Vita Religiosa im Mittelalter: Festschrift für Kaspar Elm zum 70. Geburtstag. (Ordensstudien XIII) [1 ed.] 9783428499656, 9783428099658

Am 23. Sept. 1999 vollendet Prof. Dr. Kaspar Elm sein 70. Lebensjahr. Seit seiner Studienzeit in Münster bei Herbert Gru

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German Pages 1008 Year 1999

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Vita Religiosa im Mittelalter: Festschrift für Kaspar Elm zum 70. Geburtstag. (Ordensstudien XIII) [1 ed.]
 9783428499656, 9783428099658

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VITA RELIGIOSA IM MITTELALTER Festschrift für Kaspar Elm

BERLINER HISTORISCHE STUDIEN Herausgegeben vom Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin und dem Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin

Band 31 Ordens studien XIII

Vita Religiosa im Mittelalter Festschrift für Kaspar Elm zum 70. Geburtstag

herausgegeben von

Franz J. FeIten und Nikolas J aspert unter Mitarbeit von

Stephanie Haarländer

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Vita Religiosa im Mittelalter : Festschrift für Kaspar Elm zum 70. Geburtstag I hrsg. von Franz J. Feiten und Nikolas Jaspert unter Mitarb. von Stephanie Haarländer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Berliner historische Studien; Bd. 31 : Ordensstudien ; 13) ISBN 3-428-09965-6

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6941 ISBN 3-428-09965-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen ......... ...... ......... ....... ............. ... .... IX Zum Geleit.. ........... ...................... ........... ..... .... ........ .... ........................ ... ..... XI Tabula Gratulatoria ..................................................................................... XVII

I. Alte Kirche, Mission und frühes Mönchtum Susanna Elm: Inventing the "Father ofthe Church": Gregory ofNazianzus' "FareweIl to the Bishops" (Or. 42) in its Historical Context ................................... 3 Karl Suso Frank: Grimlaicus, "Regula solitariorum" ........................................................... 21 Joachim Ehlers: Die Sachsenmission als heilsgeschichtliches Ereignis ............................ 37 Michel Parisse: Restaurer un monastere au Xe siecle. L'exemple de Gorze .................... 55 Robert Brentano: Samson of Bury Revisited .......... ................. .... .... ............ ...... ........ .......... 79 Joachim Wol/asch: Sterben und Tod im Leben des Abtes Petrus Venerabilis von Cluny ..... 87 Marek Derwich: Gab es eine Krise des Benediktinertums in Polen in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts? .............................................................................. 123

ß. Zisterzienser und Reformkanoniker Knut Schulz: Das Leben des hl. Eckenbert und die StiftsgrUndungen in Frankenthai (um 1125) ..................... :.......................................................................... 141 Adriaan H Bredero: Der Beitrag Wilhelms von Saint-Thierry zur Heiligsprechung Bernhards von Clairvaux und der biographische Wert seines kultbezogenen Textes aus historischer Sicht ................................................................... 169 Marcel Pacaut: La visite, institution fondamentale du regime cistercien .. .......... ...... ....... 183

VI

Inhaltsverzeichnis

Winfried Schich: Das schlesische Kloster Leubus und die Gründung von Müncheberg und Münchehofe an der Westgrenze des Landes Lebus im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts .................................................................... Reinhard Schneider: Sprachprobleme in zisterziensischen Studienhäusern ................ ............. Klaus Wollenberg: Wein und Salz bei den Zisterziensern ..................................................... Ludwig Schmugge: Johann von Ytstein und die Äbtissin von Tiefenthai, oder: Wie man einen Zisterziensermönch um seinen guten Ruf bringt ...........................

193 217 227

249

111. Kreuzzüge, Ritterorden und lateinischer Osten Victor H. EIbern: Crucis edita forma. Gestalt und Bedeutung des sogenannten Jerusalemer Kreuzes ............................................................................... Giles Constable: The Place of the Magdeburg Charter of 1107/08 in the History of Eastern Germany and ofthe Crusades .................................................... Rudolf Hiestand: Bernhard von Clairvaux, Norbert von Xanten und der lateinische Osten ....................................................................................................... Thomas Frank: Der Deutsche Orden in Viterbo (13.-15. Jahrhundert) ............................ Jürgen Sarnowsky: Der Johanniterorden und die Kreuzzüge .................................................

261

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IV. Dominikaner und Franziskaner Hans-Joachim Schmidt: Legitimität von Innovation. Geschichte, Kirche und neue Orden im 13. Jahrhundert ........................................................................................ Grado Giovanni Merlo: 11 limite della diversitll.: frati Predicatori ed eretici .................................. RudolfSchieffer: Die frühesten Bischöfe aus dem Dominikanerorden .................................... Mario Sensi: Conflitti per la cura animarum tra mendicanti e parroci: l'esempio marchigiano .............................................................................................

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421

Inhaltsverzeichnis

Gert Melville: Fiat secretum scrutinium. Zu einem Konflikt zwischen praelati und subditi bei den Dominikanern des 13. Jahrhunderts ................................ Dieter Berg: Papst Innocenz IV. und die Bettelorden in ihren Beziehungen zu Kaiser Friedrich 11. ............................. ....................... ..... .................. ....... Jens Röhrkasten: Die englischen Dominikaner und ihre Beziehungen zur Krone im 13. Jahrhundert ........................................................................................ Jürgen Miethke: Paradiesischer Zustand - Apostolisches Zeitalter - Franziskanische Armut. Religiöses Selbstverständnis, Zeitkritik und Gesellschafts theorie im 14. Jahrhundert ...................................................................... Jerzy Kloczowski: Klosterkreise in der polnischen Dominikanerprovinz im Mittelalter ...... Martin Kintzinger: Viri religiosi et literati. Kleriker am Fürstenhof im späten Mittelalter ... Reimer Hansen: Die Klöster des Landes Dithmarschen. Einrichtungen tur das Heil und zum Schutz der spätmittelalterlichen Bauernrepublik ..................... ..... ...

VII

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V. Reformen und Reformation John Van Engen: Friar Johannes Nyder on Laypeople. Living as Religious in the World ...................................................................................................... 583 Tore Nyberg: Gnadenberg in der Oberpfalz 1451: Religiosen begeben sich unter die Jurisdiktion des Ordinarius ..................................................................... 617 Bernhard Neidiger: Papst Pius 11. und die Klosterreform in Deutschland. Eine Problem skizze ...................................................................................................... 629 Andreas Rüther: Schreibbetrieb, Bücheraustausch und Briefwechsel: Der Konvent St. Katharina in st. Gallen während der Reform ..................................... 653 Dietrich Kurze: Die Transrnutation der Prämonstratenser Domstifte Brandenburg und Havelberg....................... .......................................................................... 679 Wilhelm E. Winterhager: Martin Luther und das Amt des Provinzialvikars in der Reform kongregation der deutschen Augustiner-Eremiten ..... ............................. 707

VIII

Inhaltsverzeichnis

Bernd Moeller: Sterbekunst in der Refonnation. Der "köstliche, gute, notwendige Sennon vom Sterben" des Augustiner-Eremiten Stefan Kastenbauer ..... 739 Heinrich Rüthing: Das Domkapitel Minden als konfessionell gemischtes Stift ................... 767 Heinz Schilling: Vita re/igiosa des Spätmittelalters und frühneuzeitIiche Differenzierung der christianitas - Beobachtungen zu Wegen und Früchten eines Gesprächs zwischen Spätmittelalter- und Frühneuzeithistorikem .......... 785

VI. Frömmigkeit, Kult und Kirchenrecht Carotine Walker Bynum: Miracles and Marvels: The Limits of Alterity ...... .......... ......................... Ludo Milis: Narrative Sources: A Quantification of Culture and Religion ................. Peter Landau: Apokryphe Isidoriana bei Gratian ................................................................ Andre Vauchez: Les origines et le developpement du proces de canonisation (XIIt-XIII t siecles) .................................................................................. Bernhard Schimmelpjennig: Fragen an Maria. Überlegungen zu einem bemerkenswerten Text aus S. Maria in Trastevere ........ ...................................... ............................... Lorenz Weinrich: Die Handschriften des "Mitralis de officiis" des Sicard von Cremona ... Arnold Angenendt: Die Liturgie bei Heinrich Seuse .............................. .................. ...... ........ Marie-Luise F avreau-Lilie: Von Lucca nach Luckau: Kaiser Karl IV. und das Haupt des heiligen Paulinus ................................................................................................... Adolar Zumkeller: Der Augustinennagister Johannes von Höxter (t nach 1419) und sein Hauptwerk "Invitatorium exsulantis animae tendentis ad caelestem Jerusalem" .............................................................................. Johannes Helmrath: Non modo Cyceronianus, sed et Iheronymianus: Gherardo Landriani, Bischof von Lodi und Corno, Humanist und Konzilsvater .....................

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857 865 877

899

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Schriftenverzeichnis von Kaspar Elm ..... ................ ............................ .. ...... 961 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren .................................................... 981

Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen AASS Abh. Berlin

Acta Sanctorum Abhandlungen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse (Abhandlungen anderer Akademien werden in entsprechender Form abgekürzt)

AHC

Annuarium historiae conciliorum

AHP

Archivum historiae pontificiae

AFH

Archivum Franciscanum Historicum

AFP

Archivum Fratrum Praedicatorum

AKG

Archiv filr Kulturgeschichte

BF

CC -CM -SL

Bullarium Franciscanum, 4 Bde., hg. v. 1. H Sbaralea OFM, Roma 1759-1768. Statuta capitulorum generalium ordinis Cisterciensis: ab anno 1116 ad annum 1786, 8 Bde., hg. v. 1.-M Canivez, Louvain 1933-1941 Corpus Christianorum Continuatio Mediaevalis Series Latina

Cod. dipl.

Codex diplomaticus, Codice diplomatico

CSEL

Corpus scriptorum ec;clesiasticorum latinorum

DA

Deutsches Archiv filr Erforschung (bis 1944: Geschichte) des Mittelalters

HJb

Historisches Jahrbuch

HStA

Hauptstaatsarchiv

Canivez

HZ

Historische Zeitschrift

Jb(b).

Jahrbuch (Jahrbücher)

JE, JK, JL

Regesta Pontificum Romanorum, bearb. von Jaffe-Ewald, J affe-Kaltenbrunner, J affe-Loewenfe ld

LexMA

Lexikon des Mittelalters

MGH -DD -Epp. -LL -SS

Monumenta Germaniae Historica Diplomata Epistolae Leges Scriptores

x

Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen

PL

Migne, Patrologia latina

PG

Migne, Patrologia Graeca

MIÖG

Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsfor schung (1923-1942: MÖIG)

NA

Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichte

ND

Neudruck

N.F.,N.S.

Neue Folge, Nova Series

QFIAB

Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken

Reg.lmp.

Regesta Imperii

RHE

Revue d'histoire eccIesiastique

SC

Sources Chretiennes

SB München

Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Sitzungsberichte anderer Akademien werden in entsprechender Form abgekürzt)

UB

Urkundenbuch

VuF

Vorträge und Forschungen

WA

Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe)

ZKG

Zeitschrift für Kirchengeschichte

ZRG -Kan. Abt

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Kanonistische Abteilung

Zs(s).

Zeitschrift (Zeitschriften)

Zum Geleit "Vita religiosa im Mittelalter" - es war nicht schwer, ein Forschungsfeld abzustecken, auf dem sich Freunde, Kollegen und Schüler Kaspar Elms zusammenfmden könnten, um durch eine Festschrift Glückwunsch, Verbundenheit und Dank rur vielfältige Einsichten und Anregungen zum Ausdruck zu bringen. Denn kein deutscher Mediävist unserer Zeit dürfte so viel dazu beigetragen haben, die Kenntnisse über das breite Feld des mittelalterlichen Ordenswesens mitsamt seiner weniger bekannten Früchte, also der kleineren Verbände und Ordensgemeinschaften, zu erweitern und ins allgemeine Bewußtsein der Historiker wie der Allgemeinheit zu heben, wie gerade Kaspar Elm. Die leise ironisierende wie anerkennende Abbreviatur "Ordens-Elm" in Kreisen der Studierenden wie der Fachkollegen bringt ein bewundernswert konsequentes Forschungswerk auf einen einprägsamen Nenner und zeugt von einer autoritativen Stellung innerhalb der Zunft, wie sie nur selten zugestanden wird. Wer aber das ffiuvre Kaspar Elms kennt, von seiner Lehre und seiner Vortragstätigkeit ganz zu schweigen, sieht eine weitaus größere Spannbreite, als eine oberflächliche Reduzierung auf seine Ordensstudien vermuten ließe. Von dem Anliegen getragen, nicht nur die etablierten Formen religiösen Lebens zu erforschen, sondern gerade den Grenzbereichen zwischen institutionalisierten und unregulierten geistlichen Lebensformen seine Aufmerksamkeit zu widmen, hat sich Kaspar Elm mit anthropologischen und religionssoziologischen Fragen, mit Laien-, Volks- und Frauenfröminigkeit beschäftigt, und dies zu einer Zeit, als derartige Themen noch nicht im Blick der Forschung standen. Er hat damit nicht unwesentlich dazu beigetragen, daß sich gerade in dieser Hinsicht in den letzten Jahrzehnten ein Wandel vollzogen hat. Seine Leistungen in Forschung und Lehre haben vielfältige Anerkennung gefunden, durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Gießen, durch die Berufung in eine Vielzahl gelehrter Gesellschaften, Akademien und nationalen wie internationalen Wissenschaftsorganisationen, in denen er herausragende Funktionen wahrnahm, durch mehrere ehrenvolle Rufe an Universitäten sowie durch Einladungen an Wissenschaftszentren in den Vereinigten Staaten und im europäischen Ausland. Seine Forschungen erweisen ihn als Schüler und konsequenten Nachfolger seines akademischen Lehrers Herbert Grundmann. Aber die Grundlagen seiner wissenschaftlichen Ausrichtung gehen weiter zurück als in seine Studienzeit zu Münster. In der Stadt Johannes Janssens, im geistigen und geistlichen Strahlkreis des Viktordomes im niederrheinischen Xanten aufgewachsen, dem er auch wissenschaftlich seinen Tribut zollte, entwickelte sich Kaspar Elm zu einem aufgeklärten und toleranten, aber auch selbstbewußten Katholiken, der

XII

Zum Geleit

sich durchaus in die Pflicht nehmen ließ bei Jubiläen und Katholikentagen, in Vereinsarbeit und Publizistik, aber stets seine innere Freiheit wahrte. Den jungen Münsteraner Studenten ftihrte ein Stipendium des illustren Collegio Borromeo nach Pavia, ein einschneidender Aufenthalt, der nicht nur seine lebenslange Liebe zu Italien begründete, sondern auch die Basis rur seine 1957 vorgelegte Dissertation über die Anfange des Ordens der Augustiner-Eremiten im 13. Jahrhundert schuf. Von Münster und Herbert Grundmann wechselte der junge Doktor nach Freiburg im Breisgau als Assistent zu Otto Herding, wo er sich mit dem Humanismus ein zweites Forschungsfeld erschloß und im Jahre 1967 seine Habilitationsschrift über die Kanoniker vom Heiligen Grab einreichte. Ihr lag eine schon damals beeindruckende, bis heute nicht abgebrochene Tour de Force durch Archive und Forschungsliteratur fast aller europäischen Länder zugrunde. Sie initiierte eine über viele Jahrzehnte hinweg betriebene Beschäftigung mit den vielgestaltigen geistlichen Institutionen, deren venneintlicher oder tatsächlicher Ursprung im Heiligen Land lag - von den verschiedenen Kreuzherrenorden über die Kanneliten bis zu den Ritterorden und anderen, weit weniger bekannten Gemeinschaften. Ein Teil dieser oftmals an entlegener Stelle publizierten Studien ist erst kürzlich gesammelt und neu herausgegeben worden. Daneben wandte sich Elm, programmatisch sichtbar in seiner weithin gerühmten Antrittsvorlesung über "Franziskus und Dominikus. Wirkungen und Antriebskräfte zweier Ordensstifter" , verstärkt den Bettelorden und hier insbesondere dem Franziskanerorden zu. Eigene Tüchtigkeit und die Gunst der Zeit gaben dem Privatdozenten die Chance, unter mehreren Rufen zu wählen. Er entschied sich ganz bewußt rur die neu gegründete Reformuniversität in Bielefeld, wo er nicht nur maßgeblich am Auf- und Ausbau der Fakultät fiir Geschichtswissenschaft und Philosophie beteiligt war, sondern auch vom dortigen geistigen Klima spannenden Miteinanders und herausfordernder Konkurrenz der Geistes- und Sozialwissenschaften nachhaltig geprägt wurde. Diese Erfahrungen konnte Kaspar Elm seit 1975 in sein Wirken an der Freien Universität Berlin einbringen, nachdem er auf dem Lehrstuhl fiir Verfassungsgeschichte des Mittelalters die Nachfolge von Walter Schlesinger und Reinhard Elze angetreten hatte. Seinen engeren Interessen kam entgegen, daß er dort einen sogenannten Forschungsprojektschwerpunkt "Zisterzienserstudien" vorfand, in dem er bald eine fiihrende Stellung einnahm. Seine Beschäftigung mit einer Vielzahl verschiedener Orden und seine in Bielefeld angeeigneten bzw. fortentwickelten theoretischen Ansätze förderten die Erkenntnis, daß lediglich ein systematischer und komparatistischer Zugang die Ordensforschung vor der Gefahr der Verengung bewahren könnte, die einem ausschließlich landesgeschichtlichen oder ordenspezifischen Ansatz mitunter eigen ist. Der aus dieser Erkenntnis heraus entstandene Forschungsprojektschwerpunkt "Vergleichende Ordensforschung" war kein mit umfangreichen eigenen Mitteln ausgestatteter Sonderforschungsbereich, sehr wohl jedoch

Zum Geleit

XIII

ein durch große Flexibilität und bescheidenen administrativen Aufwand gekennzeichnetes Forschungszentrum im eigentlichen Sinne. Mehrere internationale Tagungen und daraus hervorgegangene Sammelbände sowie verschiedene eigenständige Publikationen zeugen von der Tragflihigkeit dieses Forschungsansatzes. Manche der in Berlin entstandenen Arbeiten fanden Aufnahme in die von Kaspar Elm begründete und betreute Reihe der "Berliner Ordensstudien", Kern der "Berliner Historischen Studien", und so findet auch diese Festschrift dort ihren angemessenen Platz. Elms Wirken in Berlin brachte ihm und dem Friedrich-Meinecke-Institut über die Grenzen Deutschlands hinaus in Fachkreisen großes Renommee ein, das sich unter anderem in weiteren ehrenvollen Rufen niederschlug. Der Jubilar lehnte sie allesamt ab und verhalf mit den dabei gewonnenen Sondermitteln dem Friedrich-Meinecke-Institut zu einer der besten Bibliotheken auf dem Feld der mittelalterlichen Ordens- und Geistesgeschichte. In einer stetig wachsenden Zahl von Aufsätzen hat sich Kaspar Elm in seinen nunmehr zwei Dutzend Berliner Jahren en detail und mit weitem Blick vergleichend zu vielfliltigen Fragen der mittelalterlichen Ordensgeschichte geäußert, auch zur Spiritualität, zur Bildung und zum Selbstverständnis geistlicher Institutionen. Viele dieser nicht selten an entlegener Stelle erschienenen Arbeiten, die nicht mehr erkennen lassen, unter welchem Druck sie entstanden, trotz chronischen Zeitmangels durch ungezählte Überarbeitungen bis zur letzten Minute inhaltlich perfektioniert und sprachlich geschliffen, sind im Kern durch profunde Kenntnis der Materie, ausgeprägte Urteilsfiihigkeit und Talent zur Synthese verdichtete Monographien. Die reiche intellektuelle Begabung und Sprachmächtigkeit, über die Kaspar Elm verfUgt, kam und kommt auch in seinen kunstvoll komponierten Vorlesungen und öffentlichen Vorträgen, seinen Beiträgen zu großen Feuilletons, am unmittelbarsten aber in den spontanen Diskussionsbeiträgen zum Vorschein. Wer seine Fähigkeit zur Synthese, aber auch zur kritischen Durchleuchtung und zum federnden Schlagabtausch auf Fachtagungen, beim "Mittelalterlichen Abend", dem regelmäßigen, universitäts- und disziplinenübergreifenden Treffen der Berliner Mediävisten, oder auch in Universitätsgremien erlebt hat, wird sie so schnell nicht vergessen. Seine Fachkompetenz und Urteilsflihigkeit waren maßgeblich dafiir verantwortlich, daß Elm über viele Jahre hinweg als Gutachter und Mitglied des Senatsausschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft fUr die Sonderforschungsbereiche fungierte - wegen seiner scharfsinnigen und kritischen Analysen geachtet, mitunter auch gefUrchtet. Wer ihm im Alltag begegnete, nahezu täglich in der berühmten "Rostlaube", jenem leider schnell marode gewordenen Juwel moderner Stahlbauarchitektur, wo das Friedrich-Meinecke-Institut durch einen Zufall der Geschichte beinahe exakt so lange ein Zuhause fand, wie der Jubilar an ihm wirkte, konnte andere Züge an Kaspar Elm entdecken und schätzen lernen: eine freundliche, ja oft herzliche Zuneigung, oder die Freude am Gespräch, das er oft in charakteri-

XIV

Zum Geleit

stisch vornüber gebeugtem Gang, zuweilen beim Mitarbeiter oder Kollegen eingehakt, auf den langen Fluren pflegte. Mit Interesse und Mitgefühl nahm der Vater von vier Kindern, der allzu früh seine geliebte Frau verlor, die ihm Stütze, Regulativ und Kritikerin zugleich war, an familiären Sorgen und Freuden der Mitarbeiter und ihm näher stehender Studenten Anteil. Faszinierte der akademische Lehrer seit jeher durch seine Vorlesungen, so kamen seit den achtziger Jahren wiederholt Exkursionen innerhalb Deutschlands, aber auch ins Ausland hinzu. Obwohl er eine wachsende Zahl von Graduierenden und Doktoranden um sich sammelte, hat Kaspar Elm ganz bewußt keine "Schule" geschaffen, sondern ließ seinen Doktorandinnen und Doktoranden bei der Wahl und der Bearbeitung ihrer Forschungsthemen großen Freiraum, legte sie nicht auf eigene Ansätze oder arbeitsteilige Forschung im Verbund fest. Begabte Studenten und Fachgenossen wußten auch ohne jeden institutionellen Rahmen, welche Strahlkraft von Berlin und dem Lehrstuhl Kaspar Elms ausging. Als ein Reflex dieses Prestiges, aber auch als eine Spiegelung der in diesem kurzen Abriß eines reichen Historikerlebens erwähnten Forschungsansätze sind die hier versammelten Beiträge zu verstehen. Der Bitte der Herausgeber folgend, einen Beitrag zu "Vita religiosa im Mittelalter" zu verfassen, haben 49 Autorinnen und Autoren aus zehn Ländern eine große Spannbreite monastischen, kanonikalen, ja allgemein klerikalen Lebens abgesteckt, Formen mittelalterlicher Semireligiosität und Laienfrömmigkeit untersucht, Europa von England nach Palästina, von Polen bis Frankreich durchschritten. Zahl und Herkunft der Beitragenden zu dieser Festschrift zeugen aber auch von einer Fähigkeit, die den Jubilar neben stupendem Forscherfleiß zeitlebens ausgezeichnet hat: seine Begabung, den Kontakt sowohl zu in- wie auch zu ausländischen Kollegen zu finden und zu pflegen, durch eine Vielzahl von Forschungs- und Vortragsreisen, aber auch durch Publikationen über Teilbereiche der mittelalterlichen Geschichte Italiens, des Nahen Ostens, des Baltikums und anderer Gebiete. Fast ohne Ausnahme haben alle zur Mitarbeit Eingeladenen positiv reagiert; einige, die zugesagt hatten, konnten aus verschiedenen Gründen ihren Beitrag dann schließlich doch nicht rechtzeitig beisteuern. Auch werden wir nicht alle angesprochen und berücksichtigt haben, die ihre Verbundenheit mit Kaspar Elm auf diese Weise zum Ausdruck bringen wollten - wir können ob der vielfaltigen Zwänge nur um Nachsicht bitten. Viele finden sich in der beigefügten Tabula gratulatoria, die in eindrucksvoller Weise das Ansehen des Gelehrten in der wissenschaftlichen Welt im umfassenden Sinne widerspiegelt. Allen Beteiligten sei gedankt, daß es gelungen ist, einen thematisch homogenen, auf das Lebenswerk des Jubilars ausgerichteten, methodisch vielgestaltigen Band zu publizieren. Wir hoffen, daß der reiche Strauß der Beiträge Studierenden und Kollegen Freude bereiten möge, vor allem aber dem Jubilar, dem wir noch viele erfüllte Jahre in Gesundheit und Schaffenskraft wünschen. Besonderer Dank, auch im Namen der am wissenschaftlichen Ertrag der Festschrift Interessierten, gebührt den Personen und Institutionen, die durch ihre

Zum Geleit

xv

Unterstützung den angesichts des Umfangs und der Ausstattung moderaten Preis der Festschrift ermöglicht haben: Frau Elisabeth Verreet, Großkreuzdame im Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem, die Dominikaner-Provinz Teutonia mit ihrem R. P. Provinzial Manuel Merten OP, die Kester-HaeuslerStiftung in Fürstenfeldbruck, das Erzbistum Berlin, die Ernst-ReuterGesellschaft der Förderer und Freunde der Freien Universität Berlin e. V., das Friedrich-Meinecke-Institut, Dr. Hans-Jörg Leuchte, Immobilien und Beteiligungen, Berlin, sowie die Kreissparkasse Moers und schließlich, aber nicht zuletzt, die Görres-Gesellschaft mit ihrem Präsidenten Dr. Dr. h. c. muIt. Paul Mikat. Auch den Mitarbeitern des Verlages Duncker und Humblot, die ihren Teil zum reibungslosen und pünktlichen Erscheinen des Bandes beigetragen haben, gebührt unser aufrichtiger Dank. Franz JosefFelten

Nikolas Jaspert

Tabula Gratulatoria Abt-Herwegen-Institut (Maria Laach)

Degler-Spengler, Brigitte (Basel)

Ahlers, Gerd (Berlin)

Deutsches Historisches Institut (Paris)

Alberzoni, Maria Pia (Milano )

Demel O.T., Bernhard (Wien)

Altennatt O.Cist., Alberich (Posieux) Althoff, Gerd (MOnster)

Deutsches Historisches Institut (Roma)

Andenna, Giancarlo (Milano )

Dormeier, Heinz (Kiel)

Arnold, Udo (Bonn)

Drossbach, Gisela (Dresden)

Awerbuch, Marianne (Berlin)

Duchhardt, Heinz (Mainz)

Bak, Jänos (Budapest)

Einhorn O.F.M., Werinhard (Osnabrilck)

Baumeister O.F.M, Theofried (Mainz) Beatrice, Pier Franco (Padova)

Dinzelbacher, Peter (Salzburg)

Elze, Reinhard (München) Engels, Odilo (Köln)

Becker, Alfons (Mainz)

Englert O.S.A., Eric (WÜTzburg)

Berndt, Rainer (Frankfurt a.M.)

Esch, Arnold (Roma)

Berschin, Walter (Heidelberg)

Escher, Felix (Berlin)

Berthel, Axel (Berlin)

EBer O.P., Ambrosius (Roma)

Borchardt, Karl (Rothenburg)

Feld, Helmut (Mössingen)

Borgolte, Claudia (Berlin)

Fleckenstein, J osef (Göttingen)

Borgolte, Michael (Berlin)

Fonseca, Cosimo Damiano (Roma)

Borst, Arno (Konstanz)

Frank O.P., Isnard W. (Wien)

Burger, Christoph (Amsterdam)

Freise, Eckhard (Münster)

Cariboni, Guido (Milano)

Fried, Johannes (Frankfurt a.M.)

Clauss, Manfred (Frankfurt a.M.)

Fuhrmann, Horst (München)

Costard, Monica (Berlin)

Gerchow, Jan (Essen)

Crusius, Irene (Göttingen)

Gilomen, Eisanna (ArIesheim)

Cygler, Florent (Dresden)

Gilomen, Hans-Jörg (Ariesheim)

de Meijer O.S.A, Albericus K. (Eindhoven)

Girgensohn, Dieter (Göttingen)

de Neve, Michael (Berlin)

Graf zu Dohna, Lothar (Rheden)

2 Festschrift Elm

Gollwitzer, Heinz (München)

XVIII

Tabula Gratulatoria

Hamm, Berndt (Erlangen)

Johannek, Peter (Münster)

Härtei, Helmar (Wolfenbüttel)

JOrgensmeier, Friedhelm (Osnabrück)

Hausherr, Reiner (Berlin)

Keller, Hagen (Münster)

Haverkamp, Alfred (Trier)

King, Peter (Saint Andrews)

Heckmann, Dieter (Berlin) Heckmann, Marie-Luise (Berlin) Hehl, Ernst-Dieter (Mainz) Heirnann, Heinz-Dieter (Potsdarn) Heinig, Paul-Joachirn (Mainz)

Kottje, Raimund (Königswinter) Kugler, Anna (Berlin) Kuhn, Elmar (Friedrichshafen)

Hengst, Karl (Paderborn)

Kurmann, Peter (Fribourg)

Herbers, Klaus (Erlangen)

Kurmann-Schwarz, Brigitte (Fribourg)

Heyen, Franz-Josef (Koblenz) Hinz, Ulrich (Berlin) Historische Kommission filr Westfalen (Münster) Historisches Seminar der West fälischen-Wilhelms-Universität (Münster) Hlavä~ek,

Klein, Gotthard (Berlin) Koselleck, Reinhart (Bielefeld)

Ivan (Prag)

Ladner, Pascal (Fribourg) Laudage, Johannes (Düsseldort) Lauterer, Kassian (Bregenz) Lechner O.S.B, Gregor Martin (Göttweig) Maaz, Wolfgang (Berlin)

Hlawitschka, Eduard (Herrsching)

Maleczek, Werner (Wien)

HÖMe'felder, Ludger (Bonn)

Martin O.S.A., Francis Xavier (Dublin)

Horstkötter, Ludger (Hamborn) Houben, Hubert(Lecce)

Matheus, Michael (Mainz)

Institut d'~tudes Aug~stiniennes (Paris) .-,

Mayer, Hans Eberhard (Kiel) McCormick, Michael (Harvard)

Institut ftlr GeschiChte (Frankfurt a.M;)

Meier, Johannes (Koblenz)

Institutftlr mittelalter-liche

Mertens, Dieter (Freiburg LBr.)

Ge~

schicht~(Nijplegen)

Institut filr Verglei~hende Städtegeschichte (Münster) ,'.';' :',) '" ;,

Irsigler, Franz (Trier) .

.,.

Jenal~(Je()rg (Költl)

Jenks 1 Stuart (Erlangen)

Mischlewski, Adalbert (Grafing) Moraw,Peter (Gießen) Müller, Heri?ert (Frankfurt a.M.) Müller-Mertens, Eckhard (Berlin)

Jakobs,. HennllIlIl(Heidelberg) ,.:'.': :' '-".).'-

Meuthen, Erich (Köln)

Mordek, Hubert (Freiburg LBr.)

J ähnig, Bernltart (Berlin) ,;

Menzel, Michael (München)

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Johannek, Ingeborg (MAnster).

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Murray, Alex.ander (Oxford) Oberman, Heiko (Tucson) Oberste, Jörg (Dresden)

Tabula Gratulatoria

XIX

Ochsenbein, Peter (Sankt Gallen)

Schuler, Peter-Johannes (Potsdarn)

Oefelein, Cornelia (Berlin)

Schwarz, Brigide (Hannover)

Oexle, Otto Gerhard (Göttingen)

Schwarzmaier, Hansmartin (Karlsruhe)

Overgaauw, Eef (Berlin) Pahlitzsch, Johannes (Berlin) Paravicini, Werner (Paris) Paul, Ulrike (Berlin) Persoons, Ernest (Bruxelles) Petersohn, Jürgen (Marburg) Pfaff, Carl (Fribourg) Picasso, Giorgio (Milano ) Pitz, Ernst (Berlin) Priorij Thabor (Sint Odilienberg) Puschner, Uwe (Berlin) Raddatz, Alfred (Wien) Rädle, Fidel (Göttingen) Repgen, Konrad (Bonn) Ringel, Ingrid (Mainz) Rödel, Walter G. (Mainz) Rösener, Werner (Gießen) Rosenwein, Barbara H. (Chicago) Roth O.Cist., Hermann Josef (Köln) Rotzetter O.F.M Cap., Anton (Altdort) Sarbak, Gäbor (Budapest) Schenkl O.Cist, Assumpta (Helfta) Schiewer, Hans-Jochen (Berlin) Schindling, Anton (Tübingen) Schmidt, Paul Gerhardt (Freiburg LBr.) Schmidt, Roderich (Marburg) Schmidt-Wiegand, Ruth (Marburg) Schneider O.Cist, Irene (Landshut) Schneidmüller, Bernd (Bamberg) Schoppmeyer, Heinrich (Witten) Schreiner, Klaus (Bielefeld) 2·

Schmitt, Jean-Claude (Paris) Schwind, Fred (Marburg) Schwinges, Rainer C. (Bern) Segl, Peter (Bayreuth) Semmler, Josef (Düsseldort) Sohn, Andreas (Münster / Paris) Stackmann, Karl (Göttingen) Stiftsbibliothek Sankt Gallen (Sankt Gallen) Struve, Tilman (Köln) Tegethoff, Wilm (Berlin) Thumser, Matthias (Berlin) Timpe, Dieter (Würzburg) Tomassi, Francesco (Perugia) Van Dijk O.Carm., Rudolf (Nijmegen) Vogtherr, Thomas (Leipzig) Vollrath, Hanna (Bochum) Von Moos, Peter (Beon) von Padberg, Lutz E. (Evers winkel) von Samson, Carmen (Berlin) Wagner, Fritz (Berlin) Walsh, Katherine (Salzburg) Warnatsch, Stephan (Berlin) Wehrli-Johns, Martina (Pfaffhausen) Weiler, Antonius G. (Nijmegen) Weitlauff, Manfred (München) Wendehorst, Alfred (Erlangen) Wigger, Annette (Berlin) Zettler, Alfons (Dortmund) Zotz, Thomas (Freiburg LBr.)

I. Alte Kirche, Mission und frühes Mönchtum

Inventing the "Father ofthe Church": Gregory ofNazianzus' "Farewell to the Bishops" (Or. 42) in its Historical Context By Susanna Elm The end of the fourth and beginning of the fifth century A.D., aperiod also known as the Theodosian Age, witnessed the rapid evolution of a new Christian-Roman civilization that we call Byzantine. This evolution manifested itself in the creation of new models of identity, power and authority, that of the bi shop prominent among them. The process of creating the "model bishop" was dominated by several distinct individuals, who combined in their writings existing concepts of political theory, forms and language of administrative and legal office, express ions of social status and various epistemological approaches towards doctrine. The result was the formulation of a new figure of ecclesiastical authority - the imperial bishop. During the fifth century, the most prominent of the men who embodied the new model became known as "Fathers of the Church." The process of establishing the new model of episcopal authority was long, protracted and highly contested, involving numerous players from a variety of walks of life. In this essay, I will illustrate some of the mechanisms involved in the invention of the "Father of the Church" by concentrating on one figure, Gregory of Nazianzus. I will show how in his "FareweIl Address to the Bishops" he combined Roman administrative and legal procedure with his own doctrinal tenets to exert his authority over Nectarius, his successor as bishop of Constantinople, and the bishops assembled in the imperial capital during one of the high-points of "orthodox" history, the first ecumenical council of 381. I am especially grateful that I have been given the opportunity to do so in honor of Kaspar Elm, a beloved father who could not have been invented any better.

I. Gregory the Person: Traditions of a Rhetoric of Self By the end of 381, Gregory, by then fifty-one years old, was where he most wanted to be: far from the tumultuous machinations of the world. This fortunate state of affairs was a very recent achievement. As late as July of 381, Gregory had been the bishop of Constantinople. At that time, a sequence of turbulent events had prompted hirn to offer his resignation, which, somewhat to his surprise, had been accepted with alacrity. And so, on July 9, Gregory left for Cap-

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padocia and his estate at Arianzus to do what he most liked to do: to write about himself, his colleagues, the state of the Church, and the events that had so happily conspired to "free" hirn from the capital and its episcopal see. 1 The two orations that Gregory wrote in the last months of 381, Oration 42 "FareweIl to the Bishops" and Oration 43 "In Praise of Basil," were among his last. 2 Forming, in the words of their most recent editor Jean Bernardi, "a diptyCh,,,3 these two orations illuminate the two central themes that guided Gregory's life: on one panel ofthe diptych, the theme ofunbearable tension between adesire for contemplative retreat and the duty to serve in ecclesiastical office, on the other the "reservoirs of bile" opening up in a stream of invective against other ecclesiastical office-holders. 4 Both themes date back to Gregory's very first orations, then to be elaborated, honed, refIned and reiterated at every opportunity and in nearly all the literary genres known to an educated man of the time. 5 Abbreviations used: GCS Griechische Christliche Schriftsteller JECS Journal ofEarly Christian Studies JThS n.s. Journal ofTheological Studies, New Series I I would like to thank Michael Maas and William North for fruitful discussions. Gregor von Nazianz, De vita sua, v. 1273-1999, esp. v. 1868. Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar, ed. C. Jungck, Heidelberg 1974, 116-144. Or. 2. 4, in: Gnigoire de Nazianze, Discours 1-3, ed. 1. Bernardi (SC 247), Paris 1978,90. N. McLynn, The Voice of Conscience: Gregory Nazianzen in Retirement, in: Vescovi e pastori in epoca Teodosiana, 2 vols., 25. Incontro di studiosi dell'antichita cristiana (Studia Ephemeridis Augustinianum 58), Roma 1997, II, 299-308, at 299. The Suidas mentions Gregory's date ofbirth as 301, but the accepted date now is either 329 or 330. 1. Bernardi, Saint Gregoire de Nazianze, Paris 1995, 9, 104-109. 2 The precise dating of both orations has been subject to debate; I am following McLynn, The Voice (see note 1),301-302, and 1. Bernardi (Gregoire de Nazianze, Discours 42-43, ed. 1. Bernardi [SC 384], Paris 1992, 20-25). Or. 42 was written in late 381 or early 382. Or. 43 was most probably held on January 1SI, 382, the third anniversary of Basil of Caesarea's death, but our present text is a later revision (ibid., 25-28). Only orations 45 and 44 were written later, cf. 1. Bernardi, La predication des peres Cappadociens, Paris 1968, 246-253; A. Sterk, On BasiI, Moses, and the Model Bishop: The Cappadocian Legacy ofLeadership, Church History 67 (1998) 227-253. For discussions regarding the date of Basil's death, cf. P. Rousseau, Basil of Caesarea, Berkeley 1994, 360-363. 3 Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 (see note 2), 25. 4 F Norris, Faith Gives Fullness to Reason. The Five Theological Orations of GregoryNazianzen, Leiden 1991,8. 5 Unlike Basil ofCaesarea and Gregory ofNyssa, who treated many oftheir topics in systematic treatises, Gregory used primarily orations, poetry (some 17,000 verses), and epistles. Within these genres, he sought to demonstrate his versatility and mastery over all the sub-genres, hence he has orations in the apologetikos logos form, such as Or. 2, but also a number of encomia, funeral orations (epitaphia), and a "farewell-address" (syntakterios logos). Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 (see note 2), 13. !dem, La

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Not surprisingly, these panels of the diptych also fonn the basis for Gregory's assessment in contemporary scholarship.6 Despite his status as one of the three Cappadocian Fathers, Gregory is seen as an ecclesiasticalloser, especially when compared to the two great "model bishops, " Basil of Caesarea and Gregory of Nyssa, with whom he has been grouped based on his stature as the "Theologian." Depending on a scholar's confessional and personal disposition, Gregory is perceived either as "inspiring sympathy for his greater sensitivity or impatience for his fickleness.,,7 While his theological insights and rhetorical gifts are universally admired, Gregory is very rarely called upon when attempting to discuss the development of episcopal office in the fourth century in a systematic fashion. Certainly, his writings are cited, especially when sanctioned by "true" episcopal authorities such as Basil of Caesarea or John Chrysostom. 8 However, in the eyes of most scholars, Gregory himself hardly qualifies as "model-bishop," and alm ost everything he had to say about the nature and function of episcopal office is seen as "self-serving," "elitist" and idiosyncratic, in short, as tinged by the peculiarities of Gregory the person: a "man whom conpn:dication (see note 2),93-260. Norris, Faith (see note 4), 12-17. B. U)!ss, Gregor von Nazianz: Ein griechisch-christlicher Dichter des vierten Jahrhunderts, Museum Helveticum 6 (1949) 177-220 (repr. Libelli 73, Darmstadt 1962). Most significant for our purpose are Gregory's autobiographical poems, in: PG 37,11, 1,969-1452, here in particular De vita sua (see note I); De rebus suis, in: PG 37,969-1071; De se ipso et de episcopis, ed. B. Meier, Über die Bischöfe (Carmen 2,1,12). Einleitung, Übersetzung, Kommentar, Paderborn 1989; and Querela de suis calamitatibus, in: Gregory 0/ Nazianzus, Autobiographical Poems, ed. C. White (Cambridge Medieval Classics 6), Cambridge 1996, 154-162; Gregory 0/ Nazianzus, Three Poems. Concerning his own Affairs, Concerning himself and the Bishops, Concerning his own Life, trans. D. M Meehan (The Fathers ofthe Church 75), Washington D.C. 1987. 6 In the following I will mainly eite recent works. For a bibliographical survey prior to 1965 cf. F Trisoglio, San Gregorio di Nazianzo in un quarantennio di Studi (19251965), Torino 1974,45-62. 7 N. McLynn, A SeJf-made Holy Man: the Case of Gregory of Nazianzen, in: The "Holy Man" Revisited (1971-1997): Charisma, Texts and Communities in Late Antiquity, ed. S. Elm / N. Janowitz (JECS Special Issue 6), Baltimore 1998, 463-483, quote 465. Thus, French scholarship tends towards sympathy, Anglo-Saxon towards impatience. Descriptions range from Gregory's "oriental soul," "romantic sensibility" and "depressive temperament," to his "paranoia," "pusillanimity," "petulance" and "seething self-pity." Rousseau, Basil (see note 2), 65, 87; P. Gallay, La vie de saint Gn:goire de Nazianze, Paris 1943,243; Bernardi, Saint Grt:goire (see note 1),338-348; K. Demoen, "Acteurs de pantomimes, traffiquants du Christ, flatteurs de femmes ... " Les eveques dans les poemes autobiographiques de Gregoire de Nazianze, in: Vescovi e pastori in epoca Teodosiana (see note 1),11, 287-298, at 288; R P. C. Hanson, The Search for the Christian Doctrine ofGod, Edinburgh 1988,705-706; Sterk, On Basil (see note 2),239. 8 The most notable exceptions, Or. 2, 21 and 43, are case in points. They achieved their status via John Chrysostom's De Sacerdotio (Or. 2), and because of their subject matter, all model bishops, Or. 21 and 43. 1. -R. Pouchet, Athanase d'Alexandrie, modele d'eveque, seI on Gregoire de Nazianze, Discours 21, in: Vescovi e pastori in epoca Teodosiana (see note I), 11, 347-357; Sterk, On Basil (see note 2), 239-253.

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temporaries and subsequent readers admired for the fluency of his theological treatise about the nature ofthe Trinity," but who '''stuttered' as he remembered and recorded memories about himself.,,9 The persistence and longevity of this dual "iconography" of Gregory of Nazianzus as gifted rhetorician and theologian but troubled soul and negligible ecc1esiastical player is in itself a high tribute to Gregory's eloquence. lt is precisely his rhetoric that created this picture - Gregory, after all, wrote his own life, and portrayed it as dominated by these two themes. 1O To take Gregory at face - value, to read both his incapacity of making "a definitive commitment [to pastorallife], and sticking to it," as weil as his "outpourings of bile," "elitist prejudices" and "haughty disdain" literally, is, therefore, an admission of analytical defeat. lI If Gregory's life is to be described as an altar-piece, the traditional rendering misses the centerpiece, namely, why Gregory chose to portray himself in that fashion. In other words, the diptych of Gregory's life, so predominant and familiar, should be understood as a triptych. Its center-piece, the essence and purpose of Gregory's writings, is the formulation and definition of the Trinity according to a specific rhetorical-philosophical epistemology, later known as Neo-Nicene; the defense of this epistemology against an overwhelming opposition of equally well-formulated counter-epistemologies, which he defmed as "heresies;" and the continual efforts to hamess all available resources, social c1ass, education, patronage, ecclesiastic office, - to win support for his definition ofthe Trinity where it truly mattered, in Constantinople. Both, Gregory's promotion of an ecc1esiastical career interspersed with repeated periods of absence and his attacks on other office-holders, are means to that end. They are part and parcel of a rhetorical strategy designed to influence and participate fully in the struggle for doctrinal and ecclesiastieal leadership. Moreover, far from the musings of a sensitive, pusillanimous, paranoid, and elitist soul, both themes as propagated by Gregory derive squarely from the political rhetoric of the time. They are, thus, representative of precisely the social c1ass to which Gregory belonged, and they, as weil as his actions, reflect the traditions, concems, and adjustments of that particular c1ass at that particular 9 R. van Dam, Self-representation in the Will ofGregory ofNazianzus, JThS n.s. 46 (1995) 118-148, quote 140. 10 The eontinuous repetition of "set-themes," rather than an indieation of personal turmoil, or "stuttering," was instead a highly effeetive rhetorieal deviee specifie to late antique writers, employed to highlight and emphasize especially important points. P Cox MilIer, "Differential Networks": Relies and Other Fragments in Late Antiquity, JECS 6 (1998) 113-138; and M Roberts, The Jeweled Style. Poetry and Poeties in Late Antiquity, Ithaea 1989, 78-92, 122-138, though the author eoneentrates exclusively on Latin writers. 11 Rousseau, Basil (see note 2), 84-90; Norris, Faith (see note 4), 8; Demoen, Acteurs (see note 7), 296.

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historical moment, eharaeterized by tensions between the eapital and the loeal sphere, challenges from "up-starts," eareerists, and social superiors, and the pressures oftheir peers. 12 Gregory's writings on hirnself and the bishops are, therefore, personal. However, their "personality" is not that ofmodern psyehology. Rather, Gregory's literary eonstruetion ofhis own life is his interpretation ofthe role and funetion of men of his class, status, and mores in the forging of a new aristoeraey, molded by Constantinople and dominated by the court. Moreover, his writings are precise formulations and prescriptions of the Christianity this elite should embrace and represent. As such, Gregory's carefully erafted personality both re fleets and shapes the "eonversion" of an entire class. His writings doeument first-hand how the elite of the Later Roman Empire refashioned traditional eoneepts of leadership in order to form a new office, that of the bishop in an imperial age, and a new kind of authority, that ofthe "Father ofthe Chureh."

11. "Farewell to the Bishops" : Constantinople On November 24, 380, Theodosius I. entered Constantinople in full eeremony. Some nine months prior, on February 27, 380, he had issued an ediet at Thessaloniea whieh imposed upon all peoples under his rule an allegianee to striet orthodoxy. He had defined this orthodoxy as the teaehings represented by Damasus of Rome and Peter of Alexandria, the foremost western bishops. 13 A few months later, Theodosius had fallen dangerously ill and had been baptized by bishop Aeholius of Thessaloniea. As a result, he entered Constantinople both as a victorious general and as a baptized Catholie Christian. Three days later, on November 27, 380, he instalIed Gregory of Nazianzus as bishop of Constantinople. On the previous day, Theodosius had deposed Gregory's preeursor Demophilus and dismissed hirn to the suburbs after he had refused to sign a formula of orthodoxy offered by the emperor. A sueeessor of the "Arian" or Ho12 P Brown, Power and Persuasion in Late Aptiquity. Towards a Christian Empire, Wisconsin 1992. G Dagron. Empereur et pretre. Etude sur le "cesaropapisme" byzantin, Paris 1996. W. Eck. Der Einfluß der konstantinischen Wende auf die Auswahl der Bischöfe im 4. und 5. Jahrhundert, Chiron 8 (1978) 561-585. M Forlin Patrucco / S. Roda, Crisi di potere e autodifesa di classe: Aspetti dei tradizionalismo delle aristocrazie, in: Societa romana e Impero Tardoantico, ed. A. Giardina, 4 Vols., Roma 1986, I, 245-272. R. Gryson, Les elections episcopales en orient au IV' siecle, Revue d'histoire ecclesiastique 74 (1979) 20-345. B. Näf, Senatorisches Standesbewusstsein in spätrömischer Zeit (Paradosis 40), Freiburg/Schw. 1995. R. Teja, Organizacion economica y social de Capadocia en el siglo IV, segun los Padres Capadocios, Salamanca 1974. IJ Codex Theodosianus 16.1.2 "Cunctos populos", in: Theodosiani libri XVI, ed. T. Mommsen / P M. Meyer, Berlin 1905, 833; 1. F Matthews, Western Aristocracies and Imperial Court A.D. 364-425, Oxford 1975, 122-123.

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moian Eudoxius and himself Homoian, Demophilus had been a popular and successful bishop since April 370. 14 Theodosius was weil aware of his popularity: an anned guard protected Gregory's installation as bishop of the City.15 On January 10, 381, Theodosius issued another law condemning specific heretical dissidents, and, to implement his legal policy, summoned a general council of the eastern bishops to assemble in Constantinople in May 381. 16 Presided over by Meletius of Antioch, the 150 bishops present at the council fonnally consecrated Gregory as bishop of Constantinople. Soon after the opening of the council, however, Meletius died. During the ensuing debates concerning his succession, and with the arrival on May 31 of the Egyptian bishops, who had launched Maximus as their own candidate for the Constantinopolitan see several months before, the tide turned against Gregory. Amidst a stonn of anti"Western" and pro-Alexandrian sentiment, and fonnal charges that, as bishop of Sasima, he had violated canon 15 of Nicaea prohibiting a translation of bishopries, Gregory offered his resignation. 17 On July 9, he departed for Cappadocia. 14 According to the "Arian" Church historian Philostorgius, Demophilus was quite a blunderer when it came to doctrinal subtleties, want to "mix what should be separated and to separate what was mixed." Thus, in one sermon he had compared the mingling of the body of Christ with his divinity to that of a pint of milk poured into the ocean, Philostorgius. Historia Ecclesiastica 9. 14 (GCS 21), ed. J Bidez,2Berlin 1972, 120-122; G Dagron, Naissance d'une capitale. Constantinople et ses institutions de 330 a 451, Paris 1974, 446. But see Basil. Ep. 48, in: Saint Basile, Lettres. 3 vols., ed. P Gallay, Paris 1957, I, 120, and H. -eh. Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer. Der Osten bis zum Ende der hornöischen Reichskirche, Tübingen 1988, 187-189 note 54; his antieunomian politics ibid. 216. 15 Gregor von Nazianz, De vita sua (see note 1), 118, v. 1336-1341; Or. 36. 2-3, in: PG 36, 268. W. Enss/in, Die Religionspolitik des Kaisers Theodosius d. Gr. (SB München 2), München 1953, 17-18; Dagron, Naissance (see note 14),449-451; A.-M Ritter, Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 15), Göttingen 1965,28-33. 16 Cod. Theod. 16.5.6 (see note 13), 836; Ritter, Konzil (see note 15), 32-41; Enss/in, Die Religionspolitik (see note 15), 15. 17 Meletius' death immediately reopened the long-standing issue of succession in Antioch, long troubled by schisrn into two (sornetimes three) "Nicene" parties. After Meletius's death, two contenders vied for his see, Paulinus, the one rernaining schismatic bishop, supported by Gregory of Nazianzus and Ambrose, and Flavianus, a presbyter under Meletius. Gregory's and the "West's" suggestion to retain Paulinus until his death, and then to elect a new, collective bishop, was thwarted; the council voted for Flavianus without, however, consecrating hirn - it is unclear why. Then, the "Eastern" faction turned their attention to Gregory. Already by 380, Peter of Alexandria had put forward Maximus as the candidate for the bishopric of Constantinople. In 381, he dispatched two bishops to Constantinople who smuggled Maximus into Gregory's church, the Anastasia, and secretly consecrated hirn. Theodosius rejected hirn out of hand. However, ifPeter's methods were shady, the man hirnselfwas not. Maxirnus had been a supporter ofGregory's interpretation ofNicene orthodoxy, and was approved by the council of Aquileia and Ambrose of Milan in September 381 as legitirnate bi shop of Constantinople; Ambrosius. Ep. 13.3-5, in: Sancti Ambrosi Opera, vol. 10, ed. M Zelzer (CSEL 82.3), Wien 1982, 202-203. Denied their candidate, and already in an anti-Western

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IH. Arianzus Almost immediately upon his arrival at Arianzus, Gregory embarked upon the composition of Oration 42 "Farewell to the Bishops" and its companionpiece, the poem "De se ipso et de episcopis". Both are addressed to all those involved in his brief and stormy tenure as bishop of Constantinople. Indeed, Oration 42 purports to have been held at the moment of resignation, thus conveying an impression of immediacy similar to that of the poem "On himself and the Bishop," penned in some haste to be dispatched to its audience as early as possible. The much better known and more polished autobiographical poem "De vita sua" followed several months later in early 382, and was written at approximately the same time as Oration 43. 18 As mentioned above, Gregory had formally designated his Oration 42 as a "fareweIl address", a logos syntakterios. This pretense was short-lived. With the first four rhetorical questions, Gregory changed genre: he launched upon a fullfledged logos apologetikos, a formal plea in his defense: "How do you judge our affair, dear pastors and colleagues, ... messengers of peace and good tidings (euangelizomenon), ... [who] came to us in good time, not to reassemble a dispersed flock, but to visit a pastor who was himself displaced? What do you think of this displacement that affects us and what are its results? .... Will you be ... good auditors in our affair, or must we, too, just like those required [to submit] an account of funds [handled] during their military command, govemment of a province, or fiscal administration, present to you publicly the accounts ofwhat we have administered?,,19 These opening salvos were weil calculated. Using the classic language and vocabulary of legal procedure, Gregory positioned himself as if he were addressing the assembled tribunal of bishops with the congregation and clergy of

mood as expressed by the election of Flavianus, the Alexandrian faction now attacked Gregory directly, pointing out that his election was not canonical, since he was already bishop ofSasima (hyperorios). Matthews, Aristocracies (see note 13), 125-127; Dagron. Naissance (see noteI4), 451-456: Ritter, Konzil (see note 15), 55-68. Regarding the highly politicized circumstances of Gregory's "ordination" at Sasima in 372 see R. van Dam, Emperor, IBishops, and Friends in Late Antique Cappadocia, JThS n.s. 37 (1986) 53-76, esp. 53-68. 18 McLynn, The Voice (see note 1),299-302, indicating the poem's rough edges and disorganized structure. Bernardi (Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 [see note 2], 16-25), who dates the writing ofOr. 42 to 381, but considers the work unfinished and unpublished, regarding the date ofOr. 43 see ibid., 27. See also [dem, La composition et la publication du Discours 42 de Gregoire de Nazianze, in: Memorial Dom Jean Gribomont (1920-1986) (Studia Ephemeridis Augustinianum 27), Roma 1988, 131-143. Meier, Über die Bischöfe (see note 5), 16-18. Jungck, De vita sua (see note I), 169. 19 Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 (see note 2), (see note 2), 48, 50, Or. 42.1.

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Constantinople called as his witnesses,z° Allusions to Scripture are present - the citation above alludes to Isaiah 52: 7 and Romans 10: 15 - but the staging was that of the law-courts, more specifically, the public accounting of a civil servant at the end of his tenure. 21 Gregory declared himself confident that "we are not ashamed to be judged" - and certain to receive "a certificate of discharge, just as the emperors [issue] for magistrates.,,22 Indeed, he had no need for concern. For Oration 42 is nothing other than precisely such a "certificate of discharge", issued to Gregory not by the emperor, but by himself, the "bishop emeritus" of Constantinople, in retirement at Arianzus by his own "volition.,,23 To put it differently, by submitting himself with his plea to the judgment of the bishops at Constantinople, Gregory in his "Farewell Address" leaves no doubt that he considers himself to be the embodiment and representative of the standard according to which he must be judged.

IV. Oration 42 as a "Certificate ofDischarge" "What then is this plea?" (Or. 42. 2) - a public presentation of "the accounts of what we have administered" (Or. 42. 1), which closely mirrors the requirements for such an accounting as defined in Codex Theodosianus 1. 32. 3. It is a precise and detailed description of his reorganization and "turn-around" of the Nicene congregation in Constantinople (2-6). He intro duces his description by a short list of his own leadership credentials (3), followed by an account of his 20 Both syntax and vocabulary are those of classic Athenian rhetoric, Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 (see note 2), 49-51, notes. R. Volkmann, Die Rhetorik der Griechen und Römer in systematischer Übersicht, 2 Leipzig, reprint Hildesheim 1963, 148-164; J. Martin, Antike Rhetorik: Technik und Methode, München 1974,75-89. Z. v. Lingenthal, Geschichte des griechisch-römischen Rechtes, 3Berlin 1892,35-83. 21 Cod. Theod. 1. 32. 3; 8. 7. 8 and 14 (see note 13),67-68,396,398. The Theodosian Code, trans. C. Pharr, Princeton 1952, s. v. discharge, from imperial service; Van Dam, The Will (see note 9), 126. A. H. M Jones, The Later Roman Empire 284-602. A social, economic, and administrative survey, 3 vols., Oxford 1964, I, 377-390, 411-425, for audits and settlement of debts with the imperial household. 22 Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 (see note 2), 50, 106, Or. 42.1. and 25. The practice arises from the ranking of administrative officials in military units, the militia officialis. Hence Gr.'s term for magistrate, stratiotikos. E. Pack, Städte und Steuern in der Politik Julians. Untersuchungen zu den Quellen eines Kaiserbildes (Collection Latomus 194), Bruxelles 1986,82-103. H.-G Beck, Byzantinisches Gefolgschaftswesen (SB München, Jahrgang 1965, Heft 5), München 1965, 1-23. 23 McLynn, The Voice (see note 1), 302, who coined the phrase used above, rightly emphasizes the leverage-potential ofGregory's resignation rather than dismissal (as e.g. in the case of John Chrysostom). Refusing for over a year to resume his responsibilities at Nazianzus, Gregory was fully aware of the inherent ambiguities of his position as "bishop without portfolio," see, e.g., Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 (see note 2), 90, Or. 42.19.

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successful implementation of Nicene doctrine in Constantinople (7-12). Gregory continues with a short discussion of his epistemological methods counterpoised to those of his doctrinal opponents, and he ends with a succinct and masterful synopsis of his doctrinal tenets (l3-19)?4 This leads to the final part, Gregory's analysis ofthe dismal situation faced by his audience, the bishops assembled at Constantinople (20-21). He offers a sharp critique of his opponents, their doctrines, behavior, their lack of credentials and insidious tactics (22-25). The oration concludes with aseries of"fareweHs," to his church (the Anastasia), to the city, the emperor and his court, the council, and last but not least, to his people, ton heman laon (26-27). The rhetorical construction of this "certificate of discharge" is indeed masterful, as much for what it says as for what it omits. However, before discussing some of these aspects in greater detail, one further point needs to be raised in order to appreciate fuHy the nature of this "certificate," namely the person who was its intended audience. 25 Gregory concluded the synopsis of his doctrine and its inteHectual foundations as foHows: "Here, gentlemen, is the justification (apologos) of my presence before you. If it finds your approbation, thanks be God and you who invited me to present it. . ... What am I then saying to you? That I am not a laborer for virtue (arete) who works without salary, and that I am not a newcomer (aphikomen) to that virtue. Give me then my salary for my pains. What salary? .... AHow me to withdraw from my pains, respect my white hair, .... and put in my place someone else to face these attacks on YOUf behalf: a man with clean hands, not without rhetorical talent, .... capable of assuming his place in the affairs of the Church" - and Gregory then continues to identifY precisely the respective positions, strengths and weaknesses of the various doctrinal parties constituting these "affairs." 26 Gregory pleads his accomplishments, age, stature, and voluntary withdrawal to persuade his audience to choose a successor who will be a true man of the church. The description of the "ideal" type as cited above is a shorthand, the extended version weH known to those familiar with Gregory's oeuvre. He speHed it out fuHy and clearly again both in his "On himself and the Bishops,"

24 The structure of Or. 42. 1-7 (Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 [see note 2], 48-64 ) in particular follows Cod. Theod. 1. 32. 3 (see note 13), 67-68. The doctrine is essentially that ofhis five Theological Orations: Norris, Faith (see note 4). 25 Its immediate and direct audience was in all probability his circle of friends and supporters present at Constantinople, McLynn, The Voice (see note 1), 299-302; ldem, Self-made Holyman (see note 7), 478-479. 26 Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 (see note 2), 88-92, Or. 42.19-20. For an excellent discussion of the doctrinal "background" see M R. Barnes, The Fourth Century as Trinitarian Canon, in: Christi an Origins. Theology, Rhetoric and Community, ed. L. Ayres / G Jones, London 1998,47-67.

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and in his Oration 43, "In Praise ofBasil.,,27 The candidate should be baptized, and a trained rhetor leading the "philosophical life," that is capable of grasping the intellectual nuances of Scriptural exegesis, his own as weil as those of his opponents - in short, a man like hirns elf or his friend Basil of Caesarea. 28 However, at the time of that plea, that is Oration 42's composition and subsequent circulation, Gregory's successor had already been selected. Ignoring a list of candidates presented to hirn by the assembled bishops, Theodosius, much to the surprise ofthe council, selected Nectarius, a senator and fonner urban praetor?9 By July 381, Nectarius was received with acclaim into his new office. There could hardly have been a man more different from the successor Gregory had envisaged than the fonner urban praetor Nectarius. Not only was he not a cleric when Theodosius selected hirn, he had not even been baptized. 30 Moreover, Nectarius' grasp of doctrine, to the extent that it existed at all, was negligible. 31 Instead of a man leading a "philosophical life," whose devoted immersion in Scripture was solely interrupted by calls of duty to lead Christ's flock towards salvation, Theodosius and the council had selected a man of the world who was secure in his social position and had proven to be a highly skilled administrator. Gregory's Oration 42 - according to Campenhausen the only one among Gregory's orations that was "würdig und wahrte das Gesicht,,32

27 De se ipso (see note 5), 50-66, v. 375-695 and passim. 28 For a fuller analysis of the role of professional, rhetorical training in Gregory's concept of the ideal bishop see S. Elm, The Diagnostic Gaze: Gregory of Nazianzus' Theory of Orthodox Priesthood in his Orations 6 "De Pace" and 2 "Apologia de Fuga sua," in: Definir, maintenir et remettre en cause I' "orthodoxie" dans l'histoire du christianisme, ed. S. Elm / P. -A. Fabre / E. Rebillard / A. Romano / C. Sotinel (Bibliotheque des ecoles fran~aises d'Athenes et de Rome), Roma 1999. 29 Nectarius was originally from Tarsus in Cilicia. The precise circumstances of his nomination are reported differently in the sources. Socrates, Historia Ecclesiastica 5. 8 (GCS N.F.I), ed. G. Ch. Hansen, Berlin 1995, 280, says that the people of Constantinopie lobbied for hirn, whereas Sozomen, Historia Ecclesiastica 7.8.1-8 and 7.10 (GCS 50, N.F. 4), ed. J. Bidez / G Ch. Hansen, 2Berlin 1995, 310-313 mentions bishop Diodoros of Tarsus as his nominator, and Flavianus of Antioch as his backer, a more convincing interpretation, supported by Theodoret, Historia Ecclesiastica 2. 24, 5.23 (GCS 44), ed. L. Parmentier / F Scheidweiler, 2Berlin 1954, 293. This reading would make Nectarius the "favorite" ofthe very people who had ousted Gregory. Gregor von Nazianz, De vita sua (see note I), 130, v. 1584; Dagron, Naissance (see note 14), 452-453; Matthews, Aristocracies (see note 13), 126. 30 Rufinus, Historia Ecclesiastica 11.21 (GCS 9), ed. Th. Mommsen, Berlin 1908, 304; The Church History ofRufinus of Aquileia, trans. P. Amidon, Oxford 1997,79 and note 35, 103; Sozomen, Historia Ecclesiastica 7. 8, 6 (see note 29), an omission probably as swiftly remedied as that in the case of Ambrose of Milan, otherwise, canon 2 of Nicaea would have been violated. Ritter, Konzil (see note 15), 112-114. 31 See note 28 and 29. 32 H. v. Campenhausen, Griechische Kirchenväter, 3Stuttgart 1961, 110; Ritter, Konzil (see note 15), 108-109.

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- was his counter-attack. In no uncertain terms, Gregory carried "the fight with pen and ink" right back into the capital. Oration 42 is a direct challenge to his successor and the council, demonstrating - as if with a manual - how to be a bishop of Constantinople, what doctrinal positions to take, and how to implement them. With his "certificate of discharge," Gregory had thrown down the gauntlet, or at least had provided his friends among the highest echelons of Constantinople with the arguments to do so on his behalf. 33 Just like Nectarius, Gregory informs us, he, too, was a man of rank and tested administrative capacities. However, in addition, he also possessed the qualifications that mark the true "slave of Christ" the appropriate preparation to grasp the meaning of the word of God fully and to guide his flock accordingly. Nectarius, in clear violation ofNicaea's canon 2, did not. 34

V. "The Fight with Pen and Ink" The following brief discussion of Gregory's rhetorical tactic, especially of his opening moves, highlights his ways of interweaving these two essential points, administration and doctrine, and it serves to demonstrate how both Gregory and his opponents used matters of administrative procedure in order to control and decide controversial doctrinal matters. To recapitulate: Gregory opened his apologetikos logos with a reference to his "displacement" (ekdemia); that is, his "removal" as a result ofhis ordination in violation ofNicaea's canon 15, stipulating that "no bishop, priest, or deacon should remove from one city to another.,,35 With the first four questions, Gregory shifted the focus away from his "displacement" to the public accounting of his handling of financial matters, to which he devoted the remainder of the chapter. Nowhere in Oration 42, nor for that matter in his poem "On himself and the Bishops," that is in the two works written closest to the crisis, does Gregory deal with the matter of canon 15 explicitly.36 He only addressed and rebutted the charge more fully his 33 Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 (see note 2), 112, Or. 42.26; see also ibid. 76; De se ipso (see note 5), 38, v. 129. N. Gomez Villegas, La eorte de Constantinopla y su obispo. A prop6sito de la Or. 36 de Gregorio de Nacianzo, in: Veseovi e pastori (see note 1), H, 359-370. 34 Ritter, Konzil (see note 15), 114-116 with a diseussion of eanon 2. 35 Given that Or. 42 in its present form is the product of several revisions, I am basing my argument in the following more on its broader outline rather than specifie citations, GnJgoire de Nazianze, Diseours 42-43 (see note 2), 17-24. Nicaea ean. 15, in: Histoire des eoneiles, 9 vols., ed. K. J Hefelei F Leclercq, Paris 1907-1952, 1,1,597601. Violations voided the new ordination; the culprit would have to return to his original see. . 36 The only other referenee to his ekdemia occurs in the series of "farewells" in 42. 27, where he bids adieu to his ehurch whieh has kept watch with hirn "during his so-

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later poem "De vita sua".37 Gregory's reasons are transparent. Whereas his handling of fmancial matters had been impeccable, the charge of holding dual bishoprics was a far thomier issue, and Gregory was fully aware of that. Upon assuming the leadership ofthe dilapidated Nicene congregation in 379, one of Gregory's flrst acts had been the reorganization of its dismal fmances, apparently with considerable success. Moreover, in full compliance with the stipulations of Codex Theodosianus I. 32. 3 regarding the discharge of public officiaIs, Gregory was in possession of written and publicly acknowledged proof of that fact. On May 31, 381, as soon as his position came under serious attack, Gregory had written his testament. Signed by seven witnesses, who were all bishops participating at the council, his will was, in effect, a "public presentation of accounts," demonstrating to all that cared to see Gregory' s skillful and competent handling ofhis congregation's flnances. 38 In contrast, upon assuming responsibility for the Nicene congregation's flnances, Gregory had forgone just such a public accounting ofhis precursors, largely to avoid bad publicity.39 The well-timed execution ofhis will, "the earliest Roman law will,,,40 combined with the rhetorical move of Oration 42 highlight the importance of flscal responsibility. Just like any other high govemmental officials, bishops had to be prepared to submit "an account of funds [handled]" during their service - and the joum as weil as his displacement." The allusions in "De se ipso" are slightly less oblique, but Iikewise far from numerous (see note 5), 32, 36, VV. 15, 95- 100; Meier, Über die Bischöfe (see note 5), 78, 84, 86. 37 The majority of the reasons and explanations cited in scholarship to defend Gregory, namely I. that the canon was antiquated, and 2. that he never actually took possession of Sasima, and had only been an "adjunct" in Nazianzus, derive from "De vita sua" (see note 1),74-76,78-80, 142, vv. 440-475, 520-544, 1810. Gregory's statement concerning Sasima is supported by his letters 47-50, assembled by himself for publication after 384, Gregor von Nazianz, Briefe, ed. M. Wittich (Bibliothek der griechischen Literatur 13), Stuttgart 1981, 113-117, 244 notes 146-149. McLynn, The Voice (see note I), 300-301; P Gallay, Les manuscrites des lettres de saint Gregoire de Nazianze, Paris 1957,9-13; Ritter, Konzil (see note 15), 104-105; Van Dam, Emperors (see note 17), 66; R. Snee, Valen's Recall of the Nicene Exiles and Anti-arian Propaganda, Greek, Roman, and Byzantine Studies 26 (1985) 395-419. 38 See Van Dam' s masterfid analysis, The Will (see note 9),126-127,132-134, also on Gregory's difficulties with his brother Caesarius' estate because ofthe lack of exactly such a public accounting. Cod. Theod. I. 32. 3 (see note 13),67-68. 39 Gregor von Nazianz, De vita sua (see note I), 126, and 211-212, v. 1475-1485; De se ipso (see note 5), 36, v. 78 on his call to Constantinople in 379 by an "anonymous;" Gallay, La vie (see note 7), 132-211. Barely a year later, in 380, in response to "the affair of Maximus, " Gregory conceded that "ecclesiastical revenues" played a significant role in his altercations with other contenders for Constantinople and "orthodoxy." Gregoire de Nazianze. Or. 26.16, ed. J. Mossay (SC 284), Paris 1981,264-266; for dating and historical circumstances 115-138 and note 15. 40 E. Champlin, Final Judgements, Duty and Emotion in Roman WiIIs, 200 B.C.A.D. 250, Berkeley 1991,29 note I, commenting primarily on the fragmentary nature of the evidence.

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care Gregory devoted to just such a public presentation of "the accounts of what we have administered" demonstrates that misconduct could, under the right circumstances, have serious consequences. 41 Gregory, however, proudly publicized his excellent handling of the issue. At the same time, Gregory had all along been aware of the damage canon 15 could inflict on his position as bishop of Constantinople, and he had devised a defensive strategy at the very first opportunity. Already in the summer of 380, Damasus of Rome had written a letter to Acholius, bishop of Thessalonica, where Theodosius was then in residence, to ensure that the upcoming council would not ordain abishop of Constantinople in violation of canon 15 of Nicaea. 42 In his inaugural speech, a basilikos logos addressed to the emperor late in 380, Gregory argued he had indeed not violated the canon, because he had never desired ordination. 43 Instead, his ordination(s) had been the result of his submission to an implacable tyrannis, namely the overwhelming force of the vax Dei expressed through the vax papuli, which had in fact caused an "illegality." In short, Gregory evoked a classic topos of traditional political rhetoric, the "refusal of office. ,,44 However, despite its long and illustrious tradition, Gregory's argument of reluctance proved insufficient. Immediately upon his arrival in Constantinople in June of 381, Acholius, supported by the Alexandrians, raised the issue of Gregory's election as bishop of Sasima in 372. 45 It was then that Gregory offered his resignation, which the council and then Theodosius accepted. "They turned up laws which had long been obsolete, and which were clearly for the most not relevant to me. They did this not out of hatred for me nor from adesire to gain the throne for someone else, no, but to create difficulties for those who had placed me on the throne; at least, this they clearly informed me by means of secret communications." Thus, Gregory's explanation in "De vita sua".46 Oration 42 supports Gregory's later version. Indeed, canon 15 was the

41 lohn Chrysostom's fate is a case in point, see S. Elm, "The Dog that did not Bark": Doctrine and Patriarch al Authority in the Conflict between Theophilus of Alexandria and John Chrysostom of Constantinople, in: Christian Origins. Theology, Rhetoric and Community, ed. L. Ayres / G Jones, London 1998, 68-93. 42 Damasus. Ep. 5 and 6, in: PL 13, co!. 368-369, 370. Ritter, Konzil (wie Anm 14), 104, suggests that this was clearly aimed at Gregory. 43 Or. 36, esp. 2 and 10, in: Gregoire de Nazianze. Discours 32-37, ed. J Mossay / P. Gallay (SC 318), Paris 1985, 244-246, 262; and Or. 33.13, ibid., 184. 44 One of his most favored arguments, soon to become "uno schema tipologico relativo all' elezione dei vescovo," R. Lizzi, 11 potere episcopale nell'Oriente Romano. Rappresentazione ideologica e realta politica (lV-V sec. d. C.), Roma 1987, 33-56; G6mez Vi/legas, La Corte (see note 33), 365; Elm, Diagnostic Gaze (see note 28). 45 Ritter, Konzil (see note 15),97-106. 46 Gregor von Nazianz, De vita sua (see note I), 142, vv. 1810-1816.

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official reason for Gregory's offer to resign his position; Gregory and those who had ordained him had violated administrative procedure. Gregory - almost by omission - acknowledged that fact. The issue at stake in our context, however, is the precise strategy Gregory employed to defend hirnself, and how he turned his clear loss of power into a victory of authority. To recapitulate briefly, guided to a significant extent by his later poem "De vita sua", as weil as the occasional recourse to "De se ipso et de episcopis" and the autobiographical passages of Oration 43, most scholarship characterizes Gregory's actions surrounding the events of 381 as follows. Shocked by the vicissitudes of the capital, the social and moral decline of the episcopate, and the unpleasant politicking of the court, especially a certain "Arian" coterie of eunuchs,47 Gregory the provincial ascetic returned as a deeply disappointed and exhausted man to his native Cappadocia. His experience was all the more traumatic because he had always rejected clerical office, Church politics, and their consequences. Hence the paranoid, plaintive and apologetic tone of his writings after 381: the provincial novice at the high-stakes game of ecclesiastical leadership had predictably failed; his critical remarks concerning his colleagues reveal, in no small part, the rancor of a man who knew that he had failed at the very game he had always so strenuously resisted. 48 "Refusal of office," combined with the praise of the "philosophical" withdrawal are central themes of Gregory's literary oeuvre, including "De vita sua" and Oration 43. Both themes also make cameo-appearances in Oration 42 and in "On himself and the Bishops." However, as my reexamination had shown, nothing about the structure and the argument of Oration 42 suggests a man unfamiliar with power brokering, or unwilling to join the fray. In fact, the precise opposite is the case. 49 Gregory's "certificate of discharge" emphasized two points: first, that his de facta administrative record, that is, his performance on the job had been stellar. The finances were in order, the congregation had been reorganized and turned from a "meager vestige of a flock, a rest without organization or bishop, badly defined, without free pasture, without shelter ... " into a shining example, "so vigorous and so much enlarged" under his guidance, accomplished in the short span of

47 Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 (see note 2), 110, 224, Or. 42.26, Or. 43.47; Gregoire de Nazianze, Discours 32-37 (see note 43), 306-310, Or. 37. 18-20. G6mez Villegas, La Corte (see note 33), 367. 48 Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 (see note 2), 9; Demoen, Acteurs (see note 7),288,291-294; Meier, Über die Bischöfe (see note 5), 15-16; Van Dam, The Will (see note 9), 138-141; Gallay, La vie (see note 7), 132-211; Ritter, Konzil (see note 15), 105-111. 49 Similar McLynn, The Voice (see note 1),299-308; G6mez Villegas, La Corte (see note 33), 359-370.

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two years and under highly adverse circumstances. 50 This is exactly the subtext of the "refusal of office." The more strenuous the refusal, the more insistent the vox populi/Dei, the more capable the eventual office-holder. Only those "hungry for power" but unqualified for the job, rush to it. 51 Second, Oration 42, with its succinct programma tou kath' hemas logou as a via media between "Arians" and "Sabellians," its acknowledgment yet criticism of "Italian" renderings ofthe three hypostatseis as persons, and direct references to his earlier, more detailed works on the subject, showcases "Gregory the Theologian," a man at the height of his intellectual and rhetorical prowess. 52 This, again, is the implied consequence of the "philosophical Iife" of withdrawal. Ensconced in the otium of his retreat from office, Gregory had gained precisely the superior knowledge of doctrine that was needed and that Nectarius lacked. 53 In short, "refusal of office" and "philosophical retreat" guaranteed Gregory the two qualities essential for any leader, but especially one who must guide the fate of Christendom: administrative faculty combined with philosophical-doctrinal excellence. 54 Under the pretext of a canon affecting his ordination, the council at Constantinople had removed abishop weH proven in both and substituted instead a mere administrator. As Gregory is more than willing to imply, they had done so to their own detriment.

VI. Constantinople - again A significant portion ofGregory's Iiterary oeuvre post 381 may be seen as a concerted effort to highlight Nectarius' doctrinal shortcomings, to emphasize the importance of Gregory's own theological acumen, and as a result, to maintain influence in the affairs of the church at Constantinople. Oration 43, delivered, at least in its essential form, on January 1SI, 382, presented the public at Caesarea with "the great Basil," a model of abishop entirely at odds with that embodied by Nectarius. Pointing to the life of Moses as an illustration of the

Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 (see note 2), 50-62, Or. 42.2-6. Lizzi, Potere (see note 44), 40-42; A. Wallace-Hadrill, Civilis Princeps: Between Citizen and King, Journal ofRoman Studies 72 (1982) 32-48. 52 Referring to the Theological Orations. For an insightful discussion of the theological content and underlying epistemologies see Norris, Faith (see note 4),25-71. 53 Elm, Diagnostic Gaze (see note 28). 54 R. Dodaro, Language and Justice. Political Anthropology in Augustine's De Civitate Dei, Diss. Oxford 1992, 1-11, 152-183; J. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft. Selbstverständnis, öffentliches Auftreten und populäre Erwartungen in der hohen Kaiserzeit, Stuttgart 1989, 33-45, 67-99; G Dagron, L'empire romain d'orient au IV' siecle et les traditions politiques de I'hellenisme. Le temoignage de Themistios (Travaux et Memoires 3), Paris 1968, 35-48, 54-74. 50

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proper preparation for leadership, Gregory portrays Basil as the ideal combination of administrative skill and philosophical values, namely self-control imbued with divine enlightenment. 55 Not accidentaIly, Oration 43 as weIl as "De vita sua", written likewise in early 382, claim the same virtues for Gregory himself. Meanwhile, as Neil McLynn has so convincingly demonstrated, Gregory's letter welcoming Nectarius as "royal ornament" for a "royal city" was gracious in form but dismissive in substance. 56 Later letters continue to address the bi shop in lay-terms, and hold forth, time and again, on matters of doctrine, clearly implying that Nectarius had failed to grasp the bare essentials ofhis new assignment. 57 Events seem to have justified Gregory's assessments. By 382/83, Theodosius, disappointed with the implementation of his doctrinal policies, called for yet another synod at Constantinople, this time also inviting the dissenting or heretical "Arian", "Macedonian" and "Eunomian" bishops. His intention in convoking this so-called "synod of all heresies" was to reach a doctrinal accord through an open discussion. To that end he approached Nectarius with the hope of devising a method for such a discussion, but Nectarius delegated the matter to the Novatian bi shop Agelius. The success of the "experiment" was mixed at best. Theodosius insisted on the unanimous acceptance of the Homoousian faith, but such unanimity was now further complicated by tolerance ofthe Novatians. 58 Gregory had not been invited. 59 Instead, he dispatched his Third Theological Letter (Ep. 202) to Nectarius, inviting hirn to persuade Theodosius to suppress the Apollonarists, then a "neglected" heresy. Again, from far away Nazianzus, Gregory sought to up-stage Nectarius. Opening with a short discussion of the "Arians," "Eunomians" and "Macedonians," Gregory launched into a detailed description of the Apollinarists. By highlighting the Apollinarist danger, he simultaneously highlighted the doctrinal ineptness of the powers in ConstantinopIe: involved in futile discussions with the leaders of "recognized" heresies, Nectarius had entirely overlooked the true danger to orthodoxy, namely the 55 Gregoire de Nazianze, Discours 42-43 (see note 2), 27; Sterk, On Basil (see note 2),239-253; C. Rapp, Comparison, Paradigm and the Case of Moses in Panegyric and Hagiography, in: The Propaganda of Power. The Role of Panegyric in Late Antiquity, ed. M. Whitby, Leiden 1998, 277-298. 56 Gregor von Naziam, Briefe (see note 37), 142, Ep. 88; McLynn, The Voice (see note 1),303-308. 57 Gregor von Naziam, Briefe (see note 37), 143, 157-159, 160, Ep. 91, 130-133, 13 5-136. Ep.lO I-I 02 regarding theological issues, Gregoire de Naziame. Lettres theologiques. ed. P Gallay (SC 208), Paris 1974. 58 Sozomen. Historia Ecclesiastica 5.10. 2 (see note 29), 282. M. Walraff, 11 "sinodo di tutte le eresie" a Costantinopli (383), in: Vescovi e pastori in epoca Teodosiana. 25. Incontro di studiosi deIl'antichita cristiana, 2 vols., (Studia Ephemeridis Augustinianum 58), Roma 1997, 11, 271-279. 59 Gregor von Nazianz, Briefe (see note 37),182, Ep. 173.6, but see 157, Ep. 130.

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Apollinarists. In short, though far away and in retirement at Nazianzus, Gregory continued to press his point, and it was a significant one. Irrespective of the actual doctrinal capability ofNectarius and regardless ofGregory's physicallocation, the fact that letters and poems composed by the leading theologian of the day questioning Nectarius' doctrinal competence circulated among the Constantinopolitan elite, posed achallenge to Nectarius' position as bishop. It was a challenge to which Nectarius the senator and former urban praetor had to respond as bishop of Constantinople. Apollinarists were banned in an edict issued in December 383. 60 Whether Gregory's insistence on the necessity of superior doctrinal training as aprerequisite for successful administration of episcopal office was the most appropriate way of achieving his very own goal of establishing Nicene orthodoxy at Constantinople, and therefore in the Eastem part of the empire, is an entirely different matter. According to Gregory, his opponents saw hirn as a "stubbom anvil," unrelenting in his doctrinal convictions and unwilling to compromise. 61 Despite his protestations of "peace" and a doctrinal via media, this assessment is entirely plausible. However laudable doctrinal firmness and rhetorical brilliance might have been, they were misplaced when the order of the day was to forge a livable compromise on a durable basis. Thus, it is a testimony to the political acumen of the emperor, and of great significance for the development and implementation of an imperial Christianity at Constantinople, that doctrinal and intellectual purists such as Gregory were quickly replaced on administrative grounds - by doctrinally more mediocre, but administratively more skilled administrators and mediators. Nectarius remained a successful bi shop of Constantinople until his death in September 397. He was succeeded by John Chrysostom, another brilliant rhetorician, trained in ascetic retreat to become a formidable man of leaming, and another "stubbom anvil" in matters of doctrine and clerical conduct. His tenure as bishop of Constantinople, not surprisingly, was short and stormy. After his removal from office in 404, members ofthe Arcadian court chose Nectarius' brother, Arsacius, as his successorhardly an accidental move. 62 Apparently, the degree of emphasis to be placed on experts in matters of doctrine vis-a-vis those who excelled in matters of administration was under constant negotiation.

60 Cod. Theod., 16.5. 12 (see note 13), 838. Ofcourse, we have no precise record of Nectarius' activities. Nevertheless, the post-John Chrysostom situation is enlightening; Dagron. Naissance (see note 14),469. 61 Gregor von Nazianz, Oe vita sua (see note 1),88, v. 712. 62 Arsacius was quite advanced in years and died in 406, to be succeeded by Atticus, 406-425, yet another doctrinal light, - and diplomatie heavyweight: Dagron, Naissance (see noteI4), 461-470; Elm, Oog (see note 41),68-93.

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Are-evaluation of Gregory of Nazianzus and his Oration 42 "FareweIl to the Bishops" in its historical context serves as an example ofhow a leading theoretician of the day mixed the forms and language of administration and the law together with those of theology and doctrine to forge a new model of leadership. An examination of the circumstances of its composition, its audience and its circulation demonstrates some of the challenges men such as Gregory faced in the implementation of this new concept of ecclesiastical leadership. Oration 42 is thus a model juxtaposition of authority and power, of administrative skills versus doctrinal sophistication. The essence of this new model, and at the same time the center-piece of Gregory's own literary endeavors, is a new formal personality, whose authority is based on doctrinal sophistication as weIl as political and administrative skill, and whose influence is intrinsicaIly linked to the emperor and the court. The outcome is a vir optimus ecclesiae Constantinopolensis - the model bishop ofthe Theodosian age. 63 In its practical implementation, the juxtaposition of "old" power and "new" authority followed an interesting path. Gregory was, first, an inteIlectual, and only secondly an ecclesiastical strategist. Whilst his high level of rhetorical disputation was crucial for the development of doctrine as a basis for authority, it was less so for its implementation. Hence, the traditional imperial administrators carried the day, but they did so by implementing what the "new" doctrinal authorities had demanded and prescribed. Over time, active doctrinal disputation as practiced by Gregory and his competitors ceased. With Justinian, the emperor became a more forceful and active doctrinal arbiter, based on the theoretical achievements of men such as Gregory ofNazianzus. They, in turn, became "Fathers ofthe Church." Their concepts of ecclesiastical leadership, predicated on notions of retreat and professional training, became fundamental requirements for clerical office, which, however, increasingly required less doctrinal proficiency, now to be gained from handbooks, but more and more efficient administration. 64

63 It is worth noting that ca. 50% of Gregory's orations were composed at Constantinople, and that he devoted the lion share of his autobiographical writings to the city. Dagron, Naissance (see note 14),447; Van Dam, The Will (see note 9), 120. 64 Dagron, Naissance (see note 14), 461. R. A. Markus, Gregory the Great's rector and his genesis, in: Gn:goire le Grand, ed. J Fontaine / R. Gillet / S. Pellistrandi, Paris 1986, 137-146; Idem, The World ofGregory the Great, Cambridge 1997, 17-33. R. Lim, Public Disputation, Power, and Social Order in Late Antiquity, Berkeley 1995, 182-229 for the codification of doctrinal disputes. M. Maas, History and Ideology in Justinianic Reform Legislation, Dumbarton Oaks Papers 40 (1986) 17-31. For a detailed analysis of the processes here described see my forthcoming book on Gregory ofNazianzus' model ofthe bi shop.

Grimlaicus, "Regula solitariorum" Von Karl Suso Frank

I. Der Autor Unter den lateinischen Mönchsregeln kann ein eigenes Corpus ausgemacht werden, deren Adressaten eingeschlossene Eremiten - Reklusen, Inklusen bzw. eingeschlossene Frauen - sind. 1 In der chronologischen Ordnung werden diese Normtexte von der "Regula solitariorum" des Grimlaich angefilhrt? Der Autor entzieht sich bislang allen Identifizierungsversuchen. Das gleiche gilt vom unmittelbaren Veranlasser des Regeltextes, einem gleichnamigen Priester, filr den Verfasser "der innig geliebte Vater in Christus".3 Dieser zweite Grimlaich hatte ihn um die "Regula solitariorum" gebeten und ihm eine solche Arbeit zugetraut. Im langen Widmungsbrief des ersten Grimlaich wird deutlich, daß Autor und Adressat Männer sind, denen die Sache des Reklusentums am Herzen liegt, "geordnete Einsamkeit" ist ihr beiderseitiges Anliegen, nicht zuletzt als eigene Lebensmöglichkeit. 4 Grimlaichs Art zu schreiben erlaubt einige Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit. Er ist im Besitz guter literarischer Bildung. Der briefartige Prolog ist in klassischer Form geschrieben. Grimlaich beherrscht die Regeln der Exordialtopik. Nur mit Zögern geht er an das Werk, denn er vermag gar nicht zu schreiben. Er kann auch keinen Wert auf eine gepflegte Sprache legen: Nostracismen, Barbarismen, selbst syntaktische Fehler wird er nicht vermeiden. Denn die Worte Christi und der hl. Väter will er ganz und gar nicht unter die Regel DIP VII (1983), 1533-1536. Text: PL 103, Sp. 573-664. Eine 1983 angekündigte kritische Edition für die Sources chretiennes wurde bislang nicht verwirklicht. Grimlaich und seiner Regel wurde im Rahmen der Eremitismusforschung einige Aufmerksamkeit geschenkt; eine spezielle Untersuchung liegt nicht vor. Knappe Übersicht: DIP VII (1983), 1598-1600; DSp IV (1960),959-960; VI (1967), 1042-1043. 3 Prolog, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 575 A. - Der Name Grimlaicus ist in der frühmittelalterlichen Überlieferung von Reims und im Reichenauer Nekrolog belegt: DIP VII (1983),1598. 4 Prolog, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 578 A. I

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des Donatus zwingen. 5 Wenn er sich doch zum Schreiben entschlossen hat, dann nur auf das Drängen des Auftraggebers hin und im Vertrauen auf dessen Gebet. Für die gekonnt formulierte Beteuerung der eigenen Unzulänglichkeit nennt Grimlaich einen weiteren Grund. Eigentlich ist ja alles schon gesagt, was über die Sache zu sagen ist: was soll man da noch Fische ins Meer werfen oder Wasser in den Fluß tragen?6 Er versteht seine eigene Arbeit dann auch nicht als schöpferisches, eigenständiges Werk, sondern als Zusammenstellung aus vorliegendem Schriftgut. Den großen Strom der asketisch-monastischen Tradition will er mit seiner Arbeit in bescheidene Bächlein leiten. 7 Dieses Geständnis ist nicht einfach höflichem Understatement zuzuordnen. Grimlaich hat ausfilhrlich vorhandene Literatur bemüht. Zum Teil hat er seine Gewährsleute im laufenden Text namentlich genannt, zum Teil setzte er ihre Namen an den Rand seines Manuskriptes. 8 Mit Hilfe der von Grimlaich aufgenommenen Literatur können in seinen Steckbrief einige Daten eingetragen werden. Zweimal erinnert er an das Leben des hl. Bischofs Arnulf von Metz (t 640), der im Jahr 629 sein Bistum verlassen hatte, um als Eremit (solitarius) in eingeschlossener Zelle zu leben. 9 Damit kann der Metzer Raum in den Blick genommen werden. Außerdem ergibt sich ein frühester Terminus post quem filr die Abfassungszeit der Regel, denn die Vita Amulfi gehört in ihrer Erstfassung noch in das 7. Jahrhundert. 1O Andere eindeutig benützte Quellen - etwa die "Regula canonicorum"ll und die Erklärung der Benediktusregel durch Abt Smaragdus von St. Mihiel 12 - verlangen einen späteren Terminus post quem im frühen 9. Jahrhundert. Man wird weiter in dieses Jahrhundert hineingehen müssen oder gar in das folgende 10. Jahrhundert. Jean Leclercq brachte die Zeit des Metzer Bischofs Robert (883-917) ins Gespräch. Robert war in St. Gallen ausgebildet worden, blieb dem monastischen Leben verbunden und forderte es in seinem Bistum. 13 Da er gleichzeitig 5 Prolog, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 576 A. - So auch Gregor der Große, Moralia in lob, Widmungsbrief 5 (SC 32bis, 132). 6 Prolog, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 575 B. 7 Prolog, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 577 C. 8 Prolog, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 575 S: (nomina) ... partim intus in serie. partim deforis in ipsis marginibus impressi. - Gleiches ist auch bei Smaragdus von St. Mihiel zu beobachten. 9 Cap. 1, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 579 S/C: cel/ula retrusionis; cap. 63, ebd., Sp. 654 C I 655A: solitarius 10 MGH SS rer. Merov. 2, Hannover 1888,432-446. 11 Cap. 41, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 632 S/C. 12 A. Spannagel / P. Engelbert aSB, Smaragdi Abbatis expositio in regulam S. Senedicti (Corpus consuetudinum monasticarum 8), Siegburg 1974. 13 J. Leclercq, Reclus et recluses a Metz durant le moyen äge, Revue ecclesiastique

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Abt von Gorze war, kommt ein wichtiges monastisches Zentrum des Metzer Raums in den Blick. Die Erneuerung von Gorze setzt allerdings erst mit Roberts zweitem Nachfolger Adalbero I. (929-944) ein. In Gorze darf Wertschätzung filr das eremitische Leben angenommen werden; schon unter den ersten Refonnern des Klosters wird ein Rekluse Humbert genannt. 14 Auch die Vita des Abtes Johannes von Gorze (geschrieben 974-984) weist in diese Richtung. 15 Mit diesen Beobachtungen kann Grimlaich wohl in das lothringische Reformmönchtum eingeordnet werden; monastisches Milieu war sein Lebensraum; literarische Bildung und Kenntnis der asketisch-monastischen Tradition befahigten ihn zur Niederschrift seiner "Regula solitariorum".

11. Die Regel 1. Eine Lehrschrift "De vita solitaria" Die umfangreiche Regel - 89 Seiten in der Migne-Ausgabe _16 wurde vom Autor in 69 Kapitel eingeteilt und im Widmungsbrief inhaltlich vorgestellt. 17 Die Inhaltsangabe macht schon deutlich, daß seine Regel nicht einfach nur eremitisches Leben in seinem konkreten Vollzug ordnen will. Conversatio, vita et mores der Solitäre sind sicher Schwerpunkte der Ausführungen. Aber das Eremitenleben wird eingebunden in eine asketisch-spirituelle Grundhaltung. Sie wird gleich am Anfang des Regeltextes blockartig aufgezeigt und begleitet die konkreten Anweisungen durchgehend. Die Einbettung der Lebensordnung in den weiteren spirituellen Zusammenhang läßt sich auch an anderen Reklusenregeln beobachten, etwa an Aelred von Rievaulx (gest. 1167) und an der bekannten Reklusenregel "Ancrene Riwle" (ebenfalls England; 13. Jahrhundert).18 Eine klare systematische Ordnung ist in seiner Regel nicht aufzuspüren; aber diese Beobachtung gilt filr die meisten monastischen Regeltexte. Mit diesen du diocese de Metz 53 (1953) 21-25. 14 Vita Johannis Gorziensis 21 (MGH SS 4), Hannover 1841, 343. 15 Text: MGH SS 4, Hannover 1841, 337-377. M Parisse / 0. G. Oexle, L'abbaye de Gorze au X' siecle. Nancy 1993. Für diesen geographischen Raum vgl. Cap. 45, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 636 D: "Da es in unseren Gegenden kein Öl gibt, können wir Fett / Schmalz gebrauchen". 16 Holstenius-Brockie 1 (Augsburg 1759) kommt auf 52 Seiten; die Magisterregel beansprucht in der gleichen Ausgabe 64, die Benediktusregel 22 Seiten. 17 Prolog, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 576 B / 577 A. 18 Aelred, De institutione inclusarum, hg. v. eh. Dumont (SC 76), Paris 1961; Ancrene Riwle, hg. v. M B. Salu [The "Ancrene Riwle" (The Corpus MS: Ancrene Wisse)], Exeter 1990.

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Texten teilt Grimlaich auch die Unschärfe, ja Vieldeutigkeit der literarischen Art "Regel". Sie ist in der Tat nicht auf einen einheitlichen Nenner zu bringen. Vorherrschend ist der legislative Text mit der sachlich knappen Anweisung. Die Regel kann streng dialogisch strukturiert sein, wenn sie sich in das FrageAntwort-Schema kleidet. 19 Die dialogische Struktur kann auch eingesetzt werden, indem in den Text die appellative Du-Anrede eingefilgt wird. Johannes Cassian hat in "De institutis coenobiorum" den normativen Erzähltext als Regelform gewählt. Grimlaichs Regel ist nicht von einheitlicher Art. Das dialogische Element findet sich kaum. Die normative Erzählung kann in den eingestreuten Exempla entdeckt werden. Die knappe, dekretistische Anweisung fmdet sich häufig besonders dann, wenn ältere Regeltexte dieser Form übernommen werden. Grimlaichs eigene Stilform ist die belehrende Ermahnung. Er schreibt eine Lehrschrift "De vita solitariorum". Der schulmäßige Duktus ist unüberhörbar. "Man muß wissen" (sciendum est), "es ist notwendig" (necesse est), "es gehört sich" (oportet) und ähnliche Formeln leiten häufig die Einzelkapitel ein. Die Ausfilhrung wird dann als logische Schlußfolgerung angeboten. Gerne stellt Grimlaich auch eine kurze Definition an den Anfang eines Kapitels und leitet aus ihr die konkrete Anweisung ab. Auf diese Weise werden die Adressaten zum Mitdenken eingeladen, um der Regelanweisung aus eigener Überzeugung zu folgen. Offensichtlich traut Grimlaich seinen Lesern solche geistige Leistung zu. Nicht von ungefähr wünscht er sich den Eremiten als gelehrten und weisen Mann. 20

2. Lebensordnung für die solitarii Grimlaich beginnt seine Regel mit einer begrifflichen Erklärung: über die Arten der Solitäre (de generibus solitariorum). Damit steht er unmittelbar im Gefolge der Benediktus- und Magisterregel, in denen am Anfang das Kapitel "De generibus monachorum" steht. Grimlaich schränkt im Hinblick auf seinen Gegenstand die Begriffsbestimmung auf die solitarii ein. Bei ihnen unterscheidet er zwei Arten: Einmal sind es die Anachoreten oder Eremiten, d. h. jene Mönche, die filr sich allein in der Einsamkeit leben. Zum anderen sind es Zönobiten, also im Kloster Lebende. Allerdings leben sie auch hier filr sich, nämlich als Eingeschlossene. Von beiden Arten wird die Bewährung im Gemeinschaftsleben erwartet. Sie ist die unerläßliche Grundlage filr die anspruchsvollere und höhere Form des Alleinlebens, sei es als Eremit oder als Eingeschlossener im Kloster. Diese Eingeschlossenen - Grimlaich nennt sie Bekannteste Beispiele: sog. "Basiliusregeln" und Magisterregel. Cap. 20, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 599 D /601; das Kapitel spricht vom Apostolat des Vorbildes und der "schweigenden Predigt" des Reklusen. 19

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bevorzugt retrusi - sind die solitarii seiner Regel. 21 Wer der erste dieser zönobitischen Solitäre war, vermag er nicht anzugeben; sicher gab es sie schon zur Zeit des Antonius von Ägypten. 22 Zur vita solitaria wird man nur nach strenger Prüfung zugelassen. 23 Prüfung und Aufnahme sind deutlich nach der "Regula Benedicti" (= RB) 58 gestaltet. Der Anwärter filr eine Einschließung (retrusio) hat zunächst ein Jahr lang in der klösterlichen Gemeinschaft zu leben. Lebt im betreffenden Kloster schon ein Solitär, so wird er diesem für die Prüfungszeit anvertraut. Sonst übernimmt ein bewährter Mönch diese Aufgabe. Das Prüfungsverfahren kann im Blick auf die Verschiedenheit der Kandidaten modifiziert werden. Besondere Sorgfalt gilt, wenn fremde Priester aufgenommen werden wollen. Die Prüfungszeit wird filr sie auf zwei Jahre festgesetzt. In gleicher Weise blickt die Regel auf fremde Mönche oder Kleriker aus femen Gegenden. Erweisen sie sich in ihrem Entschluß beständig und zuverlässig, sollen sie zugelassen werden. Bewähren sie sich in der Probezeit, dann soll ihnen zum Bleiben zugeredet werden, denn von ihrem Beispiel können andere lernen. Freilich darf das nur mit Erlaubnis ihres Abtes geschehen. 24 Eine Altersgrenze rur die Aufnahme kennt die Regel nicht. Sie scheint für ein möglichst frühes Aufnahmealter zu sprechen, bemüht dafür Mt 19,14 und argumentiert mit einer Spiritualisierung des natürlichen Alters. Vollkommen ist man nicht nach dem Alter, sondern dem Geiste nach. Jugendliche sollen deshalb in die zweijährige Prüfungszeit aufgenommen werden, das Gelübde der Keuschheit aber erst im heiratstahigen Alter ablegen. 25 Nach bestandener Prüfungszeit erfolgt die Einschließung. Für diesen Akt ist der Bischof oder der Abt des Klosters zuständig. Die liturgische Rahmung ist angedeutet: Versprechen im Oratorium und Gebet der Versammelten. 26 Nach der Einschließung wird die Tür des Reklusenraumes (cellula retrusionis) mit dem Siegel des Bischofs versehen. Die Einschließung gilt lebenslang; von diesem Tag an darf der Rekluse sie nicht mehr verlassen. Im Schlußkapitel wird die Exkommunikation angedroht: Ein freiwilliges Aufgeben der Einschließung ist gegen alle kirchlichen Regeln. Denn von den Solitären wird nicht der Anfang des guten

21 Cap. 1, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 577 C / 578 C; Grimlaich setzt hier monachus = solitarius und filhrt beide auf das griechische monos zurück. - Die Ausfilhrungen erinnern an Smaragdus, Expositio in Regulam S. Benedicti 1/1 (wie Anm. 12),55, abhängig von Johannes Cassian. 22 Cap. 1, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 579 AlB. 23 Cap. 15, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 592 C / 594 A. 24 Cap. 18, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 596 D / 597 AlB, nach RB 60 und 61 formuliert. 25 Cap. 18, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 597 CID; vgl. unten S. 17. 26 Cap. 15, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 593 C. Gegenüber RB 58,17 fällt auf: Der Einzuschließende legt kein Versprechen des Gehorsams ab; er stellt über sein Versprechen auch keine Urkunde aus (promittat verbis tantum).

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Werkes erwartet, sondern die Vollendung. 27 Der Eingeschlossene lebt von nun an für sich. 28 Seine Behausung ist klein (cellu/a exigua), von einer festen Umgrenzung umgeben, die er nicht überschreiten darf, durch die auch kein Fremder zu ihm gehen kann. Damit lebt er in strenger Klausur in ihrem aktiven und passiven Sinn. Deshalb muß alles, was er für sein Leben braucht, innerhalb dieses begrenzten Raumes sein. Dazu gehört ein kleiner Garten (hortu/us exiguus). Dort kann er ein wenig Gemüse pflanzen, vor allem aber kann er sich in freier Luft aufhalten, denn die Luftberührung (tactus aeris) ist für ihn von großem Nutzen. Zu seiner Wohnung gehört ein eigenes Oratorium, das vom Bischof konsekriert wird, wenn der Solitär Priester ist und dort die Eucharistie feiert. Durch das Oratorium ist das Reklusenhaus mit der Kirche verbunden; ein eingebrochenes Fenster ermöglicht die Mitfeier des Gottesdienstes in der Klosterkirche. Dieses Fenster ist auch der Ort, an dem der Rekluse Besuche empfangen kann, um ihre Beichte zu hören und ihnen geistlichen Rat zu erteilen. Das Fenster ist innen und außen mit einem Vorhang versehen, der jeden Sichtkontakt ausschließt. 29 In die umgrenzte Behausung gehört die Latrine und eine Waschgelegenheit. Diese wird allerdings nur für die Priester ausdrücklich erwähnt. Aus Gründen der kultischen Reinheit wurde ihnen das häufige Bad empfohlen; deshalb gehört zur Ausstattung ihrer Wohnung ein eigenes Badefaß (do/ium).30 Der umgrenzte Wohn- und Aufenthaltsraum kann auch mehrere Reklusen aufnehmen. Jeder wohnt für sich in seiner cellula retrusionis. Durch Fenster sind sie jedoch miteinander verbunden. 31 So können sie einander zum Gottesdienst ermuntern, miteinander beten, gemeinsam die heilige Schrift lesen und auch zu gleicher Zeit ihre Mahlzeit einnehmen. Offensichtlich gehört Grimlaichs Sympathie dieser "Einsamkeit zu mehreren": Eigentlich sollten nie weniger als zwei oder drei Reklusen miteinander leben. So kann er seiner zönobialen Bestimmung des so/itarius treu bleiben. J2 Die strenge Abschließung wird noch einmal gelockert, wenn der Rekluse einige Schüler haben kann. Es sollen höchstens drei sein, denn mit einer höheren Zahl könnte sich leicht unter dem Vorwand der Unterhaltskosten die Habsucht einschleichen. 33 Die Schüler Cap. 69, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 662 C / 663 A. Zur cellula retrusionis: Cap. 16, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 594 A / 595 B. 29 Ebd., in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 594 D. Die Regel hat dabei vor allem Besuche von Frauen im Auge. 30 Cap. 51, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 642 D. - Zur Archäologie vgl. J Hubert, L'Eremitisme et I'archeologie, in: L'Eremitismo in occidente nei secoli XI e XII (Miscellanea deI Centro di Studi Medioevali 4), Milano 1965,462-484. Für England: R. Gi/christ, Contemplation and action. The other monasticism. London 1995, 157-208. 31 Cap. 16, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 594 C. 32 Cap. 17, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 595 C / 596 B geht weiter auf diese Einsamkeit zu mehreren ein und betont die Vorteilhaftigkeit solcher Gemeinschaft. Dabei Anklänge an lat. Basilius, Frage 3 (CSEL 86, 25-32). 33 Cap. 52, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 644 AlB. 27

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wohnen außerhalb der umgrenzten Reklusenzelle. Der Kontakt zwischen Lehrer und Schüler geschieht nur durch die Fensteröffnung. 34 Die Unterweisung zielt auf die charakterliche und geistliche Bildung; der Solitär soll deshalb vorab durch sein Vorbild wirken, aber auch über Gelehrsamkeit verfugen, besonders in der Kenntnis der Heiligen Schrift bewandert sein. 35 Durchlässig wird die Klausur schließlich im Krankheitsfall. Die kranken und gebrechlichen Reklusen sind der besonderen Sorge des Klosteroberen empfohlen. Er bestimmt fiir die kranken Reklusen einen Bruder zu ihrer Pflege; andere Brüder dürfen die Kranken besuchen. Das Türsiegel wird während der Krankheit nicht beachtet; den Kranken ist klar, daß sie weniger durch das Wachssiegel als vielmehr durch das Siegel Christi festgehalten werden. Ihre umgrenzte Behausung dürfen sie jedoch nicht verlassen. 36 Die Regel ordnet das Leben der Eingeschlossenen genau. Sie halten sich an einen festen Tagesplan, markiert durch die kanonischen Tagzeiten. Das siebenmalige Gotteslob am Tage gilt auch fur sie (Ps 119 [118],64).37 Die Priester können täglich in ihrem Oratorium die hl. Messe feiern, die anderen täglich kommunizieren. Keiner soll vom Leib Christi getrennt sein! Grimlaich kennt allerdings eine strenge Reinheitsforderung fiir die Teilnahme an der Eucharistie und kann deshalb auch den zeitweiligen, wohlüberlegten Verzicht verstehen: "Der eine ehrt dann das Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn, indem er es nicht täglich zu empfangen wagt, der andere ehrt es, indem er keinen Tag darauf verzichten mag". 38 Die festgelegten Gebetszeiten sind getragen vom persönlichen Gebet, das ständig und ununterbrochen Sache des Reklusen ist. 39 Sein Tagesablauf ist weiter bestimmt von der Lesung. Sie wird als aufmerksames Lesen eindringlich angemahnt. Neben dem Gebet ist sie die sichere Waffe gegen den Teufel. Es fuhrt in die lebendige Gemeinschaft mit Gott: "Im Gebet sprechen wir zu Gott, in der Lesung spricht Gott zu uns".40 Die Regel empfiehlt in erster Linie die Schriftlesung, gesteht aber auch andere erbauliche Lektüre zu. Ausdrücklich wird dem Reklusen das Lesen heidnischer Schriften verboten. 41 34 Cap. 16, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 594 B/e. 35 Cap. 20, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 599 D I 600 D.

Cap. 48, ih: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 639 C I 640 e. Cap. 35, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 624 A I 625 A; am Schluß mit I Tim 2,2 die Aufforderung zum allgemeinen Fürbittgebet. 38 Cap. 36, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 625 BI 626 e. 39 Cap. 31-32, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 619 D I 622 B). 40 Cap. 38, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 627 D I 629 A. - Mögliches Zitat aus Isidor von Sevilla, Libri Sententiarum III, 8,2 (Biblioteca de autores cristianos 321), Madrid 1971 bzw. Smaragdus, Diadema monachorum 3, in: PL 102, Sp. 597 D. 41 Cap. 38, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 628 D. 36

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Schließlich ist der Rekluse zur Handarbeit verpflichtet. 42 Grimlaich nimmt damit den klassischen Dreierrhythmus von Gebet, Lesung, Arbeit in seine Tagesordnung auf. Der Handarbeit gehört die Zeit von der dritten bis etwa zur neunten Stunde. 43 Begründet wird die tägliche Handarbeit ganz traditionell: Einmal wird der geflihrliche Müßiggang durch sie vermieden; denn Müßiggang ist der Feind der Seele (Sir 33,29). Zum anderen trägt sie zum eigenen Lebensunterhalt bei. Grimlaich setzt das wirksame Zitat 2 Thess 3,7-10 hinzu. 44 Außerdem ermöglicht sie, Almosen zu geben. Die Insistenz auf täglicher Arbeit ist unüberhörbar. Sechs Stunden ungefähr, von der Essenszeit und kurzer Mittagsruhe unterbrochen, sind dafiir angesetzt. Andererseits wird dem Reklusen versichert, daß sein Lebensunterhalt auch von anderer Seite mitgetragen wird. 45 Damit steht die asketische Begründung des Arbeitens im Vordergrund. Grimlaich sagt nicht, welche Arbeit vom Reklusen verrichtet werden soll. Die bescheidene Gartenarbeit ist sicher ein Teil davon. Feldarbeit außerhalb des umschlossenen Raumes kommt der Einschließung wegen nicht in Frage. Grimlaich zitiert an dieser Stelle RB 48,7, läßt aber die dort genannte Emtearbeit (ad fruges recollegendas) aus. Wenn jedoch auch er mit RB in besonderer Notlage und bei drückender Armut ein Mehr an Arbeit fordert, dann ist wohl an handwerkliches Arbeiten zu denken. Zu dieser Annahme paßt, wenn beim Verkauf von Arbeitsprodukten des Reklusen gefordert wird, daß die Mittelsleute jeden Verdacht von Habsucht meiden und immer ein wenig unter dem sonst üblichen Preis bleiben. 46 Was Essen und Trinken angeht, so legt die Regel die Zeiten fest und auch den Speiseplan. 47 Dazu kommt die überraschende Bestimmung: Die Reklusen sollen Arme und Fremde zu Tisch (ad mensulam) bitten, damit Christus mit ihnen Mahl hält. Sind keine Armen da, dann können sie Brüder des Klosters zum Essen einladen. Die Gäste werden die von den Reklusen vorbereitete Mahlzeit wohl außerhalb des abgeschlossenen Wohnraums einnehmen; aber hier zeigt sich wieder der zönobiale Charakter der Reklusen. 48 Mit RB 39,3 gibt es zwei gekochte Gerichte und als Zutat Obst und frisches Gemüse. 49 Mit dieser Angabe ist die weitere Auskunft nicht leicht in Einklang zu bringen: Mal essen die Reklusen Kohl und Gemüse (olera et legumina), mal Käse und Eier. Selten gibt

Cap. 39, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 629 A / 631 A. Cap. 40, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 631 Ne. 44 Cap. 39, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 629 AlB. 4S Cap. 39, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 630 B; ebd., cap. 43, Sp. 634 A. 46 Cap. 39, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 631 A; vgl. RB 57,4-8. 47 Cap. 42, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 633 A / 634 A; ebd., cap. 43, Sp. 634 ND. 48 Cap. 43, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 634 AlB. 49 Cap. 43, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 634 BID; zum Maßhalten im Essen auch ebd., cap. 44, Sp. 634 D / 636 A. 42

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es kleine Fische. Dazu kommt ein gutes Pfund Brot jeden Tag. Fleisch von vierfüßigen Tieren und Geflügel fehlt auf dem normalen Speiseplan. Nur im Fall schwerer Krankheit wird es gewährt, damit der Kranke wieder zu Kräften kommt. Die von der Benediktusregel40,3 zugestandene Hemina Wein pro Tag will Grimlaich mit einigem Zögern nur den kranken Reklusen zugestehen. Schließlich ist ja schon in 1 Tim 5,23 der Wein als Heilmittel genannt. 50 Die Regel schenkt auch weiteren Alltagsdingen - Kleidung und Schuhwerk (Kap. 49), Betten (Kap. 50), Rasur und Haarschneiden (Kap. 51) - besorgte Aufmerksamkeit. Das soll hier nicht weiter ausgefilhrt werden. Nur auf eine Beobachtung sei noch verwiesen. Grimlaich gesteht seinen Solitären einen beachtlichen Freiraum eigener Entscheidung zu. Die persönlichen Entscheidungen sollen entsprechend dem eigenen Glauben,51 nach eigenem Ermessen (arbitrium),52 nach eigenem klaren Abwägen (discretio)53 erfolgen; generell kann gefordert sein: Alles soll mit Maß und in richtiger Unterscheidung geschehen. 54 Der Regelschreiber beachtet dabei genau, daß der Solitär ohne den alles bestimmenden Oberen lebt. Wenn er fiir die Fastenzeit ein Mehr an körperlicher Entsagung anrät und sich dabei an RB 49,5-7 hält, dann läßt er bewußt RB 49,8-10 weg, denn dort wird verlangt, daß jede eigene Mehrleistung nur mit Zustimmung des Oberen geschehen darf. So wird auch verständlich, warum der Solitär in seiner Profeß den Gehorsam nicht ausdrücklich als Gegenstand seines Lebensversprechens benennt. 55 Die zugestandene Freiheit wird von einem eigenen Kontrollmechanismus aufgefangen. Grimlaich institutionalisiert die tägliche Gewissenseröffnung, eine dem Mönchtum von Anfang an vertraute Praxis. 56 Wenn mehrere Reklusen zusammenleben, sollen sie jeden Tag eine collatio halten und sich über ihr Leben, ihren geistlichen Fortschritt austauschen, auch das bekennen, worin sie schuldig geworden sind. Lebt der Rekluse fiir sich allein, dann soll er diese collatio fiir sich halten und sich strenger Gewissensprüfung unterziehen. 57 Das eigene Gewissen wird zum Ankläger.

50 Cap. 45, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 636 A1D; die Thematik wird in cap. 46, ebd., Sp. 636 D / 637 C mit der Warnung vor der Trunkenheit und einem Lob der Nüchternheit fortgefuhrt. 51 Cap. 36, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 626 B: täglicher Kommunionempfang. 52 Cap. 45, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 636 B: das Maß der Getränke; ebd., cap. 49, Sp. 641 C: Einzelheiten der Kleidung. 53 Cap. 50, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 641 D: Bettzeug; ebd., cap. 51, Sp. 642 B: Rasieren und Haarschneiden. 54 Cap. 44, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 635 D: mensurate et cum discretione. 55 Cap. 15, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 593 C: promittat de stabilitate sua et de conversione morum suorum. 56 RB 4,50: auch 46,5: cogitationes seniori spiritali patefacere. 57 Cap. 24, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 607 B: ad collationem simul veniant ... ipse etiam quotidie collationem sec um habeat.

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Es ist jenes Gewissen, das durch die ausgebreitete geistliche Ermahnung der ganzen Regel geschult und geschärft ist. 58

III. Der Kompilator Grimlaich wollte nicht Schöpfer (auctor) eines neuen Werkes sein, sondern Diener (minister) im Sammeln und Zusammentragen. Deshalb nennt er ehrlich seine benützten Quellen und gibt den Blick frei auf seine Arbeitsweise. Diese leserfreundliche Art erleichtert eine genaue Quellenuntersuchung der "Regula solitariorum". Da steht an erster Stelle ein selbstverständlicher Gebrauch der biblischen Bücher, der Grimlaich vorzügliche Schriftkenntnis attestiert; über 250 Schriftzitate wurden gezählt. 59 Im Umgang mit dem Schrifttext folgt er ganz der patristischen Tradition, die ihm die mühelose biblische Orchestrierung seiner Aussagen ermöglicht. Aus der kirchlich-monastischen Tradition übernimmt er Texte aus Augustin, Basilius, Benedikt, Gregor der Große, Hieronymus, Isidor von Sevilla, Johannes Cassian und Julian Pomerius (unter dem Namen des Prosper von Aquitanien). Dazu kommen die "Regula canonicorum", die "Collationes" und "Vitae Patrum", die "Historia tripartita", auch hagiographische Texte (Vita des Arnulf von Metz, Vita des Philibert von Jumieges). Aus karolingischer Zeit kommen Alkuin, Paulinus von Aquileja und vor allem Smaragdus mit seinem "Diadema monachorum" und der "Expositio in Regulam S. Benedicti" hinzu. 60 Mit dem reichen Aufnehmen vorhandener Texte wird Grimlaichs Stil mosaizistisch, seine Regel zu einem bunten Textgewebe; manche Regelkapitel nehmen geradezu den Charakter eines Cento an. Man darf ihm jedoch zugestehen, daß er alles zügig und bündig auf sein Ziel hin ordnet, die Belehrung über die rechte Lebensart der zönobialen Reklusen. Die detaillierte Quellenanalyse kann hier nicht geboten werden. An einigen Beispielen soll sein Umgang mit den Quellen vorgefiihrt, ihm ein Stück weit bei der Arbeit zugeschaut werden. Unter seinen Autoritäten nennt Grimlaich an die dreißigmal die "Collationes Patrum". Der Titel erinnert an die "XXIV Collationes Patrum" des Johannes Cassian. Aber Grimlaich fuhrt diesen bekannten monastischen Autor mehrmals mit Namen an. 61 Seine Verweise auf die "Collationes Patrum" beziehen sich nie 58 Prolog, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 578 B/C; ebd., cap. 69, Sp. 664 AlB: genaue Befolgung der Regel. 59 DIP VII (1983),1598. 60 Wie Anm. 56; DSp 6 (1967),1042. 61 Cap. 49, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 640 D I 641 A = Cassian, De institutis coenobiorum I 2,1 (SC 109), Paris 1965,38; Cap. 55, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 647 AlB = Cassian, De institutis coenobiorum V 24, ebd., 232-234.

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auf Johannes Cassian, sondern auf monastische Sammeltexte. Er kann darur auch die "Vitae Patrum" anfiihren~ Die Einzelnennungen lassen sich weithin identifizieren; meist sind sie dem 5. und 6. Buch der "Vitae Patrum" entnommen, d. h. der systematischen Apophthegmatasammlung, die von den römischen Klerikern Pelagius und Johannes im späten 6. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt wurde. 62 Die systematische Ordnung erleichterte ihre Benützung ungemein. Grimlaich fand rur seine Themenfolge in der systematisch geordneten Sammlung schnell die passenden Beispiele. Das Regelkapitel 57 ("De humilitate") setzt mit dem Lob der Demut ein, rugt mehrere Schriftzitate hinzu und fordert von seinem Solitär, ständig demütig und traurig zu sein, denn die Demut bewahrt ihn vor Stolz, die Trauer vor Ausgelassenheit. Die Belehrung wird illustriert mit drei Beispielen aus den "Collationes Patrum": a) Vitae Patrum V 15,14: Der demütige Mönch, von einem Besessenen auf die rechte Wange geschlagen, hält ihm auch die linke hin (Mt 5,39).63 b) Vitae Patrum V 15,26: Der Teufel will den Abbas Makarius mit einem Sichelmesser durchbohren und vermag es nicht wegen der Demut des Makarius. 64 c) Vitae Patrum V 15,3: Ein Wort des Antonius, das die belehrenden Beispiele zusammenfaßt: "Ich sah alle Schlingen des Teufels über die Erde ausgebreitet. Seufzend fragte ich: Wer kann ihnen entgehen? Und ich hörte eine Stimme mir sagen: Die Demut!,,65 Die Beispiele sind dem 15. Kapitel des 5. Buches der "Vitae Patrum" entnommen, das ganz der humilitas gewidmet ist. Grimlaich hat sie jedoch nicht der dortigen Anordnung entsprechend übernommen, sondern in einer nicht einsichtigen Auswahl: Das 15. Kapitel zählt 89 Nummern; daraus nimmt er zuerst Nr. 14, springt danach zu Nr. 26, um dann zu Nr. 3 zurückzukehren. Besonderer Wertschätzung erfreut sich unter den monastischen Texten die Benediktusregel. Man darf von einem eindeutigen benediktinischen Kolorit der "Regula solitariorum" sprechen. Die RB wird namentlich genannt, erkennbar nachgeschrieben und als weitergehende Auskunft empfohlen. So heißt es z. B. am Ende des 57. Kapitels: "Wer mehr über die Demut erfahren will, nehme seine Zuflucht zur Regel des hl. Benedikt, wo er die zwölf Stufen der Demut ganz klar dargelegt findet".66 Grimlaich achtet gewöhnlich darauf, daß er Reklusen anspricht. Daher wird häufig das monachus der RB durch solitarius ersetzt oder durch hinzugefUgtes solitarius den Adressaten entsprechend ergänzt. Die Anpassung kann auch durch inhaltliche Erläuterung geschehen. In Kapitel 25 nimmt Grimlaich RB 4 ("De instrumentis bonorum operum") auf. Beim 3. PL 73, Sp. 851-1023. Original: ein besessen'es Mädchen; auch: Alphabetische Apophthegmatasammlung Daniel3, in: PO 65, Sp. 153 CI 156 A. 64 Alphabetische Apophthegmatasammlung Makarius 11, in: PO 65, Sp. 268 B/e. 6S Alphabetische Apophthegmatasammlung Antonius 7, in: PO 65, Sp. 77 AlB. 66 Cap. 57, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 649 B. Die Empfehlung bezieht sich auf RB 7. 62 63

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Werkzeug - "nicht töten" - ergänzt er: "Das heißt: nicht verleumden, denn wer seinen Bruder verleumdet, tötet ihn".67 Dann geht es mit RB wortgleich und in gleicher Folge weiter bis zum 17. Werkzeug. Die letzten drei Werkzeuge empfehlen Werke der leiblichen Barmherzigkeit: Arme unterstützen, Nackte bekleiden, Kranke besuchen, Tote begraben. Dazu schiebt Grimlaich eine eigene Überlegung ein. Wie kann der so/itarius diese Werke errullen? Die menschlichen Notsituationen werden dazu auf die geistige Ebene transferiert: Sünder, in Laster Gefangene und geistlich Tote können durch das Beispiel, die Ermahnung und das Gebet des Solitärs wieder ins Leben zurückgefiihrt werden. 68 Danach kehrt er wieder zur Vorlage zurück und übernimmt auch den zusammenfassenden Schluß RB 4,75-78, ändert jedoch den letzten Satz im Blick auf die Reklusen ab: "Die Werkstatt aber, in der wir das alles sorgfältig ausfiihren, ist der abgeschlossene Bereich oder das Haus des Solitärs und die Beständigkeit in der Einschließung" .69 Der RB-Text kann zerstückelt und nach Art eines Puzzles zu neuer Aussage verbunden werden. Das geschieht z. B. in Kapitel 52-53, in denen Grimlaich das Verhalten der Reklusenschüler ordnet. Ein eigenes Kapitel liDe discipulis" gibt es in RB nicht, aber rur seine Sache verwendbare Texte entdeckte Grimlaich zur Genüge. In Kapitel 52 fordert er den Gehorsam der Schüler ein. 70 Darur zieht er RB 5 (liDe oboedientia") heran. Von den 19 Versen des RB-Kapitels läßt Grimlaich die Verse 1-2,5, 9-13a und 16 aus. Die übrigen Verse bleiben mit einigen Umstellungen und kleinen Abänderungen erhalten. Zur Illustration rugt er ein bekanntes Beispiel aus den "Collationes" an: Markus, der Schüler des Abbas Silvanus, der auf den Ruf seines Meisters ohne Zögern folgt und mitten im Schreiben des Buchstaben Omega aufhört. "Das habe ich als Beispiel hierher gesetzt, damit die Schüler lernen, ohne Zögern zu gehorchen".71 Um die Schüler weiter zu dieser Haltung zu drängen, formuliert er einen Tugendspiegel, der mit mosaizistischer Komposition aus RB 4,34-36 und RB 31,1-2 beginnt. RB 31 handelt vom Zellerar des Klosters. Grimlaich nimmt die Anforderungen an den Zellerar auf, bezieht sie auf die Schüler - die Verbformen der RB werden in den Plural gesetzt - und gewinnt so weiteres Material rur seinen Tugendspiegel. Im Kapitel 53 wird das Schülerthema weiterge-

Cap. 25, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 608 A. Cap. 25, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 608 B/C; diese geistliche Deutung auch bei Smaragdus, Expositio in Regulam S. Benedicti II 4,3 und 14-17 (wie Anm. 12),88-89 und 98-101. ' 69 Cap. 25, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 609 C. 70 Cap. 52, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 643 AI 644 B. 71 Cap. 52, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 643 D. Vitae Patrum V 14,5, in: PL 73, Sp. 948 D I 949 A; Alphabetische Apophthegmatasammlung Marcus I, in: PG 65, Sp. 293 D I 296 A. 67

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filhrt. 72 Es geht jetzt um den guten Eifer der Solitäre filr ihre Schüler. Das erinnert an RB 72 (Der gute Eifer der Mönche). Grimlaich nennt Benedikt namentlich und zitiert dann RB 72,1-5. Die Verse 1 und 2 stellt er jedoch um und setzt den "guten Eifer" an den Anfang, den "bitteren" an die zweite Stelle. In Vers 3 ersetzt er die "Mönche" durch solitarii erga discipulos. Den Rest seines Kapitels entnimmt er den beiden Abtspiegeln in RB 64 und RB 2. Was dort dem Abt gesagt wird, gilt jetzt filr den Reklusen im Blick auf seine Schüler. Grimlaich nimmt zunächst RB 64,12-15 auf, um an die rechte Art der Zurechtweisung zu erinnern. Mitten im Satz wechselt er zu RB 2,26, fUhrt die Verse 25,28 und 29 an, die thematisch durchaus dahin passen. Aufmerksam setzt er die Verben wieder in den Plural, denn Subjekt der Korrektur und Strafe sind die solitarii und nicht der Abt. Der Schlußsatz ennahnt die Reklusenlehrer, die notwendigen Heilmittel entsprechend der Art der Wunden anzuwenden, selbst von allen Lastern frei zu sein, um schließlich nicht verworfen zu werden, während sie anderen predigen. Die Mahnung setzt sich wiederum aus Versatzstücken zusammen: RB 28,3 (Heilmittel), RB 2,40 (gereinigt von den Lastern), 2,13 (verworfener Prediger). Mit einem Blick auf Kapitel 18 der "Regula solitariorum" soll die centoeske Arbeitsweise Grimlaichs noch einmal illustriert werden. 73 Das Kapitel ordnet die Aufuahme von Geistlichen (suburbani presbyteri) sowie von fremden Mönchen und fragt allgemein nach dem passenden Alter fllr die Zulassung zur Reklusion. Das längere Kapitel beginnt mit einem Zitat aus Basilius, Frage 6. 74 Basilius behandelt dort allgemein die Aufnahme in die asketische Gemeinschaft und mahnt dabei zu aufmerksamer Prüfung. Dem einschränkenden Blick auf die Aufnahme Geistlicher kennt er nicht. Grimlaich folgt ihm nicht nur annähernd wörtlich, er übernimmt auch das vorliegende Schriftwort Mt 11,28. Basilius erinnert in seinen weiteren Ausfilhrungen an den "reichen Jüngling" ohne den Schrifttext (Mt 19,16-22) anzufilhren. Grimlaich filgt aus der biblischen Erzählung Mt 19,21 in seinen Text ein. Er schließt den ersten Teil seines Regelkapitels, indem er mit RB 58,2 als Maxime filr die unerläßliche Prüfung 1 Joh 4,1 anfilhrt. 7s Im zweiten Abschnitt wendet er sich der Aufnahme fremder Priester zu. RB 60 hat dieses Thema zum Gegenstand, d. h. den Priester, der um Aufnahme in das Kloster bittet. Bei Grimlaich will er zur vita solitaria zugelassen werden. Trotz dieser unterschiedlichen Intention folgt Grimlaich zunächst RB 60,1-2. In den nächsten Zeilen jedoch verläßt er RB und kehrt wieder zu Basilius, Frage 6,4-6 zurück. Danach erinnert Grimlaich mit eigenen Worten an die zweijäh-

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Cap. 53, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 644 BID. Cap. 18, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 596 CI 598 A. Lat. Basilius, Frage 6 (wie Anm. 32), 36-38. Cap. 18, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 596 B/C.

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rige Probezeit, die er im Kapitel 15 seiner Regel festgelegt hat. 76 . Der nächste Abschnitt wendet sich der Aufuahme fremder Mönche und Kleriker zu. Grimlaich hat jetzt RB 61 in der Hand. Dort ist dieser Fall behandelt, allerdings ohne von "Klerikern" zu reden. Grimlaich beginnt mit verkürztem Zitat RB 61, 1-3, übernimmt die Verse 5-10 und schließt mit dem Vers 13: Aufuahme nur mit Erlaubnis des betreffenden Abtes und dem entsprechenden Empfehlungsschreiben. 77 Im folgenden Text geht es um die Altersfrage. Hier greift er zunächst wieder zu Basilius, Frage 7 und übernimmt von dort Mt 19,14. 78 Mit dem Jesuswort plädiert Grimlaich für eine jugendliche Zulassung zur Reklusion. Unabhängig von Basilius argumentiert er dann mit der grundsätzlichen Gleichheit des Lebensalters. Vollkommen ist man nicht dem Alter, sondern dem Geist nach. Biblische Beispiele werden angeführt: David wurde als Knabe ausgezeichnet, Saul als alter Mann verworfen. Alte Männer wollten die Susanna verführen, und der jugendliche Daniel hat sie gerichtet. Beim Einzug in Jerusalem wurde unser Herr Jesus Christus von Kindern begrüßt, von Alten aber später gekreuzigt.79 Grimlaich hat mit dieser Entwertung der Altersstufe eine alte Tradition aufgenommen, die längst zu einem Gemeingut christlicher Literatur geworden ist. 80 Nach diesem Exkurs kehrt er wieder zu Basilius, Frage 7, 2-3.5 zurück. Zum Schluß kommt ihm noch ein weiterer möglicher Bewerber in den Sinn. Einer von den Katholiken könnte kommen und sagen: "Ich möchte eine gewisse Zeit bei euch bleiben um des geistlichen Fortschrittes willen". Soll man ihn aufuehmen? Die gleiche Überlegung findet sich bei Basilius, Frage 87. 81 Grimlaich gibt dann mit Basilius eine positive Antwort. Als Eigenleistung setzt er Mt 5,16 hinzu, verzichtet andererseits auf das basilianische Zitat Gal 2,4-5. Diese Basiliusfrage ist übrigens auch von der "Concordia Regularum" 68,482 und von Smaragdus in seinem Kommentar zu RB 61 aufgenommen. 83 Grimlaich mag durch diese beiden Vorlagen auf den Basiliustext gestoßen sein. Gegenüber dem Zitat bei Smaragdus zeigt er jedoch einige Selbständigkeit.

76 Cap. 18, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 596 C / 597 A. 77

Cap. 18, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 597 AlB.

78 Lat. Basilius, Frage 7 (CSEL 86) (wie Anm. 32), 38-40. 79 Cap. 18, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 597 CID. 80 Ch. Gnilkn, Aetas spiritalis. Die Überwindung der natürlichen Altersstufen als

Ideal frühchristlichen Lebens (Theophaneia 24), Köln-Bonn 1972, 115-135. 223-244. 81 Lat. Basilius, Frage 87 (wie Anm. 32),121-122. 82 PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 131 B /132 A. 83 Smaragdus, Expositio in Regulam S. Benedicti III 61 (wie Anm. 12), 305; Verzicht auf die Bibelzitate.

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IV. Schluß Inhalt und Machart der ältesten Reklusenregel sind damit charakterisiert, auch wenn vieles ungesagt bleiben muß. In seinem Text gewinnt der Autor ein wenig an Profil. Seine begeisterte Anteilnahme am Leben der Reklusen ist offenkundig: Die Reklusen dürfen hier schon etwas von der Ruhe des zukünftigen Friedens erfahren. 84 Mit diesem Versprechen wächst seine Verantwortung: Keiner darf diese Regel verachten, keiner vor ihrer Belehrung zurückschrecken. Sie muß vielmehr gründlich gelesen, jedes Wort genau erwogen, sie muß im Gedächtnis festgehalten und mit Gottes Hilfe treu erfüllt werden. 85 Diese Insistenz begrUndet Grimlaich weder mit seiner eigenen Erfahrung noch mit seiner eigenen Weisheit. Er kann Gefolgschaft einfordern, weil er gar nichts Eigenes zu sagen hat, sondern nur längst Erprobtes und Bewährtes zusammenträgt. Mit Isidor von Sevilla, den er kannte und benützte, hätte er sagen können: "Der Leser liest nicht das Unsrige, sondern liest die Alten wieder; was ich sage, haben jene gesagt, und meine Stimme ist ihre Zunge".86 So lautet das Arbeitsprogramm Grimlaichs. Die Identifikation schließt Innovation nicht aus. Sie liegt einmal im Auswählen und zum anderen im gezielten Einsammeln auf Lebenshaltung und Lebensfilhrung der Reklusen. Grimlaich hat das Institut der Reklusen nicht geschaffen. Er hat es vorgefunden und in seiner Umgebung wahrgenommen. Daß er da allenthalben offenkundige Mißstände entdeckt hätte, läßt sich nicht feststellen. Wohl fUgt er seiner Regel zwei lange Kapitel "Lamentationes" ein; aber was er da anklagt und in gekonnter Reformrhetorik ausmalt, sind mangelnder geistlicher Eifer und das Fehlen strenger Konsequenz im christlichen Leben, auch in dem der Mönche und Solitäre. 87 Sie will der anspruchsvolle Reformer zu einem glücklichen und seligen Anfang (fe/ix et beata inchoatio) ermuntern. 88 Damit trifft er sich mit RB 73,1.3. 89 Die Möglichkeit des eremitischen Lebens, die RB 1,3-5 dem Mönch eröffnet, wird von Grimlaich neu interpretiert. Im wohlgeordneten Reklusentum gibt er ihr den angemessenen Raum.

Prolog, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 578 B. Cap. 69, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 664 AlB. 86 Isidor von Sevilla, Quaestiones in Vetus Testamentum, praef., in: PL 83, Sp. 209 A. 87 Cap. 27-28, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 612 A / 617 B. 88 Cap. 69, in: PL 103 (wie Anm. 2), Sp. 664 A. 89 RB 73, I: Regel = initium conversationis; 73,3: minima inchoationis regula. 84 85

Die Sachsenmission als heilsgeschichtliches Ereignis Von Joachim Ehlers In der zwischen 836 und 860 entstandenen "Vita Willehadi" wird erzählt, 1 wie der Missionar im Jahre 781 von den Sachsen und Friesen seines Wirkungsfeldes ein Bekehrungsgelöbnis entgegennehmen konnte. Dies habe sich, so fiihrt der Autor fort, zu einer Zeit ereignet, als Karl der Große noch nicht Kaiser gewesen sei, denn diese Würde habe er erst später durch die von Papst Leo III. in Rom gespendete Weihe erlangt. Das Kaisertum nämlich, seit Konstantin bei den Griechen, wäre nun, nach Absterben der männlichen Linie und Aufrichtung einer weiblichen Herrschaft dort, durch Wahl des römischen Volkes in einem Konzil von Bischöfen und anderen Klerikern auf das Reich der Franken übertragen worden, denn Karl besäße mit Rom das einstige caput imperii und viele seiner Provinzen, so daß er des Kaisertitels würdig sei (caesarea dignus esset appellatione). Willehads Wirken sei demgegenüber noch in die Königszeit Karls gefallen. Die Funktion dieses Exkurses, der zum ersten Mal den Gedanken der Translatio imperii von einem Volk auf das andere unter Beibehaltung des Römemamens formuliert und damit bis in die Mitte des 10. Jahrhunderts einzig dasteht, 2 ist bis heute ebenso ungeklärt wie seine anscheinend willkürliche 3 Placierung gerade an diese Stelle des Berichts. Seit die Theorie von der Entstehung der "Vita Willehadi" in Echternach4 als falsch erwiesen ist 5 und wieder I Vita Willehadi, hg. v. A. Poncelet (AA SS Nov. 3), 835-851, bes. 844. Zur Datierung H Löwe, Die Karolinger vom Vertrag von Verdun bis zum Herrschaftsantritt der Herrscher aus dem sächsischen Hause. Das Ostfränkische Reich (Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger 6), Weimar 1990, 838. 2 W Goez, Translatio imperii, Tübingen 1958, 73f. Zwischen 949 und 954 schrieb Adso von Montier-en-Der seine Abhandlung "De ortu et tempore Antichristi", hg. v. D. Verhelst (CC CM 45), Turnhout 1976,20-30, die zweite bekannte Verwendung des Motivs. Dazu B. Schneidmüller, Adso von Montier-en-Der und die Frankenkönige, Trierer Zs. 40/41 (1977/78) 189-199. 3 H Beumann, Nomen imperatoris. Studien zur Kaiseridee Karls des Großen, in: Ders., Ideengeschichtliche Studien zu Einhard und anderen Geschichtsschreibern des früheren Mittelalters, Darmstadt 1962,80-114; bes. 92. 4 G. Niemeyer, Die Herkunft der Vita Willehadi, DA 12 (1956) 17-35. 5 Löwe, Karolinger (wie Anm. 1), 837f.

