Weltbürgerliche und staatsbürgerliche Bildung [Reprint 2020 ed.] 9783111720777, 9783111132051


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German Pages 64 [68] Year 1918

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Table of contents :
Nachdruck verboten
Vorwort
Inhalt
Die Methode der pädagogischen Systematik
Weltbürgerliche oder staatsbürgerliche Bildung
Das Problem der Kulturschule
Das Problem der Arbeitsschule
Das Problem der Einheitsschule
Die wissenschaftliche Vertretung der Bildungsideale
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Weltbürgerliche und staatsbürgerliche Bildung [Reprint 2020 ed.]
 9783111720777, 9783111132051

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A. Marcus & E. Webers Verlag in Bonn

Altdeutsch von Ulfila bis Leibnitz Zum Gebrauch für höhere Schulen ausgewählt und erläutert von

Karl Kessel In Seinen gebunden 2.60 Mark.

Stücke der vorliegenden Sammlung sind nicht nach wissenschaftlichen Gesichts-

Punkten ausgewählt, sondern so, daß sie nur nach Inhalt und Form mustergültige Abschnitte darbieten, die ungeheuchelte Freude und Begeisterung für unsere Vorzeit erwecken

und die Schüler zu weiteren Studien anregen sollen. Ausführliche Erläuterungen sind hinzugesügt über die Stellung der einzelnen Stücke und Dichter in der literarischen Entwicklung, Biographisches, Sprachliches und worüber

sonst Lehrer und Schüler Aufklärung wünschen.

Wörter und Formen, deren Sinn aus

der Übersetzung nicht unmittelbar klar ist, sind in einem kleinen Wörterbuch erklärt.

Altdeutsch will in dem gemeinüblichen Sinn verstanden sein, daß damit die deutsche Vorzeit bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts gemeint ist.

Den Schriftstellern der

neudeutschen Zeit vom 16. bis 18. Jahrhundert gönnen ja die deutschen Lesebücher meist

auch schon ein Plätzchen, darum schien es angebracht, aus der Zeit vom 16. Jahrhundert

ab hier wesentlich nur solche Proben darzubieten, die inhaltlich Sprache und Literatur ihres Zeitalters behandeln, wie besonders die letzten Abschnitte aus Opitz, Schupp und Leibnitz.

Besondere Beachtung schien das.Volkslied zu verdienen.

In ihm offenbart sich

eine ost wundervolle Einheit von Wort und Weise; das Volkslied bleibt lebendig nur durch seine Melodie.

Die vorliegende Volksliederabteilung, die, soweit deutsche Lesebücher

in Betracht kommen, wohl den ersten Versuch darstellt, mit dem Texte auch die Weise

zu Wort kommen zu lassen, will den Sinn für die Geschichte des deutschen Volksliedes wecken und schärfen helfen; sie will aber auch dazu beitragen, daß die Volkslieder im

Gesänge weiter getragen werden.

Bei der Wahl von Text und Melodie wurde möglichst

auf die ältesten Lesarten zurückgegriffen, ohne daß dabei spätere, aber wertvolle und durch ihre große Verbreitung als volkstümlich anzusprechende Formen zu kurz gekommen wären.

Das Buch ist im besonderen auch für Lehrerbildungsanstalten empfohlen.

weltbürgerliche und staatsbürgerliche Bildung Don

Dr. Kurt Kesseler

Nachdruck verboten.

Alle Rechte, besonders das der Übersetzung in fremde Sprachen, Vorbehalten. Copyright by A. Marcus & E. Webers Verlag, Bonn 1918.

Druck: Otto Wtgand'sche Buchdruckeret G.uub.H., Leip-t-

Meinem Freunde Herrn Konrektor

Ferdinand Krüger in Cottbus zur Erinnerung

an fünfjährige Arbeitsgemeinschaft

Vorwort Die vorliegende

Schrift vereinigt Aufsätze,

die

in

den Zeitschriften

„Pädagogische Warte" (1918, Heft 7) und „Die höheren Mädchenschulen"

Abgesehen von dem ersten

(1917, Heft 21, 1918, Heft 3—7) erschienen sind.

methodologischen Aufsatz befassen sie sich mit der stark aktuellen Frage des Ver­

hältnisses von weltbürgerlicher und staatsbürgerlicher Bildung, indem sie von

dem Gegensatz zwischen Foerster und Natorp ausgehen, um dann zu zeigen, wie sowohl den humanen als auch den nationalen Interessen genügt werden

Denn das ist keine Frage, wie ich bereits im „Tag" (1917, Nr. 237)

kann.

betont habe, daß alle Bildung auf Entfaltung des rein Menschlichen bedacht

sein muß, daß jeder lernen muß, sein Leben nach für alle Menschen verbind­

lichen Idealen zu richten, seine Anlagen und gültige Normen bestimmen zu lassen.

daß

alle humane Bildung

nationale Prägung bekommt,

Weltbürger nur als Staatsbürger sein kann. zehnten Jahrhunderts, zumal des

wieder

vergessen.

gegenwärtigen Krieges

weil man wahrer dürfen wir nicht

Zu dem Zwecke aber ist Vermittlung von Kenntnissen

Aufsatz über die Kulturschule nach. Praxis

allgemein

Diese große Lehre des neun­

und Entbindung von Lebenskräften notwendig. überzuführen,

Organisation,

durch

Fähigkeiten

Es ist aber ebenso unbedingt notwendig,

bedarf

mit denen sich

Diesen Gedanken geht der

Um sie aber aus der Theorie in die

es einer klaren Methode und die beiden nächsten

einer guten

Aufsätze befassen.

Ein

Aufsatz über die wissenschaftliche Vertretung der Bildungsideale beschließt das Buch,

weil allein eine wissenschaftliche Pädagogik,

die an den Hochschulen

als den Pflegstätten des wissenschaftlichen Lebens durch ein Ordinariat ver­ treten ist, die Gewähr bietet, daß alle pädagogische Praxis auf pädagogischer Erkenntnis gründet.

Grundsätzlich steht hinter den Aussätzen die Auffassung, daß die Methode der systematischen Pädagogik eine Verbindung von Empirie und Spekulation erstreben muß.

Alle berechtigten Forderungen müssen der Welt der Ideen ent­

stammen, aber die Ideen müssen gewonnen, geprüft und bewährt sein am Leben,

an Seelenkenntnis und Geschichte.

So ziehen sich durch die idealistischen Be­

trachtungen stets psychologische und historische Feststellungen im Geiste des deut­ schen Idealismus, der eine Verbindung mit der realen Welt erstrebt. Angehenden

Pädagogen auf Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten wie überhaupt allen Freunden des deutschen Bildungswesens möchten diese Aufsätze dienen, indem

sie zeigen,

was ist,

und zum Nachdenken anregen über das,

was sein soll.

Dr. Kurt Kesseler.

Inhalt. Seite Die Methode der pädagogischen Systematik........................................................................... 7 Weltbürgerliche oder staatsbürgerliche Bildung....................................................................14 Das Problem der Kuliurschule

..........................................................................................26

Das Problem der Arbeitsschule................................................................................................36

Das Problem der Einheitsschule................................................................................................46 Die wissenschaftliche Vertretung der Bildungsideale..............................................................58

Die Methode der pädagogischen Systematik. Wer sich zu

einer Theorie

prinzipiellen Grundlagen

anschickt, wer also um die

der Bildung

des pädagogischen Schaffens bemüht ist,

muß sich

wenigstens in großen Zügen Rechenschaft über die bei

und seinen Lesern

Entwicklung der Theorie anzuwendende Methode geben.

dische Besinnung führt die Betrachtung über wertvoller, aber doch

Ohne solche metho­

die Äußerung vielleicht sehr

eben bloß persönlicher Meinungen nicht hinaus.

Da

läßt sich nun nicht bestreiten, daß solche methodologischen Arbeiten im Bereich

Aus älterer Zeit

der pädagogischen Wissenschaft verhältnismäßig selten sind.

ist eigentlich nur Herbart zu nennen, denn Pestalozzis idealistische Pädagogik ist intuitiv

geschaffen.

Herbart hat klar

daß

der Ethik die Pädagogik so bestimmen,

die Ergebnisse der Psychologie und

daß diese das Ziel, jene

das Programm ausgegeben,

die Wege vorschreibt.

Demgegenüber ist immer

stärker betont worden, daß die g a n z e Philosophie, nicht bloß einzelne Diszi­

die Grundlage

plinen,

In neuester Zeit

der Pädagogik bilden müssen.

hat Gerhard Budde eine noologische Pädagogik geschrieben, Name sagt, auf Euckens noologische Methode zurückgreift. treten doch

die Inhalte der Euckenschen Philosophie —

zum Geist —

stark in den Vordergrund,

so

methodische Problem

zu kurz

kommt.

die,

wie

der

Aber bei Budde das Bekenntnis

daß darüber das eigentliche

Ganz kürzlich

hat Frischeisen-

Köhler in einem Aufsatz Philosophie und Pädagogik (Kantstudien, Band XXII, 1917,

S.

genommen.

27—80) sehr scharf das methodologische Problem in

Angriff

Er scheint mir jedenfalls mit dem Ergebnis recht zu haben,

daß die Methode der pädagogischen Systematik eine Synthese von Empirie und Philosophie erfordert, und daß in

dieser Synthese gerade das eigen­

tümliche methodologische Problem liege.

vielfach

Die neueste Pädagogik hat sich

auf das

allerenergischste von

philosophischer Begründung der Pädagogik abgewendet, es hing das mit dem empiristisch-positivistischen Zuge Philosophie

sollten

psychologische

der Zeit zusammen. Beobachtung,

Biologie, Soziologie, Geschichte treten,

die

Stelle der

Experiment,

vielfach wurden diese Gebiete auch

nebeneinandergestellt oder durcheinandergeworfen.

orientiert,

An

pädagogisches

An Wundtschen Gedanken

glaubte man aus der Kinderpsychologie die Gesetze pädagogischen

Handelns ableiten zu können, oder man versuchte im Anschluß an Meumann die pädagogischen Wahrheiten aus dem Experiment herauszulesen. nach einer besonderen Jugendkunde,

Charakterbildung,

einer rein

Der Ruf

nach einer Erforschung der Gesetze der

empirischen Prüfung und Abwägung der ver-

8 schiedenen Methoden ist darin begründet. der

besonders

pädagogische Prinzipien ableiten wollen. sagen:

Aus Biologie und Soziologie hat

naturalistische Individualismus Spencers und Ellen Keys

„Es ist Zeit, daß die Wohltaten,

In diesem Sinne kann Spencer

die unsern Schafen und Ochsen

aus den Forschungen des Laboratoriums erwachsen, auch unsern Kindern

zuteil werden."

gestellt —

In ähnlicher Weise — allerdings sozialpüdagogisch ein­

hat Bergemann Biologie und

Pädagogik gemacht.

Nach

Soziologie zur Grundlage der

ihm hat die Biologie mit aller philosophischen

Phantastik gründlich aufgeräumt, deshalb leiten wir das Ziel der Erziehung nicht mehr aus Religion und Philosophie ab, sondern aus der Biologie.

Von dort her gewinnen wir die Erkenntnis, daß der Lebenszweck die Er­ haltung der Gattung und ihre Vervollkommnung ist. ist danach

ist,

Ziel der Erziehung

„der gesunde tatkräftige Mensch, der befähigt und freudig bereit

an der Lösung der Kulturaufgaben seines Volkes in der jeweiligen

Gegenwart mitzuarbeiten, und zwar als ein tüchtiger Bürger seines natio­ nalen Staates und als ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft

überhaupt, dessen wirtschaftliche und politische Ansichten, dessen Rechtsan­ schauungen, Moral, Religiosität und Geschmack tu Übereinstimmung mit den

Lehren und Überzeugungen der besten und edelsten Geister seines Volkes und seiner Zeit im allgemeinen stehen, und dessen Erkenntnis allseitig ge­ fördert worden ist." Ähnlich hat der Schweizer Sozialpädagoge Seidel,

bei dem gleichzeitig ein stark historischer Einschlag bemerkbar ist, behauptet, daß eine Wanderung durch die Geschichte der Pädagogik zeige, wie das Ziel

der Erziehung stets durch die Bedürfnisse der Gesellschaft, also soziologisch,

bestimmt gewesen sei.

Religion und Philosophie, Kunst und Wissenschaft,

Prinzipien und Ideen bestimmten das Ziel der Erziehung nur als Kräfte zweiter und dritter Ordnung,

sie hätten auf die pädagogische Theorie, nie­

mals aber auf die pädagogische Praxis Einfluß gehabt.

Die neuere Philo­

sophie sei für die gesamte Pädagogik höchst unfruchtbar gewesen, weil sie ein Spiel mit dem Übernatürlichen getrieben und sich nur um metaphysische

transzendentale Gedankenschöpfungen

bemüht habe.

Schließlich sei die in

breiteren Kreisen übliche Art berührt, aus einfacher Geschichtsbetrachtung,

letztlich aus einfacher Bewunderung in der Geschichte vorliegender Theorien willkürlich und kritiklos eine Reihe pädagogischer Gedanken aufzulesen. Der Überblick hat gezeigt, daß wir bei allen genannten Pädagogen

keine eigentlich scharf herausgearbeitete prinzipielle Methode haben, sondern nur eine gemeinsame Abneigung gegen alles Spekulative.

Im einzelnen

können sich die empiristischen Pädagogen noch sehr stark voneinander unter­

scheiden.

Gegen alle ist zu sagen, daß ihnen ein Kriterium für den

Gewinn

irgendeiner

pädagogischen

Erkenntnis

fehlt,

und

daß

da,

wo

9

Welt.

der idealen

diese erschlichen sind

vorliegen,

Erkenntnisse

Die psychologische

Beobachtung

Experiment haben eine hohe Bedeutung

aus

Entlehnungen

das pädagogische

und

als Diener und Stützen der Er­

regen zu Problemstellungen an,

sie

kenntnis,

durch

sie können falsche Erkenntnisse

entlarven, sie sind aber doch immer nur die Probe aufs Exempel, niemals das

Exempel selber.

Sehr richtig hat

auf

Jugendkunde

gründende

sich

Frischeisen-Köhler geurteilt:

-Ethologie^ wird

„Die

in der Lage sein, von

vornherein

eine Reihe von erzieherischen Maßnahmen, Methoden und Ein­

richtungen,

die

zweckmäßig

oder geradezu als gänzlich erfolglos auszuscheiden ....

vorgeschlagen oder zur Anwendung

experimentelle Pädagogik vermag

gegenüber zu

Skepsis

der

denen

daher auch

nur

ungeschichtliche Geist

zu

gern

und neigt,

als un­

Die

einer gesunden

der Ausgang

Hoffnungen

hochgespannten

gebracht sind,

Erwartungen,

zu

und

sie

zu sein,

vermag die Jugend von der Last verfehlter und quälender Anforderungen zu befreien, die nur mit der Zähigkeit des historisch Gewordenen sich erhalten."

Auch von der Biologie und Soziologie her lassen sich ohne ein speku­ lativ zu gewinnendes Kriterium keine Erkenntnisse erreichen.

Pädagogen

steht irgendeine

es eben die Metaphysik,

der aus sie

von

fest,

wird

treffen.

Das

das

deshalb

ich

Bei allen jenen

metaphysische Gesamtanschauung

daß es

dann



und

wäre

keine Metaphysik gibt — von vornherein

in der gegebenen Wirklichkeit

ihre Auswahl

ganz besonders deutlich an dem Zitat aus Bergemann,

so lang wiedergegeben habe.

absichtlich

Von „Kulturauf­

gaben" läßt sich nur reden, wenn der Begriff der „Kultur" von vornherein

„Tüchtige" Bürger, „nützliches" Glied der menschlichen Gesellschaft

feststeht.

aber sind Wertungen, die ihrerseits einen Wertmaßstab voraussetzen, der nicht

der Empirie

entstammen

aufmerksam gemacht,

Sehr fein hat Frischeisen-Köhler darauf

kann.

wie der empiristische Pädagoge Stadler neben

einem

eudämonistischen Grundprinzip ein davon unabhängiges ideales Grundprinzip

einführt, das nicht der Erfahrung,

wie

über

sondern der Philosophie entstammt, und

die Zulässigkeit und Notwendigkeit dieser Ergänzung niemals die

Erfahrung entscheiden kann. Aus

lesen,

der Geschichte aber kann

was

Deshalb liest Seidel aus

er will.

Voraussetzungen heraus. Pädagogik ganz Buche

ich

Das

mit ganz

getreten.

ohne näheres Kriterium jeder heraus­

in Wirklichkeit sich

Daß

andere Erkenntnisse

Lebenswerk

der

ihr seine metaphysischen

aus der Geschichte der

gewinnen lassen, habe ich

in meinem

Pädagogenx) gezeigt.

Freilich bin

großen

anderen Voraussetzungen als Seidel an die Geschichte heran­

Jedenfalls

beweist

dies das eine,

J) I. Klinkhardt, Leipzig 1913.

daß

wir auf historistischem

10 Wege, d. h. durch prinzipienlose Geschichtsbetrachtung, keine Erkenntnisse für die Pädagogik gewinnen können,

eine prinzipielle Betrachtung

aber durch­

bricht die empiristischen Voraussetzungen. Der völlige Gegenpol zu der besprochenen Methode ist die der ratio­

nalen Deduktion, wie sie in der Gegenwart von Natorp vielleicht am reinsten vertreten wird.

Ich habe deshalb schon früher geurteilt, Natorps Pädagogik

sei von des Gedankens Blässe angekränkelt *), worauf freilich Artur Buchenau

Natorp verteidigt und seinen Standpunkt als berechtigt vertreten hat2).

Die

vorliegende Arbeit gibt mir Gelegenheit noch einmal herauszustellen, was ich

meine.

Es ist mir dabei interessant und wertvoll, daß Frischeisen-Köhler,

der Kant wesentlich näher steht als ich,

ebenfalls gegen den Rationalismus

der Natorpschen Methode Bedenken äußert.

Natorp gründet seine Sozialpädagogik auf eine Idee, d. h. „die Gestalt die wir in Gedanken haben als die sein sollende,

einer Sache,

gegebene Stoff sei es gestaltet werdend oder sich gestalten soll". Wendung „in Gedanken haben" kennzeichnend.

zu der der

Dabei ist die

Ausdrücklich betont Natorp,

daß diese Idee weder auf psychologischem, noch naturwissenschaftlichem Wege,

also empirisch, sondern nur auf deduktiv-logischem Wege, also idealistisch zu gewinnen sei.

Die Idee macht als reines, ideales Gesetz pädagogische Erfahrung

erst möglich.

Die reinen Gesetzeswissenschaften der Logik, Ethik und Ästhetik

entwickeln nämlich die in der Einheit des Selbstbewußtseins gegründeten idealen Gesetze, die der Pädagogik den Weg zur Menschenbildung weisen.

Die ganze

Philosophie im Sinne Natorps, d. h. die Methodenlehre der Wissenschaft, muß

also der Grundlegung der Pädagogik dienen.

Frischeisen-Köhler formuliert

die Meinung Natorps sehr klar und treffend folgendermaßen: der Bildung zunächst

„Die Gesetze

in diesem objektiven Sinne, die Gestaltungen der Objektwelt,

ohne Rücksicht auf die Besonderheit der Subjekte, denen sie sich

gestalten, sind

die Fundamente der Pädagogik.

Und da schließlich im Be­

wußtsein, also der Erkenntnis, alles Menschliche wurzelt und aller Fortschritt menschlicher Entwicklung zuletzt Bewußtseinsfortschritt ist, führen sie sich auf

ein und nur ein Grundgesetz der Erkenntnis zurück, das kritisch zu

formulieren hat,

menschlichen Bildung sich

die Erkenntnis

und das auf alle Seiten und Richtungen der

erstreckt und ebenso die Methodik des Unterricht-

wie die Organisation der bildenden Tätigkeit bestimmt.

Die Methode der

Pädagogik ist sachlich völlig eins mit der Methode der Erkenntnis, und da­ philosophisch erkannte Grundgesetz dieser umspannt das Ganze des Erziehungs­

werkes nach

jeder Richtung und bis in die feinsten Gliederungen, aus ihm

x) Pädagogische Charakterköpfe, Diesterweg, Frankfurt a. M. 1916. a) Euckenscher Idealismus und moderne Pädagogik, Das Lyzeum, 3. Jahrg. 1916,

S. 420 ff.

11 lassen sich fast sämtliche Grundbegriffe der Pädagogik in zwingender Deduk­

tion herleiten." Die Pädagogik

wird

damit von

Logik des Bildungschaffens gemacht. solcher rücksichtslosen

Konsequenz,

Natorp zur

erweiterten Logik, zur

Das geschieht mit solcher Klarheit und daß Natorps System

typisch ist für eine rein deduktive Pädagogik.

in

höchstem Maße

Dabei ist für unsere Problem­

stellung gleichgültig, daß es sich bei Natorp um eine rein rationale Deduktion handelt.

Eine rein spekulative Deduktion, wie sie etwa bei Fichte vorliegt, würde

in methodischer Hinsicht ebenso zu beurteilen sein.

gerade Natorp

herausgegrisien,

reichste deduktive Pädagoge zu sein scheint.

Vertretung

herigen

habe nur deshalb

Ich

weil er mir in der Gegenwart der einfluß­

der Forderung nach

Ich selber habe in meiner bis­

einer philosophischen Begründung

der Pädagogik gerade im Interesse dieser die Deduktion in den Vordergrund treten lassen,

freilich

nicht ohne

empirische Psychologie *) und die Ge­

die

schichte als empirische Faktoren mit zu berücksichtigen. Es kann und darf nun nicht verkannt werden,

gegen

daß gegen Natorp die

die Empiristen geäußerten Bedenken nicht gelten.

Natorp hat scharfe

und klare Kriterien der Erkenntnis, die Ziele und Methoden der Pädagogik wohl begründen können. die sich

Aber diese Ziele und Methoden sind starre Gesetze,

der Fülle des Lebendigen

nicht anzupassen vermögen.

