Bereits am folgenden Tag schickte Goethe Erdbeeren (vgl. 136,7). – Für Samstag ist kein Brief überliefert. In seinem Brief vom Sonntag, 17. Juni (Nr 110) wird Obst nicht erwähnt. 136,5 Das eingesiegelte an das geheime Conseil] Vgl. Goethes Schreiben vom 11. Juni an das Herzogliche Geheime Consilium (Nr A 26). Goethe war mit einem „Extractus Protocolli“ des Geheimen Consiliums vom 5. Juni angewiesen worden, eine Kupferstich-Sammlung in Jena zu besichtigen und sein Urteil darüber abzugeben (H: GSA 28/21, Bl. 250; vgl. RA 2, Nr 1311). Die Sammlung „und sonstige Effecten“ (ebd.) waren von dem bisherigen Besitzer, Christian Wilhelm Gabriel, dem Erbprinzen Carl Friedrich zum Geschenk angeboten worden. Goethe hatte die Sammlung am Vortag begutachtet (vgl. GT II 1, 248). 136,5–6 Canzley Canzley] Versehentliche Dittographie.
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107. An Christiane Vulpius
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Jena, 12. Juni 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 89. – 1 Bl. 13,7 × 19,8 cm, 2 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit zwei egh. Paraphen, Tinte. E: WA IV 13 (1893), 175f., Nr 3813 (Eduard von der Hellen). BEIL AG E
Erdbeeren (vgl. 136,7). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christiane Vulpius’ Brief vom 12.? Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1328). – Christiane Vulpius antwortete am 13.? Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1331). Postsendungen: In Goethes Rechnungsbuch ist für den 12. Juni die Ausgabe von 12 gL. für Einem extra Boten nach W. um Wein zu holen notiert (GR/Jena 1798, 1, Bl. 5v). Wahrscheinlich nahm der Bote den Brief an Christiane Vulpius mit. 136,7 das Kind] Der gemeinsame Sohn August (vgl. zu 81,12). 136,8 Inliegendes schickst du auf die Geheime Kanzley.] Wahrscheinlich handelte es sich um die Anweisung der Pensionsgelder Carl Ludwig von Knebels, die Goethe für ihn regelte (vgl. zu 18,14–18,15) oder um ein (nicht überliefertes) Schriftstück wegen der Schenkung der Kupferstich-Sammlung wie bereits am Tag zuvor (vgl. zu 136,5). 136,9 Die Stiefeln] Goethe hatte sich im zweiten Jahresquartal zweimal neue Stiefel anfertigen lassen (vgl. GR/Belege 1798, 3, Bl. 14). 136,10 Das Gedicht auf die Beckern ist fertig] Im Tagebuch notiert Goethe die Fertigstellung der Elegie „Euphrosyne“ auf den Tod der Schauspielerin Christiane Becker erst einen Tag später, unter dem 13. Juni (vgl. GT II 1, 250; vgl. allgemein zu 138,1). 136,13 Zu Anfang künftiger Woche schreibe ich] Vgl. Goethes Brief vom Sonntag, 17. Juni (Nr 110). 136,14 auf euer Johannisfest] Christiane Vulpius richtete mit der Hilfe ihres Bruders am Johannistag, dem 24. Juni nach erfolgter Übergabe des Oberroßlaer Gutes ein Fest für die Dorfbewohner aus (vgl. zu 147,10). 136,16 von hier hinüber] In Ermangelung eines Reitpferdes musste Goethe direkt von Jena nach Oberroßla fahren. 136,21–21 Der Eisenacher Kammerbote] Wahrscheinlich überbrachte der Kammerbote Johann Bernhard Müller (vgl. Hofkalender 1798, 66) zusätzlich zu seinen anderen Geschäften, die er in Weimar zu erledigen hatte, Carl Ludwig von
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BRIEF 108
Knebels Pension aus der Eisenacher Kammer in Höhe von 50 Reichstalern (vgl. zu 18,14–15). 136,22–23 die Quittung so lange aufheben bis er sich meldet] Christiane Vulpius hatte in ihrem Bezugsbrief nachgefragt, wohin sie die Eisenacher Quittung schicken solle. Carl Ludwig von Knebel erkundigte sich in seinem Brief vom 19. Juni nach dem Verbleib seines Quartalsgeldes, bat jedoch in der Nachschrift des Briefes um eine Verschiebung der Geldübermittlung, da dem „gegenwärtige〈n〉 Bothen Voigt“ nicht zu trauen sei (H: GSA 28/494, Bl. 19; vgl. RA 2, Nr 1347). – Die durch Knebel am 30. Juni unterschriebene Quittung ist in den Rechnungsbüchern der Eisenacher Kammer belegt (vgl. LATh – HStA Weimar, Fürstenhaus A 1437, Beleg Nr 9). 136,23–24 bey Treutern] In unmittelbarer Nachbarschaft zur Linken am Frauenplan lebte die Familie Treuter (vgl. Wolfgang Huschke: Einige orts- und familiengeschichtliche Betrachtungen über Goethes Weimar. In: Festschrift für Friedrich von Zahn. Bd 1: Zur Geschichte und Volkskunde Mitteldeutschlands. Hrsg. von Walter Schlesinger. Köln, Graz 1968, S. 539–597 [mit Lageplan]), hier S. 559). Neben dem bejahrten, 87-jährigen Rentereidiener Johann Gottlob Treuter wohnte hier auch sein Sohn, der Kanzleirechnungsrevisor Johann Wilhelm Siegmund Treuter, der hier wahrscheinlich gemeint ist. 136,24–25 Ich gratulire zu dem glatten Gesicht] Christiane Vulpius hatte in ihrem Bezugsbrief berichtet, dass sie sehr vergnügt und „so glamt 〈glatt〉 alls sond 〈sonst〉“ sei (H: GSA 28/21, Bl. 255) – vermutlich eine Anspielung auf die Verwendung des so genannten „Kummerfeld’schen Waschwassers“, das im Juli 1798 erstmals unter der Rubrik „Für mich und August“ in Christiane Vulpius’ Rechnungen als Ausgabe „der Madame Kummerfeld“ auftaucht (GR/RB 1798, 2, Bl. 6). Das Waschwasser, entwickelt von der ehemaligen Schauspielerin Katharina Caroline Kummerfeld, sollte angeblich gegen jegliche Hautunreinheiten vorbeugen (vgl. Carl Schwabe: Heilmittel gegen Hautkrankheiten namentlich gegen trockene und nässende Flechten, Schwinden, Hautfinnen, Ansprung, Wundsein, Kupferhandel, Mitesser und ähnliche Hautausschläge: das ist: das Kummerfeld’sche Waschwasser. Nebst ausführlicher Anleitung zum richtigen Gebrauch. Weimar 1851, S. 16). 136,26–27 ein paar Gedichte für den Almanach vor Johanni fertig] Nach Abschluss der Elegie „Euphrosyne“ begann sich Goethe in den Folgetagen intensiv mit der Fertigstellung mehrerer Gedichte zu beschäftigen, die für den von Schiller herausgegebenen „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ bestimmt waren. Laut Tagebuch arbeitete er am 15. und 16. Juni an den beiden später unter dem Pseudonym „Justus Amman“ erschienenen Gedichten „Die Musageten“ (S. 14–16) und „Sängerwürde“ (S. 91–101) sowie an den Gedichten „Das Blümlein Wunderschön. Lied des gefangenen Grafen“ (S. 69–73) und „Der Müllerinn Verrath“ (S. 116–119). Am 17. und 18. Juni vollendete er die Elegie „Die Metamorphose
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der Pflanzen“ (S. 17–23; vgl. GT II 1, 250; zu weiteren Gedichten, die im „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ erschienen, vgl. zu 148,13–14). 136,27–28 bald nachher zusammen herüber] Goethe, Christiane Vulpius und der Sohn August reisten gemeinsam am 6. Juli nach Jena (vgl. GT II 1, 252), wo sie sich – in getrennten Unterkünften – bis zum 9. Juli aufhielten (vgl. ebd., 253). 137,1–2 Goors und die Französische Gesellschafft kommen erst Donnerstags zu mir.] Laut Tagebuch empfing Goethe am 14. Juni Emilie und Eliza Gore, das französische Emigrantenpaar Marie Louise Eugénie und Jean Gabriel René François Marquis de Foucquet sowie die Hofdame Louise Adelaide Waldner von Freundstein (vgl. GT II 1, 250). Ursprünglich war die Einladung nach Jena für den 13. Juni vorgesehen gewesen (vgl. EB 62), mit einem weiteren Gast, dem Franzosen Jean Joseph Mounier, der dann jedoch verhindert war (vgl. RA 2, Nr 1330). 137,3 den kleinen] Der gemeinsame Sohn August (vgl. zu 81,12).
108. An Johann Heinrich Meyer
Jena, 15. Juni 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 64/69,3. – Doppelblatt 13,9 × 19,9 cm, 4 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Paraphe, Tinte. – Spätere Absatzkennzeichnungen von fremder Hd (Friedrich Wilhelm Riemer?), Bleistift (vgl. E1). E1: Riemer, Goethe-Briefe (1846), 64f., Nr 31 (Teildruck: 137,5–26 Daß wir 〈…〉 nicht außen bleiben.; 138,1–6 Meine Elegie 〈…〉 solche Noth ist.). E2: WA IV 13 (1893), 177–179, Nr 3814 (Eduard von der Hellen). BEIL AG EN
1) Probeabdrücke (vgl. zu 137,5–6). 2) Buchdruckerstock (vgl. zu 137,23). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Meyers Brief vom 12. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1327). – Meyer antwortete am 16. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1339). Postsendungen: 15. Juni 1798 (vgl. Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 135r; vgl. WA IV 13, 433); 15. Juni 1798 (vgl. GT II 1, 250). 137,5–6 Versuchen die Holzstocknachahmung in Kupfer zu leisten] Mit dem Bezugsbrief hatte Meyer erste, von dem Weimarer Medailleur Friedrich Wilhelm Facius geschaffene Probedrucke für das Deckblatt zur geplanten Zeitschrift „Propyläen“ übersandt. Das dafür entwickelte neue drucktechnische Verfahren stellte den Versuch dar, eine verfeinerte Holzschnitttechnik in Kupfer nachzuahmen.
