271 33 31MB
German Pages 116 [125] Year 1963
S T A A T L I C H E M U S E E N ZU B E R L I N FORSCHUNGEN
UND BERICHTE, BAND 5
S T A A T L I C H E M U S E E N ZU B E R L I N
FORSCHUNGEN UND BERICHTE BAND 5
A K A D E M I E - V E R L A G • BERLIN 1962
HERAUSGEGEBEN VON DEN STAATLICHEN MUSEEN ZU BERLIN
SCHRIFTLEITUNG: GERHARD RUDOLF CARL
BLÜMEL
ELISABETH VERA-MARIA EDITH
MEYER
ROHDE
RUTHENBERG FRÜNDT
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8, Leipziger Straße 3—4 Copyright 1962 bei Akademie-Verlag GmbH, Berlin Lizenznummer: 202 . 100/134/63 Kartengenehmigung: M d l der D D R Nr. 8057/62 Gesamtherstellung: C . G . R ö d e r , Leipzig III/18/2-42829 Bestellnummer: 2081/5, ES 12 C
INHALTSVERZEICHNIS
FORSCHUNGEN:
BERICHTE:
M e y e r , G e r h a r d R a d o l f : Ein Onyx-Zepter aus Babylon K l e n g e l - B r a n d t , E v e l y n : Die Terrakottaform eines Wagenschildes im Vorderasiatischen Museum E s c h e n b a c h , H e l e n e E b n e r v o n : Bestickte Prunkhandtücher aus West-Thüringen F r ü n d t , E d i t h : Der Junge-Altar aus der Nikolaikirche zu Stralsund J a k o b - R o s t , L i a n e : Ein babylonisches Omen aus dem Jahre 592 v. u. Z J a k o b - R o s t , L i a n e : Zum Ohrschmuck der Assyrer K l e n g e l , H o r s t : Babylon zur Zeit der Perset, Griechen und Parther R o h d e , E l i s a b e t h : Beiträge zur OINOPHOREN-Gruppe T i m m , W e r n e r : „ G R O M " , der Monolith-Sockel des „Ehernen Reiters" in Leningrad F r ü n d t , E d i t h : Zur Neuaufstellung einer Sandsteinplastik des 18. Jahrhunderts in der Skulpturen-Sammlung W u r c h e , R i a : Die Elfenbeinbildwerke in der Skulpturen-Sammlung V o i g t , B r u n o : Eine Neuerwerbung der Ostasiatischen Sammlung S c h m e i c h l e r , W e r n e r : Die Antiken-Sammlung und ihre Besucher S e i l e r , F r i e d e m a n n : Zum Wiederaufbau des Alten Museums . . . . Ägyptisches Museum Papyrussammlung Vorderasiatisches Museum Antiken-Sammlung Islamisches Museum Münzkabinett Skulpturen-Sammlung Gemäldegalerie Kupferstichkabinett National-Galerie Museum für Volkskunde
7 10 14 25 31 34 40 54 62 67 73 79 81 8; 91 t 93 94 95 98 99 100 103 104 105 108
EIN ONYX-ZEPTER
AUS
BABYLON
Gerhard Rudolf Meyer
Bei den von der Deutschen Orient-Gesellschaft unter der Leitung von R. K o l d e w e y unternommenen Ausgrabungen in Babylon wurde am 18. April 1900 am Nordrande des Hügels Ischän 'Amrän ibn 'Ali das Depot eines Perlenschleifers entdeckt.1 Das Gebäude, in dem man diese Entdeckung machte, stammte aus der Parther-Ära. Gefunden wurden hier in zwei Körben verstaut, deren Geflecht noch klar erkennbar war, viele fertige oder halbfertige Perlen und zahlreiche weitere Kleingegenstände aus Halbedelstein (Achat, Amethyst, Bergkristall, Jaspis, Lapislazuli, Onyx) und anderes mehr.2 Wie schon R. Koldewey vermutet hat, scheinen verschiedene Stücke dieses Depots aus dem einstigen Tempelschatz von Esangila zu stammen, von wo sie, als dieses Heiligtum in parthischer Zeit mehr und mehr aufgegeben wurde, wahrscheinlich entwendet worden sind. Eins der bemerkenswertesten Stücke aus diesem Depotfund ist ein aus Onyx verfertiges Zepter (babylonisch-assyrisch: hattu), das in viele Fragmente zerbrochen freigelegt wurde. Die einzelnen Teile des Zepters