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German Pages 64 [68] Year 1918
A. Marcus & E. Webers Verlag in Bonn
Altdeutsch von Ulfila bis Leibnitz Zum Gebrauch für höhere Schulen ausgewählt und erläutert von
Karl Kessel In Seinen gebunden 2.60 Mark.
Stücke der vorliegenden Sammlung sind nicht nach wissenschaftlichen Gesichts-
Punkten ausgewählt, sondern so, daß sie nur nach Inhalt und Form mustergültige Abschnitte darbieten, die ungeheuchelte Freude und Begeisterung für unsere Vorzeit erwecken
und die Schüler zu weiteren Studien anregen sollen. Ausführliche Erläuterungen sind hinzugesügt über die Stellung der einzelnen Stücke und Dichter in der literarischen Entwicklung, Biographisches, Sprachliches und worüber
sonst Lehrer und Schüler Aufklärung wünschen.
Wörter und Formen, deren Sinn aus
der Übersetzung nicht unmittelbar klar ist, sind in einem kleinen Wörterbuch erklärt.
Altdeutsch will in dem gemeinüblichen Sinn verstanden sein, daß damit die deutsche Vorzeit bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts gemeint ist.
Den Schriftstellern der
neudeutschen Zeit vom 16. bis 18. Jahrhundert gönnen ja die deutschen Lesebücher meist
auch schon ein Plätzchen, darum schien es angebracht, aus der Zeit vom 16. Jahrhundert
ab hier wesentlich nur solche Proben darzubieten, die inhaltlich Sprache und Literatur ihres Zeitalters behandeln, wie besonders die letzten Abschnitte aus Opitz, Schupp und Leibnitz.
Besondere Beachtung schien das.Volkslied zu verdienen.
In ihm offenbart sich
eine ost wundervolle Einheit von Wort und Weise; das Volkslied bleibt lebendig nur durch seine Melodie.
Die vorliegende Volksliederabteilung, die, soweit deutsche Lesebücher
in Betracht kommen, wohl den ersten Versuch darstellt, mit dem Texte auch die Weise
zu Wort kommen zu lassen, will den Sinn für die Geschichte des deutschen Volksliedes wecken und schärfen helfen; sie will aber auch dazu beitragen, daß die Volkslieder im
Gesänge weiter getragen werden.
Bei der Wahl von Text und Melodie wurde möglichst
auf die ältesten Lesarten zurückgegriffen, ohne daß dabei spätere, aber wertvolle und durch ihre große Verbreitung als volkstümlich anzusprechende Formen zu kurz gekommen wären.
Das Buch ist im besonderen auch für Lehrerbildungsanstalten empfohlen.
weltbürgerliche und staatsbürgerliche Bildung Don
Dr. Kurt Kesseler
Nachdruck verboten.
Alle Rechte, besonders das der Übersetzung in fremde Sprachen, Vorbehalten. Copyright by A. Marcus & E. Webers Verlag, Bonn 1918.
Druck: Otto Wtgand'sche Buchdruckeret G.uub.H., Leip-t-
Meinem Freunde Herrn Konrektor
Ferdinand Krüger in Cottbus zur Erinnerung
an fünfjährige Arbeitsgemeinschaft
Vorwort Die vorliegende
Schrift vereinigt Aufsätze,
die
in
den Zeitschriften
„Pädagogische Warte" (1918, Heft 7) und „Die höheren Mädchenschulen"
Abgesehen von dem ersten
(1917, Heft 21, 1918, Heft 3—7) erschienen sind.
methodologischen Aufsatz befassen sie sich mit der stark aktuellen Frage des Ver
hältnisses von weltbürgerlicher und staatsbürgerlicher Bildung, indem sie von
dem Gegensatz zwischen Foerster und Natorp ausgehen, um dann zu zeigen, wie sowohl den humanen als auch den nationalen Interessen genügt werden
Denn das ist keine Frage, wie ich bereits im „Tag" (1917, Nr. 237)
kann.
betont habe, daß alle Bildung auf Entfaltung des rein Menschlichen bedacht
sein muß, daß jeder lernen muß, sein Leben nach für alle Menschen verbind
lichen Idealen zu richten, seine Anlagen und gültige Normen bestimmen zu lassen.
daß
alle humane Bildung
nationale Prägung bekommt,
Weltbürger nur als Staatsbürger sein kann. zehnten Jahrhunderts, zumal des
wieder
vergessen.
gegenwärtigen Krieges
weil man wahrer dürfen wir nicht
Zu dem Zwecke aber ist Vermittlung von Kenntnissen
Aufsatz über die Kulturschule nach. Praxis
allgemein
Diese große Lehre des neun
und Entbindung von Lebenskräften notwendig. überzuführen,
Organisation,
durch
Fähigkeiten
Es ist aber ebenso unbedingt notwendig,
bedarf
mit denen sich
Diesen Gedanken geht der
Um sie aber aus der Theorie in die
es einer klaren Methode und die beiden nächsten
einer guten
Aufsätze befassen.
Ein
Aufsatz über die wissenschaftliche Vertretung der Bildungsideale beschließt das Buch,
weil allein eine wissenschaftliche Pädagogik,
die an den Hochschulen
als den Pflegstätten des wissenschaftlichen Lebens durch ein Ordinariat ver treten ist, die Gewähr bietet, daß alle pädagogische Praxis auf pädagogischer Erkenntnis gründet.
Grundsätzlich steht hinter den Aussätzen die Auffassung, daß die Methode der systematischen Pädagogik eine Verbindung von Empirie und Spekulation erstreben muß.
Alle berechtigten Forderungen müssen der Welt der Ideen ent
stammen, aber die Ideen müssen gewonnen, geprüft und bewährt sein am Leben,
an Seelenkenntnis und Geschichte.
So ziehen sich durch die idealistischen Be
trachtungen stets psychologische und historische Feststellungen im Geiste des deut schen Idealismus, der eine Verbindung mit der realen Welt erstrebt. Angehenden
Pädagogen auf Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten wie überhaupt allen Freunden des deutschen Bildungswesens möchten diese Aufsätze dienen, indem
sie zeigen,
was ist,
und zum Nachdenken anregen über das,
was sein soll.
Dr. Kurt Kesseler.
Inhalt. Seite Die Methode der pädagogischen Systematik........................................................................... 7 Weltbürgerliche oder staatsbürgerliche Bildung....................................................................14 Das Problem der Kuliurschule
..........................................................................................26
Das Problem der Arbeitsschule................................................................................................36
Das Problem der Einheitsschule................................................................................................46 Die wissenschaftliche Vertretung der Bildungsideale..............................................................58
Die Methode der pädagogischen Systematik. Wer sich zu
einer Theorie
prinzipiellen Grundlagen
anschickt, wer also um die
der Bildung
des pädagogischen Schaffens bemüht ist,
muß sich
wenigstens in großen Zügen Rechenschaft über die bei
und seinen Lesern
Entwicklung der Theorie anzuwendende Methode geben.
dische Besinnung führt die Betrachtung über wertvoller, aber doch
Ohne solche metho
die Äußerung vielleicht sehr
eben bloß persönlicher Meinungen nicht hinaus.
Da
läßt sich nun nicht bestreiten, daß solche methodologischen Arbeiten im Bereich
Aus älterer Zeit
der pädagogischen Wissenschaft verhältnismäßig selten sind.
ist eigentlich nur Herbart zu nennen, denn Pestalozzis idealistische Pädagogik ist intuitiv
geschaffen.
Herbart hat klar
daß
der Ethik die Pädagogik so bestimmen,
die Ergebnisse der Psychologie und
daß diese das Ziel, jene
das Programm ausgegeben,
die Wege vorschreibt.
Demgegenüber ist immer
stärker betont worden, daß die g a n z e Philosophie, nicht bloß einzelne Diszi
die Grundlage
plinen,
In neuester Zeit
der Pädagogik bilden müssen.
hat Gerhard Budde eine noologische Pädagogik geschrieben, Name sagt, auf Euckens noologische Methode zurückgreift. treten doch
die Inhalte der Euckenschen Philosophie —
zum Geist —
stark in den Vordergrund,
so
methodische Problem
zu kurz
kommt.
die,
wie
der
Aber bei Budde das Bekenntnis
daß darüber das eigentliche
Ganz kürzlich
hat Frischeisen-
Köhler in einem Aufsatz Philosophie und Pädagogik (Kantstudien, Band XXII, 1917,
S.
genommen.
27—80) sehr scharf das methodologische Problem in
Angriff
Er scheint mir jedenfalls mit dem Ergebnis recht zu haben,
daß die Methode der pädagogischen Systematik eine Synthese von Empirie und Philosophie erfordert, und daß in
dieser Synthese gerade das eigen
tümliche methodologische Problem liege.
vielfach
Die neueste Pädagogik hat sich
auf das
allerenergischste von
philosophischer Begründung der Pädagogik abgewendet, es hing das mit dem empiristisch-positivistischen Zuge Philosophie
sollten
psychologische
der Zeit zusammen. Beobachtung,
Biologie, Soziologie, Geschichte treten,
die
Stelle der
Experiment,
vielfach wurden diese Gebiete auch
nebeneinandergestellt oder durcheinandergeworfen.
orientiert,
An
pädagogisches
An Wundtschen Gedanken
glaubte man aus der Kinderpsychologie die Gesetze pädagogischen
Handelns ableiten zu können, oder man versuchte im Anschluß an Meumann die pädagogischen Wahrheiten aus dem Experiment herauszulesen. nach einer besonderen Jugendkunde,
Charakterbildung,
einer rein
Der Ruf
nach einer Erforschung der Gesetze der
empirischen Prüfung und Abwägung der ver-
8 schiedenen Methoden ist darin begründet. der
besonders
pädagogische Prinzipien ableiten wollen. sagen:
Aus Biologie und Soziologie hat
naturalistische Individualismus Spencers und Ellen Keys
„Es ist Zeit, daß die Wohltaten,
In diesem Sinne kann Spencer
die unsern Schafen und Ochsen
aus den Forschungen des Laboratoriums erwachsen, auch unsern Kindern
zuteil werden."
gestellt —
In ähnlicher Weise — allerdings sozialpüdagogisch ein
hat Bergemann Biologie und
Pädagogik gemacht.
Nach
Soziologie zur Grundlage der
ihm hat die Biologie mit aller philosophischen
Phantastik gründlich aufgeräumt, deshalb leiten wir das Ziel der Erziehung nicht mehr aus Religion und Philosophie ab, sondern aus der Biologie.
Von dort her gewinnen wir die Erkenntnis, daß der Lebenszweck die Er haltung der Gattung und ihre Vervollkommnung ist. ist danach
ist,
Ziel der Erziehung
„der gesunde tatkräftige Mensch, der befähigt und freudig bereit
an der Lösung der Kulturaufgaben seines Volkes in der jeweiligen
Gegenwart mitzuarbeiten, und zwar als ein tüchtiger Bürger seines natio nalen Staates und als ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft
überhaupt, dessen wirtschaftliche und politische Ansichten, dessen Rechtsan schauungen, Moral, Religiosität und Geschmack tu Übereinstimmung mit den
Lehren und Überzeugungen der besten und edelsten Geister seines Volkes und seiner Zeit im allgemeinen stehen, und dessen Erkenntnis allseitig ge fördert worden ist." Ähnlich hat der Schweizer Sozialpädagoge Seidel,
bei dem gleichzeitig ein stark historischer Einschlag bemerkbar ist, behauptet, daß eine Wanderung durch die Geschichte der Pädagogik zeige, wie das Ziel
der Erziehung stets durch die Bedürfnisse der Gesellschaft, also soziologisch,
bestimmt gewesen sei.
Religion und Philosophie, Kunst und Wissenschaft,
Prinzipien und Ideen bestimmten das Ziel der Erziehung nur als Kräfte zweiter und dritter Ordnung,
sie hätten auf die pädagogische Theorie, nie
mals aber auf die pädagogische Praxis Einfluß gehabt.
Die neuere Philo
sophie sei für die gesamte Pädagogik höchst unfruchtbar gewesen, weil sie ein Spiel mit dem Übernatürlichen getrieben und sich nur um metaphysische
transzendentale Gedankenschöpfungen
bemüht habe.
Schließlich sei die in
breiteren Kreisen übliche Art berührt, aus einfacher Geschichtsbetrachtung,
letztlich aus einfacher Bewunderung in der Geschichte vorliegender Theorien willkürlich und kritiklos eine Reihe pädagogischer Gedanken aufzulesen. Der Überblick hat gezeigt, daß wir bei allen genannten Pädagogen
keine eigentlich scharf herausgearbeitete prinzipielle Methode haben, sondern nur eine gemeinsame Abneigung gegen alles Spekulative.
Im einzelnen
können sich die empiristischen Pädagogen noch sehr stark voneinander unter
scheiden.
Gegen alle ist zu sagen, daß ihnen ein Kriterium für den
Gewinn
irgendeiner
pädagogischen
Erkenntnis
fehlt,
und
daß
da,
wo
9
Welt.
der idealen
diese erschlichen sind
vorliegen,
Erkenntnisse
Die psychologische
Beobachtung
Experiment haben eine hohe Bedeutung
aus
Entlehnungen
das pädagogische
und
als Diener und Stützen der Er
regen zu Problemstellungen an,
sie
kenntnis,
durch
sie können falsche Erkenntnisse
entlarven, sie sind aber doch immer nur die Probe aufs Exempel, niemals das
Exempel selber.
Sehr richtig hat
auf
Jugendkunde
gründende
sich
Frischeisen-Köhler geurteilt:
-Ethologie^ wird
„Die
in der Lage sein, von
vornherein
eine Reihe von erzieherischen Maßnahmen, Methoden und Ein
richtungen,
die
zweckmäßig
oder geradezu als gänzlich erfolglos auszuscheiden ....
vorgeschlagen oder zur Anwendung
experimentelle Pädagogik vermag
gegenüber zu
Skepsis
der
denen
daher auch
nur
ungeschichtliche Geist
zu
gern
und neigt,
als un
Die
einer gesunden
der Ausgang
Hoffnungen
hochgespannten
gebracht sind,
Erwartungen,
zu
und
sie
zu sein,
vermag die Jugend von der Last verfehlter und quälender Anforderungen zu befreien, die nur mit der Zähigkeit des historisch Gewordenen sich erhalten."
Auch von der Biologie und Soziologie her lassen sich ohne ein speku lativ zu gewinnendes Kriterium keine Erkenntnisse erreichen.
Pädagogen
steht irgendeine
es eben die Metaphysik,
der aus sie
von
fest,
wird
treffen.
Das
das
deshalb
ich
Bei allen jenen
metaphysische Gesamtanschauung
daß es
dann
—
und
wäre
keine Metaphysik gibt — von vornherein
in der gegebenen Wirklichkeit
ihre Auswahl
ganz besonders deutlich an dem Zitat aus Bergemann,
so lang wiedergegeben habe.
absichtlich
Von „Kulturauf
gaben" läßt sich nur reden, wenn der Begriff der „Kultur" von vornherein
„Tüchtige" Bürger, „nützliches" Glied der menschlichen Gesellschaft
feststeht.
aber sind Wertungen, die ihrerseits einen Wertmaßstab voraussetzen, der nicht
der Empirie
entstammen
aufmerksam gemacht,
Sehr fein hat Frischeisen-Köhler darauf
kann.
wie der empiristische Pädagoge Stadler neben
einem
eudämonistischen Grundprinzip ein davon unabhängiges ideales Grundprinzip
einführt, das nicht der Erfahrung,
wie
über
sondern der Philosophie entstammt, und
die Zulässigkeit und Notwendigkeit dieser Ergänzung niemals die
Erfahrung entscheiden kann. Aus
lesen,
der Geschichte aber kann
was
Deshalb liest Seidel aus
er will.
Voraussetzungen heraus. Pädagogik ganz Buche
ich
Das
mit ganz
getreten.
ohne näheres Kriterium jeder heraus
in Wirklichkeit sich
Daß
andere Erkenntnisse
Lebenswerk
der
ihr seine metaphysischen
aus der Geschichte der
gewinnen lassen, habe ich
in meinem
Pädagogenx) gezeigt.
Freilich bin
großen
anderen Voraussetzungen als Seidel an die Geschichte heran
Jedenfalls
beweist
dies das eine,
J) I. Klinkhardt, Leipzig 1913.
daß
wir auf historistischem
10 Wege, d. h. durch prinzipienlose Geschichtsbetrachtung, keine Erkenntnisse für die Pädagogik gewinnen können,
eine prinzipielle Betrachtung
aber durch
bricht die empiristischen Voraussetzungen. Der völlige Gegenpol zu der besprochenen Methode ist die der ratio
nalen Deduktion, wie sie in der Gegenwart von Natorp vielleicht am reinsten vertreten wird.
Ich habe deshalb schon früher geurteilt, Natorps Pädagogik
sei von des Gedankens Blässe angekränkelt *), worauf freilich Artur Buchenau
Natorp verteidigt und seinen Standpunkt als berechtigt vertreten hat2).
Die
vorliegende Arbeit gibt mir Gelegenheit noch einmal herauszustellen, was ich
meine.
Es ist mir dabei interessant und wertvoll, daß Frischeisen-Köhler,
der Kant wesentlich näher steht als ich,
ebenfalls gegen den Rationalismus
der Natorpschen Methode Bedenken äußert.
Natorp gründet seine Sozialpädagogik auf eine Idee, d. h. „die Gestalt die wir in Gedanken haben als die sein sollende,
einer Sache,
gegebene Stoff sei es gestaltet werdend oder sich gestalten soll". Wendung „in Gedanken haben" kennzeichnend.
zu der der
Dabei ist die
Ausdrücklich betont Natorp,
daß diese Idee weder auf psychologischem, noch naturwissenschaftlichem Wege,
also empirisch, sondern nur auf deduktiv-logischem Wege, also idealistisch zu gewinnen sei.
Die Idee macht als reines, ideales Gesetz pädagogische Erfahrung
erst möglich.
Die reinen Gesetzeswissenschaften der Logik, Ethik und Ästhetik
entwickeln nämlich die in der Einheit des Selbstbewußtseins gegründeten idealen Gesetze, die der Pädagogik den Weg zur Menschenbildung weisen.
Die ganze
Philosophie im Sinne Natorps, d. h. die Methodenlehre der Wissenschaft, muß
also der Grundlegung der Pädagogik dienen.
Frischeisen-Köhler formuliert
die Meinung Natorps sehr klar und treffend folgendermaßen: der Bildung zunächst
„Die Gesetze
in diesem objektiven Sinne, die Gestaltungen der Objektwelt,
ohne Rücksicht auf die Besonderheit der Subjekte, denen sie sich
gestalten, sind
die Fundamente der Pädagogik.
Und da schließlich im Be
wußtsein, also der Erkenntnis, alles Menschliche wurzelt und aller Fortschritt menschlicher Entwicklung zuletzt Bewußtseinsfortschritt ist, führen sie sich auf
ein und nur ein Grundgesetz der Erkenntnis zurück, das kritisch zu
formulieren hat,
menschlichen Bildung sich
die Erkenntnis
und das auf alle Seiten und Richtungen der
erstreckt und ebenso die Methodik des Unterricht-
wie die Organisation der bildenden Tätigkeit bestimmt.
Die Methode der
Pädagogik ist sachlich völlig eins mit der Methode der Erkenntnis, und da philosophisch erkannte Grundgesetz dieser umspannt das Ganze des Erziehungs
werkes nach
jeder Richtung und bis in die feinsten Gliederungen, aus ihm
x) Pädagogische Charakterköpfe, Diesterweg, Frankfurt a. M. 1916. a) Euckenscher Idealismus und moderne Pädagogik, Das Lyzeum, 3. Jahrg. 1916,
S. 420 ff.
11 lassen sich fast sämtliche Grundbegriffe der Pädagogik in zwingender Deduk
tion herleiten." Die Pädagogik
wird
damit von
Logik des Bildungschaffens gemacht. solcher rücksichtslosen
Konsequenz,
Natorp zur
erweiterten Logik, zur
Das geschieht mit solcher Klarheit und daß Natorps System
typisch ist für eine rein deduktive Pädagogik.
in
höchstem Maße
Dabei ist für unsere Problem
stellung gleichgültig, daß es sich bei Natorp um eine rein rationale Deduktion handelt.
Eine rein spekulative Deduktion, wie sie etwa bei Fichte vorliegt, würde
in methodischer Hinsicht ebenso zu beurteilen sein.
gerade Natorp
herausgegrisien,
reichste deduktive Pädagoge zu sein scheint.
Vertretung
herigen
habe nur deshalb
Ich
weil er mir in der Gegenwart der einfluß
der Forderung nach
Ich selber habe in meiner bis
einer philosophischen Begründung
der Pädagogik gerade im Interesse dieser die Deduktion in den Vordergrund treten lassen,
freilich
nicht ohne
empirische Psychologie *) und die Ge
die
schichte als empirische Faktoren mit zu berücksichtigen. Es kann und darf nun nicht verkannt werden,
gegen
daß gegen Natorp die
die Empiristen geäußerten Bedenken nicht gelten.
Natorp hat scharfe
und klare Kriterien der Erkenntnis, die Ziele und Methoden der Pädagogik wohl begründen können. die sich
Aber diese Ziele und Methoden sind starre Gesetze,
der Fülle des Lebendigen
nicht anzupassen vermögen.
Deshalb
behalten auch alle Ausführungen Natorps in der Sozialpädagogik einen stark
abstrakten Charakter, ob
denen
gegenüber
immer noch
die Frage offen bleibt,
und inwieweit und auf welche Weise sie durchführbar sind.
Das wird
m. E. ganz besonders bei Natorps Ausführungen über den Religionsunter
richt deutlich.