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ein Bremer Kleriker als Verfasser in Anspruch genommen werden darf, 6 genügt die Charakteristik als "fränkisch-Iothringische Quelle"/ die Traditionen des karolingischen Zentralraumes transportiert habe, zur Erklärung nicht mehr. Zwar kannte der Verfasser der "Vita Willehadi" Alkuins Lebensbeschreibung des northumbrischen Friesenmissionars Willibrord, 8 dessen Stützpunkt Echternach für seinen Landsmann Willehad nach dem Sachsenaufstand von 782 und nach der Rückkehr von seiner Romreise für zwei Jahre ein sicherer Aufenthaltsort gewesen ist, zu dem sich auch seine Schüler geflüchtet hatten,9 aber wir wissen nichts Näheres über Zusammensetzung und Ausrichtung des Bremer Domklerus zur Zeit der Abfassung der "Vita Willehadi".10 Ansgars Einsetzung in Bremen nach dem Tod Leuderichs, Willehads zweitem Nachfolger (t 845), war dort umstritten, 11 möglicherweise aufgrund von Spannungen zwischen einer noch angelsächsisch geprägten "Willehad-Gruppe" und dem Franken Ansgar. Adam von Bremen, der offensichtlich in der Ansgar-Tradition schrieb, äußerte sich jedenfalls abfiillig über Leuderich. 12 Ein weiterer fränkischer Beziehungsstrang schien sich über eine verlorene Rezension der "Annales Laureshamenses" zu ergeben, die dem Verfasser der "Vita Willehadi" vorgelegen hat. 13 Die Jahresberichte seit 786 wurden dem Alkuin-Gefährten Richbod zugeschrieben, einst Hofkapellan Karls des Großen, dann Abt von Lorsch und seit 791/93 Bischof von Trier/ 4 eine Annahme, die indes als unwahrscheinlich gelten muß. 15 Damit verlieren teilweise weitgehende Kombinationen über Richbod als Verbindungsglied zwischen Alkuin und Abt Beornrad von Echtemach 16 ihre Relevanz für die Beurteilung der "Vita Willehadi", und ebenso wenig zwingend ist die Annahme, die Informationen

So schon Poneelet, Vita (wie Anm. 1),883. Goez (wie Anm. 2), 73. 8 Alcuini Vita Sancti Willibrordi, hg. v. W Wattenbaeh, (Bibliotheca rerum Germanicarum 6), Berlin 1873, 35-79. 9 Vita Willehadi (wie Anm. 1), 844f. 10 R. Sehieffer, Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland (Bonner Historische Forschungen 43), Bonn 1976, 214f. 11 Vita Anskarii auctore Rimberto, hg. v. G. Waitz (MGH SS rer. Germ. 55), Hannover 1884, 71. 12 Magistri Adam Bremensis Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum, hg. v. B. Sehmeidler (MGH SS rer. Germ. 2), Hannover 1917,26. 13 Poneelet, Vita (wie Anm. 1),839. 14 So erstmals F. Kurze, Die karolingischen Annalen bis zum Tode Einhards, in: Beilage zum Jahresbericht des Luisengymnasiums zu Berlin, Berlin 1913, 26f. Ebenso H. Fiehtenau, Karl der Große und das Kaisertum, MIÖG 61 (1953) 257-334; bes. 287ff. 15 H. HofJmann, Untersuchungen zur karolingischen Annalistik (Bonner Historische Forschungen 10), Bonn 1958, 82ff. 16 Beumann (wie Anm. 3), 91. 6

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der "Annales Laureshamenses" über Sachsen hätten nur aus Echtemach bezogen werden können. 17 Fallen die "Annales Laureshamenses" damit als Belegstück rur Echternacher Einfluß auf die "Vita Willehadi" aus, so muß deren Exkurs über das Kaisertum nicht mehr mit Übernahme eines fränkisch bestimmten Traditionskomplexes und dessen kaum verstandener, deshalb willkürlich-beziehungs loser, Insertion in einen laufenden Text erklärt werden. Das ist um so weniger nötig, als die "Vita Willehadi" den Bericht der "Annales Laureshamenses" über das Kaisertum Karls des Großen 18 zwar verwendet, aber in charakteristischer Weise abgewandelt hat. 19 Heißt es in den Annalen, daß Papst Leo III., die Konzilsväter und der übrige populus christianus es fiir richtig gehalten hätten, angesichts des bei den Griechen infolge einer weiblichen Herrschaft aufgehobenen nomen imperatoris Karl nunmehr imperator zu nennen, weil Gott außer dem Kaisersitz Rom auch die übrigen sedes in der Italia, der Gallia und Germania in seine Hände gegeben habe, und daß Karl dieses nomen imperatoris akzeptiert habe, weil er sich den Bitten nicht verschließen wollte, so trägt die "Vita Willehadi" an entscheidender Stelle anderes vor. Für sie gibt es keine nomen-Theorie, sondern die imperialis potestas wird auf das Frankenreich übertragen, und zwar durch Wahlentscheidung des römischen Volkes während eines Konzils. Stimmen beide Berichte also hinsichtlich des Motivs (Schwäche der Griechen) fiir das westliche Kaisertum und seinen Rombezug überein, so weichen sie in der Definition des populus voneinander ab: Dem populus christianus der So Fichtenau (wie Anm. 14),302. MGH SS 1, Hannover 1826, 38 (zu 80 I): Et quia iam tune cessabat aparte Graecorum nomen imperatoris et femineum imperium apud se habebant, tune visum est et ipso apostolico Leoni et universis sanctis patribus qui in ipso concilio aderant, seu re liquo christiano populo, ut ipsum Carolum regem Franchorum imperatorem nominare debuissent, qui ipsam Romam tenebat, ubi semper Caesares sedere soliti erant, seu reliquas sedes, quas ipse per ltaliam seu Galliam nec non et Germaniam tenebat, quia Deus omnipotens has omnes sedes in potestate eius concessit; ideo iustum eis esse videbatur, ut ipse cum Dei adiutorio et uniyerso christiano populo petente ipsum nomen aberet. Quorum petitionem ipse rex Karolus denegare noluit ... Auf den beim Übersetzen meist nicht beachteten, rur die Interpretation aber entscheidenden Unterschied von cessare (aussetzen, nachlassen, ruhen) und cedere (weggehen, weichen) hat Goez, Translatio (wie Anm. 2), 66f. hingewiesen. 19 Vita Willehadi (wie Anm. 1), 844: Quem [sc. Karolum] postea per manus reverentissimi Leonis apostolici imperatorem Romae consecratum anno regni eius XXXlIIlo catholicae Europae consistens Christi venerata pariter et gratulabunda suscepit ecclesia. Siquidem imperialis potestas, quae post Constantinum piissimum augustum apud Graecos in Constantinopolitana hactenus regnaverat sede, cum deficientibus iam inibi viris regalis prosapiae, feminea magis dicione res administraretur publica, temporibus ipsius per electionem Romani populi in maximo episcoporum aliorumque Dei servorum concilio, ad Franeorum translatum est dominium; quoniam ipse et eandem, quae caput imperii fuerat, et multas alias tune in orbe Yidebatur tenere provincias; ob quod et iure caesarea dignus esset appellatione. 17

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Annalen entspricht der populus Romanus der Vita. Deren Autor fUhrt darüber hinaus zwei seiner Vorlage gegenüber neue Aspekte ein: Explizit die Translationstheorie, implizit, nämlich durch Stellung des Exkurses im Text, die Verbindung des Kaisertums mit der Sachsenmission. Dabei scheint ein sächsisches Rezeptionsproblem bestimmend gewesen zu sein, das sich aus dem realen und von Karl dem Großen mit Teilen seines Hofkreises beschlossenen Nebeneinander von Sachsenmission und Schutz der römischen Kirche ergeben hatte,20 denn diese Verbindung wurde in sächsischen Quellen des 9. Jahrhunderts 21 auch sonst hergestellt und erfuhr dabei eine charakteristische Entwicklung. Während die zwischen 839 und 849 entstandene Altfrid-Fassung der "Vita Liudgeri" Karl den Großen zum Jahr 787 gloriosus princeps nennt,22 gibt ihm die Vita secunda aus den fUnfziger Jahren des 9. Jahrhunderts zum gleichen Zusammenhang und also schon vor der Kaiserkrönung den Titel gloriosus imperator. 23 Die zwischen 862 und 875/77 in Herford oder Corvey von einem sächsischen Autor verfaßte "Translatio S. Pusinnae" stellt fest, daß Karl der Große im kollektiven Gedächtnis der Sachsen (nostra memoria) als höchster und ruhmvollster Kaiser lebe/4 und die ostsächsische Vita S. Liutbirgae gibt wenig später nähere Erläuterungen dazu. Karl sei imperator maximus, der als erster in den ostrheinischen Gebieten (Germaniae partibus) den Kaisemamen angenommen und das mächtige Volk der Sachsen teils durch Krieg, teils durch Klugheit, obendrein aber durch große Geschenke gewonnen und vom Heidentum dem christlichen Glauben unter-

20 Dazu K. Hauck, Die Ausbreitung des Glaubens in Sachsen und die Verteidigung der römischen Kirche als konkurrierende Herrschaftsaufgaben Karls des Großen, Frühmittelalterliche Studien 4 (1970) 138-172. 21 Dieses Textcorpus hat zuerst K. Hanse/mann, Die Annahme des Christentums durch die Sachsen im Lichte sächsischer Quellen des 9. Jahrhunderts, Westfälische Zs. 108 (1958) 201-219 in den Blick gerückt; seine quellenkritischen Bemerkungen, besonders die Datierungsansätze, sind mittlerweile modifiziert worden: Löwe, Karolinger (wie Anm. I), passim. H. Beumann, Die Hagiographie "bewältigt" Unterwerfung und Christianisierung der Sachsen durch Karl den Großen, in: Ders., Ausgewählte Aufsätze aus den Jahren 1966-1986, Sigmaringen 1987, 289-323 hat Honselmanns Grundgedanken aufgenommen und pointiert weitergeführt. 22 Altfrid, Vita sancti Liudgeri, hg. v. W. Diekamp, Die Vitae sancti Liudgeri (Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster 4), Münster 1881,3-53, hier 25. 23 Vita secunda sancti Liudgeri, hg. v. W. Diekamp (wie Anm. 22), 54-84, hier 61. Auch der princeps Altfrids kann Kaiser sein, denn D. SchaUer, Das Aachener Epos für Karl den Kaiser, Frühmittelalterliche Studien 10 (1976) 134-168 hat (149ff.) anhand vieler Belege nachgewiesen, daß Karl noch lange nach 800 auch in Texten aus dem Hofkreis (Alkuin, Theodulf u.a.) als rex angesprochen wurde. Jeder datierenden Argumentation anhand außerurkundlicher Titel ist damit der Boden entzogen. 24 Translatio S. Pusinnae, hg. v. R. Wi/mans, in: Die Kaiserurkunden der Provinz Westfalen I, Münster 1867, 539-546, hier 541.

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worfen habe. 25 Liutbirgs Wirkungsstätte Wendhausen war zwischen 825 und 830 von der Tochter Gisla des ostflilischen Großen Hessi gegründet und mit Nonnen aus Herford besetzt worden,z6 Hessi selbst hatte sich 775 Karl unterworfen und war ins Kloster Fulda eingetreten. Die Vita ist deshalb nicht nur als ältestes Schriftzeugnis aus dem Harzraum wertvoll, sondern auch als Kommentar zur inneren Christianisierung Ostfalens anhand der Stiftung einer seiner vornehmsten Adelsfamilien und dementsprechend repräsentativ für die christliche sächsische Führungsschicht der ersten Stunde. Diese Annahme einer Repräsentanz solcher Texte wird durch die "Translatio S. Liborii,,27 gestützt, deren in den neunziger Jahren des 9. Jahrhunderts entstandene Paderborner Fassung für das westliche Sachsen berichtet, wie der gloriosae memoriae Karolus imperator nach langem Krieg in wechselvollen Schlachten das Volk der Sachsen durch Eisen (ferro) gebändigt, zur Annahme des christlichen Glaubens veranIaßt und seinem Reich angegliedert (addidit) habe?S Die Verbindung von Kaisertum und Mission stellt der Autor anläßlich des Papstbesuchs in Paderborn noch einmal heraus, indem er Leo III. nicht nur um die Hilfe der imperialis ops bitten, sondern auch Karls Missionswerk aus apostolischer Autorität billigen läßt29 und gleich darauf die als libellus de vita eius ausdrücklich genannte Karlsbiographie Einhards in bezeichnender Weise revidiert. Im siebenten Kapitel seines Werkes hatte der Ostfranke Einhard den dreißigjährigen Kampf mit den betont negativ charakterisierten Sachsen als Unterwerfungskrieg geschildert, an dessen Ende die Kapitulationsbedingung Karls stand: Annahme des Christentums und Verbindung mit den Franken zu einem politischen Verband. 30 Demgegenüber glaubte der Verfasser der Transla25 Das Leben der Liutbirg. Eine Quelle zur Geschichte der Sachsen in karolingischer Zeit, hg. v. 0. Menzel (MGH Deutsches Mittelalter 3), Leipzig 1937, 10. Das Werk entstand spätestens in den achtziger Jahren entweder im Kreis des Halberstädter Domklerus oder im Kloster Wendhausen selbst, wo Liutbirg als Inkluse den Unterricht junger sächsischer Mädchen besorgte: Löwe, Karolinger (wie Anm. 1), 876f. 26 W. Grosse, Das Kloster Wendhausen, sein Stiftergeschlecht und seine Klausnerin, Sachsen und Anhalt 16 (1940) 45-76; 1. Semmler, Corvey und Herford in der benediktinischen Reformbewegung des 9. Jahrhunderts, FTÜhmittelalterliche Studien 4 (1970) 289-319; bes. 308f. 27 Hg. V. G. H. Pertz (MGH SS 4), Hannover 1841, 149-157. Über die vier Textfassungen Löwe, Karolinger (wie Anm. 1), 849ff. 28 Translatio S. Liborii (wie Anm. 27), 149. 29 Ebd., 150. 30 Eaque conditione a rege proposita ... unus cum eis populus efficeretur (Einhardi Vita Karoli Magni, hg. v. 0. Holder-Egger [MGH SS rer. Germ. 25], Hannover 1911, 10. Es heißt populus, nicht etwa, wie beim Poeta Saxo (vgl. unten Anm. 32, 48), gens et populus oder gar, wie bei Widukind von Corvey (vgl. unten Anm. 37, 25), nur noch gens, in welcher Abwandlung die sächsische Anpassungstendenz gut erkennbar wird.

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tio wegen der gnädigen Neigung Karls zu den Sachsen (nos) doch sagen zu müssen, daß man ihn mit Recht "unseren Apostel" (nostrum apostolum) nenne, denn er habe mit eiserner Zunge gepredigt lferrea quodammodo lingua praedicavit), um den Sachsen das Tor zum Glauben zu öffnen. Unter allen Kriegen, unter den vielen unterworfenen Völkern und Reichen, sei Karls glänzendster Triumph die Bekehrung der Sachsen (nostra gens) gewesen, und Christus werde ihn im Himmel dadurch belohnen, daß er ihn in den Kreis der Apostel aufnähme, deren Amt Karl auf Erden schon ausgeübt habe. 3l Dieses Apostolatsmotiv fmdet sich fast gleichzeitig, wenn nicht schon früher, beim möglicherweise in Corvey schreibenden Poeta Saxo,32 der die sogenannten Einhardsannalen und Einhards "Vita Karoli" in Verse brachte, um das Thema der Sachsenkriege als Epos zu behandeln und am Schluß in einer Apotheose Karls gipfeln zu lassen, der durch seine davidische Qualität auch im Himmel mächtig sei, zusammen mit Konstantin 33 und Theodosius, da er die Sachsen zum Glauben gebracht und Gott damit unzählige Seelen zugeführt habe. 34 Am Gerichtstag werde er der apostolischen Würde am nächsten sein, denn wenn Petrus an der Spitze der getauften Juden hervorträte, Paulus die Heiden der Welt heranführe, Andreas die Griechen, Johannes die Bewohner (Klein-) Asiens, Matthäus die Äthiopier und Thomas die Inder, werde Karl die Sachsen hinter sich haben. 3s Solchen eschatologischen Bezug hat schon das "Carmen de conversione Saxonum", wenn es mit den sechs Weltzeitaltern einsetzt und über die erste Ankunft Christi direkt ins Jahr 777 fuhrt, in dem Karl erstmals einen Hoftag in Paderborn abhielt, auf dem es zu Massentaufen von Sachsen kam. 36

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Translatio Liborii (wie Anm. 27), 151.

32 Poeta Saxo, Annalium de Gestis Caroli magni imperatoris Iibri quinque, hg. v. P.

von WinterfeId (MGH Poetae Latini 4/1), Berlin 1899, 1-71. Zu Datierung (zwischen 888 und 891) und Entstehungsort Löwe, Karolinger (wie Anm. 1), 862f. 33 Zum Bezug Karls auf Konstantin K. Hauck, Karl als neuer Konstantin 777. Die archäologischen Entdeckungen in Paderborn in historischer Sicht, Frühmittelalterliche Studien 20 (1986) 513-540, bes. 528ff. Die archäologischen Befunde in Paderborn werden mittlerweile in vieler Hinsicht anders bewertet. 34 Poeta Saxo (wie Anm. 32), 70f. 3S Ebd., 71. Zur Geschichte des Motivs mit Nachweis der Predigt Gregors d. Gr. über die Aussendung der zweiundsiebzig Jünger als Vorlage des Poeta Saxo B. Bischof!, Das Thema des Poeta Saxo, in: Festschrift J. Spörl, Freiburg i. Br. 1966, 198-203, bes. 200ff. 36 De conversione Saxonum carmen, hg. v. E. Dümmler (MGH Poetae Latini 1), Berlin 1881, 380f., bes. 380. Vgl. Annales regni Francorum, hg. v. F. Kurze (MGH SS rer. Germ. 6), Hannover 1895, 48 (zu 777). Gründe rur die Datierung ins Jahr 777 bei E. Freise, Das Frühmittelalter bis zum Vertrag von Verdun, in: Westfälische Geschichte I, hg. v. W Kohl, Düsseldorf 1983,275-335, bes. 298.

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In mehrfacher Variation entfaltete sich demnach die Verbindung von Kaisertum, Sachsenvolk und Sachsenmission, vom feststellenden Hinweis über Beschreibung der Vorgehensweise Karls bis zur ausdeutenden Überhöhung der Kriegfilhrung als Apostelwerk mit päpstlicher Billigung, wobei der Bezug zum Kaisertum in der Person Leos III. bekräftigt wurde. Weil die durch Christus zu bestätigende Qualität Karls sich aus der Sachsenbekehrung ergeben hatte und er die Sachsen als eines der großen christlichen Völker der Weltgeschichte anfilhren wird, war der welt- und heilsgeschichtliche Rang des Kaisers endgültig und ausschließlich auf die christlichen Sachsen bezogen: Sie waren als solche sein Lebenswerk, neben dem alles andere nicht mehr nennenswert erschien. Diese Verbindung war noch im 10. Jahrhundert filr das sächsische Geschichtsbild konstitutiv. Nachdem Widukind von Corvey die Frühgeschichte der Sachsen erzählt, ihr Bündnis mit den Franken, den ThUringerkrieg und die königslose Verfassung der heidnischen Zeit beschrieben hat, folgt in einem bemerkenswert kurzen Kapitel die Geschichte Karls des Großen: 37 Der weise Karl, so heißt es da, wollte sein edles Nachbarvolk (jinitam gentem nobilemque) vom Irrglauben befreien, erzwang das "teils durch sanfte Überredung, teils durch kriegerische Gewalt" (nunc blanda suasione, nunc bel/orum inpetu) und erreichte sein Ziel im dreißigsten Jahr seines Kaisertums. Nach dem parenthetischen Einschub "Kaiser wurde er, nachdem er vorher König gewesen war" (imperator quippe ex rege creatus est) kann der Sinn der Anstrengungen Karls enthüllt werden: "Deswegen wurden die, welche früher Bundesgenossen und Freunde der Franken waren, jetzt Brüder, und, wie wir eben sehen, gleichsam ein Volk aus dem christlichen Glauben" (ob id qui olim socii et amici erant Francorum, iam fratres et quasi una gens ex Christiana fide, veluti modo videmus, facta est). Das Kaisertum ist auch bei Widukind mit der Sachsenmission zur Einheit verbunden, und wie in der "Vita Willehadi" ist es als Faktum unvermittelt eingefilgt. Das sich hierin manifestierende Selbstbewußtsein des sächsischen Adels hat seinerseits eine Geschichte, die im Laufe des 9. Jahrhunderts konstruiert wurde und sich in denselben Quellen spiegelt.

37 Widukindi monachi Corbeiensis Rerum gestarum Saxonicarum libri III, hg. v. P. Hirsch / H.-E. Lohmann (MGH SS rer. Germ. 60), Hannover 1935, 25. Die Kombina-

tion "großer Kaiser / mächtiges Sachsenvolk / Krieg, Klugheit, Geschenke" der Liutbirgvita könnte an zentraler Stelle weitergewirkt haben, denn das von Heinrich I. und der Königin Mathilde im Zusammenwirken mit einer sächsischen Adelsgruppe eingerichtete Stift Quedlinburg wurde aus Wendhausen besetzt: J Ehlers, Heinrich I. in Quedlinburg, in: Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. G. Althoff/ E. Schubert (VuF 46), Sigmaringen 1998, 235-266, bes. 243ff.

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Die frühen Texte stimmen bei der Bewertung der Sachsen in mancher Hinsicht noch mit Einhard überein. Wiederholtes Abfallen vom rechten Glauben und die Rückkehr zu den alten Irrtümern erscheinen als größte Hindernisse für die Bemühungen Karls des Großen 38 und eine besondere Rolle wird dabei der geradezu schurkischen Intelligenz Widukinds zugewiesen,39 wenngleich dieser als Wurzel des Übels (radix seeleris) eben nicht der Führer aller, sondern nur der heidnischen Sachsen gewesen sei. 40 Der zwischen 863 und 865 für den Widukind-Enkel Waltbert schreibende Rudolf von Fulda bezieht sich dagegen im Bericht von der Überfiihrung der Reliquien des Heiligen Alexander aus Rom nach Wildeshausen41 für die Herkunft der Sachsen von den Britischen Inseln auf antike Überlieferung und arbeitet mit den bekannten Tacitus-Entlehnungen, um den Sachsen die dort vorgefundenen gemeingermanisch-positiven Charaktereigenschaften zuschreiben zu können, wodurch jede kritische Bemerkung über ihr Heidentum entfallen durfte. Wenn er dennoch Einhards negative Sachsen-Charakteristik übernimmt, indem er aus dessen Karlsvita das siebente Kapitel ab sieut omnes fere Germaniam ineolentes nationes fast wörtlich inseriert,42 so kam es ihm wohl weniger auf den Schlußsatz über die politische Integration der Sachsen an, den er auch ohne Neubelebung der gesamten Polemik Einhards hätte anbringen können, sondern auf den Gegensatz zwischen dem dort nicht als Missions-, sondern als Eroberungskrieg geschilderten Vorgang und seinem Ergebnis. Immerhin hatte die Verbindung von Sachsenmission und römischem Kirchenschutz, der das Kaisertum faktisch nach sich zog, alle fränkischen Ressourcen aufs äußerste belastet. Nicht zuletzt daraus dürfte jene Brutalisierung der Kriegfilhrung erwachsen sein, die in der Alternative dum aut vieti ehristianae religion i subieerentur aut omnino tollerentur43 rasch ihren programmatischen Höhepunkt erreicht und mit den harten Verfiigungen der "Capitulatio de partibus Saxoniae" von 782 44 die entsprechenden Ausfiihrungsbestimmungen hervorgebracht hatte. Beides mußte in Sachsen tiefe Spuren hinterlassen und ein hohes Kompensationsniveau zur Voraussetzung jeder Art von Integration machen.

38 Vita Willehadi (wie Anm. 1), 843. 39 Er war ein Mensch perversioris consilii (ebd., 844) und totius ma/i auctor incen-

torque perfidiae (ebd., 845). Ähnlich negativ die Vita S. Liudgeri (wie Anm. 22), 24f. 40 Vita Liudgeri (wie Anm. 22), 24. 41 Translatio S. Alexandri, hg. v. B. Krusch, Die Übertragung des H. Alexander von Rom nach Wildeshausen durch den Enkel Widukinds 851 (Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 1933, Phil.-hist. KI.), Berlin 1933,405-436. 42 Translatio (wie Anm. 41), 425f. 43 Annales qui dicuntur Einhardi, hg. v. F. Kurze (MGH SS rer. Germ. 6), Hannover 1895,41 (zu 775). 44 Hg. v. CI. von Schwerin (MGH Fontes iuris Germanici antiqui i.u.s. 4), Hannover 1960/61,37-44.

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Vor diesem Hintergrund ist die. Feststellung der "Translatio Alexandri" zu sehen, daß die Sachsen mit intensiver werdender christlicher Gläubigkeit adunati ... populo Dei usque in hodiernum diem 45 seien, d. h. weit über die bei Einhard hergestellte franko-sächsische Verbindung hinaus reicht die Integration der Sachsen in das Gottesvolk der Christenheit schlechthin. Einhardzitat und angeschlossener Kommentar entsprechen dem neuen Bewußtseinsstand des christlichen sächsischen Adels, dessen geistliche Angehörige für die Probleme einer belasteten Vergangenheit die heilsgeschichtliche Lösung anboten. Ihr kommt auch die nahezu gleichzeitig in Essen entstandene Predigt zum Fest des Heiligen Marsus46 nahe, wenn sie Sachsen teleologisch als Zweck und Ziel christlicher Märtyrergeschichte darstellt. Das erst kürzlich zum christlichen Glauben bekehrte Sachsen sei nicht durch die Leiber von Heiligen berühmt, sondern müsse solche importieren, aber gerade deshalb sei die Saxonia glücklich, denn anders als Germania, Gallia et precipue Roma47 sei sie nicht durch das Blut von Heiligen befleckt und habe ohne Verbrechen deren Schutz erlangt, ein Argument, das zwar sachlich falsch ist,48 sich aber ähnlich schon im langen Prolog der "Lex Salica" findet, um die Franken vorteilhaft von den Römern abzuheben. 49 Andere Gegenden der Erde, so der Essener Prediger, hätten sich abgemüht, jene Heiligen hervorzubringen, aufzuziehen und zu erhalten, damit den christlichen Sachsen ihr Schutz nicht fehle. 50 Von dieser Position war es nur noch ein Schritt bis zur Korrektur nicht nur des Sachsen-, sondern auch des bisher herrschenden Widukind-Bildes.

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Translatio S. Alexandri (wie Anm. 41), 426.

46 Hg. v. K. Hanselmann, Eine Essener Predigt zum Feste des hl. ~arsus aus dem 9.

Jahrhundert, Westfälische Zs. 110 (1960) 199-221 (208-221 Text mit Ubersetzung). 47 Ebd., 212. 48 Zeugnisse für sächsische Märtyrer finden sich u.a. in der Vita Willehadi (wie Anm. 1), 844 (Ermordung des Priesters Folcard in Wigmodien, des Grafen Emiggo im Gau Leri, eines gewissen Benjamin in Rüstringen, des Klerikers Atreban in Dithmarschen und eines gewissen Gerwal mit seinen Genossen in Bremen während des Widukind-Aufstandes von 782) und in der Vita Liudgeri (wie Anm. 22), 25 (Ermordung des Bischofs Albricus beim Abfall der Friesen 784). Vor 814 wurde der kaiserliche Missus Richolf zusammen mit den Grafen Rorich, Gottschalk, Had und Garich im EIbegebiet propter christianitatis stabilimentum umgebracht: MGH Epistolae Karolini aevi 3, hg. v. E. Dümmler / K. Hampe u.a., Berlin 1898/99,301. 49 Lex Salica, hg. v. K. A. Eckhardt (MGH Leges nationum Germanicarum 4.2), Hannover 1969, 8: ... post agnicionem baptismi sanctorum martyrum corpora, quem Romani igne cremave-runt vel ferro truncaverunt vel besteis lacerando proiecerent, Franci reperta super eos aurum et lapides preciosos ornaverunt. 50 Laboraverunt itaque aliae terrarum partes sanctos gignendo, nutriendo, conservando, ne tibi [sc. der Saxonia], quandoque ad deum conversurae, eorum patrocinia deessent (Essener Predigt [wie Anm. 46], 212). 5 Festschri ft Elm

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Die "Pusinna-Translatio", die den Kaiser als Bestandteil der sächsischen Erinnerung sah,51 beschrieb die Sachsen als edel und tatkräftig, ausgezeichnet durch natürliche Begabung und, weil schon antiken Schriftstellern bekannt, zur Ökumene der Alten Welt gehörig. Der nahezu dreißigjährige, wechselvolle Krieg Karls des Großen habe dem Kaiser zwar einen mit Gottes Hilfe errungenen Sieg gebracht, aber der Widerstand seiner sächsischen Gegner sei keineswegs verwerflich gewesen, weil es ihnen gleichsam aus Pietät unangebracht erschienen sei, die religiösen Bräuche ihrer Vorfahren kurzerhand aus Irrtümern zu erklären und dementsprechend kampflos fallen zu lassen. Im übrigen sei der Widerstand auch nicht durch Gewalt überwunden worden, sondern er habe sich aus natürlicher Klugheit und scharfem, allen Feinheiten gewachsenem Verstand allmählich abgeschwächt, so daß er am Ende mit Argumenten und überzeugenden Beweisen wie eine Festung habe gebrochen werden können. Weil sie das klügste aller Völker seien, hingen die Sachsen nun konsequenterweise der christlichen Religion stärker an als sie ihr vorher widerstanden hätten. 52 Dieses Motiv der agilitas, virtus und nobilitas der Sachsen fmdet sich auch in der kurz nach 864 entstandenen dritten Fassung der Liudger-Vita,53 die den kämpfenden Widukind an diesen Qualitäten teilhaben läßt, weil er (und das fUgt der Bearbeiter in den ihm vorliegenden Text der Vita ein) trotz seines Heidentums durch Klugheit, Beredsamkeit und Kriegstüchtigkeit unter die bedeutendsten duces gerechnet werden müsse. 54 Damit läßt sich dieser Aspekt der Neubewertung hinsichtlich seiner Entstehungszeit ungeflihr den sechziger Jahren des 9. Jahrhunderts zuordnen, denn sowohl in der Altfrid-Fassung von 839/49 als auch in der zweiten Bearbeitung aus den fUnfziger Jahren kommt er noch nicht vor. Die Tendenz zur Abschwächung der Erinnerung an eine als tief verletzend empfundene Gewaltmission infolge vernichtender militärischer Niederlage zeigt wenig später auch die Liutbirg-Vita, deren Autor Wert darauf legt, den Sieg Karls ausdrücklich nur zum Teil auf kriegerische Erfolge zurückzufUhren und stattdessen den erheblichen Aufwand an Scharfsinn und großen Geschenken herausstellt, mit dem die Sachsen gewonnen und der christlichen Religion unterworfen worden seien. 55 Tendenzbestimmt ist hier schon die Wortwahl, S. oben bei Anm. 24. Translatio S. Pusinnae (wie Anm. 24), 541. 53 Vita tertia sancti Liudgeri, hg. v. W. Diekamp (wie Anm. 22), 85-134; hier 95. 54 Ebd., 95. Der dux-Titel dürfte hier die unterkönigliche, gleichwohl bedeutende Stellung Widukinds kennzeichnen. 55 ... nobilissimam ac praepotentem viribus gentem Saxonum partim bel/is, partem ingenio suo ac magnae sagacitatis industria, insuper etiam magnis muneribus acquisivit, ex paganico ritu Christianae religioni subiugavit, ... .' (Vita S. Liutbirgae [wie Anm. 25], 10). Partim bel/is, partim suasionibus, partim etiam muneribus maxima ex parte ließ schon die Vita Sturmi Karls Sachsenbekehrung gelingen: Eigil von Fulda, Vita 5\

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denn subiugavit meint die Bekehrung,56 während die Unterwerfung durch Krieg, für die jener Ausdruck eigentlich angemessen wäre, mit acquisivit umschrieben wird. Solches Bemühen, einer vitalen Führungsschicht unter neuen Bedingungen ihr Selbstbewußtsein zu erhalten, führte zu einem offenbar repräsentativen Geschichtsbild, das mit seiner Komposition aus interpretierten Tatsachen und Mythenbildung Züge eines neuen gentilen Bewußtseins aufweist. Einen Höhepunkt stellt in dieser Hinsicht die Liborius-Translatio dar, wenn sie sich zunächst auf Einhard beruft, Karls Triumph dann aber weniger auf einen militärischen Sieg als auf die liberalitas zurückführt, mit der er die sächsischen Großen gewonnen habe: Erst nachdem das gelungen sei, habe der Kaiser sich überhaupt auf die Rettung ihrer Seelen konzentrieren und zum Ausdruck bringen können, daß er primär wegen des christlichen Glaubens, weniger um der Expansion seines Reiches willen gekämpft habe. 57 Der lange Krieg ließ sich so aus den virtutes der Sachsen erklären, denen damit Anteil an den Verdiensten eines Siegers zukam, dessen Ruhm sich erst aus der Widerstandskraft seiner Gegner ergeben hatte.

* Gegenüber diesem harmonisierenden Vergangenheits bild läßt die "Vita WilBrüche erkennen, die sich aus dem Konflikt einander widerstreitender Missionskonzepte ergeben hatten. Sie geht von einem bei Sachsen und Friesen schon früh erwachten Bekehrungswunsch aus,s8 der Willehad veraniaßt habe, sich vom northumbrischen König Alchred (765-774) auf den Kontinent abordnen zu lassen, wo Willehad, ausdrücklich an Bonifatius anknüpfend und ohne staatlichen Rückhalt auf sich gestellt, beim westfriesischen Adel allein durch Lehre und Lebensfilhrung59 große Erfolge erzielt habe. Weite Teile der Bevölkerung seien durch bloße Predigt zur Taufe veranlaßt worden. 60 Heftigen leh~di"

Sturmi, hg. v. P. Engelbert, Die Vita Sturmi des Eigil von Fulda. Literarkritisch-historische Untersuchung und Edition (Veröffentlichungen der Historischen Kommission fiir Hessen und Waldeck 29), Marburg 1968, 158. Das Werk ist zwischen 794 und 800 entstanden, so daß die Vita Liutbirgae ein schon während des Krieges in Fulda, vielleicht fiir die sächsischen Insassen des Konvents, entwickeltes Motiv übernehmen konnte. 56 Vgl. "das sanfte Joch Christi" (sub leni iugo Christi Saxonumferocia ... coacta) in der Vita Willehadi (wie Anm 1),845. 57 ... se magis christianae religionis quam regni sui dilatandi causa tantae rei dijJicultatem aggressum ostenderet ... : (Translatio S. Liborii [wie Anm. 27], 150). 58 Vita Willehadi (wie Anm. 1),842. 59 ... tam verbo doctrinae quam exemplo piae conversationis (ebd., 843). 60 ... dum praedicaret verbum Domini, plurima multitudo gentilium credidit ac baptismi sacramentum percepit. (ebd.) 5"

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Widerstand habe erst die Gewalt seiner Schüler gegen heidnische Heiligtümer provoziert, und die Folge sei eine Statusänderung Willehads durch den Auftrag Karls des Großen zur Sachsenmission gewesen. Fortan war der Missionar auctoritate regah-61 tätig, d. h. als Funktionsträger der Staatsrnission, erreichte aber, wiederum durch seine Überzeugungskraft (evange/izando), daß die von ihm angesprochenen Sachsen und Friesen schon nach zwei Jahren allesamt Christen werden wollten. 62 An dieser Stelle nun findet sich der rur sächsische Texte der Zeit typische Hinweis auf die Verbindung von Kaisertum und Sachsenmission; in Form der eingangs erwähnten Bemerkungen über die Rangerhöhung Karls des Großen und die Übertragung des kaiserlichen dominium auf die Franken literarisch ungeschickt eingeruhrt, ist er gerade durch seinen Charakter als auffiillig kunstloses Insert Beleg rur den Zwang der Konvention, die ihn forderte. Da Willehad schon 789 starb und demnach die Kaisererhebung Karls nicht mehr erlebt hat, kann der Passus schwerlich als Datierungshilfe ftir den Gang der Handlung formuliert worden sein, sondern er sollte die Verbindung der imperialen Würde des Frankenkönigs mit der Sachsenmission grundsätzlich betonen und den rur das sächsische Selbstverständnis unentbehrlich gewordenen Zusammenhang auch um den Preis erzählerischer Unebenheiten herstellen. Eine gewisse Distanz zu dieser Verbindung hat sich gleichwohl in der das Kapitel beschließenden ausdrücklichen Feststellung erhalten, daß Willehads Missionserfolge in die Königszeit Karls (regni eius tempore) gefallen seien. Vorbehalte dürften sich aus dem immer härter gewordenen fränkischen Kampf gegen die Sachsen ergeben haben; der seiner Mission abträglichen Gewalt der eigenen Schüler entsprach die Gewalt Karls, gegen den (und nicht etwa gegen die Mission als solche) sich der Widukind-Aufstand des Jahres 782 gerichtet habe. 63 Hier wie dort war Willehads Flucht die einzig mögliche Reaktion. Erst im Frühsommer 785 kehrte er nach Sachsen zurück, traf Karl auf der Eresburg und erhielt einen erneuerten Missionsauftrag ftir Wigmodien, die Landschaft rechts der Unterweser. Trotz dieses begrenzten Sprengels stellt der Hagiograph jetzt die gesamte Sachsenmission als Erfolg Willehads dar, der die zerstörten Kirchen wiederaufgebaut und mit Priestern versehen habe: "So kam durch Gottes Fügung noch in demselben Jahr das Volk der Sachsen wieder zum Ebd., 844. in secundo anno tarn Saxones quam et Fresones in circuito commorantes omnes se pariter jieri promitterent christianos (ebd., 844). 63 Widukindus, qui rebellare contra regem nisus Karolum (ebd., 844). Zum Problem der Missionskonzeptionen H.-D. Kahl, Karl der Große und die Sachsen. Stufen und Motive einer historischen "Eskalation", in: Politik, Gesellschaft, Geschichtsschreibung. FS Frantisek Graus, hg. v. H. Ludat / R C. Schwinges (Beihefte zum AKG 18), Köln 1982, 49-130. 61

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christlichen Glauben, den es vorher verloren hatte".64 Das ist angesichts der Fülle der Ereignisse dieses Jahres - Feldzüge von der Eresburg aus, Reichsversammlung in Paderborn, Vonnarsch des fränkischen Heeres über die Weser bis in den Bardengau an der Eibe, Unterwerfung und Taufe Widukinds - recht verkürzt und vor allem weit optimistischer als die Beurteilung der Reichsannalen, die nur von Unterwerfung, nicht aber von Bekehrung der Sachsen sprechen65 , zuversichtlicher auch als die Stimme Papst Hadrians I., der Sachsen lediglich als tUr das Christentum bereit ansah. 66 Zweifellos kannte der Hagiograph die Geschichte des anhaltenden sächsischen Widerstandes, aber hinter seinem Bild vom Wirken Willehads stand ein Missionskonzept, auf dessen Erfolg es ihm retrospektiv ankam und das sich in der annähernd gleichzeitig verfaßten "Vita Lebuini" ebenso findet wie in den Briefen Alkuins, der im Juni 799 Karl dem Großen Reflektionen über die drei höchsten Würden in der Welt (Papsttum, Kaisertum, Königtum) vortrug und auf Frieden mit den Sachsen drängte, die durch sanfte Behandlung und vorsichtige Zehntpraxis am ehesten zu gewinnen wären. 67 Schon früher hatte Alkuin seine Ansicht mehrfach unmißverständlich dargetan und Bischof Am von Salzburg Ende Mai 796 aufgefordert, den Avaren als Glaubensbote, nicht aber als Zehnteintreiber entgegenzutreten, denn es sei schon sprichwörtlich, daß die Zehntforderung den Glauben der Sachsen vernichte. 68 Mitte August des gleichen Jahres verband er seinen Glückwunsch zu Karls Avarensieg mit dem Hinweis auf die bislang erfolglose Sachsenmission und riet, den Avaren Missionare zu senden, die mit sanften Ratschlägen (suavia praecepta) den Glauben einfUhren sollten. Der Wert von Zehntforderungen sei zweifelhaft, die entsprechende Verordnung revisionsbedürftig. 69 Gleichzeitig wandte er sich an einen hohen Würdenträger Karls, den arcarius Meginfrid, mit dem Appell, daß Missionare mit friedlichen Reden (pacificis verbis) zu wirken hätten und daß den Sachen gegenüber auf Zehntforderung und harte Strafandrohung im Interesse des Bekehrungserfolges zu verzichten sei. 70 Ebenfalls um die gleiche Zeit erklärte er Am von Salzburg, wie bei der Avarenmission zweckmäßigerweise zu verfahren sei und erinnerte ihn an die Sachsen, die bisher kein Glaubensfundament hätten, allerdings auch falsch behandelt würden, 64 Sieque ipso anno, divino ordinante instinetu, gens Saxonum fidem ehristianitatis, quam amiserat, denuo reeepit. (Vita Willehadi [wie Anm. 1],845). 65 ... et tune tota Saxonia subiugata est (Annales regni Francorum, hg. v. F. Kurze [MGH SS rer. Germ. 6], Hannover 1895, 69 (zu 785). 66 MGH Epistolae 3, hg. v. W. Gundlaeh / E. Dümmler u. a., Berlin 1892, 607f. 67 MGH Epistolae Karolini aevi 2, hg. v. E. Dümmler u. a., Berlin 1895,289. 68 Deeimae, ut dieitur, Saxonum subvertunt fidem (ebd., 154). 69 Ebd., 157. 70 Ebd., 160.

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denn man könne einen Menschen zwar zur Taufe, nicht aber zum Glauben zwingen. 7l Verwandter Geist spricht aus der Lebensbeschreibung Willehads, ebenso aus der Vita Lebuini, die mit einem an Beda orientierten Lob der Anglorum patria einsetzt72 und den Missionar auf Grund direkter Berufung durch Christus auf den Kontinent zur Sachsenmission gehen läßt, wo er, auch hierin Willehad ähnlich, Freunde im Adel gewinnt, darunter den dives homo in pago Sudergo nomine Folcbraht,73 aus dessen Familientradition der spätere Hagiograph möglicherweise Nachrichten bezogen hat. 74 Lebuins Rede auf der sächsischen Stammesversammlung, in die Zeit vor 772 zu datieren und hauptsächlich unter verfassungsgeschichtlichen Aspekten oft diskutiert/ 5 gipfelte in der Übermittlung einer Botschaft Gottes an die Sachsen: Sollten sie Christen werden, könnten sie ihre bisherige königs lose Verfassung behalten, im anderen Falle würde ein König aus dem Nachbarland über sie herfallen, um sie nach vielen Kriegen seiner und der Herrschaft seiner Nachkommen zu unterwerfen. 76 Unlängst hat Henry Mayr-Harting vorgeschlagen,77 die Wendung ita non erit rex, qui contra vos praevalere possit et sibi subicere der Vita nicht, wie üblich, als "so wird es auch in Zukunft keinen König geben, der euch beherrschen und sich unterwerfen kann" zu übersetzen, sondern als "so wird es auch in Zukunft kein König sein, der euch beherrschen und sich unterwerfen kann" und sinngemäß zu ergänzen: "sondern ein Kaiser".78 Zwar muß offen bleiben, ob dies den Intentionen des Autors näherkommt, aber angesichts der beharrlichen Rivalität angelsächsischer und fränkischer Missionsvorstellungen, angesichts des Übergangs der fränkischen Monarchie vom regnum Francorum zur mehrere Reiche übergreifenden, umständlich definierten Herrschaft eines serenissimus augustus a Deo coronatus magnus pacificus imperator Romanum gubernans imperium,79 angesichts schließlich der die sächsischen Texte des 9. JahrInpelli potest homo ad baptismum, sed non adjidem (ebd., 164). Vita Lebuini antiqua, hg. v. A. Hofmeister (MGH SS 30.2, 789-795), Hannover 1926-1934, 791. Vgl. Bede's Ecclesiastical History of the English People, hg. v. B. Colgrave / R. A. B. Mynors (Oxford Medieval Texts), Oxford 1969, 14ff. 73 Vita Lebuini (wie Anm. 72), 792. Der Sudergo ist das Münsterland. 74 Löwe, Karolinger (wie Anm. 1),827. 75 Entstehung und Verfassung des Sachsenstammes, hg. v. W Lammers (Wege der Forschung 50), Darmstadt 1967. M Last, Niedersachsen in der Merowinger- und KaroIingerzeit, in: Geschichte Niedersachsens 1, hg. v. H. Patze, Hildesheim 1977, 543-652, bes. 577ff. Freise, Frühmittelalter (wie Anm. 36), 281 ff. 76 Vita Lebuini (wie Anm. 72), 794. 77 H. Mayr-Harting, Charlemagne, the Saxons, and the Imperial Coronation of 800, The English Historical Review 111 (1996) 1113-1133; hier I 125f. 78 ,,' ... so it will not be a king who will prevail against you and subject you to his domination' - no, it would be an emperor" (ebd.). 79 So die den fränkischen und langobardischen Königstiteln vorangestellte Kaiser71

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hunderts prägenden Verbindung von Kaisertum und Sachsenmission kann die Frage nicht ausbleiben, ob es sich bei dieser aufflillig konstant betonten Synthese nur um eine sächsische Bewältigungserfindung gehandelt hat oder ob nicht vielmehr doch ein Bezug zur historischen Realität vorausgesetzt werden muß. War Karls Kaisertum wirklich ausschließlich von päpstlich-römischen Antriebskräften bestimmt?80 Für das Frankenreich war es lebenswichtig, die Westbewegung der Sachsen aufzuhalten und mit deren Integration jenes "Ende der großen Wanderbewegung im nordwestdeutschen Raum" herbeizuführen, das die Merowinger eingeleitet hatten. 81 Dazu gehörte die Brechung eines gentilen Bewußtseins, das so von antiköniglichen Affekten geprägt war, daß direkte Herrschaft (wie im Falle des Langobardenreiches seit 774) oder die Einrichtung eines Unterkönigtums (wie in Aquitanien 781) nicht in Frage kam. Hier konnte das Kaisertum, besonders in seiner heils geschichtlich-eschatologischen Überhöhung, durchaus eine Integrationshilfe sein, wenn es den Sachsen ihre Niederlage dadurch akzeptabel machte, daß es sie über das gewohnte Niveau gentiler Kriegführung erhob, universalhistorisch sinnvoll und damit ehrenhaft erscheinen ließ. Fränkische Zeugnisse für ein solches Angebot gibt es nicht, wohl aber Belege für die außerordentlich hohe Bewertung seines Sachsensieges durch Karl den Großen selbst und die Verbindung von Missionserfolg und Herrschaftslegitimation auch gegenüber Byzanz. Einzigartig und für kein anderes Ereignis der gesamten Regierungszeit Karls des Großen belegt ist die dreitägige Dankliturgie der römischen Kirche, mit der Hadrian I. Anfang 786 auf Karls Mitteilung von Widukinds Taufe und der damit vermeintlich abgeschlossenen Eingliederung der Sachsen in sein christliches Reich reagierte; der Sachsensieg sei die himmlische Bestätigung der Herrschaft Karls, der seinerseits allen christlichen Völkern dreitägige Dankesfeiern (triduanas letanias) verordnen sollte. 82 Dem oströmischen Kaiser stellte der Papst im gleichen Jahr Karl als schwer zu erreichendes Vorbild hin, weil er alle barbarischen Völker des Westens unterworfen und seinem Reich integriert habe. 83 Selbstverständlich meinte Hadrian I. die Sachsen, und die konstante Valenz dieses Arguments im Frankenreich sollte titulatur in zweiundzwanzig Diplomen Karls des Großen zwischen 29. Mai 801 (D Kar. 1197) und 9. Mai 813 (D Kar. 1218). 80 Zu diesen P. Classen, Karl der Große, das Papsttum und Byzanz. Die Begründung des karolingischen Kaisertums,. hg. v. H. Fuhrmann / Cl. Märtl (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 9), Sigmaringen 1985. 81 Last, Niedersachsen (wie Anm. 76), 543. 82 MGH Epistolae Merowingici et Karolini aevi I, hg. v. W Gundlach / E. Dümmler u.a., Berlin 1892, 607f. 83 .. , omnis Hesperie occidueque partis barbaras nationes suo suis prosternens conculcavit pedibus, omnipotentatum illarum domans, et suo subjiciens regno adunavit: (J. D. Mansi, Sacrorum conciliorum nova ... collectio 12, Sp. 1075).

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einige Jahre später Theodulf von Orleans bekräftigen, als er im Auftrag seines Herrn das "Opus Caroli regis contra synodum" schrieb. Mit diesem Text antwortete Karl der Große auf das zweite Konzil von Nikaia (787) und bereitete zugleich seine kaiserliche Führungsrolle in der westlichen Christenheit vor. Er leitete darin seinen Erfolg als Herrscher von der Treue gegenüber dem Heiligen Petrus ab, zu der er mittlerweile auch die Sachsen bekehrt habe, die hier an herausragender Stelle, im antagonistischen Dialog mit dem oströmischen Kaiser, als anspruchsvoller Nachweis für den Rang seines westlichen Widerparts erscheinen. 84 Eine solch enge Verbindung von Kaisertum und Sachsenmission findet sich, nachweisbar seit der Mitte des 9. Jahrhunderts, auch in Sachsen selbst und erschien dort als Element eines neuen, nunmehr christlichen und heilsgeschichtlich überhöhten gentilen Selbstverständnisses. In dieser Form könnte es durch Gerberga, die Schwester Ottos des Großen und Gemahlin König Ludwigs IV., in den Westen gebracht worden sein, denn auf ihre Bitte hin schrieb Adso von Montier-en-Der seinen Traktat,85 die zweite Spur der in der "Vita Willehadi" erstmals aufgetretenen Theorie von der Translation des Römischen Imperium auf das Frankenreich. Im Westen konnte der Sachsenbezug entfallen, weil Ludwig IV. als Karolinger die natürliche Brücke bildete zwischen Karl, der das Römische Reich empfangen hatte, und den künftigen Frankenkönigen, qui Romanum imperium tenere debent. 86 Für das Ostfränkische Reich scheint es der Überlegung wert, ob die Kaisererhebung Ottos des Großen 962 zwar als Eintritt in die karolingische Tradition verstanden werden muß, aber doch in einem modifizierten Sinne, weil unter den sie hervortreibenden Kräften die Ambition mitgewirkt haben könnte, nunmehr selbst zu übernehmen, was der heilsgeschichtlich sinnvolle Antagonismus zwischen Karl und den Sachsen der westlichen Christenheit eingebracht hatte: Das Römische Reich. Die vieldiskutierten Hinweise Widukinds von Corvey und anderer Autoren 87 auf imperiale Qualität Ottos schon vor 962 88 oder gar schon Heinrichs I. nach der Schlacht bei Riade 89 und das Verschweigen der römischen Kaiserkrönung Ottos spiegeln möglicherweise Argumente einer Debatte um die Bedeutung dieser Krönung etwa in dem Sinne, daß ein sächsischer 84 Opus Caroli regis contra synodum (Libri Carolini), hg. v. A. Freeman / P. Meyvaert (MGH Concilia 2.1), Hannover 1998, 136. [Alte Edition: Libri Carolini 1.6, MGH Concilia 2.1, Hannover 1924, 21, Z. 34.] 85 Adso, Oe ortu (wie Anm. 2). 86 Ebd.,26. 87 Der maßgebliche Überblick ist nach wie vor H. Keller, Das Kaisertum Ottos des Großen im Verständnis seiner Zeit, in: Otto der Große, hg. v. H. Zimmermann (Wege der Forschung 450), Darmstadt 1976, 218-295, bes. 221 ff. 88 Widukind (wie Anm. 37), 128. 89 Ebd.,58.

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König ihrer nicht bedurfte, um Kaiser zu sein. Gab es für ihn eine sächsischtraditionale, historisch aufweisbare und christlich-eschatologische Legitimation für ein "nichtrömisches Kaisertum"? Die Bedeutung der Kaiserwürde für die Stabilisierung des ottonischen Hauses und Reiches legt das Weiterwirken einer im 9. Jahrhundert entwickelten spezifisch sächsischen Kaisertheorie nahe, die dem Adel seit 962 eine imperialpolitische Integration erlaubte und den sächsischen König als römischen Kaiser auch für die nichtsächsischen gentes und regna annehmbar erscheinen ließ. 90 Akzeptiert man den imperial und eschatologisch bestimmten Reichsgedanken 91 als die mittelalterliche Form deutschen Nationsbewußtseins, so könnten dessen theoretische Voraussetzungen im sächsischen 9. Jahrhundert gefunden werden.

90 J. Ehlers, Die Entstehung des deutschen Reiches (Enzyklopädie Deutscher Geschichte 31), 2München 1998, 21 ff. und 80ff. (Literatur). 91 P. Moraw, Heiliges Reich (Hl. Römisches Reich), in: LexMA IV (1989), 20252028.

Restaurer un monastere au Xe siecle. L'exemple de Gorze Par Michel Parisse Les refonnes monastiques du Xe siecle sont encore mal connues. Depuis des decennies, les historiens traitent ce sujet a travers l'exemple de Cluny, se contentant ensuite de mentionner Brogne et Gorze sans entrer dans le detail. 1 Pourtant une source exceptionnelle pennet d'en savoir plus et, par les exemples qu'elle nous apporte, nous introduit dans les demarches qui conduisent progressivement de la restauration d'une communaute a la refonne du monachisme; il s'agit de la Vie de Jean de Gorze, un texte contemporain de la refonne, texte maintes fois cite mais rarement mis en valeur, sans qu'on puisse savoir pour quelles raisons les historiens en ont peu tire aussi peu de profit. Une table ronde s'est reunie en septembre 1988 a Gorze meme pour analyser en profondeur cette Vie et les communications en ont ete publiees. 2 Cependant il ne parait pas inutile de reprendre les observations qu'elles ont proposees en examinant en parallele les deux autres centres refonnateurs mentionnes plus haut, Brogne et Cluny, pour lesquels nous disposons aussi de sources hagiographiques. 3 La Vie de Jean abbe de Gorze,4 mort en 974, a ete ecrite par son contemporain Jean, abbe de Saint-Arnoul de Metz, dans les annees 974-984. Conserve dans un unique manuscrit, legerement degrade et datable de la fin du Xe siecle, le texte est incomplet, la' derniere partie, ou celle qu'on considere comme teIle, etant brusquement interrompue au milieu de la derniere page de cette copie. s En effet, le manuscrit conserve n'est pas 1'autographe, mais une I Pour Cluny, on se reporte a la derniere synthese sur le sujet, celle de J Wol/asch, Cluny, Licht der Welt. Aufstieg und Niedergang der klösterlichen Gemeinschaft, Zürich 1996. Pour Brogne, voir Revue Benedictine 70 (1960). 2 L'abbaye de Gorze au X' siecle, ed. M. Parisse /0. G. Oexle, Nancy 1992. 3 Pour Brogne, on dispose de la Vita Gerardi Broniensis (MGH SS 15/2), Hannover 1887,654-673 et pour Cluny, de la Vita Odonis, dans: PL 133, co!. 45-86. 4 Vita Johannis abbatis Gorziensis, auctore Iohanne abbate S. Arnulfi, ed. G. H. Perlz (MGH SS 4), Hannover 1841,335-377. 5 P. ehr. Jacobsen, Die Vita des Johannes von Gorze und ihr literarisches Umfeld. Studien zur Gorzer und Metzer Hagiographie des 10. Jahrhunderts, dans: L'abbaye de Gorze (comme note 2), 25-50.

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copie de peu posterieure. L'auteur semble avoir laisse d'autres ecrits, notamment on lui attribue, assez unanimement, une partie des textes hagiographiques concemant sainte Glossinde (de Metz). Le texte qui nous interesse ici a ete edite plusieurs fois a partir du XVII e siecle. Une collation recente, prealable a une nouvelle edition avec traduction, a montre que le travail de l'erudit allemand etait tout a fait digne de confiance. 6 De I'ensemble, seuls les trente demiers chapitres, relatant I'ambassade de lean de Gorze a Cordoue, ont fait l'objet d'une traduction, integrale en allemand et partielle en fran~ais.7 Son pittoresque et ce qu'elle nous apprend de la vie et du comportement des musulmans espagnols ont depuis longtemps retenu aussi I'attention; cette relation n'apporte rien de neuf en revanche sur la reforme monastique. L'abbe lean deGorze est aussi appele leaD de Vandieres, du nom du village lorrain Oll il est neo Ce que nous en savons provient de cette Vie, la documentation gorzienne ne fournissant que quelques maigres renseignements complementaires tires du cartulaire. 8 leaD a ete mele a la vie politique de son temps dans la me sure Oll il etait en rapport direct avec l'eveque de Verdun Dadon et avec le comte de Verdun Ricuin, tous deux morts en 923. Charge de la bonne marche de I'exploitation rurale familiale, il est devenu eiere et a re~u la charge de deux eglises. Il s'est de plus en plus adonne a une vie ascetique, a developpe en divers endroits sa formation intellectuelle, arencontre plusieurs amateurs de vie ascetique et monastique et, apres diverses tentatives et avec quelques compagnons, six au total, est entre a l'abbaye de Gorze au printernps de 934, sur la proposition de l'eveque de Metz Adalberon Ier (929-962). La restauration du monastere et de la communaute commence des lors; les disciples affiuent, le groupe envoie des moines prendre en mains d'autres abbayes a reformer. lean, sous l'autorite de l'abbe Einold, devient vite un modele de moine devoue a sa communaute, habile gestionnaire et ascete infatigable. Il espere meme trouver le martyre en se rendant chez les musulmans d'Espagne pour porter au calife une lettre du roi Otton Ier (953956). On ne sait rien de ses annees d'abbatiat; il succede a son ami Einold en 967 ou 968 et meurt en 974, le 7 mars. 9 Le recit de sa vie est aussitöt entrepris 6 Une nouvelle edition est prepan:e par P. Chr. Jacobsen pour les MGH. Une traduction en fran~ais faite a partir de I'edition ancienne des MGH et du manuscrit est prevue pour 1999. 7 W. Gundiaeh, Heldenlieder der deutschen Kaiserzeit, I, Innsbruck 1894, 550-572; J. Leclercq, Jean de Gorze et la vie religieuse au Xe siecle, dans: Saint Chrodegang. Communications presentees au Colloque tenu a Metz a I' occasion du XII" centenaire de sa mort, Metz 1967, 133-152. 8 A. D'Herbomez, Cartulaire de I'abbaye de Gorze, ms 826 de la Bibliotheque de Metz (Mettensia 2), Paris 1898-190 I. 9 M Parisse, L'abbaye de Gorze dans le contexte politique et religieux lorrain a I'epoque de Jean de Vandieres (900-974), dans: L'abbaye de Gorze (cf. note 2), 51-90.

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par l'abbe Jean de Saint-Amoul, qui remaniera son plan initial classique (1. Conversion 2. Vie de moine 3. Abbatiat), integre au portrait de Jean celui d'autres moines de Gorze, relate partiellement la reconstitution du temporel, ajoute son voyage a Cordoue, et, par l'abondance d'anecdotes et de details, offre l'occasion de decrire d'assez pres les phases de cette restauration de Gorze. Voila la source sur laquelle nous allons prendre appui pour reconstituer l'histoire d'une reforme.

I. Les acteurs de la reforme Toute reforme monastique suppose un certain nombre d'animateurs et de responsables. On songe d'abord a celui que l'histoire a retenu comme principal auteur de la reforme, Gerard de Brogne, Bemon de Baume, et ici l'abbe Einold de Gorze et Jean de Vandieres. Y sont associes aussi bien les detenteurs de l'autorite ecclesiastique ou politique que les genereux donateurs. Les animateurs seront presentes en premier, avec tous ceux qui les entouraient ou qu'ils ont rencontres. La Vie de Jean de Gorze propose en effet de nombreux portraits d'ermites, de clercs et de moines impliques dans la reforme, d'origines tres diverses. Pourtant plusieurs points communs les caracterisent, sans qu'ils s'appliquent absolument a chacun d'entre eux: ils sont en general clercs, nobles, riches et instruits.

1. Des clercs Ils sont sept a entrer a Gorze pour s'y faire moines au printernps de 934. Leurs noms nous sont donnes: Einold, archidiacre de Toul et bientöt abM de Gorze, Jean (de Vandieres), Salecho, clerc de Saint-Martin-outre-Moselle, Randinc pretre de Saint-Symphorien (de Metz), le diacre Bemacre, et deux clergeons, Teuthinc, serviteur d'Einold, et Teuther, neveu du pretre Randinc et futur prevöt de Gorze : . Sa famille disposait d'une exploitation agricole que Jean sut faire fructifier et qu'i! offrit a Gorze, si aucub heritier ne la rachetait. Il avait abondance de vignes, sans doute sur le versant bien oriente de la vallee de la Moselle Oll se trouve Vandieres. La 12 M Margue, Aspects politiques de la refonne monastique en Lotharingie. Le cas des abbayes de Saint-Maximin de Treves, de Stavelot-Malmedy et d'Echtemach (934973), Revue Benedictine 98 (1988) 31-61. 13 Vita Odonis, dans: PL 133, co!. 48. 14 Vita Gerardi (MGH SS 15/2), Hannover 1887, 660.

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somme a donner pour le rachat du tout etait fixee a 30 livres d'argent (c. 45). Le diacre Bernier, sous I'autorite duquel Jean reprit ses etudes, ne manquait pas de ressourees. 15 Einold etait de grande famille et disposait de grandes richesses. 16 Humbert qui se fit reclus a Verdun avait des parents paysans, mais non demunis de biens. 17 Le moine Frederic etait le frere du comte du palais Wigeric et l'oncle paternel de I'eveque de Metz (c. 55). Odilon, adjoint de l'eveque de Verdun, etait un homme «illustre par ses parents, ayant des biens en suffisance».18 Angelram battait tous ses compagnons par sa richesse. Il etait nobilitate et opibus praestans.- 19 Son nom incite a le rattacher ci une famille comtale de Lotharingie. Il apporta ci Gorze de grandes quantites d'or et d'argent et du mobilier. Il songea ales reclamer quand il fut un moment sur le point de quitter I'abbaye. Anstee, archidiacre de Toul et parent d'Einold, ne devait pas manquer de moyens, si on enjuge ci la fonction qu'il remplissait. L'archidiacre messin Blidulfe etait lui aussi nobilitate generis et rerum copia non mediocri jultus. 20 Comme on le voit, les deux traits, noblesse et richesse, etaient naturellement lies. L'origine noble des reformateurs ne doit pas nous etonner, non plus que leur richesse. L'importance de leur sacrifice etait en relations avec les moyens qu'ils devaient abandonner. Etre pauvre ne presentait d'interet que si on I'etait devenu, non pas si on l'etait de naissance, et le texte ne se prive pas de mentionner l'effort que representait I'abandon du patrimoine familial ou de toute autre riebesse. Le reformateur de Brogne, Gerard, etait aussi un noble bien nanti, et lui aussi decida de tout donner aux moines. Le fondateur de Cluny, le comte Guillaume de Poitiers, etait riche mais il ne se fit pas moine, mais l'abM Odon etait issu d'une famille franque et avait ete eduque au palais de Guillaume, comme les grands de son epoque. A Gorze tous n'etaient pas dotes de riches moyens; de modestes pretres, des clergeons accompagnant un parent n'avaient sans doute pas d'autres ressources que celles fournies par une prebende. Mais il faut etre attentif aux nouvelles recrues, qui affiuent des le debut de la reforme, et ne pas oublier que I'usage etait frequent d'apporter une «dot» en entrant dans une communaute monastique. Comme on le verra plus loin, l'apport de cette richesse etait necessaire pour que la reforme puisse aboutir, et la richesse appartenait d'abord aux nobles.

15 census ei non multo sumptuosus sed nec omnino abjectus (Vita Johannis [comme note 4], c. 16). 16 cunctarum opum afJluentia ditatatus (Vita Johannis [comme note 4], c. 29). 17 Ex parentibus hic etsi ruralibus non adeo tamen re Jamiliari subtritis (Vita Johannis [comme note 4], c. 51). 18 vir natalibus clarus, Jacultate sujJiciens (Vita Johannis [comme note 4], c. 56). 19 Vita Johannis (comme note 4), c. 57. 20 Vita Johannis (comme note 4), c. 69.

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3. Des hommes instruits Jean a d'abord appris les rudiments de la lecture et de l'ecriture 21 pn!s de son pere, puis fut envoye aMetz, «aux ecoles», enfin au monastere de Saint-Mihiel, «aux etudes» aupres du maitre Hildebold, qui lui apprit la grammaire. Mais il ne fut pas un eleve applique et de toutes far;:ons dut rentrer dans sa familie a la mort de son pere. Apres quelques annees, devenu clerc, il prit pour maitre le diacre de Toul Bernier qui lui rendit le gout des etudes (c. 13) et le guida de nouveau dans la grammaire de Donat. Jean commenr;:a la lecture des Saintes Ecritures. Devenu hebdomadier des religieuses de Saint-Pierre (-aux-Nonnains) de Metz, il eut une revelation de I'ascetisme d'une moniale et devora les livres de la bibliotheque de cette abbaye, la bible, divers ouvrages liturgiques (Comes, sacramentaire), les regles, les textes conciliaires, des homelies, des sermons, des correspondances, des Vies de saints (c. 18). Ce fut un gigantesque bain de lecture, dont l'envie ne tarit plus. Moine de Gorze, il poursuivit cette demarche, trouvait a peine de quoi satisfaire sa fringale de livres et ne fut ralenti que par un ordre de son abM qui l'invita a plus de mesure dans l'etude. 22 Ce qu'on retiendra notamment de cette voracite est qu'il connaissait par coeur des livres entiers, du moins si I'on en croit son biographe. L'exemple de Jean est caracteristique de ce qu'on peut dire d'un homme propose a l'admiration des foules et surtout des religieux, mais le peu qui nous est confie de ceux que Jean frequenta montre que son cas n'etait pas unique. Humbert, dont il a deja ete question, se convertit d'un coup apres avoir evite de peu un grave accident/ 3 s'enferma dans une cellule a Verdun et s'adonna a I'etude, au commentaire des Ecritures et se constitua en peu de temps un «tresor de science».24 Il en vint a egaler les meilleurs et se fit lui-meme maitre aupres de pieuses femmes. L'archidiacre de Toul Anstee, contemporain du maitre de Jean, Bernier, etait particulierement doue pour le sermon, se consacrait avec beaucoup de zele aux Ecritures. Il en fit davantage puisqu'il devint expert en architecture ainsi que dans les mesures et I'equilibre des constructions (c. 67). L'archidiacre Blidulfe de Metz depassait ses collegues par ses connaissances; lui aussi, comme Hildebold de de Saint-Mihiel, avait frequente I'ecole de Remi d' Auxerre (c. 69). On pourrait imaginer que Jean de Saint-Amoul cede a la tentation des lieux communs en reconnaissant a chacun Litterarum elementa (Vita Johannis [comme note 4], c. 10). Anne Wagner a consacre tout un article a la presentation de la culture et de l'instruction de Jean de Gorze: A. Wagner, La vie culturelle a Gorze au Xe siede d'apres la Vita Johannis Gorziensis et le catalogue de la bibliotheque de Gorze, dans: L'abbaye de Gorze (comme note 2), 213-231. 23 Devalant d'un tas de [oin ou il s'etait endormi, il [aillit s'empaler sur des lances posees pointe en l'air contre le tas (Vita Johannis [comme note 4], c. 51). 24 Vita Johannis (comme note 4), c. 52: non modicum scientiae tesaurum. 21

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une seienee au-dela de la moyenne; il n'en est rien, ear ses observations sur la eulture ne eoneement pas systematiquement tous les individus partieipant a la reforme. Ces remarques eoneemant le milieu gorzien pourraient etre augmente es d'observations portant sur la bibliotheque du monastere. Malheureusement le eatalogue disponible est de la seeonde moitie du XI" siecle et meme si beaueoup de livres sont dits aneiens voire tres aneiens, on ne saurait affrrmer que ees livres etaient deja disponibles au depart meme de la reforme. 25 En tout eas, il est hors de doute que les abbayes Saint-Pierre-aux Nonnains, SaintMihiel, Saint-Evre de Toul et Saint-Amoul de Metz, sans doute aussi les ehapitres avaient de quoi satisfaire l'envie d'instruetion de eeux qui le voulaient. La mention, eertes vagues, mais reelle, des «eeoles» de Metz, ouvertes ades jeunes gens eomme Jean de Vandieres, ne peut que nous eonfrrmer dans l'assuranee que l'instruetion etait alors reeherehee et possible. La eomparaison deja esquissee avee Brogne et Cluny est ici renforeee. Le laie Gerard est alle ehereher a Saint-Denis une formation de clere (il y re'Yoit les ordres mineurs, le diaeonat et la pretrise) et une instruetion eorrespondante. Il ne peutjouer pleinement son röle qu'apres avoir ete en eontaet avee les oeuvres ehretiennes et profanes. 26 Pour Odon de Cluny, les ehoses sont eneore plus nettes. Il a ete eonfie tout jeune a un pretre qui lui apprit les rudiments des lettres. Entre au serviee du eomte Guillaume, il entra en eontaet avee les oeeupations de la vie des jeunes nobles. A l'äge de dix-neuf ans, il devient eIere, reprend des etudes, frequente autant Priseien que Virgile, puis se donne tout entier ci la leeture des eommentaires des Eeritures saintes, evangiles, prophetes; il y ajoute la regle de saint Benoit. Enfin le voila a Paris, affronte aux arts liMraux, attentif a l'enseignement de Remi d' Auxerre. 27 Il a done re'Yu une formation litteraire poussee quand il abandonne le siecle pour le cloitre. Et on sait ee que pouvait apporter la vie a Fleury a un Cadroe 28 quand on eonnait la riehesse de sa bibliotheque, eomme au reste eelles de Gorze et de Saint-Evre de Tou!. Ermites, aseetes, fous de Dieu etaient stimulants, mais ils n'avaient pas l'etoffe et la eulture des cleres eonvertis qui furent de bons abMs.

25 A. Wagner, Les manuscrits de la Bibliotheque de Gorze. Remarques apropos du catalogue, in: Religion et culture autour de l'an Mi!. Royaume capetien et Lotharingie, ed. D. Iogna-Prat / J eh. Picard, Paris 1990, 111-118. 26 Vita Gerardi (comme note 14),659. 27 Vita Odonis, dans: PL 133, co!. 52. 28 Cadroe, moine irlandais, vint recevoir sa formation a Fleury, revint ensuite a Waulsort avant d'etre appele a restaurer l'abbaye Saint-Felix de Metz (B. Misonne, Etude litteraire et historique sur la Vita sancti Kaddroe, Louvain 1958, these manuscrite).

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11. Les conditions de la restauration de I'abbaye La restauration d'un monastere demande d'abord des hommes decides et capables, formant une communaute nouvelle attiree par une application stricte de la regle et des coutumes. Mais dans le meme temps rien ne peut se faire sans des moyens materiels et des appuis suffisants, car le monastere ne peut survivre tant que les besoins quotidiens ne sont pas assures. C'est alors seulement que la vie reguliere peut reprendre avec toutes ses richesses et ses exigences. Ce sont ces deux points qu' il faut a present examiner.

1. Les appuis et les moyens Nos eieres, decides a se faire moines, cherchaient en quel endroit se retirer. lean reyut le conseil d'aller en Italie voir comment y vivaient les moines. Il prit la route avec quelques compagnons, se rendit a Rome, poussajusqu'a la baie de Naples ou il rencontra des moines basiliens, revint en passant par le Mont Cassin, berceau du monachisme, et rendit compte a ses amis lorrains. Le moment venu, ils ne trouvaient en Lorraine aucun lieu susceptible de les accueillir. C'est ce que dit du mo ins lean de Saint-Amoul, suivant en ce la un topos assez frequent. lohn Nightingale a montre en revanche que les trois abbayes de Saint-Evre de Toul, de Gorze et de Saint-Maximin de Treves, qui furent trois foyers de reforme, n'etaient pas alors dans la situation miserable qu'on decrit. 29 L'Italie semblait donc aux candidats l'endroit reve pour vivre leur projet. C'est alors que des amis messins, ayant eu vent de leur decision, s'entremirent pour obtenir de l'eveque Adalberon la concession de Gorze. A la veille de monter sur le trone episcopal, ce demier avait participe a un pelerinage aupres des reliques de saint Gorgon et avait, dit-on, decouvert une communaute en plein desarroi et une abbaye souillee par les animaux; il s'etait jure de la relever. L'occasion lui etait donnee de realiser son voeu; illui fallait neanmoins retirer au comte Adalbert l'abbaye qu'il detenait en benefice de l'eveche et dont iI etait sans doute I'abbe larc, bien que les textes ne le disent pas expressement. Ce fut fait sans difficulte contre toute attente, car on craignait fort ce comte; Gorze fut proposee au petit groupe, et acceptee. L'exemple d' Adalberon aidant au redemarrage de Gorze n'est pas isole; on doit meme dire qu'il est c1assique, tant il etait indispensable que les autorites ecclesiastiques et larques intervinssent dans la mise en route des reformes, dans la mesure OU ceIles-ci supposaient toujours une restitution aux moines de biens 29 J. Nightingale, Beyond the narrative sources: Gorze's charters, 934-1000 A.D., dans: L'abbaye de Gorze (comme note 2),91-104.

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donnes aux lai'ques en benetice ou en precaire. Guillaume le Pieux donna Cluny avec des terres a l'abbe de Gigny pour retablir la communaute. Gerard abandonna tous ses biens pour fonder Brogne. Le duc Giselbert de Lotharingie dut s'impliquer fortement dans la reforme; il rendit des eglises a Remiremont, vers 935/° fut incite par une vision de saint Ghislain a lacher des biens a son abbaye et ne resta pas absent de la reprise du monachisme a Gand. 31 A cöte d' Adalberon de Metz, Gauzlin de Toul et Richer de Liege 32 jouerent un röle analogue d'incitation a la reforme. L'action des eveques etait indispensable car leur puissance materielle etait considerable et ils pouvaient a leur guise favoriser ou contrarier les actions des moines comme celles des autres clercs. C'est pourquoi il se revelait au bout du compte que toute reforme supposait une action forte, groupee et coherente, des acteurs de la reforme et de tous ceux qui disposaient des moyens de les faire vivre. Une fois l'appui donne, il fallait au monastere reconstituer et gerer son temporel. A cet egard le choix de l'adjoint de l'abbe, charge de l'intendance et des finances, etait decisif. Cette täche incombait au prevöt, qui, comme son nom l'indique, etait prepose aux affaires temporelles. La distinction avec l'abbe est nettement affmnee dans la vie de Jean de Gorze: «dom Jean, qui etait competent et connaissait ces choses-la, fut choisi pour gerer les affaires exterieures».33 En realite il semble, d'apres un chapitre de la Vita, que Jean fut d'abord place sous la coupe du moine Frederic, lequel avait eu la charge d'assister l'eveque dans la gestion des affaires de l'eveche. Mais il est vrai que Jean apparait rapidement au premier plan dans la gestion du patrimoine monastique. Une de ses taches fut sans doute d'obtenir des que possible une confirmation des biens par l'eveque. La charte de confirmation que nous a conservee le cartulaire du XII· siecle est datee du mois de decembre 933, mais elle est en realite posterieure. 34 De differentes allusions faites aussi bien dans la «Vita Johannis» que dans les «Miracula sancti Gorgonii»,35 il ressort que l'eveque se montra peu empresse d'aider a la reconstitution de la mense de Gorze, au point que, places dans la penurie, les moines purent envisager de migrer en masse vers Saint-Maximin de Treves, Oll le prevöt Ogon leur offrait l'hospitalite. La menace du depart des moines reformes conduisit l'eveque a bäter certaines restitutions, qui se firent au detriment de son jeune frere. Trois possessions importantes au moins firent l'objet d'une demarche particuliere de 30 E. Hlawitschka, Herzog Giselbert von Lothringen und das Kloster Remiremont, Zeitschrift rur die Geschichte des Oberrheins 108 (1960), 422-465. 31 M Margue, Aspects politiques (comme note 12), passim. 32 Gauzlin fut eveque de Toul de 922 cl 962; Richer, ancien abM de Prum, fut eveque de Liege de 922 cl 945. 33 Vita Johannis (comme note 4), c. 44. 34 Voir sur ce point M Parisse, L'abbaye de Gorze (comme note 2), 64-65. 3S Miracula sancti Gorgonii, ed. G. Waitz (MGH SS 4), Hannover 1841, 238-247.

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leaD pour recouvrer des biens de Gorze contre l'intention de l'eveque ou du detenteur. Ce fut le cas pour le gros ensemble, prieure et terres, de Varangeville, situe dans une region de salines au bord de la Meurthe; le domaine avait fait partie du douaire de l'imperatrice Richilde jusqu'en 910, puis etait passe entre les mains du comte Boson, frere du roi de France Raoul, enfm du jeune frere de l'eveque, le comte Gauzelin. L'eveque en reprit le contröle puis le donna aux moines vers 936. Le comte lui-meme, Boson, avait obtenu aussi, sans doute par la meme voie de l'heritage, le domaine de Vanault en Champagne, Oll Gorze fonda un prieure au XI" siecle. lean en obtint la restitution au cours de l'annee 935, mais le comte voulut en demeurer l'avoue. 36 Le comte Folmar restitua Moivrons par un acte non date qui pourrait etre des memes annees 935-936. 37 On constate en tout cas que l'acte de confrrmation, date dans le cartulaire de 933 et donne selon nous par l'eveque en 936 ne comportait pas encore tous les biens qui figurent dans le diplöme d'Otton I"r delivre en 945 (seion son editeur).38 L'eveque Adalberon avait herite un diocese et un eveche oberes par la politique de ses predecesseurs, notamment par Wigeric (917-927), ancien abM de Gorze, qui avait distribue larga manu des biens de l'abbaye a ses soldats. Quand il prit le pouvoir en 929, il n'avait aucune raison de changer de politique, et il lui fallait en plus doter ses freres. Il avait toujours le moyen de reprendre le contröle de certains biens a la mort des titulaires, mais le droit a heriter existait deja en pratique. 39 Quand il fut interpelle par les moines qui avaient de pressants besoins de revenus supplementaires, il dut renoncer a sa politique et rendre des Mnefices; ce n'etait pas facile, et cela explique que les moines aient eu besoin de l'aide «miraculeuse» de leur saint patron Gorgon. Une teIle situation se retrouve partout identique a la meme epoque. A l'occasion Gorze retrouvait des biens cedes en precaire. Cette demiere pratique s'etait largement developpee aux VIII" et IX" siecles; elle se maintint au siecle suivant. Si on en croit le seul cartulaire, la reforme ne provoqua pas d'augmentation du temporel; on l'a VU, c'est tout juste si les possessions anciennes furent toutes recuperees. Pourtant il est fait plusieurs fois etat de donations importantes de la main de moines convertis. L'exemple le plus patent est offert par le princier de Metz Angelram, qui apporta, comme on l'a dit plus haut, de l'or, de l'argent, des biens mobiliers, et meme des terres, si c'est bien

Vita Johannis (comme note 4), c. 109. Cartulaire (comme note 8), n° 96. 38 Cartulaire (comme note 8) n° 92 et n° 99. 39 En 863, Advence, eveque de Metz, retablit la vie reguliere dans I'abbaye de Gorze, annonce la reintegration de tous les biens, ajoutant que les biens d'un vassal ou d'un autre beneficiaire defunts reviendront automatiquement a I'abbaye (Cartulaire [comme note 8], 108-109, n° 60). 36 37

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lui qui est cite dans un acte posterieur. 40 Ce cas n'est certainement pas isole. Grace aces revenus d'origines diverses, possessions retrouvees, dots des entrants, nouvelles precaires, la communaute put vivre convenablement. Cela etait indispensable, sans quoi la vie reguliere aurait ete serieusement perturMe. Qu'on enjuge a une phrase d'un acte de l'eveque Advence de Metz retablissant un abbe regulier a Gorze; il ecrivait ceci, qui se rencontre ailleurs: le roi Lothaire donna l'abbaye au comte Bivin, puis «peu a peu, les ressources en nourriture et en vetements faisant defaut, l'observation reguliere diminuait, la piete des moines s'affaiblissait, les eglises n'avaient plus d'ornements, les autels etaient degradees par les pluies et leur manque de protection.»41 Ce tableau se repete tristement d'une maison a l'autre et d'une periode a une autre. La reforme monastique etait bien d'abord une restauration, comme on le dit au reste dans les textes du XC sieele. Enfin on ne doit pas oublier qu'en plein Xc sieele les abbayes continuaient d'etre l'objet de convoitises de la part des grands qui voulaient en detenir l'abbatiat ou des possessions. Dans le cas de Gorze, les heritiers lointains de l'abbe laie de Gorze Bivin (855-863), a savoir la reine Richilde et le comte Boson, n'entendaient pas lacher les biens de Gorze en faveur du elan adverse represente par la maison d' Ardenne a laquelle apartenaient l'eveque AdalMron ler de Metz et son onele Frederic, moine puis abbe de Saint-Hubert.

2. Le retablissement de la vie reguliere En 863, Advence relance la vie reguliere de l'abbaye de Gorze en mettant en place un nouvel abbe Betton: un nutrito gruppo di ererniti: alcuni, seguaei di Angelo Clareno;4 altri, di un rnovirnento ehe va sotto il norne di Apostoletti. 5 Quest'ultirni faeevano eapo alla loeale eonfratemita ospitaliera e disciplinata di San Tommaso ehe, per sottrarsi alla giurisdizione dell'Ordinario dioeesano, fu eretta su suolo Vatieano. 6 I eonfratelli si dieevano Saeeoni e, a servizio dell'ospitale,

Pietro, poi S. Franeeseo, nel rione di Capoeastello; S. Gregorio, nel rione di Brugiano, S. Miehele, nel rione di Capoeastello; nel eontado, este so per 40 miglia, operavano poi, oltre la pieve, altre 6 parroeehie. Alcune di queste parrocchie dovettero avere un insignificante numero di fedeli, tale S. Pietro che, agli inizi dei Cinquecento, aveva 50 famiglie, cf. G Parisciani, I frati minori conventuali delle Marche (secc. XIII-XX), Ancona 1982, 323. 3 G Pagnani, I viaggi di san Francesco d'Assisi nelle Marche, Milano 1962,14-15. 4 Sui c\areni, ehe in quest'area avevano una delle loro roccaforti, e piiJ volte tomato Giacinto Pagnani. Di particolare interesse il documento di assoluzione, dell' Archivio storico di San Ginesio, rilasciato nel 1338 dall'inquisitore Giovanni di Borgo S. Sepo\cro al Comune di San Ginesio e ad a\cuni privati, rei di aver dato ospitalita ai fraticelli 0 frati della "Povera vita" di papa Celestino, G Pagnani, San Liberato e il suo eonvento, Fa\conara M. 1962, pp. 139-141; Idem, Comunita laiche franceseane nell' Appennino umbro-marchigiano, Colleetanea franciscana 43 (1973) 247-262. 5 Sugli apostoletti marchigiani, C. Benedettucci, La chiesa di S. Giovanni in Pertica di Recanati e il sepo\cro deI beato che vi si venera, Recanati 1935; R. Sassi, Per la storia di un ordine religioso scomparso, gli apostoletti a Fabriano, Studia Picena 1 (1938) 139154; mi permetto anche di rimandare al mio, Storie di bizzoche tra Umbria e Marche (Storia e Letteratura, Raccolta di Studi e Testi, 192), Roma 1995, 314-315 . 6 Su questa fratemita, d'obbligo e il rimando alla relazione ms. di T. Benigni, Stato della chiesa e eonfratemita de' santi Tornmaso e Barnaba della terra di Sanginesio irnmediatamente soggetta alla sacrosanta basiliea di S. Pietro in Vaticano, formato dall'abate Telesforo Benigni visitatore nel MDCCLXXIII. Di questa relazione si possiedono due copie, una alla Biblioteca Apostoliea Vatieana, fondo Capitolo Vatieano; l'altra (citata) alla Biblioteea domestica di Febo Allevi (Macerata). A fol. 4 si apprende ehe "si adunavano i confratri in un oratorio dedieato a san Girolamo che fu provisionalmente fabrieato nelle case deI detto Piantarosa". Ma null'altro ci e dato sapere sugli inizi di questa fratemita laicale di cui si desidera l'antica matricola, gia dispersa al tempo di Benigni che cosi scrive: "E' da credere che assai eospicuo fosse il numero de' confratri (... ) ma non essendosi conservato a\cun catalogo di essi niente di certo possiamo affermare. Vero pera si e ehe Marino di ser Marco di ser Marino forma de' medesimi una nota nel 1448 in cui veggonsi descritti i nomi di centonovantadue confratri. Nel 1456 per comandamento della congregazione ne furono aggiunti da Matteo Petrelli de Rossi altri cinquanta ehe uniti a sopradetti formano il numero di dugento quarantadue (... ) L'istituto di essa era di far la disciplina piiJ volte l'anno in una camera per tal motivo ehiamata della disciplina, il che diede a confratri il norne di penitenti 0 disciplinati ( ... ) vestivano di saceo bigio e col cappuccio in testa si andavano battendo le spalle ne' giomi di penitenza e singolarmente nella visita de' santi sepo\cri. Dispensavano annualmente in elemosine a poveri la meta de' frutti che accoglievansi da' fondi della confratemita ed essendosi con bolla speciale della S. M. di Giulio III eretto nel 1553 il monte frumentario della grazia, composto di settecento some di grano, vi

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chiamarono una pieeola eomunita di donne, dette Evangeliehe, approvate dall'ordinario dioeesano, senza perö ehe assumessero una delle regole approvate. 7 Sempre in San Ginesio, agli inizi deli 'eta moderna, si costitui, attomo alla famiglia Gentili, un eenaeolo divenuto in breve un importante punto di riferimento dei protestantesimo in Italia. 8

I. I francescani a San Ginesio Nonostante ehe San Ginesio fosse in dioeesi di Camerino, il loeale eonvento dei frati minori, sin dagli inizi, feee parte non della eustodia omonima, ma di quella di Fermo, eiua di piu agevole aeeesso. 9 I1 Severini, scrivendo dei B. Tommaso dal Vallato, un frate minore di San Ginesino, diee ehe fu sepolto, nel 1263, in ecclesia S. Petri, quae circa haec tempora fratribus minoribus concessa fuerat a monachis castri Insulae. 10 La ehiesa di San Pietro, posta in quarterio caput Castelli e appartenuta ai monaei eamaldolesi de Insula, ehe avevano eura d'anime, dai franeeseani fu reintitolata a San Francesco. Prima di venire dentro le mura di San Ginesio, i frati minori si erano insediati, eome suggeriseono i documenti editi dall' Allevi, nella Grotta di Sant'Egidio, detta in seguito di San Girolamo, 0 di Santa Maria Maddalena, 0 semplieemente "Grotta dei frati", posta apud Fingum, lungo i declivi dei monte di Fiegni. 1I In questo luogo eremitieo, nel 1256 il Comune di San Ginesio inviö contribuirono per una rata e vi depositarono ogni anno la terza parte de\ granD che rientravano" (fol. 15ss). Iregistri, cui fa riferimento il visitatore Benigni, sono andati perduti; perduti anche gli antichi statuti, mentre ci e pervenuta una bozza di statuto di fine secolo xv. Sull'attivita ospitaliera di questa fraternita mi permetto di rimandare al mio, Assistenza ospitaliera a San Ginesio, Studi Maceratesi 26 (1992),325-367. 7 Su queste donne ospitaliere, Sensi, Storie di bizzoche tra Umbria e Marche (vedi nota 5), 309-328. 8 La famiglia Gentili era composta dal medico Matteo, arrestato in Ascoli nel novembre 1567 e dal fratello Pancrazio, che nel 1579 riuscl a riparare in terra straniera portandosi con se i figli Scipione e Alberico. In precedenza, il 9 gennaio 1568, a seguito della scoperta di "molte balle di Iibri mandate da Germania per spargerle in Corno, Cremona, Vicenza, Faenza, San Ginesio e in Calabria", v'era stato un processo in S. Maria della Minerva aRoma in forza dei quale furono arrestati, per aver aderito al movimento evangelico d'oltralpe, nove Ginesini, mentre il Comune di San Ginesio fu punito con la sanzione canonica dell'interdetto, G Fabiani, Alberico Gentili e I'eresia in Ascoli, Rivista di storia della Chiesa in Italia 8 (1954) 397-412; FAllevi, Una processione ginesina per il giubileo dei 1600, Studi Maceratesi 11 (1977) 71-132. 9 L. Pellegrini, Insediamenti francescani nell 'Italia de\ Duecento, Roma 1984, 302. 10 11 testo dei Severini e riferito da T. Benigni, Descrizione della terra di San Ginesio (vedi nota 2), 118. Brevi cenni su questo convento, dove i frati minori rimasero fino al 1836, quando subentrarono i frati dei terz'Ordine regolare di san Francesco, in G Andreozzi, San Ginesio e i francescani de\ terz'Ordine regolare, San Ginesio 1956; G Parisciani, I frati minori conventuali della Marche (vedi nota 2),323. 11 FAllevi, Francescani e penitenti a San Ginesio nei secoli XIII e XIV, in: Prime

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un armigero in adiutorio fratrum minorum; mentre, nel 1265, furono gli stessi abitanti di Fiegni ad assumersi la difesa dei frati ehe aneora dimoravano in loco Sancti Egidii de eremita, i quali erano stati minaeeiati, tra gli altri, ab hominibus monasterii de Ynsula. 12 E' questo il monastero dell'Isola ehe possedeva in San Ginesio la ehiesa di San Pietro eon eura d'anime, dove, eome si e detto sopra, i frati minori si erano insediati gia da due anni, senza per prendere in gestione la parroeehia, trasferita ad altra ehiesa. I3 Mentre dal doeumento emanato nel 1266 dalla eaneelleria della eustodia dei frati minori di Fermo, in oeeasione dei loro inizio della cura monialium a San Ginesio, si viene a sapere ehe, all'epoea, la eomunita minoritiea ginesina era eostituita da almeno quattro religiosi: fra Giaeomo da Loro, guardiano, fr. Pietro da Foligno, fr. Giaeomo da Morieo e fr. Rufino da Camerino. 14 Le due pergamene, all'arehivio storico dei eonvento di San Franeeseo in San Ginesio, rieordate in apertura - la lettera "Pertulerunt ad" di Clemente IV, dei 1266 e eopia della lettera "Inter personas" di Urbano IV, esemplata nello stesso 1266 - sono doeumenti ehe appartengono alla eomunita minoritiea di San Ginesio quando non si era insediata dentro le mura, ma si trovava aneora nel primitivo eonvento eremitieo. La "Pertulerunt ad" - e una lettera "eseeutoria", emanata dalla eaneelleria pontifieia e seonoseiuta al "Bullarium franeiseanum"

manifestazioni di vita eomunitaria masehile e femminile nel movimento franeeseano della penitenza (1215-1447), Atti deI Convegno di studi franceseani, Assisi 30 giugno 2 luglio 1981, Roma 1982, 543-602, part. 570ss. Tra gli eremiti che, dopo l'abbandono da parte della comunita dei frati minori, vi presero dimora, va rieordato quel B. Ugolino (Magalotti) da Fiegni ('? 1373), dalla storiografia inserito nel catalogo dei terziari franeeseani, P A. Talamonti, Cronistoria dei frati minori della Provineia lauretana della Marche, vol. 11, Sassoferrato 1939, 314-315; G Boccanera, Un anacoreta dei Sibillini, iI B. Ugolino da Fiegni, Tolentino 1956. Per iI periode in eui questa grotta fu abitata dai c1areni: G Pagnani, San Liberato (vedi nota 4), 43-44. 12 FAllevi, Francescani e penitenti a San Ginesio (vedi nota 11), 570. La storiografia locale ripete che il monastero dell'Isola apparteneva alla congregazione camaldolese, P Ricomanni, Della Cupramontana ginesina (vedi nota 2), 41; 0. Turchi, Camerinum Sacrum. De Ecc1esiae Camerinensis pontificibus Iibri VI, Roma 1762, 120126. 13 Come i frati minori di Siena, ai quali Gregorio IX fece assegnare dall' ordinario diocesano la ehiesa parroechiale di S. Pietro, ma non la parrocchialita (cf. BF, I, 206, nr. 211), cosi anche i frati minori di San Ginesio, nel prendere possesso della ehiesa di San Pietro non ebbero inizialmente anche la cura d'anime ehe vi era annessa; da qui il geste simbolico di rimuovere l'altare, eonsaerato con reliquie di s. Pietro, trasportandolo altrove, cf. appresso nr. 31. La lunga vertenza tra monaci e francescani e narrata da G Salvi, Memorie storiehe (vedi nota 1), 348-353, il quale utilizza documenti deli' Arehivio di San Francesco e documenti editi dal Turchi. Si tratta di un easo analogo a quello di Fermo sia per il patronate laico, sia per I'institutio dei rettore da parte di un abate, cf. BF I, 281, nr. 314. Per altri esempi, L. Pellegrini, Cura parrocehiale e organizzazione territoriale degli ordini mendicanti tra il secolo XIII eil seeolo XVI, in: Pievi e parrocchie in Italia nel basso medioevo (secoli XIII-XV), VI eonvegno di Storia della Chiesa, Firenze 21 - 25 settembre 1981, Roma 1984, 279-305. 14 Appendice, doc. 2.

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non per i eontenuti, bensi per i destinatari dei provvedimento; I'altra pergamena e un "intervento doeumentario", emanato dalla "eaneelleria" della eustodia di Fermo, dove viene traseritta la bolla "Inter personas" di Urbano IV. Ambedue sono doeumenti originali e in pergamena; ma la lettera papale e priva della bolla ehe, tramite fili di eanapa, pendeva dalla plica; mentre la lettera dei eustode di Fermo eonserva solo un moneone dei sigillo in cera rossa, dove seritta e immagini sono frammentarie. L'interesse per queste due pergamene va oltre il dato loeale: tessera, aneorehe piecola, fa eonoseere i risvolti, in sede periferiea, della nota polemica parigina; aggiunge al "Bullarium franeiseanum" un tassello maneante; offre infine nuovi dati sul "recIutamento" dei monasteri alla causa cIariana.

Va pero detto ehe la bolla "Pertulerunt ad" - lette ra ehe e il risultato di una denuneia cireostanziata da parte dei frati minori di San Ginesio da Clemente IV inviata il primo marzo 1266 al minorita Bonagiunta, vescovo di Jesi,15 perehe proeeda eontro il veseovo di Camerino - aneorehe inedita, e di eontenuto uguale ad altre due lettere eseeutorie spedite, nello stesso anno 1266, rispettivamente il 24 febbraio, allo stesso Bonagiunta di Jesi, perehe proeeda eontro il veseovo di Senigallia, denuneiato alla Curia romana dai frati minori dei eonvento di Roeeaeontrada (Areevia I6) e, il 7 marzo, a Giovanni Bono, veseovo di Aneona, perehe proeeda eontro il veseovo di Fermo, a sua volta denuneiato dai frati minori dei eonvento di Monte Santo (Potenza Pieena).17 Dall'arenga di dette lettere si apprende ehe, negli Statuti di tre dioeesi marehigiane - Camerino, Fermo e Senigallia - erano state inserite norme eontrarie ai privilegi goduti dai frati minori: disposizioni sinodali ehe vietavano ai parroci di amministrare gli ultimi saeramenti a quei parroeehiani ehe avessero seelto di farsi seppellire nella ehiesa dei frati minori; privavano inoltre detti fedeli dei suono delle eampane e proibivano ai ehierici seeolari di aeeompagnare il feretro alla ehiesa dei frati minori, e eio a differenza di quest'ultimi ehe sempre partecipavano ai funerali ehe si tenevano in ehiese diverse dalla loro. Si tratto di ritorsioni a motivo della porzione eanonica sui funerali dovuta al parroeo - di norma, la quarta parte - porzione recIamata dal cIero seeolare aneorehe il defunto avesse seelto una sepoltura diversa dalla propria parroeehia, ma negata ai frati minori ehe, in forza dei privilegi ottenuti, la ritenevano un loro diritto: era questo uno dei motiv i di attrito tra cIero dioeesano e frati minori, un aspetto non seeondario di una eontesa di ben piu vaste proporzioni ehe, subito dopo la meta dei seeolo XIII, eon grave seandalo

15 Bonagiunta fu vescovo di Jesi dal 1263 al 1267, C. Eubel, Hierarchia catholica medii aevi, vol. I, Monasterii 1913,75. 16 BF, I1I, 73, nr. 67; vedi inoltre C. Eubel, Bullarii franciscani Epitome, Quaracchi 1908,125, nr. 1254. 17 BF, I1I, 74, nr. 70. Giovanni Bono fu vescovo di Ancona dal 1244 al 1284, C. Eubel, Hierarchia I (vedi nota 15), 87.

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dei fedeli, aveva toceato l'intera Europa. 18 Da una parte il clero seeolare dioeesano ehe si appellava alle disposizioni, sancite dai eoneili, in materia di cura animarum; dall'altra i mendieanti i quali, eon il favore e la volonta dei papi, andavano organizzando "il diritto nuovo" dei religiosi, eon una struttura organizzativa della cura animarum ehe, dai responsabili della pastorale dioeesana, fu vista eome un tentativo di rottura degli stretti rapporti tra ifideles e il proprius sacerdos deeretati, nel 1215, dal Lateranense IV, eon la Costituzione 21. 19 I motiv i di attrito tra mendieanti e clero seeolare, assenti agli inizi, quando i mendicanti avevano aneora poche ehiese e soprattutto poehi saeerdoti, andarono aumentando eon gli anni, speeie quando i frati eomineiarono ad aprire al pubblieo ehiese sempre piil grandi ehe, di giomo in giomo, divenivano sempre piil affollate. 11 elero seeolare prese allora a rivendieare i propri diritti parroeehiali; il ehe spinse i mendieanti a ehiedere l'esenzione da controlli e dipendenze nei eonfronti deI clero loeale. I primi eonflitti eomineiarono al tempo di papa Gregorio IX (1227-1241). Rivolgendosi ai prelati tedesehi, ehe lamentavano interferenze dei frati predieatori e minori nel ministero pastorale, il pontefiee prese le difese di questi ultimi eon due lettere: la "Nimis iniqua", deI 21 agosto 1231 e la "Nimis prava", deI giomo sueeessivo. 20 In seguito il eontrasto si estese anehe in Italia, per eui Innoeenzo IV, il 21 luglio 1245, eon lettera "Nimis iniqua", tom a difendere i due ordini mendieanti ehe svolgevano funzioni pastoriili. 21 Nei doeumenti, sopra citati, si biasimava, tra l'altro, la riehiesta di quei parroci ehe, contra regulam a Sede apostolica approbatam, intendevano presiedere le esequie ehe spettavano ai frati e ehiedevano la sepoltura nella ehiesa parroeehiale. 18 Altrove, ad esempio a Laneiano, si giunse a eomminare la scomuniea - da parte dei veseovo di Chieti edel eomune di Lanciano - contro ehiunque frequentasse la loeale ehiesa dei frati minori che aveva parroechialita annessa, BF, 11, 220-221, nr. 332. Per altri esempi vedi, L. Pellegrini, Cura parroeehiale (vedi nota 13), 286ss; il medesimo e piu volte tornato sulla problematica: Mendieanti e parroei: eoesistenza e conflitti di due strutture organizzative della 'eura animarum', in: Franeeseanesimo e vita religiosa dei laici nel '200, Atti dell'VIII Convegno della Societa internazionale di Studi Franeescani, Assisi 16 - 18 ottobre 1980, Assisi 1981, 131-167; Idem, Veseovi e ordini mendieanti, in: Veseovi e diocesi in Italia dal XIV alla meta dei XVI seeolo, Atti dei VII Convegno di Storia della Chiesa in Italia, Brescia 21 - 15 settembre 1987, ed. G De Sandre Gasparini / A. Rigon / F. Trolese / G M. Varanini, Roma 1990, 183-258. 19 Sulla eostituzione 21, M. Maccarrone, Cura animarum e parochialis sacerdos nelle eostituzioni dei IV eoneilio lateranense (1215). Applieazioni in Italia nel sec. XIII, in: Pievi e parroechie (vedi nota 13), 81-195: 160ss. Sugli strascichi della eontroversia, H. Lippens, Le droit nouveau des mendiants en eonflit avee le droit eoutumier du clerge seeulier, du eoneile de Vienne a eelui de Trente, AFH 45 (1954) 241-292; G Fransen, Papes, eoneiles, eveques du XII" au XV· siecle, in: Problemi di storia della Chiesa. Il Medioevo dei secoli XII-XV, Milano 1976, 3-20, part. 11 s; L. Pellegrini, Mendieanti e parroci (vedi nota 18),159. 20 BF, I, 74-75, nnr. 63-64. 21 BF, I, 368, nr. 85. Sui destinatari, ibidem, nota e.

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Di li a qualche anno nella politiea papale ci fu un temporaneo eambiamento ehe pero va letto nel eontesto deI dibattito, iniziato nel 1252 allo Studium di Parigi, tra maestri seeolari e maestri degli ordini mendicanti. La polemiea, ehe dal 1252 si protrasse fino al 1271, ebbe due periodi: nel prima (1252-1255), il eonflitto riguardo solo la posizione dei professori dello Studium di Parigi ehe appartenevano agli ordini mendieanti; nel seeondo (1255-1271), la polemiea si trasformo in lotta di principi e di dottrine e eoinvolse anehe il elero seeolare. 22 Fanno da sutura, tra prima e seeondo periodo, due interventi di Innoeenzo IV il quale, il 4 luglio 1254, eonfermo gli statuti elaborati dall'Universita di Parigi a danno dei professori appartenenti agli ordini mendieanti e, il 21 novembre sueeessivo, eon bolla "Etsi animarum", oltre arestringere il eampo d'azione dei mendieanti in fatto di predieazione e di confessione, impose loro la eessione ai parroci della portio canonica disposta da eoloro ehe seeglievano di essere seppelliti nelle ehiese dei frati. 23 Veniva eosi riaffermato quanta la eostituzione 21 dei Coneilio Lateranense IV disponeva in materia di cura animarum: responsabile loeale della cura animarum e il proprius sacerdos eui eompete il diritto-dovere dell'esercizio delle funzioni pastorali, ma anehe il godimento dei benefici eeonomiei ehe ne derivavano?4 Grazie alla salvaguardia 22 Della vasta letteratura segnalo, per la ricostruzione dei fatti, Gratien De Paris, Histoire de la fondation et de l'evolution de l'ordre des freres mineurs au XIII" siecle, (ristampa dell'edizione dei 1928, con bibliografia aggiornata di M D'Alatri/ S. Gieben), Roma 1982, 205-221. Si vedano inoltre i saggi di A. Teetaert, Quatre questions inedites de Gerard d' Abbeville pour la defense de la superiorite du clerge seculier, in: Archivio italiano per la storia della pieta, vol. I, Roma 1951, 83-178; Y.-M Congar, Aspects ecclesiologiques de la querelle entre mendiants et seculiers dans la seconde moitie du XIII" siecle et le debut du XIV", Archives d'histoire doctrinale et litteraire du moyen äge 28 (1961) 35-151; L. Bongianino, Le questioni quodlibetali di Gerardo di Abbeville contro i mendicanti, Collectanea franciscana 32 (1962) 5-55; M M Du/eil, Guillaume de Saint-Amour et la polemique universitaire parisienne 1250-1259, Paris 1972; R. Parrini, I Maestri di Parigi contro i Mendicanti, in: Eretici e ribelli dei XIII e XIV sec., Pistoia 1974, 121-133; Die Auseinandersetzungen an der Pariser Universität im XIII. Jahrhundert, ed. A. Zimmermann (Miscellanea mediaevalia 10), Berlin - New York 1976; R. Lambertini, Apologia e crescita dell'identita francescana (1255-1279) (Nuovi studi storici 4), Roma 1990. 23 C. Eubel, Bullarii franciscani Epitome (vedi nota 16), 259-261; Gratien De Paris, Histoire de la fondation et de l'evolution (vedi nota 22),213. 24 Due gli aspetti della cura animarum affrontati dal Lateranense IV: I'amministrazione dei sacramenti e la predicazione. La costituzione 21, nel disporre l'obbligo della confessione al proprio parroco, almeno una volta l'anno e l'obbligo della comunione a pasqua, sotto pena di essere messo fuori della Chiesa, da preziosi consigli ai confessori che paragona a un abile medico il quale sparge sulle ferite vino e olio, onde guarire il malato. Sulla Costituzione 21, J Avril, Apropos du proprius sacerdos. Quelques reflexions sur les pouvoirs du pretre de paroisse, in: Proceedings of the Fifth International Congress of Medieval Canon Law, Salamanca 21-25 September 1976 (Monumenta Iuris Canonici, Series C: Subsidia 6), Citta dei Vaticano 1980,472-486. La costituzione 10 tocca invece il problema pastorale della predicazione clericale da contrapporre alla predicazione libera e itinerante degli eretici. Sulla problematica vedi, Z. Zafarana, Da Gregorio VII a Bernardino da Siena. Saggi di storia medievale, Firenze

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di detti iura parochialia, la polemica tra clero secolare e ordini mendicanti per un poco tacque. La tregua fu breve perche Alessandro IV, successore di Innocenzo IV, con lettera "Nec insolitum", il 22 dicembre 1254 sospese I'esecuzione della "Etsi animarum" deI suo predecessore, dichiarandola di nessun valore; quindi I'anno successivo ordino all'Universita di Parigi di reintegrare i professori gia espulsi perche appartenenti agli ordini mendicanti. 2S La "Nec insolitum" ripristinava la precedente prassi, senza tuttavia risolvere la controversia in materia di soggetti di diritto, di liberta e di privilegi dei mendicanti; prometteva solo di sottoporre la materia a uno studio approfondito, auspicando una soluzione capace di riportare la pace?6 A questo punto la lotta tra clero secolare e ordini mendicanti entro nel secondo periodo che durera fino al 1271. Nella prima fase di questo periodo la lotta fu guidata da Guglielmo di Saint-Amour che cerco di dimostrare I'illegittimita deI ministero apostolico esercitato dai mendicanti, dello stesso eserClZlO della mendicita e dell'insegnamento impartito dai frati alla Universita di Parigi. Fu appunto la pubblicazione, intomo al 1265, delle "Collectiones catholicae et canonicae scripturae" a rimettere in questione i diritti e i privilegi dei mendicanti concessi a danno deI clero secolare. 27 Mentre s. Bonaventura, generale dell'Ordine dei Minori, nell"'Apologia pauperum", in risposta ai diritti reclamati dal clero, giunse apresentare la predicazione dei mendicanti come correttivo necessario di quella dei pievani e persino una supplenza dovuta, nel caso di un pievano insufficiente 0 nullo. 28 E' questo il contesto in cui vanno lette le tre lettere "esecutorie" "Pertulerunt ad" che Clemente IV spedi tra il febbraio e il marzo deI 1266 ai due vescovi delle Marche - di Jesi e di Ancona - a seguito di circostanziate denuncie fatte presso la Curia romana dai frati minori di tre conventi della provincia delle Marche - Roccacontrada (Arcevia), Monte Santo (Potenza Picena) e San - Perugia 1987, 201; M. Maccarrone, Cura animarum, e parochialis sacerdos (vedi nota 19), 96; R. Manselli, I vescovi italiani, gli ordini religiosi e i movimenti popolari religiosi nel secolo XIII, in: Vescovi e diocesi in Italia nel Medioevo (secc. IX-XIIII), Atti deI 11 Convegno di Storia della Chiesa in Italia (Italia Sacra 5), Padova 1964, 315335 ; R. Rusconi, I francescani e la confessione nel secolo XIII, in: Francescanesimo e vita religiosa dei laici nel '200, Assisi 1981, 271. 25 "Nec insolitum", BF, 11, 3, nr. 2; "Quasi lignum vitae", 14 aprile 1255, ibidem, 32, nr. 43; vedi inoltre L. Pellegrini, Alessandro IV e i francescani (1254-1261), Roma 1966. 26 Gratien De Paris, Histoire de la fondation et de I'evolution (vedi nota 22),215. 27 Gullielmi De Sancto Amore Opera omnia quae reperiri potuerunt, Constantiae 1632, 11 Iss; G Bondatti, Gioachimismo e francescanesimo nel Dugento, S. Maria degli Angeli (Assisi) 1924, 140ss. 28 S. Bonaventura, Opera Omnia, VIII, 235 ss; D. L. Douie, St. Bonaventure's part in the conflict between Seculars and Mendicants at Paris, in: S. Bonaventura, 12741974, vol. 11, Grottaferrata 1973, 585-612; R. Manselli, La c1ericalizzazione dei Minori e san Bonaventura, in: S. Bonaventura francescano, Todi 1974, 181-208; M. Maccarrone, Cura animarum, e parochialis sacerdos (vedi nota 19), 117.

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Ginesio - nei eonfronti dei veseovi di Camerino, Fermo e Senigallia, rei di aver emanato statuti eontrari ai privilegi goduti dai frati minori in materia di sepoltura. 29 Non si eonoseono gli esiti della missione eanoniea affidata ai due rieordati veseovi di Jesi e di Aneona, mentre per quanto riguarda il eonvento di San Ginesio - stante una eonsistente eonfratemita di penitenteO - si registra, dalla fme deI seeolo XIII, un buon seguito di laiei e, agli inizi deI seeolo sueeessivo, l'inserimento a pieno titolo dei frati minori nella pastorale parroeehiale, eome ci informa la lettera ehe il minorita Rambotto, veseovo di Camerino, invio il 4 maggio 1305 al guardiano deI eonvento di San Ginesio. 31 Nella premessa si 29 BF, I, 74, nr. 63, bolla "Nimis iniqua" dei 21 agosto 1231 (riferita poi nel cap. 16, "Nimis iniqua", dei libro 5, tit. 31, "de excessibus Praelatorum", cf. Ae. Friedberg, Corpus iuris canonici, vol. 11 Graz 1959, 2, 842), disposizioni rinnovate da Innocenzo IV, il211uglio 1245, con altra bolla "Nimis iniqua", ibidem, nr. 85, p. 368. 30 E' sintomatico come per questa confratemita, di cui si ignora I'atto di fondazione, il 5 maggio 1291 il ministro provinciale dei frati continenti (conosciamo non il suo norne, ma quello di alcuni suoi successori: nel 1300 era minister generalis Marchie [ratrum continentium, fra Filippo Melioris e, tre anni dopo, fra Giacobuccio Vengnati, vedi G Pagnani, Comunita laiche francescane (vedi nota 4), 260 il quale risiedeva a Recanati, fece esemplare copia della "Supra montem" che fu poi inviata ai terziari di San Ginesio. L'originale, membranaceo, all'Archivio storico comunale, fondo S. Tommaso, cass. XVIII, fasc. I, nr. 8 (misura mm. 710 x 460), cosi inizia: Haec est copia cuiusdam privilegii. cuius tenor talis est. Nicolaus episcopus servus servorum Dei dilectis filiis fratribus et dilectis in Christo filiabus sororibus ordinis [ratrum de poenitentia (...) Supra montem; e termina con questa sottoscrizione: quam vero copiam exemplavi ego Iurleo magistri Petri publicus notarius auctoritate mihi concessa a magistro Matheo canonico asisinate. Marchie anconitane super spiritualibus rectore prout inveni in privilegio autentico fratribus de poenitentia universis indulto a sanctissimo patre et d. Nicolao pape quarta in quo pendebat bulla plumea in spacis serecis. in qua erant duo capita impressa. quorum unum habe bat mentum rotundum et aliud prolixsum et super scriptum dicebat: Sanctus Petrus; Sanctus Paulus. Et ab alia parte erat nomen summi pontijicis. scilicet Nicolaus papa quartus. adito tantum secundum stilum et formam ipsius privilegii. Actum sub anno Domini .MCC. nonagesimo primo. indictione quarta et die quinta intrante mense madii. Ad petitionem ministri de Rakaneto cuius interesse est; presentibus domino Uguictone. fr. Rog(erio). Pace Berardi et Guinciguerra Guillelmi. S. r. Questi continenti, onde beneficiare della decretale "Clericis laicos" con la quale Bonifacio IX, il 25 febbario 1296, li aveva esentati, insieme ai chierici, dalle imposizioni fiscali delle autorita civili, richiesero a Matteo da Rieti, rettore della Marca, la divulgazione del documento e questi, il primo gennaio 1300, ne invio copia al comune di San Ginesio ordinando che detta decretale fosse letta in pubblico parlamento, vedi G Pagnani, Alcuni atti della curia generale della Marca (vedi nota 1), 210. Seguirono, negli anni successivi, fino al 1305, una serie di richieste di esenzioni concesse a detti frati continenti della diocesi di Camerino ed edite da G Pagnani, Comunita laiche francescane (vedi nota 4), 260-262. La fratemita dei penitenti ginesini svolgeva anche assistenza ospitaliera; I' ospizio, pero, nel 1316 aveva gia chiuso i battenti, stante un lascito testamentario destinato heredibus hospitalis continentium, S. Ginesio, Archivio Comunale, pergamente, scatola XVIII, fasc. I, nr. 5, vedi anche M Sensi, Assistenza ospitaliera a San Ginesio (vedi nota 6), 326. 31 0. Turchi, Camerinum Sacrum (vedi nota 12), Appendix, 106. Questo testo e riportato anche dal BF, IV, 121, nota c.

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narra eome i frati minori erano entrati in possesso della ehiesa di San Pietro, dalla quale per era stato tolto l'altare eui era annessa la parroeehialita; questo, eonsaerato eon una reliquia di s. Pietro apostolo, era stato trasferito in altro oratorio, dove per, da tempo, non veniva piu prestato il dovuto eulto alla reliquia, per eui i frati ehiesero ed ottennero ehe detto altare tomasse all'antiea sede, eon la relativa eura d'anime. 32 Cosi il veseovo Rambotto dispose ehe detti diritti parroeehiali tomassero alla ehiesa di San Pietro, ora dei frati minori, obbligando tra I'altro i frati a eonfessare i fedeli e ad assicurare la sepoltura eeclesiastica nel eimitero dei eonvento, in quanta loro parroeehiani. 33 Quindi, quattro giomi dopo, per I'ampliamento dei loro eonvento, 10 stesso veseovo vendette ai frati un edifieio, eon annessa eorte, posti in contrata quae dicitur capi castelli. 34 Non ci e dato di sapere se la cura animarum, ehe a San Ginesio in qualche modo aveva finita per equiparare i frati ai saeerdoti dioeesani, fosse stata riehiesta dai religiosi, 0 si traM inveee di una seelta "politiea" dell'ordinario dioeesano - all'epoea, giova ricordarlo, un minorita - imposta ai frati minori per superare una situazione eonflittuale. Sta di fatto ehe questa decisione, non fu un fatio isolato, ma aveva importanti preeedenti. 35 32 Trovo memoria di una cappella in onore di S. Pietro, eretta nella chiesa di San Franeeseo, in un testamento dettato il 13 agosto 1491 prudens vir Antonellus Andree Cassiani de Sancto Genesio (..) reliquit infrascriptos cereos jiendos (..) unum cappelle S. Petri in ecclesia Sancti Francisci ( ..) unum fraternitati Sancti Thome. unum jraternitati S. Marie de scopa, San Ginesio, Arehivio dei eonvento di S. Francesco, pergamena n. nr. 33 Sulle diffieolm ineontrate inizialmente dai mendieanti nell'amministrazione dei saeramento della confessione, cf. S. Da Romallo, 11 ministero della confessione nei primordi dell'ordine francescano in relazione ai diritti parroechiali, Milano 1949, 59ss; R. Rusconi, I franceseani e la confessione (vedi nota 24), 268ss. 34 San Salvatore, 1305 maggio 8: in domibus ecclesie S. Salvatoris de Macerata. Camerinen. diocesis (..) presentibus domno Andrea priore monasterii heremi Samvieini ( ..) d. Ramboctus Camerinen. episcopus (..) vendidit (..) Nicole Palmerii de Macerata. sindico ordinis minorum in provintia Marchie genera/i. recipienti nomine loei jratrum minorum de Sancto Genesio dicti ordinis. unam domum (..) in castro terre S. Genesii. in contrata que dicitur capi castelli cum platea (..) et duas campanas que fuerunt ibidem pro pretio centum et decem /ib. rav. et ancon., San Ginesio, Archivio dei convento di San Francesco, pergamena 3, ed. 0. Turchi, Camerinum sacrum (vedi nota 12), Appendix, 105. 35 Oltre gli esempi ricordati da Pellegrini, Cura parrocchiale (vedi nota 13), 286ss, rieordo il caso di S. Silvestro di Collepino, abbazia camaldolese che Bartolomeo, vescovo di Spoleto e nota amico dei francescani, per ordine di papa Gregorio IX soppresse nel 1236, al fine di formare un patrimonio per S. Maria inter angulos di Spoleto e per S. Maria di Vallegloria di Spello, due fondazioni femminili sorte sotto la spinta dei movimento penitenziale di inizio secolo XIII e che avevano accettato di entrare a far parte dell'Ordine delle povere rinchiuse di S. Damiano: il primato della clausura - voluto da Gregorio IX - postulava infatti beni stabili. L'abbazia possedeva, dentro Spello, S. Andrea, una chiesa con eura d'anime che, dopo la soppressione, dal vescovo fu affidata a dei chierici secolari. Ma poiche nel 1241 i monaci, col favore degli Imperiali. erano tornati in possesso dei loro beni; morto Federico 11, il vescovo di Spoleto di nuovo espulse i monaci e nel 1253, per evitare I'insorgere di altri conflitti, rimosse anche i chierici dalla chiesa di S. Andrea ehe affidb ai frati minori, ai quali

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11. La cura monialium Eeeezion fatta per l'anno - 1266 - apparentemente nessun eollegamento v'e fra 1a 1ettera eseeutoria "Pertu1erunt ad" e I"'intervento doeumentario", stilato dalla cancelleria della eustodia di Fermo, appunto l'altra pergamena, di eui in apertura. Vi si narra eome, nel 1266 - senza pero preeisazione di mese e giomo - fr. Giuseppe, eustode dei frati minori di Fermo, assistito da fr. Giaeomo da Loro, guardiano di San Ginesio e dai frati Pietro da Foligno, Giaeomo da Morieo e Rufmo da Camerino, alla presenza di tre testimoni laici, tutti di Camerino - Matteo Benvenuti Cithadani, Offredueeio Marcule e Giaeobuecio Berardi Deutesalve - si reeo a San Ginesio, presso il monastero di San Giovanni, di eui era badessa Caterina, dell'ordine di San Damiano (de ordine sancti Damiani).36 Seopo della visita fu la lettura, a quelle monaehe, della bolla "Inter personas" emanata da Urbano IV il 19 agosto 1264. 37 E ehe quella fosse stata una visita ufficiale 10 si deduee dal fatto ehe, a perpetua memoria, fu redatto un doeumento in pergamena, sigillato eon il sigillo della eustodia; per redigerlo, il eustode feee tuttavia a meno dei pubblieo notaio, ma non per questo il doeumento avrebbe dovuto avere meno valore per 1e monaehe, s'intende se effettivamente erano delle clarisse. La bolla stabiliva alcune norme per la cura monialium, al fme di sedare le diseordie ehe, un po' ovunque, si eran venute ereando tra frati minori e ordine delle clarisse. 38 Quali le ragioni di questa tardiva eomunieazione? i frati minori erano appena arrivati in cittA? vi erano state resistenze ad applieare le disposizioni papali da parte delle monaehe di San Ginesio? 0 piuttosto quell'intervento fu una eonseguenza dei eonflitto in atto eon il clero loea1e ehe eereo di boieottare anehe il ministero della eonfessione esereitato dai frati presso questa eomunitit monastica? Ragione dell'intervento documentario - da parte dei eustode di Fermo, assistito dal guardiano di San Ginesio e dai frati dei eonvento ginesino - sarebbe stata proprio quest'ultima, stando al breve regesto di mano dei sec. XVII, apposto

diede anche la parrocchialitA, mentre ai chierici, che ne erano stati esonerati, concesse di continuare a godere, vita natural durante, le relative rendite, M. Fa/oei Pulignani, Le origini dei convento francescano di Spello, Miscellanea francescana 11 (1909) 155-157; Z. Lazzeri, L'antico monastero di Vallegloria vicino a Spello con appendice di documenti, La Vema 9-10 (1911-1912) passim; inoltre mi permetto di rimandare ai miei, S. Silvestro di Collepino tra storia e mito, Spoletium 31-32/nnr. 34-35 (1990), 181-186; /dem, Storie di bizzoche tra Umbria e Marche (vedi nota 5), 6ss.; 209ss. 36 Appendice, doc. 2. 37 BF, II, 574, nr. 168. 38 Contesto della "Inter personas" e la vexata questio della cura monialium che oppose Urbano IV e le clarisse ai frati minori, cf. Z. Lazzeri, Documenta controversiam inter fratres minores et clarissas spectantia (1262-1297), AFH 3 (1910) 664-679; 4 (1911) 74-94; Idem, Duae bullae ineditae Alexandri IV et addenda quaedam circa controversiam inter fratres minores et sorores s. Clarae, ibidem 6 (1913) 389-392. 29'

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dietro Ia pergamena: vi si legge: "Bolla dell'amministrare li saeramenti et altro alle monaehe di San Giovanni".39 Nella "Etsi animarum", deI 21 novembre 1254, Innoeenzo IV aveva rimproverato, tra I'altro, ai frati di amministrare il saeramento della penitenza senza aveme rieevuta la neeessaria giurisdizione sui fedeli e ordinava ehe, in seguito, per impartire l'assoluzione ai fedeli i mendieanti dovevano ehiedere l'autorizzazione preventiva ai rispettivi parroei.40 Cosi i frati minori di San Ginesio, ottenuta da Clemente la eaneellazione delle norme sinodali emanate dal veseovo di Camerino eontrarie ai loro privilegi, si rivolgevano ora alle monaehe dellocale monastero reclamando il diritto di amministrare loro il saeramento della eonfessione in forza della rieordata bolla "Inter personas", emanata due anni prima da Urbano IV. Se il eustode dei frati minori di Fermo intese dare una risposta al elero Ioeale, ehe reclamava i propri diritti in materia di eura animarum, ci si ehiede ehe senso abbia avuto l'intera operazione, eulminata eon intervento doeumentario, se dette religiose di San Giovanni, in quanta istituzionalizzate eon regola elariana, erano esenti dalla giurisdizione ordinaria; a meno ehe il elero parroeehiale di San Ginesio abbia impugnato alle religiose di San Giovanni il diritto all'esenzione - goduta dalle elarisse sin dal tempo di Onorio III (1216-1227) - in quanta le riteneva aneora soggette all'ordinario dioeesano. Aneorehe queste avessero ultimamente seelto eome loro direttori spirituali i frati minori, non avevano pero aneora avuto l' assenso deI veseovo di Camerino: clausola indispensabile per ottenere dalla Sede apostoliea il passaggio all'ordine elariano: tale era stata Ia strategia deI eardinale Ugolino, proseguita poi, da papa, eol norne di Gregorio IX: sottrarre alla giurisdizione dei veseovi loeali i grupp i delle penitenti, ehe si andavano eostituendo un po ovunque e sottoporli al controllo diretto della Sede apostoliea;41 una neeessaria supplenza alle resistenze a prendere in mano la

Appendice, doc. 2. C. Eubel, Bullarii franciscani Epitome (vedi nota 16), 259-261. Su questo provvedimento, esteso anche agli eremiti agostiniani e ai servi di Maria di Monte Senario, R. Rusconi, I franeeseani e la eonfessione (vedi nota 24),251-309. 41 Questi i doeumenti ehe, dal punto di vista giuridico, seandiseono le tappe deI farsi dell'Ordine di San Darniano: il eard. Ugolino, nel 1218, prima di partire per la legazione, si fece rilasciare da Onorio III la "Litterae tuae nobis" eon la quale veniva autorizzato a fondare, fuori della dioeesi di Roma, monasteri soggetti alla Chiesa romana. Quindi, nel 1219, ci fu I'invio della lettera "Prudentis virginibus" ai monasteri ehe eostituivano il prima nuc1eo deI futuro Ordine; il proeesso si eonclude eon la lettera ehe iI 18 aprile 1228 iI cardinal Rinaldo, invio a 24 monasteri per annuneiare loro ehe la protezione fino ad allora svolta da Ugolino, ora divenuto papa, era passata a lui. I testi vengono esarninati da I. Omaechevarria, Escritos de Santa Clara y doeumentos complementärios, Madrid 1993; sulla problematiea vedi inoltre, M. P. Alberzoni, Chiara e il papato, Milano 1995, 38-43; Eadem, Chiara d' Assisi e iI franeescanesimo femminile, in: Franeeseo d'Assisi e il prima seeolo di storia franeescana, Torino 1997, 208-213. 39

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Conflitti per la eura animarum

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gestione deI movimento femminile sia da parte dei predicatori,42 come dei frati minori. 43 Eppure il documento emanato da fr. Giuseppe, custode dei frati minori di Fermo, si apre con le parole: Ego Crestina abbatissa monasterii S. Iohannis de castro S. Genesii, Camerinensis diocesis, de ordine Sancti Damiani et totus conventus eiusdem monasterii. In forza di questo documento il monastero ginesino di San Giovanni dalla storiografia marchigiana viene costantemente inserito nel catalogo dei monasteri clariani, senza che tuttavia figuri come tale nel "Bullarium franciscanum", 0 negli "Annales minorum"; da qui il problema dell'appartenenza 0 meno delle religiose di San Giovanni all'ordine delle clarisse. 44 Marinangelo Severini, scrittore deI secolo XVI e autore di una "Historia Genesina", rimasta manoscritta, fu il prima a narrarci come queste religiose gia eremite a San Benedetto in Cippo, pertinenza dei monaci camaldolesi dell'Isola, gli stessi che avevano giurisdizione della ricordata chiesa di San Pietro - nel 1230 ottennero da Filippo, vescovo di Camerino, il riconoscimento eanonico con l'assegnazione di una delle regole approvate - forse quella benedettina - e l'imposta di un censo annuo di due soldi ravennati e anconetani. Nel 1249 queste religiose si trasferirono poi dentro San Ginesio, sul eolle detto Ascolano 0 di San Valentino chiesa ehe reintitolarono a San Giovanni, in contrada Capo Castello, pur continuando a godere dei beni della chiesa di San Benedetto in Cippo, che aveva cura d'anime; il vescovo Guido soppresse poi nel 1270 la parrocchia e ne assegno i beni al monastero di San Giovanni. Quindi il Severini, subito dopo aver accennato al trasferimento delle religiose dentro San Ginesio, prosegue che le medesime, quoniam tune temporis divae

Clarae ce/ebre nomen exsurrexit illius ordinem, habitum suscipere venia Innocentii IV et Alexandri IV, quorum visuntur plumbata diplomata a me perleeta, quibus conceditur etiam ipsis omnibus gaudere privilegiis minorum fratrum divi Francisci et ab eorum Generale visitari. 4S Le monache di San 42 Cosi ad esempio fu deciso nel capitolo provinciale di Roma deI 1248: Item volumus quod monitio eapituli generalis de eonfessoribus instituendis aprioribus per eonventus observetur. Similiter de eonfessionibus beginarum audiendis. Et ne fratres monasteria monialium visitent, nee illa monasteria intrare ad que passim ab aliis intratur (Th. Käppeli / A. Dondaine, Acta capitulorum provincialium Provinciae romanae (1243-1344), Roma 1941, 8); disposizioni che saranno reiterate e precisate per molti anni nei successivi capitoli. 43 G G Meersseman, Dossier de I'ordre de la penitence au XIII· sinies aux XYIe_XYI e siecles, hg. v. J-M Cauchies (Publication du Centre Europeen d'Etudes Bourguignonnes [XIye_XYI e s.] 34), Neuchätel 1994, 123-143, wieder in: A la cour de Bourgogne. Le duc, son entourage, son train, hg. v. J-M Cauchies (Burgundica 1), Tumhout 1998,33-48; N. Pol/ini, La mort du prince. Rituels funeraires de la Maison de Savoie (1343-1451) (Fondation Humbert 11 et Marie Jose de Savoie. Cahiers Lausannois d'Histoire Medievale 9), Lausanne 1994. Ausführliche Differenzierungen zu den Rängen der beteiligten Kleriker: 82-86, 184-230, 233-242; Zur Einbeziehung der Mediziner: 119-123, 160-169; A. Boureau, Ritualite politique et modemite monarchique, in: L'etat ou le roi. Les fondations de la modemite monarchique en France (XYIe_Xyn e siecles), hg. v. N. Bu/st IR. Descimonl A. Guerreau, Paris 1996,9-25; J Varela, La muerte dei rey: el ceremonial funerario de la monarquia espailola, 1500-1885, Madrid 1990; F. Sabate i Curull, Lo Senyor rei es mort! Actitud i cerimonies dels municipis cataIans baix-medievals davant la mort dei monarca, L1eida 1994. Die in zahlreichen Handschriftenillustrationen bezeugte Kleidung der Begleiter bei den feierlichen Trauerzügen verrät im übrigen eine eindrucksvolle Präsenz monastischen Habitus' am Laienhof. SI Ygl. für die frühe Zeit L. J R. Mi/is, Angelic monks and Earthly Men. Monasticism and its Meaning to Medieval Society, Woodbridge 1992.

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anderem jene Geistlichen, die die Beichte abzunehmen hatten. Sie mußten sich ermahnen lassen, extorsiones pecuniarum zu meiden, vielmehr nur um das Seelenheil derjenigen besorgt zu sein, deren confessiones ihnen anvertraut würden. Verum enim confessorem, qui ad sanandum hominum eonscieneiam proeedit, ad instar periti medici eorporis esse oportet expertum; 52 mit diesen Worten beschrieb der Kleriker und Notar Dietrich von Nieheim (um 1340-1418) die Lage. Nach langjährigem Wirken an der päpstlichen Kurie hatte er Einblick in die italienischen wie in die deutschen Verhältnisse. Da medici animarum ihre cura penitentiarum Fürsten und Könige nicht anders zuwandten als allen übrigen Laien, bedurften jene in besonderem Maße seelsorgerischen Beistands und der Ermahnung und geistlichen Anleitung ihrer Beichtväter. S3 Gegen eine Tätigkeit von Klerikern, auch Ordens leuten, in den dafilr zuständigen geistlichen Ämtern am Hof konnte es insofern keine Einwendungen geben. Wohl aber bot die von Dietrich von Nieheim beklagte Anfiilligkeit fiIr irdische Verlockungen Grund zur Sorge gerade in bezug auf den Hofdienst von Ordensmännern. Auch der Kanoniker Konrad von Megenberg (1309-1374), der Erfahrungen in Frankreich und dem deutschen Reich gesammelt hatte, mag diese Sicht geteilt haben. Mit großer Ausfiihrlichkeit handelt er in seiner Ökonomik von den filrstlichen Kapellänen, Räten und Ärzten und hält die verschiedenen Arten von Klerikern auseinander, vor allem cleriei seculares und religiosi. 54 Bereits zuvor war er allerdings, in seiner Monastik, zu dem Schluß gekommen: Capellani vero et saeerdotes non merentur diei famuli dominorum, sed dei vieedomini ad eohabitaciones missi dominorum propter animarum salutem. ss 52 Zitiert nach: Dietrich von Nieheim, Gesta Karoli Magni Imperatoris, hg. v. K. Colberg / J Leuschner (MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters 5/2), Stuttgart 1989, hier 374, Z. 10-16 und 373, Z. 20-22. Zum theologischen und kirchengeschichtlichen Hintergrund: M. Ohst, Ptlichtbeichte. Untersuchungen zum Bußwesen im Hohen und Späten Mittelalter (Beiträge zur Historischen Theologie 89), Tübingen 1995; Laics dans l'Eglise. Regards de Pierre Damien, Anselme de Canterbury, Yves de Chartier, hg. v. M. Grandjean (Theologie historique 97), Paris 1994, 332f. 53 Für den Deutungszusammenhang von potestas und peccatum, auf den hier nicht näher eingegangen werden kann: Buc, L'ambigulte (wie Anm. 5),246 u.ö.; W. Stürner, Peccatum und potestas. Der Sündenfall und die Entstehung der herrscherlichen Gewalt im mittelalterlichen Staatsdenken (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 11), Sigmaringen 1987. 54 Konrad von Megenberg, Werke. Ökonomik (Buch I), hg. v. S. Krüger (MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters 3/1), Stuttgart 1973, 137-145 und ebd. (Buch III), Stuttgart 1984, 318-343. Auf die kritischen Töne Megenbergs gegenüber den Ordensangehörigen im Zusammenhang der Unterscheidung zwischen Mendikanten und anderen Orden sei hier nur verwiesen (ebd., 336-343). 55 Konrad von Megenberg, Monastik, hg. v. S. Krüger (MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters 2), Stuttgart 1992, 81, Z. 16-18 (cap. 28: de servis utilibus curiensibus et de notariis et capellanis).

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Ganz ähnlich resümierte auch Philippe de Mezieres seine Empfehlungen an den künftigen französischen König. Weise und zurückhaltend solle sein Beichtvater sein, in Theologie und Recht gelehrt, um dem König in gewichtigen Fällen klug raten zu können. Nicht nach außen gewandt, habgierig oder verschwenderisch solle er auftreten, vielmehr bescheiden, gewandt und entschlossen, die Schwächen des Königs nicht unbemerkt zu lassen. Daher war die Empfehlung: )--- ,,[ ... ] ton confesseur a mon advis doit estre personne franche et laye, et non pas oblige a aucune religion, pour les contraires qui s'en peuent ensuir a ta royale mageste, sicomme il fu plus largement dit ou chapitre des confesseurs, trayctant des contraires aux fins besans de la premiere gerarchie". 56

Nicht über die Vorgaben des geistlichen Amtes hinauszugehen, sich nicht zum Gehilfen eines weltlichen Herrn in dessen Geschäften zu machen war der mahnende Tenor an die Kleriker auch in den Beschlüssen deutscher Provinzialsynoden, die anders als die gelehrten Erwägungen von Generalkonzilien mit den praktischen Beschwerden vor Ort zu tun hatten. Die Editoren der "Concilia Germaniae" filr das 14. und 15. Jahrhundert rubrizierten 1790 die einschlägigen Stellen unter den folgenden Sätzen: Clerici negotia Principum laicorum tractantes excommunicantur und Clerici non sint Principum, aut aliorum laicorum Procuratores, Justitiarii, aut similes ojJiciales in civilibus. s7 Seit dem 13. Jahrhundert lassen sich entsprechende Passus in den Synodalbeschlüssen fmden. s8 Mag die Nähe von Kanzleibeamten, Räten, Ärzten und Klerikern am filrstlichen Hof aus dem Rückblick der Neuzeit als institutionelle Ausdifferenzierung zu verstehen sein, so stellte sie filr die kirchlichen Kritiker ihrer Zeit doch Anlaß zur Sorge dar, und dies um so mehr, wenn Ordensangehörige in der Funktion solcher Hofkleriker tätig waren. Der geradezu modem erscheinende administrative und politische Einfluß der Almoseniers und Beichtiger in der Umgebung von Fürsten und Königen konnte sich aus der Sicht der Zeitgenossen auch als Überschreiten der Kompetenzen des geistlichen Amtes darstellen. Hinter 56 Mezieres, Songe (wie Anm. 44), 271. Im ganzen dieselben Bedingungen galten demnach auch rur den Almosenier, selbst rur den Kanzler und sogar rur den Leibarzt. Zu dem diesen Amtsinhabern aufgetragenen Ethos sollte es gehören, sich zufrieden zu geben mit ihrem "moyen estat" und nicht nach höheren Würden am Hof zu streben (ebd., 272). Vgl. De La Seile (wie Anm. 7), 104f. 57 Concilia Germaniae, bearb v. J F. Schannat / J Hartzheim, Bd. 5: Concilia 1400-1500 (ND der Ausgabe Köln 1763), Aalen 1970, Index Bd. 11, 173f., dort auch weitere ähnliche Rubrizierungen. Auf den Einzelnachweis der in der Edition belegten Synodalbeschlüsse wird an dieser Stelle verzichtet. Zum Hintergrund exemplarisch: A. K. McHardy, Clerical Taxation in Fifteenth-Century England: The Clergy as Agents of the Crown, in: The Church, Politics and Patronage in the Fifteenth Century, hg. v. B. Dobson, Gloucester - New York 1984, 168-192. 58 Concilia Germaniae (wie Anm. 57), IV: Concilia 1290-1400 (ND der Ausgabe Köln 1761), Aalen 1970; Index Bd. 11, 173f.

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solcher Beurteilung mochte die Sorge um den eigentlichen Auftrag der Kleriker stehen, durchaus aber auch Kritik an kirchlichem Einfluß auf Fürst und Hof und Bedenken wegen der Zuverlässigkeit der Hofgeistlichen: "Est-ce que l'appartenance a un ordre religieux qui est preponderante, ou le service fidele du roi?".s9

VII. Entwicklung und späte Kritik Das organisatorische, funktionale und personelle Geflecht von geistlichen Hoflimtern, Hofklerus, geistlichen Räten und Klerikern im Fürstendienst insgesamt sowie der engeren Hofkapelle ist fiir das späte Mittelalter noch weitgehend unerschlossen. 6o Die jüngst fiir den Hof Kaiser Friedrichs III. ermittelte Personalstruktur wird sich auch an anderen Fürstenhöfen des Reiches ähnlich dargestellt haben. Schon unter den Ratgebern des Kaisers, insbesondere den gelehrten Räten, fmdet sich eine größere Anzahl von Klerikern als Inhaber geistlicher Würden und Herrschaftsrechte, zu denen auch Ordensangehörige gezählt haben werden. 61 Deutlicher wird dieser Befund bei den Kapellänen; unter den 200 namentlich faßbaren Personen sind zwölf als Ordensmänner nachweisbar, mehrheitlich Mendikanten. Hierzu zählte auch ein Minorit als Beichtvater. 62 Eine Übersicht wird dadurch erschwert, daß zwar grundsätzlich das Kapellanat fiir Kleriker und die Familiarität fiir Laien vergleichbare Einrichtungen am Hof waren, deren Ernennungsmodalitäten und Herrscherbindungen denselben Regeln folgten, aber auch unter den Familiaren Kleriker auftauchen konnten. In der Regierungszeit des letzten Kaisers aus dem Haus Luxemburg, Sigmund, stellten Geistliche insgesamt ein Zehntel der Angehörigen der Familia Regis. 63 Hierzu zählten Säkular- und selbst Ordensgeistliche. Sobald sie aus der Gesamtheit der Familiaren oder Kapelläne heraustraten und durch ein geistliches Hofamt unmittelbaren Zugang zum Herrscher und Einfluß auf seine Entscheidungen gewannen, wurden sie zum Gegenstand kritischer Beobachtung. Dies galt besonders filr den Beichtvater. Als es in England im späten 14. Jahrhundert zu Unruhen am Hof gegen die dortigen Kleriker des

De La Seile, Service (wie Anm. 7), 99. Hierzu Heinig, Kaiser Friedrich III. (wie Anm. 9), I, 801-804, bes. 801. Zu den Räten: 452-542. Vgl. oben Anm. 9. 61 Ebd., III, 1392-1403, 1413-1422. 62 Ebd., 1447-1459; der Confessor: 1451. 63 Zur Vergleichbarkeit bei der Einrichtungen ebd., I, 801. Zur Familiarität unter Sigmund künftig: M. Kintzinger, Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa. Auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds (Mittelalter-Forschungen 2), Sigmaringen. S9

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Königs kam, war dessen Beichtvater, ein Dominikaner, bevorzugtes Ziel der Kritik. Neben anderem warf man ihm "an evil influence on the king" vor. 64 Am Königshof in Frankreich hatten traditionell die Bettelorden, insbesondere die Dominikaner, die Beichtväter des Monarchen gestellt, während ein "eIerc de l'hötel" Almosenier wurde. Als späte Folge des Armutsstreites in den Mendikantenorden endete diese Phase 1389.65 Fortan spielte der Bildungsstand des Betreffenden die wesentliche Rolle bei der Berufung von Beichtvätern wie auch Almoseniers; dies war die Zeit der Säkularkleriker im Amt des Hofgeistlichen, wie es in hervorragender Weise Pierre d'Ailly am königlichen und Jean Gerson am burgundischen Hof zeigen. Einhundert Jahre später zeichnete sich eine erneute Wendung ab. Jetzt wurden bevorzugt Franziskaner zu Almoseniers des Königs bestellt, während als Beichtväter zunächst weiterhin Säkularkleriker, vor allem Bischöfe, amtierten, bevor das Amt wieder an Dominikaner vergeben wurde. 66 Aufgrund der Ordensregeln der Mendikanten, insbesondere der Dominikaner, mußte darauf geachtet werden, daß ein Frater nicht allein, sondern stets durch einen socius begleitet auftrat. Durch diese und andere Vorgaben der Orden filr das Verhalten ihrer Angehörigen erhöhte sich die Zahl ihrer am Fürstenhofpräsenten Vertreter erheblich. 67 Am englischen Königshof ging die Berufung von Dominikanern als Beichtväter, die seit Mitte des 13. Jahrhunderts üblich geworden war, mit der Herrschaftsübernabme der Lancaster an der Wende zum 14. Jahrhundert zu Ende; Heinrich IV. griff auf einen Karmelitermönch zurück. Hingegen blieben die Dominikaner bis zum 15. Jahrhundert die Beichtiger der Herzöge von der Bretagne und von Burgund. 68 • Im Laufe des 16. Jahrhunderts schließlich löste ein

Given-Wilson, Royal Household (wie Anm. 17), 177f. Als Zeugnis rur die zeitgenössischen Angriffe auf die Mendikanten, insbesondere die Franziskaner: Johannes de Rupescissa, Liber Secretorum Eventuum. Edition critique, traduction et introduction historique, hg. v. R. E. Lerner / C. Morerod-Fattebert (Spicilegium Friburgense 36), Fribourg 1994. Über die Tätigkeit von Franziskanern als Beichtväter vgl. auch J. Batany, Image des Franciscains (wie Anm. 3), bes. 68-70. 66 Minois, Confesseur (wie Anm. 28), 213-216, 234-239; De La Seile, Service (wie Anm. 7), 99-115. Als Beichtväter der Königin von Frankreich fungierten zumeist Franziskaner, selbst in Zeiten, als andere Ordensangehörige die confessores des Königs stellten (ebd., 99 u.ö). 61 Ebd., 99-102. " .. .l'existence d'un veritable groupe de freres mendiants, qui accompagnent le confesseur royal, prennent des repas a I'hötel du roi, resident a la cour, et finissent de ce fait par recreer une sorte de couvent permanent dans l'entourage royal" (ebd., 101). 68 Ebd., 105f. Als Quellentext zu Beichte und Bußpredigt: M. L. Maggioni, Un manuale per confessori dei Quattrocento inglese (Ms. St. John's College Cambridge S. 35) (Contributi dei Centro Studi sulla Letteratura Medio-Francese e Medio-Inglese 11), Milano 1993. Zu den Beichtvätern der Anjou in Neapel im 14. Jahrhundert Voci. Cappella (wie Anm. 13),464f. 64

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anderer Orden die Dominanz der Mendikanten unter den tUrstlichen und königlichen Beichtvätern ab. Fortan besetzten die Jesuiten das Feld. 69 Gleichzeitig und stärker als zuvor wurde es jetzt üblich, in Fürstenspiegeln amtierende und künftige Regenten an die heilsame Kraft der Beichte und des Bußsakraments zu gemahnen - nach einer in medizinischer Tenninologie gehaltenen theologischen Lehre über die Gesundheit von Seele und Körper. 7o Im Gegenzug verhärtete sich zugleich die Skepsis gegen den Einfluß gerade der Beichtväter auf die Monarchen. Bis zum 18. Jahrhundert hatte sich die Kritik am Wirken der Ordensmänner am Hof zu einem grundsätzlichen Verdikt gesteigert. Ihren Ausgangspunkt nahm die Unzufriedenheit an dem Einfluß der jesuitischen Beichtväter auf die Fürsten, doch blieben auch ihre Vorgänger, die Mendikanten, nicht von dem Vorwurf verschont, ihren Auftrag zugunsten eigensinniger Einflußnahme verraten zu haben. 71 Dem tatsächlichen Wirken der gelehrten Ordensmänner als Beichtväter oder Almoseniers an den Fürsten- und Königshöfen des spätmittelalterlichen Europa wird diese Beurteilung indes kaum gerecht. Sie greift vielmehr, aus späteren Mißständen rückschließend, lediglich die Tatsache auf, daß die Tätigkeit in beiden Ämtern wie diejenige des Hofklerus insgesamt stets auch eine politische Dimension hatte. Diese aber zu ihrem eigentlichen Inhalt zu erklären verkennt die Verdienste, die sich namentlich die Beichtväter aus dem Ordensklerus um die "clergie du roi" erworben haben.