sind knöpf-, Scheiben- und tropfenförmig oder auch in Gestalt eines abgestumpften Kegels, einer Glocke bzw. in Form einer sich nach einer Seite konisch verjüngenden Walze gedreht und auf Hochglanz poliert. Sie sind mit einer zentrischen Bohrung von 0,5 cm Durchmesser versehen und waren einmal auf einen Eisenstab aufgereiht, durch dessen Rosteinwirkung sie im Verlauf der langen Zeit in zahlreiche Bruchstücke zersprengt wurden. Der Onyx zeigt weiße, hell- bis dunkelgraue, lichtbis tiefbraune sowie schwarze Lagen und ist von vorzüglicher Qualität. Das Fundstück, im Journal der Babylon-Expedition unter Nr. 6540 verzeichnet, wird im Vorderasiatischen Museum unter der Nummer V A Bab 1625 verwahrt. Bis vor kurzem waren insgesamt 42 Fragmente als zu diesem Zepter gehörig bekannt3, an Hand derer schon W. A n d r a e Ende der dreißiger Jahre eine Zusammensetzung versucht hatte (Abb. i).4 Bei der unlängst erfolgten Sichtung und Aufarbeitung der Bestände in den Magazinen des Vorderasiatischen Museums konnten indessen noch weitere 31 Fragmente — kleinere und kleinste — identifiziert werden. Sie sind bisher unerkannt geblieben, weil sie fast sämtlich von rostigem Sinter bedeckt waren. Mit Hilfe dieser so gewonnenen Bruchstücke wurde es möglich, verschiedene bisher fragmentarisch erhaltene Bestandteile des Zepters zu ergänzen, wie auch 4 neue zu gewinnen. Hinzu kam, daß einige 1
V g l . R . K o l d e w e y , M i t t e i l u n g e n der D e u t s c h e n Orient-Gesellschaft zu Berlin, N r . 5 ( N o v e m b e r 1900), S. 4S.; ders., D a s w i e d e r erstehende Babylon. Vierte, erweiterte A u f l a g e (Leipzig 1925), S. 215 fr.
2
V g l . R. K o l d e w e y , a. a. O . ; ders., D i e T e m p e l v o n Babylon u n d Borsippa. 15. Wissenschaftl. V e r ö f f e n t l i c h u n g der D e u t s c h e n O r i e n t - G e s e l l s c h a f t (Leipzig 1911). S. 46fr, A b b . 6 6 - 6 9 , 74ff-; F r - Wetzel, E . Schmidt, A . Mallwitz, D a s Babylon der Spätzeit. 62. Wissenschaftl. V e r ö f f e n t l i c h u n g der D e u t s c h e n Orient-Gesellschaft (Berlin 1957), S. 32, 36fr., T a f . 4 1 , A b b . a, b, 42ff.
3
E i n i g e d a v o n abgebildet bei R. K o l d e w e y , D i e T e m p e l v o n Babylon u n d Borsippa, S. 47, A b b . 67 (a)—(c), (e), (f) u n d A b b . 69
4
P h o t o - N r . des Vorderasiatischen M u s e u m s : V A N 3976; bei Fr. Wetzel, E . Schmidt, A . Mallwitz, a. a. O . , Taf. 42, A b b . h.
7
Fragmente, die man seither für Reste verschiedener Bestandteile hielt, aneinandergepaßt werden konnten. So setzt sich das Zepter (Abb. 2) jetzt aus 16 Einzelteilen ( = 73 Bruchstücken) wie folgt zusammen: 1. K n o p f (Durchmesser 1,6 cm; Stärke 0,9 cm; 4Fragmente); 2. kleine, zur Hälfte erhaltene Scheibe (Dm. 1,8 cm; größte Stärke 0,5 cm; 1 Fragment, neu); 3. kleine Scheibe (Dm. 1,9 cm; größte Stärke 0,7 cm; 2 Fragmente); 4. kleine, zur Hälfte erhaltene Scheibe (Dm. 2 cm; größte Stärke 0,6 cm; 1 Fragment, neu); 5. kleiner „ T r o p f e n " , zur Hälfte erhalten (größter D m . 1,3 cm; Länge 2,1 cm; 1 Fragment, neu); 6. kleine Scheibe (Dm. 2,15 cm; größte Stärke 0,6 cm; 2 Fragmente); 7. kleine Scheibe, zu
3
/ 4 erhalten (Dm. 2,2 cm; größte
Stärke 0,7 cm; 2 Fragmente); 8. schlanke, konische Walze (größter Dm.