300
BRIEF 108
Als Hochdrucktechnik ließ diese sich besser mit dem Schriftdruck kombinieren. Goethe bezeichnete diese neue Technik erstmals gegenüber Schiller am 21. Juli als anaglyphischer Versuch (vgl. zu 174,22). In seinem Brief an Cotta vom 25. Juli erläuterte er die typographischen Vorteile dieses Verfahrens (vgl. 178,27–179,5). Die von Facius hergestellten Druckstöcke übersandte Goethe am 14. September an Cotta (vgl. zu 206,23–24). Die Versuche zu neuen Drucktechniken waren der Kenntnis der neuen englischen Holzschneidekunst und der typographischen Versuche Johann Friedrich Ungers zu verdanken. Meyer stellte diese Techniken in seinem „Propyläen“-Aufsatz „Ueber den Hochschnitt“ vor (Propyläen I 2, 164–174). – Die als Beilage mitgesandten Probeabdrücke sind nicht überliefert. 137,15 drichter formig] Versehentlich fehlendes Trennungszeichen bei Zeilenumbruch. 137,17 stählerner Stempel] Zu den sich daraus später ergebenden drucktechnischen Problemen vgl. zu 207,5–6. 137,18 ihn] Friedrich Wilhelm Facius. 137,19–20 ich will ihm gern das billige bezahlen] Entsprechende Rechnungen sind nicht ermittelt. 137,23 Buchdruckerstock] Die Beilage ist nicht überliefert. 137,25–26 die Anwendung zum Noth und Hülfsbüchlein wird nicht außen bleiben] Anspielung auf das in vielfachen Auflagen verbreitete „Noth- und Hülfs-Büchlein für Bauersleute oder lehrreiche Freuden- und Trauer-Geschichte des Dorfs Mildheim“ (Gotha und Leipzig 1788) des Aufklärers und Schriftstellers Rudolph Zacharias Becker. Seiner Vorliebe für die Holzschneidekunst folgend hatte Becker sein als Ratgeber verstandenes Werk mit volkstümlichen Holzschnitten ausgestattet: „Dieß ganze Buch ist mit Bedacht / Für Bauersleute so gemacht, / Daß, wer es liest und darnach thut, / Verstand, Gesundheit, guten Muth / Erhält, auch wohl ein reicher Mann / Nach dessen Vorschrift werden kann. / Zur Lust für Kind und Kindes-Kind / Viel schöne Bilder drinnen sind.“ (S. 2.) Zur Leipziger Ostermesse 1798 hatte Becker einen zweiten Teil seines Werks angekündigt. Um die erwartete rasche Auflagenfolge bewältigen zu können, plante er, mit der Stereotypie eine neue Drucktechnik anzuwenden (vgl. Reinhard Siegert: Aufklärung und Volkslektüre. Exemplarisch dargestellt an Rudolph Zacharias Becker und seinem „Noth- und Hülfsbüchlein“. Mit einer Bibliographie zum Gesamtthema. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 19 [1978], Sp. 565–1348, hier Sp. 797– 800). Möglicherweise besaß Goethe Kenntnis davon. – ‚Außen bleiben‘ hier im Sinne von ‚ausbleiben, nicht eintreffen‘ (vgl. GWb 1, 1225). 137,27 den guten Holzschuer] Meyer hatte im Bezugsbrief berichtet, dass der Nürnberger Bürgermeister Johann Carl Siegmund von Holzschuher auf seiner Rückreise von Berlin nach Nürnberg für vier Tage Station in Weimar gemacht habe. Goethe war über diesen Besuch vorab bereits durch Knebel unterrichtet, den Holzschuher auf seiner Weiterreise in Ilmenau besuchte (vgl. zu 157,13–14). Goethe
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und Meyer hatten Knebels Freund während ihres Aufenthalts in Nürnberg im November 1797 kennen gelernt. 138,1 Meine Elegie auf die Beckern ist fertig] Goethe hatte am 13. Juni sein Gedicht „Euphrosyne“ auf die 1797 verstorbene Weimarer Schauspielerin Christiane Becker fertig gestellt (vgl. GT II 1, 250). Es wurde in Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ veröffentlicht (S. 1–13), im Inhaltsverzeichnis mit der Zusatzbemerkung „Zum Andenken einer jungen, talentvollen, für das Theater zu früh verstorbenen, Schauspielerin in Weimar, Madame Becker, gebohrne Neumann“ (ebd., S. 250). 138,2 Geschwistern] Neben „Euphrosyne“ veröffentlichte Goethe in Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ auch seine Elegien „Die Metamorphose der Pflanzen“ (S. 17–23) und „Amyntas“ (S. 145–148). 138,3–4 das skizzirte Monument] Vgl. zu 80,4–5. Meyers Denkmal-Entwurf ist in Goethes Graphiksammlung überliefert (KSW, Museen, Inv.-Nr GHz/ Sch.I.277,0463). Die Zeichnung wurde nicht für Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ berücksichtigt. Vielmehr wurde die von Christian Friedrich Traugott Duttenhofer gestochene Darstellung als Frontispiz in Cottas „Taschenkalender auf das Jahr 1800 für Natur- und Gartenfreunde“ veröffentlicht. Meyers Entwurf, der sich ikonographisch an Goethes Elegie „Euphrosyne“ orientierte, lag im November 1798 vor und fand auch Kirms’ Zustimmung (vgl. Meyers Brief an Goethe vom 13. November 1798; RA 2, Nr 1571). 1799 wurde er in Goethes Auftrag durch den Gothaer Hofbildhauer Friedrich Wilhelm Doell ausgeführt (vgl. GB 14 I, Nr 62). Das Denkmal traf im November 1799 in Weimar ein und wurde im Frühjahr 1800 auf dem so genannten Rosenhügel im herzoglichen Park an der Ilm aufgestellt. Das Monument zeigt einen quaderförmigen, mit der Inschrift „Euphrosynen“ bezeichneten Sockel, auf dem sich ein Säulenstumpf mit den Reliefs von vier tanzenden Horen erhebt. Die Säulenbasis ist mit Tierkreiszeichen verziert; die Kapitellzone zeigt Masken der vier Lebensalter. Den Abschluss bildet eine Deckelurne in Form eines Pinienzapfens (vgl. 〈Johann Heinrich Meyer〉: Denkmal der Madame Becker geb. Neumann in Weimar. In: Taschenkalender auf das Jahr 1800 für Natur- und Gartenfreunde. Tübingen o.J., S. V–VIII). 138,5 Psyche] Zu Meyers Entwurf für das Titelkupfer zum „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ vgl. zu 118,20–21. 138,7 Schicken Sie mir wenigstens die Skitze herüber] Meyer übersandte das Blatt mit seinem Antwortbrief am 16. Juni. 138,8 Glasschranke] Der genaue Standort dieses Schrankes in Goethes Wohnhaus ist nicht ermittelt. Vermutlich diente er zur Aufbewahrung von Stücken aus Goethes Kunstsammlung. 138,10 Englischen Holzschnitt] Meyer übersandte das – nicht ermittelte – Blatt mit seinem Antwortbrief am 16. Juni. Möglicherweise handelte es sich um eine Ar-
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BRIEF 109
beit des englischen Holzschneiders Thomas Bewick, mit dessen Werk sich Goethe und Meyer im November 1798 intensiv zu befassen begannen (vgl. Nr 211). 138,10–11 in meinem Zimmer auf dem Bücherbret an der Thüre] Das Regal in Goethes Arbeitszimmer diente zur Aufbewahrung von Gegenständen und Büchern, an denen Goethe gerade arbeitete (vgl. zu 224,1–2). 138,13 Escherischen Sache] Meyer hatte im Bezugsbrief über eine Mitteilung des befreundeten Architekten Johann Caspar Escher informiert: „Escher schreibt von Carlsruhe, der Dreyundfunfziger in der Schipf sey von den Franzosen reine ausgetrunken worden. Sein Vater scheint den Plan zu haben, sein noch übriges Vermögen nach und nach in Sicherheit zu bringen und sich dann zu empfehlen. Er frägt deswegen an, ob man wohl Gelegenheit hätte oder anzeigen könnte, ein beträchtliches Capital im nördlichen Deutschland sicher unterzubringen, und ich will doch Voigt oder Ludecus über diesen Punct befragen, um ihme darauf antworten zu können.“ (Goethe-Meyer 2, 42f.) Der Zürcher Kaufmann Johannes Escher zählte zu Goethes und Meyers Schweizer Reisebekanntschaften. Gemeinsam hatten sie im Herbst 1797 Escher auf dessen Landgut „Schipf“ in Herrliberg am Zürcher See besucht (vgl. GT II 1, 195 und 221). Seit der Besetzung Zürichs durch die Franzosen im April 1798 war das Familienvermögen bedroht. Ob Goethe und Meyer die Frage weiter behandelten oder die Vermittlung von Christian Gottlob Voigt oder Johann August Ludecus suchten, ist aufgrund fehlender Quellen nicht bekannt. Über Johann Friedrich Cotta ließ Goethe im November Escher ein Exemplar seiner neuen Kunstzeitschrift „Propyläen“ zusenden (vgl. zu 234,12). 138,15–16 Gerning 〈…〉 an Zahlen statt angenommen] Johann Isaak Gerning befand sich auf der Rückreise aus Italien. Wie Meyer erfahren hatte, gehörte zu seinem Reisegepäck ein „Münzen- und Gemmencabinet, welches ihm Tischbein 15 000 Thaler geschätzt hat“ (Goethe-Meyer 2, 42). Gerning stellte diese Sammlung Ende November 1798 in Jena und Weimar vor (vgl. zu 238,20). 138,16 die königl: Gunst] Gemeint ist König Ferdinand IV. von Neapel. 138,18 Johanni] 24. Juni. 138,18–19 mein Pensum für den Almanach] Goethe schloss seine Arbeiten für Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ in den folgenden Tagen ab (vgl. GT II 1, 250). 138,20 Die Einleitung zu unserm grossen Werke ist schon entworfen] Goethe hatte am 24. Mai mit der Arbeit an der allgemeinen Einleitung für das erste Stück der „Propyläen“ begonnen und diese bis zum 28. Mai fortgesetzt (vgl. GT II 1, 245f.; zu 182,2). 138,21 manches vorwärts gebracht] Vgl. Goethes Tagebucheinträge aus diesen Tagen (vgl. GT II 1, 247–250).
JUNI 1798
109. An Johann Heinrich Meyer
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〈Jena, 17. Juni 1798?〉 → 〈Weimar〉
DAT IERUN G
Die Datierung des vorliegenden Briefes ist unsicher. Das Billet wurde im Erstdruck als undatierter Brief Goethes an Johann Heinrich Meyer veröffentlicht (vgl. Zum Adressaten) und 1919 durch Max Hecker für die Ausgabe ihres Briefwechsels auf den 17. Juni 1798 korrigiert (vgl. Goethe-Meyer 2, 46 sowie GSA 28/620, Bl. 249v). Das entscheidende Indiz für diese Datierung ist Goethes Postsendevermerk vom 17. Juni 1798 (vgl. Postsendungen). Wahrscheinlich handelte es sich dabei um abschriftliche Auszüge aus Friedrich Schlegels Brief an Goethe vom 3. Juni (vgl. RA 2, Nr 1310) sowie aus August Wilhelm Schlegels Brief an Goethe vom 10. Juni (vgl. RA 2, Nr 1320). Beide hatten sich darin lobend über Meyer geäußert und darum gebeten, ihm ihre Empfehlung auszurichten. Der in Jena weilende Goethe teilte August Wilhelm Schlegel am 18. Juni mit, dass er Meyer den Gruß überschrieben habe (vgl. zu 145,16–17). Meyer antwortete auf Goethes Sendung mit seinem – ebenfalls undatierten – Brief vom 18.(?) Juni (vgl. RA 2, Nr 1343). ZUM A D RESSATEN
Die Zuschreibung des Briefes an den Adressaten Johann Heinrich Meyer erfolgte im Erstdruck. Sie ist aufgrund des vertrauten Tons und Inhalts des Billets und seiner Provenienz sowie durch Goethes Postsendevermerk sehr wahrscheinlich. ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 64/69,3. – 1 Bl. (Billet) 15,6 × 9,7 cm, Bordüre aus perspektivischem Zickzackband (vgl. Mick, Nr 12), 1 S. beschr., egh., Tinte. E: WA IV 50 (1912), 103, Nr 68 (Carl Schüddekopf). BEIL AG EN
1) Möglicherweise abschriftliche Auszüge aus Friedrich Schlegels Brief an Goethe vom 3. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1310) sowie aus August Wilhelm Schlegels Brief an Goethe vom 10. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1320). 2) Möglicherweise 1 Exemplar von Friedrich Schlegels „Geschichte der Poesie der Griechen und Römer“ (Bd 1, 1. Abth. Berlin 1798; zu Friedrich Schlegels Auftrag an Goethe, Meyer dieses Exemplar zu übermitteln, vgl. RA 2, Nr 1310). ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Meyer antwortete möglicherweise am 18.(?) Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1343). Postsendungen: 17. Juni 1798 (H l. P r o f. M e y e r die Schlegelsche Schrifft u Briefauszüge (Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 135r; vgl. WA IV 13, 434).
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BRIEF 110
138,23 Mit Bitte die Frage gelegentlich zu untersuchen.] Goethes Bemerkung dürfte sich auf die – vermutlich im beiliegenden Briefauszug mitgeteilte – Bitte August Wilhelm Schlegels vom 10. Juni beziehen, dass Meyer bei seiner geplanten Rezension des von Schlegel redaktionell betreuten ersten Bandes von Johann Dominik Fiorillos „Geschichte der zeichnenden Künste, von ihrer Wiederauflebung bis auf die neuesten Zeiten“ (Göttingen 1798) mögliche redaktionelle Versehen nicht zu scharf rügen möge (vgl. RA 2, Nr 1320; vgl. zu 145,17). Meyer antwortete Goethe, dass Schlegel „wegen Fiorillo ohne Furcht seyn“ könne, da das Werk „einiges Lob“ verdiene (Goethe-Meyer 2, 47). Die später in der „Allgemeinen Literatur-Zeitung“ veröffentlichte Rezension Meyers war entsprechend positiv. 138,24 gab] Indikativform für den Konjunktiv ‚gäbe‘, im 18. Jahrhundert gelegentlich so verwendet. 138,24 Recension für die Jen. Litt. Zeitung] Die in Jena erscheinende „Allgemeine Literatur-Zeitung“ zählte seit ihrer Gründung 1785 zu den führenden deutschsprachigen Rezensionsorganen. Meyer veröffentlichte hier regelmäßig Beiträge. In seinem Antwortbrief betonte Meyer, dass es mit der von Schlegel gewünschten Rezension noch etwas Zeit habe, da ihm noch kein Rezensionsexemplar vorläge und er das von ihm genutzte Exemplar an Johann Gottfried Herder zurück gegeben habe. Meyers Rezension, die Goethe gegenüber Schlegel am 15. Dezember auch ankündigte (vgl. zu 263,14) wurde Anfang 1799 in der „Allgemeinen LiteraturZeitung“ veröffentlicht (Nr 2, Sp. 11–14 und Nr 3, Sp. 17–20). 138,25 G] Devotionshaken, in Paraphe auslaufend.
110. An Christiane Vulpius
Jena, 17. Juni 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
1) Brief: H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 90–91. – Doppelblatt 19,2 × 22,8 cm, 2 ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist) und egh. (141,1–6), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: WA IV 13 (1893), 179–181, Nr 3815 (Eduard von der Hellen). 2) Beilage 1: H: GSA Weimar, Sign.: 30/39, Bl. 82, 87. – Doppelblatt 20,3 × 34,1 cm, 1 S. und 8 Zeilen einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (vgl. Überlieferung zu Nr 49).