69 Vgl. Die Jesuiten in Bayern, 1549-1773. Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und der Oberdeutschen Provinz der Gesellschaft Jesu (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns 29), Weißenborn 1991,266-272, mit einem Hinweis auf die zunächst zögerliche Übernahme des Beichtvateramtes durch den Orden (266). Eine kulturgeschichtliche Darstellung der Beichte und der Rolle der Beichtväter in der Frühen Neuzeit bietet J. Delumeau, Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts, (franz. Original Paris 1978), Hamburg 1989. Vgl. Ders., L'aveu et le pardon. Les difficultes de la confession. XIII"XVIII" siec\e, Paris 1990; P. M. Lamet, Yo te absuelv0:1 Majestad: confesores de reyes y reinas de Espana (Historia de la Espana sorprendente), Madrid 1991,23-38. 70 Exemplarisch: [Wolfgang Seidel], Wie sich ain Christenlicher Herr, so Landt und Leut zu Regieren under im hat vor schedlicher Phantasey verhüten und in allen nöten trösten soll [1547], in: Fürstenspiegel der Frühen Neuzeit, hg. v. H-O Mühleisen / T. Stammen / M. Philipp (Bibliothek des deutschen Staatsdenkens 6), Frankfurt a.M. Leipzig 1997, 86-115, bes. 102 (Die dritt Regel). Vgl. H D. Kittsteiner, Die Entstehung des modemen Gewissens, Frankfurt a.M. - Leipzig 1991. 71 De La Seile, Service (wie Anm. 7), 106f.

Die Klöster des Landes Dithmarschen Einrichtungen für das Heil und zum Schutz der spätmittelalterlichen Bauernrepublik Von Reimer Hansen In seiner Freiburger Antrittsvorlesung über "Franziskus und Dominikus" hat Kaspar Elm in eindringlicher komparatistischer Gedankenftlhrung die "Wirkungen und Antriebskräfte" der beiden Ordensstifter untersucht, bestimmt und gewürdigt.1 Er hat damit nolens volens zugleich auch den Weg ftlr ein vertieftes historisches Verständnis der vita re/igiosa im mittelalterlichen Dithmarschen geebnet. Denn unter der reichen Vielfalt monastischer Gemeinschaften haben nur die Mendikantenorden der Prediger- und der MinderbrUder in der kleinen abgeschiedenen terra oder universitas zwischen Elb- und EidermUndung an der Nordgrenze des Heiligen Römischen Reiches erfolgreich Fuß fassen und klösterliches Leben entfalten können. Dieser historische Sachverhalt wird sich schwerlich auf bloßen Zufall zurUckfilhren lassen, zumal auch in anderen freibäuerlich-genossenschaftlich verfaßten Landgemeinden oder Landschaften an der Nordseeküste zwischen den Niederlanden und Jütland, den sogenannten Seelanden, die älteren, auf das engste mit agrarischer Eigenwirtschaft oder Grundherrschaft verbundenen Ordenskongregationen kaum Eingang gefunden haben. 2 Die Hauptursache hierftlr dürfte in der prinzipiellen Unvereinbarkeit und konfliktträchtigen Spannung von agrarklösterlicher und kommunalistischer Lebens- und Verfassungsform zu suchen sein, schwerlich jedoch in der vita re/igiosa schlechthin.

I K. Elm, Franziskus und Dominikus. Wirkungen und Antriebskräfte zweier Ordensstifter, Saeculum 23 (1972) 121-147; wiederabgedruckt in: Ders., Vitasfratrum. Beiträge zur Geschichte der Eremiten- und Mendikantenorden des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts. Festgabe zum 65. Geburtstag, hg. v. D. Berg (Saxonia Franciscana 5), Wer11994, 121-141. 2 B. U. Hucker, Adel und Bauern zwischen unterer Weser und EIbe im Mittelalter, Niedersächsisches Jb. rur Landesgeschichte 45 (1973) 97-113, bes. 106f; E. Freytag, Zur Geschichte der Klöster in Dithmarschen, Dithmarschen NF 24 (1976) 81.

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I. Die gut zweihundertjährige Geschichte der Klöster des Landes Dithmarschen ließe sich jedenfalls mit dieser Deutung triftig erklären. Sie gilt dem Dominikanerkloster in Meldorf, dem Franziskanerkloster in Lunden und der gescheiterten Gründung eines mit Land- und Pfandbesitz ausgestatteten Benediktinerinnenklosters in Hemmingstedt. Das Thema erschließt sich dem historischen Verständnis freilich nicht allein aus dem Zusammenhang der Wirkungsgeschichte der Mendikantenorden der Franziskaner und der Dominikaner, sondern ebensosehr - aufgrund der spezifischen Überlieferung wird man sogar sagen müssen: mehr noch - im Kontext der Geschichte des Landes Dithmarschen. Die äußerst spärlichen Relikte und Traditionen, die die Zeiten überdauert haben, sind im vergangenen Jahrhundert vor allem von Wilhelm Heinrich Kolster und in unserem von Erwin Freytag mit Beharrlichkeit, Geschick und Fleiß recherchiert, gesichtet und ausgewertet worden. Während Kolster sich hauptsächlich auf die regional- und lokalgeschichtlichen Quellen konzentriert hat,3 ist Freytag auch den überregionalen kirchengeschichtlichen Spuren nachgegangen. 4 Ihren Arbeiten verdanken wir im wesentlichen die bekannten ordens- und landes-, ereignis- und personengeschichtlichen Informationen über die Klöster Dithmarschens. Ihre Stärke lag im Sammeln und in der Ausbreitung des Materials, weniger in seiner methodischen Erschließung, rekonstruktiven Interpretation und historiographischen Gestaltung. Kolster mangelte es offensichtlich an der nötigen kritischen Distanz und Urteilsschärfe, um sich vor vermeidbaren Irrwegen und Fehldeutungen wirksam schützen zu können,s aber auch Freytag hat gelegentlich UngepTÜftes aufgenommen und weitergegeben, obwohl ihn Quellenkenntnis und Literaturkritik davor hätten warnen müssen. 6 3 W H Kolster, Die Klöster Dithmarschens, Archiv der Schleswig-HolsteinischLauenburgischen Gesellschaft für vaterländische Geschichte 15, Folge 3/3 (1860) 42-77; Ders., Das Dominicanerkloster in Meldorf, in: Ders., Geschichte Dithmarschens. Nach F. C. Dahlmanns Vorlesungen im Winter 1826, hg., am Schluß ergänzt und mit Excursen begleitet, Leipzig 1873, ND Leer 1976, 277·280. 4 E. Freytag, Die Klöster in Dithmarschen. Zur Geschichte der Bettelorden in Schleswig-Holstein, Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, 2. Reihe: Beiträge und Mitteilungen 15 (1957) 5-16; Ders., Geschichte der Klöster (wie Anm. 2), 81-89; Ders., Die Klöster als Zentren kirchlichen Lebens, in: Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, hg. v. Verein rur Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichtel: Anfänge und Ausbau I, Neumünster 1986,173-175. 5 So mußte er 1873 (wie Anm. 3), 279, in einer Anmerkung bekennen, daß er 1860 (wie Anm. 3) über das Dominikanerkloster Marienau oder Marien·Aue zu Meldorf "ganz Unrichtiges" ausgeführt hatte, das er aufgrund einschlägiger Quellen- und Litera· turkenntnis durchaus richtig hätte darstellen können. Hierzu: A. L:. J. Michelsen, Zur Klostergeschichte Dithmarschens, Jbb. für die Landeskunde der Herzogthümer Schles· wig, Holstein, Lauenburg 9 (1867) 263·283, bes. 266·268. 6 Das gilt namentlich für die Aufsicht über das Franziskanerkloster zu Lunden, die er

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Es dürfte mittlerweile an der Zeit sein, die vornehmlich von ihnen, partiell aber auch von anderen im Rahmen kirchen-, landes- und heimatgeschichtlicher Studien zu Tage gefOrderten Namen, Daten und Fakten prosopographisch, ereignis- und verlaufsgeschichtlich zu erfassen, in den Kontext der Ordens- wie der Regionalgeschichte einzuordnen und monographisch darzustellen. Dieser Aufgabe kann und soll hier nicht vorgegriffen werden. Die folgenden Ausfiihrungen werden sich darauf beschränken, den bislang vernachlässigten engen profan- und kirchengeschichtlichen Zusammenhang des Themas zu erörtern und die Klöster über ihre spezifische Ordensbindung hinaus vor allem als Stiftungen und Einrichtungen des Landes Dithmarschen zu behandeln, das unter den freibäuerlichen Landgemeinden der Seelande an der südöstlichen Nordsee bei aller typischen Übereinstimmung eine beachtliche historische Eigenentwicklung genommen hatte. 7 Es gehörte zur Landesherrschaft des Erzbischofs von Bremen, hatte aber seit dem Hochmittelalter auf der Ebene der Kirchspiele eine weitgehend autonome genossenschaftliche Gemeindeverfassung ausgebildet und befand sich seit dem 14. Jahrhundert auf dem Weg zu einer selbständig regierten fOderativen Bauernrepublik. Im Spätmittelalter formierten sich als zentrale Organe der Konföderation der Kirchspiele die rund 500köpfige Repräsentation der Landesversammlung und der zunächst noch unbestimmte Kreis der Landesvertreter der Ratgeber (radgever, consules), der um die Mitte des 15. Jahrhunderts im Kollegium der "achtundeveertich man" feste Gestalt annahm. Die 48 erscheinen zunächst im Zusammenhang der Aufzeichnung des Dithmarscher Landrechts 1447 als "Richter" und "Ratgeber", im letzten Viertel des 15. und im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts als "Verweser" und in dem halben Jahrhundert bis zur Erobedurchweg nach C. Roljs, Die Zustände in Dithmarschen zur Zeit Heinrich von Zütphens, Ib. des Vereins für Dithmarscher Landeskunde 5 (1925) 12, nicht aber nach der ihm ebenfalls bekannten, deutlich davon abweichenden maßgeblichen Quelle, der Urkunde Papst Leos X. vom 4. 2. 1517 (Acta Pontificum Danica. Pavelige Aktstykker vedmrende Danmark 1316-1536, Bd. 7: Supplementum. hg. v. A. Krarup, Hauniae 1943, 713, Nr. 6377), beschreibt (Freytag, Klöster in Dithmarschen [wie Anm. 4], 12; Ders., Geschichte der Klöster [wie Anm. 2], 86; Ders., Klöster als Zentren kirchlichen Lebens [wie Anm. 4], 175), oder für die ungeprüfte Übernahme nicht belegter Mitteilungen (s. Ders., Klöster in Dithmarschen [wie Anm. 4], 89). 7 Hierzu bes.: B. H. Schlicher van Bath, Problemen rond de Friese middeleeuwse geschiedenis, in: Ders., Herschreven Historie. Schetsen en studien op het gebied der middeleeuwse geschiedenis, Leiden 1949,259-280; H. Aubin, Von den Ursachen der Freiheit der Seelande an der Nordsee, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse 1948/1, 27-45; H. Stoob, Landausbau und Gemeindebildung an der Nordseeküste im Mittelalter, in: Die Anflinge der Landgemeinde und ihr Wesen 1, hg. v. T Mayer (VuF 7), Konstanz - Stuttgart 1964, 365-422; K. Krüger, Die landschaftliche Verfassung Nordelbiens in der Frühen Neuzeit: Ein besonderer Typ politischer Partizipation, in: Civitatum Communitas. Studien zum europäischen Städtewesen. Festschrift für Heinz Stoob zum 65. Geburtstag, 2 Bde., hg. v. H. Jäger / F Petri / H. Quirin, Köln - Wien 1984,11,458-487.

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rung und Unterwerfung durch die Herzöge von Holstein im Jahre 1559 als "Regenten" und "Herren", nach der Reformation sogar als "Obrigkeit" des Landes. 8 Der Wandel ihrer offiziellen Bezeichnung verdeutlicht sinnfällig den Zuwachs an herrschaftlicher Kompetenz. Die Gerichts- und Regierungsgewalt der achtundvierzig Regenten blieb freilich kollegial ausgeübte, an Rat und Votum der Landesversammlung gebundene Herrschaft aus gemeindlich-genossenschaftlicher Wurzel. Sie war überdies durch die älteren Kirchspiele und die noch älteren Geschlechterverbände erheblich eingeschränkt. Bildeten jene starke föderative Gegengewichte, so besaßen diese als archaische Schwur- und Fehdegemeinschaften auf die inneren Machtverhältnisse und die rechtliche Ordnung des Landes maßgeblichen Einfluß, der auch nach dem 1495 auf dem Reichstag zu Worms verabschiedeten "Ewigen Landfrieden" Maximilians I. andauerte und erst infolge der Reformation gebrochen werden konnte. 9 Daß die städtisch geprägten Mendikantenorden der Dominikaner und der Franziskaner in einer bäuerlichen Landgemeinde Fuß gefaßt und Konvente gegründet haben, mag allenfalls auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen. In der einschlägigen Literatur ist wiederholt auf die Gleichzeitigkeit und strukturelle Gleichartigkeit von städtischer und freibäuerlicher Gemeindebildung, namentlich auf die Analogie von consules und universitas verwiesen worden. Heinz Stoob betont darüber hinaus eine auffiUlige Parallele im Verhältnis der Städte und der Landgemeinden zur Landesherrschaft, aber auch im großen Kirchbau sowie im "Mauerbau hier und Deichbau dort".10 Schließlich lenkt er die Aufmerksamkeit auf die den freibäuerlichen Landgemeinden der Seelande, der Niederlande und der Eidgenossenschaft gemeinsame Interdependenz von innerer Verfassungsentwicklung und äußerer BUndnispolitik mit benachbarten Städten. Er verdeutlicht diesen Zusammenhang insbesondere am Verhältnis des Landes Dithmarschen zu den Hansestädten Lübeck, LUneburg und Hamburg. 11 Auch darf hier nicht unerwähnt bleiben, daß die Prediger- und Minderbrüder sich in Dithmarschen nicht irgendwo auf dem Lande, sondern an bedeutenden Orten niedergelassen hatten. Das Kloster der Dominikaner war in Meldorf, dem alten Hauptort des Landes, gegründet worden, dem der Erzbischof von Bremen um die Mitte des 13. Jahrhunderts das Stadtrecht verliehen hatte, das der Fran8

H. Stoob, Geschichte Dithmarschens im Regentenzeitalter, Heide in Holstein 1959,

40-137.

9 H. Stoob, Die dithmarsischen Geschlechterverbände. Grundfragen der Siedlungsund Rechtsgeschichte in den Nordseemarschen, Heide in Holstein 1951, bes. 157-167; Ders., Dithmarschens Kirchspiele im Mittelalter, Zs. der Gesellschaft rur SchleswigHolsteinische Geschichte 77 (1953) 97-140, bes. 109-112. 10 Stoob, Landausbau und Gemeindebildung (wie Anm. 7), 415. 11 H. Stoob, Dithmarschen und die Hanse, Hansische Geschichtsblätter 73 (1955) 117-145; Ders., Hansehaupt und Bauernstaat. Dithmarschen und Lübeck im Mittelalter, Zs. des Vereins rur Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 38 (1958) 5-24.

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ziskaner im nördlichen Kirchort Lunden, der seit langem - in Rivalität zu Meldorf - nach dem Stadtrecht gestrebt und es schließlich gut ein Jahrzehnt nach dem Einzug der Mönche im Jahre 1529 nach Meldorfer Vorbild vom Lande erhalten hat. Meldorf und Lunden waren die einzigen Städte der Bauernrepublik, sie glichen freilich mehr - wie Heide, das um die Mitte des 15. Jahrhunderts neuer Hauptort des Landes geworden war - dem Typus des Marktfleckens mit ackerbÜTgerlicher Einwohnerschaft. Gleichwohl waren die Klöster keine Einrichtungen der Städte oder Kirchspiele Meldorf und Lunden, sondern des ganzen Landes und als solche weit enger als andernorts gemeinhin üblich mit seiner Geschichte und seinem Schicksal verbunden. Mehr noch als die regional- und lokalgeschichtlichen Umstände und die verfassungs- und beziehungsgeschichtlichen Analogien, Affmitäten und Zusammenhänge flUlt die spätmittelalterliche Laienfrömmigkeit des "Marienlandes" Dithmarschen ins Gewicht. In den einschlägigen Selbstzeugnissen der Bauernrepublik gilt die Mutter Gottes von jeher als ihre Landespatronin und höchste Schutzheilige. 12 Auf Gott und sie fiihrten die Kirchspiels- und Landesvertreter 1447 unmittelbar die Freiheit des Landes zurück: "de vrigheit unses landes, de god alleweidich vnde de erwerdige moder Christi de hochgelouede junkfrowe Maria vns gegeuen hebben".13 Ihrer Fürbitte dankte das Land die spektakulären Siege von 1319, 1404 und 1500 über die holsteinische Fürstenmacht, durch die seine Freiheit eindrucksvoll verteidigt und bewahrt worden war. Und mit ihrem Namen ist auch die Geschichte der Klöster des Landes untrennbar verknüpft. Das Dominikanerkloster in Meldorftrug den Namen "Mergenowe" (Marienau), das Benediktinerinnenkloster in Hemmingstedt wurde - wie es in der Stiftungsurkunde heißt - "vnszer leuen fruwen closter geheten",14 und das Franziskanerkloster in Lunden ist an seiner Stelle und in seiner Nachfolge gegründet worden. Die einschlägigen Quellen, allen voran die Urkunden und Akten der Klöster, sind wahrscheinlich schon mit der Reformation bis auf weniges verlorengegangen; und was danach noch im Lande vorhanden oder in Erinnerung geblieben war, ist von der Chronistik des Konfessionellen Zeitalters, namentlich von Neocorus, im Kontext oder im Geiste protestantischer Parteilichkeit überliefert worden. Die zweifellos wichtigste Quelle ist die in den Notizen und Bruchstükken Johann Russes erhaltene "Copie einer schrift der bröder des klosters tho 12 K. Schreiner, Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin, München 1994, 383f; N. R. Nissen, Staat und Kirche in Dithmarschen, Heide in Holstein 1994, 56, 83; R. Hansen, Marienland Dithmarschen. Die Mutter Gottes als Schutzheilige der Bauernrepublik, in: Geschichte und Museum. Festschrift für Nis RudolfNissen zum 70. Geburtstag, hg. v. S. Götlsch / W Könenkamp / K. D. Sievers, Kiel 1995, 23-43. 13 VB zur Geschichte des Landes Dithmarschen, hg. v. A. L. Michelsen, Altona 1834, ND Aalen 1969,39, Nr. XXIX. 14 VB zur Kirchengeschichte Dithmarschens, besonders im 16. Jahrhundert, gesammelt und hg. v. C. Rolfs, Kiel 1922, 25, Nr. 13.

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Mergenowe", die vermutlich zwischen 1540 und 1550 angefertigt worden ist. 15 Die verschollene Schrift selbst dürfte nicht vor 1500, aber auch nicht nennenswert später entstanden sein, da sie offenbar auf den Sieg der Dithmarscher bei Hemrningstedt anspielt. Sie ist bereits 1733 von Anton Vieth 16 und 1745 von Ernst Joachim von Westphalen 17 mit einigen willkürlichen Abweichungen in unterschiedlicher, teils fehlerhafter Transkription veröffentlicht worden und hat in der Wiedergabe bei Kolster und Freytag ein paar sachliche und textkritische Erläuterungen, Ergänzungen und Korrekturen erfahren. 18 Eine modeme kritische Edition und umfassende historische Interpretation des Textes, insonderheit seiner zum Teil falschen oder widersprüchlichen Datierungen, steht noch aus. Der Zusammenhang, dem die Schrift entstammt, ist nicht näher bekannt, kann aber zumindest teilweise aus dem Text erschlossen werden. Es handelt sich um eine kurze Aufzeichnung der wechselseitigen Gelöbnisse und Verpflichtungen des Landes Dithmarschen und des Dominikanerklosters Marienau in Meldorf sowie ihrer konkreten Einlösungen seit der Schlacht von Oldenwöhrden im Jahre 1319. Die Schlacht selbst wird - wie zumeist in der älteren Chronistik - irrtümlicherweise in das Jahr 1322 bzw. 1303 datiert. Als seinerzeit die Kirche zu Wöhrden gebrannt habe, heißt es dort, hätten die Ratgeber und Vorsteher des Landes gelobt, "dat se wolden helpen holden Geistlicke Kloster tho Mergenowe mit dögenden und mit Ehren und hätten demselben Kloster schriftlich zweimal im Jahr die Bede über ihr Land versprochen. Darüber habe das Kloster Briefe und Siegel. Während der Schlacht in der Hamme 1404 hätten Ratgeber und Vorsteher das Gelöbnis erneuert und versprochen, es ohne Verzögerung zu erfilllen. Infolgedessen habe das Kloster von ihnen im einzelnen aufgefiihrte wertvolle Kleinode erhalten, auf daß "Gott und Maria dat Land to Dithmarschen scholde behöden und bewaren to langen Tyden, alse he vormals hefft gedahn und nachmahis schall sehen". Der Prior und alle Brüder des ganzen Konvents hätten daraufhin gelobt, den Dithmarschern wöchentlich sieben

15 Det Kongelige Bibliotek Kobenhavn, Thott 1802,4°, 136-138. Dazu: R. Hansen, Der dithmarsische Chronist Johann Russe und seine Vorgänger, in: Zs. der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 29 (1899) 18, B 37. 16 A. Vieth, Beschreibung und Geschichte des Landes Dithmarschen oder Geographische, Politische und Historische Nachricht vom bemelten Lande, Hamburg 1733, 288f.; danach: Freytag, Klöster in Dithmarschen (wie Anm. 4), 6. 17 Monumenta inedita rerum Germanicarutn praecipue Cimbricarum et Megapolensium, hg. v. E. J von Westphalen, Bd. 4, Leipzig 1745, Sp. 1455f.; danach: Kolster, Klöster Dithmarschens (wie Anm. 3), 43-45. 18 Kolster, Klöster Dithmarschens (wie Anm. 3), 43-50, freilich mit dem erheblichen Irrtum, "Mergenowe" noch nicht im Anschluß an die zeitgenössische Quellenkritik als Marienau zu lesen, sondern weiterhin mit Mame gleichzusetzen, s. o. Anm. 5 - das gilt ebenfalls für die Belege der nachfolgenden Anmerkung; Freytag, Klöster in Dithmarschen (wie Anm. 4), 6f. Hieran halten sich im wesentlichen die folgenden Zitate der Schrift aufgrund des Textes bei Vieth, Beschreibung und Geschichte (wie Anm. 16).

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detailliert bezeichnete Messen zu halten. Dieses Gelöbnis sei, "do dat Land gewunnen was", um eine monatliche Prozession erweitert worden.

11. Die Anfänge des Dominikanerklosters liegen im dunkeln. Sie werden meist aufgrund der "schrift der bröder des klosters tho Mergenowe" mit dem Gelöbnis der Landesvertreter während der Schlacht von Oldenwöhrden in Verbindung gebracht.!9 Der Text läßt indes auch eine ältere Datierung ZU20, ja er legt sie sogar nahe. Ihr scheint allerdings entgegenzustehen, daß der Konvent in den Klosterverzeichnissen der Provinz Saxonia des Dominikanerordens erst 1380 erwähnt wird?! Dieser Widerspruch ließe sich auflösen, wenn man die Klostergründung nicht auf ein Datum reduziert, sondern als längeren, vielleicht sogar langwierigen Vorgang begreift und die erste Niederlassung von Predigerbrüdern in Meldorfvon der dauerhaften Errichtung des Konvents "tho Mergenowe" und diese wiederum von seiner endgültigen Anerkennung durch das Generalkapitel des Ordens sowie der ersten Registrierung in den Verzeichnissen der Provinzkapitel unterscheidet. 22 Es ist durchaus nicht von der Hand zu weisen, daß die Dominikaner - wohl von Bremen, Hamburg oder Lübeck aus - schon vor 1319 nach Meldorf gekommen sein und dort eine Niederlassung, anfänglich vielleicht auch nur eine auswärtige Terminei angelegt haben könnten. Wie dem auch sei, weitaus bedeutender, ja entscheidend fiir unser Thema ist das Gelöbnis der Rat19 Kolster, Klöster Dithmarschens (wie Anm. 3), 47; Ders., Dominicanerkloster in Meldorf (wie Anm. 3), 261; H. von Schubert, Kirchengeschichte Schleswig-Holsteins aufgrund von Vorlesungen an der Kieler Universität (Schriften des Vereins fiir Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, 1. Reihe: größere Publikationen 3), Kiel 1907, 307; Freytag, Klöster in Dithmarschen (wie Anm. 4), 7; Ders., Geschichte der Klöster (wie Anm. 2), 83; G Köppen, Die Kirche in Dithmarschen im Mittelalter bis zum Vorabend der Reformation, Schriften des Vereins fiir Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, 2. Reihe: Beiträge und Mitteilungen 34/35 (1978/79) 61-109, bes. 85; W. Seegrün, Heinrich von Zütphen - seine Ideen, sein Feuertod und Dithmarschens Weg einer Gemeindereformation, Beiträge und Mitteilungen des Vereins fiir katholische Kirchengeschichte in Hamburg und Schleswig-Holstein 3 (1990) 105-123, bes. 109. 20 Ro/fs. Zustände in Dithmarschen (wie Anm. 6),26, vermutet gar 1227. R. Chalybaeus, Geschichte Dithmarschens bis zur Eroberung des Landes im Jahre 1559 mit einer Karte des Landes Dithmarschen, Kiel - Leipzig 1888, ND Leer 1973, 114, erwägt anstelle der Gründung eines neuen Klosters den Neubau oder die "Erweiterung des alten". 21 P. von Loe, Statistisches über die Ordensprovinz Saxonia (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 4), Leipzig 1910, 12. 22 Dies war, wenn auch nicht über einen so langen Zeitraum, durchaus üblich - s. hierzu: W. P. Eckert, Geschichte und Wirken des Dominikanerordens in Westfalen, in: Monastisches Westfalen. Klöster und Stifte 800-1800. Ausstellungskatalog, hg. v. G. Jaszai, 4Münster 1982, 113-123, bes. 117.

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geber und Vorsteher des Landes im Jahre 1319, daß sie helfen wollten, "Geistlicke Kloster tho Mergenowe" mit Ehrerbietung und zweimaliger Bede über ihr Land pro Jahr zu unterhalten. Damit war das Dominikanerkloster zu Meldorf, ob nun bereits formal gegründet oder noch nicht, der Reverenz und materiellen Sorge des Landes versichert worden, hatte es die offizielle Bedeutung einer mit Brief und Siegel verbürgten Angelegenheit ganz Dithmarschens erhalten. Der Einfall des Grafen von Holstein und die Schlacht von Oldenwöhrden ereigneten sich in vigilia beate Marie virginis/ 3 am Vortag von Mariae Geburt (7. September). Im Jahre 1403 fiel erneut ein holsteinisches Heer in Dithmarschen ein, diesmal an Mariae Himmelfahrt (15. August), um mitten im Lande eine feindliche Burg zu errichten, die den Namen "Marienborch" erhielt. Beide Daten und der Name der Burg waren mit Bedacht gewählt worden und sollten die Segenswirkungen der Mutter Gottes in Anspruch nehmen. 24 Für das "Marienland" Dithmarschen waren sie indes eine Provokation. Als sich die Situation im Jahre 1404 zur Schlacht in der Hamme zuspitzte, erneuerten die Landesvertreter das Gelübde vom Jahre 1319 und versprachen - wie es in der Schrift der Brüder des Klosters Marienau heißt - feierlich, "alsulcke Loffie to holden, und dem Kloster to Mergenowe eer Almissen to geven, alse in Vortiden belavet was sunder Vortreck". Die Bede wird hier offenbar in der Bedeutung einer geistlichen Stiftung als "Almosen" filr das Mendikantenkloster präzisiert und soll, was nicht immer der Fall gewesen zu sein scheint, ohne Verzug entrichtet werden. Die Schlacht in der Hamme fand am 4. August, dem St.-Dominikus-Tag und den Vigilien des St.-Oswald-Tages statt. Der Heilige Oswald wurde nach dem abermaligen Sieg über das holsteinische Fürstenheer neben der Mutter Gottes zum Schutzheiligen des Landes und sein Namenstag zum hohen Festtag erhoben, der - wie das Dithmarscher Landrecht von 1447 bei hohen Brüchen vorschrieb - von jedermann wie der Ostersonntag begangen werden sollte. 25 Dem Heiligen Dominikus zu Ehren wurde im ganzen Lande gesungen: "Gade scbölen wy lawen, de uns heffi gesandt Den goden Sanct Dominicum, den wahren Heiland, De an sinem Dage heffi unse Land, Gnädiglich behödet mit siner Vaderhand. Kyrie Eleison".26 23 Mecklenburgisches UB 4: 1313-1321, hg. v. dem Verein rur Mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde, Schwerin 1870, 586, Nr. 4252; Koister, Klöster Dithmarschens (wie Anm. 3),47; Ders., Dominicanerkloster in Meldorf (wie Anm. 3), 261,264. Ansonsten wird der Tag der Schlacht von Oldenwöhrden in der Regel irrtümlicherweise mit dem der Schlacht in der Hamme 1404 (4. August) verwechselt - s. - mit Ausnahme Koisters - die Belege in Anm. 19. 24 Schreiner, Maria (wie Anm. 12), 388; Hansen, Marienland Dithmarschen (wie Anm. 12),40. 25 Ebd., 26f. 26 Koister, Klöster Dithmarschens (wie Anm. 3), 52; Freytag, Klöster in Dithmar-

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Sein Ordenskloster Marienau genoß nunmehr höchstes Ansehen und wurde vom Lande mit wertvollen Weihegaben ("Klenodien,,)27 ausgestattet, damit wie es in der Schrift der Brüder heißt - Gott und Maria das Land Dithmarschen auf lange Zeit behüten und bewahren sollten. Das Kloster habe daraufhin in Gestalt des Priors und aller Brüder des ganzen Konvents sein feierliches Versprechen abgegeben, dem Lande wöchentlich sieben Messen zu halten: zwei Seelenmessen für die beim Brand der Kirche von Oldenwöhrden und in der Hamme Erschlagenen, eine weitere tUr alle guten Freunde, die auswärts auf dem Wasser oder in fremden Landen ums Leben kämen, weiterhin zwei Messen ftir den heiligen Leichnam des Herrn Jesu Christi mit Prozession "umme Hof to gande" und zwei am Sonnabend filr die Mutter Gottes, damit sie das Land bewahre und ihm seine Tugend wie seinen Mut erhalte. Die periodische Entrichtung der Bede ("Almissen") seit 1319 und die Übergabe der Kleinode von 1404 erscheinen mithin nicht als bloße Schenkung, sondern als zweckgebundene geistliche Stiftung des Landes ftir Memorien, Gottesdienst, Prozession und Marienverehrung. Die Schrift der Brüder läßt keinen Zweifel an dem für die Bauernrepublik wie ftir das Kloster zentralen gemeinsamen Zweck, eine wirksame Heils- und Schutzeinrichtung zu bilden, die gleichermaßen dem Seelenheil wie der Landesverteidigung dienen soll. Die Ratgeber und Vorsteher des Landes versprechen und überbringen 1404 die Gabe (Date, datio) des Landes, auf daß "Gott und Maria dat Land to Dithmarschen scholde behöden und bewaren to langen Tyden". Und Prior und Konvent geloben dem Lande mit der Zelebration sieben spezifischer Messen pro Woche geistlichen Beistand, der über Seelsorge weit hinausgeht, indem er letztlich das Land und seine Bewohner meint und insonderheit datUr sorgen soll, den bewährten segensreichen Schutz Marias zu erhalten, damit "de Moder Gades dat Land wille bewahren und in dögeden und in ehrem mote sparen". Die Schrift der Brüder des Klosters Marienau enthält zwei Hinweise, die über die Schlacht von Oldenwöhrden und die Schlacht in der Hamme hinausweisen und offenbar auf die Schlacht bei Hemmingstedt 1500 anspielen. Gott und Maria, heißt es im Zusammenhang der dem Kloster 1404 überreichten Gaben, sollten das Land auf lange Zeit behüten und bewahren, "alse he vormals hefft gedahn und nachmahis schall sehen". Und zum Schluß der Schrift heißt es, das Gelöbnis von Prior und allen Brüdern des Konvents aus dem Jahre 1404 sei, "do dat Land gewunnen was", um eine monatliche Prozession erweitert

sehen (wie Anm. 4), 8; beide korrigiert nach Vieth. Beschreibung und Geschichte (wie Anm. 16), 288. 27 Die "Schrift der Brüder des Klosters Marienau" fUhrt im einzelnen auf: I. ein zwei Ellen hohes und eine Elle breites silbernes Kreuz, dessen quadratischer Fuß von vier Engeln gebildet wurde, 2. einen Kelch aus reinem Gold von einem Pfund Gewicht, 3. ein Missal mit allen Noten, das fUr 300 Rheinische Gulden erworben worden war.

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worden. Da nämlich hätten sie gelobt, am ersten "Friedach in dem nyen Maent um Hof to gaande mit unser leven Fruen-Bilde und mit dem hilligen Lichnam also in Vortiden gelavet is". Letzteres kann sich nur auf die Prozession der beiden Messen rur den heiligen Leichnam des Herrn beziehen, der feierliche Umzug auch mit dem Bild der Mutter Gottes war indes eine Neuerung. Mit der Schlacht bei Hemmingstedt war das Dominikanerkloster Marienau offensichtlich in eine tiefe Krise geraten. Als das nach Ausrüstung und Anzahl dem rurstlichen Heer weit unterlegene Aufgebot der Bauern sich in äußerster Not befand, hatte es wiederum die höchste Schutzheilige des Landes um Hilfe angerufen und ihr feierlich gelobt, sollten sie jetzt die Überhand behalten, ihr ein Kloster bauen zu wollen. Ein zeitgenössisches Lied hat den Hilferuf und das Gelöbnis in eindringlichen, schlichten Versen überliefert: "Nu help Maria, du Maget rein, Wy laven dy mit gantser Truwen: Beholden wy nu de Averhant, Ein Kloster willen wy dy buwen,,!28

Der Chronist des Landes Neocorus schreibt ein Jahrhundert später, freilich unter Ausblendung des Anrufs und des Gelöbnisses, ihr zu Ehren und in der Hoffnung auf ihre Hilfe sei eine Jungfrau zur Bannerfilhrerin bestellt und ein Kruzifix in großer Andacht und Demut aufgestellt worden. 29 Das Dominikanerkloster ihres Namens, das seit 1404 wöchentlich fiir das ganze Land zwei Messen zu ihren EhTen zelebrierte, findet in diesem Zusammenhang in der gesamten einschlägigen Überlieferung keinerlei Erwähnung. Die Erklärung hierfiir dürfte die Verlaufsgeschichte vom Einfall des feindlichen Heeres bis zur Schlacht bieten. Die Herzöge von Schleswig und Holstein, der dänische König Johann und sein Bruder Friedrich, waren am 11. Februar 1500 mit überwältigender Heeresmacht in Dithmarschen eingefallen und hatten am dritten Tag Meldorf eingenommen. Die Stadt und die umliegenden Dörfer waren geplündert, und an der zurückgebliebenen Bevölkerung, hauptsächlich Frauen, Kindern und Alten, war ein grausames 'Massaker verübt worden, das im ganzen Lande große Erregung auslöste. Der lübische Chronist Reimar Kock ist noch bei der Niederschrift der Ereignisse nach knapp einem halben Jahrhundert über die "Herodiansche Tyrannie" entsetzt. 30 Das Heer blieb bis zum 16. Februar in Meldorf. Der König, der Herzog und der Kriegsrat hatten - der 28 Johann Adolfi 's, genannt Neocorus, Chronik des Landes Dithmarschen. Aus der Urschrift hg. v. F C. Dahlmann, 2 Bde., Kiel 1827, 11, 561 - s. auch ebd., I, 513, und 501f, 505, 507, 512-515. 29 Ebd., I, 469. 30 W Lammers, Die Schlacht bei Hemmingstedt. Freies Bauerntum und Fürstenmacht im Nordseeraum. Eine Studie zur Sozial-, Verfassungs- und Wehrgeschichte des Spätmittelalters, Heide in Holstein 1953, 132f.

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Überlieferung zufolge - Quartier in dem nach der Kirche größten Gebäude der Stadt genommen: dem Kloster. Dort hätten am Sonnabend, dem 15. Februar, die beiden Messen "van unser leven Fruwen" gehalten werden sollen. Ob dies geschehen ist, entzieht sich der historischen Kenntnis. Die Überlieferung - wiederum ein zeitgenössisches Lied - weiß nur von filrstlichen Tafelfreuden zu berichten: "Se tögen aldar tho Meldorp drade, To Meldorpe in dat Kloster, Dar eten se dat Kruth, dar drunken se de Meden, Dar eten se de schonen wilden Braden, Unde do se wol geteret hadden, Do scholden se dar van Staden, Se togen aldar vor Hemmingstede".31

Was auch immer sich in Marienau zugetragen haben mochte, die Kunde, die vom Gelage der Fürsten und dem Gemetzel der Landsknechte aus der Stadt an den Ort des Kampfgeschehens bei Hemmingstedt gedrungen war, mochte ausgereicht haben, um der Mutter Gottes nicht wie 1404 die Garantie und weitere Ausstattung des alten, sondern den Bau eines neuen Klosters zu geloben. 32 Nach der siegreichen Schlacht beeilten sich die Dithmarscher sogleich, Meldorf wiedereinzunehmen. Dabei fiel ihnen alles in die Hände, was in der Eile des fluchtartigen Aufbruchs hatte zurückgelassen werden müssen: neben dem geraubten Gut, großen Mengen an Proviant und Kriegsgerät auch die Fahnen und Banner, 31 Neocorus, Chronik (wie Anm. 28), 521. 32 Seegrün. Heinrich von Zütphen (wie Anm. 19) datiert das Gründungsgelübde bereits auf den Vortag des Einfalls in Dithmarschen, den 10. Februar 1500, freilich nicht aufgrund der einschlägigen Quellen, sondern allein mit dem Hinweis, daß es sich hierbei um den Gedenktag der heiligen Scholastica handele, die "als Schwester Benedikts die geborene Patron in aller Benediktinerinnenklöster" sei (ebd., 109). Das wenige, was die Chronistik und die Lieder überliefert haben, spricht jedoch eher fiir den Tag der Schlacht, s. bes. Neocorus, Chronik (wie Anm. 28), I, 469f., 512f.; 11, 561; zum Quellenwert der Lieder: Lammers, Schlacht bei Hemmingstedt (wie Anm. 30), 142-144. Neocorus erwähnt ausdrücklich den Einfall des feindlichen Heeres in Dithmarschen am ,,11. Monatzdach Februarii, alB DingeBdages nha B(eatae). Scholasticae der Jungfrouwen, welker de 10. Februarii Calenderhillich gemaket" (I, 461), stellt aber keinerlei Zusammenhang mit dem Gründungsgelübde her, das er im übrigen übergeht. Die Stiftungsurkunde aus dem Jahre 1502 bekräftigt indes das Zeugnis des zitierten Liedes. In ihr bekundet das Land, daß es Gott und Maria die Gründung des Klosters gelobt habe, als es sich "dorch marklike noth, ouermoth vnd anfal in drepliken fruchten" befunden habe (UB zur Kirchengeschichte Dithmarschens [wie Anm. 14],25, Nr. 13). Die Gründungsurkunde aus dem Jahre 1503 ist in diesem Zusammenhang noch ausfiihrlicher und spricht ausdrücklich auch vom grausamen Massaker (uxoribus et !iberis interjici), das sich frühestens am 3. Tage nach St. Scholastica ereignet haben kann (ebd., 27, Nr. 14). Die Datierung des Gelübdes am 17. Februar dürfte mithin der historischen Wirklichkeit am nächsten kommen. Sie kann zudem die bemerkenswerte Übergehung des Meldorfer Klosters und das Gelübde zur Gründung eines neuen triftiger erklären als die am 10. Februar, da sie sich verständlicher in das zwischen beiden Daten liegende Geschehen einfiigt. 38 Festschrift Elm

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selbst das Hauptbanner des Königs, der Danebrog, der auf dem Kirchturm gehißt worden war, sodann die Kammerwagen beider Fürsten, 25 große silberne Fässer, goldene und silberne Humpen, darunter der sehr schöne goldene Becher Herzog Friedrichs, und eine Menge goldenen und silbernen Geschirrs. 33 Den letztgenannten Teil der Beute wird man wohl, auch wenn die Quellen darüber schweigen, im eilig verlassenen filrstlichen Quartier zu vermuten haben. Daß es sich dabei tatsächlich um das Kloster gehandelt haben dürfte, legt insbesondere auch der quellenmäßige Befund nahe, daß es ganz offensichtlich vom Massaker und von den Plünderungen verschont geblieben ist, die selbst die Kirche der Stadt über sich hatte ergehen lassen müssen. 34 Wenn schon nicht in den erzählenden Quellen, in der Schrift der Brüder wäre dergleichen gewiß angefilhrt worden. Gerade sie aber sagt bezeichnenderweise nichts über die Vorgänge im Kloster nach der Eroberung der Stadt aus und verweist nur andeutungsweise auf den Sieg bei Hemmingstedt, indem sie die weitere Behütung des Landes durch die Mutter Gottes nach 1404 und das Gelöbnis einer zusätzlichen Prozession erwähnt, "do dat Land gewunnen was".

111. Bereits Wilhelm Heinrich Kolster hat bemerkt, daß die Schrift eine defensive Haltung verrät, und sie daher nach 1500 und vor 1524, dem Jahr des Märtyrertodes Heinrichs von Zütphen in Dithmarschen, eingeordnet. Seine Charakterisierung der Schrift als ,,Auszug aus einem gerichtlichen Aktenstücke oder einen Protokollextrakt filr solches" und ihre Datierung in das Jahr 150635 erscheinen nicht hinreichend begründet; sie bedürften eingehender Diskussion, können hier jedoch im Rahmen des gestellten Themas übergangen werden. Seine allgemeine Einordnung erscheint indes überzeugend und fUgt sich durchaus triftig in den historischen Kontext nach der Schlacht bei Hemmingstedt ein. Die Brüder des Dominikanerkonvents zu Marienau scheinen in der Tat um den privilegierten Status ihres Klosters besorgt zu sein und rechtfertigen ihn in knapper historischer Darstellung. Dabei wird die Veränderung gegenüber 1319 und 1404 offensichtlich: 1319 gelobt das Land zu Gunsten des Klosters, 1404 wird ein wechselseitiges Gelöbnis ausgesprochen und eingelöst, 1500 gelobt nur noch das Kloster. War es bislang das einzige des Landes gewesen, so sollte ihm nunmehr ein weiteres an die Seite treten.

33 34

35

Neocorus, Chronik (wie Anm. 28), I, 488f. Lammers. Schlacht bei Hemmingstedt (wie Anm. 30), 132. Kolster, Klöster Dithmarschens (wie Anm. 3), 45f.

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Über die näheren Umstände der Stiftung und Gründung des Benediktinerinnenklosters in Hemmingstedt sind wir äußerst spärlich unterrichtet. Die Ortswahl dürfte die Schlacht selbst präjudiziert haben, und eine gewisse Vorentscheidung fiIr ein Nonnenkloster mag in dem Keuschheitsgelübde der jungfräulichen Bannerfilhrerin zu sehen sein. Sie sei, schreibt Neocorus, "in de Ehre unnd vorhapende Hulpe Marien bestellet" worden und habe "Got Almechtigen vor ehr Vaderlande ewige Jungfrowschop gelavet".J6 Weiterhin berichtet er, daß die Dithmarscher zum Dank fiIr die Wohltaten Gottes nach dem Sieg über das angeblich unüberwindliche Heer der Fürsten ein "herlich Kloster" bei Hemmingstedt errichtet, es reichlich mit Gütern, Renten und Einkünften versorgt und dabei einen großen Teil des Siegesguts verwandt hätten. Auch teilt er den Eintritt der mutigen Bannerfilhrerin in das Kloster mit. Für ihn war die "stridbare unnd manhaffie HeIdin" dort freilich nur "vorschlaten", mithin vor der Welt und dem Leben weggeschlossen worden. Andere Frauen hätten sich "uth vormeinter christliker Andacht" dazugesellt. J7 Der lutherische Geistliche Neocorus zeichnet sich in seiner Darstellung der historischen Ereignisse durch offene konfessionelle Parteilichkeit aus, die insbesondere in seinen unverhohlenen Werturteilen über Heiligenverehrung und klösterliches Leben zum Ausdruck kommt. Das Patronat der Heiligen, ihre Mittlerschaft und Fürbitte galten ihm als papistisch, abergläubisch und verlogen. Den Sieg bei Hemmingstedt fiihrte er daher ausschließlich auf das unmittelbare Eingreifen Gottes zurück. Das vielfach bezeugte Marieniob der Dithmarscher, ihren inständigen Anruf der Mutter Gottes samt ihrem Gelöbnis in der Schlacht und schließlich den Dank des Landes an seine Schutzpatronin fiir Beistand und Hilfe werden in der eigenen Darstellung stark abgeschwächt, wenn nicht mit Stillschweigen übergangen und bei der Wiedergabe zeitgenössischer Quellen, insbesondere der Lieder, meist abwertend kommentiert. J8 Das klösterliche Leben gilt ihm nur als vorgebliche oder vermeintliche vita religiosa, ja als 36 Neocorus, Chronik (wie Anm. 28), I, 469. Er preist sie in den geläufigen zeitgenössischen Geschlechterstereotypen. Er stellt ihr löbliches Exempel noch über den eigentlichen Helden der Schlacht Wulf Isebrandt: "Noch vele mehr averst steith tho röhmen de dögentsame und ehrliche Junngfrouw, so uth Hogenworden, im Carspel Oldenworden, gewest unnd nicht nha Fruwen Art jemmerlich geweinet, geklagt unnd siek erbermlich angestellet, sondern Got Almechtigen vor ehr Vaderlande ewige Jungfrowschop gelavet, sich vorne an der Spitze gewagt unnd den Banner geföret, dar doch datsulve ein schwake Werktuch, dan se nicht allein ehr Geschlechte edder Fruwenspersonen, sondern ock Mennern mit ehrem standthaffiigen Mannes-Herten eine Anleidung gegeven unde Mott gemaket etc." Der humanistisch gebildete Chronist zieht dann Parallelen zu Sparta (ebd., 469f). Und als lutherischer Geistlicher beklagt er im Zusammenhang ihres Eintritts in das neu gegründete Benediktinerinnenkloster in Hemmingstedt, "dat de stridbare unnd manhaffie Heidin in dat Kloster vorschlaten" worden sei (ebd., 533). Zu ihr bes.: Lammers, Schlacht bei Hemmingstedt (wie Anm. 30), 176. 37 Neocorus, Chronik (wie Anm. 28), I, 533. 38 Hansen, Marienland Dithmarschen (wie Anm. 12), 37f.

38"

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Werk des Teufels, dem er jegliche geistliche und soziale Berechtigung abspricht. 39 Man habe damals, bemerkt er zur Stiftung des Nonnenklosters in Hemmingstedt, "solche Klostergiffi vor dat seligste unnd Gott wolgefelligste Werk" gehalten und vermeint, auf dem nächsten und richtigsten Weg zum Himmel zu sein, sei dabei aber nur von denen, so "itt vorbraßeten unnd dorchjageden averredet unnd vorföhret worden".40 Sieht man von der konfessionellen Aversion und Verteufelung ab, so bleibt als rationaler Kern seiner fundamentalen Ablehnung das Vorurteil gegen die Wirtschaftsweise der mit Grundbesitz versehenen Klöster, die trotz ihrer Ausstattung "mit rikliken Inkumbsten" nicht in der Lage seien, "de jahrliche Rente unnd Affgiffie" zu erwirtschaften. Und so macht er ihre Besitzer kuzerhand zu "vulen, schedtlichen unnd schendtlichen Gottesdeven".41 Die Stiftungsurkunde des Landes vom 29. Mai 1502 und die vom Kardinal Raimund ausgestellte Gründungsurkunde Monasterii sanetimonialium ordinis S. Benedieti Hemmingstede vom 20. Mai 1503 bieten ein noch nicht von protestantischer Parteilichkeit verzerrtes Bild. In der Stiftungsurkunde heißt es, ganz Dithmarschen habe in großer Not und Furcht Gott "vnd Marien syner benedygedenn moder myth allem hemmelsschenn here tho erenn ghelauet", im Kirchspiel und in der Kirche zu Hemmingstedt ein Jungfrauenkloster, "vnszer leuen fruwen closter gheheten", zu errichten, auf daß der Dienst an der Mutter Gottes verbessert und vermehrt werden möge. 42 Und die Gründungsurkunde des Nonnenklosters nach der Regel des heiligen Benedict bekräftigt, daß es unter der feindlichen Bedrohung zu Ehren domini dei nostri ae gloriosissime virginis Marie gelobt und nach dem Sieg gestiftet worden sei. 43 Anders als das Mendikantenkloster war es mit Grund- und Pfandbesitz ausgestattet worden, der eine jährliche Rente von 300 Mark Lübisch garantierte. Das Kloster schien indes keine Vitalität entfalten zu wollen, so daß das Land bereits ein Jahrzehnt nach der Stiftung und Gründung seine Verlegung und Umwandlung in ein Franziskanerkloster beschloß und hierfiir auch - entgegen dem Verbot des Hamburger Dompropstes 44 - am 6. September 1513 die Erlaubnis Papst Leos X. erhielt. 45 Der Dompropst konnte zwar ein Vierteljahr später die Kassation erwirken,46 mußte sich aber schließlich mit der Auflösung des Benediktinerinnenklosters 39

Neocorus, Chronik (wie Anm. 28), I, 533f., 547f.

42

UB zur Kirchengeschichte des Landes Dithmarschen (wie Anm. 14),25, Nr. 13.

44

UB zur Kirchengeschichte des Landes Dithmarschen (wie Anm. 14), 38-44, Nr.

40 Ebd., 533. 41 Ebd., 547

43 Ebd., 27, Nr. 14. 20.

45 Acta Pontificum Danica (wie Anm. 6), Bd. 6: 1513-1536 og Tilla:g, hg. v. A. Krarup / J. Lindbrek, K0benhavn 1915,28-30, Nr. 4393. 46 Ebd., 40-42, Nr. 4407.

Die Klöster des Landes Dithmarschen

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und der Gründung eines Franziskanerobservantenklosters in Lunden abfmden, nachdem Papst Leo X. am 4. Fabruar 1517 seine Einwilligung endgültig erneuert und ihm bei weiterer Behinderung hohe Strafen angedroht hatte. 47 Beide Bullen Leos X. bestätigen noch einmal in weitgehend übereinstimmender Formulierung die Umstände des Gelöbnisses und der Stiftung des Klosters in Hemmingstedt als monasterium monialium, die letzte fügt präzisierend hinzu: ad honorem dei et b(eatae) Marie virginis. 48 Die Gründe für die Auflösung des Benediktinerinnenklosters sind offenbar in mangelnder Akzeptanz zu sehen. Worin sie im einzelnen bestanden haben mögen, ist nicht überliefert. Neocorus berichtet, das Kloster sei 1518 abgebrochen und größtenteils mit den beweglichen Gütern nach Lunden transportiert worden, wo man im selben Jahr mit dem Bau des Minoritenklosters begonnen habe. Weshalb das Nonnenkloster abgeschafft worden und was mit den Nonnen geschehen sei, werde nicht vermeldet. Und er fügt spöttisch hinzu, vielleicht habe es den Mönchen zu nahe gelegen. 49 Die jüngere protestantisch gefärbte Historiographie hat die eigentliche Ursache in der fehlenden Bereitschaft der Dithmarscher Frauen zur vita religiosa sehen wollen, vermag aber nur apokryphe Belege zu bieten. 5o Wohl eher, wenn nicht zur Hauptsache, dürfte der Schlüssel zur Erklärung der mangelnden Akzeptanz des Benediktinerinnenklosters in Dithmarschen in der eingangs angemerkten grundsätzlichen Unverträglichkeit und konflikthaltigen Spannung von agrarklösterlicher und kommunalistischer Lebens- und Verfassungsform liegen. Das gilt gleichermaßen für die nachträglich behauptete fehlende Resonanz des klösterlichen Lebens in Hemmingstedt bei den Dithmarscherinnen wie für den rationalen Kern der konfessionellen Aversion des Chronisten Neocorus gegenüber Klöstern als geistlicher und sozialer Lebensform, aber auch für die historische Beurteilung der Entscheidung des Landes, das Benediktinerinnenkloster nicht kompensationslos aufzulösen, sondern an seiner Stelle ein weiteres Mendikantenkloster zu gründen. Die Lundener Landesvertreter unter Führung des Regenten Peter Swyn dürften zusätzlich partielle lokale Interessen ins Spiel gebracht haben. 51 Die von ihEbd., Bd. 7 (wieAnm. 6), 711-714, Nr. 6377. Ebd., 711; Bd. 6 (wie Anm. 45), 28. 49 Neocorus, Chronik (wie Anm. 28), 547. 50 J. A. Bolten, Dithmarsische Geschichte. Dritter Theil, Flensburg - Leipzig 1784, 205; J. C. Kinder, Alte Dithmarsische Geschichten. Bilder aus der Lundener Chronik, Heide 1885, 85; 0. Roos, Lunden. Ein Beitrag zur Heimatkunde. Zugleich ein Führer durch Ort und Kirchspiel, Lunden 1929, 16f.; Freytag, Geschichte der Klöster (wie Anm. 2), 85. 51 Stoob, Geschichte Dithmarschens (wie Anm. 8), 182; Ders., Dithmarschen und Peter Swyn - Probleme landesgemeindlicher Staatsbildung, in: Geschichte und Museum (wie Anm. 12), 14. Stoob spricht hier jedoch flilschlicherweise von "der Verlegung eines Meldorfer Klosters nach Lunden". 47 48

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nen in Rivalität zu Meldorf betriebene Gründung des Franziskanerobservantenklosters in Lunden verschaffte dem zentralen Kirchort im Norden des Landes jedenfalls zusätzliche Reputation, die ein Jahrzehnt später die Verleihung des Stadtrechts nach sich zog. Der Konvent des neuen Klosters sollte von Mönchen aus den benachbarten Herzogtümern Schleswig und Holstein gebildet werden. Hatte die rechtliche Zuständigkeit fiir das Benediktinerinnenkloster noch beim Hamburger Domkapitel gelegen, so wurde das Franziskanerobservantenkloster von Papst Leo X. dem Ordensvikar des Kieler Minoritenklosters unterstellt und damit dem bereits schwelenden Konflikt zwischen dem Lande Dithmarschen und seinem geistlichen Gerichtsherrn entzogen. Wie dem Hemmingstedter sollte freilich auch dem Lundener Kloster keine längere Dauer beschieden sein. Das Benediktinerinnenkloster war offenbar durch mangelnde Akzeptanz, das Franziskanerobservantenkloster ist nach verheißungsvollen Anflingen der Entfaltung klösterlichen Lebens durch die Reformation daran gehindert worden, eine dem Dominikanerkloster vergleichbare Entwicklung zu nehmen. Als 1524 der ehemalige Augustinereremitenmönch Heinrich von Zütphen vom Meldorfer Kirchherrn Nikolaus Boie aus Bremen ins Land gerufen wird, um in Meldorf die neue Lehre zu predigen, setzen beide Konvente im Verein mit einflußreichen Landesvertretern in den nach wie vor im Lande lebendigen archaischen Formen gewaltsamer Selbsthilfe seine Festnahme und Verbrennung als Ketzer durch. 52 Treibende Kraft der Verurteilung Heinrichs von Zütphen zum Feuertod war der Prior und Lektor des Dominikanerklosters Augustin Torneborch, der - unterstützt von seinem aus Hamburg entsandten Ordens- und Amtsbruder Doctor Wilhelm Soltzenhusen - den ins Franziskanerkloster gerufenen einflußreichen Regenten aus dem Kirchspiel Lunden die Alternative eröffnete, den Ketzer zu töten oder die Marienverehrung mitsamt beiden Klöstern zugrunde gehen zu lassen. In der niederdeutschen Version der gründlich informierten Schrift Martin Luthers über das historische Geschehen heißt es, er habe ihnen erklärt, "wo se dar nicht thoseen vnde helpen worden, dat me den ketter vmmebröchte, so worde Marien loff gantz vallen, dar tho worden de beyden hylgen stede in erem lande, nömlyken de beyden klöster, gantz vorwöstet werden vnde in den grundt vörderuen".53 Die Begründung seiner Verurteilung zum Feuertod im Namen des Erzbischofs von Bremen durch den Vogt Schoeters Maes lautet denn auch, er habe "geprediget yegen Marien de moder Gades vnde

52 Rolfs, Zustände in Dithmarschen (wie Anm. 6), 7-28; Seegrün, Heinrich von Zütphen (wie Anm. 19), 105-123; R. Hansen, Die geschichtliche Bedeutung Heinrichs von Zütphen, des Märtyrers der Reformation in Dithmarschen, in: Dithmarschen NF 38 (1990) 1-16. 53 Martin Luther, Von Bruder Henrico in Ditmar verbrannt samt dem zehnten Psalmen ausgelegt 1525, in: WA, Bd. 18, Weimar 1908, Unveränderter Abdruck 1964, 247. Neocorus, Chronik (wie Anm. 28), 11, 20, folgt Luthers Darstellung.

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yegen den Christen louen".s4 Belege werden nicht angefilhrt, hätten - nach allem, was von seinen Predigten überliefert ist - auch schwerlich beigebracht werden können, denn sie folgten der evangelischen Lehre Luthers, die gewiß nicht gegen die Mutter Gottes und den christlichen Glauben gerichtet war, die aber nur die Autorität der Heiligen Schrift und die Rechtfertigung des Menschen vor Gott allein durch den Glauben gelten ließ und sich daher ebenso gewiß nicht mit den beiden Mendikantenklöstern und ihrer geistlichen und öffentlichen Funktion in der Bauernrepublik Dithmarschen vereinbaren ließ. Die Klöster des Landes Dithmarschen waren nicht nur Stätten der spätmittelalterlichen vita religiosa des Dominikaner-, Benediktiner- und Franziskanerordens, sie waren zugleich auch Einrichtungen filr das Heil und zum Schutz der spätmittelalterlichen Bauernrepublik, Zeugen und Zeugnisse der eigentümlichen Geschichte des Landes Dithmarschen, seiner ausgeprägten Laienfrömmigkeit und Heiligenverehrung wie seines vitalen Willens zur inneren Selbständigkeit und äußeren Selbstbehauptung. In ihnen waren Seelenheil, Gottesdienst und Marieniob auf das engste mit der Landesverteidigung verbunden. ss Die Reformation haben sie nicht aufzuhalten vermocht. Nur wenige Jahre nach dem Märtyrertod Heinrichs von Zütphen mußten sie ihr weichen.

24.

S4

Luther, Bruder Henrico (wie Anm. 53), 249; Neocorus, Chronik (wie Anm. 28),

ss Dieser Gesichtspunkt ist in der älteren Literatur nicht gänzlich unbeachtet geblieben, aber auch kaum mehr als andeutungsweise berücksichtigt worden. In der neueren Literatur ist er von W Seegrün, Heinrich von Zütphen (wie Anm. 19) klar erkannt und betont, aber nicht weiter ausgefiihrt worden. Die Armutsklöster in Dithmarschen, urteilt er treffend, seien dem Autonomie beanspruchenden Staatswesen weit mehr verpflichtet und schicksalhaft verbunden gewesen als in einer Reichsstadt oder autonomen Stadt. Er nennt sie einerseits "Dankzeichen und Denkmale der typischen Freiheitsgeschichte, andererseits Gebetsstätten fiir das Heil dieses Kleinstaates" (ebd., 108) und "Schutzgarantien rur den in sich recht wehrlosen Staat" (ebd., 109).

v.

Reformen und Reformation

Friar Jobannes Nyder on Laypeople Living as Religious in tbe World By John Van Engen Early in his Formicarius or "Book of the Ants," a collection of exemplary stories modeled on Thomas ofCantimpre's "Book ofthe Bees" and Pope Gregory's "Dialogues," Friar Johannes Nyder teils of a young woman in the Alpine regions of the diocese of Constance, far from any reformed convent or beguinage, who established a religious life on her own, sustained herself by her own labor, and eventually became enflamed with such love for Christ as to become espoused to him. Such devout flourished even more, in Nyder's experience, in cities. In Nuremberg more virgins were to be found than in any other part of Germany, he reported, many living in their own hornes and most supporting themselves by work in textiles. That very year (1437?) citizens charged that the nwnbers threatened their city's well-being, for such expansive devotion reduced the pool of marriageable women. In surrounding villages, too, despite a scarcity of the preached Word, as Nyder put it, the nwnber of virgins steadily climbed. Such manifestations in the hinterlands, he concluded, could only be the work of the Holy Spirit. 1 All about him, despite halting efforts at reform and the corrosive scorn of the "hypocritical," Friar John saw evidences still - as Pope Gregory in his day - that religious life flourished, and in the most unexpected places, among laypeople in hinterlands and raucous cities. For such "pockets of devotion," however, churchmen like Nyder had no accepted rubric. The most common terms, many banal or over-used ("devout"), too easily turned into smear words ("beguine" or "lollard"). Indeed for the devout to choose poverty or chastity in the world risked offending those in religion as weil as those in the world, for it mocked, or so it seemed, the vows ofthe professed and the hard work or conjugal ties of townspeople. In Basel, "able-bodied" laypeople, by choosing poverty, set off angry disputes: With the support of the bishop, all the local curates, and several local canons, beguines were repeatedly attacked between 1405 and 1411 - under the strident lead of a Dominican friar, John of Mülberg, while local Franciscans mounted a defense.

I

Johannes Nyder, Fonnicarius, 1.4 (reprint Graz 1971).

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About 1430-31 John Nyder, the Dominican prior there (1429-36), joined this argument, "crossing over" in effect from the ranks of the professed to the unprofessed. A reforming prelate and university theologian, Nyder was celebrated among Observant Dominicans as without equal in religious discipline, exemplary in the offices and responsibilities imposed on hirn, and astonishing in his literary productivity.2 A friar through and through, he compiled highly successful works for the routine needs of Christian life: a set of sermons, a confessor's manual, a treatise on the timorous conscience, an exposition of the ten commandments, a work on "moralleprosy" as a guide through the vices and virtues, another on "preparing for death" - all extant still in dozens of manuscripts and early printed editions. 3 As a theologian and casuist, he wrote treatises on merchants' contracts and usury, on fasting,4 on custom and canonical dispensation, and on true and false nobility. Nyder would prove remarkably influential in his own time, though forgotten two generations later as a "second-rate" author. As areformer, or more precisely as an Observant, he wrote a much-copied work on "the reformation of religious." There he rehearsed all the standard arguments put up against anyone attempting to introduce a stricter or more regular life into an established religious house - objections he had encountered often enough. He conceded that it was easier to found religious houses than to reform them, that abuses were so numerous in many cases as to make the introduction of strict observance unthinkable, and that the number of the truly religious seemed minuscule (paucissimi) compared to all the lordly monks and mendicants. A general reform of all houses in his day seemed, he concluded, impossi2 Johannes Nider. .. magister in the%gia eximius ac Basiliensis conventus in eius reformacione prior primus, vir incomparabilis in monastica disciplina. Hunc dei sanctum dixerunt nobis patres fuisse verissimum observancie specu/um, regu/am et exemp/um .... Et licet ex obediencia tot officia compu/sus fuerit suscipere, tot dignitates acceptare, quia fuerat nunc prior conventuum, nunc vicarius, nunc regens Wiennensis - taceo de dignitate magistrali, de /egacione concilii Basiliensis, de conventuum fratrum et monasteriorum sororum reformacione, de audiencia confessionum, de sanissimis consiliis in quibus c/are refu/sit - ... nichi/ominus tamen eius sciencia magnam doctrinam effudit in descripcione diversorum /ibrorum quos edidit (Johannes Meyer, Liber de viris illustribus ordinis Praedicatorum 5.7, ed. P. von Loe [Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 12], Leipzig 1918, 58-60). On Nyder, there are no sustained studies to date. See K. Schiefer, Magister Johannes Nider aus dem Orden der Prediger-Brüder: Ein Beitrag zur Kirchengeschichte des fünfzehnten Jahrhunderts, Mainz 1885. I W Frank, Der Antikonziliaristische Dominikaner Leonhard Huntpichler (Archiv rur österreichische Geschichte 131), Wien 1976, ll8 described this work as "einseitig und ergänzungsbedürftig. " Dictionary articles have added Iittle to the information assembled already by J. Quetif/ J. Echard, Scriptores ordinis predicatorum, Paris 1719, I, 792-794. 3 The best guide remains T. Kaeppeli, Scriptores ordinis praedicatorum medii aevi, Roma 1975, 11, 500-515. 4 See now M D. Bailey, Abstinence and Reform at the Council of Basel: Johannes Nider's "De abstinencia esus carnium", Mediaeval Studies 59 (1997) 225-260.

Friar Johannes Nyder on Laypeople

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ble. s In his "Book of the Ants" he later declared that the councils, for all their talk of reform, could claim only two achievements: Constance put an end to schi sm, and Basel to the Hussite affair. For a total reform ofthe church in head and members he no longer held out any hope, owing partly to a lack of resolve (uoluntas bona), partly to obstructions thrown up by evil prelates. The genuinely devout existed in isolated instances of reform, found nonetheless in nearly every religious order and social estate (de reformacione particulari in ciuitate ecclesie possibili in multis statibus et religionibus non dubito). Yet, he sighed, how difficult it is to bring about even such isolated instances, only Almighty God knows! Indeed, the council at Basel, after six years, had not effected the reform of a single religious house!6 So he tumed with genuine interest to the cases of "laypeople" who acted as "religious." To consider forms of religious life beyond approved rules and established houses, to delve into private forms ofthe holy life as legitimate too, represented a step few other friars took - at least in writing, if more in practice by acting as advisers or confessors. It cut too deeply against their own sense of privilege, and their focus on vows as fundamentally defining religious status and obligation. Yet, amidst the contentions that had swirled around the city of Basel a generation earlier and elsewhere still, and on the eve of a new reform council, Nyder undertook two novel treatises. First, he composed a work in twenty-two chapters defending lay aspirations to a "perfect poverty.,,7 Next, while keenly conscious of doctrinal orthodoxy and canonical statute, he set out to survey discemingly the whole array of religiously aspiring persons and groups: laypeople who chose to remain in the world, refusing to set themselves everlastingly apart by formal vows, while taking upon themselves observances - chastity, or poverty, or daily worship - resembling those kept by professed religious under oath and obligation. That is to say, after "lay poverty" he tumed to "the laity" and "religion" ("De secularium religionibus"). By juxtaposing these Latin words in his title, Nyder captured a contested social and religious reality, lay people (secularium) adopting religious observances (religionibus) be fitting those in orders but practiced voluntarily in the world. "Practicing Religion in the World" describes accurately what these people were about, though "Laypeople Living as Religious in the World" - with its innuendoes of extraordinary devotion, even lay imitation of the professed - translates more Iiterally the intention of his wordplay, De secularium religionibus.

De reforrnatione religiosorum (see note 8), 1.4-8. Forrnicarius 1.7 (see note I). 7 Tractatus de paupertate perfecta secularium, which remains unedited. See J.-c. Schmitt, Mort d'une heresie: I'Eglise et les dercs face aux beguines et aux beghards du Rhin superieur du XIV· au XV· siede, Paris 1978, 160-163. 5

6

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In the prologue to "De paupertate perfecta secularium" Nyder adopted an essentially defensive stance, in two senses. Laypeople might pursue salvation, he believed, in a variety of estates, and voluntary poverty represented for them an altogether laudable good. Yet many in the world found such voluntary poverty "contemptible," while hypocritical religious attacked it to cover their own transgressions. Ordinary pastors, moreover, rarely roused themselves to teach or exemplify the counsels of perfection. Quamuis extra religiosorum et approbatorum ordinum monasteria sint secu/ares persone deuote sa/uabiles in diuersis statibus, quia tamen p/ures talium Deo in uera paupertate seruire uolentium uexantur potissime propter mundo contemptibilem paupertatem uotuntariam; idcirco [contra] quorundam religiosorum tradiciones erroneas, qui cum in amore paupertatis esse deberent ex uoto sue professionis primi, ne notetur eorum transgressio, sunt paupertatis uere persecutores precipui, et non minus contra suos complices de c/ero alios, qui nedum ea que sunt necessitatis docere deberent plebeios, uerum eciam consilia euangelica suadere tenentur et seruare quedam pre ceteris; idcirco ad tuendam paupertatis uo/untarie primam huius uite beatitudinem, de eadam tractabo in sequentibus, nichil noui cudendo sed dumtaxat famosorum doctorum dicta coaceruando. Noto tamen quantum mea interest inutilibus ualidis mendicantibus patrocinari per sequencia, cum non ambigam talium mu/titudinem coartandam esse et exterminari debere per utriusque ecc/esiastice potestatis brachium ne uere pauperibus aut reipublice noceant. 8

Though hirnself a tough-minded refonning religious, he was prepared to defend religious poverty among the laity, even irnplicitly against a Dominican brother in the same citY; yet he also feit compelled to stand fmnly against "false" fonns of poverty, of Iay begging in the name of religion as a threat to the true poor and to society at large. When in his next treatise he then took up these lay-religious estates, he also sounded a note at once guarded and pastoral. Keenly aware of the "inbetween" status in which these groups found themselves, he described them, accurately, as "not part, properly speaking, of any religious order," yet as engaged in a lifestyle different from the ordinary lay person - echoing the language of his title. Ordinary people and simple pastors had approached hirn frequently, he clairned, with questions about the handling of these types, indeed "what to think about them": Crebro interrogatus a popu/aribus et c/ericis simp/icibus, quid tenendum sit in foro consciencie de diversis hominum statibus existencium presertim 'in A/manie par-

8 De paupertate perfecta secularium, Prologus, fol. 22". Hereafter: De paupertate perfecta secularium = DPPS, and De secularium religionibus = DSR. I have generally given the text as found in a manuscript from the Dominican convent in Basel (where these treatises were likely written), Basel, Universitätsbibliothek BIll 15, though I have consulted others, particularly the manuscripts from Cologne, Nuremberg, and Berlin. On the Basler manuscript, see G Meyer / M. Burckhardt, Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Basel, Basel 1960, I, 244-249.

Friar Johannes Nyder on Laypeople

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tibus ',9 qui nec de approbatis proprie dictis sunt religionibus nec omnimode vivunt more aliorum simplicium secularium, coactus tandem, tractatum de secularium religionibus colligere studui ex diversorum dictis doctorum tam iuris divini quam humani professoribus, ut quisque scire valeat quid senciendum de talibus, ne - ut heu plurimum fieri solet - innocentes errare putentur cum obnoxiis. In omnibus autem dicendis aliorum dicta fideliter colligere conabor, nichil ex propriis asserendo temerarie. Hortor autem ut ex dicendis 'non laxetur nimia licencia ad defensionem beghardarum vel beginarum si reperiantur effrenes, discoli et scandalosi in suis observantiis, presertim in contemptum prelatorum suorum secularium et curatorum iuxta mentem decretalium contra tales editarum ,./0 Absit enim me velle patrocinium prestare criminibus ubi solum ad Christi conabor implenda consilia. Peto preterea ne lector temerarie iudicet theologum qui iura quandoque cogitur allegare in materiis sequentibus, ubi in serie divini iuris et naturalis de pro~onito non aliquando tam specijice tractatum negocium velut in iure ponitum reperit. I

Perhaps Nyder did get questions from curates. Beguines, sisters of the common life, recluses, and others, it must be remembered, were still bound in principle to the religious ministrations of their local parish priests, even though most sought special confessors or spiritual guides (often Dominicans or Franciscans). And "lay religious" did pose pastoral problems for conscientious clergymen. But Nyder probably was reacting more to hostile criticism coming from amongst his own friars as weIl as these same secular curates. To shield hirnself from that critique, he drew verbatim upon the words Gerson had used to cover hirnself when defending the Brothers and Sisters of the Common Life: Readers should not draw license from his words to defend beguines or beghards who proved dissolute in their observances or contemptuous of prelates and curates. Far be it from me, he went on in his own words, to offer patronage to wrongdoing when I will seek only to fulfill the counsels of Christ. However, Friar John, unlike many of his colleagues among the professed, including fellow Dominicans, was prepared to fmd those counsels fulfilled by extraordinary laypeopIe. To look carefully at practices of religion beyond those of the professed in orders or the laity in parishes, Nyder had to make his own intellectual and ecclesiastical way, for this treatise, unlike most of his others, represented no known genre or common topic. In a relatively brief work, comprised of thirteen books or chapters, Friar John, in effect, combined three inherited discussions with a current debate, and this intellectual apparatus he applied to eight "types" he had encountered in the cities of the later medieval Germany Empire. These types or "estates" were ofhis own choosing, or rather came out ofhis own experience:

9 See Ratio Recta (precipue de Alemanie partibus), Extravagantes cornrnunes 3.9.9, in: Corpus luris Canonici, 2 vols., ed. Ae. Friedberg, Leipzig 1879-1881,11, 1279. 10 Jean Gerson, Contra conclusiones Matthaei Graben, in: Opera Omnia, ed. P. Glorieux, Paris 1973, X, 72. 11 DPPS, Prologus, fol. 1.

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Primo igitur notandum quod sunt octo genera differencie seu status hominum in Alamanie partibus, quorum nulli sunt uere et proprie religiosi, idest de approbatis religionibus talibus que matrimonium dirimant ante et post contractum, licet quedam eorum habeant quosdam modos uiuendi similes hiis qui in approbatis reperiuntur religionibus professis solempniter. Primi sunt beghardi et begine, secundi sunt reclusi et recluse, tercii de penitencia beati Dominici et beati Francisci,. quarti canonisse seculares, quinti sunt familiares benefactores uel fraternitatem quandam habentes cum approbatis religionibus uel inter se, sexti uocantur donati uel conuersi seu oblati, septimi heremite, octaui anachorite seu solitarii.... Omnes enim premissi homines statum habere dicuntur. 12

Friar John's approach stands revealed here. The groups each represent an "estate" (status) with lifestyles comparable to those of the professed, and yet their members are not truly "religious" (religiosi), meaning, under vows that would pre-empt marriage or the lay estate. He steadfastly defended their legitimacy, while also implicitly and constantly measuring them against the professed, the truly religious. As his detailed table of contents discloses (see the Appendix), Nyder asked theoretical questions about status (whether a type was "religious") but with practical implications embedded in social realities: whether someone enjoyed clerical privilege in their person or property, or was allowed to pursue certain religious practices. In his prologue he apologized, as a theologian, for drawing so deeply upon law. On this matter he had found less to the point (specijice) in divine and natural law (the sphere of a theologian) than in the work of canonists. Not unlike Friar Thomas Aquinas in Part 11 of his "Summa" or Friar Antoninus in Part III of his "Summa Moralis", Friar John approached these phenomena as a thoughtful canonist or confessor might, that is, as aseries of "cases" taken up in turn, cases in this instance of "lay religious." How many others took an interest in such cases or in their status remains unclear. Quite in contrast to the fifty-plus manuscripts still extant of the De reformatione religiosorum, a work of considerable utility for religious houses caught up in the Observant movement, Kaeppeli noted only thirteen manuscripts of "Oe secularium religionibus" (most of those, at least eight, in general collections ofNyder's works). In one important manuscript, now in Berlin, the treatise heads up a collection of materials on disputed groups, especially the Brothers and Sisters of the Common Life. 13 More importantly, the Brothers at Deventer, in a manuscript signaled by Kaspar Elm, excerpted Nyder's work for a parchment codex that gathered in one place various apologetic treatises. 14 For 12 DSR I, fol. IV. 13 Berlin Staatsbibliothek theol. qu. 206; see V. Rose, Verzeichniss der lateinischen Handschriften 2 (Die Handschriften-Verzeichnisse der Königlichen Bibliothek zur Berlin 13), Berlin 1913,600. 14 K. Elm, Die Bruderschaft vom Gemeinsamen Leben. Eine geistliche Lebensform zwischen Kloster und Welt, Mittelalter und Neuzeit, in: Geert Grote en de Moderne De-

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the purposes of this essay, the issue is less one of the treatise's possible influence than of its importance as a marker in a crucial debate, just as the council opened at Basel. Nyder's prologue, despite its brevity, contextualized his treatise in three ways. Groups of "lay religious" were to be found "particularly in Genoan parts" - perhaps an echo of Ratio recta,IS but for Nyder also a matter of experience. These "parts" stretched for him from Utrecht, Liege, and Cologne up the Rhine to Strass burg, Colmar, and Basel and then east to Nuremberg and Vienna - he knew almost nothing personally of religious life in the cities of the Italian peninsula or the kingdom of France. Nyder was concemed, second, that the innocent not be condemned along with the dissolute - also the opening concem of Ratio recta. He had become aware of clarifications in the anti-beguinal legislation made during the 131 Os-20s, 16 and he might have been acting in part, and sincerely, as a scrupulous friar-confessor. He was especially piqued at the dismissive and condemnatory attitudes shown by the young and the commoners. Those who propagated such suspicions were guilty of hasty judgement: they impeded the devout in their solitude and the simple in their acts of mercy, they scandalized ordinary citizens with their charges, and made a mockery of the counsels of perfection. 17 In reality, as Nyder conceded, from magistrates to the poor, later medieval city-dwellers had become ever less patient with selfappointed religious. Nyder claims, third, only to "draw together" what others have written. This was true and not true. He proceeded as a schoolman, posing a major conceptual question, compiling pertinent authorities quoted at length with or without acknowledgement, and setting out conclusions either in his own words or in words

votie. Voordrachten gehouden tijdens het Geert Grote congres, Nijmegen 27 - 29 september 1984, ed. J Andriessen / P. Bange / A. G. Weiler (= Ons geestelijk Erf 59, 1985), Antwerpen-Nijmegen 1985, 470-496, here 487, note 40. See J Van Engen, Privileging the Devout: A Text from the Brothers at Deventer, in: Roma, magistra mundi: Itineraria culturae medievalis. Melanges offerts au Pere L .E. Boyle a I'occasion de son 75e anniversaire, 3 vols., ed. J Hamesse, Louvain-Ia-Neuve 1998, 11, 951-963, especially 953. 15 See J Tarrant, The Clementine Decrees on the Beguines: Conciliar and Papal Versions, AHP 12 (1974) 300-308, especially 307 note 22. 16 At various points Nyder's works evidence his knowledge of the beguinal legislation, after the Council of Vienne in 13 II , associated with the bi shop of Strassburg in 1317. See A. Patschovsky, Strassburger Beginenverfolgungen im 14. Jahrhundert, DA 30 (1974) 56-198.

17 Sexto notandum quod nonfaciliter est status hominum reprehendendus. presertim a minoribus uel simplicibus. nisi aperte agnoscatur ibi esse malicia uel merito suspectus haberi debeat; alias incurritur iudicium temerarium. impediuntur deuoti a quiete sue contemplacionis. ponuntur simplices a cessacione operum misericordie. scandalizantur plebei. et consilia uilescunt euangelicafaciliter (DSR I, fol. 2V ).

39 Festschrift Elm

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going beyond his original authorities. Thus, by way of example, his treatise ended with a kind of afterthought (Quero adhuc) on the solitary life as such, which he built up from quotations: from, among others, the "Summa" of his fellow Dominican Thomas Aquinas on the superiority but riskiness (periculosissima) of solitary religious life but also on its potential for benefiting humankind by example and prayer (Summa HIlI q.l88 a.8), and letters of Jerome (130.17) and Bernard (115) on the special risks involved for women. Nyder had at his command, that is to say, the deep resources of the western spiritual tradition. At issue was how he chose to deploy these authorities, and to what end. He made that end plain in the sentence that concluded his entire work. These teachings applied not only to professed religious but as weIl to "lay re ligious ". Contemporaries should leam from them how to think about anchorites (the subject of this concluding chapter) and other licit ways of living in the world (Patet igitur quid, tam de anachoritis quam de aliis modis uiuendi lieUe in seculo. sit senciendum).18 A good decade earlier, at the Council of Constance in 1417, a fellow Dominican named Matthew Grabow had disputed the right of non-professed groups, above all the Brothers of the Common Life, to assume forms of religio. This set off a debate on the nature and meaning of that concept, which Nyder paraphrased towards the end ofhis treatise on lay poverty. Est adhuc notabilis difficultas. utrum licitum sit manenti in seculo tenere tria ista uel eciam uouere. uidelicet paupertatem uoluntariam. castitatem. et obedienciam. Quidam religiosus tempore concilii constanciensis [Matthew Grabow, O.P] asseruit uel tenuit quod non liceret. Cuius libellus habuit 24 proposiciones. que omnes et singule suspecte ad minus erant. et multe earum erronee uel scandalose quedamque heretice. ymmo quedam blaspheme iudicate sunt fore. et Iibellus ipse condempnandus. Et ad hoc fuerunt de diuersis uniuersitatibus. et eciam de uariis religionibus approbatis mendicancium et non mendicancium. doctores maiores quos pro tune in theologia orbis habuit. ad minus J3. Quorum scripta uidi et sequentibus inserui sub compendio. uidelicet cardinalis cameracensis Johannes de Gersona et ceteri. 19

The written report of this dispute and its resolutions, crucial to the Devotio Moderna, circulated only in limited circles (to judge from its known transmission). But it caught Nyder's attention. Though a friar himself, moreover, he was largely content to copy out the distinctions and teachings of the secular theologian Jean Gerson (nearly the whole of Nyder's DPPS c. 19). Word that his brother-friar was condemned must have traveled through the order, and likely sharpened Nyder's focus on definitions of "religion," indeed his sense of the stakes in this debate (Hec omnia de supradictorum doctorum posicionibus collegi fideUter. Addunt autem quod frater qui taUa posuit reuocare debuit. et quod tractatus est hereticalis et igni comburendus - c. 20, concluding sen18

19

DSR 13, fol. 22'. DPPS 19, fol. 48'.

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tences). Since Grabow's treatise was in fact successfully suppressed, Nyder's compendium of its twenty-four theses and the doctors' refutation of them (in DPPS c. 20), overlooked until now, deserves closer attention on another occasion. 20 When Nyder looked beyond current disputes at Constance or Basel to inherited authorities, he encountered discussions of three distinct sorts, each with its own historical context - though these were not separated out in his own mind or presentation. The basic question revolved around "religion" in its standard meaning during the middle ages: those bound by vows to the virtues of Christian perfection (the Gospel counsels) and to the practice of worship under a rule. To these "religious" and their "refonnation" he had devoted much of his adult labor. "Laypeople still in the world" (seculares) could be saved; but could they voluntarily and privately act as "religious"? What made a "religious": personal intentions, private acts, public vows, approved orders? Disputes over this went back to the prodigious growth of religious life during the twelfth and early thirteenth centuries, and the inability of the medieval church then, despite regulations and the ruling of Lateran Council IV ("Ne nimia"), to contain all its expressions within already approved rules. At nearly the same time, more in reponse to social questions about entering and leaving the religious life, church lawyers, not theologians or the religious themselves, defmed ever more precisely what constituted a pennanent contractual bond to the religious life. They did so essentially on the paradigm of the marriage contract and what it entailed for lay people, and they did so mainly to deal with concrete dilemmas: what bound a person to one estate in society rather than another. The crucial decretal ("Porrectum"), a letter from Pope Innocent III to Joachim of Fiore in January 1199, defmed "profession" as an irreversible vow made by a person and received by a superior. Its consequence was to pre-empt or nullify any contract of marriage, exactly as Nyder noted at the outset of his work?\ Given strict contractual obligations, however, how could people be "religious" and "lay" at the same time? No sooner had lawyers successfully defmed vows than they were forced to confront, in the mid-thirteenth century, an array of religious fonns that refused to fit. In 1253 Cardinal Henry of Segusia, or Hostiensis, prepared a "Summa" of the Church's binding law, that is, the papal decretals authorized by Pope Greg-

20 The best orientation remains H. Keussen, Der Dominikaner Matthäus Grabow und die Brüder vom Gemeinsamen Leben, Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 5 (1887) 29-47; and S. Wachter, Matthäus Grabow, ein Gegner der Brüder vom Gemeinsamen Leben, St. Gabrieler Studien 8 (1939) 289-376. The text in chapter nineteen of DPPS is different from that in Jean Gerson, Opera Omnia, Paris 1706, I, 467ff. 2\ Cf. note 12 above. See J. Van Engen, Professing Religion: From Liturgy to Law, Viator 29 (1998) 323-343.

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ory IX in 1234. At the beginning of his section dealing with "regulars," those adopting "religion" (Decretales 3.31), Hostiensis defined a "religious" as a "regular," someone bound by oath to a rule. Yet, he went on, the word might also apply to certain persons living in their own hornes, not bound to any rule, who adopted a way of life stricter than that of other lay persons living unrestrained in the world. 22 Hostiensis, a secular cleric and canonist, offered here to consider people more with respect to practice (respeetu uite) than vows and obligation. What he had in mind, it seems, was the hospitaHer movement in the south of Europe: people who changed their habit, joined a community or lifestyle by way of a rite, and established a hospice to serve others while retaining wives and property. He also kept fuHy in mind, like citizens later in imperial cities, a practical issue: Would such persons and property then come under ecclesiastical jurisdiction?23 He denied it precisely because there were no vows. Otherwise absurd situations could arise (absurditas sequeretur) in which any commoner (quilibet rustieus) could constitute himself a "religious" and thus, among other things, escape local civil jurisdiction as weH as ordinary taxation. Hostiensis was prepared, nonetheless, to defend such persons as "religious" (sie debet defendi, et tam loeus quam persone 'religiose' intelliguntur), with this aH-important proviso: that such persons gather on the authority of abishop, in whose hands (in manu episeopi promiserit) they promise henceforth to live chastely with their wives and to renounce property. This last ge sture simulated that made by a religious to a superior, or spouses to one another; yet, theirs were not vows under a rule but promises to abishop. Thus, even Hostiensis, one of the more broad-minded of thirteenth-century canonists, recognized groups beyond the cloister or convent as "religious" only if they adopted a lifestyle and regulations that emulated those of an order and came under the authority of a bishop. This provision, aH the same, provided the legal precedent, the opening, so to speak, through which other groups could pass - as Kaspar Elm has argued so eloquently ofthe "semi-religious.,,24

22 Sed et largo modo dicitur religiosus qui in domo propria sancte et religiose uiuet, Iicet non sit professus.... Et dicitur talis religiosus non ideo quod astrictus sit alicui regule certe, sed respectu uite quam arctiorem et sanctiorem ducit quam ceteri seculares qui omnino seculariter, idest dissolute, uiuunt (Hostiensis, Summa Aurea [Lyon 1537, repr. Aalen 1962], 173 V ). 23 Quid de rusticis qui faciunt hospitalia? Mutant habitum et accipiunt signum certum et aliquam hospitalitatem exercent; habent tamen uxores et proprium tenent. Nunquid tales censentur religiosi uere? Et nunquid ecclesia debet eos defendere sicut personas ecclesiasticas? Non uidetur quia substantialia regule ... in talibus deficiunt (lbid.). 24 K. Elm, Vita regularis sine regula: Bedeutung, Rechtsstellung und Selbstverständnis des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Semireligiosentums, in: Häresie und vorzeitige Reformation im Spätmittelalter, ed. F. Smahel (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 39), München 1998, 239-273.

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Movement toward a more diversified view of "religion" came a half-century later, in the teachings of fourteenth-century canonists. Their views also correlated presumably to a more complex social reality, but it is more difficult than in the case of Hostiensis' reflections on hospitallers to specify the exact connection. Johannes Andreae (ca. 1270-1349), a Bolognese professor deeply indebted to Hostiensis, noted four ways in which the term "religion" was commonly "taken" (sumitur). Most broadly, it referred to any Christian person (latissime et seeundum id eomprehendit omnem ehristianum et sie dieitur religio ehristiana). In a more restricted way, it pointed to those leading an upright life, even among the lay and married (ponitur pro honestate seeundum quod non includit omnes ehristianos sed honeste uiuentes, etiam laieos et eoniugatos). He included the lay and the married here by way of the moral term honestas rather than the orders' language of aretior et sanetior - thus, not the same as Hostiensis's "religious in the broader sense." "Religion" may refer, third, to the secular clergy, as subject to a kind of rule (minus late seeundum quod eomprehendit clerieos seeulares qui dieuntur esse sub regula). Fourth, and strictly speaking, the term means those bound by profession (striete, ut hie, [that is, this title of the law: 3.31] seeundum quod dicimus religiosum qui per emissionem projessionis prelati imperio subiicitur)?S From the early fourteenth century, this lawyerly view became widely diffused, offering an inclusive vision of "religious" as narrowing concentric circles: all baptized Europeans, the devoutly practicing, secular clergy in good standing, and the professed. At nearly the same time that Nyder wrote his treatise, Antoninus of Florence, likewise a Dominican Observant and theologian, eventually a reforming archbishop, composed a "Summa moralis". To the lawyers's four categories he added a standard theological defmition taken from Thomas Aquinas, defming "religion" as a moral virtue aimed at giving God the honor due him in worship and rites. 26 Antoninus accordingly presented his own vision of "religion," the term referring in the first instance to Christendom which, by faith, gives God the worship due him (solum pro debito eultu ueri Dei quoad fidem, et sie eomprehendit totam ehristianitatem quae exhibet eultum uero Deo ... et hine dicitur religio ehristiana), and second to the true worship of God, extending to works as weIl as faith, thus good Christians (pro cu/tu ueri Dei, non so/um per fidem sed etiam per bona opera... et sie religio eomprehendit uniuersitatem bonorum ehristianorum). Third, it refers to the clergy because they are particularly given 25 Johannes Andreae, Novella Commentaria, Venezia 1581 (repr. 1963), III, 148. This last phrase paraphrases "Porrectum", X 3.31.13. 26 ... a uirtute quadam morali quae dicitur religio, cuius ojJicium seu actus est exhibere debitum cultum et caeremoniam, aliqua offerendo uel faciendo ad Dei honorem, ut sacrificia, oblationes, inclinationes et huiusmodi (Antoninus, Summa Moralis 111.19.1, Verona 1740 [repr. Graz 1959] III, 843). This discussion presumed Thomas, Summa Theologiae IIIII quaestio 81.

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over to divine worship (pro statu c1erieali quia sunt magis dediti eu/tui diuino). Fourth, and strictly, it refers to those who dedicate themselves wholly to God by vow (strietissime pro statu illo qui per emissionem projessionis subiieit se praelati imperio, totum se dedieans Deo).27 These schemes, in retrospect, however broad-minded and thoughtful the socio-religious categories seem, provided no special place, in their lawyerly or more theological versions, for the kind of "inbetween" groups Nyder wished to treat, and Hostiensis had effectively foreseen. At the end of his first chapter Nyder offered abrief and apodictic definition of "religion," as he judged it pertinent to this subject (quantum proposito suffieit). He conceived the term's meaning and import in three ways (eapitur triplieiter), and first as the way of life of all individuals who truly serve God in astate of charity.28 This was effectively the second of Johannes Andreae and Antoninus's categories. Nyder cited the same biblical text (James 1:26) Johannes Andreae applied to "upright" Christians, one of the few verses in Scripture to use the word religio and supply adefinition - whereas Antoninus used this text for the first category, all baptized Christians. Nyder's first category of "religion," though taken over from jurists, added that people be "in charity," central to Thomas' s discussion of states of perfection, where charity is the ultimate measure (Summa IIIII q. 184 a.l). Nyder, notably, offered no category for ordinary baptized Europeans, the first and inclusive group for jurists - a mark, perhaps, of the Observant. Such people, moreover, often ridiculed the "lay religious" he meant to treat. He took for granted, as his second category, that "religion" referred to all who bound themselves by vow to an approved rule. 29 But, Friar John went on, "religion" mayaIso refer, third, to those who make no solemn vows but devote themselves to divine service more devoutly than other lay persons, more even than those accounted as upright. 30 This suggested a category not foreseen by Johannes Andreae and Antoninus but closer to Hostiensis's hospitallers. The legal tradition, then, as Nyder inherited it, proved helpful and ambiguous. It sharply distinguished "religious" from "lay" on the grounds of exclusive vows. It allowed for a group of "good Christians," different from all

Ibid. The last category again paraphrases "Porrectum". Primo, pro uita fidelium uere Deo seruiencium, sicut lacobus primo: 'Religio munda et immaculata apud Deum et patrem, hec est uisitare pupillos et uiduas in tribulacione eorum et immaculatum se custodire ab hoc seculo' (James 1:26). Et sie conuenire potest cuilibet Christiano in caritate existenti (DSR 1, fol. 2V ). 29 Secundo, capitur pro uita eorum qui se sollempni uoto astringunt ad tria uota essencialia sub approbata aliqua regula (DSR I, fol. 2V ). 30 Tercio, capitur pro uita eorum qui talia solempniter non uouent sed deuocius diuinis se dedicant obsequUs quam alU seculares, eciam boni, sicut fuerunt isti de quibus dicitur Actus 2: 'Erant in lherusalem habitantes uiri religiosi ex omni nacione qui sub ce/o est' (Acts 2:5), religiosi, idest, Deo deuoti (DSR I, fol. r). 27

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the baptized and from clerics or the professed, but distinguished as "good" on the strength of moral virtues, not religious practices. The tradition of recognizing as "religious" distinct individuals or groups set apart by devotion or lifestyle, going back to Hostiensis, was not invoked here, and did not produce a recognized rubric, though it could be seized upon according to need. Nyder saw this, and drew upon it selectively. Just how ad hoc its usage might prove becomes manifest in his tenth chapter, which treats donati, oblati, and conversi, each an example oflaypeople attaching themselves to religious orders. Nyder summarized Hostiensis' description of rustic hospitallers granted benefit of clergy ifthey acted with a bishop's permission and maintained a certain way of life, including chastity, these persons, however, not allowed to administer spiritualia if they remained lay persons. His three forms of lay associates, he then proposed, probably differed little in standing from such hospitallers (et forte idem est in re) - a rather odd claim in terms ofthe text's first purpose. He further invoked a canonistic distinction, also first made by Hostiensis, which differentiated laypeoples' degree of association according to what they pledged to religion (quatuor gradualiter sunt persone, aut se ac sua partim uel totaliter, alicui religioni dantes): a small annual gift, all their goods while retaining usufruct and a lay habit for life, or their whole selves as oblates which brought a change of habit. The second and third categories, he concluded, came under ecclesiastical protection by analogy to templars and hospitallers but were denied those full spiritual benefits reserved for profession (non capiendo Jructum pro professendo ipsam religionem, quia est quartus gradus fraternitatis). 31 Further, while including donati with the second and third groups as a matter of ecclesiastical defmition, he saw their legal status as still under dispute. Were such laypeoples, pledged to religious houses in their property or person, protected from physical assault by ecclesiastical sanctions?32 Hostiensis, Nyder discovered, said not, even if they wore a distinct habit, unless they renounced permanently all their property. But Petrus de Palude, an early fourteenth-century Dominican, had argued that persons such as beguines or "converts" could be called "religious" if they took the three vows in effect, even if this were not done within an approved order. So Nyder concluded upon two kinds (duplices): Those "converts" who take the equivalent ofthe three vows in association with an approved order and become sanctioned as "religious," and those "oblates" of the second and third grade who enjoy only a measure of clerical privilege, chiefly with respect to their properties. After all, those who are not religious and 31 DSR 10, fol. 16r • Hostiensis was commenting upon X 5.33.24. Nyder was patentiy following as his main guide, as he himself suggests later, the summary provided by Johannes Andreae, Novella Commentaria (see note 25), V, 108A-109. 32 Sed dubitatur utrum percuciens donatum uel similem incidat in canonem excommunicacionis (DSR 10, fol. 16V ).

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choose at some point to break off their association (qui relinquit consorcium spirituale siue ecclesiam secularem) are free, in Hostiensis' judgement, to recover their goods, particularly if these material possessions remain their only means of subsistence. 33 In this instance, to deal with conversi and donati, Nyder took over arguments fIrst worked out by Hostiensis, it seems, for cases of apostate religious and married priests. That is to say, despite Hostiensis's hospitallers and the lawyers' four categories ofreligion, the cases of "lay religious" had remained remarkably under-developed. Indeed sharpened defmitions for the professed and the married, together with tough battles over benefIt of clergy, could render the status of "lay religious," at least in church law, potentially more precarious. Nyder mustered what he could to fInd approval and sanction for them. Friar John approached each group with the eye of a jurist and an experienced prelate. He wished to determine whether they belonged to the civil or the ecclesiastical side of the legal and social order, a contested matter for townspeople as weIl as curates and confessors. He probed whether a person or group recognized a superior whom they were pledged to obey, or to whom they were immediately responsible - a sensitive point owing to the legal defInition of a "religious." Obedience was proper to laypeople as a virtue, but not as an obligation. Freely-chosen superiors could never be confused with prelates, abbots, priors, curates, and the like - and yet their presence added a measure of "religion" and assurance alike. Likewise he looked for any distinctive garb or rites. To wear a common form of clothing was not strictly illegal; to adopt forms for receiving the cowl or veil or ring encroached upon the exclusive rights of an approved order. The same held for the set rounds of prayers and other rites that groups might establish for themselves. What others might do in private - thus, the proliferation of books of hours in the later middle ages - these lay religious might undertake in common; but they could not confuse that with the prescribed rites of a religious order. Living selectively as "religious," thus more devoutly than ordinary people in the world, was acceptable, even laudatory. Setting up privately and utterly as a "religious" was unacceptable, and subject to longstanding church strictures. Friar John granted the laws that regulated and defmed religious life an exclusive estate, and yet sought ad hoc ways to recognize the extraordinarily devout as nonetheless religious in some sense, and so worthy ofprotection from hostile townspeople, curates, or friars. Nyder spoke confIdently about his "lay religious" as representing a form of "religion" because he thought of them, and regularly referred to them, as an "estate" within Christendom (omnes enim premissi homines statum habere dicuntur), as indicated in the opening sentence of his prologue (de diuersis 33 See Hostiensis' commentary on X 3.3.3, dealing originally with the case of married priests.

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hominum statibus existencium presertim in Alamanie partibus) and the opening sentence of his work. Though re/igio overshadowed his entire treatise as the framing conceptual issue, Friar John saw status or "estate" as providing the or-

ganizing principle for lay-religious groups, and in fact devoted most of his fIrst book to this concept rather than to "religion." Notions of "estate," ever more widely accepted in the thirteenth and fourteenth centuries, sprang in part from the commonsense recognition of varying groups in medieval society with varying obligations. Friars organized sermons and confessor's manuals, from the mid-thirteenth century onwards, ad status, this probably the deepest influence, if partly unconscious, on thinkers like Antoninus and Nyder. But in the midthirteenth century a fIerce conceptual discussion of status had also broken out, echoed and paraphrased here. Mendicants seized upon this term, among others, to defend their way of life as properly "religious" in the face of strong resistance from secular clerics and professed monks. By insisting that the three substantial vows defmed the status of the professed, they could claim the status of a religious even as they conducted active lives outside the cloister - an argument that was, in the end, accepted. For historians, with so much focus during the past generation on the "reformation of the twelfth century," it is easy to miss the "revolution" ofthe early thirteenth: the claim, against nearly a thousand years of tradition, that people could be religious and yet in the world, and the arguments mendicants had to mount and re-mount to sustain this view. 34 This was the tradition - ironically different at key points in purpose and emphasis - that Nyder appropriated for his "lay religious." Friar John began with a basic defInition taken over from Friar Thomas:

status referred to a certain order or disposition appropriate to itself, as a man

standing erect with his head up and feet down, then by extension to legal orders with obligations appropriate to them, thus the free and the dependent. Like the slave and the free cited expressly by Thomas, so too, Nyder went on, the married and the widows, the artisans and the youth, "were said to be a status" - and as weIl the beguines, recluses, and all the rest. 35 Thomas had also applied the notion of status to religious life, but differently in the midst of a different battle. He defmed status in its strictest sense as the obligations attendant upon a person. 36 He foresaw a variety of estates as useful or becoming to the church, but -

34 J Van Engen, Dominic and the Brothers: Vitae as Life-Forming Exemp/a in the Order of Preachers, in: Christ Among the Medieval Dominicans, ed. K. Emery / J Wawrykow, Notre Dame 1998, 7-25. 35 Unde /ibertas et seruitus status sunt [this essentially from Thomas, Summa 11111 quaestio 183 and quaestio 184,4, and quoted by Nyder). Et milites dicuntur habere sta-

tum suum; coniugati, uidue, uirgines, mechanici singu/i suos dicuntur habere status. Et ita beghardi et begine, reclusi et recluse, et simi/es, seu boni sunt seu ma/i, perfecti uel imperfecti, iuuenes seu senes (DSR I, fol. 2r ). 36 Sed so/um iIlud uidetur ad statum hominis quod respicit ob/igationem personae

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at nearly the same moment Hostiensis was writing - within a decidedly narrower range, thus a status of perfection or religion as weil as a status for prelates or bishops, at times a status for the married. New here was the claim that communicating what one leamed in contemplation surpassed mere contemplation/ 7 while prelates and curates had still to be barred from the estate of the religious because theirs was not a permanent obligation to turn from the world and pursue perfection. This ingenious argument created an opening for mendicants teaching and preaching under vows, but excluded the secular clergy and of course the laity. Two hundred years later, friars, while still combatting waves of antimendicant sentiment, looked for ways to moderate this strict defmition. Friar Antoninus accordingly agreed that status was, in the strict sense, what Thomas described, a permanent obligation publicly solenmized, thus applicable essentially to religious and bishops. But he drew as weil upon an early fourteenthcentury Augustinian friar, Augustinus de Ancona (Triumphus), to suggest a second and broader way (secundo modo et largius) of comprehending status, as, namely, "a perpetual obligation to the worship of God" (homo constituitur perpetuo ad cultum Dei perpetua obligatione), with each estate offering the possibility of beginning towards the perfection initiated and approved by Christ himself: the marital estate, the clerical estate, the religious estate, and the prelates' estate. 38 While Antoninus did not specificly apply this second or broader meaning to such groups as Nyder's "Iay religious," he and Augustinus were moving to acknowledge a "religious" component in various estates. Status might further extend - the third defmition presented by Antoninus, importantly in the background of lohn Nyder's "De secularium religionibus" - to the whole set of social activities within each narrower "estate" (lay, prelates, or religious), that is, to embrace all the social estates to which people properly dedicate themselves. If they act virtuously within the unity of the Church, they are on the path to salvation. 39

hominis (Thomas, Summa Theologiae IIIII quaestio 183, Responsio). 37 Sieut enim maius est illuminare quam lueere solum, ita maius est eontemplata aliis tradere quam solum eontemplari. Aliud autem est opus aetiuae uitae quod totaliter eonsistit in oeeupatione exteriori, sieut eleemosynas dare, hospites reeipere, et alia huiusmodi, quae sunt minor operibus eontemplationis nisi forte in easu neeessitatis... Sie ergo summ um gradum in religionibus tenent quae ordinantur ad doeendum et praedieandum (Thomas, Summa 11111 quaestio 188 a.6). 38 Antoninus, Summa Moralis III, Prologus 5 (see note 26), III, 9-10, quoting Augustinus, De potestate eccJesiastica I. 39 Et hi, scilieet aetiui laici, eontemplatiui cleriei, religiosi, et praelati, si sunt in medio eeclesiae, idest in unitate et uirtute degentes, saluant animas suas. Quilibet horum statuum distinguitur in diuersa offieia et exercitia (Ibid. III, Prologus 6 [see note 26], III, 10).

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Friar John Nyder, building upon Thomas but seeking to accommodate lay groups as separate religious estates, defmed status as an obligation or disposition which is "not easily changed," and indeed as an obligation to perform certain acts (Et sie status in genere uidetur esse quedam obligacio ue/ stabilieio persone hominis ad aliqua eerta opera non de faeili mutabilis). Nyder's slight shifts from Thomas's defmition make a significant difference. Where Thomas spoke of essentially four estates, Nyder expanded outwards into an entire list. Where Thomas spoke of permanence, Nyder defmed it as an obligation "not easily changed" - crucial for disconnecting permanent vows from status. Where Thomas spoke of the sworn obligations inherent in an estate, Nyder saw "certain acts" as defming what was expected of a person in a given estate - hence religious practices. In sum, ironically, while Friar John presumed, and partly quoted or paraphrased, Thomas's account designed to protect mendicants from seculars, he deftly stretched the argument to protect lay religious from laypeople and religious. Among those groups Nyder attempted to accomodate, recluses were presented as one of the estates, chapters five and six of his treatise (see Table of Contents in the appendix). Enclosed recluses seemed an estate with an especially confusing mix of "religion" and "the world," for these men and women were eremetical or cenobitic in lifestyle and yet laypeople "in the world" by reason of not taking vows. He regarded it therefore as more difficult to counsel them than other strictly lay persons who might live in common or alone. 40 Some recluses are enclosed alone, some with two or three companions; some in a reclusory located in or near a population center, some far removed from other people. Some live a solitary life under an approved rule, some apart from any professed vows. Those who have a taste for the common life, approaching the status of cenobitics, should seek to emulate approved rites. Friar John, wary with respect to possible moral or doctrinal abuses but protective with respect to this status as a way of life, filled two chapters with a discussion of nine dubia, and ended on a personal note. The status is demonstrably licit: Persons may choose a life of contemplative seclusion apart from family obligations or religious vows. Yet, they should enter upon it only with the greatest care and in consultation with conscientious guides; otherwise what was weil begun will almost certainly come to a bad end. Too many single-mindedly pursuing the way of a recluse, he judged, were imperfect, full of pass ions still, not subject to experienced guides or preachers, dependent upon vernacular books and - worse still upon foolish "revelations." If such people were smeared as full of immorality 40 Quia uero omnium pene inclusorum uita est composita ex duplici uita, uidelicet, secularium pro quanto non sunt aliquam regulam approbatam professi, et cenobitarum uel anachoritarum pro quanta sunt solitarii uel communiter uiuentes, ideo difficilius eis consulitur quam mere secularibus anachoritis uel saltem cenobitis quorum status satis regulati leguntur (DSR 5, fol. 7V ).

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and error - presumably by the citizenry and clergy of these cities - there should be little wonder, Nyder says, only deep regret. 41 He went on to tell a story. A person had lived chastely in the world, then resolved to become a recluse around her fiftieth or sixtieth year, only to suffer carnal temptations of a kind this Dominican friar-confessor found truly astonishing42 - here, apparently, lifting the veil a little on the confessional. Indeed he claimed to have witnessed personally many pitiable falls in various parts of the Empire, but had intentionally kept silent, lest he appear to condemn this estate (Porro de erroribus et lapsu carnis ac scandalis maximis quanta perceperim, sileo ne aut statum reclusarum dampnare uidear aut reuelare ea que latent alios). And yet, as to the spiritual intentions of those motivated to adopt this estate, Nyder personally found them mostly positive: Recluses separated themselves from ordinary human affairs to live more perfectly for GOd. 43 Nyder formally declared this an acceptable estate or way of life, so long as recluses avoided the vices condemned with respect to evil beguines. 44 Nyder claims to uncover six forms of authority or proof: Old Testament figures, New Testament examples, approval by the doctors, favorable mention by historians, approval by Roman pontiffs, and the solidity of custom. 45 Roman pontiffs, for instance, saw this way of life in their court and referred to it favorably: ltem uita reclusarum sine reprehensione a multis centenis annorum uisa fuit in Romana curia etfauore benigno per summos pontifices prosecuta nec inprobata per eos. And in matters not clearly prescribed by divine law, Rome's lead was to be fol-

41 Et quamquam ex prehabitis status talium possit esse licitus, tamen si quis inclusorium intrare desiderat ubi quis erit solus, cum maxima deliberacione et de prudentum pariter et bone consciencie uirorum consilio hoc jiat uel obmittatur, quia alias uix bonum habebit exitum quod fatuo inchoatum est principio. De talibus, heu, sepe in diuersis partibus expertus sum lapsus miserabiles. Nec mirum. Nam imperfecti, pleni passionibus, carentes bonis predicacionibus et consiliis prudentum, innixi libris uulgaribus et - quod periculosius est - uanis reuelacionibus. Si iactantur tales in facinora et errores, non est mirabile sed nimis detestabile (DSP 6, fol. 10r ). 42 Noui ego quandum personam que in seculo caste ualde se habuit, et cum ultra iam uel circa annum foret, ni fallar, quinquagesimum uel sexagesimum inclusorium intrauit. Habuit autem in tanto senio adeo graues carnis temptaciones ut die bus uite mee nunquam de maioribus temptacionibus audiuerim uel perceperim (Ibid.). 43 .•. qua intencione sit iste status assumptibilis, reperimus quod ob multos bonos respectus. Quidam enim assumunt eum ut perfectius Deo uiuant ab hominum conversacione segregati.. .. (DSR 5, fol. 8V ). 44 An uita seu status inclusarum uel inclusorum sit licita, respondeo quod sic, dummodo status eorum aliunde non maculatus per uicia que tacta sunt (DSR 5, fol. 8). 45 Nyder's characterization of his authorities deserves note: Ecce status reclusarum utriusque sexus probatur esse licitus VI uiis, scilicet noui testamenti exemplijicacione, ueteris legis jiguracione, sanctorum doctorum approbacione, hystoriograforum jida commendacione, summorum pontijicum approbacione, et legis consuetudinalis jirmacione (DSR 5, fol. 8').

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lowed. Moreover, Nyder pointed out with irritation, reelusories were an age-old phenomenon found in numerous local dioceses, together with accepted forms for enclosure, episcopal favor, and active participants. In condemning beguines, churchmen often expressly excepted recluses, as he had himself observed in the lengthy dossier prepared by the bishop of Strassburg. 46 Nonetheless, even a "Iay-religious" phenomenon as common as the reeluse, very strikingly, required this friar to assemble a case, not just to invoke one. Indeed, there was, he determined, no rule written specifically for this estate but aseries of local customary usages - an accurate reflection of the situation in the German Empire if not, as Warren's book has shown,47 in England. Whether recluses should count as "religious" and come under clerical privilege, Nyder found, depended upon whether they swore obedience to abishop and renounced their personal possessions - thus in effect taking upon themselves the three substantive vows. If they were to do this only themselves, they were not truly religious, and their goods not ecclesiastical. 48 For all ofthis, Nyder turned to a elose reading of Hostiensis on the hospitallers. While determined to defend the status of the reeluse or beguine, that is to say, Nyder presupposed that, for legal and religious reasons, he had to keep it distinct from the status of the religious. Reeluses might licitly live together and sustain one another materially and devotionally so long as they did not form a new religious order, promise obedience to a superior, or adopt a religious habit. This line looked to be a very narrow one, often indistinct, at times virtually a legal fiction. But it made all the difference in church law and civic standing, and Friar John dutifully reported and endorsed the official teachings, while arguing for the legitimacy ofthis status in the church. Beyond lawyerly ac counts of religio going back three centuries, and a mendicant angle on "estates" going back two, Friar John's approach to the "Iay religious" of his day presumed, third, a discussion about the status of "beguines" 46 Sed per orbem a diutissimis temporibus usque hodie in variis dyocesibus reperiuntur rec/usoria. modi includendi reclusas per deuota uerba contenta in libris ecclesiarum. lauores episcoporum ad idem. et populi injiniti quodammodo. Preterea uidi copiam processus contra beginas et beghardos lactam anno Domini 1419 [!] per uenerabi/ern Iohannem episcopum Argentinensem. in quo nec de habitu nec de cerimoniis de begutis recitatis reclusas personas reprehendit. sed excipiuntur expresse ibi. Et episcopus eas hortatur ut p/ebanis obediant sicut ceteri christiani (DSR 5, fol. 8'). The reference would appear to be to the rulings of 1317; see Patschovsky, Strassburger Beginenverfolgungen (see note 16). 47 A. K. Warren, Anchorites and Their Patrons in Medieval England, Berkeley - Los Angeles - London 1985,92-124 and 294-298 (Iisting 13 English "rules" for anchorites). 48 Si uero huiusmodi persone non includantur per episcopos sed per seipsas. licet uoueant castitatem et renuncient propriis. tune nec jiunt religiosi ue/ ecclesiastici nec eorum bona jiunt nec dicuntur nec delendi ut ecclesiastica. Et hoc si non sunt consecrata per episcopum (DSR 6, fol. 9v-1 Or).

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going back over a century. This originated, at least in the texts that came down to him, with their condemnation at the Council of Vienne in 1311: the constitution "Cum de quibusdam" in the Clementines. Groups of women had come under suspicion for belonging to a status beguinagii - or, "pursuing this estate" (illum statum sectantes), as Nyder summarized the statute. 49 Within a decade, at Strassburg in l317 and then with the two decretals "Sancta Romana" and "Ratio recta", more nuanced rulings were issued to protect honorable beguines, all these in turn soon glossed by church lawyers, including 10hannes Andreae. This material from the 1310s-20s formed, for Nyder, the starting point, shaping his fIrst four chapters on "lay religious." In "Ratio recta" those commonly called beguines (uulgo Beguinae uocatae) were identifIed, whether suspect or not, as a recognizably distinct estate (statum Beguinarum huiusmodi). Friar lohn, wielding theological and canonistic expertise to clarify their standing, fIrst reviewed their condemnation in chapter 11,50 noting their "eight errors" as set out in "Ad nostrum", as weil as the repudiation of their status in "Cum de quibusdam". Whether these constitutions were issued at the Council of Vienne in l311 or only afterwards, and how many groups the pope had in mind, remain unresolved questions. But for Johannes Nyder, in the 1430s, these constitutions appeared to repudiate beghards and beguines (Ex quo patet quod tam status quam earum habitus sunt dampnati). He reiterated the sentence of general condemnation found in "Recta ratio", which he also found in a "council at Mainz from the year l317.,,51 With these general laws acknowledged, Friar John began to interrogate the details and the realities. Thus, as to what habit or status or beguines stood condemned, he claims to have found little help in the extant law, beyond a gloss from a jurist named Guillelmus de Monte Laudano and texts from the bishop of Strassburg. It may be in the nature ofheretics, he observes, fIrst to invent errors, then to institute them in rites - the exact opposite of the way most religious historians approach matters today - and thus to gather followers around them, as disclosed in inquisitors' manuals. 52 As for the rites that were condemned,

3r .

49

Clementines 3.11.1, in: Corpus Iuris Canonici (see note 9), 11, 1169; DSR 2, fol.

50 Hiis prenotatis [eh. 1 on status and religion] ueniendo ad statum beghardorum et beginarum, est ista conclusio, quod secta seu status beghardorum et beginarum proprie sie dietarum est dampnata ab ecclesia (DSR 2, fol. 3r ). 51 The Couneil of Mainz was from 1310, and Nyder apparently knew it through the doeumentation from Strassburg, edited by Patschovsky, Strassburger Beginenverfolgungen (see note 16 above) 142 (for an edition ofthe text), for there the rulings from Mainz are inc1uded in a letter dated 1317. This letter, issued by the bishop to ehurehmen in his diocese, gained a wide reeeption as a description of beguinal errors, in part through its inc1usion in Nicolaus Eymericus' "Direetorium inquisitorum" (see Patschovsky, Strassburger Beginenverfolgungen [see note 16], 127-132). 52 ... de erroribus eorum sciendum quod penes eos principaliter eorum status atten-

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Nyder also found little about them in his time (nostro tempore). He describes rites that appear to imitate religious orders, in this case, in the assumption of beguinal garb. A sister would ritually remove her lay clothing to be robed by two beghards or a superior, all the while performing prayers and genuflexions. These people went so far, Nyder comments, as to imagine that this rite in itself like the monastic conferral of the cowl - would impart new grace, even elevate them above approved orders in the church. 53 Various "beguines" exceed the limits (exorbitant) in still other ways: confessing minor faults to superiors on bent knees on certain days (an affront to the confessional) with their leader (Martha) imposing penance and discipline on them, preaching to one another on the Gospel or Epistle (Inter se nonnunquam predicant de episto/a et euange/io sumpto quasi themate), and finally - though it is not fully clear whether he has seen this or is reporting it by way of the council at Mainz - begging with the words "Brot durch Got" (cum mendicant c/amant... 'Brot durch Got'). With respect to vows, they pledge simple and utter obedience to a "beghard layman," not excepting their curate, bishop, or pope. Whether in fact these charges and descriptions rested on ancient rumor or received reports, or stemmed in any way from Nyder's own experience, is not clear. The problem, however, is clear: False beguines appropriated forms and practices reserved for religious. Thus he could report the conclusion many had drawn: Beghards and beguines are condemned both with regard to their general status or way of life and individually for their reprehensible conduct. 54 This chapter two was, in some sense, the set-up for a sed contra response, though his set-up presented, it must be noted, the reigning church law. The next two chapters, the heart ofNyder's own position, represented his effort to modify and nuance the application ofthat law in the social and ecclesiastical practice of his day. Among the most common such groups in Nyder's time, whether labeled "beguines" or not, were the third-order Franciscans. So in chapter III, imporditur quia hii fuerunt causa quare condempnati sunt. Est enim proprium omnium hereticorum quod prima errorem inueniunt et ut in tali stabiliantur. postea ritus certos addunt quibus col/igentur. ... Ex eisdem [doctrinal errors listed in "Ad nostrum"] autem multi alii sciuntur et secuti sunt ut reperitur in sequentibus et in practica inquisitorum (DSR 2, fol. 3r-v). 53 Nam quedam in induicione habitus prima induuntur per duos beghardos uel per superiorem eorum cum oracionibus et genuflixionibus certis, primus exuto laycali habitu. Begutte faciunt similiter. ymmo aliquando in prima induicione sertum induende imponunt. Ex quibus adeo interdum injiciuntur ut omnino credant in eorum habitus induicione nouam conferri graciam ex ui operis operati, et eorum sectam super omnes extol/unt ordines approbatos in ecclesia (DSR 2, fol. 3'). 54 Sunt igitur plures qui in detestacionem prefatorum beghardarum et beghinarum ponunt hanc conclusionem: Quod scilicet nedum beghardorum et beginarum ritus, secta, habitus, uel uiuendi modus est reprobatus per ecclesiam, sed tam illi quam ille sunt excommunicati et eorum ritus, secte, habitus, uel uiuendi modi late summe ab eadem ecclesia sunt penitus precipitati (DSR 2, fol. 3 V).

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tantly, he asked whether they were condemned along with suspect beguines, and answered negatively. While this chapter mostly becomes a tangle of legal sources, and an attempt to answer counter-charges (particularly, that women adopted third-order status to "veil" suspect "beguine" purposes), Friar John flTßlly protected the right of these women to organize as "lay-religious" communities associated with the Franciscans. Then in chapter IV he went on to explain, importantly, that not every group called "beguine" was in reality condemned - the real point toward which he was leading. It had become common (vulgus) to label as beguines and beghards men and women who chose devoutly to serve God in the world, especially those living in common outside marriage a way, quite simply, to mock simple persons trying to live faithfully in a contemptuous world. 55 Friar John agreed to the use ofthis term only under force, or for lack of another, but regarded it as primarily a smear word directed against worthy people. Among those falsely labeled beguines and beghards, Nyder distinguished three kinds of "recluses". First, those who lived in common from the works of their own hands, chose their own master or mistress, maintained a certain round of hours, read devotional books in vernacular languages, and so on - all this described and defended already, he noted, by certain doctors in Cologne. He meant in fact those we call the Brothers and Sisters of the Common life, whose communities had generated a great legal stir a few years earlier. That is to say, while the "begtiine" issue as such, after a hundred years, had turned into a matter of smear words and opposed texts, of suspicion and acceptance, of legal wrangles that only occasionally or indirectly affected the lives and practices of real beguines, the issue had come to life again in a new form, in the Devotio Moderna. Indeed the texts generated by that controversy - whether by the lawyers in Cologne or the theologians at Constance - decidedly influenced this friar's sense of the issue. He paraphrased at length one or more of the legal "briefs" produced in defense of the "estate" of the Devout, as he stated himself (Et pro eisdem tam uiris quam jeminis determinauerunt plures doctores colon ienses uniuersitatis utriusque iuris quod earum status est tutus prout uidi).56 A second group of "recluses" lived much like the first, in houses and in community, but their commitment to Christ-like poverty moved them to live from alms and begging under the supervision of benefactors who oversaw their purity. These, he says, are commonly called the voluntary poor (vocantur a vulgo vol55 Sed quia vulgus eciam alios viros et feminas Deo in seculo deuote servientes. presertim eos qui sunt extra matrimonium. communiter vocat beguinas et beghardos. idcirco ex accomodacione usus eisdem nominibus uti cogor. quamquam uideatur origo huiusmodi denominacionis in personas bonas derisorie inuectus. Deridetur enim iusti simplicitas apud mundanos homines faciliter (DSR 4, fol. 5V). 56 For these briefs, wh ich I am now editing anew, see my forthcoming essay in the volume on Gerhart Zerbolt of Zutphen, edited hy Nikolaus Staubach.

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untarii pauperes). He must mean those at Basel whom he had defended in "De paupertate perfecta secularium." These latter groups were found mostly - in his experience - in the upper Rhineland, while the Brothers and Sisters (with whom, intriguingly, he began this ac count) spread initially from the lower Rhineland. The third, he says, are groups of poor women, especially widows, living in common and vulgarly called domus animarum. Nyder describes them as both domestics now in poor health who have banded together to look after one another and poor women in general gathered to protect their purity. That such houses are licit, he says, is evident from the fact that they exist especially in cities with universities, where great learned men, who have served as their confessors, seem never to have attacked their way of life. 57 He may mean Vienna or Cologne, but he cites a long series of texts approving communities of holy women in a variety of places. With respect to all three of these groups, the fIrst in Nyder's presentation and the heart ofthe issue for him, he called it abusive to label them "beguines," a smear word with connotations of condemnation, and wrong to think of them as anything other than devout laypeople attempting to live religious lives. After these two books of sed contra response, Friar lohn then moved directly to two more books on the enclosed, as noted above.

Thereafter he was freer, in asense, to make choices about which further cases to take up. The fIrst that came to his mind, not so remarkably, were laypeople who became attached to religious orders. Such groups had existed for a long time, and their status was generally not controversial: lay persons who associated with religious or with the churches of canons and curates, some by way of confratemities, others as domestic helpers (jamiliares). By custom all claimed benefIts and privileges peculiar to the clergy58 - and that was, potentially, the troublesome part. For personal servants or domestics, he noted, nearly every approved order made provision in its constitutions, which, he observed, their learned and devout members had never impugned (the same indirect argument from the authority of masters he had employed with respect to the houses ofthe poor). On what basis, however, could mere domestic servants ex57 Tercium genus begutarum et [eminarum pauperum que in domibus propter deum datis simul uiuunt, que domus uoeantur domus animarum uulgariter. Et sunt [emine iste ut plurimum pauperes uidue uel alie pauperes que diu, propter seruieia que ad se nutriendum impenderunt dieioribus hominibus, eonfraete sunt iam in toto uel in parte in uiribus eorporis. Nonnumquam eeiam sie uiuunt [emine pauperes ob tuendam melius suam eastimoniam, et habent plures earum quedam propria, lieet plura habeant eciam in eommuni de elemosinis. Et quod talis sie lieite uiuant patet ex eo quod in ciuitatibus multis reperiuntur ubi sunt generalia studia uelliteratissimi uiri earundum eonfessores, qui talia nunquam uidentur impugnasse (DSR 4, fol. 6r ). 58 Quinto nune loeo de habentibus fratemitates uel benefieia religiosorum aut familiares eorum dieendum est, ubi notandum quod plures sunt difJerencie hominum qui se religiosis uel eanonieorum aut saeerdotum seeularium eeclesiis specialiter iungunt et spiritualia quedam partieipant priuilegia uel dona spiritualia (DSR 9, fol. 14v -15').

40 Festschrift Elm

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pect to share in the spiritual privileges and benefits of professed religious? Nyder ticked off a variety of questions and answered them expeditiously, with no hint of controversy and almost entirely in words borrowed from his chosen authorities. Only in his last paragraph did he strike a personal note. What advantage was there, he asked, for a lay person to offer prayers in close association ifamiliaritas) with an order?59 Friar John described the arrangement among Dominicans: an annual anniversary commemoration in all convents, a daily commemoration with absolution at matins, and a remembrance in the vigils for the dead. For those who lived in a given house thefriars could perform all the sacramental rites free (libere) and bury them in their cemetery. Moreover, in times of excommunication or interdict, the boys, procurators, and workers (pueri, procuratores, operarii) associated with their houses would be unaffected by any suspension of the divine offices and could participate in whatever offices the papacy allowed. Between the estates of virtually religious types such as beguines or thirdorder Franciscans, and the orders of penitents and lay associates of the professed, there existed a wide range, and indeed a host of other "lay religious," mostly neglected in church teachings and law. Among the most ancient as a type was the hermit. Nyder came to them only at the end of his treatise. He declared there to be a status heremitarum on the strength of stories from the "Vitae patrum" and vague references in law. Hermits or anchorites in a strict sense, those who choose to live in complete solitude and separation from the world, were, Nyder claimed, rare in those days in his region60 - perhaps why they come last in his treatise. Such true solitaries, he observed remarkably, are removed from civil law and live under the realm of the Spirit (non uiuunt civiliter nec socialiter sed magis sibiipsis dimittuntur sub lege Spiritus Dei). As regards the hermits' profession or vows, he found nothing on the subject in any authentie doctor of the church (de professione heremitarum non distinctum me recordor reperisse modum apud doctores autenticos), and so turned instead to the treatment of vows generally in Thomas Aquinas and Petrus de Palude (treating "Sentences" 4.38.2). He adopts the same basic stance: Hermits cannot count as clergy (persone ecc/esiastice), properly speaking (proprie), unless they have made vows under an approved rule or been ordained. So too, solitaries, despite their pursuit ofperfection, are not strictly "religious" because they are bound to no rule, a position supported with materials from Thomas and Henry of Ghent. S9 Si autem queritur quam prerogatiuam habeant ab aliis secularibus quo ad oraciones recepti ad beneficia uel ad familiaritatem ordinum. responditur quod singuli ordines suas de hoc habent ordinaciones (DSR 9, fol. 15V ). 60 Sciendum preterea quod hoc tempore in nostris partibus et eius uicinis paucissimi heremite sunt anachorite. quod patet ex multiformi differentia inter eos. Qui enim uult esse heremita seu anachorita re et nomine debet uere et pure mente et corpore solitariam. idest uitam heremiticam eligere (DSR 12, fol. 19V).

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Solitaries can therefore own property and make wills. Moreover, they can be elected prelates and even, given the incertitudes and difficulties of the solitary life, make profession as an ordinary monle Indeed, the crucial legal test, solitaries, because they are bound to no rule, can contract marriage. And yet - here the constant tension and recurring pattern in Nyder's treatment - these people under circumstances enjoy clerical privilege and may be called religious in some extended sense (possunt dici ecclesiastici et large religiosi quia... gaudent priuilegio clericali). For through their promises and lifestyle, they represented in an extended sense - with explicit reference to Hostiensis again - "regulars" or "religious" (sed bene inproprie sunt regulares seu religiosi). If his treatment of hennits was somewhat disappointing, Nyder made up for it with his careful attention to a group that received little attention from theologians or canonists in his day (or from historians in ours). Among those "living as religious in the world" Nyder spotted the secular canonesses. Unlike hospitallers and the templars, the classic examples of "lay religious," secular canonesses comprised a group not often thought of as "religious." Like beguines and recluses, they fell between two worlds, though they remained prominent in imperial cities and had a history going back to Carolingian times. Nyder offered an excellent portrait of them. Secular canonesses, he reports, make no vows and observe no rule, retaining private property; they sing the office in the same church with secular canons and other clergymen, though possibly set off in a separate choir; they can and often do marry; they live off incorporated parish churches together with tithes and incomes assigned to anniversary observances; they elect an abbess and conduct themselves much like nuns; and in some places they have customs and statutes to which they swear upon being "installed" (the word canons used upon receiving their benefice and stall in the choir). In Germany, Nyder noted in conclusion, there are a large number of these houses, and nearly no one gains entrance unless she is of noble lineage. 61 Their "nonreligious" status is patent: these canonesses had the right to make private wills, since they had taken no vow of poverty.62 This description was Nyder's own, 61 ... de statu canonissarum secularium, que nullam approbatam uidentur habere regulam, sed habent propria; tria substancialia religionum non uouent; in eadem ecclesia cum canonicis secularibus uel clericis cantant, licet forte in choro ab eis sequestrato; ymmo matrimonium contrahere possunt et contrahunt sepe; ecclesias parochiales habent sibi incorporatas; decimas et redditus habent pro anniuersariis; ac abbatissam eligunt; similiaque multafaciunt que approbate sanctimoniales; quarum canonissarum in Alamania magnus est numerus monasteriorum, et uix uel nunquam aliqua recipitur nisi sit nobilis. Habentque in quibusdam locis quedam statuta seu consuetudines secundum quas, ut uerbis earum utar, installantur per certa uerba, uel iuramenta seu stipulaciones faciunt (DSR 8, fol. 12'). 62 ... nec propriis renunciant nec professionem faciunt regularem, sed uiuunt ut in ecclesiis secularibus canonici seculares ... ergo possunt testamentum facere (DSR 8, fol. 14V).

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though he knew and quoted the depiction provided nearly two centuries earlier by Friar Hurnbert ofRomans in his book of sennons ad status. 63 Nyder concluded that houses of secular canonesses had a dualorigin, good and bad. The good impulse arose from an act of charity on the part of Gennan emperors about the time of St. Benedict. The Gennan nobility had produced too many daughters, and could not easily marry them off for lack of sufficient dowries (ob dotis penuriam). Such families needed a place where their daughters could maintain an upright way of life, preserving their virginity but also their option to marry - a consideration that may always· have been present but was explicit (experiencia tamen et uiue uocis oraculo) in the early fifteenth century. The emperors then, as Nyder reconstructed it, "mercifully" founded these churches with a "nearly regular" way of life, attaching to them tithes, patronage, and other revenues. There such "noble virgins" could sing and pray in chastity and safety, be taught and reared by upright ladies until such time as a wealthy nobleman married them; should they choose this way of life pennanently, they could live in honor. 64 These were lay or "worldly" considerations as much as "religious," and Nyder acknowledged them as both real and acceptable, even "pious." Many canonesses were, however, Nyder claimed, simply fallen away religious (ex lapsu obseruancie), nuns once pledged to the rule of Benedict or Augustine or Basil who had now slipped to a weaker state (heu modo in statum uenerunt debilem), exactly like their male counter-parts, canons who were once Augustinian and now secular. For a friar dedicated to restoring "observance" among religious, this was a serious charge. He opined this from older statutes and church edifices and from "most certain" experience in his own day6S pointing as proof to recent events at the men's house of St. Alban's outside Mainz. To detennine whether a particular house was of good or bad origin, a person should, he instructed, as he had done (prout experiencia didici), examine its ancient statutes and founding privileges. If the house was of good origins and its canonesses honored the intentions of their founders and donors, this was a

63 Humbert, De modo prompte cudendi sennones 55 (Maxima Bibliotheca Veterum Patrum 25), Lyons 1677,483-484. 64 • •• edificando eis loca pe ne regularia et monastica, ecclesiam, dormitorium, reJectorium et similia, decimas aut ius patronatus uel alios redditus perpetuos illis annectendo, ut sic ibi Deo incantando et orando caste et tute saltem ad tempus uiuerent, docte et nutrite a dominabus honestis; ac tandem si quis uir nobilis et diues aliquam ducere uoluisset, talem honestius duceret; uel si in uirginitatis proposito perseverare puella uoluisset, ibi prouideri potuisset honorifice (DSR 8, fol. 12V ). 65 Ad idem tendere uidentur eorum edificia more constructa monastico, plusque id probant eorum statuta si inspiciantur antiqua. Nec mirum, licet dolendum, si olim talia collapsa sint ut premittitur. cum certissime in luce nostrorum temporum uideamus simi/ia iamJacta (lbid.).

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licit estate in which persons could gain salvation. 66 He had himself observed houses where the office was maintained and the moral standards high. If all houses of secular canonesses were like the one he had seen, there would be, he concluded, no need to cry out against them. 67 His remarks presuppose that houses of secular canonesses had come under suspicion, and he acknowledged "detestable" failings present in this form of life (que sint in ea statu uel uita uituperabilia). He had himself witnessed shortcomings in a variety of places: canonesses who dressed and painted themselves as if for a play or mime, who neglected the office required by their benefice, who spent too much time with clerics and religious, and who even committed acts counted sinful for married laity.68 This is strong criticism. Yet it is mild compared to the stance taken in virtually the same year by the secular cleric in Basel responsible for the "Reformatio Sigismundi". As Nyder clearly understood, this cleric and presumably many others like hirn, both radical reformers and annoyed citizens, wanted to see the entire institution eliminated, with the women either released to the world or enclosed in a cloister. These women claimed, the author said, to be free, to be both in the world and in the religious life ("dye meinen frey zu sein .... sye sein geistlich und weltlich" - compare Nyder's title!), but they are in fact simply in the world, as proved by their garb, their dancing, and their attendance at court. They also claimed, as Nyder likewise reported, that their houses represented a kind of hospice or poorhouse for the nobility ("Sye haben ein wort: sye sein der edeln spital"), but their conduct and dress in choir suggested nothing but sheer mockery of God. In noteworthy contrast to Nyder, this clerical reformer could barely contain his wrath. These canonesses constituted nothing but a trial and test for the forbearance of the truly faithful; they and their supporters, the cathedral canons, would go down to hell together; but the whole lot - and this was his recommendation to the emperor and the learned masters - should be eliminated: This would represent true 66 Quo ad secundum, an scilicet sint in statu licito in quo saluari possint, respondeo quod sie, dummodo sint orte a bona radice ... satisfaciantque fundatoribus suis uel eleemosynis seu stipendiis de quibus uiuunt (DSR 8, fol. 13'). 67 Vidi preterea egoipse collegium talium canonissarum, ubi omnes et singule castissime uiuebant, diuinum officium tam diumum quam nocturnum in cantu et lectione deuotissime persoluebant, in uestitu humilitatem, in incessu maturitatem, respectu abbatisse obedienciam iuxta stipulata in sua installacione laudabiliter seruabant. Et ut breuiter perstringam, credo quod si ita omnes uiuerent aut uixissent nunquam iura ita contra eas clamassent et clamarent. Sepe eciam consciencias sacramento confessionis mundabant et eucharistie sacramento in anno pluries communicabant, etcetera (Ibid.). 68 Multa uero hodie in tatium uita canonissarum secularium uidemus uituperabilia in diuersis locis. Quedam enim more meretricarum et theatricarum mulierum se omant. Cum beneficium detur propter officium diuinum, tamen officium quando possent dicere et cantare illud negligunt. Clericis et retigiosis nimis frequenter commorantur, et alia committunt que eciam aliis mere secularibus uel coniugatis forent detestabilia .... (DSR 8, fol. 13 V ).