>
1,7 cm; Länge 9,5 cm; 20 Fragmente, davon 10 neu); 9. kleine Scheibe, fast ganz erhalten (Dm. 2,2 cm; größte Stärke 0,3 cm; 4Fragmente, neu); 10. größerer „ T r o p f e n " , fast ganz erhalten (größter D m . 1,8 cm; Länge 4,1 cm; 10 Fragmente, davon 9 neu); 1 1 . abgestumpfter Kegel (größter Dm. 3,9 cm; Höhe 2,05 cm; 2 Fragmente); 12. größere Scheibe, über die Hälfte erhalten (Dm. 3,9 cm; größte Stärke 0,45 cm; 2 Fragmente, davon 1 neu); 13. abgestumpfter Kegel (größter D m . 3,9 cm; Höhe 2 cm; 3 Fragmente); 14. Glocke, mit Ausbohrung 5 von 3,5 cm Dm. und 1,6 cm Tiefe (Dm. 4,3 cm; Höhe 3,2 bzw. 1,6 cm;
3 Fragmente); 15. Griff-
stück 2 (größter Dm. 2 , 2 c m ; Länge 5,1 cm; 13 Fragmente, davon 4 neu); 16. Griffstück 1 (größter D m . 3,4 cm; Länge 7,2 cm; 3 Fragmente). Mit seinen 16 mehr oder weniger ganz erhaltenen Bestandteilen dürfte das Zepter vollständig sein, dessen Gesamtlänge nunmehr 3 8,4 cm (früher 32,5 cm) beträgt. Selbstverständlich kann es sich bei der vorliegenden Zusammenstellung auch wieder nur um einen Versuch handeln, da ja die Fundumstände über die ursprüngliche Aufreihung der einzelnen Teile nichts ergeben haben. Das Zepter gehört zu den schönsten Stücken unserer Sammlung babylonischer Altertümer und ist ein beredtes Zeugnis für die hervorragende Fertigkeit der altvorderasiatischen Steinschneider. Über sein Alter und seinen einstigen Eigentümer wird sich schwerlich A b b . i . Zepter aus O n y x . Früherer Zusammensetzungsversuch
Genaues ermitteln lassen. E s trägt keine Inschrift, die auf solch einem markanten Stück eigentlich zu erwarten wäre, und die uns dann in beiden fraglichen Punkten weiterhelfen könnte. Die durch Inschriften datierbaren
Stücke aus diesem Depotfund, die wohl sämtlich dem ehemaligen Besitz des Tempels Esangila entstammen, gehören in die mittel- bis neubabylonische Epoche (Ulaburarias, Sohn des Burnaburarias [um 1450 v . u . Z . ] ; [680—669
v
K a d a s m a n ( x x ) ; Marduk-zäkir(nadin)-sum I. [um 850 v. u. Z . ] ;
Asarhaddon
- u - Z-] und Nebukadnezar II. [604—562 v. u. Z.]), so daß für die Datierung unseres
fraglichen Stückes ein weiter Zeitraum gegeben ist. Ich bin der Ansicht, daß das Zepter am ehesten in die Nebukadnezar-Zeit zu setzen ist, in der bekanntlich Kultur, K u n s t und Kunsthandwerk in Babylon zu höchster Entfaltung gelangten. Die vollkommene Beherrschung des technischen Arbeitsvorganges und das ausgeprägte künstlerische E m p finden für Formschönheit und Proportionen sprechen m. E . jedenfalls dafür, daß das Zepter nur in einer Zeit kultureller Hochblüte entstanden sein kann. 5
8
V g l . das Bruchstück bei R . K o l d e w e y , D i e T e m p e l v o n Babylon und Borsippa, S. 47, Abb. 67 (e).
A b b . 2. Onyx-Zepter in neuer Zusammensetzung
Allerdings muß dahingestellt bleiben, ob es sich dabei um einen zu einem Götterbild gehörigen Prunkstab, also ein „Gotteszepter", eine Weihegabe an eine Gottheit oder um das Herrschaftszeichen eines Königs, Fürsten oder einer sonst hochgestellten Persönlichkeit handelt. 6 Jedenfalls konnte ein Zepter solcher oder ähnlicher Form und in so vorzüglicher Erhaltung auf vorderasiatischem Boden bisher nicht ein zweites Mal nachgewiesen werden; es stellt somit ein Unikum dar. 6
Über Zepter in Vorderasien vgl. P. Thomsen u. E . Unger bei M. Ebert, Reallexikon der Vorgeschichte, Bd. X I V (Berlin 1929), S. 5 2 4 C
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
9
DIE TERRAKOTTAFORM EINES IM V O R D E R A S I A T I S C H E N
WAGENSCHILDES MUSEUM
Evelyn Klengel-Brandt