Deshalb

behalten auch alle Ausführungen Natorps in der Sozialpädagogik einen stark

abstrakten Charakter, ob

denen

gegenüber

immer noch

die Frage offen bleibt,

und inwieweit und auf welche Weise sie durchführbar sind.

Das wird

m. E. ganz besonders bei Natorps Ausführungen über den Religionsunter­

richt deutlich.

Die pädagogische Systematik (ebenso wie

die pädagogische

Praxis) muß aber auf die psychische Eigentümlichkeit des Zöglings und auf die historische Bedingtheit der pädagogischen Lage Rücksicht nehmen.

Deshalb

treffen m. E. Frischeisen-Köhlers Worte den Nagel auf den Kopf: „Welches

Gewicht auch auf den Bildungsinhalt gelegt werden mag: Erziehung hat es doch

immer mit lebenden Menschen zu tun, mit Kindern und jugendlichen

Geistern, die jenen Inhalt sich aneignen, die ideale Welt des Geistes in sich

aufbauen sollen.

Ohne jede Rücksicht auf den Zögling und sein natürliches

Wachstum erhalten wir aus den Gesetzen,

welche die Bildung der Inhalte

bestimmen, noch keine Gesetze über die Bildung,

die die zum vertieften Jn-

haltsbewußtsein fortschreitende Subjektivität des Zöglings bestimmen."

Es dürfte klar geworden sein,

d. h.

eine empirische Pädagogik,

daß weder eine Pädagogik von unten,

noch eine Pädagogik von oben,

d. h. eine

*) Daß Natorps „Psychologie", weil sie keine „empirische" Psychologie ist, kem Gegengewicht gegen die Einseitigkeit der Deduktion bietet, hat Frischeisen-Köhler nach­ gewiesen.

12 deduktive Pädagogik, ein befriedigendes System bieten können.

dürfte deutlich geworden sein,

Ebenso aber

daß sowohl die Empirie als auch die Deduk­

tion wertvolle Bausteine zum Aufbau eines pädagogischen Systems liefern

und

liefern können.

Die pädagogische Methode bedarf daher einer Ver­

bindung von Empirie und Spekulation, und es ist zu zeigen, wie diese

Verbindung möglich ist.

wir uns zu

Mit der Aufstellung dieses Grundsatzes bekennen

der von Rudolf Eucken für die Philosophie geforderten und

begründeten noologischen Methode. Diese noologische Methode ist eine Verbindung von Analyse und Syn­

these, von Empirie und Spekulation.

Sie ist m. E. die gewiesene Methode

Ich kennzeichne sie zuerst nach

für alle kulturwissenschaftliche Forschung.

den von Eucken aufgestellten Gesichtspunkten

wendung und

und versuche von da die An­

— in den folgenden Aufsätzen —

die Ausbeutung für die

Pädagogik.

Ich lasse Eucken möglichst selber reden:

„Den Stoff kann die Analyse

nicht von sich aus entwickeln, sondern sie muß ihn sich anderswoher geben

lassen; sie bleibt damit an eine fremde Leistung und den von ihr erbrachten

Stand der Sache

Wir sind damit an das in der Wirklichkeit

gebunden."

vorliegende objektive Material gebunden, der eine Standort der Betrachtung ist

damit gegeben.

„Einzig und allein auf diesem Wege läßt sich ein be­

eines

anderen selb­

synthetischen Verfahrens,

welches vom

herrschender Inbegriff nicht gewinnen. ständigen Ausgangspunktes,

eines

Wir bedürfen

Ganzen her dem Streben zum Ganzen entgegenkäme und in Handbietung mit dem anderen die Verworrenheit anfänglicher Lage überwände

Zu einem ganzen und vollen Bilde fehlt noch immer die Gruppierung um einen Mittelpunkt,

die Durchleuchtung und Farbengebung aus einem leben­

Hier muß eine Zusammenschau des Mannigfachen zu einer

digen Ganzen.

Einheit, eine synoptische Behandlung des Gegenstandes eintreten, dafür aber gilt es,

sich nach einem Prinzip der Synthese umzusehen."

tische Prinzip

findet Eucken im

Dieses synthe­

In der

„Syntagma", im Lebenssystem.

Geschichte finden sich größere oder kleinere Gesamtanschauungen, Versuche von Problemlösungen,

die zwar keine endgültigen

läufige erste Lösungen

sind.

Antworten,

aber vor­

Von hier aus unternehmen wir die Deu­

tung und Wertung des tatsächlich vorliegenden Befundes.

So deutet Eucken

z. B. von idealistischem Ansatz aus die Lebensanschauungen der großen Denker. So liefert

uns entgegensteigt

die Grundüberzeugung,

und

zweiten Ausgangspunkt,

die

aus dem geschichtlichen Leben

in unserem Innern Widerhall findet,

uns einen

ein gleichsam hypothetisches Axiom, das

x) Vgl. mein Buch 9i'ubolf Euckens Werk. Methode. Die noologische Methode.

es nun

Fünftes Kapitel: Das Problem der

13 des Gegebenen zu bestätigen, zu befestigen und aufzubauen

durch Analyse

oder zu verwerfen bzw. zu revidieren gilt.

„Diesen Tatbestand (seil, das

zerlegt nun das Syntagma in ein Für und Wider;

geschichtlich Gegebene)

das eine mag es als vorbereitend, unterstützend, beweisend gelten lassen, das

es

andere wird

als Irrung,

wo nicht ausscheiden,

so doch umbilden,

es

kann nicht zur Machtwirkung gelangen, ohne das ganze Gebiet in Aufregung

und Kampf zu versetzen,

was fest schien, wieder zum Problem zu machen.

würde

sich vom Syntagma aus eine unablässige Bewegung der

Geschichte ergeben,

die bei allem Gegensatz der Richtungen doch nur dem

diente,

das Geistesleben zu der Höhe seiner Natur zu bringen,

. ... So einen Ziele

ohne die sich nicht das mindeste in ihm vollenden mag.

Aus dem Getümmel

des Kampfes, aus der bunten Fülle der Erscheinungen, ja aus scheinbarer Ent­

fremdung würde hier der Drang des Geistes herausschauen, die Ganzheit seines eigenen Wesens zu erreichen, als Ziel alles Strebens sich selber zu findens."

Die Durchleuchtung des

geschichtlich Gegebenen klärt den eigenen —

zunächst hypothetischen — Standpunkt und gestaltet die Hypothese mehr und

mehr zur begründeten Entscheidung.

Freilich gilt es, in stets zu erneuernder

Tat den gewonnenen Standpunkt erneut zu prüfen

hält

sich

das

Analyse und von der Analyse zur Synthese. schen

den

Methode

der Gegenwart"

des Geisteslebens").

Pädagogen" Christentums

So

Eucken hat nach dieser noologi-

seine philosophischen Überzeugungen begründet (vgl.

oben genannten „Lebensanschauungen"

Strömungen

und zu befestigen.

geistige Leben in ständiger Bewegung von der Synthese zur

und in

Ich

seine

und

selber habe

meinem

Buche

außer

auch besonders seine „Geistigen

„Einsührurg

in meinem

in eine Philosophie

„Lebenswerk der großen

„Die wissenschaftliche Vertretung des

in der Gegenwartstheologie"*2) die noologische Methode auf

die Pädagogik bzw.

die Theologie3)

Aufsätze wollen nach

anzuwenden versucht.

noologischer Methode Einsichten

Die

für die

folgenden

systematische

Pädagogik gewinnen. Näher gestaltet Von

sich diese Methode für die Pädagogik folgendermaßen.

bestimmten philosophischen Voraussetzungen,

noologischer Methode

gewonnen sind

die ihrerseits wieder nach

(vgl. Eucken), treten wir an das in

der Jugendkunde und in der Geschichte der Pädagogik vorliegende Material *) Über die noologische Methode hat sich Eucken am ausführlichsten in seinen —

leider zu wenig beachteten — Werken ausgesprochen Die Einheit des Geisteslebens in

Bewußtsein und Tat der Menschheit, 1888, und in den diesem Buche vorhergehenden

Prolegomena, 1885. 2) Karl Dietmar, Langensalza 1917. 3) Vgl.

für

letztere

auch meine

Bücher

Rudolf Euckens Bedeutung für das

moderne Christentum, Leipzig 1913, I. Klinkhardt und Das Problem der Religion

in der Gegenwartsphilosophie, ebenda 1917.

14 fragen dasselbe gleichsam,

und

heran

entgegenkommt,

diese bestätigend

gebenheit ein Überzeugungskomplex,

So

ist.

oder abweisend.

ES

der in erneuter Prüfung weiter auszu­

gewinnen wir in langsamem Ringen zwischen

Pädagogen"

meine

Idee und

Methode und Organisation des

Grundüberzeugungen über Ziele,

Empirie

Bildungswesens.

was

einschränkend

also in ständiger Wechselwirkung zwischen Voraussetzung und Ge­

erwächst bauen

was in ihm unseren Voraussetzungen

bzw.

„Das Lebenswerk der großen

Was ich in meinem Buche

an Einsichten über die genannten Gegenstände gewonnen habe,

„Pädagogischen

Charakterköpfe"

aus

der Gegenwartspädagogik

an Wahrheitsgehalt herauszuarbeiten versuchten, soll in der folgenden Auf­

umfassender geprüft werden, um so der Vorbereitung

erneut und

satzreihe

„Systems philosophischer Pädagogik"

eines

ans Ziel führt,

zu dienen.

Ob

die Methode

muß der Lauf der folgenden Ausführungen herausstellen,

eine endgültige Entscheidung aber kann nur die Geschichte, der Fortgang der

pädagogischen Forschung und Praxis erbringen, denn über die Geltung einer über ihren „Wahrheitsgehalt" entscheidet niemals die Ratio allein,

Theorie,

sondern stets das Leben mit seiner Verbindung rationaler und irrationaler, logischer und historischer Faktoren.

Wellbürgerliche oder staatsbürgerliche Bildung? Allem Idealismus ist eine doppelte Bewegung eigen,

einmal strebt er

in alle Weiten des geistigen Lebens und strebt danach, das allen Völkern

und Zeiten Gemeinsame zu erfassen und zur Geltung zu bringen, dann aber

richtet er sein Interesse auf die charakteristischen historischen Einzelgestaltungen, auf die einzelnen großen Kulturgebilde und

und herauszuarbeiten, was ausmacht.

Das sei

an

einem Beispiel gezeigt.

seiner Religionsphilosophie

Geltendmachung

bemüht sich, das zu erkennen

gerade das Wesen jedes besonderen Gebildes

danach,

zu zeigen,

eines geistigen Lebens

Rudolf Eucken strebt in

wie

der Grundzug

die Behauptung und aller Religion sei,

dann aber wendet er sich zur Erfassung der besonderen Art des Christen­ tums (in Euckens Sprache: universale Religion — charakteristische Religion).

Wie

auf

dem Gebiete der Religion läßt sich diese doppelte Bewegung des

Idealismus auch auf anderen Kulturgebieten, dem der Geschichte, der Politik,

der Pädagogik beobachten. gemein-Menschliche,

Völker-Verbindende,

Individuell-Nationale, können

Die eine Betrachtungsweise betont hier das All­ die andere Betrachtungsweise

Völker-Differenzierende.

Im Bereich

das

der Pädagogik

wir direkt von dem Gegensatz einer kosmopolitisch-idealistischen und

einer national-idealistischen,

deutsch-idealistischen Pädagogik reden.

Das sei

15 an zwei bekannten

Pädagogen,

an Friedrich

Wilhelm Foerster und Paul

Natorp x) gezeigt, um von da aus eine Entscheidung oder Vermittlung des sich auftuenden Gegensatzes zu suchen.

Daß Friedrich Wilhelm Foerster Idealist ist,

steht außer Zweifel.

Er

glaubt an die Macht des Guten im Kinde, an seine geistige Wesensart,

die weder durch brutales Kommandieren noch durch schrankenloses Gehenlassen

verdorben werden darf.

Der Grundgedanke der Foersterschen Pädagogik ist

die Erziehung zur Selbstbeherrschung und zur geistigen Kraftentfaltung: „die

eigentliche Persönlichkeit des Menschen liegt in der Tiefe des seelischen Lebens

und kann nur entwickelt werden in dem Grade, als wir dem Charakter zur Herrschaft über Sinne und Leidenschaften verhelfen."

So ist das Ziel aller

Erziehung die Entwicklung der Individualität zur Persönlichkeit,

in der die

Eigentümlichkeiten des Einzelwesens durch Unterwerfung unter die allgemein­ gültigen Forderungen des Geistes geheiligt sind.

„Allein durch solche Unter­

werfung der natürlichen Individualität unter das Gesetz des Geistes ist auch allen individuellen Gaben und Kräften erst ihre gesunde Entwicklung gesichert:

gehen sie ihren eigenen Weg, so hemmen und zerstören sie sich gegenseitig und verlieren allen Zusammenhang mit großen lebenspendenden Aufgaben und Zielen.

Man kann in gewissem Sinne sagen: Persönlichkeit ist Konzentration,

Individualität ist Zerstreuung und Zersplitterung;

der Kultus des

freien

Individuums führt unumgänglich zum Auswachsen aller Leidenschaften, aller Reizbarkeiten und Begierden und den Menschen.

damit zur Herrschaft der Außenwelt über

So endet die falsche Freiheit in Knechtschaft.

Der Weg zur

wahren Freiheit und Selbständigkeit geht nur durch Zucht und Überwindung, so wie die Rose nur zur Blüte kommt durch Beschneidung der wuchernden

Wurzelsprößlinge."

Von dieser grundsätzlichen Stellungnahme aus befürwortet Foerster eine Pädagogik des Vertrauens, der Erzieher soll bestrebt sein ein großes

und befreiendes Vertrauen zu dem Geiste seiner Autorität zu erwecken, damit die geistigen Kräfte im Kinde mobilisiert werden,

williger Gehorsam angeregt wird. notwendig werden,

und damit, dadurch frei­

Selbst da, wo Tadel und Strafe einmal

sollen sie mit vornehmem Takt angewendet werden,

aus

allen Worten und Taten des Erziehers soll auch dann noch das Vertrauen zum besseren Ich des Zöglings hervorleuchten.

So lesen wir bei Foerster: „Ver­

knüpfe allen Dienst und alle Pflicht mit der tiefsten Freiwilligkeit im Menschen;

*) In meinem Buche Pädagogische Charakterköpfe, eine Beleuchtung der Gegenwartspädagogik, Diesterweg, Frankfurt a. M. 1916, habe ich u. a. auch F. W. Foerster und P. Natorp behandelt. Vgl. auch meine Auseinandersetzung mit Foerster: Die Pädagogik Friedrich Wilhelm Foersters im Lichte des deutschen Idealismus. Die Volks­ schule 1916. Heft 8.

16 suche den Teil seines Wesens auf und belebe ihn, der freiwillig und aus Liebe Schweres und Unerfreuliches heroisch und freudig auf sich nimmt."

„Autorität ohne Großmut ist ein Zerrbild, Tadel ohne Delikatesse eine Roheit." Als wesentliche Mittel der Willensbildung empfiehlt Foerster

die Selbsttätigkeit und die Belehrung.

Man soll den Zöglingen Gelegenheit

geben, sich selbstlos zu betätigen, z. B. in der Krankenpflege, und sie die Erfahrung machen lassen, daß Ordnung besser ist als Unordnung, z. B. in

der „Selbstregierung" im Schulleben.

Die Belehrung aber soll die ethische

Einsicht wecken und den ethischen Gehalt des sozialen Lebens erfassen helfen.

Foerster denkt an besonderen Moralunterricht, der sich mit Fragen befaßt wie etwa diese.:

Warum lügen wir Schüler?

Kerl in der Schule?

Wer ist ein anständiger

Welches ist der Sinn und die Bedeutung dieses oder

jenes staatlichen Gesetzes? Dieser Jdealismns Foersters

ist

listisch-kosmopolitisch gestimmt.

nun

aber vollständig universa­

Das trat früher nur leiser hervor,

wenn Foerster sich auffällig begeistert zeigte für viele Seiten des englischen und amerikanischen Wesens.

Der tiefste Grund des Foersterschen Universalis­

mus, die völlige Verkennung des Wesens des modernen Nationalstaates, hat sich erst während der letzten zwei Jahre gezeigt.

Der moderne National­

staat stammt nach Foerster aus dem „heidnischen" Geiste der individualisti­

schen Renaissance, also auch das Deutsche Reich, während das mittelalterliche Heilige

Römische

Reich

deutscher

Nation

christlichem Geiste

entstammte.

„Das Heilige Römische Reich deutscher Nation entsprang nicht nur aus der Nachwirkung des römischen Imperiums, sondern auch unmittelbar aus dem sozialorganisatorischen Geiste des Christentums; der Föderalismus war sozu­

sagen die der Welt zugewandte Seite der christlichen Entwicklung, er ver­

einigte Freiheit und Einheit, er war Gemeinschaft ohne Unterdrückung, er

verkörperte die Wahrheit und Notwendigkeit übernationaler Menschheitsinter­

essen — das neue Reich hingegen ist ganz dem heidnischen Geiste entsprungen,

nämlich dem rein national-egoistischen Individualismus, der seit der Re­

naissance von dem politischen Denken der Menschheit Besitz ergriffen hat, der in Bismarck seinen genialen und konsequentesten Praktiker gefunden hat, und der unaufhaltsam zu einer Katastrophe treiben mußte — wie alles in der Welt, was gegen den Geist der christlichen Wahrheit zu wirken und zu

organisieren sucht."

Infolgedessen lehnt Foerster die staatsbürgerlichen Be­

strebungen, die Abwendung vom Kosmopolitismus, mit scharfer Kritik ab.

Wir sind nach ihm im Nationalismus verrannt, haben den alten deutschen

Hochsinn verfallen lassen, wir sind von dem „tiefgegründeten internationalen Beruf des deutschen Volkes, der doch das unzweideutigste Vermächtnis seiner ganzen Kulturgeschichte ist", abgefallen.

So lesen wir bei Foerster:

„Es

17 muß klar gemacht werden,

der neuere Nationalkrampf, von dem wir

daß

seit den großen Erfolgen besessen uns

gar nicht ansteht."

Würde

und

„Als

Herrlichkeit

der

eine französische Infektion ist,

sind,

ob

die

das unablässige Karusselfahren um die

eigenen

Nation

irgendeinen bildenden Wert

habe und nicht vielmehr die Seele veröden müsse, trotz aller Romantik, mit

der man die Kahlheit dieses nationalen Jchkultus verhüllt hat."

„Auch wir

Deutsche tragen unseren Schuldteil an der Tragik der gegenwärtigen Mensch­ Wir haben gemeint, mit Reichtum und Kanonen allein lasse sich

heit . . .

der Völkerkrieg bannen.

Wir alle,

wir haben den alten deutschen Hochsinn

verfallen lassen, der allein die Völkerspannungen zu lösen und die Dämonen

der Habsucht zu bändigen vermag." Gegenüber

den

nationalistischen

föderative Prinzip.

Tendenzen

empfiehlt

Bundeselend hätten steckenbleiben sollen," aber er meint,

Vergangenheit nicht so jäh hätte werden sollen."

das

abgebrochen,

„daß jene deutsche

sondern organisch

weiterentwickelt

Er möchte die ethischen Vermächtnisse des alten deut­

schen politischen Geistes zur Geltung bringen.

Lehren

Foerster

Er will nicht etwa, „daß wir im alten deutschen

der neueren Geschichtsschreibung

Wir müssen uns von den

eines Ranke, Sybel und Treitschke

abwenden, die den „gewaltigen Unterschied des alten universalistischen, über­

nationalen

und

darum weltführenden Deutschen Reiches von dem neuen

preußisch verengten Nationalstaat" verwischt hat, da sie, ausschließlich in dem Dienst der Verherrlichung des nationalen Prinzips stehend, die „große über­

nationale Mission des alten deutschen Kaisertums" völlig übergeht.

Deshalb

bedürfen wir statt des Nationalismus des Föderalismus, statt der Herrschaft

der einzelnen Nationen nach dem Grundsatz

der Machtpolitik ihre Bereit­

willigkeit zum Dienste an der „weltorganisatorischen Zusammenfassung auto­ nomer Völkerindividualitäten", statt der Machtherrschaft der Rechtsherrschaft,

wie sie das Völkerrecht vertritt. tion und

„Das Völkerrecht erst ist die wahre Sank­

Befestigung der Rechtsidee überhaupt."

Foerster fordert daher,

„daß jede einzelne Nation sich nicht bloß von ihren eigenen Interessen und

Rechten erfüllen läßt — das ist Anarchie mit unberechenbarem Ausgang —, sondern vor allem von dem Streben nach sittlicher und vernünftiger Zu­

sammenordnung der streitenden Ansprüche,

idee".

nach dem Imperium der Rechts­

Richtlinien für solche Politik bietet die Religion.

ins Leben treten soll,

„Wie dies praktisch

das erfährt man nicht bei den Juristen,

sondern in

der Heiligen Schrift."

Es ist

ganz selbstverständlich,

daß

der Pädagoge Foerster aus seinen

gekennzeichneten Auffassungen pädagogische Konsequenzen zieht.

Krieg und

dienen:

die Kriegserlebnisse sollen unserer Jugend

Der

zur Verinnerlichung

„Wessen Vater oder Bruder auf dem Felde der Ehre gefallen, der

Kesseler, WeUbürgerliche und staatsbürgerliche Bildung.

2

18 soll sich

gerade diese Worte mit brennenden Zeichen in die Seele schreiben. daß sie ihr Leben lang auf dem Felde der Ehre bleiben,

Die Söhne,

sie

im Berufsleben nicht Erfolg suchen

auf Kosten

der Ehrenhaftigkeit

daß

in

unlauterem Wettbewerb, in feiger Streberei oder in harter Ausbeutung ihrer

Mitmenschen."