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service of God ("man soll es abthunn und nit mer verhengenn, daran thut man got ein dinst,,).69 Nyder almost certainly had not read this text, but he knew the sentiment weIl. So he asked explicitly whether theirs was an approved status, and affinned that it was and could be maintained with merit and without sin, but not as an approved order. 70 This last point he took over almost literally from two papal decretals, one from Boniface VIII on the election of abbesses and another from the Clementines on discipline in female houses, both of which mentioned secular canonesses. 71 Nyder managed additionally to uncover what few references to canonesses there were in church law, mostly by way of William of Monte Lauduno's gloss on the Clementine text. All commentators, including Nyder, referred back ultimately to a decretal of Innocent 11 (C.18 q.2 c.25: "Pemiciosam"), and agreed that the easy relations of canonesses with canons in choir and the public nature of their worship made this a dangerous estate. 72 So their houses were to be visited, whether or not they enjoyed a privilege of exemption, the authority for this taken from the general Clementine constitution on the visitation offemale houses (3.10.2). Another essential question remained, whether they enjoyed benefit of clergy or counted as "religious." He quoted Joharmes Andreae' commentary on "Di_ lecta", which, building upon Hostiensis, likened canonesses to lay brothers or sisters (conversi) attached to secular houses and denied them clerical privilege (contrahere [matrimonium] potest nec gaudet immunitate canonis).73 But against this view he quoted extensively Friar Petrus de Palude's commentary on the "Sentences", as holding the better view (pro ueriori tenet contrarium). Petrus wrote in 1309-10, just prior to the Council of Vienne, when the issues conceming beguines frrst came to a head. A full century earlier Petrus had also recognized the secular canonesses' ambiguous situation: living a religious life in the world, sometimes even veiled, yet taking no vow of poverty or chastity and therefore not religious in the strict sense but rather "Iiterate laity serving God.,,74 69 Refonnation Kaiser Siegmunds, ed. Heinrich Koller (MGH Staatsschriften 6), Stuttgart 1964,210-213. 70 Quarto queritur utrum status earum sit approbatus. Responditur quod est approbatus sie quod potest seruari meritorie et sine peccato, ut patet ex precedentibus, sed non sie est approbatus quod sit ordo proprie (DSR 8, fol. 13 V). 71 VI 1.6.43; Clementines 3.10.2, in: Corpus Iuris Canonici (see note 9), 11, 969, 1169. 72 Nam cum uirorum cetui se racione sui ojJicii sepe habeant immiscere et plurimorum conspectui se presentare. Et hoc ipse naturaliter eciam sine causa appetant et procurent iuxta uerbo 'Spectatum ueniunt. spectent ut ipse puelle . . Ille locus canonicarum dampna pudoris habet; merito earum status potest dici periculosus (DSR 8, fol. 14r). 73 Johannes Andreae, Novella commentaria (see note 25), I, 267v • 74 Tales enim licet Jorte portent uelum, improprie tamen dicuntur religiose quia habent proprium nec uotum emittunt, sed largo modo dicuntur religiose sicut qui in seculo ducunt uitam religiosam. Unde et matrimonium contrahere possunt cum non prohi-

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Already in 1310 Petrus had identitied at least four such groups: tertiaries, beguines, "daughters of God," and secular canonesses (de penitentibus, de beginabus, de jiliis Dei, et de monasteriis canonicarum secularium de quibus multa sunt in Germania). But focusing on the question of vows (Sent. 4.38.2) Petrus argued that theirs could not be a tacit profession, no matter how long they remained in this habit, and therefore they could not be protected as clergy anymore than a lay, beguine, or literate person singing in choir (plus quam laicus beginus uellitteratus in choro cantens). However, this strict exclusion of such persons from the religious, and of women in particular, part of the polemic against beguines and other "lay-religious" types in the early fourteenth century, no longer satisfied Friar John Nyder. So he returned to another passage (Sed uerius uidetur dicit Petrus ubi supra) where Petrus said plainly that secular canons, though not religious, clergy or novices, did enjoy a kind of clerical privilege in that they could not be taxed or called before a secular judge and were ordinarily protected from physical attack under threat of excommunication. 7S This, Nyder said by implication in the deploying of his sources, should now apply to women, to secular canonesses, as well. This striking contrast between two Dominican friars, a hundred years apart, seems the right place to end, though it falls in the middle of "De secularium religionibus" and concems the somewhat unusual case of secular canonesses. For Friar Petrus in 1310, beguines and canonesses were not conceivable, fmally, except as "literate laypersons singing in choir." For Friar John in the 1430's, they represented yet another type of those "living as religious in the world," and therefore deserving a measure ofthe recognition and protection accorded clerics and professed religious. In retrospect, and in conclusion, Friar John Nyder's path through his book on "lay religious" may be reconstructed with relative confidence. In the midst of disputes about voluntary lay poverty in the upper Rhineland and about new devotional communities usurping "religion" in the lower Rhineland, the first charge brought by a Dominican before the bishop of Basel, the second by a Dominican before the bishop of Utrecht and the Council of Constance, Friar John resolved to think through the church's position on "lay religious," and indeed to consider them as "estates" within the church. He first (I) rehearsed the notions of status and religio, in both cases drawing upon ancient texts and controversies, though partly to his own ends, and then reviewed beantur uoto projessionis.... [the main point in Petrus's originating discussion] ...quia nec sunt professe nec nouicie cum in statu earum nunquam fiat professio, sunt sicut laycus litteratus seruiens Deo (DSR 8, fol. 14v = Petrus de Palude, In Sent. 4.26.1). 75 Sed uerius uidetur dicit Petrus ubi supra dicit 26. quod canonice seculares et diuino cultui dedicate sunt, quamuis nec clerice nec religiose nec nouicie, gaudent tamen priuilegio clericali quia nec coram iudice seculari conueniuntur nec sicut layce nec sicut layci talliantur et per consequens qui eas percutit uidetur excommunicatus (DSR 8 = Petrus de Palude, In Sent. 4.26).

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the church's condemnation of beguines (Il), the most formidable legal hurdle. Then he proceeded into a sed contra response in his next four chapters, treating varieties of "recIuses" falsely smeared as errant "beguines": third-order Franciscans (III), Brothers and Sisters of the Common Life, voluntary poor, and communities of poor women (IV), together with the encIosed (V-VI). These were, for him, the central types or cases. But others came to mind, first of all, orders of penitents associated with mendicant orders (VII). Strikingly, he turned to the secular canonesses so prominent in the cities where he Iived (VIII). Then he took up the various kinds of laypeople who attached themselves to religious orders for spiritual benefits (IX-X). And he concIuded with solitaries of various sorts, though he conceded that true hermits were not so common in his day and part of the world - a hint that his treatise mirrored in its cases his own vital experiences. During the middle ages, Grundmann argued more than sixty years ago, choices in religious Iife proved stark: the world or the cloister. The religiously motivated had eventually to find their way into orders granted official approval, or become ostracized as schismatic or heretical. Kaspar E1m, his student, has spent a Iifetime showing that the church recognized societies and lifestyles that went a "middle way," forms of "semi-religious" Iife with means to live "the Iife ofa rule without a rule." This essay honors Elm's vision, but with a nuance. The notion of a "third" option was coopted, it must be remembered, in the early thirteenth century: those who were religious in the full sense, bound by vows and communities, and yet active in the world as preachers, teachers, confessors, and ministers of mercy - in a word, by the mendicants. Precisely to defend this novel way, friars had effectively to reinforce (and alter!) the vows as the distinguishing mark of the truly "religious." "Lay" persons nonetheless continued to move toward, and appropriate, practices of religion, sometimes as those who made promises but swore no vows. The cardinal and influential canonist Hostiensis labeled such groups "religious in a broad sense," thinking of hospitallers and templars. His text offered a crucial legal precedent but it did not, I would argue, become a "rubric" or "institute" or "principle" within the medieval church. Each such group had still to fight anew for recognition of its right to exist and its practices. The high medieval church, to put it another way, fostered nurnerous "semi-religious" persons - or "Iaypeople Iiving as religious," as Friar John put it - but no "Semi-Religiosentum" as such. Whenever beguines, or Brothers and Sisters of the Common Life, or hermits, or donati appeared on the scene, the question of status potentially arose anew, and had to be fought out anew - in Nyder's Iifetime, at the Council of Constance or before episcopal courts and city magistrates. This element of uncertainty, along with prejudices against them coming from both the lay and the cIerical side, rendered such groups ever vulnerable to critique and attack. Friar John Nyder's "De secularium religionibus" represents a remarkable moment in this history. Four points deserve note. First, he approached these "Iay

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reJigious," as he caIls them, in tenns of status or "estate," and he claimed to see eight of them in his own day in the Gennan lands. This aIlowed him, going beyond the notion of "beguine" (a smear word and a condemned status) and also beyond vague notions like the "devout" or "recluses," to endow them with a kind of concrete social and religious recognition, a set of practices not weIl articulated in theory, an estate with particular rights and ways. The issues accordingly, and second, prove mostly practical and legal, questions of standing before church or civic law, the right to engage in acts thought of as reserved to the religious, or of extending benefits that accrue to those under vows. Whatever the popular attitudes, or those enunciated by theologians, preachers, and the religious themselves, the only meaningful approach to this matter - Nyder wrote in Basel around the beginning of the council - was to examine the standing of these estates and their practices in church law. At every point he could, he extended to "lay religious" the name, the benefits, and the protections of the "religious" as such, without ever blurring the inherited distinction or offering any favor to those suspected of error. Third, in general he adopted a stance that seems genuinely sympathetic, if not stridently apologetic. Dominicans more often appeared as critics, hostile preachers, even inquisitors. This friar sought to set things right, against critics coming from within his order, even his own house. Given his frustrations as an Observant, moreover, he was willing to laud and protect genuine religion wherever he might fmd it. Yet, fourth, Friar John remained a religious, a strict Observant. True religion, throughout, still meant those in orders and under vows. He strained, as his texts and attitudes allowed, to stretch the defmition of "religious" to cover them in some "broader" or "less strict" sense. However crabbed and even begrudging this approach may appear now, buried in quotations and legal apparatus, it represented a notable achievement, and bespoke a serious effort to recognize genuine "religion," amidst halting refonns, wherever he might encounter it, incIuding among laypeople in fifteenth-century imperial cities.

Appendix REG/STRUM CAPITULORUM TRACTATUS DE SECULARIUM RELIGION/BUS HABENTIS TREDEC/M CAP/TULA. PRIMUM capitulum notat septem preambula. videlicet. quot sint differencie hominum in Alamania religiose in seculo vivencium; quid sit status; duplicem perfectorum; mendicancium diversitatem; gradus paupertatis voluntarie; quod non sint faciliter iudicandi status; et triplex accepcio religionis. SECUNDUM determinat qui beghardi et beghini sint condampnati. Et solvit dubia quedam. videlicet. quis eorum fuerit habitus. quis eorum status. qui erro-

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res, que eorum cerimonie, et quomodo quod de eis condempnatoria probatur multipliciter. TERCIUM solvit dubium utrum fratres et sorores de tercia regula beati Francisci condempnentur per ea que contra beghardos et beginas fulminata sunt, et ponit opinionem quod non. Solvunturque argumenta in contrarium facta. QUARTUM solvat aliquid dubium et oponit quod non omnis beghardi vocati et begine vocate condempnantur per iura a//egata in secundo et tertio capitulis, sed triplex genus talium licite vivit in seculo. QUINTUM incipit tractare de reclusis in utroque sexu, novem dubia de eis movendo, de quibus expedit tria dubia: prim um in quot duplici sint differeneia, secundum an vita reclusorum sit licita, tertium qua inteneione assumi debeat idem status. SEXTUM determinat de eis residua sex dubia, scilieet, a quibus eavere debeant prineipaliter. utrum eorum vita sit heremitiea vel eenobitiea, an possunt dici religiosi sie quod privilegium clericale habeant, quis eis dare posset modum vivendi, et an sine professione religionis possunt convivere. Ultimo ostenditur quod talium vita est perieulosa multis valde. SEPTlMUM eapitulum traetat de fratribus et sororibus existentibus de penitencia saneti Dominici et de tercia regula sancti Francisci, probando quod sunt status lieiti. Quale enim fuerit eorum exordium. Et solvuntur multa dubia de istis, presertim de tertia regula, scilieet an sint vere religiosi, an faeiant ordinem, an tempore interdieti possint recipi ad divina, qui ritus eorum, et an sint abhominandi propter quasdam de eorum ritu qui interdum errant vel erraverunt. OCTAVUM determinat novem dubia de statu eanonissarum secularium, videlicet que sit origo earum et que ritus, an status earum sit licitus, que sint communiter inter eas vituperabilia, an status earum sit approbatus, quam potestatem habeant presertim abbatisse, an sint visitande, an valeant testamentum condere, an privilegio gaudeant clericali, et an sint religiose dicende. NONUM tractat de hominibus habentibus confraternitatem cum approbatis religiosis, de habentibus beneficia vellitteras benefieiorum spiritualium et de eorum familiaribus, ubi determinatur an talia lieite fieri possint, an benefieia communicata religiosorum valeant tantum multis quantum paucis, an valeant quando nimis faciliter recipiuntur, utrum valeant ad merendum vel ad satisfaciendum, que talium differeneia, et ad quod valeat communicatio talium. DEClMUM tractat de donatis religiosorum, oblatis seu conversis quibusdam et de illis qui in hospitalibus et piis locis portant signa quedam, qualis sit eorum differeneia, que privilegia, et de votis eorum.

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UNDEClMUM tractat de heremitis, ponens differenciam inter heremitas et anachoritas. Et so/vit de heremitis quinque dubia: prim um que fuerit eorum vita, quis habitus, qualis professio, an sint religiosi, et an introitus ad eos solvat matrimoniam. DUODEClMUM tractat de statu anachoritarum seu solitariorum seu heremitarum solitarie vivencium, ostendens differenciam eorum ab heremitis de quibus in precedenti capitulo dictum est. Et solvat de solitariis talibus novem dubia: prim um an habeant certum modum vivendi, an subsint alicui prelato, an sint dicendi religiosi, an possint habere propria, an eligi possint in prelatos, an possint matrimoniam contrahere, an possint dici ecclesiastici et gaudeant privilegio c1ericali, an religioso in ordine approbato existente licentiam debeant dari ut vitam assumat solitariam, et ultimo utrum equaliter fratribus cuiuscumque ordinis debeant dari licentiam ad vitam anachoritam vel non. TREDICESlMUM movet questionem utrum perfectior sit religio in societate vivencium quam agencium solitariam vitam et determinat quod non, solvitque quattuor pulchra dubia circa i/lam materiam, notando plura, scilicet de differentia solitarie vivencium, ex solitarie vivere non est precise perfectionis, qualis esse debet solitarie volens vivere, quid boni conferat bonorum societas; deinde solvit secundum, scilicet quas utilitates conferat vita solitaria, tertium an sit feminis periculosior quam viris, quartum qualem vitam ducere debeant et qualia habere exercicia.

Gnadenberg in der Oberpfalz 1451: Religiosen begeben sich unter die Jurisdiktion des Ordinarius Von Tore Nyberg Das Birgittenkloster Gnadenberg in der Oberpfalz, 1426 vom Pfalzgraf Johann von Neumarkt und der Pfalzgräfin Katharina gestiftet,l erhielt in den 30er und 40er Jahren des 15. Jahrhunderts einen filr ein beschauliches Kloster eines neuen Ordens recht beachtlichen Zuwachs an Novizen. Dies wird aus der Tatsache ersichtlich, daß um 1450 beschlossen wurde, die neue Siedlung aus der Obhut und formalen Abhängigkeit unter der ordenseigenen Führung herauszulösen und sie einer neuen Ortsangehörigkeit, dem ordinarius /oei, zuzufilhren. Rechtlich ist dieses Geschehen in zwei Akte unterteilt. Erstens trat der Orden - in diesem Falle dasjenige Birgittenkloster, von wo aus die Gründung initiiert oder geleitet worden war - von der weiteren Aufsicht über die Beachtung der Observanz in dem neuen Kloster zurück. 2 Zweitens ging, in Übereinstimmung mit der Ordensregel, das Kloster in die Obhut des Bistums über, in diesem Falle des Bischofs von Eichstätt, der also von nun an das Visitationsrecht innehatte. Damit nahm der Bischof einen Teil der Verantwortung filr die Observanz der Religiosen auf sich und seine Nachfolger. Seine Amtsträger sollten sich in die Birgittenregel einlesen und künftig, soweit erforderlich, deren Observanz im Kloster Gnadenberg überwachen, wenn nötig gegen Mißbräuche einschreiten und Strafen verhängen. Eine ordensinteme Visitation durch ein anderes Birgittenkloster war nicht vorgesehen, ebenso wenig wie regelmäßige Generalkapitel zum Zwecke der Beratung unter den Oberen mehrerer

I Dokumente und Untersuchungen zur inneren Geschichte der drei Birgittenklöster Bayerns 1420-1570 (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte 26/1-2), hg. v. T Nyberg, 2 Bde., München 1972/74, I, 31*-34*, 20-25 (Nr. 5). Fortan angeführt als: Dokumente I und II. 2 So laut den Satzungen. Im Falle Gnadenbergs waren die ersten Nonnen aus dem dänischen Mutterkloster Maribo schon 1438 wieder in ihre Heimat zurückgekehrt, und es ist nicht bekannt, ob oder in welcher Form der Obere des florentinischen Paradiso, von wo aus sich der Orden nach 1426 in Gnadenberg angesiedelt hatte, noch bis 1451 die Entwicklung in Gnadenberg verfolgten, vgl. T Nyberg, Birgittinische Klostergründungen des Mittelalters (Bibliotheca historica Lundensis 15), Lund 1965, 138-145. Der Vorgang läßt sich bei der nachfolgenden bayerischen Gründung Maihingen deutlicher verfolgen, Dokumente I, 48*-55*.

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Birgittenklöster. Am Sonntag, den 11. Juli 1451 fand die Aufnahme der - bis dahin formell ab extra als "Außenmitglieder" angebundenen - sechsundzwanzig Frauen, neun Priester und fünf Laienbrüder durch den Bischof statt. Hiernach sollte das Kloster die vita religiosa unter der Leitung einer Äbtissin und eines Konfessors und unter der Jurisdiktion des Bischofs von Eichstätt fruchtbar werden lassen. 3 Für die Frage nach dem geistlichen Leben der jungen Klostergemeinschaft stehen uns vor allem zwei Quellengruppen zu Verfügung. Die eine besteht aus im Kloster selbst verfaßten Texten, von denen hier ein Traktat über die Gründe, die zum Klostereintritt bei den Birgittinem anregen könnten, behandelt wird. Es geht um einen im benachbarten Augustinerstift Rebdorf überlieferten Text, der um 1445 von einem Ordenspriester in Gnadenberg geschrieben wurde. 4 Die andere Quellengruppe sind Texte, die in der bischöflichen Verwaltung in Eichstätt im Zusammenhang mit der regelgemäß wahrgenommenen Visitationspflicht des Bischofs über Gnadenberg entstanden sind. Drei Texte, im Kopialbuch des Liber statutorum fohannis IIf - Johannes von Eich oder Eyb, Bischof von Eichstätt 1445-1464 - überliefert,S geben hier reichlich Aufschluß: ein ausfilhrliches Formular von Fragen und Punkten, die offenbar fi1r die erste Visitation vorbereitet worden waren,6 die in deutscher Sprache verfaßte carta über die erste bischöfliche Visitation im Nonnenkonvent von Gnadenberg,7 endlich die lateinische carta von der ersten bischöflichen Visitation im Priesterkonvenf von Gnadenberg. 8 Das Frageformular trägt kein Datum, die beiden Dokumente dagegen wurden in Eichstätt am 17. September 1453 datiert. Ein Datum fUr die Visitation selbst wird nicht angefilhrt; es ist auch nicht ersichtlich, ob die beiden Visitationen am gleichen Tag oder zu verschiedenen Zeitpunkten stattfanden. Es liegt jedoch nur ein einziges Frageformular vor. 3 Dokumente I, 48*-49*, neuerdings auch: M Weit/aujf, Die Birgittenklöster Gnadenberg und Maihingen und ihr Schicksal im Reformationsjahrhundert, in: Der Birgittenorden in der Frühen Neuzeit. Beiträge der Internationalen Tagung vom 27. Februar bis 2. März in Altomünster, hg. v. W. Liebhart, Frankfurt 1998, 117-145, hier 118-122. V gl. T. Nyberg, Das Gesamtkloster als Rechtseinheit im Lichte der Klosteridee Birgittas, ZRG Kan. Abt. 74 (1988) 357-390. Zur Bedeutung der feierlichen Einweihung eines Birgittenklosters mit der im Ritus enthaltenen Gelübdeablegung der Ordensmitglieder in die Hände des Bischofs siehe: T. Nyberg, Invigningen som avgörande deI i klostrets Iiv, in: ders., Birgittinsk festgäva. Studier om Heliga Birgitta och Birgittinorden, hg. v. C. F. Hallencreutz I A. Härde/in, Uppsala 1991, 90-110. 4 Dokumente 11, 130-146 (= Nr. 227): Directorium adfratres de Montegratie ordinis sancte Brigitte. Der Text entstand wahrscheinlich nach einem Wechsel im Vorsteheramt der Ordenspriester, da auf einen neuen Oberen hingewiesen wird. Der Wechsel fand in der Zeit zwischen August 1444 und August 1445 statt, Dokumente I, 43*-45*. 5 Ordinariatsarchiv Eichstätt, B 6. 6 Dokumente I, 221-226 (= Nr. 96). 7 Dokumente I, 226-231 (= Nr. 97). 8 Dokumente I, 231-235 (= Nr. 98).

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Auf die die Nonnen betreffenden Fragen folgt die Überschrift Inquisicio fratrum und der Text: Item prima circa fratres fiat interrogacio sicut circa sorores in hiis que observacionem regularem concernunt. Die erwähnten Quellen sollen im folgenden herangezogen werden, um einen Einblick in die geistige Lage einer heranwachsenden Klostergemeinschaft eines neuen und relativ unbekannten Ordens in den Jahren um 1450 zu vermitteln. Es wird dabei möglich sein, die Anliegen der Priestergruppe, des "inneren Bereiches", bezüglich der Regeleinhaltung denen im "äußeren Bereich", also des Bischofs, gegenüberzustellen. Wie und wo der Bischof und die Domkapitulare von Eichstätt ihre eingehende Kenntnis der birgittinischen Konstitutionen erworben haben - ob durch Lesen der einschlägigen Regeltexte oder z. B. durch Informationen seitens der Birgittiner am Ort oder anderer Birgittenklöster -, ist nicht unmittelbar ersichtlich.

I. In dem Traktat wendet sich der Autor an Reverende domine et pater und an ceteri domini ac fratres in Christo semper diligendi - daß es sich um Gnadenberg handelt, steht schon in der Überschrift. Er beruft sich auf einen Auftrag, eine commissio, die er als die Zusammenstellung eines directorium tamquam minus expertis de seculo ad prefatam religionem spe salutis confluentibus bezeichnet, also etwa einen "Wegweiser filr diejenigen, die aus der Welt in der Hoffnung auf das Heil zu der vorgenannten Ordensgemeinschaft zusammenkommen, über diese jedoch wenig Kenntnis haben". Daß er den Auftrag pro salute animarum vestrarum erfUlle, könnte bedeuten, daß der Text, vielleicht als Vortrag, aus aktuellem Anlaß angefordert war. Der Text behandelt die Gründe, die jemand zum Eintritt bei der Birgittinern veranlassen könnten. Scholastisch wird das Thema in causa movens, causa promovens und causa perficiens eingeteilt, als principium, medium, finis defmiert. Die erste causa movens fUr jemand, der bei den Birgittinern um Eintritt sucht, ist laut Autor die Würde des Ordens. Dies wird zunächst mit dem bekannten Argument ausgefUhrt, das die Birgittiner öfter ins Feld fUhrten: daß ihr Orden von Christus selber, und nicht von Heiligen, die nur Menschen waren, gestiftet worden sei. Ferner wird auf die dignitas patronorum hingewiesen damit sind Maria und Birgitta gemeint, die "Patrone" des Ordens in diesem Sprachgebrauch. Das dritte Argument tritt unter der Form der dignitas intrancium, die besondere Würde der Eintretenden, auf, näher ausgefUhrt als quia sunt precipui filii Dei, "weil sie die besonderen [= ausgewählten?] Söhne Gottes sind". Der dahinter liegende Gedanke der besonderen Gotteskindschaft der zum Birgittenorden Berufenen wird näher durch eine Paraphrase des paulinischen Gedankens der zugerechneten Sohnschaft des Menschen zu Gott aus ge-

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führt. Eine trip/ex filiatio wird aufgestellt: eine "natürliche" Sohnschaft in creatione, eine "zugerechnete Sohnschaft wie in der Taufe" (secunda adoptionis ut in baptismate) - und eine "geistige" Sohnschaft im Ordensleben, in religione. Der Gedanke der "adoptierten" Sohnschaft des Menschen hat vielleicht in lateinischer Überlieferung, im Anschluß am paulinischen Begriff adoptio filiorum (Röm. 8,15, Gal. 4,4-6), Nahrung für die Ausarbeitung der lutherischen Lehre von der zugerechneten Gerechtigkeit geben können. Im griechischen Grundtext handelt es sich aber um den einfachen Begriff der hyiothesia, was mit "Annahme an Kindes statt" oder einfach "Kindschaft" wiederzugeben ist, so daß z. B. Röm. 8,15 zu übersetzen wäre: "Ihr habt ja nicht den Geist der Knechtschaft empfangen, um von neuem in Furcht zu leben, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba!,,9 Mit seinem secunda adoptionis ut in baptismate meint wohl der Autor von Gnadenberg die wesenhafte Gotteskindschaft des Menschen in Christus, ähnlich der durch die Taufe, die den Menschen zum Glied Christi macht, ihn mit dem Geist Christi erfüllt. Die dreimalige Sohnschaft, von der er spricht, ist also trinitarisch zu verstehen als in den drei göttlichen Personen Vater, Sohn, Heiligem Geist verankert. Alle drei Seiten der Sohnschaft seien als Beweggründe für die Berufung zum Eintritt im Birgittenorden wirksam. Die hl. Birgitta, die sponsa Christi, sei als uxor Christi anzusehen, geradezu als "Mitzeugerin" dieser besonders Berufenen. Da ein Problem jedoch darin besteht, daß der Erlöserorden laut Selbstaussage Christi an Birgitta "vor allem für Frauen" gegründet wurde, 10 muß der Autor zwei Argumente heranziehen, um nachzuweisen, daß zugleich und unmittelbar oder sogar in erster Linie Männer an dieser besonderen Berufung teilhaben: durch eine Paraphrase von Isaias 66,9 zeigt er, wie Gott "Söhne und Töchter" in dieser Reihenfolge erzeuge; 11 ferner mache die Zuteilung des Ablasses der Kirche des Apostelfürsten, San Pietro in Vincoli in Rom, durch Christus an Birgitta in einer Offenbarung l2 deutlich, daß die birgittinische Berufung ebenso für Männer wie für Frauen gelte. In diesem Zusammenhang betont der Autor auch das Verharren des Eintretenden in seiner

9 Das Neue Testament, übersetzt und erläutert von K. Rösch OFMCap., Paderbom 1946,317. 10 Sancta Birgitta Opera Minora I: Regula Salvatoris, hg. v. S. Eklund (SamIingar utgivna av Svenska Fomskriftsällskapet, Sero 2: Latinska skrifter 8/1), Stockholm 1975, 105, Abschnitt 44 des ursprünglichen Regeltextes aus der Zeit um 1346, bei der Genehmigung der Regel als Konstitutionen durch Papst Urban VI. am 3. Dezember 1378 gestrichen: (Christus spricht:) Hanc igitur religionem ad honorem amantissime Matris mee per mulieres prim um et principaliter statuere volo. Cuius ordinem et statuta ore meo proprio plenissime declarabo. 11 Dokumente 11, 145, Anm. 2. 12 Den heliga Birgittas Reuelaciones extrauagantes (SamIingar utgivna av Svenska Fomskriftsällskapet, Sero 2: Latinska skrifter 5), hg. V. L. Hol/man, Stockholm 1956, 160-161 (= Rev. ex. Kap. 44).

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ersten Berufung und weist auf seine eigene Berufung hin, bei der zwei Dinge besonders ins Gewicht gefallen seien: daß der Orden durch Gott selber gestiftet sei, und daß er im Bruderkonvent reife Männer vorgefunden habe, die Amt und Eigentum in der Welt hinter sich gelassen hätten. Kommentare zu einem schwelenden Konflikt im kleinen Konvent, der offenbar mit dem Wechsel im Vorsteheramt zu tun hatte, konnte er an diese Argumentation anhängen und damit zeigen, wie nah die Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben eines Ordensmannes mit dem Festhalten an seiner erster Berufung zusammenhinge. Als causa promovens betrachtet der Autor hauptsächlich die Führungsaufgabe des Vorstehers als Mittel zur Verwirklichung der Berufung des Einzelnen. Er tadelt in allgemeinen Worten den (vorigen, zurückgetretenen?) Vorsteher wegen mangelnden Verantwortungsgefühls für die ihm anvertrauten Seelen und ihr Heil. Unter Hinweis auf die compelle intrare-Stelle Luk. 14,23: "Nötige sie [zu meinem Mahl zu kommen], damit mein Haus voll wird", stellt er mangelnden Gebrauch von Bestrafungen und Disziplinarmaßnahmen 13 als Grund für unzureichende Einhaltung der Regel und für aufsässige Gefühle im Konvent dar. Er geht sogar mit der Leitung im Mutterkloster Vadstena ins Gericht, indem er über ähnliche Erfahrungen beim Gespräch mit dem dortigen Oberen im Juli 1440 berichtet. Es folgt dann eine ausführliche asketische Erörterung der Verhaltensweisen eines Klosteroberen, untermauert durch Beispiele und Schrifthinweise. Unter der causa per/iciens erörtert der Autor zunächst mit vielen Einzelheiten den würdigen Dienst an Gott bei Messe und Stundengebet. In einem zweiten Abschnitt wird im Anschluß an St. Bernhard das richtige Benehmen des Mönches im Chor, im Kapitel, bei Tisch und im Gespräch kurz dargelegt. Im dritten Abschnitt endlich folgt das richtige Verhalten des Mönches zu sich selber, die Einhaltung der mores, mit Hinweisen auf die Augustinerregel und auf eine Reihe von Schriftstellen. Die Angabe des Autors, daß er 1440 Vadstena besucht habe, legt es nahe, in

ihm den vielleicht ersten deutschen Birgittiner zu vermuten, Severin von Ko-

blenz, der spätestens 1419 im italienischen Birgittenkloster Paradiso eingetreten war. 14 Sein Landesherr, Pfalzgraf Johann von Neumarkt, hatte sich für ihn eingesetzt, so daß das Baseler Konzil ihm 1438 den Übertritt von Paradiso nach Gnadenberg gewährt hatte. 15

13 Vgl. Oe Culpis (Studia Seminarii Latini Upsaliensis 1), hg. v. C. Henriksen. Uppsala 1990. 14 Nyberg, Klostergründungen (wie Anm. 2), 141. 15 Dokumente I, 85 (= Nr. 27). Vgl. Dokumente I, 148-150 (= Nr. 57), einen Brief des Pfalzgrafen an das Kloster Paradiso mit Empfehlung rur Severin vom 12. November 1441.

41 festschrift Elm

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11. Das Fonnular, das die bischöflichen Beamten in Eichstätt filr die erste Visitation in Gnadenberg aufstellten, flingt mit dem Wahrheitseid an, der offenbar jedem Mitglied des Klosters zu Anfang der Untersuchung abverlangt werden sollte. Dem lateinischen super omnibus que scio vel credo in monasterio Montisgracie ordinis sancte Brigitte reformanda tam in capite quam in membris entspricht das Mittelhochdeutsche "vber alles das ich wais oder gelaube in dem kloster zum Gnadenperg sannd Brigitten ordens zu refonniern an dem hawbt vnd gelidern", das bei den Nonnen zu gebrauchen war. Die Fonnel aus den Konzilien hat sich also im Sprachgebrauch dahingehend gefestigt, daß auch die ganz nonnale bischöfliche Visitation hier als "Refonn an Haupt und Gliedern" stilisiert wird. Birgittas hundert Jahre vorher konzipierte Regel enthält den Begriff der "Refonn" nicht. Die Fragen beziehen sich der Reihe nach auf die Einhaltung der drei Gelübde und der Regel im allgemeinen, dann auf Gottesdienst und Sakramentspraxis, wobei die Hinweise prout in regula und prou! in lucidario zeigen, daß die bischöflichen Visitatoren die nonnativen Texte des Ordens kannten. Es soll gefragt werden nach dem Benehmen am Gesprächsgitter im Besucherraum und nach der Einhaltung der Klausur - hier ist auch der Platz filr die Frage nach dem Klosterschlüssel: quis tenet clavis ad monasterium. Es soll ferner nach der Lesung bei Tisch gefragt werden, und im Anschluß daran teils nach verbotenen Büchern, d. h. "ob sie apokryphe Bücher (libros appocraphos) hätten oder Besonderheiten und Aberglauben (singularitates aut supersticiones) praktizierten", teils nach der Art wie sie die Offenbarungen Birgittas studierten oder lasen: Item de libro revelacionum, quomodo teneant eundem. Weitere Fragen, die an alle gerichtet werden, betreffen die Straf- und Korrektionspraxis und die sonstige Amtsfllhrung der Äbtissin, dann die Amtsfllhrung der Priorin, und endlich das Verhalten der auswärtigen Mitglieder: Item de familia, que est ab extra. Dabei war auch die Frage danach vorgesehen, was die Schwestern beim Zustrom von Gläubigen an den Ablaßtagen täten oder wie sie sich verhielten, Itern de concursu ad monasterium et de indulgenciis, quid senciant aut teneant sorores. Unter denen ab extra wird nach religiosi extranei, d. h. wohl gelübdegebundenen Außenmitgliedern des Ordens, und nach sacerdotes monasterii gefragt, also wohl den Präbendaten und Meßpriestem gestifteter Altäre - solche haben also schon zu diesem frühen Zeitpunkt in der Geschichte Gnadenbergs beim Kloster Wohnung gefunden. 16 16 V gl. T Nyberg, Die ökonomische Lage des bayerischen Birgittenklosters Gnadenberg um 1500, in: Erwerbspolitik und Wirtschaftsweise mittelalterlicher Orden und Klöster, hg. v. K. Elm (Berliner Historische Studien 17 - Ordensstudien 7), Berlin 1992, 231-247.

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Das Fonnular soll fUr Nonnen und fUr männliche Ordensmitglieder benutzt werden. Für die letztgenannten kommen weitere Fragen nach ihrem Verhalten in der Predigt, in der Beichte von Nonnen und Auswärtigen, bei der Ablaßverkündigung und -spendung sowie im Studium hinzu. Sie sollen befragt werden, was sie von ihrer Bibliothek hielten, und wie sie die Offenbarungen Birgittas studierten. Bei der Sakramentsspendung sollen sie darlegen, ob sie gegen die Bestimmungen des Konzils von Vienne 1311-1312 verstießen 17 oder ob jemand eine "skrupulöse oder vielleicht verkehrte Auslegung der Hl. Schrift" nachgewiesen werden könne, an sit aliquis scrupulosus an forte erroneus in sacra scriptura. Es soll auch gefragt werden, ob jemand unter den männlichen Mitgliedern im Verdacht stünde, zu viel mit Frauen zu tun zu haben. Unter den Fragen zur Amtsführung des Konfessors, d. h. des männlichen Oberen, fmdet man die de converso fratre, que sit eius causa - also wie der Obere sich als Arbeitgeber der Laienbrüder erwiesen habe. Auch soll nachgefragt werden, ob er allen Ordensmitgliedern dreimal im Jahr die Beichte abnimmt, sicut dicunt constituciones,18 wann und ob er das Nonnenkloster betrete - was nach den Satzungen bei der Sakramentenspendung an eine kranke oder sterbende Nonne erlaubt war 19 - , und ob er zu viel mit den Schwestern spreche. Der Fragebogen erscheint durchaus realistisch. Er bezieht sich auf Verhältnisse und Verhaltensweisen, zu denen ein äußerer kirchlicher Autoritätsträger wie der Bischof Zugang haben mußte. Nach der religiösen und asketischen Fonnung der Birgittiner in Gnadenberg wird nicht gefragt - die war nicht Sache des Bischofs, der sich nur die Frage nach der Rolle der Schriften Birgittas im Kloster und nach dem Studium der Priester erlaubte. Natürlich mußte er ein Auge auf die richtige Auslegung des Bibeltextes und auf das Beichtverhalten der Birgittenpriester haben. Sein Engagement bezüglich der Verkündigung und Spendung der birgittinischen Ablässe war wohl begründet; das Problem war aktuell, wie aus anderen Quellen bekannt ist. 20 17 Es handelt sich wohl um die Reformdekrete, die bei der letzten Sitzung des Konzils am 6. Mai 1312 veröffentlicht wurden, und die besonders das Verhältnis der exemten Orden, denen die cura animarum oblag, zu den Bischöfen behandeln, siehe J. Lee/er, Vienne (Geschichte der ökumenischen Konzilien 8), Mainz 1965, 136-145. 18 Confessori eciam generali ad minus ter in anno omnium sororum, sacerdotum et fratrum consciencie per confessionem patejiant (Sancta Birgitta Opera Minora I: Regula Salvatoris [wie Anm. 10], 162, Abschnitt 177, approbierter Regeltext v. J. 1378, Kap. 13). 19 Prohibeatur eciam, ne vmquam confessor vel aliquis presbiterorum seu fratrum monasterium ingrediatur. nisi quando injirmis donanda sunt sacramenta. Tunc autem ingrediatur confessor sed nullo modo solus ymmo aliquibus honestis fratribus ipsum sequentibus. Mortua vero aliqua sorore omnes presbiteri et fratres cum confessore ingrediantur cum cantu et oracionibus corpus ad sepulchrum deferendo (Sancta Birgitta Opera Minora I: Regula Salvatoris [wie Anm. 10], 170, Abschnitt 251-252, approbierter Regeltext v. J. 1378, Kap. 22). 20 Dokumente I, 351-358 (= Nr. 160-168), Auseinandersetzungen mit der Stadt

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III. Was kam nun aus diesem Fragebogen bei der ersten bischöflichen Visitation in Gnadenberg heraus?21 Zunächst verordnet die Visitationscharta rur die Nonnen, daß die Priorin eine Vereinheitlichung der Gesangbücher veranlasse, damit keine "dissonantze oder irrsal" beim Singen entstehe. Die Nonnen sollten "zimliche pause" machen, der Gesang sollte langsam und deutlich vorgetragen werden, damit man jedes Wort und jede Silbe deutlich und korrekt hören könne. Die Erwähnung von Verstößen gegen den Gehorsam erscheint als Pflichtübung der Visitatoren, da nichts Ernsthaftes hierunter Erwähnung fmdet. Dagegen wird eingeschärft, daß eine Schwester im Kapitel nur reden solle, wenn sie angesprochen würde. Die Priorin brauche Rückendeckung bei der Äbtissin, damit ihre Zurechtweisungen Wirkung erhielten. Vor Neid wird gewarnt, etwas ausruhrlicher wird die Einhaltung des klösterlichen Schweigens eingeschärft. Das Reden mit Besuchern beim Sprechgitter müsse eingeschränkt werden, vor allem dürfe der ganze Konvent nicht anwesend sein, wenn nicht wichtige Angelegenheiten, die das ganze Kloster beträfen, zu erörtern seien. Mit Freunden und Verwandten solle eine Schwester alleine zusammen mit einer anderen sprechen, die ihr zugeteilt würde, jedoch nicht die Hände durch das Gitter zum Gruß reichen. Besonders wird eingeschärft, daß niemand über innere Probleme und Schwächen der Ordensmitglieder mit Auswärtigen spreche; dafiir wird "straff in dem charker" angedroht. 22 Ein wichtiger Punkt ist die ausdrückliche Warnung davor, die Größe der Mitgift oder, wie es heißt, "dy gabe der personen, die des eingang begeren", im voraus bestimmen oder gar besprechen zu wollen. Die Größe der Mitgift müsse vom Eintrittssuchenden frei angesetzt werden. Um die Priester nicht unnötig zu beschweren, werden die Nonnen angehalten, nicht öfters als einmal in der Woche zu beichten, ausgenommen an besonderen Festtagen. Unter den Aufgaben der Äbtissin werden hervorgehoben: die Aufsicht über auswärtige Ordensmitglieder - sowohl über die Bruder, die sie im Auftrag des Klosters einsetzen solle, als auch über die "andechtigen personen", die im "swesterhaus" leben. Sie solle sich von älteren Schwestern beraten lassen und rur den Unterricht der jüngeren Schwester eine "lermaistrin" bestellen, "die dieselben in der schrifft vnd gesange lerne".23 Sie solle die vier KüchenNürnberg und dem Pfarrer von St. Sebald über die Ordensablässe. 21 Wie oben Anm. 7 und 8. 22 De Culpis (wie Anm. 13), ein Text der mit Vadstena und dem Zisterzienserprior Petrus OIavi verknüpft ist, unterscheidet zwischen culpae leves, graves, graviores, gravissimae. Gefängnisstrafe ist nur fiir die letztgenannte Kategorie vorgesehen. Unter den Delikten kommt jedoch die hier erwähnte nicht vor. 23 V gl. R. Rajamaa, Systrarnas verksamhet, undervisning och uppfostran i Vadstena kloster 1384-1595, Stockholm 1992, Summary 241-247.

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schwestern nicht übermäßig mit Arbeit belasten, sondern gegebenenfalls Nonnen zu ihrer Hilfe in die Küche beordern. Da das Kloster keine Gastungspflicht habe, sollten Gäste immer angewiesen werden, "pey dem wirt [zu] zeren". Im großen und ganzen ist dies keineswegs eine "Reform", sondern eine ganz routinemäßige Visitation des ordentlichen Jurisdiktionsträgers in einem Nonnenkloster, so wie Bischöfe in ganz Europa ihre Nonnenklöster visitieren ließen. Das Besondere an Gnadenberg 1453 war nur, daß es die erste Visitation des Bischofs in diesem Kloster eines neuen Ordens war, der vorher in seinem Bistum nicht vertreten und an sich exemt war, aber infolge der eigenen Satzungen sich unter die Autorität des Bischofs begeben hatte. Zudem hatte das Kloster in seiner Aufbauperiode 1426-1451 sich außerhalb der Reichweite der bischöflichen Aufsicht befunden. Der Bischof hatte also allen Grund, bei der ersten Visitation sorgfiiltig vorzugehen. Schwerwiegende Beanstandungen zur Observanz fanden aber seine Beamten in diesem streng beschaulichen Nonnenkonvent nicht.

IV. Das Ergebnis der Visitation in dem männlichen Konvent ist lateinisch festgehalten. Der Bischof beanstandet in der Einleitung zum Visitationsdokument nonnullos defectus und geht daran, sie zu verbessern. Bei der Liturgie wird die Vereinheitlichung nach dem Ritus des Doms von Eichstätt eingeschärft. 24 Jedoch erhalten wir hier auch eine ganz besondere Auskunft. In Eichstätt, so die Visitatoren, sei es üblich, die Sonntage nach Pfmgsten auf ihren jeweiligen Tag zu feiern, d. h. die Texte des Sonntags denen des betreffenden Heiligenfestes vorzuziehen (so wie es nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil überall Vorschrift geworden ist). Jedoch wird mit der Charta den Birgittinern von Gnadenberg das Privileg gewährt, "in Übereinstimmung mit ihrer Gewohnheit" jeden Sonntag nach Pfingsten die Messe der Hl. Dreifaltigkeit zu feiern. Eine solche Sitte ist aus dem schwedischen Mutterkloster des Ordens nicht bekannt. Es könnte sich um eine Sitte handeln, die sich unter den aus dem Kloster Paradiso angekommenen Ordenspriestern in Gnadenberg herausgebildet hatte. Die Anordnung der vier Diakone im Männerkonvent war problematisch. Daß sie zu einer eigenen Gruppe zusammengefaßt waren, geht auf die Symbolik Birgittas zurück, da sie die vier Kirchenlehrer darstellten und damit nicht 24 Sorores erunt sexaginta et non p/ures. Que clericos habebunt, qui cottidie de tempore missam et officium, quod habetur in ecclesiis cathedralibus ilIarum terrarum, in quibus huiusmodi monasterii sunt, decantabunt (Sancta Birgitta Opera Minora I: Regula Salvatoris [wie Anm. 10], 159, Abschnitt 150, approbierter Regeltext v. J. 1378, Kap. 10).

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zur Gruppe der "dreizehn Apostelpriester" zählten, den eigentlichen Trägem der männlichen birgittinischen Ordensberufung. Über die Arbeitsaufgaben der ordensinternen Diakone herrschte keine Einigkeit. Sie durften jedoch auch die Priesterweihe empfangen und konnten dementsprechend das Meßopfer darbringen. 25 Die Visitatoren verbieten ausdrücklich (prohibemus), die Diakone zu jeder Zeit, in privatis missis belastet, zum Dienst bei den Priestern heranzuziehen; der Konfessor solle für das Messelesen derjenigen Diakone, die die Priesterweihe hätten, feste Zeiträume, competens hora, festlegen. Über den Gehorsam gegenüber dem Konfessor wurde ähnlich wie für die Nonnen gegenüber der Äbtissin geschrieben; Ähnliches gilt für die Disziplinargewalt der beiden Oberen in ihrem jeweiligen Konvent. Spezifischer als für den Frauenkonvent ist die Aussage der Visitatoren zum Studium im Priesterkonvent: Propterea admonemus, ut pre ceteris diligentes sitis in studio sacrarum litterarum, ad quod vos beata Brigitta patrona vestra instituit: "Daher ermahnen wir Euch, daß Ihr Euch vor allen anderen Dinge um das Studium der Heiligen Schrift befleißet, wozu die heilige Birgitta, Eure patrona, Euch eingesetzt hat". In dieser Eindeutigkeit findet man selten die Rolle der Birgittinerpriester umrissen. Vielleicht hat zu dieser Formulierung beigetragen, daß mehrere Mitglieder der Priestergruppe ehemalige Weltgeistliche gewesen sein müssen, von denen wohl auch einige das Studium an einer Universität kannten. 26 Die Aussage ist auch nicht ganz zutreffend, da die Hl. Birgitta ohne Zweifel auch in der doppelchörigen, feierlich vorgetragenen täglichen Liturgie eine Hauptaufgabe des Ordens sah. Zum Studium wird dann ausdrücklich gesagt, daß die Jüngeren sich nicht davor zurückhalten sollten, sich an die älteren Mitbrüder zu wenden, wenn es um Fragen beim Studium gehe, und daß jene dann entgegenkommend die Fragen der Jüngeren beantworten sollten. In colloquiis unter den Priestern sollten daher Übungen in der Hl. Schrift und der Lehre nicht fehlen, alles im Hinblick auf eine ständige Verbesserung der Qualität ihrer Predigten. Die Predigt sollte sale conditus sein, d. h. wohl "frisch zubereitet". Absolut verboten sei jedes verleumderische oder kritische Reden über kirchliche Würdenträger oder Mitglieder anderer Orden, besonders falls Sünden oder Laster das Thema der Predigt seien. Ferner wünscht der Bischof, daß wenn Weltgeistliche Gnadenberg besuchten und dort zu predigen wünschten, dies ihnen nicht untersagt werden sollte. Besonders wichtig sei die korrekte Beschreibung des Ablasses, so daß Mißverständnisse des Ausdruckes absolutio de pena et culpa vermieden würden. 2S .•. deinde quatuor dyaconi, qui eciam sacerdotes possunt esse, si vo/unt, et ipsi figuram habent quatuor precipuorum doctorum ... (Sancta Birgitta Opera Minora I: Regula Salvatoris [wie Anm. 10], 159, Abschnitt 152, approbierter Regeltext v. 1. 1378, Kap. 10). 26 Aus Gnadenberg sind keine vollständigen Mitgliedslisten erhalten geblieben, vgl. Orts- und Personenverzeichnis, in: Dokumente 11,364-365.

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Zum übermäßigen Reden am Sprechgitter mit den Auswärtigen - auch das Sprechzimmer der Männer hatte ein Gitter - drücken sich die Visitatoren ähnlich aus wie fUr die Nonnen. Ausfilhrlich werden das Beichthören und die Absolutionsvollmachten der Priester besprochen. Es fiUlt auf, daß der Bischof den Diözesanzwang behauptet, indem betont wird, daß es ohne Erlaubnis seines Bischofs niemand, der außerhalb der Diözese Eichstätt wohnhaft wäre, erlaubt sei, von den Gnadenberger Priestern absolviert zu werden. Die Absolutionsvollmachten gälten ebenso wie bei den Augustinereremiten und seien ähnlich denen der Dominikaner und Franziskaner. Es wird empfohlen, die Schrift des Johannes von Auerbach super instrueeione saeerdotum in eura animarum zu lesen. 27

v. Ein Vergleich mit dem anfangs zitierten Direetorium zeigt, daß in einer Hinsicht die Intentionen des Bischofs und des Autors des Traktates zusammenfallen: im Eifer fUr ein vollkommenes und vorbildliches Ordensleben in Gehorsam gegenüber Regel und Ordensleitung. Eine strengere Handhabe der ordensinternen Strafgewalt bei Übertretungen und Nachlässigkeiten sollte als Hilfmittel zur Vervollkommnung der vita religiosa dienen. In anderer Hinsicht liegen jedoch die Akzente recht weit voneinander entfernt. So wird im Direetorium das Studium keineswegs in einen heilsmäßigen Zusammenhang mit der Berufung eines Birgittenpriesters gebracht, während Bischof und Visitatoren ausgerechnet im Studium, auf der Grundlage der Inspiration Birgittas, große Entfaltungsmöglichkeiten fUr die Birgittenpriester ihres Bistums sehen. Der Bischof empfiehlt geradezu die Einfilhrung einer regelrechten Seminarform mit gemeinsamen Sitzungen der älteren und der jüngeren Patres zu Lesung und Studium der Heiligen Schrift und der Dogmatik, in denen Fragen systematisch gestellt und beantwortet würden. Der Traktat dagegen konzentriert die Aufmerksamkeit auf moralische Verbesserung und auf die Vervollkommnung des gottesdienstlichen und gemeinschaftlichen Lebens. Die Aufforderung des Autors des Traktates zur ständigen Rückbesinnung auf die hohe Berufung eines Birgittenpriesters und auf die triplex filiatio, auf die seine Berufung fest errichtet worden sei, hat bei den Visitatoren keine Spuren hinterlassen. Das waren offenbar Gedanken fUr den internen Gebrauch. So erscheint der neue Orden im Sprachgebrauch der Visitatoren als schlechthin das, was er durch die päpstlichen Genehmigungen aus dem Jahre 1370 (Urban Y.) und 1378 (Urban VI.) geworden ist: ein Zweig des Augusti27

Vgl. Dokumente I, 235 Anm. I, und Dokumente 11, 132.

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nerordens, der die zusätzlichen Satzungen der Hl. Birgitta befolgte. Das Kloster stand nun fiir seine religiöse und pastorale Aufgabe in der Diözese Eichstätt bereit, die es dann rund 75 Jahre erfiHien konnte, bis die Einfiihrung des Luthertums in Nürnberg und anderen benachbarten Reichsstädten die Erfiillung dieser Aufgabe unmöglich machte.

Papst Pius 11. und die Klosterreform in Deutschland Eine Problemskizze Von Bernhard Neidiger In seinem wegweisenden Aufsatz "Verfall und Erneuerung des Ordenswesens im Spätmittelalter" hat Kaspar Elm zu Recht den Anteil der weltlichen Gewalt an der Klosterreform betont, jedoch die Frage nach den "Anregungen und Maßnahmen", mit denen Päpste, päpstliche Legaten und Episkopat auf die Ordensreform einwirkten, ausdrücklich ausgeklammert, da "leicht ersichtlich" ist, "daß sich hier eine Fülle von ungelösten Problemen auftut", die sich nicht allein durch den "Hinweis auf die Reformtätigkeit einzelner Päpste", Kardinäle und Bischöfe lösen lassen. I Mit dem vorgelegten Beitrag wird versucht, das fiir die Klosterreform in Deutschland relevante Beziehungsgeflecht zwischen Päpsten, Bischöfen, weltlichen Landesherren und Ordensleuten anband der betreffenden Privilegien Papst Pius' 11. zu skizzieren. Das Papsttum hatte mit dem Abschluß der Konkordate dem Konziliarismus die Machtbasis entzogen und konsolidierte sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts um einen hohen Preis. Nicht Öffnung und Reform, so Amold Esch, sondern Abschluß und Restauration, Rückzug in den Kirchenstaat und territorialstaatliche Aufgaben standen fiir die Päpste jetzt im Vordergrund. Pius II. hebt sich vor diesem Hintergrund eher positiv ab. Er war sich der Probleme der Kirche gerade in Deutschland bewußt und wollte mehr erreichen als seine Vorgänger. Pius 11. bemühte sich um eine Reform der päpstlichen Kurie, was aber ohne konkrete Ergebnisse blieb. Schwerpunkte seiner Kirchenpolitik bildeten auch nach seiner eigenen Einschätzung das Bemühen um einen Kreuzzug gegen die Türken, die Auseinandersetzung mit den europäischen Mächten und den deutschen Fürsten sowie der Kampf gegen die nach wie vor bestehende antirömisch-konziliaristische Opposition nicht zuletzt

1 K. E/m, Verfall und Erneuerung des Ordenswesens im Spätmittelalter. Forschungen und Forschungsaufgaben, in: Untersuchungen zu Kloster und Stift, hg. v. Max-PlanckInstitut für Geschichte (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 68), Göttingen 1980, 188-238, bes. 224-228. Die nachfolgenden Anmerkungen beschränken sich aus PlatzgrOnden auf die wichtigste neuere Literatur.

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in Deutschland. Maßnahmen zur Förderung der Klosterrefonn in Deutschland erwähnte Pius 11. in seinen "Commentarii rerum memorabilium" nicht. 2 Ganz anders wurde der Pontifikat Pius' 11. von dem deutschen Dominikanerobservanten Johannes Meyer beurteilt. Er schrieb in seiner 1470 abgeschlossenen "Chronik der Päpste", Pius 11. habe die "geistlicheit liep" gehabt und es gerne gesehen, wenn man sie in den Orden und Klöstern "ernuwert und widerbrocht wo sie verschinen was". Daher habe der Papst Prälaten, Ordens obere und Klöster sowie insbesondere die Generale der vier Bettelorden zur Refonn ennahnt, den Ordensgeneral der Dominikaner sogar seines Amtes enthoben. Meyer teilt ferner mit, zu Zeiten des Papstes Pius sowie seiner Vorgänger und Nachfolger habe es ein "groß zu lauffen" zum päpstlichen Stuhl gegeben wegen der Refonn der Klöster vor allem der Dominikaner und Franziskaner. Fürsten und Herren, Städte, Bischöfe und geistliche Würdenträger schrieben damals an die Päpste, so Meyer, "fuer die refonnacio und auch wider die refonnacio", weil Reformwillige wie Refonnunwillige von "der geistlickeit ... großen anhange und hilffe von herren und stetten" hatten, "die sich ir annamen und in hulffen". Damit sind die Maßnahmen Pius' 11. zur Ordensrefonn und seine Entscheidungen in Fragen der Klosterrefonn deutlich angesprochen. 3 Observantes Leben unter eigenen Vikaren oder in einer Kongregation unabhängig vom angestammten Ordensverband war nur möglich, wenn die geistliche Gewalt, d. h. Papst oder Konzil, im Fall der nichtexemten Orden auch einzelne Bischöfe, dieses billigte und entsprechend privilegierte. Stärker als die Konzilien von Konstanz und Basel hatte insbesondere Papst Eugen IV. die rechtliche Verselbständigung der Franziskaneroberservanten vorangetrieben. Calixt III. stellte diese Selbständigkeit 1456 mit seinem Wiedervereinigungsbefehl an die beiden zerstrittenen Ordenszweige weitgehend in Frage. Von Anfang an setzten die Franziskanerobservanten daher große Hoffnungen auf Pius 11. Nach Prüfung der anstehenden Fragen durch eine von ihm eingesetzte Kommission bestätigte der Papst noch im Jahr seiner Wahl 1458 mit "Pro nostra" die Selbständigkeit der Franziskanerobservanten. Privilegiert wurde von Pius 11. jedoch auch die Reform der Franziskanerkonventualen sub ministris (Colettaner, Martinianer).4 Die Dominikanerobservanten der Provinz Teutonia 2 A. Esch, Enea Silvio Piccolomini als Papst Pius 11.: Herrschaftspraxis und Selbstdarstellung, in: Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. v. H. Boockmann (Abh. Göttingen 3. Folge 179), Göttingen 1989,112-140, bes. 113f., 126, 139; B. Mondin, Dizionario enciclopedico dei Papi, Roma 1995, 279282; F. J. Worstbrock, Aeneas Silvius Piccolomini, in: Verfasserlexikon VII (1989), 634-669; Pii 11 commentarii rerum memorabilium que temporibus suis contigerunt, hg. v. A. v. Heck (Studi e Testi 312), CiM deI Vaticano 1984. 3 StadtA FreiburgIBreisgau Hs 203 fol. 67 r _68 r • 4 D. Mertens, Reformkonzilien und Ordensreform im 15. Jahrhundert, in: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen,

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strebten keine Selbständigkeit von den Provinzialen und Ordensgeneralen an, von denen sie gleichermaßen gefördert wurden. Demgegenüber hatten sich die reformierten Dominikanerkonvente Norditaliens schon 1437 in einer eigenen Vereinigung zusammengeschlossen, die Pius H. 1459 unter Approbation ihrer Statuten zur Lombardischen Kongregation erhob. 1462 sorgte der Papst beim Generalkapitel in Siena filr die Absetzung von Ordens general Auribelli. Die Gründe dafilr sind nicht im Fehlverhalten oder in mangelnder Reformneigung dieses Generalmagisters zu suchen, sondern in seinem Ringen mit Pius H. um die Selbständigkeit der Lombardischen Kongregation. s Unentschiedener war die Haltung des Papstes gegenüber den Observanzbewegungen der AugustinerEremiten und der Karmeliter. 6 Die benediktinische Bursfelder Kongregation in Deutschland bestätigte Pius H. 1459 und verlieh ihr die seinerzeit von Eugen IV. der italienischen Benediktinerkongregation von S. Giustina gewährten Privilegien einschließlich der Exemtion von den Ortsbischöfen. 1461 beauftragte er die Bursfelder mit der Reform aller deutschen Benediktinerklöster und wies den Bischof von Eichstätt an, filr den Zusammenschluß der benediktinischen Reformen von Melk, Kastl und Bursfelde zu sorgen, der aber auch in der Folge nicht zu erreichen war. Der Bursfelderabt Eberhard von Venlo führte die weitreichenden Privilegien Pius' H. filr seine Kongregation auf die Tatsache zurück, daß er dem späteren Papst während des Basler Konzils als Sekretär gedient hatte und dieser ihm auch in der Folge verbunden blieb. 7 Diese Aussage dürfte aber nur die halbe Wahrheit enthalten. Die Bursfelder waren die am straffsten organisierte deutsche Reformgruppe der Benediktiner, was Pius' 11. Verständnis von Observanz entgegenkam. Den Zusammenschluß ihrer Klöster hatte zunächst 1446 der Legat des Basler Konzils Ludwig d'Allemand bestätigt. Wie Eugen IV. den Franziskanerobservanten, so verliehen zunächst 1451 Nikolaus von Kues als Legat Nikolaus' V. und dann Pius 11. den Bursfeldern hg. v. K. Elm (Berliner Historische Studien 14 - Ordensstudien 6), Berlin 1989,431-458, bes. 453f; M Fois, I Papi e l'Osservanza Minoritica, in: 11 Rinovarnento deI Francescanesimo. L'Osservanza. Atti dell'XI Convegno internazionale Assisi 1983, Perugia 1985, 31-105, bes. 45-80; J. Moorman, A History of the Franciscan Order, Oxford 1968, 483-486; K. Elm, Johannes Capistrans Predigtreise diesseits der Alpen, in: Lebenslehren (wie Anm. 2), 500-519, 504. 5 A. d'Amato, I Domenicani a Bologna, 2 Bde., Bologna 1988, I, 318-366. R. Creytens / A. d'Amato, Les actes capitulaires de la Congregation Dominicaine de Lombardie (1482-1531), AFP 31 (1961) 213-306, bes. 223-239; R Creytens, La deposition de Maitre Martial Auribelli O.P. par Pie 11 (1462), AFP 45 (1975) 147-200. 6 R. Weinbrenner, Klosterreform im 15. Jahrhundert zwischen Ideal und Praxis (Spätmittelalter und Reformation NR 7), Tübingen 1996, 119f; K. Walsh, Papal Policy and Local Reform, Römische Historische Mitteilungen 21 (1979) 35-57; 22 (1980) 105145, bes. 136; J. Smet, Pre-Tridentine Reform in the Carmelite Order, in: Reformbemühungen (wie Anm. 4), 293-325, bes. 302. 7 Bay. Staatsbibliothek München Clm 19697, fol. 179v -180' (1467 gegenüber dem Abt von Tegernsee bei Unionsverhandlungen).

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erweiterte Vollmachten und Privilegien, 8 da die Ziele der Kongregation ins reformpolitische Konzept dieser Päpste paßten. 9 Insbesondere wenn die Einführung der Observanz nicht ohne weiteres durchzusetzen war, wandten sich gerade deren Befürworter gerne an den Papst, der dann die Reform anordnete oder einen Bischof bzw. andere geistliche Würdenträger beauftragte, die Angelegenheit zu prüfen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Pius 11. stellte auf Wunsch von Landesherren, Bischöfen, Städten und Ordensleuten eine erhebliche Zahl betreffender Bullen aus. Hier soll jedoch nicht auf derartige Einzelentscheidungen des Papstes eingegangen werden, sondern auf die Privilegien, mit denen Pius 11. einzelnen deutschen Landesherren und Bischöfen gestattete, alle Klöster und Stifte ihres Territoriums bzw. ihrer Bischofsstadt und Diözese einschließlich der Niederlassungen der exemten Orden mit apostolischer Autorität visitieren und reformieren zu lassen. Solche Privilegien hatten vor Pius 11. auch schon Martin V. (1417-1431) nach der Beendigung des Schismas sowie EugenIY. (1431-1447) und Nikolaus Y. (1447-1455) im Umfeld des Abschlusses der Konkordate erteilt, so dem Trierer Erzbischof Otto von Ziegenhain (1418 mit Einschränkungen hinsichtlich der Mendikanten),lo Herzog Albrecht von Österreich (1418 für Augustinerchorherrenstifte und Benediktinerklöster auf zehn Jahre),l1 dem Pfalzgrafen bei Rhein Ludwig (1420 mit Einschränkungen hinsichtlich der nichtexemten Klöster),12 dem Kölner Erzbischof Dietrich von Mörs (1425 für Frauenklöster einschließlich der der Mendikanten),13 Kaiser Friedrich III. (1446 sowie mit erweiterten Vollmachten 1452),14 dem Trierer Erzbischof Jakob von Sierck 8 P. Volk, Urkunden zur Geschichte der Bursfelder Kongregation (Kanonistische Studien und Texte 20), Bonn 1951, 4-11. Zur Frage der Exemtion auch M. Fois, I Movimenti dell'Osservanza nel '400: I Benedettini, in: Riforma della Chiesa, Cultura e SpiritualitAneI Quattrocento Veneto, hg. v. G. B. F. Trolese, Cesena 1984, 225-263, bes. 245-252. 9 Zur Frage von konziliarer und päpstlicher Reform in diesem Zusammenhang J Helmrath, Theorie und Praxis der Kirchenreform im Spätmittelalter, Rottenburger Jb. rur Kirchengeschichte 11 (1992) 41-70, bes. 67. 10 H. J Schmidt, Die Trierer Erzbischöfe und die Reform von Kloster und Stift im 15. Jahrhundert, in: Reformbemühungen (wie Anm. 4), 469-501, bes. 473. 11 G. Koller, Princeps in Ecclesia. Untersuchungen zur Kirchenpolitik Herzog Albrechts V. von Österreich (Archiv rur österreichische Geschichte 124), Wien 1964, bes.89. 12 UB zur Geschichte der Bischöfe von Speyer, hg. v. F. X Remling, 2 Bde., Mainz 1852-1853, 1I, 97-100. 13 B. Neidiger, Erzbischöfe, Landesherren und Reformkongregationen. Initiatoren und treibende Kräfte der Klosterreformen des 15. Jahrhunderts im Gebiet der Diözese Köln, Rheinische Vierteljahrsblätter 54 (1990) 19-77, bes. 40. 14 Materialien zur österreichischen Geschichte, hg. v. J Chmel,2 Bde., Wien 1837, 1I, 13-14. H. v. Srbik, Die Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich während des Mittelalters, Innsbruck 1904, bes. 213.

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(1450)15 oder dem Augsburger Bischof Peter von Schaumberg (1450, bestätigt von Calixt III. 1456).16 Den Bischöfen von Freising, Augsburg und Regensburg befahl Martin V. 1426 die Reform der exemten und nichtexemten Klöster ihrer Diözesen, nachdem sich 1424 Pfalzgraf Johann von Neumarkt und Herzog Heinrich von Bayern-Landshut um eine Visitationserlaubnis bemüht hatten. Das Basler Konzil erteilte Herzog Albrecht von Österreich 1435 und Herzog Albrecht von Bayern-München 1441 eine Visitationserlaubnis rur die Klöster ihres Territoriums. 17

I. Papst Pius 11. genehmigte wenigstens 16 derartige Klosterreformprivilegien filr deutsche Landesherren oder Bischöfe, die meisten 1459 im Kontext des Kongresses von Mantua zur Befi>rderung des Türkenkreuzzuges, 18 und zwar filr den Kölner Erzbischof Dietrich von Mörs (Januar 20), Markgraf Karl von Baden (Februar 18), die Grafen Ulrich und Eberhard von Württemberg (März 6),19 Herzog Ludwig von Bayern-Landshut (April 7), den Bischof von Münster Johann von Bayern (Mai 31 unter Ausschluß der Mendikanten), Markgraf Karl von Baden (November 29 speziell auch rur die Reform von Franziskanerklöstern)20 sowie filr die Bischöfe von Eichstätt Johann von Eych, Bamberg Georg von Schaumberg und Worms Reinhard von Sickingen (alle Dezember 11).21 Nur betreffende Suppliken, die Pius 11. genehmigte, haben sich erhalten von Herzog Adolf von Schleswig (Juli 24, August 1) und dem Pfalzgrafen bei Rhein Friedrich 1. (August 16 rur die Reform von Augustiner-Eremitenklöstern). 22 1460 dehnte Pius 11. die Befugnisse Kaiser Friedrichs III. gemäß dem Privileg von 1452 filr Österreich auf dessen außerösterreichisches HerrschaftsIS

Schmidt, Erzbischöfe (wie Anm. 10),488.

16 Monumenta Boica 23, München 1815,506-512 (Vidimus rur St. Ulrich und Afra

in Augsburg). 17 H Rankl. Das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment in Bayern (1378-1526) (Miscellanea Bavarica Monacensia 34), München 1971, 176-194. \8 Ausgewertet wurden die im Repertorium Germanicum VIII, 2 Bde., Tübingen 1993 unter den Stich worten visitatio und reformatio ausgeworfenen Privilegien. Dem Archivio Segreto Vaticano danke ich rur Kopien dieser Texte aus den Vatikanischen Registern (V) und den Supplikenregistern (S). 19 V 499 fol. 322'-323 v. V 498 fol. 248'_v. V 499 fol. 164'-165V . 20 V 471 fol. 86 v-87'. V 471 fol. 242v-243'. V 501 fol. 342'_V. 21 S 525 fol. 160'_v und V 474 foI169'_v. S 525 fol. 160v und V 474 fol. 169'_v. S 525 fol. 160v und V 473 fol. 291 V-292'. 22 S 520 fol. 201,_v und 299 v. S 521 fol. 170'.

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gebiet aus (Dezember 23)?3 1460 (Oktober 16) wurde auch dem Magdeburger Erzbischof Friedrich von Beichlingen ein Klosterreformprivileg ausgestellt. 24 Weitere Suppliken gingen im Jahr 1461 ein vom Bischof von Münster Johann von Bayern (Januar 15 jetzt unter Einbeziehung der Mendikanten), vom Pfalzgrafen bei Rhein Friedrich I. (Juli 7) und vom Trierer Erzbischof Johann von Baden (August 7) sowie 1463 von Herzog Ludwig von Bayern-Landshut (Februar 8)?5 Die Bereitwilligkeit, mit der Pius derartige Klosterreformprivilegien gewährte, läßt diese fast schon zu einem Indikator werden, der anzeigt, in welchen Territorien und Diözesen die Klosterreform zwischen 1459 und 1463 besonders intensiv vorangetrieben wurde. Denn nur in diesem Fall erbaten sich Landesherren und Bischöfe ein solches Privileg anstatt eines anderen. So ließ sich der Kölner Erzbischof 1459 ein Klosterreformprivileg ausstellen, die Erzbischöfe von Mainz und Trier aber nicht. Dietrich von Erbach in Mainz, der die Bursfelder Kongregation nachhaltig gefördert hatte, war der Motor der nationalkirchlichen Bestrebungen in Deutschland; mit den Vorwürfen seines Kanzlers Martin Mayr hatte sich Aeneas Silvius Piccolomini in "Germania" vor seiner Wahl zum Papst ausfilhrlich auseinandergesetzt. Diese Kontroverse war sicher ein Grund dafilr, daß aus Mainz damals keine Supplik nach Rom geschickt wurde. Ebenso wichtig dürfte jedoch gewesen sein, daß Erzbischof Dietrich, der im Juni 1459 starb, sein Reformwerk bereits abgeschlossen hatte. 26 Sein Nachfolger Adblf von Nassau beschaffie sich 1464, als nach dem Ende der Mainzer Stifts fehde an Klosterreformen wieder zu denken war, unverzüglich ein betreffendes Privileg von Papst PaullI?7 Der 1456 gewählte Trierer Erzbischof Johann von Baden mußte sich zunächst mit der ständischen Opposition in seinen Stifts landen auseinandersetzen und fand dabei die Unterstützung Pius' 11. Nachdem die Herrschaft gesichert war, erbat der Erzbischof 1461 ein

23

S 535 fol. 285 r_v und V 479 fol. 187r_v•

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F. Doelle, Die Observanzbewegung in der sächsischen Franziskanerprovinz bis

zum Generalkapitel von Parma 1529 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 3031), Münster 1918, bes. 15. Nicht im Repertorium Germanicum, in der Folge nicht berücksichtigt. Vgl. LThK VI (1997), 1184. 25 S 535 fol. 247 r_v • S 541 fol. 233 r . S 542 fol 153 r_v • S 560 fol. 269 r-270 r • 26 P.-J. Heinig, Zwischen Kaiser und Konzil: Die Reformdiskussion in der Mainzer Kirche, in: Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (14141418) und Basel (1431-1449), hg. v. 1. Hlavacek, Konstanz 1996, 109-134; D. Brosius, Päpstlicher Einfluß auf die Besetzung von Bistümern um die Mitte des 15. Jahrhunderts, QFIAB 55/56 (1976) 200-228, bes. 209; B. Kochan, Kirchliche Reformbestrebungen der Erzbischöfe von Mainz im 14. und 15. Jahrhundert (Diss. phil., Göttingen 1965), 169171,185-188. 27 K. Eubel, Geschichte der oberdeutschen (Straßburger) Minoritenprovinz, Würzburg 1886, 62; R. Lossen, Staat und Kirche in der Pfalz im Ausgang des Mittelalters (Vorreformationsgeschichtliche Forschungen 3), Münster 1907, 165.

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Klosterreformprivileg. 28 Von den fränkischen Diözesen erhielten Bamberg und Eichstätt ein Privileg. Der Würzburger Bischof Johann von Grumbach, der keine Supplik einreichte, lehnte Klosterreformen nicht ab, betrieb sie, anders als seine Kollegen in Bamberg und Eichstätt, jedoch auch nicht mit besonderer Priorität. 29 Johann von Eych in Eichstätt, seit Wiener Tagen Pius H. freundschaftlich verbunden, stand in den Jahren 1458 bis 1464 fortwährend im Dienst sowohl Kaiser Friedrichs III. als auch des Papstes. Gleiches gilt filr den Augsburger Bischof Peter von Schaumberg, der aber wiederum nicht um ein Privileg einkam, weil er seine durch Nikolaus V. (1450) und Calixt III. (1456) geförderten Klosterreformmaßnahmen 1459 bereits weitgehend durchgefilhrt hatte. 30 Von den weltlichen Landesherren der damaligen kaiserlich-päpstlichen Partei in Deutschland3 ) erhielten der Markgraf von Baden32 und die Grafen von Württemberg 1459 ein Privileg. Für Albrecht AchilIes von Brandenburg stand demgegenüber die Exemtion seines Territoriums von der Jurisdiktion insbesondere des Würzburger Bischofs im Vordergrund. 33 Ein Privileg erlangte im April 1459 jedoch auch der Herzog von Bayern-Landshut, der zu den Führern der 28 1. C. Lager, Johann II. von Baden. Erzbischof und Kurfürst von Trier (Trierisches Archiv Ergänzungsheft 4), Trier 1905, 5-16. 29 S. Freiherr von Pölnitz, Die bischöfliche Reformarbeit im Hochstift Würzburg während des 15. Jahrhunderts. Unter besonderer Berücksichtigung der übrigen fränkischen Diözesen (Würzburger Diözesangeschichtsblätter 8/9), Würzburg 1941, 102-115; L. Unger, Die Refonn des Benediktinerklosters St. Michael bei Bamberg in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (Historischer Verein Bamberg Beiheft 20), Bamberg 1987,25-32; E. Reiter, Rezeption und Beachtung von Basler Dekreten in der Diözese Eichstätt unter Bischof Johann von Eych (1445-1464), in: Von Konstanz nach Trient. Festgabe für August Franzen, hg. v. R. Bäumer, München 1972, 215-232, bes. 231; 1. Sax, Die Bischöfe und Reichsfürsten von Eichstätt 745-1806, 2 Bde., Landshut 1884-1885, I, 302-329. 30 P. Moraw, Gelehrte Juristen im Dienst der deutschen Könige des späten Mittelalters, in: Die Rolle der Juristen bei der Entstehung des modemen Staates, hg. v. R. Schnur, Berlin 1986,77-168, bes. 123-131; F. Zoepjl, Das Bistum Augsburg und seine Bischöfe im Mittelalter, 2 Bde., München 1955-1969, I, 410-413, 431-443. 31 Zu den politischen Auseinandersetzungen neben der hier angeführten Literatur u. a R. Stauber, Herzog Georg von Bayern-Landshut und seine Reichspolitik. Möglichkeiten und Grenzen reichsfürstlicher Politik im wittelsbachisch-habsburgischen Spannungsfeld (Münchner Historische Studien, Abt. Bayerische Geschichte 15), Kallmünz 1993, 86-119. 32 Auch der im Privileg vom November 1459 beauftragte Bischof von Speyer war Anhänger der kaiserlich-päpstlichen Partei: Brosius, Einfluß (wie Anm. 26) 220, vg\. Anm. 49. Weitere Privilegien für Baden bei D. Brosius, Papst Pius II. und Markgraf Karl von Baden. Ein Nachtrag aus den päpstlichen Registern, Freiburger DiözesanArchiv 92 (1972) 161-176; E. Göller, Gesuche des Markgrafen Karll. von Baden an Pius 11. während seines Aufenthaltes auf dem Kongreß zu Mantua (1459), Freiburger Diözesan-Archiv 60 (1932) 239-251. 33 E. Zander, Die Beziehungen Albrecht Achilles von Brandenburg (1440-1486) zu den Päpsten seiner Zeit (Diss. phi\., HalleiSaale 1921), 14-39; Pölnitz, Refonnarbeit (wie Anm. 29), 102-104.

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rurstlichen Opposition im Reich zählte, da Pius 11. zu diesem Zeitpunkt daran gelegen war, ihn fiir seine Vermittlungspolitik zur Sicherung des Türkenkreuzzuges zu gewinnen. 34 Aus dem gleichen Grund unterstützte der Papst noch im August 1459 den Pfalzgrafen bei Rhein Friedrich I. bei der Reform der Augustiner-Eremitenklöster seines Territoriums. Kaiser Friedrich III. wiederum erbat gerade 1460 die Ausdehnung seiner Privilegien auf die außerösterreichischen Teile seiner Lande, als sein Votum während des Wiener Reichstags in Anwesenheit des päpstlichen Legaten Kardinal Bessarion mit über die Verwirklichung der Pläne des Papstes fiir den TÜTkenkreuzzug entschied. Opposition gegen die päpstliche Kirchenpolitik und offener Krieg gegen die Anhänger der kaiserlichen Partei schlossen die Erteilung von Reformprivilegien temporär aus. Deutlich traten solche politischen Implikationen mit dem Fortschreiten des Mainzer Bistumsstreites hervor. 35 Der Trierer Erzbischof Johann von Baden hatte 1460 mit der Reform von Klöstern und Stiften begonnen. Um ein Klosterreformprivileg bat er den Papst jedoch erst im August 1461, nachdem er von der Konzilsappellation des Mainzer Elekten Dieter von Isenburg, der er sich wie viele andere Reichsrursten im Februar 1461 angeschlossen hatte, zurückgetreten war und wieder dem kaiserlich-päpstlichen Lager angehörte. 36 Anfang Juli 1461 ersuchte Pfalzgraf Friedrich I. den Papst um weitreichende Reformvollmachten fiir sein Territorium. Friedrich I. stand seit 1460 im Bündnis mit Dieter von Isenburg. Da die päpstlichen Beauftragten zu diesem Zeitpunkt bereits fiir Adolf von Nassau als neuen Mainzer Erzbischof warben, glaubte Friedrich I. Anfang Juli 1461 offenbar, seine machtpolitische Schlüsselstellung im Mainzer Bistumsstreit nutzen zu können, um den Papst seinen Wünschen geneigt zu machen. Im August 1461 setzte Pius H. Dieter von Isenburg ab und Adolf von Nassau als neuen Erzbischof ein. Im November begann der Krieg um das Mainzer Erzstift. Erst nachdem der Friede wiederhergestellt war, kam 1463 Bayern-Landshut, das an der Seite der Pfalz fiir Dieter von Isenburg gekämpft hatte, beim Papst wieder um eine Modifizierung und Erweiterung des Privilegs von 1459 ein. Die von Pius H. gewährten Privilegien zur Reform aller Klöster eines Territoriums bzw. einer Diözese mit apostolischer Autorität wiesen hinsichtlich der Vollmacht zur Bestellung geeigneter Visitatoren signifikante Unterschiede auf. Kaiser Friedrich III. wurde schon von Nikolaus V. und ebenso von Pius H. auf die gleichlautende Supplik hin gestattet, die Reformbeauftragten selbst auszuwählen. Der Kaiser konnte also frei entscheiden, wann er welches Kloster RankJ, Kirchenregiment (wie Anm. 17),49,199. D. Brosius, Zum Mainzer Bistumsstreit 1459-1463, Archiv filr hessische Geschichte und Altertumskunde NF 33 (1975) 111-136; Lossen, Staat (wie Anm. 27), 32-36. 36 J C. Lager, Johann 11. (wie Anm. 28), 104-110,24-36; Schmidt, Erzbischöfe (wie Anm. 10),494; Brosius, Einfluß (wie Anm. 26), 223. 34

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durch wen mit apostolischer Autorität reformieren lassen wollte, wenn die Maßnahmen des betreffenden Ordens seinen Anforderungen nicht genügten. Er war damit hinsichtlich der Klosterreform, um die bekannte Formel aufzugreifen, "Papst" seines Territoriums. Den Bischöfen von Eichstätt, Bamberg, Worms (1459) und Münster (1461) sowie dem Trierer Erzbischof (1461) gewährte Pius 11. die Vollmacht, zusammen mit zwei von ihren observanten Vorgesetzten ausgewählten Mitgliedern des betreffenden Ordens selbst zu visitieren und zu reformieren. Eine Ausnahme stellt das Privileg fiir den Kölner Erzbischof dar, da hier die Bursfelderäbte von St. Pantaleon und Groß St. Martin sowie der Dekan von St. Andreas in Köln den Auftrag erhielten, auf Wunsch des Erzbischofs Klöster zu visitieren und zu reformieren. Wahrscheinlich handelte es sich dabei nicht um eine Einschränkung der Vollmacht fiir den Kölner Oberhirten, sondern um die Gewährung apostolischer Autorität fiir seine bereits bewährten Reformkommissare. 37 Der Bamberger Bischof Georg von Schaumberg und später der Mainzer Erzbischof Adolf von Nassau subdelegierten die Klosterreform und die ihnen vom Papst gewährten Vollmachten ihrerseits an die Bursfelderäbte des Erfurter Petersklosters bzw. des Klosters St. Jakob in Mainz. 38 Auch im Fall des Markgrafen von Baden und der Grafen von Württemberg wurden einzelne Ordens leute vom Papst mit der DurchfUhrung von Visitation und Reform auf Wunsch des Landesherrn beauftragt, was den Regelungen der Privilegien fiir Österreich 1418 und die Pfalz 1420 entsprach. Für Baden ging der Auftrag an den Abt des Zisterzienserklosters Tennenbach im Breisgau, der jeweils mit zwei Begleitern im Rang eines Magisters der Theologie oder eines Doktors des kanonischen Rechts die Klöster visitieren und reformieren sollte (1459 Februar 18), bzw. an die Zisterzienseräbte von Maulbronn und Herrenalb sowie an den Bischof von Speyer, die unter Zuziehung von Observanten des betroffenen Ordens tätig zu werden hatten (November 1459 speziell auch Franziskanerreform zusammen mit deren Vikar). Für Württemberg wurden der Prior der Kartause Güterstein und die Bursfelderäbte von Hirsau und st. Jakob in Mainz eingesetzt. Für Österreich hatte der Papst 1418 den Zisterzienserabt Angelus von Rein und den Kartäuserprior Leonhard von Gaming, fiir die Pfalz 1420 den Zisterzienserabt von Maulbronn und den Abt des benediktinischen Reformklosters Kastl beauftragt.39

37 Neidiger, Erzbischöfe (wie Anm. 13), 45; B. Albers, Zwei Bullen Pius 11. rur Kölner Klöster, Annalen des Historischen Vereins rur den Niederrhein 63 (1896) 197203. Weitere Suppliken des Erzbischofs HStA Düsseldorf, Kurköln 11, 5136. 38 Unger, Refonn (wie Anm. 29), 27, 134; Lossen, Staat (wie Anm. 27), 165. 39 Vgl. P. Maier, Ursprung und Ausbreitung der KastIer Refonnbewegung, Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 102 (1991) 75-203.

42 Festschrift Elm

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Damit treten drei Ordensgemeinschaften ins Blickfeld: die Zisterzienser, die Kartäuser und die Benediktiner der Bursfelder Kongregation. Die Reformkommissare aus diesen Gemeinschaften mußten selbst aus reformierten Klöstern stammen, um glaubwürdig zu sein, und sie mußten das Vertrauen der Landesherren genießen, um fiIr diese tätig werden zu können. Die Zisterzienserreform in Südwestdeutschland ist erst durch die Arbeiten von Eberhard Gohl näher erforscht worden, der die "kirchliche Reformpolitik herausragender Maulbronner Äbte während des Basler Konzils" und die Reforminitiativen untersuchte, die, von Äbten und Mönchen Maulbronns getragen, eine "Erneuerung des südwestdeutschen Ordenswesens anstrebten".40 Die Kartäuser, die ihre eigentliche Blüte in Deutschland im 15. Jahrhundert erlebten, waren der strengste Orden überhaupt und galten zu keinem Zeitpunkt als reformbedÜfftig. Vom Beginn des 15. Jahrhunderts an unterstützten die Kartäuser Reformbemühungen in anderen Orden. So forderten sie schon die frühe Dominikanerobservanz unter Ordensgeneral Raimund von Capua und setzten bei der Benediktinerreform in Trier neue Maßstäbe. 41 An den Kartäusern orientierten sich insbesondere auch die Bursfelder, die in der Folge bei der Reform von Klöstern anderer Orden nicht nur in Südwestdeutschland, sondern auch am Niederrhein eng mit ihnen zusammenarbeiteten. Den Tennenbacher Zisterzienserabt Burkhard 11. Iselin (1449-1483) verband ein enges Vertrauensverhältnis mit den Markgrafen von Baden. 1438 hatte das Kloster Markgraf Jakob zu seinem Schutzvogt gewählt, obwohl die Schirmvogtei 1373 auf Habsburg übergegangen war. 1453 bestätigte Markgraf Karl nach dem Tod seines Vaters als "gewählter Beschützer" den Schirm von Besitz und Privilegien Tennenbachs. 42 Ebenso bestanden zwischen den Grafen von Württemberg und dem Abt von Hirsau sowie dem Prior von Güterstein enge persönliche wie herrschaftliche Beziehungen. Mit der 40 Einleitung von K. Schreiner zu E. Gohl, Handschriften, Drucke und Einbände aus Bebenhausen, Zs. rur Württembergische Landesgeschichte 49 (1990) 143f. Die Dissertation Gohls blieb wegen seines frühen Todes bisher unveröffentlicht. Vgl. U Knapp, Das Kloster Maulbronn, Stuttgart 1997, 126. Der Tennenbacher Abt Martin Soensbach nahm 1438 am Basler Konzil teil, das seinem Kloster 1435 ein Schutzprivileg ausstellte: G. Mayer, Monumenta historico-monastica. Die Äbte von Thennenbach und St. Georgen, Freiburger Diözesan-Archiv 15 (1882) 225-246, 232f. GLA Karlsruhe, UK Tennenbach. 41 H. Rüthing, Die Kartäuser und die spätmittelalterlichen Ordensreformen, in: Reformbemühungen (wie Anm. 4), 35-60; M Wehrli-Johns, Dominikanerobservanz und laikaies Büßertum. Untersuchungen zur "Munio-Regel" und zum dominikanischen Dritten Orden in Italien und Deutschland, in: Bettelorden, Politik und Gesellschaft in Deutschland und Italien im 14. und 15. Jahrhundert (Quademo dei Istituto ItalicoGermanico Trento), in Vorbereitung. 42 Regesten der Markgrafen von Baden und Hachberg 1050-1515, hg. v. der Badischen Historischen Kommission, 4 Bde., Innsbruck 1900-1915, III, 86, IV, 1. Vgl. P. F Rupf, Die Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte der Zisterzienserabtei Tennenbach bis 1500, Magisterarbeit phil. Freiburg/Br. 1993 (GLA Karlsruhe, Cw 1779), 100-104.

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Klosterreform in Württemberg wurde jedoch auch der Bursfelderabt des Mainzer Jakobsklosters, Eberhard von Venlo, beauftragt, der den Hirsauer Abt 1458 beim Anschluß seines Klosters an die Bursfelder Kongregation beraten und unterstützt hatte. 43 Der Markgraf von Baden wählte für die Durchfilhrung des Privilegs vom November 1459 die Zisterzienseräbte von Maulbronn und Herrenalb, deren Klöster im pflUzischen bzw. württembergischen Einflußbereich lagen. 44 Offenbar waren hier primär geistlich-organisatorische Gesichtspunkte maßgebend. Anders als für Baden und Württemberg schaltete Pius 11. für Bayern-Landshut den Bischof von Augsburg in die Durchfiihrung der vom Landesherm gewünschten Reformen ein. Er sollte jeweils geeignete Mitglieder der betreffenden Orden zur Reform in die Klöster entsenden. Der Augsburger Bischof befand sich politisch in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zu BayernLandshut, mit dem er 1456 ein Schutzverhältnis eingegangen war. 4S Die Beauftragung eines Bischofs bot den Vorteil, daß die von ihm ausgewählten Visitatoren nicht nur mit apostolischer, sondern auch mit episkopaler Vollmacht handeln konnten, wenn die zu reformierenden nichtexemten Klöster sich im Sprengel seiner Diözese befanden. Offenbar sahen die Landesherm in dieser Regelung einen Vorteil und supplizierten beim Papst entsprechend. Der Herzog von Bayern-Landshut bat 1463, anstatt des Augsburger Bischofs jetzt den von Freising mit der Klosterreform in seinem Territorium zu beauftragen, da dieser im bayerischen Herrschaftsgebiet seinen Sitz habe, was die Handhabung des Privilegs erleichtere. Ebenso ersuchte der Herzog von Schleswig den Papst 1459, die Bischöfe von Bremen, Lübeck und Schleswig mit der Reform der exemten und nichtexemten Klöster seines Herrschaftsgebietes zu betrauen. Alle drei Bischöfe waren politisch vom Schleswiger Herzog abhängig. 46 Der Pfalzgraf bei 43 D. Stievermann, Die württembergischen Klosterreformen des 15. Jahrhunderts. Ein bedeutendes landeskirchliches Strukturelement des Spätmittelalters und ein Kontinuitätsstrang zum ausgebildeten Landeskirchentum der Frühneuzeit, Zs. rur württembergische Landesgeschichte 44 (1985) 65-103, bes. 77f. 44 Die Beziehungen zwischen den badischen Markgrafen und den Äbten von Maulbronn und Herrenalb dürften auf die Jahre 1426-1430 zurückgehen, als diese das Zisterzienserinnenkloster Lichtenthai bei Baden-Baden auf Wunsch des Markgrafen und Befehl ihres Generalkapitels reformiert hatten: Canivez IV, 304, 329, 350, 355. Für Herrenalb supplizierte Markgraf Karl 1459 bei Pius um einige kleinere Privilegien und Indulgenzen: Göller, Gesuche (wie Anm. 32), 249-251. Vgl. H. Pflüger, Schutzverhältnisse und Landesherrschaft der Reichsabtei Herrenalb von ihrer Gründung im Jahre 1149 bis zum Verlust ihrer Reichsunmittelbarkeit im Jahre 1497 (bzw. 1535), Stuttgart 1958,72-74,86-90. 45 BayHStA München, Kurbayern UK 7270. Rankl, Kirchenregiment (wie Anm. 17), 198-207. Peter von Schaumberg stand Bayern-Landshut politisch nahe, trug als kaiserlicher Rat aber auch die Vermittlungspolitik des Papstes mit, dem er eng verbunden war: Zoepfl, Bistum (wie Anm. 30), I, 400-404. 46 H. v. Schubert, Kirchengeschichte Schleswig-Holsteins (Schriften des Vereins rur

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Rhein supplizierte im Oktober 1459, dem Wormser Bischof, der zu seinen geistlichen Räten zählte, die Reform der Augustiner-Eremitenk1öster im pflilzischen Gebiet zu übertragen, auch wenn diese nicht in seiner Diözese, sondern im Sprengel eines anderen Bischofs lagen. Pius II. gab dieser Bitte grundsätzlich statt, wies jedoch nicht den Bischof, sondern den Wormser Domdekan Rudolf von Rüdesheim entsprechend an. Dies trug der Tatsache Rechnung, daß das pflilzische Territorium in den Sprengeln verschiedener Bischöfe lag. Deutlich wird jedoch auch, daß der Papst dem Pfalzgrafen bei Rhein hier die Einsetzung eines Bischofs als Reformbeauftragten abschlug, während er sie dem Herzog von Bayern-Landshut im gleichen Jahr zugestand. Denn in der Regel bevollmächtigte Pius II. zur Durchfiihrung von Reformen nur dann Äbte oder andere Geistliche anstatt eines Bischofs, wenn das betreffende Territorium im Gebiet mehrerer Diözesen lag und kein Einvernehmen zwischen dem Landesherrn und wenigstens einem der zuständigen Bischöfe bestand. Da Rudolf von Rüdesheim sich beim Pfalzgrafen zwar hohen Ansehens erfreute, vor allem aber ein enger Vertrauter des Papstes war, sicherte sich dieser mit der Regelung zugleich einen gewissen Einfluß auf die in der Pfalz angestrebten Reformen. 47 Letztlich strebten gerade die mächtigeren weltlichen Landesherren jedoch danach, wie Kaiser Friedrich III. die Visitatoren von Fall zu Fall nach ihrem eigenen Ermessen und ohne Einschaltung geistlicher Instanzen anweisen zu können. Der Herzog von Bayern-Landshut supplizierte 1463 auch, ihm selbst die Auswahl und Bestellung der Reformbeauftragten zu überlassen. Erst danach schlug er als Alternative vor, jetzt den Freisinger Bischof anstatt des Augsburger Bischofs zu benennen und ihm selbst erweiterte Vollmachten hinsichtlich der Temporalia zuzuerkennen. Beide Möglichkeiten wurden in der Supplik durch das Wort "oder" verbunden nacheinander aufgeführt, der erste Vorschlag jedoch nur kurz, der zweite ausführlich beschrieben. Offenbar glaubte der Herzog selbst nicht, daß Pius II. ihm die umfassendere Reformvollmacht einräumen werde. Ganz entsprechend entschied sich Pius II. wie auch 1465 sein Nachfolger Paul II. nur für die Einsetzung des Bischofs von Freising als Koordinator der Reformen in Bayern-Landshut. 48 Pfalzgraf Friedrich I. supplizierte schleswig-holsteinische Kirchengeschichte 113), Kiel 1907,209-314. 47 Rudolf von Rüdesheim war bis zu seiner Bischofserhebung 1463 Wonnser Domdekan (Repertorium Germanicum [wie Anm. 18], I, 90, 716, 728 u. ö.), seit 1458 Referendar und seit 1461 Legat Pius' 11. in Deutschland: W Marschall, Rudolf von Rüdesheim, in: Schlesische Lebensbilder 6, Sigmaringen 1989, 9-18; Brosius, Bistumsstreit (wie Anm. 35), 129. Lossen, Staat (wie Anm. 27), 34. Vgl. auch R. Sillib, Zur Geschichte des Augustinerklosters Heidelberg, Neues Archiv rur die Geschichte der Stadt Heidelberg und der rheinischen Pfalz 4 (1901) 1-142, bes. 13. Papst Pauill. beauftragte dann 1464 den Wormser Bischof mit der Reform des Heidelberger Augustiner-Eremitenklosters (ebd., 51), das im Sprengel seiner Diözese lag. Vgl. Anm. 51 und zum Verhältnis des Bistums Worms zur Pfalz Anm. 69. 48 BayHStA München, Kurbayem UK 7269 (1465). Rankl, Kirchenregiment (wie

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1461, der Papst möge ihm Erlaubnis und Autorität geben, die Oberen der betreffenden Orden zu Reformen zu berufen und im Fall der Weigerung andere in der Observanz erfahrene Religiosen zu beauftragen, das Kloster oder die betreffenden Klöster Regel und Ordo gemäß zu reformieren. Ferner solle der Papst ihn ermächtigen, nötigenfalls als weltlicher Arm in die Reformen eingreifen zu dürfen. Pius 11. lehnte dies ab. Er schrieb unter die Supplik, fiat, quod Episcopus vocatis tribus religiosis ex officio visitet et re/armet pro semel, d. h. der jeweils zuständige Ortsbischof solle mit drei Religiosen des betreffenden Ordens die Reformen durchfUhren. Diese Entscheidung des Papstes hatte zwei Gründe. Bischof von Speyer war seit September 1459 Johannes H. Nix von Hoheneck, der gegen den Willen des Pfalzgrafen, aber mit Unterstützung des Markgrafen von Baden gewählt und vom Papst bestätigt worden war. Friedrich I. ging es 1461 also auch darum, mit Hilfe eines Papstprivilegs den Einfluß des fUr sein Territorium wichtigen Speyrer Bischofs in Sachen der Klosterreform auszuschalten. Trotz der maßgebenden Rolle, die der Pfalzgraf im Mainzer Bistumsstreit spielte, war Pius 11. in dieser Situation jedoch nicht bereit, ein Privileg zu gewähren, das sich gegen den Bischof von Speyer und damit wenigstens indirekt auch gegen den Markgrafen von Baden richtete. 49 Zudem dürften grundsätzliche Erwägungen den Papst zu seiner Ablehnung veraniaßt haben. Auch BayernLandshut gestattete der Papst 1463 nicht, die geistlichen Reformkommissare selbst zu ernennen. Dieses Recht gestand Pius 11. wie vor ihm schon Nikolaus V. nur Kaiser Friedrich III. zu. Eine solche Abstufung zwischen Kaiser und weltlichen Fürsten entsprach auch den Vorstellungen Pius 11. vom monarchischen Prinzip in Kirche und Reich. 50 Der Papst war nicht gewillt, gerade Pfalzgraf Friedrich I. mehr zuzugestehen als vergleichbaren Landesherren. 51

Anm. 17), 49, 200. 49 Brosius, Einfluß (wie Anm. 26), 220; Lossen, Staat (wie Anm. 27), 55f. Natürlich war der Pfalzgraf auch an der Ausweitung seiner Selbständigkeit gegenüber dem Erzbischof von Mainz oder dem Bischof von Würzburg interessiert. Eine Reihe kleinerer Indulte wie Tragaltar, Buttergenuß, Beichtvater gewährte der Papst Friedrich I. (Repertorium Gennanicum [wie Anm. 18], I, 182). Vgl. Anm. 70. 50 Esch, Enea (wie Anm. 2), 115. 51 Zum Verhältnis Pius' IL zum Pfalzgrafen D. Brosius, Die Pfründen des Enea Silvio Piccolomini, QFIAB 54 (1974) 271-327, bes. 282 (erzwungener Verzicht auf Wormser Dompropstei); Lossen, Staat (wie Anm. 27) 31-33 (Darstellung Pius' II. in pfälzischer Chronistik). Negativ schlugen neben dem Bistumsstreit selbst auch die konziliaren Neigungen Friedrichs I. zu Buche. Erst 1464, als es darum ging, den Frieden zwischen der Pfalz und dem Mainzer Erzbischof Adolf von Nassau zu stiften, zeigte der Papst wieder größeres Entgegenkommen: vgl. unten Anm. 69 (Anerkennung des vom Pfalzgrafen erzwungenen neuen Speyerer Bischofs Matthias von Rammung).

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11. Das Einverständnis und die Unterstützung der weltlichen Gewalt, also der weltlichen oder geistlichen Landesherren bzw. der Städte, waren bereits Ende des 14. Jahrhunderts Voraussetzung jeder Klosterrefonn über den Reformkern eines ersten observanten Konventes hinaus. Die Förderung von Refonnen erhöhte den Einfluß der weltlichen Gewalt auf die Klöster. Eine starke Position der weltlichen Gewalt und die Ausbildung ihres Kirchenregimentes waren jedoch auch schon Vorbedingung dafür, daß Landesherren und Städte ihre Refonnwünsche durchsetzen konnten. 52 Daher begannen eigenständige und planmäßige Klosterrefonnmaßnahmen des Landesherrn in Österreich 1418, in der Pfalz 1420, in Bayern 1424, in Thüringen 1446, im Herzogtum Kleve 1450 und im Herzogtum Jülich-Berg sogar erst 1475. 53 Die Entscheidungen der weltlichen Landesherren für oder gegen eine Klosterrefonn hing von innen- und außenpolitischen Faktoren, ebenso aber auch vom spirituellen Profil der einzelnen Refonngemeinschaften ab, das Zustimmung fand oder auf Ablehnung stieß. Landesherren wie Städte förderten ihren Vorstellungen entsprechend dabei auch Refonnen, die ihnen unter herrschaftlichem Aspekt keinen Vorteil brachten. 54 Durch die generelle Zunahme von Refonninitiativen der weltlichen Gewalt seit dem Basler Konzil wurden die einzelnen Territorien immer mehr zu "Klosterrefonnsprengeln",55 und zwar sowohl was die Einführung der Observanz in Klöstern zentral organisierter Orden als auch was ordensübergreifende Refonnmaßnahmen anging. 56 Weltliche Landesherren bevorzugten für die DurchfUhrung von Refonnen häufig die von ihrer Ordens leitung unabhängigen 52 J. Naendrup-Reimann,Territorien und Kirche im 14. Jahrhundert, in: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. H. Patze (VuF 13), Sigmaringen 1970, 117174; 1. W. Frank, Kirchengewalt und Kirchenregiment in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Innsbrucker Historische Studien I (1978) 33-60; B. Neidiger, Selbstverständnis und Erfolgschancen der Dominikanerobservanten. Beobachtungen zur Entwicklung in der Provinz Teutonia und im Basler Konvent (1388-1510), Rottenburger Jb. rur Kirchengeschichte 17 (1998) 67-122, bes. 72-83. 53 M. Schulze, Fürsten und Reformation. Geistliche Reformpolitik weltlicher Fürsten vor der Reformation (Spätmittelalter und Reformation NR 2), Tübingen 1991; D. Stievermann, Klosterreform und Territorialstaat in Süddeutschland im 15. Jahrhundert, Rottenburger Jb. rur Kirchengeschichte II (1992) 149-160; W. Janssen, Landesherrschaft und Kirche am Niederrhein im späten Mittelalter, in: Der Niederrhein zwischen Mittelalter und Neuzeit, hg.v. J. F G. Goeters (Studien und Quellen zur Geschichte der Stadt Wesel 8), Wesel 1986, 9-42. Zur Frühzeit der KastIer Reform Anm.39. 54 Lassen, Staat (wie Anm. 27), 143; Weinbrenner, Klosterreform (wie Anm. 6), 18. Stievermann, Klosterreformen (wie Anm. 43), 93. 55 D. Mertens, Monastische Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts: Ideen, Ziele, Resultate, in: Reform (wie Anm. 26), 157-181, bes. 177-181. 56 Neidiger, Erzbischöfe (wie Anm. 13), 34, 36, vgl. Anm. 78.

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Observantenkongregationen, soweit diese nicht auch mit ihren politischen Gegnern zusammenarbeiteten. Sie hatten dann den zuständigen Vikar vor Ort und mußten sich nicht mit femen Ordensinstanzen auseinandersetzen. Die Städte, in deren religiöses Leben bestehende Konvente zumeist eng eingebunden waren, bevorzugten gerade hinsichtlich der Bettelorden nicht selten eher die Reform durch die Konventualen, die nicht mit dem Auszug der alten Brüder verbunden war. 51 Mit der Erteilung von Klosterreformprivilegien für das Gebiet einzelner weltlicher Territorien erkannten die Päpste an, daß deren Landesherren die Prärogative bei der Klosterreform an sich gezogen hatten. Die beauftragten Geistlichen mußten die Reformentscheidungen der weltlichen Gewalt nach deren Wunsch mit apostolischer Autorität durchfUhren. Den Landesherren und ihren Reformbeauftragten erleichterten es die Papstprivilegien, den Widerstand der Konvente gegen eine Reform zu brechen. Die verliehene päpstliche Autorität war für die Visitatoren insbesondere dann von Bedeutung, wenn reformunwillige nichtexemte Konvente von den Ortsbischöfen gegen die Reform unterstützt wurden oder exemte Klöster sich vom konventualen Provinzial Rückendeckung gegen die Observanten versprachen. 58 Nicht wenige Territorien konnten die Reform von Klöstern freilich auch ohne ein betreffendes päpstliches Generalprivileg durchsetzen. 59 Hinsichtlich der Bischöfe ist zwischen ihrer Funktion als Landesherren im Gebiet ihres Stiftslandes und ihren geistlichen Aufgaben als Ortsbischöfe im Sprengel ihrer Diözese zu unterscheiden. 60 Für Reformentscheidungen der Bischöfe in ihren Stiftslanden waren wie bei den weltlichen Landesherren Ziele der Innen- und Außenpolitik oder sogar der Kirchenpolitik in Auseinandersetzung mit den Päpsten auf der einen und religiös-spirituelle Belange des Re-

51 Elm, Verfall (wie Anm. 1), 225-228; Weinbrenner, Klosterrefonn (wie Anm. 6), 238f S. Drexhage-Leisebein, Refonnengagement städtischer Obrigkeit in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die franziskanischen Refonnbewegungen in der städtischen Kirchen- und Klosterpolitik am Beispiel ausgewählter Städte im Gebiet der sächsischen Ordensprovinz, in: Bettelorden und Stadt, hg. v. D. Berg (Saxonia Franciscana 1), Werl 1992, 209-234. 58 Das Refonnprivileg tUr Württemberg hat sich entsprechend in den Archiven der Klöster Alpirsbach (Einflußnahme Bischof Konstanz) und Pfullingen (Rückhalt Provinzial) erhalten, tUr deren Refonn es vidimiert wurde: Stievermann, Klosterrefonnen (wie Anm. 43), 77f. Das Eingriffsrecht der Visitatoren in dem Ortsbischof oder dem apostolischen Stuhl vorbehaltene Regelungen wird eigens erwähnt. 59 Schulze, Fürst (wie Anm. 5), 15, 30-45 (Thüringen, Sachsen, Brandenburg). 60 W Janssen, Der Bischof, ReichstUrst und Landesherr (14. und 15. Jahrhundert), in: Der Bischof in seiner Zeit. Festgabe rur Joseph Kardinal Höffner, Köln 1986, 185244; Neidiger, Erzbischöfe (wie Anm. 13). Vgl. W Müller, Bayern und Basel. Studien zu Herzogshaus, Kirche und Konzil, AHC 29 (1997) 1-164,335-499, 154.

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fonnanliegens auf der anderen Seite gleichennaßen von Belang. Auch Bischöfe nutzten Refonnen zur Sicherung ihrer Herrschaft. Die Reformdekrete des Basler Konzils und die Impulse der Legationsreise des Nikolaus von Kues blieben jedoch nicht ohne Auswirkungen auf das Bischofsideal der Zeit. Eine beträchtliche Zahl deutscher Bischöfe widmete sich seit dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts neben ihren weltlichen Aufgaben auch der Reform des Weltklerus und der Klöster mit Nachdruck. 61 In ihren Stifts landen standen den Bischöfen zunächst die Reformmittel des Landesherrn zur Verfiigung, die sie vor allem gegenüber exemten Konventen herauskehrten. 62 Bei nichtexemten Klöstern beriefen die Bischöfe sich bei Reformen demgegenüber bevorzugt auf ihre geistliche Amtsgewalt. Die bischöfliche Visitation, die lange Zeit delegiert und zu einer reinen Einnahmequelle abgesunken war, erlangte im Reformkontext des 15. Jahrhunderts eine neue Qualität. 63 Für die Reformen von Klöstern ihrer Diözese, die außerhalb ihres Stiftsterritoriums lagen, waren die Bischöfe am Ende des 15. Jahrhunderts ein "Auslaufmodell", d. h. sie wurden kaum noch zugezogen. 64 Dieser Tatbestand läßt generelle Rückschlüsse auf die Verhältnisse um die Jahrhundertmitte jedoch nicht zu. In Territorien, die politisch und hinsichtlich der Ausschaltung geistlicher Jurisdiktionsgewalt mit dem Bischof rivalisierten, war der Ordinarius zwar unerwünscht. Bei freundlichen Beziehungen und Zusammenarbeit im Bereich der Reichs- und Territorialpolitik wurden Bischöfe von weltlichen Landesherren im Gebiet ihrer Diözese aber durchaus noch um die Unterstützung oder Durchführung von Klosterreformen gebeten. Der Tatbestand bischöflicher Reform auf fremdem Territorium war z. B. schon gegeben, wenn der Kölner Erzbischof oder der Augsburger Bischof Klöster seiner Bischofsstadt reformierte, da es sich in beiden Fällen um Reichsstädte handelte, die in weltlichen Angelegenheiten streng auf ihre Unabhängigkeit vom Bischof achteten. 6s Der Kölner Erzbischof betrieb 1457 auf Wunsch der Grafen von Sayn oder bis 1475 der Herzöge von Jülich-Berg Klosterreformen auch in deren Territorien. 66 Ebenso forderten 1457 Johann von Eych und Albrecht Achilles, die beide zur kaiserlich-päpstlichen Partei im Reich zählten, einvernehmlich für die Benediktinerklöster des brandenburgischen Territoriums 61 Wie Anm. 10, 13, 24, 26, 29, 30 (Zoepfl), 66, 69 und A. Schröer, Die Kirche in Westfalen vor der Reformation, 2 Bde., Münster 1967, I, 52-61, II, 124f, 134 (Johann von Bayern). 62 Schmidt, Erzbischöfe (wie Anm. 10),493; Neidiger, Erzbischöfe (wie Anm. 13), 41. 63 Vgl. z B. Eichstätt (wie Anm. 29, 67) oder Köln (wie Anm. 13). 64 Vgl. Schulze, Fürsten (wie Anm. 53), 15,45. 65 Zoepjl, Bistum (wie Anm. 30), I, 421-427; Neidiger, Erzbischöfe (wie Anm. 13), 45f. 66 Neidiger, Erzbischöfe (wie Anm. 13), 31-35, 47f.: Dietrich von Mörs und Ruprecht von der Pfalz, nicht mehr Hermann von Hessen, vgl. auch M. Fuhs, Hermann IV. von Hessen. Erzbischof von Köln 1480-1508, Köln 1995,266-277.

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im Sprengel der Eichstätter Diözese vom Kapitel der Benediktinerprovinz Mainz-Bamberg Visitatoren an, die dann mit bischöflicher und apostolischer Vollmacht im Auftrag von Bischof und Landesherrn handelten. 67 Die Tatsache, daß es zahlreichen Landesherren großer weltlicher Territorien im Verlauf des 15. Jahrhunderts gelang, Bischöfe machtpolitisch an sich zu binden, indem sie ihnen Schutzverträge aufzwangen (Eichstätt, Brixen, Trient) oder sie bis zur Abhängigkeit unter ihren Einfluß brachten (Worms, Speyer, Freising, Meißen, Naumburg), hat dem Anliegen der Klosterreform im allgemeinen keineswegs geschadet.68 So wurde der Wormser Bischof in seinen Stifts landen bei Klosterreformen vom übermächtigen Pfalzgrafen nicht behindert. Außerhalb derselben unterstützte er in seinem Diözesansprengel die Reformvorhaben des Pfalzgrafen, zu dessen geistlichen Räten er zählte, einvernehmlich mit geistlicher Amtsgewalt. Das Klosterreformprivileg fiir den Wormser Bischof kam in diesem Zusammenhang auch der landesherrlichen Reform im pfälzischen Territorium zugute. 69 Die Klosterreformprivilegien Pius' 11. sprachen Bischöfen apostolische Vollmacht im Gebiet ihrer Bischofsstadt und Diözese zu. Dies stärkte bei Reformen zum einen die Position der Bischöfe als Landesherren in ihren Stifts67 Bay. Staatsbibliothek München, Clm 6487, fol. 111-118. Vgl. Anm. 29. Päpstliche Autorität wohl aufgrund der Anordnungen des Nikolaus von Kues. Vgl. Anm.69. 68 Die Ausnahme stellte Brixen unter Nikolaus von Kues dar, wo der Bischof in der Tat bei Reformen behindert wurde. Eigentlicher Grund der Auseinandersetzungen mit Herzog Sigismund war jedoch die Frage der Reichsunabhängigkeit des Brixener Stiftsterritoriums: H J. Hallauer, Bruneck 1460. Nikolaus von Kues - der Bischof scheitert an der weltlichen Macht, in: Studien zum 15. Jahrhundert, Festschrift fUr Erich Meuthen, hg. von J. Helmrath, München 1994, 381-412. Die Bischöfe von Meißen wurden auch in geistlichen Angelegenheiten vom Landesherrn bevormundet, erhielten von diesem aber auch Reformaufträge: Schulze, Fürst (wie Anm. 5), 15, 129-133. Allgemein E. Meuthen, Fürst und Kirche am Vorabend der Reformation, Jb. der Thomas-Morus-Gesellschaft 2 (1982) 33-42. 69 Lossen. Staat (wie Anm. 27), 44-47, 120, 158-162; L. von Stamer. Kirchengeschichte der Pfalz, 4 Bde., Speyer 1949-1964, 11, 228-231, 239-248. M. Schaab, Die Diözese Worms im Mittelalter, Freiburger Diözesan-Archiv 86 (1966) 94219, 215. Nachdem der Pfalzgraf 1464 den Rücktritt von Johannes 11. Nix von Hoheneck und die Wahl seines Kanzlers Matthias von Rammung zum neuen Bischof von Speyer erzwungen hatte, reformierte dieser die kirchliche Verwaltung dieses Bistums von Grund auf: F. Haffner. Die kirchlichen Reformbemühungen des Speyrer Bischofs Matthias von Rammung in vortridentinischer Zeit (1464-1478), Speyer 1961. Die bayerischen Herzöge instrumentalisierten seit 1426 und bis Ende der 80er Jahre die geistliche Amtsgewalt des Freisinger Bischofs (bzw. 1426 seines Generalvikars Grünwalder) immer wieder fUr die DurchfUhrung von ihnen initiierter oder gefOrderter Klosterreformen. Entsprechend supplizierten sie auch nach 1463 beim Papst weiter um Klosterreformaufträge fUr den Freisinger Oberhirten: Müller. Bayern (wie Anm. 60); RankI. Kirchenregiment (wie Anm. 17), 207-209; J. Maß. Das Bistum Freising im Mittelalter, München 1986, 319f. Vgl. Stauber. Herzog Georg (wie Anm. 31), 531-541.

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landen. Zum anderen erweiterten die Privilegien die geistliche Gewalt der Bischöfe gerade auch gegenüber den Konventen exemter Orden, und zwar nicht nur in ihren Stifts landen, sondern auch in Reichsstädten und fremden Territorien ihres Diözesansprengels. So unterstützte der Bamberger Bischof die Reform des Nürnberger Augustiner-Eremitenklosters mit Hilfe des Privilegs Pius' 11., und der Mainzer Erzbischof Adolf von Nassau konnte dank des ihm von Paul 11. verliehenen Privilegs den Abt von St. Jakob in Mainz mit der Reform des Franziskanerklosters der Reichsstadt Oppenheim beauftragen, die damals als Pfandbesitz zur Pfalz gehörte. 70 Pius 11. schwächte umgekehrt jedoch die Amtsgewalt der Ordinarien außerhalb ihrer Stiftslande, die vielerorts ohnedies nicht mehr unumstritten war, wenn er weltliche Landesherren bevollmächtigte, auch solche Klöster mit apostolischer Vollmacht reformieren zu lassen, die der geistlichen Aufsicht ihres Bischofs unterstanden. Im Privileg fiir die Pfalz von 1420 hatte es noch geheißen, daß die mit Reformen beauftragten Zisterzienseräbte bei der Reform nichtexemter Klöster das Einverständnis des zuständigen Ortsbischofs einholen müßten. Pius 11. verwies zwar den Pfalzgrafen 1461 ausdrücklich auf die bischöfliche Reform "ex officio". Der Papst beauftragte 1459 und 1463 aber den Bischof von Augsburg bzw. den Bischof von Freising, nach dem Wunsch des Herzogs von Bayern-Landshut Reformbeauftragte fiir Klöster in dessen Territorium zu benennen, wobei diese Klöster insbesondere im Fall des Augsburger Bischofs großenteils im Sprengel anderer Diözesen lagen. Dem geistlichen Ansehen eines Bischofs konnte es zudem nicht nutzen, wenn er im Dienst eines Landesherrn ohne eigene Prüfungsbefugnis dessen Reformwünsche umzusetzen hatte. Die Privilegien fiir Baden und fiir Württemberg waren sogar direkt gegen die Rechte der Ortsbischöfe gerichtet. Kaiser Friedrich III. erhielt völlig freie Hand bei der Klosterreform, ohne sich um Bischöfe noch kümmern zu müssen. Wie auch bei den Konkordaten ging das Bündnis zwischen dem Papst und den deutschen Fürsten in solchen Fällen zu Lasten der geistlichen Gewalt der Bischöfe. 71 Zudem war das Verhältnis der Päpste zu den deutschen Bischöfen von zwei gegenläufigen Tendenzen geprägt. Einerseits bekämpften die Päpste, die ihren universalen Anspruch und ihre hierarchische Vollgewalt betonten, jeden konziliar geprägten Episkopalismus. Die geistliche Gewalt des Bischofs leitete sich nach Ansicht Roms allein von der des Papstes ab. Andererseits sollte nach den Vorstellungen kurialer Reformkreise die Hebung von Seelsorge und Predigt sowie eine entsprechende Personalpolitik von "guten" Bischöfen ausgehen, denen auch die Aufgabe zu70 Unger. Reform (wie Anm. 29), 26; Lassen. Staat (wie Anm. 27), 165. Über weitere Reformen Adolfs von Nassau im pfälzischen Gebiet Kochan. Reformbestrebungen (wie Anm. 26), 172f., vgl. 188-191. 71 Vgl. I W. Frank, Der antikonziliaristische Dominikaner Leonhard Huntpichler. Ein Beitrag zum Konziliarismus der Wiener Universität im 15. Jahrhundert (Archiv für österreich ische Geschichte 131), Wien 1976, 367-369.

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gedacht war, die Fürsten im Sinne der Kirche zu beeinflussen und fUr die Idee der liberIas ecc/esiae zu gewinnen. 72 Auch die Berater Pius' 11. vertraten in dieser Frage unterschiedliche Positionen: Nikolaus von Kues, dessen Urteil in Fragen der Reform wie der deutschen Kirche fUr Pius vielfach maßgebend war, hatte während seiner Legationsreise in Deutschland eng mit den Bischöfen zusammengearbeitet, denen er wegen ihrer Verantwortung fi1r die Seelsorge auch ein Aufsichtsrecht über die exemten Mendikanten zusprach. 73 Andere Berater des Papstes wie Domenico de Domenichi oder die Dominikaner Antoninus von Florenz und Johannes de Turrecremata schätzten die hierarchische Bedeutung der Bischöfe geringer ein. 74 Die observanten Ordens leute traten ihrerseits bei Städten, weltlichen Landesherren, Bischöfen und Päpsten aktiv fi1r ihr Reformanliegen ein. Privilegien fi1r die Ordensreform besorgten sie sich vor allem bei den Päpsten. Hinsichtlich der Klosterreform paßten sie sich immer stärker den Tendenzen an, die im 15. Jahrhundert "auf Kosten der Kirche zu einer Konsolidierung der weltlichen Gewalt" fUbrten. 75 Die Observanten erinnerten die Landesherren, bei denen einzelne von ihnen insbesondere als Beichtväter über großen Einfluß verfUgten, immer wieder daran, daß sie nicht nur fi1r das weltliche, sondern auch fi1r das geistliche Wohl ihrer Territorien zu sorgen hätten, daß es die Pflicht eines katholischen Herrschers sei, die Klöster seines Landes zu reformieren. Die Bischöfe wurden auch an ihre geistlichen Pflichten gemahnt, zu denen die Visitation und Reform der nichtexemten Klöster gehörte. 76 Die Reformvollmachten Papst Pius' 11. fi1r weltliche Landesherren und Bischöfe kamen in diesem Zusammenhang sowohl der Ausbreitung der einzelnen Observantengemeinschaf72 J. W 0 'Malley, Praise and Blame in Renaissance Rome. Rhetoric, Doctrine and Reform in the Sacred Orators of the Papal Court, c. 1450-1520 (Duke Monographs in MedievaI und Renaissance Studies 3), Durharn 1979, 195-211, 226f. 73 E. Meuthen, Die deutsche Legationsreise des Nikolaus von Kues 1451/52, in: Lebenslehren (wie Anm. 2), 421-499; Ders., Cusanus und die Orden (Vorträge der Aeneas-Silvius-Stiftung an der Universität Basel), Basel 1996; Ders., Die letzten Jahre des Nikolaus von Kues (Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft rur Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 3), Köln 1958. 74 H. Smolinsky, PapstgewaIt ohne Grenzen? Papalistische Theorie im Zeitalter der Renaissancepäpste und des römisch-italienischen Humanismus, Rottenburger Jb. rur Kirchengeschichte 11 (1992) 71-84; U. Horst, Papst, Bischöfe und Konzil nach Antonin von Florenz, Recherches de Theologie ancienne et medievaIe 32 (1965) 76-116; T. M Izbicky, Protector of the Faith. Cardinal Johannes de Turrecremata and the Defense of the Institutional Church, Washington 1981. 75 Elm, Verfall (wie Anm. 1),228. 76 E. Gehr, Die Fürstenlehren des Johannes von Indersdorf rur Herzog Albrecht m. von Bayern-München (1436-1460) und seine Gemahlin Anna (Diss. phi\., FreiburgIBr. 1927), 11; Mertens, Reformbewegungen (wie Anm. 55), 176f. Lassen, Staat (wie Anm. 27), 152f; Neidiger, Erzbischöfe (wie Anm. 13), 55; Frank, Dominikaner (wie Anm. 71),218.

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ten als auch den ordensübergreifenden Refonnbemühungen der Bursfelder und der Kartäuser zugute. Letzteres soll am Beispiel des Herzogtums Kleve verdeutlicht werden. Der Herzog schreckte nach den Schwierigkeiten, die bei der Einführung des Observanz im Dominikanerkloster Wesel entstanden waren, vor der Refonn weiterer Klöster seines Territoriums zunächst zurück. In dieser Situation arbeitete der Bursfelderabt von Groß St. Martin in Köln, der an der Refonn in Wesel beteiligt gewesen war, eine Instruktion für die Refonn aller Klöster im Herrschaftsgebiet des Herzogs aus. Im Verein mit dem Prior der Kartause Wesel und dem Vikar der Franziskanerobservanten der kölnischen Provinz sowie unter Einschaltung des päpstlichen Legaten suchte er den Herzog und seine Berater fur weitere Refonnmaßnahmen zu gewinnen. Den Prior der Kartause Wesel beauftragte der Abt schließlich, den Herzog von der Notwendigkeit zu überzeugen, beim Papst um ein Refonnprivileg für sein Territorium nach dem Muster der für den Markgrafen von Baden ausgestellten Urkunde zu supplizieren. 77 Das müsse schnell geschehen, da ein geeigneter Überbringer der Supplik bald nach Rom abgehe. Geld stehe durch einen Förderer bereit. Der jetzige Papst Paul 11. sei der Refonn zwar nicht besonders geneigt. Vielleicht sei es aber dem Legaten möglich, etwas zu erreichen. Der Kölner Bursfelderabt versuchte also seinerseits, eine Supplik des Landesherrn auf den Weg zu bringen, um die Refonn der Klöster im Herzogtum Kleve besser vorantreiben zu können. 78 Auch das Klosterrefonnprivileg für die württembergischen Grafen wurde wahrscheinlich unter Vennittlung eines Bursfelderabtes erlangt. Eberhard von Venlo, damals Abt von st. Jakob in Mainz, der nach Dieter Stievermanns Vennutung in Rom im Auftrag Graf Ulrichs verhandelte, wurde dann vom Papst auch zu einem der Refonnkommissare für Württemberg ernannt. 79 Für ihre Zusammenarbeit mit den Landesherren bei der Klosterrefonn hatten die Observanten freilich einen hohen Preis zu zahlen. Den Einflußmöglichkeiten der weltlichen Gewalt auf die Klöster konnten sie sich in der Folge kaum mehr entziehen. Appelle an die Landesherren, die Unabhängigkeit der reformierten Konvente nicht anzutasten, fanden weit weniger Gehör als Aufforderungen zur Klosterrefonn. 80

77 In der Tat war wegen noch immer bestehender Animositäten gegen den Kölner Erzbischof das Reformprivileg rur Baden vom Februar 1459 rur Kleve besonders geeignet. Es sah neben dem eigentlichen Reformbeauftragten zwei Mitvisitatoren im Rang eines Doktors der Theologie bzw. des kanonischen Rechts vor, welche Aufgabe auch geistliche Räte des Landesherm übernehmen konnten. 78 Neidiger, Erzbischöfe (wie Anm. 13),47, 59f. 19 Wie Anm. 43. 80 K. Schreiner, Mönchsein in der Adelsgesellschaft des hohen und späten Mittelalters. Klösterliche Gemeinschaftsbildung zwischen spiritueller Selbstbehauptung und sozialer Anpassung (Schriften des historischen Kollegs, Vorträge 20), München 1989, 60. Über den unterschiedlichen Blickwinkel von Orden und Landesherren

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Die Päpste erhoben nach dem Ende des Basler Konzils und der Wiederherstellung ihres Supremats den Anspruch, daß die Reform der Kirche von ihnen und ihren Beauftragten auszugehen habe. Nikolaus V. entsandte Nikolaus von Kues 1450 als seinen Legaten nicht zuletzt zur Reform nach Deutschland. Auch die Gewährung von Klosterreformprivilegien bzw. die Erteilung betreffender Befehle an Äbte und Bischöfe stellte einen gesetzgeberischen Akt dar, mit dem die Päpste ihre Kompetenz zur Klosterreform auctoritate apostolica an geistliche Beauftragte oder - die Ausnahme - an den Kaiser delegierten. 81 Der politische Einfluß der Päpste beruhte in Deutschland nach dem Abschluß der Konkordate weniger auf ihrer geistlichen Autorität als auf ihrer Fähigkeit zur Privilegienvergabe. 82 Dies bezogen nicht nur die Landesherren und Bischöfe, sondern auch die Päpste selbst ins politische Kalkül ein. Die Päpste konnten Privilegien normalerweise nur gewähren, wenn um solche suppliziert wurde. Ähnlich wie bei der Bestätigung von Bischofswahlen blieben ihnen fiir ihre Entscheidungen jedoch Freiräume, die sie für die Durchsetzung ihrer Kirchenpolitik nutzten. 83 Hinsichtlich der Orden bedienten sich die Päpste des Mittels der Privilegierung, um ihnen genehmen lokalen Reforminitiativen und Observantenverbänden auf breiterer Basis zum Durchbruch zu verhelfen. Die Förderung der Observanten gerade der Bettelorden war freilich geeignet, die angestammten Ordensverbände zu zerstören und in jeweils zwei Orden mit unterschiedlicher Lebensform und Zielsetzung zu teilen. Aufgrund ihrer Herkunft und ihrer eigenen Zielsetzungen fiel daher die Entscheidung der einzelnen Päpste filr oder gegen die Reformverbände unterschiedlich aus, was eine gewisse "Schaukelpolitik" Roms zur Folge hatte. 84 Papst Pius 11. setzte ganz eindeutig auf Förderung der Observantenkongregationen. Eine solche Ordenspolitik konnte freilich nur dann Erfolg haben, wenn weitere Konvente reformiert oder neue Observantenklöster gegründet wurden. Pius 11. kannte das landesherrliche Kirchenregiment in Deutschland aus seiner Zeit als Sekretär Friedrichs III. in Österreich und handelte entsprechend. 8s Seine Klosterreformprivilegien rur deutsche LanMertens, Reformbewegungen (wie Anm. 55), 161-163. Vgl. M Niederkorn-Bruck, Die Melker Reform im Spiegel der Visitationen (MIÖG Ergänzungsband 30), Wien 1994. 81 H. Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, 4 Bde., Freiburg 1949-1975, I, 9399. 82 Schulze, Fürsten (wie Anm. 53),45. 83 Brosius, Einfluß (wie Anm. 26). Vgl. Anm. 47-51. 84 K. Elm, Reform- und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen. Ein Überblick, in: Reformbemühungen (wie Anm. 4), 3-19, bes. 14; Mertens, Reformbewegungen (wie Anm. 55), 164, 168, 174; Weinbrenner, Klosterreform (wie Anm. 6), 85-135. 85 Elm, Predigtreise (wie Anm. 4). Die Legationsreise des Nikolaus von Kues hatte zudem gezeigt, daß kirchliche Reform ohne zumindest Billigung der weltlichen Gewalt nicht möglich war (wie Anm. 73).

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desherren und Bischöfe lagen so gesehen auf der gleichen Linie wie seine Ordenspolitik. Sie beilirderten auch die Ausbreitung der Observanzbewegungen insbesondere der Franziskaner und Dominikaner. Päpste der nachkonziliaren Zeit und auch Pius II. unterstützten die Observanten, weil sie sich von ihnen Hilfe bei der Wiederherstellung ihres "durch Schisma und Reforrnkonzilien erschütterten moralischen und politischen Prestiges" versprachen. 86 Den von den Kardinalprotektoren ihrer Orden gesteuerten Observantenverbänden war die Aufgabe zugedacht, als "Militia" und gut ausgebildete Streitmacht der Päpste den Einfluß von Konzilsanhängern auszuschalten, die päpstliche Kirchenpolitik in den einzelnen Staaten und Territorien zu vertreten und die Fürsten fiir die Anliegen der Kirche zu gewinnen. Die Ordensleute sollten an den Universitäten den Konziliarismus zurückdrängen und die Idee des päpstlichen Primates durchsetzen, als Prediger das Kirchenvolk überzeugen und zudem die Mission in den Randgebieten der Christenheit übernehmen. 87 Am Beispiel der Dominikaner und der Reform ihres Kölner Klosters lassen sich solche Bezüge der Militiapolitik Pius' II. fiir Deutschland ansatzweise aufzeigen. Theologisch-ekklesiologische Werke zur Sicherung des päpstlichen Primates wurden nach dem Ende der Konzilsepoche vor allem von observanten Dominikanern wie Antoninus von Florenz oder Johannes de Turrecremata formuliert. Parallel dazu genoß die Theologie des Thomas von Aquin an der päpstlichen Kurie steigende Wertschätzung. Schon Nikolaus V. gab dem Fest des Heiligen Thomas einen festen Platz im liturgischen Leben Roms. Auch Pius II. schätzte den Dominikanerorden und seine Leistungen fiir die Kirche besonders. 88 Die Lombardische Kongregation der Dominikanerobservanten, die Pius 11. entscheidend ilirderte, hatte sich nicht nur das observante Leben, sondern insbesondere auch die Intensivierung des theologischen Studiums zum Ziel gesetzt. Geistiges Zentrum der Kongregation war das Generalstudium des Ordens an der Universität Bologna, wo damals schon die streng thomistische Lehre maßgebend war. Bei Conrad von Asti, der 1462 dem auf Betreiben Pius' 11. abgesetzten Ordensgeneral Auribelli dem Wunsch des Papstes gemäß in diesem Amt nachfolgte, handelte es sich um ein fiihrendes Mitglied der Lombardischen Kongregation. Dem entsprachen seine Maßnahmen als Ordens general. Neben der Reform einzelner Klöster, die er wie sein Vorgänger durchfiihrte, gab er der Elm, Reform- und Observanzbestrebungen (wie Anm. 84), 14. K. Walsh, Papsttum und Ordensreform in Spätrnittelalter und Renaissance: Zur Wechselwirkung von Zentralgewalt und lokaler Initiative, in: Reformbemühungen (wie Anm. 4), 411-430, bes. 411-414. 88 Wie Anm. 74 und J. A. Mirus, The Dominican Order and the Defense of the Papacy (Diss. phi!., Princeton 1973) (Mikrofichedruck); J. Meyer (wie Anm. 3), fol. 67'; J. W 0 'Malley, The Feast of Thomas Aquinas in the Renaissance Rome. A Neglected Document and its Import, Rivista di Storia della Chiesa in Italia 35 (1981) 1-25; Ders., Praise (wie Anm. 74),128-178. 86

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Papst Pius 11. und die Klosterrefonn

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"Congregatio Hollandiae" Selbständigkeit unter eigenen Vikaren. In der Provinz Teutonia erhob er 1463 das Basler Studienhaus zum zweiten Generalstudium der Observanten seines Ordens neben und nach Wien. 89 1464 ergriff er die Initiative zur Reform des Kölner Dominikanerklosters, trat deswegen an den Kölner Elekten Ruprecht von der Pfalz heran und erbat seine Unterstützung. 90 Die Verhandlungen Ruprechts mit dem Papst um die Bestätigung seiner Wahl standen damals unmittelbar vor dem Abschluß. Pius 11. verlangte Ruprecht dabei ab, seinen Einfluß bei seinem Onkel Pfalzgraf Friedrich I. zugunsten der päpstlichen Politik in der Mainzer Stifts fehde geltend zu machen und den Frieden zwischen der Pfalz und Erzbischof Adolf von Nassau zu vermitteln. 91 Daß Pius 11. auch wegen der Reform des Kölner Dominikanerklosters direkt bei Ruprecht intervenieren ließ, bevor er ihn am 25. Mai 1464 mit feierlichem Privileg bestätigte, ist unwahrscheinlich. Jedoch kam der Position des Ordensgenerals bei Ruprecht sicher zugute, daß er Protege des Papstes war und sich auf dessen Vorstellungen berufen konnte. 92 Mit der Reform des Kölner Klosters ging das traditionsreiche Generalstudium der Teutonia an die Observanten über. Der Thomist Laurentius Gervasius wurde vom Orden als erster Regens an das Kölner Studienhaus entsandt. Als Papst Paul 11. 1465 die Reform des Kölner Klosters auf Wunsch der Stadt bestätigte, schrieb er, Conrad von Asti habe das Kölner Generalstudium der Dominikaner reformiert ad instar studii seu domus dicti Ordinis civitatis nostri Boloniensis. 93 Es könnte sein, daß der Ordensgeneral den Observanten seines Ordens an der ohnedies stark thomistisch ausgerichteten Kölner Universität von Anfang an die gleiche Rolle zugedacht hatte, wie sie die Brüder der Lombardischen Kongregation im Dienst der Päpste an der Universität Bologna bereits spielten. Pius 11. jedenfalls maß der Kölner Universität große Bedeutung fUr die Durchsetzung seiner Kirchenpolitik in Deutschland zu. An diese Hochschule richtete er 1463 seine Retraktionsbulle 89 Wie Anm. 5 und A. d'Amato, I Domenicani e I'Universitä di Bologna, Bologna 1988,332-336; Frank, Dominikaner (wie Anm. 71),371; S. P. Wolfs, Dominikanische in: Observanzbestrebungen. Die Congregatio Hollandiae (1464-1517), Reformbemühungen (wie Anm. 4), 273-292, bes. 279; Neidiger, Selbstverständnis (wie Anm. 52), 89. 90 G. Löhr, Die zweite Blütezeit des Kölner Dominikanerklosters (1464-1525), AFP 19 (1949) 208-254, bes. 211; Ders., Beiträge zur Geschichte des Kölner Dominikanerklosters im Mittelalter, 2 Bde. (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 16-17), Leipzig 1922, 11, 293f; 1. Meyer, Buch der Reformacio Predigerordens, hg. v. B. M Reichert, 2 Bde. (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 2-3),2 Bde., Leipzig 1908-1909, 11, 158. 91 Brosius, Einfluß (wie Anm. 26),221. 92 Erzbischof Ruprecht stand Klosterrefonnen allerdings auch selbst aufgeschlossen gegenüber, was den Absichten des Ordensgenerals entgegenkam: Neidiger, Erzbischöfe (wie Anm. 13),52,56. 93 Löhr, Blütezeit (wie Anm. 90), 217, 251f.

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"In minoribus agentes", mit der er seine Abkehr vom Konziliarismus nochmals bekräftigte und begründete. 94 Die Kölner Universität blieb am Ende des 15. Jahrhunderts dann ganz dem scholastisch-thomistischen Erbe verpflichtet. Die Kölner Dominikaner setzten sich seit dem Ende der 70er Jahre auch mit den Mitteln der Inquisition nachdrücklich rur die Interessen der Päpste in Deutschland ein. Dies entsprach freilich auch der allgemeinen Entwicklung, die die seit 1475 ob servante Provinz Teutonia auf Weisung ihrer Ordensleitung in diesen Jahrzehnten nahm. 95

94 Jedin. Geschichte (wie Anm. 81), I, 51. Schon seine "Epistula retractionis" hatte Eneas Silvius Piccolomini 1447 an die Kölner Universität gerichtet: G. Voigt. Enea Silvio de' Piccolomini als Papst Pius II. und sein Zeitalter, 3 Bde., Berlin 1863, III, 574577. 95 H. A. Oberman. Gansfort, Reuchlin and the "Obscure Men". First Fissures in the Foundation ofFaith, in: Studien (wie Anm. 68), 717-735, vgl. Frank, Dominikaner (wie Anm. 71), 206; Neidiger. Selbstverständnis (wie Anm. 52), 87-122.

Schreibbetrieb, Bücheraustausch und Briefwechsel: Der Konvent St. Katharina in St. Gallen während der Reform Von Andreas Rüther

I. Der Observanzgedanke und dessen weltliche Implikationen Mit dem Schlagwort: reformatio generalis in capite et membris war die Anschauung einer beständigen Reformbedürftigkeit der gesamten Kirche - ecclesia semper est reformanda - verbunden. I Bei den Konzilsbeschlüssen von Konstanz und Basel und den Reformkonzepten der religiösen Orden handelte es sich um parallele Erscheinungen. 2 Wie die vielfältig geäußerte Kleruskritik beschreiben auch zahllose Schilderungen den klösterlichen Niedergang und postulieren eine Neuordnung des Ordensstandes. 3 Zentrales Anliegen war die ErI K. A. Frech, Reform an Haupt und Gliedern. Untersuchung zur Entwicklung und Verwendung der Formulierung im Hoch- und Spätmittelalter (Europäische Hochschulschriften III. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 510), FrankfurtlM. - Bern - New York - Paris 1992; Humanism and Reform. The Church in Europe, England, and Scotland 1400-1634. Essays in honour of James Kerr Cameron (Studies in Church History. Subsidia 8), Oxford 1991; S. Ozment, The Age of Reform 1250-1550. An Intellectual and Religious History of Late Medieval and Reformation Europe, New Haven - London 1980; P. Chaunu, Les Temps des Reformes. Histoire et systeme de civilisation: La crise de la chretiente - L'eclatement (1250-1550), Paris 1975; L. Binz, Vie religieuse et reforme ecclesiastique dans le diocese de Geneve pendant le grand schisme et la crise conciliaire (1378-1450) (Memoires et documents 46), Geneve 1973. 2 Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414-1418) und Basel (1431-1449), hg. v. 1. Hlavacek / A. Patschovsky, Konstanz 1996; R. Bäumer, Die Reformkonzilien des 15. Jahrhunderts in der neueren Forschung, AHC 1 (1969) 153-164; 1. van Engen, The Church in the Fifteenth Century, in: Handbook ofEuropean History 1400-1600. Late Middle Ages, Renaissance and Reformation I: Structures and Assertions, hg. v. Th. A. Brady / H. A. Oberman /1. D. Tracy, Leiden - New YorkKöln 1994, 305-330. 3 K. S. Frank, Ordensreform und Verlust der gesellschaftlichen Funktion im späten Mittelalter, in: Kloster Amelungsborn 1135-1985, hg. v. G. Ruhbach / K. Schmidt-Clausen, Hermannsburg 1985, 133-157; K. Schreiner, Dauer, Niedergang und Erneuerung klösterlicher Observanz im hoch- und spätmittelalterlichen Mönchtum. Krisen, Reformund Institutionalisierungsprobleme in der Sicht und Deutung betroffener Zeitgenossen, in: Institutionen und Geschichte. Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde, hg. v. G. Melville (Norm und Struktur. Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und frü-

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neuerung der vita religiosa, was eine Rückfilhrung des Mönchtums auf seinen Kern bedeutete. Die Erneuerung des Ordens wesens war seit dem IV. Lateranum ein ernstes Bestreben gewesen, im Zusammenhang mit dem Aufruf Innozenz' III., ad corrigendos excessus et reformandas mores. Bereits vom zehnten Jahrhundert an, vor allem aber im dreizehnten hatte ein monastischer Reformanstoß die Antriebsfunktion filr eine allgemeine kirchliche Neuordnung übernommen. 4 Unter Benedikt XII. wurde schließlich durch päpstliche Konstitutionen eine tiefgreifende Ordensreform filr Mönche, Kanoniker und Mendikanten verfUgt. Auf den Konzilien von Konstanz und Basel blieb die Reform der Klöster, Stifte und Konvente als Gegenstand der konziliaren Bemühungen stetig präsent. 5 Die Suche nach der rechten Regelauslegung und die Reflexion über die Grundlagen des Ordensstandes waren Themen von Abhandlungen und Vorschriften. 6 Die Bestrebungen galten den Fastengeboten, der Ordenskleidung, der Klausur, dem Besitz, der Liturgie, der Bildung, dem Adelsmonopol und der her Neuzeit I), Weimar- Wien-Köln 1992,295-341; Ders., Benediktinische Klosterreform als zeitgebundene Auslegung der Regel. Geistige, religiöse und soziale Erneuerung in spätmittelalterlichen Klöstern Südwestdeutschlands im Zeichen der KastIer, Melker und Bursfe1der Reform, Blätter rur württembergische Kirchengeschichte 86 (1986) 105-195. 4 Dazu im folgenden nach: 1. Helmrath, Reform als Thema der Konzilien des Spätmittelalters, in: Christian Unity. The Council ofFerrara-Florenz 1438/39-1989, hg. v. G. Alberigo (Bibliotheca Ephemeridum theologicarum Lovaniensium 97), Louvain 1991, 75-152; Ders., Theorie und Praxis der Kirchenreform im Spätmittelalter, Rottenburger Jb. rur Kirchengeschichte II (1992) 41-70; 1. Sydow, Sichtbare Auswirkungen der Klosterreform des 15. Jahrhunderts. Beobachtungen an historischen Quellen südwestdeutscher Klöster, ebd. 209-222. 5 K. Elm, Monastische Reformen zwischen Humanismus und Reformation, in: 900 Jahre Bursfelde. Reden und Vorträge zum Jubiläum 1993, hg. v. L. Perlitt, Göttingen 1994,59-1 I I; H. Boockmann, Das 15. Jahrhundert und die Reformation, in: Kirche und Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. dems. u. a. (Abh. Göttingen 3. Folge 206), Göttingen 1994, 9-25; B. Moeller, Die frühe Reformation in Deutschland als neues Mönchtum, in: Die frühe Reformation in Deutschland als Umbruch. Wissenschaftliches Symposion des Vereins rur Reformationsgeschichte 1996, hg. v. dems.1 S. E. Buckwalter (Schriften des Vereins rur Reformationsgeschichte 199), Gütersloh 1998, 76-9 I. 6 B. Hamm, Von der spätmittelalterlichen 'reformatio' zur Reformation: Der Prozeß normativer Zentrierung von Religion und Gesellschaft in Deutschland, Archiv rur Reformationsgeschichte 84 (1993) 7-82; R. Weinbrenner, Klosterreform im 15. Jahrhundert zwischen Ideal und Praxis: der Augustiner-Eremit Andreas Proles (1429-1503) und die privilegierte Observanz (Spätmittelalter und Reformation, N.R. 7), Tübingen 1996; eh. Peters, Johann Eberlin von Günzburg ca. 1465-1533. Franziskanischer Reformer, Humanist und Reformator (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 60), Gütersloh 1994; Kl.-B. Springer, Die deutschen Dominikaner in Widerstand und Anpassung während der Reformationszeit (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens N.F. 8), Berlin 1999.