Im Oktober 1906 wurde von der deutschen Babylon-Expedition in der Gegend von El-Oheimir (Kisch) die Terrakottaform eines Wagenschildes gefunden, die unter der Nummer V A Bab. 655 (Fd. Nr. Bab. 32342) im Vorderasiatischen Museum in Berlin aufbewahrt wird. 1 Die Form hat eine Höhe von 15 cm und eine Breite von 11,8 cm; sie ist aus bräunlichem, häckselhaltigem, teilweise mit dünnem Asphalt überlaufenem Ton hergestellt. Sie besteht aus einer senkrechten Platte, an die die untere Standfläche des Wagens mit einer kurzen zapfenförmigen Erhöhung angearbeitet ist (Abb. 1). Auf dem Wagenschild befindet sich eine bildliche Darstellung (Abb. 2), die an beiden Seiten von einem breiten plastischen, nach oben leicht ausschwingenden Wulst umrahmt ist. Die obere Begrenzung bildet ein waagerechter Streifen, zu dem ein zweiter in der Mitte einbiegender Streifen parallel verläuft. Die beiden Wülste werden rechts und links durch je einen doppelten senkrechten Steg verbunden. Diese Konstruktion stellt offenbar die Verspannung des Rahmens dar. Im Mittelfeld ist ein nach rechts schreitender Krieger dargestellt, dessen Kopf und Beine in Seitenansicht, der Körper hingegen frontal wiedergegeben sind. Der Mann trägt ein kurzärmliges Gewand mit spitzem Ausschnitt, das am Oberkörper gemustert ist. Um den Hals ist anscheinend eine Kette mit einem runden Anhänger gelegt, der bis unterhalb des Ausschnittes herabhängt. Das Gewand ist in der Taille breit gegürtet und reicht mit einem schräg verlaufenden, gefransten Saum bis in Kniehöhe. Der Krieger hat einen kurzen Kinnbart und trägt auf dem Kopf eine fast spitz zulaufende Mütze mit einem breiten unteren Rand. Sein rechter Arm ist nur wenig angewinkelt und seine Hand hält ein leicht nach oben gerichtetes Kurzschwert. Sein linker, am Handgelenk mit einem Reifen geschmückter Arm ist vorgestreckt, die Hand packt einen vor ihm befindlichen Feind am Schopf. Der nackte, viel kleinere Gegner ist in Seitenansicht nach rechts mit auf den Rücken gefesselten Armen wiedergegeben. E r hat beide Beine leicht eingeknickt und den Oberkörper etwas nach vorn geneigt. Der Mann ist mit Spitzbart und langen, auf die Schultern fallenden Haaren dargestellt. Die Datierung dieses Wagenschildes ist nicht aus Fundbeobachtungen zu entnehmen, so daß man auf Motivvergleiche der bildlichen Darstellung angewiesen ist. Das Motiv des kämpfenden und siegenden Kriegers tritt immer wieder in den verschiedenen Zeitabschnitten der altorientalischen Kunst auf.2 1
Herrn Generaldirektor Prof. Dr. G . R. Meyer danke ich für die freundliche Erlaubnis, diesen Wagenschild veröffentlichen zu dürfen.
ä
V g l . z. B. das Bronzetor von Balawat (L. W. King, Bronze Reliefs from the Gates of Shalmaneser, London 1915, PI. X V I I , X L ) , oder zwei Orthostaten vom Teil Halaf (Teil Halaf III, Berlin 1955, Taf. 35 a und b).
IO
Besonders in der altbabylonischen Epoche (1830—1530 v. u. Z.) ist diese Darstellung sehr häufig zu finden. In der Plastik ist hinzuweisen auf das Bruchstück einer Siegesstele A O 2776 im Louvre 3 , in der Kleinkunst auf eine Reihe von Wagenschilden aus Kisch und anderen Orten4 sowie auf eine große Anzahl von Siegelabrollungen.5 Ein Vergleich zeigt eine Reihe bedeutender Unterschiede. In den altbabylonischen Darstellungen setzt der Krieger in den meisten Fällen seinen Fuß auf den bereits am Boden liegenden wehrlosen oder flehenden Gefangenen, um ihn mit dem über dem Kopf geschwungenen Sichelschwert, der Keule oder der Axt zu erschlagen. Neben diese verschiedenartige Auffassung der Szene treten geringe Abweichungen in der Kleidung der Personen. Die Gewänder der altbabylonischen Zeit sind um den Körper geschlungen, so daß ein Zipfel als Überschlag zwischen den Beinen herabhängt. Die Kopfbedeckungen zeigen vorwiegend die Form einer Halbkugel mit umgeschlagenem Rand, die Bärte sind in den meisten