Um

diese

Verinnerlichung zu

fördern,

soll

der Pädagoge

„das deutsche Selbstlob", „die schnarrende Selbstsicherheit", „das Sichgehenlassen in Haßgefühlen gegen unsere Feinde" bekämpfen.

freude der Jugend dämpfen,

um dem Siegeskoller vorzubeugcn.

gefeiert werden,

ein

großes

„so

Unglück

Er soll die Sieges­

in sie das vae victoribus hineinklingen lassen, Die deutschen Siege sollen in der Schule

wie man Weihnachten in einem Hause feiert, in dem

geschehen

ist",

denn

die geheimnisvolle Gefahr des

Siegens, sich im Rausch des Gelingens zu überheben, kann nur durch aller­

Der Schule fällt ferner

Stille gebannt werden.

größte Schlichtheit und

nach Foerster die Aufgabe zu,

„die innere Vorbereitung auf die unumgäng­

liche Wiedervereinigung der Völker". Das neugeweckte geschichtliche und ethnologische Interesse soll vertieft werden durch Übersichten über die Ge­ der kriegführenden

schichte

Völker.

Wir sollen

das Große und Gute bei

unseren Feinden herausstreichen und nicht alle ungünstigen Berichte über sie „England schenkte uns nicht nur seine Imperialisten,

glauben.

England

schenkte uns auch die Heilsarmee, es gab uns unschätzbare höhere Gesichts­

punkte für die Behandlung der Arbeiterfrage, für die soziale Arbeit, eS

belehrte unsere Revolutionäre, milderte unsere parteipolitischen

Sitten —

dessen soll ewig gedacht werden und in diesem Gedächtnis werden wir einst

wieder

gebotene Hand

die

ergreifen.

Und

für unsere Seele ist es besser,

für jenes edlere England zu kämpfen und an dieses zu denken,

als immer

nur Lord Grey und die Seinen in unserem Innern herumzuwälzen und zu

bespeien.

,Christ der Retter ist ta!‘ — auch der Retter von einem unter­

schiedslosen Hasse gegen

ewige Licht Christi in deiner Seele an und ver­

einmal deine Feinde zu , liebend

suche

Booth

und

In schlafloser

englische Art und englische Kultur.

Nacht zünde darum das

Gedenke

aller englischen Größe und Güte,

die

des herrlichen

William

in ihm verkörpert war,

denke an Florence Nightingale, die Heldin und Heilige, deren bahnbrechendes

Beispiel noch heute unzählige Wunden verbindet, denke an Carlyle, Ruskin,

Toynbee und

an

die gewaltigen Gewissensmächte,

die aus ihnen sprachen

und uns Deutschen Großes gaben und noch geben werden; so glaube daran, daß große Traditionen nicht sterben können,

und vergiß nicht, daß man ein

Volk mit solchen Gaben auch im Kriege nicht generalisierend beschimpfen soll."

Neben

Natorps.

Foersters

Gedanken

Gerade Paul Natorp

dem Chauvinismus das

über

Erziehung

stelle

ich

die

Paul

dürfte nicht in den Verdacht geraten,

Wort zu reden, deshalb

scheinen seine Gedanken

19 mir besonders geeignet, gegen die Foersters abgezeichnet zu werden.

Natorps

völlig an Pestalozzi orientierte Pädagogik ist Sozialpädagogik.

„Die

sozialen Bedingungen der Bildung und die Bildungsbedingungen des sozialen Lebens Aufgabe

ist das Thema dieser Wissenschaft",

das

der Sozialpädagogik.

so

bestimmt Natorp die

Die sozialen Verhältnisse

wirken immer in

den einzelnen Individuen, und alle individuelle Erziehung kommt stets einer

Das isolierte Individuum ist nach Natorp

bestimmten Gemeinschaft zugute.

nur ein Atom.

Pestalozzis: schaft. des

Er bewegt sich

daher

ganz in

den Bahnen Platos

und

Der Mensch wird zum Menschen nur in menschlicher Gemein­

„Man lernt Wollen, indem man die Erfahrung macht vom Wollen

Die Willensbildung stellt Natorp,

andern."

wie bereits gesagt wurde,

unter eine Idee, d. h. unter das, was nicht ist, sondern was sein soll.

heißt formen,

„Bilden

es heißt ein Ding zu seiner

aus dem Chaos gestalten,

wie

eigentümlichen Vollkommenheit bringen, vollkommen aber heißt, was ist, wie

Dasselbe besagt nur deutlicher das Wort Idee,

es sein soll.

es besagt die

Gestalt einer Sache, die wir in Gedanken haben als die seinsollende, zu der der gegebene Stoff sei es gestaltet werden oder sich selbst gestalten soll." Im menschlichen Willen unterscheidet Natorp drei Stufen je nach dem

Grade, in dem die Aktivität des Willens bewußt wird: Trieb, Wille im engeren Sinne und Vernunftwille.

ohne bewußt erfaßtes Ziel. heit gestellt werden.

Der Trieb ist Passivität, völliges Getriebenwerden Der Trieb soll unter die Tugend der Besonnen­

Nicht ausgerottet und entkräftet, sondern in den Dienst

soll das Triebleben gestellt werden.

unserer sittlichen Bestimmung

fordert deshalb

„Gebrauch

des Triebes

nach seiner wirklichen,

und sittlichen Bestimmung nicht außerhalb dieser Bestimmung".

Natorp

natürlichen

Im Gegen­

satz zum blinden Trieb richtet sich das bewußte Wollen auf eine Sache, auf

ein praktisches Objekt. nicht ausgemacht ist,

Der Wille gehorcht stets einer Maxime, wobei zunächst Der Wille soll unter die

ob die Maxime gut ist.

Herrschaft der Tapferkeit oder der Tatkraft gestellt werden, d. h. die Person

soll sich unbedingt einsetzen für die Sache. bedingt gut sein,

Freilich

das führt auf das dritte.

nicht die Erhebung zum sittlichen Willen,

soll diese Sache un­

Wollen bedeutet an sich noch

erst dann ist der Wille sittlich,

wenn er unter dem formalen Pfttchtgebot der Kantschen Ethik,

der Herrschaft der sittlichen Vernunft steht.

die Tugend

d. h. unter

Ist dies der Fall, dann herrscht

der Wahrheit, welche unerschütterlich das Rechte für recht und

das Böse für böse anerkennt, ohne sich durch Gefühl oder Gewöhnung, durch Neigung

oder durch

Besonnenheit,

Sitte beirren

Tapferkeit und

zu lassen.

Während

Wahrheit das Leben des

in

dieser Weise

Individuums be­

stimmen, soll die Gerechtigkeit die Beziehungen der Individuen zur Gemein­ schaft regeln, soweit diese von jenen abhängig ist.

Gerechtigkeit bedeutet also

2*

20 die Wahrheit, die Kraft und die Reinheit des Individuums in seinem Ver­ halten zur Gemeinschaft.

Erst in der Tugend der Gerechtigkeit erreicht der

Mensch das Ziel der eigenen Versittlichung.

„Der einzelne erreicht die Höhe

seiner menschlich sittlichen Bestimmung nicht ohne die menschlich sittliche Ge­

staltung seiner Beziehungen zur Gemeinschaft." Auch im Leben der Gemeinschaft können wir die drei Stufen

der Aktivität: Trieb, Wille und Vernunftwille unterscheiden; denn es muß

die sittliche Verfassung des Gemeinschaftslebens der des individuellen Lebens genau entsprechen, da ja die Gemeinschaft kein anderes Leben als im Lebe»

des einzelnen hat.

Das soziale Leben ist nach Natorp Gemeinschaft der

Arbeit, geregelt durch gemeinschaftlichen Willen nach gemeinschaftlicher Ver­

nunft; oder Wirtschaft, die durch Recht bestimmt ist, das richtig ist.

Die

Wirtschaft ist gleichsam das soziale Triebleben: „Die wirtschaftliche Tätigkeit

dient ... der Erhaltung der Energie des Trieblebens und damit der Frische und Leistungsfähigkeit menschlicher Arbeit, zur Verfügung für jeglichen Zweck, den immer Wille und Vernunft ihr bestimmen mögen."

Es bedarf danach die

wirtschaftliche Tätigkeit der Regierung als gebildeten Wollens und gebildeter Einsicht. Zu dieser sozialen Regelung bedarf es der Gesetzlichkeitals der Willens­

form des Gemeinschaftslebens.

Auch dann, wenn die sittliche Ordnung nicht

vollkommen ist, hat sie Respekt zu verlangen, freilich müssen auch in ihr die Möglichkeiten gegeben sein, an der Besserung der sozialen Zustände zu arbeiten.

Zu

dieser sozialen Gesinnung durch das soziale Leben zu erziehen,

ist die Aufgabe der Bildung.

Sie geschieht zunächst als Bildung

des Trieblebens vornehmlich in der Hauserziehung.

Die Beziehung zwischen

Mutter und Kind ist das erste grundlegende Bildungselement des Willens. Auf der Hauserziehung baut die Schulerziehung auf, die besonders dadurch

über die Hauserziehung hinausgeht, daß sie bewußte und willentliche Fügung

in eine soziale Ordnung fordert, die sich ebensosehr auf Haltung und Zucht als auf Gedanken und Gedankenausdruck des Schülers erstreckt.

Die Ver­

standesbildung soll auch hier in den Dienst der Willensbildung treten.

„Je

reiner die Verstandesbildung ihre Eigenart bewahrt, um so reiner vermag sie zur Willensbildung beizutragen."

Die dritte Stufe der Willensbildung, die

freie Selbsterziehung im Gemeinschaftsleben der Erwachsenen,

erhebt den

Menschen auf die Höhe der praktischen Vernunft, der autonomen Sittlichkeit. Hier kommt alles auf die Vertiefung des Selbstbewußtseins an, die durch Gemeinschaft bedingt ist und wiederum zur Gemeinschaft führt: „Sich selber,

den Menschen in sich zu bilden, sein eigenes, tiefstes Leben anzuknüpfen an die Kette des großen ewigen Lebens der Menschheit, von ihr es zu empfangen

und in sie weiterzugeben." Menschheitsbildung ist also das Ziel Natorps, aber diese Menschheits-

21 bildung sieht er einzig gewährleistet im nationalen Verbände, und zumal

die deutsche Kultur ist für Natorp der Höhenweg zur Menschheits­

In diesen Zusammenhängen kommt Natorp zu einer gründlichen

bildung.

Abrechnung

mit

Würdigung

des Bismarckschen Lebenswerkes.

dem Irrtum des Pazifismus und zu einer hohen Er verwirft den mechanischen

Pazifismus, der durch Rüstungsbeschränkung und einen internationalen Ge­ richtshof den Weltfrieden zu sichern strebt. der Schnellkur,

die von heute

„Ich verwerfe den Pazifismus

auf morgen das ewige Ideal verwirklichen,

es in eine zu ihm ganz und gar in Widerspruch stehende Gegenwart durch ein Machtgebot oder einen bloßen Vernunftspruch einführen möchte."

Wohl

aber fordert Natorp einen organischen Pazifismus, der in rastlos und restlos treuer Arbeit an dem unendlichen Ideal einer Menschheit arbeitet, der aber

darum

gerade in der gegenwärtigen Zeit mit dem Kriege als entschlossener

Behauptung der Volksindividualität rechnen muß.

„Solcher entschlossene Wille,

die völkische Eigenart unbedingt zu behaupten, ist selbst eine unüberwindliche

Kraft, und wo diese Kraft sich ungeschwächt beweist, da darf man auch wohl zurückschließen auf ein inneres Recht eines Volkes, sich um jeden Preis gegen

jeden Ansturm zu behaupten, auf einen inneren Wert der Erhaltung gerade

dieses Volkstums nicht bloß seiner selbst, sondern auch der Menschheit wegen." Der deutsche Geist hat für die Menschheitskultur Höheres geleistet als

Natorp zeichnet ihn gegen fremden Geist ab.

andere Nationen.

allen Entwicklungsmöglichkeiten zierten Mischung

gegenüber

bis heute

ist

Europas die russische Geistesart verblieben.

der Geist

vertritt

wendigen Durchgang durch

die

der westeuropäischen Zivilisation^

deutlich

demnach zu­

auseinandertretenden,

äußere,

Besonderung,

durch

die

aber oberflächlich bleibende Klarheit erreicht wird. strebt

deutschen

,Kultur'

wahrsten,

innerlichsten Kontinuität.

zueinander

eben

einander ablösenden, sondern nebeneinander stehenden

der Verallgemeinerung und

Phasen

die Ihr

den not­

sammengehörigen, nur im Gegenverhältnis zueinander verständlichen, darum nicht zeitlich

„Mit

aber chaotisch in der undifferen­

des ursprünglichen Dämmerzustandes,

innerhalb

orientalische,

schwanger,

dagegen

bewußt

und

folgerichtig

eine

große

Der Geist der in allem zur

Er braucht jene beiden nur scheinbar

gegensätzlichen Phasen durchaus nicht zu verneinen, er setzt sie

vielmehr voraus, nimmt sie vollständig in sich auf,

aber strebt, und strebt

nicht bloß, sondern schreitet bewußt über sie hinaus." Im Deutschtum

dualismus

auch

standen früher Universalismus und Indivi­ widerstreitend nebeneinander, und in dieser Polarität

unseres Wesens lagen die schwersten Hindernisse unserer äußeren staatlichen Einigung.

Bismarck

und

die Kriegsnot der Gegenwart haben

Universalismus und Individualismus

diesen

zur Reife und zu sicherem Ausgleich

22

gebracht.

„Auf einmal zersplittert sich unser Individualismus nicht mehr in

der Enge und Kleinlichkeit einer ärmlichen Selbstsorge, sondern lernt seinem echten Begriff gemäß sich zusammenraffen zu ungeteiltem Selbsteinsatz für

die

große, die ewige

Vaterlandes.

Sache des

In ihm begreift er, jetzt

ein höchst Individuelles, Unendliches, in der Unendlichkeit seiner

endlich,

Aufgabe Einziges, Unersetzliches, Unwiederholbares, wenn verloren, Unwieder­ bringliches, das hier und jetzt, wo der Ruf der Stunde uns hinstellt, unsere Seele ganz einfordert wie ein einzig Geliebtes, dem ein ewiger Wille unser

Leben,

unser ganzes Sein unzerstückt verschrieben hat, zu seinem eigensten,

innerlichsten Heil.

Und so zerfließt jetzt unser Universalismus nicht länger

in die vagen Allgemeinheiten einer hohlen

Allerweltsphilosophie,

sondern

rafft sich zusammen zu einer ewigen Sache der Menschheit in der des Volkes

und Vaterlandes,

da

gerade für den,

dem es

mit der Menschheit ganzer

Ernst ist, den Weg zu ihr allein durch Volk und Vaterland geht."

So

gilt es dies deutsche Wesen zu behaupten und immer

mehr herauszuarbeiten.

„Irre man sich nicht, es gibt keine andere

Rettung für Deutschland, als daß es sein von dem der anderen grundver­

schiedenes Wesen rein und fleckenlos in sich selbst herauszuarbeiten bemüht

bleibt."

Dann aber, hofft Natorp,

werden andere Völker uns folgen, zum

wesentlich gleichen Ziel auf gleichen Wegen streben, und der Tag des Deut­ schen wird der Tag des Friedens sein.

„Wir spüren das Morgenwehm

eines neuen Tags nicht bloß für Deutschland, sondern für die Menschheit.

Mag er blutrot aufgehen, mögen dichte Nebel noch von den Tälern hinan­

streben, bleiblich.

dem Siege des Lichts zu wehren

— er kommt,

er kommt unaus­

Wir aber grüßen ihn mit einem Jauchzen, wie der Gebirgssohn

vom sonnenbeglänzten Gipfel die erwachenden Täler grüßt." Welchem von beiden Pädagogen sollen wir folgen, wenn wir Gesichts­

punkte für die Neugestaltung unseres deutschen Bildungswesens in idealisti­

schem Geiste suchen?

Sollen wir Foerster oder Natorp folgen?

In einem

Punkte kann man beiden nur restlos zu stimmen, nämlich in dem Punkte,

in

dem sie selber einig sind,

der Pädagogik. Natorp

in der idealistischen Grundlegung

Foerster betont dabei mehr die Persönlichkeitskultur,

die Gemeinschastsbildung, doch sind das ja, bei näherem Zusehen,

nur die zwei Seiten derselben Sache, Geisteswesen.

der Bildung

des Menschen zum

Was Persönlichkeit ist, hat Foerster klar erkannt und treffend

definiert, so kann er uns die Ziele idealistischer Willensbildung weisen.

Sinne Foersters habe ich selber früher bestimmt:

Im

„Das Ziel der Persön-

*) Meine eigenen Äußerungen zitiere ich nach meinem Buch Grundlinien einer

deutsch-idealistischen Pädagogik, Langensalza 1916, I. Beltz.

23 lichkeitsbildung

geht

auf Beherrschung

natürlichen Trieblebens durch

des

sittliche Kraft, auf Erhebung des Menschen zur sittlichen Freiheit."

Das

ist auch durchaus Natorps Meinung, nur daß bei ihm, seiner sozialpädagogi-

die Gemeinschaftsbildung der beherrschende

schen Einstellung entsprechend,

Obergedanke ist.

Doch ist diese ja —

darin sehe ich den Grund, den

Begriff der Sozialpädagogik als leitenden Obergriff abzulehnen — nur möglich durch die Versittlichung der einzelnen Individuen. Regelung des Trieblebens im Maßhalten,

Diese aber erfolgt durch

durch Beherrschung des Trieb­

lebens in der Tapferkeit, durch Zielsetzung für das Triebleben in der Ein­

sicht, durch Gemeinschaftsleben voll Gerechtigkeit.

Natorp hat also durchaus

richtig gesehen, wenn er auf das System der vier alteu Kardinaltugenden zurückgreift.

glaube ich, daß unter dem Geiste des Christentums die

Doch

Tugenden der Treue und der Liebe zur Gerechtigkeit hinzugetreten sind.

Die Gerechtigkeit ist im wesentlichen Gesinnung, die im Mitmenschen den Gleichberechtigten anerkennt, die Treue aber erweist sich in der täglichen Arbeit, die nicht müde wird dem Ganzen zu dienen und für die andern zu schaffen und ihre Vollendung im Opfer findet. Gemeinschaftslebens,

In der Liebe,

die sich bis

aber vollendet sich erst die Sittlichkeit des

zur Feindesliebe steigern kann,

denn in ihr vollendet sich die Selbstlosigkeit, die aller

Arbeit erst die rechte Seele gibt.

In diesem Sinne sagte ich: „Der sittlich

freie Mensch hat einen festen, sich selbst getreuen, auf das Gute gerichteten Charakter, er folgt, ohne nach Lohn zu fragen und nach Anerkennung zu

schielen, dem kategorischen Imperativ, der inneren Stimme der Pflicht.

Drei

Tugenden zumal, Besonnenheit, Tapferkeit und Einsichtigkeit, bestimmen das

Leben des sittlich ernsten,

der Pflicht gehorchenden Menschen . . .

Die

geistige Persönlichkeit fühlt in sich den Drang, mit verwandten Seelen sich zu verbinden, daß sie gemeinsam zum Ideale streben und die Welt dem

Ideale zuführen.

Dazu aber müssen Gerechtigkeit, Treue und Liebe ihr

Schaffen und Handeln bestimmen."

Zustimmung fordert auch Foersters „PädagogikdesVertrauens", die die inneren moralischen Kräfte mobilisieren will, und die die Strafen und den äußeren Zwang möglichst zu vermeiden strebt, die

aber andererseits doch alles bloße „Gehenlassen" verwirft und die Jugend unter den Zwang sittlicher Ideale zu stellen strebt. Es werden durch die Pädagogik des Vertrauens die Übertreibungen der alten Drilldisziplin ebenso glücklich vermieden wie die Einseitigkeiten des modernen Individualismus.

Jene verkannte, daß militärische Disziplin und Schuldisziplin keineswegs das­ selbe sind, daß derjenige die Erziehungsaufgaben mißdeutet, der hier militä­

rischen Drill fordert.

Diese aber muß notwendigerweise die Tendenzen im

Kinde pflegen und entfesseln,

die zu bekämpfen sind, Launenhaftigkeit und

24 Eigensinn.

Darum hat Foerster auch darin recht, daß das beste Mittel der

Willensbildung die sittliche Gewöhnung ist.

der Selbstregierung,

daß

daß sie aus dem eigenen Erleben die Er­

Verantwortlichkeitsgefühl erzieht, kenntnis

ableitet,

Darin liegt ja der hohe Wert

sie durch Übung in der Selbstverantwortung zum

daß Ordnung

besser ist als Unordnung.

demokratischen Schulstaat nach

Freilich müßte

Die Ausgestaltung der Schule zum

man sich hier vor Übertreibungen hüten.

amerikanischem Muster oder gar die völlige

Gleichberechtigung der Schüler neben den Lehrern in der freien Schulgemeinde

sind solche zu verwerfenden Übertreibungen.

Auch darin hat Foerster recht,

daß die Belehrung über sittliche Fragen das sittliche Leben förderlich beein­

flussen kann.

Doch habe ich

Bedenken gegen besonderen Moralunterricht,

wie ihn Foerster wünscht, gegen allzuhäufige Diskussion ethischer Probleme.

Sie können dem Kinde leicht die Meinung des Lehrers äußerlich suggerieren

und es altklug machen. ergeben,

Nur wenn sich solche Unterhaltungen ganz zwanglos

so mögen sie ohne allzu große Breite geschehen.

Sittliches Leben,

In dem gekennzeichneten Sinne sollte

nicht sittliche Lehre ist die Hauptsache.

die idealistische Willensbildung als Weckung geistigen Lebens gepflegt werden. In dieser Grundthese ist Foerster und Natorp in gleicher Weise zuzustimmen.

aber gegen Foerster, wenn er

Schwere Bedenken erheben sich

nun in der Ablehnung von Bismarcks Lebenswerk der Schule besondere kos­

mopolitische Aufgaben zuspricht.