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3) Beilage 2: H: GSA Weimar, Sign.: 30/39, Bl. 83, 86. – Doppelblatt 20,3 × 34,1 cm, ½ S. einspaltig rechts beschr., Tinte. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (vgl. Überlieferung zu Nr 49). E: Doebber, Ober-Roßla, 211f. WAN 1 (WA IV 51 [1990]), 136f., Nr 3814a. BEIL AG EN
1) Aufsatz (vgl. zu 140,1; Beilage 1). 2) Gästeliste (vgl. zu 140,4; Beilage 2). 3) Zettel (vgl. zu 140,12–13). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christiane Vulpius’ Brief vom 16. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1341). – Christian August Vulpius antwortete am 19. Juni im Namen seiner Schwester, die „eben nicht sehr geschwinde mit der Feder fortkömmt“ (H: GSA 28/21, Bl. 287; vgl. RA 2, Nr 1349). Christiane Vulpius schrieb wieder egh. am 18.? Juni 1798 an Goethe (vgl. RA 2, Nr 1345). Postsendungen: 17. Juni 1798 (D e m. Vu l p i u s. wegl Bewirthung bey der Uebergabe.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 135r; vgl. WA IV 13, 433). 140,1 einen Aufsatz] Abgedruckt als Beilage 1. – Ob Goethe seinem Brief an Steffany (vgl. EB 65) den Aufsatz ebenfalls beilegte, geht aus den vorliegenden Quellen nicht eindeutig hervor (vgl. ebd.). 140,2–3 der Bauverwalter] Georg Christoph Steffany war am 17. Juni nach Jena gekommen, um in seiner Funktion als Bevollmächtigter (vgl. Nr 102) wegen bevorstehender Uebergabe des Gutes (GT II 1, 250) mit Goethe zu sprechen. 140,4 einen Zettel beygelegt] Abgedruckt als Beilage 2. – Hier gilt das Gleiche wie für Beilage 1 (vgl. zu 140,1). 140,5 wenn dir noch jemand einfällt] In Christiane Vulpius’ Antwortbrief vom 18. Juni sind keine weiteren Vorschläge enthalten. 140,7 Herrn Prof. Meyer, dächt ich, lädest du auf Johannis hinaus] Ob Johann Heinrich Meyer, der mit am Frauenplan wohnte (vgl. zu 81,22), an der Festveranstaltung zu Johannis teilnahm, ist nicht zu ermitteln. 140,8 bey der Uebergabe wird schlechte Lust seyn] Lust im Sinne von ‚Heiterkeit‘, ‚Festestrubel‘, bei Goethe nur hier, mit Bezug auf die Pflichtbewirtung, in Verbindung mit dem Attributiv ‚schlecht‘ gebraucht (vgl. GWb 5, 1329). Aufgrund der Unstimmigkeiten, die es im Vorfeld der Verhandlungen mit der Pächterfamilie Hofmann gab, befürchtete Goethe, dass es bei der Übergabe zu weiteren Differenzen kommen könnte. Die Befürchtung erfüllte sich jedoch nicht, wie aus Goethes Brief vom 22. Juni an Christiane Vulpius (vgl. 151,19–20) sowie aus dem Übergabeprotokoll hervorgeht (vgl. GSA 30/42).
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140,9 Von Hl. von Wolzogen lässest du noch Franzwein holen] 40 Bouteillen französischen Weins wurden laut Rechnung am 17. Juni über Wilhelm von Wolzogen bezogen (vgl. GSA 30/50, Bl. 29), wahrscheinlich aus der Hofkellerei. – Ein Ausgabenverzeichnis für das Gut Oberroßla listet am 4. September die Zahlung von 22 Reichstalern, 13 Groschen und 8 Talern An Herrn von Wolzogen für Wein (H: GSA 30/50, Bl. 4) auf. Die Rechnung belief sich auf insgesamt 65 Bouteillen, deren Bestellung am 27. Mai (eine Flasche), am 8. Juni (24 Flaschen) und am 17. Juni (40 Flaschen) erfolgte (vgl. GSA 30/50, Bl. 29). 140,11–12 diese giebst du sämmtlich der Fischern mit] Johanna Christiana Maria Fischer, die Frau des künftigen Pächters Johann Friedrich Fischer. Das Ehepaar fuhr bereits am darauffolgenden Dienstag oder Mittwoch nach Oberroßla, um die notwendigen Vorbereitungen für die Festlichkeiten zu treffen (vgl. RA 2, Nr 1341). 140,12 12 Nösel Desertwein] Ein Nösel betrug in Weimar 0,45 Liter. Welche Art von Dessertwein, meist ein süßer, stark alkoholhaltiger Wein (vgl. GWb 2, 1155), bei der Gutsübergabe zum Nachtisch gereicht wurde, lässt sich aus der Rechnung der Hofkellerei für das Quartal Johannis 1798 nicht eindeutig feststellen: Dort sind 6 Nösel „Syracusawein“, 4 Nösel „Lunelle“ (wohl Muscat de Lunel) und 2 Nösel „Tinto“ aufgeführt (GR/Belege 1798, 6, Bl. 17r). 140,12–13 Zettel an die Kellerey] Nicht überliefert. 140,14 Fischers sorgen also für alles] Der Familie Fischer als den neuen Pächtern des Gutes oblag während der Gutsübergabe die Bewirtung von Goethes Gästen. 140,17 mit der nächsten Post] Christiane Vulpius antwortete am nächsten Tag (vgl. RA 2, Nr 1345). 140,20 eure Erfurther Lust] ‚Lust‘ hier im Sinne von ‚Lustbarkeit‘, ‚Ergötzung‘ (GWb 5, 1331f.). Christiane Vulpius hatte in ihrem Brief vom 13.? Juni darum gebeten, am Sonntag, dem 17. Juni, eine Lustpartie mit ihrer Schwester Ernestine und einigen Bekannten, darunter der Student Friedrich Christoph Gotthard Heinrich von Lützow, nach Erfurt unternehmen zu dürfen (vgl. RA 2, Nr 1331). In ihrem Antwortbrief vom 18.? Juni berichtete sie, dass die Fahrt „ser guht ab gelaufen“ (H: GSA 28/21, Bl. 283) sei und sie ihm davon lieber mündlich erzählen wolle. 140,22 wieder in Weimar] Goethe änderte seine Pläne und kehrte am 23. Juni abends direkt von Oberroßla nach Weimar zurück (vgl. GT II 1, 251). 140,22–23 bis wir zusammen herüber gehen] Vgl. zu 136,27–28. 140,24 das Kind] Der gemeinsame Sohn August (vgl. zu 81,12). 140,27 Pyrmonter] Vgl. zu 117,10. 141,1–2 Bey der Ubergabe 〈…〉 als bloser Zuschauer zu erscheinen] Bezug auf eine Passage in Christiane Vulpius’ Brief vom 16. Juni, in der sie ihn bittet, „daß du dich auf der über Gabe über nichts ärgerst“ (H: GSA 28/21, Bl. 269).
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141,3 Rühlemann zum Beystande] Vgl. zu 143,6. 141,4 Mittwochs hörst du noch von mir] Vgl. Goethes Brief vom 20. Juni (Nr 114). 141,5 Sonntags findest du ein Briefchen in Rosla.] Diese Ankündigung wiederholte Goethe auch im nächsten Brief (vgl. 147,12). Er änderte jedoch seinen Plan, von Oberroßla nach Jena zurückzukehren und kam stattdessen in der Nacht vom 23. Juni bereits nach Weimar zurück, so dass er mit Christiane Vulpius über die erfolgte Übergabe persönlich sprechen konnte (vgl. zu 150,21). 141,6 den Kleinen] Der gemeinsame Sohn August (vgl. zu 81,12). 141,7 mein stählernes Siegel] Wahrscheinlich das Siegel mit Goethes Wappen, das er seit seinem Adelsprädikat 1782 führen durfte. Es zeigt einen sechseckigen Stern im Schild, der sich auf dem gekrönten Helm wiederholt (vgl. Überlieferung zu Nr A 5). – Das Siegel wurde u.a. für einen am 20. Juni ausgestellten Schuldschein Goethes für Heinrich Carl Friedrich Helmershausen verwendet (vgl. GSA 30/49, Bl. 30). 141,9 das eingesiegelte Schlüsselchen] Wahrscheinlich ein Reserveschlüssel zu Goethes verschlossenen Schreibtischfächern in seinem Arbeitszimmer (zu diesem Raum vgl. zu 224,1–2). Im Briefwechsel zwischen Goethe und Christiane Vulpius ist auch 1796 die Rede von einem solchen eingesiegelten Schlüssel (GB 11 I, 28,10), den Goethe entweder auf Reisen mitnahm oder der durch Christiane Vulpius sicher verwahrt wurde. 141,10 Uebergabe des Guths Roßla] Die Übergabe des Gutes am 22. und 23. Juni. 141,13 Herr Bauverwalter] Georg Christoph Steffany (zu Steffany vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 50). 141,15 Herrn Pfarrer] Christian Friedrich Reimann, bei dem Goethe für gewöhnlich wohnte, wenn er sich in Oberroßla aufhielt. 141,16 Hl. Landkammerrath Rühlemann] Der Kammerbeamte Johann August Bernhard Rühlmann war für Goethe als Beistand bei der Übergabe anwesend (vgl. 141,3). 141,18 Fischers] Johann Friedrich Fischer und seine Ehefrau, die das Gut Oberroßla in Pacht nahmen. 141,19 bey Hofmanns in ihrem Hause] Die abtretende Pächterin Hofmann und ihre Kinder besaßen einen weiteren Gutshof unweit des Oberroßlaer Lehn- und Freigutes (vgl. zu 71,11–12), der hier wahrscheinlich gemeint ist. 141,21 kleinen kalten Abendcollation] Collation von lat. conferre: zusammenbringen, hier eine einfache Mahlzeit am Abend (vgl. GWb 5, 506). 141,23–24 nach beyliegendem Verzeichnisse etwa 20 Gäste bey mir] Abgedruckt als Beilage 2. Nach Abschluss der Verhandlung fand das Festessen beim neuen Gutsherren statt, vermutlich im ersten Stock des Hauptgebäudes in der dreifenstrigen großen Stube (vgl. Doebber, Ober-Roßla, 209 und 213). Der hier ver-
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wendete Singular weist darauf hin, dass Christiane Vulpius wegen ihres ledigen Standes von der formellen Gutsübergabe ausgeschlossen war. 141,25 Einladung] Vgl. das überlieferte Konzept der Einladung an Christoph Martin Wieland vom 22. Juni (Nr 118). Die Bewirtung erfolgte nach Christiane Vulpius’ Vorgaben (vgl. zu 151,11–12). 142,1 Sonabends Abend] Die Abreise erfolgte laut Tagebuch planmäßig, über Oßmannstedt (vgl. GT II 1, 251). 142,2 Sontägige Fest] Vgl. zu 119,29. 142,7 Rühlemann] Landkammerrat Johann August Bernhard Rühlmann (vgl. zu 141,16). 142,8 Osann] Der Regierungsrat Friedrich Heinrich Gotthelf Osann und wahrscheinlich seine Frau Amalie geb. Hufeland. 142,9 Meisel] Gottlieb Meißel, der Sekretär des fürstlich-sächsischen Lehnkabinetts, der die Gutsübergabe protokollierte (vgl. die jeweiligen Protokolle in GSA 30/42). 142,10 Schenke] Der Hofadvokat und Amtsaktuar Johann Friedrich Wilhelm Schenck vertrat als Bevollmächtigter bei der Übergabe die Verkäufer Slevoigt und Lehn. 142,11 Lübeck] Landschaftssyndikus Ferdinand Lübeck (vgl. Doebber, OberRoßla, 198), Hofadvokat extraordinarius (vgl. GSA 30/42, Bl. 1) und „Aßistend“ (ebd.) der Hofmannischen Erben. 142,12 Schlitter] Die Brüder Christian Heinrich und Johann Christoph Schlütter, die zu den bisherigen Besitzern gehörten (vgl. zu 65,4–5). Bei der Übergabe anwesend war schließlich nur „der Candidat der Bergwercks-Wissenschaften HL. Christian Heinrich Schlütter, 〈…〉 als legitimirter Bevollmächtigter seines Bruders des studiosi Medicinae HL. Johann Christophs Schlütter, zu Jena.“ (H: GSA 30/ 42, Bl. 1v–2r.) Ob beide der Einladung für den Samstag folgten, ist nicht bekannt. 142,13 Häublein] Steuerrevisor Johann Carl Gottlieb Häublein, „als bestätigter Vormund der beyden unmündigen Hofmannischen Geschwister“ (H: GSA 30/42, Bl. 1). 142,14 Taxatoren] Die Aufgabe der von den Verpächtern berufenen Gutachter, Johann Gottfried Hesse und Georg Christian Hartung zu Denstedt, war die Schätzung „des Viehes, Schiff- und Geschirres nach dem dermaligen wirthschaftlichen Werth anzugeben auch sonst ihr wirthschaftliches Gutachten darüber nach ihrem besten Wissen zu eröfnen“ (H: GSA 30/42, Bl. 3). Von der Gegenseite waren als Taxatoren Benjamin Heinrich Bauchspieß und Caspar Krippendorf berufen worden (vgl. ebd., Bl. 2). 142,15 Hofmannin] Johanne Marie Hofmann, die Witwe des bisherigen Pächters (vgl. zu 70,22). In den Akten wird „cum Curatore“ (lat.: als Vormund) der Kantor Johann Christoph Bartholomai aus Rödigsdorf genannt (vgl. GSA 30/42, Bl. 1) sowie der Sohn Wilhelm Christian Hofmann. 142,16 Pfarrer] Der Dorfpfarrer von Oberroßla, Christian Friedrich Reimann.
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142,17 Wieland] Christoph Martin Wieland (vgl. Goethes Einladung vom 22. Juni, Nr 118) kam nicht, wie hier angegeben, allein, sondern mit Frau und Töchtern (vgl. zu 151,13–15). 142,18 Amtmann] Für das Amt Roßla Carl Johann Georg Büttner (vgl. Hofkalender 1798, 28). 142,19 Rentbeamte] Vermutlich der Rentsekretär Carl August Wirsing oder der Rentamtsaccesist Ernst Albrecht Hase (vgl. Hofkalender 1798, 28). 142,20 Fischer] Der neue Pächter des Gutes, Johann Friedrich Fischer. 142,21 Ego] Steffany, der das Verzeichnis wohl nach Goethes Diktat schrieb.