Die pädagogische Systematik (ebenso wie
die pädagogische
Praxis) muß aber auf die psychische Eigentümlichkeit des Zöglings und auf die historische Bedingtheit der pädagogischen Lage Rücksicht nehmen.
Deshalb
treffen m. E. Frischeisen-Köhlers Worte den Nagel auf den Kopf: „Welches
Gewicht auch auf den Bildungsinhalt gelegt werden mag: Erziehung hat es doch
immer mit lebenden Menschen zu tun, mit Kindern und jugendlichen
Geistern, die jenen Inhalt sich aneignen, die ideale Welt des Geistes in sich
aufbauen sollen.
Ohne jede Rücksicht auf den Zögling und sein natürliches
Wachstum erhalten wir aus den Gesetzen,
welche die Bildung der Inhalte
bestimmen, noch keine Gesetze über die Bildung,
die die zum vertieften Jn-
haltsbewußtsein fortschreitende Subjektivität des Zöglings bestimmen."
Es dürfte klar geworden sein,
d. h.
eine empirische Pädagogik,
daß weder eine Pädagogik von unten,
noch eine Pädagogik von oben,
d. h. eine
*) Daß Natorps „Psychologie", weil sie keine „empirische" Psychologie ist, kem Gegengewicht gegen die Einseitigkeit der Deduktion bietet, hat Frischeisen-Köhler nach gewiesen.
12 deduktive Pädagogik, ein befriedigendes System bieten können.
dürfte deutlich geworden sein,
Ebenso aber
daß sowohl die Empirie als auch die Deduk
tion wertvolle Bausteine zum Aufbau eines pädagogischen Systems liefern
und
liefern können.
Die pädagogische Methode bedarf daher einer Ver
bindung von Empirie und Spekulation, und es ist zu zeigen, wie diese
Verbindung möglich ist.
wir uns zu
Mit der Aufstellung dieses Grundsatzes bekennen
der von Rudolf Eucken für die Philosophie geforderten und
begründeten noologischen Methode. Diese noologische Methode ist eine Verbindung von Analyse und Syn
these, von Empirie und Spekulation.
Sie ist m. E. die gewiesene Methode
Ich kennzeichne sie zuerst nach
für alle kulturwissenschaftliche Forschung.
den von Eucken aufgestellten Gesichtspunkten
wendung und
und versuche von da die An
— in den folgenden Aufsätzen —
die Ausbeutung für die
Pädagogik.
Ich lasse Eucken möglichst selber reden:
„Den Stoff kann die Analyse
nicht von sich aus entwickeln, sondern sie muß ihn sich anderswoher geben
lassen; sie bleibt damit an eine fremde Leistung und den von ihr erbrachten
Stand der Sache
Wir sind damit an das in der Wirklichkeit
gebunden."
vorliegende objektive Material gebunden, der eine Standort der Betrachtung ist
damit gegeben.
„Einzig und allein auf diesem Wege läßt sich ein be
eines
anderen selb
synthetischen Verfahrens,
welches vom
herrschender Inbegriff nicht gewinnen. ständigen Ausgangspunktes,
eines
Wir bedürfen
Ganzen her dem Streben zum Ganzen entgegenkäme und in Handbietung mit dem anderen die Verworrenheit anfänglicher Lage überwände
Zu einem ganzen und vollen Bilde fehlt noch immer die Gruppierung um einen Mittelpunkt,
die Durchleuchtung und Farbengebung aus einem leben
Hier muß eine Zusammenschau des Mannigfachen zu einer
digen Ganzen.
Einheit, eine synoptische Behandlung des Gegenstandes eintreten, dafür aber gilt es,
sich nach einem Prinzip der Synthese umzusehen."
tische Prinzip
findet Eucken im
Dieses synthe
In der
„Syntagma", im Lebenssystem.
Geschichte finden sich größere oder kleinere Gesamtanschauungen, Versuche von Problemlösungen,
die zwar keine endgültigen
läufige erste Lösungen
sind.
Antworten,
aber vor
Von hier aus unternehmen wir die Deu
tung und Wertung des tatsächlich vorliegenden Befundes.
So deutet Eucken
z. B. von idealistischem Ansatz aus die Lebensanschauungen der großen Denker. So liefert
uns entgegensteigt
die Grundüberzeugung,
und
zweiten Ausgangspunkt,
die
aus dem geschichtlichen Leben
in unserem Innern Widerhall findet,
uns einen
ein gleichsam hypothetisches Axiom, das
x) Vgl. mein Buch 9i'ubolf Euckens Werk. Methode. Die noologische Methode.
es nun
Fünftes Kapitel: Das Problem der
13 des Gegebenen zu bestätigen, zu befestigen und aufzubauen
durch Analyse
oder zu verwerfen bzw. zu revidieren gilt.
„Diesen Tatbestand (seil, das
zerlegt nun das Syntagma in ein Für und Wider;
geschichtlich Gegebene)
das eine mag es als vorbereitend, unterstützend, beweisend gelten lassen, das
es
andere wird
als Irrung,
wo nicht ausscheiden,
so doch umbilden,
es
kann nicht zur Machtwirkung gelangen, ohne das ganze Gebiet in Aufregung
und Kampf zu versetzen,
was fest schien, wieder zum Problem zu machen.
würde
sich vom Syntagma aus eine unablässige Bewegung der
Geschichte ergeben,
die bei allem Gegensatz der Richtungen doch nur dem
diente,
das Geistesleben zu der Höhe seiner Natur zu bringen,
. ... So einen Ziele
ohne die sich nicht das mindeste in ihm vollenden mag.
Aus dem Getümmel
des Kampfes, aus der bunten Fülle der Erscheinungen, ja aus scheinbarer Ent
fremdung würde hier der Drang des Geistes herausschauen, die Ganzheit seines eigenen Wesens zu erreichen, als Ziel alles Strebens sich selber zu findens."
Die Durchleuchtung des
geschichtlich Gegebenen klärt den eigenen —
zunächst hypothetischen — Standpunkt und gestaltet die Hypothese mehr und
mehr zur begründeten Entscheidung.
Freilich gilt es, in stets zu erneuernder
Tat den gewonnenen Standpunkt erneut zu prüfen
hält
sich
das
Analyse und von der Analyse zur Synthese. schen
den
Methode
der Gegenwart"
des Geisteslebens").
Pädagogen" Christentums
So
Eucken hat nach dieser noologi-
seine philosophischen Überzeugungen begründet (vgl.
oben genannten „Lebensanschauungen"
Strömungen
und zu befestigen.
geistige Leben in ständiger Bewegung von der Synthese zur
und in
Ich
seine
und
selber habe
meinem
Buche
außer
auch besonders seine „Geistigen
„Einsührurg
in meinem
in eine Philosophie
„Lebenswerk der großen
„Die wissenschaftliche Vertretung des
in der Gegenwartstheologie"*2) die noologische Methode auf
die Pädagogik bzw.
die Theologie3)
Aufsätze wollen nach
anzuwenden versucht.
noologischer Methode Einsichten
Die
für die
folgenden
systematische
Pädagogik gewinnen. Näher gestaltet Von
sich diese Methode für die Pädagogik folgendermaßen.
bestimmten philosophischen Voraussetzungen,
noologischer Methode
gewonnen sind
die ihrerseits wieder nach
(vgl. Eucken), treten wir an das in
der Jugendkunde und in der Geschichte der Pädagogik vorliegende Material *) Über die noologische Methode hat sich Eucken am ausführlichsten in seinen —
leider zu wenig beachteten — Werken ausgesprochen Die Einheit des Geisteslebens in
Bewußtsein und Tat der Menschheit, 1888, und in den diesem Buche vorhergehenden
Prolegomena, 1885. 2) Karl Dietmar, Langensalza 1917. 3) Vgl.
für
letztere
auch meine
Bücher
Rudolf Euckens Bedeutung für das
moderne Christentum, Leipzig 1913, I. Klinkhardt und Das Problem der Religion
in der Gegenwartsphilosophie, ebenda 1917.
14 fragen dasselbe gleichsam,
und
heran
entgegenkommt,
diese bestätigend
gebenheit ein Überzeugungskomplex,
So
ist.
oder abweisend.
ES
der in erneuter Prüfung weiter auszu
gewinnen wir in langsamem Ringen zwischen
Pädagogen"
meine
Idee und
Methode und Organisation des
Grundüberzeugungen über Ziele,
Empirie
Bildungswesens.
was
einschränkend
also in ständiger Wechselwirkung zwischen Voraussetzung und Ge
erwächst bauen
was in ihm unseren Voraussetzungen
bzw.
„Das Lebenswerk der großen
Was ich in meinem Buche
an Einsichten über die genannten Gegenstände gewonnen habe,
„Pädagogischen
Charakterköpfe"
aus
der Gegenwartspädagogik
an Wahrheitsgehalt herauszuarbeiten versuchten, soll in der folgenden Auf
umfassender geprüft werden, um so der Vorbereitung
erneut und
satzreihe
„Systems philosophischer Pädagogik"
eines
ans Ziel führt,
zu dienen.
Ob
die Methode
muß der Lauf der folgenden Ausführungen herausstellen,
eine endgültige Entscheidung aber kann nur die Geschichte, der Fortgang der
pädagogischen Forschung und Praxis erbringen, denn über die Geltung einer über ihren „Wahrheitsgehalt" entscheidet niemals die Ratio allein,
Theorie,
sondern stets das Leben mit seiner Verbindung rationaler und irrationaler, logischer und historischer Faktoren.
Wellbürgerliche oder staatsbürgerliche Bildung? Allem Idealismus ist eine doppelte Bewegung eigen,
einmal strebt er
in alle Weiten des geistigen Lebens und strebt danach, das allen Völkern
und Zeiten Gemeinsame zu erfassen und zur Geltung zu bringen, dann aber
richtet er sein Interesse auf die charakteristischen historischen Einzelgestaltungen, auf die einzelnen großen Kulturgebilde und
und herauszuarbeiten, was ausmacht.
Das sei
an
einem Beispiel gezeigt.
seiner Religionsphilosophie
Geltendmachung
bemüht sich, das zu erkennen
gerade das Wesen jedes besonderen Gebildes
danach,
zu zeigen,
eines geistigen Lebens
Rudolf Eucken strebt in
wie
der Grundzug
die Behauptung und aller Religion sei,
dann aber wendet er sich zur Erfassung der besonderen Art des Christen tums (in Euckens Sprache: universale Religion — charakteristische Religion).
Wie
auf
dem Gebiete der Religion läßt sich diese doppelte Bewegung des
Idealismus auch auf anderen Kulturgebieten, dem der Geschichte, der Politik,
der Pädagogik beobachten. gemein-Menschliche,
Völker-Verbindende,
Individuell-Nationale, können
Die eine Betrachtungsweise betont hier das All die andere Betrachtungsweise
Völker-Differenzierende.
Im Bereich
das
der Pädagogik
wir direkt von dem Gegensatz einer kosmopolitisch-idealistischen und
einer national-idealistischen,
deutsch-idealistischen Pädagogik reden.
Das sei
15 an zwei bekannten
Pädagogen,
an Friedrich
Wilhelm Foerster und Paul
Natorp x) gezeigt, um von da aus eine Entscheidung oder Vermittlung des sich auftuenden Gegensatzes zu suchen.
Daß Friedrich Wilhelm Foerster Idealist ist,
steht außer Zweifel.
Er
glaubt an die Macht des Guten im Kinde, an seine geistige Wesensart,
die weder durch brutales Kommandieren noch durch schrankenloses Gehenlassen
verdorben werden darf.
Der Grundgedanke der Foersterschen Pädagogik ist
die Erziehung zur Selbstbeherrschung und zur geistigen Kraftentfaltung: „die
eigentliche Persönlichkeit des Menschen liegt in der Tiefe des seelischen Lebens
und kann nur entwickelt werden in dem Grade, als wir dem Charakter zur Herrschaft über Sinne und Leidenschaften verhelfen."
So ist das Ziel aller
Erziehung die Entwicklung der Individualität zur Persönlichkeit,
in der die
Eigentümlichkeiten des Einzelwesens durch Unterwerfung unter die allgemein gültigen Forderungen des Geistes geheiligt sind.
„Allein durch solche Unter
werfung der natürlichen Individualität unter das Gesetz des Geistes ist auch allen individuellen Gaben und Kräften erst ihre gesunde Entwicklung gesichert:
gehen sie ihren eigenen Weg, so hemmen und zerstören sie sich gegenseitig und verlieren allen Zusammenhang mit großen lebenspendenden Aufgaben und Zielen.
Man kann in gewissem Sinne sagen: Persönlichkeit ist Konzentration,
Individualität ist Zerstreuung und Zersplitterung;
der Kultus des
freien
Individuums führt unumgänglich zum Auswachsen aller Leidenschaften, aller Reizbarkeiten und Begierden und den Menschen.
damit zur Herrschaft der Außenwelt über
So endet die falsche Freiheit in Knechtschaft.
Der Weg zur
wahren Freiheit und Selbständigkeit geht nur durch Zucht und Überwindung, so wie die Rose nur zur Blüte kommt durch Beschneidung der wuchernden
Wurzelsprößlinge."
Von dieser grundsätzlichen Stellungnahme aus befürwortet Foerster eine Pädagogik des Vertrauens, der Erzieher soll bestrebt sein ein großes
und befreiendes Vertrauen zu dem Geiste seiner Autorität zu erwecken, damit die geistigen Kräfte im Kinde mobilisiert werden,
williger Gehorsam angeregt wird. notwendig werden,
und damit, dadurch frei
Selbst da, wo Tadel und Strafe einmal
sollen sie mit vornehmem Takt angewendet werden,
aus
allen Worten und Taten des Erziehers soll auch dann noch das Vertrauen zum besseren Ich des Zöglings hervorleuchten.
So lesen wir bei Foerster: „Ver
knüpfe allen Dienst und alle Pflicht mit der tiefsten Freiwilligkeit im Menschen;
*) In meinem Buche Pädagogische Charakterköpfe, eine Beleuchtung der Gegenwartspädagogik, Diesterweg, Frankfurt a. M. 1916, habe ich u. a. auch F. W. Foerster und P. Natorp behandelt. Vgl. auch meine Auseinandersetzung mit Foerster: Die Pädagogik Friedrich Wilhelm Foersters im Lichte des deutschen Idealismus. Die Volks schule 1916. Heft 8.
16 suche den Teil seines Wesens auf und belebe ihn, der freiwillig und aus Liebe Schweres und Unerfreuliches heroisch und freudig auf sich nimmt."
„Autorität ohne Großmut ist ein Zerrbild, Tadel ohne Delikatesse eine Roheit." Als wesentliche Mittel der Willensbildung empfiehlt Foerster
die Selbsttätigkeit und die Belehrung.
Man soll den Zöglingen Gelegenheit
geben, sich selbstlos zu betätigen, z. B. in der Krankenpflege, und sie die Erfahrung machen lassen, daß Ordnung besser ist als Unordnung, z. B. in
der „Selbstregierung" im Schulleben.
Die Belehrung aber soll die ethische
Einsicht wecken und den ethischen Gehalt des sozialen Lebens erfassen helfen.
Foerster denkt an besonderen Moralunterricht, der sich mit Fragen befaßt wie etwa diese.:
Warum lügen wir Schüler?
Kerl in der Schule?
Wer ist ein anständiger
Welches ist der Sinn und die Bedeutung dieses oder
jenes staatlichen Gesetzes? Dieser Jdealismns Foersters
ist
listisch-kosmopolitisch gestimmt.
nun
aber vollständig universa
Das trat früher nur leiser hervor,
wenn Foerster sich auffällig begeistert zeigte für viele Seiten des englischen und amerikanischen Wesens.
Der tiefste Grund des Foersterschen Universalis
mus, die völlige Verkennung des Wesens des modernen Nationalstaates, hat sich erst während der letzten zwei Jahre gezeigt.
Der moderne National
staat stammt nach Foerster aus dem „heidnischen" Geiste der individualisti
schen Renaissance, also auch das Deutsche Reich, während das mittelalterliche Heilige
Römische
Reich
deutscher
Nation
christlichem Geiste
entstammte.
„Das Heilige Römische Reich deutscher Nation entsprang nicht nur aus der Nachwirkung des römischen Imperiums, sondern auch unmittelbar aus dem sozialorganisatorischen Geiste des Christentums; der Föderalismus war sozu
sagen die der Welt zugewandte Seite der christlichen Entwicklung, er ver
einigte Freiheit und Einheit, er war Gemeinschaft ohne Unterdrückung, er
verkörperte die Wahrheit und Notwendigkeit übernationaler Menschheitsinter
essen — das neue Reich hingegen ist ganz dem heidnischen Geiste entsprungen,
nämlich dem rein national-egoistischen Individualismus, der seit der Re
naissance von dem politischen Denken der Menschheit Besitz ergriffen hat, der in Bismarck seinen genialen und konsequentesten Praktiker gefunden hat, und der unaufhaltsam zu einer Katastrophe treiben mußte — wie alles in der Welt, was gegen den Geist der christlichen Wahrheit zu wirken und zu
organisieren sucht."
Infolgedessen lehnt Foerster die staatsbürgerlichen Be
strebungen, die Abwendung vom Kosmopolitismus, mit scharfer Kritik ab.
Wir sind nach ihm im Nationalismus verrannt, haben den alten deutschen
Hochsinn verfallen lassen, wir sind von dem „tiefgegründeten internationalen Beruf des deutschen Volkes, der doch das unzweideutigste Vermächtnis seiner ganzen Kulturgeschichte ist", abgefallen.
So lesen wir bei Foerster:
„Es
17 muß klar gemacht werden,
der neuere Nationalkrampf, von dem wir
daß
seit den großen Erfolgen besessen uns
gar nicht ansteht."
Würde
und
„Als
Herrlichkeit
der
eine französische Infektion ist,
sind,
ob
die
das unablässige Karusselfahren um die
eigenen
Nation
irgendeinen bildenden Wert
habe und nicht vielmehr die Seele veröden müsse, trotz aller Romantik, mit
der man die Kahlheit dieses nationalen Jchkultus verhüllt hat."
„Auch wir
Deutsche tragen unseren Schuldteil an der Tragik der gegenwärtigen Mensch Wir haben gemeint, mit Reichtum und Kanonen allein lasse sich
heit . . .
der Völkerkrieg bannen.
Wir alle,
wir haben den alten deutschen Hochsinn
verfallen lassen, der allein die Völkerspannungen zu lösen und die Dämonen
der Habsucht zu bändigen vermag." Gegenüber
den
nationalistischen
föderative Prinzip.
Tendenzen
empfiehlt
Bundeselend hätten steckenbleiben sollen," aber er meint,
Vergangenheit nicht so jäh hätte werden sollen."
das
abgebrochen,
„daß jene deutsche
sondern organisch
weiterentwickelt
Er möchte die ethischen Vermächtnisse des alten deut
schen politischen Geistes zur Geltung bringen.
Lehren
Foerster
Er will nicht etwa, „daß wir im alten deutschen
der neueren Geschichtsschreibung
Wir müssen uns von den
eines Ranke, Sybel und Treitschke
abwenden, die den „gewaltigen Unterschied des alten universalistischen, über
nationalen
und
darum weltführenden Deutschen Reiches von dem neuen
preußisch verengten Nationalstaat" verwischt hat, da sie, ausschließlich in dem Dienst der Verherrlichung des nationalen Prinzips stehend, die „große über
nationale Mission des alten deutschen Kaisertums" völlig übergeht.
Deshalb
bedürfen wir statt des Nationalismus des Föderalismus, statt der Herrschaft
der einzelnen Nationen nach dem Grundsatz
der Machtpolitik ihre Bereit
willigkeit zum Dienste an der „weltorganisatorischen Zusammenfassung auto nomer Völkerindividualitäten", statt der Machtherrschaft der Rechtsherrschaft,
wie sie das Völkerrecht vertritt. tion und
„Das Völkerrecht erst ist die wahre Sank
Befestigung der Rechtsidee überhaupt."
Foerster fordert daher,
„daß jede einzelne Nation sich nicht bloß von ihren eigenen Interessen und
Rechten erfüllen läßt — das ist Anarchie mit unberechenbarem Ausgang —, sondern vor allem von dem Streben nach sittlicher und vernünftiger Zu
sammenordnung der streitenden Ansprüche,
idee".
nach dem Imperium der Rechts
Richtlinien für solche Politik bietet die Religion.
ins Leben treten soll,
„Wie dies praktisch
das erfährt man nicht bei den Juristen,
sondern in
der Heiligen Schrift."
Es ist
ganz selbstverständlich,
daß
der Pädagoge Foerster aus seinen
gekennzeichneten Auffassungen pädagogische Konsequenzen zieht.
Krieg und
dienen:
die Kriegserlebnisse sollen unserer Jugend
Der
zur Verinnerlichung
„Wessen Vater oder Bruder auf dem Felde der Ehre gefallen, der
Kesseler, WeUbürgerliche und staatsbürgerliche Bildung.
2
18 soll sich
gerade diese Worte mit brennenden Zeichen in die Seele schreiben. daß sie ihr Leben lang auf dem Felde der Ehre bleiben,
Die Söhne,
sie
im Berufsleben nicht Erfolg suchen
auf Kosten
der Ehrenhaftigkeit
daß
in
unlauterem Wettbewerb, in feiger Streberei oder in harter Ausbeutung ihrer
Mitmenschen."