Es ist eine durchaus irrige Konstruk­

tion, den christlicher mittelalterlichen Universalstaat in Gegensatz zu stellen zum

Auch der mittelalterliche Staat ist Macht­

heidnischen neuzeitlichen Machtstaat. staat gewesen.

Die Einigung der Nation im Universalreich Karls des Großen

erfolgte und war nur möglich durch rücksichtslose Machtpolitik.

Die Einigung

festzuhalten war die Hauptaufgabe der ganzen mittelalterlichen Machtpolitik. Der universalistisch gestimmte Föderalismus

schlossenen

Ausland gegenüber in

das

aber führte dem national ge­

Elend des Dreißigjährigen Krieges.

Alle späteren Bemühungen um eine nationale Einigung suche des ohnmächtig gewordenen Deutschtums.

im Rahmen des Bi-marckschen Werkes gelungen, kulturelle Ohnmacht Deutschlands der

„blutigen Lösmg

sind Rettungsver­

Wären sie nicht wenigstens so wäre die staatliche und

verewigt gewesen.

in der Bismarckschen Ära"

Wenn Foerster statt

eine organische Weiter­

entwicklung der altm deutschen Vergangenheit für besser hält, eine unklare Redensart, solange nicht klar gesagt wird,

standen

wird, und wie das gemeint ist.

so bleibt das

was darunter ver­

Wenn er aber aus der Heiligen

Schrift die Richtlinien für die moderne Realpolitik gewinnen will, so ver­ liert er über einett schönen Ideal

Auge.

Die Durchfthrung des

die rauhe Wirklichkeit völlig

aus dem

christlichen Ideals setzt jedenfalls seine Be­

jahung auch auf de: Gegenseite voraus.

25 Gewiß hat Foerster darin recht, daß wir die Lehren des Welt­ krieges uns zur Verinnerlichung dienen lassen sollen, und daß wir die

Idee der Menschheit niemals verlieren dürfen,

das aber braucht noch nicht

dazu zu führen, daß Kosmopolitismus und Pazifismus in unseren Schulen eine Heimstätte und ein Betätigungsfeld finden.

Von Siegeskoller sind wir

im deutschen Volke wirklich weit entfernt, der macht sich auch in unsern

Schulen nicht breit, aber die Freude an den Taten unseres Heeres wollen wir uns nicht schwächen lassen.

nicht dämpfen.

Die wollen wir auch bei unserer Jugend

Daß unsere Feinde große Kulturleistungen aufzuweisen haben,

ist auch während des Krieges in unsern Schulen niemals verschwiegen worden.

Vornehmlich aber hat doch wohl die Schule die Aufgabe, ein gesundes National­

gefühl zu pflegen.

In diesem Sinne sagte ich:

„Wir wollen die Jugend

in den Strom des vaterländischen Lebens eintauchen,

sie zu den Quellen

unserer nationalen Kraft führen, und aus ihnen ihr inneres Leben speisen.

Liebesgefühl und Hingabefreudigkeit, Pflichtgefühl und Verantwortlichkeitsgesühl gegenüber dem eigenen Volke wollen wir in ihr wecken und pflegen."

Im Gegensatz zu der weltbürgerlichen Erziehung, wie sie Foerster be­ fürwortet, verdient daher die staatsbürgerliche Erziehung, wie sie

aus Natorps Thesen folgt, Zustimmung.

Natorp hat ganz richtig gesehen:

Weltbürger kann man nur als Staatsbürger sein.

Deshalb ist der mecha­

nische Pazifismus zu bekämpfen und entschlossene Behauptung des eigenen Volkstums zu fordern.

Es muß daher alle idealistische Bildung ein natio­

nales Gepräge bekommen,

freilich ohne chauvinistisch verengt zu werden.

In diesem Sinne ist Bismarck unser Erzieher geworden.

In diesem Sinne

ist die deutsche Kultur der Höhenweg der Menschheitsbildung.

Wir Deutschen

sind dessen gewiß, daß lvir in unsrer deutschen Kultur Höheres, Größeres

und Edleres haben, als andere Kulturen uns zu bieten vermögen.

Wir

glauben deshalb auf dem richtigen Wege zum echten Menschentum zu sein. Jst's aber so, dann brauchen wir Erben von Bismarcks Werk bei aller Be­ reitwilligkeit das Große und Gute auch in andern Kulturen und bei andern Völkern zu sehen und anzuerkcnnen, doch eine bewußt deutsche Erziehung

und eine ausgesprochen deutsche Schule, in denen wir die eigentümliche Größe des deutschen Wesens unsrer Jugend anschaulich nahebringen. Des­ halb soll das deutsche Bildungswesen nicht weltbürgerliche,

sondern staatsbürgerliche Erziehung, humane Bildung in

nationaler Prägung vermitteln.

Wie das näher zu verstehen und

durchzuführen ist, soll im folgenden dargetan werden.

26

Das Problem der Kulturschule. In

dem Ausdruck Kultur schule findet das Wesen und die Aufgabe

der Schule ihren klaren, bestimmten Ausdruck: Die Schule steht im Dienste der Kultur, damit dient sie demselben Ziele, dem alles Wirken und Arbeiten

der Menschen

an sich

Ausdruck Kulturschule

gefordert

Pädagogen

eigenen Wirken

selber und an anderen zustrebt.

Es kommt in dem alle großen

das zur Geltung und Betonung, was

und,

erstrebt

wenn

haben.

sie

praktisch

tätig

mit ihrem

waren,

Wenn der feinsinnige Humanist Rudolf

Agricola von dem Schulwesen seiner Zeit nicht viel wissen wollte, so geschah

das deshalb, weil nach seinen eigenen Worten die damaligen Schulen etwa„Herbes,

und

zu

Mühseliges, Unerquickliches,

traurig und

widerwärtig anzusehen

betreten mit ihren ewigen Prügelszenen, ihren Tränen und ihrem

Geheul, einem Kerker zum Verwechseln ähnlich" waren,

weil sie also keine

Auch Comenius war mit dem Schulwesen seiner Zeit

Kulturschulen waren.

alles andere als zufrieden, deshalb forderte er eine nachdrückliche Schulreform

und steckte den Schulen das hohe Ziel „Werkstätten der Menschlichkeit" zu fein.

„Weise hat der

gesprochen,

welcher sagte,

es seien die Schulen die

indem sie nämlich bewirken,

Werkstätten der Menschlichkeit,

daß der Mensch

wahrhaft zum Menschen werde, d. i. das vernünftige Geschöpf, das die Ge­

schöpfe, auch sich selbst beherrschende Geschöpf, das Ebenbild und die Freude

seines Schöpfers."

Kulturschule sollten die Gymnasien der alten Neuhuma­

nisten sein, die durch den Geist des Griechentums wahre Menschlichkeit ver­

breiteten, denn das Griechentum galt ihnen als die Vollerschließung, als die absolute Offenbarung

des reinen

Menschentums.

„Aus den Werken

der

Griechen spricht der Dämon der Menschheit rein und verständlich zu unS."

Und wenn Herbart fordert,

daß der Unterricht das sechsfache Interesse er­

wecke und dadurch die „Charakterstärke der Sittlichkeit" fördere, auch

aber,

er sich

zum Ideal der Kulturschule.

die wirklich Anspruch darauf haben, gehört zu werden,

anderes,

als das

Schlacken befreien, „Werkstätten der

so bekennt

Alle modernen Schulreformer

wollen nichts

gegenwärtige Schulwesen von den ihm noch anhaftenden damit unsere

Menschlichkeit",

Schulen

im Vollsinn

d. h. Kulturschulen.

des

Wortes sind

So steht also

der,

welcher für die Idee der Kulturschule eintritt, in einer langen geschichtliche»

Reihe von Gesinnungsgenossen. Das Problem der Kulturschule tut sich aber erst dem auf,

der de»

Inhalt und Umfang des Begriffes Kultur zu bestimmen versucht, denn solche

Begriffsbestimmung muß der Erörterung des Problems der Kultur sch ule vorhergehen.

Damit aber stehen wir vor keiner leichten Aufgabe.

Der Begriff der Kultur im Vollsinn des Wortes begegnet uns zuerst

27

bei Herder.

Die Kultur hat bei ihm

Entfaltung und Harmonie aller Kräfte

in

der menschlichen Freiheit äußern,

das Ziel

der Humanität,

des Menschen.

die volle

Da diese sich aber

so ist diese dem Kuliurbegriffe wesent­

Nach Kant ist Kultur „die Hervorbringung der Tauglichkeit eines ver­

lich.

nünftigen Wesens zu beliebigen Zwecken überhaupt,

heit".

Fichte

folglich in seiner Frei­

aber bestimmt die Kultur als „Übung aller Kräfte auf den

Zweck der völligen Freiheit,

der völligen Unabhängigkeit von

nicht wir selbst, unser reines Selbst ist".

allem,

was

Der Kern dieser Gedanken ist

die Auffassung, daß Kultur — im Gegensatz zur bloßen Zivilisation — ein Bilden von innenher, eine Entfaltung der innersten Wesensart des Menschen ist.

erklärt es

So

sich

denn auch,

daß in diesem Zeitalter des deutschen

Idealismus Begriffe wie Bildung, gebildet,

die nichts anderes besagen wollen,

die Gebildeten häufig werden,

als daß das innere Wesen des Menschen

So erklärt es sich auch, daß der im idealistischen Geiste Kants *)

entfaltet ist.

philosophierende Schweizer Pädagoge Pestalozzi sich das Problem stellt, was der Mensch in seinem innersten Wesen sei, um von hier aus das Bildungs­

problem als

die Frage

nach der Erhebung zur Humanität in Angriff zu

nehmen. In der Gegenwart haben besonders die Vertreter des deutschen Idealis­

mus, Neukantianer und Euckenianer, das Problem der Kultur zur Diskussion

gestellt und wie

etwa

sind vom Kulturproblem zum Bildungsproblem fortgeschritten,

an Natorps Sozialpädagogik und an Buddes Noologischer Päd­

agogik deutlich wird2).

Im Sinne der Neukantianer, ich denke besonders an

Natorp und Windelband, kann man etwa sagen: der Schöpfungen des

menschlichen

Geistes.

Kultur ist der Inbegriff

Es liegt darin unbedingt ein

starker Wahrheitsgehalt, denn Kultur ist Aktivität, ist Arbeit, Selbsttätigkeit, unendlicher Fortschritt.

denn Kultur ist auch

müssen

also

Aber diese Definition ist doch

wiederum zu eng,

Innerlichkeit, ist Ruhe, Abhängigkeit,

den neukantischen Kulturbegriff erweitern.

Besitz.

Wir

Das soll nun in

Kürze im folgenden andeutungsweise geschehen.

Auch Eucken erkennt, handelt sich

daß Kultur Geistestat des Menschen ist.

„Es

bei der Kultur um die Verwandlung des menschlichen Daseins

in Tätigkeit, es handelt sich um die Bildung einer neuen Lebens­ stufe gegenüber der untermenschlichen Natur; der Mensch begnügt sich nicht

damit,

in einem gegebenen Dasein dieses oder jenes zu seinen Gunsten zu

verschieben, sondern er bildet einen neuen Lebensstand und gewinnt in solchem

*) Vgl. meinen Aufsatz Pestalozzi und Kant, Deutsche Schule, 1913.

2) Zu vergleichen wären auch die anderen Schriften Buddes

Beyer & Söhne.

im Verlage von

Vgl. auch mein Buch Pädagogische Charakterköpfe, Frankfurt a. M. 1916.

28 Bilden ein stolzes Gefühl der Größe und Überlegenheit über alles, was um

sieht nun sehr richtig,

ihn liegt."

Aber Eucken

Bestimmung

der Tätigkeit

daß die bloß formale

Sinn des Kulturschaffens nicht genügend

den

bestimmen kann, er fordert deshalb eine inhaltliche Bestimmung des Kultur­

begriffes *).

„Die Behauptung verwandelt sich sofort in eine Frage, sobald

wir den vagen Begriff der Tätigkeit näher bestimmen und damit das eigen­

genauer fassen möchten;

tümliche Werk des Menschen

das aber ist unent­

behrlich, wenn ein wesentlich neuer Lebensstand aus der Arbeit der Menschheit

hervorgehen und ihr Handeln ein festes Ziel haben soll."

Entsprechend der

Unterscheidung von Natur und Geist in seiner Philosophie sieht Eucken die inhaltliche Aufgabe der Kultur darin, daß die Ideale der Geisteswelt ver­ wirklicht werden. Für die Ideale dieser Geisteswelt kann sich a^er nur der

einsetzen,

der zuvor von

der Geisteswelt ergriffen ist.

Vor aller Tätigkeit

steht daher die Innerlichkeit, vor der Freiheit die Gnade, vor dem Erkennen und Schaffen das Erleben.

Kultur ist im Sinne Euckens Geistes­

erlebnis und Geistesdienst.

Dieser Gedanke scheint mir annähernd

das zu sagen, was zur sachlichen und zur formalen Bestimmung des Kultur­

begriffes dient. Neben

oder

besser noch

über den Welten des Physischen und

Psychischen steht die Welt der Werte.

des

In Wissenschaft, Sittlichkeit, Kunst

und Religion erlebt und gehorcht der Mensch Nötigungen, denen er unbedingt folgen muß, wenn er nicht Wissenschaft, Sittlichkeit, Kunst und Religion in

Frage stellen will.

Diese Werte sind

anderen Werte und Wertungen.

absolut,

sie sind

der Urquell aller

Die Philosophie als Wertwissenschaft ist

darum bemüht, die „Geltung" dieser Werte zu ermitteln und ihren systema­ tischen Zusammenhang zu erfassen.

Freilich setzt alles Nachdenken und alle

Anerkennung der Werte ein Werterlebnis voraus.

erlebnis

Deshalb ist das Wert­

die eine Inhaltsbestimmung der Kultur. — In der Geschichte er­

leben wir die Wertverwirklichung. schen Charakter.

Alles geschichtliche Leben zeigt teleologi­

Die Geschichte ist also die zielsichere Durchsetzung und Ver­

wirklichung von Werten, die empirische Geschichte mit ihrer Tatsachenwirklich­

keit ist die Offenbarungsstätte

des absoluten Geistes,

der der Hintergrund,

die treibende Kraft und das bestimmende Ziel alles individuellen Lebens ist. Wertverwirklichung ist daher die zweite Inhaltsbestimmung der Kultur.

sagen wir zusammenfassend: Kultur ist Werterlebnis und

verwirklichung,

deshalb kann und

muß

So

Wert­

alle wahrhafte Bildung

auf

Werterlebnisse und Wertverwirklichungen abzielen. *) Vgl. Eucken, Geistige Strömungen der Gegenwart, 5. Ausl., S. 225 ff.

Vgl.

auch mein Buch Rudolf Euckens Werk, 3. Kapitel: Das Kulturproblem (Leipzig 1913,

I. Klinkhardt).

29 Sind diese Bestimmungen des Begriffes der Kultur zutreffend, dann

folgt daraus die Bestimmung des Begriffes der KuLturschule.

Die Kultur­

schule ist dasjenige Institut, das durch seine Arbeiten und Methoden Werterlebnisse

Hervorrufen und zur Wertver­ Freilich bedarf der Begriff des Wertes

wirklichung aufrufen will.

noch der Differenzierung, um daraus die differenzierten Aufgaben der Kultur­ schule zu bestimmen.

Philosophie als Metaphysik zeigt, daß der Ur- und Grundwert aller Werte der absolute Geist ist, man kann auch sagen: die Norm aller

Normen, das Apriori aller Aprioris, der ureine Sinn aller Sinnzusammen­

hänge.

Wo immer wir Werte erleben, wo immer wir um die Verwirk­

lichung von Werten in Wissenschaft, Sittlichkeit und Kunst bemüht sind, da

sind wir von der Kraft des absoluten Geistes ergriffen.

Geschichtlich wird

der absolute Geist offenbar als subjektiver und als objektiver Geist. geistigen Persönlichkeit,

In der

die in den Werterlebnissen die Engen und Hem­

mungen des individuellen Lebens überwindet und überwunden hat, wirkt der

In den großen Wertverwirklichungen, in Wissenschaft, Sitt­

subjektive Geist.

lichkeit, Kunst und Religion, wird der objektive Geist offenbar.

So soll die

Schule, will sie Kulturschule sein, in die Offenbarungen des objektiven Geistes

einführen (materielle, sachliche Bildung), um dadurch den subjektiven Geist zur Entfaltung zu bringen (formale, persönliche Bildung). Die Offenbarungen des absoluten Geistes, subjektiver Geist und objek­ tiver Geist, weisen nun aber, da sie sich in geschichtlicher Entwicklung ent­ falten, geschichtliche Differenzierungen auf, ich meine die Differenzierung nach

nationalen Bestimmtheiten. mannigfaltiger

Der

Urwert,

nationaler Prägung.

Das

der

ist

Lebensgrund

doch

erscheint

in

wohl der Sinn des

Rankeschen Gedankens, daß Gott der Idee der Menschheit Ausdruck gegeben hat in den verschiedenen Nationen, und des Hegelschen Wortes, daß die Nationen den Thron des Weltgeistes umstehen als Zeugen und Zierden

seiner Herrlichkeit.

Es kann diese Erwägung nicht ohne Einfluß bleiben auf

die Gestaltung des Inhaltes der Kultur und der Kulturschule.

Alle Kultur

wird matt und jede Kulturschule lahm, wenn ihr die nationale Prägung fehlt.

Deshalb muß alle Kulturbildung Nationalerziehung, jede Kulturschule

Staatsschule sein, sofern im Kulturstaat der nationale Gehalt zum objektiven

Ausdrucke gelangt.

Damit aber haben wir die abschließende Bestimmung

des Bildungsideales der Kulturschule erreicht.

Die Kulturschule hat

die Aufgabe, durch persönliche und sachliche Bildung humane

Bildung in nationaler Prägung zu vermitteln, d. h. zum Erlebnis national geprägter Werte zu führen und für den Dienst dieser national geprägten Werte zu begeistern.

30 Die begriffliche Erörterung dieses Bildungsideales muß die Aufgaben der

und der nationalen Bildung

humanen

auseinanderlegen und nach­

einander betrachten, während das praktisch-pädagogische Schaffen in der Ein­ der

heitlichkeit

wieder aufhebt.

pädagogischen

Wirksamkeit

die

begriffliche

Differenzierung

Wir erörtern daher die beiden Fragen: Wie erziehen wir

in der Kulturschule zur Humanität?

Wie bringen wir das eigentümlich

Deutsch-Nationale in der Erziehung zur Geltung? Wir wollen durch die Kulturschule den Menschen zum Menschen bilden, ihn befähigen Mensch zu sein.

vorangehen.

Menschheitsbildung soll aller Begriffsbildung

In diesem Sinne gilt noch immer das schöne Wort Rousseaus:

„In der natürlichen Ordnung, wo alle Menschen einander gleich sind, ist

ihr gemeinsamer Beruf echte Menschen zu sein; und wer für diesen Beruf

gut erzogen ist, kann auch diejenigen, ausfüllen, die sich damit vereinigen

Wenig kümmert es mich, ob man meinen Zögling für den Soldaten­

lassen. stand,

für die geistliche oder für die richterliche Laufbahn bestimmt.

Vor

der Wahl des Berufes hat die Natur ihn dazu berufen Mensch zu sein. Leben heißt die Kunst, die ich ihn lehren möchte.

Ich gestehe,

daß er nach meiner Erziehung weder Magistratsperson, noch Soldat, noch Priester sein wird, vor allem wird er Mensch sein.

muß, auf den Gletschern Islands können."

Er wird, wenn es sein

oder auf Maltas glühenden Felsen leben

Der wahre Mensch aber ist zum Erfassen und Durchsetzen deS

absoluten Geistes befähigt.

So gilt es, auf theoretischem Gebiete Anschauen

und Begreifen zu pflegen, denn nur durch das Zusammenwirken von intuitio

und ratio kommt Erkenntnis zustande.

Auf praktischem Gebiete aber wird

Anschauen und Handeln zu pflegen sein, denn erst in der Selbsttätigkeit vollendet sich der praktische Geist. Wir fragen zunächst: Wie befördern wir das Erlebnis der Werte?

Durch die Anschauung werterfüllter Wirklichkeit. Problem

Wir stehen damit vor dem

der materialen, der sachlichen Bildung.

Je um­

fassender und tiefer das Wissen eines Menschen ist, desto weiter ist er un­ zweifelhaft auf dem Wege der humanen Bildung vorgeschritten.

Aber nur

das Wissen ist von Bedeutung, das werterfüllt ist, das vorausgerichtete Kraft

hat.

Freilich soll damit nicht gesagt sein, daß alle Kenntnisse im späteren

Leben praktisch zu etwas benutzt werden können, sondern daß sie sich irgend­ wie als lebendige Bausteine für die Weltanschauungsbildung erweisen, daß sie sich in Bewußtsein und Tat des Menschen lebendig erweisen.

So wird

die Stoffauswahl für den Jugendbildner zur ernstesten Gewissensfrage. die Schule ist Kultur schule, die werterfüllten Wissensstoff bietet.

Nur Einzel­

heiten hierüber gehören in ein System der wissenschaftlichen Pädagogik.

Hier

sei nur betont, daß natur- und geisteswissenschaftliche Stoffe, humane und

31 Nationale Stoffe,

zu berücksichtigen

Stoffe vorherrschen sollten.

sind,

wobei die geisteswissenschaftliche«

Dann wird durch diese Stoffauswahl der Grund

gelegt zur deutschen Kulturschule. Alle sachliche Bildung ist aber nur dann möglich,

wenn sie unterstützt

und getragen ist von der formalen Bildung, denn alle Kenntnisse ohne Wir stehen hier an der Schwelle des Arbeitsschulproblems,

Können sind tot. von

dem

im nächsten Abschnitt besonders zu reden sein wird.