111. An Johann August Bernhard Rühlmann
Jena, 17. Juni 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 28/21, Bl. 273. – Doppelblatt 21,1(–21,3) × 34,1 cm, 1 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrektur (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte. – Vgl. Überlieferung zu Nr 62. E: WA IV 13 (1893), 181, Nr 3816 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortete Rühlmanns Brief vom 16. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1340). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. Postsendungen: 17. Juni 1798 (H l. L a n d k. R. R ü h l e m a n n Einladung zur Uebergabe.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 135r; vgl. WA IV 13, 433). 143,4 wichtigen Amtsgeschäfften] Rühlmann war als Landkammerrat mit Vorgängen in der fürstlichen Finanzverwaltung betraut. 143,4–5 meiner Privatangelegenheiten] Bei der Vorbereitung und während der Übergabe des Oberroßlaer Lehn- und Freigutes trat Rühlmann im Dienste Goethes auf und vertrat dessen Anliegen. Er scheute beim Übergabetermin nicht davor zurück, strittige Punkte anzusprechen und legte diese zur Begutachtung vor. Seine entscheidende Rolle, etwa bei Prüfung des Viehbestandes (vgl. GSA 30/42, Bl. 8–9) oder des Vorrats an Stroh und Dünger (vgl. ebd., Bl. 15), ist im Protokoll vom 22. und 23. Juni dokumentiert. 143,6 Gegenwart in Roßla] Rühlmann hatte sich in seinem Bezugsbrief bereit erklärt, der Gutsübergabe beizuwohnen und „auf die Gerechtsame HochDerselben 〈zu〉 sehen“ (H: GSA 30/39, Bl. 79).
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143,11 Bauverwalter] Georg Christoph Steffany war mit der Organisation der Gutsübergabe betraut (vgl. Beilage 1 und 2 zu Nr 110). Rühlmann wurde auf dem Gut untergebracht und während seines Aufenthalts von der neuen Pächterfamilie Fischer mit Frühstück verpflegt (vgl. 141,16–18). 143,14 Hohachtung] Schreibversehen.
112. An August Wilhelm Schlegel Jena, 18. Juni 1798 → Dresden ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 29/433,II, Bl. 3–4. – Doppelblatt 20,7 × 34 cm, 4 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 linke Spalte oben Adresse: An Herrn Rath Schlegel / nach Dresden. E: WA IV 13 (1893), 182–184, Nr 3817 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet August Wilhelm Schlegels Briefe vom 9. Mai 1798 (vgl. RA 2, Nr 1276) und vom 10. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1320). – August Wilhelm Schlegel antwortete am 18. Juli 1798 (vgl. RA 2, Nr 1389). Postsendungen: 19. Juni 1798 (Brief an Humboldt u Rath Schlegel.; GT II 1, 250). – Bei der Nennung des Briefes im Tagebuch handelt es sich um die Ausfertigung, das Konzept ist einen Tag vorher entstanden und auf den 18. Juni datiert. 143,18 Brief vom 10ten Juni] Seinen Brief vom 10. Juni hatte Schlegel aus Berlin geschickt und darin bedauert, Goethe vor seiner Abreise weder in Weimar besucht, noch ihn in Jena gesehen zu haben. 143,18 in Dresden] Schlegel reiste nach einem fünfwöchigen Aufenthalt in Berlin nach Dresden und blieb dort vom 30. Juni (vgl. Brief Schlegels an Gottlieb Hufeland vom 1. Juli 1798; Schlegel, Korrespondenz) bis nach dem 21. September 1798 (vgl. Brief Schlegels an Friedrich Vieweg vom 21. September 1798; ebd.). Er wohnte bei seiner Schwester Charlotte Ernst und deren Mann, dem Hofsekretär Ludwig Emanuel Ernst (vgl. RA 2, Nr 1320). Ende September kehrte er wieder nach Jena zurück. Grund der Reise war vor allem die intensive Beschäftigung mit den Kunstsammlungen in Dresden. In diesem Sommer versammelte sich in Dresden ein Zirkel gleichgesinnter Freunde, darunter die Brüder Schlegel, Caroline Schlegel und deren Tochter Auguste Böhmer, der Jenaer Student und spätere Übersetzer Johann Diederich Gries sowie Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, der noch in diesem
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Jahr an die Jenaer Universität berufen wurde. Friedrich von Hardenberg gesellte sich ebenfalls Ende August für zwei Tage dazu. 143,19 für das überschickte Athenäum] Schlegels Brief vom 9. Mai lag „das erste vollständige Exemplar“ (H: GSA 28/805, Bl. 5) des „Ersten Bandes Erstes Stück“ des „Athenaeum. Eine Zeitschrift von August Wilhelm und Friedrich Schlegel“ bei (vgl. Ruppert, Nr 278). 143,19 dessen Inhalt] Die Zeitschrift enthielt den Aufsatz „Die Sprachen. Ein Gespräch über Klopstocks grammatische Gespräche“ von August Wilhelm Schlegel (S. 3–69), die „Blüthenstaub“-Fragmente, hier anonym herausgegeben, von Friedrich von Hardenberg (Novalis) (S. 70–106), Übersetzungen von „Elegien aus dem Griechischen“ von August Wilhelm und Friedrich Schlegel (S. 107–140) sowie August Wilhelm Schlegels „Beyträge zur Kritik der neuesten Litteratur“ (S. 141–177). Schlegel ging in seinem Bezugsbrief vom 9. Mai ausführlich auf den Inhalt und die zukünftigen Themen der Zeitschrift ein. 143,20–21 die Verfasser] Neben den Brüdern Schlegel war Friedrich von Hardenberg mit den „Blüthenstaub“-Fragmenten anonymer Beiträger des „Athenaeum“. August Wilhelm Schlegel gab in seinem Bezugsbrief vom 9. Mai lediglich an, die Texte seien „von einem philosophischen Freunde, der nicht unter seinem wahren Nahmen genannt seyn will“ (H: GSA 28/805, Bl. 5). 143,21 mich und das meinige] Die Berufung auf Goethe und seine Werke sind im „Athenaeum“ programmatisch. Das zweite Stück des ersten Bandes enthält die Rezension Friedrich Schlegels „Über Goethe’s Meister“. 143,21 mit einer so entschiedenen Neigung] In den „Blüthenstaub“-Fragmenten wird Goethe mehrfach erwähnt und u.a. zum „Statthalter des poetischen Geistes auf Erden“ gekürt (Athenaeum. 1. Bd, 1. St., S. 103). 144,5 gewahren] Versehentlich für ‚gewähren‘. 144,6 wieder sehen] Die nächste persönliche Begegnung fand laut Tagebuch am 16. Oktober 1798 in Jena statt (vgl. GT II 1, 262). 144,11–12 mit Arbeiten für den nächsten Almanach] Zu Goethes Beiträgen für Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ vgl. zu 148,13–14. 144,14 einige Günstlinge] Schlegel hatte in einem Brief vom 24. September 1797 an Goethe nach der Lektüre der Aushängebögen des „Musen-Almanachs für das Jahr 1798“ einige Gedichte Goethes besonders gelobt. Neben der positiven Erwähnung von „Der neue Pausias und Sein Blumenmädchen“ (ebd., S. 1–18) und „Der Gott und die Bajadere“ (ebd., S. 188–193) war ihm „Die Braut von Corinth“ (ebd., S. 88–99) „unter Ihren dießjährigen Gaben doch die liebste“ (H: GSA 28/19, Bl. 507–508; vgl. RA 2, Nr 978). – Zu den Gedichten Goethes für den „MusenAlmanach für das Jahr 1799“ liegen keine schriftlichen Äußerungen Schlegels vor. 144,15–16 auch dieses Jahr uns mit einigen Ihrer Gedichte zu erfreuen] Schlegel sandte noch aus Berlin über Marianne Meyer am 20.? Juni (vgl. RA 2, Nr 1352) die Gedichte „An Friederike Unzelmann. als Nina“ und „Der neue Pyg-
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malion. / An Iffland“ ein, die in Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ erschienen (ebd., S. 73, 144). Nach Goethes Aufforderung im vorliegenden Brief verfasste er ein weiteres Gedicht, das er mit seinem Antwortbrief vom 18. Juli an Goethe sandte, „Kampaspe“ (ebd., S. 86–89). Seinem Brief vom 29. Juli (vgl. RA 2, Nr 1397) legte er schließlich „Lebensmelodien“ als letzten Beitrag bei (ebd., S. 111–115). – In den ersten beiden Jahrgängen des „Musen-Almanachs“ hatte Schlegel seine Gedichte „Aus einem ungedruckten Roman“ („Musen-Almanach für das Jahr 1796“, S. 111–118) und „Pygmalion“ („Musen-Almanach für das Jahr 1797“, S. 126–141) veröffentlicht, im „Musen-Almanach für das Jahr 1798“ folgten die Gedichte „Prometheus“ (S. 49–73), „Gesang und Kuß“ (S. 157), „Zueignung des Trauerspiels Romeo und Julia“ (S. 175–178), „Die entführten Götter“ (S. 199–203) und „Arion“ (S. 278–286). 144,17 daß Sie keine Pause machten] Schlegel hatte in seinem Brief vom 10. Juni angekündigt, dass er aus Mangel an Zeit nichts zum „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ beisteuern könne. 144,21 Auch Schiller] Schiller hatte Schlegel zwar in seinem Brief vom 7. Mai dazu eingeladen, Beiträge einzureichen, sich aber aufgrund der vorhandenen Meinungsverschiedenheit Schlegel gegenüber distanziert verhalten (vgl. NA 29, 233). 144,23 Danken Sie Herrn Tieck für die überschickten Gedichte] Schlegel hatte Ludwig Tieck in Berlin kennen gelernt. Da Tieck bislang noch keinen persönlichen Kontakt zu Goethe hatte aufbauen können, trat Schlegel als Vermittler zwischen beiden auf. Mit seinem Bezugsbrief vom 10. Juni schickte Schlegel einen Brief Tiecks mit, dem „einige kleine Gedichte“ (H: GSA 28/805, Bl. 7) sowie der erste Band seines Romans „Franz Sternbalds Wanderungen. Eine altdeutsche Geschichte“ beilagen (nicht in Ruppert verzeichnet). Für die Gedichte baten Schlegel und er bei Gefallen um Veröffentlichung im „Musen-Almanach für das Jahr 1799“, wo sie wie gewünscht erschienen: „Herbstlied“ (S. 26), „Kunst und Liebe“ (S. 36f.), „Auf der Reise“ (S. 42–44) und „Der neue Frühling“ (S. 48– 51). Vgl. auch Goethes Antwort an Tieck (Nr 132). 144,25 Ihren Herrn Bruder] Friedrich Schlegel hatte Goethe am 3. Juni geschrieben (vgl. RA 2, Nr 1310). 144,25–26 die übersendete Schrifft] Mit seinem Brief vom 3. Juni hatte Friedrich Schlegel zwei Exemplare des ersten Bandes der ersten Abteilung seiner „Geschichte der Poesie der Griechen und Römer“ (Berlin 1798; vgl. Ruppert, Nr 695) nach Weimar gesandt und Goethe sowie Johann Heinrich Meyer um eine Beurteilung gebeten (vgl. RA 2, Nr 1310). 144,26 nächstens schreibe ich beyden selbst] Vgl. die Briefe Nr 131 und Nr 132. 144,28 Die Bekanntschafft meiner werthen Berliner Freundin] Schlegel berichtete im Bezugsbrief vom 10. Juni von einer Begegnung mit „Mlle. Mariane Meyer“ am Mittwoch, dem 6. Juni 1798 (H: GSA 28/805, Bl. 8). Goethe hatte