Um
diese
Verinnerlichung zu
fördern,
soll
der Pädagoge
„das deutsche Selbstlob", „die schnarrende Selbstsicherheit", „das Sichgehenlassen in Haßgefühlen gegen unsere Feinde" bekämpfen.
freude der Jugend dämpfen,
um dem Siegeskoller vorzubeugcn.
gefeiert werden,
ein
großes
„so
Unglück
Er soll die Sieges
in sie das vae victoribus hineinklingen lassen, Die deutschen Siege sollen in der Schule
wie man Weihnachten in einem Hause feiert, in dem
geschehen
ist",
denn
die geheimnisvolle Gefahr des
Siegens, sich im Rausch des Gelingens zu überheben, kann nur durch aller
Der Schule fällt ferner
Stille gebannt werden.
größte Schlichtheit und
nach Foerster die Aufgabe zu,
„die innere Vorbereitung auf die unumgäng
liche Wiedervereinigung der Völker". Das neugeweckte geschichtliche und ethnologische Interesse soll vertieft werden durch Übersichten über die Ge der kriegführenden
schichte
Völker.
Wir sollen
das Große und Gute bei
unseren Feinden herausstreichen und nicht alle ungünstigen Berichte über sie „England schenkte uns nicht nur seine Imperialisten,
glauben.
England
schenkte uns auch die Heilsarmee, es gab uns unschätzbare höhere Gesichts
punkte für die Behandlung der Arbeiterfrage, für die soziale Arbeit, eS
belehrte unsere Revolutionäre, milderte unsere parteipolitischen
Sitten —
dessen soll ewig gedacht werden und in diesem Gedächtnis werden wir einst
wieder
gebotene Hand
die
ergreifen.
Und
für unsere Seele ist es besser,
für jenes edlere England zu kämpfen und an dieses zu denken,
als immer
nur Lord Grey und die Seinen in unserem Innern herumzuwälzen und zu
bespeien.
,Christ der Retter ist ta!‘ — auch der Retter von einem unter
schiedslosen Hasse gegen
ewige Licht Christi in deiner Seele an und ver
einmal deine Feinde zu , liebend
suche
Booth
und
In schlafloser
englische Art und englische Kultur.
Nacht zünde darum das
Gedenke
aller englischen Größe und Güte,
die
des herrlichen
William
in ihm verkörpert war,
denke an Florence Nightingale, die Heldin und Heilige, deren bahnbrechendes
Beispiel noch heute unzählige Wunden verbindet, denke an Carlyle, Ruskin,
Toynbee und
an
die gewaltigen Gewissensmächte,
die aus ihnen sprachen
und uns Deutschen Großes gaben und noch geben werden; so glaube daran, daß große Traditionen nicht sterben können,
und vergiß nicht, daß man ein
Volk mit solchen Gaben auch im Kriege nicht generalisierend beschimpfen soll."
Neben
Natorps.
Foersters
Gedanken
Gerade Paul Natorp
dem Chauvinismus das
über
Erziehung
stelle
ich
die
Paul
dürfte nicht in den Verdacht geraten,
Wort zu reden, deshalb
scheinen seine Gedanken
19 mir besonders geeignet, gegen die Foersters abgezeichnet zu werden.
Natorps
völlig an Pestalozzi orientierte Pädagogik ist Sozialpädagogik.
„Die
sozialen Bedingungen der Bildung und die Bildungsbedingungen des sozialen Lebens Aufgabe
ist das Thema dieser Wissenschaft",
das
der Sozialpädagogik.
so
bestimmt Natorp die
Die sozialen Verhältnisse
wirken immer in
den einzelnen Individuen, und alle individuelle Erziehung kommt stets einer
Das isolierte Individuum ist nach Natorp
bestimmten Gemeinschaft zugute.
nur ein Atom.
Pestalozzis: schaft. des
Er bewegt sich
daher
ganz in
den Bahnen Platos
und
Der Mensch wird zum Menschen nur in menschlicher Gemein
„Man lernt Wollen, indem man die Erfahrung macht vom Wollen
Die Willensbildung stellt Natorp,
andern."
wie bereits gesagt wurde,
unter eine Idee, d. h. unter das, was nicht ist, sondern was sein soll.
heißt formen,
„Bilden
es heißt ein Ding zu seiner
aus dem Chaos gestalten,
wie
eigentümlichen Vollkommenheit bringen, vollkommen aber heißt, was ist, wie
Dasselbe besagt nur deutlicher das Wort Idee,
es sein soll.
es besagt die
Gestalt einer Sache, die wir in Gedanken haben als die seinsollende, zu der der gegebene Stoff sei es gestaltet werden oder sich selbst gestalten soll." Im menschlichen Willen unterscheidet Natorp drei Stufen je nach dem
Grade, in dem die Aktivität des Willens bewußt wird: Trieb, Wille im engeren Sinne und Vernunftwille.
ohne bewußt erfaßtes Ziel. heit gestellt werden.
Der Trieb ist Passivität, völliges Getriebenwerden Der Trieb soll unter die Tugend der Besonnen
Nicht ausgerottet und entkräftet, sondern in den Dienst
soll das Triebleben gestellt werden.
unserer sittlichen Bestimmung
fordert deshalb
„Gebrauch
des Triebes
nach seiner wirklichen,
und sittlichen Bestimmung nicht außerhalb dieser Bestimmung".
Natorp
natürlichen
Im Gegen
satz zum blinden Trieb richtet sich das bewußte Wollen auf eine Sache, auf
ein praktisches Objekt. nicht ausgemacht ist,
Der Wille gehorcht stets einer Maxime, wobei zunächst Der Wille soll unter die
ob die Maxime gut ist.
Herrschaft der Tapferkeit oder der Tatkraft gestellt werden, d. h. die Person
soll sich unbedingt einsetzen für die Sache. bedingt gut sein,
Freilich
das führt auf das dritte.
nicht die Erhebung zum sittlichen Willen,
soll diese Sache un
Wollen bedeutet an sich noch
erst dann ist der Wille sittlich,
wenn er unter dem formalen Pfttchtgebot der Kantschen Ethik,
der Herrschaft der sittlichen Vernunft steht.
die Tugend
d. h. unter
Ist dies der Fall, dann herrscht
der Wahrheit, welche unerschütterlich das Rechte für recht und
das Böse für böse anerkennt, ohne sich durch Gefühl oder Gewöhnung, durch Neigung
oder durch
Besonnenheit,
Sitte beirren
Tapferkeit und
zu lassen.
Während
Wahrheit das Leben des
in
dieser Weise
Individuums be
stimmen, soll die Gerechtigkeit die Beziehungen der Individuen zur Gemein schaft regeln, soweit diese von jenen abhängig ist.
Gerechtigkeit bedeutet also
2*
20 die Wahrheit, die Kraft und die Reinheit des Individuums in seinem Ver halten zur Gemeinschaft.
Erst in der Tugend der Gerechtigkeit erreicht der
Mensch das Ziel der eigenen Versittlichung.
„Der einzelne erreicht die Höhe
seiner menschlich sittlichen Bestimmung nicht ohne die menschlich sittliche Ge
staltung seiner Beziehungen zur Gemeinschaft." Auch im Leben der Gemeinschaft können wir die drei Stufen
der Aktivität: Trieb, Wille und Vernunftwille unterscheiden; denn es muß
die sittliche Verfassung des Gemeinschaftslebens der des individuellen Lebens genau entsprechen, da ja die Gemeinschaft kein anderes Leben als im Lebe»
des einzelnen hat.
Das soziale Leben ist nach Natorp Gemeinschaft der
Arbeit, geregelt durch gemeinschaftlichen Willen nach gemeinschaftlicher Ver
nunft; oder Wirtschaft, die durch Recht bestimmt ist, das richtig ist.
Die
Wirtschaft ist gleichsam das soziale Triebleben: „Die wirtschaftliche Tätigkeit
dient ... der Erhaltung der Energie des Trieblebens und damit der Frische und Leistungsfähigkeit menschlicher Arbeit, zur Verfügung für jeglichen Zweck, den immer Wille und Vernunft ihr bestimmen mögen."
Es bedarf danach die
wirtschaftliche Tätigkeit der Regierung als gebildeten Wollens und gebildeter Einsicht. Zu dieser sozialen Regelung bedarf es der Gesetzlichkeitals der Willens
form des Gemeinschaftslebens.
Auch dann, wenn die sittliche Ordnung nicht
vollkommen ist, hat sie Respekt zu verlangen, freilich müssen auch in ihr die Möglichkeiten gegeben sein, an der Besserung der sozialen Zustände zu arbeiten.
Zu
dieser sozialen Gesinnung durch das soziale Leben zu erziehen,
ist die Aufgabe der Bildung.
Sie geschieht zunächst als Bildung
des Trieblebens vornehmlich in der Hauserziehung.
Die Beziehung zwischen
Mutter und Kind ist das erste grundlegende Bildungselement des Willens. Auf der Hauserziehung baut die Schulerziehung auf, die besonders dadurch
über die Hauserziehung hinausgeht, daß sie bewußte und willentliche Fügung
in eine soziale Ordnung fordert, die sich ebensosehr auf Haltung und Zucht als auf Gedanken und Gedankenausdruck des Schülers erstreckt.
Die Ver
standesbildung soll auch hier in den Dienst der Willensbildung treten.
„Je
reiner die Verstandesbildung ihre Eigenart bewahrt, um so reiner vermag sie zur Willensbildung beizutragen."
Die dritte Stufe der Willensbildung, die
freie Selbsterziehung im Gemeinschaftsleben der Erwachsenen,
erhebt den
Menschen auf die Höhe der praktischen Vernunft, der autonomen Sittlichkeit. Hier kommt alles auf die Vertiefung des Selbstbewußtseins an, die durch Gemeinschaft bedingt ist und wiederum zur Gemeinschaft führt: „Sich selber,
den Menschen in sich zu bilden, sein eigenes, tiefstes Leben anzuknüpfen an die Kette des großen ewigen Lebens der Menschheit, von ihr es zu empfangen
und in sie weiterzugeben." Menschheitsbildung ist also das Ziel Natorps, aber diese Menschheits-
21 bildung sieht er einzig gewährleistet im nationalen Verbände, und zumal
die deutsche Kultur ist für Natorp der Höhenweg zur Menschheits
In diesen Zusammenhängen kommt Natorp zu einer gründlichen
bildung.
Abrechnung
mit
Würdigung
des Bismarckschen Lebenswerkes.
dem Irrtum des Pazifismus und zu einer hohen Er verwirft den mechanischen
Pazifismus, der durch Rüstungsbeschränkung und einen internationalen Ge richtshof den Weltfrieden zu sichern strebt. der Schnellkur,
die von heute
„Ich verwerfe den Pazifismus
auf morgen das ewige Ideal verwirklichen,
es in eine zu ihm ganz und gar in Widerspruch stehende Gegenwart durch ein Machtgebot oder einen bloßen Vernunftspruch einführen möchte."
Wohl
aber fordert Natorp einen organischen Pazifismus, der in rastlos und restlos treuer Arbeit an dem unendlichen Ideal einer Menschheit arbeitet, der aber
darum
gerade in der gegenwärtigen Zeit mit dem Kriege als entschlossener
Behauptung der Volksindividualität rechnen muß.
„Solcher entschlossene Wille,
die völkische Eigenart unbedingt zu behaupten, ist selbst eine unüberwindliche
Kraft, und wo diese Kraft sich ungeschwächt beweist, da darf man auch wohl zurückschließen auf ein inneres Recht eines Volkes, sich um jeden Preis gegen
jeden Ansturm zu behaupten, auf einen inneren Wert der Erhaltung gerade
dieses Volkstums nicht bloß seiner selbst, sondern auch der Menschheit wegen." Der deutsche Geist hat für die Menschheitskultur Höheres geleistet als
Natorp zeichnet ihn gegen fremden Geist ab.
andere Nationen.
allen Entwicklungsmöglichkeiten zierten Mischung
gegenüber
bis heute
ist
Europas die russische Geistesart verblieben.
der Geist
vertritt
wendigen Durchgang durch
die
der westeuropäischen Zivilisation^
deutlich
demnach zu
auseinandertretenden,
äußere,
Besonderung,
durch
die
aber oberflächlich bleibende Klarheit erreicht wird. strebt
deutschen
,Kultur'
wahrsten,
innerlichsten Kontinuität.
zueinander
eben
einander ablösenden, sondern nebeneinander stehenden
der Verallgemeinerung und
Phasen
die Ihr
den not
sammengehörigen, nur im Gegenverhältnis zueinander verständlichen, darum nicht zeitlich
„Mit
aber chaotisch in der undifferen
des ursprünglichen Dämmerzustandes,
innerhalb
orientalische,
schwanger,
dagegen
bewußt
und
folgerichtig
eine
große
Der Geist der in allem zur
Er braucht jene beiden nur scheinbar
gegensätzlichen Phasen durchaus nicht zu verneinen, er setzt sie
vielmehr voraus, nimmt sie vollständig in sich auf,
aber strebt, und strebt
nicht bloß, sondern schreitet bewußt über sie hinaus." Im Deutschtum
dualismus
auch
standen früher Universalismus und Indivi widerstreitend nebeneinander, und in dieser Polarität
unseres Wesens lagen die schwersten Hindernisse unserer äußeren staatlichen Einigung.
Bismarck
und
die Kriegsnot der Gegenwart haben
Universalismus und Individualismus
diesen
zur Reife und zu sicherem Ausgleich
22
gebracht.
„Auf einmal zersplittert sich unser Individualismus nicht mehr in
der Enge und Kleinlichkeit einer ärmlichen Selbstsorge, sondern lernt seinem echten Begriff gemäß sich zusammenraffen zu ungeteiltem Selbsteinsatz für
die
große, die ewige
Vaterlandes.
Sache des
In ihm begreift er, jetzt
ein höchst Individuelles, Unendliches, in der Unendlichkeit seiner
endlich,
Aufgabe Einziges, Unersetzliches, Unwiederholbares, wenn verloren, Unwieder bringliches, das hier und jetzt, wo der Ruf der Stunde uns hinstellt, unsere Seele ganz einfordert wie ein einzig Geliebtes, dem ein ewiger Wille unser
Leben,
unser ganzes Sein unzerstückt verschrieben hat, zu seinem eigensten,
innerlichsten Heil.
Und so zerfließt jetzt unser Universalismus nicht länger
in die vagen Allgemeinheiten einer hohlen
Allerweltsphilosophie,
sondern
rafft sich zusammen zu einer ewigen Sache der Menschheit in der des Volkes
und Vaterlandes,
da
gerade für den,
dem es
mit der Menschheit ganzer
Ernst ist, den Weg zu ihr allein durch Volk und Vaterland geht."
So
gilt es dies deutsche Wesen zu behaupten und immer
mehr herauszuarbeiten.
„Irre man sich nicht, es gibt keine andere
Rettung für Deutschland, als daß es sein von dem der anderen grundver
schiedenes Wesen rein und fleckenlos in sich selbst herauszuarbeiten bemüht
bleibt."
Dann aber, hofft Natorp,
werden andere Völker uns folgen, zum
wesentlich gleichen Ziel auf gleichen Wegen streben, und der Tag des Deut schen wird der Tag des Friedens sein.
„Wir spüren das Morgenwehm
eines neuen Tags nicht bloß für Deutschland, sondern für die Menschheit.
Mag er blutrot aufgehen, mögen dichte Nebel noch von den Tälern hinan
streben, bleiblich.
dem Siege des Lichts zu wehren
— er kommt,
er kommt unaus
Wir aber grüßen ihn mit einem Jauchzen, wie der Gebirgssohn
vom sonnenbeglänzten Gipfel die erwachenden Täler grüßt." Welchem von beiden Pädagogen sollen wir folgen, wenn wir Gesichts
punkte für die Neugestaltung unseres deutschen Bildungswesens in idealisti
schem Geiste suchen?
Sollen wir Foerster oder Natorp folgen?
In einem
Punkte kann man beiden nur restlos zu stimmen, nämlich in dem Punkte,
in
dem sie selber einig sind,
der Pädagogik. Natorp
in der idealistischen Grundlegung
Foerster betont dabei mehr die Persönlichkeitskultur,
die Gemeinschastsbildung, doch sind das ja, bei näherem Zusehen,
nur die zwei Seiten derselben Sache, Geisteswesen.
der Bildung
des Menschen zum
Was Persönlichkeit ist, hat Foerster klar erkannt und treffend
definiert, so kann er uns die Ziele idealistischer Willensbildung weisen.
Sinne Foersters habe ich selber früher bestimmt:
Im
„Das Ziel der Persön-
*) Meine eigenen Äußerungen zitiere ich nach meinem Buch Grundlinien einer
deutsch-idealistischen Pädagogik, Langensalza 1916, I. Beltz.
23 lichkeitsbildung
geht
auf Beherrschung
natürlichen Trieblebens durch
des
sittliche Kraft, auf Erhebung des Menschen zur sittlichen Freiheit."
Das
ist auch durchaus Natorps Meinung, nur daß bei ihm, seiner sozialpädagogi-
die Gemeinschaftsbildung der beherrschende
schen Einstellung entsprechend,
Obergedanke ist.
Doch ist diese ja —
darin sehe ich den Grund, den
Begriff der Sozialpädagogik als leitenden Obergriff abzulehnen — nur möglich durch die Versittlichung der einzelnen Individuen. Regelung des Trieblebens im Maßhalten,
Diese aber erfolgt durch
durch Beherrschung des Trieb
lebens in der Tapferkeit, durch Zielsetzung für das Triebleben in der Ein
sicht, durch Gemeinschaftsleben voll Gerechtigkeit.
Natorp hat also durchaus
richtig gesehen, wenn er auf das System der vier alteu Kardinaltugenden zurückgreift.
glaube ich, daß unter dem Geiste des Christentums die
Doch
Tugenden der Treue und der Liebe zur Gerechtigkeit hinzugetreten sind.
Die Gerechtigkeit ist im wesentlichen Gesinnung, die im Mitmenschen den Gleichberechtigten anerkennt, die Treue aber erweist sich in der täglichen Arbeit, die nicht müde wird dem Ganzen zu dienen und für die andern zu schaffen und ihre Vollendung im Opfer findet. Gemeinschaftslebens,
In der Liebe,
die sich bis
aber vollendet sich erst die Sittlichkeit des
zur Feindesliebe steigern kann,
denn in ihr vollendet sich die Selbstlosigkeit, die aller
Arbeit erst die rechte Seele gibt.
In diesem Sinne sagte ich: „Der sittlich
freie Mensch hat einen festen, sich selbst getreuen, auf das Gute gerichteten Charakter, er folgt, ohne nach Lohn zu fragen und nach Anerkennung zu
schielen, dem kategorischen Imperativ, der inneren Stimme der Pflicht.
Drei
Tugenden zumal, Besonnenheit, Tapferkeit und Einsichtigkeit, bestimmen das
Leben des sittlich ernsten,
der Pflicht gehorchenden Menschen . . .
Die
geistige Persönlichkeit fühlt in sich den Drang, mit verwandten Seelen sich zu verbinden, daß sie gemeinsam zum Ideale streben und die Welt dem
Ideale zuführen.
Dazu aber müssen Gerechtigkeit, Treue und Liebe ihr
Schaffen und Handeln bestimmen."
Zustimmung fordert auch Foersters „PädagogikdesVertrauens", die die inneren moralischen Kräfte mobilisieren will, und die die Strafen und den äußeren Zwang möglichst zu vermeiden strebt, die
aber andererseits doch alles bloße „Gehenlassen" verwirft und die Jugend unter den Zwang sittlicher Ideale zu stellen strebt. Es werden durch die Pädagogik des Vertrauens die Übertreibungen der alten Drilldisziplin ebenso glücklich vermieden wie die Einseitigkeiten des modernen Individualismus.
Jene verkannte, daß militärische Disziplin und Schuldisziplin keineswegs das selbe sind, daß derjenige die Erziehungsaufgaben mißdeutet, der hier militä
rischen Drill fordert.
Diese aber muß notwendigerweise die Tendenzen im
Kinde pflegen und entfesseln,
die zu bekämpfen sind, Launenhaftigkeit und
24 Eigensinn.
Darum hat Foerster auch darin recht, daß das beste Mittel der
Willensbildung die sittliche Gewöhnung ist.
der Selbstregierung,
daß
daß sie aus dem eigenen Erleben die Er
Verantwortlichkeitsgefühl erzieht, kenntnis
ableitet,
Darin liegt ja der hohe Wert
sie durch Übung in der Selbstverantwortung zum
daß Ordnung
besser ist als Unordnung.
demokratischen Schulstaat nach
Freilich müßte
Die Ausgestaltung der Schule zum
man sich hier vor Übertreibungen hüten.
amerikanischem Muster oder gar die völlige
Gleichberechtigung der Schüler neben den Lehrern in der freien Schulgemeinde
sind solche zu verwerfenden Übertreibungen.
Auch darin hat Foerster recht,
daß die Belehrung über sittliche Fragen das sittliche Leben förderlich beein
flussen kann.
Doch habe ich
Bedenken gegen besonderen Moralunterricht,
wie ihn Foerster wünscht, gegen allzuhäufige Diskussion ethischer Probleme.
Sie können dem Kinde leicht die Meinung des Lehrers äußerlich suggerieren
und es altklug machen. ergeben,
Nur wenn sich solche Unterhaltungen ganz zwanglos
so mögen sie ohne allzu große Breite geschehen.
Sittliches Leben,
In dem gekennzeichneten Sinne sollte
nicht sittliche Lehre ist die Hauptsache.
die idealistische Willensbildung als Weckung geistigen Lebens gepflegt werden. In dieser Grundthese ist Foerster und Natorp in gleicher Weise zuzustimmen.
aber gegen Foerster, wenn er
Schwere Bedenken erheben sich
nun in der Ablehnung von Bismarcks Lebenswerk der Schule besondere kos
mopolitische Aufgaben zuspricht.
Es ist eine durchaus irrige Konstruk
tion, den christlicher mittelalterlichen Universalstaat in Gegensatz zu stellen zum
Auch der mittelalterliche Staat ist Macht
heidnischen neuzeitlichen Machtstaat. staat gewesen.