Es handelt

sich darum, daß am gegebenen Stoff das eigene innere Leben des Zöglings,

sein Erkennen, sein sittliches Wollen, sein Schönheitssinn, sein religiöses Leben geweckt

werde, kurz

gesagt,

die vier Grundrichtungen des menschlichen

daß

Bewußtseins zu lebendiger Aktivität gebracht werden.

Das menschliche Erkenntnisvermögen ist in seinen beiden grundlegenden Funktionen, dem A n s ch a u e n und dem Begreifen, zu schulen, denn alle

Erkenntnis

begriffsmäßige

ist

Erfassung

des

deutlich

schauten, des äußerlich Geschauten in der Naturwissenschaft,

So gilt es zunächst die Flüchtigkeit

Geschauten in den Geisteswissenschaften.

auf besonders

des unwillkürlichen Aufmerkens

treuen Stetigkeit der willkürlichen,

Ge­

des innerlich

auffällige Erscheinungen zur

beabsichtigten Aufmerksamkeit zu erheben,

die über bloße Totalauffassungen zur Gesamtheit der einzelnen Teilauffassungen

strebt.

Die Übung des Gedächtnisses sei bestrebt, die Dispositionen zu fördern,

die das Wiederauftreten gehabter Vorstellungen auch ohne äußeren Reiz in

möglichster Treue Anschauens und

Aber

gewähren.

Reproduzierens

wir müssen über die Stufe des bloßen

des

früher Angeschauten,

mit denen sich

die erste Bildung hauptsächlich beschäftigt, hinaus, wir müssen zur selbständigen

Urteilsfähigkeit erziehen.

Gerade die Erziehung zur ruhigen Überlegung, zur

klaren Begriffsbildung, zum richtigen Urteilen, zum sicheren Schließen gehört zu den Hauptaufgaben, nein, ist die Hauptaufgabe der intellektuellen Bildung.

Analog

auf den anderen Gebieten.

liegen die Dinge

Immer gilt es

Leben und Erkennen zur Synthese zu bringen, niemals über dem Leben das Erkennen vergessen,

niemals

bloßen Begriffen oder

aber aus

das Leben erzeugen zu wollen.

sittlichen Tatkraft die Anschauung

voran.

Wollens sollen und werden den Sinn und

Leben wecken,

ohne daß viel

gar Worten

So stehe auch in der Erziehung zur Große Vorbilder sittlichen

die Begeisterung

moralisiert wird.

für sittliches

Das sittliche Vorbild des

Lehrers vor allem und Anschauung sittlicher Taten im geschichtlichen Leben sollten

den Sinn für sittliches Leben,

Wollen in der Jugend

wecken.

für reine Gesinnung und tatkräftiges

Dann

freilich wird

das Nachdenken und Erkennen einsetzen müssen. daß über jedes

sittliche Vorbild

auch hier die Lehre,

Freilich nicht in dem Sinne,

viel Worte gemacht werden,

Sinne, daß man über Aufgabe und Bestimmung des Menschen,

aber in dem

der sittliche

32 Persönlichkeit und

soziales Wesen ist,

„denken"

Pflichten

mit der Jugend

Allerdings

lehrt.

redet und sie ihre

wird darauf sorgfältigst Bedacht ge­

daß alle sittliche Erkenntnis stets aus dem Leben

nommen werden müssen,

erwachse, sonst verfallen wir dem Rationalismus. Die Fragen der Kunsterziehung

Jahren

in

besonders

in den letzten

den Mittelpunkt des Interesses der pädagogischen Welt gerückt

Wir dürfen die künstlerische Bewußtseinsfunktion nicht

Mit Recht!

worden.

sind

verkümmern lassen,

besonders Wortkunst und Bildkunst sollen, möglichst in

ständiger Wechselwirkung, vielfach zur Unterstützung der wissenschaftlichen Er­

kenntnis, zur Geltung und zum Genuß kommen. Das Dicht­

Wortkunst und Bildkunst sollen sich gegenseitig ergänzen.

durch Bildkunst in seiner Wirkung wesentlich zu fördern.

werk ist vielfach Auch

der wissenschaftlichen Erkenntnis kann die Bildkunst, ebenso

die

Schriften und aus reformatorischen

Geisteslebens nicht bloß aus Luthers

Kirchenliedern kennen lernen.

brandts

wie

Wir können z. B. das innere Leben protestantisch-deutschen

Wortkunst dienen.

Meisterwerken

Eine

von Dürers und Rem­

Betrachtung

das Verständnis der Reformation wesentlich

wird

Der Musikverständige wird hier aus seinem Interessengebiet Bei­

fördern.

spiele zu nennen wissen.

Auch

auf dem Gebiete der Kunsterziehung

Anschauung vor dem Begriff.

der

Vor allem kommt es darauf an,

durch sorgfältige Anleitung zum richtigen „Sehen",

Motive,

künstlerischen

Die

Kunstbetrachtung soll der Kunstgeschichte und

der ästhetischen Theorie vorangehen.

Jugend

gilt die Forderung:

die

zum Auffassex

auch der künstlerischen Methoden zu

erziehen.

Dann mag Kunstgeschichte und Theorie das bisher Gewonnene zusammen­ fassen und in großen Zügen einem System einordnen.

Wortkunst gilt ebenfalls der Grundsatz: erst Anschauung.

und hören lernen. ehe

Für das Gebiet der

Hier heißt es lesen

Erst müssen künstlerische Eindrücke gewonnen werden,

ästhetische Erkenntnisse möglich

sind.

Aber dann gilt es,

das Ange­

schaute zum Begriff zu erheben, die großen Gesichtspunkte und Gesetze, den

Künstler bestimmen und bestimmen müssen, herauszuarbeiten *).

letzte Zweck aller Kunsterziehung darf nicht der sein, das

wäre Verwechselung

Fachschule

und

von Berufsbildung

Kulturschule.

Aufgabe

und

die

Der

Künstler zu bilden,

Menschenbildung,

der Kunsterziehung

ist

es

von

viel­

mehr, die ästhetische Bewußtseinsfunktion derart zu bilden und die Kenntnis von

schönen Gegenständen derart zu fördern,

den

Geist des

daß der Mensch befähigt ist,

Schönen zu verstehen, innerlich und lebendig teilzunehmen

*) Ich gehe hier auf Zeichnen, Singen, Turnen nicht weiter ein. Prinzipiell liegen hier die Dinge ebenso: Vom Erleben zum Erkennen, vom Anschauen zum Begriff. Die Theorie gehört auch hier ans Ende.

33 am Leben der Kunst,

gern in

sich

großen Meisterwerke zu versenken,

ihre

So soll der Geist des Schönen

um aus ihnen innere Erhebung zu schöpfen.

ebenso wie der Geist des Wahren und Guten uns von der Animalität zur

Humanität, von der Natur zur Kultur erheben. Die humane Bildung vollendet sich in der religiösen Erziehung. Große Pädagogen wie Pestalozzi und Herbart haben die religiöse Erziehung

der sittlichen

bzw. eingeordnet,

unter-

es hängt das damit zusammen,

bei ihnen die Religion auf die Ethik gegründet wird. unter psychologischem form

Gesichtspunkt

daß

Nun ist aber Religion

betrachtet eine besondere Bewußtseins­

Menschen, unter erkenntniskritischem Gesichtspunkt angesehen ein

des

dem

besonderer Kulturwert,

ein besonderes Apriori eignet*).

Wir müssen

der Religion im System der Philosophie ihre volle Selbständigkeit wahren

und im System der Pädagogik der religiösen Erziehung ihre volle Selb­

In der Pädagogik der Gegen­

ständigkeit gegenüber der sittlichen Erziehung.

wart

sehe ich

diesen

Gedanken nirgends durchgeführt, und

doch halte ich

seine Durchsetzung gegenüber den dem Religionsunterricht feindlichen Strö­ mungen für unbedingt notwendig.

selbständiges

Da die Religiosität ebenso ein besonderes,

psychisches Phänomen ist wie Denken, Fühlen und Wollen, da

die Religion ebenso einen besonderen, selbständigen Wert vertritt wie Wissen­

schaft, Sittlichkeit und Kunst, so muß die Kulturschule (auch ohne Konfessions­ schule zu sein)

in

der Bildung zur Humanität diesen Wert ganz voll und

unverkürzt zur Geltung und Entfaltung bringen. Auch

hier

irgendeinem denn der

ist von

der Anschauung auszugehen.

Sorgfältiger als auf

anderen Gebiet müssen wir uns hier vor Rationalismus hüten,

Rationalismus ist der Tod

aller wahren Religion'^).

Niemals

kann sich aus Lehren, aus Dogmen, auch nicht aus Katechismussätzen Religion

Religion entzündet sich immer nur am Anschauen und Miterleben

entwickeln.

religiösen Lebens.

anschaulich religiösen

Die persönliche Religiosität des Lehrers und die Gewalt

dargestellten religiösen Lebens, Lebens,

werden

zu Weckern

christlichen und außerchristlichen

für die Religiosität der Jugend.

Voran wird die Gestalt Jesu zu stellen sein,

x) Vgl.

des

größten Zeugen und

zur näheren Begründung dieser Gedanken meine beiden Bücher

Das

Problem der Religion in der Gegenwartsphilosophie, Leipzig 1917, I. Klinkhardt. —

Die wissenschaftliche Vertretung

des Christentums in der systematischen Gegenwarts­

theologie, Langensalza 1917, K. Dietmar. 2) Sehr schön und treffend sagt Wobbermin (Zeitschrift für Theologie und Kirche,

1917, S. 320): „Die Religion rationalisieren heißt die Religion als Religion vergewal­ tigen, ja es heißt, die Religion als Religion aufheben.

Rationalisierte Religion ist nicht

mehr urwüchsige, echte und lebendige Religion, sondern ein Kunstprodukt, das sich um so mehr von wirklicher Religion entfernt, als die Rationalisierung zunimmt." Kesseler, Weltbürgerliche und staatsbürgerliche Bildung.

3

34 Hinzu kommt die Kenntnis vom Werden und

Propheten religiösen Lebens. von

auch

der Religion in Geschichte und Gegenwart.

der Bedeutung

Hier sind

außerchristlichen Religionen in umfassenderer Weise als bisher in

die

den Lehrplan einzustellen.

Abschließend ist zur Begriffserkenntnis aufzusteigen.

Wesen und Wahrheit der Religion, besonders des Christentums sind zu er­

örtern,

und diese Erkenntnisse sind in ruhiger, systematischer zu vertreten und zu

religionsfeindliche Strömungen

dieser weitblickenden,

nichts

wegdeutenden, nichts

Weise gegen Erst in

verteidigen.

vertuschenden Apologetik

findet die religiöse Erziehung ihre Krönung. Damit ist der Kreis der humanen Bildungsgegenstände geschlossen.

vier grundlegenden Bewußtseinsrichtungen, Kunst und Religion wirksam sind,

wenn in

der bezeichneten

dann die Diskussion

die in

Die

Wissenschaft, Sittlichkeit,

kommen zur Geltung und Ausbildung, Über Einzelheiten

Weise Verfahren wird.

eröffnet werden,

mag

wenn nur erst prinzipiell jeder Dann ist die erste Aufgabe

Faktor der Humanität Berücksichtigung findet. der Kulturschule gelöst.

Es harrt eine zweite Aufgabe dann ihrer Erfassung und Lösung. forderten:

Humane Gesinnung

schichtsphilosophie zeigt uns,

Wir

Die Ge­

daß alle Wertverwirklichung auf geschichtlichem

alle Werte stets ein geschichtliches Kleid tragen.

daß

Wege erfolgt,

in nationaler Prägung.

Allge­

meine Menschheitsideale gewinnen im geschichtlichen Leben der Kulturnationen

erst individuelle Gestalt, erst hier werden sie aus blassen Abstraktionen oder aus lebensfremden Idealen zu kraftvollen,

aufrüttelnden Gestaltungen.

So

bestimmte sich die Frage: Wie befördern wir das Erleben der Werte? näher

dahin:

Wie befördern wir das

Erleben deutscher Werte?

Denn für

uns Kinder der deutschen Erde sind die Werte gegeben im deutschen Gewände. Das soll nicht heißen,

zu finden wäre. deutsch,

daß bei anderen Nationen keine Wertverwirklichung

Die absolute Entgegensetzung

von Deutsch und Nicht­

wie wir sie bei Fichte finden, ist nicht möglich.

Dieser Erkenntnis

wird Rechnung zu tragen sein im fremdsprachlichen Unterricht, in der Welt­

geschichte und auch in der Erdkunde.

Hier sind die Werte aufzuspüren, die sich

in fremden Ländern und bei fremden Völkern verwirklicht haben und immer weiter verwirklichen.

Ferne sei es der Kulturschule, bie Weite des humanen

Horizontes zu verengen.

Wohin das

führt,

kann

die französische Kriegs­

pädagogik lehren, von der im Dezemberheft 1916 des „Panthers" die Rede gewesen ist.

Aber wir brauchen als geschichtliche Menschen einen geschicht­

im nichtdeutschen Gewände

lichen Standort,

von dem aus

erfassen können.

Dieser Standort ist der deutsche Geist.

wir die Werte

Daß wir diesen Standort einnehmen, des Blutes und der Geschichte.

ist zunächst gewiß eine Tatsache

Aber wir nehmen

diesen Standpunkt als

35 humane, d. h. als freie Menschen ein und halten ihn aus freier Entscheidung fest, weil wir der Überzeugung sind, daß wir im deutschen Geist dem humanen Geist am nächsten sind, weil der deutsche Geist die schönste und reifste Entfaltung der Humanität ist.

Das ist ja doch der tiefste

Sinn des Wortes, daß am deutschen Wesen noch einmal die Welt ge­

nesen

solle.

Aus

diesem Grunde muß die Kultur schule National-

erziehung treiben. Auch hier gilt wiederum die Forderung:

Begriff.

Von der Anschauung zum

Die Jugend soll die deutschen Werte lieben lernen, um dann

ihren Wahrheitsgehalt zu erkennen.

Die deutsche Heimat in Wirklichkeit

und Dichtung wird auf Wanderungen durch die deutsche Natur und die

deutsche Geisteswelt der deutschen Jugend vertraut!

Wir wollen die Jugend

in den Strom des vaterländischen Lebens eintauchen, sie zu den Quellen

unserer nationalen Kraft führen und aus ihnen ihr inneres Leben speisen.

Da

soll sie lernen die Schönheit der deutschen Heimat, den Ernst und die Ge­

nauigkeit der deutschen Wissenschaft, den kategorischen Imperativ im deut­ schen Pflichtbewußtsein, die Tiefe des deutschen Gemüts, die freie Innerlich­ keit deutscher Religiosität.

Luther, Kant und Goethe sollen ihre Führer sein.

Was aber erlebt ist, soll erkannt werden.

Hier gilt es das Wesen des

Deutschtums zur Erkenntnis zu bringen durch Volkskunde im weitesten Sinne

des Wortes

und durch Abgrenzung gegen andersartige Eigenart anderer

Völker (vgl. z. B. den deutschen Freiheitsgedanken). So führen wir durch die Bemühungen der Kulturschule zum Wert­

erlebnis und von da zur Werterkenntnis.

Dann aber stehen wir weiter

vor dec Aufgabe, die Jugend zur Wertgestaltung und Wert­

verwirklichung, zu aktiver Mitarbeit an der humanen und nationalen Kultur anzuleiten und zu bilden.

Denn Kultur

ist ja, wie wir sahen, nicht bloß Werterlebnis, sondern auch Wertverwirk­

lichung.

Wir werden damit vom unterrichtlich-theoretischen Gebiet auf das

praktische Gebiet im engeren Sinne gewiesen.

Neben die Frage nach dem

Ziel der Kulturschule treten die Fragen nach der Methode und der Organi­ sation der Kulturschule.

Soweit nun die Kulturschule humane Gesinnung

vermitteln will, muß sie Arbeitsschule sein, die aus dem Geiste des

deutschen Idealismus Selbstverantwortlichkeit

heraus durch Selbsttätigkeit zur Selbständigkeit und erzieht.

Soweit

aber

die Kulturschule nationale

Kraft entwickeln will, muß sie Einheitsschule sein, die sich an alle Staatsbürger wendet. „Über die kirchlichen und gesellschaftlichen Gegen­ sätze hinaus ist es die Schule, in deren Organisation sich der Nationalstaat als sittliche Einheit erfaßt" (F. I. Schmidt). Über das Prinzip der Einheitsschule dürfte daher schwerlich Streit entbrennen, wohl aber ist ihre 3*

36 nähere Gestaltung noch Gegenstand heftiger Diskussion.

So führt uns daS

Problem der Kulturschule auf die beiden weiteren Probleme der Arbeits­ schule und der Einheitsschule.

Das Problem -er Arbeitsschule. die zu Werterlebnis und Wertverwirk­

Der Begriff der Kulturschule,

lichung und damit zur Kultur erzieht, schließt den Begriff der Arbeitsschule Das heißt nichts anderes, als daß keine Kultur­

mit Notwendigkeit ein.

ist, sie sei denn Arbeitsschule.

schule möglich

ich

Dabei verstehe

unter Arbeitsschule diejenige Schule, die in ihrer Methode durch das

Prinzip

der Arbeit bestimmt ist.

Arbeit aber ist jede auf Wertver­

wirklichung gerichtete Tätigkeit, sie sei geistiger oder manueller Art, sie ge­ schehe in den einzelnen Unterrichtsstunden oder in besonderen Werkstattstunden. Damit möchte ich meinen Begriff der Arbeitsschule grundsätzlich gegen irrige

Fassungen abgrenzen.

Es kann eine Schule überhaupt keine manuelle Tätig­

keit umfassen und doch Arbeitsschule sein, und es kann eine Schule wer weiß

wie viel manuelle Tätigkeit pflegen und doch keine Arbeitsschule sein.

Der

Streit der Meinungen über den Begriff der Arbeitsschule hat nun aber zur Herausstellung von drei verschiedenen Fassungen des daß es sich um

der Klarheit willen empfiehlt,

Reihe nach kritisch zu beleuchten.

Begriffs geführt,

so

diese drei Auffassungen der

Die erste Fassung der Arbeitsschule fordert

Arbeit als Prinzip, einerlei ob geistige oder manuelle Tätigkeit, sie gründet

also auf der Idee der Selbsttätigkeit, die beiden anderen Fassungen denken dagegen

an

manuelle

Tätigkeit,

unterscheiden sich

aber dadurch von­

einander, daß die eine Richtung manuelle Tätigkeit als Prinzip,

die andere

als Fach fordert. Der Gedanke,

daß

das Arbeitsprinzip

das

Schulwesen

beherrschen

müsse, ist eine Idee, von deren schrittweiser, sieghafter Durchsetzung die neuere

Pädagogik Zeugnis ablegt.

Pädagogen,

In meinem Buche Das Lebenswerk der großen

das den Aufstieg,

den Kampf, den Sieg der großen pädagogi­

schen Leitgedanken ins Licht stellt, habe ich die Durchsetzung der Aktivitäts­

idee bei den großen Pädagogen

eine Wolke von Zeugen.

Bereits

Wissenschaft und Lebensführung.

eingehender beleuchtet.

Da steht vor uns

die Humanisten fordern Spontaneität in Selbständige Forschung, persönliches Er­

lebnis, eigene Entscheidung werden hier die Hauptsache.

Wie Luther auf

ethischem und religiösem Gebiet das Spontane betont und fordert, ist be­ kannt.

Als pädagogisches Prinzip erscheint die Spontaneität, die Erwerbung

von Kenntnissen durch Selbsttätigkeit bei Rousseau.

Zum endgültigen Siege

37 hat diesen Gedanken die idealistische Pädagogik geführt, die in bahnbrechender

Weise

von Pestalozzi eingeleitet,

von Fröbel

und Diesterweg ausgebaut

worden ist und in der Gegenwart von Neukantianern und Euckenianern

vertreten wird.

In diesem idealistischen Sinne hat auch der Sozialpädagoge

Robert Rißmann die Idee der Arbeitsschule bestimmt, der den Gegensatz

zur Arbeitsschule gar nicht in der „Lernschule", sondern in der „AutoriMsschule" sieht.

Prinzip,

das

So ist in diesem Sinne die Arbeit ein wertvolles methodisches

den

ganzen Unterricht durchdringen

und die herkömmliche

Methode umgestalten will.

Die Forderung der Selbsttätigkeit ist ebenso philosophisch wie psycho­ logisch zu begründen.

Alles wahrhaft geistige Leben gründet in ihr, und

alle wirklichen Erfolge werden einzig durch sie möglich.

erleb nis steckt ein Stück Spontaneität.

Bereits im Wert­

Soll aber dieses fruchtbar

werden im Leben des einzelnen und im Leben der Gesamtheit, so ist auch das einzig möglich durch Selbsttätigkeil. Das bringt schon die alte Lebens­ erfahrung zum Ausdruck, daß Übung den Meister macht. Im Tun des Menschen, d. h. in der Anwendung seiner Fähigkeiten, erstarkt der sub­

jektive Geist, daß er mehr und mehr fähig wird, Werte zu erfassen und dann — das ist das Wesentlichere!

lichung einzusetzen.

— seinerseits sich für Wertverwirk­

Durch die Tat, die am Anfang war, führen wir die

Jugend zu Pestalozzis Idealismus: „Ich lebe nicht mir, sondern den Brüdern,

nicht der eigenen Ichheit, sondern dem Geschlechte."