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Marianne Meyer 1795 in Karlsbad kennen gelernt und pflegte mit ihr freundschaftlichen Umgang. 144,29 beyde Frauenzimmer] Schlegel erwähnte in seinem Bezugsbrief vom 10. Juni auch Caroline Friederike von Berg, der er im Beisein von Marianne Meyer am 6. Juni begegnet war. Beide Frauen waren Korrespondenzpartnerinnen und große Bewunderinnen Goethes, die die Goethe-Verehrung in den Salons in Berlin beförderten. 145,3 Die übrige Societät] Im Bezugsbrief vom 10. Juni berichtet Schlegel von der Bekanntschaft „mit Gelehrten, Künstlern, Jüdinnen, Geheimeräthen und Schauspielern“ (H: GSA 28/805, Bl. 8) und nennt dabei nur einzelne Namen wie Carl Friedrich Zelter, Friedrich Nicolai, Marianne Meyer, Caroline Friederike von Berg und August Wilhelm Iffland (vgl. auch zu 143,18). 145,6 Herrn Zelter] Über Carl Friedrich Zelter berichtete Schlegel in seinem Brief vom 10. Juni, dass dieser Goethes Ballade „Der Zauberlehrling“, die im „MusenAlmanach für das Jahr 1798“ erschienen war (ebd., S. 32–37), vertont habe (vgl. auch seinen Brief an Auguste Böhmer vom 3. Juni 1798; in: Caroline 1, 451). 145,6–7 diese Verbindung zweyer Künste] Zelter war Maurermeister und Komponist, eine Kombination, die Schlegel in seinem Brief vom 10. Juni als „etwas eigenthümlich anziehendes“ (H: GSA 28/805, Bl. 7) beschreibt: „Zelter behauptet aber die ursprüngliche Verwandtschaft der beyden Künste: und obgleich er gestehen muß, daß er nicht immer musikalisch bauen darf, so fodert er doch daß man durchaus architektonisch komponire.“ (Ebd., Bl. 8.) 145,10–11 die eine radicale Reproduction] Der bestimmte Artikel ‚die‘, der durch den unbestimmten Artikel ersetzt werden sollte, wurde versehentlich nicht gestrichen. 145,12–13 sein Versprechen, uns zu besuchen] Der Kontakt zwischen Goethe und Carl Friedrich Zelter verlief in dieser Zeit noch über Dritte. Bereits am 13. Juni 1796 hatte Goethe in einem Brief an Friederike Unger sein Interesse bekundet, Zelter persönlich kennen zu lernen (vgl. GB 11 I, Nr 61). 1797 war Goethe über eine Begegnung mit Abraham Mendelssohn in Frankfurt am Main darüber unterrichtet worden, dass eine Reise Zelters nach Jena eines von dessen „Lieblingsprojecten“ sei (Abraham Mendelssohn an Zelter am 1. September 1797. In: Jahrbuch der Sammlung Kippenberg 4 [1924], S. 72–76, hier S. 74). Goethe habe darauf Mendelssohn geantwortet, dass dies auch sein Wunsch sei (vgl. ebd.). Im Jahr 1799 setzte mit dem ersten Brief Zelters vom 11. August 1799 die Korrespondenz zwischen Goethe und Zelter ein, die den Beginn einer lebenslangen Freundschaft markierte. Ein erster Besuch Zelters in Weimar fand erst vom 24. bis 28. Februar 1802 statt (vgl. GT III 1, 78f.). 145,14 über allerley gebrütet] Wahrscheinlich hier in Anspielung auf die „Propyläen“. Laut Tagebuch befasste sich Goethe in diesen Tagen mit der Niederschrift des Gedichts „Die Metamorphose der Pflanzen“ sowie mit dem unvollendet geblie-
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benen Vorhaben einer Darstellung der Naturlehre durch einen Poeten (GT II 1, 250), zu dem auch „Die Metamorphose“ gehören sollte. 145,16–17 Professor Meyern 〈…〉 habe ich Ihren Gruß überschrieben.] An Johann Heinrich Meyer bat Schlegel im Bezugsbrief vom 10. Juni eine Empfehlung auszusprechen: „〈W〉ie gern hätte ich seinen Umgang in Weimar ruhiger genossen.“ (H: GSA 28/805, Bl. 8.) Vermutlich handelte es sich um den undatierten Brief Nr 109 (vgl. zu 138,23). 145,17 seine Gedanken über das bewußte Werk] Meyer verfasste, wie Schlegel in seinem Bezugsbrief vom 10. Juni richtig vermutet hatte, eine Besprechung zu Johann Dominik Fiorillos zweiter Abteilung der „Geschichte der Künste und Wissenschaften seit der Wiederherstellung derselben bis an das Ende des achtzehnten Jahrhunderts“, die mit „Geschichte der zeichnenden Künste. I. Geschichte der Mahlerey“ (Göttingen 1798; nicht in Goethes Bibliothek vorhanden) überschrieben war, für die „Allgemeine Literatur-Zeitung“ (1799, Nr 2, Sp. 11–14 und Nr 3, Sp. 17–20). August Wilhelm Schlegel hatte die deutsche Übersetzung dieses Werks durchgesehen und stilistisch bereinigt (vgl. Vorrede in: Johann Dominik Fiorillo: Zweyte Abtheilung. Geschichte der zeichnenden Künste. I. Geschichte der Mahlerey. Göttingen 1798, S. XX). 145,19 Ihre werthe Gattin] Caroline Schlegel. 145,20 lassen bald wieder von Sich hören] August Wilhelm Schlegel antwortete am 18. Juli (vgl. RA 2, Nr 1389).
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Jena, 18. Juni 1798 → 〈Weimar〉
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H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 28/21, Bl. 276–277. – Doppelblatt 20,7(–20,9) × 34 cm, 2 4⁄5 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII), Tinte; S. 1 linke Spalte oben Adresse: An Herrn Hofk. R Kirms. – Vgl. Überlieferung zu Nr 62. E: Wahle, Weimarer Hoftheater (1892), 155–157 (nach K). WA IV 13 (1893), 184–186, Nr 3818 (nach K). Textgrundlage: K. ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Kirms’ Briefe vom 14. Juni (vgl. RA 2, Nr 1332) und vom 17. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1342). – Kirms antwortete am 19. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1346).
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145,22–23 mir keinen Schauspieler vom Publiko 〈…〉 votiren zu lassen] In seinem Brief vom 17. Juni berichtete Kirms, dass ihn „Riedel, Böttiger und mehrere bedeutende Leute vom Publico“ (H: GSA 28/21, Bl. 274) gebeten hätten, sich bei Goethe für eine Absetzung des Schauspielers Friedrich Haide, „den kein Mensch sehen möchte“ (ebd.), einzusetzen. Auch die regierende Herzogin Louise habe sich ausdrücklich für Friedrich Cordemann und gegen Haide ausgesprochen. Cordemann sei dagegen bei seinem Gastspiel am 13. Juni vom Publikum gut aufgenommen worden (vgl. zu 379,20). Kirms versuchte nun in seinen beiden Bezugsbriefen, Goethe von einem Engagement Cordemanns für Michaelis 1798 und von der Entlassung Haides Ostern 1799 zu überzeugen. 145,23 Grillen] Launen (vgl. GWb 4, 475). 146,1 manche Betrachtungen] Kirms zählte in seinen beiden Bezugsbriefen mehrere Gründe auf, warum Friedrich Cordemann engagiert werden sollte: Falls der Schauspieler Heinrich Vohs im Winter, wie bereits in vorigen Jahren, wegen Krankheit ausfalle, wäre Cordemann ein besserer Ersatz als der beim Publikum unbeliebte Friedrich Haide. Cordemann würde außerdem „künftigen Winter unser Theater ein wenig neu“ (H: GSA 28/21, Bl. 275; vgl. RA 2, Nr 1342) machen. Cordemann könne auch als Tenor in der Oper eingesetzt werden und wäre auf der Naumburger Filialbühne sehr gut einzusetzen (vgl. ebd.). 146,2 Herrn Cordermann zu engagiren] Cordemann wurde, wie von Kirms vorgeschlagen, zunächst für 1 ½ Jahre angenommen und gab am 15. Oktober 1798 sein Debüt als Wilhelm von Vizar in Friedrich Ludwig Schröders „Der Fähndrich oder der falsche Verdacht“ (vgl. Theater/Musik Weimar; zu weiteren Debütrollen vgl. zu 193,7). 146,3 Ihre Vorschläge] Bezogen auf die Einsetzbarkeit Cordemanns in Schauspiel und Oper (vgl. zu 146,1). 146,4–5 mit Hl. v Luck] Lebrecht von Luck war wie Franz Kirms Mitglied der Theaterkommission (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr A 37). Wann das Gespräch stattfand, war nicht zu ermitteln. 146,5 Contrackt] Der Vertrag wurde am 18. Juni von Kirms an Cordemann geschickt und belief sich auf die Zeit von Michaelis 1798 bis Ostern 1800 (vgl. LATh – HStA Weimar, Kunst und Wissenschaft – Hofwesen A 10015, Bl. 4–5). 146,5–6 daß er überhaupt mit 8 Thlr zufrieden sey] Friedrich Cordemanns Forderung, zusätzlich zu der Gage von 8 Reichstalern auch Garderobengeld zu erhalten, wurde nicht stattgegeben (vgl. Kirms an Cordemann, 18. Juni 1798; LATh – HStA Weimar, Kunst und Wissenschaft – Hofwesen A 10015, Bl. 1; Contract: ebd., Bl. 2). Cordemann willigte in den Vertrag ein, schrieb jedoch an Kirms am 26. Juni aus Frankfurt in Bezug auf diese Reglementierung, er sei „in der festen Ueberzeugung des Herrn geh. Raths v. Goethe allgemein bekannte Gerechtigkeitsliebe werde mir diese kleine Erleichterung und Aufmunterung in Rücksicht der Garderobe zu Ostern 99 nicht versagen“ (ebd., Bl. 6). Im gleichen Brief bat er darum, beim Rei-
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BRIEF 114
segeld für seine Rückkunft von Breslau nach Weimar „nicht so gar oeconomisch zu verfahren“ und ihm die Fahrt mit „der ordinairen Post“ (ebd., Bl. 7) zu ersparen. 146,7 Durchl der Herzogin] Die Herzogin Louise hatte mit Franz Kirms gesprochen, wie dieser Goethe in seinem Brief vom 17. Juni mitteilte, und sich für ein Engagement Cordemanns und gegen eine Weiterbeschäftigung Friedrich Haides ausgeprochen. 146,10–11 daß mir weder Cordermanns Füße noch Arme recht gefallen] Wahrscheinlich handelt es sich um eine scherzhafte Anspielung auf die Passage des Briefes von Franz Kirms vom 14. Juni, in dem dieser bemerkte, dass der Schauspieler Heinrich Vohs „einen schönern Schenckelbau“ als Cordemann habe (H: GSA 28/21, Bl. 266). 146,16–18 daß ich mich 〈…〉 nicht verbinde Haiden fortzuschicken] Friedrich Haide, der seit 1793 in Weimar als Schauspieler tätig war, wurde weiterbeschäftigt bis Ostern 1807 (vgl. Satori-Neumann2 1, 85). 146,22 Piken] Verdeckter, auf Vergeltung ausgehender Groll (vgl. Grimm 13, 1846). 146,24 express] Unverzüglich (vgl. GWb 3, 504). 146,26–27 das Cordermann sich verbindet alle 〈…〉 Rollen zu übernehmen] In Cordemanns Vertrag ist sein Einsatz im Schauspiel „im Fach der Liebhaber“ (H: LATh – HStA Weimar, Kunst und Wissenschaft – Hofwesen A 10015, Bl. 4), in der Oper „nach seinen Kräften“ (ebd.) sowie als Statist festgeschrieben. Zudem erklärte er sich mit Unterzeichnung des Vertrags damit einverstanden, „alle von der Oberdirection ihm zugetheilt werdende Rollen ohne Widerrede anzunehmen“ (ebd.). 146,28 an irgend ein F a c h Ansprüche macht] Goethe befürchtete Ärger und Konkurrenz beim bereits durch andere Schauspieler besetzten Rollenfach des ersten Liebhabers. 146,28–29 Suppleanten] Von franz. suppléant: Ersatz. 146,30 ausfallende Lücken supplirt] In seinem Bezugsbrief hatte Kirms auf den möglichen Ausfall von Heinrich Vohs im Winter hingewiesen sowie auf Cordemanns Einsatz als Tenor in der Oper.
114. An Christiane Vulpius
Jena, 20. Juni 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 92–93. – Doppelblatt 13,9 × 19,9 cm, 2 S. und 2 Zeilen beschr., Schreiberhd (Geist) und egh. (147,25–28), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und zwei egh. Paraphen, Tinte. – Beischluss: EB 66. E: WA IV 13 (1893), 186f., Nr 3819 (Eduard von der Hellen).