Die Einigung der Nation im Universalreich Karls des Großen
erfolgte und war nur möglich durch rücksichtslose Machtpolitik.
Die Einigung
festzuhalten war die Hauptaufgabe der ganzen mittelalterlichen Machtpolitik. Der universalistisch gestimmte Föderalismus
schlossenen
Ausland gegenüber in
das
aber führte dem national ge
Elend des Dreißigjährigen Krieges.
Alle späteren Bemühungen um eine nationale Einigung suche des ohnmächtig gewordenen Deutschtums.
im Rahmen des Bi-marckschen Werkes gelungen, kulturelle Ohnmacht Deutschlands der
„blutigen Lösmg
sind Rettungsver
Wären sie nicht wenigstens so wäre die staatliche und
verewigt gewesen.
in der Bismarckschen Ära"
Wenn Foerster statt
eine organische Weiter
entwicklung der altm deutschen Vergangenheit für besser hält, eine unklare Redensart, solange nicht klar gesagt wird,
standen
wird, und wie das gemeint ist.
so bleibt das
was darunter ver
Wenn er aber aus der Heiligen
Schrift die Richtlinien für die moderne Realpolitik gewinnen will, so ver liert er über einett schönen Ideal
Auge.
Die Durchfthrung des
die rauhe Wirklichkeit völlig
aus dem
christlichen Ideals setzt jedenfalls seine Be
jahung auch auf de: Gegenseite voraus.
25 Gewiß hat Foerster darin recht, daß wir die Lehren des Welt krieges uns zur Verinnerlichung dienen lassen sollen, und daß wir die
Idee der Menschheit niemals verlieren dürfen,
das aber braucht noch nicht
dazu zu führen, daß Kosmopolitismus und Pazifismus in unseren Schulen eine Heimstätte und ein Betätigungsfeld finden.
Von Siegeskoller sind wir
im deutschen Volke wirklich weit entfernt, der macht sich auch in unsern
Schulen nicht breit, aber die Freude an den Taten unseres Heeres wollen wir uns nicht schwächen lassen.
nicht dämpfen.
Die wollen wir auch bei unserer Jugend
Daß unsere Feinde große Kulturleistungen aufzuweisen haben,
ist auch während des Krieges in unsern Schulen niemals verschwiegen worden.
Vornehmlich aber hat doch wohl die Schule die Aufgabe, ein gesundes National
gefühl zu pflegen.
In diesem Sinne sagte ich:
„Wir wollen die Jugend
in den Strom des vaterländischen Lebens eintauchen,
sie zu den Quellen
unserer nationalen Kraft führen, und aus ihnen ihr inneres Leben speisen.
Liebesgefühl und Hingabefreudigkeit, Pflichtgefühl und Verantwortlichkeitsgesühl gegenüber dem eigenen Volke wollen wir in ihr wecken und pflegen."
Im Gegensatz zu der weltbürgerlichen Erziehung, wie sie Foerster be fürwortet, verdient daher die staatsbürgerliche Erziehung, wie sie
aus Natorps Thesen folgt, Zustimmung.
Natorp hat ganz richtig gesehen:
Weltbürger kann man nur als Staatsbürger sein.
Deshalb ist der mecha
nische Pazifismus zu bekämpfen und entschlossene Behauptung des eigenen Volkstums zu fordern.
Es muß daher alle idealistische Bildung ein natio
nales Gepräge bekommen,
freilich ohne chauvinistisch verengt zu werden.
In diesem Sinne ist Bismarck unser Erzieher geworden.
In diesem Sinne
ist die deutsche Kultur der Höhenweg der Menschheitsbildung.
Wir Deutschen
sind dessen gewiß, daß lvir in unsrer deutschen Kultur Höheres, Größeres
und Edleres haben, als andere Kulturen uns zu bieten vermögen.
Wir
glauben deshalb auf dem richtigen Wege zum echten Menschentum zu sein. Jst's aber so, dann brauchen wir Erben von Bismarcks Werk bei aller Be reitwilligkeit das Große und Gute auch in andern Kulturen und bei andern Völkern zu sehen und anzuerkcnnen, doch eine bewußt deutsche Erziehung
und eine ausgesprochen deutsche Schule, in denen wir die eigentümliche Größe des deutschen Wesens unsrer Jugend anschaulich nahebringen. Des halb soll das deutsche Bildungswesen nicht weltbürgerliche,
sondern staatsbürgerliche Erziehung, humane Bildung in
nationaler Prägung vermitteln.
Wie das näher zu verstehen und
durchzuführen ist, soll im folgenden dargetan werden.
26
Das Problem der Kulturschule. In
dem Ausdruck Kultur schule findet das Wesen und die Aufgabe
der Schule ihren klaren, bestimmten Ausdruck: Die Schule steht im Dienste der Kultur, damit dient sie demselben Ziele, dem alles Wirken und Arbeiten
der Menschen
an sich
Ausdruck Kulturschule
gefordert
Pädagogen
eigenen Wirken
selber und an anderen zustrebt.
Es kommt in dem alle großen
das zur Geltung und Betonung, was
und,
erstrebt
wenn
haben.
sie
praktisch
tätig
mit ihrem
waren,
Wenn der feinsinnige Humanist Rudolf
Agricola von dem Schulwesen seiner Zeit nicht viel wissen wollte, so geschah
das deshalb, weil nach seinen eigenen Worten die damaligen Schulen etwa„Herbes,
und
zu
Mühseliges, Unerquickliches,
traurig und
widerwärtig anzusehen
betreten mit ihren ewigen Prügelszenen, ihren Tränen und ihrem
Geheul, einem Kerker zum Verwechseln ähnlich" waren,
weil sie also keine
Auch Comenius war mit dem Schulwesen seiner Zeit
Kulturschulen waren.
alles andere als zufrieden, deshalb forderte er eine nachdrückliche Schulreform
und steckte den Schulen das hohe Ziel „Werkstätten der Menschlichkeit" zu fein.
„Weise hat der
gesprochen,
welcher sagte,
es seien die Schulen die
indem sie nämlich bewirken,
Werkstätten der Menschlichkeit,
daß der Mensch
wahrhaft zum Menschen werde, d. i. das vernünftige Geschöpf, das die Ge
schöpfe, auch sich selbst beherrschende Geschöpf, das Ebenbild und die Freude
seines Schöpfers."
Kulturschule sollten die Gymnasien der alten Neuhuma
nisten sein, die durch den Geist des Griechentums wahre Menschlichkeit ver
breiteten, denn das Griechentum galt ihnen als die Vollerschließung, als die absolute Offenbarung
des reinen
Menschentums.
„Aus den Werken
der
Griechen spricht der Dämon der Menschheit rein und verständlich zu unS."
Und wenn Herbart fordert,
daß der Unterricht das sechsfache Interesse er
wecke und dadurch die „Charakterstärke der Sittlichkeit" fördere, auch
aber,
er sich
zum Ideal der Kulturschule.
die wirklich Anspruch darauf haben, gehört zu werden,
anderes,
als das
Schlacken befreien, „Werkstätten der
so bekennt
Alle modernen Schulreformer
wollen nichts
gegenwärtige Schulwesen von den ihm noch anhaftenden damit unsere
Menschlichkeit",
Schulen
im Vollsinn
d. h. Kulturschulen.
des
Wortes sind
So steht also
der,
welcher für die Idee der Kulturschule eintritt, in einer langen geschichtliche»
Reihe von Gesinnungsgenossen. Das Problem der Kulturschule tut sich aber erst dem auf,
der de»
Inhalt und Umfang des Begriffes Kultur zu bestimmen versucht, denn solche
Begriffsbestimmung muß der Erörterung des Problems der Kultur sch ule vorhergehen.
Damit aber stehen wir vor keiner leichten Aufgabe.
Der Begriff der Kultur im Vollsinn des Wortes begegnet uns zuerst
27
bei Herder.
Die Kultur hat bei ihm
Entfaltung und Harmonie aller Kräfte
in
der menschlichen Freiheit äußern,
das Ziel
der Humanität,
des Menschen.
die volle
Da diese sich aber
so ist diese dem Kuliurbegriffe wesent
Nach Kant ist Kultur „die Hervorbringung der Tauglichkeit eines ver
lich.
nünftigen Wesens zu beliebigen Zwecken überhaupt,
heit".
Fichte
folglich in seiner Frei
aber bestimmt die Kultur als „Übung aller Kräfte auf den
Zweck der völligen Freiheit,
der völligen Unabhängigkeit von
nicht wir selbst, unser reines Selbst ist".
allem,
was
Der Kern dieser Gedanken ist
die Auffassung, daß Kultur — im Gegensatz zur bloßen Zivilisation — ein Bilden von innenher, eine Entfaltung der innersten Wesensart des Menschen ist.
erklärt es
So
sich
denn auch,
daß in diesem Zeitalter des deutschen
Idealismus Begriffe wie Bildung, gebildet,
die nichts anderes besagen wollen,
die Gebildeten häufig werden,
als daß das innere Wesen des Menschen
So erklärt es sich auch, daß der im idealistischen Geiste Kants *)
entfaltet ist.
philosophierende Schweizer Pädagoge Pestalozzi sich das Problem stellt, was der Mensch in seinem innersten Wesen sei, um von hier aus das Bildungs
problem als
die Frage
nach der Erhebung zur Humanität in Angriff zu
nehmen. In der Gegenwart haben besonders die Vertreter des deutschen Idealis
mus, Neukantianer und Euckenianer, das Problem der Kultur zur Diskussion
gestellt und wie
etwa
sind vom Kulturproblem zum Bildungsproblem fortgeschritten,
an Natorps Sozialpädagogik und an Buddes Noologischer Päd
agogik deutlich wird2).
Im Sinne der Neukantianer, ich denke besonders an
Natorp und Windelband, kann man etwa sagen: der Schöpfungen des
menschlichen
Geistes.
Kultur ist der Inbegriff
Es liegt darin unbedingt ein
starker Wahrheitsgehalt, denn Kultur ist Aktivität, ist Arbeit, Selbsttätigkeit, unendlicher Fortschritt.
denn Kultur ist auch
müssen
also
Aber diese Definition ist doch
wiederum zu eng,
Innerlichkeit, ist Ruhe, Abhängigkeit,
den neukantischen Kulturbegriff erweitern.
Besitz.
Wir
Das soll nun in
Kürze im folgenden andeutungsweise geschehen.
Auch Eucken erkennt, handelt sich
daß Kultur Geistestat des Menschen ist.
„Es
bei der Kultur um die Verwandlung des menschlichen Daseins
in Tätigkeit, es handelt sich um die Bildung einer neuen Lebens stufe gegenüber der untermenschlichen Natur; der Mensch begnügt sich nicht
damit,
in einem gegebenen Dasein dieses oder jenes zu seinen Gunsten zu
verschieben, sondern er bildet einen neuen Lebensstand und gewinnt in solchem
*) Vgl. meinen Aufsatz Pestalozzi und Kant, Deutsche Schule, 1913.
2) Zu vergleichen wären auch die anderen Schriften Buddes
Beyer & Söhne.
im Verlage von
Vgl. auch mein Buch Pädagogische Charakterköpfe, Frankfurt a. M. 1916.
28 Bilden ein stolzes Gefühl der Größe und Überlegenheit über alles, was um
sieht nun sehr richtig,
ihn liegt."
Aber Eucken
Bestimmung
der Tätigkeit
daß die bloß formale
Sinn des Kulturschaffens nicht genügend
den
bestimmen kann, er fordert deshalb eine inhaltliche Bestimmung des Kultur
begriffes *).
„Die Behauptung verwandelt sich sofort in eine Frage, sobald
wir den vagen Begriff der Tätigkeit näher bestimmen und damit das eigen
genauer fassen möchten;
tümliche Werk des Menschen
das aber ist unent
behrlich, wenn ein wesentlich neuer Lebensstand aus der Arbeit der Menschheit
hervorgehen und ihr Handeln ein festes Ziel haben soll."
Entsprechend der
Unterscheidung von Natur und Geist in seiner Philosophie sieht Eucken die inhaltliche Aufgabe der Kultur darin, daß die Ideale der Geisteswelt ver wirklicht werden. Für die Ideale dieser Geisteswelt kann sich a^er nur der
einsetzen,
der zuvor von
der Geisteswelt ergriffen ist.
Vor aller Tätigkeit
steht daher die Innerlichkeit, vor der Freiheit die Gnade, vor dem Erkennen und Schaffen das Erleben.
Kultur ist im Sinne Euckens Geistes
erlebnis und Geistesdienst.
Dieser Gedanke scheint mir annähernd
das zu sagen, was zur sachlichen und zur formalen Bestimmung des Kultur
begriffes dient. Neben
oder
besser noch
über den Welten des Physischen und
Psychischen steht die Welt der Werte.
des
In Wissenschaft, Sittlichkeit, Kunst
und Religion erlebt und gehorcht der Mensch Nötigungen, denen er unbedingt folgen muß, wenn er nicht Wissenschaft, Sittlichkeit, Kunst und Religion in
Frage stellen will.
Diese Werte sind
anderen Werte und Wertungen.
absolut,
sie sind
der Urquell aller
Die Philosophie als Wertwissenschaft ist
darum bemüht, die „Geltung" dieser Werte zu ermitteln und ihren systema tischen Zusammenhang zu erfassen.
Freilich setzt alles Nachdenken und alle
Anerkennung der Werte ein Werterlebnis voraus.
erlebnis
Deshalb ist das Wert
die eine Inhaltsbestimmung der Kultur. — In der Geschichte er
leben wir die Wertverwirklichung. schen Charakter.
Alles geschichtliche Leben zeigt teleologi
Die Geschichte ist also die zielsichere Durchsetzung und Ver
wirklichung von Werten, die empirische Geschichte mit ihrer Tatsachenwirklich
keit ist die Offenbarungsstätte
des absoluten Geistes,
der der Hintergrund,
die treibende Kraft und das bestimmende Ziel alles individuellen Lebens ist. Wertverwirklichung ist daher die zweite Inhaltsbestimmung der Kultur.
sagen wir zusammenfassend: Kultur ist Werterlebnis und
verwirklichung,
deshalb kann und
muß
So
Wert
alle wahrhafte Bildung
auf
Werterlebnisse und Wertverwirklichungen abzielen. *) Vgl. Eucken, Geistige Strömungen der Gegenwart, 5. Ausl., S. 225 ff.
Vgl.
auch mein Buch Rudolf Euckens Werk, 3. Kapitel: Das Kulturproblem (Leipzig 1913,
I. Klinkhardt).
29 Sind diese Bestimmungen des Begriffes der Kultur zutreffend, dann
folgt daraus die Bestimmung des Begriffes der KuLturschule.
Die Kultur
schule ist dasjenige Institut, das durch seine Arbeiten und Methoden Werterlebnisse
Hervorrufen und zur Wertver Freilich bedarf der Begriff des Wertes
wirklichung aufrufen will.
noch der Differenzierung, um daraus die differenzierten Aufgaben der Kultur schule zu bestimmen.
Philosophie als Metaphysik zeigt, daß der Ur- und Grundwert aller Werte der absolute Geist ist, man kann auch sagen: die Norm aller
Normen, das Apriori aller Aprioris, der ureine Sinn aller Sinnzusammen
hänge.
Wo immer wir Werte erleben, wo immer wir um die Verwirk
lichung von Werten in Wissenschaft, Sittlichkeit und Kunst bemüht sind, da
sind wir von der Kraft des absoluten Geistes ergriffen.
Geschichtlich wird
der absolute Geist offenbar als subjektiver und als objektiver Geist. geistigen Persönlichkeit,
In der
die in den Werterlebnissen die Engen und Hem
mungen des individuellen Lebens überwindet und überwunden hat, wirkt der
In den großen Wertverwirklichungen, in Wissenschaft, Sitt
subjektive Geist.
lichkeit, Kunst und Religion, wird der objektive Geist offenbar.
So soll die
Schule, will sie Kulturschule sein, in die Offenbarungen des objektiven Geistes
einführen (materielle, sachliche Bildung), um dadurch den subjektiven Geist zur Entfaltung zu bringen (formale, persönliche Bildung). Die Offenbarungen des absoluten Geistes, subjektiver Geist und objek tiver Geist, weisen nun aber, da sie sich in geschichtlicher Entwicklung ent falten, geschichtliche Differenzierungen auf, ich meine die Differenzierung nach
nationalen Bestimmtheiten. mannigfaltiger
Der
Urwert,
nationaler Prägung.
Das
der
ist
Lebensgrund
doch
erscheint
in
wohl der Sinn des
Rankeschen Gedankens, daß Gott der Idee der Menschheit Ausdruck gegeben hat in den verschiedenen Nationen, und des Hegelschen Wortes, daß die Nationen den Thron des Weltgeistes umstehen als Zeugen und Zierden
seiner Herrlichkeit.
Es kann diese Erwägung nicht ohne Einfluß bleiben auf
die Gestaltung des Inhaltes der Kultur und der Kulturschule.
Alle Kultur
wird matt und jede Kulturschule lahm, wenn ihr die nationale Prägung fehlt.
Deshalb muß alle Kulturbildung Nationalerziehung, jede Kulturschule
Staatsschule sein, sofern im Kulturstaat der nationale Gehalt zum objektiven
Ausdrucke gelangt.
Damit aber haben wir die abschließende Bestimmung
des Bildungsideales der Kulturschule erreicht.
Die Kulturschule hat
die Aufgabe, durch persönliche und sachliche Bildung humane
Bildung in nationaler Prägung zu vermitteln, d. h. zum Erlebnis national geprägter Werte zu führen und für den Dienst dieser national geprägten Werte zu begeistern.
30 Die begriffliche Erörterung dieses Bildungsideales muß die Aufgaben der
und der nationalen Bildung
humanen
auseinanderlegen und nach
einander betrachten, während das praktisch-pädagogische Schaffen in der Ein der
heitlichkeit
wieder aufhebt.
pädagogischen
Wirksamkeit
die
begriffliche
Differenzierung
Wir erörtern daher die beiden Fragen: Wie erziehen wir
in der Kulturschule zur Humanität?
Wie bringen wir das eigentümlich
Deutsch-Nationale in der Erziehung zur Geltung? Wir wollen durch die Kulturschule den Menschen zum Menschen bilden, ihn befähigen Mensch zu sein.
vorangehen.
Menschheitsbildung soll aller Begriffsbildung
In diesem Sinne gilt noch immer das schöne Wort Rousseaus:
„In der natürlichen Ordnung, wo alle Menschen einander gleich sind, ist
ihr gemeinsamer Beruf echte Menschen zu sein; und wer für diesen Beruf
gut erzogen ist, kann auch diejenigen, ausfüllen, die sich damit vereinigen
Wenig kümmert es mich, ob man meinen Zögling für den Soldaten
lassen. stand,
für die geistliche oder für die richterliche Laufbahn bestimmt.
Vor
der Wahl des Berufes hat die Natur ihn dazu berufen Mensch zu sein. Leben heißt die Kunst, die ich ihn lehren möchte.
Ich gestehe,
daß er nach meiner Erziehung weder Magistratsperson, noch Soldat, noch Priester sein wird, vor allem wird er Mensch sein.
muß, auf den Gletschern Islands können."
Er wird, wenn es sein
oder auf Maltas glühenden Felsen leben
Der wahre Mensch aber ist zum Erfassen und Durchsetzen deS
absoluten Geistes befähigt.
So gilt es, auf theoretischem Gebiete Anschauen
und Begreifen zu pflegen, denn nur durch das Zusammenwirken von intuitio
und ratio kommt Erkenntnis zustande.
Auf praktischem Gebiete aber wird
Anschauen und Handeln zu pflegen sein, denn erst in der Selbsttätigkeit vollendet sich der praktische Geist. Wir fragen zunächst: Wie befördern wir das Erlebnis der Werte?
Durch die Anschauung werterfüllter Wirklichkeit. Problem
Wir stehen damit vor dem
der materialen, der sachlichen Bildung.
Je um
fassender und tiefer das Wissen eines Menschen ist, desto weiter ist er un zweifelhaft auf dem Wege der humanen Bildung vorgeschritten.
Aber nur
das Wissen ist von Bedeutung, das werterfüllt ist, das vorausgerichtete Kraft
hat.
Freilich soll damit nicht gesagt sein, daß alle Kenntnisse im späteren
Leben praktisch zu etwas benutzt werden können, sondern daß sie sich irgend wie als lebendige Bausteine für die Weltanschauungsbildung erweisen, daß sie sich in Bewußtsein und Tat des Menschen lebendig erweisen.
So wird
die Stoffauswahl für den Jugendbildner zur ernstesten Gewissensfrage. die Schule ist Kultur schule, die werterfüllten Wissensstoff bietet.
Nur Einzel
heiten hierüber gehören in ein System der wissenschaftlichen Pädagogik.
Hier
sei nur betont, daß natur- und geisteswissenschaftliche Stoffe, humane und
31 Nationale Stoffe,
zu berücksichtigen
Stoffe vorherrschen sollten.
sind,
wobei die geisteswissenschaftliche«
Dann wird durch diese Stoffauswahl der Grund
gelegt zur deutschen Kulturschule. Alle sachliche Bildung ist aber nur dann möglich,
wenn sie unterstützt
und getragen ist von der formalen Bildung, denn alle Kenntnisse ohne Wir stehen hier an der Schwelle des Arbeitsschulproblems,
Können sind tot. von
dem
im nächsten Abschnitt besonders zu reden sein wird.
Es handelt
sich darum, daß am gegebenen Stoff das eigene innere Leben des Zöglings,
sein Erkennen, sein sittliches Wollen, sein Schönheitssinn, sein religiöses Leben geweckt
werde, kurz
gesagt,
die vier Grundrichtungen des menschlichen
daß
Bewußtseins zu lebendiger Aktivität gebracht werden.