So tritt in der Arbeits­

schule neben das unaufgebbare Ziel der Persönlichkeitsbildung die Gemeinschafts­

pflege, indem alle Tätigkeit letzten Endes der Gemeinschaft zugute kommt. Analog den vier Bewußtseinsfunktionen und der vierfachen Wertdifferen­ zierung hat die Pädagogik auf vier Gebieten und für vier Gebiete die Selbsttätigkeit zu fordern und zu fördern.

dem

wesentlich

Inwiefern der Unterricht,

die Aufgabe der Weckung der Werterlebnisse zufällt,

die

Selbsttätigkeit in Bewegung setzt, mußte bereits oben beim Problem der

Kulturschule erörtert werden, weil in allem Erleben und Erkennen,

wie

auch schon gesagt, ein Stück Selbsttätigkeit

der

steckt.

Daher

wird

in

Arbeitsschule so weit als irgend möglich an der Hand von Quellen die

Anschauung objektiver Wirklichkeit zu vermitteln sein, niemals aber bloße Buchweisheit durch Lektüre oder Vortrag zu übermitteln sein.

Nur selbst­

gewonnene Kenntnisse find etwas wert, nur sie schaffen die psychischen Dis­ positionen zur ständigen Neureproduktion durch das Gedächtnis.

So soll

das Prinzip der Arbeitsschule stets dieses sein: Von den Tatsachen des

Lebens durch selbsttätiges Erleben zu Einsicht und Erkenntnis. Trotzdem würde diese Forderung allein die Notwendigkeit der Arbeits­ schule noch nicht begründen.

Sie hält sich noch im Rahmen des von jeder ver-

38 Künftigen Lern schule zu Fordernden.

Sie ist auch seit den Humanisten

von jeder sachgemäßen Pädagogik gefordert worden.

muß eigentlich

denkt,

die Arbeitsschule ablehnen,

die Arbeitsschule als solche begründet, ist die

Das Neue, was

bietet.

Wer nur an dieses weil sie nichts Neues

Forderung, die durch die Tatsachen des Lebens selbsttätig gewonnenen Er­

kenntnisse nun durch Tätigkeit für die Gemeinschaft fruchtbar zu machen. Deshalb bestimmte ich: Arbeit ist die auf Wert Verwirklichung gerichtete Tätigkeit.

Die beiden wesentlichen Aufgaben, die der Arbeitsschule in diesem Sinne zufallen, sind

und

der Schüler

die Arbeitsgemeinschaft der Lehrer und

die der Selbstregiernng

der Schüler.

Beide Formen der Er­

ziehung — denn auf dem Gebiet der Erziehung liegt die Leistung der

Arbeitsschule —

wollen also den Schüler zum brauchbaren,

d. h. tätigen,

wertverwirklichenden Glied der Gemeinschaft bilden und dadurch dahin wirken,

daß alle bloß äußere und äußerliche Gesellschaft zur inneren und innerlichen Gemeinschaft gestaltet werde.

Insofern die Kulturschule neben der persön­

lichen Bildung durch Werterlebnisse

die soziale Bildung der Wertverwirk­

lichung pflegt, erfüllt sie die besondere pädagogische Aufgabe der Arbeitsschule.

Der Arbeitsgemeinschaft fällt die Aufgabe der Versittlichung der Tätigkeit zu, indem sie lehrt, daß die Arbeit, und zwar jede Arbeit irgend­

wie, dem Wohle der Gemeinschaft dient. fteincr:

„Das Bewußtsein,

In diesem Sinne sagt Kerschen-

daß man eine Arbeit, und wäre es auch die

kleinste und niedrigste,

zum Wohle einer Gemeinschaft ausführt,

angehört, leitet immer

die Versittlichung unserer Tätigkeit ein.

der man

Um dieses

Bewußtsein durch die Schule zu entwickeln und aktionsfähig zu machen, gibt

e§ zunächst kein anderes Mittel als das, Schulbetriebes

im Geiste

welches ich als Organisation des

der Arbeitsgemeinschaft bezeichnet habe."

Natur­

wissenschaftliche Übungen, botanische Exkursionen, überhaupt jedes Zusammen­

wirken mehrerer bei einer Arbeit, also die gemeinsame Erstrebung eines Zieles,

dienen der Überwindung der individuellen Selbstsucht und des stör­

rischen Eigensinns.

Die Jugend lernt sich der Gemeinschaft einordnen, weil

sie an praktischen Beispielen und aus eigenen Erfahrungen erkennt,

Erfolg an der selbstlosen Zusammenarbeit der einzelnen hängt.

daß der

Voraussetzung

für erfolgreiches Gedeihen der Arbeitsgemeinschaft der Kinder ist freilich die

Arbeitsgemeinschaft der Lehrer, die ihrerseits in opferwilliger Arbeitsgemein­ schaft die Ideale der Jugendbildung vertreten und verwirklichen müssen. Noch ausgesprochener als die Arbeitsgemeinschaft der Schüler wirkt die

Selbstregierung in der Richtung der Versittlichung, des Wert-schaffenWolle ns.

Ihr Ziel ist die aus eigener Erfahrung gewonnene Einsicht

der Jugend,

daß Ordnung

besser als Unordnung ist, und daß Gesetz und

39 Ordnung zur Aufrechterhaltung und Regelung des gemeinschaftlichen LebenS

Selbstregierung nennt man

sind.

notwendig

die praktische Mitarbeit der

Kinder an der Versittlichung der Schulgemeinschaft.

Die einfachste Art, die

sich wohl für die Einführung zunächst empfiehlt, bieten Schülervereine u. ä.

Von hier

das

aus kann dann die Selbstregierung in ständiger Erweiterung auf

ganze Schulleben ausgedehnt

Stellenweise hat man sie

werden.

in

Nachahmung amerikanischer Muster bis zum vollendeten Parlamentarismus,

ja in der „freien" Schulgemeinde bis zur völligen Gleichstellung und Gleich­

der Schüler mit den

berechtigung

Lehrern

gesteigert.

Für diese letzteren

Steigerungen, die mir als Auswüchse erscheinen, ist m. E. die Jugend nicht

reif — das Gerede von einer besonderen „Jugendkultur" ist barer Unsinn, denn es gibt nur eine Kultur, in die die Jugend hineinwachsen soll!

in der Arbeitsschule muß die Verfassung

konstitutionell sein!

Auch

Die letzten

Regelungen und Entscheidungen müssen bei den Lehrern stehen.

Nun

ist aber der

Arbeitsschulgedanke

den

über

bisher

gezeichneten

Rahmen hinaus erweitert worden, durch besondere Betonung der manuelle«

Arbeit.

dieser Gedanke hat bereits

Auch

in der Geschichte der Pädagogik

namhafte Vertreter gefunden.

Bei Comenius lesen wir: „Die Kinder bauen

und kleben

Spänen, Holz oder

gern von Lehm,

Steinen Häuser."

Er

fordert, daß die Kinder „von den Handwerken die wichtigeren kennen lernen". Rousseau meinte:

„Wenn ich ein Kind, anstatt es ans Buch zu fesseln, in

einer Werkstatt beschäftige, so arbeiten seine Hände zum Nutzen des Geistes . . .

Der Erzieher bedenke stets, daß eine Stunde Arbeit den Zögling mehr Dinge lehren wird, als er aus einer tagelangen Auseinandersetzung im Gedächtnis behalten kann".

Basedow forderte:

„Wenig Worte und viel Handlungen."

Salzmann sagt: „Sind denn nicht die vornehmsten Werkzeuge des Menschen

Kann man wohl glauben, daß sein Geist vermögend sei, seine

seine Hände?

mannigfaltigen Kräfte zu

äußern, wenn seine besten Instrumente verrostet,

Pestalozzi aber, der Kopf,

wenn seine Hände unbrauchbar geworden sind?"

Herz und Hand bilden wollte, sprach das berühmt gewordene Wort: „Seine Hauptlehre Lehre

muß der Mensch

seines

Kopfes der

bei seiner Arbeit

suchen und nicht die leere

Arbeit seiner Hände vorausgehen lassen."

Er

zeichnet uns das Bild seines Jdealschulmeisters Glülphi: „Alle Tage sah er mehr, wie die

Arbeitsamkeit den Verstand

bildet und

den

Gefühlen des

Herzens Kräfte gibt, wie sie das den Kräften des Lebens tätliche Schweifen der Sinne verhütet und von den Schwächen zurückführt, unser Maulbrechen

über das Tun für das Tun selber anzusehen . . .

Diese höheren Ansichten

über die menschliche Ausbildung waren es, warum er Drehstuhl, Hobelbank,

Nähkissen usw. in die Schule aufnahm."

Pestalozzis Schüler Fröbel äußerte

sich im Sinne des Meisters: „Tätigkeit und Tun sind die ersten Erscheinungen

— im Kmdesleben,



40

im Tätigkeitstrieb offenbart sich das Wesen des Menschen.

Deshalb muß die Erziehung mit dem Tun beginnen, an die Pflege des Beschästigungstriebes muß alles anknüpfen, und aus demselben muß alles

hervorgehen." miteinander

Fichte wollte in seiner Nationalerziehung fernen und Arbeiten verbindens.

„Ein Haupterfordernis dieser meiner National­

erziehung ist es, daß in ihr Lernen und Arbeiten vereinigt sei, daß die

Anstalt durch sich selbst sich zu erhalten den Zöglingen wenigstens scheine, und daß jeder in dem Bewußtsein erhalten werde, zu diesem Zwecke nach

allen seinen Kräften beizutragen.

Dies wird, durchaus noch ohne alle Be­

ziehung auf den Zweck der äußeren Ausführbarkeit und der Sparsamkeit,

hierbei schon unmittelbar durch die Aufgabe der Erziehung selbst gefordert,

teils darum, weil alle, die bloß durch die allgemeine Nationalerziehung hin­ durchgehen, zu den arbeitenden Ständen bestimmt sind und zu deren Er­

ziehung die Bildung zum tüchtigen Arbeiter ohne Zweifel gehört, besonders aber darum, weil das gegründete Vertrauen, daß man sich stets durch eigene

Kraft werde durch die Welt bringen können und für seinen Unterhalt keiner ftemden Wohltätigkeit bedürft, zur persönlichen Selbständigkeit des Menschen

gehört und die sittliche weit mehr, als man bis jetzt zu glauben scheint,

bedingt."

Herbart sprach sich ähnlich aus:

„Die Hand hat ihren Ehren­

platz neben der Sprache, um den Menschen über die Tierheit zu erheben." „Mechanische Fertigkeiten würden oft nützlicher sein als Turnübungen, jene dienen dem Geiste, diese dem Leibe."

Paulsen sagte: „Es wird die öffent­

liche Fürsorge für die Ausbildung der Mädchen in den Künsten der Haus­

haltung, der Knaben in allerlei Handfertigkeit auf die Dauer nicht zu ent­

behren sein."

Rißmann meinte:

„Wir halten es nicht für richtig, daß des

Kindes Tätigkeitstrieb auf das rein geistige Gebiet eingeschränkt bleibe.

Sein

Drang, mit der Hand selbst zu handeln, seine Lust am Bilden und Formen sollte auch von der Schule Berücksichtigung erfahren, und zwar nicht bloß durch den Zeichenunterricht." In allen diesen Äußerungen findet sich noch nicht die scharfe Scheidung,

obwohl sie anklingt, von Werkunterricht und Handarbeitsunterricht, d. h. von

manueller Tätigkeit als Prinzip

und von manueller Tätigkeit als Fach.

Doch hat die Gegenwartspädagogik diesen Unterschied immer schärfer heraus­

gestellt, so daß die beiden Fragen gesondert zu behandeln sind. Bestimmen wir zunächst den Unterschied von Werkunterricht und von

Handarbeitsunterricht.

Jener ist ein wertvolles methodisches Prinzip, das

den ganzen Unterricht durchziehen soll,

deren Stunden zu praktischer Arbeit.

dieser Ausbildung in beson­

Jener ist wirksames Veranschau-

x) Vgl. meinen Vortrag Fichte als Herold des Deutschtums in großer Zeil in meiner Schrift Deutscher Idealismus, Beyer & Söhne, Langensalza 1917.

41 dieser hat

lichungsmittel im Sachunterricht,

bildung von technischer Fähigkeit,

jener ist sch ul technisch, dieser b e ru fs-

technisch, jener strebt nach Vereinfachung,

dieser nach Komplizierung, jener

äußere technische Vollendung, jener

dieser erstrebt

ist typisches Erfassen,

den Selbstzweck der Aus­

will für das Leben bilden (Kulturschule), dieser für den Beruf (Fachschule). Der

Werkunterricht

knüpft

an

Spieltrieb

den

(vgl. das oben genannte Wort des Comenius).

weckt in ihnen Interesse

der Kinder, benutzt ihre physische Unruhe und

durch physische Arbeit.

des Kindes an

Er beschäftigt die Hände

Darin liegt unbedingt ein erziehliches Moment.

Es

soll und darf keine Kraft brach liegen, sie soll in den Dienst der allgemeinen

richts, zu

Zunächst ist der Erfolg

gestellt werden.

Menschenbildung

dem übrigens

auch

die Ausbildung

von physiologischer Bedeutung.

des Werkunter­

der linken Hand

Körperliche

gehört,

Tätigkeit wirkt fördernd

auf die Gehirnbildung und insofern dann indirekt auf das geistige Leben. Besondere Hirnpartien, werden

durch

die sonst wenig

wesentlich entwickelt.

sie

oder gar nicht gefördert würden,

Der Erfolg des Werkunterricht ist

ferner von psychologischer Bedeutung.

unsere Auffasiung von

den Dingen

Durch manuelle Tätigkeit wird

wesentlich

gefördert.

„Alle räumlichen

Vorstellungen bieten sich uns als Formen der Ordnung zweier Sinnes­ qualitäten

dar,

der Tastempfindungen und

der Lichtempfindungen",

sagt

Wuudt, also als Assoziationen, für deren Zustandekommen der Tastsinn, das

Der Erfolg

Tasten, die manuelle Tätigkeit von wesentlicher Bedeutung sind. des Werkunterrichts ist schließlich von logischer Bedeutung.

und

je

klarer,

umfassender und

Je deutlicher

tiesdringender unsere Anschauungen sind,

desto schärfer werden auch unsere Begriffe, desto besser wird unsere Erkenntnis der Gegenstände.

wo

Nach

dem

sich Gelegenheit bietet,

allen soll der Werkunterricht also überall da,

den übrigen Schulunterricht unterstützen,

zum Wort das Zeichen und die Form trete;

damit

er ist also eine psychologische

Maßnahme bei der Pflege des Werterlebnisses und der Wertverwirklichnng. Es ist aber unbedingt nötig, diesen an sich nicht bloß richtigen, sondern

wertvollen Gedanken vor Übertreibungen zu schützen, meintlich Neues leicht ausgesetzt ist.

denen ver­

Es gibt Anhänger des Werkunterrichts,

die die Werkidee zu Tode hetzen, indem sie für jedes Fach,

bei jeder Ge­

legenheit, bei jedem Gegenstand Handbetätigung empfehlen oder gar fordern. Demgegenüber ist mit allem Nachdruck zu betonen,

daß die Geisteswissen­

schaften eine andere Arbeitsmethode fordern als die Naturwissenschaften, wie ja jene

auch

auf einer

anderen Erkenntnisform (innere Anschauung) be­

ruhen als diese (äußere Anschauung).

Es darf daher Arbeitsunterricht als

Prinzip nicht dahin mißverstanden werden, daß man eine Fülle von manuellen

Tätigkeiten

einfach

mit den

geisteswissenschaftlichen Unterrichtsgegenständen

42 verbindet.

Sehr richtig sagt Kerschensteiner:

„Aller Unterricht,

der sich

ausschließlich auf das von der Tradition überlieferte Tatsachenmaterial stützen?

muß, wie Sprache, Geschichte, Religion, kann nur durch geistige Arb ei t

Manuelle Arbeit ist nur

produktiv und charakterbildend gestaltet werden.

da

wertvoll,

wo Begriffe und Erkenntnisse aus

Tatsachen der täglichen

Erfahrung herauswachsen und das Vorstellungsmaterial aus sinnlicher Be­

obachtung gewonnen werden muß.

Alle im Laufe der Zeiten entwickelten

geistigen Arbeitsgebiete haben ihre eigenen spezifischen Arbeitsweisen.

Das

Arbeitsprinzip ist nur dann gewahrt, wenn die Arbeit beim Eindringen in die Vorstellungskreise und in die Denkungsweise dieses Gebietes den reellen

Arbeitsmethoden angepaßt ist, die sich innerhalb jener Geistesgebiete mit

psychologischer Notwendigkeit entwickelt haben." Wirkungsvolle Unterstützung des Unterrichts bietet die manuelle Tätig­

keit überall da, wo es die Förderung der äußeren Anschauung gilt. möge

der Werkunterricht,

das Wirken,

Platz

So

finden in Geometrie und

Zeichnen, im Anschauungsunterricht und Geographie, in Physik und Chemie, sowie im Elementarunterricht im Lesen und Rechnen.

gilt überall: nicht des Guten zuviel!

Aber auch hier

Keineswegs darf das Wirken Selbst­

zweck werden, niemals die geistigen, die intellektuellen Ziele des Unter­ richts verrücken und schmälern, niemals in Spielerei ausarten, die aller

Erkenntnisbildung yur hinderlich ist.

Die Frage, ob die manuelle Tätigkeit

am Anfang, in der Mitte oder am Ende der Unterrichtsstunde einzutreten

habe, ist prinzipiell nicht zu entscheiden, es kommt auf das Fach und auf

den Fall an, und es ist daher die Frage von Fall zu Fall zu entscheiden. Der Handarbeitsunterricht als Fach hat bisher im deutschen Schulwesen nur wenig Verbreitung gefunden.

Entscheidend hat Kerschen­

steiner für ihn geltend gemacht: „Arbeitsunterricht als Prinzip und Arbeits­

unterricht als Fach gehören zusammen wie Griff und Klinge des Messers." Kerschensteiner ist damit unbedingt im Recht, denn wenn die Förderung

des technischen Ausdrucksvermögens

zum Unterrichtsprinzip erhoben wird,

dann ist die entsprechende technische Schulung in besonderen Unterrichtsstunden eine unbedingte Notwendigkeit.

und graphischen so

muß

werden.

auch

Vermögens

Wie wir der Ausbildung des sprachlicher der Kinder

besondere Stunden widmen

das technische Vermögen in besonderen Stunden gesörder

Damit dürfte der selbständige Handarbeitsunterricht unwiderlegliö

begründet sein.

Erst im Handarbeitsunterricht haben wir die Methode, di

die Durchführung einer universalen, d. h. nichts vernachlässigenden, Bilduw gewährleistet. Welches sind seine besonderen Aufgaben?

Er hat eine erzieh

liche und eine berufliche Aufgabe, die erstere, die wiederum persönlich

43 Das wird an zwei

und soziale Bildung umfaßt, steht unbedingt voran. Beispielen,

dem

Pabst, klar.

schwedischen Slöjd und den Bemühungen von Direktor

Pabst hat selber auf den schwedischen Slöjd hingewiesen, der

die Handgeschicklichkeit

fördern

will

und Handarbeiten in

Holz, Metall,

Papier und Leder nebst Flechten, Weben und Malen umfaßt. über die Aufgaben des Slöjd:

Pabst sagt

„Der Zweck des Slöjd ist niemals die

gewerbliche Ausbildung, sondern immer nur die Entwicklung der physischen, und moralischen Kräfte des Kindes.

geistigen

wirken, er soll die Selbsttätigkeit,

Der Slöjd soll erziehlich

die Genauigkeit, den Fleiß und die Be­

harrlichkeit, auf denen der Charakter des Menschen beruht, hervorrufen und soll zur Achtung vor der Arbeit, besonders auch vor der körperlichen, führen.

Die Gegenstände, deren Anfertigung die Aufgabe des Slöjdunterrichts bildet,

sind nicht Selbstzweck des Unterrichts, sie sind nur Mittel zu diesem Zwecke. Man könnte diese Gegenstände nachträglich zerstören, der Zweck des Slöjdunterrichtes würde dadurch ebensowenig beeinträchtigt werden, wie durch eine

Vernichtung der Hefte, die das Kind während eines Schuljahres vollgeschrieben hat, dessen Schrift leidet.

durch Bearbeitung der

Materialien

Durch den Gebrauch der Werkzeuge und

erwirbt

das Kind

eine Menge von

Fertigkeiten und Kenntnissen, die im Leben nützlich sind; aber auch darin

besteht

nicht der Hauptwert des Slöjdunterrichts;

denn

die Ausbildung

einzelner Fertigkeiten kommt nicht für jeden in Betracht, und die Kenntnisse werden von vielen vergessen, ohne jemals zur Anwendung zu kommen.

Da­

gegen ist die Entwicklung der geistigen, sittlichen und körperlichen Kräfte von

dauerndem Wert, und hierauf beruht die Bedeutung des Slöjd für die Er­

ziehung."

Pabst hat seine eigenen Bemühungen um den Handarbeitsunter­

richt ähnlich begründet unter besonderer Betonung des s o zial ethischen Ge­ sichtspunktes:

„Die Handarbeit ist eine Art geistiger Erziehung, und die

Hand ist ein sechster Sinn, ein Weg, der direkt zum Kopfe führt.

übliche Unterscheidung

gründlichen Irrtum!

Die

von Kopfarbeit und Handarbeit beruht auf einem

Es gibt keine Art der Handarbeit, die nicht zu gleicher

Zeit mehr oder weniger Gehirnarbeit erfordert

Aus der falschen

Unterscheidung von Kopfarbeit und Handarbeit ist der gefährliche Gegensatz zwischen Kopfarbeitern und Handarbeitern entstanden und damit die Miß­

achtung, die fast jeder Vertreter der einen dieser beiden Richtungen der anderen entgegenbringt ....

Wenn die Jugend einsieht, daß es

ebenso

schwer ist, Geschicklichleit in einer kunstvollen Handarbeit zu erlangen, als sich Kenntnisse in der Mathematik oder in einer Sprache zu erwerben, so ent­

wickelt sich damit ganz von selbst die Achtung vor der Arbeit der Hand und wr der Arbeit überhaupt."