Fällen lang und rechteckig (so z. B. auf der Gesetzesstele des Hammurapi). Aus derZeit der III. Dynastie von Ur (2050—1950 v. u. Z.) stammt ein sehr sorgfältig gearbeiteter Siegelzylinder aus Susa6, auf dem — neben anderen Szenen — die Tötung eines besiegten Gefangenen dargestellt ist. Die Wiedergabe der Gruppe ähnelt in der Anordnung der Figuren der Auffassung der altbabylonischen Zeit, da auch hier der Krieger ein Sichelschwert über dem Kopf schwingt und der knieende Gefangene flehend seine Hand erhebt. Doch hat letzterer wie der Gefangene des Wagenschildes einen kurzen spitzen Bart und lang auf die Schultern herabfallendes Haupthaar. Verfolgt man das Kampfmotiv weiter in ältere Zeiten zurück, so findet man es in der Akkad-Zeit (2350—2150 v. u. Z.) in seiner großartigsten Ausprägung. Die Siegesstele des Naram-Suen und einige andere Reliefs bieten sich hier zum Vergleich an. Die weite Schrittstellung und der zum Stoß gesenkte, leicht angewinkelte Arm des Kriegers auf dem Wagenschild ähneln der Haltung Naram-Suens auf seiner Siegesstele, nur daß dieser dort einen Speer trägt. Auch findet man, vor allem bei den Kriegern Naram-Suens, den ziemlich kurzen, in Seitenansicht spitz zulaufend dargestellten Bart wieder. Auf einem Relief aus Lagasch 7 , das in die Akkad-Zeit datiert wird, zeigen sich Übereinstimmungen der Kleidung und Barttracht mit den Figuren unseres Wagenschildes. Dargestellt ist ein bekleideter Krieger, der einen nackten stehenden Feind am Bart packt und ihn mit der Keule erschlagen will. Als weiteres Beispiel ist auf das Relief des Königs Annubanini von Lullubum und die Stele von HorenSheikh-Khan 8 hinzuweisen, die in der Darstellungsform stark von der Stele des Naram-Suen beeinflußt sind und ebenfalls noch der Akkad-Zeit angehören. Besonders aufschlußreich sind die Figuren der nackten Gefangenen, deren in der Seitenansicht spitz wirkende Bärte und auf dem Rücken gefesselte Hände sie dem Besiegten auf dem Wagenschild an die Seite stellen lassen. Auf gleiche Art Gefesselte sind auch auf dem Fragment einer Stele des Sargon im Louvre 9 und auf einem Reliefbruchstück aus Susa 10 abgebildet. Das Basisfragment eines Obelisken aus Susa 11 zeigt eine Kampfszene, bei der besonders der mit leicht eingeknickten Knieen stehende nackte Gefangene, dessen Hände auf dem Rücken gebunden sind, große Ähnlichkeit mit der kleinen Figur des Wagen3 4
5
Gute Abbildung A f O 16 (1952/53) S. 293/94, Abb. 1 1 . Zur Deutung zuletzt W. Nagel, Z A N F 19 (1959) S. 133 — 35. Premières Récherches Archéologiques à Kich, Tome Second (Paris 1925) Pl. I X , 3, 5; dazu auch E . D . van Buren, Clay Figurines of Babylonia and Assyria (New Häven 1930) Nr. 1252. Vgl. außerdem van Buren op. cit. Nr. 1250, flg. 301 und Nr. 1 2 5 1 . Zum Beispiel A . Moortgat, Vorderasiatische Rollsiegel (Berlin 1940) Taf. 38, Nr. 292; L. Delaporte, Catalogue des Cylindres Orientaux. Cachets et Pierres Gravées du Louvre (Paris 1920) Pl. 53, 24; L. Delaporte, Cylindres Orientaux, Annales du Musée Guimet X X X I I I (Paris 1909) Pl. V , 66; H. Frankfort, Cylinder Seals (London 1939) Pl. X X V I I I d ) .
6
Mémoires de la Mission Archéologique en Iran, Tome X X X (Paris 1947) Pl. X I , 4.
7
Gute Abbildung Schmöckel, Ur, Assur und Babylon (Stuttgart 1954) Taf. 42b.
8
Nachzeichnung bei Ghirshman, Iran (Penguin Book 1954) flg. 22 und 21. R A 21 (1924) S. 66 Abb. 1.
0 10
Délégation en Perse, Mémoires, Tome V I I (Paris 1905) Pl. 2. Die Datierung des Reliefs ist unklar. P. Jequier op. cit. S. 24 zieht einen Vergleich mit der Geierstele, vielleicht darf man jedoch provinzielle Rückständigkeit annehmen und es in die 2. Hälfte des 3. Jahrtausends setzen.
11
Op. cit. Taf. 2a.