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wirtschaftlichen Lage. Übliche Maßnahmen waren von alters her Visitation und Austausch unwilliger Konventsmitglieder, denen der Wegzug in nicht reformierte Häuser gestattet wurde, andererseits die Einsetzung von zur Veränderung bereiten Religiosen. Doch trotz der notwendigen Zustimmung und der Mithilfe weltlicher Großer und städtischer Obrigkeiten kam es oft nach Jahrzehnten zum Erlahmen oder sogar zum Scheitern des Neubeginns. 7 Visitationsberichte zeigen allenthalben Abnutzungserscheinungen und Verfehlungen; Nachwuchssorgen und Disziplinschwierigkeiten wurden begleitet durch die Einbuße an Elan infolge einer fortschreitenden Institutionalisierung. Die Bemühungen um disziplinarische Verbesserungen erlangten erst dadurch dauerhafte Wirkung, daß die ausgesandten oder versetzten Insassen aus erneuerten Konventen heraus die Reformansätze weitertrugen. 8 Gelübde sollten genau beobachtet und Chordienst würdig gehalten werden, ein gemeinsames Leben geftlhrt und Klosterämter mit geeigneten Personen besetzt werden. Für Frauen war weniger die possessio privata der Angelpunkt, denn Gemeinschaftsbesitz war notwendige Voraussetzung und Grundlage jedes geordneten weiblichen Religiosenturns. Die Betonung lag auf der vita communis; das gemeinsame Chorgebet und die Tischgemeinschaft sollten gegen die Auflösung im Einzelgängertum stehen. Wesentliche Urheberin einer dominikanischen Observanz wurde die toskanische Mystikerin Katharina von Siena. Ende des vierzehnten Jahrhunderts überzeugte ihr Vorbild den Ordensgeneral Raymund von Capua von der prinzipiellen Notwendigkeit einer entschiedenen Erneuerung der vita religiosa, so daß er auf engagierte Reformmaßnahmen im Predigerorden drängte. Im Südwesten des Reiches wechselten auf diese Weise dreizehn reformgesinnte Nonnen aus Dießenhofen, Colmar und Schlettstadt 1397 in das verlassene Augustinerinnenkloster Schönensteinbach nahe Gebweiler und gaben fortan von diesem ersten observanten Frauenkonvent aus Reformimpulse für die gesamte Dominikanerprovinz Teutonia. Um die Reform ihres Ordenslebens bemüht, wollten auch die Dominikanerinnen aus st. Gallen am Bodensee die Regel und die Gewohnheiten in ihrer 7 Grundlegend für die Dominikanerrefonn: F. Egger, Beiträge zur Geschichte des Predigerordens. Die Refonn des Basler Konvents 1429 und die Stellung des Ordens am Basler Konzil (1431-1448) (Europäische Hochschulschriften II1: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 467), Bem u. a. 1991; hierzu im folgenden 12-18. B B. Neidiger, Die Observanzbewegungen der Bettelorden in Südwestdeutschland, Rottenburger Jb. für Kirchengeschichte 11 (1992) 175-196; Th. Berger, Die Ausbreitung der Dominikaner in den Städten des südwestdeutschen Raumes, ebd. 17 (1998) 143-161; E. Hillenbrand, Die Observantenbewegung in der deutschen Ordensprovinz der Dominikaner, in: Refonnbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, hg. v. K. Elm (Berliner Historische Studien 15 - Ordensstudien 6), Berlin 1989,219-271.

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ursprünglichen Strenge beobachten und zu den alten Leitbildern der Gemeinschaft zurückkehren. 9 In diesem Reformzusammenhang stellen ein Schwesternbuch und eine Chronik aus dem Katharinenkloster der Ostschweizer Tuchhandelsmetropole reiche Quellen dar, die uns ebenso Aufschluß über Manuskripte aus dominikanischen Konventen der Observanzbewegung geben. 1O Das bedeutendste Frauenkloster st. Gallens befand sich unter Leitung der Dominikaner von Konstanz und wurde erst 1368 den Dominikanern angegliedert. Obwohl St. Katharina im Termineibezirk des Konstanzer Konvents gelegen war und sich an dessen Ordnung hielt, wurde es aber nicht gänzlich dem Orden inkorporiert, da es dem Diözesanbischof unterstellt war. 11 Seit der Mitte des filnfzehnten Jahrhunderts meldete sich unter den Nonnen Widerspruch gegen die mangelnde Disziplin, eine Neuordnung wurde bald erzwungen. Unter der 1476 zur Vorsteherin aufgestiegenen Angela Varnbühler wurde die Klausur 1482 wieder eingefilhrt. Die Angehörige eines St. Galler BÜfgermeistergeschlechts versah 33 Jahre ihr Amt. 12

9 Th. K. Vogler, Geschichte des Dominikanerinnen-Klosters St. Katharina in St. Gallen. 1228-1607, Freiburg i. Ue. 1938, 24f, Nr. 87; A. Koch, Geschichte des Dominikanerinnenklosters St. Katharina in Wil 1607-1928, Wil 1928; Dominikanerinnenkloster St. Katharina. Ein Abriß seiner Geschichte, Wil 1957; D. Jakober, 750 Jahre Dominikanerinnenkloster St. Gallen. Wil 1228-1978, Wil 1978; E. Ziegler u. a., St. Katharinen: Vom Kloster zum kulturellen Zentrum, S1. Gallen 1978; Dominikanerinnenkloster S1. Katharina Wil (Schnell Kunstführer 1884), München - Zürich 1991. 10 Wil, St. Katharina, Klosterarchiv, cod S/S: Papier, 187 fol., 283x205 mm, 215x130 mm, verschiedene Hände, einspaltig, keine Rubrizierung, neuer Einband, hochalemannisch, 1492 und später. Von ihren Amtsnachfolgerinnen und anderen Schreiberinnen weitergeführt, notiert die Autorin die historische Entwicklung der Klostergemeinschaft zwischen 1450 und 1528, das Zusammenleben, die Bautätigkeit und die Wirtschaft. Die Konventsmitglieder werden aufgelistet, Anstellung und Besoldung des Laienpersonals angeführt. J. Duft, Das Kloster St. Katharinen in S1. Gallen 1228-1555. Vortrag 1978: "Das S1. Katharinen-Kloster betrieb in den Jahrzehnten 14801520 ein blühendes Scriptorium und besaß eine bemerkenswerte Bibliothek. Sie umfaßte 1484 den folgenden Bestand: 187 lateinische Bände, davon 23 Predigtwerke, sowie 38 deutschsprachige geistliche Bände, ferner viele deutsche 'Geschichtenbücher' für die Lesung 'ze tisch'. 1507 zählte man 76 Bücher für die Tischlesung. 1555 verzeichnete die Stadt noch 151 geistliche Bücher aus dem aufgehobenen Konvent". 11 Johannes Meyer, Das Buch der Ersetzungen; Auszug als Beilage I zu der Chronik der Anna von Munzingen, hg. v. J. König, Freiburger Diöcesan-Archiv 13 (1880) 207209. Zur Frage der geistlichen Betreuung durch Männerorden: A. Löther, Grenzen und Möglichkeiten weiblichen Handeins im 13. Jahrhundert. Die Auseinandersetzung um die Nonnenseelsorge der Bettelorden, Rottenburger Jb. für Kirchengeschichte 11 (1992) 223-240; N. Beriou, Femmes et pn!dicateurs: La transmission de la foi au XII" et XIII· sieeies, in: La Religion de ma mere. Le Röle des femmes dans la transmission de la foi, hg. v. J. Delumeau, Paris 1992, 51-70. 12 E. Ehrenzeller, Geschichte der Stadt St. Gallen, St. Gallen 1988,20, 139f., 167; A. Wilts, Beginen im Bodenseeraum (Bodensee-Bibliothek 37), Sigmaringen 1994.

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Die Priorin des Nürnberger Katharinenklosters, Kunigunda Haller, stand in fester brieflicher Beziehung mit Varnbühler und unterrichtete sie über die Prinzipien der strengen Observanz. Der Briefwechsel mit dem Konvent in Franken schildert das reformierte Leben St. Gallens und ist in das sogenannte Schwesternbuch aufgenommen. 13 Die schriftlichen Anweisungen fiir das gesamte Ordensieben von Dominikanerinnen richtete das observante Haupt der Teutonia in Nürnberg jahrelang an das gleichnamige Kloster in St. Gallen. Die dortigen Schwestern betrachteten die Mitteilungen als normativ und übertrugen sie in ein Buch, das ebenso Regesten zur Klostergeschichte aus den Jahren 1228 bis 1488 sowie Berichte über Provinzialkapitel beinhaltet. Viele Verordnungen zum Alltag des klösterlichen Zusammenlebens sind aufgezeichnet, zeitgenössische Abschriften der Korrespondenz zwischen der Nürnberger und St. Galler Vorsteherin liegen vor. Von den ins fränkische Reformzentrum geschickten Briefen der Schweizer Schwestern finden sich dagegen keine Zeugnisse mehr. 14 Zum Vorschein kommt die Kompilation von Verwaltungsschriftgut, eine Art Kopiar, das den Blick von innen auf die aus eigenen Kräften vollzogene Neuordnung einer Schwesterngemeinschaft zeigt. Das Werk wurde im Haus selbst verfaßt und trägt höchst subjektiv erinnernswerte Nachrichten über einschneidende Vorgänge der eigenen Vergangenheit zusammen, genau wie die Klosterchronik, die selber eher annalistischen denn chronikalischen Charakter besitzt. 15 Für das erneuerte St. Katharina kann man dabei gleichfalls das verloren ge13 Vogler, Geschichte (wie Anm. 9), 55-58,260, Nr. 89. Das Schwestembuch wurde in seinem Hauptteil von 1483 bis 1486 durch Elisabeth Muntprat geschrieben, mehrere Schreiberinnen ergänzten es (Papier, 279 fol., 305 x 215 mm). Daneben findet sich ein vielleicht noch in der ersten Hälfte des filnfzehnten Jahrhunderts sorgfältig angelegtes Urbar (Vogler, Geschichte [wie Anm. 9], 33, 260, Nr. 90) mit dem Verzeichnis der Grundstücke und der darauf ruhenden Leistungen und Einkünfte (Papier, 117 fol., 420x310 mm). Ein Nekrologium wurde 1743 vom Beichtvater des Klosters, P. Magnus Zoller, abgeschrieben. Vorgelegen hatte ihm das ältere Sterbebuch, das von der Urfassung 1618 übertragen worden war. Die Kopie beglaubigte Fürstabt Bernhard von St. Gallen (Vogler, Geschichte [wie Anm. 9], 6, Anm. 2). Die Originalpergamente werden im Archiv des Kloster in Wil aufbewahrt (Schachtel A), ferner sind numerierte Aktenstücke im Stadtarchiv St. Gallen (Trucke XVlIl) als auch weitere Archivalien im dortigen Stiftsarchiv vorhanden. 14 Vgl. dazu auch: M Müntz, Freundschaften und Feindschaften in einem spätmittelalterlichen Frauenkloster. Die sogenannten Söflinger Briefe, in: 'Meine in Gott geliebte Freundin'. Freundschaftsdokumente aus klösterlichen und humanistischen Schreibstuben, hg. v. G. Signori (Religion in der Geschichte. Kirche, Kultur und Gesellschaft 4), 2BieIefeld 1998, 11l-l20, 145f. 15 Vgl. K. Schreiner, Verschriftlichung als Faktor monastischer Reform. Funktionen von Schriftlichkeit im Ordenswesen des hohen und späten Mittelalters, in: Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungen und Entwicklungsstufen. Akten des Internationalen Kolloquiums 17.-19. Mai 1989, hg. v. H. Keller u. a. (Münstersche Mittelalterschriften 65), München 1989,37-75; JOberste, 'Ut domorum status certior habeatur. .. '. Cluniazensischer Reformalltag und administratives Schriftgut im 13. und frühen 14. Jahrhundert, AKG 76 (1994) 51-76.

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glaubte Bücherverzeichnis der Priorin Angela heranziehen. Diese umfangreiche Aufstellung ist neben anderen historischen Notizen innerhalb der Chronik zu finden und wurde von K. Th. Vogler um einen Katalog der überlieferten Handschriften erweitert. Zusammen bieten beide wertvolle Informationen zur Bücherei des Dominikanerinnenkonvents, die nach der klösterlichen Erneuerung 1482 eine erhebliche Erhöhung ihrer Bestandszahlen erfuhr. 16

11. Die Institution und ihre Reformen Um die Reformentwicklungen verstehen zu können, ist ein Blick auf die Vorgeschichte von St. Katharinen notwendig, die alle Aspekte weiblichen Ordensiebens in sich trägt. Eine Gemeinschaft frommer Frauen hatte sich 1228 auf dem St. Galler Brühl zusammengefunden. 17 Die neu entstandene Einung bisher vereinzelt und außerhalb der Stadt lebender Schwestern beobachtete keine Regel und stand in lockerer Beziehung zur dortigen Benediktinerabtei. Obwohl die alte Abtei ausdrücklich den Schutz übernommen hatte, war ihre Bedeutung filr die sanktgallische Klause gering, da die Benediktiner zu dieser Zeit wenig geistige und religiöse Ausstrahlung besaßen. 18 Die von st. Galler 16 A. Rüther / H-J. Schiewer, Die Predigthandschriften des Straßburger Dominikanerinnenklosters St. Nikolaus in undis. Historischer Bestand, Geschichte, Vergleich, in: Die deutsche Predigt im Mittelalter. Internationales Symposium am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin vom 3.-6. Oktober 1989, hg. v. V. Mertens / H-J. Schiewer, Tübingen 1992, 169-193. 17 Zur religiösen Landschaft am Bodensee: A. Borst, Mönche am Bodensee 6101525, Sigmaringen 1978; B. Hilberling, Das Dominikanerkloster St. Nikolaus auf der Insel vor Konstanz, Sigmaringen - München 1969. Vgl. R. Weis-Müller, Die Reform des Klosters Klingental und ihr Personenkreis (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 59), Basel 1956; P. Stärkle, Beiträge zur spätmittelalterlichen Bildungsgeschichte St. Gallens (Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte 40), St. Gallen 1939, 27-45; M Bless-Grabher, Die Lateinschule der Stadt Wil (St. Gallen) im Wandel der Zeit, in: 'Variorum Munera Florum', Festschrift Hans F. Haefele, hg. v. A. Reinle u. a., Sigmaringen 1985, 339-364. Siehe einführend auch: St. Gallen. Geschichte einer literarischen Kultur: Kloster - Stadt - Kanton - Region, hg. v. W. Wunderlich, I: Darstellung, II: Quellen, St. Gallen 1999. 18 Chartularium Sangallense III-VIII, bearb. v. 0. P. Clavadetscher / St. Sonderegger, St. Gallen 1983-1998, III, 162f, Nr. 1152; Wilts, Beginen (wie Anm. 12),94; Borst, Mönche (wie Anm. 17), 338ff.; J. Duft / A. Gössi / W. Vogler, St. Gallen, in: Helvetia sacra III11, 1180-1396, bes. 1204-1207. Der Verfall zeigte sich auch in der Stärke von weniger als einem Dutzend Mönchen im dreizehnten Jahrhundert. J. Duft / A. Gössi / W. Vogler, Die Abtei St. Gallen. Abriß der Geschichte. Kurzbiographien der Äbte. Das stift-sanktgallische Offizialat, St. Gallen 1986. Vgl. W. Rösener, Der Strukturwandel der St. Galler Grundherrschaft vom 12. bis 14. Jahrhundert, Zs. für die Geschichte des Oberrheins 137 (1989) 174-197; G. Spahr, Die Reform im Kloster St. Gallen. 14171442, Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensees 75 (1957) 13-80; R. Schmidt, Reichenau und St. Gallen. Ihre literarische Überlieferung zur Zeit des Kloster-

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Bürgern gestiftete Hofstätte erwies sich bald als zu klein. In Gegenwart von mit der Abtei verbundenen Ministerial- und Freiadeligen sowie Klerikern beurkundete Abt Walter von St. Gallen, daß dem Haus verschiedene Eigengüter und Lehen geschenkt werden sollten. 19 Die Schwestern hatten lange Zeit keinerlei Beziehung zu einer Männerzisterze aufbauen können und, nachdem mehrere mögliche Vaterabteien das Vorhaben abgelehnt hatten, auch den Anschluß an den Zisterzienserorden nicht weiter geplant. Am 17. Juli 1244 erfolgte der Umzug in die Magdenau und die Gründung eines Beginenkonvents;20 Bischof Heinrich von Konstanz erlaubte den Frauen, Kirche und Kloster zu erbauen, die Regula s. Benedicti anzunehmen und nach zisterziensischen consuetudines unter einer "Meisterin" zu leben. 21 Papst Innozenz IV. nahm am 1. April 1246 die Klosterstiftung samt Besitzstand in seine Obhut. 22 Das Generalkapitel ordnete auf das Inkorporationsbegehren der Schwestern hin die Entsendung der Äbte von Salem und Pairis zur Visitation an?3 Mit dem großen Zisterzienserprivileg vom 8. Juli 1250 wurde Magdenau endlich doch der Abtei Wettingen als Tochterkloster unterstellt. 24 Im Unterschied zu vielen städtischen Beginengemeinschaften und von Bürgern gegründeten Schwesternhäusern wurde Magdenau zum adelig geprägten Kloster, was sich deutlich in der Liste der Schenker, Verkäufer und Zeugen zeigt.25 Von den 19 Schwestern, die mit vollen Namen benannt sind, entstammten vier dem Niederadel, acht dem Patriziat, sechs dem gehobenen und mittleren Bürgertum und eine dem Bauerntum. 26 Nach der Entstehung des Magdenauer Klosters verblieb ein Teil des Konvents auf dem Brühl, erwarb ein Grundstück neben der Niederlassung am humanismus (VuF 33), Sigmaringen 1985; P. Ochsenbein, Reformbewegung in Kloster und Stadt St. Gallen (15.-17. Jh.). Historischer Kommentar zur Sommerausstellung 1984 der Stiftsbibliothek St. Gallen, St. Gallen 1984; Ders., Spuren der Devotio modema im spätmittelalterlichen Kloster St. Gallen, Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 101 (1990) 475-496. 19 Chart. Sang. (wie Anm. 18), I1I, 270-273, Nr. 1340. 20 E. Gruber, Geschichte des Klosters Magdenau, Ingenbohl 1944; Ders. / C. Sommer-Ramer, Magdenau, in: Helvetia Sacra IIV3, 768-796. 21 Chart. Sang. (wie Anm. 18), I1I, 280f, Nr. 1346. 22 Chart. Sang. (wie Anm. 18), I1I, 295f, Nr. 1367. 23 Canivez 11,323 (Stat. 1247.43). 24 Chart. Sang. (wie Anm. 18), I1I, 335-337, Nr. 1439. 2S Wilts, Beginen (wie Anm. 12),418, Anm. 8 und Anh. A: Die soziale Zusammensetzung der Frauenklöster. 26 Ebd. 186; 130, Anm. 453: "Von Anfang an lebten Frauen aus dem ländlichen Adel und städtischen Bürgertum nebeneinander. Die beiden Stifter der Hofstätte auf dem Brühl stammten aus dem St. Galler Patriziat. Einer von ihnen war zugleich Dienstmann der Abtei St. Gallen. ( ... ) Die Klostergründung in Magdenau (1244) wurde dann durch einen Angehörigen des ländlichen MinisterialadeIs ermöglicht".

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Schwarzbach in St. Gallen27 und kaufte einen Zehnten zu Ronwil. Diese Samnung schloß sich vor dem 26. Februar 1263 unter einer Priorin den Dominikanern in Konstanz an,28 die womöglich schon zu dieser Zeit einen Predigerbruder in ihre Terminei abgesandt hatten. 29 Laut Eintrag in das Schwesternbuch ordnete Bischof Eberhard H. von Konstanz den Konvent erst 1266 mit der AugustinusregeeO und stattete ihn 1271 mit dem Privileg aus, Nonnen zur feierlichen Profeß zuzulassen sowie Konfessoren aus dem dominikanischen Orden zu nehmen. 31 1283 stimmten 21 Konventualinnen dem Prior aus Konstanz zu, daß nach den vota aus der Gemeinschaft ausgetretene Schwestern alles zeitlichen und geistlichen Gutes beraubt sein sollten. 32 Alle be gin ischen Gemeinschaften in der Diözese Konstanz sollten klösterlich geordnet, geistlich betreut und ihre Angelegenheiten von Dominikanern verwaltet werden. 33 Zudem muß in diesem Vorgehen das substantielle Interesse der Schwestern vermutet werden, gegen feindliche Bestrebungen der Umwelt einen kanonisch gesicherten Status zu erlangen. Aber es erfolgte keine rechtliche Umwandlung in ein Augustinerinnen- oder Dominikanerinnenkloster. Allmählich entwickelten sich überall "franziskanische,,34 und "dominikanische" Beginengemeinschaften auseinander; letztere tendierten zunehmend zu einer eher beschaulichen Lebensweise, doch hatten die Bewohnerinnen kein ewiges klösterliches Gelübde abgelegt. Die franziskanisch beeinflußten Häuser zeigten geringe Tendenzen der Verklösterlichung, neigten eher zur karitativen Tätigkeit in der Krankenpflege und Sterbefiirsorge. Demgegenüber gab es bei den dominikanisch ausgerichteten Schwestern eine Annäherung an monastische Gebräuche, indem die Regel beobachtet und zeitliche Gelübde abgelegt wurden; bald war eine Organisation mit Priorin, Subpriorin und Ämtern aufgebaut. 35 Die Vogler, Geschichte (wie Anm. 9), 6, laut Urbar des Klosters Nr. 90. Chart. Sang. (wie Anm. 18), III, 507f, Nr. 1702. 29 K. Wegelin, Die Pfarrkirche St. Laurenzen von ihrem Ursprunge an bis auf unsere Zeiten, St. Gallen 1832,28. 30 Chart. Sang. (wie Anm. 18), IV, 13f, Nr. 1778a. 31 Wilts, Beginen (wie Anm. 12),418, Anm. 14; Vogler, Geschichte (wie Anm. 9), 7. V gl. die übliche Bevorrechtigung durch Bischof Eberhard 11. fiir Frauenklöster nach der Augustinusregel seines Bistums gedruckt in: Wirtembergisches UB I-XI, hg. v. Kgl. Staatsarchiv in Stuttgart, Stuttgart 1849-1913; VII, 141, Nr. 2214 (1271 V 30). Die entscheidende Urkunde, durch die der Konstanzer die Vereinigung einst reguliert hatte, trug die Schaffnerin Elisabeth Muntprat nach der Reform Ende des fiinfzehnten Jahrhunderts abermals in das Schwestembuch (fol. 7r ) ein. 32 Chart. Sang. (wie Anm. 18), IV, 266f, Nr. 2113a. 33 Wilts, Beginen (wie Anm. 12),419, Anm. 16. 34 H. Roggen, Die franziskanische Laienbewegung, Werl/Westf. 1971; Ders., Les relations du premier ordre Franciscain avec le tiers ordre au XIII< siecle, Collectanea Franciscana 43 (1973) 199-207, bes. 204-207. 35 Wilts, Beginen (wie Anm. 12), 187-189. 27

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Forderungen der vita communis wurden anscheinend von der sanktgallischen Vereinigung befolgt, schwesterlicher Privatbesitz wurde untersagt und der Lebensunterhalt durch Zinsempfang bestritten. Schon 1275 besaß der Konvent auf dem Brühl eigene Konversen, wie ein erwähnter Laienbruder Berthold von St. Gallen beweist, der fiir schwerere körperliche Arbeiten zuständig war. 36 Urkunden der folgenden Jahre zeigen, daß das Haus eine Schreibstube und vielleicht auch eine Buchkammer besaß/ 7 die religiösen Aktivitäten sich auf Kopiertätigkeit und Kontemplation beschränkten. Die Beziehungen der Schwestern zum Orden blieben unterhalb der Ebene des juristischen Anschlusses. Die Konstanzer Dominikaner waren kraft bischöflichen Mandats mit Beicht- und Absolutionsvollmacht ausgestattet sowie mit der Aufsicht beauftragt. Die Verpflichtung auf die sehr offene und fiir verschiedene Lebensformen geeignete Augustinerregel hieß zunächst einmal nicht viel mehr als die Angleichung an ein Frauenkloster. Vor der Regulierung bewohnte die Kommunität eine gewöhnliche domus, war nicht aus dem Pfarrverband eximiert und infolge unzureichender ökonomischer Basis zum klausurierten Ordensleben unfähig. Eine Ordnung fiir die St. Galler Gemeinschaft verfUgte, daß die Schwestern sich lebenslang mit ihrem Konvent verbanden und möglichst ewige Gelübde ablegten. Die Predigerbruder wirkten bei der Einsetzung und Absetzung der Priorinnen mit, regelten das Wirtschaftsgebaren sowie die Rechtsgeschäfte. Die Mitglieder mußten einwilligen, daß sie bei Austritt oder Ausschluß aus dem Konvent kein Anrecht auf Rückerstattung des eingebrachten Gutes hatten. Das entscheidende Unterhaltsmittel der Schwestern, die Handarbeit, verlor in dem Maße an Wichtigkeit, in dem diese vermehrt Bodeneigentum erwarben. 38 Mit der Errichtung einer Kapelle und dem Ausbau eines Friedhofs wurde 1368 begonnen. Zuvor besuchten die Schwestern die Hl. Messe in der städtischen Pfarre St. Laurenzen, Bestattungen erfolgten auf dem sanktgallischen Abteifriedhof. 39 Diese Lebensbedingungen lassen folgern, daß es damals kein claustrum gab; auch vertrat am 14. April 1367 die Priorin die Interessen der

Chart. Sang. (wie Anm. 18), IV, 127-130, Nr. 1951/52. Vgl. Chart. Sang. (wie Anm. 18), IV, 117f, Nr. 1940 (1275 I 2); ebd. 118f, Nr. 1941 (1275 I 7); ebd. 130f, Nr. 1954 (1275 VIII 24); ebd. 140f, Nr. 1966 (1276 IV 13). 38 Chart. Sang. (wie Anm. 18), IV, 1791a, 1940,2028,2031,2331; Chart. Sang. V 3214, 3253, 3263. Stadtarchiv St. Konstanz, Vrk. Nr. 8470 (1333 I 20). Vogler, Geschichte (wie Anm. 9), 15 (Gut zu Obersteinach). VB der Abtei St. Gallen I-VI, bearb. v. H Wartmann u. a., Zürich 1863-1866, St. Gallen 1882-1909 (VB StG), IV Anh. Nr. 196. 1360170 erhielt das Haus ausweislich des "Liber marcarum" 23 Mark Silber Einkommen: Thurgauisches VB, hg. v. Thurgauischen Historischen Verein, bearb. v. Fr. Schaltegger u. a., Frauenfeld 1917-1967 (ThVB), VI, 117, Nr. 2547. 39 E. Ehrenzeller, St. Laurenzen als Stadtkirche, in: Die Kirche St. Laurenzen in St. Gallen. Zum Abschluß der Restaurierung 1963-1979, hg. v. d. Ev.-ref. Kirchengemeinde St. Gallen, St. Gallen 1979, 189-278, 199-206. 36

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Samnung vor Gericht. 40 Der Konvent besaß keine umschlossene Klosterstätte, so daß ein neben der Anlage befindliches Gebäude zur Arrondierung der Klosterfläche erstanden wurde. 41 Von den Beginenverfolgungen wurde die Gemeinschaft auf dem Brühl unmittelbar betroffen, wie eine Urkunde Bischof Gerhards von Konstanz belegt, in welcher der Diözesan den Dominikanerinnen, Augustinerinnen und Beginen gegen Beeinträchtigungen durch den Klerus zur Seite steht: Die Fratres dürften nicht daran gehindert werden, Predigt und Gottesdienst zu halten, Beichte abzunehmen und Absolution zu erteilen. Jenen Beginen, die gemäß seines bischöflichen Erlasses eine ihrer Ordenstracht ähnelnde Kleidung abgelegt hätten, könne nicht untersagt werden, Tunika oder Wolltuch auf nackter Haut zu tragen. Künftig sollten die Schwestern, die die "Regula s. Augustini" befolgten, nicht von der Ortsgeistlichkeit, sondern von den ansässigen Dominikanern beaufsichtigt werden. Kleriker in St. Gallen scheinen also den Status des Klosters angezweifelt zu haben und waren eventuell unter Berufung auf die Konstitutionen von Vienne gegen die Predigerbrüder vorgegangen. 42 Am 14. Juni 1333 bestätigten zwei päpstliche Bullen dem monasterium alle Unterstützung des Papstes sowie jede von Geistlichen und weltlichen Herren verliehenen Vorrechte und VergUnstigungen. 43 Doch der Pfarrer von Laurenz hatte die Umformung der congregatio in ein regelrechtes Frauenkloster erfolgreich hintertrieben. Erst infolge des Einschreitens von Adligen erlaubte er Kapellenbau und Grabfeldanlage sowie die Herausnahme aus seiner Zuständigkeit. 44 Am 8. Mai 1368 wurde das Brühler Gotteshaus auf das Katharinenpatrozinium geweiht. Monate darauf verpflichtete sich der Schwesternkonvent auf die Statuten des Zweiten Ordens der Dominikaner; die Einkleidung nahm der Diözesan in Konstanz vor, der die Nonnen der Kontrolle der Predigerbrüder unterstellte. Das ehemalige collegium, wie es in Zeugnissen vorher hieß, wurde dort fortan als Kloster gefilhrt,4S obwohl die bischöfliche Jurisdiktion eine volle Inkorporation in den Predigerorden nicht zuließ. 46 Nach der Veränderung St. Katharinas in ein nichtinkorporiertes Dominikanerinnenkloster spaltete sich vermutlich im nahen St. Galler Brühl Ende des vierzehnten Jahrhunderts ein kleiner conventus sororum ab. UB StG (wie Anm. 38), IV, 75f, Nr. 1643. UB StG (wie Anm. 38), IV, 267f, Nr. 1850. 42 Chart. Sang. (wie Anm. 18), V, 335-337, Nr. 3024. 43 A. Lagiarder, Die Papsturkunden rur die Stadt, das Hospital und das Katharinenkloster in St. Gallen, Schweizer Beiträge zur allgemeinen Geschichte 18/1 9 (1960/6 I) 170- I 85, bes. 179f. 44 A. Hardegger, Die Frauen zu St. Katharina in St. Gallen, Neujahrsblatt des historischen Vereins in St. Gallen 1885,3-30,6; Vogler, Geschichte (wie Anm. 9), 12f. 4S WillS, Beginen (wie Anm. 12),421, Anm. 3 I. 46 Vogler, Geschichte (wie Anm. 9), 37 (1468 XII 18), 122f, 126-130. 40

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Dieses armen swestern hus oder nunnenhus erscheint seit 1380 vereinzelt in den Quellen. 47 Im Jahre 1450 erhielt das Kloster durch den Generalmagister der Dominikaner Petrus Röselin die Anteilnahme an den guten Werken des gesamten Ordens. Zwei Konstanzer Dominikaner, die zum Generalkapitel nach Lyon reisten und in St. Gallen gastlich aufgenommen wurden, erwirkten dieses Privileg. 48 Paul IV. bewilligte am 18. Dezember 1468 in Rom den Schwestern des Gotteshauses und ihren Nachfolgerinnen, nach dominikanischen Satzungen zu leben und zugleich unter der Obödienz des Oberhirten von Konstanz zu stehen, aber dennoch an allen geistlichen und zeitlichen Privilegien teilzuhaben, die der Apostolische Stuhl dem Predigerorden verliehen hatte. Die Schwestern auf dem Brühl zu St. Gallen 49 haben später den Klosterort während der Reformationszeit verlassen müssen, siedelten in den Kanton nach Wil über und vereinigten sich 1615 mit einer Wiler Schwestemsarnnung. 50

III. Die Klausurierung als sozialer und architektonischer Umbau Bis zur zweiten Hälfte des runfzehnten Jahrhunderts konnten 23 Konvente fiir die deutsche Reformkongregation der Dominikaner gewonnen werden, wobei St. Gallen eine Sonderstellung einnahm, da dort die Reformidee nicht durch äußeren Eingriff durchgesetzt wurde. Ansonsten war es gängige Praxis, Mitglieder aus erneuerten Konventen in Häuser der Konventualinnen zu versetzen. Vom konventualen Konstanzer Männerkloster kam allerdings auch keine Anregung zu diesem neuen Klosterleben in den alten Klosterräumen von St. Katharina. Im Jahr 1468 hatte sich der Konvent an den Konstanzer Bischof mit der Bitte gewandt, seinen Seelsorger nach Belieben wählen zu dürfen. Hermann III. entsprach dem Gesuch. 1474 bestätigte er die Erlaubnis und verlieh Ablässe. Die Nonnen wahrten ihre Unabhängigkeit, indem sie Johannes Böttschner aus dem Reformzentrum Basel verpflichteten, der sie 1478 zum Eintritt in die Rosenkranzbruderschaft, einer auch am Hochrhein verbreiteten Erscheinungsform spätmittelalterlicher Frömmigkeit, bewegte. 51 Damals war das Kloster noch nicht beschlossen, eine Besserung der Verhältnisse nicht in Sicht. Als Angela 47 48 49

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Vgl. Wilts, Beginen (wie Anm. 12),421, Anm. 3,4. Vogler, Geschichte (wie Anm. 9), 20f. Schwesternbuch, fol. 5r . 1. Hess, Die Samnung in Wil, Zs. für Schweizerische Kirchengeschichte 14 (1920)

Wilts, Beginen (wie Anm. 12), 460f; Hess, Samnung (wie Anm. 49), 3-5. Schwesternbuch, fol. 21 r.

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Varnbühler anfing, in persönlicher Armut zu leben, konnte sie diese Lebensweise zunächst nicht im Konvent durchsetzen; erst später wurde das in mühsamer Askese Erreichte als bindende Pflicht rur alle aufgestellt. 52 Im Wechsel der Vorsteherschaft 1476 lag der Anfang der gemaind, dem Verzicht auf jeglichen Einzelbesitz und Nutznießung daraus sowie der Beobachtung des Armutsgelübdes. 53 Vergünstigungen sollten aufgegeben, Mißbrauch der Einkünfte unterbunden werden, nicht nach Belieben darüber verrugt werden (omnia debent esse communia sub precepto). Die Reformschwestern trafen auf den harten Widerstand von Anhängerinnen der Vorgängerin Angelas, obwohl keine der alten Konventualinnen zur neuen Lebensform gezwungen wurde. 54 Selbst den vom Heimatkloster in unreformierte Konvente übersiedelnden Schwestern wurde die Aussteuer herausgegeben. 55 23 geweihte Frauen, vier Laienschwestern und eine Novizin waren zu Beginn in die Klosterfamilie aufgenommen; während des Priorats der Angela Vambühler verdoppelte sich die Zahl der Töchter, die den Schleier genommen hatten. Allein in deren zweitem Amtsjahr wurden sieben Professinnen eingekleidet. 56 Es war schwierig, das Kloster dieser Beschließung zu unterziehen. Unter der Amtsruhrung Varnbühlers wurde die Klausur am 9. September 1482 eingeruhrt und feierlich promulgiert, eine rur das geistliche Leben tiefgreifende Veränderung. 57 Während die Mitglieder früher praktisch die Eigentumslosigkeit nicht Ebd., fol. 26'. Ebd., fol. 5'. 54 Ebd., fol. 10'. 55 Ebd., fol. 5V • 56 Chronik, fol. 22r :jtem im 14lxxxiiO}IItem wir hand unser kloster beschlossen mit ain heiligem willen der raut schwästren vnd des ganczen conventz mit mins gnädigen heren von costencz gunst wissen vnd willen vnd mit wol gevallen ains forsichtigen ratz zuo Sant gallen vnd ward der ingang verbotten. By dem bann vnn dz ward verkUnt in den pfarr kilchen zuo Sant Lorenczen vnd zuo Sant mangen. Des geliehen in unserm cor verkunt uns unser wirdiger bichtvatter vnn verbot uns den vsgang vnredlich vernuftig vrsach nach des briejJs vswissung den wir erworben hand von minem heren von costencz. Dis beschach an Sant Michels tag. V gl. zur fundamentalen Bedeutung der Klausur: Les Religieuses dans le c10itre et dans le monde (C.E.R.C.O.R. Travaux et Recherches), Saint-Etienne 1994; E. Makowski, Canon Law and Cloistered Wornen. 'Periculoso' and its Commentators 1298-1545, Washington, D.C. 1997. 57 Chronik, fol. 38v : jn dem 14lxxxiiijl Jtem wir hand enpfangen vnd in den orden angelait Elisabetten von schoenow an sant Scollastiten tag vnd dis ist die erst Swester die wir in in unser Schloss enpfangen hand und unser Capittel hus ange/ait vnd hatt uns ir vatter geben zuo ainer gotz gab summam ij Guldin. Jtem ir muotter hab gabet j silbrin becher Item und c gu/din sait er vns zuo ze geben C. gu/din bar vnd c gu/din an aim zins brief! dz wir sy versechint mitt klaider vnd mitt bücher. Siehe zum weiteren Hintergrund: Medieval Wornen in their Cornrnunities, hg. v. D. Watt, Cardiff 1997. Vgl. auch: E. M F. Koch, De Kloosterpoort als sluitpost? Adelijke vrouwen langs Maas en Rijn tussen huwelijk en convent, 1200-1600 (Maaslandse rnonografieen 57), Leeuwarden 52 53

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befolgten, verpflichteten sich nun alle zur Armut und auf den Gemeinbesitz des Klosters. Hatte es zuvor keinerlei Klausurierung gegeben, waren Ein- und Ausgang frei gewesen, und hatten Weltliche Zutritt zu den innersten Klosterräumen gehabt, so sollte der Verkehr mit der Außenwelt jetzt auf das Nötigste beschränkt werden. 1485 wurde die vergitterte Sprechötlhung an der Pforte mit Blech überzogen: wir hand unsri redefenster verblechet. 58 So konnte man Verwandte und Freunde nicht mehr sehen, sichtbarstes Zeichen der Umstrukturierungen. In der Reformepoche entfaltete die Priorin eine umfassende Bautätigkeit, reichlich Geld für diese Maßnahmen scheint zur Verrugung gestanden zu haben: 1487 wurde die Klostermauer erhöht, 1488 das große Gebäude mit spätgotischem Maßwerk und bemalten Fensterscheiben ausgestattet und die Anlage um ein neues Refektorium erweitert, von 1503 bis 1507 der Kreuzgang ausgebaut und 1519 eine Orgel in der St. Annenkapelle des Chores eingerichtet. Am Hauptaltar wurde 1483 in der Mauer zwischen äußeren und inneren Chor ein Durchbruch, des Jesusfensterli, dz bi dem sacrament hüßli ist, eingelassen, durch das der Spiritual der Nonnengemeinde die Kommunion reichte. 59 Man stellte einen verzierten Tabernakel mit der Monstranz des Allerheiligsten auf, 1485 wurde vom Münsterbaumeister rur 300 Gulden sogar eine Tafel rur den Fronaltar im Kreuzgang erworben. 60 Die Richtlinien für das klösterliche Dasein gingen auf spezielle Verordnungen für Reforrnklöster zurück. Kunigunda Haller, die unermüdliche Briefstellerin und berufene Lehrmeisterin aus Nümberg, dehnte in Kenntnis der Reformdekrete das Stillschweigen aus, so daß es über ihre Amtskollegin, die unter einem Schleier verhüllte Vambühlerin heißt: und wenn die Priorin welt zaigen oder wisen, so nimmt sy ain stecklin und wist daz mit verdeckter hand. Es ist nütz hievon geschriben, es ist aber ain behutsamkeit. 61 Die übereifrige, gestrenge Herrin in st. Gallen gab 1496 der Ernennung des ungarischen Observanten Melchior Berner zum Kaplan ausdrücklich nur ihre Einwilligung, wenn dieser keine verdächtigen Frauen ins Gotteshaus lasse. 62 Bruder Johannes Scherl aus Eichstätt hatte bereits am Michaelistag 1477 seine pastorale Aufgabe angetreten, um täglich die Messe zu lesen, sonn- und festtags zu predigen und in der Fastenzeit während der Woche die Hl. Sakramente zu spenden. Die Beichte an allen Fastentagen und die wöchentliche Eucharistiefeier trugen der Umgestaltung Rechnung, wiewohl die Ordenskon-

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Chronik, fol. 31 r-31 v. Schwesternbuch, fol. 24r, 45 r . Chronik, fol. 45 V • Schwesternbuch, fol. 186r _v • Vogler, Geschichte (wie Anm. 9), 52, Anm. l. Chronik, fol. 78 v •

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stitutionen nur fiinfzehnmal im Jahr den Kommunionempfang vorsahen. Von einer Reise nach Nürnberg brachte Scherl vier gedrehte Leuchter fiir den Fronaltar mit. 63 Während der fast zwanzigjährigen Amtszeit wurde der Beichtiger wegen seiner Hilfsbereitschaft und Freigebigkeit gerühmt. 64 Ebenso förderte der Basler Subprior Johannes Erhardi die Anstrengungen, am Geist und Leben des gesamten Ordensverbandes teilzunehmen, mit seinen Büchern. 65 Auch der observante Prior von Basel, Konrad von Werdenberg, bekundete 1513 mehrfach mit postalischen Sendungen seine Freundschaft. 66 Doktor Veit Maler aus Augsburg dachte im gleichen Jahr der Priorin Sapientia Wirth, einer Schwester seines Bekannten Kaspar Wirth, einen hübschn silbern Becherlin zu, wahrscheinlich einen Kelch zur Zelebration. Sämtliche Gaben, Bilder und Statuen wurden infolge der protestantischen Umgestaltung nach 1528 zerstört oder verstreut; auch der Glockenturm wurde niedergerissen.

IV. Der Verbund zwischen klösterlicher Kommunikation Die Frage der Kommunikation innerhalb der südwestdeutschen Observanzbewegung war erheblich fiir den Erfolg des Reformprozesses. Es war gewissermaßen ein Austauschvorgang zwischen den Institutionen in personeller, materieller und medialer Hinsicht. Konventualinnen und Lektoren wechselten zwischen Konventen, Bücher wurden empfangen, geliehen, verschenkt, Vorlagen verschickt und Briefe ausgesandt. Die Kanäle, Kreisläufe und Netzwerke innerhalb und außerhalb einer Kongregationsbildung sind im einzelnen nicht nur nach der qualitativen Eigenart zu beleuchten, sondern auch nach der strukturellen. Summarisch soll aus den erzählenden Quellen ermittelt werden, inwiefern Objekte wie Kultgeräte oder Bildwerke,67 aber auch Schriftverkehr, Buchtausch und Lesekultur zum Gelingen der Neuorientierung beigetragen haben. 63 Schwestembuch, fol. 42'. 64 Chronik, fol. 48 v : 14Ixxxv}\ Jtem im lxxxvi nach vnser frowen tag in der vasten

kam zuo vns her hainrich scherly vnsers wirdi vater lesmaister liplicher bruoder vss dem convent zuo lantz huot predigerordens der observantz, den nomend wir vf zuo ainem capIon den vater leszehi/f vnd gabend im ze ziten klaider vnd geschUch vnd badgelt vnd versachend in mit essen vnd trincken vnd bett gewät vnd sait er vns zuo dz er gejlissen welt Sin den götlichen dienst helfen ze volbringen nach vnserm gefallen, dz es dem lesmaister dester ringer wär vnd die götlichen empter der hailigen mess dester loblicher volbracht wurdind. Vgl. auch Chronik, fol. 78'. 65 Schwestembuch, fol. 21 v, 68', 65 v• 66 Staatsarchiv Basel, Prediger N 1, 35-40; freundlicher Hinweis von Herrn Dr.

Bernhard Neidiger, Stuttgart. 67 So z. B. Passionsbilder (Chronik, fol. 74'), Holzschnitte usw. Vgl. Th. Lentes, Bild, Reform und Cura Monialium. Bildverständnis und Bildgebrauch im 'Buch der Reformatio Predigerordens' des Johannes Meyer (t 1485), in: Dominicains et Domini-

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Es geht um den komplexen Refonnzusammenhang innerhalb der Verbandsausbildung nach den fonnalen, nicht so sehr nach den inhaltlichen Kriterien, was meint, neben dem mitunter überanstrengten Paradigma der Observantenpredigt die Monastizierung im Chordienst als wesentliches Symptom zu erkennen. Das bedeutet nicht, den elementaren Stellenwert der Wortverkündigung zu bestreiten, ordnet aber die Literarität dieses Genres in die Reihe anderer vorrefonnatorischer Erscheinungsfonnen christlicher Gläubigkeit wie Eucharistiefrömmigkeit, Passionsdevotion oder Marienverehrung ein. Zum historischen Bibliotheksbestand der Observanzkonvente und den Handschriftenverhältnissen im Vergleich ist an anderer Stelle Grundlegendes erarbeitet worden. 68 Von philologischer Seite her wurde der Zusammenhang von Predigttätigkeit, Niederschrift, Bücherbesitz und Ordensrefonn überzeugend nachgewiesen. 69 Über den Manuskriptzuwachs im Sinne einer quantifizierbaren Überlieferungsgeschichte, wie auch mit einer Art Beziehungsgeschichte hat man Weitreichendes ausfUhren können. 70 Im Falle des St. Galler Katharinenklosters stellt die Historiographie erstrangiges Material dar, aus dem sich die einzelnen Schritte der Neuordnung im fUnfzehnten Jahrhundert genauer ablesen lassen. Die Aufzeichnungen der Priorin in der Chronik und im Schwesternbuch enthalten unter anderem Visitationsprotokolle und ein Bibliotheksverzeichnis. Die Bemühungen um personelle Veränderungen, die Aktivitäten von Beichtvätern und der Ausbau einer Büchersammlung sind detailliert nachzuvollziehen. caines en Alsace xme_XX e siecle. Actes du Colloque de Guebwiller 8-9 avril 1994, hg. v. J-L. Eichenlaub, Colmar 1996, 177-195; J F. Hamburger, Nuns as Artists. The Visual Culture ofa Medieval Convent, Berkeley - Los Angeles - London 1997; Ders., The Visual and the Visionary. Art amd Female Spirituality in Late Medieval Germany, New York 1998. 68 Rüther / Schiewer, Predigthandschriften (wie Anm. 16), 185-191. 69 R. D. Schiewer, Sermons for Nuns in the Dominican Observance Movement, in: Medieval Monastic Preaching, hg. v. C. Muessig (Brill's Studies in Intellectual History 90), Leiden - Boston - Köln 1998,75-92. Für die Verbindung mit der Devotio moderna siehe: M. Costard, Zwischen Mystik und Moraldidaxe. Deutsche Predigten des Fraterherren Johannes Veghe und des Dominikaners Konrad Schlatter in Frauenklöstern des 15. Jahrhunderts, Ons Geestelijk Erf69 (1995) 235-259. Vgl. auch zur früheren Zeit: H.J Schiewer, Die beiden Johannsen, ein dominikanischer Johannes-Libellus und das literarische Leben im Bodensee-Raum um 1300, Oxford German Studies 22 (1993) 21-54. 70 W. Williams-Krapp, Ordensreform und Literatur im 15. Jahrhundert, Jb. der Oswald-Wolkenstein-Gesellschaft 4 (1986/87) 41-51; Ders., Frauenmystik und Ordensreform im 15. Jahrhundert, in: Literarische Interessenbildung im Mittelalter. DFG-Symposion 1991, hg. v. J Heinzle, Stuttgart 1992,301-313; Ders., Observanzbewegungen, monastische Spiritualität und geistliche Literatur im 15. Jahrhundert, Internationales Archiv rur Sozialgeschichte der deutschen Literatur 20 (1995) 1-15; Ders., Kultpflege und literarische Überlieferung. Zur deutschen Hagiographie der Dominikaner im 14. und 15. Jahrhundert, in: 'Ist mir getroumet min leben?' Vom Träumen und vom Anderssein. Festschrift rur Karl-Emst Geith zum 65. Geburtstag, hg. v. A. Schnyder / C. BartolemyTeusch / B. Fleith / R. Wetzel (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 632), Göppingen 1998,147-173.

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Der gebürtige Nürnberger Johannes Scherl kam nach seinem Priorat im observanten Eichstätter Konvent 1477 nach St. Gallen, um als Pater confessarius bis 1496 die dortige Reform entscheidend zu beeinflussen. Nicht nur seine musikalischen Talente - das Orgelspiel zum Chorgesang - verhalfen der Durchsetzung von Observanz zu dauerhaftem Erfolg. Der studierte Leipziger Theologe war zugleich Tondichter und vermutlich Komponist eines deutschen historischen Liedes über die Einruhrung der Klausur in St. Katharina, dessen Text und Melodie von Schwester Elisabeth Muntprat 1485 abgeschrieben und in einem geistlichen Kodex dem befreundeten Augustiner-Chorfrauenstift zu Inzigkofen bei Sigmaringen geschenkt wurde. 71 Eventuell verfaßte der Mentor zwei 1486 in St. Gallen gehaltene Predigten, die in Nürnberg überliefert werden, und trat nach Ausweis der Klosterchronik als Übersetzer eines "ABC der göttlichen Liebe" und von Offenbarungen der Hl. Birgitta in Erscheinung. 72 Der Basler Dominikaner Johannes Meyer bearbeitete die Instruktionen Humberts von Romans rur die Schwestern des Predigerordens und brachte 1454 Humberts Hinweise in die Form praktischer, volksprachiger Anweisungen: 73 Eine solche Übertragung hatten Schreiberinnen neu angefertigt. 74 Der Ordenschronist empfahl, in Bibliotheken deutsche und lateinische Bücher aufzustellen; Meyers persönlicher und literarischer Einfluß wurde auch im St. Galler Konvent wirksam, wie eine aus dem Jahr 1474 datierte Abschrift seines "Buch der Reformacio Predigerordens" beweist. Umfangreiche Kopierleistungen zeigen, daß' auch Homiletik gepflegt wurde, um Lese- und Meditationsstoff fiir die Dominikanerinnen zu beschaffen. 75 Für das bemerkenswerte Bucheigentum aus Konventen der Observanzbewegung sei Cod. sang. 583 aus der Stiftsbibliothek St. Gallen angefiihrt, der neben Chronik, fol. 74r • 72 P. Ochsenbein, Scherl, Johannes, in: 2Yerfasserlexikon YIII (1992), Sp. 644f.: 1484 wurde rur sieben Gulden eigens ein Positiv angeschafft. 73 Johannes Meyer OP, Buch der Ämter der Schwestern des Predigerordens von 1454, Abdruck von Passagen bei: K. Christ, Mittelalterliche Bibliotheksordnungen rur Frauenklöster, Zentralblatt rur das Bibliothekswesen 59 (1942) 1-29,25-29. 74 Chronik, fol. 48 r : lxxxvI Jtem wir hand geschriben vnd genotiert ain halb tail des sumertails vom zit vnd ainen schoenen collectner vnd ain schön tutz buch die glos vber die regel nach der vslegung humberti vnd ain gross buoch Sant jeronimus regel vnd die xxv trost vnd suss vii guter materien dar zuo kostet das permet vnd pappir (I) vnd tinten zug xi} guldin vnd hand noch ainen anfang permet zuo ainem gesang buoch. Siehe dazu: Women and the Book. Assessing the Yisual Evidence, hg. v. J Taylor / L. Smith (The British Library Studies in Medieval Culture), Toronto 1997. 75 Chronik, fol. 44 v : 14lxxxvl Jtem dz Sumerhalbtail von den hailgen dz wir im lxxxiii} iar geschriben vnd notiert hatend vnd die processional vnd obsequial vnd alle tutzschi buecher die wir in dem selben iar in [gebunde} schriben haftend hand wir in gebunden in der vasten vnd nach ostren im lxxxv vnd kostend mit der beschlecht vnd leder vnd allem in bind zug wol iii} guldi. Y gl. auch Medieval Sennons and Society: Cloister, City, University (Textes et etudes du Moyen äge 9), Louvain-Ia-Neuve 1998. 71

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anderen geistlichen Texten den "Liber specialis gratiae" und die Gesichte und Auditionen Mechthilds von Hackeborn enthält. Dieses "Buch der besonderen Gnaden" gehörte Johannes Tauler, wie ein Besitzeintrag auf den Namen des Mystikers vermerkt. Später befand sich der Band im Eigentum des ersten Generalvikars der observanten Teutonia, Komad von Preußen; in der zweiten Hälfte des filnfzehnten Jahrhunderts gelangte er ins Dominikanerinnenkloster st. Katharina in St. Gallen. Die 1476 zur Priorin gewählte Angela Vambühler war die Schwester jenes Bürgermeisters Ulrich Varnbühler, der das Manuskript vom Ordensreformator übernommen hatte. Das Exemplar sollte augenscheinlich den damals begonnenen Anfang einer klosterinternen Erneuerung unterstützen. 76 Eine Übersetzung der "Vita S. Dominici" Dietrichs von Apolda ist in einer alemannischen Version durch eine Handschrift erhalten, die von den sanktgallischen Schwestern 1497/98 zur reformerischen Veränderung mitgenommen und den Zoffinger Dominikanerinnen geschenkt wurde. Der Überlieferungszusammenhang inmitten der Werke des Ordenschronisten Johannes Meyer, seinem "Buch der Ämter", Sendbriefen Humberts von Romans, Raimunds von Capua, deutschen Auszügen aus der Regel und den Konstitutionen filr Konversen sowie einer Liste der Provinzialprioren der Teutonia deutet auf die Grundausrüstung einer observanten Nonnenbibliothek hin. 77 Ein weiterer Predigtautor, Doktor Wendelin Fabri, wird mit Katharinen in Verbindung gebracht. Seit 1503 Pforzheimer Dominikanerlektor, 1509 Spiritual des von St. Gallen aus reformierten Frauenklosters Zoffingen bei Konstanz, kehrte Faber 1512 aus Rom zurück und besuchte seinerseits das st. Galler Mutterhaus. Die in den Jahren 1510 bis 1518 filr die klösterliche Tischlesung ausgearbeiteten Zoffinger Klosterpredigten überlieferten drei Katharinenschwestern in geübter Abschrift, wie eine fremde Einschätzung ihr technisches Können anerkennt. 78 Gegenstand dieser aszetischen Traktate sind das "Sacrament des fronlichnams", die Allegorie einer geistlichen Meierei "Villicatorius", "Von den filnff girsti brot der gaistlichen und eingeschlossnen" sowie die "Früchte der Messe": die häufige Auslegung des Abendmahls fiillt auf und verdeutlicht die außerordentliche Wichtigkeit der Sakramentsverwaltung. 76 Verzeichnis der Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, hg. v. Kath. Administrationsrathes des Kantons St. Gallen und bearb. v. G. Scherrer, Halle/S. 1875, 189; W Muschg, Die Mystik in der Schweiz. 1200-1500, Frauenfeld - Leipzig 1935, 353; L. Gnädinger, Johannes Tauler. Lebenswelt und mystische Lehre, München 1993, 85,451. 77 Chronik, fol. 21 r • Überlingen, Leopold-Sophien-Bibliothek, Ms. 5 (Papier, 371 fol., 2. Hälfte 15. Jahrhundert); Williams-Krapp, Kultpflege (wie Anm. 70), 153f; B. Hilberling, 700 Jahre Kloster Zoffingen: 1257-1957, Konstanz 1957, 45f. 78 K. Hannemann, Fabri, Wendelin, in: 2Verfasserlexikon 11 (1980), Sp. 698-700. K. J Höpf, Der Zoffinger Spiritual Wendelin Fabri O.P. aus Pforzheim und seine geistlichen Schriften (Diss. theol., Freiburg/Ue. 1953), 26-29.

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Eine imaginäre Landkarte aller obigen Fremdkontakte würde weit über die klösterlichen Besitzungen hinweg, die laut Urbar Gebiete im Rheintal und Thurgau umfaßten, in den gesamten alemannischen Raum ausgreifen. Wie eine Induktionswelle läuft es weiter fort: Die 1498 aus St. Gallen nach Zoffingen versetzte Novizen- und Gewandmeisterin Cordula von Schönau wurde mit einer Legende der Katharina von Siena und den Schwesternleben von Töß ausgestattet, ohne Entgeltung?9 Der Umstand, daß sozusagen eine "Gewerbelehrerin" abgestellt wurde, betont die Wichtigkeit von Handfertigkeiten wie Spinnen, Weben, Nähen und Paramentsticken sowie hauswirtschaftliehe Fähigkeiten in der Erziehung der Schülerinnen. Doch waren ftlr eine Sengerin in st. Katharinen ebenfalls Textbücher und Vokabularien zum Lateinunterricht vorhanden. 80 Der bischöflichen Einladung zur Reform von St. Peter in Konstanz konnten die Schwestern allerdings 1502 nicht nachkommen, weil der st. Galler Stadtrat weitere Abwesenheiten nicht mehr dulden wollte. Die Hälfte aller tradierten Bände machen Liturgica aus, darunter zählt man etwa gleich viele Breviere wie Psalterien. Angela Varnbühlers persönliches lateinisch-deutsches Gebetbuch mit eigenhändigen Nekrologeinträgen zum Tod ihrer vier Geschwister ist überkommen. 8 I Der spätere Heidelberger Magister Regens, Matthias Fankel, gab nach 1482 ein Brevier; Laurentius, Prior auf dem Zürichberg, einer Windesheimer Propstei der regulierten Augustiner-Chorherren, übereignete zwischen 1485 und 1496 mehrmals Psalter an einzelne Klosterfrauen, darunter einige kunstvoll verzierte und ein goldgefaßtes Büchlein. 82 Elisabeth Zollikofer, von 1509 bis 1513 Priorin des Klosters St. Katharinenthal bei Dießenhofen schrieb und schenkte einen Psalter, einen guoten latinschen uf permett. 83 Die Nonnen verkauften ein Stundenbuch und stellten ftlr Margarete Echinger einen Sammelband fertig. 84 Von dieser befreundeten Konstanzer Dame bekamen jene 1492 ein selbst gesponnenes Korporale samt Burse. 8s Das Chronik, fol. 71 v , 80r , 81', 90r , 92 V • Ebd. fol. 111 v. Y gl. dagegen zur Frage der Lateinkundigen: H. Härtet, Die Klosterbibliothek Ebstorf. Refonn und Schulwirklichkeit am Ausgang des Mittelalters, in: Schule und Schüler im Mittelalter. Beiträge zur europäischen Bildungsgeschichte des 9. bis 15. Jahrhunderts, hg. v. M Kintzinger / S. Lorenz / M Walter (Beihefte zum AKG 42), Köln - Weimar - Wien 1996, 245-258. Siehe allgemein: E. Schlotheuber, Büchersammlung und Wissensvennittlung. Die Bibliothek des Göttinger Franziskanerklosters, ebd.,217-244. 81 St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 1899. P. Ochsenbein, Yambühler, Angela, in: 2Yerfasserlexikon X (1996), Sp. 161. 82 Chronik, fol. 68r , 66 V • 83 Ebd., fol. 25 r • 84 Ebd., fol. 27 r : im lxxxii}I Jtem wir hand vss aim zitbuchly gelöst xi} guldi wz S katerina zollikofJerin vnd wz mit Silber beschlagen vnd mit blauwem samet uber zogen. Vogler, Geschichte (wie Anm. 9), Nr. 76. 85 Chronik, fol. 68 r . 79

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Bittgebetbuch ist durchgängig als Privatgeschenk zu erkennen, offensichtlich von persönlich nahestehenden Freunden, angehörigen Verwandten oder zuständigen Geistlichen als kostbare Devotionalie zum individuellen Nutzen gewidmet. 86 Unter den Schenkenden sind örtliche Kleriker wie Valentin Kosch, Pfarrhelfer von St. Laurenzen,87 und wenige Religiose, so Johannes Cölner, Spiritual der Klause zu St. Georgen, oder Meister Bernhard aus der Basler Kartause,88 zu finden. Vor allem wurden Kodizes zur Pflege der Liturgie und Einhaltung des Stundengebetes hergestellt. 89 Der Bedarf an liturgischen Manualen, die filr das tägliche Offizium benötigt wurden, scheint ebenso in der hauseigenen Schreibwerkstatt von der Buchmeisterin nach Vorlagen gedeckt worden zu sein, wie die Anschaffung von Tinte, von Beschreibstoff wie Pergament oder Papier, von Lederbezug, Holzdeckeln und Metallschließen zeigen. 90 Die Materialien wurden im Kloster bearbeitet und Texte korrigiert, rubriziert bzw. illuminiert, auch wohl Schmuck und Miniaturen ausgefiihrt. 91 In den Jahren 1484 bis 1488 WUf-

86 Stoffel Kuchimeister gab filr seine Tochter Ottilia ein Bändchen zu filnfzehn Schillingen in Auftrag (Chronik, fol. 103 V ); Großmutter Mangoltin hatte ihrer Enkelin Petronella das Ausschreiben eines Psalteriums bezahlt (Chronik, fol. 92V); Bürgermeister Bartholomäus Blarer kaufte filr seine Schwester Justina ein gedrucktes Meßbuch nach dominikanischem Ordo (Chronik, fol. 146V); weitere Psalmenbücher wurden durch Kilian Schedler an seine Tochter Dorothea (Chronik, fol. 79') und durch Gielin von Magdenau an Anna Thalmann (Chronik, fol. 73') geschenkt; Ratsherr Friedrich Spengler übereignete Drucke an Einzelpersonen (Chronik, fol. 156',161'). 87 Ebd., fol. 161 '. 88 Ebd., fol. 127'. 89 Ebd., fol. IS': im lxxx}1 Jtem wir hand geschriben i} genottierty metty bücher ains von dem zitt dz ander von den hailgen vnd hand wir vmb bermet vnd vm zug geben xx guldin; ebd. 27 v : im lxxxii}I Jtem wir hand geschriben vnd genotiert ain gross gesang buoch von den hailgen dz halbtail im Samer vnd dz ander halbtail angehept. Darzuo hand wir geben vmm bermet vnd zug xvii} guldin. Im folgenden siehe dazu: G. Stamm, Klosterreform und Buchproduktion. Das Werk der Schreib- und Lesemeisterin Regula, in: Faszination eines Klosters. 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei LichtenthaI, hg. v. H. Siebenmorgen, Sigmaringen 1995, 63-70. 90 Ebd., fol. 43 v : lxxxiii} I Jtem wir hand geschriben vnd genotiert ain gross gesang buch ain halbtail sumertails der hailgen vnd dz sumertail von dem zit angehept vnd i} nuwi procesional vnd die alten gebessret vnd ain obsequial da man alle ding in vindt von den sichen vnd toten vnd ain gross buoch am tutzschen von der gemachelschaft vnd ain gross predig puch vnd [dz habtail (!) merJ die xxiii} alten voll vs vnd ain schwostren buch schanlamt wir den von vntzko[en vnd ain schwostren buch von vil saiger swostren vnd suss vil guter materi dar zuo vnd Sant katherina legend kostet dz permet vnd papir vnd robric vnd tinten zug xiii} guldin die buecher sind nit in gebunden denn dz wir den von untzco[en hand geschenkl Jtem uns het geschenkt her hans knuss/i an getrukt in gebunden buoch mit figuren haist der ros gart vnd hett begert dz man got fur in bit. Vgl. zu den liturgischen Gattungen: Medieval Manuscripts for Mass and Office. A Guide to their Organization and Terminology, hg. v. A. Hughes, Toronto 1995. 91 Chronik, fol. 55 v •

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den nach Nürnberger Mustern für sechzehn Gulden sieben Prozessionale abgeschrieben, alte ausgebessert und neu gebunden. 92 In kurzer Zeit waren mehr als zehn Psalmenbücher auf Pergament und Papier kopiert und eingeschlagen. 93 Ebenso waren Brauchtexte für die Regelung des Klosteralltags vertreten. 94 Hagiographische Sammlungen sind nachzuweisen, für Bände zu Schriftlesung und Meßgesang war vorwiegend aus eigener Feder gesorgt. Die in der sanktgallischen Schreibstube einsetzende Fertigung konzentrierte sich auf die Einübung in die spirituelle Praxis.

V. Das Skriptorium als religiöser Ort und Schulstätte In den deutschen Dominikanerprovinzen kam es zu einer bedeutenden Ausbreitung von deutschsprachigem religiösen Schrifttum, das vor allem in Manuskripten überliefert wurde, die aus diesen observanten Klöstern stammten. Im Zuge der Ordensreform und der rigiden Klausurmaßnahmen von Schwesternkonventen wurden hier Schreibtätigkeit und Buchherstellung intensiviert. Im Rahmen der Kongregationsbildung konnte der Handschriftenaustausch und die Vermittlung von Mustern zu einer erheblichen Vergrößerung der Bibliotheksbestände beitragen. 9s Für den Kontext der Predigt lohnt es, ein erhellendes Beispiel dieser mittlerweile vollends rehabilitierten Gattung der Literaturwissenschaft auszuwerten. Man kann dazu einen Fall aus dem Elsaß heranziehen, der den Zusammenhang von Rezeption, Produktion und Multiplikation homiletischen Schrifttums verdeutlicht. 96 Der Theologieprofessor und konventuale Dominikanerprior Ebd., fol. 58 V • Ebd. fol. 61 r , 76r , 90" 92\ 101'. 94 Ebd. fol. 40 r : im 14lxxxiiij\ Jtem wir hand gekofft ain getruckt Ewangelium buoch mit! figuren vnd glossen vmb j guldin vmb unser hertzlieben muottren vnd Schwestern von sant katherinen zuo nürenberg. Siehe fiir die grundsätzliche Problematik auch: M. P. Parkes, Scribes, Scripts and Readers. Studies in the Communication, Presentation and Dissemination of Medieval Texts, London 1991. 95 Zum allgemeinen Zusammenhang von Reformbewegung, Predigttätigkeit und Bücherbesitz: K. Schneider, Die Bibliothek des Katharinenklosters Nürnberg und die städtische Gesellschaft, in: Studien zum städtischen Bildungswesen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, hg. v. B. Moeller / H Patze / K. Stackmann (Abh. Göttingen, 3. Folge 137), Göttingen 1983,70-82; B. Hasebrink, Tischlesung und Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster. Ein Beitrag zu ihrer Rekonstruktion, in: Schule und Schüler (wie Anm. 80), 187-216. 96 Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. germ. 40 206, fol. 192v-202v, in alter Zählung 144v-154 v • Siehe dazu: Repertorium der ungedruckten deutschsprachigen Predigten des Mittelalters. Der Berliner Bestand, hg. v. H-J. Schiewer, Tübingen 1999, 53-55, Nr. B XXVI, 24. 92 93

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Hugo von Ehenheim predigte am 8. September 1435 im Straßburger Deutschordenshaus zum Fest in nativitate Mariae; sein Kanzelvortrag über Mt 1,1 Liber generationis interpretiert die selige Jungfrau und Gottesmutter in enblematischer Weise. In schriftliterarischer Form wird diese Ansprache filr Laien durch eine geistliche Sammelhandschrift der Reformbewegung tradiert, die im Rahmen der Cura monialium entstanden ist. Das Buch der Natur wird auf die conciencie als Richtschnur filr das Handeln ausgelegt; in ihr stehen gekritzelte Schrift (mangelndes Urteilsvermögen), große und kleine Buchstaben (Neigung zu Unbeständigkeit) und verschlungene Schrift (schwere Sünde). Beschreibstoff der drei Gruppen ist jeweils Papier, dunkles, schlecht gegerbtes Pergament bzw. Pergament voll Haaren, was auf die jeweiligen Mängel gedeutet wird. Vom Buch der Gesetze, das dem ersten, zu weichen Buch der Natur folgt, wird lediglich seine zu große Härte dargelegt, weshalb das Kommen des dritten, auf Maria gedeuteten Buchs der Gnade notwendig gewesen sei. Von Maria als Buch werden Beschreibstoff (Jungfernpergarnent), Pergarnenter (Hl. Geist), Schreiber (Gott), Sinn (Friede mit Gott) und Nutzen der Lektüre (ewige Seligkeit) genannt. 97 Die vier Kapitel des Buchs werden auf die vier Gebiete gedeutet, in denen der Magistergrad erworben werden kann (Theologie, Recht, Medizin und Ärtes), bevor Christus als Meister in allen Fächern dargestellt wird: l. als Meister der Theologie, illustriert durch Jesu Leiden, Verklärung und Auferstehung; 2. als Meister des Rechts durch Gegenüberstellung der Zehn Gebote mit den Lehren Jesu in den Evangelien; 3. als Arzt, indem die vier Weisen der Medizin (heilen, stärken, erhalten, wiederherstellen) den sieben Sakramenten zugeordnet werden; und 4. als Meister der sieben Freien Künste durch jeweiligen Verweis 97 V gl. zur mariologischen Buchmetaphorik und Schriftallegorese allgemein: P. Kesting, Maria als Buch, in: Würzburger Prosastudien I: Wort-, begriffs- und textkundliehe Untersuchungen (Medium Aevum. Philologische Studien 13), München 1968, 122-147; H. Hilg, Das "Marienleben" des Heinrich von St. Gallen. Text und Untersuchung. Mit einem Verzeichnis deutschsprachiger Prosa Marienleben bis etwa 1520 (Münchener Texte und Untersuchungen zur Literatur des Mittelalters 75), München 1981,132-143, bes. 323-327; M Straganz, Ansprachen des Fr. Oliverius Maillard an die Klarissen zu Nürnberg, Franziskanische Studien. Quartalschrift 4 (1917) 68-85; 74-79; D. Richter, Die Allegorie der Pergamentbearbeitung. Beziehungen zwischen handwerklichen Vorgängen und der geistlichen Bildersprache des Mittelalters, in: Fachliteratur des Mittelalters. Festschrift für Gerhard Eis, hg. v. Gundolf Keil u. a., Stuttgart 1968,83-92; K. Schreiner, ' ... wie Maria ge1eicht einem puch'. Beiträge zur Buchmetaphorik des hohen und späten Mittelalters, Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 26 (1970) 651-664 (= Archiv für Geschichte des Buchwesens 11 [1970], Sp. 1437-1464); Ders., Konnte Maria lesen? Von der Magd des Herrn zur Symbolgestalt mittelalterlicher Frauenbildung, Merkur 44 (1990) 82-88; Ders., Marienverehrung, Lesekultur, Schriftlichkeit. Bildungs- und frömmigkeitsgeschichtliche Studien zur Auslegung und Darstellung von 'Mariä Verkündigung', Frühmittelalterliche Studien 24 (1990) 314-368; Ders., Maria. Jungfrau - Mutter - Herrscherin, München 1994, 116-171.

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auf Berichte der Evangelien, was zum Vorbild empfohlen wird: Grammatik (Notiz der Sünde); Rhetorik (Acht auf die Worte); Logik (Wahrheitsliebe); Geometrie (keine überflüssigen Worte); Arithmetik (Angemessenheit der Worte); Astronomie (Verlangen nach himmlischen Dingen) und Musik (Weinen). Zum Abschluß kommt die Aufforderung, Christus um Aufnahme ins Buch des Ewigen Lebens zu bitten, wozu Gott Vater, Sohn und Hl. Geist verhelfen möge: Vnd das liebe usserwelte buoch Maria das vnsz huete geboren ist. Amen. Wie gebrauchten Leserinnen diesen Text? Und verstanden Hörerinnen dessen Frohe Botschaft überhaupt? Die metaphorisch benutzten Motive der paläographischen und kodikologischen Sphäre mußten den Schreiberinnen jedenfalls aus ihrem Erfahrungsbereich vertraut vorkommen, die männliche Bildungswelt von Universitätsfakultäten war Klosterfrauen durch die spirituell betreuenden und zur Kulthandlung vorgesetzen Ordensleute auch geläufig: seit was wir in vnser conciencie sullent schriben vnd von vier künsten in den vnser herr ein Meyster gewesen vnd wir auch meyster sullent werden, lautet nicht ohne gelehrten Anspruch die Überschrift im Inhaltsverzeichnis des Kodex. 98 In Gemeinschaften der Observanzbewegung des filnfzehnten Jahrhunderts in St. Gallen, aber auch Straßburg - waren es nicht die örtlichen konventualen Brüder, sondern Leserneister und Beichtväter aus Colmar, Basel, Nürnberg und anderen Reformzentren der deutschen Provinz, die vor den reformierten Nonnen predigten und deren Sermones transkribiert wurden. Der kontemplativ-klösterliche Zug der dominikanischen Regulierung weiblicher Vereinigungen machte gerade diese Häuser zu Multiplikatoren von geistlicher Literatur. Hausgeistliche sowie bedeutende Reformvertreter und Konzilsprediger waren die eigentlichen Verfasser der observanten Predigtliteratur. Sie übersetzten die Erbauungsschriften auf Laienbedürfnisse hin und trugen damit zum Erfolg der Reformbestrebungen bei.

VI. Nonnenseelsorge und Frömmigkeitsbildung Welches Bedingungsverhältnis bestand nun zwischen Schriftlichkeit und Reform? Die immense Verbreitung volkssprachlicher geistlicher Literatur stand unmittelbar mit der Durchfilhrung der Observanzmaßnahmen in Verbindung, die eine neue "literarische Interessenbildung" schuf, wie es Werner Williams-

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Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. germ. 4° 206, 40'_v.

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Krapp ausdrückte. 99 Nicht zuletzt unter dem Einfluß des Basler Reformpriors Johannes Nider, der eine an katechetischen Bedürfnissen orientierte Theologie lehrte und zahlreiche Handbücher fUr ein volkssprachliches Publikum erarbeitete, zog Bildung in die Frauenklöster zumeist erst mit der Reform ein. 100 Nicht ohne Grund lehnte er seine "24 goldenen Harfen" an die Altvätergespräche Kassians, die Kollationen, an. Diese Art Ermahnung findet sich in den Klöstern als Tischlesung wieder. Der täglichen lectio divina kam im Refektorium, wenn unter strengem Schweigen vorgelesen wurde, wie auch in der Form der persönlichen Betrachtung eine wichtige Rolle zu. Frömmigkeitsliteratur wurde ordensübergreifend zwischen den Reformklöstern verbreitet. Observante Klöster unterschiedlichster Obödienz standen sich näher als observante und konventuale Klöster desselben Ordens. Überregional wurde vermittels der Reformkongregationen auch ein Versorgungsnetz von Büchern etabliert. lol Zwischen ihnen baute sich ein überaus leistungsfähiges Geflecht von Verteilungsinstanzen auf. Durch Schenkungen von Büchern an und Austausch unter reformierten Häusern wurden Kodizes zur Abschrift und Weiterverbreitung in andere Städte beilirdert. 102 So unterhielten Nürnberger Kaufleute Handelsbeziehungen nach st. Gallen und übermittelten auf diesem Wege Briefe und Bücher an das sich selbst reformierende Katharinenkloster in der Ostschweiz. Ohne die allseitige Orientierung zur fränkischen Metropole an der Pegnitz scheint sich in der Observanz wenig bewegt zu haben. Engere Verbindungen müssen auch zum Reformkloster Inzigkofen bestanden haben, von wo man nach und nach mehrere Bände erhielt und wohin man ausgeliehene Vorlagen 99 Wi/liams-Krapp, Frauenmystik (wie Anm. 70), 301; E. Hi/lenbrand, Nider, Johannes, in: 2Verfasserlexikon VI (1986), Sp. 971-977; Vogler, Geschichte (wie Anm. 9), 56. 100 Wi/liams-Krapp, Observanzbewegungen (wie Anm. 70), 13. Siehe rur die illiteraten Männerkonvente: K. Schreiner, Gebildete Analphabeten? Spätmittelalterliche Laienbrüder als Leser und Schreiber wissensvermittelnder und frömmigkeitsbildender Literatur, in: Wissensliteratur im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Bedingungen, Typen, Publikum, Sprache, hg. v. H. Brunner IN. Wolf(Wissensliteratur im Mittelalter 13), Wiesbaden 1993,296-327. 101 Wi/liams-Krapp, Observanzbewegungen (wie Anm. 70), 5-9. Vgl. zu DieBenhofen: R. Meyer, Das St. Katharinenthaler Schwesternbuch. Untersuchung - Edition Kommentar (Münchener Texte und Untersuchungen zur Literatur des Mittelalters 104), Tübingen 1994. Vgl. zu Nürnberg: W. Frhr. v. Stromer, Fränkische Buchkultur zur Gutenbergzeit. Konrad Vorster aus Ansbach und Hans Vorster, Jb. rur fränkische Landesforschung 52 (1991) 349-366. 102 Wi/liams-Krapp, Observanzbewegungen (wie Anm. 70), 13; W. Fechter, Deutsche Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts aus der Bibliothek des ehemaligen Augustinerchorfrauenstifts Inzigkofen, Arbeiten zur Landeskunde Hohenzollerns 15 (1997) 183187; U. Engelmann, Der Konvent der Klosterfrauen von Inzigkofen, Freiburger Diözesan-Archiv 88 (1968) 452-462.

Andreas Rüther

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zurückschickte. \03 Überlieferungs befund und Bestandszahlen zeigen einen beachtlichen Anstieg von Herstellung, Schenkung und Ankauf von Manuskripten, später dann Inkunabeln. Diese dynamische Entwicklung im Zuge der neuen Observanz gibt Aufschluß über Schriftpflege und Schulbetrieb. Neben Handarbeit und Andacht bestimmte namentlich Lektüre den Tagesablauf der Klosterfrauen. Ein solches "Zuhause" von Ordensschwestern hat etwas Elementares zu Reformanspruch und Reformwirklichkeit auszusagen: innere Konzentration und äußere Expansion verhalten sich unabhängig voneinander. Die Beschränkung nach Innen konnte paradoxerweise eine Intensivierung der Außenbeziehungen bedeuten. Die Tatsache, daß Personenkreise, die in der observanten Bewegung stark engagiert waren, wie etwa Mitglieder der Familien Blarer oder Spengler, nahezu identisch sind mit Angehörigen jener Geschlechter, die in der evangelischen Reformationsgeschichte des Konstanzer Bistums eine Rolle spielen werden, mündet in einen Ausblick auf die genuin nichtgeistigen Momente der Rückbesinnung und Wiederkehr zur alten Regel. Bernhard Neidiger, der beste Kenner der dominikanischen Observanzbestrebungen in Deutschland, hat in seinen umfassenden Forschungen mehrfach die Wichtigkeit der individuellen Faktoren gegenüber einem objektiven Innovationsbedarfbehauptet. I04 Die Durchsetzung und der Erfolg einer Reform muß weniger über den sittlichen Zustand oder die geistliche Glaubenshaltung der Insassen, als über die Herrschaftsträger und sozialen Führungsgruppen des Ortes und der Region, deren Intentionen und politisches Kalkül aussagen. Die Initiative und die Kraft zu bischöflichen, landesherrlichen oder stadträtlichen Bemühungen um eine Erneuerung von kirchlichen Instituten ist von territorialen Interessen, wirtschaftlichen Erwägungen, persönlichem Druck, privaten Entscheidungen - und nicht zuletzt auch religiösen Impulsen geleitet. Man erflihrt vermutlich mehr über die Bereitschaft und Vorteile der gesellschaftlichen Trägerschichten als über das sprirituelle Phänomen an sich. Übereinstimmungen zwischen verschiedenen Klosterverbänden und Kongregationen in bezug auf die Erneuerung sind evident. Die Gemeinsamkeiten etwa von Zisterzienserinnen und Dominikanerinnen überwogen wohl die Ver103

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Chronik, fol. 53'.

B. Neidiger, Erzbischöfe, Landesherren und Reforrnkongregationen. Initiatoren

und treibende Kräfte der Klosterreformen des 15. Jahrhunderts im Gebiet der Diözese Köln, Rheinische Vierteljahrsblätter 54 (1990) 19-77; Ders., Die Bettelorden im spätmittelalterlichen Rheinland, ebd. 57 (1993) 50-74; Ders., Der Armutsbegriff der Dominikanerobservanten. Zur Diskussion in den Konventen der Provinz Teutonia (13891513), Zs. für die Geschichte des Oberrheins 145 (1997) 117-158; Ders., Selbstverständnis und Erfolgschancen der Dominikanerobservanten. Beobachtungen zur Entwicklung in der Provinz Teutonia und im Basler Konvent (1388-1410), Rottenburger Jb. für Kirchengeschichte 17 (1998) 67-122.

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schiedenheiten; dies ist gar nicht so überraschend, wenn man bedenkt, daß die Beachtung der Regel für alle Nonnen in erster Linie die Wahrung der Klausur hieß, ob sie jetzt Benediktinerinnen, Augustinerinnen oder Klarissen waren. 105 Die eigentlichen Differenzen liegen zwischen männlichem und weiblichem Reiigiosentum. 106 Wenn es deshalb eine Berechtigung gibt, von "Frauenfrömmigkeit" zu sprechen, worin besteht der spezifische Unterschied zum anderen Geschlecht? In einer gewissen unreflektierten Religiosität, einer nicht-intellektuellen Spiritualität?107 Kann man tatsächlich ein besonderes gottgefälliges Leben ermitteln, das von demjenigen der Männer abweicht, oder: Definierten lediglich diese fortwährend dessen Qualität und Konditionen?

105 C. W. Bynum, Religious Women in the Later Middle Ages, in: Christian Spirituality. High Middle Ages and Reformation, hg. v. J Raitt / B. McGinn / J Meyendorff, London 1987, 121-139; U. Weinmann, Mittelalterliche Frauenbewegungen. Ihre Beziehungen zur Orthodoxie und Häresie (Frauen in Geschichte und Gesellschaft 9), Pfaffenweiler 1990. Cl. Opitz, 'zu schreiben von gutten und seigen swestem uebung'. Frauenmystik und geistliche Literatur in südwestdeutschen Frauenklöstern des Mittelalters, in: Evatöchter und Bräute Christi. Weiblicher Lebenszusammenhang und Frauenkultur im Mittelalter, hg. v. ders., Weinheim 1990, 129-149; S. Bürk/e, Weibliche Spiritualität und imaginierte Weiblichkeit, Zs. rur deutsche Philologie 113 (1994) 116-143; Woman and Religion in Medieval and Renaissance Italy, hg. v. D. Bornstein / R. Rusconi, übers. v. M. J Schneider, Chicago - London 1996; P. Ranft, Women and the Religious Life in Premodern Europe, New York 1997. 106 V gl. Geschlechterdifferenz im interdisziplinären Gespräch. Kolloquium des Interdisziplinären Zentrums rur Frauen- und Geschlechterstudien an der Ernst-Moritz-Amdt Universität Greifswald, hg. v. D. Runge, Würzburg 1998; J F. Hamburger, The Visual and the Visionary. Art and Female Spirituality in Late Medieval Germany, New Y ork 1998; U. Andermann, Zur Erforschung mittelalterlicher Kanonissenstifte. Aspekte zum Problem der weiblichen vita canonica, in: Geistliches Leben und standesgemässes Auskommen. Adelige Damenstifte in Vergangenheit und Gegenwart, hg. v. K. Andermann (Kraichtaler Kolloquium I), Tübingen 1998, 11-42; F. Staab, Standesgemäße Lebensform und Frauenfrömmigkeit. Bemerkungen zu einem Langzeitphänomen, ebd.,147161. 107 Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge, hg. v. K. Schreiner / E. Müller-Luckner (Schriften des Historischen Kollegs 20), München 1992; St. Fassbinder, Frömmigkeit. Entwicklung und Problemfelder eines Begriffs, in: Zur Geschichte der Frömmigkeit im Mittelalter und in der Neuzeit, Saeculum 47 (1996) 6-34; C. Kauertz, Frömmigkeitsforschung und Geschichtswissenschaft. Terminologie, Traditionen, Tendenzen, Göttingische Gelehrte Anzeigen 249 (1997) 207-220.

Die Transmutation der Prämonstratenser Domstifte Brandenburg und Havelberg Von Dietrich Kurze "Ein guter und wahrhafter Mönch kann seinen Orden, dem er Profeß geleistet hat, nicht verlassen, und wenn er ihn verläßt, ist er weder gut noch wahrhaftig". Mit diesen Worten kommentierte der gelehrte Benediktinerabt Johannes Trithemius kritisch seinen Bericht, wonach im Jahr 1507 mit Erlaubnis Papst Julius' 11. die beiden Bischöfe von Brandenburg und Havelberg mitsamt ihren Brüdern den Prämonstratenserorden verlassen hatten und zu Säkularkanonikern ohne Regel wurden. 1 Bevor versucht wird, die Umwandlung der beiden Prämonstratenser Domstifte in Säkularkapitel losgelöst von der Betroffenheit des zeitgenössischen Benediktiners und ausfilhrlicher sowie zielgerichteter als die neuere Fachliterann-Z 1 Joannes Trithemii Spanheimensis Annalium Hirsaugiensium Tom. 11, St. Gallen 1690, 635f.: MD VII ... Anno praenotato mortuus est Episcopus Brandenburgensis, cujus nomen memoriae non occurrit. Post quem Hieronymus Plebanus Ecclesiae in Cottvviss, promotione Joachim Marchionis Brandenburgensis in Episcopatu successit. Fuit Ecclesia Brandeburgensis memorata similiter et Habelburgensis, quae ambae sunt Cathedrales, et sub principatu Joachim Marchionis constitutae, a multis retro annis Praemonstratensis Ordinis, quarum Fratres et Episcopi hanc ipsam religionem et habitu, et Regula semper fuerunt professi. Anno autem praenotato dispensatione Julii Papae secundi ambo Pontifices cum Fratribus suis ab ordine Praemonstratensi recedentes facti sunt sine Regula Canonici saeculares, qui ut verisimiliter timendum est, vita et moribus interius nunquam extiterunt spirituales. Enim vero mihi persuasum est penitus, verum et bonum Claustralem, quam diu est bonus et verus, ordinem suum, quem professus est, non posse deserere, quem si deserat, nec bonus est nec verus. Zu dem Sponheimer Abt, der sich vom September 1505 bis zum Mai 1506 in der Mark Brandenburg als Gast des Kurfilrsten Joachim I. aufhielt, vgl. K. Amold, Johannes Trithemius 1462-1516, Würzburg 1971, bes. 204-208. Die Kritik des reformorientierten Abtes an den märkischen Prämonstratensern scheint auch in der Bevölkerung weit verbreitet gewesen zu sein. Noch in Zeugenverhören der Jahre 1563 und 1564 anläßlich der umstrittenen Reichsstandschaft der Bistümer Brandenburg und Havelberg erinnerte man sich, daß man sie "verlauffene Monniche geheissen" habe; s. Geheimes Staatsarchiv Berlin (= GSTA), HA I, Rep. 17, Nr. 2 b, fol. 441'; vgl. auch (ohne genaue Quellenangabe) G W. v. Raumer, Die Unterordnung der Bischöfe von Brandenburg, Havelberg und Lebus unter die Landeshoheit der Churfilrsten von Brandenburg, Märkische Forschungen 1 (1841) 44-55, hier 49. 2 Die Transrnutation ist bislang nicht Gegenstand einer speziellen Abhandlung ge-

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vor dem Vaterabt gegenwärtiger deutscher Ordens forschung auszubreiten, sei mit wenigen groben Strichen skizziert, wie es überhaupt dazu kam, daß Havelberg und Brandenburg (und Ratzeburg) Prämonstratenser-Domkapitel hatten, wie sich deren Verortung im Gesamtorden und speziell in der sächsischen Zirkarie gestaltete und welche Rolle sie im kirchlichen und politischen Geruge der Mark spielten. Der erste, die Voraussetzung rur alles Folgende schaffende Anstoß ging bekanntlich vom Ordensgründer, Norbert von Xanten,3 selbst aus: Ein Anstoß, der dazu verfUhren könnte, das mit der Transrnutation zu Beginn des 16. Jahrhunderts besiegelte Ende der Prämonstratenser Domkapitel in schmerzliche Parallele zu setzen zur reform- und besserungsbegründeten Einpflanzung der als pauperes Christi bezeichneten Ordensbrüder in das Norbert unterstehende Erzbistum Magdeburg. Er hat ja die bisherigen Mitglieder des Kollegiatstiftes Unserer Lieben Frauen am Stadtrand von Magdeburg zum Verlassen ihrer Kirche genötigt und 1129 das Gotteshaus sowie 1130 auch das daneben gelegene Hospital den Prämonstratensern mit nachträglicher päpstlicher Zustimmung übertragen. 4 Verhältnismäßig rasch gerieten die Bistümer Brandenburg und Havelberg in das Blickfeld und in den Aufgabenbereich der Magdeburger Prämonstratenser. worden, hat aber in größeren oder anders akzentuierten Arbeiten schon häufig Berücksichtigung gefunden. Die ältere Literatur findet sich bei: Das Bistum Brandenburg 1, bearb. v. G Abb / G Wentz (Germania Sacra 1/1,1), Berlin 1929, ND 1963 und G Wentz, Das Bistum Havelberg (Germania Sacra 1/2), Berlin 1933, ND 1963. Aus den im Umfeld von Kaspar Elm vorgelegten Studien sei verwiesen auf Fescher, Landesherr und Reformen in brandenburgischen Prämonstratenserklöstern, in: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, hg. v. K. Elm (Berliner Historische Studien 14 - Ordensstudien 6), Berlin 1989,515-519 und besonders auf A. Wigger, Vom Chordienst zur Regierungswerkstatt. Brandenburger Prälaten als Gehilfen fiir das Kirchenregiment der Hohenzollem vor der Reformation, Wichmann-Jb. NF 4 (1996/97) 94-127. Zum Rahmenthema "landesherrliches Kirchenregiment" vgl. auch die Literaturhinweise bei D. Kurze, Mittelalter (wie Anm. 10), Anm. 150. Hilfreich fiir die einzelnen geistlichen Einrichtungen (bis 1988) auch U. Creutz, Bibliographie der ehemaligen Klöster und Stifte im Bereich des Bistums Berlin, des Bischöflichen Amtes Schwerin und angrenzender Gebiete (Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte 26), 2Leipzig 1988. 3 Aus der Literaturflut über Norbert von Xanten seien herausgehoben: Norbert von Xanten. Adliger, Ordensstifter, Kirchenfiirst, hg. v. K. Elm, Köln 1984 (dort vor allem die Beiträge von F J FeIten und B. Schwineköper, jeweils mit der älteren Literatur). Zuletzt (sehr knapp) L. Horstkötter, Norbert von Xanten (t 1134), erst Ordensmann, dann Erzbischof von Magdeburg, in: Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg. Stift, Pädagogium, Museum, Magdeburg 1995,43-49. 4 UB des Klosters Unser Lieben Frauen zu Magdeburg, hg. v. G Hertel (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen 10), Halle 1878 (künftig: UBULFr), 3-5, Nr. 3, 4 und 5. Zum Kloster Unser Lieben Frauen zuletzt: Premontre des Ostens. Das Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg vom 11. bis 17. Jahrhundert, Magdeburg 1996, dort 169-172 nützliche Bibliographie.

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Der brandenburgische (Exil-)Bischof Ludolf bezeugte die Hospitalübertragung des Jahres 1130 und gab dem Propst des Liebfrauenstiftes, Wigger, 1136 Verrugungsgewalt über die in seiner Diözese wirkenden Brüder. 5 Wigger machte Leitzkau zur ersten ostelbischen Prämonstratenserniederlassung und steht mit seiner Wahl und Weihe zum Bischof von Brandenburg im Jahr 1138 am Anfang der langen, mit Joachim von Bredow bzw. Hieronymus Schultz schließlich endenden Reihe brandenburgischer Bischöfe aus dem Prämonstratenserorden. Wiggers Nachfolger WiImar (c. 1161-1173), zuvor Propst in Leitzkau, erhob den Leitzkauer Tochterkonvent im brandenburgischen Parduin zum Domkapitel und veranlaßte dessen Übersiedlung auf die Dominsel (1165). 6 Noch frUher als fiir Brandenburg und unter unmittelbarer Beteiligung Norberts fiel die Entscheidung fiir Havelberg. Schon einige Monate bevor der Erzbischof Unser Lieben Frauen seinen Ordensbrüdern zuwies, weihte er 1129 AnseIm zum Bischof von Havelberg, der sich 1144 an der Gründung des Prämonstratenserstifts Jerichow beteiligte und 1149/50 ein ordentliches Domkapitel einrichtete.? Das dritte in unseren weiteren Interessenhorizont gehörende Prämonstratenser-Bistum war Ratzeburg, auf dessen Kathedra Heinrich der Löwe den Propst von Unserer Lieben Frauen in Magdeburg - Evennod (1154-1179) - berief und dessen nach der Augustinerregel und dem Habitus der Prämonstratenserbrüder eingerichteten Domkapitel Papst Hadrian 11. im Januar 1158 auf ewige Zeiten bestätigte und mit dem Bischofswahlrecht begabte. 8 Ratzeburg gehörte nicht zur Kirchenprovinz Magdeburg, sondern zur Erzdiözese HamburglBremen. Um so gewichtiger und überzeugender erscheint die Begründung des Welfenherzogs, warum er ausgerechnet Prämonstratenser heranzog. In seiner - allerdings verunechteten - Bestätigungsurkunde rur das Bistum vom Jahr 1158 werden nämlich die Christianisierungs- bzw. Missionierungsaufgabe und die besondere Eignung der Prämonstratenser, bei denen Verkündigung und eigenes Leben nicht im Widerspruch stehen, herausgestrichen. 9 5 UBULFr (wie Anm. 4), 7f., Nr. 8. Zu Wigger vgl. Abb / Wentz, Das Bistum Brandenburg (wie Anm. 2), 24f., besonders aber H-D. Kahl, Slawen und Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des zwölften Jahrhunderts, 2 Bde. [mit durchgehender Seitenzählung] (Mitteldeutsche Forschungen 30/1,2), Köln - Graz 1964, 124-185 und 409-416. 6 Vgl. Abb / Wentz, 25f.; Kahl (wie Anm. 5), 397-405. 7 Zu Anselm zuletzt J T Lees, Anselm of Havelberg, Deeds into Words in the Twelfth Century, Leiden - New York - Köln 1998. 8 Mecklenburgisches UB I, Schwerin 1863, 52-54, Nr. 62. Eine ähnliche Papsturkunde von 1196 Juni 11 für Brandenburg bei K. Dolista, Einige Urkunden aus dem Brandenburger Domstiftsarchiv, Analecta Praemonstratensia 57 (1981) 157-172, 157163, Nr. I. 9 Die Urkunden Heinrichs des Löwen, Herzogs von Sachsen und Bayern, bearb. v. K.

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Zusammenfassend wird man fiir Havelberg, Brandenburg und Ratzeburg festhalten dürfen, daß die Einrichtung dieser drei Prämonstratenser Domstifte gleichsam einem Kairos, einer besonderen Konstellation in der Mitte des 12. Jahrhunderts zu verdanken ist. Es fielen zusammen 1. im Kontext des sog. Wendenkreuzzuges die Rechristianisierung der ost- und nordelbischen Gebiete, d. h. auch: die Notwendigkeit und Chance, nur noch nominell existierende Diözesen wieder zu beleben, und 2. die Translation norbertinischer Reformgesinnung nach Magdeburg - eine Übertragung sowohl in seiner eigenen Person als Erzbischof seit 1126 als auch mittels der Umwandlung des dortigen LiebFrauen-Klosters in ein "Premontre des Ostens". Dieses neue "Premontre" war zwar mit seinen zahlreichen Töchtern keinesweges primär darauf aus, Bischöfe und Domkapitel zu stellen, aber es war doch in der Lage, auch dieser Herausforderung zu genügen. 10

Jordan (MGH Laienfürsten- und Dynastenurkunden der Kaiserzeit 1), Stuttgart 1995 (ND von 1941-1949 und 1957-1960),57-61, Nr. 41; dort 59, Z. 25: ... a cuius verbo reproba vita non discordat. 10 Vgl. D. Kurze, Das Mittelalter. Anflinge und Ausbau der christlichen Kirche in der Mark Brandenburg (bis 1535), in: Tausend Jahre Kirchen in Berlin-Brandenburg, hg. v. G Heinrich, Berlin 1999 (im Druck), bes. Abschnitt C: Siedlung, Mission und Neuaufbau der kirchlichen Organisation im 12. Jahrhundert. Zu anderen Prämonstratenser Domkapiteln. vgl. A. Zak, Episcopatus Ordinis Praemonstratensis, Analeeta Praemonstratensia 4 (1928) 24-84, 173-186,294-311,406-413; 5 (1929) 46-56, 132-147, 239-249. Außer Brandenburg, Havelberg und Ratzeburg nennt Zak für das Mittelalter Börglum, Riga, Semgal1en und Leitomischel. Hinsichtlich der Transrnutationsfrage scheinen nur die Kapitel von Ratzeburg, Brandenburg und Have1berg in einem engeren Sach- und Sinnzusammenhang zu stehen. Zu der weitgehend anders motivierten Habitsveränderung in Riga am Ende des 14. Jahrhunderts vgl. Th. Ka/lmeyer, Geschichte der Habitsveränderungen des Rigischen Domcapitels, Mitteilungen aus (dem Gebiete) der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands 2 (1842) 197-304; weitere Literatur zuletzt bei B. Jähnig, Der Kampf des Deutschen Ordens um die Schutzherrschaft über die livländisehen Bistümer, in: Ritterorden und Kirche im Mittelalter hg. v. Z. H. Nowak (Ordines militares 9), Toru6 1997, 97-111. Besondere Aufinerksarnkeit verdient das zweimal umgewandelte Domkapitel in Kulm. 1264 übernahmen (assumpserunt) die Augustinerchorherren mit Rat und Zustimmung eines päpstlichen Legaten, des zuständigen Bischofs und des Deutschen Ordens ordinem et habitum fratrum hospitalis sancte Marie Theutonicorum, s. UB des Bisthums Culm, bearb. v. C. P. Woelky (Neues Preußisches UB, Westpreußischer Teil 1I/1), Danzig 1884-1887, 49f., Nr. 72, zu 1264 Februar 1. 1466 wurde nach der Besitzergreifung durch Polen im zweiten Thorner Frieden zwischen dem Hochmeister des Deutschen Ordens und dem polnischen König vereinbart, daß das Bistum Kulm der Erzdiözese Gnesen unterstel1t werden sol1te und de regulari in secularem [avore et auctoritate summi pontificis trans[erenda sei: s. Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen im 15. Jahrhundert, hg. v. W. Weise, Bd: 2, Marburg 1955,262-288, Nr. 403, zu 1466 Okt. 19, hier 276 (§ 7). Nur verwiesen werden kann an dieser Stel1e auf die Umwandlung zahlreicher Stifte und Klöster in weltliche Chorherrenstifte als (oppositionel1e) "Begleiterscheinung der Benediktinerreform" des 15. Jahrhunderts, so L. Boehm, Papst Benedikt XII. (1324-1342) als Förderer der Ordensstudien, in: Secundum regulam vivere. Festschrift für P. Norbert Backmund O. Praem., hg. v. G Melville, Windberg 1978, 281-310, hier 305f.

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Die unmittelbare Einbindung unserer Domkapitel in den Gesamtorden war denkbar locker. Zufolge einer Bestimmung aus dem Ende des 13. Jahrhunderts, die 1424 erneuert wurde, hätten die Dompröpste im Rahmen eines Zirkularverfahrens rechnerisch nur etwa alle 50 Jahre zum Generalkapitel nach Premontre reisen müssen. 11 Um so enger war die Zuordnung zur Magdeburger Mutterkirche, deren Zuständigkeits bereich - die sächsische Zirkarie - einem Orden im Orden glich. Alle Pröpste dieser Zirkarie mußten (gemäß der eben schon erwähnten Bestimmung) in einem Dreijahresrhythmus in Magdeburg zu einem Kapitel erscheinen. Dort sollten zwei oder drei diffinitores gewählt werden, die gemeinsam mit dem Propst von Unser Lieben Frauen, dem "Vater des Ordens", verbindliche Dispositionen zur Reform und Förderung des Ordens erließen. An der Spitze der einzelnen Konvente - ob nun Domstift oder nicht - stand jeweils ein Propst. Ähnlich wie zuvor schon die Bischöfe, die sich durch eigenes Tafelgut, eigene Kanzlei und Verwaltung sowie (seit dem frühen 14. Jahrhundert) durch eine eigene, nicht am Kathedralort gelegene Residenz aus der täglichen Gemeinschaft mit ihren Domkapiteln gelöst hatten, aber bei weitem nicht so extrem, erreichten die Pröpste eine gewisse, auch materielle Eigenständigkeit. Aus Havelberg weiß man, daß dort 1281 der Propst eine eigene Kurie besaß und über persönliche Kapläne verfUgte. 12 Im 15. Jahrhundert gab es eine eigene mensa prepositi.1 3 Gottfried Wentz vermutet, daß in Havelberg der Propst an der vita communis, am gemeinsamen Leben der Brüder, von Anfang an nicht teilgenommen hat. 14 Ob nun "von Anfang an" unterschreibbar ist oder nicht, im Prinzip ist seine Annahme, schon im Blick auf die Leitungsfunktionen im Kapitel und als Archidiakon fUr einen großen Teil der Diözese, sehr wahrscheinlich. In der Hierarchie der Ämter folgte dem Propst, der fUr die inneren Angelegenheiten, die vita canonica und den Gottesdienst verantwortliche Prior, weiter dann - wie üblich - der Kellner, Kämmerer, Küster, Kantor / Scholasticus, und der Spitalmeister, deren Aufgaben sich aus ihren Bezeichnungen ergeben. Einige der "normalen" Domherren waren - ganz im Sinne des Ordensgründers und ein-

II UBULFr (wie Anm. 4),143-145, Nr. 159 zu 1295 Juni 6 und 244-248, Nr. 263 zu 1424 Juni 6, jeweils mit weiteren Drucknachweisen. Vgl. jetzt auch 1. Oberste, Visitation und Ordensorganisation. Formen sozialer Normierung, Kontrolle und Kommunikation bei Cisterziensern, Prämonstratensern und Cluniazensern (12. bis frühes 14. Jahrhundert) (Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiösen Lebens im Mittelalter 2), Münster 1996, bes. 226-251 (Problemzonen an der Peripherie des Ordens). 12 UBULFr (wie Anm. 4), 133f., Nr. 149 zu 1281 Okt. 3, ... actum ... in curia domini prepositi Havelbergensis. 13 G Wentz, Eine Pfründenordnung des Havelberger Domkapitels, Jb. für Brandenburgische Kirchengeschichte 26 (1931) 3-7, hier 5. 14 Wentz, Have1berg (wie Anm. 2), 144.

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schlägiger Papstprivilegien - als Pfarrer in den Kathedralstädten oder in kapitelseigenen Kirchen tätig. 15 Wie Ludger Horstkötter in wenigen Sätzen zusammenfaßt, 16 war die Hauptaufgabe der Chorherren, wonach sie ihren Namen trugen, der Dienst im Chor ihrer Stiftskirche. Dort wurde im Mittelalter täglich vom frühen Morgen bis um Mitternacht in sieben bis acht Gottesdiensten das Lob Gottes gesungen. Das nahm an den sechs Wochentagen eine Gesamtzeit von fiinf bis sieben Stunden pro Tag in Anspruch, an Sonn- und Feiertagen noch mehr. Dazu kamen die Sondergottesdienste, wozu man sich bei Stiftungen an die Klostergemeinschaft verpflichtet hatte. Alle im Kloster lebenden Mitglieder mit Ausnahme der Kranken nahmen an den Gottesdiensten teil. Bei einer solchen 50Stundenwoche (mit Dienstzeiten im Drei-Stunden-Rhythmus rund um die Uhr) blieb dem einzelnen weder Freizeit noch Langeweile. Hinzuzuftlgen wäre: Falls er die Ordensregel und seine Gelübde ernst nahm und das Iterative ihm nicht Last und Frust, sondern Kraft und Geborgenheit bedeutete. Das Brandenburger Domkapitel zählte 1435, als es sich in prospero statu befand, einschließlich der Dignitäre dreißig Mitglieder, dazu sechs in seholis und vier laiei eonversi. 17 Da sowohl der Transrnutationsversuch von 1447 als auch die tatsächliche Umwandlung der Prämonstratenserdomstifte in Havelberg und Brandenburg 1506/07 auf die Initiative der markgräflichen Kurftlrsten zurückgingen, sollen i!ll Rahmen dieser einleitenden Erinnerung auch noch einige Bemerkungen über das Verhältnis der Domstifte zu den Markgrafen bis in den Beginn des 15. Jahrhunderts Platz fmden. Es scheint so - sehr verkürzt ausgedrückt -, als ob eine, in der Mitte des 12. Jahrhunderts wohl unvermeidliche und alternativlose Konstruktions- oder Konzeptionseigentümlichkeit bei der Entstehung der Mark Brandenburg und dem Wiederaufbau der Bistümer Havelberg und Brandenburg die Beziehungen zwischen den Bischöfen und Domkapiteln einerseits und den Markgrafen andererseits prägte und bis in das Reformationsjahrhundert virulent blieb: das Nebeneinanderbestehen und Miteinanderumgehenmüssen der Markgrafschaft und 15 Belege bei Abb / Wentz, Das Bistum Brandenburg und Wentz, Havelberg (beide wie Anm. 2) jeweils in den Listen der Domkapitulare. Für Brandenburg vgl. auch W Dannenberg, Entwicklungsgeschichte des regulierten Prämonstratenser-Domkapitels von Brandenburg, Greifswald 1912, 108-112. Für Ratzeburg stellt Bernhöft. Prämonstratenser Domstift Ratzeburg (wie Anm. 35).26, im 15. Jahrhundert ein starkes Nachlassen dieser Tätigkeit bei den Domherren fest. 16 L. Horstkötter, Die religiöse Welt der Chorherren, in: Premontre des Ostens (wie Anm.4), 135-137. 17 So in einer Turrnknopfurkunde, ediert von A. Wigger, Stephan Bodeker O. Praem., Bischof von Brandenburg (1421-1459). Leben, Wirken und ausgewählte Werke (Europäische Hochschulschriften I1I/532), Frankfurt a. M. u. a. 1992, 203-206, hier 206.

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der ebenfalls ursprünglich reichsunmittelbaren Hochstifte in einem sich großenteils deckenden oder überschneidenden Herrschaftsraum. Die Markgrafen haben auf drei Hauptwegen versucht, ihre Interessen zu verwirklichen. 1. Durch Einschränkung und Behinderung bischöflicher und domkapitularischer Kompetenzen bei gleichzeitiger Förderung anderer geistlicher Institutionen (wie Klöster, Säkularstifte, Archidiakonate). 2. Durch Ausdehnung der Hoheitsgerechtsame (z. B. Gerichtsbarkeit, Bede und Ablager) in den Stiftsgebieten. 3. Durch Einflußnahme auf die Bischofswahlen und die Zusammensetzung der Kapitel sowie durch Einbindung des Episkopats und des Stiftsklerus in die Verfassungs-, Verwaltungs- und Verantwortungsstruktur der Markgrafschaft. Bekannte Beispiele fiir die Anwendung dieser Methoden, die auch lediglich zu halben Erfolgen oder gar zu zeitweiligen Niederlagen fuhren konnten, sind zu 1: der sog. Zehntstreit der Jahre 1209-1237/38 und zu 2: die mit den Sühnevereinbarungen von 1305 abgeschlossenen Auseinandersetzungen. 18 Daß die (meisten) Bischöfe von Brandenburg und Havelberg und die Kapitelherren dem Prämonstratenserorden angehörten, hat bis in das zweite Drittel des 15. Jahrhunderts bei der Gestaltung der geistlich-weltlichen Beziehungen keine erkennbare Rolle gespielt. Das änderte sich erst unter den Hohenzollern, die im Zuge ihrer zeittypisch intensivierten landesherrlichen Kirchenpolitik auch die Havelberger und Brandenburger Prämonstratenser-Domstifte in SäkularKanoniker-Domkapitel umgewandelt sehen wollten. Für den ersten Versuch ist die wichtigste Quelle das von Papst Eugen IV. am 5. Februar 1447 (zweieinhalb Wochen vor seinem Tod) erteilte und am 10. September desselben Jahres von Nikolaus V. transsumierte Privileg "Ex superne" . 19 Es gehört zusammen mit mehr als zwanzig anderen Vergünstigungen und Zusagen zu jenem Privilegienbündel, das die beiden Päpste zwischen dem 2. Januar und dem 10. September 1447 (mit einem Nachschlag vom 5. Juni 1448) den Hohenzollern gewähren mußten, um Friedrichs 11. Aufgabe seiner kurfiirstlichen Neutralität zu honorieren. "Ex superne" war also nur die - zudem unter Vorbehalt - gegebene Erfilllung eines unter vielen markgräflichen Wünschen. Und wenn man die anderen Privilegien vergleichend hinzuzieht, wird man ihm kaum herausragende Priorität zubilligen können. Höherer unmittelbarer Nutzen und dementsprechend größeres Gewicht kamen gewiß dem Recht zu, die Bi18 Vgl. Kurze, Das Mittelalter (wie Anm. 10), Abschnitt D (Ausdehnung und Ausbau der Mark bis zum Ende der Askanierzeit, Die Bistümer). 19 B. Hennig, Die Kirchenpolitik der älteren Hohenzollem in der Mark Brandenburg und die päpstlichen Privilegien des Jahres 1447 (Veröffentlichungen des Vereins rur Geschichte der Mark Brandenburg [4]), Leipzig 1906, 214ff. Zur Überlieferung und Datierung Riedel und andere zu Recht kritisierend, 226-229, Nr. 5: Edition der Bulle Eugens IV.; 236f., Nr. 15: Erneuerung und Transsumpt durch Nikolaus V. Die Angaben bei Hennig sind jetzt zu ergänzen durch Repertorium Germanicum 6, Tübingen 1985, 60f. Nr. 568 und 172f. Nr. 1259. 45 Festschrift E1m

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schöfe von Brandenburg, Havelberg und Lebus zu seinen Lebzeiten sowie einmalig die Pröpste und zwei Domherren von Lebus zu nominieren; weiter: der Übertragung von filnf Patronaten im Kollegiatstift zu Stendal, der (erneuten) Exemtion des Stiftes in Tangermünde, dem Verbot der geistlichen Gerichtsbarkeit über märkische Untertanen in allen Zivil- und Kriminalsachen und der Absicherung der Verehrung des Heiligen Blutes von Wilsnack. 2o Vor der Überlegung oder Nachvollziehung früherer Erwägungen darüber, welche Interessen den KurfUrsten bei seinem Transmutationsantrag geleitet haben können, sei erst einmal "Ex superne" vorgestellt und sein Inhalt gerafft wiedergegeben. Adressat des Mandats ist der Bischof von Lebus, damals Johann von Dehr (1444-1454), mithin der Inhaber der dritten Kathedra auf märkischem Boden, dessen Domkapitel jedoch im Gegensatz zu Havelberg und Brandenburg keiner Ordensgemeinschaft angehörte. Einen im Sinne des KurfUrsten "bequemeren" Auftragsempfiinger konnten die Päpste wohl kaum fmden. 21 Auf die Adresse folgt die Arenga, die die Rechtsgrundlage der möglichen Transmutation skizziert. Sie ist nicht originell, aber doch fUr unser Thema bedeutungsvoll: Aus göttlicher Voraussicht (Ex superne providentia maiestatis) sei der römische Pontifex auf die Höhe der apostolischen Würde erhoben, und er habe sich sorgfältig um das Wohl aller ihm anvertrauten Kirchen, insbesondere der Kathedralkirchen (cathedralium ecclesiarum) zu kümmern und deshalb nach Bedarf auch deren Status zu ändern (statum alterat et commutat). Sodann wird (wie üblich) die Bitte des Brandenburger Markgrafen und ihre Begründung referiert: Weil die Prämonstratenser-Domherren in Brandenburg und Havelberg nicht unter Beachtung ihrer Ordensregel lebten (ipsius ordinis regulari observantia non vivunt), und aus gewissen anderen Gründen sei es zu Vermehrung des göttlichen Kults und um des Seelenheils der Christen in den Städten Brandenburg und Havelberg willen höchst dringlich, daß dort der Orden aufgehoben bzw. ausgelöscht werde (extinguetur penitus et supprimetur) und Säkularkanoniker wie in den benachbarten Kathedralkirchen eingesetzt würden (instituerentur). Der Markgrafhabe versichert, daß die genannten Städte seiner weltlichen Herrschaft unterstünden (prefatas civitates eius temporali dominio subesse), und gebeten, eine geeignete Lösung herbeizufilhren. Dieser Narratio folgt das eigentliche Mandat an den Bischof von Lebus: Er, der Papst, sei geneigt, dem Antrag zuzustimmen, habe jedoch keine sichere Kenntnis über die tatsächlichen Gegebenheiten (de premissis certam notitiam non habemus). Wenn es so sei, wie dargelegt (si est ita), was festzustellen er der Gewissenhaftigkeit (conscientiam) des Ausfilhrlich dazu Hennig, Kirchenpolitik der älteren Hohenzollem (wie Anm. 19). Vgl. S. W. Wohlbrück, Geschichte des ehemaligen Bisthums Lebus und des Landes dieses Nahmens, 3 Bde., Berlin 1829-1832,11, 149-152; H. Teichmann, Von Lebus nach Fürstenwalde. Kurze Geschichte des mittelalterlichen Bistums Lebus 11241558/98, Leipzig 1991, 60f. (mit irriger Datierung des päpstlichen Auftrags zu 1446); J. Kopiec, Deher, Johannes von, in: Die Bischöfe (wie Anm. 37), 123. 20

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Bischofs aufbürdet, solle er die erbetene Umwandlung der beiden Domkapitel durchfUhren. Die hinzugefilgten differenzierten Durchfilhrungsmodalitäten sind wohl aus der Supplik Friedrichs 11. übernommen: Die bisherigen Prämonstratenser-Domherren Brandenburgs und Havelbergs sollten versetzt werden in das (Prämonstratenser-)Stift Beate Marie Virginis auf dem nahe bei der Altstadt Brandenburg gelegenen Berg, wo die Observanz beachtet werde (in quo regularis observantia viget), beziehungsweise nach Wilsnack in der Diözese Havelberg, wo der Markgraf ein entsprechendes Stift zu gründen vorhabe. An ihre Stelle sollten Weltgeistliche (persone seculares ecclesiastice) treten, und zwar so, daß der Bischof oder von ihm Beauftragte den Personen, die der Markgraf dazu nominierte, die Kanonikate, Präbenden, Würden usw. zu übertragen hatten. Da lag offenbar, wenn nicht alles täuscht, der Hase im Pfeffer. Der Hohenzoller wollte Domkapitel mit Mitgliedern nach seinem Geschmack. Bislang hatten sich die Prämonstratenser statutengemäß im wesentlichen selbst ergänzt und die Übertragung der Stiftsämter, falls nicht päpstliche Provisionen Schwierigkeiten bereiteten, eigenständig vorgenommen, wobei die Rücksicht auf markgräfliche WUnsche wohl kaum größer war als die familiären Bindungen an den benachbarten Adel. Nicht alle Fragen, die das päpstliche Mandat aufwirft, sind beantwortet mit der Feststellung, daß Friedrichs H. Transmutationskonzept gut hineinpaßt in eine Strategie zur Gewinnung möglichst umfassender landesherrlicher Kirchenherrschaft, die nur durch Kumulation vieler Teilkompetenzen erreichbar war und 1446/47 die Chancen päpstlicher Nachgiebigkeit nutzen mußte. Es bleibt zunächst die Frage, mit der der Papst auch das Gewissen des Lebuser Bischofs belastete: si est ita? Waren die Verhältnisse in den nichtobservanten Prämonstratenser-Domkapiteln in Brandenburg und Havelberg so, daß infolge der Umsetzung der Gottesdienst vermehrt und dem Seelenheil der Brandenburger und Havelberger Einwohner genützt wUrde? Hätte es nicht gereicht, die Domherren in die Observanz zu zwingen? Und welche, vielleicht schon länger geplante Rolle war dem observanten Stift auf dem Harlunger Berg zugedacht? Antworten lassen sich - abgesehen von einer PfrUndenordnung des Havelberger Domkapitels aus dem 15. Jahrhundert, die sehr deutlich die Einhaltung der Prämonstratenserregel bezeugt, aber als Argument nur schwer heranziehbar ist, weil eine präzise zeitliche Zuordnung noch aussteht22 - lediglich in der Brandenburger Überlieferung finden. Es scheint, als seien die von Friedrich H. bzw. seinen diplomatischen Beratern aufgestellten Behauptungen mit ziemlicher Raffinesse formuliert worden. Mit dem Hinweis auf die Observanz, der sich die Domkapitel in Brandenburg und Havelberg wie auch in Ratzeburg nicht angeschlossen hatten, konnte man reformerische Gesinnung demonstrieren und die Domherren gleichsam in eine Falle laufen lassen. Hätten sie sich nämlich zur 22

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Wentz, Pfründenordnung (wie Anm. 13).

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Observanz bequemt, wäre zwar das ohnehin nicht geringe liturgische Ptlichtpensum noch vergrößert und damit der cultus divini vermehrt, die domkapitularischen und seelsorgerlichen Aufgaben jedoch erschwert worden. Das Stift auf dem Harlunger Berg, zunächst - 1435 - vom Kurfilrst Friedrich 1. als eine Art Dependance zu den Prämonstratensern auf der Dominsel gegründet, ist unter Friedrich 11. gefurdert und zu größerer Selbständigkeit (seit 1443 ein eigener Propst!) gefiihrt worden. 23 Die von Hennig geäußerte Vermutung, dieser Kurfilrst habe damit "von langer Hand" die Aufhebung der PrämonstratenserDomkapitel "vorbereitet", ist zumindest nicht abwegig. 24 Einem widerspruchsfreiem Verständnis des Transrnutationsvorhabens von 1446/47 stellt sich schließlich die Person des vom Papst 1421 providierten und von 1427 bis Ende 1447 amtierenden Brandenburger Dompropstes Peter von Klitzing in den Weg. 25 Als gelehrter Rat hat er sich erst von Friedrich 1. und so dann von Friedrich 11. in einem ungewöhnlichen und mit seinen Propstaufgaben schon aus zeitlichen Gründen kaum zu vereinbarenden Maß in Dienst nehmen lassen und das Marienstift auf dem Berge so nachhaltig gefördert, daß man in ihm die Erfüllung markgrätlicher Wünsche, einen de facta schon transmutierten Dornherm sehen könnte. Andererseits hat er aber auch seinem Kapitel mit reichlichen Schenkungen geholfen,26 was schlecht zu einer Art Komplizenschaft mit dem Landesherm bei dessen Umwandlungsplänen passen will. Hat Peter von Klitzing auf zwei Schultern getragen, oder ist er von Friedrich 11. ausmanövriert worden? Wie dem auch sei - die Ablösung der Prämonstratenser durch Säkularkanoniker scheiterte vorerst am Widerstand der Brandenburger und Havelberger Bischöfe und ihrer Domkapitel, vielleicht auch an der gespaltenen Zunge Papst Nikolaus' v., falls es diesem bewußt war, was am selben Tag unter seinem Namen an der Kurie beschieden wurde. Er hat nämlich schon am 10. September 1447 nicht nur das Mandat seines Vorgängers betreffend den Transrnutationsantrag transsumiert, sondern auch einer Schutzbitte von Bischof, Propst und Kapitel ecclesie Havelbergensis, ordinis Premonstratensis stattgegeben?? Sechs 23 Abb / Wentz, Das Bistum Brandenburg (wie Anm. 2), 197-210; weitere Literatur bei Creutz, Bibliographie (wie Anm. 2), 53-56; neuester Forschungsstand bei G See baeher, Kirche und Stift St. Marien auf dem Harlunger Berge bei Brandenburg, ungedruckte Staatsexamensarbeit, Freie Universität Berlin 1996. 24 Hennig, Kirchenpolitik der älteren Hohenzollern (wie Anm. 19), 62. 25 Zu Peter von Klitzingjetzt ausfilhrlich Wigger, Chordienst (wie Anm. 2). 26 Allerdings schon am 25. Oktober 1440; vg\. Cod. dip\. Brandenburgensis, hg. v. A. FRiede!, 41 Bde., Berlin 1838-1869 (zukünftig: Riede!), A VIII, 410f., Nr. 452; Wigger, Chordienst (wie Anm. 2), 116. 27 Riedel (wie Anm. 26), A III, 447f., Nr. 180; Regest bei Hennig, Kirchenpolitik der älteren Hohenzollern (wie Anm. 19), 238, Nr. 19; benutzte Formel der römischen Schreiber bei M. Tangl, Die päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200-1500, Innsbruck 1894, ND Aalen 1959,321-324, Nr. 129.

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Wochen später erhielten die Diözesane von Brandenburg und Havelberg - zur Beruhigung oder zum Trost? - den erbetenen Indult, sich von einem frei zu erwählenden Beichtvater einmal im Leben und einmal in Todesgefahr die Generalabsolution erteilen zu lassen. 28 Ein entsprechendes Privileg erteilte Nikolaus V. am 4. Februar 1450 allen Mitgliedern des Prämonstratenserordens. Es ist u. a. auch nach Brandenburg in einer die Bulle inserierenden Erlaubnis des Abts von Premontre vom 11. Okt. 1460 gelangt.29 Mit einem - immerhin ein halbes Jahrhundert lang haltenden - Riegel hat Papst Nikolaus sodann am 22. Januar 1452 die Tür zur Umwandlung der Domstifte verschlossen. Es erging an den Bischof von Havelberg das Mandat, die Gelübde und Gewohnheiten der Prämonstratenser Domherren von Brandenburg, so wie sie von Bischof, Propst, Prior und Kanonikern dargelegt seien, kraft päpstlicher Vollmacht anzuerkennen und zu bestätigen. 30 Der Text wird wiederum relativ ausfiihrlieh referiert, weil er - wenn auch normativ - einiges zur Veranschaulichung prämonstratensischen Lebens auf der Brandenburger Dominsel beiträgt. Schon der erste Satz nach der Adresse klingt wie eine scharfe Replik auf die Unterstellungen Friedrichs 1I. von 1446 (frei übersetzt): "Der Eifer der heiligen Frömmigkeit (religio), mit dem unsere geliebten Söhne, Propst, Prior und Kanoniker des Prämonstratenser Ordens der brandenburgischen Kirche unter Abweisung weltlicher Verlockungen dem Allerhöchsten untertänig, fleißig und demütig dienen, verdient ehrenvolle Anerkennung, so daß wir ihren Wünschen, die sie vernünftigerweise an uns richten, gerne zustimmen". Keine Rede also von mangelnder Observanz oder gar Aufhebung des Kapitels. Es folgt die Darlegung der Gewohnheiten, die nun aber in der Tat den strengen Ordensregeln nicht in allem entsprechen. Es seien zunächst die "observanten" Lebensformen herausgefiltert: Gemeinsame mensa capitularis; gemeinsame Mahlzeiten mit heiligen Lesungen und Verbot nichtiger Unterhaltung (vana confabulatio); Schlafen im gemeinsamen Dormitorium (mit schweren Strafen bei Ungehorsam); Verlassen des Kirchengeländes nur mit spezieller Erlaubnis und in geziemender Begleitung. Nun die den wichtigen prämonstratensischen Grundsatz der Gemeinsamkeit sprengende und die Individualisierung einleitende, angeblich seit alters her bestehende Gewohnheit, daß einzelne (singuli) Kanoniker - freilich nur mit ausdrücklicher Zustimmung ihrer Vorgesetzten - Präsenzgelder fiir die Teilnahme an Gottesdiensten erhalten. Begründet wird dies damit, daß aus der gemeinsamen Kasse die Unkosten fiir Bekleidung und Bettzeug (de vestita et lectisterniis) nicht bestritten werden können. Der 28 Riedel (wie Anm. 26), A VIII, 413f., Nr. 168; Regest bei Hennig, Kirchenpolitik der älteren Hohenzollem (wie Anm. 19), 256f., Nr. 31; vgl. auch Wigger, Bodeker (wie Anm. 17), 66. 29 Dolista, Urkunden (wie Anm. 8), 168-172, Nr. 4 und 5. 30 Aus den auch mir verfilmt vorliegenden Registra Lateranensia 474, fol. 239 r , hg. v. Wigger, Bodeker (wie Anm. 17), 177f.

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Habit soll dezent sein, und zwar ebenso wie in verschiedenen anderen Kirchen und Klöstern dieses Ordens innerhalb der Kirchen- und Klostergebäude weiß, sonst gelblich (flavei coloris, in Wirklichkeit wohl blau).31 Die brandenburgischen Markgrafen scheinen die Ohrfeige von 1452 weggesteckt und die weitere Existenz von Prämonstratenser Domkapiteln vorerst hingenommen zu haben, ohne darüber ihr Ziel - den Ausbau des landesherrlichen Kirchenregiments - aus den Augen zu verlieren, gab es doch genügend andere Wege und Möglichkeiten, um voranzukommen: Einflußnahme auf die Bischofswahlen, Förderung und Errichtung anderer Säkularstifte (Stendal, Tangennünde, Soldin und vor allem bei ihrer Cöllner Residenz), ZurUckdrängung der geistlichen Gerichtsbarkeit bei gleichzeitigem Ausbau der weltlichen Jurisdiktion, Beanspruchung von Bischöfen, Äbten und Pröpsten als Räte usw. 32 31 Die Edition durch Wigger ist an dieser Stelle zu korrigieren. Es muß heißen: .. , ac decenti habitu, quem ad instar diversarum ecclesiarum aliarum et monasteriorum ipsius ordinis, videlicet intra albi [statt intra alibi, wie allerdings auch im päpstlichen Register zu lesen ist] et extra ecclesiam ipsam et eius claustrum flavei coloris deferunt ... - Ich halte flavei für ein Mißverständnis des römischen Schreibers. In der eingereichten Supplik müßte korrekterweise blavii gestanden haben. Der blaue Mantel der Domherren war nicht erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts ihr im Zusammenhang mit der Transmutation wiederholt genanntes Merkmal (vgl. unten Anm. 50). Aus der Mitte des 15. Jahrhunderts berichtet Johannes Busch, man habe in der sächsischen Zirkarie gemeint, der blaue Habit (habitum sicarie blavium) sei seit der Zeit des Ordensgründers Norbert getragen worden, jetzt aber sei der weiße Habit, der in Premontre immer angelegt wurde, Kennzeichen für die reformierten, also observanten Prämonstratenser des zu Unser Lieben Frauen in Magdeburg gehörenden Ordenszweiges; vgl. "Des Augustinerpropstes Johannes Busch Chronicon Windeshemense" und "Liber de reformatione monasteriorum", bearb. v. H. Grube (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen 19), Halle 1886, bes. 513 sowie 505 und 514 (aus dem "Liber"). Bei dieser Gelegenheit sei auch angemerkt, daß der von Busch, 510 erwähnte ... De Wittenborch ... Henricum clericum post prepositum in Brandeborch in ordine premonstratensium nicht Dompropst war, sondern in St. Marien auf dem Harlunger Berg bei Brandenburg saß; bislang einziger Beleg zum 11. Oktober 1448: Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdarn, Br. Pr. Rep. lOb, Nr. 8; für ein maschinenschriftliches ausführliches Regest danke ich Herrn Domarchivar Schößler (Brandenburg); vgl. auch Wigger, Chordienst (wie Anm. 2), 100, Anm. 36 (mit irriger Tagesangabe, 28. Februar). Am 3. Juli verbot Nikolaus von Kues als päpstlicher Legat von Halberstadt die blaue Farbe: et uniformitas albi habitus ac morum in vestro ordine ubique observetur, ita quod nemo ex vobis deinceps in cappa, mitra aut capucio blavei coloris incedere presumat, omnibus dispensacionibus in contrarium forsan concessis ac consuetudinibus non obstantibus, quas omnes tenore presencium revocamus et irritas descernimus (K. Dolista, Acta capitulorum triennalium et annalium circariae Saxoniae ordinis Praemonstratensis inde ab anno 1466 usque ad annum 1516, Analecta Praemonstratensia 51-54 (1975.1978) 113-117, hier: 115. Gleichwohl erhielt am 1. April 1462 das Ratzburger Domkapitel die päpstliche Erlaubnis, mantellos blavii coloris deferre (Repertorium Germanicum 8, Tübingen 1993, 704, Nr. 5052). Ebd. 756, Nr. 5447: päpstliches Indult für Brandenburg deferendi mantellum albi (!) coloris von ca. 1460 (ohne Datum) ist nur als Kurzregest überliefert (freundliche Mitteilung M. Marsch, Rom) und insofern kaum interpretierbar. 32 Vgl. Kurze, Mittelalter (wie Anm. 10) (im Abschnitt E, Kap. Landesherrschaft und Kirche (z. zt. der Hohenzollern» mit der dort angegebenen Literatur. Escher, Landes-

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Ein erstes Anzeichen dafUr, daß die märkischen Prämonstratenser um die Haltekraft des Riegels von 1452 bangen mußten, fmdet sich in der im November 1503 von Papst Julius 11. genehmigten Supplik des Havelberger Domkapitels auf Beibehaltung und Billigung der bisherigen consuetudo. Der im Anhang mitgeteilte, bislang nur durch ein knappes Regest von Wentz33 bekannte Text ist hinsichtlich der Präsenzgelder, der Farbe der Kleidung, der gemeinsamen Mahlzeiten, des Dormitoriums und der Klausurbestimmungen weithin wortgleich mit dem Mandat Nikolaus V. fUr Brandenburg. Und wenn es heißt, der Papst konzediere die Gewohnheiten de novo, so kann man daraus schließen, daß die Havelberger auch schon (vielleicht) 1452 berücksichtigt wurden. Eine Aktualisierung gegenüber den Verhältnissen um die Mitte des 15. Jahrhunderts ist vornehmlich darin zu sehen, daß bei der Rechtfertigung der Präsenzgelder nicht nur auf die Bekleidung und die Bettwäsche der Kanoniker verwiesen wird, sondern auch auf die Beherbergung und Beköstigung von Armen und anderen ehrenwerten Personen (pauperum et aliarum honestarum personarum ), womit recht dezent die Last des Ablagers, also der Forderungen nach Beherbergung und Beköstigung der Hohenzollern und ihrer Begleitung sowie nach Zurverftigungstellung von Helfern, Wagen, Pferden usw. kritisiert wurde. 34 Anders als 1452 hat das päpstliche Schreiben von 1503 die Aufhebung und Umwandlung der märkischen Prämonstratenser Domkapitel nicht verhindern oder aufschieben können: 1506/07 war ihr Schicksal besiegelt. Die Idee, die Transmutationskarte erneut auszuspielen, ist Joachim I. und seinen Beratern vermutlich gekommen, als ihnen die Aufhebung und Umwandlung des Ratzeburger Domkapitels zeigte, daß nunmehr die Zeit fUr eine solche Maßnahme reif war und es einen Präzedenzfall in der unmittelbaren Nachbarschaft gab. Es gilt mithin, kurz über den Tellerrand brandenburgischer Geschichte hinauszublicken, wie es auch der KurfUrst getan hat. 35

herr und Reformen (wie Anm. 2), 518f. verweist besonders darauf, daß der Kurfilrst ja Säkularkanoniker des Bistums Lebus in seinem Dienst bepfründen konnte. 33 G Wentz, Regesten aus dem Vaticanischen Archiv zur Kirchengeschichte der Mark Brandenburg und angrenzender Gebiete im Bereich der Diözesen Brandenburg und Havelberg 2: 1501-1540, Jb. rur Brandenburgische Kirchengeschichte 27 (1932) 319, hier 5, Nr. 61. 34 Vgl. E. v. Moeller, Ablager, in: Deutsches Rechtswörterbuch I (1914), 144. Unter diesem Stichwort keine Artikel im LexMA, TRE, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte u.a.m. 35 Zu Ratzeburg knapp, aber am quellennächsten H. Bernhöjt, Das Prämonstratenser Domstift Ratzeburg im Mittelalter. Verfassung, Ständisches, Bildung, Ratzeburg 1932; immer noch nützlich C. M. C. Masch, Geschichte des Bistums Ratzeburg, Lübeck 1835; P. v. Kobbe, Geschichte und Landesbeschreibung des Herzogthums Lauenburg, 3 Bde., Altona 1836-1837; Fr. W. J Riekmann, Die Domkirche zu Ratzeburg in geschichtlicher, architectonischer und monumentaler Beziehung, Ratzeburg 1861; 0. Kähler, Zur Geschichte des Bistums und Doms zu Ratzeburg, in: Zs. der Gesellschaft rur Schleswig-

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Ratzeburg lag auf dem Gebiet des Herzogs von Sachsen-Lauenburg. Die Diözese Ratzeburg umfaßte jedoch auch - ebenso wie die Bistümer Kammin und Havelberg - große Teile des Herzogtums Mecklenburg. Zu beiden Herzogtümern hatten die Hohenzollern engste Verbindungen, und in der sog. landesherrlichen Kirchenpolitik - bevormundend, ausbeutend, aber auch fiirsorgend standen die eher noch rabiateren Mecklenburger den Brandenburgern in nichts nach. 36 Bischof von Ratzeburg war 1479-1511 Johannes V. Parkentin. 37 Am 22. Mai 1504 erteilte Papst Julius 11. die erbetene Anordnung auf Umwandlung des Prämonstratenser Domstifts in ein Säkularkapitel. Hauptquelle fiir den "Processus transmutationis habitus Canonicorum Raceburgensium" ist eine typische Matruschka-Überlieferung (die Puppe in der Puppe in der Puppe): das Notariatsinstrument eines Havelberger Klerikers über das Mandat des Bischofs Dietrich von Lübeck mit der wörtlichen Inserierung der von Papst Julius an die Bischöfe von Lübeck und Schleswig gerichteten Aufforderung zur Umwandlung, die wiederum die zugrunde liegende Supplik des Bischofs von Ratzeburg sowie der Herzöge, Johannes d. Ä. und Magnus, und des Domkapitels in sich birgt, mit den anschließenden Durchfiihrungsbestimmungen vom 4. Oktober 1504. Als weitere Quelle ist heranzuziehen der Entwurf eines Briefes Bischofs Johann von Parkentin an Papst Alexander VI. vom 1. August 1503, der deutlicher als die Supplik erkennen läßt, daß die Herzöge die treibende Kraft bei der Umwandlung gewesen sind. 38 Während z. B. in der Supplik lediglich in allgemeiner Weise darüber geklagt wird, daß in jener Gegend nur selten gelehrte Personen im richtigen Alter (perfecte etatis) in den Orden eintreten, erfiillen die bischöflichen Angaben in seinem Briefentwurf in geradezu klassischer Weise die Erwartungen der Historiker, die in fiirstlichen Kirchenreformen des Spätmittelalters nicht zuletzt die beabsichtigte Heranbildung und Heranziehung geeigneter Staatsdiener sehen wollen. Zitiert sei nur ein Satzfragment: "Sie, die Fürsten und Herzöge, wünschen, das Domstift e regular; in secularem ecclesiam trans-

Holsteinische Geschichte 74/75 (1951) 244-275; H-G Kaack, Ratzeburg. Geschichte einer Inselstadt, Neumünster 1987. 36 V gl. u. a. K. Schmaltz, Kirchengeschichte Mecklenburgs I: Mittelalter, Schwerin 1935,251-271 (Die Anfänge des landesherrlichen Kirchenregiments). Zu einem Ablagerstreit des Ratzeburger Bischofs mit Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg, der an die brandenburgischen Querelen erinnert, vom Jahr 1491192 vgl. Masch, Geschichte des Bistums Ratzeburg (wie Anm. 35), 393f.; vgl. auch Anm. 57. 37 V gl. mit der dort angegebenen Literatur C. Brodkorb, Parkentin, Johannes (t 1511), in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648. Ein biographisches Lexikon, hg. v. E. Gatz, Berlin 1996, 516f. 38 H Witte, Zur Vorgeschichte der Umwandlung des Ratzeburger Domkapitels in ein weltliches Stift, in: Mitteilungen des Altertumsvereins für das Fürstentum Ratzeburg 2 (1920) 34-36.