Das menschliche Erkenntnisvermögen ist in seinen beiden grundlegenden Funktionen, dem A n s ch a u e n und dem Begreifen, zu schulen, denn alle
Erkenntnis
begriffsmäßige
ist
Erfassung
des
deutlich
schauten, des äußerlich Geschauten in der Naturwissenschaft,
So gilt es zunächst die Flüchtigkeit
Geschauten in den Geisteswissenschaften.
auf besonders
des unwillkürlichen Aufmerkens
treuen Stetigkeit der willkürlichen,
Ge
des innerlich
auffällige Erscheinungen zur
beabsichtigten Aufmerksamkeit zu erheben,
die über bloße Totalauffassungen zur Gesamtheit der einzelnen Teilauffassungen
strebt.
Die Übung des Gedächtnisses sei bestrebt, die Dispositionen zu fördern,
die das Wiederauftreten gehabter Vorstellungen auch ohne äußeren Reiz in
möglichster Treue Anschauens und
Aber
gewähren.
Reproduzierens
wir müssen über die Stufe des bloßen
des
früher Angeschauten,
mit denen sich
die erste Bildung hauptsächlich beschäftigt, hinaus, wir müssen zur selbständigen
Urteilsfähigkeit erziehen.
Gerade die Erziehung zur ruhigen Überlegung, zur
klaren Begriffsbildung, zum richtigen Urteilen, zum sicheren Schließen gehört zu den Hauptaufgaben, nein, ist die Hauptaufgabe der intellektuellen Bildung.
Analog
auf den anderen Gebieten.
liegen die Dinge
Immer gilt es
Leben und Erkennen zur Synthese zu bringen, niemals über dem Leben das Erkennen vergessen,
niemals
bloßen Begriffen oder
aber aus
das Leben erzeugen zu wollen.
sittlichen Tatkraft die Anschauung
voran.
Wollens sollen und werden den Sinn und
Leben wecken,
ohne daß viel
gar Worten
So stehe auch in der Erziehung zur Große Vorbilder sittlichen
die Begeisterung
moralisiert wird.
für sittliches
Das sittliche Vorbild des
Lehrers vor allem und Anschauung sittlicher Taten im geschichtlichen Leben sollten
den Sinn für sittliches Leben,
Wollen in der Jugend
wecken.
für reine Gesinnung und tatkräftiges
Dann
freilich wird
das Nachdenken und Erkennen einsetzen müssen. daß über jedes
sittliche Vorbild
auch hier die Lehre,
Freilich nicht in dem Sinne,
viel Worte gemacht werden,
Sinne, daß man über Aufgabe und Bestimmung des Menschen,
aber in dem
der sittliche
32 Persönlichkeit und
soziales Wesen ist,
„denken"
Pflichten
mit der Jugend
Allerdings
lehrt.
redet und sie ihre
wird darauf sorgfältigst Bedacht ge
daß alle sittliche Erkenntnis stets aus dem Leben
nommen werden müssen,
erwachse, sonst verfallen wir dem Rationalismus. Die Fragen der Kunsterziehung
Jahren
in
besonders
in den letzten
den Mittelpunkt des Interesses der pädagogischen Welt gerückt
Wir dürfen die künstlerische Bewußtseinsfunktion nicht
Mit Recht!
worden.
sind
verkümmern lassen,
besonders Wortkunst und Bildkunst sollen, möglichst in
ständiger Wechselwirkung, vielfach zur Unterstützung der wissenschaftlichen Er
kenntnis, zur Geltung und zum Genuß kommen. Das Dicht
Wortkunst und Bildkunst sollen sich gegenseitig ergänzen.
durch Bildkunst in seiner Wirkung wesentlich zu fördern.
werk ist vielfach Auch
der wissenschaftlichen Erkenntnis kann die Bildkunst, ebenso
die
Schriften und aus reformatorischen
Geisteslebens nicht bloß aus Luthers
Kirchenliedern kennen lernen.
brandts
wie
Wir können z. B. das innere Leben protestantisch-deutschen
Wortkunst dienen.
Meisterwerken
Eine
von Dürers und Rem
Betrachtung
das Verständnis der Reformation wesentlich
wird
Der Musikverständige wird hier aus seinem Interessengebiet Bei
fördern.
spiele zu nennen wissen.
Auch
auf dem Gebiete der Kunsterziehung
Anschauung vor dem Begriff.
der
Vor allem kommt es darauf an,
durch sorgfältige Anleitung zum richtigen „Sehen",
Motive,
künstlerischen
Die
Kunstbetrachtung soll der Kunstgeschichte und
der ästhetischen Theorie vorangehen.
Jugend
gilt die Forderung:
die
zum Auffassex
auch der künstlerischen Methoden zu
erziehen.
Dann mag Kunstgeschichte und Theorie das bisher Gewonnene zusammen fassen und in großen Zügen einem System einordnen.
Wortkunst gilt ebenfalls der Grundsatz: erst Anschauung.
und hören lernen. ehe
Für das Gebiet der
Hier heißt es lesen
Erst müssen künstlerische Eindrücke gewonnen werden,
ästhetische Erkenntnisse möglich
sind.
Aber dann gilt es,
das Ange
schaute zum Begriff zu erheben, die großen Gesichtspunkte und Gesetze, den
Künstler bestimmen und bestimmen müssen, herauszuarbeiten *).
letzte Zweck aller Kunsterziehung darf nicht der sein, das
wäre Verwechselung
Fachschule
und
von Berufsbildung
Kulturschule.
Aufgabe
und
die
Der
Künstler zu bilden,
Menschenbildung,
der Kunsterziehung
ist
es
von
viel
mehr, die ästhetische Bewußtseinsfunktion derart zu bilden und die Kenntnis von
schönen Gegenständen derart zu fördern,
den
Geist des
daß der Mensch befähigt ist,
Schönen zu verstehen, innerlich und lebendig teilzunehmen
*) Ich gehe hier auf Zeichnen, Singen, Turnen nicht weiter ein. Prinzipiell liegen hier die Dinge ebenso: Vom Erleben zum Erkennen, vom Anschauen zum Begriff. Die Theorie gehört auch hier ans Ende.
33 am Leben der Kunst,
gern in
sich
großen Meisterwerke zu versenken,
ihre
So soll der Geist des Schönen
um aus ihnen innere Erhebung zu schöpfen.
ebenso wie der Geist des Wahren und Guten uns von der Animalität zur
Humanität, von der Natur zur Kultur erheben. Die humane Bildung vollendet sich in der religiösen Erziehung. Große Pädagogen wie Pestalozzi und Herbart haben die religiöse Erziehung
der sittlichen
bzw. eingeordnet,
unter-
es hängt das damit zusammen,
bei ihnen die Religion auf die Ethik gegründet wird. unter psychologischem form
Gesichtspunkt
daß
Nun ist aber Religion
betrachtet eine besondere Bewußtseins
Menschen, unter erkenntniskritischem Gesichtspunkt angesehen ein
des
dem
besonderer Kulturwert,
ein besonderes Apriori eignet*).
Wir müssen
der Religion im System der Philosophie ihre volle Selbständigkeit wahren
und im System der Pädagogik der religiösen Erziehung ihre volle Selb
In der Pädagogik der Gegen
ständigkeit gegenüber der sittlichen Erziehung.
wart
sehe ich
diesen
Gedanken nirgends durchgeführt, und
doch halte ich
seine Durchsetzung gegenüber den dem Religionsunterricht feindlichen Strö mungen für unbedingt notwendig.
selbständiges
Da die Religiosität ebenso ein besonderes,
psychisches Phänomen ist wie Denken, Fühlen und Wollen, da
die Religion ebenso einen besonderen, selbständigen Wert vertritt wie Wissen
schaft, Sittlichkeit und Kunst, so muß die Kulturschule (auch ohne Konfessions schule zu sein)
in
der Bildung zur Humanität diesen Wert ganz voll und
unverkürzt zur Geltung und Entfaltung bringen. Auch
hier
irgendeinem denn der
ist von
der Anschauung auszugehen.
Sorgfältiger als auf
anderen Gebiet müssen wir uns hier vor Rationalismus hüten,
Rationalismus ist der Tod
aller wahren Religion'^).
Niemals
kann sich aus Lehren, aus Dogmen, auch nicht aus Katechismussätzen Religion
Religion entzündet sich immer nur am Anschauen und Miterleben
entwickeln.
religiösen Lebens.
anschaulich religiösen
Die persönliche Religiosität des Lehrers und die Gewalt
dargestellten religiösen Lebens, Lebens,
werden
zu Weckern
christlichen und außerchristlichen
für die Religiosität der Jugend.
Voran wird die Gestalt Jesu zu stellen sein,
x) Vgl.
des
größten Zeugen und
zur näheren Begründung dieser Gedanken meine beiden Bücher
Das
Problem der Religion in der Gegenwartsphilosophie, Leipzig 1917, I. Klinkhardt. —
Die wissenschaftliche Vertretung
des Christentums in der systematischen Gegenwarts
theologie, Langensalza 1917, K. Dietmar. 2) Sehr schön und treffend sagt Wobbermin (Zeitschrift für Theologie und Kirche,
1917, S. 320): „Die Religion rationalisieren heißt die Religion als Religion vergewal tigen, ja es heißt, die Religion als Religion aufheben.
Rationalisierte Religion ist nicht
mehr urwüchsige, echte und lebendige Religion, sondern ein Kunstprodukt, das sich um so mehr von wirklicher Religion entfernt, als die Rationalisierung zunimmt." Kesseler, Weltbürgerliche und staatsbürgerliche Bildung.
3
34 Hinzu kommt die Kenntnis vom Werden und
Propheten religiösen Lebens. von
auch
der Religion in Geschichte und Gegenwart.
der Bedeutung
Hier sind
außerchristlichen Religionen in umfassenderer Weise als bisher in
die
den Lehrplan einzustellen.
Abschließend ist zur Begriffserkenntnis aufzusteigen.
Wesen und Wahrheit der Religion, besonders des Christentums sind zu er
örtern,
und diese Erkenntnisse sind in ruhiger, systematischer zu vertreten und zu
religionsfeindliche Strömungen
dieser weitblickenden,
nichts
wegdeutenden, nichts
Weise gegen Erst in
verteidigen.
vertuschenden Apologetik
findet die religiöse Erziehung ihre Krönung. Damit ist der Kreis der humanen Bildungsgegenstände geschlossen.
vier grundlegenden Bewußtseinsrichtungen, Kunst und Religion wirksam sind,
wenn in
der bezeichneten
dann die Diskussion
die in
Die
Wissenschaft, Sittlichkeit,
kommen zur Geltung und Ausbildung, Über Einzelheiten
Weise Verfahren wird.
eröffnet werden,
mag
wenn nur erst prinzipiell jeder Dann ist die erste Aufgabe
Faktor der Humanität Berücksichtigung findet. der Kulturschule gelöst.
Es harrt eine zweite Aufgabe dann ihrer Erfassung und Lösung. forderten:
Humane Gesinnung
schichtsphilosophie zeigt uns,
Wir
Die Ge
daß alle Wertverwirklichung auf geschichtlichem
alle Werte stets ein geschichtliches Kleid tragen.
daß
Wege erfolgt,
in nationaler Prägung.
Allge
meine Menschheitsideale gewinnen im geschichtlichen Leben der Kulturnationen
erst individuelle Gestalt, erst hier werden sie aus blassen Abstraktionen oder aus lebensfremden Idealen zu kraftvollen,
aufrüttelnden Gestaltungen.
So
bestimmte sich die Frage: Wie befördern wir das Erleben der Werte? näher
dahin:
Wie befördern wir das
Erleben deutscher Werte?
Denn für
uns Kinder der deutschen Erde sind die Werte gegeben im deutschen Gewände. Das soll nicht heißen,
zu finden wäre. deutsch,
daß bei anderen Nationen keine Wertverwirklichung
Die absolute Entgegensetzung
von Deutsch und Nicht
wie wir sie bei Fichte finden, ist nicht möglich.
Dieser Erkenntnis
wird Rechnung zu tragen sein im fremdsprachlichen Unterricht, in der Welt
geschichte und auch in der Erdkunde.
Hier sind die Werte aufzuspüren, die sich
in fremden Ländern und bei fremden Völkern verwirklicht haben und immer weiter verwirklichen.
Ferne sei es der Kulturschule, bie Weite des humanen
Horizontes zu verengen.
Wohin das
führt,
kann
die französische Kriegs
pädagogik lehren, von der im Dezemberheft 1916 des „Panthers" die Rede gewesen ist.
Aber wir brauchen als geschichtliche Menschen einen geschicht
im nichtdeutschen Gewände
lichen Standort,
von dem aus
erfassen können.
Dieser Standort ist der deutsche Geist.
wir die Werte
Daß wir diesen Standort einnehmen, des Blutes und der Geschichte.
ist zunächst gewiß eine Tatsache
Aber wir nehmen
diesen Standpunkt als
35 humane, d. h. als freie Menschen ein und halten ihn aus freier Entscheidung fest, weil wir der Überzeugung sind, daß wir im deutschen Geist dem humanen Geist am nächsten sind, weil der deutsche Geist die schönste und reifste Entfaltung der Humanität ist.
Das ist ja doch der tiefste
Sinn des Wortes, daß am deutschen Wesen noch einmal die Welt ge
nesen
solle.
Aus
diesem Grunde muß die Kultur schule National-
erziehung treiben. Auch hier gilt wiederum die Forderung:
Begriff.
Von der Anschauung zum
Die Jugend soll die deutschen Werte lieben lernen, um dann
ihren Wahrheitsgehalt zu erkennen.
Die deutsche Heimat in Wirklichkeit
und Dichtung wird auf Wanderungen durch die deutsche Natur und die
deutsche Geisteswelt der deutschen Jugend vertraut!
Wir wollen die Jugend
in den Strom des vaterländischen Lebens eintauchen, sie zu den Quellen
unserer nationalen Kraft führen und aus ihnen ihr inneres Leben speisen.
Da
soll sie lernen die Schönheit der deutschen Heimat, den Ernst und die Ge
nauigkeit der deutschen Wissenschaft, den kategorischen Imperativ im deut schen Pflichtbewußtsein, die Tiefe des deutschen Gemüts, die freie Innerlich keit deutscher Religiosität.
Luther, Kant und Goethe sollen ihre Führer sein.
Was aber erlebt ist, soll erkannt werden.
Hier gilt es das Wesen des
Deutschtums zur Erkenntnis zu bringen durch Volkskunde im weitesten Sinne
des Wortes
und durch Abgrenzung gegen andersartige Eigenart anderer
Völker (vgl. z. B. den deutschen Freiheitsgedanken). So führen wir durch die Bemühungen der Kulturschule zum Wert
erlebnis und von da zur Werterkenntnis.
Dann aber stehen wir weiter
vor dec Aufgabe, die Jugend zur Wertgestaltung und Wert
verwirklichung, zu aktiver Mitarbeit an der humanen und nationalen Kultur anzuleiten und zu bilden.
Denn Kultur
ist ja, wie wir sahen, nicht bloß Werterlebnis, sondern auch Wertverwirk
lichung.
Wir werden damit vom unterrichtlich-theoretischen Gebiet auf das
praktische Gebiet im engeren Sinne gewiesen.
Neben die Frage nach dem
Ziel der Kulturschule treten die Fragen nach der Methode und der Organi sation der Kulturschule.
Soweit nun die Kulturschule humane Gesinnung
vermitteln will, muß sie Arbeitsschule sein, die aus dem Geiste des
deutschen Idealismus Selbstverantwortlichkeit
heraus durch Selbsttätigkeit zur Selbständigkeit und erzieht.
Soweit
aber
die Kulturschule nationale
Kraft entwickeln will, muß sie Einheitsschule sein, die sich an alle Staatsbürger wendet. „Über die kirchlichen und gesellschaftlichen Gegen sätze hinaus ist es die Schule, in deren Organisation sich der Nationalstaat als sittliche Einheit erfaßt" (F. I. Schmidt). Über das Prinzip der Einheitsschule dürfte daher schwerlich Streit entbrennen, wohl aber ist ihre 3*
36 nähere Gestaltung noch Gegenstand heftiger Diskussion.
So führt uns daS
Problem der Kulturschule auf die beiden weiteren Probleme der Arbeits schule und der Einheitsschule.
Das Problem -er Arbeitsschule. die zu Werterlebnis und Wertverwirk
Der Begriff der Kulturschule,
lichung und damit zur Kultur erzieht, schließt den Begriff der Arbeitsschule Das heißt nichts anderes, als daß keine Kultur
mit Notwendigkeit ein.
ist, sie sei denn Arbeitsschule.
schule möglich
ich
Dabei verstehe
unter Arbeitsschule diejenige Schule, die in ihrer Methode durch das
Prinzip
der Arbeit bestimmt ist.
Arbeit aber ist jede auf Wertver
wirklichung gerichtete Tätigkeit, sie sei geistiger oder manueller Art, sie ge schehe in den einzelnen Unterrichtsstunden oder in besonderen Werkstattstunden. Damit möchte ich meinen Begriff der Arbeitsschule grundsätzlich gegen irrige
Fassungen abgrenzen.
Es kann eine Schule überhaupt keine manuelle Tätig
keit umfassen und doch Arbeitsschule sein, und es kann eine Schule wer weiß
wie viel manuelle Tätigkeit pflegen und doch keine Arbeitsschule sein.
Der
Streit der Meinungen über den Begriff der Arbeitsschule hat nun aber zur Herausstellung von drei verschiedenen Fassungen des daß es sich um
der Klarheit willen empfiehlt,
Reihe nach kritisch zu beleuchten.
Begriffs geführt,
so
diese drei Auffassungen der
Die erste Fassung der Arbeitsschule fordert
Arbeit als Prinzip, einerlei ob geistige oder manuelle Tätigkeit, sie gründet
also auf der Idee der Selbsttätigkeit, die beiden anderen Fassungen denken dagegen
an
manuelle
Tätigkeit,
unterscheiden sich
aber dadurch von
einander, daß die eine Richtung manuelle Tätigkeit als Prinzip,
die andere
als Fach fordert. Der Gedanke,
daß
das Arbeitsprinzip
das
Schulwesen
beherrschen
müsse, ist eine Idee, von deren schrittweiser, sieghafter Durchsetzung die neuere
Pädagogik Zeugnis ablegt.
Pädagogen,
In meinem Buche Das Lebenswerk der großen
das den Aufstieg,
den Kampf, den Sieg der großen pädagogi
schen Leitgedanken ins Licht stellt, habe ich die Durchsetzung der Aktivitäts
idee bei den großen Pädagogen
eine Wolke von Zeugen.
Bereits
Wissenschaft und Lebensführung.
eingehender beleuchtet.
Da steht vor uns
die Humanisten fordern Spontaneität in Selbständige Forschung, persönliches Er
lebnis, eigene Entscheidung werden hier die Hauptsache.
Wie Luther auf
ethischem und religiösem Gebiet das Spontane betont und fordert, ist be kannt.
Als pädagogisches Prinzip erscheint die Spontaneität, die Erwerbung
von Kenntnissen durch Selbsttätigkeit bei Rousseau.
Zum endgültigen Siege
37 hat diesen Gedanken die idealistische Pädagogik geführt, die in bahnbrechender
Weise
von Pestalozzi eingeleitet,
von Fröbel
und Diesterweg ausgebaut
worden ist und in der Gegenwart von Neukantianern und Euckenianern
vertreten wird.
In diesem idealistischen Sinne hat auch der Sozialpädagoge
Robert Rißmann die Idee der Arbeitsschule bestimmt, der den Gegensatz
zur Arbeitsschule gar nicht in der „Lernschule", sondern in der „AutoriMsschule" sieht.
Prinzip,
das
So ist in diesem Sinne die Arbeit ein wertvolles methodisches
den
ganzen Unterricht durchdringen
und die herkömmliche
Methode umgestalten will.
Die Forderung der Selbsttätigkeit ist ebenso philosophisch wie psycho logisch zu begründen.
Alles wahrhaft geistige Leben gründet in ihr, und
alle wirklichen Erfolge werden einzig durch sie möglich.
erleb nis steckt ein Stück Spontaneität.
Bereits im Wert
Soll aber dieses fruchtbar
werden im Leben des einzelnen und im Leben der Gesamtheit, so ist auch das einzig möglich durch Selbsttätigkeil. Das bringt schon die alte Lebens erfahrung zum Ausdruck, daß Übung den Meister macht. Im Tun des Menschen, d. h. in der Anwendung seiner Fähigkeiten, erstarkt der sub
jektive Geist, daß er mehr und mehr fähig wird, Werte zu erfassen und dann — das ist das Wesentlichere!
lichung einzusetzen.
— seinerseits sich für Wertverwirk
Durch die Tat, die am Anfang war, führen wir die
Jugend zu Pestalozzis Idealismus: „Ich lebe nicht mir, sondern den Brüdern,
nicht der eigenen Ichheit, sondern dem Geschlechte."
So tritt in der Arbeits
schule neben das unaufgebbare Ziel der Persönlichkeitsbildung die Gemeinschafts
pflege, indem alle Tätigkeit letzten Endes der Gemeinschaft zugute kommt. Analog den vier Bewußtseinsfunktionen und der vierfachen Wertdifferen zierung hat die Pädagogik auf vier Gebieten und für vier Gebiete die Selbsttätigkeit zu fordern und zu fördern.
dem
wesentlich
Inwiefern der Unterricht,
die Aufgabe der Weckung der Werterlebnisse zufällt,
die
Selbsttätigkeit in Bewegung setzt, mußte bereits oben beim Problem der
Kulturschule erörtert werden, weil in allem Erleben und Erkennen,
wie
auch schon gesagt, ein Stück Selbsttätigkeit
der
steckt.