12
schildes aufweist. Die auf dem gleichen Fragment abgebildete Gruppe eines stehenden Kriegers, der den knieenden Gegner an den Haaren packt, stimmt in motivlicher Hinsicht mit den Figuren des Wagenschildes überein. Die hier aufgeführten Beispiele bieten zwar eine Reihe von Ubereinstimmungen, eine direkte Parallele zur Darstellung des Wagenschildes kann jedoch nicht festgestellt werden. Das Motiv des siegenden Kriegers hat von der Akkad-Zeit bis zur altbabylonischen Epoche eine klar erkennbare Entwicklung erlebt. Die Auffassung des Motivs, die Haltung und Kleidung der Personen des Wagenschildes weisen, wie oben ausgeführt, nähere Beziehungen zu Werken der Akkad-Zeit als zu denen der altbabylonischen Periode auf, wobei die aus Kisch stammenden Wagenschilde das Motiv abgewandelt haben. Es ist jedoch bei der Datierung von Werken der Kleinkunst wie des Wagenschildes zu berücksichtigen, daß die Kleinkunst alte Formen länger bewahrt hat und gegenüber Werken der Großplastik zurückbleibt. Aus diesen Gründen läßt sich das Stück zeitlich nicht genauer einordnen, und es kann für seine Entstehung nur der Zeitraum von der Akkad-Dynastie bis zur altbabylonischen Epoche angegeben werden.
Das Relief des Annubanini von Lullubum wird nach Edzard (ZA N F 20, 1961, S. 258, Anm. 2) jetzt wohl in die frühaltbabylonische Zeit datiert. Diese Notiz wurde der Verfasserin nach Redaktionsschluß bekannt. Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
!3
BESTICKTE PRUNKHANDTÜCHER
AUS
WEST-THÜRINGEN
Aus den Beständen des Museums für Volkskunde Helene Ebner von Eschenbach
Stickerei ist uraltes Handwerk der Frau, dessen Tradition wir in einer geraden Linie vom verzierten Saum des Gewandes in der Vor- und Frühgeschichtszeit über die künstlerisch bedeutsame und in ihrer technischen Voraussetzung sehr anspruchsvolle Kunststickerei des Mittelalters bis zur Auflösung des festumrissenen Formenschatzes der volkstümlichen häuslichen Stickkunst (in der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts) verfolgen können. Das bäuerliche Stickwerk, das einen besonderen Raum in der Textilgestaltung einnimmt, offenbart uns nicht nur Fleiß, weibliche Erfindungsgabe, Lust am Schmücken und Sinn für liebevolle Kleinarbeit, sondern auch landschaftliche und herkunftsbedingte Eigenarten, Einordnung in die Dorfgemeinschaft und in den Rhythmus des Jahres und des Lebenslaufes. Zwar üben vielfach die Vorbilder der Klosterstickerei und die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts verbreiteten gedruckten Mustervorlagen sowie die seit dem 16. Jahrhundert erschienenen Musterbücher 1 einen nachhaltigen Einfluß auf die volkstümliche Textilgestaltung aus, jedoch lassen sie einen weiten Raum zur schöpferischen Umgestaltung des Musterschatzes frei. Wir unterscheiden in Deutschland eine Reihe von charakteristischen Stickereilandschaften, die ein starkes Eigengesicht tragen. Von der volkskundlichen und auch kunsthistorischen Forschung sind sie entsprechend gewürdigt worden. Aber es gibt einige Landschaften, die zu Unrecht fast völlig vergessen wurden. Unter ihnen befinden sich nämlich solche, deren Leistungen in der Stickkunst weit über das übliche Maß hinausragen. Besonders das thüringische Nadelwerk hat eine große Anzahl köstlicher textiler Denkmale überliefert, die nur summarisch und am Rande in der Trachtenforschung erwähnt werden. 2 Auf Grund der Bestände des Museums für Volkskunde, die fast alle aus einem einzigen Kreis stammen, sowie der Bestände der Thüringer Heimatmuseen, erscheint es uns notwendig, nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß hier im „grünen Herzen Deutschlands" noch ein weites Forschungsfeld unbearbeitet v o r uns liegt. Eine Sonderstellung innerhalb der Volkstextilien nimmt das Prunk-, Pracht- oder Paradehandtuch ein, das seit dem 17. Jahrhundert in den Bauernhäusern der deutschen Landschaften zu finden ist. 3 E s bildete ein wichtiges Stück der Brautaussteuer und war der Gradmesser für den Leinenreichtum der Bäuerin. 4 Als Ausstattungsstück für die Feste des Jahres und hohe Tage des Lebens hatte es seine 1
F u r m - und Modelbüchlein, A u g s b u r g : Schönsperger 1 5 2 3 . H a n s Siebmacher, Schön neue Modelbuch, N ü r n b e r g 1587.
2
Luise G e r b i n g , D i e Thüringer Trachten, E r f u r t 1 9 2 5 , siehe Stichwort „ S t i c k k u n s t " im Register.