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mutari et transformari mit dem Ziel, daß dann gelehrte und erfahrene Personen und Hofleute (curiales) mit Rechtskenntnissen eingeflihrt werden".39 Das Notariatsinstrument flillt in einem Druck des frühen 18. Jahrhunderts sechzehn Seiten, und das verbietet an dieser Stelle eine ins einzelne gehende Analyse, so nützlich und längst flillig sie fiir einen Vergleich mit den Umwandlungsgründen und Umwandlungsmodalitäten in der Mark Brandenburg wäre. 4o Aus ordens- und verfahrensgeschichtlicher Perspektive ist deshalb nur auf Faktoren aufmerksam zu machen, die vielleicht verstehen helfen, warum in der Mark der Versuch von 1446/47 scheiterte, derjenige von 1506/07 aber dank einer gewissen Vorreiterfunktion Ratzeburgs gelang. Ein - wenn auch im ganz negativen Sinne - Wegräumen von Barrieren bestand darin, daß - jedenfalls der Supplik zufolge - die Lebensformen in Ratzeburg sich schon so weit von prämonstratensischen Normen entfernt hatten, daß die Aufhebung fast nur noch einem formalen Akt gleichen mußte: seit dreißig Jahren und mehr kein den Regularkanonikern gemäßes Leben; Wohnen in eigenen Kurien auch außerhalb des Stiftsbereichs; separater Empfang von Einkünften und Präbenden; Konfusion, weil einige Kanoniker in habitu regulari, mehr aber in habitu presbiterorum et clericorum secularium einhergehen. 41 Auf die Vielzahl sprachlicher Wendungen, inhaltlicher Begründungen und formaler Entscheidungen, die das Ratzeburger dem brandenburgischen Verfahren gleichsam als Muster anbot, kann hier nur pauschal hingewiesen werden. Einzelne Beispiele sollen bei der Musterung der märkischen Überlieferung Erwähnung finden. Über die diplomatische Vorgeschichte der - bei Berücksichtigung von Zustellungszeiten und Bearbeitungsdauer - auf das erste Drittel des Jahres 1506 anzusetzenden Ausfertigung der märkischen Transrnutationssuppliken ist überliefert, daß - wahrscheinlich am 18. Februar 1506 - Kurfiirst Joachim und Markgraf Albrecht beurkundeten, sie wollten zu Besserung des Gottesdienstes und Gemeinen Nutzens durch die päpstliche Heiligkeit die Kirche zu BrandenWitte. Vorgeschichte der Umwandlung (wie Anm. 38), 35. D. Schröder, Papistisches Mecklenburg, 2 Bde. (mit durchgezählten Seiten), Wismar 1741,2726-2741. Auf diese Edition stützt sich auch, ausfiIhrlieh referierend, Masch. Geschichte des Bistums Ratzeburg (wie Anm. 35), 385-390. Nur Bernhöft. Prämonstratenser Domstift Ratzeburg (wie Anm. 35) zitiert in seiner Dissertation gelegentlich aus dem zu seiner Zeit im Hauptarchiv Neustrelitz aufbewahrten Original. Dieses befindet sich jetzt im Landeshauptarchiv Schwerin unter der neuen Bestandssignatur 1.5-2/1 Bistum Ratzeburg; der Bestand soll 1999 neu durchsigniert werden (frdl. Mitteilung von Herrn Dr. Röpke vom 24.02.99). Alle anderen Autoren, die die Ratzeburger Transrnutation behandeln oder erwähnen, berufen sich lediglich auf Masch oder dessen in Anm. 35 genannte andere Benutzer. 41 Schräder, Papistisches Mecklenburg (wie Anm. 40), 2727f. Schon zum 27. März 1462 ist in den päpstlichen Registern davon die Rede, daß die Ratzeburger almutias de varia gusta publice gestant, s. Repertorium Germanicum 8, Tübingen 1993, 704, Nr. 5052. 39 40

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burg "auff der Borg" zu einem weltlichen Stift "transferiren" lassen und als Gegenleistung filr das Patronatsrecht an vier Pfründen die Bürde der Ablager nur wie unter ihren Vorfahren und zu Stendal handhaben. 42 Weitere Verhandlungen und Absprachen auch mit Havelberg sind wohl unabdingbar gewesen. Vorabklärungen mit Vertretern der römischen Kurie auf dem Kölner Reichstag im Sommer 1505 oder im Rahmen der Vorbereitungen der am 26. April 1506 durchgefilhrten feierlichen Eröffnung der Frankfurter Universität wären denkbar. 43 Die Entscheidung wurde von Rom aus am 2. Juni 1506 den zur Durchfi1hrung Beauftragten mitgeteilt. Ich halte mich wieder - schon um den Vergleich zu 1447 und 1504 zu erleichtern und auch ganz einfach deshalb, weil es gar keine bessere Quelle gibt - an die Mandate, dabei selbstverständlich differenzierend zwischen überprüfungs bedürftigen Argumenten und Anweisungen im engeren Sinne. 44 Papst Julius wendet sich mit seinem Mandat an die Bischöfe von Lebus und Ratzeburg: eine (wie schon 1447) im Sinne der Supplikanten sehr entgegenkommende Wahl. Bischof von Lebus war damals Dietrich von Bülow (14901523), Erzieher, Vertrauter und Berater Joachims I. und gerade mit der Gründung und Eröffnung der Frankfurter Universität, deren erster Kanzler er wurde, auf einem Höhepunkt seines Ansehens, zudem mit Sigmund Zerer bereits Unterzeichner der markgräflichen Ablagererklärung gegenüber dem Brandenburger Domkapitel vom Februar 1506. 45 Der Bischof von Ratzeburg ist uns schon 42 Riedel (wie Anm. 26), A VIII, 463f., Nr. 507: Die Urkunde ist datiert "am Mittwoch nach Val. MDVI". Riedel verzichtet wegen der vielen Valentinstage auf eine Tagesangabe der Ausfertigung. Der gebräuchlichste Valentinstag war der 14. Februar, so daß fiir den Mittwoch nach Valentin im Jahr 1506 der 18. Februar sich anbietet, zumal er sich gut in das ganze Verfahren einpaßt. 43 Vgl. u. a. J Schulze, Die Mark Brandenburg, Bd. 3, Berlin 1963, 176-180. 44 Beide Bullen unterscheiden sich nur bei den Ortsnamen Brandenburg bzw. Have!berg sowie bei der Nennung der betroffenen Bischöfe. Das Brandenburger Original befindet sich im Domstiftsarchiv Brandenburg, BDK 98 - U 415; vgl. W Schich, in: Premontre des Ostens (wie Anm. 4), 133, Nr. 2.53. Das Havelberger Original (jetzt im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam, Rep. 10 A, Domkapitel Havelberg, U 36) hat Riede! benutzt: Riedel (wie Anm. 26), A I, 48-53, Nr. 27, während er fiir die Brandenburger Fassung auf das Brandenburger Stiftskopialbuch verweist, aus dem er Lücken in der Have!berger Überlieferung ausfiillt: Riedel (wie Anm. 26), A VIII, 464, Nr. 508. Frühere Edition bei S. Lentz, Diplomatische Stifts-Historie von Brandenburg, Halle 1750, 86-93. Bemerkenswert ist, daß die Originale genau beschrieben und abgeschrieben wurden als Beweisstücke in dem mit dem Reichsfiskal 1563/64 gefilhrten Prozeß um die ständische Zuordnung der märkischen Bistümer. Die kurmärkische Partei wollte damit belegen, daß die Transmutation nicht nur die Landsässigkeit der Bistümer nicht aufgehoben, sondern im Gegenteil bestätigt und bestärkt habe. Derlei Kopien finden sich u. a. im GSTA(wie Anm. I), fol. 67'-73 v (betr. Have!berg) und Rep. 17, Nr. 4b, (unfoliiert) bei den Urkundenabschriften unter S (fiinfzehn Seiten fiillend, betr. Brandenburg). Die päpstliche Bulle fiir Brandenburg ist zudem als Insert der Exekutorenurkunden vom Dezember 1507 überliefert; s. u. Anm. 72. 45 Zu Dietrich von Bülow vgl. L. Kopiec, Bülow, Dietrich von, in: Die Bischöfe (wie

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bekannt: Johann V. Parkentin, selbst Prämonstratenser und Mitantragsteller der Umwandlung seines Domkapitels. In der Arenga fmdet sich, wie 1447 und 1504, ein Hinweis auf den Primat der römischen Kirche, die insbesondere auch über die Kathedralkirchen zu wachen hat und darauf ausgerichtet ist, durch den Dienst (das Amt) der Reform (per ministerium reformationis) zuweilen die Verfassung der Kirchen und die Regel der Gottesdiener zum Besseren zu verändern (commutet), auch unter Aufhebung der monastischen Verfassung. Nicht eigens genannte, allgemein bekannte Voraussetzung filr die suppressio oder extinctio höherer Benefizien war das nur dem Papst zustehende unbeschränkte Privilegien- und Dispensationsrecht. 46 Die Inhaltsangabe der petitio der Bischöfe und Domkapitel von Brandenburg bzw. Havelberg und des Markgrafen, Kurfiirsten und Erzkämmerers gibt zunächst - wie 1447 und ähnlich 1504 - an, daß die Kathedralkirche des Prämonstratenserordens auf dem weltlichen Besitz des Markgrafen gelegen sei, fugt als neues Moment aber noch hinzu, daß sie durch die Vorfahren Joachims gegründet und dotiert (jundata et dotata) sei. Das ist nun objektiv falsch, denn der Gründer war ja in der Mitte des 10. Jahrhunderts Otto 1.; und an der Dotierung haben sich Markgrafen seit den Askaniern allenfalls beteiligt. Warum aber diese Übertreibung? Höchstwahrscheinlich wollte Joachim damit seine landesherrliche Position und den frommen Eifer seiner Vorgänger herausstreichen. 47 Denkbar wäre aber auch, daß seine im Kirchenrecht wohlbeschlagenen Ratgeber Anm. 37), 88 und die dort genannte Literatur; am besten H. Grimm, Dietrich von Bülow, Bischof von Lebus in seinem Leben und Wirken. Gleichzeitig ein Beitrag zur Geschichte des Bistums Lebus wie zur Kultur- und Bildungsgeschichte des deutschen Ostens um 1500, Wichmann-Jb. 11/12 (1957/58) 5-98. 46 Nur bedingt hilfreich, weil auf die neuere Rechtssituation bezogen, sind die einschlägigen Artikel: im Dictionnaire du droit canonique VII (1996), Sp. 111 7:, Suppression; 1(1995), Sp. 1283-1285: J. Creusen, Suppression et extinction des associations; VI (1957), Sp. 702f.: Suppression (Maison religieuse). Geeigneter P. Hinschius, System des katholischen Kirchenrechts 2, Berlin 1878,396 (mit zwei Beispielen zu 1547 (Seez) und 1745 (Pamiers) und 459-463; vgl. auch die Hinweise von Boehm, Papst Benedikt XII. (wie Anm. 10) und von K. Elm, st. Pelagius in Denkendorf. Die älteste deutsche Propstei des Kapitels vom Heiligen Grab in Geschichte und Geschichtsschreibung, in: Landesgeschichte und Geistesgeschichte. Festschrift für Otto Herding, hg. v. K. Elm / E. Gönner / E. Hillenbrand (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B/92), Stuttgart 1977, 80-130, bes. 80f. und 122f. sowie von W. Ziegler, Reformation und Klosterauflösung. Ein ordensgeschichtlicher Vergleich, in: Reformationsgeschichte (wie Anm. 2), 585-614 (zahlreiche Beispiele, aber kaum Darlegung der Rechtsgrundlagen). Nicht einschlägig, da nur auf EinzeIpersonen, nicht aber auf geistliche Institutionen wie Ordenshäuser bezogen, ist der umfangreiche Aufsatz von Ph. Hofmeister, Der Übertritt in eine andere religiöse Genossenschaft, Archiv für katholisches Kirchenrecht 108 (1928) 419-481. 47 V gl. G Heinrich, Neue Kirchenordnung und "stille" Reformation. Die Landesfürsten und die "Luthersache" in der Mark Brandenburg, Jb. für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 57 (1989) 65-98, bes. 75-81 und die zahlreiche dort genannte literatur.

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wußten, daß bei Suppressionen die Patrone hinzuzuziehen waren und daß fundatio und dotatio neben der constructio Patronate begründeten. Nach diesem Passus, der die Kompetenz der Antragsteller juristisch absichern sollte, werden die Sachargumente filr die Umwandlung vorgetragen. Sie sind von der älteren borussophilen und reformationsfreundlichen Forschung nur zu gerne rezipiert worden. 48 Hier sei nun nicht in der Nachfolge von Karlheinrich Schäfer der Interpretationsspieß einfach umgedreht, aber doch kritischer als Raumer und andere auf die Mischung von Wahrem, Halbwahrem und Falschem hingewiesen. 49 Die aufgelisteten Gravamina beginnen mit dem Vorwurf, daß die Brandenburger bzw. Havelberger Kanoniker und Personen schon seit mehr als Menschengedenken ein den Regularkanonikern angemessenes Leben nicht geführt hätten und nicht führten, sondern das gelockerte, bindungsfreie (relaxatam), das sie zur Zeit ihres Eintrittes vorgefunden hätten. Im einzelnen wird moniert, daß sie tägliche Zuweisungen, wie es in den weltlichen Dom- und Kollegiatstiften üblich ist, empfangen hätten und empfängen, diese zum eigenen Gebrauch verwendeten, wie Säkularkanoniker Almutien aus Tuch trügen und außerhalb des Klosters einen Mantel in blauer Farbe (extra claustrum mantel/um blavii coloris).50 Man erkennt, wie ich meine, deutlich die Absicht, die märkischen Domkapitel als eigentlich schon säkular darzustellen und unter Anlegung observanter Maßstäbe ihr Prämonstratensertum zu bestreiten. Geflissentlich übersehen wurde dabei, daß die Problematik der Präsenzgelder und ihrer Verwendung schon 1452 von Nikolaus V. und gerade erst rur Havelberg 1503 von Alexander VI. als nicht relevant eingestuft und das Tragen eines blauen (aber flavei statt blavii) Habits außerhalb des Klosterbereichs erlaubt wurde. Beachtenswert ist zudem, was man den Brandenburgern und Havelbergern - im Gegensatz zu den Ratzeburgern - wohl deshalb nicht vorgehalten hat, weil es schlicht falsch gewesen wäre: die Aufgabe der vita communis und das Leben und Wohnen in eigenen Kurien. Nimmt man noch die liturgischen Reform- und KonsolidierungsVgl. Wigger, Chordienst (wie Anm. 2), 95 und 122. K. Schäfer, Märkisches Bildungswesen vor der Reformation, Berlin 1928; ders., Märkisches Bildungswesen vor der Reformation [11). Neue Funde und Ergänzungen, Wichmann-Jb. 2/3 (1931/32) 63-97; vgl. auch F. Escher, Bekenner in der Diktatur: Zum Leben, Wirken und Sterben von Karl Heinrich Schäfer, Wichmann-Jb. NF 3 (1994/95) 235-245. 50 Zum "blauen Mantel" vgl. oben Anm. 31. - Anschaulicher und konkreter sind die Erinnerungen von im Jahr 1564 vernommenen Zeugen im Reichsstandschaftsprozeß; z. B. GSTA (wie Anm. 1), HA 1, Rep. 17, Nr. 2 b, fol. 359v "Weisse Kleider, Blawe Mentel"; ebd .. fol. 370' "weisse Rocke vnd blawe mantel daruber"; ebd. fol. 435' "weisse lange Vntter Rocke an gehapt. Vnd Blawe Manttel daruber"; Rep. 17, Nr. 4 a (unfoliiert, 20. Zeuge) "weiß hassen, warnms vnd Rock, vnd daruber ein blauenn mantel"; ebd., Nr. 4 b (unfoliiert), dort die Zeugen 8, 9, 16, 18, 19,21,22 und 29 - vgl. auch v. Raumer, Unterordnung der Bischöfe (wie Anm. 1),49 und 53. 48

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bemühungen der Bischöfe um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert hinzu, wird die Kritik an unseren Prämonstratensern noch fadenscheiniger. 51 Nach der Prämonstratenserschelte steht auf der Mängelliste, daß nur sehr selten (rarissime) unter den Kanonikern Personen seien, derer sich die Markgrafen sowie die Einwohner von Stadt und Diözese in Notsituationen und schwierigen RechtsflilIen bedienen könnten, und es wird die aus Ratzeburg schon bekannte - 1447 aber noch nicht angestimmte - Klage laut, es gebe in jenen Gegenden zu wenig rur die Wissenschaften begabte Leute im ausgereiften Alter, die in den Orden einträten. Auch bei diesem Lamento werden Übertreibung und Schwarzmalerei Pate gestanden haben. Gewiß gab es eine Art Bildungsnotstand in der damaligen Mark Brandenburg, wie es denn ja auch kein Zufall ist, daß im selben Jahr 1506 zur Behebung dieser Misere die Universität Frankfurt eröffnet wurde. Andererseits war das akademische Niveau in den beiden Domstiften doch nicht so desolat, wie die Supplikanten es Rom glauben machen wollten. Peter von Klitzing war kein weißer Rabe geblieben. Ein beachtlicher Teil der Dignitäre des ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts hatte studiert, ebenfalls eine Reihe sonstiger Prämonstratenser-Domherren. 52 In Brandenburg stifteten 1497 Dompropst und Domkapitel aus ihren Präsenzgeldern, Zinsen, Renten, Gerechtigkeiten und sonstigen Einnahmen ein Stipendium rur Studierende an auswärtigen Universitäten. 53 Und die Bibliotheken waren - sofern sich das einigennaßen rekonstruieren läßt - mit Handschriften und Wiegendrucken auch zum deutschen und kanonischen Recht ausgestattet. 54 Vgl. Kurze, Mittelalter (wie Anm. 10), 91ff. Für Brandenburg vgl. D. Kurze, Schulen in der mittelalterlichen Stadt Brandenburg, in: Beiträge zur Entstehung und Entwicklung der Stadt Brandenburg im Mittelalter, hg. v. W. Schich (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 84), Berlin - New York 1993, 227-277, bes. 231-243. Für Havelberg bleibt man noch angewiesen auf die Personallisten bei Wentz, Havelberg (wie Anm. 2). 53 Riedel (wie Anm. 26), A VIII, 455, Nr. 498. Allerdings scheint erst nach der Transmutation in die Brandenburger Statuten von 1525/27 ad imitationem aliarum ecclesiarum Cathedralium die Bestimmung aufgenommen worden zu sein, einen Kanoniker nur aufzunehmen, wenn er nachweislich ein triennale studium absolviert hat, s. Domstiftsarchiv Brandenburg, BDK U 704, fol. 5r (noch nicht ediert). Für Havelberg gibt es eine entsprechende Vorschrift aus dem Jahr 1581 - Riedel (wie Anm. 26), A III, 183, Nr. 82,12 -, doch hat sie gewiß auch hier schon vorher gegolten. Die Stiftung von 1497 ist höchstwahrscheinlich eine Umsetzung des Beschlusses des Triennalkapitels der sächsischen Zirkarie von 1496: Item conclusum est. ut ecclesie kathedrales Brandenburgensis Raceburgensis et Havelbergensis pro ordinis honestate er rerum temporalium defensione semper aliquos habeant in studiis. qui usque ad doctoratus promoveri debeant gradus (Dolista, Acta capitulorum [wie Anm. 31], 47). 54 Abb / Wentz, Das Bistum Brandenburg (wie Anm. 2), 88-97; Wentz, Havelberg (wie Anm. 2), 131-142; E. Plümacher, Bibliographie zum kirchlichen Bibliothekswesen in der Mark Brandenburg, Jb. rur Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 48 (1973) 101-129. 51

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Wenn diese Relativierung der Monita und Selbstbezichtigungen von Markgraf, Bischöfen und Domkapiteln auch nur annähernd den Verhältnissen in Brandenburg und Havelberg zu Beginn des 16. Jahrhunderts gerecht wird, muß Antwort gesucht werden auf die Frage, aus welcher Interessenlage heraus die jeweils drei beteiligten Antragsteller sich über eine Supplik verständigen konnten. Antworten oder doch Andeutungen von Antworten fmden sich in den auf die Lamentationes folgenden außerordentlich präzisen Vorschlägen der Petenten filr die Regelung und Durchführung der Aufhebung und Umwandlung und lassen sich durch allgemeinere Erwägungen und Rahmenkenntnisse ergänzen. Zunächst zu den Domherren und den Bischöfen: Da sie keine Bekenntnisse über ihr Seelenleben hinterlassen haben, ist es schwer auszumachen, ob sie Kleriker in Havelberg bzw. auf der Burg in Brandenburg werden wollten, weil oder obwohl sie dort das Ordensjoch (iugum religionis) auf sich nehmen mußten. Die Wahrscheinlichkeit spricht eher rur das "Obwohl", denn, wäre ihnen vorrangig am Prämonstratensertum gelegen gewesen, hätten sie gewiß besser daran getan, sich einer observanten Gemeinschaft als den nichtobservanten Kapiteln anzuschließen. Völlig substanzlos dürfte auch der Vorwurf, sie seien bereits halbe Säkularkanoniker, nicht gewesen sein. Kompromißbereit könnte zudem gestimmt haben, daß eine materielle Stabilisierung ihrer Stifte durch sukzessive Verminderung ihrer Stellen von ca. zwanzig bis dreißig (im Dezember 1507 waren es in Brandenburg vierundzwanzig)55 auf sechzehn vorgesehen war, sowie der Verzicht de's Kurfilrsten auf das harte und lästige Ablagerrecht (hospitalitas), was er ratione fundationis beanspruchte. Schließlich gab es noch das Angebot an diejenigen, die sich nicht vom "Ordensjoch" befreien lassen wollten, ihr Regularhabit unter dem Mantel der Säkularkleriker zu tragen oder sich an andere Ordenshäuser versetzen zu lassen. 56 Die in der vorliegenden Supplik, also einem Kompromißantrag, greifbaren, in Wirklichkeit wohl noch weitergehenden Interessen Joachims I. sind meines Erachtens dreifacher, sich überschneidender und ergänzender Art: I. Ohne Widerspruch von Bischöfen und Domkapiteln und sogar mit päpstlicher Billigung behaupten zu können, die Domstifte lägen auf seinem weltlichen Territorium und seien durch seine Vorfahren gegründet und ausgestattet (wichtige Argu-

SS Riedel (wie Anm. 26), A VIII, 466-468, Nr. 512 (die Namenliste der Kanoniker ohne die Vikare auf S. 467); vgl. auch Anm. 72. S6 Riedel (wie Anm. 26), A I, hier 51, vgl. Anm. 44. Hinsichtlich der Kosten des Transmutationsverfahrens sind mir bisher keine unmittelbaren Quellen bekannt geworden. Es bleiben die schon wiederholt herangezogenen Zeugenaussagen von 1563/64. Dort heißt es, die Domherren hätten dem Papst "viele gulden deshalb geschickt, solch sei ein geschrei im Lande gewesen" (GSTABerlin [wie Anm. I], HA I, Rep. 17, Nr. 2b, fol. 370V ), oder "das sie dem Pabst eine grosse Summa geldes darumb geben müssen" (ebd. fol. 436v ; ähnlich in Rep. 17, Nr. 4a der 22. Zeuge); vgl. auch Raumer, Unterordnung der Bischöfe (wie Anm. 1),49 und 53.

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mentationsbasis fUr landesherrliches Kirchenregiment). 2. Durch Ausübung des ihm einzuräumenden Patronatsrechtes auf vier Kanonikate und ebenso viele Pfründen sowohl eigenes Personal materiell zu versorgen als auch auf die Zusammensetzung des Kapitels und somit auf die dortige Meinungsbildung (etwa bei Bischofswahlen) in seinem Sinne einzuwirken. 3. Über hinreichend beflihigte und ausgebildete "Beamte" zu verfUgen, die als Säkularkanoniker weniger an die Präsenzpflicht und die liturgischen Aufgaben gebunden waren als die Prämonstratenser, wesentlich mobiler einzusetzen waren und gleichzeitig auch anderen geistlichen Korporationen angehören konnten. Aus der Retrospektive brandenburgischer Juristen der Jahre 1563/64 heißt es dazu ganz unverblümt, der Papst habe die Transrnutation ex canonicis regularibus in canonicos seculares angeordnet, damit sie ein Markgraf und Kurftirst in Brandenburg in seinen und des Heiligen Reiches Sachen "desto bequemer zu gebrauchen habe".s7 Der Papst hat in seinem Mandat an die Bischöfe von Ratzeburg und Lebus vorbehaltlich der üblichen Überprüfung vor Ort - die unterbreiteten Bitten in fast wortwörtlicher Übernahme zu Befehlen gemacht. Der lange Text muß deshalb hier nicht repetiert werden. Aber es ist noch auf zwei Zusätze hinzuweisen. Der eine betrifft die Aufforderung an Dietrich von Lebus und Johann von Ratzeburg, sich der ausdrücklichen Zustimmung (expressus assensus) der Bischöfe und Domkapitel zu versichern, eine kirchenrechtlich unabdingbare Erinnerung. S8 Der andere hat ordensgeschichtliche Relevanz und entkräftet eventuelles Erstaunen darüber, daß der Prämonstratenser-Orden als ganzer bzw. der Abt in Premontre oder wenigstens der Propst von Unser Lieben Frauen in Magdeburg nicht gefragt wurden und sie selbst auch nicht gegen den Verlust zweier (mit Ratzeburg dreier) Domkapitel protestiert zu haben scheinen: Der Papst befreit 57 GSTA (wie Anm. 1), fol. 16v ; ähnlich ebd. fol. 19v ; Rep. 17, Nr. 4 a (ohne Blattzählung) in Nr. XVI (Brandenburgische Probationsschrift tempore Joachimi 2. Electoris). An dieser Stelle sei noch als weiterer Beleg für die Ratzeburger-Brandenburger bzw. Havelberger Parallelen der Hinweis erlaubt, daß auch die sächsischen Herzöge im 16. Jahrhundert beim Reichskarnmergericht einen langwierigen Prozeß um die Landsässigkeit führten und u. a. damit argumentierten, Ratzeburg liege auf sächsischem Grund und Boden und sei von den Voreltern des Herzogs gestiftet und fundiert; vgl. Masch. Geschichte des Bistums Ratzeburg (wie Anm. 35),448 und 481 und Arndt, Beschwerdeschrift gegen Herzog Johann von Sachsen, Vaterländisches Archiv rur das Herzogtum Lauenburg 1 (1857) 289-322, bes. 291-293. Die behauptete fundatio und dotatio war nicht nur ein Argument rur die Landsässigkeit in den späteren Reichskarnmergerichtsprozessen, sondern wurde schon im Sommer 1514 ins Feld geführt, um Joachim I. und seinen Nachfolgern vom Papst konzedieren zu lassen, sie hätten ein perpetuum jus patronatus ad preposituras ecclesiarum Brandeburgensis et Havelbergensis und es stehe ihnen zu als jus patronatus fundationis et dotationis non autem privilegii iure; s. A. Schulte, Die Fugger in Rom 1495-1523,2 Bde., Leipzig 1904, 11, 107-109, Nr. 62, hier 108. 58 Wie Anm. 46.

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die Havelberger und Brandenburger (wie zuvor schon die Ratzeburger) Kanoniker von allem Gehorsam gegenüber dem Abt von Premontre und allen mittelbaren und unmittelbaren Oberen und entzieht diesen insbesondere das Visitations- und Korrektionsrecht. In rechtlichen Streitfällen sollen künftig die Dekane und Kapitel bzw. der römische Stuhl oder seine Delegierten zuständig sein. 59 Soweit in aller, die Substanz bewahrender Knappheit die Anträge aus der Mark Brandenburg und die römischen Antworten. Wie die Mandate vom 2. Juni 1506 in Havelberg und Brandenburg umgesetzt wurden und welche Auswirkungen die Transrnutation der beiden Domkapitel in der Mark hatten, soll in diesem Beitrag nur bis zum Jahr 1514 verfolgt werden. Schon ein Ausgreifen bis zum Tod Markgraf Joachims I. (1535) oder bis zur "Einfilhrung" der Reformation unter Joachim II. (1539) würde den verfügbaren Rahmen sprengen, zumal in diesem Zeitraum u. a. umfangreiche neue Stifts statuten, die bislang von der Forschung noch gar nicht wahrgenommen sind, erlassen wurden. 60 Die beiden Domkapitel waren entstehungsgeschichtlich und strukturell verschwistert, aber institutionell doch unabhängig voneinander. Johann Parkentin und Dietrich von Bülow erhielten dementsprechend zwar inhaltlich identische, aber doch in bezug auf Havelberg bzw. Brandenburg getrennte Anweisungen, und diese wurden bei weitgehender sachlicher Parallelität gesondert durchgeführt. Zunächst seien die wichtigsten greifbaren Daten für Havelberg und dann die für Brandenburg vorgestellt. Für H ave I b erg erließen die Bischöfe von Ratzeburg und Lebus einen "Liber statutorum ecclesie Havelbergensis" mit der ausdrücklichen Erlaubnis für Bischof und Domkapitel, diese Statuten im Rahmen des kanonischen Rechts zu ändern, zu ergänzen oder auch gänzlich durch neue zu ersetzen. Überliefert sind außer der Einleitung nur die ersten dreiunddreißig Bestimmungen. Dann bricht der Text ab, so daß auch die Datumsangabe fehlt. Der Editor, Riedei, hat den "Liber" dem Jahr 1506 zugeordnet, aber ebenso könnte man auch 1507 vor59 Gegen die Aufhebung bzw. Umwandlung des Prämonstratenserstifts Leitzkau, die der Brandenburger Bischof im Einvernehmen mit Joachim I. seit 1534 betrieb, legten die Pröpste von Unser Lieben Frauen in Magdeburg, von Gottesgnaden, Jerichow, Quedlinburg und Rhoda "desselbigen Ordens von premonstra", die sich 1506/07 nicht zu Worte gemeldet haben, Protest ein; s. Riedel (wie Anm. 26), A XXIV, 496f., Nr. 206 zu 1537 Juli 15; vgl. auch Germania Sacra 1/3. Das Bistum Brandenburg 2, bearb. v. F. Bünger / G Wentz, Berlin 1941, 183f. Auf dem Annualkapitel des Jahres 1508 hat man die Transmutation (demonstrativ?) nicht wahrgenommen und beschlossen, quod prepositi monasteriorum in Brandeborch et Havelberch propter eorum absenciam a capitulo genera/i sunt citandi et monendi propter contribucionem faciendam ad reysam versus Premonstratum (Dolista, Acta capitulorum [wie Anm. 31], 67). 60 Für Brandenburg von ca. 1527 im dortigen Domstiftsarchiv, BDK U 704 (neun Blätter); rur Havelberg von 1537/38 im Brandenburg. Landeshauptarchiv Potsdam, Pr. Br., Rep. 10 A, Domstift Havelberg, 1854, "Statuta des Stiffis zu Havelberg de 1538" (dreißig durchgezählte Blätter).

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schlagen. 61 Ein Vergleich der neuen Statuten mit den prämonstratenserzeitlichen Ordnungen und Gepflogenheiten ist im einzelnen kaum möglich, weil entsprechende Aufzeichnungen aus der früheren Periode nicht überliefert sind, vielleicht gar nicht existiert haben. Der "Liber" stellt einleitend fest, daß die Umwandlung bereits vollzogen worden ist. 62 In den eigentlichen Statuten wird nur bei der Regelung der Memorialfeiern ausdrücklich an die Zeit ante transmutationem erinnert,63 sonst bezieht man sich wie bei den Zeremonien auf die antiquos ritus sive antiquas observantias et consuetudines, die es möglichst zu bewahren gelte, oder ordnet an, daß die tägliche Marienmesse, que antea semper consueverat ce/ebrari, obligatorisch bleiben soll.64 Prämonstratensische, regulare Gesinnung scheint durchzuklingen bei der Bestimmung, niemand solle im Chor zelebrieren oder ministrieren, wenn er nicht nachts an den Matutinen teilgenommen und im Dormitorium geschlafen habe, sowie bei dem Verbot, ohne familiare Begleitung das Stiftsgelände zu verlassen. 65 Aus der Fülle der anderen Anweisungen, die bis ins kleinste die Verwaltung und Verteilung der Einkünfte, die Regelung der Gerechtsame durch Dekan und Kapitel sowie in schweren Fällen durch den Bischof, weiter Erbschaftsfragen, Eide, das jährliche Generalkapitel u.a.m. betreffen, durften den landesherrlichen Intentionen diejenigen besonders entgegengekommen sein, die die Absenz von Domherren ermöglichten und fmanziell absicherten. Schließlich ist es fiir den spätmittelalterlichen Nordosten Deutschlands typisch, daß zwar fiir die Prälaten und Kanoniker legitime Geburt, aber noch nicht adlige Abkunft verlangt wurde. 66 Der Traum des Havelberger Domkapitels, sich seine Mitwirkung an der Supplik von 1506 mit dem weitgehenden Verzicht auf die markgräflichen Ablagerrechte bezahlen zu lassen, war nur zu bald ausgeträumt. Welche Druckmittel Joachim I. auch immer in der Hand haben mochte, sie genügten, um schon am 22. November 1507 Propst und Kapitel zu einer Rücknahme der einschlägigen Transmutationsbedingungen zu nötigen. Schlimmer noch: Es sollte nicht nur "die Hospitalitet vnnd legere wie von alterss bis her kommen" wiederhergestellt werden, sondern in der Propstei ein eigener Schaffner mit Pflindungsrecht zu diesem Zweck eingesetzt werden. Hinzu kam noch die Verpflichtung, auf eigene Kosten am päpstlichen Hof zu erwirken, 61 Riede! (wie Anm. 26), A III, 106-113, Nr. 33. Die Spätdatierung liegt nahe, weil auch das Brandenburger Domkapitel erst im Dezember 1507 transmutiert wurde. 62 Attendentes, postquam ecclesia cathedralis Have!bergensis, que ordinis premonstratensis fuit. ex iam dicta auctoritate apostolica transmutata fuit, ordine antedicto inibi extincto et suppresso ... 63 Riede! (wie Anm. 26), A III, 108. 64 Riede! (wie Anm. 26), A III, 112. 6S Riede! (wie Anm. 26), A III, 112 bzw. 111. 66 Riede! (wie Anm. 26), A III, llO, ... ex utroque parente de !egitimo matrimonio procreatus ...

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das Patronatsrecht und die Verleihung der Propstei den Kurfilrsten erblich "zuzueigen vnd zugeben".67 Am 9. September 1514 hat Papst Leo X. der unter Hinweis auf Gründung und Ausstattung durch die Markgrafen und auf die Umwandlung der Havelberger Kirche olim Premonstratensis ordinis eingereichten Bitte um Patronat und Präsentationsrecht über die Dompropstei entsprochen. 68

Als eine Art Zwischenlösung konnte Joachim I. schon im September 1509, die Transrnutation erwähnend, durchsetzen, daß man in Havelberg seinen "hochgelarten ... Rath vnnd lieben getrewen ... Doctor" Johann Blankenfeld als Koadjutor der Propstei zuließ. 69

In B r a n den bur g scheint man sich mit der Durchfilhrung des Transrnutationsmandats länger Zeit gelassen zu haben. In einem Schreiben vom 6. Oktober 1507, mit dem Papst Julius II. die Wahl des Hieronymus Schultz zum Bischof bestätigt, ist die ecclesia Brandenburgensis noch Premonstratensis ordinis, und der Gewählte wird als Kanoniker bezeichnet, der das Ordensgelübde abgelegt habe (canonicum ordinem ipsum expresse projessum).70 Am 11. November 1507, also schon elf Tage vor der entsprechenden Havelberger Erklärung, verkünden Propst und Kapitel das verschärfte Hospitalitätsabkommen. 71 Endlich, am 16. Dezember 1507, bekunden die Bischöfe von Ratzeburg und Lebus mit Inserierung des päpstlichen Mandats vom Juni des Vorjahres, daß und wie sie die Transrnutation durchgefUhrt haben: 72 Im Winterkapitelssaal auf der Burg bei der Altstadt Brandenburg versammelten sich mit ihnen Bischof Hieronymus, Propst Sigismund von Britzke, Prior Peter von Diericke und zweiundzwanzig namentlich aufgefUhrte Kanoniker, um informiert und auch im Auftrag des Landesherrn mit angemessener Eindringlichkeit befragt zu werden. Riedel (wie Anm. 26), A III, 113f., Nr. 35. Riedel (wie Anm. 26), A VIII, 475, Nr. 520. Mit Nachdruck sei daran erinnert, daß gleichzeitig mit den Propstproblemen die wesentlich schwerer wiegenden Kumulationsanträge fiir Albrecht von Brandenburg und die Ablaßfragen in Rom verhandelt wurden; vgl. dazu Schulte, Fugger (wie Anm. 57), I, 102-124 und II, 91-122, Nr. 51-71. 69 Riedel (wie Anm. 26), A III, 117, Nr. 38 (8. Sept.) und 116f., Nr. 37 (12. Sept.); vgl. auch Wentz, Havelberg (wie Anm. 2), 154f. Ein ähnliches Mandat vom 27. Januar 1513 bei Wentz, Regesten (wie Anm. 33), 8, Nr. 72. Zu Johann von Blankenfeld, später Bischof von Reval, von Dorpat und Erzbischof von Riga, vgl. u. a. Schulte, Fugger (wie Anm. 57), I, 106-108; Heinrich, Kirchenordnung (wie Anm. 47), 68f. 70 Riedel (wie Anm. 26), A VIII, 465f., Nr. 511. 71 Riedel (wie Anm. 26), A XXIV, 474f., Nr. 186. Es fehlt hier jedoch die zusätzlich Verpflichtung, sich fiir das kurfiirstliche Patronatsrecht über die Propstei einzusetzen. 72 Riedel (wie Anm. 26), A VIII, 466-468, Nr. 512. Riedel übernahm den Text aus Ph. W. Gercken, AusfUhrliche Stifts-Historie von Brandenburg. Nebst einem Codice diplomatico aus dem Brandenburgischen Stifts-Archiv, Braunschweig - Wolffenbüttel 1766, 669-672, Nr. 151. Gercken hat freilich einige Lücken gelassen und auch die im Text avisierten Notare und Zeugen nicht aufgenommen. Im Domstiftsarchiv Brandenburg befinden sich drei notariell beglaubigte Ausfertigungen: BDK U 419 (mit zwwei Siegeln), 420 und 421. Herrn Schößler danke ich fiir die Übersendung der Kopien. 67

68

Die Transrnutation der Prämonstratenser Domstifte

703

Dann haben die päpstlichen Exekutoren weisungsgemäß die Umwandlung vorgenommen. Bis auf die Präpositur wurden die klösterlichen Würden und Ämter - genannt werden Priorat und Sakristiat - aufgehoben und durch andere ersetzt, nämlich Dekanat,73 Kantorei und Thesaurie. Die Reduzierung auf sechzehn Kanonikate und Pfründen soll dadurch erreicht werden, daß diese zunächst den ältesten Kanonikern überlassen und die jüngeren erst nach deren Ausscheiden bedacht werden, wobei fi1r vier Kanonikate und Präbenden das markgräfliche Präsentationsrecht zu beachten ist. Dem Bischof, den Kanonikern und anderen regularen Personen wird erlaubt, entweder im Gewand von Weltgeistlichen einherzugehen oder ihren Ordenshabit unter dem Mantel von Säkularklerikern zu tragen. Bis auf die drei Grundgelübde (Armut, Keuschheit und Gehorsam) werden sie von der Ordensregel entbunden. Keiner der Anwesenden wollte sich in ein anderes Kloster überweisen lassen, und alle - Bischof, Propst sowie die genannten canonici capitulares - legten vestem secularem an. Johann Parkentin und Dietrich von Bülow ergänzen diesen fi1r die Transmutationsgeschichte so informativen Bericht mit der Bemerkung, daß sie zur genauen Regelung aller geistlichen und weltlichen Angelegenheiten auch noch einen "Liber statutorum ecclesie Brandenburgensis" herausgegeben und gemacht hätten. Er ist leider nicht überliefert, dürfte jedoch inhaltsgleich mit den fiir Havelberg erlassenen Statuten sein. 74 Das Patronats- und Nominatsrecht fi1r die Brandenburger Propstei erhielt der Landesherr gleichzeitig mit dem fi1r die Havelberger (9. Sept. 1514).75 Anstelle einer zusammenfassenden Würdigung und Wertung seien neun Thesen gewagt:

1. Die Umwandlung von regularen in säkulare Domkapitel in der Fülle ihrer kirchenrechtlichen, ordensgeschichtlichen und landeshistorischen Aspekte ist bislang von der Forschung unzulänglich wahrgenommen worden. Selbst fi1r die Mark Brandenburg ist die hier vorgelegte Studie nur ein ausbau- und fortsetzungsbedürftiger Ansatz. 2. Die Transmutation der Domkapitel in Brandenburg und Havelberg ist eines und wohl kaum das wichtigste Mittel bei der zielstrebigen, auf viele Wege 73

sung.

Man spricht deshalb auch vom Übergang von der Priorats- zur Dekanatsverfas-

74 In allgemeiner Form wird auf die Statuten am 17. März 1510 im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Wahl des Thesaurars Nikolaus Bräsicke ad decanatum hingewiesen; s. Riedel (wie Anm. 26), A VIII, 468, Nr. 513 (statutis a iure temporibus servatis). 75 Wie Anm. 68; vgl. auch oben Anm. 57. Bei der auf Antrag des an Podagra leidenden Brandenburger Dompropstes erfolgten Bestellung des Joachim Klitzing zum Koadjutor durch Papst Leo X. am 9. Januar 1514 wurde nicht wie rur Havelberg (1509) auf die Transrnutation verwiesen, wohl aber darauf, daß der Vorgeschlagene orator Markgraf Joachims am päpstlichen Hof sei, Riedel (wie Anm. 26), A VIII, 473, Nr. 518.

46"

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angewiesenen Politik der brandenburgischen Markgrafen zur Erringung landesherrlicher Kirchenhoheit unter Ausnutzung der Schwächen und Reformbedürftigkeit der spätmittelalterlichen Kirche und ihrer Repräsentanten in Rom und in der Mark. 3. Der Versuch von 1446/47 war ungenügend durchdacht und geplant. Insbesondere waren bei diesem Alleingang Friedrichs 11. die Lebenskraft der Kapitel und der Widerstandswille des Prämonstratenserbischofs, Stephan Bodeker, falsch eingeschätzt. 4. Die Präzedenzrolle der Transrnutation des Prämonstratenser Domkapitels in Ratzeburg 1504 muß in ihrem Gewicht höher eingeschätzt werden als bisher. 5. Der Bedarf an ausgebildeten Räten und Beamten und die Notwendigkeit ihrer materiellen Versorgung und Mobilität waren 1506 ein stärkeres Stimulans als 1446/47. 6. Die frühzeitige Einbindung von Bischöfen und Domkapiteln in das Umwandlungsvorhaben von 1506 war ein geschickter, aber auch notwendiger Schachzug der Markgrafen und ihrer Berater, erleichtert durch den Substanzverlust an Prämonstratensertum innerhalb der Kapitel. 7. Die Umwandlung war kein vorreforrnatorischer Akt, im Gegenteil: beantragt von einem gutkatholischen Fürsten, genehmigt von einem römischen Papst und mitgetragen von überwiegend religiös konservativen Domherren blieben die Kapitel nicht nur zur Sicherung ihres sozialen Standards, sondern auch aus echter Überzeugung länger katholisch, als es den Landesherren lieb sein konnte. 8. Die Transrnutation hat kurzfristig nicht in dem von Joachim I. erwünschten Maße zur Stärkung seines landesherrlichen Kirchenregiments beigetragen. 9. Wie die unfreundliche Übernahme des Magdeburger Lieb-Frauen-Stifts durch Norbert von Xanten im Jahr 1129 - trotz aller Widerstände - den religiösen Erfordernissen der Zeit und des Raumes entsprach, war die einvernehmliche Umwandlung der Domstifte zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein Tribut an die damaligen Herausforderungen, filr die Prämonstratenser in Domkapiteln nicht mehr gebraucht wurden und wohl auch nur bedingt einsatzbereit waren. Und wenn man den Vergleich auch auf der Ebene der Bischöfe wagen will: Am Anfang der Prämonstratenser in der Magdeburger Erzdiözese standen mit Norbert von Xanten und Anselm von Havelberg Hof- und Reichsbischöfe, am Ende ein Episkopat, der es gewohnt war, zu Ratsdiensten bei den Landesherren herangezogen zu werden und auch deshalb vielleicht gut daran tat, der Transrnutation zuzustimmen.

Die Transrnutation der Prämonstratenser Domstifte

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Anhang Papst Julius 11. bestätigt auf Bitten des Havelberger Domkapitels O. Praem. die dort seit alters bestehenden Gewohnheiten. - Rom, 1503 November 25. Original: Abschrift: Archivio Segreto Vaticano, Reg. Vat.lat. 1137, fol. 168v-170v • Druck: Regest: Wentz, Regesten (wie Anm. 33), 5 Nr. 61 (mit irriger Datierung auf November 29, weil statt richtig sexto kal. falsch tertio kal. gelesen).76

//168v// Julius etc. Ad perpetuam rei memoriam. Sedis apostolice graciosa benignitas piis quorumlibet sub regularis observancie castimonia domino militancium personarum votis libenter annuit et illis, qui pro huiusmodi ac aliarum personarum necessitatibus et commoditatibus processisse //169r// decuntur, ut possint persone ipse quiecius et commodius domino famulari, apostolici muniminis adminiculum adiicit prout in domino conspicit, salubriter expedire.

Sane pro parte dilectorum filiorum prepositi, prioris et capituli ecclesie Havelbergensis Premonstratensis ordinis nobis nuper ex habita peticio continebat, quod in dicta ecclesia ab antiquo observatum extitit, quod singuli eiusdem ecclesie canonici racione presencie seu interessencie sue in divinis officiis in ipsa ecclesia certas distribuciones sive porciones, ex quibus sibi de vestitu et lectisterniis ac habitu decenti ipsis necessariis et eciam refectione ac hospitalitate pauperum et aliarum honestarum personarum ad ipsam ecclesiam se conferencium provident de licencia et expresso consensu sui superioris percipere ac decentem habitum ad instar diversarum aliarum ecclesiarum ac monasteriorum eiusdem ordinis, videlicet intra albi 77 et extra ecclesiam ipsam et eius claustrum flave;78 coloris de/erre consueverunt et alias pro huiusmodi vestitu, habitu et lectisterniis et refectione seu hospitalitate pauperum et aliarum honestarum personarum ex communi seu capitulari mensa ipsius ecclesie nulla alia provisio fit //169v// ipsis canonicis ac eciam iuxta regularia instituta dicti ordinis ipsi prepositus, prior et canonici in communi mensa commedunt et in uno communi dormitorio dormiunt et solitam servando disciplinam, in huiusmodi communi mensa sacris lectionibus, que tunc ibidem recitantur, intenti existunt et omnis vana con/abulacio penitus inter eos cessat, nec quisquam eorum sine speciali 76 Bei der Textwiedergabe wurden die Abbreviaturen aufgelöst. Konsonatisches 'u' wurde als 'v' gesetzt und die Groß- und Kleinschreibung so vereinheitlicht, daß nur die Satzanfänge sowie Personen- und Ortsnamen großgeschrieben erscheinen. Hinweise auf Unklarheiten oder Korrekturen finden sich im Anmerkungsapparat. Kursiv sind die Worte gesetzt, die in dem entsprechenden Mandat rur das Brandenburger Domkapitel vom 22. Januar 1452 (s. Anm. 30) an analoger Stelle schon Verwendung gefunden hatten. Für kollegialen Rat danke ich Lorenz Weinrich. 77 1452 hat alibi, doch gibt das keinen Sinn; s. Anm. 31. 78 Gemeint sein muß blavii (blau, nicht gelblich); vgl. Anm. 31.

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prepositi vel prioris ipsius ecclesie pro tempore existentis licencia extra dormitorium ipsum sub pena carceris ac excommunicacionis late sentencie pernoctare nec ultra septa ipsius ecclesie absque simili licencia et decenti commitiva exire potest, sed omnes sub obediencia et continencia honeste et laudabiliter vivunt. Quare pro parte prepositi, prioris et capituli predictorum nobis fuit humiliter supplicatum, ut consuetudini predicte tarn de percipiend079 distribuciones sive porciones in usus et hospitalitatem ac refectionem predictas convertendas quam delacioni habitus colorum huiusmodi modo premisso pro illius subsistencia firmiori robur apostolice confirmacionis adiicere ac alias in premissis oportune providere de benignitate apostolica dignaremur. Nos igitur, qui singulorum //170r// religiosorum honestis votis, ut possint quiecius domino famulari, libenter annuimus, prepositum, priorem et capitulum prefatos ac eorum singulos a quibuscunque excommunicationis [vinculis liberos]80 et absolutos fore censentes huiusmodi supplicacionibus inclinati, consuetudinem predictam tarn de percipiendo dictribuciones seu porciones huiusmodi in usus, refectionem et hospitalitatem predictas convertendas quam de delacione habitus, intra videlicet alb i et extra ecclesiam ipsam et eius claustrum flavei 81 coloris antedicte apostolica tenore presencium approbamus et confrrmamus. Et nichilominus pro pociori cautela eisdem canonicis nunc et pro tempore existentibus, ut distribuciones seu porciones huiusmodi percipere et in usus ac refectionem et hospitalitatem predictas convertere ac dictum habitum modo premisso deferre libere et licite valeant de novo eadem apostolica auctoritate concedimus, decementes eas supra premissis per eorum superiores quoquomodo molestari seu impediri aut ad alium habitum deferendum cogi non posse. Non obstantibus constitucionibus et ordinacionibus apostolicis ac ecclesie et ordinis predictorum juramento, confirmacione apostolica vel quavis potestate alia //170v// roboratis statutis et consuetudinibus ceterisque contrariis quibuscunque. Nulli ergo etc. nostre absolucionis, approbacionis, confirmacionis, concessionis et decreti infringere etc. Si quis etc. Datum Rome apud sanctum Petrum anno incamacionis dominice millesimo quingentesimotercio sexto kaI. decembris anno primo. Jo. L. episcopus Terracinensis.

79

Hs.: precipiendo.

81

Wie Anm. 78.

80 Der Sinnzusammenhang erfordert diese oder eine ähnliche Ergänzung des Textes.

Martin Luther und das Amt des Provinzialvikars in der Reformkongregation der deutschen Augustiner-Eremiten Von Wilhelm Ernst Winterhager

I. Luther als Regionalvikar seines Ordens (1515-1518): Die Frage nach Titel und Wesen des Amtes Als Martin Luther gegen Ende des Jahres 1517 mit seinen Ablaßthesen hervortrat, war er filr die Gebildeten der Zeit kein unbeschriebenes Blatt. In seiner Stellung als Theologieprofessor an der aufstrebenden kursächsischen Landesuniversität Wittenberg gehörte er zur geistigen Elite der mitteldeutschen Region, und darüber hinaus war er vor allem durch seine Tätigkeit im Ordensverband der observanten Augustiner-Eremiten l einem breiteren Kreise bekannt geworden. Seit dem Frühjahr 1515 hatte Luther2 in seinem Orden den leitenden Rang eines Vikars filr die reformierten Klöster in Sachsen und Thüringen inne und gehörte damit zum engsten Führungskreis der AugustinerKongregation in Deutschland. Zweifellos war diese Tatsache auch dem MainzI Die vorliegende Studie ist hervorgegangen aus einer Übung zum Thema "Luthers Orden: Die sächsischen Augustiner-Eremiten", die der Autor im Sommersemester 1998 im Rahmen einer Lehrstuhlvertretung am Institut filr Geschichte der Technischen Universität Dresden abgehalten hat. Den Teilnehmern der Übung ist filr mancherlei Anregungen Dank zu sagen, insbesondere Herrn Christian Püschel als erfahrenem Kenner der sächsischen Landesgeschichte. Für freundliche Hilfe bei der Literaturbeschaffung gilt Pater Adolar Zumkeller OSA, Würzburg, ein herzlicher Dank. Daß der Verfasser sich als "Profan"- und Neuzeithistoriker überhaupt freilich auf das Terrain der spätmittelalterlichen Ordensgeschichte wagt, ist in einem tieferen Sinne der reichen geistigen Anregung geschuldet, die vom Jubilar selbst, von Kaspar Elm als akademischem Lehrer und von seinen zahlreichen Schülern und Schülerinnen im Bereich der Ordensforschung am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin ausgegangen ist. Der Erinnerung an diesen Geist, der über viele Jahre die Berliner Historikergemeinschaft weit über die Mediävistik hinaus grundlegend mitgeprägt hat, sei dieser Beitrag gewidmet. 2 Die Werke M Luthers werden im folgenden Beitrag nach der kritischen Gesamtausgabe mit den üblichen Abkürzungen zitiert: WA = Weimarer Ausgabe, Hauptreihe: Schriften, Vorlesungen, Predigten, Disputationen, Bd. 1ff., Weimar 1883ff. (noch fortlaufend); WA Br = Briefwechsel, 18 Bde., Weimar 1930-1985; WA Tr = Tischreden, 6 Bde., Weimar 1912-1921.

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Wilhelm Ernst Winterhager

Magdeburger Erzbischof Albrecht von Brandenburg und seinen Ratgebern bewußt, als Luther sich im Herbst 1517 mit seiner Ablaßkritik direkt an den Erzbischof gewandt hatte. Ausdrücklich wollte Albrecht es damals, während er eilig im Dezember 1517 den unbotmäßigen Vorstoß des Wittenbergers nach Rom meldete, seinerseits vermeiden, durch eigenes, allzu hartes Vorgehen gegen Luther mit dem mächtigen Augustinerorden in Konflikt zu geraten (" ... und wir den orden und sache nicht auff uns laden,,). 3 Ob Luther wollte oder nicht -, im Blickwinkel der informierten Öffentlichkeit wurden seine Person und sein Handeln in Verbindung gebracht mit dem prominenten Amt des Ordens vikars, das er bekleidete. In der einschlägigen Literatur wird die Stellung, die Luther vom Mai 1515 bis April 1518 in der Augustiner-Kongregation innehatte, durchweg, gleichsam selbstverständlich, als die eines "Distriktsvikars" fUr den Bereich Sachsen-Thüringen benannt. 4 Bei näherem Hinsehen freilich zeigt sich, daß diese Funktionsbezeichnung sich aus den Quellen keineswegs so eindeutig ergibt. Blickt man auf die Selbstbezeichnungen, die Luther in seinen Briefen rur das eigene Amt wählt, so fällt vielmehr die bunte Vielfalt unterschiedlicher Titelformen ins Auge, wobei die Variante "Distriktsvikar" nur gelegentlich auftaucht: Je einmal nennt Luther sich in seinen Briefen - meist in der Briefunterschrift (die uns erhaltenen Zeugnisse hierrur stammen sämtlich aus dem Jahr 1516) - vicarius per Misnam et Thuringiam, decanus vicarius (d. h. Vikar über zehn Konvente), vicarius districtus, vicarius particularis und vicarius medius, daneben viermal einfach vicarius oder vicarius Augustinianus. s Es sind mithin sechs bzw. sieben verschiedene Titulierungen, die Luther sich selbst zuschreibt - wobei die erstgenannte Form vicarius per Misnam et Thuringiam Eremitarum dadurch besonderes Gewicht erhält, daß Luther sie im Mai 1516 in einem streng dienstlichen Schreiben an den damaligen Augustinerprior zu Mainz verwendete und 3 Erlaß Erzbischof Albrechts an seine Regenten im Erzstift Magdeburg, Aschaffenburg 13. Dezember 1517: Dokumente zur Causa Lutheri (1517-1521), hg. v. P. Fabisch / E. Iserloh, Bd. 1 (Corpus Catholicorum 41), Münster 1988, 307. 4 Die Bezeichnung hat sich in der Literatur fest eingebürgert seit den Studien von J. K. F. Knaake, Luthers Vikariat 1515-1518, Zs. für die gesamte lutherische Theologie und Kirche 39 (1878) 619-630, sowie Th. Kolde, Die deutsche Augustiner-Kongregation und Johann von Staupitz. Ein Beitrag zur Ordens- und Reformationsgeschichte, Gotha 1879, hier 225, 263f. u. Ö. (Auf die Literatur vor 1878/79, die Luthers Vikariat meist irrig als Absenzvertretung für den Generalvikar Staupitz deutete, kann hier nicht eingegangen werden). Vgl. über Luther als "Distriktsvikar" auch die jetzt maßgebende Lutherbiographie von M Brecht, Martin Luther, Bd. 1, 2Stuttgart 1983, 155-160. Auch in der Weimarer Luther-Ausgabe (WA Br 1-2) wird in den kommentierenden Erläuterungen hartnäckig - meist eindeutig entgegen der Quellensprache: vgl. die nachfolgenden Belege - der Begriff "Distriktsvikar" verwendet. 5 WA Br 1, 39f., 47, 49, 59, 67, 72f., 76 (in Briefen zwischen 1. Mai und 26. Oktober 1516); zur Erklärung des Terminus Decanus Vicarius siehe Kolde, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), 264.

Martin Luther und das Amt des Provinzialvikars

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damit in einem Brief, der nicht (wie alle anderen hier fraglichen Schreiben) der Binnenkommunikation im sächsisch-thüringischen Amtsbereich Luthers diente, sondern an einen Funktionsträger des Ordens außerhalb der observanten Reformkongregation und auch außerhalb der sächsischen Ordensprovinz gerichtet war. 6 Neben den genannten Selbstbezeichnungen, die wir aus Luthers Feder besitzen, stehen - soweit sich übersehen läßt - in den uns erhaltenen Quellen nur zwei Fremdangaben, in denen von anderer Seite auf sein Ordens amt Bezug genommen wird. Es handelt sich dabei zum einen um einen Brief von Luthers Wittenberger Schüler Tilemann Schnabel aus dem Juni 1515, in dem er die kurz zuvor erfolgte Bestellung Luthers zum Ordensvikar mit den Worten umschreibt, dieser sei als Oberer über zehn Konvente gesetzt worden (super decem conventus ... deputatus est).7 Zum anderen ist hier zu nennen die von Johann Agricola besorgte Ausgabe der "Vaterunserpredigten", die Luther Anfang 1517 in Wittenberg gehalten hatte: eine Ausgabe, die ohne Wissen und Zutun Luthers zuerst Anfang 1518 bei Melchior Lotter d. Ä. in Leipzig erschien und sodann noch dreimal 1518 und ein weiteres Mal 1519 in Leipzig nachgedruckt wurde. Hier wurde Luther von Agricola auf dem Titelblatt der Schrift als "einsidler reformirter Augustiner Ordens in Sachsen Vicarius" vorgestellt. 8 Für die zeitgenössische Einordnung der Lutherschen Position ist dieser letzte Beleg von besonderem Interesse, da er an ein breiteres Publikum gerichtet war und offenbar die eher vage, tendenziell dabei umfassende Form reflektiert, in der nach außen hin das von Luther bekleidete Amt des sächsischen Ordensvikars wahrgenommen wurde. Zusätzlichen Aufschluß zur Frage der Ordensfunktion Luthers und ihrer zeitgemäßen Umschreibung vermögen Dokumente aus späterer Zeit zu liefern, auch wenn diese sich nicht mehr auf die Ausübung des Amtes durch den Wittenberger selbst beziehen. Dabei geht es insbesondere um die zahlreichen Schreiben Luthers aus den Folgejahren 1518-1520, in denen er seinen Erfurter Ordensbruder und Freund Johann Lang titulierte, der im Mai 1518 auf dem Heidelberger Konvent der reformierten Augustiner-Kongregation zum Nachfolger Luthers in das Vikariat filr den Bereich Sachsen-Thüringen gewählt worden war. In der filr diese Jahre dichter werdenden Überlieferung der LutherKorrespondenz finden sich an die zwanzig solcher Schreiben, in denen - in der

WA Br 1, 38f. Schnabel an Johann Lang, 29. Juni 1515, gedruckt bei W. Crecelius, Kleinere Mitteilungen: Tilemann Schnabel, Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde II (1865) 182-185, hier I 82f. Schnabel war Augustiner-Eremit aus dem nicht-observanten Kloster Alsfeld und wurde im September 1515 von Luther zum Dr. theol. promoviert. V gl. F. Herrmann, Tilemann Schnabel. Der Reformator der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1905. 8 WA 2, 75f. 6 7

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Wilhelm Ernst Winterhager

Briefanrede oder durch Erwähnung in der dritten Person - auf das Ordensamt Langs Bezug genommen wird. Als Luther Mitte Mai 1518 dem kursächsischen FÜTstensekretär und gemeinsamen Freund Georg Spalatin die Wahl Langs mitteilt, spricht er von ihm als dem neuen vicarius provincialis;9 zwei Jahre später ist an einer anderen Briefstelle sogar vom Pater Provincialis (an sich die übliche Bezeichnung rur den Provinzial einer regulären Ordensprovinz) die Rede und auch hier ist ganz offensichtlich Lang gemeint. 10 Häufiger jedoch tauchen andere Titelformen auf: Zweimal bezeichnet Luther seinen Amtsnachfolger als vicarius Thuringiae,1l achtmal als vicarius medius 12 und zweimal als vicarius mediastinus 13 (offenbar ein scherzendes Wortspiel auf die belastenden Dienstpflichten des vicarius medius); daneben erscheint viermal einfach die Kurzform vicarius oder vicarius noster. 14 Wennschon hier, im Zeitraum 1518/20, Luthers gewachsene Vorliebe fiir den Titel vicarius medius auffällt, ändert dies im ganzen doch nichts an dem Eindruck einer verwirrenden Disparität, die bezüglich der gewählten Titulierung rur das von Luther 1515-1518 und von Lang 1518-1520 ausgeübte Amt herrscht. In zwei Urkunden, die am 21. März 1519 und am 25. Mai 1520 in Erfurt ausgestellt wurden, bezeichnete Lang sich selbst als "vicarius in Doringen und Missen" bzw. per Thuringiam et Mysniam vicarius: IS Bei förmlichen, wenn auch nur untergeordneten, lokalen Rechtsgeschäften also beschränkte man sich auf den neutralen Titel "Vikar" mit der bloßen geographischen Zuordnung. Auch Staupitz sprach Lang in einer Briefanrede vom März 1520 als per Duringiam et Misniam vicarius an. 16 Der in der Literatur stets gebrauchte Begriff "Distriktsvikar" ist dagegen im Zusammenhang mit Lang in den Quellen überhaupt nicht zu finden.

WA Br 1,173 (18. Mai 1518). WA Br 2, 162f. (Luther an Johann Voigt, 3. August 1520). 11 WA Br 1,181,415 (4. Juni 1518,6. Juni 1519). 12 WA Br 1,203,315,368,506,539,596, WA Br 2, 150, 167 (Briefe zwischen 16. September 1518 und 18. August 1520). Dabei wird auch die merkwürdige Formulierung Eremitarum Mediorum Vicario, wie sie in der Briefanrede Luthers an Lang vom 3. September 1519 laut der uns überlieferten Abschrift zu finden ist, von 0. Clemen in der Weimarer Ausgabe als Schreibfehler rur Medio Vicario gedeutet: WA Br 1, 506. 13 WA Br 1, 399f., 432 (16. Mai 1519,26. Juli 1519). 14 WA Br 1, 185,258,619, WA Br 2,74 (Briefe zwischen 10. Juli 1518 und 21. März 1520). Ob in WA Br 2, 168, Lang oder Staupitz als Vicarius gemeint ist, bleibt zweifelhaft. 15 UB der Erfurter Stifter und Klöster, Teil 3: Die Urkunden des Augustiner-Eremitenklosters (1331-1565), bearb. v. A. Overmann (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt N.R. 16), Magdeburg 1934, 314, 320. 16 Staupitz an Lang, 11. März 1520: Kolde, Augustinerkongregation (wie Anm. 4), 444. 9

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Martin Luther und das Amt des Provinzial vikars

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Die Divergenz der gebrauchten Amtstitel gibt einige Rätsel auf. Spiegelt sich darin nur terminologische Unsicherheit bzw. die normale Variationsbreite der informell möglichen Titulierungen? Sind die Abweichungen schlicht zu erklären aus dem üblichen mönchischen Demutshabitus? Oder stehen hinter der Begriffsverwirrung womöglich grundsätzliche Probleme und Unklarheiten, vielleicht auch Wandlungsprozesse, bezüglich des Amtes selbst? So intensiv ansonsten der Lebensweg Luthers als Augustinermönch erforscht ist -, in diesem Punkte bietet die bisherige Forschung kaum befriedigenden Aufschluß. Eine nähere Definition des Lutherschen Vikars amtes sucht man vergebens. Was genau aber war die Stellung, die Luther 1515-1518 in seinem Orden innehatte? Welche Verantwortungen, Rechte und Pflichten waren mit dem Amte verbunden?

11. Das Amt des Provinzialvikars gemäß den Reformkonstitutionen der Augustiner-Kongregation von 1504 Zur Klärung der aufgeworfenen Fragen ist der Blick zurückzulenken auf die Ursprunge und die Entwicklung des regionalen Vikariates im deutschen Augustinerorden. Vor der Entstehung der observanten, mit päpstlichen Sonderrechten privilegierten deutschen Augustiner-Kongregation im 15. Jahrhundert waren sämtliche Klöster der Augustiner-Eremiten in Deutschland nach rein territorialen Gesichtspunkten aufgeteilt auf vier Ordensprovinzen (seit 1299), die jeweils unter der Leitung eines Provinzials -Prior Provincialis - standen. Die räumlich größte war dabei die Bayerische Provinz im Südosten, gefolgt von der Sächsischen bzw. Sächsisch-Thüringischen Provinz im Norden, der Kölnischen Provinz im Nordwesten und der Rheinisch-Schwäbischen Provinz im Südwesten. 17 Innerhalb dieser Provinzen, vor allem in der ausgedehnten Bavarica und Saxonia mit zuletzt je über 35 Klöstern, war es im Lauf des 14. Jahrhunderts üblich geworden, daß filr regional begrenzte Unterbezirke durch den Provinzial Vikare eingesetzt wurden, die in seinem Namen und nach seinen Weisungen die Aufsicht über die dort gelegenen Konvente führten. Es waren diese Vikare des Provinzialpriors, die traditionell im Augustinerorden als "Distriktsvikar" bzw. genauer als vicarius provincialis filr den jeweiligen districtus bezeichnet wurden. In der Sächsisch-Thüringischen Provinz tauchen in den Quellen des 14. und 15. Jahrhunderts als Distrikte mit den entsprechenden Distriktsvikaren folgende Bereiche auf: Sachsen, Thüringen, Franken, Hessen, Westfalen, die Mark und 17 Ausfilhrlich zur Entwicklung der Ordensprovinzen A. Kunzelmann, Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten, 7 Bde. (Cassiciacum 26/1-7), Würzburg 1969-1976, hier Bd. 2-5. Nützliche (im einzelnen nicht fehlerfreie) Übersicht mit Karte bei W Hümpfner, Augustiner-Eremiten, in: ILThK 1 (1930), Sp. 816-823.

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Preußen. 18 Vielfach wurden dabei zwei dieser Bereiche unter einem Vikar zusammengefaßt; so wurde Preußen mit der Mark verbunden, der Distrikt Hessen läßt sich überhaupt nur im 15. Jahrhundert in Verbindung mit Thüringen belegen,19 und älter noch ist die Verknüpfung des (engeren) Sachsen und Thüringen zu einem Distrikt im 14. Jahrhundert. Für das Jahr 1427 wissen wir aus einer Verfiigung des Augustiner-Ordensgenerals in Rom, daß man damals vier Distrikte in der Saxonia unterschied: die Mark, Sachsen, Westfalen und Thüringen 20 (Preußen, Hessen und Franken werden hier nicht als eigene Einheit genannt). Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts tritt dann Franken wiederholt als gesonderter Distrikt (districtus Franeonie) im Süden hervor. 21 So ergibt sich fiir die überkommene Provinzialverfassung der deutschen Augustiner-Eremiten ein klares Bild: Hier war die Funktion des Distriktsvikars als administratives Hilfsamt in direkter, vollständiger Unterordnung unter dem Provinzial angesiedelt und wurde je nach Bedürfnis, nach personellen und örtlichen Verhältnissen, mit wechselndem Zuschnitt der einzelnen Distrikte flexibel eingerichtet. Die Verhältnisse in der observanten Augustiner-Kongregation, in der Luther zu Beginn des 16. Jahrhunderts sein Ordensamt ausübte, lagen dagegen anders. Ursprünglich war die Augustiner-Kongregation der privilegierten Observanz im 15. Jahrhundert aus der Sächsisch-Thüringischen Provinz emporgewachsen. 22 18 Zahlreiche Nachweise dafilr bei Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), V, 3, 46, 62, 180, 184, 232, 241, 289f., 323, 326, 345, 353, 356-358, 363f. - Die Distrikte bei den Augustiner-Eremiten stehen als Untergliederungen der Ordensprovinzen in Parallele zu den Kustodien bei den Franziskanern und den Landschaften (nationes) bei den Dominikanern. 19 UB Erfurter Stifter III (wie Anm. 15), 159-161, zu Heinrich Ludowici 1456 als "vicarien des provincialis in Doringen und in Sachsen ob ir das district Doringen und Hessen". 20 Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), V, 347. - In der kaum überschaubaren Bayerischen Provinz bildeten sich bis zu zehn Distrikte im Umfang von drei bis dreizehn Klöstern mit teilweise weitergehenden Befugnissen der Distriktsvikare heraus: Bayern, Böhmen, Österreich, Mähren, Schlesien, Steiermark-Kärnten, Polen, Masovien, Rußland und wohl Kroatien: Kunzelmann, ebd. 3, 126f., 129, 167, 176,224, 229, 233f., 258. In der Rheinisch-Schwäbischen Provinz finden sich 1420 drei Distrikte, später nur noch die beiden Bezirke districtus superior im Süden und districtus inferior im Norden: Kunzelmann, ebd. 11, 36, 97, 257f.; Höhn, Chronologia (wie unten Anm. 27), 150 (zu 1514). Zu den beiden Distrikten der Kölner Provinz s. u. Anm. 56. 21 Belege filr das Amt des Distriktsvikars in Franken: Urkunden und Regesten zur Geschichte der Augustinerklöster Würzburg und Münnerstadt von den Antangen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts (Regesta Herbipolensa 5), bearb. von A. Zumkeller, 2 Bde. (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 18/12), Würzburg 1966/67, I, 283 (1458), 11, 651 (1451),697 (1519), ferner I, 280 (1457) sowie 11, 627f. (Franken schon 1401 als districtus genannt). Vgl. Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), V, 151,341,353, 356f. 22 Zur Entwicklung der Kongregation bis 1503: Kolde, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), 63-208, 407f., 413-437; Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), V, passim. Kritischer zur Rolle des Proles und zum aggressiven Verdrängungsan-

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Unter dem Banner der konsequenten Ordensreform hatten hier zunächst einige wenige Konvente in Mitteldeutschland und Franken - dem Vorbild anderer, außerdeutscher Kongregationen innerhalb des Ordens, vor allem der blühenden Lombardischen Reformkongregation, folgend - ihre Eigenständigkeit errungen. Die Klöster dieser neugebildeten Union bzw. Kongregation wurden der Hoheit des sächsisch-thüringischen Provinzials entzogen und wählten statt dessen als ihr Oberhaupt einen eigenen Vikar, der ebenso wie die Provinziale des Ordens allein und unmittelbar dem Generalprior der Augustiner-Eremiten in Rom unterstand; aufgrund der besonderen päpstlichen Privilegien, welche die Kongregation genoß, war die Stellung ihres (General-)Vikars gegenüber dem Ordensgeneral letztlich sogar entschieden stärker als die der Provinziale. 23 So war mit der sächsisch-thüringischen Reformkongregation gleichsam ein fünfter deutscher Ordensverband neben den vier Provinzen, speziell hier in Konkurrenz zur Saxonia, entstanden. Indes, der missionarische Eifer und das sich daraus ergebende Wachstum der Observanten führte bald dazu - vor allem unter dem resoluten Vikar Andreas Proles (1473-1503) - , daß die "sächsische" Kongregation zunehmend auf die übrigen deutschen Ordensprovinzen übergriff, zuerst auf die Bayerische und Rheinisch-Schwäbische Provinz, zuletzt auch auf die Kölnische Provinz. Gegen den Widerstand und die Proteste der betroffenen Provinzoberen übernahm die Kongregation im Wege der örtlichen Klosterreform - meist tatkräftig unterstützt von den zuständigen weltlichen Obrigkeiten - zunehmend auch Konvente im Süden und Westen des Reiches; die Zuordnung zur Kongregation bedeutete dabei zugleich die Entfremdung der jeweiligen Klöster von ihrem bisherigen Provinzverband. Aus anfangs nur fünf Konventen der Kongregation waren auf diese Weise unter Proles an die dreißig Klöster geworden. Längst war der Versuch der ordensinternen Gegner, die Kongregation auf den Raum der Sächsisch-Thüringischen Provinz zu beschränken, gescheitert, und entsprechend hatte sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts die umfassende Bezeichnung als "deutsche" Reformkongregation (Congregatio in Germania bzw. Congregatio Alemaniae) durchgesetzt. Proles und später sein Nachfolger Johann von Staupitz (seit 1503) trugen fortan unbestritten den Titel eines Generalvikars - vicarius generalis - der reformierten Augustiner-Eremiten in Deutschland.

spruch der observanten Kongregation (unter Betonung der Reformtendenzen auch in den "konventualen" Klöstern und Provinzverbänden): R. Weinbrenner, Klosterreform im 15. Jahrhundert zwischen Ideal und Praxis. Der Augustinereremit Andreas Proles (14291503) und die privilegierte Observanz (Spätmittelalter und Reformation N.R. 7), Tübingen 1996. Ferner hierzu M Schulze, Fürsten und Reformation. Geistliche Reformpolitik weltlicher Fürsten vor der Reformation (Spätmittelalter und Reformation N.R. 2), Tübingen 1991,87-101. 23 Vgl. Kolde, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), 224; Schulze, Fürsten (wie Anm.22), 165; Weinbrenner, Klosterreform (wie Anm. 22), 133-135.

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Die über weite Teile des Reiches sich spannende Ausdehnung der Kongregation fUhrte in der Praxis bald zu Organisationsproblemen, die allein durch die Aufsicht eines zentralen Generalvikars kaum noch zu bewältigen waren. Die Folge war, daß noch vor Ende des 15. Jahrhunderts in der rasant gewachsenen Kongregation der Weg zu regionalen Funktionsverteilungen beschritten wurde. So wird schon in einer Aufzeichnung vom Mai 1497 der gelehrte Mönch und mehrmalige Prior Johannes Bruheym als vicarius congregationis Alemaniae bezeichnet/4 und um die gleiche Zeit (ca. 1497/98) widmet Johann von Staupitz eine Predigtreihe eben diesem Bruheym als reformatae congregacionis fratrum heremitarum Sancti Augustini provinciarum Bavariae, Sueviae-Reni et Coloniae provinciali commissario. 25 Bruheym scheint hiernach in nicht näher bestimmbarer Form als "Vikar" bzw. "Provinzialkommissar" schon unter dem Generalvikar Proles fiir jene Klöster der Kongregation zuständig gewesen zu sein, die außerhalb der Sächsisch-Thüringischen Provinz im Gebiet der drei anderen deutschen Ordensprovinzen lagen. Ganz eindeutig tritt diese Funktion dann im Mai 1503 zutage: zu jenem Zeitpunkt, da Staupitz als Nachfolger von Proles zum Generalvikar gewählt wurde und ihm zugleich zwei Regionalvikare beigegeben wurden. Die von dem damaligen Wahlkapitel der Kongregation zu Eschwege ausgestellte Urkunde nennt unmittelbar nach dem neugewählten prioris genera/is per Alemanniam vicarius Staupitz und seinem Vorgänger Proles als im Rang folgende Würdenträger der Kongregation Iohannes Voyt Saxonie et Thuringie, Iohannes Bruheym Bavarie, Rheni et Colonie provinciarum vicarii. 26 Voigt fungierte somit als regionaler Vikar für die im Bereich der Sächsisch-Thüringischen Provinz gelegenen Klöster, Bruheym entsprechend als Vikar für die Konvente in den drei übrigen Provinzen. Im Raum der Saxonia gehörten um 1503 vierzehn bzw. sechzehn Klöster der observanten Union der Augustiner-Eremiten an: Magdeburg, Himmelspforte bei Wernigerode, Dresden, Waldheim, Königsberg in Franken, Grimma, Erfurt, Gotha, Neustadt an der Orla, Langensalza, Sangerhausen, Eschwege, Herzberg, Nordhausen sowie zuletzt (1503 noch im Aufbau befindlich) Wittenberg und Sternberg in Mecklenburg; innerhalb der Bayerischen Provinz gehörten zur Kongregation die vier Klöster Nürnberg, München, Kulmbach und Mindelheim; im Bereich der Rheinisch-Schwäbischen Provinz waren es die sechs Konvente Heidelberg, Tübingen, Eßlingen, Weil der Stadt, Alzey und Mülhausen im Elsaß; innerhalb der Kölnischen Provinz schließlich waren Ende des 24 Aufzeichnung vom 25. Mai 1497, zitiert bei Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), V, 436. 25 J. v. Staupitz, Tübinger Predigten, hg. v. G. Buchwald / E. Wolf(QueIIen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 8), Leipzig 1927, VIII-XIV, 1. Die Bezeichnung commissarius mag darauf hindeuten, daß Bruheym zu jenem Zeitpunkt als Vikar rur die drei Provinzen noch nicht gewählt, sondern nur vom Generalvikar eingesetzt war. 26 VB Erfurter Stifter (wie Anm. 15), 384f. (Eschwege, Mai 1503).

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15. Jahrhunderts hinzugekommen die vier Klöster Haarlem, Enkhuizen, Mülheim (Ehrenbreitstein) und Bonn. Über die Zuordnung dieser dreißig Konvente zur Kongregation sind wir zuverlässig informiert aufgrund einer Bulle des Kardinallegaten Bernhardin Carvajal aus dem Spätjahr 1507. 27 Dem seinerzeit aktuellen Stand zufolge müßten somit in der 1503 beginnenden, regulär drei Jahre währenden Amtszeit28 sowohl Voigt als auch Bruheym als Regionalvikaren je etwa vierzehn Konvente unterstellt gewesen sein. In der Realität freilich dürften diese Zahlen etwas geringer gewesen sein, da - wie wir sehen werden - einzelne Klöster offenbar von der Aufsicht durch die regionalen Vikare eximiert waren und unmittelbar nur dem Generalvikar unterstanden. Die beiden genannten Vikare - Voigt und Bruheym - waren ebenso wie Staupitz doktorierte Theologen, die an verschiedenen deutschen Universitäten studiert hatten: mithin hochgelehrte Männer, die zur intellektuellen Elite der reformierten Augustiner-Eremiten gehörten. 29 In ihrer Leitungsfunktion blieben sie nicht beschränkt auf die Verwaltungsaufgaben im Innern, vielmehr traten sie auch nach außen hin neben Staupitz als Repräsentanten des Ordens in Erscheinung. Aufschlußreich ist in dieser Hinsicht die uns überlieferte Urkunde, mit der im November 1504 die reformierten deutschen Augustiner-Eremiten dem 27 Unionsbulle des Kardinallegaten Carvajal, Memmingen 15. Dezember 1507, gedruckt bei: A. Höhn, Chronologia provinciae Rheno-Suevicae ordinis fratrum eremitarum S. Augustini, Würzburg 1744, 142-148, ebenso H. Böhmer, Luthers Romfahrt, Leipzig 1914, 161-166, vgl. 53f., 56. Zu den einzelnen Konventen siehe Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), lI-V. Daneben filhrt die Bulle auch die knapp 25 nicht-observanten Klöster der Sächsisch-Thüringischen Provinz auf, die nach dem Willen des augustinischen Ordensgenerals damals unter Staupitz mit der Kongregation vereint werden sollten. Vgl. R. Weijenborg, Neuentdeckte Dokumente im Zusammenhang mit Luthers Romreise, Antonianum 32 (1957) 147-202, hier 160. 28 Soweit uns die Daten der Kapitelstagongen der deutschen Augustiner-Kongregation bekannt sind, gab es offenbar von dem üblichen Triennium und damit auch von der dreijährigen Amtszeit der Ordensvikare bisweilen Abweichungen. Nach dem Eschweger Kapitel von Jubilate (7. Mai) 1503 wurde das folgende Kapitel schon vorzeitig auf den Augustinustag (28. August) 1505 in das Kloster Mülheim anberaumt. Im Zusammenhang mit den Staupitzschen Unionsplänen wurde sodann am 18. Oktober 1508 ein Kapitel der Kongregation in München abgehalten. Aus den folgenden Jahren des inneren Konflikts in der Kongregation 1509-1511 sind zwar diverse Zusammenkünfte bezeugt, nicht aber ein weiteres Gesamtkapitel. Auf dem Kapitel, das dann am 5. Mai (Mittwoch nach Jubilate) 1512 in Köln zusammenkam, gelang die Beilegung der Streitigkeiten. Im regelmäßigen Drei-Jahres-Rhythmus folgten die Kapitel zu Gotha Jubilate (29. April) 1515 sowie zu Heidelberg Jubilate (25. April) 1518, bis schließlich durch den Rücktritt des Staupitz vom Generalvikariat wieder ein vorgezogenes Kapitel notwendig wurde, das am Augustinustag (28. August) 1520 in Eisleben tagte, danach aufgrund der verschärften Krise der Kongregation ein weiteres vorzeitiges Kapitel zu Pfingsten (8. Juni) 1522 in Grimma. Vgl. Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), V, 435, 450f., 454[,467,470[,476[,510-512. 29 Zu Voigt und Bruheym: Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), V, 120[, 436f.

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sächsischen Kurfiirsten Friedrich dem Weisen (im Zusammenhang mit der Wittenberger Universitätsgründung) ihre hinsichtlich der Stiftung und Ausstattung des Augustinerklosters zu Wittenberg eingegangenen Verpflichtungen bestätigten: Hier ist es nicht allein Staupitz, der als Ordensoberer handelt, vielmehr treten an seine Seite auch Johannes Voigt als Vikar in Sachsen und Thüringen sowie Johannes Bruheym als Vikar in Bayern, Schwaben und am Rhein; gemeinsam geben sie im Namen der Kongregation die feierlichen Versicherungen fiir die Zukunft ab. 30 Besonders auffiUlig ist dabei, daß auch Bruheym mit genannt wird, obschon es um einen Vorgang im Raum der Sächsisch-Thüringischen Provinz, also im Amtsbezirke von Voigt, ging. Schon hier wird deutlich: Die regionalen Vikare innerhalb der Kongregation sind mehr als nur Hilfsbeamte des Generalvikars, ihre Stellung ist eine andere als die der Distriktsvikare im Rahmen der älteren Provinzialverfassung. Unter und neben dem Generalvikar verkörpern sie die Leitungsebene der gesamten Kongregation. Um die rechtliche Stellung und amtliche Titulierung der Regionalvikare in der deutschen Augustinerkongregation zu bestimmen, sind wir nicht auf Mutmaßungen angewiesen. Tatsächlich besitzen wir gerade aus den Anfangsjahren des Generalvikariates von Staupitz eine herausragende, normative Quelle, die über die Führungsstruktur der Kongregation einschließlich der Vikarsämter authentisch Auskunft gibt - eine Quelle freilich, die in unserem Zusammenhang stets vernachlässigt oder nur unzureichend zu Rate gezogen wurde. Es handelt sich dabei um die im wesentlichen von Staupitz selbst redigierten, ein Jahr nach seinem Amtsantritt im Mai 1504 auf einer eigens zu diesem Zweck berufenen "Convocatio" der Kongregation verabschiedeten Konstitutionen der reformierten deutschen Augustiner-Eremiten, die noch im gleichen Jahr zu Nilrnberg gedruckt wurden. Im Abschnitt 32 dieser "Constitutiones" wird die im dreijährlichen Turnus vorgesehene Abhaltung des Gesamtkapitels der Kongregation und hierbei vor allem die Wahl der leitenden Ordensvertreter geregelt. Nachdem zunächst dort der Modus der geheimen Wahl mit absoluter Mehrheit (scrutinium) fiir das Amt des Generalvikars behandelt wird, folgen die entsprechenden Bestimmungen über die Wahl der regionalen Vikare der Kongregation: Hoc item perfecto procedat ad electionem vicariorum provincialium unionis nostre, eleganturque duo vel tres pro provinciarum dispositione, quorum electionis modus fiat per scrutinium: ut supra de electione vicarii generalis positum est. OjJicium autem illorum est: ut quilibet conventus sibi deputatos diligenter respiciat, ac inquantum potest sollicite promoveat, atque iuxta sibi per dijJinitorium datam aucto30 UB der Universität Wittenberg, Teil 1 (1502-1611), bearb. v. W Friedensburg (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt N.R. 3), Magdeburg 1926, 12f.; in dem von Friedensburg erstellten Urkundenregest fehlt in Bruheyms Vikarstitel merkwürdigerweise die Nennung der Kölner Provinz: eine Auslassung in der Urkunde oder ein Versehen des Bearbeiters?

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ritatem quando a patre vicario generali iussus foerit visitet. Similis quoque modus observatur in electione visitatorum totius nostre congregationis. Illud etiam notandum quod qui vicarius provincialis nunc electus est, in futuro capitulo ad idem officium eligi non potest. Hoc ipsum quoque volumus de visitatoribus diffinitoribusque observari. 31

Neben den Vikaren treten hier als Inhaber der weiteren Führungsämter der Kongregation - in dieser Beziehung eng angelehnt an die tradierte Provinzialverfassung des Ordens - die beiden Visitatoren hervor, die zur Unterstützung des Generalvikars bei der Visitation der Gesamtheit der Klöster gewählt wurden, sowie die ebenso vom Kapitel gewählten Diffinitoren, die als eine Art Beirat des Generalvikars in der Aufsicht der Kongregation fungierten und als "Diffinitorium" auch bei der Einberufung und Leitung der Kapitelstagungen tätig wurden. 32 In den Ordenskonstitutionen von 1504 wird im übrigen auf das Amt der regionalen Vikare nur an wenigen anderen Stellen noch direkt Bezug genommen. Von substantieller Bedeutung ist dabei allein die Erwähnung in Kapitel 33, das von der Autorität des Generalvikars handelt und u. a. dessen Gewalt über die übrigen Amtsträger der Kongregation mit den Worten statuiert: ... ipse [vicarius generalis] sane vicarios provinciales canonice electos confirmare, et eosdem corrigere et absolvere (si casus emerserit absolvendi) potest, priores insuper conventuales canonice electos similiter confirmabit, et tam eos quam alios quoscumque officiales absolvere poterit. 33 Aus den "Constitutiones" ergibt sich ein klarer Befund: Zunächst ist festzuhalten, daß der offizielle Titel des regionalen Vikarsamtes in der deutschen Augustiner-Kongregation eindeutig als der eines Provinzialvikars - vicarius provincialis - definiert ist. Der Begriff districtus taucht hier überhaupt nicht auf, vielmehr wird der Amtsbereich der Vikare allein auf die Provinzen bezogen (pro provinciarum dispositione), wo ihnen jeweils eine nicht näher bestimmte Anzahl Konvente untersteht (quilibet conventus sibi deputatos). Der entscheidende Unterschied in der Stellung des Provinzialvikars der Kongregation gegenüber dem Typus des Distriktsvikars gemäß der alten Provinzordnung besteht indes darin, daß letzterer in der Regel allein vom Provinzial als dessen 31 Constitutiones fratrum heremitarum Sancti Augustini ad apostolicorum privilegiorum formam pro reformatione Alemaniae, Nümberg 1504, unpaginiert, cap. 32: "De modo celebrationis Capituli triennalis". Exemplare des Druckes von 1504 sind erhalten in der Bayerischen Staatsbibliothek München, in der Universitätsbibliothek Jena und in der Universitätsbibliothek Gent. In den einschlägigen Werken der Augustinerforschung von Kolde bis zu Kunzelmann sucht man eine systematische Auswertung der Konstitutionen vergebens; das Desiderat einer modernen Edition, auf das A. Zumkeller, Johannes von Staupitz und die klösterliche Reformbewegung, Analecta Augustiniana 52 (1989) 29-49, hier 40, verwiesen hat, besteht weiterhin fort. 32 Zum Amt der Visitatoren und Diffinitoren vgl. Kolde, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), bes. 30-32. 33 Constitutiones (wie Anm. 31), cap. 33: "De officio et auctoritate vicarii generalis unionis nostre".

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Gehilfe ernannt und eingesetzt wird, während der Provinzialvikar reformiertobservanten Zuschnitts vorn Kapitel der Kongregation ebenso wie der Generalvikar durch Wahl bestimmt wird und damit in seiner Leitungsfunktion eine ganz andere Legitimation und ein anderes Gewicht besitzt als der Distriktsvikar. Dieses Gewicht des Provinzial vikars zeigt sich u. a. darin, daß er - wie wir aus Luthers Amtsfiihrung wissen - gleichermaßen wie der Generalvikar das Recht besaß, bei Pflichtverletzung die Prioren der ihm unterstellten Konvente ihres Amtes zu entheben. 34 Auch die Amtszeit der Provinzialvikare ist entsprechend der des Generalvikars regulär auf drei Jahre, auf das Triennium zwischen den Kapitelstagungen der Kongregation, angelegt. Dabei kann im ganzen freilich an der Obergewalt und Ausnahmestellung des Generalvikars kein Zweifel bestehen: Während dieser auf jedem Kapitel neu, zeitlich unbegrenzt im Amt bestätigt werden kann, ist bei den Provinzial vikaren die direkte Wiederwahl ausgeschlossen, und die Vollmachten des Generalvikars schließen im Extremfall auch das Recht zur Absetzung der Provinzialvikare ein. Das Amt des Provinzialvikars in der reformierten Augustiner-Kongregation ist mithin weniger in Parallele zu setzen zu dem Hilfsamt der Distriktsvikare innerhalb der Ordensprovinzen als vielmehr eher zu dem der Provinzialprioren selbst. So wie man zu Recht die Machtfiille des Generalvikars über die Kongregation mit der Verfiigungsgewalt des Generalpriors über den Gesamtorden verglichen hat,35 ist die Stellung der Provinzialvikare tendenziell auf einer Ebene mit der der Provinziale zu sehen. Die um 1500 seitens der observanten Augustiner um Proles und Staupitz eingefiihrte Funktion der Provinzial vikare weist in dieser Beziehung deutliche Anklänge auf an das gleichnamige Amt (vicarius provincialis bzw. vicarius provinciae), wie es seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Franziskanerorden bestand: Dort, bei den Franziskanern, standen sich in den einzelnen Provinzen jeweils Provinziale (genauer: Provinzialminister) und Provinzialvikare gegenüber - die letzteren gewählt von den observanten Klöstern der Provinz als deren Obere, die ersteren als Leiter der übrigen, nicht-observanten Konvente. 36 Oberhalb der Provinzialvikare gab 34 Vgl. zur Absetzung des Priors von Neustadt a. d. Orla, Michael Dressei, im September 1516, von Luther schriftlich in feierlicher Form kraft der Gewalt seines Amtes (auctoritate officii)·ausgesprochen: WA Br I, 57-59, bes. Z. 25-29. Es handelt sich hier also offenkundig nicht um eine nur vom Generalvikar übertragene Gewalt. In der traditionellen Ordensverfassung hatten selbst die Provinziale nur das Recht zur Suspendierung, nicht zur Absetzung der Prioren: Ko/de, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), 31f. 35 Belege wie oben Anm. 23. 36 Zur Entwicklung im Franziskanerorden bis 1517: F Doe//e, Die Observanzbewegung in der sächsischen Franziskanerprovinz (Mittel- und Ostdeutschland) bis zum Generalkapitel von Parma 1529 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 30/31), Münster 1918, 1-138, hier bes. 4, 125; zum Amt der Provinzialvikare: L. Lemmens, Die Provinzial vikare der sächsischen Observanten, Beiträge zur Geschichte der sächsischen Franziskanerprovinz vom Heiligen Kreuze 3 (1910) 69-75; F Doe//e, Die Provinzial-

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es auch im observanten Zweig des Barfiißerordens das Amt des Generalvikars: Je ein zismontaner und ultramontaner Generalvikar - seinerseits allein dem franziskanischen Ordensgeneral (Generalminister) in Rom unterstellt - hatte die Oberaufsicht über die Observanten und speziell die Provinzialvikare inne. Im übrigen war die Amtszeit der Provinzialvikare auch bei den Franziskanern auf maximal drei Jahre ohne direkte Wiederwahl festgelegt. Die Differenz zum Augustinerorden mit seinen gesonderten Kongregationen (ähnlich wie auch im Dominikanerorden37) bestand darin, daß bei den Minderbrüdern die observanten Parallelstrukturen konsequent aus dem Geftige der einzelnen Provinzen heraus aufgebaut waren - mit dem langfristig durch die Observanten verfolgten Ziel einer Wiedervereinigung der getrennten Ordenszweige unter Führung der strengen Richtung. Tatsächlich ist dieses Ziel 1517 durch Entscheidung des franziskanischen Generalkapitels zu Rom zumindest teilweise erreicht worden: die bis dahin als Provinzialvikare fungierenden Observantenftlhrer wurden damals unter Absetzung der alten Amtsinhaber als Provinziale eingesetzt und übernahmen so die Gesamtleitung der jeweiligen Provinzen. Trotz der anders gearteten Führungsstruktur bei den deutschen AugustinerEremiten war die hier von der Reformkongregation verfolgte Zielrichtung im Grundsatz die gleiche wie die der observanten Franziskaner. Auch die reformierten Augustiner strebten - gerade in den Anfiingen der Ära Staupitz - auf die Union mit den bestehenden Provinzen im Sinne ihrer Reform und Übernahme durch die Kongregation. 38 Das aber bedeutete, daß die augustinischen Vikare von ihrer Anspruchshaltung her letztlich ebenso wie die franziskanischen Provinzialvikare in einem Konkurrenzverhältnis standen zu den regulären Ordensprovinzialen. Zwar war es im konkreten Fall der augustinischen Unionspolitik zwischen 1507 und 1512 der Generalvikar selbst, Johann von Staupitz, der in der sächsischen Ordensprovinz als der Ursprungseinheit der Kongregation die Funktion des Provinzials übernahm. Im Blick auf den Gesamtprozeß aber mußten die unter Staupitz stehenden Provinzialvikare glei-

vikare der sächsischen Provinz, Franziskanische Studien 17 (1930) 58-82. Im Vergleich zu den Augustinern war die Situation bei den Franziskanern noch komplizierter, da hier mit der strengen Observanz, der martianisch-reformierten Mittelgruppe (gemäß den von Papst Martin V. bestätigten Reformkonstitutionen von 1430) und den Konventualen drei verschiedene Ordensrichtungen neben- und gegeneinander standen. 37 V gl. E. Hillenbrand, Die Observantenbewegung in der deutschen Ordensprovinz der Dominikaner, sowie S. P. Wolfs, Dominikanische Observanzbestrebungen: Die Congregatio Hollandiae (1464-1517), beide Aufsätze in: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, hg. v. K. Elm (Berliner Historische Studien 14 - Ordensstudien 6), Berlin 1989,219-271,273-292; B. Hübscher, Die deutsche Predigerkongregation 1517-1520. Aufhebung, Kampf und Wiederherstellung (Diss. theol., Freiburg / Schweiz 1953), bes. 16f. 38 Zur Staupitzschen Unionspolitik siehe die grundlegende Bulle von Ende 1507 (Nachweis oben in Anm. 27) sowie das Nachstehende. 47*

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chermaßen als Alternativobere erscheinen, die bei einer erfolgreichen Fortführung der Union, analog der franziskanischen Entwicklung, an die Stelle der bisherigen Provinziale treten konnten. Indessen scheint bei der Abfassung der Staupitzschen Ordenskonstitutionen von 1504 ein systematischer, umfassender Ausbau der Provinzialvikariate gemäß dem Vorbild der Franziskaner noch nicht geplant worden zu sein. Ein solcher Ausbau hätte die Wahl je eines Vikars tur jede der vier deutschen Provinzen der Augustiner bedeuten müssen; die Konstitutionen dagegen fassen, wie oben zitiert, nur unbestimmt die Einsetzung von zwei bis drei (duo vel tres) Provinzialvikaren ins Auge. Offenkundig sollte hiernach die Anzahl der regionalen Vikare den konkreten Bedürfnissen und dem weiteren Wachstum der Kongregation angepaßt bleiben - ähnlich wie ein halbes Jahrhundert zuvor auch bei den Franziskanerobservanten erst sukzessive tur die verschiedenen deutschen Ordensprovinzen eigene Provinzialvikare gewählt worden waren. 39 Einstweilen blieb die Zahl der augustinischen Provinzial vikare sogar auf nur zwei beschränkt: Auf dem Eschweger Kapitel von 1503 wurde, wie wir sahen, nur ein Vikar fUr die Sächsisch-Thüringische Provinz (Johann Voigt) und einer fUr die drei weiteren Provinzen (Johann Bruheym) gewählt.

III. Die weitere Ausprägung des regionalen Vikariats nach 1504 Erst in den Folgejahren kam es unter Staupitz zu einer Vermehrung der regionalen Vikariate in der deutschen Augustiner-Kongregation: ein Vorgang, über den wir aufgrund der lückenhaften Quellenbasis nur sehr unzureichend unterrichtet sind und über den teilweise durchaus irrige Vorstellungen in der Forschung bestehen. So ist in älteren wie neueren Werken, auch in der ordensgeschichtlichen Spezialliteratur, immer wieder zu lesen, daß um 1510 in der Augustiner-Kongregation der damalige Prior des Klosters zu Kulmbach, Simon Kayser, als "Distriktsvikar" fungiert habe - eine Angabe, die häufig noch dahingehend präzisiert wird, daß Kayser "Distriktsvikar in Franken" gewesen sei. 40 Dieser Version zufolge müßte in den Jahren nach 1503/04 im Süden der 39 Lemmens, Provinzialvikare (wie Anm. 36), 70; Doelle, Provinzialvikare (wie Anm. 36), 58-61. Vgl. Doelle, Observanzbewegung (wie Anm. 36), bes. 22f. 40 Die Einstufung Kaysers als Distriktsvikar findet sich zuerst bei Th. Kolde, Innere Bewegungen unter den deutschen Augustinern und Luthers Romreise, Zs. rur Kirchengeschichte 2 (1878) 460-472, hier 466f. Ebenso u. a.: Kolde, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), 240; Weijenborg, Dokumente (wie Anm. 27), 185; Brecht, Luther I (wie Anm. 4), 109. Ausdrücklich als "fränkischer Distriktsvikar" erscheint Kayser u. a. bei: Böhmer, Romfahrt (wie Anm. 27), 56f.; Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), V, 275, 459; WEckermann, Neue Dokumente zur Auseinandersetzung zwischen Johann von Staupitz und der sächsischen Reformkongregation, Analecta Augustiniana

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Kongregation ein neuer Vikariatsbezirk geschaffen worden sein. Außer über sein Heimatkloster Kulmbach könnte Kayser die Vikars gewalt über die Konvente Nümberg und Königsberg i. Fr., womöglich auch über Mindelheim und München ausgeübt haben; mehr reformierte Klöster in dieser Region gab es nicht. Warum aber hätte gerade hier ein eigenes Vikariat errichtet werden sollen?41 Bei näherer Betrachtung der einschlägigen Quellen stellt sich heraus, daß diese Errichtung mitnichten zu belegen ist. Tatsächlich wird Kayser in verschiedenen Schriftstücken der Jahre 1510 und 1511 als "Vikar" der AugustinerKongregation bezeichnet, nie aber, kein einziges Mal, als Distrikts- oder Provinzialvikar, schon gar nicht mit der geographischen Zuordnung zu Franken. Wie wir oben sahen, hat es die Funktion eines fränkischen Distriktsvikars sehr wohl gegeben, jedoch als nicht-observantes Ordensamt in Unterordnung unter den sächsisch-thüringischen Provinzial; als solches ist es zuletzt noch fiir das Jahr 1519 bezeugt.42 Die Übertragung aber dieses Amtstitels auf die reformierte Kongregation entspringt bloßer Phantasie - aus dem Umstand heraus, daß man nur so offenbar den fiir Kayser überlieferten Vikarstitel plausibel meinte erklären zu können. In Wirklichkeit ist Kayser zu der zeitweiligen Würde eines Ordensvikars auf ganz andere Weise gelangt - im Gefolge der Turbulenzen nämlich, die sich aus der Unionspolitik des Generalvikars Staupitz ergaben. Als Staupitz 1509/10 die Vereinigung der Kongregation mit der sächsisch-thüringischen Ordensprovinz aktiv in Angriff nahm, gab es sieben reformierte Konvente, die nicht bereit waren, den vom Generalvikar und vom Ordensgeneral ausgehenden Unionsbefehl zu befolgen. Aus Furcht vor einem Niedergang der in der Reformkongregation erreichten Ordenszucht und vor einem Verlust ihrer päpstlich garantierten Privilegien in dem neuen Unionsverband revoltierten jene Klöster und griffen wiederholt zum Mittel der Appellation an Papst Julius 11. Die sieben Konvente - Nümberg, Kulmbach, Erfurt, Nordhausen, Sangerhausen, Himmelspforte und Sternberg - gingen im Laufe des Konfliktes so weit, daß sie Staupitz die weitere Anerkennung als Generalvikar versagten, da dieser mit seiner Übernahme des sächsischen Provinzialats von den Grundsätzen der Kongregation abgefal-

40 (1977) 279-296, hier 282, 288-290; M. Wernicke, Die deutschen Augustiner von 1500 bis 1520, in: Egidio da Viterbo, OSA, e il suo tempo. Atti deI V Convegno deli' Istituto Storico Agostiniano, Roma - Viterbo 20-23 ottobre 1982 (Studia Augustiniana Historica 9), Roma 1983, 9-25, hier 24. 41 Ein fränkisches Vikariat unter Einschluß von Kulmbach, Nümberg und Königsberg i. Fr. mutet schon deshalb unwahrscheinlich an, weil es die Provinzialgrenzen außer acht gelassen hätte: Kulmbach und Nümberg lagen im Gebiet der bayerischen Ordensprovinz, Königsberg in dem der Saxonia. 42 Belege wie oben in Anm. 21. Als per districtum Franconiae vicarius provincia/is fungierte 1519 der Prior zu Münnerstadt Andreas Hoffrichter: Höhn, Chronologia (wie Anm.27), 156.

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len sei. 43 Statt dessen wählten die renitenten Klöster einen neuen, eigenen Oberen als Vikar: eben den Kulmbacher Prior Simon Kayser, der in den Äußerungen seiner Partei meist einfach als vicarius bzw. als vicarius principalis der reformierten Augustiner-Eremiten bezeichnet wird. In einer der Appellationen an den Papst (September 1511) nennt Kayser sich selbst congregationis reformatae per Alemaniam auctoritate apostolica vicarius: er verstand sich somit als das rechtmäßige Oberhaupt der eigentlichen Kongregation, während er von Staupitz demonstrativ nur als Magister Iohannes Staupitz sprach. 44 Allen Drohungen und Sanktionen des Ordens generals zum Trotz hielten Kayser und seine Fraktion an ihrem Anspruch fest. Martin Luther hat bekanntlich anfangs mit seinem Erfurter Heimatkloster auf der Seite der Unionsgegner um Kayser gestanden 4s und hat in ihrem Auftrag auch seine berühmte Romreise unternommen, bevor er bei den Kompromißverhandlungen des Sommers 1511 ins Lager von Staupitz umschwenkte und in der Folge von Erfurt nach Wittenberg übersiedelte. Damals freilich war das Unionsvorhaben aufgrund des massiven inneren Widerstandes im Grunde schon gescheitert. Nachdem Staupitz bald 43 Zu dem ganzen Unionsstreit vor allem: Böhmer, Romfahrt (wie Anm. 27), 22-64; Weijenborg, Dokumente (wie Anm. 27); F. Lau, Pere Reinoud und Luther. Bemerkungen zu Reinhold Weijenborgs Lutherstudien, Luther-Jahrbuch 27 (1960) 64-122, bes. 85-107; Eckermann, Dokumente (wie Anm. 40); Schulze, Fürsten (wie Anm. 22) 169179. 44 Kolde, Bewegungen (wie Anm. 40), 470; Eckermann, Dokumente (wie Anm. 40), 292-294, vgl. 288,291, 295f. Ferner: Weijenborg, Dokumente (wie Anm. 27), 153f.; R. Weijenborg, Luther et les cinquante et un augustins d'Erfurt. D'apres une lettre d'indulgences inedite du 18 avril 1508, RHE 55 (1960) 819-875, hier 871f. Obwohl Eckermann und Weijenborg den Charakter des Kayserschen Vikariats aufgrund der von ihnen publizierten Quellen aufzuhellen vermögen, bleiben auch sie dennoch zugleich bei der unkritischen Übernahme seiner Einstufung als Distriktsvikar aus der älteren Literatur. 45 In der biographischen Luther-Literatur - so auch bei Brecht, Luther 1 (wie Anm. 4), 103-110 - wird das Ausmaß der ordensinternen Rebellion, an der Luther bis zum Spätsommer 1511 fiihrenden Anteil hatte und die als Grunderfahrung fiir seine weitere Entwicklung erhebliche Bedeutung haben mußte, regelmäßig unterschätzt. Tatsächlich wurden die Opponenten um Kayser schon Mitte 1510 von der loyalen Mehrheit unter Staupitz als Apostaten bezeichnet, die den Orden durch böse Nachrede in Verruf brächten, und vom Ordensgeneral der offenen Rebellion beschuldigt: Quod si in rebellione (quod deus avertat) et dissensione permanseritis. nos in vos tanquam in rebelIes et ordinis nostri hostes procedemus. Weijenborg, Dokumente (wie Anm. 27), 154, 156f. Im Frühjahr 1511 wurden zur Beilegung des schweren Konfliktes sogar Kaiser Maximilian I. und verschiedene deutsche Fürsten angerufen: Resgestae generalatus 1 (wie unten Anm. 47), 259f. Und Anfang Oktober 1511 wurde wirklich über Kayser und seine Anhänger wegen hartnäckiger Gehorsamsverweigerung die Exkommunikation ausgesprochen: Eckermann, Dokumente (wie Anm. 40), 286. Wenn Luther in den Jahren nach 1511, nach seiner Hinwendung zu Staupitz, bis zur neuerlichen, andersartigen Wendung 1518/19 so massiv immer wieder die Bedeutung des unbedingten Gehorsams gegen die Ordensoberen und die kirchliche Hierarchie herausstellte (vgl. Brecht, Luther 1 [wie Anm. 4], 146-149), lag darin wohl auch eine geistige Aufarbeitung und Wiedergutmachung im Blick auf seine eigene, entgegengerichtete Rolle in dem Konflikt 1510111.

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darauf das Amt des sächsischen Provinzials und damit die Unionspläne aufgegeben hatte, kam es spätestens auf dem Kölner Kapitel der Kongregation 1512 zur vollen Aussöhnung der Kontrahenten, womit das Gegenvikariat des Simon Kayser hinfiUlig wurde. Der Vikarstitel Kaysers ist hiernach ganz eindeutig so zu erklären, daß dieser über zwei oder drei Jahre hinweg in einer besonderen ordenspolitischen Situation als Gegenvikar zu Staupitz fungierte. Mit der Ausprägung des regionalen Vikariats in der deutschen Augustiner-Kongregation hat dieser Fall nichts zu tun. In den gleichen Jahren aber gab es eine andere Entwicklung im Süden Deutschlands, die gegenüber dem Stand von 1503/04 eine bleibende Modifizierung des Ämtergefüges auf der Vikarsebene mit sich brachte. Dabei ging es um die reformierten Konvente im Bereich der Rheinisch-Schwäbischen Provinz. Während Staupitz mit aller Kraft damals die Union der Kongregation mit der Sächsisch-Thüringischen Provinz durchzusetzen suchte, wurde zugleich von seiten der Rheinisch-Schwäbischen Provinz der Versuch unternommen, die ftinf in ihrem Bereich liegenden Reformkonvente Alzey, Eßlingen, Heidelberg, Tübingen und Weil der Stadt von der Kongregation abzutrennen und wieder der eigenen Provinz einzuverleiben. 46 Schon seit 1506/07 machte die Provinzführung der Rheno-Suevia verstärkte Anstrengungen zur Erreichung dieses Zieles in Rom. Zunächst hatte man damit wenig Erfolg gehabt, doch im Zuge der inneren Krise um das Unionsprojekt geriet die Kongregation bald auch in dieser Frage in die Defensive. Am 26. Juni 1510 entschied der Ordensgeneral Aegidius von Viterbo, die fünf Konvente bis zur Lösung des um sie schwelenden Streites dem Generalvikariat des Staupitz zu entziehen und allein seiner, des Generalpriors, Gewalt zu unterstellen; der derart eximierte Klosterverband sollte - den observanten Privilegien gemäß - das Recht haben, sich einen eigenen Vikar zu wählen. Als Preis ftir die weitere Unterstützung, die ihm der Augustinergeneral für seine hart angefochtene Unionspolitik gewährte, mußte Staupitz diesen Rückschlag zunächst hinnehmen. Die fünf Konvente wählten daraufhin zu ihrem Oberen den Prior von Tübingen Bemhard Gebhardi, der in den Quellen der Folgejahre als "Vicarius der fünf Klöster" bzw. vicarius quinque conventuum Suevie oder auch als vicarius generalis bezeichnet wird. 47 46 Zum Verlauf dieses Streites: Höhn, Chronologia (wie Anm. 27), 140f., 149, 154, 157f.; Weijenborg, Dokumente (wie Anm. 27), 156, 167-170, 176; eh. F. Sattler, Geschichte des Herzogtums Württemberg unter der Regierung der Herzoge, Bd. 1, Tübingen 1769, 132f., Beilagen 135~137; Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), 11,289,292,294, und V, 451, 457, 468f.; Kolde, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), 229f., 257-259. Umstritten war auch das Schicksal des sechsten, weniger bedeutenden Reformklosters im Raum der Rheno-Suevia, Mülhausen LE.: Höhn, Chronologia (wie Anm. 27), 141. 47 Aegidii Viterbiensis OSA Resgestae generalatus 1 (1506-1514), Registrum generalatus 2 (1514-1518), hg. v. A. de Meijer (Fontes historiae ordinis Sancti Augustini, Prima Series 17-18), Roma 1988/1984, hier I, 410 (1513), vgl. 215, sowie 11, 34f.

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Nachdem das Generalkapitel der Augustiner-Eremiten zu Viterbo im Juni 1511 den Fünferverband der Provinz zugesprochen hatte, kam es 1512 unter dem Einfluß des der Observanz wohlgesonnenen Herzogs Ulrich von Württemberg zu Ausgleichsverhandlungen, an deren Ende ein Komprorniß erreicht wurde. Während die umstrittenen Konvente formal die Obedienz des Provinzials anerkannten, wurde ihnen der Fortbestand ihrer observanten Lebensform und Privilegien zugesichert. Wie es scheint, wuchsen die Klöster in der Folge doch wieder ganz der Kongregation zu, der sie ihrem Selbstverständnis nach ohnehin stets verbunden blieben. Allein der Umstand, daß man im April / Mai 1518 im Heidelberger Konvent das Kapitel der Kongregation abhielt, läßt erkennen, wie wenig man sich im Lauf der Zeit noch um die Ansprüche der Rheno-Suevia kümmerte. Zumindest als regionaler Sonderverband innerhalb der Kongregation aber blieb das Vikariat der fiinf schwäbischen Konvente bestehen, und Gebhardi hatte offenbar bis zu seinem Tod im Juli 1520 den Rang des Vikars inne. Noch vor seinem Tode, im Lichte des Lutherstreits, lebte der alte Konflikt dann wieder auf, als die Ordensspitze seit dem Sommer 1519 mit Hilfe des Heiligen Stuhls von neuem darauf zielte, die filnf Konvente von der Reformkongregation zu trennen und der Rheinisch-Schwäbischen Provinz zuzuschlagen. 48 Soweit die spärlichen Quellen ein Urteil zulassen, erscheint der Fünferverband der rheinisch-schwäbischen Klöster Alzey, Eßlingen, Heidelberg, Tübingen und Weil - jedenfalls filr die Jahre zwischen 1512 und 1519 - als eine Sondereinheit im Rahmen der deutschen Reformkongregation mit besonderem Rechtsstatus und mit einem Vikar, dessen Stellung nicht gleichzusetzen ist mit der der Provinzialvikare gemäß den Konstitutionen von 1504, auch wenn er in der Praxis ähnliche Funktionen erfilllt haben mag. Unklar ist dabei, ob das Vikariat der filnf Konvente erst durch die Verfilgung des Ordensgenerals von 1510 begründet wurde oder ob es als interne Regionaleinheit unter der Jurisdiktion des Generalvikars schon vorher bestand. Folgt man der Darstellung des Ordenshistorikers der Rheno-Suevia aus dem frühen 18. Jahrhundert, Antoninus Höhn, so will es scheinen, als sei das Fünf-Klöster-Vikariat, das er als Weilsches Vikariat bezeichnet, schon in den Jahren zwischen 1505 und 1510 innerhalb der Kongregation selbst errichtet worden ( ... illa ipsa Congregatio suum Vicariatum Wilanum nominavit).49 Doch Höhn ist in der Angelegenheit (1514); Sattler, Geschichte 1 (wie Anm. 46), Beilagen 136f. (1512); Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), V, 469 (Grabinschrift Gebhardis 1520). 48 Höhn, Chronologia (wie Anm. 27), 157f. Zum weiteren Ver1aufvgl. Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17),11, 146, und V, 511, aber auch Kolde, AugustinerKongregation (wie Anm. 4),451 (Heidelberg noch 1523 bei der deutschen Reformkongregation). 49 Höhn, Chronologia (wie Anm. 27), 141. Die Benennung des Vikariats nach Weil mag darauf zurückgehen, daß Weil neben Heide1berg der älteste Reformkonvent der

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nur vage informiert, und obschon er seine Schilderung dem Jahr 1508 zuordnet, sind es doch offenkundig die Vorgänge der Jahre 1510 bis 1512, auf die er rekurriert. So muß die Frage nach dem Ursprung des Fünfervikariats offenbleiben. 50 Sollte das Amt bereits vor 1510 entstanden sein, so wäre es als organische Fortentwicklung des Provinzialvikariats im Sinne der Staupitz-Konstitutionen von 1504 zu betrachten, als Ausgliederung aus dem großen, drei Provinzen umspannenden Vikariatsbezirk, der 1503/04 dem Johann Bruheym unterstanden hatte. 51 Als wahrscheinlicher jedoch ist anzunehmen, daß diese Ausgliederung erst 1510 durch die äußere Einwirkung des Augustinergenerals erfolgte. Aus dem Jahre 1510 besitzen wir eine weitere Quelle, die auf die Vikariatsbezirke der Kongregation Bezug nimmt und dabei im Zusammenhang steht mit dem Unionsprojekt des Generalvikars Staupitz. Als damals, im September 1510, auf einer "Convocatio" der Kongregation in Neustadt a. d. Orla der Unionsplan von den Anwesenden in modifizierter Form akzeptiert wurde, gab die Versammlung in ihrem Beschluß den Vikaren der verschiedenen Distrikte (vicariis districtuum) den Auftrag, die genauen Bedingungen der Union ihren Untergebenen bekanntzumachen und zu erläutern. 52 Es fällt auf, daß hier nicht die den Konstitutionen entsprechende Bezeichnung vicarii provinciales verwendet wird, sondern zum ersten Mal der Terminus vicarii districtuum auftaucht. Warum dies so war, ist schwer einzuschätzen. Wurde damit nur ein interner Sprachgebrauch aufgegriffen, der sich innerhalb der Kongregation fiir das regionale Vikarsamt, analog zum Usus der Provinz, eingebürgert hatte? Oder spiegelt die Begrifflichkeit vicarii districtuum eine Veränderung in der Sache selbst, nachdem mit der Aufrichtung des südwestdeutschen Fünfervikariats in der Tat der Weg zu kleineren Distrikten eingeschlagen war? Daß dieser Weg fortan weiter beschritten wurde, ist zu ersehen aus der Entwicklung im Bereich der kölnischen Ordensprovinz. Dort war es den Observanten 1509 gelungen, das wichtige, der ganzen Provinz den Namen gebende Kölner Kloster fiir die Reformkongregation zu gewinnen und gegen den WiderKongregation in der Rheno-Suevia war: vgl. Kolde, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), 135-137, 139; Weinbrenner, Klosterreform (wie Anm. 22), 75. 50 Die neuere Literatur (Kolde, Kunzelmann, WeiJenborg: wie vorstehend zitiert in Anm. 46) folgt Höhn und meint, daß Gebhardi ursprünglich als "Distriktsvikar" von Staupitz "eingesetzt" worden sei. 51 Gegen eine solche Aufteilung aus eigenem Antrieb spricht freilich die Weiterexistenz eines (noch 1515 bezeugten) größeren süddeutschen Regionalvikariats innerhalb der Reforrnkongregation: siehe dazu im folgenden. 52 Neustädter Artikel, 8. September 1510: WeiJenborg, Dokumente (wie Anm. 27), 154, vgl. 155 (vicarii), dazu erläuternd 181f. Die Aufforderungen der Neustädter Versammlung richten sich offenbar nur an die Vikare der Kongregation, nicht oder allenfalls nur indirekt an die Distriktsvikare der Sächsisch-Thüringischen Provinz.

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stand der Provinzoberen zu behaupten. In den Folgejahren konnten auch die Klöster zu Antwerpen (Neugründung 1513/14), Gent (um 1515), Dordrecht (1516) und später noch Enghien hinzugewonnen werden,53 so daß zusammen mit Mülheim, Bonn, Haarlem und Enkhuizen schließlich neun Konvente im Raum der Colonia der reformierten Kongregation angehörten. Im Zuge dieses Wachstums ist hier bis spätestens 1514 ein eigenes Vikariat errichtet worden. Als nämlich im Juli 1514 durch eine Vertragsurkunde die endgültige Bestätigung des neuen Klosters in Antwerpen erfolgte, trat dabei in Vertretung des Ordens und im Auftrag des Generalvikars Staupitz der vormalige Prior von Enkhuizen und jetzige Prior zu Antwerpen Johann von Mecheln unter dem Titel eines vicarius districtus partium inferiorum als Vertragschließender auf. 54 Ob Johann von Mecheln, der 1511 in Wittenberg seinen Dr. theol. erlangt hatte, erst 1514 aufgrund der Ausweitung der Kongregation in den Niederlanden zum Vikar bestellt wurde oder schon früher - etwa durch reguläre Wahl auf dem Kölner Kapitel 1512 - muß offenbleiben. Über das regionale Vikariat der Reformkongregation im Nordwesten sind ansonsten nur wenige Angaben erhalten. Von Mitte Juni 1518 ist uns aus den römischen Registern des Augustinergenerals eine Weisung überliefert, mit der dieser einen offenbar in Rom weilenden Ordensbruder zur weiteren Verwendung an den kölnischen Distriktsvikar - ad Vicarium districtus coloniensis entsandte. 55 Man darf wohl annehmen, daß hier der observante Vikar in der Kölner Provinz, also Johann von Mecheln bzw. sein Nachfolger, gemeint war, obgleich der Begriff districtus Coloniensis sonst in den Quellen nirgends zu finden ist. 56 Niederländischen Ordenszeugnissen zufolge hatte 1517/18 Willem van Alkmaar das Vikarsamt über die reformierten Klöster der Kölner Provinz inne: zwar wird von ihm fUr diese Zeit als "Provinzial" der Observanten in der Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), V, 455f., 470, 505f., 509f. J. C. Dierexsens, Antverpia Christo nascens et crescens seu Acta Ecclesiam Antverpiensem concemantia, tom. 3, Antwerpen 1773,288-290 (20. Juli 1514), vgl. zum Kontext 279-311. 55 Documents pour servir a I'histoire de la province augustinienne de Cologne. Extraits des registres des prieurs generaux (1507-1551), ed. N. Teeuwenl A. de Meijer, Augustiniana 18 (1968) - 20 (1970), hier 18 (1968), 400 (17. Juni 1518). 56 Vgl. die in der päpstlichen Weisung zur Reform des Klosters Gent (28. September 1514) gewählte Anrede an Staupitz als super fratres reformatos Congregationis Coloniensis per Alemaniam ... Vicario generali: Documents (wie Anm. 55), Augustiniana 20 (1970), 269. Gegenüber der merkwürdigen Formulierung Congregatio Coloniensis erscheint ein Reden vom districtus Coloniensis innerhalb der Kongregation jedenfalls angemessener. In der Kölner Provinz als solcher hatten sich im 15. Jahrhundert zwei durchgehend anders bezeichnete, u. a. durch nationale Spannungen geschiedene Distrikte herausgebildet: der districtus superior oder cismosanus (diesseits der Maas) am deutschen Niederrhein einerseits und der niederländische districtus inferior oder transmosanus andererseits: Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), IV, 195,234,239,253,255. 53

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kölnischen Ordensprovinz gesprochen, doch kann damit der Sache nach nur die Funktion des Provinzialvikars gemeint sein. 57 Ein weiteres Mal ist das Amt belegt in einem Brief Luthers an Staupitz vom Oktober 1519, in dem der Wittenberger von dem Oberen der niederländischen Reformklöster ohne Namensnennung als inferiorum partium ... vicarius spricht. 58 Vikar, Distrikts- oder Provinzialvikar - die Bezeichnungen sind auch in diesem Fall schwankend, ebenso die geographische Umschreibung des Vikariatsbezirkes im Nordwesten, wennschon die Begriffsform Niederlande,partes inferiores, wohl die übliche war. 59 Aus dem bisher Gesagten entsteht der Eindruck, als sei in der Entwicklung des regionalen Vikariats der Augustiner-Kongregation in dem Jahrzehnt zwischen 1504 und 1514 eine klare Aufgliederung entlang der Grenzen der vier deutschen Ordensprovinzen erfolgt: Während das sächsisch-thüringische Provinzialvikariat unverändert bestehenblieb, könnte es hiernach scheinen, als sei das zweite, ursprünglich (1503/04) die übrigen drei Provinzen umspannende Provinzialvikariat im Laufe der Zeit aufgeteilt worden in je eines filr die Kölner Provinz (wie eben behandelt), eines als Sonderverband in der Rheno-Suevia (das Fünf-Klöster-Vikariat) und ferner, wie man schließen müßte, eines rur die Bayerische Provinz. Für ein solches bayerisches Regionalvikariat aber fehlen die Belege - vielmehr deutet das einzige Quellenzeugnis, das uns in diesem Kontext überkommen ist, in eine andere Richtung. Aus dem Jahre 1515 besitzen wir die sichere Kunde, daß damals - als Luther auf dem Gothaer Kapitel zum Provinzialvikar filr Sachsen und Thüringen bestellt wurde - der Prior des Nürnberger Klosters Nikolaus Besler von dem gleichen Kapitel gewählt wurde zum superioris Germanie vicarius super decem tantum conventus: Besler selbst hat dies in seiner Autobiographie berichtet. 6o 57 G. D. J. SchoteI, Kerkelijk Dordrecht. Eene bijdrage tot de geschiedenis der vaderlandsche Hervormde Kerk, Bd. 1, Utrecht 1845, 15-17, mit Korrespondenzabdruck von 1517(?)11518. Vgl. dazu Kolde, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), 385f. 58 WABr 1, 513f., 516. 59 Konkret ist für Johann von Mecheln und Willem von Alkmaar in den Quellen allein die Aufsicht über niederländische Klöster belegt. So mag es sein, daß das Vikariat inferiorum partium entsprechend dem traditionellen Gebrauch dieser Regionalbezeichnung in der Kölner Provinz (s. o. Anm. 56) sich überhaupt nur auf die Niederlande, d. h. auf die dort gelegenen Klöster der Kongregation erstreckte, während die drei Reformkonvente im niederrheinisch-"zismosanischen" Teil der Provinz, Köln, Bonn und Mülheim, nicht einbezogen waren. Im Juli 1522 wurden im Gefolge des Lutherstreits die niederländischen Klöster Dordrecht, Haarlem, Gent und Enghien aus der deutschen Reformkongregation herausgelöst und als eigene Congregatio Germanie inferioris konstituiert, die sich Johann von Mecheln zum Generalvikar wählte: Documents (wie Anm. 55), Augustiniana 18 (1968), 412, 417 und 20 (1970), 273f. 60 Vita Nicolai Besleri Augustiniani ab ipso conscripta, bearb. v. Ch. G. Haltaus, in: Fortgesetzte Sammlung von alten und neuen theologischen Sachen, Leipzig 1732, 356371, hier 364. Vgl. die Kurzversion nach einer Genter Handschrift: Nicolai Besleri Autobiographia, hg. v. A. Feutry, Analecta Augustiniana 4 (1911/12) 293f.

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Hiernach ist klar, daß es zu jener Zeit ein oberdeutsches Vikariat gegeben hat, das außer Nümberg mit Sicherheit (wie aus Beslers eigener Schilderung seiner Visitationstätigkeit hervorgeht) Kulmbach und Mindelheim umfaßte, vermutlich daneben auch München. Wenn aber Besler ausdrücklich betont, daß er Vikar über zehn Konvente gewesen sei, so ist damit die Annahme eines auf die Bayerische Provinz allein beschränkten Vikariats auszuschließen. Hier, in der Bavarica, gab es nur die vier eben genannten Klöster der Kongregation, so daß sich notwendig die Vikarsgewalt Beslers auch auf Konvente jenseits der Provinzgrenzen erstreckt haben muß. Der Begriff Germania superior läßt dabei vor allem an die Rheno-Suevia denken, wo inzwischen neben Mülhausen im Elsaß und den fUnf zusammengeschlossenen Konventen Alzey, Eßlingen, Heidelberg, Tübingen und Weil noch Rappoltsweiler61 1514 der Kongregation angegliedert worden war. Sollte Besler trotz der Existenz eines eigenen Vikars fUr die fUnf Konvente namens der Kongregation gleichwohl als Provinzial vikar zusätzlich die Aufsicht über sie ge fUhrt haben? Das oberdeutsche Vikariat hätte in solchem Fall - in einer gewissen Kontinuität zu dem Bruheymschen Amtsbezirk von 1503/04 - weiterhin die beiden südlichen Provinzen, die Bavarica und die Rheno-Suevia, umschlossen. Sofern dies zutriffi:, wären fUr die Spätzeit der deutschen Augustiner-Kongregation (von dem Sonderfall des Fünfervikariats abgesehen) letztlich drei regionale Vikariate zu unterscheiden: ein Vikariat superioris Germaniae im Süden, ein Vikariat inferiorum partium im Nordwesten und ein mittleres Vikariat in Sachsen-Thüringen, womit vielleicht auch eine besondere Erklärung fUr den von Luther so oft verwendeten Begriff vicarius medius zu fmden wäre. 62 Eine endgültige Klärung dieser Probleme ist indessen aufgrund der fragmentarischen Quellenbasis schwerlich zu erreichen, und der Betrachter droht im Dunst. von Vermutungen und Konjekturen steckenzubleiben.

Höhn, Chronologia (wie Anm. 27), I 49f. So schon die Auffassung von C. L. W Grimm, De Joanne Staupitio eiusque in sacrorum Christianorum instaurationem meritis, Zs. rur die historische Theologie 7 (1837) 58-126, hier 66; rur Grimm ist folglich auch die oben (Anm. 12) zitierte LutherFormulierung Eremitarum Mediorum Vicario kein Schreibfehler, sondern Bestätigung seiner Annahme eines regional "mittleren" Vikariats. Vgl. ähnlich Knaake, Vikariat (wie Anm 4), 629. Siehe aber auch Vita Nicolai Besleri (wie Anm. 60), 358, der rur die Frühzeit, 1504, aus oberdeutscher Perspektive von den Reformklöstern im Raum der sächsisch-thüringischen Ordensprovinz als conventuum provinciae interioris spricht. 61

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Iv. Luthers Vikariat - Neue Aufschlüsse zu seiner Visitationsreise 1516 Vergleichsweise am besten sind wir noch immer informiert über das Provinzialvikariat in Sachsen-Thüringen, freilich erst rur die Zeit ab 1515, als Luther das Amt übernahm. Aus den Jahren davor ist uns nur überliefert, daß Johann Voigt - wie erwähnt - 1503/04 Provinzialvikar fiir den Raum der Saxonia war und daß derselbe auch wieder im September 1512 als solcher fungierte. 63 Er dürfte demnach fiir das Triennium 1512-1515 64 noch einmal in das Amt gewählt worden sein, bevor er später als Prior zu Magdeburg seine Ordens laufbahn beschloß. Ebenso wie das Beslersche, oberdeutsche Vikariat umschloß auch der sächsisch-thüringische Vikarsbereich etwa zehn Konvente. Auch von Luther hieß es 1515, wie wir oben sahen, er sei super decem conventus gesetzt worden;65 er selbst sprach von sich Ende Mai 1516 als decanus vicarius, offenkundig in der Bedeutung: Vikar über zehn Klöster. 66 Fünf Monate später dann, Ende Oktober 1516, sprach er von elf Konventen, als er seine Stellung mit den Worten umschrieb: sum vicarius, id est undecies prior. 67 Man hat diese Differenz, wohl zu Recht, so erklärt, daß Luther nun auch den neugegründeten Konvent zu Eisleben in die Zahl der ihm anvertrauten Klöster einbezog. Auf diese Neuerrichtung des Eislebener Konvents während der Amtszeit Luthers wird im weiteren noch zurückzukommen sein. Weder mit zehn noch mit elf Klöstern aber hatte Luther sämtliche augustinischen Reformkonvente im Bereich der Saxonia unter seiner Vikarsgewalt. Um 1516 zählte die Kongregation hier insgesamt siebzehn Niederlassungen, von denen vier - Königsberg i. Fr., Eschwege, Himmelspforte und Sternberg außerhalb des engeren Sachsen-Thüringen lagen und offenbar schon deshalb 63 F. Bünger / G. Wenlz, Das Bistum Brandenburg, Teil 2 (Germania Sacra 1. Abt. 3/2), Berlin 1941, 470: unter Verwendung einer Zerbster Urkunde aus dem Anhaltinischen Gesamtarchiv, die Voigt für den 6. September 1512 als Provinzialvikar ausweist. Im Landesarchiv Oranienbaum, das jetzt die anhaltinischen Bestände beherbergt, konnte jedoch - trotz freundlichen Bemühens der Archivleitung - die Urkunde Anfang 1999 nicht aufgefunden werden. 64 In der Chronik des Zeitzeugen F. Myconius, Geschichte der Reformation, hg. v. 0. Clemen, Leipzig 1912, 20, wird für die Zeit unmittelbar vor Luthers Hervortreten 1517 neben Staupitz als "Augustiner Generalis Vicarius" Wenzeslaus Link als Provincialis bezeichnet. Von daher hat W ReindelI, Doktor Wenzeslaus Link aus Colditz 1483-1547, Bd. I, Marburg 1892, 46f., vgl. 202, 253f., gemeint, daß Link als damaliger Augustinerprior zu Wittenberg 1512-1515 zugleich Vorgänger Luthers im Amt des Provinzial- bzw. Distriktsvikars in Sachsen-Thüringen gewesen sei. Dafür aber fehlt jeder Beleg. 65 s. o. mit Nachweis in Anm. 7. 66 WA Br I, 40f. (29. Mai 1516). Vgl. oben Anm. 5. 67 WA Br 1,72,74 (26. Oktober 1516).

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nicht dem dortigen Vikariat zugeordnet waren. Doch auch von den dreizehn Konventen des eigentlichen Sachsen und Thüringen waren nicht alle Luther unterstellt. Aus den Briefen und der Visitationstätigkeit des Wittenbergers wissen wir, daß Dresden, Eisleben, Erfurt, Gotha, Herzberg, Langensalza, Magdeburg, Neustadt a. d. Orla, Nordhausen, Sangerhausen und Wittenberg selbst zu seinem Aufsichtsbereich gehörten. 68 Dagegen scheint Grimma von dem Provinzialvikariat eximiert gewesen zu sein; jedenfalls hat es später, im Juli 1519, mit Luthers Zustimmung auch dessen Amtsnachfolger Johann Lang unterlassen, den Grimmaer Konvent zu visitieren, während statt dessen Staupitz als Generalvikar persönlich die Visitation vornahm. 69 Auch für das Kloster Waldheim ist keine Vikarsaufsicht von seiten Luthers oder Langs zu belegen. Ebenso wie Grimma mag Waldheim, das sich mit Stolz als den Ursprungskonvent der ganzen deutschen Augustinerobservanz betrachtete,70 nur der direkten Gewalt des Generalvikars unterstellt gewesen sein. Luther selbst hat gelegentlich von seinem Vikarsbereich als "Distrikt" gesprochen (in districtu ist071 ) und sich, wie oben zitiert, in einer Briefunterschrift einmal auch als vicarius districtus betitelt. 72 Auch hier bestätigt sich, daß zumindest in der Spätzeit der Kongregation die Begriffe Provinz- und Distriktsvikar offenbar fast zu Synonymen und jedenfalls im Alltagsgebrauch austauschbar geworden waren. 73 Da mit dem Wachstum der Klosterzahl die Vikariate in den jeweiligen Provinzen längst nicht mehr alle Konvente umfaßten, mußte die einschränkende" Bezeichnung Distriktsvikar um so näher liegen. 74 Der Sache

68 WA Br 1, 37-104, vgl. WA Br 12,409. Die Identifizierung der zehn bzw. eIfKlöster schon bei Ko/de, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), 236f.; ebenso 0. C/emen in WA Br 1,41,74, und Kunze/mann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), V, 471. 69 WA Br 1,432, vgl. 399. 70 Ko/de, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), 75, 86; Kunze/mann, AugustinerEremiten (wie Anm. 17), V, 306f. 71 WABr 1, 42 (29. Mai 1516). 72 WA Br 1,47 (22. Juni 1516). 73 Das Verschwimmen der Begriffe war schließlich schon angelegt in der Tatsache, daß auch der Distriktsvikar älteren Typus in den Provinzen seinem vollen Titel nach als vicarius provincia/is für einen bestimmten districtus figurierte: siehe oben mit Nachweisen in Anm. 18, 19 u. 21. 74 Die Frage einer weiteren Fortentwicklung im Sinne einer Aufteilung in noch kleinere Distrikte stellt sich aufgrund der Tatsache, daß für das Jahr 1520, in dem Johann Lang noch bis Ende August als Regionalvikar amtierte, zugleich auch Kaspar Güttel, der damalige Prior zu Eisleben, zweimal als Vicarius ac Prior bezeugt ist, so in einer gedruckten Widmung vom 12. Mai 1520 und einer weiteren handschriftlichen Widmung von 1520: G. Kawerau, Kaspar Güttel. Ein Lebensbild aus Luthers Freundeskreise, Halle 1882, 29f., 85. Vgl. auch Ko/de, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), 362. Kawerau hält eine 1519 erfolgte Aufteilung der Vikarsgeschäfte im meißnisch-thüringisehen Bezirk zwischen Lang und Güttel für wahrscheinlich. Siehe dagegen aber noch im

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nach indes bleibt es wichtig festzuhalten, daß Luthers Amtsgewalt nicht etwa der eines untergeordneten Distriktsvikars im alten Provinzgeruge entsprach, sondern mit der Berechtigung u. a. zur Absetzung eines Priors (wie im September 1516 durch Luther in Neustadt! Orla vorgenommen 75 ) oder zur Einsetzung eines neuen Priors (so von Luther im Mai 1516 in Erfurt vollzogen 76) die viel weitergefaßten Befugnisse umschloß, wie sie den vicarii provinciales in den Reformkonstitutionen von 1504 zugewiesen waren. Wenn Luther einmal von seinem Nachfolger Lang als Pater Provincialis sprach/7 so wird auch darin die Nähe des ordensinternen Ranges zum Amt des Provinzialpriors deutlich. Aus der praktischen Wirksamkeit Luthers als Ordensvikar ist uns vor allem ein Abschnitt näher bekannt: die ausgedehnte, mehrwöchige Visitationsreise, die Luther im Frühling 1516 durch seinen Amtsbezirk unternahm. Ende April des Jahres brach er von Wittenberg in Richtung Südosten zu jener Reise auf, am 1. Mai finden wir ihn als Visitator in Dresden. 78 Von der Reiseroute her darf man annehmen, daß er zuvor, als erste Station, den zwischen Wittenberg und Dresden gelegenen Konvent Herzberg 79 aufgesucht hatte. Nach dem Beleg rur Luthers Dresden-Aufenthalt am I. Mai fehlt dann jedes weitere, direkte Zeugnis bis zum 29. Mai 1516: An diesem Tage treffen wir Luther zunächst in Gotha und noch am gleichen Abend in Langensalza, wo er jeweils binnen weniger Stunden die Visitation der wohlgeordneten Klöster beenden konnte. 8o Aus den damals abgefaßten Briefen Luthers geht hervor, daß er kurz zuvor, wohl bis zum 28. Mai,81 das große Kloster in Erfurt, seinen alten Heimatkonvent, visitiert hatte, wo die Zustände schwieriger waren und wo er Johann Lang als Prior eingesetzt hatte. Von Langensalza aus wollte Luther sich sodann am 31. Mai nach Nordhausen wenden,82 wo er bis spätestens 1. Juni eingetroffen sein dürfte. Danach ergibt sich eine weitere, kürzere Lücke bis zum 7. oder 8. Juni, März und Ende Mai 1520 Langs uneingeschränkte Titulierung als per Thuringiam et Misniam vicarius (oben mit Nachweis in Anm. 15 u. 16). Der bloße Titel "Vikar" könnte bei Güttel auch auf andere, ihm übertragene Sonderbefugnisse zurückgehen. 75 s. o. Anm. 34. 76 WA Br 1, 40f. (kurz vor 29. Mai 1516). 77 s. o. mit Nachweis in Anm. 10. 78 Luther an Johann Bercken, Dresden l. Mai 1516: WA Br 1, 38f. Zu den umliegenden Daten vgl. G. Buchwa/d, Luther-Kalendarium (Schriften des Vereins rur Reformationsgeschichte 147), Leipzig 1929,2-4. 79 Zu Luthers Befassung mit dem Herzberger Konvent 1516 vgl. WA Br 1,49, 72, 74. 80 WA Br 1, 40-43: Luther an Konrad Mutianus, Gotha 29. Mai, u. an Joh. Lang, Langensalza 29. Mai 1516. 81 Da Luther zweimal die Kürze und Eile seines Aufenthalts in Gotha betont (WA Br 1,40, Z. 6, 42, Z. 37f.), war er wohl erst am Nachmittag oder Abend des 28. Mai vom nahen Erfurt her in Gotha angelangt. 82 WA Br 1,42, Z. 38f.

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als Luther wieder in Wittenberg eintraf. 83 Aus einer TÜckschauenden Briefäußerung jedoch läßt sich erschließen, daß Luther von Nordhausen aus Sangerhausen aufgesucht haben muß,84 von wo er vermutlich über das auf direkter Linie liegende Eisleben den Weg zurück nach Wittenberg nahm. Darüber hinaus hat Luther nachweislich auch den Konvent in Magdeburg visitiert,85 und man hat angenommen, daß die Domstadt an der Eibe vor der Rückkehr nach Wittenberg Luthers letzte Station auf seiner großen Reise gewesen sei. 86 Schon zeitlich aber, angesichts der langen Wegstrecken,87 wäre die Absolvierung eines Reiseprogramms von Nordhausen über Sangerhausen und das nördliche Magdeburg bis nach Wittenberg zwischen I. und 7. / 8. Juni schwer vorstellbar. Tatsächlich sprechen gewisse Indizien in Luthers Briefen eher dafür, daß der Wittenberger den Besuch in Magdeburg erst später, im Laufe des Sommers 1516, nachholte und zu diesem Zweck eine eigene, kurze Reise dorthin unternahm. 88 Somit läßt sich als nachweisliches bzw. wahrscheinliches Itinerar Luthers für den ersten Teil seiner Visitationsreise Ende April / Anfang Mai 1516 die Etappenfolge Wittenberg - Herzberg - Dresden und für den letzten Teil Ende 83 Luther an Spalatin, Wittenberg 8. Juni 1516: WA Br 1,43-45. 84 Luther an Lang, Wittenberg 30. Juni 1516: WA Br 1,48, Z. 4-6. Hiernach hatte

Luther, nachdem er Lang in Erfurt zum Prior eingesetzt hatte, von Sangerhausen aus einen Brief an ihn gerichtet; folglich kann Luther erst nach Ende Mai, d.h. Anfang Juni, in Sangerhausen gewesen sein. 85 Bezug darauf im Brief Luthers an Lang vom 30. August 1516: WA Br 1, 52. 86 So J Th. Lingke, D. Martin Luthers merkwürdige Reisegeschichte, Leipzig 1769, 31[; Kolde, Augustiner-Kongregation (wie Anm. 4), 265; O. Clemen in WA Br 1, 51, 53. 87 Als übliche Marschleistung eines Fußgängers sind im Tagesdurchschnitt 25-40 km anzusetzen: N. Ohler, Reisen im Mittelalter, München 1988, 138, 141. Daß Luther relativ rasch unterwegs war, zeigt schon die vorerwähnte Tatsache, daß er am 29. Mai die gut 18 Kilometer von Gotha nach Langensalza zurücklegte und gleichwohl an diesem Tag noch Zeit hatte zur Abfassung von Briefen und zur Visitation des Konventes in Salza. Wennschon er als Bettelmönch der Regel nach zu Fuß reisen mußte, mag er um seiner Amtspflichten willen (und besonders als er Ende Mai kränklich wurde: WA Br 1, 42, Z. 4lf.) rur Teile des Weges auch Fuhrwerke benutzt haben (zu dieser Möglichkeit vgl. WA Br 1, 173, Z. 7-10). 88 Luther an Lang, Wittenberg 30. August 1516: WA Br 1, 52, Z. 14-21,30-38. Wie Luther hier schrieb, hatte er bei seiner einige Zeit schon zurückliegenden Wiederankunft aus Magdeburg in Wittenberg einen Brief von Staupitz aus Mülheim (nahe Koblenz) erhalten. Am 8. Juni 1516 jedoch, als Luther von seiner großen Visitationsreise nach Wittenberg zurückgekehrt war und an Spalatin schrieb, war von einem solchen StaupitzBrief keine Rede, vielmehr nahm Luther damals an, daß Staupitz sich in den Niederlanden befinde: WA Br 1,45, Z. 45-48. Da Luther zudem den Staupitz-Briefaus Mülheim noch Ende August als Argument vorbrachte gegen Langs damalige Annahme, daß der Generalvikar sich in München befinde, wird der Empfang jenes Briefes doch kaum wohl schon drei Monate zurückgelegen haben. Vielmehr ist zu folgern: Luther hatte den Brief aus Mülheim erst wenige Wochen vor dem 30. August erhalten, war also auch nach Magdeburg erst im Hochsommer gereist.