Daher
wird
in
Arbeitsschule so weit als irgend möglich an der Hand von Quellen die
Anschauung objektiver Wirklichkeit zu vermitteln sein, niemals aber bloße Buchweisheit durch Lektüre oder Vortrag zu übermitteln sein.
Nur selbst
gewonnene Kenntnisse find etwas wert, nur sie schaffen die psychischen Dis positionen zur ständigen Neureproduktion durch das Gedächtnis.
So soll
das Prinzip der Arbeitsschule stets dieses sein: Von den Tatsachen des
Lebens durch selbsttätiges Erleben zu Einsicht und Erkenntnis. Trotzdem würde diese Forderung allein die Notwendigkeit der Arbeits schule noch nicht begründen.
Sie hält sich noch im Rahmen des von jeder ver-
38 Künftigen Lern schule zu Fordernden.
Sie ist auch seit den Humanisten
von jeder sachgemäßen Pädagogik gefordert worden.
muß eigentlich
denkt,
die Arbeitsschule ablehnen,
die Arbeitsschule als solche begründet, ist die
Das Neue, was
bietet.
Wer nur an dieses weil sie nichts Neues
Forderung, die durch die Tatsachen des Lebens selbsttätig gewonnenen Er
kenntnisse nun durch Tätigkeit für die Gemeinschaft fruchtbar zu machen. Deshalb bestimmte ich: Arbeit ist die auf Wert Verwirklichung gerichtete Tätigkeit.
Die beiden wesentlichen Aufgaben, die der Arbeitsschule in diesem Sinne zufallen, sind
und
der Schüler
die Arbeitsgemeinschaft der Lehrer und
die der Selbstregiernng
der Schüler.
Beide Formen der Er
ziehung — denn auf dem Gebiet der Erziehung liegt die Leistung der
Arbeitsschule —
wollen also den Schüler zum brauchbaren,
d. h. tätigen,
wertverwirklichenden Glied der Gemeinschaft bilden und dadurch dahin wirken,
daß alle bloß äußere und äußerliche Gesellschaft zur inneren und innerlichen Gemeinschaft gestaltet werde.
Insofern die Kulturschule neben der persön
lichen Bildung durch Werterlebnisse
die soziale Bildung der Wertverwirk
lichung pflegt, erfüllt sie die besondere pädagogische Aufgabe der Arbeitsschule.
Der Arbeitsgemeinschaft fällt die Aufgabe der Versittlichung der Tätigkeit zu, indem sie lehrt, daß die Arbeit, und zwar jede Arbeit irgend
wie, dem Wohle der Gemeinschaft dient. fteincr:
„Das Bewußtsein,
In diesem Sinne sagt Kerschen-
daß man eine Arbeit, und wäre es auch die
kleinste und niedrigste,
zum Wohle einer Gemeinschaft ausführt,
angehört, leitet immer
die Versittlichung unserer Tätigkeit ein.
der man
Um dieses
Bewußtsein durch die Schule zu entwickeln und aktionsfähig zu machen, gibt
e§ zunächst kein anderes Mittel als das, Schulbetriebes
im Geiste
welches ich als Organisation des
der Arbeitsgemeinschaft bezeichnet habe."
Natur
wissenschaftliche Übungen, botanische Exkursionen, überhaupt jedes Zusammen
wirken mehrerer bei einer Arbeit, also die gemeinsame Erstrebung eines Zieles,
dienen der Überwindung der individuellen Selbstsucht und des stör
rischen Eigensinns.
Die Jugend lernt sich der Gemeinschaft einordnen, weil
sie an praktischen Beispielen und aus eigenen Erfahrungen erkennt,
Erfolg an der selbstlosen Zusammenarbeit der einzelnen hängt.
daß der
Voraussetzung
für erfolgreiches Gedeihen der Arbeitsgemeinschaft der Kinder ist freilich die
Arbeitsgemeinschaft der Lehrer, die ihrerseits in opferwilliger Arbeitsgemein schaft die Ideale der Jugendbildung vertreten und verwirklichen müssen. Noch ausgesprochener als die Arbeitsgemeinschaft der Schüler wirkt die
Selbstregierung in der Richtung der Versittlichung, des Wert-schaffenWolle ns.
Ihr Ziel ist die aus eigener Erfahrung gewonnene Einsicht
der Jugend,
daß Ordnung
besser als Unordnung ist, und daß Gesetz und
39 Ordnung zur Aufrechterhaltung und Regelung des gemeinschaftlichen LebenS
Selbstregierung nennt man
sind.
notwendig
die praktische Mitarbeit der
Kinder an der Versittlichung der Schulgemeinschaft.
Die einfachste Art, die
sich wohl für die Einführung zunächst empfiehlt, bieten Schülervereine u. ä.
Von hier
das
aus kann dann die Selbstregierung in ständiger Erweiterung auf
ganze Schulleben ausgedehnt
Stellenweise hat man sie
werden.
in
Nachahmung amerikanischer Muster bis zum vollendeten Parlamentarismus,
ja in der „freien" Schulgemeinde bis zur völligen Gleichstellung und Gleich
der Schüler mit den
berechtigung
Lehrern
gesteigert.
Für diese letzteren
Steigerungen, die mir als Auswüchse erscheinen, ist m. E. die Jugend nicht
reif — das Gerede von einer besonderen „Jugendkultur" ist barer Unsinn, denn es gibt nur eine Kultur, in die die Jugend hineinwachsen soll!
in der Arbeitsschule muß die Verfassung
konstitutionell sein!
Auch
Die letzten
Regelungen und Entscheidungen müssen bei den Lehrern stehen.
Nun
ist aber der
Arbeitsschulgedanke
den
über
bisher
gezeichneten
Rahmen hinaus erweitert worden, durch besondere Betonung der manuelle«
Arbeit.
dieser Gedanke hat bereits
Auch
in der Geschichte der Pädagogik
namhafte Vertreter gefunden.
Bei Comenius lesen wir: „Die Kinder bauen
und kleben
Spänen, Holz oder
gern von Lehm,
Steinen Häuser."
Er
fordert, daß die Kinder „von den Handwerken die wichtigeren kennen lernen". Rousseau meinte:
„Wenn ich ein Kind, anstatt es ans Buch zu fesseln, in
einer Werkstatt beschäftige, so arbeiten seine Hände zum Nutzen des Geistes . . .
Der Erzieher bedenke stets, daß eine Stunde Arbeit den Zögling mehr Dinge lehren wird, als er aus einer tagelangen Auseinandersetzung im Gedächtnis behalten kann".
Basedow forderte:
„Wenig Worte und viel Handlungen."
Salzmann sagt: „Sind denn nicht die vornehmsten Werkzeuge des Menschen
Kann man wohl glauben, daß sein Geist vermögend sei, seine
seine Hände?
mannigfaltigen Kräfte zu
äußern, wenn seine besten Instrumente verrostet,
Pestalozzi aber, der Kopf,
wenn seine Hände unbrauchbar geworden sind?"
Herz und Hand bilden wollte, sprach das berühmt gewordene Wort: „Seine Hauptlehre Lehre
muß der Mensch
seines
Kopfes der
bei seiner Arbeit
suchen und nicht die leere
Arbeit seiner Hände vorausgehen lassen."
Er
zeichnet uns das Bild seines Jdealschulmeisters Glülphi: „Alle Tage sah er mehr, wie die
Arbeitsamkeit den Verstand
bildet und
den
Gefühlen des
Herzens Kräfte gibt, wie sie das den Kräften des Lebens tätliche Schweifen der Sinne verhütet und von den Schwächen zurückführt, unser Maulbrechen
über das Tun für das Tun selber anzusehen . . .
Diese höheren Ansichten
über die menschliche Ausbildung waren es, warum er Drehstuhl, Hobelbank,
Nähkissen usw. in die Schule aufnahm."
Pestalozzis Schüler Fröbel äußerte
sich im Sinne des Meisters: „Tätigkeit und Tun sind die ersten Erscheinungen
— im Kmdesleben,
—
40
im Tätigkeitstrieb offenbart sich das Wesen des Menschen.
Deshalb muß die Erziehung mit dem Tun beginnen, an die Pflege des Beschästigungstriebes muß alles anknüpfen, und aus demselben muß alles
hervorgehen." miteinander
Fichte wollte in seiner Nationalerziehung fernen und Arbeiten verbindens.
„Ein Haupterfordernis dieser meiner National
erziehung ist es, daß in ihr Lernen und Arbeiten vereinigt sei, daß die
Anstalt durch sich selbst sich zu erhalten den Zöglingen wenigstens scheine, und daß jeder in dem Bewußtsein erhalten werde, zu diesem Zwecke nach
allen seinen Kräften beizutragen.
Dies wird, durchaus noch ohne alle Be
ziehung auf den Zweck der äußeren Ausführbarkeit und der Sparsamkeit,
hierbei schon unmittelbar durch die Aufgabe der Erziehung selbst gefordert,
teils darum, weil alle, die bloß durch die allgemeine Nationalerziehung hin durchgehen, zu den arbeitenden Ständen bestimmt sind und zu deren Er
ziehung die Bildung zum tüchtigen Arbeiter ohne Zweifel gehört, besonders aber darum, weil das gegründete Vertrauen, daß man sich stets durch eigene
Kraft werde durch die Welt bringen können und für seinen Unterhalt keiner ftemden Wohltätigkeit bedürft, zur persönlichen Selbständigkeit des Menschen
gehört und die sittliche weit mehr, als man bis jetzt zu glauben scheint,
bedingt."
Herbart sprach sich ähnlich aus:
„Die Hand hat ihren Ehren
platz neben der Sprache, um den Menschen über die Tierheit zu erheben." „Mechanische Fertigkeiten würden oft nützlicher sein als Turnübungen, jene dienen dem Geiste, diese dem Leibe."
Paulsen sagte: „Es wird die öffent
liche Fürsorge für die Ausbildung der Mädchen in den Künsten der Haus
haltung, der Knaben in allerlei Handfertigkeit auf die Dauer nicht zu ent
behren sein."
Rißmann meinte:
„Wir halten es nicht für richtig, daß des
Kindes Tätigkeitstrieb auf das rein geistige Gebiet eingeschränkt bleibe.
Sein
Drang, mit der Hand selbst zu handeln, seine Lust am Bilden und Formen sollte auch von der Schule Berücksichtigung erfahren, und zwar nicht bloß durch den Zeichenunterricht." In allen diesen Äußerungen findet sich noch nicht die scharfe Scheidung,
obwohl sie anklingt, von Werkunterricht und Handarbeitsunterricht, d. h. von
manueller Tätigkeit als Prinzip
und von manueller Tätigkeit als Fach.
Doch hat die Gegenwartspädagogik diesen Unterschied immer schärfer heraus
gestellt, so daß die beiden Fragen gesondert zu behandeln sind. Bestimmen wir zunächst den Unterschied von Werkunterricht und von
Handarbeitsunterricht.
Jener ist ein wertvolles methodisches Prinzip, das
den ganzen Unterricht durchziehen soll,
deren Stunden zu praktischer Arbeit.
dieser Ausbildung in beson
Jener ist wirksames Veranschau-
x) Vgl. meinen Vortrag Fichte als Herold des Deutschtums in großer Zeil in meiner Schrift Deutscher Idealismus, Beyer & Söhne, Langensalza 1917.
41 dieser hat
lichungsmittel im Sachunterricht,
bildung von technischer Fähigkeit,
jener ist sch ul technisch, dieser b e ru fs-
technisch, jener strebt nach Vereinfachung,
dieser nach Komplizierung, jener
äußere technische Vollendung, jener
dieser erstrebt
ist typisches Erfassen,
den Selbstzweck der Aus
will für das Leben bilden (Kulturschule), dieser für den Beruf (Fachschule). Der
Werkunterricht
knüpft
an
Spieltrieb
den
(vgl. das oben genannte Wort des Comenius).
weckt in ihnen Interesse
der Kinder, benutzt ihre physische Unruhe und
durch physische Arbeit.
des Kindes an
Er beschäftigt die Hände
Darin liegt unbedingt ein erziehliches Moment.
Es
soll und darf keine Kraft brach liegen, sie soll in den Dienst der allgemeinen
richts, zu
Zunächst ist der Erfolg
gestellt werden.
Menschenbildung
dem übrigens
auch
die Ausbildung
von physiologischer Bedeutung.
des Werkunter
der linken Hand
Körperliche
gehört,
Tätigkeit wirkt fördernd
auf die Gehirnbildung und insofern dann indirekt auf das geistige Leben. Besondere Hirnpartien, werden
durch
die sonst wenig
wesentlich entwickelt.
sie
oder gar nicht gefördert würden,
Der Erfolg des Werkunterricht ist
ferner von psychologischer Bedeutung.
unsere Auffasiung von
den Dingen
Durch manuelle Tätigkeit wird
wesentlich
gefördert.
„Alle räumlichen
Vorstellungen bieten sich uns als Formen der Ordnung zweier Sinnes qualitäten
dar,
der Tastempfindungen und
der Lichtempfindungen",
sagt
Wuudt, also als Assoziationen, für deren Zustandekommen der Tastsinn, das
Der Erfolg
Tasten, die manuelle Tätigkeit von wesentlicher Bedeutung sind. des Werkunterrichts ist schließlich von logischer Bedeutung.
und
je
klarer,
umfassender und
Je deutlicher
tiesdringender unsere Anschauungen sind,
desto schärfer werden auch unsere Begriffe, desto besser wird unsere Erkenntnis der Gegenstände.
wo
Nach
dem
sich Gelegenheit bietet,
allen soll der Werkunterricht also überall da,
den übrigen Schulunterricht unterstützen,
zum Wort das Zeichen und die Form trete;
damit
er ist also eine psychologische
Maßnahme bei der Pflege des Werterlebnisses und der Wertverwirklichnng. Es ist aber unbedingt nötig, diesen an sich nicht bloß richtigen, sondern
wertvollen Gedanken vor Übertreibungen zu schützen, meintlich Neues leicht ausgesetzt ist.
denen ver
Es gibt Anhänger des Werkunterrichts,
die die Werkidee zu Tode hetzen, indem sie für jedes Fach,
bei jeder Ge
legenheit, bei jedem Gegenstand Handbetätigung empfehlen oder gar fordern. Demgegenüber ist mit allem Nachdruck zu betonen,
daß die Geisteswissen
schaften eine andere Arbeitsmethode fordern als die Naturwissenschaften, wie ja jene
auch
auf einer
anderen Erkenntnisform (innere Anschauung) be
ruhen als diese (äußere Anschauung).
Es darf daher Arbeitsunterricht als
Prinzip nicht dahin mißverstanden werden, daß man eine Fülle von manuellen
Tätigkeiten
einfach
mit den
geisteswissenschaftlichen Unterrichtsgegenständen
42 verbindet.
Sehr richtig sagt Kerschensteiner:
„Aller Unterricht,
der sich
ausschließlich auf das von der Tradition überlieferte Tatsachenmaterial stützen?
muß, wie Sprache, Geschichte, Religion, kann nur durch geistige Arb ei t
Manuelle Arbeit ist nur
produktiv und charakterbildend gestaltet werden.
da
wertvoll,
wo Begriffe und Erkenntnisse aus
Tatsachen der täglichen
Erfahrung herauswachsen und das Vorstellungsmaterial aus sinnlicher Be
obachtung gewonnen werden muß.
Alle im Laufe der Zeiten entwickelten
geistigen Arbeitsgebiete haben ihre eigenen spezifischen Arbeitsweisen.
Das
Arbeitsprinzip ist nur dann gewahrt, wenn die Arbeit beim Eindringen in die Vorstellungskreise und in die Denkungsweise dieses Gebietes den reellen
Arbeitsmethoden angepaßt ist, die sich innerhalb jener Geistesgebiete mit
psychologischer Notwendigkeit entwickelt haben." Wirkungsvolle Unterstützung des Unterrichts bietet die manuelle Tätig
keit überall da, wo es die Förderung der äußeren Anschauung gilt. möge
der Werkunterricht,
das Wirken,
Platz
So
finden in Geometrie und
Zeichnen, im Anschauungsunterricht und Geographie, in Physik und Chemie, sowie im Elementarunterricht im Lesen und Rechnen.
gilt überall: nicht des Guten zuviel!
Aber auch hier
Keineswegs darf das Wirken Selbst
zweck werden, niemals die geistigen, die intellektuellen Ziele des Unter richts verrücken und schmälern, niemals in Spielerei ausarten, die aller
Erkenntnisbildung yur hinderlich ist.
Die Frage, ob die manuelle Tätigkeit
am Anfang, in der Mitte oder am Ende der Unterrichtsstunde einzutreten
habe, ist prinzipiell nicht zu entscheiden, es kommt auf das Fach und auf
den Fall an, und es ist daher die Frage von Fall zu Fall zu entscheiden. Der Handarbeitsunterricht als Fach hat bisher im deutschen Schulwesen nur wenig Verbreitung gefunden.
Entscheidend hat Kerschen
steiner für ihn geltend gemacht: „Arbeitsunterricht als Prinzip und Arbeits
unterricht als Fach gehören zusammen wie Griff und Klinge des Messers." Kerschensteiner ist damit unbedingt im Recht, denn wenn die Förderung
des technischen Ausdrucksvermögens
zum Unterrichtsprinzip erhoben wird,
dann ist die entsprechende technische Schulung in besonderen Unterrichtsstunden eine unbedingte Notwendigkeit.
und graphischen so
muß
werden.
auch
Vermögens
Wie wir der Ausbildung des sprachlicher der Kinder
besondere Stunden widmen
das technische Vermögen in besonderen Stunden gesörder
Damit dürfte der selbständige Handarbeitsunterricht unwiderlegliö
begründet sein.
Erst im Handarbeitsunterricht haben wir die Methode, di
die Durchführung einer universalen, d. h. nichts vernachlässigenden, Bilduw gewährleistet. Welches sind seine besonderen Aufgaben?
Er hat eine erzieh
liche und eine berufliche Aufgabe, die erstere, die wiederum persönlich
43 Das wird an zwei
und soziale Bildung umfaßt, steht unbedingt voran. Beispielen,
dem
Pabst, klar.
schwedischen Slöjd und den Bemühungen von Direktor
Pabst hat selber auf den schwedischen Slöjd hingewiesen, der
die Handgeschicklichkeit
fördern
will
und Handarbeiten in
Holz, Metall,
Papier und Leder nebst Flechten, Weben und Malen umfaßt. über die Aufgaben des Slöjd:
Pabst sagt
„Der Zweck des Slöjd ist niemals die
gewerbliche Ausbildung, sondern immer nur die Entwicklung der physischen, und moralischen Kräfte des Kindes.
geistigen
wirken, er soll die Selbsttätigkeit,
Der Slöjd soll erziehlich
die Genauigkeit, den Fleiß und die Be
harrlichkeit, auf denen der Charakter des Menschen beruht, hervorrufen und soll zur Achtung vor der Arbeit, besonders auch vor der körperlichen, führen.
Die Gegenstände, deren Anfertigung die Aufgabe des Slöjdunterrichts bildet,
sind nicht Selbstzweck des Unterrichts, sie sind nur Mittel zu diesem Zwecke. Man könnte diese Gegenstände nachträglich zerstören, der Zweck des Slöjdunterrichtes würde dadurch ebensowenig beeinträchtigt werden, wie durch eine
Vernichtung der Hefte, die das Kind während eines Schuljahres vollgeschrieben hat, dessen Schrift leidet.
durch Bearbeitung der
Materialien
Durch den Gebrauch der Werkzeuge und
erwirbt
das Kind
eine Menge von
Fertigkeiten und Kenntnissen, die im Leben nützlich sind; aber auch darin
besteht
nicht der Hauptwert des Slöjdunterrichts;
denn
die Ausbildung
einzelner Fertigkeiten kommt nicht für jeden in Betracht, und die Kenntnisse werden von vielen vergessen, ohne jemals zur Anwendung zu kommen.
Da
gegen ist die Entwicklung der geistigen, sittlichen und körperlichen Kräfte von
dauerndem Wert, und hierauf beruht die Bedeutung des Slöjd für die Er
ziehung."
Pabst hat seine eigenen Bemühungen um den Handarbeitsunter
richt ähnlich begründet unter besonderer Betonung des s o zial ethischen Ge sichtspunktes:
„Die Handarbeit ist eine Art geistiger Erziehung, und die
Hand ist ein sechster Sinn, ein Weg, der direkt zum Kopfe führt.
übliche Unterscheidung
gründlichen Irrtum!
Die
von Kopfarbeit und Handarbeit beruht auf einem
Es gibt keine Art der Handarbeit, die nicht zu gleicher
Zeit mehr oder weniger Gehirnarbeit erfordert
Aus der falschen
Unterscheidung von Kopfarbeit und Handarbeit ist der gefährliche Gegensatz zwischen Kopfarbeitern und Handarbeitern entstanden und damit die Miß
achtung, die fast jeder Vertreter der einen dieser beiden Richtungen der anderen entgegenbringt ....
Wenn die Jugend einsieht, daß es
ebenso
schwer ist, Geschicklichleit in einer kunstvollen Handarbeit zu erlangen, als sich Kenntnisse in der Mathematik oder in einer Sprache zu erwerben, so ent
wickelt sich damit ganz von selbst die Achtung vor der Arbeit der Hand und wr der Arbeit überhaupt."
Kerschensteiner, der übrigens für die höheren
Schulen nicht unbedingt Handarbeitsunterricht fordert,
betont neben dem
44 formalen und dem ethischen Zweck der Handarbeit den praktischen, auf den künftigen Beruf abzielenden Zweck.