Kerschensteiner, der übrigens für die höheren

Schulen nicht unbedingt Handarbeitsunterricht fordert,

betont neben dem

44 formalen und dem ethischen Zweck der Handarbeit den praktischen, auf den künftigen Beruf abzielenden Zweck.

„Es bleibt auch heute der elementaren

Lolksschule die Aufgabe der Vorbereitung auf den zukünftigen Beruf deS

Zöglings zugewiesen.

Die ungeheure Mehrzahl aller Menschen im Staate

steht im Dienste der rein manuellen Berufe."

Deshalb fordert er Hand­

arbeitsunterricht, um eine der Hauptgrundlagen für den künftigen Beruf zu

schaffen,

„die frühzeitige Gewöhnung an wohlüberlegte, mustergültige, solide, Ganz in diesen Gedankengängen bewegen sich

ehrliche manuelle Arbeit". meine Ausführungen

in

meinen

„Grundlinien

einer deutsch-idealistischen

Pädagogik" (S. 39 f.): Die Bedeutung der Handarbeit, die, soll sie in ihrer

Anwendung in einzelnen Stunden - wertvoll sein,

auch in besonderem Fach

gepflegt werden muß, liegt zunächst in der Unterstützung der Gehirnarbeit. Es gibt in Wirklichkeit keine absolute Trennung von Kopf- und Handarbeit,

sie tragen und ergänzen sich gegenseitig.

Wer Handarbeit gelernt hat, wird

auch den Adel der Handwerkerberufe erkennen und anerkennen, so wird durch die Handarbeit eine Überbrückung des Gegensatzes von Kopf- und Hand­ arbeitern

angebahnt.

Schließlich wird der Handarbeitsunterricht auch bei

der Berufswahl wesentliche Dienste leisten. statt läßt den

Erst der Unterricht in der Werk­

„ganzen" Menschen erkennen, läßt Fähigkeiten erkennen, die

sonst verborgen geblieben wären.

Demnach führt auch die manuelle Tätigkeir

zu Werterlebnis und Wertverwirklichung, besonders auf ethischem und ästhe­

tischem Gebiete. So umfaßt bisher

die Arbeitsschule die Arbeit an der Ausbildung

dreier Bewußtfeinsfunktionen, der logischen, der ethischen und der ästhetischen. Doch wird sie auch die vierte Bewußtseinsfunktion, die religiöse, mehr und mehr in den Kreis ihrer Interessen und Aufgaben hineinziehen müffen.

Die

Erkenntnis, daß Religiosität bzw. Religion eine selbständige Bewußtseins­ funktion bzw. einen besonderen Wert bedeuten, fordert das gebieterisch.

So

fragen wir abschließend: Wie ist in der Arbeitsschule die religöse Er­

ziehung zu handhaben?

Abzuweisen ist die Verschiebung der religiösen

Bildung auf eine spätere Zeit,

wie es Rousseau wollte.

Durch diese Ver­

tagung der religiösen Erziehung müßte die Universalität der Bildung Schaden

leiden.

Die Kulturschule fordert gebieterisch auf allen Stufen die Pflege

des religiösen Lebens.

Abzulehnen

ist aber ebensosehr und ebenso nach­

drücklich die dogmatisch-kirchliche Erziehung, welche

die Religion als eine

alles übertönende Autorität hinstellt und zur Annahme und Bejahung einer bestimmten Kirchenlehre nötigen will.

Solch Religionsunterricht schlägt dem

Geiste der Arbeitsschule ins Gesicht.

Dem Religionsunterricht füllt zunächst die Aufgabe zu, religiöses Leben anschaulich darzustellen, um dann von da zu begrifflichen Erkennt-

45

nissen fortzuschreiten (vgl. die Analogie zu allem anderen Erkenntnisgewinn). Die klassischen Zeugnisse des alten und neuen Testaments sowie die religiösen

Virtuosen aus der Kirchengeschichte sind der Jugend nahezubringen,

daß an

der Anschauung religiösen Lebens sich religiöses Leben entzünde und nähre.

Das ist möglich und natürlich,

denn Geist wirkt anregend und weckend auf

der objektive Geist auf den subjektiven Geist.

Geist,

Religionsunterricht

fort

zur Begriffserkenntnis.

In

sollen die großen Entwicklungen und Zusammenhänge

Langsam schreitet, der der Kirchengcschichte

erkannt werden,

das

Wesen und der Wahrheitsgehalt der Religion und besonders der christlichen Religion sollen — auf der Oberstufe höherer Schulen — zum Gegenstand

Religiosität und Religion müssen als be­

des Nachdenkens gemacht werdenx).

sondere physische Funktion und als besonderes Wertgebiet erkannt werden. Das Prinzip der Arbeitschnle fordert aber Aktivität, Handeln.

den Unterricht muß die Übung und zu rechter Stunde

Weise

gegenwärtig. Gewicht

für sich.

treten.

Andacht und Gebet,

Neben

in rechter

geübt, halten dem Menschen das Göttliche

Auf die Ausgestaltung der Schulandachten ist daher großes

zu legen.

Die Erörterung dieser Frage erfordert einen Aufsatz

Die Gefahr durch Einförmigkeit zu ermüden und dadurch gegen

den religiösen Wert abzustumpfen ist hier ganz besonders groß.

Es dürfte

sich empfehlen, in jeder Andacht eine kurze Betrachtung von 3—5 Minuten über

religiöse

irgendeine

Gotteshilfe)

oder

Frage

vorzulesen.

vorzutragen

Wenn

mehrere

in Beziehung und Zusammenhang stehen (durch

(vgl.

z.

B.

Andachten

Naumanns untereinander

ein in ihnen behandeltes

religiöses Problem), so wird das gewiß der Weckung des Interesses dienen.

Auch besondere Gelegenheiten sollten niemals vorübergehen, um das Zeitliche

in das Licht des Ewigen zu stellen.

Jedenfalls muß die Arbeitsschule ihrem

Prinzip getreu der Jugend Teilnahme am religiösen Leben gewähren.

So fordert das Prinzip der Arbeitsschule lebendige,' aktive Teilnahme

am geistigen Leben tionen.

und selbständige Betätigung aller vier Bewußtseinsfunk­

Erst in solcher Schule der Tätigkeit haben wir wirk­

lich eine Kulturschule.

bedarf sation.

es noch

Damit diese aber ihrem Begriff voll entspreche,

emes Momentes, nämlich

der Einheitlichkeit ihrer Organi­

Dabei kann der Begriff der Einheitlichkeit im Sinne einer mehr

mechanischen äußeren Einheit verstanden werden, wie dies bei den Anhängern

der „Einheitsschule" der Fall ist, und mehr im Sinne einer inneren organischen geistigen Einheit, für die sich die Anhänger der „Schuleinheit" einsetzen. x) Vgl. meinen Aufsatz Religionsunterricht in Oberprima.

der höheren Schulen, 29. Jahrgang, 1917.

Zeitschrist f. d. Reform

46

Das Problem der Einheitsschule ^). Die Idee der Kulturschule fordert eine einheitliche Organisation

des gesamten Schulwesens, dergestalt, daß der nationale Geist als eigentüm­ liche Prägung humaner Gesinnung die Grundlage für die gesamte Bildung aller Staatsbürger bildet. „Über die kirchlichen und gesellschaftlichen Gegen­ sätze hinaus ist es die Schule, in deren Organisation sich der Nationalstaat als sittliche Einheit erfaßt."

„Der Staat muß um seiner geistigen Einheit

willen alle Arten von Grundbildungsschulen — die Volksschulen,

die mitt­

leren und höheren Schulen — zu einem von demselben Gesittungsprinzip geleiteten Ganzen verbinden" (F. I. Schmidt).

Aus diesen Gedanken heraus.

ist zumal in der Gegenwart die Forderung der nationalen Einheitsschule

(besonders in den Kreisen der Volksschullehrer) oder die Forderung einer

in Oberlehrerkreisen)

organischen Schuleinheit (besonders

entstanden.

Die

vorliegende Arbeit will, ausgehend von einer kritischen Stellungnahme zur

Einheitsschule, die Ausgestaltung der Schuleinheit fordern, die das gegen­

wärtige

„vielgestaltige Schulaggregat"

in

organismus " (F. I. Schmidt) verwandelt.

bei

Durchführung, der

einen

„wohlgegliederten Schul­

Solche Schuleinheit wird

Arbeitsschulidee

den

Begriff

der

Kulturschule zur Vollendung bringen. Der Ausdruck „Einheitsschule"

bezeichnet ein einheitliches Schul­

system, das mit einer für alle Kinder gemeinsamen Grundschule beginnt,

die sich dann nach der Begabung der Kinder differenziert, in ver­ schiedene Schulzweige gabelt.

Dadurch soll allen die Möglichkeit gegeben

werden, bei entsprechender Begabung das höchste Bildungsziel zu erreichen.

„Einheit

der Grundlage

für eine in der Einheitsschule selbst schon be­

ginnende, weiter hinauf sich stetig fortsetzende Differenzierung, und zwar

gleichermaßen nach feiten des Intellektes und des Willens" (Natorp).

„Wir

verstehen unter der Einheitsschule das gesamte Gebiet des öffentlichen Unter­

richts vom Kindergarten bis zur Hochschule mit allen seinen Gliederungen und Verzweigungen auf den verschiedensten Stufen des Unterrichtswesens,

in

eine

lebensvolle Verbindung

aller Teile zu einem Ganzen gebracht"

1) Zu den folgenderr Ausführungen vgl. meine Schriften: Schulreform im Geiste des deutschen Idealismus (Langensalza 1916), Grundlinien einer deutsch-idealistischen

Pädagogik (Langensalza 1916) und meine Aufsätze: Irrtum und Wahrheit in dem

Gedanken der nationalen Einheitsschule (Die Volksschule, Langensalza 1916, Heft 9), Die nationale Einheitsschule (Päd. Studien, Jahrg. 37) und die daran anschließende

Diskussion mit Fritz Müller (im Jahrg. 38), Der Ausbau der höheren Lehranstalten und die Einheitsschule (Päd. Studien, Jahrg. 38). (Deutsch-Evangelisch 1918, Heft 2).

Der Kampf um die Einheitsschule

47

„Die Einheitsschule will Anschluß und Weiterfahrt auf jeder Schul­

(Tews).

strecke und Schulstation schaffen" (Tews).

Die Idee schule

„Einheit" wird nun von allen Freunden der Einheits­

der

eindeutig

einhellig und

durch

eine gemeinsame Grundschule verwirk­

licht gedacht, doch gehen die Meinungen darüber auseinander, ob die Grund­ schule 4

oder

fordern,

Volksschullehrerkreise

Die

6 Jahre umfassen soll.

soweit ich sehen kann,

im wesentlichen die sechsklassige Grundschule.

Gräfe

hat deshalb in der Pädagogischen Zeitung sehr nachdrücklich eine Anpassung der

höheren

die Grundschule

an

Schule

Fremdsprachen!) *).

Allerdings

gefordert

hat Schulrat Beetz,

(später Anfang

der

der Herausgeber

der

Pädagogischen Warte, ebenso nachdrücklich sich gegen die sechsklassige Grund­

schule gewandt.

In den einheitsschulfreundlichen Philologenkreisen wird wohl d. h. Abschaffung

wesentlich an die vierklassige Grundschule,

der Vorschule,

gedacht, unter Forderung starker Differenzierung bereits in der Grundschule.

Die Idee der „Differenzierung", sowohl der sukzessiven als der simul­ finde ich

tanen,

bei den Anhängern der Einheitsschule nicht recht klar und Die simultane Differenzierung wird etwa nach Art des

eindeutig bestimmt.

Mannheimer mungen

gewünscht, doch

Schulsystems

keine klaren

finde ich

Bestim­

Den Vor­

über Zeit und Prinzipien dieser Differenzierung.

schlag, besondere Förderklassen zur Vorbereitung auf die Sexta einzurichten, dem ich bei Aufhebung der Vorschulen zustimmen würde, hat Pretzel in der

Deutschen Schule abgewiesen:

„Eine allgemeine Notwendigkeit von Sonder­

klassen zur Vorbereitung für den Eintritt in die unterste Klasse einer

höheren Lehranstalt kann auf keinen Fall zugegeben werden. richtiges Kuckucksei, Nest legen

als

das

wollen.

Solche Sonderklassen würden nichts anderes bedeuten, der Vorschule in die Volksschule."

die Verlegung

stimmigkeit herrscht über die sukzessive Differenzierung. drei Stufen:

schließend

I.

Das ist ein

den Freunden der Einheitsschule die Gegner ins

6.—12.

eine „Werkschule"

13.—15. Lebensjahr. will eine Gabelung

Lebensjahr Grundschule

für nicht Steigende.

Noch weniger Ein­ Tews befürwortet

für alle Kinder,

III. Oberschule für das 16.—18. Lebensjahr.

der Grundschule

an­

II. Mittelschule für das

(nach 6 Jahren)

Natorp

in Gymnasium zur

Vorbereitung auf gelehrte Berufe und Gewerbeschule, die alle für gewerbliche Berufe Bestimmten zu besuchen hätten.

Der Gedanke der Einheitsschule mit gemeinsamer Grundschule ist nicht neu,

ebensowenig

seine

Bestreitung.

schule, die der Volksschule anstalt"

nehmen

und

„das

verhindern

Comenius

erstrebte

die

Einheits­

Gepräge einer Armen- und Proletarier­

sollte,

daß

durch

die Verschiedenheit der

r) Vgl. meine Auseinandersetzung mit Gräfe in den Pädagogischen Studien, 38. Jahr­ gang, S. 209—212.

48 Bildungsanfänge eine Kluft zwischen die Glieder und Stände eines Volkes gerissen würdex).

dasselbe

Ein Jahrhundert später vertrat der Neuhumauist Geßner

wollte die Nationalerziehung durch

Auch Fichte

Ideal.

gemein­

samen Unterricht und gemeinsame Erziehung aller deutschen Kinder verwirk­

lichen.

Herbart freilich forderte besondere Vorschulen.

Da seine Betrach­

tungen m. E. noch heute gelten, seien seine eigenen Worte genannt:

„Aus­

drücklich protestieren muß ich gegen die ganz verkehrte Ansicht, als seien die

Bürgerschulen ähnlich den unteren und mittleren Klassen der Gymnasien, die Elementarschulen vergleichbar den untersten Klassen derselben.

muß aus zwei Gründen äußerst verderblich werden.

nur die Gymnasien Zweitens,

ohne

Schulen wären,

ganze

die andern aber Bruchstücke.

weil dann die ganze Anlage des Unterrichts auf allen Schulen

Ausnahme

verkehrt ausfallen würde.

mit seinen alten Sprachen notwendig

gegründete Fertigkeiten ganz kommt,

Dieser Irrtum

Erstlich, weil alsdann

Denn das Gymnasium muß

früh anfangen, weil nur frühzeitig

geläufig werden, und weil alles darauf an­

daß kein Gymnasiast auf halbem Wege stehen bleibe.

Also

fällt

hier das Beginnen der alten Sprachen noch mit den Übungen der Ortho­

graphie in der Muttersprache und selbst mit denen im richtig akzentuierten

und mit den ersten grammatischen Elementen derselben zusammen.

Lesen

Folglich

ist vom ersten Anfänge an der Gymnasiast anders beschäftigt als

der Elementarschüler.

Auch kann sich das Gymnasium von keiner Elementar­

schule eine irgend bedeutende Vorarbeit versprechen, allerersten Anfängen

des Lesens

und

Schreibens.

es wäre denn in den

Und

selbst in dieser

Hinsicht sollte sich das Gymnasium seine eigene Elementarklasse halten,

um

sicher zu sein, daß nicht in den Anfängen durch die fehlerhafte Behandlung etwas verdorben würde,

und weil manche feineren Rücksichten auf den zu­

künftigen Unterricht dabei genommen

der Elementarschule denkt.

werden können,

an die kein Lehrer

Andererseits muß die Hauptschule2) frühzeitig an

die Naturwissenschaften gehen, zu denen das Gymnasium und die Elementar­

schule,

beide

aus verschiedenen

Anschauungsübungen und

Gründen,

weniger Zeit haben.

Auch

die

die Anfänge des Rechnens müssen in der Haupt­

schule gleich anfangs mit großem Ernst betrieben werden,

well sonst die

schwerste ihrer Wissenschaften, die Mathematik, nicht in der kurzen Studien­

zeit bis zum

16. oder 17. Jahre soweit geführt und so geläufig in ihren

x) Mit diesen Gedanken operieren noch heute die Einheitsschulfreunde, obwohl sich doch seit Comenius das Wesen und die Lage der Volksschule gründlich geändert hat. 2) Herbart verlangte aus Gründen der geistigen Ökonomie neben den Gymnasien und Volksschulen die Einrichtung von Hauptschulen — etwa unsere Mittelschulen —

die ohne stemde Sprachen, besonders ohne alte Sprachen, über die Bildung der Volks­ schule hinausführten.

49

Anwendungen gemacht werden könnte, als es durchaus nötig ist, wenn nicht algebraische Formeln und logarithmische Tafeln für den abgehenden Schüler noch tote Buchstaben und Zahlen bleiben sollen.

Die Elementarschule ihrer­

seits darf das Lesen- und Schreibenlernen gar nicht so schnell treiben,

sie

müßte,

Denn

wie

wenn sie jener anderen Schule die Lehrlinge zubereiten sollte.

je weniger Mittel zur eigentlichen Geistesbildung sie hat,

desto spar­

samer muß sie damit umgehen." Zweierlei verspricht man sich nun von der gemeinsamen Grundschule: soll dem Talent

Sie

„freie Bahn" schaffen,

verneinen zu müssen.

das

und sie soll sozial versöhnend

Es gilt zu prüfen, ob dies wirklich der Fall sein wird.

wirken.

vom geistigen Leben

zeugungen

höheren Schule und

Ich glaube

Zu dieser Ansicht bestimmen mich andere Über­ der Schulanfänger, von den Aufgaben der

andere sozialpolitische Überzeugungen als die der Ein­

heitsschulfreunde.

Die Kinder der einfachen und geistigen Lebens

ihres

der besseren Stände sind in Hinsicht

außerordentlich

verschieden.

Zunächst wirkt die

Macht der Vererbung, dazu kommt der Einfluß des Elternhauses vor und während

Kreise

Ist nun anzunehmen,

der Schulzeit.

in

erziehlicher Hinsicht,

daß

die

Kinder besserer

d. h. in ethischer und ästhetischer Beziehung

einen stark „läuternden", emporhebenden Einfluß ausüben können und werden? Gelegentlich mag das vorkommen, in den weitaus meisten Fällen aber eher das Gegenteil,

nämlich, daß die größere Masse derer, die der rückständigen

Bildungsschicht angehören, die Besseren auf das niedrigere Niveau herabzieht.

Die Gefahr des Herabziehens ist doch wohl ebenso groß wie die Möglich­ keit des Heraufziehens, die Neigung des Menschen aber größer sich herab­ ziehen als sich Heraufziehen zu lassen.

„Wie in

Sehr richtig hat daher Ries bemerkt:

verschwindender Minderheit befindliche, geistig noch unselbständige

Kinder von

6—9

oder auch

von

11 und 12 Jahren,

die durch strenge

Schulzucht notwendig mit den übrigen Kindern auf dem Fuße der Gleich­

heit gehalten nicht aber

werden müssen,

den Ton angeben,

die übrigen emporheben,

ihrerseits herabgezogen werden sollen, ist mir stets verborgen

geblieben." — Schwerwiegender und entscheidender ist nun aber m. E. noch die

Verschiedenheit in intellektueller Hinsicht. und unten,

Herzensbildung gibt es oben

aber die intellektuelle Bildung ist in den besseren Kreisen

wesentlich besser, das wirkt natürlich — durch Vererbung und Umgang —

auf

die Kinder dieser Stände.

Apperzeptionsfähigkeit,

Die Klarheit des Gedankenkreises und die

die Sprache und

Kindern wesentlich besser.

die formale Kraft sind bei diesen

Rein gesteht das selber zu, stellt aber die sozial­

politischen Gründe über die pädagogisch-didaktischen und fordert deshalb die

Einheitsschule.

Hartnacke urteilt ebenfalls so:

Kesseler, Weltbürgerliche und staatsbürgerliche Bildung.

„Je reicher oder besser, je 4

50 günstiger bei sonst gleichen formalen Jntelligenzeigenschaften

die materiale

Seite der Intelligenz bedient wird, desto besser vermag sich die Intelligenz zu entwickeln.

Ein Kind, das zu Hause nur von den nächsten, alltäglichsten

Dingen der kleinen Welt sprechen hört,

entwickelt sich zweifellos anders,

als eins, das schon früh von den mannigfaltigen Beziehungen berührt wird,

die die bessere soziale Lage einmal mit sich bringt. . . . Die reichere und bewegtere Umwelt setzt die geistigen Kräfte mehr in Bewegung und Übung,

gibt zu Fragen Anlaß, auf die ein Kind in günstigerer Lage im allgemeinen befriedigendere und bessere Antworten

bekommt.

Auf die neue Erkenntnis

folgen neue Fragen, kurz, der gesamte Jntelligenzkomplex, Seite,

auch die formale

gedeiht in günstigerer sozialer Umwelt zweifellos anders als in ge­

Schließlich

ringerer sozialer Lage."

sei Meumann erwähnt, der als

Ergebnis seiner Jntelligenzprüfungen feststellt,

das

„daß die internationale Prü­

fung der Normalbegabung mit den Binet-Simon-Tests eine absolute intellek­

tuelle Abhängigkeit des

von der sozialen Lage der Eltern zeige."