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Mai / Anfang Juni die Route Erfurt - Gotha - Langensalza - Nordhausen Sangerhausen - (Eis leben?) - Wittenberg rekonstruieren, mit einem vermutlich erst später, etwa im Juli oder Anfang August 1516, erfolgten Abstecher nach Magdeburg. Aus diesem Befund aber ergibt sich bei näherer Betrachtung eine Merkwürdigkeit, die als solche bislang stets überspielt und jedenfalls nie gezielt thematisiert worden ist: Zwischen dem 1. Mai und den letzten Tagen des gleichen Monats nämlich bleibt jene rätselhafte Lücke von über drei, nahezu vier Wochen, aus denen wir nichts über Luthers Aktivitäten wissen. Was aber tat Luther in dieser Zeit? Während er sonst eilig durchs Land zog, sich in den einzelnen Klöstern nur wenige Tage oder gar Stunden aufhielt und in dem uns überschaubaren Zeitraum von etwa zwei Wochen am Anfang und Ende seiner Reise fast alle ihm anvertrauten Konvente visitierte, muß er in der genannten Zwischenphase sich über mehrere Wochen filr anderes viel Zeit gelassen haben. Wo aber war Luther verschwunden, welche wichtigen Geschäfte nahmen ihn so lange in Anspruch? Zunächst ist klar, daß Luther in jenen Maiwochen den weit südlich gelegenen Konvent in Neustadt an der Orla visitiert haben muß. Daß er dort sich aufhielt und wegen der inneren Zerstrittenheit in dem Kloster schwerlich mit wenigen Stunden auskam, ist seiner späteren Korrespondenz zu entnehmen. 89 Auf dem langen Weg zwischen Dresden und Neustadt dürfte er zudem, selbst wenn er das Kloster nicht visitierte, auch bei den Ordensbrüdern in Waldheim Unterkunft genommen haben, und darüber hinaus spricht einiges dafilr, daß er auch in Grimma Station machte. Aus einer Überlieferung in der Grimmaer Chronik des Georg Crell aus dem späten 16. Jahrhundert - zurückgehend auf einen Bericht aus dem örtlichen Augustinerkloster - ist zu schließen, d~ Luther in diesen Wochen, im Mai 1516, in Grimma Johann Staupitz getroffen hat, der offenbar seinerseits als Generalvikar den Konvent visitierte. 90 Dennoch: Auch wenn Luther zwischen dem ersten und den letzten Maitagen Waldheim, Grimma und Neustadt aufsuchte, ist damit - trotz der weiten Reiseabstände das Verstreichen jener überaus langen Zeitspanne noch nicht hinreichend erklärt. Tatsächlich aber bietet sich zur Aufhellung der Lücke eine plausible, bisher stets übersehene, indessen ganz eindeutige Lösung. Denn es gab in dieser Phase, im Mai 1516, sehr wohl einen Anlaß, durch den Luther intensiver bean89 Luther an Michael Dressei, 22. Juni und 25. September 1516: WA Br I, 46f., 5759,bes. 57f.,Z.20,28f. U.63f 90 Stadtarchiv Grimma, Crellsche Chronik (Abschrift); die fragliche Passage mit Einordnung und Erläuterung gedruckt bei eh. G. Lorenz, Die Stadt Grimma im Königreiche Sachsen, Leipzig 1856, 1317f. Vgl. entsprechend schon Lingke, Reisegeschichte (wie Anm. 85), 26-28. Über die Historizität des Lutherschen Aufenthaltes in Grimma 1516 und seine Bedeutung im Zusammenhang mit der damaligen Ablaßpredigt des 10hann Tetzel im Bistum Meißen gedenke ich an anderer Stelle zu handeln.

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sprucht wurde - ein Ereignis, das überhaupt das Herzstück seiner ganzen Reise gebildet haben muß und aus dessen Kenntnis die Gesamtreise mit den damaligen Begegnungen und Äußerungen Luthers in verändertem Licht erscheint. Man hat bisher generell angenommen, daß der neugegründete Augustinerkonvent zu Eisleben bereits im Jahre 1515 geweiht worden ist und daß Luther folglich auf seiner Rundreise 1516 einen bereits etablierten Konvent im zweiten Jahr seines Bestehens visitierte. In der Tat gibt es verschiedene Quellen, die auf die Errichtung des Eislebener Klosters im Sommer 1515 hindeuten. Darüber hinaus wissen wir von Luther selbst, aus einer seiner späteren Tischreden, daß er in jenen Jahren einmal am Fronleichnamstag zusammen mit Staupitz an einer feierlichen Prozession zu Eisleben teilnahm 91 - und man hat daraus gefolgert, daß mithin die Klosterweihe in Eisleben wohl zu Fronleichnam 1515, also um den 7. Juni des Jahres, stattgefunden habe 92 und daß die filhrenden Vertreter der Augustiner-Kongregation zu diesem Zweck sich in den Wochen nach ihrem Jubilate-Kapitel, das bis Anfang Mai 1515 in Gotha getagt hatte, im Mansfeldischen versammelt hätten. Wer den Überlieferungsstand genauer prüft, kommt indes zu einem anderen Ergebnis. Die Ursprungsgeschichte des Augustinerklosters Eisleben beginnt bekanntermaßen mit dem Jahre 1512. Nachdem Graf Albrecht von Mansfeld zuvor die Neustadt Eisleben gegründet hatte, faßte er damals zur seelsorgerischen Betreuung der Bevölkerung den Bau eines neuen Gotteshauses - St. Annen zu Neu-Eisleben - und in Verbindung damit die Ansiedlung eines reformiert-observanten Klosters der Augustiner-Eremiten ins Auge. Im Februar 1513 wurde der Bau der Kirche durch Erzbischof Ernst von Magdeburg genehmigt, im Oktober 1514 übertrug dessen Nachfolger Erzbischof Albrecht den Mansfelder Grafen das Patronat über die Pfarre St. Annen und bestätigte die Herauslösung der neuen Pfarrei aus der alten Eislebener St. Andreas-Parochie, die freilich erst wirksam werden sollte, sobald die neue Kirche fertig und mit einem Pfarrherren "versehen" sein würde. 93 Tatsächlich war der Bau der Kirche damals noch keineswegs abgeschlossen und noch weniger der des geplanten Klosters. Im Folgejahr 1515 immerhin waren die Dinge so weit gediehen, daß Graf Albrecht zur Fundierung des Klosters voranschreiten konnte. Auf das Ansuchen des Grafen hin erteilte Erzbischof Albrecht von Mainz-Magdeburg mit Urkunde zu Mainz am 18. Juni 1515 die Genehmigung zur Errichtung des neuen Klosters und gewährte Ablaß ftir diejenigen, die zu seinem Aufbau helWA Tr I, 59 (Nr. 137: Ende 1531), vgl. WA Tr 3,417 (Nr. 2318: Ende 1531). So Kawerau, Glittel (wie Anm. 74), 23. Datierung der Prozession auf den 7. Juni 1515 u. a. auch bei: E. Krolrer in WA Tr 1, 59, Anm. 2; Buchwald, Kalendarium (wie Anm. 78),2; Brecht, Luther 1 (wie Anm. 4), 81, 83, 85,155. 93 Urkunden vom 25. Februar 1513 und 20. Oktober 1514: Th. Heine, Geschichte der St. Annenkirche zu Eisleben, Eisleben 1861,8-10. 91

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fen würden. 94 Daraufhin vollzog Graf Albrecht unter Mitwirkung seines Bruders Graf Gebhard von Mansfeld am 19. Juli 1515 die eigentliche Stiftung des Klosters, indem er die in Bau befindlichen Kirchen- und Klostergebäude den Augustinennönchen zu eigen übergab, ihnen das "Ius patronatus" über die Kirche übertrug und 150 Gulden jährliche Einkünfte zusicherte. 95 Im Gegenzug hatten die Augustiner zu versichern, daß sie die üblichen Gottesdienste halten, die Pfarrbewohner geistlich versorgen und ftlr das Grafenhaus Mansfeld regelmäßig Seelmessen lesen würden. 96 Von seiten der Augustiner-Eremiten wurden diese Vereinbarungen bestätigt durch den Prior, Liborius Zeiner, und sieben weitere MitbrUder des neuen Klosters einerseits sowie zum anderen durch zwei eigens hierzu anwesende auswärtige Vertreter des Ordens, die in der uns überlieferten, modernisierten Abschrift der Stiftungsurkunde bezeichnet werden als "die würdigen und hochgelehrten Herr Johann Staupitz, der heiligen Schrift Doctor, in deutschen Landen des heiligen Einsiedlerordens St. Augustini Vicarius generalis, und Herr Johann Lüder, auch der heiligen Schrift Doctor und desselben Orts [zu verbessern: Ordens] Profitirter".97 Da ein Dr. theol. Johann Lüder in der Geschichte der deutschen Augustiner-Kongregation ganz unbekannt ist, wird man hier, bei der Benennung des Vornamens, ein Versehen annehmen müssen: vielmehr dürfte es Dr. Martin Luder (Luther) gewesen sein, der als zuständiger Provinzialvikar und damit zweiter Ordensoberer neben Staupitz bei der Klosterstiftung zugegen war. 98 Am 27. August 1515 schließlich wurde der Stiftungsvorgang damit abgeschlossen, daß Graf Albrecht die dem Kloster zugesagten Jahreseinkünfte von 150 Gulden nach den vierteljährlich zu zahlenden Einzelposten aufschlüsselte und bekräftigte. 99 Inzwischen war der Bau der St. Annenkirche zu Jahresbeginn 1516 wenigstens so weit vorgedrungen, daß der damals im nahen Halle residierende Erzbischof Albrecht von Mainz-Magdeburg am 13. Januar persönlich zur Weihe von Chor und Hochaltar der Kirche erschien. 100 Auch danach freilich wurde an der Vollendung des 94 Cod. dipl. exhibens anecdota Moguntiaca, hg. v. V F. Frhr. v. Gudenus, Bd. 4, Frankfurt a. M. - Leipzig 1758, 584-586. Die Erzbischöfe Ernst und Albrecht agierten in dieser Sache in ihrer Eigenschaft als Administratoren von Halberstadt, da Eisleben (entgegen den Angaben bei Gudenus) zur Halberstädter Diözese gehörte. 95 Stiftungsurkunde, 19. Juli 1515: Heine, Annenkirche (wie Anm. 93), 11-14. Vgl. K. Krumhaar, Die Grafschaft Mansfeld im Reformationszeitalter, Eisleben 1855,24,26. 96 Reversbrief der Eislebener Mönche und des Generalvikars Staupitz, 20. Juli 1515: J Schöpffer, Memoria theologorum Neo-Islebiensum illustrata, Eisleben 1714, fol. A3 r _ A4 v; Heine, Annenkirche (wie Anm. 93), 14-18. 97 Heine, Armenkirche (wie Anm. 93), 14. 98 So schon die Annahme von Kawerau, Güttel (wie Anm. 74),23. 99 Urkunde wiedergegeben bei Heine, Annenkirche (wie Anm. 93), 18f. 100 Beurkundung der Weihe: Heine, Annenkirche (wie Anm. 93), 19f. Vgl. das (ergänzungsbedürftige) Itinerar des Erzbischofs: M Schalz, Residenz, Hof und Verwaltung der Erzbischöfe von Magdeburg in Halle in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Residenzenforschung 7), Sigmaringen 1998, 360. - Nach G. A. v. Mülverstedt,

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Kirchbaus noch jahrelang gearbeitet, und das gleiche galt für die Klosteranlage. So wurden dem Kloster arn 13. April (zu Jubilate) 1516 für die Fortfiihrung der Baurnaßnahmen von zwei Mansfelder Räten je einhundert Gulden gespendet. 101 Im Lichte des hier ausgebreiteten Quellenbefundes stellt sich die Frage, ob wirklich die Klosterweihe zu Eisleben bereits am 7. Juni 1515 erfolgt sein kann: Schon aus rechtlichen Gründen ist es im Grunde undenkbar, daß ein Ordenshaus bereits geweiht worden sein sollte, bevor (am 18. Juni 1515) die bischöfliche Genehmigung zu seiner Errichtung vorlag und bevor (am 19. Juli 1515) die faktische Fundierung durch den gräflichen Stifter vorgenommen wurde. Tatsächlich kann die Weihe des neuen Klosters erst nach diesen Terminen erfolgt sein, und da der Aufbau auch 1516 noch in vollem Gange war, kommt hierfür ein Zeitpunkt in der zweiten Jahreshälfte 1515 ebenso in Frage wie im Verlaufe des Jahres 1516. Wenn man den Blick noch einmal auf die von Luther bezeugte Fronleichnamsprozession in Eisleben richtet, so käme man für das Jahr 1516 auf den 22. Mai: Sollte also die Klosterweihe in Eisleben erst damals, zu Fronleichnam um den 22. Mai 1516, und damit zeitlich im Rahmen von Luthers Visitationsreise stattgefunden haben? Wirklich fmden sich in Luthers Korrespondenz zwei deutliche - wenn auch im Kontext eher versteckte - Indizien für eine Versammlung fiihrender Repräsentanten der Augustiner-Kongregation in Eisleben just im Frühjahr, im Mai 1516. So nimmt Luther in einem Brief an Johann Lang aus dem folgenden August 1516 Bezug auf ein Zusammentreffen in den zurückliegenden Monaten "in Eisleben", bei dem der Prior des Magdeburger Augustinerklosters Johann Voigt (Luthers Vorgänger als sächsisch-thüringischer Provinzialvikar) und ganz offensichtlich auch Lang selbst anwesend waren. 102 Warum aber sollte Luther Hierographia Mansfeldica, Zs. des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde I (1868) 23-47, hier 27, wurde die Pfarrkirche St. Annen unter dem 15. März 1518 durch Erzbischof Albrecht dem Augustinerkloster inkorporiert. 101 Reversbrief der Eislebener Mönche, 13. April 1516: Heine, Annenkirche (wie Anm. 93), 24f; zur weiteren Baugeschichte ebd. 24, 28, 52. - Ganz unzureichend ist zur Gründungsgeschichte des Eislebener Klosters Kunzelmann, Augustiner-Eremiten (wie Anm. 17), V, 503f. Da auch die Namen der ersten Klosterinsassen bei Kunzelmann und in der übrigen Literatur fehlen, seien sie hier genannt. Der Reversbrief vom 20. Juli 1515 führt auf: Liborius Zeiner, Prior; Kaspar Güttel, Mag.art., Bacc.theol. und Prediger; Adam Ulrich (Udalrici), der hl. Schrift Lektor und Pfarrherr; Alexius Reimer, Subprior; Georg Nagel, der hl. Schrift Cursor; Jakob Petri, Sacristanus; Wolfgang Pistorius, Subdiakon; Johannes Gabeler, Acoluthus. Am 13. April 1516 handelten namens des Klosters: G. Nagel, Prior; K. Güttel, Pfarrherr; Antonius Groß, Lektor; L. Zeiner, Subprior. Der laut WA Br 1, 48, Ende Juni 1516 todkranke Lector Antonius ist hiernach als A. Groß zu identifizieren. Ferner ergibt sich, daß nach dem ersten Prior L. Zeiner zunächst G. Nagel Prior wurde, bevor Güttel 1517/18 das Amt übernahm: vgl. Kawerau, Güttel (wie Anm. 74), 26, 29. 102 WA Br I, 52, Z. 15-18. Das Treffen in Eisleben lag hiernach vor Luthers Besuch in Magdeburg.

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damals mit Voigt und Lang in Eisleben zusammenkommen, wenn nicht eine besondere Veranlassung sie dorthin zog? Darüber hinaus erwähnt Luther schon unmittelbar nach der Rückkehr von seiner Visitationsreise in einem Schreiben an Georg Spalatin am 8. Juni 1516, daß er kürzlich "in Eisleben" einen aus Bayern an Johann Staupitz gerichteten Brief eingesehen habe, der inhaltlich auf den damals gehegten Plan einging, Staupitz in Süddeutschland zum Bischof zu machen. 103 Wie aber sollte Luther einen solchen Brief vor Augen bekommen haben, wenn nicht auch Staupitz selbst zu jenem Zeitpunkt in Eisleben war? Schwerlich ist dabei die Präsenz all dieser Ordensvertreter in Eisleben als bloße Koinzidenz oder normaler Visitationsbesuch zu erklären. Staupitz, Luther, Voigt und Lang: sie waren vermutlich nicht die einzigen, die damals in Eisleben sich einfanden, um die Einweihung des neuen Klosters zu begehen, bevor dann der Generalvikar Staupitz sich filr lange Zeit aus der mitteldeutschen Region verabschiedete, um seinen Pflichten im Westen und später im Süden des Reiches nachzugehen. Was Luther betrifft, so ist anzunehmen, daß er als verantwortlicher Provinzialvikar in der Aufbauphase des neuen Konventes in Eisleben 104 wiederholt dorthin reiste und daß er bei dem rechtlichen Stiftungsakt im Juli 1515 ebenso hier weilte wie bei der geistlichen Einweihung im Mai 1516. Die Visitationsreise Luthers von Ende April bis Anfang Juni 1516 aber erhält mit dem Kulminationspunkt der Eislebener Klosterweihe ein verändertes Gesicht. Nachdem der Wittenberger sich Anfang Mai von Dresden aus zunächst nach Neustadt und wohl auch nach Waldheim und Grimma gewandt hatte, dürfte er (vielleicht von Grimma aus mit Staupitz reisend) bis etwa Mitte Mai zur Vorbereitung der dortigen Festlichkeiten in Eisleben eingetroffen sein, um hier länger sich aufzuhalten und sodann gleich nach dem 22. Mai mit Lang nach Erfurt weiterzureisen. Die Umdatierung der Eislebener Klosterweihe auf den Mai 1516 (statt Juni 1515) ist dabei auch über die Ordensgeschichte hinaus bedeutsam, da der von Luther geschilderte, anläßlich jener Fronleichnamsprozession in Eisleben mit Staupitz gefiihrte Meinungsaustausch J05 im Blick auf die theologische Entwicklung des werdenden Reformators einen wichtigen Etappenpunkt ausmacht: Die damals von Staupitz erhaltene Anregung zur Korrektur seines düsteren Gottesbildes war filr Luther, wie er selbst berichtet, von nicht geringer, existentieller Wirkung. 106 Die Tatsache, daß Luther so spät noch - im Mai 1516 - sol103 WA Br 1,44, Z. 29-33, mit unbefriedigender Erklärung 45, Anm. 6. - Da Luther, wie erwähnt, am 8. Juni Staupitz schon am Niederrhein vermutet, kann ein Zusammentreffen mit ihm in Eisleben unmöglich noch Anfang Juni erfolgt sein; es muß bereits einige Wochen zurückgelegen haben, was wiederum auf Mitte Mai hinweist. 104 Zu Luthers weiterer Fürsorge rur das neue, noch ungefestigte Eislebener Kloster 1516 vgl. WA Br 1, 48f., 65, 72. 105 Beleg wie oben Anm. 91. 106 Vgl. die Deutung und Einordnung (bezogen auf Juni 1515) bei Brecht, Luther 1

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cher Korrektur und Vermahnung durch Staupitz bedurfte, bietet für die Nachzeichnung seines reformatorischen Erkenntnisweges neue Nuancen. Wenn unter Luthers Vikariat gerade in seiner eigenen mansfeldischen Heimat eine neue Pflanzstätte des Ordens feierlich eröffnet wurde, war dies fUr den Wittenberger auch biographisch, von seiner inneren Beteiligung her, gewiß kein beliebiger Vorgang. Dabei war Eisleben die letzte Klostergründung überhaupt, die in der Reformkongregation der deutschen Augustiner-Eremiten vollzogen wurde. Niemand konnte ahnen, daß dieser mit so viel Eifer und Hingabe errichtete Konvent nach nur wenigen Jahren in den Stürmen der Reformation zugrundegehen würde und daß der gleiche Ordensmann, der den Aufbau fiihrend begleitet hatte, durch seine Lehren entscheidend den Niedergang des Klosters und der ganzen Augustiner-Kongregation bewirken würde. Einstweilen, in den Anfitngen seines Vikariats 1515/16, war von solch umstürzenden Tendenzen bei Luther nichts zu spüren. Gewissenhaft übte er im Geist der Ordensregeln das ihm übertragene Amt aus, wobei er ordenspolitisch ganz an der Seite seines väterlichen Freundes Staupitz stand, wenn er im Lichte seiner persönlichen Wendung nach dem Unionsstreit 1511 den Hochmut und bis zum offenen Ungehorsam gehenden Eigensinn der strengen Observanzverfechter unerbittlich geißelte. 107 Die Gefahr der frommen Selbstrechtfertigung und Werkgerechtigkeit, die Luther gerade im observanten Ordensleben sah, sollte ihn bald schon zu theologisch schärferen Konsequenzen und im breiteren Zusammenhang in die Zuspitzung des Ablaßstreites hineinfUhren. In den uns erhaltenen Briefen Luthers aus den Jahren 1517/18 108 tritt jener theologisch-akademische Streit und damit die Stellung Luthers als Hochschullehrer ganz in den Vordergrund, während von den Pflichten des Ordensamtes auffiUlig seltener die Rede ist. Mit der Übergabe des Provinzialvikariats an seinen Nachfolger Lang auf dem Heidelberger Kapitel Ende April/Anfang Mai 1518 schließlich wird Luther der Führungsverantwortung in seiner Ordensgemeinschaft ledig. Zugleich steht er hier, im Frühjahr 1518, an der Schwelle eines neuen Aufbruchs, der ihn und die Welt verändern sollte.

(wie Anm. 4), 81, 83, 85. 107 Dazu eingehend B. Lohse, Mönchtum und Reformation. Luthers Auseinandersetzung mit dem Mönchsideal des Mittelalters (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 12), Göttingen 1963,220-226,267-272,276,294-301,314-317; U. Mauser, Der junge Luther und die Häresie (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 184), Gütersloh 1968, 94-105; Schulze, Fürsten (wie Anm. 22), 178f. Entgegen den vorsichtigen Urteilen bei Lohse und Mauser (ebd., bes. 100) scheint doch der psychologisch-biographische Zusammenhang von Luthers massiver Observanzkritik mit dem Erfahrungshorizont der Jahre 1510/11 auf der Hand zu liegen: vgl. schon oben Anm. 45. Über den Wandel des Observanzbildes bei Staupitz siehe Weinbrenner, Klosterreform (wie Anm. 22), 238-240. 108 WA Br 1, 84-175.

Sterbekunst in der Reformation Der "köstliche, gute, notwendige Sermon vom Sterben" des Augustiner-Eremiten Stefan Kastenbauer Von Bernd Moeller Die folgende Untersuchung bezieht sich auf eine Gruppe von vier reformatorischen Flugschriften des Jahres 1523, die einen Vorgang - pointiert gesagt: eine Affäre - jenes Jahres beleuchten. I Das Interesse gilt vor allem einer dieser SChriften, 2 doch um sie angemessen zu interpretieren, ist ein längerer Anmarschweg erforderlich. Der Text der Titelblätter deutet die Umrisse der Affäre an - genannt werden die Namen von zwei evangelischen Predigern und von zwei nahe beieinander I A. Artickel // wider Doctor Stef=//fan Castenpawr Eingelegt / auch was er darauf geantl/wort hat / auß seiner ge//fencknus ... 4°. 8 fol., fol. 8b leer. Titelbordüre. [Augsburg: Heinrich Steiner] 1523. (Im folgenden zitiert: Kastenbauer, Artikel). Vgl. VD 16. Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts Bd. 1fT., Stuttgart 1983ff., C 1486; H.-J. Köhler, Bibliographie der Flugschriften des 16. Jahrhunderts Bd. 111fT., Tübingen 1991ff., Nr. 64. Ein Nachdruck nachgewiesen. B. Ain köstlicher / gdtter // notwendiger Sermon / vö Sterbe // wie sich der mensch darzd schicken // soll ... Von // Doctor Steffan Castenbaur // Augustiner ordes in seiner // gettncknuß vmb gottes // worts willenn / zd // Müldorff. // 1523.4°.8 fol., fol. Ib und 8 leer. Titelbordüre. [Augsburg: Heinrich Steiner] 1523. (Im folgenden zitiert: Kastenbauer, Sermon). Vgl. VD 16, C 1489; Köhler, Bibliographie, Nr. 66. C. Ayn Sermon in wel=//cher der mensch geraitzt vii er=//mant wirt zdlieb der Euäge//lischen lere / geschehen durch Wolfgäg Rdß zd Oting // inn Bayern / als er an=//fieng das Euägelion /I Matthei zdpredige / // ... 4°. 10 fol., fol. lOb leer. Titelbordüre. [Nürnberg: Hieronymus Höltzel] 1523. (Im folgenden zitiert: Ruß, Sermon). Vgl. VD 16, R 3845; Köhler, Bibliographie, Nr.3978. Ein Nachdruck nachgewiesen.

D. Ayn entschuldigung ai=//nes Priesters // Wolffgang RdB // Gesellpfaff zd Oting in Bay=//ern gewest / welcher von we//gen des Gotßworts / de // Gemaynen man filr=//gehalten / nach // der ordnüg // seynes // Ampts /gen // Saltzpurg Citiert // worden ist / oder nit erschinen ... 4°. 8 fol., fol. 1b, 7b und 8 leer. Titelbordüre. [Nürnberg: Hieronymus Höltzel] 1523. (Im folgenden zitiert: Ruß, Entschuldigung). Vgl. VD 16, R 3842; Köhler, Bibliographie, Nr. 3975. Die Druckerbestimmung verdanke ich Herrn Dr. Helmut Claus, Gotha (Brief vom 4.3. 1997). 2 Dem in Anm. 1 unter B genannten "Sermon".

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gelegenen kleinen Städten Mühldorf am Inn und Neu-Ötting in Bayern. Der eine der beiden, Dr. Stefan Kastenbauer, sitzt in Gefangenschaft, der andere, Wolfgang Ruß, ist vor die Inquisition zitiert. In den Schriften selbst findet man noch einige weitere Informationen zur Sache. Man erfährt etwa, daß die Zitation von Ruß durch den Salzburger Offizial Andreas von TrautmannsdorW u. a. darauf beruhte, daß jener den vö des Ootßworts wegen gefangenen Euangelischen Doktor, also Kastenbauer, in seinem Turm besucht hatte, und zwar of-. fcnHcil / nit bei nacilt / sonder ilelles tags / vii nit zum dacil ilynein / sonder zU der recilten tlJür. 4 Ruß hatte ihn getröstet, diewell er ... ain waicil menscil ist / vnd niemäts gewest ist / derjiii ayncilerlay trost gebe. 5 Und obgleich er ihn nie kain augenplick erschrocken oder verzagt gesehen hat, war er doch angesichts täglicher Todesdrohungen in Sorge, daß die syiilicilait bey diesem Euangeliseilen menscilen ... vberilandtnehmen könnte. 6 Von ihm hat er die Texte erhalten, die er nun publiziert; sie sind im Gefängnis abgefaßt. 7 Doch hat sich Ruß seither, um nicht demselben Schicksal wie Kastenbauer, iiii tlJum erf8ulcn zu müssen, ausgesetzt zu sein, der Zitation entzogen und sein Amt als Gesellpfaff, d. h. Vikar, in Neu-Ötting aufgegeben. 8 Der Aufsatz wird drei Teile haben, mit einem historischen, einem literarhistorischen und einem theologischen Schwerpunkt.

I. Die Hauptperson, Stefan Kastenbauer, 9 begegnet erstmals 1513 in den Akten der Universität Wien als Fr. Stephanus Kastenpawer de Ratispona. Er stammte aus Abensberg in Niederbayem und dürfte etwa 1491 geboren sein. In Regensburg war er in den Augustiner-Eremitenorden eingetreten und seither an das Generalstudium des Ordens in Wien entsandt worden, wo er an der Universität

3 Über ihn H Paarhammer, Rechtsprechung und Verwaltung des Salzburger Offizialates (1300-1569) (Diss. Salzburg 1977), 39; Geschichte Salzburgs (wie Anm. 49), Bd. 1111, 15; Sallaberger, Kardinal (wie Anm. 18), 145, I 66ff. 4 Ruß, Entschuldigung (wie Anm. I, D) BI. B Ir. 5 Ebd. BI. B IV. 6 Ebd. BI. B 2r . 7 Kastenbauer, Sermon (wie Anm. I, B), BI. A 2r • 8 Ruß, Entschuldigung (wie Anm. I, D), BI. B 3r . 9 Über ihn vor allem Th. Kolde, in: Realencyklopädie rur protestantische Theologie und Kirche I, (1896), 253-255; M. Simon, Zur Lebensgeschichte des Stephan Agricola und zur Person des Agricola Boius, Zs. rur bayerische Kirchengeschichte 30 (1961) 168174; A. Kunzelmann, Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten 6, Würzburg 1975, 17 Anm. 63, 367f.

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die verschiedenen Stationen des Theologiestudiums durchlaufen hatte. IO 1513 war er zum Cursus biblicus,1l 1517 zu den Sentenzen zugelassen worden, 1514 hatte man ihm an Lichtmeß und an Allerheiligen den "Sermo ad clerum uni versitatis" übertragen. 12 Am 29.10.1515 hatte ihn der Ordensgeneral Aegidius von Viterbo zusammen mit anderen jungen Mitbrüdem zum Lektor, am 19.6.1519 dessen Nachfolger Gabriele della Volta "kraft apostolischer Autorität" zum Dr. theol. promoviert. 13 Schon diese Daten zeigen, daß Kastenbauer zur Elite der jungen Nachwuchstheologen des Augustinerordens gehörte; daß er "bis zum Überdruß" die Quisquilien der Scholastiker studiert habe, war eine spätere Interpretation dieser seiner ersten wichtigen Lebensphase. 14 Naheliegend war, daß Kastenbauer, obgleich in anderen Provinzial- und Universitätskontexten beheimatet, früh in den Bann seines Ordensbruders Martin Luther geriet. Wahrscheinlich stand mit solchen Sympathien bereits in Zusammenhang, daß er im Jahr 1520 aus Regensburg in das Augustinerkloster von Rattenberg am Inn versetzt wurde ls - es heißt, er habe als Regensburger Lektor "nach der Schrift" gepredigt, noch jedoch war das dortige Kloster, das später beinahe der Reformation anheimgefallen wäre,16 altgläubig. Jedoch traf 10 Hierzu vgl. F. L. Miksch, Der Augustinerorden und die Wiener Universität I, Augustiniana 16 (1966) 415-445; bes. 443f. Die Statuten der Wiener theologischen Fakultät, in: Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, hg. v. R. Kink, Bd.2, Wien 1854, 93-127, die Bestimmungen über den Studiengang 104ff. - Über die besondere Stellung der Mendikantenorden im Universitätsverband vgl. I. W Frank, Hausstudium und Universitätsstudium der Wiener Dominikaner bis 1500, Wien 1968, 97-104; ebd. 157-183 über den theologischen Studiengang. 11 Kastenbauer hat in Wien das Buch Tobit sowie die Apokalypse ausgelegt; vgl. Datterer, Des Cardinals ... Verhalten zur Reformation (wie Anm. 17), LU; Kunzelmann, Geschichte d. dt. Augustiner-Eremiten 6 (wie Anm. 9), 17 Anm. 63. 12 Zu diesem: Die Statuten (wie Anm. 10), 109f. \3 Dazu N. Paulus, Ein Gutachten von Staupitz aus dem Jahre 1523, HJb 12 (1891), 773, Anm. 1. Die Promotion fand während des Generalkonvents in Venedig statt, an dem Kastenbauer als Definitor der bayerischen Ordensprovinz teilnahm: Kunzelmann, Geschichte d. dt. Augustiner-Eremiten 6 (wie Anm. 9), 17, Anm. 63, 367 mit Anm. 1418. Der General war erst wenige Tage zuvor, am 11. 6., in sein Amt gewählt worden: Aegidii Viterbiensis O.S.A. Registrum Generalatus 1514-1518, hg. v. A. de Meijer, Roma 1984, 321, Anm. 3, Nr. 1026. 14 Nach Gereon Sailer gehörte er, wie dieser selbst, zu jenen Theologen, qui scholasticorum quisquilias ad nauseam usque audierunt: Zit. bei J V. Pollet, Martin Bucer. Etudes sur la Correspondance Bd. 2, Paris 1962,257, Anm. 7. Gelegentlich begegnet in der Literatur (beispielsweise bei Kunzelmann, Geschichte d. dt. Augustiner-Eremiten 6 [wie Anm. 9], 367) die Behauptung, Kastenbauer sei der Herausgeber oder Bearbeiter der 1517 in Basel (bei Adam Petri) erschienenen, kostbaren Ausgabe von Simon Fidati (de Cassia), De religione christiana, doch heißt der Regensburger Augustiner, der zu ihr eine Vorrede beigesteuert hat, Stephanus Sutor. 15 Kunzelmann, Geschichte d. dt. Augustiner-Eremiten 6 (wie Anm. 9). 16 J Hemmerle, Die Augustiner-Eremiten in Bayern, Augustiniana 6 (1956) 385483, bes. 46Iff.; L. Theobald, Die Reformationsgeschichte der Reichsstadt Regensburg

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Kastenbauer auch in der kleinen Stadt in Tirol, die nun fUr einige Jahre zum Schauplatz seiner Lebensgeschichte wurde,17 eine tUr die neuen Lehren empfängliche Bevölkerung an. 18 Rattenberg, etwa auf halbem Wege zwischen Innsbruck und Kufstein gelegen, war damals wie heute ein Städtchen mit weniger als tausend Einwohnern. Jedoch war es weltläufig und wohlhabend als einer der wichtigsten Orte innerhalb des Tiroler Bergbaugebiets am Inn, Zentrum des Silber- und Kupferbergbaus neben Schwaz l9 und damit in dieser Zeit der höchsten Montan-Konjunktur ein Hauptort wirtschaftlichen Wandels und gesellschaftlicher Unruhe. Die großen Augsburger Handelsgesellschaften, die Fugger, die Höchstädter, hatten seit kurzem sowohl Handel als auch Produktion in ihre Hand gebracht,20 die riesigen Schulden der Habsburger etwa aus Anlaß der Kaiserwahl Karls V. wurden großenteils hier, im Nordtiroler Bergbau, eingetrieben. 21 Innerhalb der Bürgerschaft Rattenbergs bildeten die zumeist eingewanderten Bergleute eine eigene Gruppe mit Sonderbewußtsein und spezifischem ZusammengehörigkeitsgetUhl, das zumal in kirchlichen Genossenschaftsbildungen seinen Ausdruck und in politischen Freiheitsrechten Anerkennung fand. 22 Die im späten 15. Jahrhundert errichtete Pfarrkirche von Rattenberg weist, wie auch die von Schwaz, als architektonische Merkwürdigkeit zwei Schiffe auf, die auf zwei Hauptaltäre hin ausgerichtet sind und von denen das eine den Bergverwandten, das andere den Bürgern diente 23 Auch eine "Polarität zwi1, München 1936, 203ff. 17 In seiner auf Jahresanfang 1524 zu datierenden Supplikation an den Erzbischof von Salzburg (sehr unzulänglich abgedruckt bei F. P. Datterer, Des Cardinals und Erzbischofs von Salzburg Matthäus Lang Verhalten zur Refonnation (Diss. phi 1. Erlangen 1890, L-LV) spricht Kastenbauer von drei Jahren Predigttätigkeit in Rattenberg; ebenso Kastenbauer, Artikel (wie Anm. 1, A), BI. A 4'. 18 Zum folgenden ist jetzt zu vergleichen das Kapitel "Der 'Fall' P. Stephan Agricola" bei J Sallaberger, Kardinal Matthäus Lang von Wellenburg (1468-1540), Salzburg usw. 1997, 269-278, der neue Quellen verarbeitet, jedoch auch Irrtümer fortgeführt oder neu aufgebracht hat. 19 G. Mutschlechner, Erzbergbau und Bergwesen im Berggericht Rattenberg, Alpbach usw. 1984; Handbuch der historischen Stätten Österreich 2, Stuttgart 1966, 476f. 20 Vgl. E. Egg, Schwaz ist aller Bergwerke Mutter, in: Beiträge zur Geschichte Tirols. Festgabe des Landes Tirol zum 11. Österr. Historikertag, Innsbruck 1971, 259-298, bes.278f. 21 Das Berggericht Rattenberg war mit allen Einrichtungen 1521 an die Fugger verpfiindet worden: Mutschlechner, Erzbergbau und Bergwesen (wie Anm. 19),42. 22 Vgl. hierzu M Mitterauer, Produktionsweise, Siedlungsstruktur und Sozialfonnen im österreichischen Montanwesen des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Österreichisches Montanwesen, hg. v. M Mitterauer, München 1974,234-315. 23 E. Egg, Die Pfarrkirche zum hl. Virgilius in Rattenberg, in: Festschrift zur Wiedereröffnung der Pfarrkirche S1. Virgil zu Rattenberg, Rattenberg 1984, 84-96, bes.

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schen bürgerlicher und montaner Bevölkerungsgruppe" läßt sich da erschließen?4 Erst vor kurzem, seit dem Bayerischen Erbfolgekrieg 1504, war Rattenberg von den Herzögen von Bayern an das Haus Österreich abgetreten und in die Grafschaft Tirol eingegliedert worden. 25 Das Regiment in Innsbruck aber war, so hat es den Anschein, besonders vorsichtig, empfindlich und unsicher im Umgang mit diesem ebenso kostbaren wie schwierigen Gebiet. Das kleine Augustinerkloster, in das der aus Regensburg gekommene junge Doktor 1520 eintrat, war die einzIge Ordensniederlassung, die es in Rattenberg gab. 26 Es bestand seit über hundert Jahren und hatte, obgleich rur nur zwölf Brüder angelegt, eine ansehnliche Stellung in dem Städtchen erlangt. Mit einem Budget, das etwa die Hälfte des städtischen Haushalts erreichte, gehörte es zu den größten Grundbesitzern der Gegend 27 und war in das Leben der Stadtgesellschaft fest eingebunden. Kastenbauer scheint hier sogleich seinen Platz gefunden und Aufsehen erregt zu haben. Er wurde zum Prior gewählt/8 und wir hören, daß er regelmäßig predigte, und zwar indem er ganze Bücher des Neuen Testamentes der Reihe nach auslegte. Auch hier also predigte er "nach der Schrift": Das Matthäusevangelium, die Paulus-, Johannes- und Petrusbriefe sowie Jakobus gibt er später an. 29 Der Text der Bibel habe im Vordergrund gestanden, ferner will er seinen Ordensheiligen Augustinus, liDe doctrina christiana", liDe catechizandis rudibus", ständig zur Hand gehabt haben, hingegen die Bücher Luthers nur ganz selten. 3o Dennoch ist offenkundig, daß dies reformatorische Predigten waren. Kastenbauer ist ohne weiteres jener ersten Generation von Reformatoren zuzurechnen, die etwa seit Luthers Auftreten auf 85f. - Die trennende Holzwand zwischen den beiden Schiffen ist in Schwaz erst 1850 beseitigt worden: Ders.. Kunst in Tirol- Baukunst und Plastik, Innsbruck usw. 1970, 82-88. - Eine Abbildung des "Knappenschiffs" der Pfarrkirche zu Rattenberg in seinem heutigen Zustand bei Mutschlechner, Erzbergbau und Bergwesen (wie Anm. 19), 89. 24 Mitterauer, Produktionsweise (wie Anm. 22),266. 25 Geschichte des Landes Tirol2, hg. v. 1. Fontana u. a., Bozen usw. 1986, 10. 26 Vgl. zum folgenden F. Rennhofer; Augustinerklöster in Österreich, Augustiniana 6 (1956) 490-536, bes. 523ff.; Kunzelmann, Geschichte d. dt. Augustiner-Eremiten 6 (wie Anm.9), Bd.3, Würzburg 1972, 22ff.; A. Angerer, Das Kloster der Augustiner Eremiten von Rattenberg, in: Festschrift Rattenberg (wie Anm.23), 154-183; R. Büchner, Alltag und Fest in Stams, Rattenberg und anderen Klöstern des Spätmittelalters, Innsbrucker Historische Studien 7/8 (1985) 9-98. 27 Büchner, Alltag und Fest in Stams (wie Anm. 26), 45f. 28 Kunzelmann, Geschichte d. dt. Augustiner-Eremiten 6 (wie Anm. 9),21. 29 Datterer, Des Cardinals ... Verhalten zur Reformation (wie Anm. 17), LU. - Ort der Predigten dürfte die Klosterkirche der Augustiner gewesen sein, die von M. Bitschnau, Zur Baugeschichte der ehemaligen Klosterkirche St. Augustinus in Rattenberg, in: Festschrift Rattenberg (wie Anm. 23), 184-187, beschrieben wird. 30 Datterer, Des Cardinals ... Verhalten zur Reformation (wie Anm. 17), LIII. Vgl. auch Kastenbauer, Artikel (wie Anm. 1, A) BI. A 3vf. Ebd., BI. B 2r gibt er an, er verstehe noch nit alle Schriften Luthers.

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dem Reichstag zu Worms und seiner Verurteilung an zahlreichen Orten in Deutschland damit begannen, ihrerseits seine Sache aufzunehmen und zu verbreiten,31 und das begründeten, was wir die "reformatorische Bewegung" zu nennen pflegen. Auch in Rattenberg war die Wirkung dieser Predigten offenbar groß. Daran dürften die kirchenkritischen Akzente, die sie enthielten, einen nicht geringen Anteil gehabt haben. Später wurde Kastenbauer vorgeworfen, er habe das göttliche Recht von Papst und Kaiser, die Beicht- und Fastenpflicht sowie Gebete und Stiftungen bestritten, ja zum Aufruhr gegen die Geistlichkeit aufgerufen,32 und einiges davon hat er, wenn auch erklärend und differenzierend, eingeräumt. Das nyemants zü Rotemberg mer lest meß lesen / Jartag halten / oder andergots dienst / wie vorhyn gehalten, war, wie in vielen anderen Städten Deutschlands so auch hier, die offenbar unverzüglich und beinahe unvermittelt eingetretene Folge. 33 Eine erste Gegenmaßnahme gegen Kastenbauers Tätigkeit wird aus dem September 1522 berichtet, als der Ordensgeneral der Augustiner dessen Wahl zum Prior mißbilligte und auf einer Neuwahl bestand. 34 Zwei Monate später aber, am 17. November 1522, erging ein Befehl des Innsbrucker Regenten Erzherzog Ferdinand an Bürgermeister und Rat von Rattenberg, den Augustiner zu verhaften; dieser verbreite Martin Luthers lere vnnd maynung und rufe zum Aufruhr auf. 3s Die Adressaten reagierten hinhaltend, indem sie Kastenbauer zwar im Rathaus unter Hausarrest stellten, ihn jedoch am folgenden Sonntag predigen ließen. Einige Tage später kam es zu einer Demonstration der Bergleute fiir die Freilassung des Doktors, dieser entzog sich jedoch unter allerlei turbulenten Umständen deren Versuch, sich seiner Person zu bemächtigen, und stellte sich selbst unter den Schutz des Rates. Divergente Auffassungen innerhalb der Reformationspartei wurden sichtbar, es herrschte eine höchst gespannte Situation.

31 Vgl. B. Moe/ler, Die frühe Reformation in Deutschland als Kommunikationsprozeß, in: Kirche und Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. H Boockmann, Göttingen 1994, 148-164. 32 Dies ist der Hauptinhalt der "Artickel", die ihm in Mühldorf vorgehalten wurden (s. o. Anm. I, A). 33 Kastenbauer, Artikel (wie Anm. I, A), BI. A 3r. 34 Kunzelmann, Geschichte d. dt. Augustiner-Eremiten 6 (wie Anm.9), 21 mit Anm.84. 35 Bei Jos. Schmid, Des Cardinals und Erzbischofs von Salzburg Matthias Lang Verhalten zur Reformation 3, Jb. der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 20 (1899) 154-184, bes. 167f. Diese antireformatorische Aktion des Landesherrn, der sich auf dem Reichstag zu Nümberg aufhielt, war rur Tirol ein recht neues Phänomen und enthielt vielleicht eine Spitze gegen die bisherige Untätigkeit des Regiments.

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In dieser Lage trat ein Politiker in den Vordergrund, der zu diesem Zeitpunkt offenbar in einem vertrauten Verhältnis zu Kastenbauer stand, Pilgram Marbeck, im Jahr 1522 der Bürgermeister von Rattenberg. 36 Er ist in der späteren Reformationsgeschichte als Täuferführer in Straßburg ein berühmter Mann geworden, tat sich jetzt jedoch durch zugleich aufopfernden und besonnenen Einsatz zugunsten des lutherischen Predigers hervor. Bürgermeister und Rat von Rattenberg reisten, so hören wir, zur Regierung nach Innsbruck und brachten dort offenbar nicht nur den Druck von seiten der Bergleute, sondern auch die Rechtslage zu Kastenbauers Gunsten geschickt ins Spiel - die Stadtbehörden haben keinen Rechtstitel, den Mönch gefangen zu halten, und müssen ihn also entweder freilassen oder zu einem neuen Rechtsstand kommen. Tatsächlich gelangen Marbeck mit dieser Taktik Erfolge. Städtische Privilegien aus bayerischer Zeit wurden erneuert,37 die bereits verfügte Überstellung des Gefangenen zu dem Inhaber der geistlichen Jurisdiktion, dem Erzbischof von Salzburg, wurde aufgeschoben, und mehrere Monate lang, bis in den März 1523 hinein, blieb die Sache in der Schwebe, nicht zuletzt offenbar, weil die Bergleute mehrfach einen Aufstand ankündigten; und der Rat von Rattenberg verstärkte diese Drohung noch, indem er die Regierung durch ein Ersuchen um bewaffnete Hilfe alarmierte. Erst Anfang März fiel die Entscheidung. Nunmehr gab der Landesherr Anweisung, Kastenbauer in salzburgisches Gebiet zu verschicken, und zwar zu Schiff auf dem Inn nach Mühldorf. Eine Wachmannschaft von drei Personen, dazu vier Schiffer hatten ihn zu begleiten, ein Geleitsbrief im Namen des Kaisers selbst wurde ihnen ausgestellt. 38 Bevor ich in der Erzählung fortfahre, ein Wort zur Erläuterung der allgemeinen Umstände. Die Vorgänge, die sich 1522/23 in Rattenberg ereigneten, gehören zu den Vorzeichen der dramatischen Ereignisse, die dann 1525 und in den darauf folgenden Jahren diese Gegenden erschüttern sollten. Im selben Jahr 1523, in dem Kastenbauers Predigt unterbunden wurde, ist im Rattenberger Gebiet der höchste Bergbau-Ertrag, der dort jemals gewonnen worden ist, eingefahren worden/ 9 zwei Jahre später aber, 1525, waren die Bergleute an dem Tiroler Bauernkrieg maßgeblich beteiligt,40 und endlich, nach dessen Nieder36 Vgl. zum folgenden Schmid, Des Cardinals ... Verhalten zur Reformation (wie Anm.35), 166ff.; St. B. Boyd, Pilgram Marpeck. His Life and Social Theology, Mainz 1992, 8ff.; Sallaberger, Kardinal (wie Anm. 18), 270f. 37 Über diese vgl. 0. Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung von Tirol (Nordtirol), Wien - Leipzig 1926, 147. 38 Sallaberger, Kardinal (wie Anm. 18),271 mit Anm. 15f. 39 Egg, Schwaz (wie Anm. 20), 275; J v. Sperges, Tyrolische Bergwerkgeschichte, Wien 1765, I11ff. 40 A. Laube, Der Aufstand der Schwazer Bergarbeiter 1525 und ihre Haltung im Tiroler Bauemkrieg, Jb. für Geschichte des Feudalismus 2 (1978) 225-258; Geschichte des Landes Tirol2 (wie Anm. 25), 42ff.

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schlagung und in dessen Gefolge, wurde das ganze Land am Inn eine Hochburg des Täufertums 41 Nach 1527 sind in Rattenberg, dem Sitz eines Landrichters 42, zahlreiche Täufer hingerichtet worden 43 - insgesamt 71 werden namentlich genannt, so viele wie an keinem anderen einzelnen Ort in Tirol. 44 Kein Zweifel, daß diese Abfolge aufwühlender Ereignisse geschichtliche Zusammenhänge erkennen läßt, und daß die spektakulär aufgebrochene und dann sogleich ebenso spektakulär unterdrückte reformatorische Predigt an dieser Entwicklung einen Anteil hatte. 45 Wenn im Frühjahr 1524 am erzbischöflichen Hof festgestellt wurde, man sehe augenscheinlich, wie sich das Volk zu Ratenberg verkert und gegn der Priesterschafft entbärt (empört), das wol zu vermuetten auß sein Doctor Steffans Predign ervolget,46 so war dies plausibel genug, auch wenn Kastenbauer immer wieder versichern mochte, einen Aufruhr abgelehnt, vielmehr auff das htJchst zü fHd vnnd ainigkayt gcbcttcn zu haben,47 und hierin auch glaubhaft sein mochte. Auch in den späteren Vorgängen wirkte die tiefgründige Infragestellung und Neugestaltung aller Lebensorientierungen fort, die die lutherischen Prediger der politischen und sozialen Instabilität dieses Landes hinzugefilgt hatten, oder genauer gesagt: die sie zwar hatten einleiten, jedoch nicht hatten gestalten können. Tiefe Irritationen, Ratlosigkeit, Ohnmachts gefilhle kamen in dieser Abfolge von Ereignissen zum Ausdruck. 48 Daß man Stefan Kastenbauer - um zu ihm zurückzukehren - im März 1523 auf dem Inn transportierte und nach Mühldorf brachte, dürfte mit der allgemei41 Vgl. J. Loserth, Der Anabaptismus in Tirol von seinen Anfängen bis zum Tode Jakob Huters, Archiv filr österreichische Geschichte 78 (1892) 427-604; G. Mecenseffy, Täufer in Rattenberg, in: Das Buch von Kramsach, hg. v. G. Mecenseffy (Schiern-Hefte 262), Innsbruck 1972, 197-214. 42 Stolz, Polit.-histor. Landesbeschreibung (wie Anm. 37), 130-146. 43 Quellen zur Geschichte der Täufer 12 (Österreich 2), hg. v. G. Mecenseffy, Gütersloh 1972, 53ff., 237, 241f.; c.-P. C/asen, Anabaptism. A Social History, 1525-1618, Ithaca, N.Y. usw. 1972,413. 44 Mecenseffy, Täufer (wie Anm. 41), 214. 45 Es gab sie auch an anderen Orten Nordtirols. Dazu statt weiterer Literatur: Geschichte des Landes Tirol 2 (wie Anm. 25), 39ff. 46 Schreiben des Salzburger Kanzlers Dr. BaIdung an den Landrichter zu Mühldorf, bei Hauthaler, Cardinal Matthäus Lang (wie Anm. 49),343. An demselben 10.3. 1523, an dem der Befehl, Kastenbauer wegzufilhren, erteilt worden war, präsentierte der Rat von Rattenberg auf die PredigersteIle an der Stadtkirche St.Virgil, die Filiale der Peterspfarrei von Raith bei Brixlegg war, einen weiteren evangelischen Prediger, Wilhelm Kern, der bis Januar 1526 amtierte, dann jedoch unter dem Protest der Bergleute von der Regierung abgesetzt wurde: Boyd, Pilgram Marpeck (wie Anm. 36), 19. 47 Kastenbauer, Artikel (wie Anm. 1), BI. A 2'; B 2'; Hautha/er, CardinaI Matthäus Lang (wie Anm. 49), 325 u. ö. 48 In der bisherigen Literatur werden diese Zusammenhänge nur unzureichend wahrgenommen. Am besten: P. Bierbrauer, Die unterdrückte Reformation. Der Kampf der Tiroler um eine neue Kirche (1521-1527), Zürich 1993.

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nen Unruhe, die im Lande herrschte, in einem Zusammenhang stehen. 49 Der Wasserweg war sicherer als der Landweg, Mühldorf aber hatte den Vorzug, der einzige Ort am Inn zu sein, der der Landeshoheit des Erzbischofs von Salzburg unterstand, dem die Innsbrucker Regierung den heiklen Fall zuzuschieben wünschte. Allerdings bot die kleine Stadt rur die Erledigung der Angelegenheit keineswegs nur Vorteile. Sie war nämlich salzburgische Enklave mitten in bayerischem Gebiet, und um Ausmaß und Ausdehnung der erzbischöflichen Hoheitsrechte war seit langem heftiger Streit im Gange 50 - bis an die Mühldorfer Innbrücke reichten die Ansprüche, die die Herzöge von Bayern erhoben. 51 Damit aber war der Ort kaum besonders geeignet, um einen so schwierigen Gefangenen wie Kastenbauer zu verwahren oder gar Schauplatz rur eine so schwierige Veranstaltung wie einen Ketzerprozeß zu sein. Die Bayern beanspruchten, so man einen zu Müldorfmit dem Malefiz strafen will, vom Salzburger Erzbischof eine Geldzahlung und damit die Anerkennung ihrer Oberhoheit und Halsgerichtsbarkeit. Ebenso wenig jedoch bot sich der Ausweg an, den Delinquenten in die Landeshauptstadt Salzburg zu transportieren; denn - wie es dann im Februar 1524 in den Akten heißt52 - dieweil das ganz Volk der luttrischen Sect vii anhangt, damit diser Munch beschrien ist, (könnte) des halben etwas Aufru auf dem Landt am Heruberfuern entsteen. Und ohnehin lagen auch filr diesen Fall die bayerischen Ansprüche im Weg; eine Aussicht, bayerisches Geleit zu erlangen, bestand nicht, jedenfalls nicht ohne daß es bis an die Mühldorfer Brücke ausgedehnt wurde; und bereits am 20. April erging eine Weisung an die zuständigen herzoglichen Pfleger, den Gefangenen, falls er in ir verwal/tungen khäme ... , zu erobern und zu vennckhnuß zu bringen.. 53 Mit anderen Worten: Der Fall Kastenbauer rückte in die Sphäre der allgemeinen Politik hinein, und er gab den bayerischen Herzögen Gelegenheit, erneut zu beweisen, daß bei ihnen in der Reformationszeit "Außenpolitik und Religionspolitik zeitweise 49 Grundlegend rur das Folgende die reichhaltige, bisher zu wenig ausgewertete Abhandlung von W. Hautha/er, Cardinal Matthäus Lang und die religiös-sociale Bewegung seiner Zeit 2. Mitteilungen der Gesellschaft rur Salzburger Landeskunde 36 (1896) 317-402; neuerdings: Geschichte Salzburgs - Stadt und Land, hg. v. H Dopsch u. a., IIIl, Salzburg 1988, 24ff.; III5, ebd. 1991, 2889ff. sowie Sallaberger, Kardinal (wie Anm. 18), 272ff. 50 Vgl. H Stah/eder, Mühldorf am Inn (Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern 36), München 1976; Geschichte Salzburgs (wie Anm. 49), 111, Salzburg 1981, 517f. Im übrigen zu Mühldorf: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands 7 (Bayern), Stuttgart 1961, 435f.; Handbuch der bayerischen Geschichte 11, hg. v. M Spind/er, München 1969, passim; Bayerisches Städtebuch 11, hg. v. E. Keyser / H Stoob, Stuttgart usw. 1974,390-393. 51 Geschichte Salzburgs (wie Anm. 49), I/I, 517f. 52 Hautha/er, Cardinal Matthäus Lang (wie Anm. 49), 344. 53 Ebd. 345; der salzburgische Rat Dr. Ribeisen hatte am 9.4. 1523 eine Intervention bei Herzog Wilhelm IV. von Bayern in dieser Sache unternommen, die erfolglos geblieben war: Sallaberger, Kardinal (wie Anm. 18),273.

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erheblich auseinanderklafften,,54. Am Ende sollte sich der Knoten filr die Salzburger Regierung als unauflösbar erweisen - Kastenbauer wurde gerettet. Der Fall erwies sich als ein Beispiel filr einen gescheiterten Inquisitionsprozeß, wie es sie in der frühen Reformation in Deutschland noch öfter gegeben hat. 55 Eigentlich hätte Kastenbauers Schicksal, nachdem er nun in den Gewahrsam seines geistlichen Vorgesetzten und Richters gelangt war, besiegelt sein müssen. Schon seit einem Jahr hatte der Erzbischof von Salzburg - der Kardinal und einstige, mächtige Kanzler Kaiser Maximilians, Matthäus Lang56 - sich von der Sache Luthers amtlich scharf distanziert und deren Verfechtem den Inquisitionsprozeß und im Fall der Widerrufsverweigerung die Übergabe an den weltlichen Arm, also die Hinrichtung, angedroht. 57 Tatsächlich wurde der Mönch nach seiner Ankunft im Mühldorfer Rathaus eingesperrt - man wird annehmen müssen: an eine Kette gelegt - und hier im Mai 1523 erstmals von einem Bevollmächtigten des Erzbischofs, dem Rat Dr. Eberhard Englmar, zusammen mit Notar und Zeugen besucht. Man legte ihm 33 Artikel vor, auf die er Antwort zu geben hatte. Der Ketzerprozeß wurde also förmlich eröffnet. 58 Diese Artikel sowie die Antworten Kastenbauers sind uns nicht im Wortlaut, jedoch ihrem allgemeinen Inhalt nach bekannt, und zwar in doppelter und eigentümlicher Form - einmal durch Veröffentlichung durch den Angeschuldigten selbst,59 sodann durch ein Gutachten, das am Salzburger Hof angefertigt 54 So W Ziegler, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung I, hg. v. A. Schindling / W Ziegler, Münster 1989, 60. Vgl. auch H Rößler, Geschichte und Strukturen der evangelischen Bewegung im Bistum Freising 1520-1571, Nürnberg 1966; R. Pohl, Die "gegenreformatorische" Politik der bayerischen Herzöge 1522-1528 (Diss. Erlangen 1972). 55 Vgl. B. Moeller, Inquisition und Martyrium in Flugschriften der frühen Reformation in Deutschland, in: Ketzerverfolgung im 16. und frühen 17. Jahrhundert, hg. v. S. Seidel Menchi, Wiesbaden 1992,.21-48, bes. 29f. 56 Über ihn zuletzt F. Ortner, in: 3LThK VI (1997), 638f., sowie das oben Anm. 18 genannte Buch von Sallaberger. 57 Das Salzburger Reformdekret von Ende März 1522 in den Acta Reformationis Catholicae eccIesiam Germaniae concernentia saeculi XVI, hg. v. G. Pfeilschifler, Bd. I, Regensburg 1959, 48-53, Nr. 8; der Rezeß des Mühldorfer Konvents vom 31. 5. 1522: ebd., 62-75, Nr. 13f. - Offenbar war das Verfahren gegen Kastenbauer die erste rechtliche Maßnahme gegen einen Ketzer in Salzburg: Sallaberger, Kardinal (wie Anm. 18),273, Anm. 23. 58 Hauthaler, Cardinal Matthäus Lang (wie Anm. 49),328; die Zeitangabe im Text berücksichtigt (wie bei Hauthaler) die vorausgehende Anfrage an den Erzbischof vom 28.4. 1523: Acta Reformationis (wie Anm.57), 97f, Nr.26. Zum Verfahren des Inquisitionsprozesses: P. Flade, Das römische Inquisitionsverfahren in Deutschland bis zu den Hexenprozessen, Leipzig 1902 (ND Aalen 1972), 45ff.; W Trusen, Der Inquisitionsprozeß. Seine historischen Grundlagen und frühen Formen, ZRG Kan. Abt. 105 (1988) 168-230; Ders., Rechtliche Grundlagen des Häresiebegriffs und des Ketzerverfahrens, in: Ketzerverfolgung (wie Anm. 55), 1-20. 59 s. o. Anm. I, A.

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wurde und das niemand Geringeren zum Verfasser hatte als Johann von Staupitz. 60 Dieser, ehemaliger Generalvikar der Augustiner und der einstmalige Lehrer Luthers, war inzwischen in den Benediktinerorden übergetreten und verbrachte seine letzten Lebensjahre als Abt von St. Peter in Salzburg und als Rat des Erzbischofs,61 übrigens ohne seine Beziehungen zu dem Wittenberger Reformator und seine Sympathien rur ihn gänzlich aufzugeben. 62 Vielleicht war es ein Versuch, den Fall Kastenbauer glimpflich zu beenden, daß man gerade Staupitz das Schicksal des Rattenberger Predigers, der ja sein einstiger Ordensbruder war, in die Hand legte, und tatsächlich fiel das Gutachten verhältnismäßig milde aus; an den meisten Stellen bemerkte Staupitz nur praesumptio und temeritas, keine regelrechte Ketzerei; lediglich zwei Punkte, die Ablehnung des Meßopfers und der Gebete fiir Verstorbene, hielt er für Glaubensirrtümer und Häresien. 63 Am erzbischöflichen Hof scheint man auf die Taktik des Abwartens gesetzt zu haben. Es verging ein Vierteljahr, bis der Fall am 26. August wieder in die Akten kam, und es war Kastenbauer selbst oder vielmehr dessen Besucher Wolfgang Ruß aus Neu-Ötting, der ihn vorantrieb: Das Sterbebuch war erschienen64 und sorgte in Salzburg filr Beunruhigung. Die Unhaltbarkeit der Lage in Mühldorf war durch die publizistische Aktion offenbar geworden man mußte nach einem neuen Gefängnis Ausschau halten, darin er allain on mänigklichs Zugang bewart werde. 65 Man stellte fest, das könne eigentlich nur das Schloß zu Salzburg sein, doch kam nun das ganze politische Dilemma zur Sprache, in dem die erzbischöfliche Regierung sich befand und das ich schon skizziert habe: Der Erzherzog schickt einem einen Gefangenen an ungelegenen Ort, die Herzöge von Bayern hintertreiben dessen Verurteilung, zugleich aber drängen beide zu gegenreformatorischen Taten. Unter diesen Umständen blieb 60

Paulus, Ein Gutachten von Staupitz (wie Anm. 13),773-777.

61 Vgl. J Sallaberger, Johann von Staupitz - Luthers Vorgesetzter und Freund und

seine Beziehung zu Salzburg, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 117 (1977) 159-200; Ders., Abt Johannes von Staupitz (1522-1524), Luthers einstiger Vorgesetzter und Freund, in: Das älteste Kloster im deutschen Sprachraum - St. Peter in Salzburg. Katalog der Landesausstellung 1982, Salzburg 1982, 91-97; Ders., Johann von Staupitz, die Stiftsprediger und die Mendikanten-Termineien in Salzburg, Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 93 (1982) 218-269; 103 (1992) 87-188. Ferner das o. Anm. 18 genannte Buch desselben Vf.s, passim. 62 Vgl. seinen letzten Brief an Luther vom 1. 4.1524, WA, Abt. Briefwechsel 3, Nr.726. 63 Paulus, Ein Gutachten von Staupitz (wie Anm. 13), 776f. In den Salzburger Akten findet sich noch ein weiteres Gutachten zu den Artikeln, das von Dr. Englmar stammt und sehr viel schärfer urteilt; Text bei Datterer, Des Cardinals ... Verhalten zur Reformation (wie Anm. 17), XXXVIIff. 64 Kastenbauer, Sennon (wie Anm. 1, B). Die Vorrede ist vom 21. 8. 1523 datiert. 6S Hauthaler, Cardinal Matthäus Lang (wie Anm. 49), 331. 49 Festschrift E1m

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es bei halben Maßnahmen: Gegen Ruß wurde die Zitation beschlossen, die dieser freilich damit beantwortete, daß er die Angelegenheit öffentlich machte 66 und nach Ulm entwich, Kastenbauer aber wurde an einen etwas weniger zugänglichen Ort, den erzbischöflichen Pfleghof in Mühldorf, verbracht. 67 Und erneut wurde Abwarten beschlossen. Tatsächlich konnte man in Salzburg denken, auf diesem Weg vielleicht zum Ziel zu kommen. Es gab Anzeichen dafür, daß der Gefangene mürbe wurde. Der Mühldorfer Landrichter, Ruprecht Hirschauer,68 gab Erkundigungen des Gefiingniswärters nach Salzburg weiter, der den Doktor zu mermaln hatte weinen und, so er im zu Essen hinein geb, über die lange Haft klagen hören; er merk wol, was die Mainung, er mueß der Endn sterbn, und ob man in werd erhungern, errecken oder auf aim Eiß durch ain Loch in den Grabn schiebn, das weil er gedultigklich leidn, dann er pitt sein Got Tag und Nacht, das er ine der Vänknuß mit seinem Sterbn erledig. 69 Daraufhin eine neue Aktion - am 31. Dezember erschien erneut ein Salzburger Rat, Dr. Ribeisen,70 in Mühldorf und fUhrte ein langes Gespräch mit dem Gefangenen. Sein Bericht darüber erwähnt gleichfalls Weinen und Klagen Kastenbauers, auf den Erzbischof, auf Staupitz, auf Pürstinger71 habe er seine Hoffnung gesetzt, er sei bereit, künftig auf das Predigen zu verzichten und anderes, was ihm auferlegt werde, zu dulden. Nicht allerdings werde er widerrufen und damit Gott selbst verleugnen, sonder ehe tausendmall sterben. Ewiglich wird er bei seiner Sache bleiben, so das Resumee des Berichterstatters. 72 Es folgte am 7. Januar 1524 eine neue Beratung in Salzburg, die noch einmal die ganze Ratlosigkeit der Regierung offenbarte. Inzwischen hatten Außenstehende die Zwangslage verschärft - Erzherzogin Anna, die junge Gemahlin Ferdinands, hatte sich zusammen mit anderen Frauen für den Gefangenen verwendet,73 der bayerische Theologe Johann Eck hingegen hatte in Rom Klage gegen Ruß, Entschuldigung (wie Anm. 1, D). Hauthaler, Cardinal Matthäus Lang (wie Anm.49), 337. - Bei Sallaberger, Kardinal (wie Anm. 18), 139 eine historische Abbildung des Gebäudes mit einem Turm, der heute nicht mehr erhalten ist. 68 Über ihn Stahleder, Mühldorfam Inn (wie Anm. 50),169. 69 Hauthaler, Cardinal Matthäus Lang (wie Anm. 49), 337. 70 Über ihn Geschichte Salzburgs (wie Anm. 49), II11, 16 u. Ö. 71 Er war als Bischof von Chiemsee und Weihbischof von Salzburg in der Tat, wie Staupitz, an den Verhandlungen über Kastenbauer beteiligt. Vgl. über ihn E. W Zeeden, in: Katholische Theologen der Reformationszeit 3, hg. v. E. Iserloh, Münster 1986,6575; V Leppin, in: TRE XXVIII (1997), 1-3; Sallaberger, Kardinal (wie Anm. 18), 162ff. 72 Hauthaler, Cardinal Matthäus Lang (wie Anm. 49), 339, 341. - Im Anschluß an dieses Verhör dürfte Kastenbauer die oben Anm. 17 erwähnte Supplikation an den Erzbischof geschrieben haben, deren Inhalt bei Hauthaler 324-328 ausführlich wiedergegeben wird. 73 Erwähnt von Dr. Ribeisen: Hauthaler, Cardinal Matthäus Lang (wie Anm. 49), 66

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den angeblich untätigen Erzbischof gefiihrt;74 auch von einer erneuten Intervention des Rates von Rattenberg zugunsten Kastenbauers ist die Rede. 75 Die Situation drängte zur Entscheidung hin, diese aber zur Begnadigung, der man allerdings einen Anschein von Machtvollkommenheit zu erhalten wünschte. Das letzte aussichtsreiche Motiv solcher Art, dem wir in den Akten begegnen, ist das Eingeständnis des Doktors, in einigen seiner Rattenberger Predigten 76 etwas unbeschaidn und hitzig geredet zu haben. 77 Doch hören wir im Mai, daß, als man ihm die Unterschrift unter einen entsprechenden Revers abforderte, er diese verweigert habe, da dort auch von demütiger Abbitte die Rede war,78 und die zu leisten war er nicht bereit. Dennoch - im Sommer 1524 war Kastenbauer frei; in den folgenden Jahren hatte er als einer der Reformatoren Augsburgs und anderer Orte noch eine Karriere vor sich,79 und zwar unter dem Namen Stephan Agricola, den er gelegentlich schon früher gebraucht,80 erst von nun an jedoch, soweit ich sehe, regelmäßig gefiihrt hat. 8) Ob man ihm bei der Entlassung zuletzt überhaupt eine Auflage gemacht hat, ist unbekannt. Auch im Salzburger Gebiet traten 1524 die Vorzeichen des Bauemkrieges immer deutlicher in Erscheinung und erforderten die konzentrierte Aufmerksamkeit der Regierenden. 82 Als der Aufstand dann im Mai / Juni 341; erörtert in der Ratssitzung am 7. I. 1524: ebd., 342. 74 Acta Reformationis (wie Anm. 57), 140, Nr. 30: Cur patiatur (der Erzbischof) ... insanire Rotenbergenses a quodam Augustiniano iam triennio ferme seductos. dormitante Cardinali Salisburgensi? Das undatierte Memorandum ist noch an Papst Hadrian VI. gerichtet, wurde jedoch in Salzburg erst jetzt erörtert: Hautha/er, Cardinal Matthäus Lang (wie Anm. 49), 342. 75 Vgl. Boyd, Pilgram Marpeck (wie Anm. 36), 342. 76 Vor allem zwei Predigten werden herausgestellt (Hautha/er, Cardinal Matthäus Lang [wie Anm. 49], 346f.; Kastenbauer, Artikel [wie Anm. I, A]), eine an Allerseelen, wohl 1522 und damit kurz vor der Verhaftung, und eine an Himmelfahrt, in der Kastenbauer sich darüber, daß dz bild hinauffgczogc waro; also über einen Himmelfahrtsaufzug (vgl. H-J. Krause, "Imago ascensionis" und "Himmelsloch", in: Skulptur des Mittelalters, hg. v. F. Möbius u. a., Weimar 1987,280-353), sowie darüber entrüstet hatte, daß Gottes Wort dabei ganz außer Acht geriet: Kastenbauer, Artikel (wie Anm. I, A), BI. B 2V • 77 Hautha/er, Cardinal Matthäus Lang (wie Anm. 49), 345f. 78 Ebd.,347. 79 Zu seinen weiteren LebensschicksaIen vgl. die oben Anm. 9 zitierte Literatur sowie zuletzt H Smolinsky, in: 3LThK I (1993), 251. Er ist am 10./11. 4. 1547 in Eisleben gestorben. 80 Ich lese ihn zum ersten Mal in der Supplikation vom Jan. 1524 (wie Anm. 17 und 72). 81 Zur Frage der Identität Kastenbauers mit dem Flugschriftenautor Agricola Boius vgl. den Aufsatz von Simon, Zur Lebensgeschichte des Stephan Agricola (wie Anm. 9). Dessen Schrift stammt von 1525 (Simon, 174), nicht, wie VD 16, C 1487, und dem folgend noch Sallaberger, Kardinal (wie Anm. 18), 269, Anm. 3, angeben, von 1520. 82 Vgl. K. Köch/, Die Bauernkriege im Erzstift Salzburg in den Jahren 1525 und

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1525 schließlich ausbrach, war maßgeblich hierfUr ein Vorfall, wie man ihn mit Kastenbauer zu vermeiden gesucht hatte 83 - ein lutherischer Priester, der nach seiner Verurteilung zu ewigem Gefangnis von Salzburg aus in den Hungerturm nach Mittersill überfUhrt werden sollte, wurde unterwegs befreit. Daß man daraufhin die schuldigen Bauern kurzerhand hinrichten ließ, wurde zum Signal fUr die große Rebellion, an der zeitweise sogar die Hauptstadt teilnahm und der der Kardinal beinahe zum Opfer gefallen wäre. Drei Monate lang wurde er in der Feste Hohensalzberg belagert und hatte seine Befreiung am Ende ausgerechnet der Mithilfe bayerischer Truppen zu verdanken. 84

11. Soviel zur "Affiire Kastenbauer" und damit zum geschichtlichen Hintergrund der vier Flugschriften, denen unser Interesse gilt. Wir wenden uns nun diesen Schriften selber zu. Die Geschichtserzählung hat bereits erkennen lassen, daß deren Veröffentlichung den Verlauf der Affare an entscheidender Stelle beeintlußt und umgelenkt hat. So kommt uns in ihnen das Phänomen der "reformatorischen Öffentlichkeit", das die Forschung neuerdings wahrgenommen und zu untersuchen begonnen hat,85 in markanter Weise zu Gesicht. Wir verfolgen zunächst diese Spur. Bei dem Bemühen, den komplexen, ungefügen und überreichen Bestand der reformatorischen Flugschriften zu ordnen und wissenschaftlich zu erfassen, sind uns in letzter Zeit jene Schriften der Frühzeit, die sich an realen Geschehnissen orientieren, besonders aufgefallen. Wir haben bemerkt, daß den Lesern etwa der Jahre 1521-1525 in Deutschland und z. T. auch jenseits der Grenzen eine Fülle gedruckter Berichte über Konflikte, Skandale, Sensationen vorlagen, die durch das Auftreten Luthers und seiner Anhänger ausgelöst waren oder sonst mit ihm zusammenhingen. Da wurden Fälle dargestellt, in denen reformatorisch Gesinnte die Offensive ergriffen hatten, etwa beim Austritt von 1526, Mitteilungen der Gesellschaft rur Salzburger Landeskunde 47 (1907) 1-117;

F. Zaisberger, Der Salzburger Bauer und die Refonnation, Mitteilungen der Gesell-

schaft rur Salzburger Landeskunde 124 (1984) 375-401, sowie die Gesamtdarstellungen von G. Franz, Der deutsche Bauemkrieg, 4Darmstadt 1956; P. Blickle, Die Revolution von 1525, 2München 1981; Geschichte Salzburgs (wie Anm. 49), II/I, 37-58. 83 Zum folgenden A. Hollaender, Studien zum Salzburger Bauemkrieg 1, Mitteilungen der Gesellschaft rur Salzburger Landeskunde 72 (1932) 1-44, 26f.; Geschichte Salzburgs (wie Anm. 49), 11/1, 39; II/5, 2893, Anm. 174; Sallaberger, Kardinal (wie Anm. 18), 315f. 84 Zaisberger, Der Salzburger Bauer (wie Anm. 82), 381f. 85 Vgl. hierzu den oben Anm. 31 genannten Aufsatz von Moeller und die dort zitierte Literatur.

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Mönchen und Nonnen aus einem Kloster 86 oder demonstrativen Heiraten von Klerikern,87 aber ebenso solche, in denen die Lutheranhänger das Opfer von Verfolgungen waren, etwa wenn Prediger aus dem Ort ihrer Tätigkeit verjagt wurden 88 , oder gar Hinrichtungen, Martyrien stattfanden - erstmals geschehen am 1. Juli 1523, als in Brüssel zwei Mönche des Antwerpener Augustinerklosters auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Dieser letztgenannte Vorfall, der mit unserem Sterbebuch (Anm. 1, B) zeitlich fast zusammenfiel, wurde sofort in filnf unterschiedlichen Publikationen mit nicht weniger als dreißig Auflagen bekannt gemacht. 89 An diesem ganzen, umfangreichen Schrifttum 90 ist auffallend weniger die Berichterstattung über die Geschehnisse selbst - dergleichen hatte es auch schon in früherer Zeit gegeben 91 - als vielmehr dies, daß es sich fast durchweg nicht um neutrale Reportagen handelte, sondern um Parteischriften, deren Verfasser in der Regel auf Seiten der neuen Lehre standen und in denen vor allem zweierlei hervortrat - die Konfrontation, oft mit leidenschaftlicher Polemik gegen die Vertreter des Bestehenden,92 und die ausfiihrliche und eindringliche Argumentation. In vielen dieser Schriften wurde der Vorfall, um den es ging, beinahe zur Nebensache gegenüber der Darlegung der Gründe, des guten Rechts, der theologischen Evidenz der reformatorischen Verkündigung. Gerade die dramatischen Geschehnisse, die sie zur Folge hatte, schienen all dies zu erweisen, diese Geschehnisse traten, so könnte man sagen, in den Dienst der neuen Lehre. Entwicklungen, die der Reformation günstig waren, wurden, indem sie publizistisch nachgespielt wurden, gewissermaßen beflügelt, widrige Ereignisse dagegen gewissermaßen korrigiert - gerade dieses Material zeigt, wie sehr der Buchdruck und die gedruckte Literatur in der Reformationszeit die neue Eigenschaft entwickelten, filr den Streit der Meinungen Waffen zur Verfiigung zu stellen und gegebenenfalls den Ohnmächtigen zur Stimme zu verhelfen.

86 Hierzu bereitet A. Rüttgardt in Kiel / Göttingen eine Dissertation vor. Vgl. einstweilen G. Dippie, Antifratemalism and AnticIericalism in the German Reformation, Torquay, Devon 1996. 87 Dazu St. E. Buckwalter, Die Priesterehe in Flugschriften der frühen Reformation, Gütersloh 1998. 88 B. Moeller / K. Stackmann, Städtische Predigt in der Frühzeit der Reformation, Göttingen 1996. 89 Moeller, Inquisition (wie Anm. 55). Die Schriften zu dem Antwerpener Prozeß sind dort S. 46 zusammengestellt. 90 Einige Beobachtungen zum folgenden bei M. Giesecke, Der Buchdruck der frühen Neuzeit, FrankfurtlM. 1991, der jedoch rur die Besonderheit der Vorgänge im Zusammenhang der Reformation nur begrenztes Verständnis aufbringt. 91 Hierzu aufschlußreich V Honemann, Die Stemberger Hostienschändung und ihre Quellen, in: Boockmann, Kirche und Gesellschaft (wie Anm. 31), 75-102. 92 Vgl. die bei Moeller / Stackmann (wie Anm. 88) 301ff. zusammengestellten Zitate aus gedruckten Predigten.

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In diesen Zusammenhang nun gehören die Flugschriften, um die es uns geht. Die Affäre Kastenbauer rückte durch sie wenigstens partiell und zeitweise in die Dimension des öffentlichen Skandals und des Grundsatzstreits. Sie wurde, so könnte man sagen, durch die Unterrichtung der Öffentlichkeit aus ihrer Bahn gebracht. Interessant ist es freilich, auch auf das Fragmentarische und Ungelernte der publizistischen Aktionen, die hierbei abliefen, achtzugeben. Die früheste Veröffentlichung zur Sache ist unser Druck A. 93 Er ist nur mit der Jahreszahl datiert und dürfte im Frühsommer 1523 erschienen sein. Den Inhalt bilden die Artikel des Mühldorfer Verhörs durch Dr. Englmar, mit dem der Ketzerprozeß eröffnet worden war und das wir in den Mai 1523 gesetzt haben. 94 Kastenbauer gibt diese Artikel aus dem Gedächtnis wieder, da ihm der Text nicht ausgehändigt worden sei, und fügt an, was er geantwortet zu haben behauptet. Das Büchlein wirkt recht ungeordnet, die Ebenen der Darstellung wechseln unvermittelt, und es fehlt an jeglicher Einführung oder Erläuterung des Ganzen - beim Leser werden, wie schon auf dem Titelblatt, Grundkenntnisse des Vorfalls vorausgesetzt - außer dem Namen Kastenbauers dessen Gefangenschaft, ferner seine Tätigkeit in Rattenberg sowie die Namen weiterer Lokalitäten. Der Gefangene berichtet in der 1. Person, er unterzeichnet am Schluß: Geben in meiner Eilenden gefenclmus / von mir Steffan Castenpawr ain armer diener aller Christen. 9S Auch in einigen früheren Passagen der Schrift bringt der Verfasser seine unglückliche Situation zur Geltung. Lebhaft wird herausgestellt, daß er geweint habe, seine treue Arbeit in Rattenberg und deren vntrewen Ion in seinem lange gelytnen schweren vnnd sehentliehen gefengknus kontrastierend,96 daß er seine Einsamkeit beklagt, seine anonymen Denunzianten - offenbar Kleriker, die ihr eynkommen bedroht sahen - beschuldigt, schließlich aber sich seiner zachem geschämt habe. An einigen Stellen häuft sich das Wort behertzigen in auffiilliger Weise. 97 Es ist offenkundig, daß die Flugschrift dazu bestimmt ist, die reformatorische Partei durch den Nachweis der Unschuld dieses ihres Protagonisten und der gewalttätigen Willkür ihrer Gegner zu stärken, doch wendet sie sich damit an eine bereits informierte Leserschaft. Der filr die Veröffentlichung Verantwortliche hat die Möglichkeiten, die das Medium des Buchdrucks bietet, durchaus nicht ausgeschöpft. Als diesen Verantwortlichen wird man Wolfgang Ruß anzusprechen haben, den Kleriker aus der etwa zehn Kilometer von Mühldorf entfernten bayerischen

93

Kastenbauer, Artikel (wie Anm. I, A).

95

BI. B 4r .

94 s. o. bei Anm. 58.

96 BI. A 3r • 97 Vor allem BI. A 3r .

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Kleinstadt Neu-Ötting, der in der Folge auch seinen Namen und sein Lebensschicksal mit der Affiire Kastenbauer verbunden hat. Bei ihm98 handelt es sich um einen aus Ulm stammenden, zu jener Zeit wahrscheinlich noch recht jungen Mann, der 1520/21 während seines Erfurter Studiums bereits einmal als "militanter Martinianer" auch publizistisch hervorgetreten war99 und eine weitere reformatorische Flugschrift im Frühjahr 1523 veröffentlicht hatte. 100 Er ist, so hat es den Anschein, durch das in seiner Nachbarschaft sich anbahnende Martyrium aufs stärkste angerührt und zur bekennenden Tat veraniaßt worden. Wir hörten schon, daß er Kastenbauer im Gefiingnis besucht hat - das war also möglich -, ja er hatte dabei offenbar Gelegenheit zu langen Gesprächen mit dem Doktor. Am Ende hat er auch seinen eigenen Abschied aus Bayern mit zwei Flugschriften, unseren Texten C und D, zu einer öffentlichen Affiire erhoben. Da bot er dann eine gewandte Zusammenfassung der evangelischen Lehre in Gestalt seiner letzten, in Neu-Ötting gehaltenen PredigtlOl sowie eine wirkungsvolle Abrechnung mit dem Salzburger Offizial, der ihn zitiert hatte und dem er sich entzog. 102 Ruß' Flucht aus Bayern war, wie schon im ersten Abschnitt dargelegt, eine direkte Folge seines Eintretens für den Mühldorfer Gefangenen. Seine zweite Kastenbauer-Publikation, der Sermon vom Sterben (unser Text B 103), war es, die den eigentlichen Anstoß erregt hatte. Ruß hatte in dieser Schrift, deren Vorrede vom 21 .8. 1523 datiert ist, nunmehr offen seinen Namen genannt l04 und damit die bereits fünf Tage nach dem Druckdatum einberufene, entscheidende Salzburger Ratssitzung provoziert. In den Salzburger Akten heißt es, Ruß habe 98 Über ihn zuletzt Moeller / Stackmann, Städtische Predigt (wie Anm. 88), 145-151 und die dort genannte ältere Literatur. 99 U. Weiß, Die frommen Bürger von Erfurt, Weimar 1988, 120. 100 Ein glitte nutzliehe prelldig I von dem rechtten glitten glauben II auff das Ewangelium I das man II Iißt arn andern sontag in der val/sten Math: xv. gethon durch II Wolffgang Rdß priesliter von Vlm ... 40 . 8 fol., fol. 8b leer. Titelbordüre. [Augsburg: Jörg Nadler] 1523. Vgl. VD 16, R 3843; Köhler, Bibliographie (wie Anm. 1), Nr. 3976. Ein Nachdruck nachgewiesen.- Die Datierung dieser Schrift ist unsicher; nimmt man an, der im Titel genannte Sonntag falle in das Jahr 1523, so wäre die Predigt arn 1. 3. 1523, und dann sicher in Neu-Otting, gehalten worden. Jedoch teilt Ruß in seiner Entschuldigung (wie Anm. 1, D) BI. A 3v mit, die Schrift sei vor aymjar ... gemacht, was auf ein früheres Druck- und Predigt-Datum schließen läßt. 101 Ruß, Sermon (wie Anm. 1, C). Vgl. Moeller / Stackmann (wie Anm. 88), 146ff. Diese It. Vorwort arn 6.9. 1523 gehaltene Predigt ist nach dem Titelblatt zugleich die erste einer Predigtreihe über das Matthäus-Evangelium, die Ruß dann offenbar abbrechen mußte. Auch hier könnte man an Beeinflussung durch Kastenbauer (s. o. bei Anm. 29) denken. 102 Ruß, Entschuldigung (wie Anm. 1, D); Moeller / Stackmann (wie Anm.88), 149ff. Die Vorrede ist wie die des "Sermon" vom 12. 9. 1523 in Ulm datiert. 103 Kastenbauer, Sermon (wie Anm. 1, B). 104 In der Vorrede, BI. A 2'.

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sich nicht nur durch dieses neue Büchlein stratbar gemacht, sondern auch, weil er in Mühldorf in Winckeln und sonderlich bei der Dorfwirtin die lutherische Lehre verbreitet habe; 105 daher sei er nun her zu fieren und nach zimlichen Dingen andern zu ainen Ebenbild zu straJfen. 106 Die harte Reaktion der Salzburger Regierung erweist die höchst politische Funktion dieser Schriften und gibt zu erkennen, eine wie große Macht ein Mann wie Ruß der Übennacht der Gegner entgegenzusetzen vennochte. Diese Schriften waren rur die Regierung unbeherrschbar, unaustilgbar und unbegrenzbar, sie störten die wohldurchdachte rituelle Prozedur des Inquisitionsverfahrens ebenso wie die Versuche seiner stillen Manipulation etwa durch Verzögerung oder Verschleppung. Daß ihre publizistische Wirksamkeit begrenzt blieb - nur zwei dieser vier Schriften lO7 erlebten je einen Nachdruck -, ändert an dieser Feststellung nichts. Zwar waren sie anderswo wenig verständlich und blieben daher auf die Region beschränkt; hier jedoch zwangen sie die Regierenden zum Handeln und limitierten zugleich dessen Reichweite. Daß der Fall Kastenbauer am Ende nicht zum Äußersten ruhrte, dürfte auch eine Wirkung dieser Flugschriften sein.

III. Der Sterbesermon Stefan Kastenbauers, dem wir nun unsere Aufmerksamkeit zuwenden, umfaßt mit dem Titelblatt 13 Druckseiten. Die Schrift beginnt mit einer Widmungsvorrede des Herausgebers Ruß, die an den Ulmer Stadtarzt Dr. Wolfgang Stammier l08 gerichtet ist. Ihm wird der "arme gefangene Doktor", der diesen allen Christen nützlichen, ja notwendigen Text in seinem Mühldorfer Geflingnis abgefaßt habe, zur Fürbitte anempfohlen. 109 Der eigentliche Sermon Hauthaler, Cardinal Matthäus Lang (wie Anm. 49), 332. Ebd. 107 Kastenbauer, Artikel: VD 16, C 1485; Köhler, Bibliographie (wie Anm. 1), Nr. 63 (Augsburg: Jörg Nadler 1523); Ruß, Sermon: VD 16, R 3846; Köhler Nr.3979 (Straßburg: Matth. Schürer Erben 1523). 108 Über ihn G. Geiger, Die Reichsstadt Ulm vor der Reformation, Ulm 1971, 67 Anm. 167. Stammler war ca. 1493 in Ulm geboren, hatte in Tübingen, Ingolstadt und Wittenberg studiert und war in Bologna promoviert worden (frdl. Mitteilungen von Herrn Stadtarchivdirektor Prof. Dr. Hans Eugen Specker, Ulm, vom 27.3.1997). Im November 1530 stimmte er in der Gruppe der Patrizier gegen den Reichstagsabschied (Die Einführung der Reformation in Ulm, hg. v. HE. Specker/G. Weig, Ulm 1981, 369) und wirkte an der 1531 folgenden Ulmer Reformation in verschiedenen Funktionen mit. Vgl. J Endriß, Das Ulmer Reformationsjahr 1531, Ulm 0.0. (1931) 34, 67. Gestorben ist Stammler am 28.6. 1558 (Mitteilung Specker). 109 Kastenbauer, Sermon (wie Anm. I, B) BI. A 2'. 105

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ist auffallend kurz, er umfaßt nur dreieinhalb Druckseiten 110 und ist auch kaum eine Predigt, die in der gegebenen Lage ja gar keinen Ort gehabt hätte, eher ein meditativer Traktat, der mit "wir" beginnt und in der zweiten Hälfte zum "du" fortschreitet. 111 Den größten Teil der Flugschrift, etwa die Hälfte des Ganzen, nehmen 86 sog. schlußreden ein,112 knappe Thesen, in denen es nicht um das individuelle Sterben, sondern um das Leiden Christi geht, die Passion, und um deren rechte Aufnahme und Wirkung - von der literarischen Tradition her gesehen ein "Passionstraktat", freililth in merkwürdiger Form. Auch diese Schrift Kastenbauers ist also durch eine gewisse Kleinteiligkeit gekennzeichnet. Im Titel des Aufsatzes habe ich von "Sterbekunst" geredet und die Schrift damit in einen bedeutenden Traditionszusammenhang hineingestellt. Bekanntlich 113 bildet die "Ars moriendi" in den vielen Verzweigungen und Variationen, die ihr zuteil wurden, eine der wichtigsten Literaturformen des 15. Jahrhunderts, innerhalb der in diesem Zeitalter dominierenden religiösen Literatur vielleicht die verbreitetste. Viele ältere Traditionen kamen in ihr zusammen,114 doch wird die "Ars moriendi" im engeren Sinn in der Forschung ziemlich einhellig auf einen Urtypus zurUckgefiihrt, eine um 1403 entstandene, sowohl lateinisch als auch französisch überlieferte kleine Schrift Jean Gersons,115 die die Kunst des Sterbens über den Priester, den Helfer in der Sterbestunde, vermittelte und damit einen Hinweis auf den Lebenszusammenhang gibt, in dem diese Literaturgattung und ihr literarischer Erfolg ursprünglich beheimatet waren: Leser dürften zunächst die Kleriker und Mönche gewesen sein, die in der Seelsorge tätig waren und denen praktische Anweisungen fiir ihren Dienst am Ende des Mittelalters auch sonst in zunehmendem Maß in literarischer Form zur Verfiigung gestellt wurden. ll6 Allerdings wurden diese von Gerson 110 BI. A 2v _ A 4'. 111 Über die Ambivalenz des Gattungsbegriffs "Sermon" in Flugschriften: Moeller / Stackmann, Städtische Predigt (wie Anm. 88), 228; 232ff.; 254. 112 BI. A 4' - B r. 113 Vgl. zum folgenden: F. Falk, Die deutschen Sterbebüchlein von der ältesten Zeit des Buchdrucks bis zum Jahre 1520, Köln 1890; R. Rudolf, Ars moriendi. Von der Kunst des heilsamen Lebens und Sterbens, Köln usw. 1957; zuletzt, mit reichen weiteren Literaturangaben: N. F. Palmer, Ars moriendi und Totentanz. Zur Verbildlichung des Todes im Spätmittelalter, in: Tod im Mittelalter, hg. v. A. Borst u. a., Konstanz 1993, 313-334. 114 Vgl. die monumentale Abhandlung von P. v. Moos, Consolatio. Studien zur mittellateinischen Trostliteratur über den Tod und zum Problem der christlichen Trauer, 4 Bde. (Münstersche Mittelalter-Schriften 3/1-4), München 1971-72, die jedoch nur bis etwa 1300 reicht. 115 Der lateinische Text: loannis Gersonii Opera omnia I, hg. v. L. Ellies du Pin, Antwerpen 1706,447-450. Die französische Fassung: lean Gerson, Oeuvres complets 7, hg. v. P. Glorieux, Paris usw. 1966,404-407, Nr. 332. 116 Ein anderes Beispiel sind die Beichtsummen, über deren Funktion zuletzt M Ohst, Pflichtbeichte. Untersuchungen zum Bußwesen im Hohen und Späten Mittel-

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eingehaltenen Grenzen der Gattung bald überschritten. Die Sterbekünste wuchsen an, verbreiterten und veränderten ihren Text und erfuhren Übersetzungen - nicht weniger als achtmal ist allein Gersons "Ars moriendi" im 15. Jahrhundert ins Deutsche übersetzt worden. 1I7 Offenkundig wurden in späterer Zeit auch Laien als Leser in den Blick genommen, und damit ließ die Konzentration auf die Anwendung in der Sterbestunde nach oder fiel überhaupt dahin. Freilich blieb diese der Fluchtpunkt aller Gedanken. Ars arcium et scienciarum sciencia est scire bene mori, so konnte man bei Johannes von Kastl lesen. 118 Die Texte spiegelten, was Überzeugung der Menschen war in dieser "Zeit des allgegenwärtigen Todes,,119 - daß das Sterben das Hauptereignis des Lebens sei, weil dieser Moment, der das irdische Leben unerbittlich abschließt, als Entscheidungsstunde galt und als solche weder vorweggenommen noch nachträglich korrigiert werden konnte. In der Literatur über Tod und Sterben im Mittelalter wird oft verkannt oder unterschätzt, daß in diesem Zeitalter der Schrecken des Todes in einem für uns kaum noch nachvollziehbaren Maße potenziert war: Dem Elend der Sterbestunde sollte das wahre Elend ja erst noch folgen, die Existenznot des Fegefeuers, die Existenznot des Endgerichts und möglicherweise die der Hölle, Zeitenräume, in denen nicht bloß die körperlichen Qualen, sondern zumal die der Seele alles irdische Maß überschritten, weil da alles nur noch hingenommen, nichts mehr zum Besseren gewendet oder widerrufen werden konnte. 120 Ein Leitsatz der Sterbe liturgie wie das Vita mutatur, non tollitur mochte, weil er die Endgültigkeit des Todes bestritt, tröstlich sein,121 aber er war auch um nichts weniger bedrohlich. Die Sterbekünste rechneten mit dieser schreckensvollen Zukunftsperspektive der Menschen. Überall ging es, ob in den exhortationes, interrogationes, orationes und observationes Gersons oder der Konfrontation teuflischer Anfechtungen und guter Einsprechungen der Engel in der sog. Bilder_Ars l22 alter, Tübingen 1995, 224ff. in seiner eindringlichen Untersuchung der Summa Angelica berichtet hat. Vgl. auch die Hinweise von F. J Worstbrock, Libri pauperum, in: Der Codex im Gebrauch, hg. v. ehr. Meier u. a., München 1996,41-60, bes. 58f. 117 K. Grubmüller, Geistliche Übersetzungsliteratur im 15. Jahrhundert, in: Boockmann, Kirche und Gesellschaft (wie Anm. 31), 59-74 (69). 118 Rudolf, Ars moriendi (wie Anm. 113),69. 119 Pesch, Theologie des Todes (wie Anm. 136),711. 120 Aus jüngster Zeit: A. M Haas, Todesbilder im Mittelalter, Dannstadt 1989; N. Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, München usw. 1990; A. E. Imhof, Ars moriendi. Die Kunst des Sterbens einst und heute, Wien usw. 1991; Borst (wie Anm. 113); P. Jezler, Himmel Hölle Fegefeuer. Das Jenseits im Mittelalter, Zürich 1994. 121 So Ohler, Sterben und Tod (wie Anm. 120), 49ff. 122 Vgl. dazu Rudolf, Ars moriendi (wie Anm. 113), 69ff.

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oder im "ABC, wie man sich schicken sol / zd einem kostlichen seligen Tod" Geilers von Kaysersberg 123 oder den zahlreichen anderen Schriften ähnlicher Art, in denen Lebende die Sterbenden belehrten, um die "Absicherung des Heilsstandes im Sterben",124 d. h. darum, den transJretantes, den Hinüberschiffenden, möglichst gute Bedingungen ftlr ihr jenseitiges Schicksal zu schaffen und sie vor dem Mißlingen des Sterbens zu bewahren. In dieser ganzen, "massiven,,12s Überlieferung war das Ziel, daß der Sterbende den Einklang mit Gott erreichte und sich bewahrte: damit die Hilfe Gottes und der Engel nicht verspielt wurde. So wurden hierauf die Gedanken und die Hilfsmittel konzentriert, die Kirche und Theologie zur Verfilgung stellten, um die Menschen in der Ausrichtung auf das Heil zu bestärken; gewissermaßen der ganze, machtvolle Apparat der kirchlichen Heilsanstalt konnte bei diesem Anlaß filr den einzelnen Menschen aufgeboten werden. Versucht man in dieser Weise, sich die zentrale, die sozusagen lebenswichtige Bedeutung der "Ars moriendi" am Ende des Mittelalters vor Augen zu stellen, dann wird verständlich, daß diese Literaturgattung auch in der Reformationszeit eine bemerkenswerte Geschichte erlebte. Allerdings zunächst in der Form, daß die reiche und dichte Tradition beim Auftreten Luthers abrupt abriß - nach 1520 ist so gut wie keine "Ars moriendi" der alten Art mehr erschienen; 126 erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erfuhr diese Literatur im Zeichen der Gegenreformation eine gewisse Wiederbelebung. 127 Auch an dieser Stelle ist die Reformation als geschichtlicher Umbruch faßbar. Sterbebücher jedoch gibt es in der reformatorischen Literatur in nicht geringer Anzahl, die spätmittelaiterliche Konjunktur dieses literarischen Themas wurde durch eine reformatorische Konjunktur abgelöst. Zwar steckt die Forschung auf diesem Gebiet noch in den allerersten Anfangen,128 doch steht ein Buch jedem vor Augen, Luthers "Sermon von der Bereitung zum Sterben", erschienen im November 1519 129 und zusammen mit dem einige Monate zuvor 123 A. Hoch, Geilers von Kaysersberg "Ars moriendi" aus dem Jahre 1497, Freiburg LBr. 1901; Rudolf, Ars moriendi (wie Anm. 113), 102ft'. 124 So U. Mennecke-Haustein, Luthers Trostbriefe, Gütersloh 1989,36. 125 So Palmer, Ars moriendi und Totentanz (wie Anm. 113),315. 126 Falk, Die dt. Sterbebüchlein (wie Anm. 113), 59-62; Franz, Huberinus (wie Anm. 133),6; Klein, Bereitung zum Sterben (wie Anm. 128),26. 127 Franz, Huberinus (wie Anm. 133). Nach H. Smolinsky, Friedrich Spee und die geistigen Strömungen seiner Zeit, in: Friedrich Spee als Theologe, hg. v. G. Franz / H. G. Wirtz, Trier 1997, 9-30, bes. 26, wurden die Artes moriendi im 17. Jahrhundert sogar ein "literarischer Renner". 128 Nur eine einzige Arbeit hat sich bisher um eine Sammlung und Würdigung dieses Schriftencorpus bemüht, doch ist sie dabei in den Anfängen steckengeblieben: L. Klein, Bereitung zum Sterben. Studien zu den frühen refonnatorischen Sterbebüchern (Diss. theol. Göttingen 1958). 129 WA 2, 680-697.

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veröffentlichten "Sermon von der Betrachtung des hl. Leidens Christi" 130 eine der meistgelesenen Schriften des Reformators. Beide sind, nachdem sie als Einzeldrucke jeweils sofort über 20 Auflagen erlebt hatten,13\ nach 1523 bzw. 1525 in einen weiteren Bestseller, Luthers Betbüchlein, aufgenommen und da noch einmal in etwa gleicher Anzahl gedruckt worden. 132 Kaum eine andere Schrift des Reformators war bis zu dessen Tod und darüber hinaus in diesem Maß ständig erhältlich und präsent. Zehn Jahre nach Luthers Sermon, 1529, kamen zwei weitere reformatorische Sterbetraktate heraus, die möglicherweise eine noch größere Verbreitung erlebt haben, knappe Texte von zwei Augsburger Geistlichen, Caspar Huberinus und Urban Rhegius, die z. T. zusammen gedruckt wurden und rur die bis in die 1570er Jahre alles in allem beinahe 200 Auflagen nachgewiesen sind. 133 Ferner haben sich eine ganze Reihe anderer Reformatoren, namhafte wie Caspar Güttel, Bugenhagen oder Brenz ebenso wie unbekannte, vorher und nachher in dieser Literaturform versucht - sie hatte innerhalb der reformatorischen Flugschriftenliteratur eigenes Gewicht, das Thema gehörte wohl geradezu, ähnlich wie im 15. Jahrhundert, zum Standardprogramm religiöser Schriftstellerei. 134 Vielleicht ist es nicht zu kühn zu behaupten, gerade an diesen Büchern lasse sich der ganze reformatorische Umbruch ablesen - eine neue Auffassung vom Sterben im Verhältnis zum Leben und zu den ewigen Schicksalen der Menschen und damit eine neue Auffassung von der conditio humana selbst. Die Anknüpfung an die ältere Tradition ist dabei durchaus deutlich; deren Themen blieben in Erinnerung. 135 Jedoch fallt schon in Luthers Sermon l36 auf, daß vom Fegefeuer und vom Jüngsten Gericht direkt gar nicht mehr die Rede ist. Nur in13°WA2,131-142. l3l J. Benzing, Lutherbibliographie, Baden-Baden 1966, 312-335, Nr. 435-456; Ders. / H. C1aus, Lutherbibliographie Bd. 2, Baden-Baden 1994, 43f., Nr. 52-54. 132 Benzing, Lutherbibliographie (wie Anm. 131), 150-154; Benzing / C1aus, Lutherbibliographie Bd. 2 (ebd.), 111-113. 133 G. Franz, Huberinus-Rhegius-Holbein, Nieuwkoop 1973, 214. Der Text der beiden Schriften ist ebd. 227-240 und 241-260 abgedruckt. 134 Franz, Huberinus (wie Anm. 133),8, Anm. 15, vermerkt mit Recht als "auffällig", daß die stark weiterwirkenden unter diesen Schriften alle in dem Zeitraum zwischen 1527 und 1531 entstanden sind. 135 Dies hebt Klein, Bereitung zum Sterben (wie Anm. 128),6 u. Ö. stark hervor. 136 Vgl. zum folgenden drei gewichtige theologische Arbeiten aus neuerer Zeit: 0. H. Peseh, Theologie des Todes bei Martin Luther, in: Im Angesicht des Todes, hg. v. H. Beclcer u. a., St. Ottilien 1987, 709-787; G. Ebeling, Des Todes Tod. Luthers Theologie der Konfrontation mit dem Tode, Zs. fiir Theologie und Kirche 84 (1987) 162-194; Ders., Todesangst und Lebenshoffnung. Ein BriefLuthers. Zs. fiir Theologie und Kirche 88 (1991) 181-210. Beachtenswert auch: W Goez, Luthers "Ein Sermon von der Bereitung zum Sterben" und die spätmittelalterliche ars moriendi, Luther-Jb. 48 (1981) 97114.

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direkt kommen sie ins Blickfeld, wenn Luther den Sterbenden auffordert, seine Gedanken von den Bildern des Todes, der Sünde und der Hölle abzuwenden. 137 Zwar war das auch in der alten "Ars moriendi" ein nicht selten gehörter Rat, der dort jedoch nicht denselben Sinn hatte: Luther geht, wenn er den Sterbenden stattdessen auf das hymelisch bild Christum weist,138 weil deyn tod, deyn sund, deyn hell dyr da ubirwunden und vertilget seien,139 von seinem Leben als Christ aus und läßt ihn mit den Gegebenheiten Ernst machen, die er im Leben erfahren hat. Der Todesstunde im Hinblick auf das menschliche Heil eine besondere Bedeutung zuzuweisen, hat Luther vermieden. Da uns Christus durch alle Anfechtung des Todes hindurch zum Leben vorausgegangen ist, ist der Tod entkräftet; denn Christus ist nichts dan eytell leben 140 - in einer späteren Predigt wird Luther sagen: er ist der todfresser l41 . So ist über unser ewiges Schicksal längst vor und weit oberhalb unserer Todesstunde entschieden; die unermeßliche Bedeutung des Todes Christi hat "die Relativierung des menschlichen Todes" zur Folge. 142 Luther hat von daher gegen die Vorstellung einer "Ars moriendi", als gebe es hier eine Fertigkeit zu erlangen oder eine Leistung zu erbringen, gelegentlich scharf polemisiert. 143 Solche Ideen erschweren das Sterben. An ihm selbst betrachtet, ist der Tod allmächtig, und wir können auf keinerlei Weise seiner Herr werden; wir sind alle in einer gemainen geselschafft des tods begriffen, wie 10hannes Brenz später formulieren wird. 144 Überwunden, "widerlegt" 145 wird diese Allmacht des Todes nur durch den Glauben, der das Evangelium, die Botschaft von der Rettung durch Gott selbst, gelten läßt und sich auf das certum signum, das Siegel, des Sakraments stützt, so daß er dan keck wirt zu sterben. 146 Soll aber niemant sich vorm essen solch dingk auß seynen crefften zu uben. 147 Will man den Umbruch, den die Reformation in der christlichen Auffassung vom Sterben herbeiführte, theologisch zusammenfassen, so wird man Luthers Erkenntnis über die Rechtfertigung hervorheben. Diese ist, wie Pesch bemerkt, WA 2, 688, Z. 23ft'. 138 Ebd. 690, Z. 17f. 139 Ebd. 693, Z. 23f. 140 Ebd. 689, Z. 12. 141 WA 23,713, Z. 16 (Predigt 1527); weitere ähnliche Zitate bei Ebeling, Des Todes Tod (wie Anm. 136), 174. 142 Mennecke-Haustein, Luthers Trostbriefe (wie Anm. 124),53. 143 Etwa WA 41, 699, Z. 13-24 (Predigt 1536), zitiert nach Ebeling, Des Todes Tod (wie Anm. 136) 170, Anm. 31. 144 In seiner Schrift "Die erst sermon von bereyttung zö dem sterben" von 1529, in: Johannes Brenz, Frühschriften 2, hg. v. M. Brecht u. a., Tübingen 1974,67-79: 68, 32f. 145 Pesch, Theologie des Todes (wie Anm. 136), 712. 146 W A 2, 695, Z. 25f. 147 Ebd. 696, Z. 20f. 137

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"von der Wurzel her" Theologie des Todes,148 oder besser noch, mit Ebeling, "Theologie der Konfrontation mit dem Tod".149 Die besondere Faszination der reformatorischen Sterbebücher mag eben hierin gelegen haben, daß diese Erkenntnis, über die Rettung der Menschen sei schon entschieden, und es bedürfe dazu ihrer eigenen Anstrengungen, ihrer Werke, nicht, auf den Sterbetrost angewendet wurde. 150 Hieraus konnte eine elementare Entlastung des Sterbens und damit eine Verwandlung der ganzen Lebensperspektive und Daseinsorientierung folgen. Ein "desangoissement du monde", eine "Entängstigung der Welt" hat der französische Historiker Denis Crouzet Luther zugeschrieben. 151 Dies ist nun auch an den reformatorischen Sterbebüchern, die nicht von Luther stammen, abzulesen und so auch - um endlich zu ihm zurückzukehren - an dem Sterbesermon Kastenbauers. 152 Er ist eine der frühesten evangelischen Schriften dieser Art, außer Luthers Sermon von 1519 möglicherweise überhaupt die früheste. 153 Vieles deutet darauf hin, daß Kastenbauer Luther gelesen hatte, doch übertrifft er diesen in der unbekümmerten Sicherheit, man möchte sagen: in der Leichtigkeit, mit der er der Todesstunde begegnet. Das physische Sterben ist ganz außerhalb des Blickfelds, und auch die geistliche Bewältigung Peseh, Theologie des Todes (wie Anm. 136), 712. Ebeling, Des Todes Tod (wie Anm. 136), 164. ISO SO Klein, Bereitung zum Sterben (wie Anm. 128),3. ISI Vgl. das eindrucksvolle, vorwiegend an französischen Sachverhalten und der französischen Forschungsliteratur orientierte Kapitel "Un systeme de desangoissement" bei D. Crouzet, La genese de la Reforme fran\!aise 1520-1562, Paris 1996, 45-71, dessen Resultate der Verfasser vorab folgendermaßen zusammenfaßt: "On verra successivement comment la religion flamboyante propose aux fideles une apparence de securisation face a la mort, puis comment, en profondeur, s'avere dominante une angoisse devant la mort, et, enfin, comment Luther construit un systeme de reponse acette angoisse, un systeme de destruction radicale" (45). 152 Er ist seinem Inhalt nach, soweit ich sehe, bisher nur von Klein, Bereitung zum Sterben (wie Anm. 128), 58f. knapp gewürdigt worden. 153 Klein, Bereitung zum Sterben (wie Anm. 128), 59f. nennt als noch älteren Titel: Ain Nützliche II Sermon zß allen II Criste mensche I von der rechte II Euangelische meß Ivnd von der beraytung II zß dem Tisch gottes I von dem trost II der sterbenden menschen I vnnd II dancksagung für dz bldt II Jhesu Christi. II Von Johanne Diepold. II zd Vlm. II ... 40 . 6 fol., fol. 6b leer. Titelbordüre. [Augsburg: Heinrich Steiner] 1522. Vgl. VD 16, D 1434; Köhler, Bibliographie (wie Anm. 1), Nr. 719; doch steht in dieser Schrift der Sterbetrost noch nicht im Mittelpunkt, sondern bildet einen Abschnitt für sich (BI. A 4v - BI'). V gl. dazu Chr. Peters, Luthers Einfluß auf die frühreformatorische städtische Predigt. Das Beispiel des Ulmer Kaplans Johann Diepold, in: Luthers Wirkung. Festschrift für M. Brecht, Stuttgart 1992, 111-133, bes. 115ft". - Von 1523 stammt, wie Kastenbauers Sermon, eine anonyme Flugschrift, die Caspar Güttel zuzuschreiben ist: Ein tröstliche Serllmon: weß sich II der Christenmensch hab II am todtbette zß halte? II vnnd was ym wort II Gottes gegründt I II von den sterbenlide ... 12 fol., fol. 12 leer. Titelbordüre; Holzschnitt auf der Titelrückseite. Zwickau: Jörg Gastel 1523. Vgl. VD 16, G 3996; H. Claus, Die Zwickauer Drucke des 16. Jahrhunderts 1, Gotha 1985, 80, Nr. 17. Fehlt bei Köhler. 148

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der Sterbestunde als solcher scheint als Problem gar nicht präsent - fUr die seligen Knechte des Evangeliums (Lk 12,36f), auf die er sich bezieht, ist das Sterben kain sterben. 154 Daß hier gegenüber der vorausgegangenen Zeit ein totaler Wechsel der Anschauungen stattgefunden hat, ist offenkundig. Der Autor spricht von dem verlangen, der begirdt zu sterben, das Sterben ist ain K6stbarlich klayna~ weil es zu dem hinfUhrt, das wir hie geliebt haben - ain über schiilimg vom ee/lend / vnnd an11lJtt in das ewig erblands / vnnd wolleben. 155 Das klingt Mystikertexten des ausgehenden Mittelalters nicht ganz unähnlich, wird aber mit den Kategorien der Rechtfertigungslehre begründet: Nicht unsere Gottähnlichkeit, sondern die Güte, die Gott uns in dem heiligen Leiden Christi zugewendet hat, erweckt unser Verlangen nach ihm, und Befreiung aus den banden aygner lieb / Vnnd begyrd des jlayschs ist der Ertrag. 156 Die überwältigende Erfahrung der göttlichen Heilstat, der gunst gots vnnd der verzygnen sündt, und dazu die neuerlernte Gewißheit des Glaubenswegs überdecken alle realen Widrigkeiten. Wenn der Mensch sich derart ganz "in Gottes Güte ergießt", verliert auch das Endgericht allen Schrecken: Ob er yetzund sech gott an dem geneht stUl sitzen das / er gantz fMlich zzJ Gott trett / in dem verdienst JlJesu Clm"sti 157 Die beste Vorbereitung auf das Sterben ist das Hören der Predigt und leerung Gottes wort. ISS Mit brieffvnd sigel ist uns die Gunst Christi in den Sakramenten Taufe und Abendmahl beglaubigt.ls9 So ist Vertrauen auf die eigenen guten Werke ausgeschlossen, wann alle vnsere werck seind sündt. 160 Der Sermon mündet aus in eine Empfehlung des guten Schächers am Kreuz (Lk. 23,40ft), fast einen Hymnus auf diesen: Er hat geglaubt, seine Sünden eingestanden und sich ganz auf Christus verlassen, und dieser hat ihn zzJiJand (sofort) in sein Reich aufgenommen; der erste, den der Herr ins Paradies einließ, war dieser Mörder - 0 du hayliger schacher wie bist du vnns zu aim exempel vnsers sterbens von gottes gtit geben. 161 Das soll wol m6rcken Bin yeder Sterbender mensch sich auch also (wie der Schächer) gott ellJeben vnd ü6lich den todt annemen. 162 Die biblische Gestalt des guten Schächers erscheint zwar auch sonst in der Sterbe literatur sowohl vor wie nach der Reformation sehr häufig, Kastenbauer, Sermon (wie Anm. 1, B) BI. A 2V • Ebd. 156 Ebd. BI. A 3r . 157 Ebd. 158 Ebd. 159 Ebd. BI. A 4 r • 160 Ebd. BI. A 3V • 161 Ebd. 162 Ebd.

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als eine Leitfigur der religiösen Identitätssuche und Heilshoffnung. 163 Aber derart emphatische Zuwendung hat sie wohl nur selten gefunden. In der 4. der 86 Thesen von der rechten betrachtung des leydens Christi, die auf den Sennon folgen und den zweiten Teil der Flugschrift bilden, erinnert Kastenbauer noch einmal an den Schächer. Der hat das leyden Christi recht lieb, der die wunden Jesu Christi baß befindt (besser, schmerzlicher empfmdet) dann die sein wunden (als seine eigenen Wunden) / wk' der schacher der sprach wir leyden bi/lieh aber der mensch hat kam vbel getIJä. l64 In ganz mittelalterlicher Weise, an immer neuen Motiven ansetzend, umkreisen diese Thesen das Geschehen von Golgatha, das auf die sÜDd mit jrer mdtter der aygne lieb aller Menschen zurückgefilhrt (These 8) und als triumphaler Sieg Christi über den Teufel gedeutet wird (These 20,43 u. ö.). An einigen Stellen klingt Kirchenkritik an: 0 wie seind das so groß lugner die vns geleert haben für die sÜDd gndg tIJon / sy stelen dem leyden Christi sein macht(These 49). Doch herrschen auch hier die Dankbarkeit und gläubige Zuversicht vor: 0 wie groß ist des leydens Christi mechtigkeyt / das es die vnergrifJlichen (unbegreifliche) gerechtigkayt gottes vergleycht vnd genaigt (etwa: sie ausgeglichen und befriedigt) hat (These 46). Die Passion Christi wird eher verherrlicht als beklagt, und daß aus ihr schlechterdings alle Rettung herkommt, ist die Hauptaussage des Textes. Kastenbauers Sterbebüchlein ist, verglichen mit Luther, ein schlichtes Werk, ohne viel liter~rische oder sprachliche Kunst und ohne besonderen theologischen Tiefsinn. Doch fiillt eines an ihm stark ins Auge: Abgesehen von Titelblatt und Vorrede kommt hier das eigene Schicksal des Verfassers nirgends in den Blick. Daß, um es so auszudrücken, in dieser Schrift anders als sonst üblich nicht ein Lebender, sondern ein Sterbender die Sterbenden belehrte, ist zwar von dem Herausgeber Ruß, nicht aber von dem Verfasser herausgehoben. Sensationsbedürfnisse des lesenden Publikums, die möglicherweise durch den Titel geweckt wurden, wurden in der Schrift nicht befriedigt, Leser die darauf setzten, wurden enttäuscht. Nach Lage der Dinge ist das ein fast pathetischer Zug: Der Autor, dieser "evangelische Doktor", wie Ruß ihn mit diesem erst seit wenigen Jahren gebräuchlichen Parteinamen benennt, der doch - das hat Stackmann 165 gezeigt - schon diese ganze Literatur beherrscht, unterstreicht und beglaubigt seine neue Lehre vom Sterben, indem er stillschweigend sich selbst als Exempel fiir die Nichtachtung des realen Todes darbietet. Man kann allerdings 163 Z. B. bei Johann von Paltz, wo sich in der "Himmlischen Fundgrube" von 1490 eine ausfiihrliche Meditation über den Schächer findet, mit der Pointe: Der schecher zu der rechten hand tet als vii als in im was, darum halffe im got (Johannes von Paltz, Werke 3, hg. v. ehr. Burger u. a. Berlin usw. 1989,247, Z. 17f.), ferner bei Geiler von Kaysersberg (Hoch, Geilers von Kaysersberg "Ars moriendi" [wie Anm. 123],27) sowie bei Huberinus und Rhegius (Franz, Huberinus [wie Anm. 133],234,249). 164 Kastenbauer, Sermon (wie Anm. 1, B), BI. A 4't. 165 Moeller / Stackmann, Städtische Predigt (wie Anm. 88), 356f.

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auch schließen, der Verfasser habe diese Sterbekunst letzten Endes für sich selbst geschrieben. Aber wie dem nun auch sein mag: Daß die Salzburger Richter das Buch für gefährlich hielten, das läßt sich jedenfalls verstehen. Wie sollten sie plausibel machen, daß ein Mann, der sich so fromm darstellte, den Feuertod verdiente?

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Das Domkapitel Minden als konfessionell gemischtes Stift Von Heinrich Rüthing Fast jedes Domkapitel im nördlichen Deutschland war einmal konfessionell gemischt, ehe es mehr oder weniger bald ganz evangelisch wurde, zur katholischen Lehre zurückkehrte oder eben für Jahrhunderte gemischt blieb. Wer sich mit konfessionell gemischten kirchlichen Institutionen befaßt - seien es Domkapitel, Kanoniker- oder Kanonissenstifte - nähert sich meistens einem überaus spannenden Thema. Er darf sich auf die Entdeckung von sich ständig wandelnden interessanten Formen des konfessionellen Mit-, Neben- oder Gegeneinanders freuen. Am Ende des Mittelalters unterschied sich das Mindener Domkapitel - was seine soziale Zusammensetzung, seine wirtschaftliche Sicherung, seine administrativen, jurisdiktionellen und liturgischen Aufgaben angeht - im Prinzip nicht von den anderen westililischen Kathedralstiften. Im Laufe der frühen Neuzeit hat die Entwicklung des Domkapitels jedoch allmählich eine ganz andere Richtung genommen als die der Stifte Münster, Paderbom und OsnabrUck. Es ist leicht zu erraten, daß die Gründe dafür in der Glaubensspaltung und in ihren Folgen zu suchen sind. I Die Stadt Minden, die sich 1530 eine Kirchenordnung gegeben hatte, stand seitdem fest im evangelischen Lager. 2 Die Entwicklung auf dem Land ist nicht ganz so einfach zu beschreiben. Doch auch hier war die neue Lehre seit etwa 1550 einigermaßen gefestigt, auch wenn die Geistlichkeit des Mindener Bi-

1 Eine knappe Übersicht über die Geschichte des Mindener Domkapitels liefert H. J. Brandt, Minden - Domstift St. Petrus und Gorgonius, in: Westfälisches Klosterbuch I, hg. v. K. Hengst, Münster 1992, 593-606. Weitaus mehr, als der Titel verspricht, bietet H. Nottarp, Ein Mindener Dompropst des 18. Jahrhunderts, Westfälische Zs. 103/104 (1954) 93-163. Viele wichtige Hinweise auf die Geschichte des Mindener Domkapitels finden sich auch bei J. Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter Preußens, Stuttgart 1924. Die Arbeit von W Dammeyer, Der Grundbesitz des Mindener Domkapitels, Minden 1957, bietet zu den hier anstehenden Fragen nur wenig. 2 Zur Reformation in Minden ausfiihrIich M. Krieg, Die Einfiihrung der Reformation in Minden, Jb. des Vereins fiir Westfälische Kirchengeschichte 43 (1950) 31-108; H. Nordsiek, Glaube und Politik. Beiträge zur Geschichte der Reformation im Fürstbistum Minden, Minden 1985.

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stums erst 1583 offiziell auf die Confessio Augustana verpflichtet wurde. 3 Derjenige, der diese Verpflichtung einforderte, war Bischof Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (1582-85).4 Seine Amtsvorgänger Franz von Waldeck (1531-53), Julius von Braunschweig-WolfenbUttel (1553/54), Georg von Braunschweig-WolfenbUttel (1555-66) und Hermann von Schaumburg (157382) hatten sich vor einer so klaren Entscheidung gescheut. Sie waren Bischöfe oder Administratoren, bei denen das formelle Bekenntnis oft nur schwer festzustellen ist, und wenn es feststellbar ist, kann man daraus noch nicht schließen, daß sie eine zielgerichtete Religionspolitik trieben, die diesem Bekenntnis entsprochen hätte. Das gilt für den evangelischen Heinrich Julius wie für seine Nachfolger. Anton von Schaumburg (1587-99) war nominell Katholik; seinen Taten war das jedoch kaum anzumerken. s Christi an von Braunschweig-Lüneburg (1599-1633) entstammte einer evangelischen Familie, stellte Rom gegenüber aber immer wieder in Aussicht, die katholische Lehre zu stützen und das Tridentinische Glaubensbekenntnis zu akzeptieren; er erließ 1600 sogar ein Edikt, das in seinem Bistum Protestanten und Katholiken gleichstellte; doch faktisch ließ auch er die Zügel schleifen. 6 Erst nach den Erfolgen der Katholiken im Dreißigjährigen Krieg erhielt Minden 1630 mit Franz Wilhelm von Wartenberg einen Bischof, der wußte, was er wollte: nämlich die katholische Lehre mit allen Mitteln wieder zu festigen. Können wir schon bei den Bischöfen nur mit Mühe ausmachen, wie ihre religiösen Einstellungen aussahen, um wie viel schwerer muß es fallen, das Domkapitel mit seinen 24 Herren in seiner konfessionellen Ausrichtung exakt zu beschreiben. Vielleicht hätten vor und nach 1600 viele Domherren, wenn man sie gefragt hätte, ob sie evangelisch oder katholisch seien, keine klare Antwort geben können. 1530 hatte die Stadt Minden das Domkapitel gebeten, sich der reformatorischen Bewegung anzuschließen. Die Herren vom Dom hatten sich jedoch geweigert. 1535 sicherte die Stadt Minden in einem Vertrag dem Domkapitel "die freie und ungehinderte Ausübung des katholischen Kultus im Dom ZU".7 Zumindest zu Anfang saßen im Domkapitel noch Männer, die bereit waren, den alten Glauben mit allen Mitteln zu verteidigen. Der Mindener Chronist Heinrich Piel schreibt zum Jahr 1540: Der tumbdechen (gemeint ist der Domdechant 3 H. Nordsiek, Vom Fürstbistum zum Fürstentum Minden. Verfassungsrechtliche, politische und konfessionelle Veränderungen von 1550 bis 1650, Westfälische Zs. 140 (1990) 251-273, bes. 259f. 4 Zu den Mindener Bischöfen knapp: H. J. Brandt / K. Hengst, Victrix Mindensis ecclesia. Die Mindener Bischöfe und Prälaten des Hohen Doms, Paderborn 1990. 5 Vgl. dazu A. Schräer, Die Kirche in Westfalen im Zeitalter der Erneuerung (15551648), 2 Bde., Münster 1986/87, I, 69-72. 6 Schräer, Die Kirche in Westfalen (wie Anm. 5), H, 33-40. 7 Nordsiek, Vom Fürstbistum zum Fürstentum Minden (wie Anm. 3),253.

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Burchard von Büschen) war wol ein gelerter man, aber der anderen religion sehr heftigen zugedan, und sich vorlobet, er wolte nicht widerumb in die stadt gehen, er wurde den in der ketzer blude bis an die enkel gehen. 8 Wieviele Domherren wären im Jahr 1540 bereit gewesen, mit ihrem Dechanten nicht nur durch dick und dünn zu gehen, sondern auch durch Blut zu waten? Wir wissen es nicht. Vor allem wissen wir nicht, wie sich die konfessionellen Verhältnisse im Domstift in den folgenden Jahrzehnten gestalteten. Hans Nordsiek, der beste Kenner der Mindener Geschichte, formuliert sehr vorsichtig: "Das Domkapitel Minden war vermutlich schon 1550 mit evangelisch gesonnenen Mitgliedern 'durchsetzt' ... ,,9 Und: Das evangelische FÜfstbistum ging "mit einem Landesherrn, der ab 1587 wieder katholisch war, und mit einem als katholisch geltenden Domkapitel in die Jahrhundertwende".l0 Der ersten Formulierung, also der zum Jahr 1550, kann man zustimmen; bei der zweiten ist zu fragen: Wem galt das Domkapitel auf dem Weg "in die Jahrhundertwende" als katholisch? Sahen sich die Domherren selbst als katholisches Kapitel an? War es der Bischof, der so dachte? Sollte die Stadt Minden von der zweifellos gegebenen Katholizität der Domkirche auf den Konfessionsstand der Domherren geschlossen haben? Fragen wir diejenigen, die an der Katholizität des Kapitels das größte Interesse haben mußten. Fragen wir dort nach, wo man schon immer zu wissen meinte, was katholisch sei, und wo man glaubte, bestimmen zu können, wer katholisch sei. Fragen wir die Kurie in Rom und ihre Legaten in Köln. Wenn der Papst offiziell an das Domkapitel schrieb, unterschied er selbstverständlich nicht zwischen katholischen und evangelischen Domherren. 11 Dagegen wurde im internen Schriftverkehr des kurialen Betriebs eine deutliche Sprache gesprochen. Im Jahr 1588, als nach Nordsiek das Kapitel als katholisch "galt", werden in einem an der Kurie überlieferten Schreiben die gegen ihren formal katholischen Bischof Anton von Schaumburg aus politischen Gründen protestierenden Domherren charakterisiert: Conradus ab Assuuede senior, laicus, haereticus eximius. Hyeronimus a Gropendorp, laicus, stabularius, illiteratus ... , publicus haereticus. Ernestus Hoppenkorp ... laicus, aulicus ducis Brunssuuichsensis, haereticus summus. Everhardus a Mallingroth, ... laicus ... aulicus Iulii Brunsuuich, hostis et persecutor est ecc/esiae. 12 Wer die wenigen Zeug8

130.

Heinrich Piel, Chronicon domesticum et gentile, hg. v. M Krieg, Münster 1981,

Nordsiek, Vom Fürstbistum zum Fürstentum Minden (wie Anm. 3),255. Nordsiek, Vom Fürstbistum zum Fürstentum Minden (wie Anm. 3), 260. 11 Vgl. dazu das Schreiben Papst Clemens' VIII. von 1597 an das Mindener Domkapitel: Vatikanische Dokumente zur Geschichte der Reformation und der Katholischen Erneuerung in Westfalen. Die Korrespondenz geistlicher und weltlicher Landesherren Westfalens mit dem Heiligen Stuhl 1547-1683, hg. von A. Schröer, Münster 1993, 231f. 12 B. Roberg, Kuriale Reformbemühungen in Stift und Bistum Minden nach dem 9

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nisse aus dieser Zeit liest, muß mit Burkhard Roberg zu der Überzeugung kommen: "Tatsächlich konnte nur eine Minderheit der Kapitularen als katholisch gelten, während die meisten erklärte Protestanten waren". 13 Genauso hatte es um die Zeit von 1588 der römische Kuriale Minucio Minucci gesehen: Hodie vix ullum catholicae religionis vestigium appareat, quamvis in summa templo adhuc divinum ojicium (!) catholico more peragatur et canonici nonnulli catholicam religionem sequantur. 14 Das Bild, das an der Kurie gezeichnet wird, konnte sich auf Berichte katholischer Mindener Domherren stützen. Anton von Berken, der sein Mindener Kanonikat als Absolvent des Collegium Germanicum in Rom erhalten hatte und damit als dezidiert katholisch gelten kann, formuliert in einem Schreiben: "Soweit wir denn als Katholiken überlebt haben" (Ideoque quotquot hic supersumus catholici ... ).15 Genaue Zahlen zum Verhältnis von Evangelischen und Katholiken im Domkapitel lassen sich für die Jahrzehnte vor und nach 1600 nur schwer ermitteln. Daß "una gran parte de' canonici sono heretici", war in Rom und bei der römischen Nuntiatur in Köln allgemeine Überzeugung. 16 Alois Schröer schreibt zum Jahr 1607: "Nur noch fünf Präbenden des Domkapitels befanden sich im Besitz der Katholiken". 17 Ganz so schlimm mag es für die Altgläubigen nicht gewesen sein. In einem Schreiben von 1610 äußert der Nuntius Antonio Albergati in einem Streit um die Neubesetzung einer Pfründe, es bestehe die Gefahr, daß die Zahl der evangelischen Kanonikate auf sechzehn steige, die der katholischen auf sieben sinke. 18 Die Jahre um 160711610 scheinen für die Katholiken den Tiefpunkt markiert zu haben, ob es nun fünf oder sieben Kanonikate waren, über die sie noch verfügten. Nach dieser Zeit tritt ein deutlicher Umschwung ein, so daß die Nuntien bald mehrfach die Hoffnung äußern, die Katholiken könnten, wenn es im Domkapitel so weitergehe, in absehbarer Zeit wieder einen Bischof ihrer Konfession Trienter Konzil, in: Von Konstanz nach Trient. Beiträge zur Geschichte der Kirche von den Reformkonzilien bis zum Tridentinum. Festgabe rur August Franzen, hg. v. R. Bäumer, München - Paderbom - Wien 1972, 675-694, hier 682, Anm. 36. Der vorzügliche Aufsatz von Roberg bietet viele bisher unbekannte Quellen zur Geschichte des Bistums und des Domkapitels Minden. 13 Roberg, Kuriale Reformbemühungen (wie Anm. 12),682. 14 Roberg, Kuriale Reformbemühungen (wie Anm. 12),682, Anm. 35. 15 Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken. Die Kölner Nuntiatur. Im folgenden werden zitiert die Bände 1 (bearb. von St. Ehses und A. Meister, Paderbom 1895), 2/1 (bearb. von St. Ehses, Paderbom 1899), 5/1/1 (bearb. von W Reinhard, Paderbom 1972),7/1 (bearb. vonJ. Wijnhoven, Paderbom 1980). Hier 1,160. 16 Nuntiaturberichte 5/1/1 (wie Anm. 15), 263. Der Nuntius Ottavio Mirto Frangipani spricht 1590 einfach vom "capitolo eretico" (Nuntiaturberichte 2/1, 492). 17 Schröer, Die Kirche in Westfalen (wie Anm. 5), H, 39. 18 " ... iI numero de' canonici heretici cresciuto insino a sedici, et de' catholici solo sette ... "; Nuntiaturberichte 5/1/1 (wie Anm. 15) 38.

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auf den Mindener Stuhl heben. So weit ist es nicht gekommen; der katholische Bischof, den Minden mit Franz Wilhelm von Wartenberg 1630 noch einmal erhielt, hatte im Domkapitel keine Mehrheit gefunden. 19 Doch zurück zur Entwicklung der Konfessionsverhältnisse im Domkapitel! 1624 sollen dreizehn evangelische Domherren elf katholischen gegenübergestanden haben. Die Katholiken hatten innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten also deutlich gewonnen. Ob die Zahl exakt ist, läßt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Jedenfalls wurden diese Zahlen 1648 unterstellt, als das Jahr 1624 im Westfälischen Frieden als Normaljahr für den künftig geltenden Konfessionsstand als verbindliche Norm gesetzt wurde. 20 Bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts haben die evangelischen Domherren diese Zahl für das Jahr 1624 angezweifelt. 21 Belege konnten sie nicht beibringen. Sie forderten die katholischen Kapitulare immer wieder auf, die Archivalien herauszurücken; diese galten jedoch als verloren. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß die evangelischen Domherren mit ihrer Vermutung Recht hatten, die Zahl ihrer Glaubensbrüder sei 1624, im Normaljahr, höher gewesen als dreizehn; denn die Katholiken befanden sich - was ihre Sitze im Kapitel angeht - auf einem Vormarsch, wie er nach dem Tiefstand von 160711610 nicht mehr erwartet werden konnte. Zu diesem Aufschwung haben "äußere" und "innere" Gründe beigetragen. Der Sieg Tillys bei Stadtlohn über den "tollen" Christian von Halberstadt (1623) verbesserte die Lage der Katholiken in der Region. 1625 wurde Minden sogar von kaiserlichen Truppen besetzt. Die "katholischen Mitglieder des Domkapitels [benutzten] die Gelegenheit, um ihre Position zu stärken".22 Die Chancen der Katholiken wuchsen dann vor allem 1629 durch das sie begünstigende Restitutionsedikt weiter. Der Restitutionskommissar rur den Norden, der agile Osnabrücker Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg, konnte 1629 schreiben: Das decretum Caesaris generale ist tandem heut 8 tag alMe auf den cantzlen abgelesen und publicirt worden, darauff catholici canonici den andern andeiten lassen, weiln 1. Mt. bevelch also laute, so mochten sie sich inkonfftig 19 s. dazu unten S. 747.

Über die konfessionelle Zusammensetzung des Domkapitels im Jahr 1624 liegen keine zeitnahen Daten vor. Daher schwanken in der Literatur die Angaben. Das von Schröer, Die Kirche in Westfalen (wie Anm. 5), II, 532, Anm. 20 konstatierte Verhältnis von 11 Katholiken zu 7 Evangelischen findet in späteren Quellen keine solide Stütze. Die Angaben von Nottarp, Ein Mindener Dompropst (wie Anm. 1),98, daß die Evangelischen 13 und die Katholiken 11 Stellen innehatten, läßt sich gut mit den Veränderungen vereinbaren, die nach 1648 im Kapitel vorgenommen wurden und sich gut rekonstruieren lassen; vgl. dazu die detaillierte und ertragreiche prosopographische Untersuchung von W. C. Schrader, The Cathedral Chapter at Minden and its Members, 16501803, Westfälische Zs. 139 (1989) 83-122. 21 Vgl. dazu die unterschiedlichen Positionen, die Protestanten und Katholiken 1687 vertraten: Staatsarchiv (im folgenden: StA) Münster, Fürstentum Minden, Urk. 594. 22 Schröer, Die Kirche in Westfalen (wie Anm. 5), II, 40. 20

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der kirchen und capitul enthalten. Die catholische seint jetz alhie alle in loco beisammen, halten starck capitul, kan aber noch nicht penetrieren. 23 Genaue Zahlen über das Verhältnis von Protestanten und Katholiken werden in diesem Brief des Restitutionskommissars, der ein Jahr später Bischof von Minden wurde, nicht genannt. Doch die Tendenz der Entwicklung ist deutlich. Die Katholiken gewannen in diesen Jahren die Oberhand. Auffallend ist, daß diese Entwicklung auch anhielt, als Minden 1634 von den evangelischen Schweden und Braunschweigern besetzt wurde. Die Zahlen des Jahres 1650 sind überraschend: Im Mindener Domkapitel saßen jetzt - sage und schreibe - zwanzig Katholiken und vier evangelische Herren. 24 Die Katholiken hätten jetzt jede Bischofswahl souverän gewinnen können. Doch Bischofswahlen gab es seit 1648 nicht mehr, als das alte westfalische Bistum im Frieden von Münster und Osnabrück seine Selbständigkeit verlor und als weltliches Fürstentum an Branden burg kam. Wie ist das Erstarken der Katholiken zwischen 1607/10 (ftinf oder sieben Sitze im Domkapitel) und 1650 (zwanzig Sitze) zu erklären? Die äußeren Gründe (Tillys Sieg 1623, die Besetzung Mindens durch kaiserliche Truppen 1625 und das Restitutionsedikt von 1629) reichen zur Erklärung nicht aus. Der Prozeß jener Entwicklung, die Heinz Schilling als "Höhepunkt der Konfessionalisierung" (1580-1620/25) bezeichnet hat,25 hinterläßt jetzt auch in Minden seine Spuren. Inhaltlich hat das Ernst Walter Zeeden so beschrieben. Es ist ein Prozeß "der geistigen und organisatorischen Verfestigung der seit der Glaubensspaltung auseinanderstrebenden christlichen Bekenntnisse zu einem halbwegs stabilen Kirchentum nach Dogma, Verfassung und religiös-sittlicher Lebensform".26 Die Domherren wurden sich ihrer konfessionellen Identität jetzt voll bewußt. Sie handelten stärker denn zuvor als Katholiken oder Protestanten. Seit etwa 1610 ist in Minden ein konfessionell geprägter Kampf, um die Plätze im Domkapitel, um ein stal/um in choro, erkennbar. Die kurialen Quellen lassen daran keinen Zweifel. Daß die Katholiken dabei so erfolgreich waren, mag auch auf Glücksfällen beruht haben. Denn noch immer war das alte System gültig, daß in den ungeraden Monaten, d. h. wenn eine Domherrenstelle im Januar, März, Mai usw. vakant wurde, dem Papst das Recht zur Wiederbe23 Politische Correspondenz des Grafen Franz Wilhelm von Wartenberg, Bischofs von Osnabrück, aus den Jahren 1621-1631, hg. v. H. Forst, Stuttgart 1897, 353. 24 Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt mit guten Gründen Schrader, The Cathedral Chapter (wie Anm. 20), 83. Einschränkend ist hinzuzufügen, daß bei einem als katholisch gezählten Domherrn die Konfessionszugehörigkeit unsicher ist. Unzureichend sind die Zusammenstellungen von P. Hersehe, Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, 3 Bde., Bem 1984, hier I, 204fT. 25 H. Schilling, Die Konfessionalisierung im Reich. Religiöser und gesellschaftlicher Wandel in Deutschland zwischen 1555 und 1620, HZ 246 (1988) 1-45, hier 24. 26 E. W Zeeden, Die Entstehung der Konfessionen. Grundlagen und Formen der Konfessionsbildung im Zeitalter der Glaubenskämpfe, München - Wien 1965, 9f.

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setzung zufiel. In den geraden Monaten lag das Recht beim Turnarius des Kapitels. 27 Es ist noch nicht untersucht worden, wenn es sich denn überhaupt genau untersuchen läßt, wie viele Vakanzen in die päpstlichen Monate fielen; Provisionsschreiben aus Rom sind nur vereinzelt überliefert;28 aber das Ergebnis, das 1650 erreicht war, kennen wir: Im Mindener Domkapitel saßen zwanzig Katholiken und nur vier Evangelische. Die Katholiken waren in Minden dennoch recht einsam. In Stadt und Land gab es außer den Domherren kaum Glaubensbrüder. Die Zahl der katholischen Laien tendierte gegen null. Lediglich andere Kanoniker gehörten ihrer Konfession an: Im Chor der Johanniskirche waren die Katholiken stark vertreten; das Kollegiatstift St. Martini war konfessionell gemischt. Die Domkapitulare waren nicht die einzigen Geistlichen, die an der Hauptkirche der Stadt tätig und bepfründet waren. Den Domherren zur Seite stand eine mindestens ebenso große Zahl von niederen Geistlichen, Vikaren, Altaristen und Inhabern von Commenden, die ihnen einen großen Teil ihrer liturgischen Pflichten, vor allem die zahlreichen Gedenkgottesdienste, abnahmen. Über die konfessionellen Verhältnisse im Gremium dieses clerus secundarius wissen wir wenig. 1575 sollen am Mindener Dom 48 Vikare und acht Altaristen bepfründet gewesen sein. 29 Im Normaljahr 1624 war der überwiegende Teil der Vikare wohl katholisch. 30 Ob sich die weitere Entwicklung im clerus secundarius bis 1650 tUr die Katholiken ebenso günstig gestaltete wie im Domkapitel, ist unbekannt. Bisher war nur davon die Rede, wie die konfessionelle Lage im Domkapitel in der Literatur und vor allem von Zeitgenossen gesehen wird. Man könnte ja auch versuchen, über die für uns faßbaren Aktionen der Domherren auf ihre konfessionelle Orientierung zu schließen. Das ist außerordentlich schwer, weil die politischen Zielsetzungen die religiösen meist überlagern. Schließlich bildeten die Domherren keine demütig-fromme Klostergemeinschaft, sondern sie waren im Bistum eine politische Macht mit eigenen Interessen. Der römischen Kurie wird 1589 berichtet, es gäbe Kapitulare, die unter Ausschluß der Katho27 Ein unter den Domherren wechselndes Amt, dessen Inhabern in den nicht-päpstlichen Monaten die Besetzung einer vakanten Stelle oblag. 28 Die letzte mir bekannte päpstliche Provision datiert aus dem Jahr 1633; StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 37 a. Es spricht vieles dafilr, daß die Wiederbesetzung der Stellen, die in den päpstlichen Monaten vakant wurden, oft nicht mehr in Rom erfolgte, sondern vor Ort im Einvernehmen der katholischen Kapitulare mit dem Nuntius in Köln. So Schräer, Die Kirche in Westfalen (wie Anm. 5),11,40. Vgl. auch Nuntiaturberichte 7/1 (wie Anm. 15), 353ff. 29 Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter (wie Anm. 1), 199, Anm. 3. 30 Zeitgenössische Zeugnisse fehlen. Eine Liste des 18. Jahrhunderts nennt filr das Jahr 162422 Vikare, von denen II der katholischen und 7 der evangelischen Seite zugezählt werden können; StA Münster, Regierung Minden-Ravensberg, Akten 1197, fol. 56rff.