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BEIL AG E
Götzens Quittung (vgl. zu 148,1). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet einen Brief Christian August Vulpius’, den dieser am 19. Juni 1798 im Namen seiner Schwester geschrieben hatte (vgl. RA 2, Nr 1349) und einen Brief Christiane Vulpius’ vom 18.? Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1345). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. Christiane Vulpius schrieb ihren nächsten Brief an Goethe am 22. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1355). Postsendungen: 21. Juni 1798 (D e m. Vu l p i u s / Quittung für die Kammer. Götzens Quittung.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 135r; vgl. WA IV 13, 434); 20. Juni und 21. Juni 1798 (vgl. GT II 1, 251). 147,6 eure Erfurther Tour] Goethe hatte sich im letzten Brief vom 17. Juni erkundigt, wie der am selben Tag unternommene Ausflug abgelaufen war und hatte am 18.? Juni einen kurzen Bericht von Christiane Vulpius darüber erhalten (vgl. zu 140,20). 147,10 eurem Feste] Das Dorffest nach der offiziellen Übergabe des Gutes in Oberroßla wurde von Christiane Vulpius geplant: Nach dem Kirchgang und Mittagessen war ein feierlicher Umzug der Dorfbewohner mit Musik vom Gut bis zum Wirtshaus vorgesehen. Dort sollte der Dorfgemeinschaft ein Hammel übergeben werden. Zum Ausklang des Festes war Tanzen vorgesehen. 147,10 der Registrator schreibt] Christiane Vulpius’ Bruder, der Bibliotheksregistrator Christian August Vulpius, teilte Goethe im Auftrag seiner Schwester den geplanten Ablauf des Dorffestes am 24. Juni in Oberroßla mit (vgl. RA 2, Nr 1349). 147,12 einen Brief] Goethe änderte seinen Plan und kam in der Nacht vom 23. Juni bereits nach Weimar zurück, so dass er mit Christiane Vulpius über die erfolgte Übergabe persönlich sprechen konnte. 147,14–15 ein Brief von Fräul v. Goechhausen] Der Antwortbrief von Louise von Göchhausen, in dem sie ihm für die am 23. Juni erhaltene Einladung (EB 67) auf den 26. Juni dankt, wurde erst am Sonntag, 24. Juni, abgeschickt (vgl. RA 2, Nr 1357) und erreichte Goethe nach seiner Rückkehr nach Weimar. 147,15 Botenweibern] Vgl. zu Botenfrauen allgemein zu 85,21. 147,16 bey meiner Rückkehr] Ursprünglich wollte Goethe nach Jena zurückkehren. Zur Änderung des Planes vgl. zu 150,21. 147,17–18 ich habe eben ohngefähr noch 8 Tage zu thun] Im Tagebuch ist für den 20. Juni die Niederschrift eines Neue〈n〉 Schema〈s〉 der magnetischen Phänomene nach vorangegangenen magnetischen Versuchen vermerkt (GT II 1, 251; vgl. auch zu 157,4–5), das eine Vorarbeit zu „Physische Wirkungen“ oder zu „Magnet 1799“ darstellt (vgl. LA II 1A, 537). Goethe kehrte nicht wie geplant nach der Gutsübergabe nach Jena zurück. Eine weitere Beschäftigung mit
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BRIEF 115
Magneten ist durch die Lektüre der Schrift „Versuch die Geseze magnetischer Erscheinungen aus Säzen der Naturmetaphysik mithin a priori zu entwikeln“ am 28. Juni (vgl. zu 154,27–29) sowie nach dem Erhalt der bestellten Eisenkörper aus Ilmenau durch Carl Ludwig von Knebel am 9. Juli (vgl. GSA 28/22, Bl. 303) dokumentiert. Am 13. Juli verfasste Goethe ein Schema der dualistischen Naturwirkungen (GT II 1, 253). Goethe plante in dieser Zeit ein großes Naturgedicht, eine Darstellung der Naturlehre durch einen Poeten (ebd., 250) zu dem auch die Elegie „Die Metamorphose der Pflanzen“ gehören sollte. 147,20 Die Arbeiten] Goethe hatte seit Beginn seines Jena-Aufenthalts am 7. Juni nicht nur den Aufsatz „Ueber Laokoon“ für den Druck in den „Propyläen“ vorbereitet, sondern vor allem an den für Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ vorgesehenen Gedichten gearbeitet (vgl. zu 136,26–27; vgl. GT II 1, 250). 147,21 deinen Bruder] Christian August Vulpius. 147,22 Professor Woltmann] Christian August Vulpius erkundigte sich in seinem Brief vom 19. Juni, ob Carl Ludwig Woltmann, der bis 1797 eine außerordentliche Professur der Philosophie an der Universität Jena innegehabt hatte und dessen Stelle Ende Mai 1797 nicht verlängert worden war (vgl. GT II 1, 113), wieder in Jena sei (vgl. RA 2, Nr 1348). Vulpius’ Nachfrage bezog sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf von Woltmann ausgeliehene Bücher aus der Fürstlichen Bibliothek, die dieser nicht zurückgegeben hatte. Noch am 12. Februar 1799 wies Vulpius Goethe auf Bücher hin, „welche noch seit so langen Jahren im Woltmannischen Zimmer steken“ (H: GSA 28/24, Bl. 31; vgl. RA 3, Nr 49). 147,25 beyliegenden Zettel] Nicht überliefert (vgl. EB 66). 147,26 dein glattes Gesichtchen] Christiane Vulpius hatte in ihrem Bezugsbrief vom 18.? Juni mitgeteilt: „Da ich numer ganz glad bin kans du dir dencken waß die leute wieder vor äugelgen mit mir machen wollen 〈…〉.“ (H: GSA 28/21, Bl. 283.) – Das glatte Gesicht war bereits im Brief vom 12. Juni thematisiert worden (vgl. zu 136,24–25). 147,26–27 die Augelchen für den Schatz] Der Begriff ‚Augelchen‘, hier im Sinne von ‚verliebte Augen‘ (vgl. GWb 1, 1067) wird von Goethe nur im Kontext der Briefe an Christiane Vulpius verwendet und gehört damit zu einer persönlichen, sprachlichen Codierung innerhalb der Liebesbeziehung. 148,1 Götzens Quittung] Unter den Rechnungsbelegen befindet sich eine von Goethes Diener Johann Georg Paul Goetze am 18. Juni unterzeichnete Quittung über den Erhalt von 19 Reichstalern und 6 Groschen Gehalt für das Quartal Johannis, also für das zweite Jahresquartal (vgl. GR/Belege 1798, 3, Bl. 9). Von dem Geld waren 12 Reichstaler 12 Groschen für ihn, 6 Reichstaler 18 Groschen für seine Mutter bestimmt (vgl. ebd.). In Goethes Briefverzeichnis ist die aus Jena geschickte Quittung für den 21. Juni notiert (vgl. Postsendungen), an diesem Tag
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war Goethe aber bereits nach Oberroßla abgereist (vgl. GT II 1, 251). Da Goetze als Baukondukteur ein sehr geringes Gehalt von 50 Reichstalern im Jahr bezog, zahlte Goethe ihm neun Jahre lang, von 1794 bis 1803, eben so viel Geld wie er vom Staat erhielt (vgl. Schleif, Goethes Diener, 108). Es wurde vierteljährlich ausgezahlt, zusammen mit einem Gnadengehalt für Goetzes Mutter Maria Dorothea, die seit 1777 mit dem Sohn in Goethes Diensten gestanden hatte (vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 245). 148,1 das Quartal] ‚Quartal‘ hier im Sinne von Gehalt, das vierteljährlich ausgezahlt wurde (vgl. Grimm 13, 2320). Der dreimonatige Abrechnungszeitraum reichte bis zum Johannistag am 24. Juni oder bis zum 1. Juli (vgl. GWb 5, 151).
115. An Christian Gottlob Voigt
〈Jena, 21. Juni 1798〉 → 〈Weimar〉
DAT IERUN G
Im Tagebuch wird das Diktat von Briefen für den 20. Juni erwähnt (vgl. GT II 1, 251), wozu wahrscheinlich der Anfang des vorliegenden Briefes zu zählen ist. Die Datierung auf den 21. Juni ergibt sich aus den Angaben im Briefverzeichnis zum Absendedatum (vgl. Postsendungen) sowie aus Goethes Tagebuch, in dem der im Brief erwähnte Klubbesuch Franz Josias von Hendrichs vom Tag zuvor (vgl. 149,23–24) für den 20. Juni 1798 notiert ist (vgl. GT II 1, 251). Die Erwähnung von Goethes bevorstehender Abreise am Abend nach Oberroßla (vgl. 149,27) deutet ebenfalls darauf hin, dass der Schluss des Briefes am 21. Juni geschrieben wurde. ÜBER L IEF ERU NG
H: LATh – HStA Weimar, Kunst und Wissenschaft – Hofwesen, Sign.: A 6437, Bl. 226–227. – Doppelblatt 19,1 × 22,8(–23) cm, 3 ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (zu ergänzten Kommata vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 1 oben Empfangsvermerk von Voigts Hd, Tinte: „praes. 27. Jun 1798.“ – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (265 Bl.) mit der Aufschrift: „Geheimde / Canzley Acta / die / Philosophisch / Facultaet / zu Jena / betrL. / Volum. / IV.“ E: 〈Carl August Hugo〉 Burkhardt: Zwei ungedruckte Goethebriefe. In: Die Grenzboten 36 (1877), 2. Semester, 1. Bd, S. 441–443, Nr 1. WA IV 13 (1893), 187–190, Nr 3820 (nach E). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christian Gottlob Voigts Brief vom 11. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1323). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt.
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BRIEF 115
Postsendungen: 21. Juni 1798 (G e h l . R a t h. Vo i g t. über verschiednes mit Schallings Weltsele.; Briefverzeichnis 1798, 2, Bl. 135r; vgl. WA IV 13, 434); 20. Juni und 21. Juni 1798 (vgl. GT II 1, 251). 148,3 von Ihrem Befinden Nachricht] Voigt hatte am 11. Juni aus Ruhla an Goethe geschrieben (vgl. RA 2, Nr 1323). Er hielt sich dort mit Herzog Carl August zur Erholung auf. 148,7 die Anlage zu der ich damals beytrug] Goethe hatte sich 1789 bei der Errichtung der Kuranlage in Ruhla, einem etwa 15 km von Eisenach entfernt gelegenen Bergort mit Heilwasserquellen, maßgeblich beteiligt (vgl. GB 8 II, zu 146,3–4). Im Bezugsbrief bemerkte Voigt, dass er von den Bädern keinen Gebrauch mache, jedoch die „schönen Stellen für Gebirgsfreunde“ aufsuche (GoetheVoigt2 2, 75). 148,9 unsern gnädigsten Herrn] Carl August Herzog von Sachsen-Weimar und Eisenach unterzog sich nach überstandener Krankheit einer Kur in Ruhla. Durch Voigts Bericht von den gesellschaftlichen Verpflichtungen des Herzogs konnte Goethe schließen, dass sich dessen Gesundheitszustand gebessert hatte. 148,13 Mein hießiger Aufenthalt] Goethe hielt sich vom 20. Mai – mit einer Unterbrechung vom 31. Mai bis 4. Juni – bis zum 21. Juni in Jena auf (vgl. GT II 1, 245–251). 148,13–14 mein Contingent zum Almanach] Laut Tagebucheintrag vom 18. Juni hatte Goethe seine am 12. Juni begonnene Arbeit an den Gedichten für Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ beendet (vgl. GT II 1, 250). Darin erschienen insgesamt dreizehn Gedichte Goethes: „Euphrosyne. Elegie“ (S. 1–13), „Die Metamorphose der Pflanzen“ (S. 17–23), „Das Blümlein Wunderschön. Lied des gefangenen Grafen“ (S. 69–73), „Am 1. October 1797“ (S. 61), „Der Edelknabe und die Müllerinn. Altenglisch“ (S. 102–104), „Der Junggesell und der Mühlbach. Altdeutsch“ (S. 107–110), „Der Müllerinn Verrath“ (S.116–119), „Reue. Altspanisch“ (S. 129–132), „Amyntas. Elegie“ (S. 145– 148), „Stanzen“ (S. 204f.) unter seinem Namen, die Gedichte „Die Musageten“ (S. 14–16), „Sängerwürde“ (S. 91–101) und „An meine Lieder“ (S. 231) unter dem Pseudonym „Justus Amman“. 148,14–15 wieder an andere Arbeiten] Laut Tagebuch beschäftigte sich Goethe am 21. Juni mit Schlegels „Geschichte der Griechen und Römer“ (vgl. GT II 1, 251). In den Folgetagen stand die Übernahme des Lehn- und Freigutes in Oberroßla im Vordergrund, im Juli wurden die Dienstgeschäfte im Schlossbau und beim Theaterbau vordringlich. An Schiller schickte er am 24. Juni sein „Elpenor“-Fragment (vgl. zu 152,21–22) und berichtete am 30. Juni über sein geplantes „Tell“-Epos (vgl. zu 156,8). 148,15 in natürlichen Dingen] ‚Natürlich‘ hier im Sinne von ‚in der Natur so vorkommend‘ (vgl. GWb 6, 647). Gemeint ist Goethes Plan, die Naturlehre poetisch darzustellen; das Gedicht „Die Metamorphose der Pflanzen“, mit dem er sich
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laut Tagebuch am 17. und 18. Juni beschäftigt hatte (vgl. GT II 1, 250) und das in Schillers „Musen-Almanach für das Jahr 1799“ erschien (ebd., S. 17–23), war ebenso Bestandteil dieses Projekts, das Goethe jedoch nie vollendete. Auch die „Propyläen“ sollten die Möglichkeit enthalten, Kunst- und Naturbetrachtung miteinander zu verbinden und die Bedeutung der Naturkunde und -geschichte für die bildenden Künste hervorzuheben. 148,15 Vorschritt] Bei Goethe häufig verwendetes Wort, um ein Fortschreiten in der Vervollkommnung zu beschreiben (vgl. Grimm 26, 1517). 148,17 S c h e l l i n g s kurzer Besuch] Vgl. Goethes Bericht über Friedrich Wilhelm Joseph Schellings Aufenthalt in Jena zu Pfingsten, vom 27. bis 30. Mai (vgl. GT II 1, 246) und seiner ersten persönlichen Begegnung mit ihm in seinem Brief an Voigt vom 29. Mai (vgl. 128,4–5). – Voigt hatte im Bezugsbrief bei Goethe um eine Auflistung der Gründe gebeten, um sie den anderen Höfen vorlegen zu können. 148,18 daß er herbeygezogen würde] Zu Schellings Berufung als außerordentlicher Professor der Philosophie an die Universität Jena, die nach einem ersten Versuch im Jahr 1797 durch die damals ablehnende Haltung der neben Weimar zuständigen Höfe Sachsen-Coburg, Meiningen und Gotha nun doch zustande kam (vgl. Nr 126). 148,19–20 in Leipzig jetzt ziemlich isolirt] Schelling hatte 1795 eine Hofmeistertätigkeit bei den beiden 16 und 17 Jahre alten Baronen, Ludwig Georg und Friedrich Ludwig von Riedesel, angenommen und begleitete sie im März 1796 von Stuttgart zum Studium an die Universität Leipzig. Seine 1797 und 1798 entstandenen Schriften erarbeitete er parallel zu dieser Tätigkeit. Er hörte Vorlesungen in Mathematik, Physik und Medizin und hatte Kontakte zu Leipziger Professoren, wie etwa zu dem Mathematiker Carl Friedrich Hindenburg. 148,21–22 Geistestalente] Schellings herausragende geistige Fähigkeiten (vgl. GWb 3, 1346) hatte Goethe bereits im Brief vom 29. Mai an Voigt ausdrücklich hervorgehoben (vgl. 128,6–11). 148,23 die Thätigkeit des jenaischen Kreises] Wahrscheinlich unmittelbar bezogen auf Goethe, Schiller, August Wilhelm Schlegel, Friedrich Immanuel Niethammer und Johann Gottlieb Fichte, aber auch allgemein auf die Jenaer Professorenschaft. 148,26–27 daß er Scherern sehr nützlich werden könnte] Alexander Nikolaus Scherer, wohl wegen Goethes und Schellings gemeinsamen optischen Versuchen bei seinem Besuch im Mai 1798 (vgl. GT II 1, 246). 149,1 die Tübinger Bildung] 1790 war Schelling ins Tübinger Stift eingetreten, um Theologie und Philosophie zu studieren. Er promovierte 1792 mit einer lateinischen Abhandlung, 1795 bestand er die Abschlussprüfung im Stift. 149,2–3 als Führer von ein paar junger Edelleute] Seine beiden Schützlinge, Ludwig Georg und Friedrich Ludwig von Riedesel, die er als Hofmeister begleitete.