Kindes

„Was sich sicher aus den Tests ergibt, ist nur dies, daß die Entwicklung der

Kinder der ärmeren Stände eine verlangsamtere ist im Vergleich zu der der Wie angesichts solcher Zeugen, deren Aufstellungen

besser gestellten Eltern."

freilich auf heftigen Widerspruch gestoßen,

m. E. aber noch nicht widerlegt

sind, Fritz Müller (in der Leipziger Lehrerzeitung mich und

Weller)

die Behauptung

von

in einem Angriff gegen

der intellektuellen Rückständigkeit

der Kinder einfacherer Kreise „ungeheuerlich erscheinend" nennen kann, bleibt mir unverständlich.,

Richtiger ist es da doch wie Tews zuzugeben:

gut begabte und

gleich

gleich

kulturarmen Arbeiterhause,

willcnskräftige

das

Kinder,

das eine

in

„Zwei einem

andere in einem kulturreichen Bürgerhause,

oder das eine unter den Augen gebildeter, an Wissenschaft, Kunst, Religion,

am

öffentlichen Leben teilnehmender oder trotz ärmlicher äußerer Verhält­

nisse

mit

besonderen Vorzügen

Eltern aufwachsend, oder armen,

sie

das

ausgeliefert,

gleiche Kräfte haben,

des Geistes

andere herz- und

wer sich

und

Gemütes ausgestatteter

gemütlosen Erziehern,

reichen

erwartet wohl, daß beide Kinder, trotzdem schnell und gleich stark entwickeln und

gleich

den Schulunterricht gleich erfolgreich ausnützen werden."

Freilich

soll man nun

aus dieser Erkenntnis auch die richtige Folge­

rung ziehen, und ihr nicht wie Rein, Tews, übrigens auch Meumann, aus­ weichen und soll folgerichtigerweise

die gemeinsame Grundschule

ablehnen.

Der Unterricht der Kinder aus einfacheren Kreisen muß langsamer vor­

gehen.

Tut er das — im Interesse der Kinder besserer Häuser — nicht,

dann entfremdet er die Volksschule ihrer eigentlichen hohen Aufgabe V o l k s -

bildung zu vermitteln, tut er es

aber,

Häuser überflüssig lange aufgehalten.

dann werden

die Kinder besserer

51

Eine zweite Gruppe von Gründen gegen die gemeinsame Grundschule ergibt

sich

aus den Aufgaben und Zielen der höheren

m. E.

Schule, zu der ja die gemeinsame Grundschule vorbereiten würde.

Daß

die Einheitsschule die höhere Schule nicht unangetastet läßt, besonders bei

sechsklassiger Grundschule, ist von den Einheitsschulfreunden immer klarer Ihre Reformforderungen an die höhere Schule fassen sich

erkannt worden.

daher in zwei Grundforderungen zusammen:

1. Beseitigung der formalen

Elementarbildung zu gunsten einer sachlich-anschaulichen,

des

fremdsprachlichen

Unterrichts.

hängen

Innerlich

2. später Beginn

diese

Forderungen

übrigens wieder zusammen, denn Sprachunterricht fordert formale Schulung.

„Die Grundlage aller höheren Bildung ist das Wissen

Tews sagt:

von Natur und Heimat, der Geschichte des eigenen Volkes, der Religion, die im Volke lebt und in den religiösen Urkunden aufbewahrt ist,

zum Entfernten und

also

der vom Nächsten und Einfachsten ausgeht und

gründlicher Sachunterricht,

Schwierigeren fortschreitet.

Dagegen ist eine höhere

Bildung nicht aufzubauen auf Wortformen und Wortverbindungen.

Das

heißt ein Gebäude auf Sand errichten oder ein schweres Denkmal auf einen tönernen Sockel setzen.

Es kann gar keinem Zweifel unterliegen,

daß der höhere Unterricht auf einer Grundlage, eine

gute Volksschule

wie sie

sich weitaus sicherer

heute bietet,

aufbaut und weit mehr Lernfreudigkeit und Lernfähigkeit

übernimmt,

als

der

jetzige

Vorschulunterricht

und

der

Unterricht in den unteren Gymnasialklassen mit seinen ver­ frühten und ausgedehnten Übungen im Deklinieren, Kon­ jugieren und Konstruieren in der Muttersprache und einer fremden (toten)

Sprache hervorrufen

Anschauung ist abzulehnen.

heitsschulfrage.

kann"*).

Gerade diese

Hier liegt m. E. der Springpunkt der Ein­

Die Vorschule kann den Sachunterricht einschränken, weil (bis zum

18. Lebensjahr) auf die Gegenstände

immer erneut zurückgegriffen wird.

Die Vorschule muß andererseits das

in den späteren Klassen

— von Tews befehdete — formale Element zu besonderer Geltung bringen, weil die — durch Sprache und Rechnen — zu erzielende formale Bildung die Grundlage aller höheren Bildung, d. h. der Bildung zu den intellek­

tuellen Berufen, ist.

Auf das Konjugieren und Deklinieren und Konstruieren

kann keine höhere Schule verzichten, denn sie bilden den einzigen Weg zum

„Sitzen"

der Sprache.

Leben in der Sprache. späteren Leben

Lockere

grammatische

Kenntnisse

erschweren das

Damit hängt übrigens auch zusammen, daß im

gelernte Sprachen

nicht

so

ureigener Besitz des Geistes

l) Von mir gesperrt.

4* ‘

52

werden.

Eine Sprache praktisch — ä la Berlitz School — beherrschen und

im Geist einer Sprache leben, ist durchaus zweierlei.

Gegen die sechsklassige

Grundschule ist ferner zu bedenken, daß wir mit dem Sprachunterricht früh beginnen müssen, um die letzten Ziele für ihn weit genug stecken zu können.

Besondere Kurse in Latein und müßten auf den

Französisch aber,

gesamten Lehrplan und

Fächern (Grammatik im Deutschen!)

samen Unterricht sprengen.

an die Rein bcntt1),

auf den Unterricht in allen

zurückwirken und würden den gemein­

Fingen wir aber erst in Quarta mit der ersten

müßte das die Ziele in allen Fremdsprachen drücken.

Fremdsprache an, so

Der frühe Sprachunterricht ist ein wesentlicher Bestandteil

der höheren Bildung. — Übrigens begehen

oft

die Einheitsschulfreunde

(nicht immer!) den Fehler zu glauben, höhere Schulbildung sei Volks­

So sagt z. B. Tews:

schulbildung plus fremdsprachlichem Können.

begabten

(dem

Volksschüler

sprachliche Bildung,

von

14

die unsere höheren Schulen bis zu

Das ist grundfalsch.

mitteln."

Volksschüler

„Ihm

Jahren) fehlt nur2)(!) die fremd­

dieser Stufe ver­

Dem begabten, selbst dem begabtesten

fehlt die durch Jahre hindurch vom Gymnasiasten gewonnene

abstrakt-formale Bildung, was sich

in der ganzen

Art zu denken und zu

arbeiten äußert. — Daß aber die gemeinsame Grundschule nicht die ideale

Vorbildung für die höhere Schule geben kann,

hat Theobald Ziegler, selbst

ein Befürworter der Einheitsschule,

Er urteilte aus seinen Er­

bezeugt.

fahrungen in der Schweiz, die die gemeinsame Grundschule hat: „Weil den

Jungen

in

den letzten zwei Jahren vor ihrem Eintritt ins Gynmasium

nichts Ernstliches mehr zugemutet worden war,

so waren gerade die Auf­

sie nahmen es

gewecktesten unter ihnen flüchtig und oberflächlich geworden,

leicht mit der Arbeit und waren nur schwer an den Ernst des Lateinisch­

lernens zu gewöhnen."

Sollte aber die Volksschule wirklich die Vorbereitung

für das Gymnasium übernehmen, so würde sie ihrer eigentlichen hohen Auf­

gabe entfremdet, die große Menge der Kinder des Volkes für das praktische Leben zu erziehen.

Eine dritte Gruppe von Gründen gegen die Einheitsschule ergibt sich

aus sozialpolitischen machen,

sondern sich

Erwägungen.

Die Schule kann nicht soziale Zustände

ihnen nur anpassen.

äußerten Überzeugungen,

Rein gibt z. B.

daß die Verschiedenheit der

die oben ge­

Schulanfänger ver­

schiedene psychologisch-didaktische Maßnahmen erfordere, zu,

aber er ordnet

dem psychologisch-didaktischen Gesichtspunkt den sozialen Gesichtspunkt über. Das

ist unter allen Umständen abzulehnen.

An den versöhnenden Einfluß

x) Vgl. mein Buch Pädagogische Charakterköpse, eine Beleuchtung der Gegen­ wartspädagogik (Frankfurt a. M. 1916), Kapitel: Wilhelm Rein. 2) Von mir gesperrt.

53 der Volksschule bzw. den verbitternden Einfluß der Vorschule glaube ich nicht, solange sie nicht in den Dienst politischer Parteipropaganda gestellt

kann

Versöhnen

wird.

die gemeinsame Grundschule schon deshalb nicht,

weil die Kinder zwischen 6 und 12 Jahren zu jung sind, um bleibende soziale Eindrücke zu empfangen, wohl aber verbittert die s p ä t e r e Trennung,

sich

wenn

diese

Elternhauses

dann

unter Vor

vollzieht.

dem

nicht

Einfluß

auszuschaltenden

des

allem aber bin ich der Meinung, daß die

rasche Förderung des Mittelmaßes weder sozial gesund noch sozial ge­

Gewiß, die ausgesprochen gut Begabten sollen rasch steigen.

recht ist.

Aber das gesunde breite Mittelmaß, daß sich schließlich „auch" an höherer Stelle zurechtfindet, soll entsprechend den allgemeinen Lebensgesetzen lang­ sam, in 2—3 Generationen steigen, das Mittelmaß aus „besseren" Kreisen,

das zunächst allerhand Traditionswerte für sich hat, soll langsam sinken. Hier muß das soziale Wohl dem individuellen Glück

vorangehen.

Sehr

richtige Worte hat hierzu der auf dem Felde der Ehre gefallene Richard

Kabisch

geschrieben:

„Allmählich wird alles in Gottes Natur.

Millionen

von Jahren braucht es, ehe ein Lebewesen emporsteigt zu höherer Artform.

Schmeichelnd bauen die Wellen Berge und tragen sie ab in die Täler. Wohl bricht einmal ein Wellenfluß aus der Urtiefe hervor und leuchtet zum Staunen der Erde auf höchsten Gipfeln.

Aber solch seltener Fall ver­

deutlicht nur das sonst gewohnte stillwebende Leben. Beständigkeit im Werden, stilles sanftes Sausen.

Ruhe in der Bewegung,

Und so

So wirkt Gott.

ist es auch für die Menschengesellschaft die allein segenhafte Gestaltung ihres

inneren Lebens, daß ein sanftes Auf- und Abwogen sich bildet, ein Empor­ steigen aus der Tiefe, Bildung, Befestigung, Blühen neuer Geschlechter und

Absterben der alten. standen, aber es

Da sinkt dann vielleicht in die Tiefe, was hoch ge­

dauert lange, ehe der Berg ein Tal wird."

Daß aber

die Durchführung der gemeinsamen Grundschule entgegen diesem Lebensgesetz

ein Stürmen und Drängen nach Münchens. rung

oben hervorruft,

beweist das Beispiel

Kerschensteiner, ein Einheitsschulfreund, klagte:

„Die Entvölke­

unserer oberen Klassen ist geradezu eine krankhafte Erscheinung, in

unserem Volksschulwesen."

Diese Beförderung des Sturmes nach oben ist

auch nicht sozial gerecht.

Da bleiben viele auf dem Wege liegen,

bescheideneren Kreise glücklich geworden wären.

die im

Dazu kommt die Geldfrage.

Ist die Schulbildung selbst unentgeltlich, dann bleibt die Frage nach den Mitteln

für die weitere Ausbildung.

ökonomische Grenzen.

Alle Stipendienwirtschaft hat aber

Dazu kommt, daß es weder pädagogisch noch sozial

wäre, dem Mittelmaß die Aufgabe und Sorge abzunehmen,

sich selbständig

im Leben durchzuringen. Nach alledem ist m. E. die Einheitsschule abzulehnen.

Doch enthält

54 der Einheitsschulgedanke zwei Wahrheitsmomente, die es durchzuführen und zum Siege zu führen gilt.

Sie fassen sich in den Begriffen der organi­

schen Schulheit und der höheren Einheitsschule zusammen.

Beide Begriffe gründen in der Erkenntnis, daß Erziehung zur Kultur nur durch ein im Geiste wahrer Kultur gründendes und demgemäß einheit­

lich organisiertes Schulwesen möglich ist, und daß es die Aufgabe solches Schulwesens ist,

jeden an den seiner Art und Begabung entsprechenden

Platz zu führen.

Das ist aber nur durchzuführen, wenn alle Erziehung

im deutschen Geiste gründet und zum deutschen Geiste führt, d. h. zum Wert­ erlebnis

und

zum Verlangen

nach Wertverwirklichung.

Es dürfte aber

Ferdinand Jakob Schmidt im Recht sein, wenn er klagt und beklagt, daß wir solche organische Schuleinheit noch nicht haben:

vielgestaltiges

organismus."

aber

Schulaggregat,

noch

keinen

„Wir haben wohl ein

wohlgegliederten

Schul­

Ebenso ist er im Recht, wenn er wünscht und fordert: „Der

Staat muß um seiner geistigen Einheit willen alle Arten von Grundbildungs­ schulen — die Volksschulen, die mittleren und höheren Schulen — zu einem

von demselben Gesittungsprinzip geleiteten Ganzen verbinden." anderer Stelle sagt Schmidt:

Oder an

„Danach steht ... das eine unbedingt fest,

daß alle die besonderen Schulsysteme nicht mehr wie bisher nur äußerlich

miteinander verknüpft werden dürfen, sondern daß sie durch eine zentrale Bildungsidee zu einem organischen Ganzen vereinigt werden müssen.

Aus

dem bloßen Schulaggregat muß ein Schulorganismus werden." Die Durchführung dieser Gedanken hängt an zweierlei: An der nach­ drücklichen Berücksichtigung des deutschen Geisteslebens im Lehrplan und an der Schaffung von Übergangsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen

Schulgattungen und an der Einrichtung von höheren Aufbauschulen, die gute Volksschüler in 6 Jahren von der Volksschulreife zum Abiturienten­

examen führen. Es wird jene erste Forderung aber bedeuten, daß der Horizont des

Deutsch- und Geschichtsunterrichts in der Volksschule wesentlich zu erweitern ist.

Der Deutschunterricht

ist nicht auf das Lesebuch,

sondern auf die

lebendige Sprache zu gründen, in den oberen Volksschulklassen sind größere Dichtungen und belehrende Darstellungen zu lesen.

Der Geschichtsunterricht

wird neben politischer Geschichte Staatsbürgerkunde sowie Kultur- und Welt­ geschichte zu pflegen haben.

Auch auf dem Gebiete des Volksschulgeschichts­

unterrichtes gilt Paul Ostwalds oft erhobene Forderung, daß der historische Horizont weiter als bisher zu ziehen ist.

Für die höhere Schule ist eben­

falls eine wesentliche Erweiterung und Vertiefung des Deutschunterrichts zu

fordern, wie das Lenschau in seinem Buche Deutschunterricht als Kulturkunde

getan hat; dazu kommt die Forderung nach obligatorischem Unterricht

55 Der Deutschunterricht sollte tief hinein­

in der philosophischen Propädeutik.

führen in den idealen Geist, in das Leben der Sprache, in ihre Geschichte.

lekte und

auch in ihre Dia­

Dazu gehört umfassender Unterricht im

Mittelhochdeutschen, mit einem Zurückgreifen auf die Elemente des Gotischen

und Althochdeutschen.

Der literaturkundliche Unterricht soll in umfassen­

der Weise in die deutsche Literatur und Kultur einführen.

bis zur Gegenwart

Um diesen Ansprüchen zu genügen, wird der Deutschunterricht nur Hier gelten Alfred Bieses Worte:

in die bewährtesten Hände zu legen sein.

„Es müßte der Deutschlehrer in erster Linie ein überragender Charakter sein, der läuternd und leitend, erhebend und erwärmend auf Kopf und Herz und Willen der Jugend einzuwirken vermag."

muß der deutsche eine persönliche

„Wenn irgendein Unterricht, so des Gefühls und

Note

tragen, muß von Geist auf Geist wirken."

schule und Gymnasiunl wird

eine geistige Verbindung,

In den höheren Schulen

einheit herstellen.

philosophische Propädeutik zu pflegen, Stützen gründe

für den Kampf

um

denn

eine geistige Schul­

ist von Obersekunda an die

wir müssen der reifen Jugend

die Weltanschauung gebens.

Im

Vorder­

der deutsche Idealismus stehen,

soll auch hier wie im Deutschen

um Verständnis

des Charakters

Solch Deutschunterricht in Volks­

für das deutsche Wesen und Begeisterung für dasselbe zu

wecken.

deutschen Schulwesens

Zu der geistigen Einheit des organisatorische Einheit treten,

denn

alles

äußeren Darstellung und verlangt organisatorische Gestaltung. schüler müßten nach

aber muß eine

innerlich Lebendige drängt zur

Begabte Volks­

(zuletzt in einer besonderen Förder­

drei Schuljahren

klasse unterrichtet) ohne weiteres in die Sexta eintreten können oder zunächst

auf die Mittelschule überspringen,

um von dort nach 5 Jahren (zuletzt in

einer Förderklasse unterrichtet) in

die Untersekunda einer höheren Schule

überzutreten.

In der Stadt Kiel ist dieses System bereits durchgesührt.

Schließlich müßte guten Volksschülern mit abgeschlossener Volksschulbildung eine „Aufbau" schule,

durch

schließt,

die an

Gelegenheit gegeben werden,

Schule zu erreichen.

oberste Klasse der Volksschule an­

die

5 Jahren das Ziel einer höheren

in

Eine höhere Schule ohne jede fremdsprachliche Bildung

die auch gefordert worden ist, scheint mir freilich undurchführbar.

Der so zu

treffenden Einrichtung

eine Erschwerung

zur Förderung der Talente müßte

der Anforderungen

der höheren Schule entsprechen,

durch welche die wenig Begabten von der höheren Schule abgedrängt werden. *) Vgl. meinen Aussatz Die Notwendigkeit und die Aufgaben des philosophischen Unterrichts in den höheren Schulen. Zeitschr. f. d. Reform der höheren Schulen, 28. Jahrg. 1916. In den Höheren Mädchenschulen wird demnächst ebenfalls ein Aufsatz darüber von mir erscheinen.

56

Entscheidend hierfür wäre die nachdrücklichste Forderung der Vorgesetzten Behörde, nur voll genügende Schüler für reif zu erklären und das Prä­ dikat

„genügend"

überall

Leistungen vorliegen.

dort

zu

versagen,

wo

„schwach"

genügende

Eine sog. 3—4x) dürfte unter keinen Um­

ständen als Versetzungszensur zählen.

Selbstverständlich kommt

von dieser Maßnahme nicht alles Heil, aber sie würde uns ein wesent­ liches Stück vorwärts bringen.

Eine weitere Notwendigkeit ist die Befreiung der höheren Schule vom

Sofern dieses nicht überhaupt in Wegfall kommt, wäre es

„Einjährigen".

der Mittelschule zuzuweisen.

Es ist doch offenbar Tatsache, daß viele Schüler

„nur das Einjährige" wollen und infolgedessen mit einer Torsobildung von

der höheren Schule abgehen.

Es

muß eingesehen werden,

daß

eine abgeschlossene Mittelschulbildung besser ist als eine nicht abgeschlossene höhere Schulbildung. Unser buntscheckiges höheres Schulwesen wäre im Interesse der Ein­

heitlichkeit der Bildung zu vereinfachen, denn: ist eins der festesten Bande

Dreiteilung

unseres

„die gleiche Jugendbildung

der Kulturgemeinschaft" (Hornemann).

höheren Schulwesens

war

Die

eine notwendige Er­

scheinung, aber es wird doch zu erstreben sein, einen Hauptweg auszubilde«,

der Raum läßt für Differenzierungen, diese Differenzierungen sollten aber erst in den mittleren und oberen Klassen eintreten.

„Diese Scheidung müßte

schließlich die leitenden Kreise innerlich auseinandersühren und die geistige

Einheit

der

Nation

schwer schädigen, was gerade bei der weitgehenden

Teilung der Arbeit in der Gegenwart höchst bedenklich ist.

Bei Schärfung

des Sinnes für das Wesentliche müßte es erreichbar sein, einen einzigen Hauptweg auszubilden,

auf ihm aber die Mannigfaltigkeit der Individuen

und der Interessen anzuerkennen und zu entwickeln" (Rudolf Eucken). Um der Einheitlichkeit der geistigen Grundlagen willen ist — entgegen meinen früheren Äußerungen zur Sache — das System der Reformschulen

zu fordern, d. h. es ist mit Englisch und Französisch zu beginnen, etwa je

5 Stunde», Englisch ab Sexta, Französisch ab Quarta.

In Obertertia

hätte dann die Gabelung in lateinlose Schule und Schule mit Latein (dort 10 Stunden neue Sprachen, hier etwa 5 Stunden neue Sprachen und 5 Latein) zu erfolgen.

Der Anschluß für überspringende Mittelschüler ist in Unter­

sekunda dann verhältnismäßig leicht zu erreichen.

In Obersekunda hätten

weitere Gabelungen einzusetzen, indem einzelne Fächer entlastet werden zu­

gunsten anderer.

Hier könnte auch wahlfreier Unterricht im Griechischen

(etwa statt Englisch) einsetzen.

Ein Mehr möchte ich dem Griechischen nicht

*) Auch nicht eine 3— und ähnliche schöne Zensuren.

57

zugestehen, ohne an dieser Stelle zu wiederholen, was ich an anderen Stellen gegen das obligatorische Griechisch gesagt habe. Selbstverständlich läßt sich das alles nur auf dem Wege langsamer Umgestaltung durchführen. Die deutsche Schuleinheit würde dann folgendes System darstellen:

Abitur.

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Wählst. Griechisch u.

Abitur.

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io. to Ende der Volksschule

Ende der Mittelschule

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