„Es bleibt auch heute der elementaren
Lolksschule die Aufgabe der Vorbereitung auf den zukünftigen Beruf deS
Zöglings zugewiesen.
Die ungeheure Mehrzahl aller Menschen im Staate
steht im Dienste der rein manuellen Berufe."
Deshalb fordert er Hand
arbeitsunterricht, um eine der Hauptgrundlagen für den künftigen Beruf zu
schaffen,
„die frühzeitige Gewöhnung an wohlüberlegte, mustergültige, solide, Ganz in diesen Gedankengängen bewegen sich
ehrliche manuelle Arbeit". meine Ausführungen
in
meinen
„Grundlinien
einer deutsch-idealistischen
Pädagogik" (S. 39 f.): Die Bedeutung der Handarbeit, die, soll sie in ihrer
Anwendung in einzelnen Stunden - wertvoll sein,
auch in besonderem Fach
gepflegt werden muß, liegt zunächst in der Unterstützung der Gehirnarbeit. Es gibt in Wirklichkeit keine absolute Trennung von Kopf- und Handarbeit,
sie tragen und ergänzen sich gegenseitig.
Wer Handarbeit gelernt hat, wird
auch den Adel der Handwerkerberufe erkennen und anerkennen, so wird durch die Handarbeit eine Überbrückung des Gegensatzes von Kopf- und Hand arbeitern
angebahnt.
Schließlich wird der Handarbeitsunterricht auch bei
der Berufswahl wesentliche Dienste leisten. statt läßt den
Erst der Unterricht in der Werk
„ganzen" Menschen erkennen, läßt Fähigkeiten erkennen, die
sonst verborgen geblieben wären.
Demnach führt auch die manuelle Tätigkeir
zu Werterlebnis und Wertverwirklichung, besonders auf ethischem und ästhe
tischem Gebiete. So umfaßt bisher
die Arbeitsschule die Arbeit an der Ausbildung
dreier Bewußtfeinsfunktionen, der logischen, der ethischen und der ästhetischen. Doch wird sie auch die vierte Bewußtseinsfunktion, die religiöse, mehr und mehr in den Kreis ihrer Interessen und Aufgaben hineinziehen müffen.
Die
Erkenntnis, daß Religiosität bzw. Religion eine selbständige Bewußtseins funktion bzw. einen besonderen Wert bedeuten, fordert das gebieterisch.
So
fragen wir abschließend: Wie ist in der Arbeitsschule die religöse Er
ziehung zu handhaben?
Abzuweisen ist die Verschiebung der religiösen
Bildung auf eine spätere Zeit,
wie es Rousseau wollte.
Durch diese Ver
tagung der religiösen Erziehung müßte die Universalität der Bildung Schaden
leiden.
Die Kulturschule fordert gebieterisch auf allen Stufen die Pflege
des religiösen Lebens.
Abzulehnen
ist aber ebensosehr und ebenso nach
drücklich die dogmatisch-kirchliche Erziehung, welche
die Religion als eine
alles übertönende Autorität hinstellt und zur Annahme und Bejahung einer bestimmten Kirchenlehre nötigen will.
Solch Religionsunterricht schlägt dem
Geiste der Arbeitsschule ins Gesicht.
Dem Religionsunterricht füllt zunächst die Aufgabe zu, religiöses Leben anschaulich darzustellen, um dann von da zu begrifflichen Erkennt-
45
nissen fortzuschreiten (vgl. die Analogie zu allem anderen Erkenntnisgewinn). Die klassischen Zeugnisse des alten und neuen Testaments sowie die religiösen
Virtuosen aus der Kirchengeschichte sind der Jugend nahezubringen,
daß an
der Anschauung religiösen Lebens sich religiöses Leben entzünde und nähre.
Das ist möglich und natürlich,
denn Geist wirkt anregend und weckend auf
der objektive Geist auf den subjektiven Geist.
Geist,
Religionsunterricht
fort
zur Begriffserkenntnis.
In
sollen die großen Entwicklungen und Zusammenhänge
Langsam schreitet, der der Kirchengcschichte
erkannt werden,
das
Wesen und der Wahrheitsgehalt der Religion und besonders der christlichen Religion sollen — auf der Oberstufe höherer Schulen — zum Gegenstand
Religiosität und Religion müssen als be
des Nachdenkens gemacht werdenx).
sondere physische Funktion und als besonderes Wertgebiet erkannt werden. Das Prinzip der Arbeitschnle fordert aber Aktivität, Handeln.
den Unterricht muß die Übung und zu rechter Stunde
Weise
gegenwärtig. Gewicht
für sich.
treten.
Andacht und Gebet,
Neben
in rechter
geübt, halten dem Menschen das Göttliche
Auf die Ausgestaltung der Schulandachten ist daher großes
zu legen.
Die Erörterung dieser Frage erfordert einen Aufsatz
Die Gefahr durch Einförmigkeit zu ermüden und dadurch gegen
den religiösen Wert abzustumpfen ist hier ganz besonders groß.
Es dürfte
sich empfehlen, in jeder Andacht eine kurze Betrachtung von 3—5 Minuten über
religiöse
irgendeine
Gotteshilfe)
oder
Frage
vorzulesen.
vorzutragen
Wenn
mehrere
in Beziehung und Zusammenhang stehen (durch
(vgl.
z.
B.
Andachten
Naumanns untereinander
ein in ihnen behandeltes
religiöses Problem), so wird das gewiß der Weckung des Interesses dienen.
Auch besondere Gelegenheiten sollten niemals vorübergehen, um das Zeitliche
in das Licht des Ewigen zu stellen.
Jedenfalls muß die Arbeitsschule ihrem
Prinzip getreu der Jugend Teilnahme am religiösen Leben gewähren.
So fordert das Prinzip der Arbeitsschule lebendige,' aktive Teilnahme
am geistigen Leben tionen.
und selbständige Betätigung aller vier Bewußtseinsfunk
Erst in solcher Schule der Tätigkeit haben wir wirk
lich eine Kulturschule.
bedarf sation.
es noch
Damit diese aber ihrem Begriff voll entspreche,
emes Momentes, nämlich
der Einheitlichkeit ihrer Organi
Dabei kann der Begriff der Einheitlichkeit im Sinne einer mehr
mechanischen äußeren Einheit verstanden werden, wie dies bei den Anhängern
der „Einheitsschule" der Fall ist, und mehr im Sinne einer inneren organischen geistigen Einheit, für die sich die Anhänger der „Schuleinheit" einsetzen. x) Vgl. meinen Aufsatz Religionsunterricht in Oberprima.
der höheren Schulen, 29. Jahrgang, 1917.
Zeitschrist f. d. Reform
46
Das Problem der Einheitsschule ^). Die Idee der Kulturschule fordert eine einheitliche Organisation
des gesamten Schulwesens, dergestalt, daß der nationale Geist als eigentüm liche Prägung humaner Gesinnung die Grundlage für die gesamte Bildung aller Staatsbürger bildet. „Über die kirchlichen und gesellschaftlichen Gegen sätze hinaus ist es die Schule, in deren Organisation sich der Nationalstaat als sittliche Einheit erfaßt."
„Der Staat muß um seiner geistigen Einheit
willen alle Arten von Grundbildungsschulen — die Volksschulen,
die mitt
leren und höheren Schulen — zu einem von demselben Gesittungsprinzip geleiteten Ganzen verbinden" (F. I. Schmidt).
Aus diesen Gedanken heraus.
ist zumal in der Gegenwart die Forderung der nationalen Einheitsschule
(besonders in den Kreisen der Volksschullehrer) oder die Forderung einer
in Oberlehrerkreisen)
organischen Schuleinheit (besonders
entstanden.
Die
vorliegende Arbeit will, ausgehend von einer kritischen Stellungnahme zur
Einheitsschule, die Ausgestaltung der Schuleinheit fordern, die das gegen
wärtige
„vielgestaltige Schulaggregat"
in
organismus " (F. I. Schmidt) verwandelt.
bei
Durchführung, der
einen
„wohlgegliederten Schul
Solche Schuleinheit wird
Arbeitsschulidee
den
Begriff
der
Kulturschule zur Vollendung bringen. Der Ausdruck „Einheitsschule"
bezeichnet ein einheitliches Schul
system, das mit einer für alle Kinder gemeinsamen Grundschule beginnt,
die sich dann nach der Begabung der Kinder differenziert, in ver schiedene Schulzweige gabelt.
Dadurch soll allen die Möglichkeit gegeben
werden, bei entsprechender Begabung das höchste Bildungsziel zu erreichen.
„Einheit
der Grundlage
für eine in der Einheitsschule selbst schon be
ginnende, weiter hinauf sich stetig fortsetzende Differenzierung, und zwar
gleichermaßen nach feiten des Intellektes und des Willens" (Natorp).
„Wir
verstehen unter der Einheitsschule das gesamte Gebiet des öffentlichen Unter
richts vom Kindergarten bis zur Hochschule mit allen seinen Gliederungen und Verzweigungen auf den verschiedensten Stufen des Unterrichtswesens,
in
eine
lebensvolle Verbindung
aller Teile zu einem Ganzen gebracht"
1) Zu den folgenderr Ausführungen vgl. meine Schriften: Schulreform im Geiste des deutschen Idealismus (Langensalza 1916), Grundlinien einer deutsch-idealistischen
Pädagogik (Langensalza 1916) und meine Aufsätze: Irrtum und Wahrheit in dem
Gedanken der nationalen Einheitsschule (Die Volksschule, Langensalza 1916, Heft 9), Die nationale Einheitsschule (Päd. Studien, Jahrg. 37) und die daran anschließende
Diskussion mit Fritz Müller (im Jahrg. 38), Der Ausbau der höheren Lehranstalten und die Einheitsschule (Päd. Studien, Jahrg. 38). (Deutsch-Evangelisch 1918, Heft 2).
Der Kampf um die Einheitsschule
47
„Die Einheitsschule will Anschluß und Weiterfahrt auf jeder Schul
(Tews).
strecke und Schulstation schaffen" (Tews).
Die Idee schule
„Einheit" wird nun von allen Freunden der Einheits
der
eindeutig
einhellig und
durch
eine gemeinsame Grundschule verwirk
licht gedacht, doch gehen die Meinungen darüber auseinander, ob die Grund schule 4
oder
fordern,
Volksschullehrerkreise
Die
6 Jahre umfassen soll.
soweit ich sehen kann,
im wesentlichen die sechsklassige Grundschule.
Gräfe
hat deshalb in der Pädagogischen Zeitung sehr nachdrücklich eine Anpassung der
höheren
die Grundschule
an
Schule
Fremdsprachen!) *).
Allerdings
gefordert
hat Schulrat Beetz,
(später Anfang
der
der Herausgeber
der
Pädagogischen Warte, ebenso nachdrücklich sich gegen die sechsklassige Grund
schule gewandt.
In den einheitsschulfreundlichen Philologenkreisen wird wohl d. h. Abschaffung
wesentlich an die vierklassige Grundschule,
der Vorschule,
gedacht, unter Forderung starker Differenzierung bereits in der Grundschule.
Die Idee der „Differenzierung", sowohl der sukzessiven als der simul finde ich
tanen,
bei den Anhängern der Einheitsschule nicht recht klar und Die simultane Differenzierung wird etwa nach Art des
eindeutig bestimmt.
Mannheimer mungen
gewünscht, doch
Schulsystems
keine klaren
finde ich
Bestim
Den Vor
über Zeit und Prinzipien dieser Differenzierung.
schlag, besondere Förderklassen zur Vorbereitung auf die Sexta einzurichten, dem ich bei Aufhebung der Vorschulen zustimmen würde, hat Pretzel in der
Deutschen Schule abgewiesen:
„Eine allgemeine Notwendigkeit von Sonder
klassen zur Vorbereitung für den Eintritt in die unterste Klasse einer
höheren Lehranstalt kann auf keinen Fall zugegeben werden. richtiges Kuckucksei, Nest legen
als
das
wollen.
Solche Sonderklassen würden nichts anderes bedeuten, der Vorschule in die Volksschule."
die Verlegung
stimmigkeit herrscht über die sukzessive Differenzierung. drei Stufen:
schließend
I.
Das ist ein
den Freunden der Einheitsschule die Gegner ins
6.—12.
eine „Werkschule"
13.—15. Lebensjahr. will eine Gabelung
Lebensjahr Grundschule
für nicht Steigende.
Noch weniger Ein Tews befürwortet
für alle Kinder,
III. Oberschule für das 16.—18. Lebensjahr.
der Grundschule
an
II. Mittelschule für das
(nach 6 Jahren)
Natorp
in Gymnasium zur
Vorbereitung auf gelehrte Berufe und Gewerbeschule, die alle für gewerbliche Berufe Bestimmten zu besuchen hätten.
Der Gedanke der Einheitsschule mit gemeinsamer Grundschule ist nicht neu,
ebensowenig
seine
Bestreitung.
schule, die der Volksschule anstalt"
nehmen
und
„das
verhindern
Comenius
erstrebte
die
Einheits
Gepräge einer Armen- und Proletarier
sollte,
daß
durch
die Verschiedenheit der
r) Vgl. meine Auseinandersetzung mit Gräfe in den Pädagogischen Studien, 38. Jahr gang, S. 209—212.
48 Bildungsanfänge eine Kluft zwischen die Glieder und Stände eines Volkes gerissen würdex).
dasselbe
Ein Jahrhundert später vertrat der Neuhumauist Geßner
wollte die Nationalerziehung durch
Auch Fichte
Ideal.
gemein
samen Unterricht und gemeinsame Erziehung aller deutschen Kinder verwirk
lichen.
Herbart freilich forderte besondere Vorschulen.
Da seine Betrach
tungen m. E. noch heute gelten, seien seine eigenen Worte genannt:
„Aus
drücklich protestieren muß ich gegen die ganz verkehrte Ansicht, als seien die
Bürgerschulen ähnlich den unteren und mittleren Klassen der Gymnasien, die Elementarschulen vergleichbar den untersten Klassen derselben.
muß aus zwei Gründen äußerst verderblich werden.
nur die Gymnasien Zweitens,
ohne
Schulen wären,
ganze
die andern aber Bruchstücke.
weil dann die ganze Anlage des Unterrichts auf allen Schulen
Ausnahme
verkehrt ausfallen würde.
mit seinen alten Sprachen notwendig
gegründete Fertigkeiten ganz kommt,
Dieser Irrtum
Erstlich, weil alsdann
Denn das Gymnasium muß
früh anfangen, weil nur frühzeitig
geläufig werden, und weil alles darauf an
daß kein Gymnasiast auf halbem Wege stehen bleibe.
Also
fällt
hier das Beginnen der alten Sprachen noch mit den Übungen der Ortho
graphie in der Muttersprache und selbst mit denen im richtig akzentuierten
und mit den ersten grammatischen Elementen derselben zusammen.
Lesen
Folglich
ist vom ersten Anfänge an der Gymnasiast anders beschäftigt als
der Elementarschüler.
Auch kann sich das Gymnasium von keiner Elementar
schule eine irgend bedeutende Vorarbeit versprechen, allerersten Anfängen
des Lesens
und
Schreibens.
es wäre denn in den
Und
selbst in dieser
Hinsicht sollte sich das Gymnasium seine eigene Elementarklasse halten,
um
sicher zu sein, daß nicht in den Anfängen durch die fehlerhafte Behandlung etwas verdorben würde,
und weil manche feineren Rücksichten auf den zu
künftigen Unterricht dabei genommen
der Elementarschule denkt.
werden können,
an die kein Lehrer
Andererseits muß die Hauptschule2) frühzeitig an
die Naturwissenschaften gehen, zu denen das Gymnasium und die Elementar
schule,
beide
aus verschiedenen
Anschauungsübungen und
Gründen,
weniger Zeit haben.
Auch
die
die Anfänge des Rechnens müssen in der Haupt
schule gleich anfangs mit großem Ernst betrieben werden,
well sonst die
schwerste ihrer Wissenschaften, die Mathematik, nicht in der kurzen Studien
zeit bis zum
16. oder 17. Jahre soweit geführt und so geläufig in ihren
x) Mit diesen Gedanken operieren noch heute die Einheitsschulfreunde, obwohl sich doch seit Comenius das Wesen und die Lage der Volksschule gründlich geändert hat. 2) Herbart verlangte aus Gründen der geistigen Ökonomie neben den Gymnasien und Volksschulen die Einrichtung von Hauptschulen — etwa unsere Mittelschulen —
die ohne stemde Sprachen, besonders ohne alte Sprachen, über die Bildung der Volks schule hinausführten.
49
Anwendungen gemacht werden könnte, als es durchaus nötig ist, wenn nicht algebraische Formeln und logarithmische Tafeln für den abgehenden Schüler noch tote Buchstaben und Zahlen bleiben sollen.
Die Elementarschule ihrer
seits darf das Lesen- und Schreibenlernen gar nicht so schnell treiben,
sie
müßte,
Denn
wie
wenn sie jener anderen Schule die Lehrlinge zubereiten sollte.
je weniger Mittel zur eigentlichen Geistesbildung sie hat,
desto spar
samer muß sie damit umgehen." Zweierlei verspricht man sich nun von der gemeinsamen Grundschule: soll dem Talent
Sie
„freie Bahn" schaffen,
verneinen zu müssen.
das
und sie soll sozial versöhnend
Es gilt zu prüfen, ob dies wirklich der Fall sein wird.
wirken.
vom geistigen Leben
zeugungen
höheren Schule und
Ich glaube
Zu dieser Ansicht bestimmen mich andere Über der Schulanfänger, von den Aufgaben der
andere sozialpolitische Überzeugungen als die der Ein
heitsschulfreunde.
Die Kinder der einfachen und geistigen Lebens
ihres
der besseren Stände sind in Hinsicht
außerordentlich
verschieden.
Zunächst wirkt die
Macht der Vererbung, dazu kommt der Einfluß des Elternhauses vor und während
Kreise
Ist nun anzunehmen,
der Schulzeit.
in
erziehlicher Hinsicht,
daß
die
Kinder besserer
d. h. in ethischer und ästhetischer Beziehung
einen stark „läuternden", emporhebenden Einfluß ausüben können und werden? Gelegentlich mag das vorkommen, in den weitaus meisten Fällen aber eher das Gegenteil,
nämlich, daß die größere Masse derer, die der rückständigen
Bildungsschicht angehören, die Besseren auf das niedrigere Niveau herabzieht.
Die Gefahr des Herabziehens ist doch wohl ebenso groß wie die Möglich keit des Heraufziehens, die Neigung des Menschen aber größer sich herab ziehen als sich Heraufziehen zu lassen.
„Wie in
Sehr richtig hat daher Ries bemerkt:
verschwindender Minderheit befindliche, geistig noch unselbständige
Kinder von
6—9
oder auch
von
11 und 12 Jahren,
die durch strenge
Schulzucht notwendig mit den übrigen Kindern auf dem Fuße der Gleich
heit gehalten nicht aber
werden müssen,
den Ton angeben,
die übrigen emporheben,
ihrerseits herabgezogen werden sollen, ist mir stets verborgen
geblieben." — Schwerwiegender und entscheidender ist nun aber m. E. noch die
Verschiedenheit in intellektueller Hinsicht. und unten,
Herzensbildung gibt es oben
aber die intellektuelle Bildung ist in den besseren Kreisen
wesentlich besser, das wirkt natürlich — durch Vererbung und Umgang —
auf
die Kinder dieser Stände.
Apperzeptionsfähigkeit,
Die Klarheit des Gedankenkreises und die
die Sprache und
Kindern wesentlich besser.
die formale Kraft sind bei diesen
Rein gesteht das selber zu, stellt aber die sozial
politischen Gründe über die pädagogisch-didaktischen und fordert deshalb die
Einheitsschule.
Hartnacke urteilt ebenfalls so:
Kesseler, Weltbürgerliche und staatsbürgerliche Bildung.
„Je reicher oder besser, je 4
50 günstiger bei sonst gleichen formalen Jntelligenzeigenschaften
die materiale
Seite der Intelligenz bedient wird, desto besser vermag sich die Intelligenz zu entwickeln.
Ein Kind, das zu Hause nur von den nächsten, alltäglichsten
Dingen der kleinen Welt sprechen hört,
entwickelt sich zweifellos anders,
als eins, das schon früh von den mannigfaltigen Beziehungen berührt wird,
die die bessere soziale Lage einmal mit sich bringt. . . . Die reichere und bewegtere Umwelt setzt die geistigen Kräfte mehr in Bewegung und Übung,
gibt zu Fragen Anlaß, auf die ein Kind in günstigerer Lage im allgemeinen befriedigendere und bessere Antworten
bekommt.
Auf die neue Erkenntnis
folgen neue Fragen, kurz, der gesamte Jntelligenzkomplex, Seite,
auch die formale
gedeiht in günstigerer sozialer Umwelt zweifellos anders als in ge
Schließlich
ringerer sozialer Lage."
sei Meumann erwähnt, der als
Ergebnis seiner Jntelligenzprüfungen feststellt,
das
„daß die internationale Prü
fung der Normalbegabung mit den Binet-Simon-Tests eine absolute intellek
tuelle Abhängigkeit des
von der sozialen Lage der Eltern zeige."