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liken die ganze Macht im Kapitel an sich reißen wollten (capitulares, qui exclusis catholicis canonicis temerario ausu capituli plenarii potestatem sibi asscribunti l • Es waren aber eben diese evangelischen Domherren, die den nominell katholischen Bischof Anton von Schaumburg aufforderten, seine Räte zu entlassen, weil sie keine Katholiken seien, sondern Landfremde und ohne Anhörung des Domkapitels eingesetzt. 32 Den evangelischen Kapitularen ging es nicht darum, katholische Räte ins Land zu holen, sondern den Bischof auf die Wahlkapitulation zu verpflichten, die dem Kapitel bedeutende Rechte einräumte. Auch die katholischen Domherren haben Entscheidungen getroffen, die setzt man allein ein eng konfessionell geprägtes Handeln voraus - schwer verständlich sind. Als die Kurie 1630 Franz Wilhelm von Wartenberg - einen Gegenreformator, wie man sich ihn aktiver kaum vorstellen kann, der willens war, Minden zu rekatholisieren - für den Mindener Bischofsstuhl providierte, folgte das inzwischen überwiegend katholische Kapitel überraschenderweise Rom nicht, sondern versuchte, einen eigenen Kandidaten durchzusetzen. 33 Die Domherren wollten einfach ihr wichtigstes Recht, das der Bischofswahl, wahren. Wie immer die Domherren sich bekenntnismäßig verstanden haben mögen, in ihrem Handeln sind politische und konfessionelle Motive in einer oft nur schwer aufzulösenden Weise ineinander verwoben. Wie sich das religiöse und liturgische Leben vor 1650 im konfessionell gemischten Domstift gestaltete, darüber ist in Quellen und Literatur wenig zu finden. Statuten sind aus dieser Zeit nicht überliefert. Hermann Nottarp formuliert: "Im Mindener Dom wurde der katholische Chordienst vom evangelischen Dechanten geleitet und die evangelischen Kapitulare nahmen einträchtig mit den katholischen an den Messen und Prozessionen teil ... ; erst 1687 wurde hiervon abgesehen ... ".34 Man kann bezweifeln, ob diese Beschreibung Nottarps, des besten Kenners der Geschichte des Mindener Domkapitels, richtig ist; sie beruht lediglich auf Rückschlüssen; direkte Zeugnisse gibt es nicht. Sicher: Der Dom - zugleich einzige katholische Pfarrkirche Mindens - war das Gotteshaus des ganzen Kapitels. Und daß die evangelischen Kapitulare den Dom noch lange liturgisch nutzten, geht aus dem oben zitierten Schreiben des Restitutionskommissars Franz Wilhelm von Wartenberg hervor: ... darauf! catholici canonici den andern andeiten lassen, weiln 1. Mt. bevelch also laute, so mochRoberg, Kuriale Reformbemühungen (wie Anm. 12),686, Anm. 57. So Roberg, Kuriale Reformbemühungen (wie Anm. 12), 686. M.W. ist dieses Problem in der Mindener Literatur bisher kaum diskutiert worden. Die Aktenfunde Robergs werfen ein neues Licht auf das Verhältnis des Bischofs zu seinem Domkapitel. Vgl. auch W. Schräder, Chronik der Stadt Minden, Minden 1883, 528f. 33 Vgl. Schräer, Die Kirche in Westfalen (wie Anm. 5), 11, 42f. 34 Nottarp, Ein Mindener Dompropst (wie Anm. I), 107. 31

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ten sie sich inkonfftig der kirchen und capitul enthalten ... 35 Die Katholiken, auf dem Vonnarsch begriffen, brachen hier also eine eventuell noch vorhandene liturgische Gemeinschaft ab. Man muß betonen: eine eventuell noch vorhandene liturgische Gemeinschaft, weil gar nicht sicher ist, ob die Domherren überhaupt noch den Chordienst versahen oder ob sie ihn schon - wie bald darauf sicher belegt - ganz dem c/erus secundarius überließen.

1648 wurde das Bistum Minden aufgehoben und kam als Fürstentum an Brandenburg. 36 Minden galt als Entschädigung filr das dem Großen Kurfürsten entgangene Vorpommem. Friedrich Wilhelm machte bei seinem ersten Besuch in Minden keinen Hehl daraus, daß ihm diese im Westfälischen Frieden getroffene Regelung wehtat. Das Bistum Minden wurde 1648 aufgehoben, nicht aber das Domkapitel, filr dessen Fortbestand und konfessionelle Ausrichtung im "Instrumenturn Pacis Osnabrugense" genaue Regelungen getroffen worden waren. Das Kapitel wurde jedoch verkleinert. Der Kurfürst erhielt das Recht, ein Viertel aller Stellen einzuziehen und die Einkünfte der "mensa episcopalis" - also jetzt der "mensa principalis" - zuzuschlagen. Dabei durfte der neue refonnierte Landesherr jedoch nur auf Stellen zurückgreifen, die filr evangelische Domherren vorgesehen waren. 37 Für den Konfessionsstand sollte das Nonnaljahr 1624 maßgebend sein. In Minden nahm man filr 1624 an, im Kapitel seien dreizehn Evangelische und elf Katholiken bepfründet gewesen. Damit ergab sich filr die Zukunft folgende Regelung: Von den dreizehn evangelischen Stellen (daß sie aktuell 1648/50 noch von Katholiken besetzt waren, soll bei dieser Rechnung außer acht bleiben) wurden sechs (= ein Viertel von 24) eingezogen. Damit war wieder eine katholische Mehrheit gegeben, auch wenn sie in Zukunft nicht mehr so groß sein würde, wie sie 1648/50 faktisch war. Das Verhältnis sollte also elf zu sieben zugunsten der Katholiken sein. Weiterhin gestattete der Kurfilrst, daß die Katholiken zwei Stellen und die Evangelischen eine Stelle aufheben könnten, um aus deren Erträgen die übrigen Pfründen aufzustocken. 38 Von diesem Angebot machten beide Parteien Gebrauch. Damit gab es nur noch insgesamt fUnfzehn Kapitelsitze: neun katholische und sechs evangelische. Hiennit war die Entwicklung aber noch nicht abgeschlossen; denn die Zahl der KapitelsteIlen wurde durch drei Familienstiftungen wieder aufgestockt. 1665 und 1677 stiftete der münsterische Bischof Christoph Bernhard von Galen aus eigenen Mitteln zwei neue Präbenden, die selbstverständlich

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3).

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Politische Correspondenz (wie Anm. 23), 353. Dazu ausfiihrIich Nordsiek, Vom Fürstbistum zum Fürstentum Minden (wie Anm.

37 Instrurnenturn Pacis Osnabrugense Art. XI § 1: ... liceatque quartam partem canonicatuum ... decedentibus successu temporis modernis eorum possessoribus Augustanae Confessioni addictis. extinguere eorumque reditus mensae episcopali incorporare. 38 Nottarp, Ein Mindener Dompropst (wie Anm. 1),99.

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Katholiken vorbehalten blieben. 39 Ihm folgte die Familie von dem Bussche, die 1689 eine evangelische DomherrensteIle stiftete. Damit war die Zahl achtzehn wieder erreicht: Die Katholiken dominierten über die Protestanten mit 11:7. Dabei blieb es bis zur Aufhebung des Mindener Domkapitels im Jahr 1810. Es dauerte nach 1648/50 noch einige Jahrzehnte, bis sich die Regelung von 1l:7 eingespielt hatte, denn zunächst mußten - ehe dieser Schlüssel durchgesetzt werden konnte - der Tod oder die Resignation vieler Katholiken abgewartet werden; schließlich hatten diese 1650 noch zwanzig Stellen inne. 40 Für die Dignitäten wurden besondere Regelungen getroffen: Der Propst sollte immer ein Katholik, der Dechant immer ein Protestant sein; denn so war es im Normaljahr 1624 gewesen. - Seit 1648/50 war das Mindener Domstift ein gemischtes Stift, in dem das Verhältnis der Konfessionen zueinander rechtlich geregelt war. Wie bei fast allen gemischten Stiften war die Fixierung des Konfessionsstandes nicht durch ein Übereinkommen zwischen den Stiftsmitgliedern zustandegekommen, sondern sie war vom Landesherrn nach den Vorgaben des Reichsrechts dekretiert worden. Die im Westflilischen Frieden getroffenen Entscheidungen bedeuteten fiir das Mindener Domkapitel in vielem eine Minderung seiner bisherigen Stellung. Es behielt zwar seinen Charakter als Korporation und verlor außer dem Viertel, das der brandenburgische Kurfiirst 1650 einzog, seinen Besitz nicht. Doch die Einbußen an politischer Macht waren beträchtlich. Denn die Domherren besaßen ja bis dahin als wichtigstes Recht die Befugnis zur Bischofswahl. Bei einem weltlichen Landesherrn war dieses Recht obsolet geworden. Damit entfiel auch die Möglichkeit, durch Wahlkapitulationen den Einfluß im Bistum zu steigern. Ebenso entfiel das Regierungsrecht während der Sedisvakanzen; in einem erblichen Fürstentum gab es keine Sedisvakanzen mehr. Im Bereich der geistlichen Jurisdiktion, an der ein Domkapitel ja auch Anteil hatte, liegen die Dinge komplizierter. Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg hat bis zu seinem Tode 1661 die Anspruche auf den Mindener Bischofsstuhl nicht aufgegeben. Doch sein Anspruch hatte vor Ort in Minden keine Bedeutung und wurde vor allem vom Kurfiirsten, dem neuen Landesherrn, nicht anerkannt. Friedrich Wilhelm übertrug deshalb im sog. Homagialrezeß von 1650 dem Domkapitel die Inspectio. Visitatio. Examinatio. Ordinatio et Introductio ... über die geistliche Persohnen. 41 Das hätte einen erheblichen Machtzuwachs bedeutet, wenn Stadt und Land katholisch gewesen wären. Dort gab es aber kaum einen Katholiken, so daß sich die neuen Rechte des Kapitels nur auf die 39

Nottarp, Ein Mindener Dompropst (wie Anm. 1),99.

Der komplizierte Umsetzungsprozeß ist dokumentiert bei Schrader, The Cathedral Chapter (wie Anm. 20), 83ff. 41 Der Homagialrezeß ist gedruckt bei E. A. F. Culemann, Sammlung derer vornehmsten Landes-Verträge des Fürstenthums Minden, Minden 1748, 227-246, hier 231. 40

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eigene Korporation, ihren c/erus secundarius und eventuell noch auf die beiden anderen Mindener Stifte St. Johannis und St. Martini bezogen. Die römische Kurie und ihr Nuntius in Köln sahen die Probleme der geistlichen Jurisdiktion zwar ganz anders, aber das spielte in der Mindener Praxis keine Rolle. Wie sah es im konfessionell gemischten Domstift Minden zwischen dem Westfälischen Frieden (1648) und der Auflösung des Kapitels (1810) aus? Vor allem: Wie gestaltete sich das konkrete Verhältnis zwischen den Angehörigen der beiden Konfessionen? Leider fehlen für die meisten hier interessierenden Fragen die Quellen. Die aus dem Jahr 1713 erhaltenen Statuten sind wenig aussagekräftig;42 sie handeln vor allem von der Aufnahme ins Kapitel, der Aufschwörung und der Emanzipation, den Eiden, der Residenzpflicht, den Gnadenjahren, der Pfründenverteilung usw. Konfessionelle Fragen und liturgische Regelungen haben in den Statuten von 1713 praktisch keinen Niederschlag gefunden. Das gleiche gilt für die massenhaft überlieferten Akten. Sie beschäftigen sich fast ausschließlich mit ökonomischen, rechtlichen und politischen Problemen. Die Verwaltung des Domstifts ist blendend dokumentiert; zu religiösen und gottesdienstlichen Fragen finden sich kaum Zeugnisse. Die wenigen Relikte sollen gleich vorgestellt werden; doch zunächst ein kurzer Blick auf die Zusammensetzung des Domkapitels nach 1648/50. 43 Seit 1650 stand die Besetzung der Stellen, die in den alten päpstlichen Monaten vakant wurden, dem neuen Landesherrn zu. Für die anderen Monate hatte der Turnarius - ein Amt, das wechselte - das Vorschlagsrecht. 44 Beide, der Landesherr und der Turnarius, waren allerdings an den Konfessionsschlüssel gebunden. Geht man die von William C. Schrader veröffentlichte Liste der Domherren durch, so fällt auf, daß bei beiden Konfessionen der stiftsfiihige Adel aus Westfalen und Niedersachsen deutlich überwiegt. Zumal bei den Evangelischen sind es die gleichen Familiennamen, die immer wieder auftauchen. Lediglich bei den Katholiken weitet sich gegen Ende der Stiftszeit der Rekrutierungsraum; auch rheinische Adlige nehmen ein sIal/um in choro Mindensi ein. 45 Die meisten von ihnen dürften ihren Dom allerdings nur ganz selten gesehen haben. 46 Unter den katholischen Kapitularen war praktisch kaum einer, der nicht anderswo weitere DomherrensteIlen innehatte, die ihm wichtiDie Statuten von 1713: StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 4. V gl. dazu die detaillierte Zusammenstellung von Schrader, The Cathedral Chapter (wie Anm. 20). 44 Schon bald wechselten sich der Landesherr und das Domkapitel, vertreten durch den Turnarius, in der Auswahl der neuen Mitglieder ab, ohne auf den Monat zu achten, in den die Vakanz fiel. 45 Als Beispiele seien genannt: Hugo Franz Karl von Eltz (1736) und Adolf Franz Wolfgang Eckenbert von Dalberg (1751). 46 Einige Kapitulare sind sogar nie im Mindener Chor gewesen; StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 335. 42 43

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ger waren. Die katholischen Domherren waren in Minden kaum präsent; sie sind zwar vollberechtigte Mitglieder der Korporation, doch vor Ort präsentiert sich das überwiegend katholische Domstift als evangelisches Kapitel; denn die Protestanten nahmen ihre Residenzpflicht, von der die Katholiken weitgehend entbunden waren, ernster. Die evangelischen Kapitulare waren zudem bodenständiger. Für Minden trifft nämlich nicht in gleichem Maße zu, was bei anderen evangelischen oder gemischten Stiften zu beobachten ist. Die Kanonikate von St. Marien in Bielefeld oder von St. Johann und Dionys in Herford verlieh der Landesherr oft an seine Beamten und Militärs, die in Landschaften weitab von der Stiftskirche ihren Lebensmittelpunkt hatten; für sie war die Pfründe wirklich nur eine Einnahmequelle. Für Minden verlieh der Landesherr, der Kurfürst von Brandenburg und später der König von Preußen, an diejenigen, denen er sich erkenntlich zeigen wollte, nur Exspektanzen. Das heißt, er gab ihnen ein Anrecht auf die Stelle, das die Begünstigten aber nicht wahrnahmen. Von ihnen wurde vielmehr erwartet - und das war dann auch meistens der Fall -, daß sie ihr Anrecht auf eine Pfründe später an einen ordentlichen Bewerber verkauften. Das bekannteste Beispiel ist der Großkanzler Friedrichs des Großen, Samuel von Cocceji. Ihm verlieh der König 1751 die Anwartschaft auf die Dompropstei mit folgenden Worten: So habe Ich Euch zu einiger Bezeugung meiner Erkenntlichkeit die Propstey Stelle bei dem Mindeschen Dohm Stiffte dergestallt conferiren wollen, daß, wenn solche über kurz oder lang durch Absterben des jetzigen Dohm Probstes sich erledigen wird, Ihr alsdann von selbiger Stelle sonder weitere Um- noch Rückfragen dergestalt zu disponiren haben sollet, daß Ihr dieselbige an Jemanden, wen Ihr wollet, der sonsten nur die Statutenmäßige Eigenschaften, um solche Stelle zu besitzen, hat, gegen ein beträchtliches Honorarium überlassen möget: als welchem ich aldann jedesmal meine Approbation und Confirmation erteilen werde. 47 Das "Honorarium" filr den Verkauf einer solchen Anwartschaft konnte wirklich "beträchtlich" sein; zwei Jahrzehnte später wurde die Propstei für 16.000 Reichstaler gehandelt. 48 Überhaupt mußte für den Erwerb einer Pfründe oft ein erheblicher Aufwand getrieben werden. Als sich der rheinische Adlige Hugo Franz Karl von Eltz 1734 um die Stelle des Dompropstes in Minden bewarb, schickte sein Onkel, der Erzbischof und Kurfilrst von Mainz, Friedrich Wilhelm dem I. in richtiger Einschätzung des Soldatenkönigs drei lange Kerls nach Potsdam. 49 47 Nottarp, Ein Mindener Dompropst (wie Anm. I), 160. Solche Exspektanzen wurden vom König immer wieder vergeben, vor allem an hohe Offiziere. Vgl. dazu: StA Münster, Regierung Minden-Ravensberg, Akten 1168. 48 Nottarp, Ein Mindener Dompropst (wie Anm. I), 155f. 49 Nottarp, Ein Mindener Dompropst (wie Anm. I), 139.

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Es kann nicht oft genug betont werden: Das mehrheitlich katholische Kapitel war vor Ort evangelisch geprägt. Der Apostolische Vikar der Nordischen Missionen, der Italiener Steffani, sah das gar nicht gern. 1716 schrieb er nach Rom: "li Cattolici ... sono quasi sempre assenti"; "i Lutterani ... sono sempre presenti" .50 Wenn man das Mindener Domstift - wie das bei Stiften oft der Fall ist - als Versorgungsstätte rur die Stelleninhaber charakterisiert, so muß man rur die katholischen Kapitulare verschärfend hinzurugen: Für sie war ein Sitz im Mindener Chor nur eine Einkunftsquelle neben vielen anderen. Von den katholischen Domherren konnten keine Impulse ausgehen, die das religiöse und liturgische Leben im Stift entscheidend beeinflußt hätten. Die Stiftung einer Altarleuchte oder einer Kanzel, wie sie Christoph Bernhard von Galen errichten ließ, waren nur eine bescheidene Gegengabe rur die reichen Ressourcen, auf die sie in Minden trotz ihrer Absenz zurückgreifen konnten. Obwohl katholische und evangelische Kapitulare, die sich in höflichen Briefen als confratres bezeichneten, einander kaum sahen, war das Verhältnis zwischen ihnen nicht spannungsfrei. Das gilt besonders rur die Zeit des großen Umbaus im Kapitel nach 1648/50. Von diesen Spannungen legt eine Urkunde von 1687 Zeugnis ab, mit der der Große Kurrurst über 30 Streitpunkte zwischen Protestanten und Katholiken im Kapitel schlichtete. 51 Danach haben die evangelischen Kapitulare versucht, den Verlust ihrer Mehrheit, über die sie ja im Nonnaljahr 1624 noch verfügten, rückgängig zu machen. Dabei geben sie jedoch nicht ihrem Landesherrn, der ja 1650 sechs der ihnen zustehenden Pfründen kassiert hatte, die Schuld daran, daß sie in die Minderheit geraten waren, sondern es wird immer wieder insinuiert, die rur das Nonnaljahr angenommenen Zahlen stimmten nicht; die Katholiken sollten ihre Archive öffnen, damit Klarheit geschaffen werden könne. Die Bemühungen der evangelischen Domherren um die Wiederherstellung eines - wie es heißt - rechtmäßigen numerus der ihnen zustehenden Stellen blieben erfolglos. 52 Andere Kontroversen sind für eine Darstellung des Verhältnisses zwischen den im Stift vertretenen Konfessionen wichtiger, etwa wenn es um die Frage geht, ob die evangelici schuldig, die inter Catholicos per statutum ... hergebrachte prim am tonsuram zu adhibiren ... 53 Hinter diesem Problem verbirgt sich die Frage, ob die evangelischen Domherren in den Klerikerstand im Sinne des katholischen Kirchenrechts eintreten müssen; denn die Tonsur macht den Kleriker. Die Lösung, die gefunden wurde, lautet: Gegen eine an das Kapitel zu zahlende Gebühr können sich die Evangelischen von der Tonsur freikaufen. Sie bleiben damit nach katholischem Kirchenrecht Laien. 50

51

52 53

Zitiert nach Nottarp, Ein Mindener Dompropst (wie Anm. I), 109. StA Münster, Fürstentum Minden, Urk. 594; danach das folgende. Vgl. dazu u.a. die Streitpunkte 1-3,6, 10, 12. Streitpunkt 16.

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Die Frage ist überhaupt, wieweit die Evangelischen den geltenden, wohl noch ganz katholisch geprägten Statuten folgen müssen; Statuten, über die wir leider nichts aussagen können, weil sie wohl verloren sind. Einige wichtige Streitpunkte des Jahres 1687 seien hervorgehoben: Ob die Evangelischen der Catholicorum Kirchen-Ceremonien, processionibus und Messen mit beizuwohnen verpflichtet seien. 54 Die Katholiken wollen, daß die alten Regelungen gelten. Ob sie damit jedoch als erstes eine liturgische communicatio in sacris anstrebten, erscheint fraglich. Die Angelegenheit hatte auch eine wirtschaftliche Seite. Wer seine liturgischen Verpflichtungen als Domherr nicht wahrnimmt, verliert auch einen wichtigen Teil seiner Einkünfte, die Präsenzgelder. Darauf mochten die Evangelischen nicht verzichten. Die Lösung des aufgeworfenen Problems zeigt, wie eng religiöse und ökonomische Fragen hier miteinander verbunden sind: Alldieweil aber die Herren Evangelici daraus eine Gewissensache ... machen ... , also stellten die Herren Catholici der Herren Evangelischen freyer disposition und Gewissen anheim, ob und wie viel sie Catholischen Kirchen-Ceremonien und predigten beiwohnen wollten. Allerdings müssen die evangelici, wenn sie ihre Präsenzgelder erhalten wollen, statutis temporibus wenigstens in loco sein. Ein weiteres Problem bestand darin, ob die Evangelischen beym Thumb-Capitel schuldig, zu den Catholischen Kirchen-Ceremonien die Kosten beyzutragen.55 Die Lösung: Man soll es halten wie 1624; doch über die Zustände im Normaljahr wußte man in Minden 1687 kaum noch etwas. Mit den Entscheidungen von 1687 fmdet die liturgische Gemeinschaft auch rechtlich ihr Ende. Ob sie faktisch nicht schon viel früher aufgehört hat, ist eine ganz andere Frage. Im Anschluß an Hermann Nottarp formulieren Hans Jürgen Brandt und Karl Hengst: "Im Mindener Dom blieben die regelmäßigen Stiftsgottesdienste und der übliche Chordienst ungeachtet der konfessionellen Spaltung des Domkapitels bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts unverändert in Übung. Der Domdechant leitete selbstverständlich den liturgischen Chordienst, wie auch die evangelischen Domherren regelmäßig an den katholischen Meßfeiern und Prozessionen teilnahmen ... Erst 1687 ... wurden. die evangelischen Mitglieder des Domkapitels durch Kapitelsbeschluß von derartigen Verpflichtungen dispensiert".56 Es ist Skepsis angebracht, ob das so zutrifft. Die Diskussion von 1687 kreist nicht zuletzt darum, ob es ohne Wahrnehmung der genannten liturgischen Pflichten Präsenzgelder gibt. Daß die evangelischen Domherren bis dahin an Messen, Prozessionen und Predigten teilgenommen haben, kann m. E. aus dem Text nicht gefolgert werden. Wie dem auch sei, die Quellen zeigen eindeutig, daß die Domherren, gleich welcher Konfession, ihre liturgi54 Streitpunkt 18. ss Streitpunkt 19. S6

Brandt I Hengst, Victrix Mindensis ecclesia (wie Anm. 4), 91.

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sehen Verpflichtungen je länger desto mehr auf die Vikare, den clerus secundarius, abwälzten. Wie hätte es auch anders sein sollen, da die Katholiken unter den Domherren in Minden kaum präsent waren. Dem clerus secundarius und seinen liturgischen Pflichten soll jetzt ein kurzer Blick gewidmet sein. Auch das Gremium der Vikare und Inhaber von Commenden war konfessionell gespalten. Auch hier waren die Katholiken in der Mehrheit. Die Zahlenangaben schwanken etwas, weil einige Stellen mitunter geteilt oder zusammengelegt wurden. 1765 zählten zum clerus secundarius einundzwanzig Katholiken und zehn Evangelische. 57 Ihre Verpflichtungen werden genau aufgelistet. Fünfzehn Vikare sind zum Chordienst verpflichtet, d. h. sie müssen die kanonischen Tagzeiten im Chor singen und beten und die Kapitelsmesse feiern. Alle 15 Vikare sind katholisch; von den evangelischen Vikaren ist keiner zum Chordienst verpflichtet. Bei ihnen heißt es lediglich: Muß ein patrocinium oder cantum halten oder halten lassen. Das besorgten vermutlich die katholischen confratres, die zur Residenz verpflichtet waren. Aus den zahlreichen überlieferten Regelungen geht eindeutig hervor, daß es auch auf der Ebene des clerus secundarius keine communicatio in sacris gab. Die gesamte Liturgie ist nach ihren Formen rein katholisch und wird allein von Katholiken vollzogen. Allerdings übte die Aufsicht ein evangelischer Domherr aus, der Dechant; denn das Dekanat mußte nach den Bestimmungen von 1648 und 1687 immer mit einem Vertreter der Augsburger Konfession besetzt werden. Fast nur aus seinen Akten erfahren wir etwas über die von den Vikaren vollzogene katholische Liturgie. Wäre der evangelische Dechant nicht gewesen, wäre das regelmäßige Chorgebet, ursprünglich ja die zentrale Aufgabe eines Domstifts, in Minden vermutlich bald nicht mehr durchgefilhrt worden; denn der Eifer der Vikare ließ arg zu wünschen übrig. Der Dechant, in Stiften traditionell filr alle Fragen des Gottesdienstes zuständig, fand in seiner Post regelmäßig Beschwerden über die Nachlässigkeit der Vikare. Einige Stellen seien zitiert. 1713 heißt es: Alldieweil glaubhaffte Nachricht eingelaufJen, daß gestriges tages nur ein einziger Vicarius dem Gottesdienste im Thume allhie beygewohnet. 58 1744 wird geklagt, matutinis als vesperis [sei] das Chor fast stets ledig. 59 Ein trauriges Bild! Es zeigt, daß Karl Gottlieb Svarez, der große Justizreformer in Preußen, nicht ganz Unrecht hatte, als er gegen Ende des 18. Jahrhunderts schrieb, die Stifte seien

57 StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 11. P. F. Weddigen, Westphälisches Magazin zur Geographie, Historie und Statistik I, Dessau - Leipzig 1784, 64f., fUhrt fUr die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts folgende Stellen auf: 15 katholische und 7 evangelische Vikarien, 4 katholische und 3 evangelische Commenden. Ob alle Stellen ordentlich besetzt waren, muß offen bleiben. 58 StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 311, fol. 23'. 59 StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 311, fol. 50'.

51 Festschrift E1m

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eigentlich säkularisiert; sie hätten sich von den geistlichen Pflichten, zu denen sie nach der ursprünglichen Verfassung verbunden gewesen, freigemacht. Die Stundengebete, die sie durch ein Collegium von Vikarien in einsamen ledigen Kirchen für Stühle und Bänke, für Ratzen und Mäuse ... singen ließen, seien keine gottesdienstliche Handlung, sondern unnützer Zeitvertreib und Farcen. 6o In Minden blieb der Chor mitunter fast ledig. Doch selbst, wenn die Vikare in der Kirche anwesend waren, gab es Tadel. 1744 läuft beim Dechanten die Beschwerde ein, daß solcher Clerus secundarius bey dem cultu Divino und in locis sacris sich zum Theil nicht mit gehöriger Veneration aufführe. 61 Immer wieder werden die Unterhaltungen, das Zuspät-Kommen oder das Nicht-Aufstehen beim Gloria patri kritisiert. 62 Die Domherren selbst sitzen zwar nicht mehr im Chor, aber sie diskutieren noch über den Chor, der übrigens wenig einladend war; Staub und Spinngewebe bedeckten das Gestühl. 63 Am 24. Mai 1744 raffen sich die Kapitulare wieder einmal auf, um die Einlösung der jahrhundertealten liturgischen Verpflichtungen zu sichern. Die Herren verwarnen ihre Vikare streng. In ihrem prachtvoll aufgemachten Schreiben schildern sie den desolaten Zustand im Chor drastisch und nehmen dabei wörtlich einige der beim Dechanten eingereichten Beschwerden auf: Nachdem wir, Dom-Probst, Domdechandt, Senior und Capitulares der Cathedral-Kirche in Minden gantz mißfällig wahrnehmen müssen, gestalt der Clerus secundarius bey dem cultu divino und in locis sacris sich zum Theil nicht mit gehöriger devotion und veneration aufführe, mithin auch des gottesdienstes nicht mit gehörigem fleiße zu denen gesetzten Zeiten abwarte, sondern wohl gar in der Kirche plauderen und aliena tractieren, und - was noch mehr - Zänkereyen untereynander treiben, so der Gemeine zur ärgernisse gereichen ... 64 Ob die gut bepfründeten Herren Capitulares wußten, wie erbärmlich das Leben eines Vikars sein konnte? Damit ihr miserabler Zustand bekannt wurde, wandten sich die katholischen Vikare wiederholt an ihren evangelischen Vorgesetzten, den Dechanten. 1798 baten drei Vikare um eine Neuregelung der jahrhundertealten Gottesdienstregelung. Sie schlugen vor, den Früh-Chor im Dom, der traditionell um halb fünf begann, im Winter eine Stunde und im Sommer eine halbe Stunde später zu bestimmen. Von unseren bei den jetzigen sehr theuren Zeiten wirklich sehr geringen Gehalte wird es uns äußerst schwer, alle Bedürfnisse des Lebens zu bestreiten. 65 Deshalb mußten die Vikare, die täglich 60

241.

61

62 63 64

65

Zitiert nach Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter (wie Anm. I), StA Münster, StA Münster, StA Münster, StA Münster, StA Münster,

Domkapitel Domkapitel Domkapitel Domkapitel Domkapitel

Minden, Minden, Minden, Minden, Minden,

Akten 311, fol. Akten 311, fol. Akten 310, fol. Akten 331. Akten 310, fol.

57'. 32'. 18'. 11 'I'.

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dreymal das Chor halten müssen,66 einen Neben-Verdienst suchen; sie fanden ihn in der katholischen Stiftskirche st. Johannis. Dort aber begann der Gottesdienst erst um sieben Uhr. So bleibt uns, schreiben die Vikare, zwischen diesen und der Beendigung deßselben im Dom ein fünfviertelstündiger Zwischenraum, in welchem wir besonders im Winter, um uns zu erhalten, unseren ganzen Verdienst in Feuerung und Licht verschwenden. 67 Bei einer Neuregelung der Zeiten für den Chordienst, so betonen die Vikare, könnten sie gleich von einer Kirche in die andere gehen. Im Aktenbestand des Domkapitels findet sich kein Hinweis, wie der Dechant das Anliegen der Vikare beschieden hat. Wir wissen also nicht, ob ein Protestant dazu beitrug, auf Bitten von Katholiken die liturgische Ordnung zu ändern oder zu wahren. Der brandenburgische Kurfürst hatte 1650 dem Domkapitel die Inspectio, Visitatio, Examinatio, Ordinatio et Introductio der katholischen Geistlichkeit übertragen. 68 Da in einem Domstift alle gottesdienstlichen Fragen in den Kompetenzbereich des Domdechanten fielen und dieser in Minden immer evangelisch war, entstanden hier die intensivsten Kontakte zwischen Vertretern der beiden Konfessionen. Noch 1808 bezeichnete sich der Dechant als Chef des Capitels, dem die Disciplin und Aufsicht über den geistlichen Stand und den katholischen Gottesdienst, dem die Domkirche gewidmet ist, obliegen. 69 Die evangelischen Dechanten, die auch für den katholischen Pfarrgottesdienst in Minden verantwortlich waren,70 haben diese Aufgabe ernst genommen. Besonders gut sind wir über die Aktivitäten des letzten Dechanten unterrichtet: Ernst Idel Jobst von Vincke, der es auf eine Amtszeit von 51 Jahren brachte (1759-1810). Er berichtet u. a., er habe einen katholischen Pastor - den Pfarrgottesdienst im Dom versahen damals Benediktiner aus dem Mindener Mauritiuskloster - wegen nicht orthodoxer Grundsätze entlassen. 71 Zwei Vikare habe er wegen anstößigen Lebens zur Besserung zu den Franziskanern nach Bielefeld geschickt. 72 Brandt und Hengst bezeichnen es als ein "Kuriosum, daß der evangelische Domdechant von Amts wegen und die Residenz übenden evangelischen Domherren de facto die katholisch-geistliche Regierung führten". Brandt und Hengst betonen besonders den Umstand, daß der "evangelische Domdechant StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 13. StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 13. 68 s. O. S. 776. 69 StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 13. Dort fol. 17'_32' eine Beschreibung der Zustände im Domstift Minden; der Text stammt wohl aus der Feder des Dechanten von Vincke. 70 StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 307. 7\ StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 13, fol. 17'_32'. 72 StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 13. 66

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51'

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alljährlich aus dem Osnabrücker Dom die dort am Gründonnerstag geweihten Öle fiir den Mindener Kirchensprengel holen" ließ, "den Mindener Weihekandidaten die üblichen Dimissorialien zum Empfang der Priesterweihe bei einem auswärtigen katholischen Bischof' ausstellte und "den Priestern die Vollmacht zum Beichtehören" erteilte. 73 Das alles war - streng katholisch-kirchenrechtlich betrachtet - schon ein Kuriosum, doch ganz so stark war der Einfluß der Evangelischen auf das liturgische Leben der Katholiken nicht. Die Dimissorialien wurden formal vom Gesamtkapitel ausgefertigt,14 das ja eine katholische Mehrheit hatte, und die Erlaubnis "Beichte zu sitzen" wird - wie Vincke ausdrücklich betont - vom Weihbischof von Hildesheim eingeholt. 75 Curiosa in Minden? Es klingt schon überraschend, wenn das ganze Domkapitel, also auch die evangelischen Mitglieder, dem katholischen Paderborner oder münsterschen Bischof zu deren Amtsantritt schreibt, die Kapitulare bäten Gott den Allmechtigen, daß Er Euer hochfürstliche Gnaden bey langwähriger bestandiger Gesundtheid ... gnediglich erhalten und alles daß verleihen wolle, so zu deroselben Wohlstandt zu erweiterung und fortpflanzung [der] wahren uhralten Catholischen Religion ... gereichen möge. 76 Das ist barocke Festrhetorik. Wichtiger bleibt, was im Alltag geschah. Am Beispiel des eifrigen Ernst Idel Jobst von Vincke, des Vaters des berühmten Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, können wir es genau beobachten: Er hat als evangelischer Dechant des Domkapitels stets treu dafiir gesorgt, daß auch tausend Jahre nach der Gründung der Mindener Kirche ihr Chor matutinis als vesperis nie ganz ledig blieb. Von Vincke und seine Vorgänger haben die mittelalterlichen Traditionen über die Zeit und - was noch wichtiger ist - über die Konfessionsgrenzen hinweg gewahrt.

Brandt / Hengst, Victrix Mindensis ecclesia (wie Anm. 4), 91. StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 256. 75 Vgl. die Beschreibung der Zustände im Domstift Minden von 1808: StA Münster, Domkapitel Minden, Akten 13. 76 Nottarp, Ein Mindener Dompropst (wie Anm. I), 160. 73

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Vita religiosa des Spätmittelalters und frühneuzeitliche Differenzierung der christianitas - Beobachtungen zu Wegen und Früchten eines Gesprächs zwischen Spätmittelalter- und Frühneuzeithistorikern Von Heinz Schilling Die deutsche Geschichtsschreibung über den Beginn der Neuzeit stand noch vor kurzem unter dem Eindruck der großen Luther-Mythen. Vor allem der Thesenanschlag vom 31. Oktober 1517, der den quellenkritischen Studien von Erwin Iserloh zufolge real wohl nie stattgefunden hat, wurde zum Gründungsmythos der Modeme stilisiert. Und wenn Politiker ihren so oder so verstandenen progressiven Aufbruch durch eine Ahnenreihe historisch zu legitimieren trachteten, dann war es immer wieder Luther, den sie an den Anfang stellten. Eine Renaissance dieses Umgangs mit Luther und der Reformation ist zwar auch heute offensichtlich nicht ganz auszuschließen, feiert doch der Thesenanschlagsmythos alljährlich am Reformationstag in den Nachrichtensendungen der Fernsehanstalten fröhliche Urständ,l und zumindest in Sachsen-Anhalt hat der Reformator wieder Konjunktur, wenn es um die Legitimation progressiver Politiker geht. 2 Die Geschichtswissenschaft indes setzt längst andere Akzente, und 1 Überhaupt scheinen die modemen Medien den Mythos der nüchternen historischen Realität vorzuziehen: Als der Verein rur Refonnationsgeschichte, der in den letzten Jahrzehnten unter der Leitung seines Vorsitzenden Bernd Moeller die Verwissenschaftlichung der protestantischen Refonnationsforschung entscheidend vorangetrieben hat, 1997 in Potsdam eine Homepage im Internet erstellen ließ, wurde just ein Logo eingestellt, das in einer süßlich-romantisierenden Miniatur des 19. Jahrhunderts Luther hammerschwingend beim Anschlag von Thesenblättern an die Wittenberger Schloßkirche zeigt. Einen anderen protestantischen Identitätsmythos, der ebenfalls einen angeblich revolutionären Umbruch feiert, wählte im Jahr 1997 die Wittenberger Lutherhalle als Titel rur ihre Ausstellung zum Lutherkult des 19. Jahrhunderts: "Er ruhlt der Zeiten ungeheuren Bruch und fest umklammert er sein Bibelbuch" (Ausstellung Lutherhalle Wittenberg, 1.2. bis 9.11.1997). 2 Im 19. Jahrhundert verlief die Traditionslinie bekanntlich von Luther über Friedrich den Großen zu Bismarck, ein Konstrukt, das in der alliierten Propaganda gegen die NSDiktatur ins Negativ-Diabolische umgewertet wurde. Auch dieser geschichtswissenschaftlieh längst abgearbeitete Luther-Mythos erfahrt jüngst - nun wieder positiv gewendet - eine politische Renaissance. Wie bei der Potsdamer Wiederbelebung des Thesen-Anschlagsmythos sind auch hierrur die neuen Bundesländer mit ihrer neuen politischen Konfiguration der Ursprungsort: Am Refonnationstag 1998 trug der Ministerprä-

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Heinz Schilling

Refonnationshistoriker diskutieren ernsthaft darüber, ob die Refonnation des deutschen Augustinennönchs Martin Luther wirklich ein revolutionärer Umbruch war. Sie stellen die Frage, ob die "welthistorische" Tat des Wittenbergers nicht eher als Gipfelpunkt einer langen, Spätmittelalter, Refonnationszeit und Konfessionalisierung umfassenden Epoche europäischer Refonnationen anzusehen sei. 3 Die epochale, sachliche und geographische Öffimng der deutschen Refonnationsforschung, die dieser Debatte zugrunde liegt, hat viele Väter. Einer ist ohne Zweifel der Spätmediävist Kaspar Elm mit seinen Arbeiten zur europäischen Kirchen- und Frömmigkeitsgeschichte des 14. bis 16. Jahrhunderts. Es scheint daher angemessen, in der ihm gewidmeten Festschrift einige historiographische Reflexionen über die Impulse der Spätmittelalterforschung rur die Geschichte der Refonnation und der frühen Neuzeit allgemein anzustellen. Daß dabei einige persönliche Erfahrungen und subjektive Einschätzungen einfließen, möge nicht als ungebührlich erscheinen, ergibt sich das doch aus der Sache selbst. 4 Objektiv und allgemein gesprochen, geht es um einen historiographischen Sachverhalt, der noch viel zu wenig ins Bewußtsein der modemen Wissenschaftsgeschichte unseres Faches eingegangen ist. Das gilt jedenfalls, insofern sie von den Neuzeithistorikern geschrieben und wahrgenommen wird, die in der Regel mit der struktur-, sozial- und geselischaftsgeschichtlichen Wende nach dem Zweiten Weltkrieg, den Sonderwegsdebatten oder dem Verhältnis zwischen Geschichts- und Sozialwissenschaften befaßt sind und die historiograph ische Entwicklung in der epochal direkt vorausgehenden Teilepoche ihrer eigenen Wissenschaft kaum wahmehmen. 5 Das hängt natürlich auch mit anderen

sident des "Luther-Landes Sachsen-Anhalt" "Neuneinhalb Thesen" zur protestantischen Untermauerung seiner Politik und ihrer politischen Basis vor, und der SPD-Vorsitzende von Sachsen zog die Linie von Luther zu Willy Brandt: Wie dieser in den 1970er Jahren, so habe jener mit seinen Thesen "mehr Demokratie wagen" wollen. Und es sei Luthers Absicht gewesen, Tradition und Innovation miteinander zu verbinden. Deshalb gehörte er nun als Sozialdemokrat vor der ersten Stunde in die Ahnengalerie der SPD. (Zitiert nach Peter Carstens, Neuneinhalb Thesen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. November 1998). 3 Hierzu ausfiihrIich H. Schilling, Reformation - Umbruch oder Gipfelpunkt eines Temps des Reformes? in: Die frühe Reformation in Deutschland als Umbruch. Wissenschaftliches Symposion des Vereins fiir Reformationsgeschichte 1996, hg. v. B. Moeller, Gütersloh 1996, 13-34; vgl. auch H. Schilling, Profiles of a "New Grand Narrative" in Reformation History? Comments on Thomas A. Brady Jr.'s Lecture "The Protestant Reformation in German History", 13 Nov. 1997, in: Annual Lecture 1997, German Historical Institute Washington, (Occasional Paper No. 22), Washington D.C. 1998,35-47. 4 Eine Festschrift erscheint mir als durchaus geeigneter Ort, solche historiographischen Beobachtungen vorzutragen, die zwangsläufig persönlich sind, wenn sie sich mit der historiographischen Zeitgeschichte befassen. 5 Gilt auch fiir W. Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945 (HZ Beiheft, NF 10), München 1998.

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Schwerpunkten in den Sachinteressen zusammen - Wirtschaft, Demographie, Gesellschaft, aber kaum Verfassung, Kultur, Religion, Frömmigkeit und Kirche bei den Neuzeitlern, demgegenüber starke Berücksichtigung gerade dieser von den Neuzeitlern vernachlässigten historischen Zusammenhänge bei den Mediävisten. So wurde der erstaunliche Wandel, den die Mediävisten parallel zur gesellschaftsgeschichtlichen Wende der Neuzeitler nach dem Zweiten Weltkrieg vollzogen, so gut wie kaum wahrgenommen, und - wenn ich recht sehe - über die Konsequenzen rur die neuere Geschichte beziehungsweise rur die Einheit von mittlerer und neuerer Geschichte wurde nicht nachgedacht. 6 Gemeint ist die außerordentliche Aufwertung des Spätmittelalters gegenüber der hochmittelalterlichen Kaiserzeit, die vor dem Zweiten Weltkrieg das Fach beherrschte und damit zwangsläufig verengte und in der Diskussionstahigkeit mit den Neuzeithistorikern beschränkte. Angebahnt in Westeuropa, etwa durch die große kulturgeschichtliche Darstellung Johan Huizingas zum "Herbst des Mittelalters", aber sicherlich auch befördert durch deutsche Darstellungen zur Frühneuzeit, die entschieden in das Spätmittelalter zurückgriffen, 7 wurde diese Wende von der jüngeren Generation der deutschen Mediävisten nach dem Krieg sogleich aufgegriffen und entscheidend mitgestaltet. 8 Für die Frühneuzeithistoriker ergaben sich daraus mannigfaltige, bislang nur zum Teil genutzte Chancen. 9 6 Das ist eine Folge der akademischen "Kästeleswirtschaft", das heißt der Aufteilung der Geschichte in einzelne Kästchen - hier Mittelalter, dort Neuzeit. Der Blick rur die Kontinuität und die Einheit der Geschichte wird in einem solchen System kaum noch geschult. Es steht zu berurchten, daß sich diese Tendenz noch verstärken wird, wenn sich all das durchsetzt, was uns gegenwärtig als "Studienreform", "Straffung des Studiums" oder "Modernisierung des Studiums" angepriesen wird. Wie in einigen europäischen Nachbarländern bereits zu beobachten, läuft vieles an diesen Neuerungen auf eine bedauerliche Verengung des Wissens- und Urteilshorizontes der nächsten Generation hinaus: Indem Historiker entweder als NeuzeitIer oder als Mediävisten ausgebildet werden, bleibt das Wissen, ja die Sensibilität rur übergreifende Fragen und rur die Einheitlichkeit europäischer Geschichte auf der Strecke. 7 Besonders wichtig war in diesem Zusammenhang E. Hassinger, Das Werden des neuzeitlichen Europa 1300-1600, 2Braunschweig 1964; vgl. aber auch: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, Handbuch der europäischen Geschichte, hg. v. J. Engel, Bd. III, Stuttgart 1971, insbesondere den Einleitungsessay des Herausgebers. lüngst mit ähnlichem Zeit- und Epochenschnitt: Handbook ofEuropean History 1400-1600, hg. v. Th. Brady / H. Oberman / J. Tracy, 2 Bde., Leiden 1995. 8 Ich weise nur hin auf P Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Deutsche Geschichte 1250 bis 1490, Berlin 1985; H. Boockmann, Das 15. lahrhundert in der deutschen Geschichte, in: Mittelalterforschung nach der Wende 1989, hg. v. M. Borgolte (HZ Beiheft, NF 20), München 1995, 484-511. 9 Ein entsprechendes Programm bei P Moraw / V. Press, Probleme der Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches, Zs. rür Historische Forschung 2 (1975) 95108. In gesellschaftsgeschichtlicher Perspektive, speziell in der Demographie, sind epochenübergreifende Studien etwa von Neithard Bulst und lochen Hoock vorgelegt worden. Vgl. u.a.: Bevölkerung, Wirtschaft und Gesellschaft. Stadt-Land-Beziehungen in

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Meine eigene Begegnung mit der neuen Spätmittelalterforschung geht auf die Zusammenarbeit mit Kaspar Elm an der neugegründeten Fakultät für Geschichtswissenschaften der Universität Bielefeld zurück, wo er Anfang der 1970er Jahre als erster Professor die Lehrtätigkeit aufgenommen und wohin ich ihn von Freiburg als Assistent begleitet hatte. Soeben von Gottfried Schramm mit einer Arbeit zu niederländischen Exulaten im Reformationsjahrhundert promoviert, fiihlte ich mich als Assistent des Spätmediävisten Elm keineswegs fehl am Platze, wie ich auch nie entsprechende Skepsis auf seiner Seite verspürte. Wir waren vielmehr beide überzeugt, durch diese epochenübergreifende Zusammenarbeit das Bielefelder Reformmodell in Forschung und Lehre konkret zu verwirklichen, das nur "Professoren rur allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung von ... " Ge einzelnen epochalen oder sachlichen Schwerpunkten) kennt und Spätmittelalter und frühe Neuzeit forschungsmäßig und curricular zusammenfaßt. 10 Auf dieser Basis wurde 1972 das erste Hauptseminar in der Geschichte der bald so prominenten Bielefelder Geschichtswissenschaft zu Themen spätmittelalterlicher und reformatorischer Kirchen-, Sozial- und Frömmigkeitsgeschichte durchgefilhrt. Und da in diesem ersten Semester noch recht wenige Studenten der angehenden westfiilischen Metropole der Wissenschaften an einem Hauptseminar teilnahmen und zudem in freundlicher Distanz zu den ihnen doch einigermaßen "papistisch" sakral erscheinenden Erörterungen blieben, fand die Diskussion im wesentlichen zwischen den beiden Veranstaltern statt. Für mich persönlich war sie besonders fruchtbar, weil sie mir die Möglichkeit intensiver Beschäftigung mit den spätmittelalterlichen Voraussetzungen von Reformation und europäischer Konfessionalisierung gaben.

Deutschland und Frankreich 14. bis 19. Jahrhundert (Festschrift Erich Maschke), hg. v.

N. Bu/st / J. Hoock, Trier 1983; N. Bu/st, Normative Texte als Quellen zur Kommunika-

tionsstruktur zwischen städtischen und territorialen Obrigkeiten im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Kommunikation und Alltag in Spätmittelalter und früher Neuzeit (SB Wien 596), Wien 1992, 127-144; ähnlich in der Stadtgeschichte, z. B. La ville, la bourgeoisie et la genese de I'etat modeme (Xne-XVn" siecles). Actes du colloque de Bielefeld 1985, hg. v. N. Bu/st / J. Ph. Genet, Paris 1988 oder: Stadtregiment und Bürgerfreiheit. Handlungsspielräume in deutschen und italienischen Städten des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. v. K. Schreiner / U. Meier, Göttingen 1994. Jüngst auch für den Hofund die Residenzen: Höfe und Hofordnungen 1200-1600, hg. v. H. Kruse / W Paravicini, Sigmaringen 1999. 10 Es ist bezeichnend für die Verengung der historischen, aber auch der bildungspolitischen Diskussionen seit Mitte der 1970er Jahre, wenn unter "Bielefelder Schule" nur die gesellschaftsgeschichtlichen Ansätze in die Debatten einbezogen werden. Dagegen sind die modellhaften epochal übergreifenden Strukturen und Curriculumselemente der Bielefelder Geschichtswissenschaft, die für das Fach insgesamt viel weitgreifender und - wie ich meine - längerfristig folgenreicher wären, weitgehend ohne Resonanz geblieben.

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Aus den im Epochensinn interdisziplinären Diskussionen des erwähnten Bielefelder Seminars blieb mir aber eine Argumentationsfigur in Erinnerung, die ich einerseits bezeichnend fiir den interepochalen Diskurs fand, die mich andererseits provozierte, über die Sache selbst, also den Realitätsgehalt der von Historikern gesetzten Epochenschwelle um 1500 und deren Vor- und Nachteile fiir historische Erkenntnisse über das 15. und 16. Jahrhundert nachzudenken: Aus dem großen Reichtum seines konkreten Wissens über Frömmigkeit, Spiritualität, Religiosen- oder Ordens bewegungen und andere Phänomene der Kirchen-, Geistes- und Kulturgeschichte des späten Mittelalters zog der Mediävist Elm beeindruckende Linien vom spätmittelalterlichen Frömmigkeitsaufbruch bis in die Reformationszeit, die in der Regel mit der Feststellung endeten: " ... und dann kam die Reformation, und alles war zu Ende." Sein Assistent und Frühneuzeithistoriker hielt mit diesem systematisch-analytischen Denken in langfristigen Linien mit, wenn auch noch auf weit schmalerer "Empiriebasis" . Für ihn begann der Aufbruch aber erst mit Luther und setzte sich in der großen Modernisierungskrise der Konfessionalisierung fort. Die Jahrhunderte davor, die Elm so eindrucksvoll und durchaus überzeugend als Epoche einschneidenden Wandels schilderte, erschienen ihm in der fiir den Frühneuzeitler typischen Perspektive nach "vom", also zu den weiteren Jahrhunderten der Neuzeit hin, in der traditionellen Sicht als "Vorreformation" oder "Herbst des Mittelalters" .11 Konsequenterweise fiihrten meine wissenschaftlichen Wege dann auch nicht ins 14./ 15. Jahrhundert zurück, sondern ins späte 16. und ins 17 . Jahrhundert, speziell zum Phänomen der Konfessionalisierung. Das in dem Bielefelder Seminar angeklungene und danach in vielen Unterhaltungen mit Kaspar Elm und anderen Spätmittelalterkollegen weiterverfolgte Epochenthema geriet aber nie aus meinem Gesichtskreis. Im Gegenteil, auch und gerade die Beschäftigung mit der Konfessionalisierung und die im Zusammenhang damit angenommene umfassende Veränderungs- und Modernisierungsdynamik machten das Epochenproblem in ausgeweiteter Perspektive erneut aktuell. 12 11 Der erste Frühneuzeitband in "Siedler Deutsche Geschichte" folgt noch dieser traditionellen Epocheneinteilung. Das war aber Folge der vorgegebenen konventionellen Einleitung der Reihe, nicht bewußte, wissenschaftlich begründete Epochengliederung: H. Schilling, Aufbruch und Krise. Deutsche Geschichte von 1517 bis 1648 (Siedler Deutsche Geschichte 4) Berlin 1988. Der vorangehende Band von H. Boockmann behandelt "Stauferzeit und spätes Mittelalter". - Die im Erscheinen begriffene Reihe Siedler Geschichte Europas zieht nun die im vorliegenden Text benannte Konsequenz und wagt einen Epochenzuschnitt rittlings auf der akademischen Fachgrenze zwischen Mediävistik und Neuzeit: H. Schilling, Die neue Zeit. Vom Christenheitseuropa zum Europa der Staaten. Europäische Geschichte 1250-1750 (Siedler Geschichte Europas 3), Berlin 1999. 12 Zuletzt: H. Schilling, Die Konfessionalisierung Europas - Ursachen und Folgen rur Kirche, Staat, Gesellschaft und Kultur, in: 1648 - Krieg und Frieden in Europa, Katalogband zur Ausstellung zum 350. Jahrestag des Westflilischen Friedens, hg. v. K. Bußmann / H. Schilling, Münster - Osnabrück 1998,219-228; Zusammenfassend zu eu-

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Auf dieser Basis mußte sich dann die provokante Frage nach der Stellung Luthers und der deutschen Reformation innerhalb des epochen- und länderübergreifenden europäischen Wandlungsprozesses in den Strukturen und Funktionen von Religion, Frömmigkeit und kirchlichen Organen stellen, die der eingangs erwähnten jüngsten Debatte unter Reformationshistorikern zugrunde liegt. Das in diesem Zusammenhang entwickelte Epochenmodell 13 geht von einer langgestreckten, epochenübergreifenden Zeit der Reformationen und darin eingeschlossener Erneuerungen und prinzipieller Wandlungen in der kirchlichen Organisation, in den Frömmigkeitsformen und in der religiösen Kultur generell aus. Spätmittelalterlicher Frömmigkeitsaufbruch, Reformation und Konfessionalisierung erhalten in dieser Perspektive wieder das Maß an Zusammengehörigkeit, das durch die - bereits zeitgenössische - Stilisierung der deutschen Reformation verlorenging. Und die deutsche Geschichte wird entschieden in die gesamteuropäische Geschichte eingeordnet, rur die die deutsche Reformation stets nur ein, wenn auch sehr wichtiges, Teilphänomen einer langfristigen und vielschichtig angelegten Wende in frühmodeme, neuzeitliche Verhältnisse sein kann. Diese Perspektivenerweiterung erscheint mir auch deshalb dringend geboten, um der Rückverlängerung der Sonderwegsthese der Historiker des 19. und 20. Jahrhunderts in die frühe Neuzeit einen Riegel vorzuschieben. Inhaltlich wird der Wandel als Differenzierungsschub begriffen - von der mittelalterlichen Einheitskirche zu den neuzeitlichen Konfessionskirchen, von einer relativ einheitlichen Christenheitskultur zu den Konfessionskulturen des 16. und 17. Jahrhunderts und darüber hinaus zu dem religiösen und geistigen Pluralismus der Modeme seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert. Diese Sicht folgt einerseits der westeuropäischen, vor allem französischen Historiographie, die in diesen Fragen stets freier verfahren konnte, weil sie anders als die deutschen Reformationshistoriker - einschließlich der Vertreter der marxistischen Frühbtirgerlichen Revolution - nicht, wie in Deutschland seit der Selbstinterpretation der Protestanten im 16. Jahrhundert vorgegeben und im Historismus des 19. Jahrhunderts neu bestärkt, auf Luther und die deutsche Reformation fixiert war. Sie unterlag daher auch nicht der von Ranke stammenden universalgeschichtlichen Hypostasierung dieses Ereignisses. 14 Andererseits geht dieses ropäischer Konfessionalisierung und der diesbezüglichen Forschungsliteratur H. Schilling, Confessional Europe: Bureaucrats, La Bonne Police, Civilizations, in: Handbook ofEuropean History 1400 - 1600 (wie Anm. 7), II, 641-681. Vgl. auch den letzten der

drei Konfessionalisierungsbände: Katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposion der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Refonnationsgeschichte, hg. v. W. Reinhard / H. Schilling, Gütersloh - Münster 1995, und R. von Thadden, Die Konfessionalisierung des kirchlichen und politischen Lebens in Deutschland, in: Scheidewege der deutschen Geschichte. Von der Refonnation bis zur Wende, hg. v. H.-u. Wehler, München 1995,23-38. 13 Näheres dazu Schilling, Umbruch (wie Anm. 3). 14 K. Repgen, Refonn, in: The Oxford Encyclopedia of the Reformation III (1996),

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Modell einer Langfristigkeit des religiös-kulturellen Wandels, der zugleich als Kern eines darüber hinausgehenden allgemeingesellschaftlichen Wandels begriffen wird, über den Ansatz der Franzosen hinaus. Denn anders als die Regel, wird die Konfessionalisierung in den "ternps des reformes" eingeschlossen, ja sie wird unter allgemeingeschichtlichen Gesichtspunkten als deren dynamischste Phase begriffen. Die Brücke, die hier zwischen Spätmittelalter- und Frühneuzeitforschung geschlagen werden soll, wird gleichsam über die Reformation im engeren Sinne hinaus um den konfessionellen Pfeiler verlängert. Daß dies nicht mehr in einem vorwiegend deutschen Rahmen, sondern in bewußt europäischer Perspektive geschieht, entspricht der europageschichtlichen Wende, die sich in der deutschen Geschichtswissenschaft seit einigen Jahren anbahnt stimuliert nicht zuletzt von Historikern wie Kaspar Elm, dessen kirchen- und frömmigkeitsgeschichtliche Studien stets europäisch, ja universalgeschichtlich angelegt sind. Inzwischen stehen, wie wir alle wissen, solche universalgeschichtlichen Perspektiven wie auch die Gesellschafts- und Sozialgeschichte nicht mehr unbestritten im Vordergrund des geschichtswissenschaftlichen Interesses. Zwar wird die Geschichtswissenschaft weiterhin ihrer modem-rationalen Aufgabe nachkommen, die Gegenwart über die langfristigen Bedingungen ihrer Herkunft und ihrer geistig-kulturellen wie materiellen Existenz aufzuklären und dabei makrohistorische Erklärungsmodelle einschließlich der Epochenfrage nicht entbehren wollen. Dieser Aufgabe wird sie aber um so eher gerecht, wenn sie die mikround kulturgeschichtlichen Perspektiven in das Gesamtbild integriert und dieses dadurch konkreter, aber auch humaner macht, weil es gilt, neben den makrohistorischen Zusammenhängen auch an die Menschen zu erinnern, die in der Vergangenheit lebten, handelten und litten, ohne die übergreifenden Zusammenhänge immer zu verstehen. Auch filr diese mentalitäts- und kulturgeschichtlichen Zusammenhänge sind die von Kaspar Elm filr das späte Mittelalter aufgeworfenen und in einem Epochenmodell einer "Zeit der Reformationen" in die Phase der Reformation und der Konfessionalisierung verlängerten Fragen der Frömmigkeits- und Religions-, aber auch der kirchlichen Sozial- und Institionengeschichte von höchster Relevanz. Die mentalitäts- und kulturgeschichtliche Perspektive ergibt sich gleichsam aus der Sache selbst. Daher verwundert es nicht, daß hier die schrillideologischen Töne des Entweder-Oder, die einige Vertreter der postmodernen Geschichte in die methodische und theoretische Grundlagendebatte einfilhrten,15 392-395; näheres dazu bei Schilling, Profiles (wie Anm. 3). 15 Näher ausgeruhrt in H. Schilling, Disziplinierung oder "Selbstregulierung der Untertanen"? - Ein Plädoyer rur die Doppelperspektive von Makro- und Mikrohistorie bei der Erforschung der frühmodernen Kirchenzucht, HZ 264 (1997) 675-692, bes. 677f.

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ganz unbekannt sind und statt dessen das weiterruhrende Sowohl-Als-Auch von Struktur-, Sozial-, Mentalitäts- und Kulturgeschichte praktiziert wurde. So konnte jüngst - um nur ein Beispiel zu nennen - gezeigt werden, in weIchem Maße parallel zur strukturellen und funktionalen Formierung der Konfessionskirchen sich Konfessionskulturen herausbildeten, die das Leben und Denken der Menschen im Alltag tief beeinflußten und ihnen halfen, das fiir sie schwer verständliche Geschehen im Umkreis des Dreißigjährigen Krieges und - wenn dieses unwissenschaftliche Kürzel rur eine komplexe Situation erlaubt ist - die "Krise des 17. Jahrhunderts" zu verarbeiten. 16 Diese kulturgeschichtliche Seite will ich abschließend am Beispiel eines Projektes konkreter ausfUhren. 17 In Ansätzen ist darin auch die Rolle thematisiert, die mittelalterlichen Sachverhalten im kulturellen Wandel der frühen Neuzeit zufiel bzw. zugewiesen wurde. Es geht um die Ausprägung der frühneuzeitlichen Konfessionskultur in den europäischen Städten und die daraus zu ziehenden Konsequenzen fiir die religionssoziologische Interpretation der werdenden Neuzeit speziell durch die berühmte Max-Weber-These und ihre Weiterentwicklung vor allem in der Soziologie. Es ist hier nicht der Ort, das sehr breite, zunächst überhaupt erst einmal zu sammelnde, taxonomisch zu ordnende und dazu interdisziplinär zu interpretierende Material zu den europäischen Konfessionskulturen in den Städten auszubreiten oder gar auch noch die Situation auf dem Land anzusprechen, die fiir ein Gesamttableau der europäischen Konfessionskulturen und ihrer allgemeingeschichtlichen Konsequenzen natürlich unerläßlich dazu gehört. 18 Ich beschränke mich darauf, die Problemstellung zu skizzieren und beispielhaft einige konkrete Beobachtungen vorzustellen. 16 Th. Kaufmann. Dreißigjähriger Krieg und Westflilischer Friede. Kirchengeschichtliche Studien zur lutherischen Konfessionskultur (Beiträge zur historischen Theologie 104), Tübingen 1998. 17 Erstmals vorgetragen unter dem Titel "Town and Church in pre-modern European history" auf der "Third international conference of urban history" 1996 in Budapest. Inzwischen eingegangen in den von Istvän T6th und mir geleiteten religions- und kulturgeschichtlichen Schwerpunkt innerhalb des übergreifenden ESF-Projektes "Cultural change in Europe", das unter Federführung von Robert Muchembled von einer Gruppe von kulturgeschichtlich interessierten Historikern aus Europa und Übersee entwickelt wurde. 18 Die kulturelle Seite der Konfessionalisierung ist noch kaum erforscht. Erste Beobachtungen finden sich bei P. Veit, Musique et cantique protestants, in: Le siede des Lumieres et la Bible, hg. v. Y. Belaval I D. Bourel, Paris 1986, 289-315; Ders., Kirchenlied und konfessionelle Identität im deutschen 16. Jahrhundert, in: Hören, Sagen, Lesen, Lernen, hg. v.u. Brunold-Biglerl H Bausinger. Bern u.a. 1995,741-745; M Danckwart, Konfessionelle Musik?, in: Reinhard I Schilling. Katholische Konfessionalisierung (wie Anm. 12), 371-383; Kaufmann, Konfessionskultur (wie Anm. 16); W Freitag, Konfessionelle Kulturen und innere Staatsbildung. Zur Konfessionalisierung in westflilischen Territorien, Westflilische Zs. 42 (1992) 75-191; B. Roeck, Lebenswelt und Kultur des Bürgertums in der frühen Neuzeit (Enzyklopädie Deutscher Geschichte 9), München 1991, 45f., 50.

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Die langfristigen Wirkungen der Konfessionalisierung auf die Kultur erlebt heute noch jeder, der sehenden Auges den Kontinent durchreist. Denn die zahlreichen und unterschiedlichen Kulturlandschaften des neuzeitlichen Europa sind nicht zuletzt das Ergebnis der unterschiedlichen Ausdrucksweisen, die Literatur, Musik, Malerei und Architektur innerhalb der drei Konfessionskirchen erhielten. Allen gemeinsam war die kontrollierende, disziplinierende und lenkende Steuerung durch Staat und Kirche. Die Volkskultur und alle anderen Formen eines vorwissenschaftlichen Wissens, etwa in der Volksmedizin und bei magischen Praktiken, wurden abgewertet und verfolgt, oder sie wurden kontrolliert der neuen Konfessionskultur eingefilgt, so vor allem im tridentinischen Katholizismus, teilweise aber auch im Luthertum. Vergleichbar den konfessionellen Machtblöcken, die sich im Zuge der Konfessionalisierung im internationalen System herausbildeten, und der unterschiedlichen Konfessionsmentalität, die bis heute das Sünden- oder Gewissensbewußtsein katholischer oder protestantischer Europäer prägen können,19 entstand eine konfessionell gespaltene Kultur, die aber zugleich Vielfalt und Variation bedeutete. Das gilt filr Europa allgemein, vor allem aber filr das konfessionell vielgestaltige Deutschland, wo fortan neben dem farbenfrohen und in glühender Leidenschaft an das Überirdische hingegebenen katholischen Süden und Westen die in ihrer Religiosität und ihren kulturellen Ausdrucksformen gezügelten protestantischen Landschaften des Nordens und Ostens standen. Die darin eingespannte Vielfalt läßt sich allerdings kaum auf die gängige Entgegensetzung von protestantischer Wort- und Musikkultur einerseits und katholischer Kultur der Bilder und Symbole andererseits reduzieren: Reformatoren wie Gegenreformatoren waren gleichermaßen Menschen des Wortes wie des Schreibtisches. Bekannt ist das filr Luther. Dieses ist filr Canisius und viele andere Jesuiten aber in ähnlicher Weise gültig. Das zeigte kürzlich die Ausstellung "Rom in Bayern" 1997 überzeugend, indem sie den Besucher im letzten Raum durch eine nachgestellte Jesuitenschreibstube ftlhrte und mit einem Defilee an Dutzenden von Erst-, Nach- und Übersetzungsdrucken allein aus der Feder des Petrus Canisius entließ. 20 In der Literatur stehen neben den Protestanten Opitz und Shakespeare Katholiken wie Vondei, Cervantes oder Calder6n de la Barca. Neben Bach, dem großen Schöpfer der geistlichen Musik des Protestantismus, steht Palestrina als Neuerer und Modernisierer katholischer Kirchenmusik. Und die Malerei mit ihrer glühenden Bildhaftigkeit wird nicht nur von Rubens, Reni oder Velazquez, sondern auch von Cranach, Rembrandt und Vermeer bestimmt. 19 Dichterisch scharfsichtig gestaltet in der Kurzgeschichte "Our friend Judith" von Doris Lessing, zitiert nach The Temptation of Jack Orkney. Collected Stories, Bd. 11, London 1979, 7- 26, hier 18. 20 Der Katalog Rom in Bayern (Ausstellungskatalog), hg. v. R. Baumstark, München 1997, kann diesen augenfälligen Eindruck der Ausstellung selbst nur unvollkommen wiedergeben, Nr. 204-235i, 540-563.

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Am deutlichsten treten die Unterschiede in der Architektur und der Stadtplanung zutage. Das sind die politischsten Künste, die die unterschiedlichen Welten inszenieren - ad maiorem Domini gloriam, zum höchsten Ruhme Gottes, so wie es die jeweilige Konfession verstand, aber auch zur Selbstdarstellung von Macht und irdischem Reichtum - der Fürsten und Monarchen vor allem, aber auch des Adels, der Prälaten und des Großbürgertums. Und so erhielten seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert unzählige Städte und Landschaften den Stempel frühneuzeitlicher Konfessionsarchitektur. Das gilt vor allem fiir die katholischen Landschaften, etwa fiir die Sakralinszenierungen im Maintal von Bamberg bis Würzburg; fiir München, wo das in den Jahrzehnten vor dem Dreißigjährigen Krieg erbaute Jesuitenkolleg mit der gewaltigen St. Michaelskirche "hineinschlägt in die gotische Stadt wie ein Meteorit" (Reinhold Baumstark) und die mittelalterliche Stadtanlage von Grund auf verändert und modernisiert;21 fiir Antwerpen, wo mit der Sint Carolus Kerk und dem zugehörigen Konvent samt Schule der Jesuiten zu Beginn des 17. Jahrhunderts mitten in die gotische Stadtanlage mit einem gewaltigen barocken Baukörper die Modernität frühneuzeitlicher Urbanistik einbrach. Und natürlich gilt das auch und zuerst fiir Rom selbst, wo die Jesuiten bereits eine Generation zuvor in der Renaissancearchitektur ihrer Kirche II Gesu ein vielkopiertes Modell frühmoderner Sakralarchitektur errichtet hatten und wo die Peterskirche, die seit dem späten 15. Jahrhundert als Ersatz fiir die niedergelegte mittelalterliche Basilika projektiert war, erst jetzt erstand als Geste und Zeichen fiir den konfessionalistisch katholischen Anspruch auf die Stadt und den Erdkreis, wie überhaupt das modeme Rom mit der Erschließung des nachantiken Stadtareals und dem großangelegten Stadtnetz ganz die Schöpfung von Sixtus IV. und der auf ihn folgenden anderen Päpste der Gegenreformation ist. Auch andernorts wurde die katholische Stadt des späten 16. und 17. Jahrhunderts von einem gewaltigen Bauboom erfaßt. Allenthalben entstanden Neubauten im Renaissance- oder Barockstil - die großen Jesuitenkirchen, vor allem aber auch Parochial-, Hof- oder Triumphkirchen wie die Wiener Karlskirche, die dem Sieg des gegenreformatorischen Heiligen Carlo Borromeo über die Häretiker ein weithin sichtbares urbanes Denkmal setzt, dazu Schulen, Hospitäler und Niederlassungen der zahlreichen Orden. Die protestantische Stadtarchitektur blieb demgegenüber gebändigt, ja zurückhaltend. Gebaut wurde nur dort, wo Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum neue Stadtteile entstehen ließen - in Amsterdam, in London, in einigen wenigen deutschen Städten, etwa Hamburg und Emden - entstanden einige wenige 21 Gründungs- und Baugeschichte der Münchener Jesuitenniederlassung sind jetzt ausführlich dokumentiert in Baumstark, Rom in Bayern (wie Anm. 20), v. a. den Beitrag von 1. Terhalle, " ... ha della Grandezza de padri Gesuiti". Die Architektur der Jesuiten um 1600 und St. Michael in München, 83-146.

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predigtbezogene Sakralbauten als "Hörsäle", die auf Schmuck verzichteten, um den Gottesdienstbesucher nicht vom Wort Gottes abzulenken. Gewaltig allerdings sind in der Regel die Prospekte der Orgeln, die den Gemeindegesang mächtig zum Himmel ansteigen lassen. Die Masse der protestantischen Städte, die Reichsstädte im deutschen Süden ebenso wie die Hansestädte des Nordens etwa Greifswald mit seinen drei das Stadtbild bis heute dominierenden Backsteinkirchen St. Marien, St. Nikolai und St. Jakob - erlebten so gut wie keine Bautätigkeit, weil der mittelalterliche Kirchraum rur den Gemeindegottesdienst mehr als ausreichte. Nicht wenige Kirchen oder Konventsgebäude wurden sogar profaniert oder halbprofaniert, nämlich zum Nutzen der Lateinschulen oder Universitäten wie in Danzig, Helmstedt oder Marburg, als Bibliothek oder Archiv wie in Zürich oder Göttingen oder auch als Altersheim oder Waisenhaus wie in vielen nordniederländischen Städten. Aufs Ganze gesehen blieben somit die meisten lutherischen oder reformierten Städte der Schweiz, Mitteleuropas und Skandinaviens im äußeren Erscheinungsbild seltsam mittelalterlich, während sich die katholischen Städte architektonisch und topographisch modernisierten. In dieser Situation bedeutete jede territoriale Verschiebung zwischen Katholizismus und Protestantismus zugleich eine Veränderung in den europäischen Kulturlandschaften. Als Polen unter König Sigismund III. Wasa von protestantisch geprägter Mehrkonfessionalität zum gegenreformierten Katholizismus wechselte, entfesselte sich auch dort seit Beginn des 17. Jahrhunderts der barocke Sakralbauboom, so daß "in Topographie und Architektur der Akzent vom Rathaus zur Kirche und den Stadtpalais der Magnaten" wechselte,z2 Prag wurde erst zur goldenen Barockstadt, nachdem die Protestanten am Weißen Berg besiegt worden waren und der habsburgische Katholizismus triumphierte. Wie auch in Österreich konnte die pietas Austriaca nur zur kulturbestimmenden Kraft werden, weil die protestantischen Stände gleich zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges besiegt worden waren und es den Habsburgern später bei den Verhandlungen in Münster gelang, ihre Hausmachtterritorien aus allen Restitutionsbestimmungen zugunsten der Protestanten herauszuhalten, mit Ausnahme einiger Fürstentümer in Schlesien und dreier sogenannter "Friedenskirchen" vor den Toren von Glogau, Jauer und Schweidnitz. In Ungarn, wo sich, begünstigt durch die Türken, auch nach dem Dreißigjährigen Krieg der Protestantismus zu behaupten wußte, zogen pietas Austriaca23 und katholische Barockarchitektur sogar erst zu Ende des 17. Jahrhunderts ein, als nach der Vertreibung der Tür22 M. Bogucka, Die Städte Polens an der Schwelle zur Neuzeit. Abriß einer soziotopographischen Entwicklung, in: Die Stadt an der Schwelle zur Neuzeit, hg. v. W. Rausch (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 4), Linz/Donau 1980, 275291. 23 A. Coreth, Pietas Austriaca. Österreich ische Frömmigkeit im Barock, 2Wien 1982.

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ken die katholische Staatskonfession der Habsburger durchgesetzt werden konnte und das Stadtbild von Ödinburg, Raab, Gran, Budapest oder Stuhlweißenburg eine Spätkonfessionalisierung erlebte, ausgewiesen unter anderem durch die markante Zopfstilarchitektur des 18. Jahrhunderts zahlreicher kirchlicher Gebäude. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das in Szekesfehervar/Stuhlweißenburg, der altehrwürdigen Krönungsstadt des Königreiches Ungarn, wo die mittelalterliche Krönungsbasilika des Heiligen Stephan die Türkenherrschaft im Äußeren unbeschädigt überlebt hatte und erst nach deren Abzug im Jahre 1689 der Modernisierungswut des katholischen Konfessionalismus weichen mußte, um einen spätbarocken Dom und dem dazugehörenden, erst ausgangs des 18. Jahrhunderts gebauten Bischofspalast Platz zu machen. Die theoriegeschichtlichen Konsequenzen dieser stadt- und kulturgeschichtlichen Betrachtungen können hier nicht mehr entfaltet werden. Es dürfte aber offensichtlich sein, daß die auf Max Weber zurückgehende Vorstellung einer prinzipiellen Modernisierungsblockade auf seiten des katholischen Bürgertums revidiert werden muß. Um es mit Wolfgang Reinhard zu sagen - auch die Gegemefonnation oder präziser, die katholische Konfessionalisierung war Modernisierung?4 Oder mit den Augen der Zeitgenossen gesehen: Angesichts des kulturellen Wandels und der Veränderungen im Grund- und Aufriß seiner Stadt, die er fast täglich erleben mußte, wäre wohl keinem Bewohner vom Rom, München, Antwerpen, Prag, Wien und all den vielen anderen katholischen Städten, die sich im ausgehenden 16. und im 17. Jahrhundert im Zuge der katholischen Konfessionalisierung so radikal veränderten, die Weber-These plausibel zu machen gewesen, derzufolge sie in einer statisch-traditionalistischen Umwelt hätten leben müssen.

24 W Reinhard, Gegenrefonnation als Modemisierung? Prolegomena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters, Archiv für Refonnationsgeschichte 68 (1977) 226-252.

VI. Frömmigkeit, Kult und Kirchenrecht

Miracles and Marvels: Tbe Limits of Alterityl By Caroline Walker Bynum

I. Introduction In recent historiography, marvels and monsters proliferate. Lorraine Daston and Katharine Park point out, in their magisterial "Wonders and the Order of Nature, 1150-1750," that when they began their work twenty years ago, there had been almost no study of monsters or the monstrous; today the topic crops up everywhere. 2 Medievalist William I. Miller has followed his earlier study of "Humiliation" with a full-scale exploration of "The Anatomy of Disgust"; literary critic David Williams has interpreted the former twelfth-century renaissance as aperiod of "Deformed Discourse, " with monsters lurking in a pseudoDionysian darkness once understood as mere absence ofbeing or goodness. 3 In comparison with the very recent enthusiasm for monsters, the marvelous has been with us a little longer. The 1980s saw a number of studies of miracles;4 I I would like to thank my colleagues at Columbia University, Joel Kaye and Adam Kosto, and my colleagues at the Wissenschaftskolleg zu Berlin in 1994-95, Carolyn Abbate, Karine Chemla, Arnold Davidson, Jean-Claude Schmitt, and Pamela Smith, for conversations that were helpful in formulating the ideas ofthis essay. 2 L. Daston / K. Park, Wonders and the Order ofNature, 1150-1750, New York 1998, 9-10. And see C. Kapp/er, Monstres, demons et merveilles a la fin du moyen äge, Paris 1980; J B. Friedman, The Monstrous Races in Medieval Art and Thought, Cambridge, Mass. 1981; and C. Lecouteux, Les monstres dans la pensee medievale europeenne: Essai de presentation (Cultures et civilisations medievales 10), Paris 1993. The one important older study is R. Wittkower, Marvels of the East: A Study in the History of Monsters, Journal ofthe Warburg and Courtauld Institutes 5 (1942) 159-197. 3 W I. MiIler, Humiliation: And Other Essays on Honor, Social Discomfort, and Violence, Ithaca, New York 1993; and W I. MiIler, The Anatomy of Disgust, Cambridge, Mass. 1997; D. Williams, Deformed Discourse: The Function of the Monster in Mediaeval Thought and Literature, Montreal 1996. See also R. Mellinkoff, Outcasts: Signs ofOtherness in Northern European Art ofthe Late Middle Ages, 2 vols., Berkeley 1993. 4 R. C. Finucane, Mirac1es and Pilgrims: Popular Beliefs in Medieval England, Totowa, New Jersey 1977; B. Ward, Mirac1es and the Medieval Mind: Theory, Record and Event, 1000-1215, Aldershot 1982; P-A. Siga/, L'homme et le mirac1e dans la

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Jacques Le Goff's essay on the marvelous (first published in 1978) stimulated widespread interest and imitation;5 the American "new historicists" led by Stephen Greenblatt have engendered a plethora of studies of the early modem mania for wonders as an exercise in appropriation of "the other,,;6 literary critics such as Dubost and Harf-Lancner have carried into the Middle Ages an enthusiasm for the fairy and the uncanny initiated by Todorov and Bakhtin. 7 With the self-awareness characteristic of a century on the eve of a millennium, Paul Freedman and Gabrielle Spiegel have perceptively called attention to our own behavior, christening the present moment the "return of the grotesque," the "rediscovery of alterity."s In a seismic shift of histo~iographical consciousness, many historians of Europe now see the Middle Ages not as the roots of social and political institutions that led to the modem world - cities, law, capitalism, parliament, the hierarchy ofthe Catholic church, the nation state, etc. - nor even as the origins of modem ills, such as colonialism and persecution. 9 Rather the Middle Ages now seems inca1culably "other," disturbingly and radically disconnected from the present, alluring only in consequence of such "alterity." It is inevitable that each generation get the Middle Ages it deserves. And in our world-weary, postmodern, pre-millennial mode, it is particularly difficult to ask whether the monstrous and marvelous Middle Ages we have discovered is in any sense "true." Nonetheless I should like to focus on the years around 1200 France medievale (XIe_XII e siecle), Paris 1985. See also Le Merveilleux: L'Imaginaire et les croyances en Occident, ed. M Meslin, Paris 1984; and D. Poirion, Le Merveilleux dans la litterature frantraise du moyen äge (Que sais-je? 1938), Paris 1982. 5 J Le Goff, The Marvelous in the Medieval West, in: The Medieval Imagination, trans. A. Goldhammer, Chicago 1988, 27-44. 6 S. Greenblatt, Marvelous Possessions: The Wonder of the New World, Chicago 1991; and S. Greenblatt, Resonance and Wonder, in: Exhibiting Cultures: The Poetics and Politics of Museum Display, ed. I. Karp / S. D. Lavine, Washington 1991, 42-56. See also The Age of the Marvelous, ed. J Kenseth, Hanover, New Hampshire 1991; P Findlen, Possessing Nature: Museums, Collecting and Scientific Culture in Early Modem Italy, Berkeley 1991; and Text and Territory: Geographical Imagination in the European Middle Ages, ed. S. Tomasch / S. Gilles, Philadelphia 1998. 7 Metamorphose et bestiare fantastique au moyen äge, ed. L. Harf-Lancner, Paris 1985, and F. Dubost, Aspects fantastiques de la litterature narrative medievale (XII eme_ XIII"me siecles): I' autre, I' ailleurs, I' autrefois, Geneve 1991. 8 P Freedman, The Return of the Grotesque in Medieval Historiography, in: Historia a Debate: Medieval, ed. C. Barros, Santiago de Compostela 1995, 9-19; and P Freedman / G. M Spiegel, Medievalisms Old and New: The Rediscovery of Alterity in North American Medieval Studies, The American Historical Review 103 (1998) 677-704. 9 As Freedman and Spiegel remark, some of the interpretive work of the past twenty years does see the period as the origins of modem ills; for example, R. I. Moore, The Formation ofa Persecuting Society: Power and Deviance in Western Europe, 950-1250, Oxford 1987. In addition, one should note that there is still a formidable amount of work by American medievalists, much of it done under the influence of legal anthropology, that concentrates on institution al and legal history.

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and ask how the medieval theorists, historians and poets who explored and deployed miracles, marvels and monsters understood them. For this period ofproliferating wonders seems to have been characterized not by escape into alterity but by a resistance to the "othemess" recounted, a careful and even strained effort to order it in categories. If there is liminality and alterity in the medieval writing itself, it is controlled, framed and bracketed in highly self-conscious ways. For the purposes ofthis short essay at least, I leave it to others to decide how far the late twelfth- early thirteenth-century mode is really different from or similar to the present enthusiasm for the marvelous that has sent us seeking a wondrous Middle Ages. One must begin by admitting that historical sources from the years around 1200 do show a radical increase in phenomena we (like medieval ob servers) see as uncanny or bizarre. Werewolf and vampire stories, revived from classical and folkloric sources after a long hiatus, cropped up suddenly and repeatedly in histories, marvel collections and romances, as did accounts of fairies and animal-human hybrids. Ghost stories and accounts of demonie possession proliferated and grew more elaborate. Natural philosophers began to explore the possibility of alchemical transformation and to study objects such as magnets, cameos, and fossils, which were also eagerly collected as "wonders" by great nobles and prelates. Miracles of bodily transformation and paramystical phenomena, such as stigmata, mystical elongation of body parts, and levitation, became common in saints' lives, especially those ofmystical women. Travelers' tales of monstrous races, cannibals, and wondrous lands beyond the horizon circulated, and not all the authors were arm-chair travelers, although some of them were. \0 All this is weIl known; the "uncanny" Middle Ages of recent enthusiasm is certainly there to be studied. ll But, upon further consideration, medieval treatments of wonders, magie, and miracles turn out to be characterized to a sur-

10 F. C. Finucane, Appearances of the Dead: A Cultural History of Ghosts, London 1982; M B. Campbell, The Witness and the Other World: Exotic European Travel Writings, 400-1600, Ithaca, New York 1988; A.-D. von den Brincken, Fines Terrae: Die Enden der Erde und der vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten (MGH Schriften 36), Hannover 1992; J.-c. Schmitt, Les Revenants: Les vivants et les morts dans la societe medievale, Paris 1994; J. E. Salisbury, The Beast Within: Animals in the Middle Ages, New York and London 1994; B. J. Newman, Possessed by the Spirit: Devout Women, Demoniacs, and the Apostolic Life in the Thirteenth Century, Speculum 73 (1998) 733-770; and the many works cited in C. W. Bynum, Wonder, The American Historical Review 102 (1997) 1-26; and C. W. Bynum, Metarnorphosis, or Gerald and the Werewolf, Speculum 73 (1998) 987-1013. 11 There is general agreement among scholars that the late twelfth- early thirteenth century saw an increased interest in marvels. See R. Bartlett, Gerald of Wales, 11461223, Oxford 1982; and Bynum, Wonder (see note 10), 2. See also R. W. Southern, The Place of England in the TweIfth-Century Renaissance, in: R. W. Southern, Medieval Humanism, New York 1970,158-180, especially 171-174.

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prising extent both by what Katharine Park has called the de-wondering of the world 12 and by complex control and manipulation ofthe bizarre. In this paper I want to describe briefly the evolving discussion of miracula and mirabilia from the twelfth to the fourteenth century13 and then to use this ac count to make three points about the sophistication of medieval discussions of the wonderful. First, the defining of miracle (miraculum) as contrary to or beyond nature actually opened up vast areas of the world to a search for natural causes. Philosophical and theological consideration of "wonders" (mirabilia) as of miracula thus tended to naturalize and flatten the phenomena explained. Second, medieval theories of "wonder" (admiratio) saw it as perspectival, areaction to be manipulated and engendered. 14 The me die val stories of werewolves, elves, omens and marvels that so fascinate modem aficionados of the grotesque were in fact contained in complex literary genres that assume implicit readers far from credulous or crude in their response. Third, medieval glossing of marvelous tales, whether Ovid's Metamorphoses or stories of shape-shifters from Celtic tradition, tends to res ist the bizarre aspects of what it recounts, diminishing or rationalizing the "unnatural" without denying the wonder.

11. Miracles and Marvels: Medieval Categories I turn then to the categories used by medieval grammarians, theologians, natural philosophers and historians to define wonders. In the early Middle Ages, words such as "sign," "portent," "mystery" and "monster" (monstrum -literally, "something that shows or points") tended to be used interchangeably with mirabilia ("wonders" or "marvels") and miracula ("miracles"). A "wonder" was something that was great or difficult of accomplishment, unusual or beyond the ordinary; it was something that startled, that engendered awe or terror; it was something that beckoned, pointed beyond itself. 15 Hence the category was in 12 K. Park, The Topography of Wonder: Admiratio in Medieval and Renaissance Europe, Lecture for the University of Bielefeld, June 1993. 13 This is ground that has been covered from a somewhat different perspective by Ward, Miracles (see note 4), Le Goff, Marvelous (see note 5), and Daston / Park, Wonders and the Order ofNature (see note 2). Like Ward and Daston / Park, I differ from Le Goff in using the categories developed by medieval theorists rather than modern understandings of the wondrous. 14 It is important to note that medieval theories of wonder saw it as terror as weil as delight. See Bynum, Wonder (see note 10), 15-16. 15 This understanding went back to Aristotle and Augustine; see Aristotle, Metaphysics, trans. H. G Apostle, Bloomington, Indiana 1966, 16, book A 983aI3-21, and Augustine 0/ Hippo, De civitate Dei, ed. B. Dombart / A. Kalb (CC, SL 48), Turnhout 1955, 761-763 and 771, book 21, chapters 4 and 8; and Augustine 0/ Hippo, De utilitate credendi, in: PL 42, co!. 90, chapter 16.

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part psychological or epistemological: to any individual, a wonder was what was wondernd to her or him - what could not be explained yet hung with a weight that indicated or impelled. As Augustine of Hippo said: "the greatest miraeIe [is] the world itself.,,16 Story collections, whether ofthe marvels worked by holy people or of the treasures and oddities collected by travelers and pilgrims, ineIuded many events and objects which, however great their significance or power to astonish, would seem to us ordinary occurrences: flTe and disease, comets and eclipses, lost objects re-discovered, battles won, motives discemed, bravery practiced. By the twelfth century, however, vocabulary became more specialized and categories more ontological. Anselm of Canterbury, building on earlier ideas, distinguished among things done by God alone (mirabilis), things done by the will of creatures (voluntarius), and things done by nature (naturalis) - the latter two of course accomplished with God's permission and oversight. 17 William of Conches, commenting on the Timaeus, used the same distinction, apparently drawn from Chalcidius: ... omne opus vel est opus Creatoris. vel opus nature, vel artificis imitantis naturam. 18 Toward the end of the twelfth century, Amulf of Orleans, commenting on Ovid's Metamorphoses, categorized the types of change as natural, artificial or magical (i.e. done by human craft), and spiritual. 19 Basing themselves on such distinctions, theologians, historians and natural philosophers came to agree that mirabilia (marvels) ineIuded all things at which we might feel wonder because we did not understand, but that miracula (miraeIes) ineIuded only those things which were contrary to or beyond nature. In the mid-twelfth century lohn of Salisbury adumbrated such a defmition in his discussion of omens, commenting that there are occurrences contra naturam if by nature we mean the common course (cursum) of things or the hidden causes

16

Augustine, De civitate Dei (see note 15),775, book 21, chapter 9.

17 Anse/m ofCanterbury, De conceptu virginali et originali peccato, in: Opera om-

nia, ed. F S. Schmitt, 6 vols., reprint Stuttgart 1984, 11, 153-154, chapter 11,. For authors and texts important in sorting out the distinction between miracu/a and mirabilia, see Ward, MiracIes (see note 4),4-10; L. Daston, Marvelous Facts and Miraculous Evidence in Early Modem Europe, Critical Inquiry 18 (1991) 93-124. 18 William of Conches, Glossae super Platonem: Texte critique avec introduction, notes et tables, ed. E. Jeauneau (Textes philosophiques du moyen äge 13), Paris 1965, 104, § 37. 19 Arnulf ofOrleans, Accessus or Vita Ovidii, in: Amolfo d'Orleans: Un Cultore di Ovidio nel secolo XII, ed. F Ghisa/berti (Memorie dei Reale Istituto Lombardo di Scienze e Lettere, Classe di lettere, scienze moral i e storiche 24), Milano 1917-39, 181. Later commentators on Dante use Amulfs list and add "miraculous"; see L. Barium, The Gods Made Flesh: Metamorphosis and the Pursuit of Paganism, New Haven 1986, 166. It is important to note that Amulfs commentary on Ovid does not really make use ofthe typology developed in the accessus; see below at note 64.

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(causas) of events for which ratio can be given. Echoing an older Augustinian perspective, John then adds that if nature is the will of God, nothing is contra naturam?O By 1200 the marvel / miracle distinction was clearly taking hold. Two of the wonder collections of these years utilize the distinction, although only intermittently. Gerald of Wales, writing in the 1180s, twice takes up the theory of wonders, defining them as things which "occur contrary to the course ofnature [contra naturae cursum] and are worthy ofamazement [stupor]," and suggests that he will divide his account of them into miracles, done by the saints, and marvels (by which he seems to mean infrequent and unusual events).21 More than twenty years later, Gervais of Tilbury, in the prologue to part 3 of his Otia imperialia, differentiates miracles, which do not obey nature and are attributable to divine power, from marvels, which "escape our understanding although they are natural.,,22 In the 1220s, Caesarius of Heisterbach gave what became the classic defmition of miracle: Miraculum dicimus quicquid fit contra solitum cursum naturae, unde miramur. 23 As Thomas Aquinas later explained: " ... something is properly called a miracle when it happens beyond [praeter] the order of nature. But it is not enough for the essence [rationem] of a miracle that something occur beyond the order of a particular nature. Otherwise when someone throws a stone he would be performing a miracle, since his action is beyond the natural capacity of a stone. Consequently when something is called a miracle, it means an occurrence beyond the order of all created nature. This, however, cannot be done by . anyone except God. ,,24 20 John 0/ Sa/isbury, Policraticus, ed. K. S. B. Keats-Rohan (CC, CM 118), Tumhout 1993, 89-91, book 2, chapters 11-12. His apparently radical and contradictory statement that ... nichil fit in terra sine causa .... Ex quo consequenter patet ad phisicam omnia pertinere is sometimes quoted to suggest complete rationalism, but may mean nothing more than that causae or rationes in the sense of "significance" (rather than natural "efficient cause") can be found for all portents (ibid., 72, book 2, chapter I). 21 Gerald 0/ Wales, Topographia Hibemica, introduction to distinctio 2, in: Giraldi Cambrensis Opera, ed. J. S. Brewer / J. F Dimock / G F Warner, 8 vols. (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores [Rolls Series] 21), London 1861, V, 74-76, and Expugnatio Hibemica, preface, V, 209-211. Gerald's definition is somewhat incoherent but he seems to use a miracle / marvel distinction to organize distinctio 2 of his Topographia. In particular discussions, he fails to use the categories consistently; see note 60 below. 22 Gervais 0/ Tilbury, Otia imperialia, in: Scriptores rerum Brunsvicensium, ed. G W. Leibniz, 3 vols., Hannover, 1701-11, I, 960-961, decisio 3, prologue; J. Le Goff, Preface, to Gervais o/Tilbury, Le Livre de merveilles: Divertissement pour un empereur (Troisieme partie), trans. A. Duchesne, Paris 1992, ix-xvi, argues that the miracle / marvel distinction first clearly emerges in Gervais's introduction. On similar distinctions in the marvel collection of Walter Map, see Dubost, Aspects fantastiques (see note 7), 3645. 23 Caesarius 0/ Heisterbach, Dialogus miraculorum, ed. J. Strange, 2 vols., Köln 1851,11,217, distinctio 10, chapter 1. 24 Thomas Aquinas, Summa theologica, in: S. Thomae Aquinatis Opera omnia, ed. R. Busa, 7 vols., Stuttgart - Bad Cannstatt 1980, II, 343, pars I, quaestio 110, art. 4; and

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Of course such categorization admits that the order of nature can be violated, but it also ipso facto emphasizes that order and provides an incentive for its discovery. By defming miraculum as praeter naturam, Aquinas (like John and Gerald before him) suggests that all else, no matter how utterly particular or even preposterous it seems, can be understood as encompassed within the rules and regularities of the world. I make no original observation when I point out that an almost obsessive concern with the rules of change characterized scholastic discourse. 25 In general, change was treated as the unfolding of seeds or patterns (seminal reasons) within; the begetting of like from like was the handing down of a core or "truth" of nature or species. 26 Although Thomas Aquinas and Albert the Great, for example, argued that there are new species after creation,27 and that hybrids (or "mean species") can emerge,zs both spoke a good deal about like begetting like and asserted that, while individuals perish, species endure?9 Such concern for Thomas Aquinas, In Quattuor Libros Sententiarum, in: ibid., I, 176-177, book 2, distinctio 18, quaestio 1, art. 3. And see J. Hardon, The Concept of MiracIe from St. Augustine to Modem Apologetics, Theological Studies 15 (1954) 229-257, especially 233; and B. Bron, Das Wunder: Das theologische Wunderverständnis im Horizont des neuzeitlichen Natur- und Geschichtsbegriffs, Göttingen 1975, 14-16. 25 M-D. Chenu, La theologie au douzieme siecIe, Paris 1957; T. Gregory, La nouvelle idee de nature et de savoir scientifique au XII" siecIe, in: The Cultural Context of Medieval Learning, ed. J. E. Murdoch / E. Sylla (Boston Studies in the History and Philosophy of Science 26), Dordrecht - Boston 1975, 193-218; and Bynum, Metamorphosis (see note 10). 26 Traducianism (the passing of soul from father to child with the semen in human reproduction) was, however, rejected. See Peter Lombard, Sententiae in IV libris distinctae, ed. Collegium S. Bonaventurae, 2 vols., Grottaferrata 1971-81, I, 505-506, book 2, distinctio 31, chapters 1-3. 27 Thomas Aquinas, Summa theologica (see note 24), II, 287, pars 1, quaestio 73, art. 1, reply to obj. 3, argues that new species (those emerging after the six days of creation), if there are any (si quae apparent), existed before (praeextiterunt) in the active powers - that is, animals that emerge from putrefaction come by the power of the stars and elements, which are there from the beginning. Sometimes new kinds of animals (e.g., mules) emerge by the mixing (ex commixtione) of species but the causes of these existed before. 28 Thomas Aquinas, De potentia Dei, in: S. Thomae Aquinatis Opera omnia, ed. R. Busa, 7 vols., Stuttgart-Bad Cannstatt 1980, III, 203: Quaestiones disputatae, quaestio 3, art. 8, reply to obj. 16. Albert the Great, Book of Minerals, trans. D. Wyckoff, Oxford 1967,24-25,52-53, 177-178, 199-200, book I, chapters 6 and 8, book 3, tractate 1, chapter 9, tractate 2; chapter 6. On hybrids, see Albert the Great, De animalibus (books 22-26), trans. J. J. Scanlan, Bingharnton, New York 1987, 148-149, book 22, chapter 55 [105]. For Albert's critical stance toward natural philosophical information, see C. Hünemörder, Hochmittelalterliche Kritik am Naturkundlich-Wunderbaren durch Albertus Magnus, in: Das Wunderbare in der mittelalterlichen Literatur, ed. D. Schmidtke, Göppingen 1994, 111-135. 29 Thomas Aquinas, De potentia Dei (see note 28), I1I, 201-205 and 228-229, quaestio 3, arts. 7-9, and quaestio 5, art. 9; Thomas Aquinas, Summa theologica (see

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ferreting out the consistencies underlying ordinary and extraordinary occurrences is found everywhere in the twelfth and thirteenth centuries. An anonymous thirteenth-century author even went so far as to assert: "A great part of philosophers and physicians believes that all marvelousness of experiences and marvels [tota mirabilitas experimentorum et mirabilium] arises from natural things.,,30 By the fourteenth century, natural explanation was the first resort for the prodigious, the bizarre, the wonderful. A ghost was likely to be the product of bad digestion and insomnia, a double sun an illusion like the bent appearance ofa stick in water. As Nicolas Oresme argued: "People marvel at ... things only because they rarely happen, but the causes for these are as apparent as for others .... For example, at night a fearful man who sees a wolf in the fields, or a cat in his room, will immediately .. .judge that it is an enemy or a devil...because he fixes his imagination on these and fears them. And a [devout] person ... will judge that it is an angel.... A vigorous imagining of a retained species, then, together with a small extern al appearance or... an imbalance of some internal disposition... pro duces marvelous appearances in healthy as weil as in sick people .... ,,31

Although Oresme retained the category miraculum, his emphasis was on the necessity to search, in every case, for natural explanation. Hence it is clear that between 1100 and 1300, not only in technical scholastic treatises but also in commentaries by grammarians and in works that explore court life or collect prodigies, discussion of wonders led to an ontological distinction between miracula and mirabilia, although (as the passage from Oresme indicates) older understandings ofthe wondrous as that which elicits a wondering response also continued. 32 But the implications and consequences of these medieval discussions are, to modem minds, puzzling and somewhat counterintuitive. For medieval treatments resisted, constructed and flattened the inar-

note 24), 11, 279-280 and 342, pars 1, quaestio 65, and quaestio 110, art. 2. Albert the Great, Summa theologiae, in: Opera omnia, ed. S. C. A. Borgnet, vols. 31-33, Paris 1895, XXXII, 343-346, pars 2, tractatus 8, quaestio 31, membrum 2, art. 2, particula 2. 30 The quotation is from Pseudo-Albert, Liber de mirabilibus mundi; see Nicole Oresme and the Marvels of Nature: The De causis mirabilium, ed. B. Hansen, Toronto 1985, 61 note 36. 31 Nicolas Oresme, Oe causis, in: Nicole Oresme, ed. Hansen (see note 30), 160163; and Bynum, Wonder (see note 10),9. On the naturalizing ofthe apocalypse, see L. A. Sm oller, Of Earthquakes, Hail, Frogs, and Geography: Plague and Investigation of the Apocalypse in the Later Middle Ages, in: Last Things: Eschatology and Apocalypse in the Middle Ages, ed. C. Bynum / P Freedman, Philadelphia 1999, to appear. For Renaissance naturalizing of marvels, see J. Ceard, La Nature et les prodiges: L'insolite au XVI" siecle en France, Geneve 1977, and S. Clark, The Scientific Status of Oemonology, in: A Lycanthropy Reader: Werewolves in Western Culture, ed. C. Olten, Syracuse, New York 1986, 168-194. 32 Bynum, Wonder (see note 10).

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velous at least as much as they gloried in it. As I promised above, I shall make three arguments. The first is that separating miracle from marvel led to the naturalizing of magie, marvel, and prodigy, even in certain ways of miraculum itself. This conclusion is implicit in the development I just recounted, but we must go back to the twelfth century to understand it.

ill. Flattening and Naturalizing the Marvelous The line just traced, from John of Salisbury and Gervais of Tilbury, through Thomas and Albert, to Nicolas Oresme, clearly illustrates the naturalizing of mirabi/ia and the growing obsession with the regularity of the world. Nonetheless, for all their obsession with regularity, theologians, natural philosophers and historians could not deny the fact of either magie or miracle. The authority of Scripture guaranteed that the magicians who challenged Moses and Aaron did in fact turn rods into serpents (Exodus 7). But, given the developing definition of miraculum as something praeter naturam effected by God, such metamorphosis could not have been a miracle. Hence it must have been done in some way secundum naturam, as was perhaps the transformation worked by the patriarchs themselves. Such thinking led a number of chroniclers and theologians to argue that even some of Christ's miracles, such as the changing of water into wine at Cana (John 2:1-11) or the feeding ofthe five thousand (Matthew 14:1521; Mark 8:1-21; Luke 9:10-17; John 6:1-14), were only the speeding up of natural processes - hardly "miracles" at all. Peter Lombard, for example, wished to argue that we should feel more wonder at the failure of Pharaoh's magicians to make stinging gnats than at their conjuring of serpents from rods and frogs from mud (Exodus 7-8); but he asserted the change to be real and gave a naturalistic explanation. The serpents and frogs come from seeds "hidden by God in the elements of the world" and manipulated by magie; the conjurers do not create frogs any more than a farmer creates the crops he sows or parents their progeny, because "whatever appears to our eyes as born receives the beginnings of development, increments of size, and its own distinctive form from hidden seeds, according to mIes fixed at the beginning.,,33 A decade later, John of Salisbury argued that magieians really shake the elements (elementa concutiunt) and take away the species of things (rebus adimunt species suas).34 In the mid-thirteenth century, Thomas Aquinas insisted in several works that Pharaoh's magicians produced real frogs and ser-

33 Peter Lombard, Sententiae (see note 26), I, 362-364, book 2, distinctio 7, chapters 6-8; the Lombard here quotes Augustine, On the Trinity, book 3, chapter 8. 34 John ofSalisbury, Policraticus (see note 20),56, book I, chapter 10.

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pents (vera facta) but these were not miracles in a strict sense because they came by natural causes; Moses' frogs were, however, a miracle. 35 It is thus easy to see how what we might think of as rational, naturalistic explanations of change appeared even at the heart of the discussion of miracles. John of Salisbury, for example, argued that there are seminal reasons in things that unfold in preordained time; things appear marvelous when these reasons are hidden. Trees draw up water into grapes and make wine; if God speeds this up and turns water into wine without the intervening steps we call it a miracle because we do not understand. 36 The conservative monastic theologian Rupert of Deutz made a similar point about the miracle at Cana; we should feel, Rupert asserted, not admiratio at an event so easily understood but rather gaudium at the power of him who caused it and at the truly remarkable transfonnation: the Incarnation. 37 Peter the Venerable, writing against a heresy with dualist overtones, used the speed-up argument to explain change of substance in the eucharist: transfonnation of wine to blood is possible, he argues, because it happens in our own bodies. 38 In the thirteenth century, Albert the Great claimed that both Aaron and the magicians made serpents by speed-up ofthe seeds in things. Although he differentiated miracula, done by God and the saints, from mirabilia, done by demons and magicians, Albert saw both as effecting real transmutation and stated explicitly: "the method of miracles is this: the transfonnation of matter." Hence miracles are done "by transfonnation of fonn brought together with the power of nature, as when the blind see," or "by transfonnation of fonn and multiplication of matter, as in the feeding of the five thousand"; the greatest miracle of all is "where incapacity ofmatter remains," as when a virgin conceives and remains a virgin. 39 Nonetheless, for all his theoretical emphasis on transfonnation of matter, Albert's account tends to flatten, to nonnalize, the astonishing, whether magicalor miraculous. He even went so far as to use the notion of "likeness,"

35 Thomas Aquinas, Summa theologica (see note 24), 343 and 741-742, 11, pars 1, quaestio 114, art. 4, and pars 2 of pars 2, quaestio 178, arts. 1 and 2; Thomas, Summa contra Gentiles in: S. Thomae Aquinatis Opera ornnia, ed. R. Busa, 7 vols., StuttgartBad Cannstatt 1980, 11, 95, book 3, chapter 104; Thomas, De potentia Dei (see note 28), III, 234-235, quaestio 6, art. 5, reply to obj. 8. 36 lohn 01 Salisbury, Policraticus (see note 20), 91-92, chapter 12. The speed-up argument comes from Augustine. 37 Rupert 01 Deutz, Commentaria in Evangelium S. Joannis, in: PL 169, cols. 276277, book2. 38 Peter the Venerable, Contra Petrobrusianos, in: PL 189, cols. 803-804. 39 Albert, Summa theologiae (see note 29), XXXII, 360, tractatus 8, quaestio 32, membrum 2. Thomas Aquinas, Summa theologica (see note 24), 11, 347, pars 1, quaestio 114, art. 4, obj. 2, says (quoting Augustine) vera miracula per aliquam corporum immutationem fiunt.

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familiar from the biological principle "like generates like," to describe miraeles. While discussing the complex senses in which we both can and cannot say that seeds or causes of miraeles are planted in things from the beginning, Albert observes that there is a "potency to similar species" in things. "Every miraele whatsoever that we read God to have done, or done through the angels, tends always to some similar species of nature [semper est ad aliquam similem speeiem naturae].,,40 Hence when the blind man receives sight, he remains "like in species" to all those who are sighted by nature. "And when the virgin gives birth, she gives birth to a man like in form and species [similem informa et specie] to those who are men by nature." Even in the order ofthe miraculous, blind men do not receive extra ears, nor do virgins give birth to kittens. One senses the same desire to maintain order, to keep the miraculous elose to the pattern of nature, in Roger Bacon's rather alchemie al explanation of resurrection as the reduction of body to prime matter and the re-induction of form, or in Thomas Aquinas's insistence that Christ multiplied loaves by adding extraneous preexisting matter, as grains grow into a harvest, not by creating new breadmatter. 41 Hence the distinguishing of miraele and marvel as ontological categories led to the de-wondering of marvel, magie, and even of miraele. It also sometimes led to flattening - a substituting of generalized description for sharp, specific accounts of discrete and fascinating occurrences. When one reads Nicolas Oresme's "De causis," for example, one is at first enthralled by the insistence on rational explanations for the bizarre, but after dozens of pages one fmds that the argument amounts to repeated insistence on the general principle that events have natural causes; there is little elaboration of what, in particular cases, those natural explanations might be. Moreover, as Andre Vauchez has pointed out with regard to canonization procedures, there was not in fact a sharp enough sense of what the regularities of nature were to allow for testing individual miraeles as contra or supra the ordinary course of things. Hence the authenticating of saints tended to fall back on testing the character - the veracity and dependability - of witnesses. 42 We fmd the same development in chronicle and 40 Albert, Summa theologiae (see note 29), XXXII, 336-337, pars 2, tractatus 8, quaestio 31, membrum I, art. 4. 41 Thomas Aquinas, Summa theologica (see note 24), 11, 837, pars 3, quaestio 44, art. 4, reply obj. 4. Roger Bacon, The Opus maius of Roger Bacon, trans. R. B. Burke, 2 vols., Philadelphia 1928, 11, 672; and see C. W Bynum, The Resurrection of the Body in Western Christendom, 200-1336, New York 1995, 323-326. 42 A. Vauchez, Sainthood in the Later Middle Ages, trans. J. Birre//, Cambridge 1997, 490-498. Katharine Park is working on the topic ofthe scientizing of canonization processes, especiaIly with regard to women's bodies; see K. Park, The Criminal and the Saintly Body: Autopsy and Dissection in Renaissance Italy, Renaissance Studies 47 (1994) 1-33, and K. Park, Making the Body Speak: Autopsy and Female Sanctity in Early Fourteenth-Century Italy, paper delivered at the American Historical Association

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history writing in the years around 1200. Anxious to discover natural explanations for phenomena such as comets, fairies, stones with dogs inside, or mermen, authors often found themselves unhappily forced back upon defensive citing of witnesses. For example, the chronieler William of Newburgh, fiercely skeptical about reports of contemporary miraeles, feit compelled to believe an account of green children born from the earth because so many people had seen the evidence. William comments with apparent frustration that magicians do change rods into serpents and God permits these deceptions, but he can fmd "no reason" (i.e. no natural explanation) why such green children would appear. 43 Not only in scholastic quaestiones but also in history-writing and entertainment literature, then, discussion of wonders was often a rather arid straining to categorize and normalize rather than the escape into aIterity or liminality sought by recent critics. But it was not without humor. Gerald of Wales, for example, speaks repeatedly ofwonders as the jests ofnature. 44 Walter Map, who does not seem to be able quite to decide whether he is telling stories ifabulae) with no truth elaims or reporting events that might be subject to verification, makes it elear it's all in fun. In the prologue to part 2 of his "Courtier's Trifles," he remarks that we desire stories though we find accounts of God's judgment tedious. 4S It is hard not to suspect a spoof of university debates when he comments that we should feel no surprise at Christ's Ascension since we see fairies depart through the roof. 46 Medieval authors were, moreover, capable of deploying the category "miraele" in satire and with irony. William of Newburgh said about Malcolm of Scotland, whose mother sent a virgin to tempt hirn: "Let venerators of signs say what they wish and measure out merit to miracles .... I think that miracle in a boy king, of chastity besieged but untaken, ought to be preferred not only to the illumination ofthe blind but even to the raising ofthe dead.,,47

meeting, Seattle, January 1998. 43 William 0/Newburgh, Historia rerum Anglicarum, ed. R. Howlett (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores 82/1-2),2 vols., reprint Wiesbaden 1964, I, 82-87, especially 86-87, book I, chapters 27-28. 44 Gervais o/Tilbury, Otia (see note 22), I, 986, decisio 3, chapter 81. On Gerald of Wales, see Bynum, Wonder (see note 10), 15-16. For Bernard Sylvestris and Alexander Neckham on the playfulness of nature, see Bartlett, Gerald (see note 11), 117. 45 Walter Map, De Nugis Curialium: Courtier's Trifles, ed. and trans. M. R. James, revised by C. N. L. Brooke I R. A. B. Mynors, Oxford 1983, 132, prologue, distinctio 2; see also 500, distinctio 5, chapter 7. 46 Walter, De Nugis (see note 45), 348, distinctio 4, chapter 9. Gerald of Wales wrote to Walter and begged hirn to be more serious; Bartlett, Gerald (see note 11), 147. 47 William 0/ Newburgh, Historia (see note 43), 76-78; trans. in: N. Partner, Serious Entertainments: The Writing ofHistory in Twelfth-Century England, Chicago 1977,70. There was a decided anti-miracle strain in twelfth-century monastic writing and hagiography. Moreover, there was also awareness that miracle-working and virtue of life did

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And Walter Map wrote the following about the farnous monk Bernard of Clairvaux, whom he disliked: "[An abbot told this story:] ' .. a certain man from the borders of Burgundy asked hirn to come and heal his son; ... Dom Bernard therefore commanded the body to be carried into a private room, and shutting everyone out he lay upon the boy, and having prayed arose; the boy, however, did not arise, but lay there dead.' Then I [Walter] remarked: 'He was surely the most unhappy of monks; for never have I heard of any monk Iying down upon a boy without the boy arising immediateJy after the monk.' The abbot blushed, and many people went out ofthe room for a laugh.,,48

IV. The Wonder Response Observing the complex way in which Walter situates and brackets this story leads me to my second point. Authors not only discussed miracles and marvels as ontological categories; they also discussed - and manipulated - "wonder" as response. Building on the classical idea that the wonder reaction is relative to what one understands and where one is positioned, medieval writers expanded this notion to include what seems an almost postmodern sense of the cultural construction of experience. Jarnes of Vitry commented, shortly after 1200: " ... perhaps the cyclopses, who all have one eye, marvel as much at those who have two eyes as we marvel at them.,,49 The thirteenth-century missionary Williarn of Rubruck wrote that men at the court of the great Chan thought the Franciscans were "monsters" because they walked barefoot. And the farnous armchair traveler John Mandeville observed that, to those of other religions, Christians will appear the cannibals. so To Jarnes, John and Williarn, then, monstrosity was a matter of praxis as weIl as nature, and it depended on one's point-of-view. Such awareness that admiratio is a matter of cultural as weil as personal perspective was, moreover, connected to a clear sense that wonder can be induced

not necessarily correspond; see Bynum, Wonder (see note 10), 10-12; K. Schreiner, Discrimen veri ac/alsi: Ansätze und Formen der Kritik in der Heiligen- und Reliquienverehrung des Mittelalters, AKG 48 (1965) I-53; K. Schreiner, Zum Wahrheitsverständnis im Heiligen- und Reliquienwesen des Mittelalters, Saeculum 17 (1966) 131-169; E. Demm, Zur Rolle des Wunders in der Heiligkeitskonzeption des Mittelalters, AKG 57 (1975) 300-344. 48 Walter Map, De Nugis (see note 45),80, distinctio I, chapter 24. My translation. 49 James 0/ Vitry, Libri duo, quorum prior orientalis sive Hierosolymitanae alter occidentalis historiae nomine inscribitur, ed. F Moschus, reprint Farnborough, England 1971,215-216. For Aristotle and Augustine as sources ofthe medieval sense ofwonder as situated and perspectival, see above note 15. 50 Journey ofWiIIiam Rubruck, in: Mission to Asia, ed. C. Dawson, reprint Toronto 1980, 150, chapter 28, and The Travels of Sir John Mandeville with Three Narratives in Illustration ofIt, reprint New York 1964, 138, chapter 22.

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- and an enthusiasm for doing so. The high Middle Ages abound in books of "tricks" clearly understood to be such - recipes, that is, for everything from elaborate war machines to blackbirds baked in pies. And the machines were built, the banquets were performed. From the later thirteenth century, for exampIe, we have evidence of a count of Artois who created an elaborate funhouse with distorting mirrors, rooms that simulated thunderstorms, and hidden pipes for wetting unsuspecting visitors and covering them with flour. sl My argument that medieval people not only discussed response but even engineered and manipulated it leads to a related observation about their creation of texts. The fantastic wonder-stories in which historians have recently been so interested are contained in complex and self-reflective genres. Stories of vampires, ghosts, fairies and monsters are often presented not as factual reporting but as accounts embedded either in theoretical discussion that explores their evidentiary status, or in a romance genre that brackets questions of verisimilitude, or in entertainment literature that includes suggested response within the story. Literary theorists and historians have argued over whether one should use for such stories the sophisticated generic categories of the critic Tzvetan Todorov, who has distinguished between "the marvelous" (in which characters accept the supernaturaI), "the uncanny" (in which it is rationalized), and "the fantastic" (in which characters - and readers - vacillate between natural explanation and acceptance ofthe supernatural as supematural).s2 I fmd Todorov's categories usefu!. But even if they need a bit of adjustment in order to describe the wide variety of places where medieval authors recount the astonishing, it is clear that these authors framed their stories in such a way as to suggest complicated reader responses not limited to credulity. Marvels were sometimes collected in the sort of entertainment literature called "trifles" by Walter Map. Such collections tended to bracket questions of verification, distancing author and reader from the tale even as they enclosed it in nesting assertions of "he said" or "she said" or "he told him who told another." Authors built in (by describing) a readerly response of fear, skepticism, pleasure with a soup~on ofterror, or sadness and pity. Hans Belting has recently SI See R. Kieckhefer, Magic in the Middle Ages, New York 1989; W Eamon, Technology as Magic in the Late Middle Ages and the Renaissance, Janus: Revue internationale de l'histoire des sciences, de la medecine, de la pharmacie, and de la technique 70 (1983) 171-212; M Sherwood, Magic and Mechanics in Medieval Fiction, Studies in Philology 44 (1947) 567-592. 52 T. Todorov, Introduction cl la litterature fantastique, Paris 1970, 28-62. On the question of whether Todorov's categories should be applied to medieval works of the imagination, see Le Goff, Marvelous (see note 5), 34; L. Carasso-Bulow, The Merveilleux in Chretien de Troyes' Romances, Geneve 1976, 11-17; Dubost, Aspects fantastiques (see note 7), 3-29.

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called our attention to the way in which late medieval reliquaries construct our response to the wondrous object by depicting that response on the reliquary itself. Tiny figures of devotees or patrons often hold the relic, miming the devotion expected from the viewer. 53 In a similar fashion, marvel and miracle co 1lections embed and elicit reaction. Walter Map's risque story of Bemard of Clairvaux, quoted above, enhances the joke and the response by putting the story of Bemard itself in a reporter's mouth, then placing Walter's own rejoinder inside the account as a direct quotation, to which we the readers see participants in the story reacting with glee. In a second case, as serious as the Bemard story is humorous, Walter speaks simply and movingly of another non-miracle: an occasion on which the saintly bishop Peter of Tarentaise sent a deformed man away unhealed but with a new sense of self-worth. The wonder-reaction expected of us at Peter's moral insight is situated inside the incident; we see Peter leaping back as iffrom a blow at the spectacle ofthe man's psychological suffering. 54 Sober historians such as William of Newburgh used discussions of verification and evidence differently, in ways closer to Todorov's "uncanny." Omitting miracles almost entirely and rationalizing most "wonders," they left the reader with horror and puzzlement at those few oddities they could not situate as misperceptions, dreams, or coincidences. ss Even in works such as Gerald of Wales' "Topography of Ireland", which has affmities to Todorov's "grotesque," bald statements of fact turn out to be philosophical and literary explorations. For example, in the first recension of his work, Gerald wrote of a priest who met two werewolves: "About three years before the coming of Lord John into Ireland [1182 or 83], it happened that a priest, journeying from Ulster towards Meath, spent the night in a wood on the borders of Meath. He was staying up beside a fire ... and had for company only 53 H. Helting, The Image and Its Public in the Middle Ages: Form and Function of Early Paintings of the Passion, trans. M Hartusis / R. Meyer, New Rochelle, New York 1990,80-85,210-215; H. Helting, Die Reaktion der Kunst des 13. Jahrhunderts auf den Import von Reliquien und Ikonen, in: Ornamenta Ecc1esiae: Kunst und Künstler der Romanik: Katalog zur Ausstellung des Schnütgen-Museums in der Josef-HaubrichKunsthalle, ed. A. Legner, 3 vols., Köln 1985, III, 173-184. 54 Walter Map, De Nugis (see note 45), 136-138, distinctio 2, chapter 4. 55 In the accounts of early twelfth-century historians, such as Symeon of Durham, mirac1e and marvel flowed naturally together; both were seen as inducing delight. In the course of the twe1fth century, marve1 and mirac1e tended to get sorted out in history writing, and mirac1es mostly disappeared. By the time of Robert of Torigny (ca. 1140), mira tended to refer to natural wonders such as Stonehenge or to portents; miracula was coming to be reserved for the extraordinary acts of the saints. By the late twelfth century, William of Newburgh, who worried a good deal about portents, gave no mirac1es of saints; Richard of Devizes, like such writers of entertainment literature as Walter Map and Gervais of Tilbury, became quite cynical about mirac1es. See Partner, Serious Entertainments (see note 47).

53 Festschrift Elm

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a Iittle boy, when a wolf came up to them and immediately broke into these words: '00 not be afraid .... ' They were completely astounded and in great consternation. The wolfthen said some things about God that seemed reasonable ... [ and took them to his companion] a shewolf groaning and grieving Iike a human being, even though her appearance was that of a beast. [She requested the sacrament, and] to remove all doubt [the he-wolf] pu lIed all the skin off the she-wolf from the head down to the navel, folding it back with his paw as if it were a hand. And immediately the shape of an old woman, cIear to be seen, appeared. ,,56

Things here are not what they seem, and this is so not only because the werewolves are really still human but also because the story is about identity itselfidentity in the eucharist, identity in the God-man Christ, identity in the human being. In later recensions of his text, Gerald adds citations from ancient accounts ofmetamorphosis, musings on the theology ofthe Incarnation, and a discussion of the role of rationality in defming the human. Reducing much apparent species change and witchcraft to dreams, Gerald concludes that any "monster" born of human parents is human and that those who kill werewolves or the strange races offoreign lands commit homicide. 57 Gerald's stories are, however, stories, not allegories; neither the werewolf nor the priest "stands for" something else. Rather Gerald is exploring - as did his contemporary the poet Marie de France, who also wrote about werewolves - the categories of identity and metamorphosis themselves. S8

56 Gerald o[ Wales, The History and Topography of Ireland, trans. J. J. 0 'Meara, Harmondsworth 1982, 69-71, chapter 52 (distinctio 2, chapter 19). The text of the first recension (written ca. 1187) is in: Giraldus Cambrensis in Topographia Hibernie. Text of the First Recension, ed. J. J. 0 'Meara, Proceedings of the Royal Irish Academy 52 (1949) 143-145. The second recension was written before July 1189. I cite the later recensions from the Rolls Series edition (see note 21). 57 Gerald o[Wales, Topographia (see note 21), V, 106, distinctio 2, chapter 19. 58 On twelfth-century werewolf literature, see M Bambeck, Das Werwolfmotiv in "BiscIavret," Zs. rur Romanische Philologie 89 (1973) 123-147; D. M Kratz, Fictus Lupus: The Werewolf in Christian Thought, Classical Folia: Studies in the Christi an Perpetuation ofthe Classics 30 (1976) 57-79; L. HarfLancner, La Metamorphose iIIusoire: des theories chretiennes de la metamorphose aux images medievales du loup-garou, Annales: economies-societes-civilisations 40 (1985) 208-226; M Bacou, Oe quelques loups-garous, in: Metamorphose et bestiare (see note 7), 29-50; A Lycanthropy Reader, ed. Otten (see note 31); G Mi/in, Les Chiens de Dieu: La representation du loup-garou en Occident (XI· - XX· siecIes), Brest 1993; L. Dunton-Downer, Wolf Man, in: Becoming Male in the Middle Ages, ed. J. J. Cohen / B. Wheeler, New York 1997, 203218; and Bynum, Metamorphosis (see note 10), notes 60-67.

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v. An Enthusiasm for Order and the Resistance to Alterity The third and fmal point I wish to make about miracles and marvels in the years around 1200 follows from the arguments I have already made. It is that deep resistance - a sort of ontological anxiety - lurked behind the proliferating accounts of wonders and monsters. The thirteenth century produced ghosts and gargoyles, vampires and visionaries, to be sure, but the rage of medieval authors was for order not for alterity. As Richard W. Southern pointed out long ago, natural philosophieal explorations and fascination with marvels increased at the same time: a new sense of the wonderful was simultaneous with and fueled by the desire to knoW. 59 If Gerald of Wales and Gervais of Tilbury have a difficult time sticking to the distinction between miracula and mirabilia they partly help to craft, it is because what seems truly wondrous to them is the way things are. Although Gerald implies that he will limit miraculum to the work of God and the saints, he calls both a magie well of folklore and a case of inheritance of acquired characteristics "miracles," and even says that the leap of the salmon upstream would be a "miracle" if it were not the salmon's nature. 60 For all his insistence that miracles surpass nature while marvels are natural, Gervais of Tilbury manages to muddle his categories completely in his enthusiasm for storytelling: he slips an account of perpetually burning candles lit by the Virgin into a discussion of asbestos and uses the word miraculum for a cheese that putrefies when made by an adulterer and for the generosity of an old man who kills his horse to feed guests. 61 Moreover the entertainment literature that provides our best evidence of enthusiasm for liminality and otherness often strains to limit the ontological challenge of the material it recounts. Walter Map, for example, insists that a merman is verus homo, and that the children born to fairy women are fully human, not hybrids, but rarely happy.62 As I have argued elsewhere, it is significant that twelfth- and thirteenth-century scholastic treatises devote relatively little space to wonders, and when they do, they concentrate not on the cures that were by far the most frequent type of miracle but on the impossibility of category violations, such as demon-human hybridization or metamorphosis. 63 59 Southern, Place ofEngland (see note 11),171-174. See also R. W. Southern, Aspects of the European Tradition of Historical Writing 3: History as Prophecy, Transactions of the Royal Historical Association, 5th series 22 (1972) 159-180, especially 170173. 60 See Gerald, Topographia, V, 91 and 126, distinctio 2, chapters 8 and 41; Gerald, Itinerarium Kambriae, in: Opera VI (see note 21),35-36 and 131-132, book 1, chapter 2, and book 2, chapter 7; and Bartlett, Gerald (see note 11), 109. 61 Gervais, Otia (see note 22), I, 962, 993 and 994, decisio 3, chapters 3, 98, and 100. 62 Walter Map, De Nugis (see note 45), 344, 368-370 and 154-160, distinctio 4, chapters 8 and 13, and distinctio 2, chapters 12-13. 63 Bynum, Metamorphosis (see note 10),996 and 1006-1008.

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The most striking evidence of the tendency to tarne or "scientize" the wondrous is provided by the work Simone Viarre has done on Ovid commentary in the twelfth and thirteenth centuries. 64 Grammarians in the years around 1200 read Ovid's Metamorphoses cosmologically and biologically. Beginning their commentaries with catalogues of types of change, they then neglected the moral and ontological readings their catalogues suggested in favor of naturalizing and euhemerizing interpretations. Metamorphosis was suppressed. For example, early commentators took the story of Deucalion and Pyrrha, told to cast stones after the flood, as an account of the respective contributions of male and female seed in the act of reproduction (Metarn. 1.315-415), related the sex change of Tiresias to the seasons and the germination of seeds (Metarn. 3.323-38), and interpreted the story of Phaeton driving the horses of the sun as a description of the role of sunlight in the ripening of the harvest (Metarn. 1.751-779 and 2.1_400).65 ArnulfofOrIeans interpreted the story ofCyparissus, changed into a tree with horrible leaves, as a description of the aging of a beautiful adolescent into a rough and hairy old man (Metarn. 10.106-142).66 In glossing the rape of Europa (Metarn. 2.833-75), both John of Garland and Arnulf explained Jove's transformation into a bull as a reference to the picture of a bull carried on the prow of his ship.67 As Marie-Dominique Chenu, among others, has taught us, twelfth- and thirteenth-century literature was influenced in complex and beautiful ways by a sophisticated and Ovidian sense of the wonders of sexuality and fertility; but the poetry of Ovid's disciples was infused less with delight at the unusual and transgressive than with wonder at the rhythms and regularities of the world. 68

64 S. Viarre, La Survie d'Ovide dans la litterature scientifique des XII" et XIII" siecles, Poitiers 1966. 65 ArnulfofOrleans, Allegoriae (ca. 1174), in: Amolfo d'Orleans: Un Cultore (see note 19),202, book 1, number 7; 208; book 3, number 4; and 204, book 2, number 1, respectively. It is also important to note that Amulf singles out for attention the scientific tidbits one can find in Ovid, such as the discussion of coral: 212, book 4, number 20; cf. Ovid, Metamorphoses, trans. F J Miller, revised by G P. Goold, 2 vols., 3Cambridge, Mass. 1977, I, 230, book 4, Iines 740-752. About sixty years later, John of Garland gives similar interpretations; lohn of Garland, Integumenta Ovidii, poemetto inedito dei secolo XIII, ed. F Ghisalberti (Testi e documenti inediti 0 rari 2), Messina Milano 1933, 42, 44, verses 87-90, 115-116. lohn takes the fountain of Salmacis (Metam. 4.285-87) as the cell ofthe womb within which hermaphrodites are conceived: 52, verses 193-194. 66 Arnulf of Orleans, Allegoriae, in: Amolfo d'Orleans: Un Cultore (see note 19), 223, book 10, number 5. See also 221, book 9, number 8. 67 ArnulfofOrleans, Allegoriae, in: Amolfo d'Orleans: Un Cultore (see note 19), 207, book 2, number 13; and lohn ofGarland, Integumenta Ovidii (see note 65),47, verses 151-152. 68 Chenu, La theologie (see note 25); B. Stock, Myth and Science in the Twelfth Century: A Study of Bemard Sylvestris, Princeton 1972; W Wetherbee, Platonism and

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VI. Conclusion Thus eareful reading of the sources eonvinees me that medieval storytellers, philosophers, travelers, and historians were no less aware than we are of pattern, perspeetive, and mystery, that they displayed literary sophistieation, awareness of psyehological eomplexity, and a passionate enthusiasm for diseovering the order of the world. Such a eonclusion undereuts perduring cliebes about the Middle Ages as eredulous and emde, while questioning also a postmodern fixation on the period as loeus of the bizarre, the extreme, the grotesque. But I would not want to return, by my questioning, to a new "whig interpretation" of history - an emphasis on the origins of modern attitudes, whether rational or irrational, in the Middle Ages. Natural philosophers in the thirteenth and fourteenth centuries opened the world to a search for patterns and laws, it is true; storytellers and historians sometimes satirized the claims of holy people; authors of romances used folk traditions of shape-changing and tricksters to raise profound issues of human identity. But for all their search for explanation - both explanation as cause and explanation as significance - Nicolas Oresme and Gerald of Wales did believe in miracles and werewolves in a way most modern people do not. It is neeessary that each generation discover and create a new past. Kaspar Elm has seen many medieval periods as the deeades have elapsed and the emphases of scholarship have turned from parliaments and popes to heresies and female piety, from Benedictine eustumals to vampires, omens and elves. I would not wish to offer him on his seventieth birthday a poorer or less sophisticated Middle Ages than the one about which he has taught us so much. But I would also not wish to offer aperiod less fascinating and strange. I think it possible that the new generation of scholars, seeking on the eve of the second millennium aMiddie Ages filled with monsters and marvels, may have a salutary impact. If we bear in mind the sophistication, skill and self-awareness with whieh medieval authors handled argument and textual tradition, we may leam both about the past and about the present from the new emphases, although we must never forget that past and present are not the same. So I do not wish to dewonder either the years around 1200 or our own response. We may weil fmd that, in the Middle Ages as in the waning twentieth century, admiratio and stupor are reaetions not only to the other but also to the self.

Poetry: The Literary Influence of the School of Chartres, Princeton 1972; Barkan, Gods Made Flesh (see note 19).

Narrative Sourees: A Quantification of Culture and Religion By Ludo Milis

I. The Reappraisal ofNarrative Primary Sources 1 For some decades now, trends in medieval studies have reflected an awakening interest in narrative primary sources. Positivistic historians in the nineteenth and the ftrst half of the twentieth century very often held these sources to be useless for reconstructing the past because their contents had been shown to be unreliable. In general, the facts they reported could not be checked and, on the occasions when they could, the information tumed out to be improbable or erroneous, or it fell outside the conceptual framework of the modem historians themselves. Most narrative sources became victims of this attitude, in particular the lives of the saints and the miracle collections. "Objective" historiography was not prepared to make use of "subjective" primary evidence, the more so when this "subjectivity" was mostly coloured by the speciftc transcendental cosmology oftheir (very often anonymous) authors. The reappraisal of narrative sources in recent decades results from a more "introspective" view of history. Quite obviously, the historical methodology remains the same, that is to say, objective, and needs to be so. However, more than in the past, we want to know how people in the Middle Ages conceived their lives and their social setting, how they reacted as individuals and as a group. Instead of being seen as a weakness, the subjective imprint of the sources under consideration has shifted from a condemned weakness to an appreciated advantage. Many historians have stressed that it is much more our task to study how the past was perceived and lived than how the past had actually been.

I I sincerely thank the Ghent University chief-Iibrarian prof. Guido Van Hooydonk, my collaborators Veronique Lambert, Jeroen Deploige, Tom De Meester and Steven Vanderputten, and of course my wife Greta for good discussions and advice.

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Ludo Milis

Although narrative sources have been disdained for such a long time, much effort has been given in the past to making inventories of these sources. Eminent and representative names in German historiography linked their reputations to such enterprises, and their books are much more frequently referred to by the authors' last name, than by their actual title: "Potthast,,2 and "Wattenbach,,3 are striking examples. We all know how painstakingly efforts of this type progress or reach their end, if an end exists at all. Keeping inventories up to date needs considerable means, continuity ofstaff, and the good will ofmany more people. Every medievalist is grateful for what we call the "New Potthast", published by the "Istituto storico italiano per il medio evo", even when, after nearly forty years, the enterprise has only reached the middle of the alphabet. 4 Many independent factors have been responsible for the delay, such as the fluctuation of financial support, the repercussions of political instability on scholarship in Eastem Europe, or the untimely death or retirement of collaborators.

11. Narrative Sources As a result, smaller enterprises have proved to be more immediate assets. "Carasso-Kok" comes to mind, the excellent repertorium of Dutch narrative sources. 5 Since 1981 it has helped historians of the Low Countries to smooth the path of their investigations. I also think of "Genicot & Tombeur" for the present Belgium. 6 They registered other types oftexts too (theological and moral treatises and the like.) At the same time, the full text of the items has been stored electronically. The limitation, however, was and is that the "Cetedoc", the scientific centre involved, has not yet passed the year 1200. Two years ago, a new repertorium of narrative primary sources became available for the Southem Low Countries - roughly speaking the present Belgium and Luxembourg and the peripheral areas of France and The Netherlands covering the whole ofthe Middle Ages: it is simply called "Narrative Sources". This inventory results from the collaboration of medievalists of the University A. Potthast, Bibliotheca historica medii aevi, 2 vols., 2Berlin 1896. W Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis zur Mitte des XIII. Jahrhunderts, 2 vols., 6Berlin 1893-1894 and its later adaptations WattenbachLevison, Wattenbach-Holtzmann and Wattenbach-Schmale. 4 Repertorium fontium historiae medii aevi, Roma 1962 ff. (vol. VII, N, 1998). 5 M Carasso-Kok, Repertorium van de verhalende historische bronnen uit de Midde1eeuwen, Den Haag 1981. 6 L. Genicot & P. Tombeur. Index scriptorum operumque latino-beigicorum medii aevi, 4 vols., Bruxelles 1973-1979. 2

3

Narrative Sources: A Quantification ofCulture and Religion

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of Ghent (L. Milis) and the Catholic University of Leuven (W. Verbeke, J. Goossens). It is rather traditional in its contents, but offers a wider variety of infonnation than the classical inventories, such as the old and the new "Potthast" . It is, however, especially innovative in the style of its publication. 7 It is only available electronically: indeed, its consultation is gratis on the Intemet. 8 One does not need to acquire a CD-ROM or anything similar: being connected to the web is enough and the infonnation is thus available from any computer linked to the net, at the address: http://erlserv.rug.ac.be/cgi-bin/webspirs1.cgi? sp.nextfonn=search.htrn&sp.dbid.p=D lA6. 9

In. Quantification It is not the intention of this paper to provide publicity, neither for the database itself, nor for the option to have it (only) made available electronically. This paper will try to show, in very general tenns, how the data involved may be used for purposes other than those originally meant, which was the study of individual texts. Indeed, the number of sources has reached 1537 items, which allows reliable statistical conclusions and quantitative interpretations to be drawn. 1O The approach also pennits deductions to be made as to how medieval authors conceived the course ofhistory and also as to their sense ofhistoriography, and how they exemplified their cosmic and social setting. The graphs allow an astounding visualisation of the results. It is my purpose to show some exarnples ofthe innovative possibilities.

7 Narrative Sources 2.2. The Narrative Sources from the Southem Low Countries 600-1500. De verhalende bronnen uit de Zuidelijke Nederlanden 600-1500. Les sources narratives des Pays-Bas meridionaux, Gent - Leuven, Silver-Platter-database. 8 Bibliography concerning Narrative Sources: J. Deploige, User's Guide. Gebruikersgids. Guide de I'utilisateur, in: Narrative Sources 2.2.; id., Narrative Sources: defis et possibilites d'un outil interactif pour hagiologues, in: Le medieviste et l'ordinateur = Hagiographie - Hagiologie 34 (1996-1997) 16-20; id. . Het einde van het klassieke bronnenrepertorium? Narrative Sources: de middeleeuwse verhalende bronnen uit de Zuidelijke Nederlanden op Internet, Madoc: tijdschrift voor medit!vistiek 11 (1997) 169-174. A printed preprint (in a limited number of copies) has been published: M Gypen I V. Lambert I M De Reu I I. Roosens I A. Kelders 11. Deploige, De verhalende bronnen uit de Zuidelijke Nederlanden 600-1500 (VBZN)-The Narrative Sources from the Southern Low Countries 600-1500, 12 vols., Gent - Leuven 1995. 9 At the electronic address http://allserv.ac.be/-jdploige/sources users may suggest additions or corrections. 10 Currently version 2.2 (update March 1999) is used. The data in this article are based on version 2.1 (\ 998).

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IV. Sources ofMonastic Origin compared with all the Sources I would like to note frrstly the proportions between all narrative sources and those, which originated in a monastic (i.e. Benedictine or Cistercian) environment. 11 The Narrative Sources ofMonastic Origin in the Southem Low Countries

600 500 400 300 200 100

o 6

7 ~ all

8

9

11 10 centuries

12

narr. s. c:::J monastic narr. s.

13

14

15

--+- percentage

The data for the first three centuries of the Middle Ages are hardly useful statistically. A gradual and overall increase of the total number is obvious for both categories, monastic and all sourees, up to the twelfth century. Later, the number drops (in a different way, however), which might possibly be explained in two ways: either the sources before 1200 are better known and inventoried, or they were more numerous in the twelfth century than afterwards. The correct answer, I suggest, will respond to both suggestions at the same time. Striking in itself is the change in the proportional presence of the monastic texts: they hover at around 60% in the early Middle Ages, then rise to 90% in the tenth century before dropping systematically until the end ofthe fifteenth century. In absolute numbers, there is a very slight restoration in the fifteenth century (but with a total not even halfway between those ofthe tenth and the eleventh centuries). Moreover, if sources are less known for the later period (and the inventory less complete), non-monastic texts l2 would be more likely to be involved,

11 This implies that regular canons and mendicants have not been calculated among "monks". 12 Texts from the lay milieu, the secular church, the regular canons and the mendicant friars.

Narrative Sourees: A Quantification ofCulture and Religion

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considering the long-lasting dominance of monks in the writing of (their own) history.

v. Sources of Monastic Origin compared with Sources of other Religious Origin

The following graph shows the relative importance of Benedictine and Cistercian texts compared with texts originating in other "milieux" of the regular clergy. In the fIrst graph, the numbers are shown for the individual orders; in the second graph, those ofthe great order types: All Types ofNarrative Sources from a Regular Clergy Environment in the Southern Low Countries 600 500

numbers

400

300 200 100

o

700 600

numbers

500 400 300

200 100 0

Monks

Reg. Can.

Mend.+Kn.

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In these graphs, all the narrative sources have been taken into consideration whereas in the following graph only the major types of sources (chronicles, annals and histories-gesta) were taken into consideration. 13 The graphs show a similar aspect. One exception, however, is impressive: the inverse importance ofhistoriography within the individual orders ofregular canons.

180 160 140 E 120 ..... ~0 100 u 80 ..0 E 60 :l

Major Types ofNarrative Sources from a Regular Clergy Environment in the Southern Low Countries