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149,6 sein Buch] Zu Friedrich Wilhelm Joseph Schellings Werk „Von der Weltseele“ vgl. zu 135,6. Goethes Rechnungsbuch vermerkt unter dem 8. Juni den Kauf eines Exemplars von Schellings neue Weltseele (GR/Jena 1798, 1, Bl. 5r) zum Preis von einem Reichstaler. Die Sendung des Buches war wohl ein Mittel, um während des gemeinsamen Aufenthalts in Ruhla bei Herzog Carl August einen geeigneten Anknüpfungspunkt zur Berufungsthematik zu finden. 149,10–11 der meteorologische Theil] Herzog Carl August teilte das meteorologische Interesse mit Goethe, was sich nicht zuletzt bei der Errichtung der meteorologischen Station in den Jahren 1816/17 zeigt. Goethes Hinweis bezieht sich auf die Kapitel „Kritik der gewöhnlichen meteorologischen Begriffe“ (S. 136–149) und „Hypothese zur Erklärung der Barometerveränderungen“ (S. 149–176) in Schellings Abhandlung. 149,13–14 bey den übrigen Höfen] Entscheidungen über Universitätsangelegenheiten wurden nicht allein durch das Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach getroffen, sondern erfolgten erst nach Zustimmung der anderen am Erhalt der Universität beteiligten drei ernestinischen Herzogtümer: Sachsen-Gotha und Altenburg, Sachsen-Coburg-Saalfeld sowie Sachsen-Meiningen. 149,14 auf diese beyden Schrifften] Neben der überschickten Schrift „Von der Weltseele, eine Hypothese der höhern Physik zur Erklärung des allgemeinen Organismus“ (Hamburg 1798) die 1797 erschienenen „Ideen zu einer Philosophie der Natur“. 149,15–16 in der Qualität eines denkenden jungen Mannes] Voigt legte Goethes Brief und weitere Empfehlungsschreiben für Schelling seinem Brief vom 30. Juni 1798 an Herzog Carl August bei und fügte hinzu: „Der Geheimrat von Göthe hat ihn 〈Schelling〉 kürzlich kennen lernen. Sein beyliegender Brief sagt noch mehr, als jene Nachricht.“ (H: LATh – HStA Weimar, Kunst und Wissenschaft – Hofwesen A 6437, Bl. 222.) Herzog Carl August übernahm in seinem Brief an die Herzöge von Sachsen-Gotha und Eisenach, Sachsen-Coburg-Saalfeld, und Sachsen-Meiningen einzelne Passagen aus Goethes Brief: „Uns ist seit einiger Zeit ein junger Gelehrter, D. F. W. J. Schelling zu Leipzig, wegen seiner Wissenschaftlichen Originalität, Lebendigkeit des Vortrags und anderer guten Eigenschaften, von einigen öffentlichen Lehrern der Gesammt Academie zu Jena, so wie anderwärts, empfohlen worden. Er hat sich durch verschiedene Schriften, besonders die I d e e n z u e i n e r P h i l o s o p h i e d e r N a t u r und v o n d e r We l t - S e e l e als einen denkenden Mann gezeigt, von dessen hellen Blick und guten Methode man sich in den Erfahrungs-Wissenschaften, als in der Physick, Chemie pp künftig viel zu versprechen hat. Wir glauben, daß der Gesammt Academie zu Jena, ein nüzliches Mitglied verschaft werde, wenn obgedachter Dr. Schelling, mittelst dessen Ernennung zum extrordinairen Professor der Philosophie, dahin gezogen wird, ehe derselbe in andere Verhandlungen eintritt 〈…〉.“ (Ebd., Bl. 221.)
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149,19 Wegen Schlegels] August Wilhelm Schlegels Berufung an die Jenaer Universität betreffend, vgl. hierzu Goethes Brief an Schiller, Nr 90. 149,19 M e i n u n g e n] ‚Meinungen‘ damals übliche Form für Meiningen (vgl. Zedler 20, 348). 149,23 Herr v. Hendrich] Franz Josias von Hendrich, fürstlich meiningischer Geheimer Rat am Hofgericht zu Jena. 149,24 im Clubb] Im Jenaer Mittwochsklub, einer geselligen Zusammenkunft, zu der man sich im Gasthaus „Zur Rose“ traf (vgl. Hermann F. Weiss: Der Mittwochs- und der Professorenklub. Zur Geselligkeit in Jena am Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts. In: JbFDH 1999, S. 94–120). 149,27 nach Roßla] Zur offiziellen Gutsübergabe am folgenden Tag in Oberroßla (vgl. GT II 1, 251). Voigt hatte Goethe im Vorfeld beratend zur Seite gestanden, weshalb Goethe ihn gerne bei den geladenen Gästen an seiner Tafel am 23. Juni gesehen hätte (vgl. zu 141,23–24). 149,29 meine] Versehentlich statt ‚meinen‘. 149,29–30 Rühlemann einen so bedeutenden Assistenten zugewiesen] Johann August Bernhard Rühlmann versah die Stelle eines Kammer-Consulenten (vgl. 〈Carl August Hugo〉 Burkhardt: Zwei ungedruckte Goethebriefe. In: Die Grenzboten 36 [1877], 2. Semester, 1. Bd, S. 441–443, Nr 1, hier S. 442) und agierte gemeinsam mit dem Bauverwalter Steffany als Bevollmächtigter Goethes und Sachverständiger bei der Gutsübergabe. Rühlmann hatte am 16. Juni auf Unstimmigkeiten in den Akten zum Oberroßlaer Freigut hingewiesen, die bei der Gutsübergabe zu klären waren (vgl. RA 2, Nr 1340). 149,30 Wetterschaden] Am 9. Juni meldete Steffany, dass ein Gewitter in Oberroßla am Vorabend großen Schaden angerichtet hatte. Er habe daraufhin den zukünftigen Pächter Fischer gebeten, die Felder und Gebäude vor Ort genau in Augenschein zu nehmen und Goethe darüber Bericht zu erstatten (vgl. RA 2, Nr 1318). Es stellte sich die Frage, wer für den kurz vor der Gutsübergabe entstandenen Schaden aufkommen sollte. Der Landkammerrat Rühlmann wies darauf hin, dass man keine Ansprüche an die Verkäufer richten könne, da sich der Wetterschaden nach dem Datum des Ankaufs ereignet habe (vgl. RA 2, Nr 1340). Die zur Gutsübergabe berufenen Sachverständigen schätzten den Schaden durch den Wetterschlag auf lediglich 1⁄6 des Winterfeldes auf 3 Ackern Fläche (vgl. GSA 30/42, Bl. 18). 149,31 Da Fama tausend Zungen hat] Fama, römische Göttin des Ruhmes und des Gerüchts, wird bei Vergil als geflügeltes Geschöpf beschrieben, unter dessen Federn sich Tausende von Augen, Ohren und schwatzende Münder befinden. 149,32 Uebergabe] Die Übergabe des erstandenen Gutes in Oberroßla erfolgte am nächsten Tag. 149,32–33 gebe ich einige kurze Nachricht] Nicht überliefert.
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BRIEFE 116/117
150,4 auf jeden Wink gleichfalls eintreffen] Goethe kehrte nach erfolgter Übergabe des Gutes in Oberroßla nach Weimar zurück. Um Mitternacht des 27. Juni traf auch Herzog Carl August „mit sämtL: Suite“, also auch mit Voigt, wieder in Weimar ein (FB 1798, S. 110).
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Jena, 21. Juni 1798 → 〈Jena〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 28/1051, Bl. 133–134. – Doppelblatt 11,8 × 18,9 cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Paraphe, Tinte; S. 3 Adresse: Herrn Hofrath Schillers / Wohlgebl. / nebst einem Buch.; S. 3 und 4 Reste der Verschlussoblate, obere rechte Ecke Ausriss durch Öffnen der Oblate. E: Schiller-Goethe1 4 (1829), 217, Nr 469. WA IV 13 (1893), 191, Nr 3821. BEIL AG E
Johann Karl Fischers „Physikalisches Wörterbuch“ (Göttingen 1798) (vgl. zu 150,9). ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt. Der Brief wurde innerhalb Jenas befördert. Er ist nicht in Schillers Schreibkalender verzeichnet (vgl. Schillers Kalender, 92). Postsendungen: 21. Juni 1798 (vgl. GT II 1, 251). 150,7 Da ich mich doch noch entschliessen muß zu fahren] „den 21 〈Juni〉 sind dHL Geh rath v Göthe nacher Roßla gereist“ (Färber-Calender 1798, Bl. 13). Goethe begab sich am Mittag von Jena nach Oberroßla, um in den nächsten beiden Tagen der Übergabe des im März erworbenen Guts beizuwohnen (vgl. GT II 1, 251). Er kam am 6. Juli wieder nach Jena zurück (ebd., 252). 150,9 Fischersche Wörterbuch] Johann Karl Fischers „Physikalisches Wörterbuch oder Erklärung der vornehmsten zur Physik gehörigen Begriffe und Kunstwörter 〈…〉 in alphabetischer Ordnung. Erster Theil. Von A bis Elektr.“ (Göttingen 1798; vgl. Ruppert, Nr 4554). Fischer hatte das Werk am 30. Mai persönlich an Goethe übersandt (vgl. RA 2, Nr 1304). Mit seiner Vermittlung an Schiller zielte Goethe darauf ab, die gemeinsame Beschäftigung mit physikalischen Phänomenen zu befördern, wofür sich Schiller in seinem Brief an Goethe vom 28. Juni bedankte: „Ich freue mich auf den Magnetischen Cursus sehr, in dem Fischerischen Wörterbuch habe ich gerade über diesen Gegenstand wenig Trost gefunden, da dieser erste Band nicht so weit reicht.“ (NA 29, 249; vgl. RA 2, Nr 1360.)
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150,11 Hofrath Loder schickt Montags ein Packet nach Paris] Der Jenaer Professor für Anatomie und Chirurgie Justus Christian Loder stand sowohl mit Wilhelm von Humboldt als auch mit Pariser Institutionen wie der „Société de médecine“ in Verbindung (vgl. NA 37 I, 281). 150,12 meinen Brief] Gemeint ist der geplante Brief an Wilhelm von Humboldt, den Goethe allerdings erst am 16. Juli beendete (vgl. Nr 138). 150,12–13 eine Abschrifft der Euphrosyne mit Beylegen] Goethe hatte seine Elegie „Euphrosyne“ auf die verstorbene Schauspielerin Christiane Becker geb. Neumann am 13. Juni vollendet (vgl. zu 138,1). Wie hier angekündigt, legte er sie seinem Brief an Wilhelm von Humboldt bei (vgl. zu 170,25). 150,13–14 Ihrem Schreiben] Schillers Brief an Wilhelm von Humboldt vom 27. Juni wurde bereits am 29. Juni abgesandt (vgl. NA 29, 244–249; vgl. Schillers Kalender, 93). 150,15 Ihre liebe Frau] Charlotte Schiller.