3
K a r l R u m p f , Alte bäuerliche Weißstickereien ( = Beiträge zur hessischen V o l k s - u n d Landeskunde, H e f t 1), M a r b u r g 1 9 5 7 ,
4
O . A . Erich u. R . Beitl, Wörterbuch der Deutschen V o l k s k u n d e , Stuttgart 1955, S. 597: Paradehandtuch.
S. 1 2 .
14
festumrissene Bedeutung 5 , die in den verschiedenen deutschen Landschaften kaum voneinander abweicht. Den festlichen Schmuck des Raumes bei Tauffeier und Hochzeit, bei Totenfeier und Hausabendmahl bildet es in Westfalen6 und Hessen', in Schleswig-Holstein8 und Sachsen9. In Thüringen kann man auf Grund der vorhandenen Bestände an Paradehandtüchern aus früheren Jahrhunderten auf einen ähnlichen Bestimmungszweck schließen. Diese Schmucktücher hingen an den Wänden des Festraumes oft an besonders schön gestalteten Handtuchhaltern, so in Westfalen, im Alten Land und auch in Thüringen. 10 In der Winser Elbmarsch hing das Tuch vor dem Türfenster und zeigte an, daß hier ein Kind geboren war. A n Festtagen hing das Prunkhandtuch über einer schön ausgestalteten Handtuchwelle an der Seitenwand im Flett. 11 Im Altenburgischen hing das Paradehandtuch in der Bohlenstube an der Türsäule 12 . Ende des 19. Jahrhunderts diente es aber nur noch zum Verdecken der Handtücher für den täglichen Gebrauch. 13 Dasselbe war im Vogtland der Fall, wo es in der Bauernstube ebenfalls an einem bevorzugten Platz an der Türsäule hing. 14 Auch in Thüringen wird ihm dieser Platz eingeräumt. 15 Die Sonderstellung des Prunkhandtuches innerhalb der Volkstextilien wird aber nicht nur durch seine brauchtumsgebundene Benutzung bewiesen, sondern auch vor allem durch seine Ausgestaltung. Es ist eines der seltenen Gegenstände, an dem beim gleichen Stück die verschiedensten volkstümlichen Textiltechniken auftreten können. Die Prunkhandtücher in Thüringen lassen sich nach ihrer Herstellung in folgende große Gruppen unterteilen: 1. Gewebte Prunkhandtücher in den verschiedensten bäuerlichen Webtechniken. 16 2. Bestickte Prunkhandtücher, die wiederum in folgende Gruppen unterteilt werden können: a) Kreuzstich, b) Freie Stickerei, hauptsächlich Plattstich mit figürlicher Musterung, c) Durchbruch- und Spitzentechniken, d) Eine kleine Gruppe, bei der verschiedene Techniken an einem Stück vorkommen. 3. Bedruckte Prunkhandtücher. Im Folgenden werden die Prunkhandtücher der umfangreichen 2. Gruppe beschrieben, soweit sie im Museum für Volkskunde vorhanden sind. Dabei sei besonders auf die thüringische Stickkunst des 18. Jahrhunderts hingewiesen. Ob diese Arbeiten von dörflichen Stickerinnen hergestellt wurden oder ob sie als Arbeiten des bäuerlichen Eigenwerkes entstanden sind, wissen wir nicht. Auf jeden Fall geben sie Zeugnis von einer großen Begabung und berechtigen zu der Frage, ob nicht hier etwas von dem Geist der mittelalterlichen Stickereien weiterlebt, wie sie z. B. heute noch im Ursulinenkloster zu Erfurt aufbewahrt werden und auch dort entstanden sind.17 Wie hoch die Paradestücke der Braut5
W o l f g a n g Schuchhardt, Textilien, in: Spamer, Deutsche V o l k s k u n d e , B d . i , Leipzig 1934, S. 455.
6
Paul Satori, Z u r V o l k s k u n d e des Regierungsbezirkes M i n d e n , in: Zeitschrift des Vereins für Rheinische und Westfälische V o l k s k u n d e , 1907, S. 1 9 3 , 275.
7
K a r l R u m p f S. 1 2 .
8
E r n s t Schlee, Schleswig-Holstein (Deutsche V o l k s k u n s t N . F.), Weimar o. J . , S. ; 4 f .
9
R o b e r t Wuttke, Sächsische V o l k s k u n d e , Leipzig 1903, S. 535.
10
D a s M u s e u m f ü r V o l k s k u n d e besitzt besonders schön gedrechselte Handtuchhalter aus B ü c k e b u r g und aus dem Alten L a n d ;
11
Annemarie Zieting, Bäuerliche Stickereien aus der Winser E l b m a r s c h , Berlin 1942, S. 9 f.
einen etwas einfacheren aus Thüringen. 12
Wuttke S. 4 7 ; , A b b . 2 2 5 .
13
E b d . S. 535.
14
E b d . S. 229.