Kindes
„Was sich sicher aus den Tests ergibt, ist nur dies, daß die Entwicklung der
Kinder der ärmeren Stände eine verlangsamtere ist im Vergleich zu der der Wie angesichts solcher Zeugen, deren Aufstellungen
besser gestellten Eltern."
freilich auf heftigen Widerspruch gestoßen,
m. E. aber noch nicht widerlegt
sind, Fritz Müller (in der Leipziger Lehrerzeitung mich und
Weller)
die Behauptung
von
in einem Angriff gegen
der intellektuellen Rückständigkeit
der Kinder einfacherer Kreise „ungeheuerlich erscheinend" nennen kann, bleibt mir unverständlich.,
Richtiger ist es da doch wie Tews zuzugeben:
gut begabte und
gleich
gleich
kulturarmen Arbeiterhause,
willcnskräftige
das
Kinder,
das eine
in
„Zwei einem
andere in einem kulturreichen Bürgerhause,
oder das eine unter den Augen gebildeter, an Wissenschaft, Kunst, Religion,
am
öffentlichen Leben teilnehmender oder trotz ärmlicher äußerer Verhält
nisse
mit
besonderen Vorzügen
Eltern aufwachsend, oder armen,
sie
das
ausgeliefert,
gleiche Kräfte haben,
des Geistes
andere herz- und
wer sich
und
Gemütes ausgestatteter
gemütlosen Erziehern,
reichen
erwartet wohl, daß beide Kinder, trotzdem schnell und gleich stark entwickeln und
gleich
den Schulunterricht gleich erfolgreich ausnützen werden."
Freilich
soll man nun
aus dieser Erkenntnis auch die richtige Folge
rung ziehen, und ihr nicht wie Rein, Tews, übrigens auch Meumann, aus weichen und soll folgerichtigerweise
die gemeinsame Grundschule
ablehnen.
Der Unterricht der Kinder aus einfacheren Kreisen muß langsamer vor
gehen.
Tut er das — im Interesse der Kinder besserer Häuser — nicht,
dann entfremdet er die Volksschule ihrer eigentlichen hohen Aufgabe V o l k s -
bildung zu vermitteln, tut er es
aber,
Häuser überflüssig lange aufgehalten.
dann werden
die Kinder besserer
51
Eine zweite Gruppe von Gründen gegen die gemeinsame Grundschule ergibt
sich
aus den Aufgaben und Zielen der höheren
m. E.
Schule, zu der ja die gemeinsame Grundschule vorbereiten würde.
Daß
die Einheitsschule die höhere Schule nicht unangetastet läßt, besonders bei
sechsklassiger Grundschule, ist von den Einheitsschulfreunden immer klarer Ihre Reformforderungen an die höhere Schule fassen sich
erkannt worden.
daher in zwei Grundforderungen zusammen:
1. Beseitigung der formalen
Elementarbildung zu gunsten einer sachlich-anschaulichen,
des
fremdsprachlichen
Unterrichts.
hängen
Innerlich
2. später Beginn
diese
Forderungen
übrigens wieder zusammen, denn Sprachunterricht fordert formale Schulung.
„Die Grundlage aller höheren Bildung ist das Wissen
Tews sagt:
von Natur und Heimat, der Geschichte des eigenen Volkes, der Religion, die im Volke lebt und in den religiösen Urkunden aufbewahrt ist,
zum Entfernten und
also
der vom Nächsten und Einfachsten ausgeht und
gründlicher Sachunterricht,
Schwierigeren fortschreitet.
Dagegen ist eine höhere
Bildung nicht aufzubauen auf Wortformen und Wortverbindungen.
Das
heißt ein Gebäude auf Sand errichten oder ein schweres Denkmal auf einen tönernen Sockel setzen.
Es kann gar keinem Zweifel unterliegen,
daß der höhere Unterricht auf einer Grundlage, eine
gute Volksschule
wie sie
sich weitaus sicherer
heute bietet,
aufbaut und weit mehr Lernfreudigkeit und Lernfähigkeit
übernimmt,
als
der
jetzige
Vorschulunterricht
und
der
Unterricht in den unteren Gymnasialklassen mit seinen ver frühten und ausgedehnten Übungen im Deklinieren, Kon jugieren und Konstruieren in der Muttersprache und einer fremden (toten)
Sprache hervorrufen
Anschauung ist abzulehnen.
heitsschulfrage.
kann"*).
Gerade diese
Hier liegt m. E. der Springpunkt der Ein
Die Vorschule kann den Sachunterricht einschränken, weil (bis zum
18. Lebensjahr) auf die Gegenstände
immer erneut zurückgegriffen wird.
Die Vorschule muß andererseits das
in den späteren Klassen
— von Tews befehdete — formale Element zu besonderer Geltung bringen, weil die — durch Sprache und Rechnen — zu erzielende formale Bildung die Grundlage aller höheren Bildung, d. h. der Bildung zu den intellek
tuellen Berufen, ist.
Auf das Konjugieren und Deklinieren und Konstruieren
kann keine höhere Schule verzichten, denn sie bilden den einzigen Weg zum
„Sitzen"
der Sprache.
Leben in der Sprache. späteren Leben
Lockere
grammatische
Kenntnisse
erschweren das
Damit hängt übrigens auch zusammen, daß im
gelernte Sprachen
nicht
so
ureigener Besitz des Geistes
l) Von mir gesperrt.
4* ‘
52
werden.
Eine Sprache praktisch — ä la Berlitz School — beherrschen und
im Geist einer Sprache leben, ist durchaus zweierlei.
Gegen die sechsklassige
Grundschule ist ferner zu bedenken, daß wir mit dem Sprachunterricht früh beginnen müssen, um die letzten Ziele für ihn weit genug stecken zu können.
Besondere Kurse in Latein und müßten auf den
Französisch aber,
gesamten Lehrplan und
Fächern (Grammatik im Deutschen!)
samen Unterricht sprengen.
an die Rein bcntt1),
auf den Unterricht in allen
zurückwirken und würden den gemein
Fingen wir aber erst in Quarta mit der ersten
müßte das die Ziele in allen Fremdsprachen drücken.
Fremdsprache an, so
Der frühe Sprachunterricht ist ein wesentlicher Bestandteil
der höheren Bildung. — Übrigens begehen
oft
die Einheitsschulfreunde
(nicht immer!) den Fehler zu glauben, höhere Schulbildung sei Volks
So sagt z. B. Tews:
schulbildung plus fremdsprachlichem Können.
begabten
(dem
Volksschüler
sprachliche Bildung,
von
14
die unsere höheren Schulen bis zu
Das ist grundfalsch.
mitteln."
Volksschüler
„Ihm
Jahren) fehlt nur2)(!) die fremd
dieser Stufe ver
Dem begabten, selbst dem begabtesten
fehlt die durch Jahre hindurch vom Gymnasiasten gewonnene
abstrakt-formale Bildung, was sich
in der ganzen
Art zu denken und zu
arbeiten äußert. — Daß aber die gemeinsame Grundschule nicht die ideale
Vorbildung für die höhere Schule geben kann,
hat Theobald Ziegler, selbst
ein Befürworter der Einheitsschule,
Er urteilte aus seinen Er
bezeugt.
fahrungen in der Schweiz, die die gemeinsame Grundschule hat: „Weil den
Jungen
in
den letzten zwei Jahren vor ihrem Eintritt ins Gynmasium
nichts Ernstliches mehr zugemutet worden war,
so waren gerade die Auf
sie nahmen es
gewecktesten unter ihnen flüchtig und oberflächlich geworden,
leicht mit der Arbeit und waren nur schwer an den Ernst des Lateinisch
lernens zu gewöhnen."
Sollte aber die Volksschule wirklich die Vorbereitung
für das Gymnasium übernehmen, so würde sie ihrer eigentlichen hohen Auf
gabe entfremdet, die große Menge der Kinder des Volkes für das praktische Leben zu erziehen.
Eine dritte Gruppe von Gründen gegen die Einheitsschule ergibt sich
aus sozialpolitischen machen,
sondern sich
Erwägungen.
Die Schule kann nicht soziale Zustände
ihnen nur anpassen.
äußerten Überzeugungen,
Rein gibt z. B.
daß die Verschiedenheit der
die oben ge
Schulanfänger ver
schiedene psychologisch-didaktische Maßnahmen erfordere, zu,
aber er ordnet
dem psychologisch-didaktischen Gesichtspunkt den sozialen Gesichtspunkt über. Das
ist unter allen Umständen abzulehnen.
An den versöhnenden Einfluß
x) Vgl. mein Buch Pädagogische Charakterköpse, eine Beleuchtung der Gegen wartspädagogik (Frankfurt a. M. 1916), Kapitel: Wilhelm Rein. 2) Von mir gesperrt.
53 der Volksschule bzw. den verbitternden Einfluß der Vorschule glaube ich nicht, solange sie nicht in den Dienst politischer Parteipropaganda gestellt
kann
Versöhnen
wird.
die gemeinsame Grundschule schon deshalb nicht,
weil die Kinder zwischen 6 und 12 Jahren zu jung sind, um bleibende soziale Eindrücke zu empfangen, wohl aber verbittert die s p ä t e r e Trennung,
sich
wenn
diese
Elternhauses
dann
unter Vor
vollzieht.
dem
nicht
Einfluß
auszuschaltenden
des
allem aber bin ich der Meinung, daß die
rasche Förderung des Mittelmaßes weder sozial gesund noch sozial ge
Gewiß, die ausgesprochen gut Begabten sollen rasch steigen.
recht ist.
Aber das gesunde breite Mittelmaß, daß sich schließlich „auch" an höherer Stelle zurechtfindet, soll entsprechend den allgemeinen Lebensgesetzen lang sam, in 2—3 Generationen steigen, das Mittelmaß aus „besseren" Kreisen,
das zunächst allerhand Traditionswerte für sich hat, soll langsam sinken. Hier muß das soziale Wohl dem individuellen Glück
vorangehen.
Sehr
richtige Worte hat hierzu der auf dem Felde der Ehre gefallene Richard
Kabisch
geschrieben:
„Allmählich wird alles in Gottes Natur.
Millionen
von Jahren braucht es, ehe ein Lebewesen emporsteigt zu höherer Artform.
Schmeichelnd bauen die Wellen Berge und tragen sie ab in die Täler. Wohl bricht einmal ein Wellenfluß aus der Urtiefe hervor und leuchtet zum Staunen der Erde auf höchsten Gipfeln.
Aber solch seltener Fall ver
deutlicht nur das sonst gewohnte stillwebende Leben. Beständigkeit im Werden, stilles sanftes Sausen.
Ruhe in der Bewegung,
Und so
So wirkt Gott.
ist es auch für die Menschengesellschaft die allein segenhafte Gestaltung ihres
inneren Lebens, daß ein sanftes Auf- und Abwogen sich bildet, ein Empor steigen aus der Tiefe, Bildung, Befestigung, Blühen neuer Geschlechter und
Absterben der alten. standen, aber es
Da sinkt dann vielleicht in die Tiefe, was hoch ge
dauert lange, ehe der Berg ein Tal wird."
Daß aber
die Durchführung der gemeinsamen Grundschule entgegen diesem Lebensgesetz
ein Stürmen und Drängen nach Münchens. rung
oben hervorruft,
beweist das Beispiel
Kerschensteiner, ein Einheitsschulfreund, klagte:
„Die Entvölke
unserer oberen Klassen ist geradezu eine krankhafte Erscheinung, in
unserem Volksschulwesen."
Diese Beförderung des Sturmes nach oben ist
auch nicht sozial gerecht.
Da bleiben viele auf dem Wege liegen,
bescheideneren Kreise glücklich geworden wären.
die im
Dazu kommt die Geldfrage.
Ist die Schulbildung selbst unentgeltlich, dann bleibt die Frage nach den Mitteln
für die weitere Ausbildung.
ökonomische Grenzen.
Alle Stipendienwirtschaft hat aber
Dazu kommt, daß es weder pädagogisch noch sozial
wäre, dem Mittelmaß die Aufgabe und Sorge abzunehmen,
sich selbständig
im Leben durchzuringen. Nach alledem ist m. E. die Einheitsschule abzulehnen.
Doch enthält
54 der Einheitsschulgedanke zwei Wahrheitsmomente, die es durchzuführen und zum Siege zu führen gilt.
Sie fassen sich in den Begriffen der organi
schen Schulheit und der höheren Einheitsschule zusammen.
Beide Begriffe gründen in der Erkenntnis, daß Erziehung zur Kultur nur durch ein im Geiste wahrer Kultur gründendes und demgemäß einheit
lich organisiertes Schulwesen möglich ist, und daß es die Aufgabe solches Schulwesens ist,
jeden an den seiner Art und Begabung entsprechenden
Platz zu führen.
Das ist aber nur durchzuführen, wenn alle Erziehung
im deutschen Geiste gründet und zum deutschen Geiste führt, d. h. zum Wert erlebnis
und
zum Verlangen
nach Wertverwirklichung.
Es dürfte aber
Ferdinand Jakob Schmidt im Recht sein, wenn er klagt und beklagt, daß wir solche organische Schuleinheit noch nicht haben:
vielgestaltiges
organismus."
aber
Schulaggregat,
noch
keinen
„Wir haben wohl ein
wohlgegliederten
Schul
Ebenso ist er im Recht, wenn er wünscht und fordert: „Der
Staat muß um seiner geistigen Einheit willen alle Arten von Grundbildungs schulen — die Volksschulen, die mittleren und höheren Schulen — zu einem
von demselben Gesittungsprinzip geleiteten Ganzen verbinden." anderer Stelle sagt Schmidt:
Oder an
„Danach steht ... das eine unbedingt fest,
daß alle die besonderen Schulsysteme nicht mehr wie bisher nur äußerlich
miteinander verknüpft werden dürfen, sondern daß sie durch eine zentrale Bildungsidee zu einem organischen Ganzen vereinigt werden müssen.
Aus
dem bloßen Schulaggregat muß ein Schulorganismus werden." Die Durchführung dieser Gedanken hängt an zweierlei: An der nach drücklichen Berücksichtigung des deutschen Geisteslebens im Lehrplan und an der Schaffung von Übergangsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen
Schulgattungen und an der Einrichtung von höheren Aufbauschulen, die gute Volksschüler in 6 Jahren von der Volksschulreife zum Abiturienten
examen führen. Es wird jene erste Forderung aber bedeuten, daß der Horizont des
Deutsch- und Geschichtsunterrichts in der Volksschule wesentlich zu erweitern ist.
Der Deutschunterricht
ist nicht auf das Lesebuch,
sondern auf die
lebendige Sprache zu gründen, in den oberen Volksschulklassen sind größere Dichtungen und belehrende Darstellungen zu lesen.
Der Geschichtsunterricht
wird neben politischer Geschichte Staatsbürgerkunde sowie Kultur- und Welt geschichte zu pflegen haben.
Auch auf dem Gebiete des Volksschulgeschichts
unterrichtes gilt Paul Ostwalds oft erhobene Forderung, daß der historische Horizont weiter als bisher zu ziehen ist.
Für die höhere Schule ist eben
falls eine wesentliche Erweiterung und Vertiefung des Deutschunterrichts zu
fordern, wie das Lenschau in seinem Buche Deutschunterricht als Kulturkunde
getan hat; dazu kommt die Forderung nach obligatorischem Unterricht
55 Der Deutschunterricht sollte tief hinein
in der philosophischen Propädeutik.
führen in den idealen Geist, in das Leben der Sprache, in ihre Geschichte.
lekte und
auch in ihre Dia
Dazu gehört umfassender Unterricht im
Mittelhochdeutschen, mit einem Zurückgreifen auf die Elemente des Gotischen
und Althochdeutschen.
Der literaturkundliche Unterricht soll in umfassen
der Weise in die deutsche Literatur und Kultur einführen.
bis zur Gegenwart
Um diesen Ansprüchen zu genügen, wird der Deutschunterricht nur Hier gelten Alfred Bieses Worte:
in die bewährtesten Hände zu legen sein.
„Es müßte der Deutschlehrer in erster Linie ein überragender Charakter sein, der läuternd und leitend, erhebend und erwärmend auf Kopf und Herz und Willen der Jugend einzuwirken vermag."
muß der deutsche eine persönliche
„Wenn irgendein Unterricht, so des Gefühls und
Note
tragen, muß von Geist auf Geist wirken."
schule und Gymnasiunl wird
eine geistige Verbindung,
In den höheren Schulen
einheit herstellen.
philosophische Propädeutik zu pflegen, Stützen gründe
für den Kampf
um
denn
eine geistige Schul
ist von Obersekunda an die
wir müssen der reifen Jugend
die Weltanschauung gebens.
Im
Vorder
der deutsche Idealismus stehen,
soll auch hier wie im Deutschen
um Verständnis
des Charakters
Solch Deutschunterricht in Volks
für das deutsche Wesen und Begeisterung für dasselbe zu
wecken.
deutschen Schulwesens
Zu der geistigen Einheit des organisatorische Einheit treten,
denn
alles
äußeren Darstellung und verlangt organisatorische Gestaltung. schüler müßten nach
aber muß eine
innerlich Lebendige drängt zur
Begabte Volks
(zuletzt in einer besonderen Förder
drei Schuljahren
klasse unterrichtet) ohne weiteres in die Sexta eintreten können oder zunächst
auf die Mittelschule überspringen,
um von dort nach 5 Jahren (zuletzt in
einer Förderklasse unterrichtet) in
die Untersekunda einer höheren Schule
überzutreten.
In der Stadt Kiel ist dieses System bereits durchgesührt.
Schließlich müßte guten Volksschülern mit abgeschlossener Volksschulbildung eine „Aufbau" schule,
durch
schließt,
die an
Gelegenheit gegeben werden,
Schule zu erreichen.
oberste Klasse der Volksschule an
die
5 Jahren das Ziel einer höheren
in
Eine höhere Schule ohne jede fremdsprachliche Bildung
die auch gefordert worden ist, scheint mir freilich undurchführbar.
Der so zu
treffenden Einrichtung
eine Erschwerung
zur Förderung der Talente müßte
der Anforderungen
der höheren Schule entsprechen,
durch welche die wenig Begabten von der höheren Schule abgedrängt werden. *) Vgl. meinen Aussatz Die Notwendigkeit und die Aufgaben des philosophischen Unterrichts in den höheren Schulen. Zeitschr. f. d. Reform der höheren Schulen, 28. Jahrg. 1916. In den Höheren Mädchenschulen wird demnächst ebenfalls ein Aufsatz darüber von mir erscheinen.
56
Entscheidend hierfür wäre die nachdrücklichste Forderung der Vorgesetzten Behörde, nur voll genügende Schüler für reif zu erklären und das Prä dikat
„genügend"
überall
Leistungen vorliegen.
dort
zu
versagen,
wo
„schwach"
genügende
Eine sog. 3—4x) dürfte unter keinen Um
ständen als Versetzungszensur zählen.
Selbstverständlich kommt
von dieser Maßnahme nicht alles Heil, aber sie würde uns ein wesent liches Stück vorwärts bringen.
Eine weitere Notwendigkeit ist die Befreiung der höheren Schule vom
Sofern dieses nicht überhaupt in Wegfall kommt, wäre es
„Einjährigen".
der Mittelschule zuzuweisen.
Es ist doch offenbar Tatsache, daß viele Schüler
„nur das Einjährige" wollen und infolgedessen mit einer Torsobildung von
der höheren Schule abgehen.
Es
muß eingesehen werden,
daß
eine abgeschlossene Mittelschulbildung besser ist als eine nicht abgeschlossene höhere Schulbildung. Unser buntscheckiges höheres Schulwesen wäre im Interesse der Ein
heitlichkeit der Bildung zu vereinfachen, denn: ist eins der festesten Bande
Dreiteilung
unseres
„die gleiche Jugendbildung
der Kulturgemeinschaft" (Hornemann).
höheren Schulwesens
war
Die
eine notwendige Er
scheinung, aber es wird doch zu erstreben sein, einen Hauptweg auszubilde«,
der Raum läßt für Differenzierungen, diese Differenzierungen sollten aber erst in den mittleren und oberen Klassen eintreten.
„Diese Scheidung müßte
schließlich die leitenden Kreise innerlich auseinandersühren und die geistige
Einheit
der
Nation
schwer schädigen, was gerade bei der weitgehenden
Teilung der Arbeit in der Gegenwart höchst bedenklich ist.
Bei Schärfung
des Sinnes für das Wesentliche müßte es erreichbar sein, einen einzigen Hauptweg auszubilden,
auf ihm aber die Mannigfaltigkeit der Individuen
und der Interessen anzuerkennen und zu entwickeln" (Rudolf Eucken). Um der Einheitlichkeit der geistigen Grundlagen willen ist — entgegen meinen früheren Äußerungen zur Sache — das System der Reformschulen
zu fordern, d. h. es ist mit Englisch und Französisch zu beginnen, etwa je
5 Stunde», Englisch ab Sexta, Französisch ab Quarta.
In Obertertia
hätte dann die Gabelung in lateinlose Schule und Schule mit Latein (dort 10 Stunden neue Sprachen, hier etwa 5 Stunden neue Sprachen und 5 Latein) zu erfolgen.
Der Anschluß für überspringende Mittelschüler ist in Unter
sekunda dann verhältnismäßig leicht zu erreichen.
In Obersekunda hätten
weitere Gabelungen einzusetzen, indem einzelne Fächer entlastet werden zu
gunsten anderer.
Hier könnte auch wahlfreier Unterricht im Griechischen
(etwa statt Englisch) einsetzen.
Ein Mehr möchte ich dem Griechischen nicht
*) Auch nicht eine 3— und ähnliche schöne Zensuren.
57
zugestehen, ohne an dieser Stelle zu wiederholen, was ich an anderen Stellen gegen das obligatorische Griechisch gesagt habe. Selbstverständlich läßt sich das alles nur auf dem Wege langsamer Umgestaltung durchführen. Die deutsche Schuleinheit würde dann folgendes System darstellen:
Abitur.
V
Wählst. Griechisch u.
Abitur.
*5 S
12.
IV rr L
B N
11. ___e
12.
11.
III
s
10.
G
11
IIP
7.
s
8.
io. to Ende der Volksschule
Ende der Mittelschule
IP»
8.
rr