117. An Christiane Vulpius Oberroßla, 21. Juni 1798 → Weimar ÜBER L IEF ERU NG
H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 94–95. – Doppelblatt 19,1 × 28,2 cm, ¾ S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte; S. 4 Adresse: An / Demoiselle Christiana Vulpius / auf dem Frauenplan / in / We i m a r. / Ueberbringer erhält / 1 gl. Trinkgeld.; S. 3 und 4 Reste eines roten Gemmensiegels: Amor mit den Waffen des Herkules (vgl. Femmel/Heres, 71, K 3). E: WA IV 13 (1893), 191f., Nr 3822 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Der Brief beantwortet Christiane Vulpius’ Brief vom 20.? Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1353). – Christiane Vulpius antwortete am 22.? Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1355). 150,18–19 so mußte ich von Jena herüber fahren] Goethe war am 21. Juni mit einer Kutsche zur Gutsübergabe nach Oberroßla gefahren (vgl. GT II 1, 251). Am 12. Juni hatte er noch in Aussicht gestellt, von Jena über Weimar nach Oberroßla zu gehen (vgl. 136,16–17). 150,19–20 zurückmessen] Bei Grimm bereits veralteter, bildhafter Ausdruck für ‚den Weg ablaufen‘ (vgl. Grimm 12, 2120). 150,21 dich heimlich besuchen] Christiane Vulpius sollte die Gartentür an der Ackerwand offen lassen, damit Goethe unbemerkt ins Haus kommen konnte (vgl. 152,7–8). Goethes Pläne änderten sich jedoch: Er blieb vom 23. Juni bis zum
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BRIEF 118
6. Juli ‚offiziell‘ in Weimar (mit kurzem Aufenthalt am 2./3. Juli in Oberroßla) und wartete auf die Ankunft des Herzogs, der am 28. Juni aus Eisenach eintraf. Währenddessen kümmerte er sich um Amtsgeschäfte und empfing Besucher (vgl. GT II 1, 251f.). 150,21–22 du must aber gegen niemand nichts merken lassen] Die doppelte Negation mit zwei Negationsträgern (hier durch das Indefinitpronomen ‚keine‘ und durch die Partikel ‚nicht‘) verwendet Goethe selten, jedoch gelegentlich in den an Christiane Vulpius gerichteten Briefen (vgl. 210,10). Vermutlich passte sich Goethe hier an die Sprach- und Schreibgepflogenheiten von Christiane Vulpius an, in deren Briefen die doppelte Negation ebenfalls auftritt. Es ist anzunehmen, dass sie im Mündlichen üblich war. 150,23 der jenaische Wagen] Das Jenaer Fuhrunternehmen, das Goethe hier nutzte, ist nicht zu ermitteln. In den Rechnungen findet sich lediglich die Ausgabe von 19 Groschen und 6 Pfennig dem Kutscher Trinkg: v den Herr Geh. R. v. Jena u Rossla (GR/RB 1798, 2, Bl. 4r). 151,1 du fährst nach Roßla] Zum Johannisfest am 24. Juni und der an diesem Tag veranstalteten Feier mit den Dorfbewohnern ist eine „Chais nach Oberroßla“ in den Rechnungsbelegen belegt (vgl. GR/Belege 1798, 4, Bl. 13). 151,2 alles Vorgefallne besprechen] In Bezug auf die Ereignisse und den Ablauf der Adjudikation und der Gutsübergabe sowie Einzelheiten zu der bevorstehenden Verpachtung. 151,3 Beym Herrn Pfarrer ist es recht hübsch.] Goethe übernachtete während seines Aufenthalts in Oberroßla im Pfarrhaus bei Christian Friedrich Reimann. – Bei ‚Pfarrer‘ befindet sich in H ein seltener, hier von Schreiberhd ausgeführter Geminationsstrich über ‚r‘.
118. An Christoph Martin Wieland
Oberroßla, 22. Juni 1798 → 〈Weimar〉
ÜBER L IEF ERU NG
H: Verbleib unbekannt. K: GSA Weimar, Sign.: 30/39, Bl. 95, 98. – Doppelblatt 20,9 × 35,1 cm, 1 S. einspaltig rechts beschr., Schreiberhd (Geist), mit egh. Korrekturen (vgl. zu ergänzten Kommata Zu diesem Band, S. VIII), Tinte. – In einem gebundenen Handschriftenkonvolut (vgl. Überlieferung zu Nr 49). E: WA IV 13 (1893), 19, Nr 3823 (Eduard von der Hellen; nach K). Textgrundlage: K.
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ERL ÄUT ERUNGEN
Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Christoph Martin Wieland antwortete am 22. Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1356). Zur Person Christoph Martin Wielands (1733–1813) und zu Goethes Verhältnis zu ihm vgl. die einleitende Erläuterung zu GB 3 II, Nr 84. – Wieland hatte im März 1797 ein Rittergut im etwa 10 km von Weimar entfernt liegenden Oßmannstedt gekauft und lebte dort mit seiner großen Familie von April 1797 bis 1803 in ländlicher Abgeschiedenheit. Nach dem Vorbild der römischen Autoren Horaz und Cicero bezeichnete er sein Gut in latinisierter Form als „mein verwildertes Osmantinum“ (so in seinem Brief an Louise von Göchhausen vom 13. Juni 1798; WB 14 I, 299). Die dortige Lebensform verschaffte ihm die Ruhe eines poetischen Landwirts. Die „Transmigration“ (Brief an die Fürstliche Bibliothek Weimar vom 20. Februar 1798; ebd., 197) aus der Stadt bedeutete für ihn nicht zugleich die Abkehr vom schriftstellerischen Schaffen: In der Oßmannstedter Zeit übersetzte er u.a. antike Schriften wie etwa Xenophons „Symposion“ und verfasste die Romane „Agathodämon“ sowie „Aristipp und einige seiner Zeitgenossen“. Er gab weiterhin die 1796 begonnene Zeitschrift „Attisches Museum“ sowie „Der Neue Teutsche Merkur“ heraus. Auf dem Gut hieß er zahlreiche Gäste willkommen. Zu ihnen zählte auch Goethe, der sich von Wieland angeregt ebenfalls um den Kauf eines Gutes, zunächst sogar in Oßmannstedt, bemühte (vgl. RA 2, Nr 852). Nachdem die Entscheidung auf das nur wenige Kilometer von Oßmannstedt entfernt liegende Lehn- und Freigut in Oberroßla gefallen war, lud Goethe nach erfolgter Gutsübergabe Wieland und seine Familie mit vorliegendem Brief zum Fest nach Oberroßla ein. An dem scherzhaften Ton des Briefes wird der weiterhin bestehende freundschaftliche Umgang zwischen Goethe und Wieland deutlich. Die durch den Gutskauf wieder hergestellte räumliche Nähe zu Wieland erwähnt Goethe in den „Tag- und Jahres-Heften“ für 1798: Hieraus 〈dem Gutskauf〉 entstand mir auch eine nachbarliche Gemeinschaft mit Wielanden, welcher freilich tiefer in die Sache gegangen war, indem er Weimar völlig verließ und seinen Wohnort in Oßmannstedt aufschlug. (WA I 35, 81.) Goethe war 1798 sechsmal in Oberroßla und machte dabei und in späteren Jahren immer wieder bei Wieland Station (vgl. Doebber, Ober-Roßla, 215). Sophie von La Roche schildert ein solches Zusammentreffen im ländlichen Idyll am 21. Juli 1799: Goethe kam nach Oßmannstedt, „freundlich die Mittagssuppe mit uns zu theilen – mir war äußerst schätzbar, ihn und Wieland wie zwei verbündete Genies, ohne Prunk oder Erwartung, mit dem traulichen Du der großen Alten sprechen zu hören.“ (BuG 4, 517.) – Aus dem Zeitraum des vorliegenden Bandes ist nur dieser eine Brief Goethes an Wieland im Konzept überliefert, ebenso nur ein Brief Wielands an Goethe vom 22. Juni (vgl. RA 2, Nr 1356). 151,6 Meinen lieben Herrn Bruder in Apoll und Genossen in Ceres] Scherzhafte Anrede, die mit Erwähnung des griechischen Gottes der Künste und der
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BRIEF 119
römischen Göttin des Ackerbaus auf zwei gemeinsame Interessenschwerpunkte Goethes und Wielands anspielt: Kunst und Gutsbesitz. In seiner Antwort greift Wieland den humorvollen Ton auf und erwähnt noch die antiken Naturgötter „Vertumnus und Flora, Ceres und Pomona, Pan und Sylvanus mit allen ihren Nymfen, den mächtigen Gott der Gärten nicht ausgeschlossen“ (WB 14 I, 308), um Goethe Glück zu wünschen. 151,7 daß ich in Oberroßla angelangt bin] Goethe war am 21. Juni von Jena nach Oberroßla gekommen (vgl. GT II 1, 251). Oberroßla liegt etwa 3 km von Oßmannstedt entfernt. 151,8 Hufe] Landbesitz, Anwesen (vgl. GWb 4, 1413; vgl. zu 65,2). 151,10–11 aus Euro Pallästen in unsere Hütten zu begeben] Scherzhaft-feierliche Anrede in der zweiten Person Plural, die Wieland in seiner Antwort ebenfalls übernahm. Goethe und Wieland duzten sich gewöhnlich (vgl. Schöne, Briefschreiber Goethe, 473f.). – Wieland besaß mit dem Erwerb des Rittergutes in Oßmannstedt laut Kaufvertrag „die aus zwey Flügeln bestehenden Schloßgebäude, nebst den daran befindlichen Nebengebäuden“ (WB 13 II, 476) sowie große Ackerflächen, Wiesen und Wald (vgl. ebd., 476–481), die sich jedoch größtenteils nicht in bestem Erhaltungszustand befanden. Goethes Gut in Oberroßla hatte eine wesentlich bescheidenere Größe: Das Hauptgebäude war umgeben von (zum Teil ähnlich wie im Fall Wielands) sanierungsbedürftigen Wirtschaftsbauten. 151,11–12 mit einem juristisch-oekonomischen, frugalen Mahl] Das Mittagessen am Samstag fiel wahrscheinlich ähnlich üppig aus wie die von Christiane Vulpius in ihrem Brief vom 18. Juni aufgelistete Menüfolge, die für den Freitag vorgesehen war (vgl. RA 2, Nr 1345). Eine ausführliche Liste der Ausgabe, bey der Uebergabe des Oberroßlaer Guths (H: GSA 30/50, Bl. 20) gibt weiter Auskunft über die reiche Auswahl an Fisch, Fleisch, Geflügel, Kuchen und Getränken (vgl. ebd.). 151,13–15 die liebe Frau und wer uns noch 〈…〉 bestens eingeladen] Wieland kündigte in seinem Antwortbrief seine „Hausfrauen“ (WB 14 I, 309) an, d.h. seine Frau Anna Dorothea Wieland sowie seine Töchter Amalia Augusta Liebeskind und Maria Carolina Friederica Schorcht. 151,16 einer günstigen Antwort] Wieland antwortete noch am gleichen Tag und nahm die Einladung an.
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119. An Christiane Vulpius
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Oberroßla, 22. Juni 1798 → 〈Weimar〉
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H: GSA Weimar, Sign.: 37/IX,2,3, Bl. 96. – 1 Bl. 19,5 × 28(–28,2) cm, 1 S. beschr., Schreiberhd (Geist), mit ergänzten Kommata (vgl. Zu diesem Band, S. VIII) und egh. Paraphe, Tinte. E: WA IV 13 (1893), 193, Nr 3824 (Eduard von der Hellen). ERL ÄUT ERUNGEN
Goethe beantwortet Christiane Vulpius’ Brief vom 22.? Juni 1798 (vgl. RA 2, Nr 1355). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt. Ab 24. Juni 1798 hielten sich wieder beide in Weimar auf. 151,19–20 ich habe mir vorgenommen mich nicht zu ärgern] Bereits im Brief vom 17. Juni an Christiane Vulpius hatte Goethe ähnlich formuliert (vgl. zu 141,1–2). 151,21–22 außer den Kleinlichkeiten 〈…〉 ist nichts 〈…〉 vorgekommen] Goethe hatte noch am 22. Juni Einige Bemerkungen zur heutigen Uebergabshandlung (H: GSA 30/39, Bl. 84) anfertigen lassen, in denen er strittige Punkte zwischen ihm und der Pächterfamilie Hofmann vermerken ließ (vgl. ebd., Bl. 84–85). Es ging darin vor allem um die Reparaturbedürftigkeit von Wohnhaus, Scheune und Ställen, das ungenaue und unvollständige Inventarium sowie die auf dem Gut verbleibenden Vorräte an Futter, Dünger und Sämereien. Goethe verlangte eine genaue Einsicht in die Wirtschaftsverhältnisse der Pächterfamilie und bestand auf einer Trennung der zwei Güter der Hofmanns (vgl. ebd., Bl. 84). 151,22–152,1 Dagegen erhält Fischer sehr schönes Inventarium-Vieh] Beim ersten Teil der Gutsübergabe am 22. Juni hatte Rühlmann vor der Schätzung des Viehbestands angegeben, dass die Pächterfamilie Hofmann „bereits eine Separation vorgenommen“ (H: GSA 30/42, Bl. 8) habe, „und nur soviel dagelassen, als sie pro Inventario übergeben wolle, hätte auch, dem Vernehmen nach, neuerlich erst Vieh angekauft“ (ebd., Bl. 9). Daraufhin wurde von der Kommission entschieden, dass zwölf Kühe aus dem gesamten Viehbestand der Pächterfamilie ausgewählt werden durften (zur ausführlichen Beschreibung der milchenden Kühe und der Anzahl ihrer Kälber vgl. ebd., Bl. 11–12). Die Schafherde wurde aus acht Hammeln, sieben Jährlingen und fünf Schafen zusammengestellt (vgl. ebd., Bl. 20). Goethe als dem neuen Besitzer stand außerdem ein junges und ein altes Pferd zu, wobei das junge Pferd als nicht brauchbar eingestuft wurde und ersetzt werden musste. In Goethes Besitz gingen schließlich ein neunjähriges und ein zwölfjähriges Pferd über (vgl. ebd., Bl. 11). Des Weiteren kamen noch „eine Zucht-Sau“ (ebd., Bl. 12), „zwey Zucht Gänße, Ein Hauß Hahn und 13. Stück Hühner und Zw