15
D i e s e Mitteilung verdanke ich Herrn D r . O. Schmolitzky, J e n a .
10
Uber die gewebten Prunkhandtücher w i r d eine Sonderuntersuchung vorbereitet.
17
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal der F r a u Oberin des Ursulinenklosters zu E r f u r t sehr herzlich dafür danken, daß sie mir die Einsichtnahme in die Textilschätze des Klosters gestattete.
r
5
ausstattung, um solche handelt es sich durchgehend, eingeschätzt wurden, kann man daraus ersehen, daß manches Prunkhandtuch außer seiner Stickerei mit kostbaren Spitzen geschmückt ist.
Prunkhandtücher mit Kreuzstich A b b . i bis 3
Die A n f ä n g e der thüringischen Kreuzstichkunst sind uns bis jetzt noch nicht bekannt. Wahrscheinlich liegen sie Jahrhunderte zurück. Wir kennen nur einen Höhepunkt im 18. Jahrhundert und die Verfallszeit. Der Formenschatz auf den Prunkhandtüchern ist größtenteils den Stickmustertüchern entnommen, die von den Mädchen in Stadt und Land gefertigt und v o n Generation zu Generation nachgestickt wurden. A u s dieser A r t der Weitergabe, sowie aus der Beschränkung, die die Technik auferlegt, ist es zu erklären, daß die Muster sich durch die Jahrhunderte fast unverändert erhalten haben. 18 Der Stickgrund für den Kreuzstich war immer die handgewebte Leinewand, von der in jedem Bauernhaus ein großer Vorrat vorhanden war. Für die Paradestücke der Aussteuer wurde natürlich nur das allerbeste Leinen ausgewählt. Als Stickmaterial wurde größtenteils mit K r a p p eingefärbtes rotes und mit Indigo eingefärbtes blaues Leinenstickgarn benutzt. Weil die Leinenfaser diese beiden Farben am besten annahm, bildeten sie jahrhundertelang die Hauptfarbe für den Kreuzstich. Das Muster war bestimmt durch die Uberlieferung, in seiner Anordnung hatten sich jedoch verschiedene landschaftliche Merkmale herausgebildet. Durch Schmuckborten wird das T u c h in Felder eingeteilt, die dann je nach Kenntnis der überlieferten Vorlagen und dem Können der Stickerin mit feingliedrigen oder großflächigen Mustern gefüllt werden. Sehr gerne wird das Alphabet über die ganze Fläche verteilt, so daß neben dem Monogramm, das jedes Stück ziert, oft der ganze Schmuck der Felder nur aus Buchstaben besteht. Neben dem Monogramm steht selbstverständlich die Jahreszahl, die aber nicht immer das Entstehungsjahr des Tuches bedeuten muß, sie kann auch erst im Hochzeitsjahr eingefügt worden sein. Was die Motive betrifft, so ist das Tierornament oft nur bescheidenes Schmuckzeichen, etwas reicher ausgebildet wird das geometrische Pflanzenmotiv, jedoch den Hauptanteil des Schmuckes bestreiten auf allen Tüchern die reich gestalteten Zierkanten und Borten, bei einigen Tüchern in Verbindung mit dem Holbeinstich, der ebenfalls an die Struktur des Leinenuntergrundes gebunden ist. Den unteren Abschluß des Prunkhandtuches bilden hauptsächlich Fransen, die v o n einem andersfarbigen Stück Leinen stammen, oder auch kunstvoller Sprang, dessen Herstellung zu den heute längst vergessenen bäuerlichen Textiltechniken gehört.
Prunkhandtücher mit freier Stickerei Der Platt- oder Flachstich trägt entschieden dekorativen Charakter und wird deshalb mit Vorliebe für Prunkhandtücher verwendet, weil sie wegen ihres Verwendungszweckes zu den hervorragendsten Schmuckstücken des bäuerlichen Wäscheschatzes gehörten. Hier wird neben dem schon erwähnten Leinengarn auch Stickseide benutzt, die ebenfalls dazu beiträgt, das rein dekorative Element zu betonen. Die Sticktechnik wurde von den Frauen des 18. Jahrhunderts meisterhaft beherrscht. Die G e staltung des Stickwerkes muß jedoch auf bestimmte Vorlagen und auf eine lange Tradition zurückgehen ; wohl ähnlich wie im benachbarten Hessen, w o der Nachweis erbracht ist, daß die bäuerlichen 18
D a s älteste mir bekannte Stickmusterbuch in Thüringen wird im Staatlichen B u r g m u s e u m auf der Veste Wachsenburg aufbewahrt und stammt v o n 1624. D i e gestickte Jahreszahl ist allerdings ausgefallen, nur die Nadelstiche sind noch sichtbar.
16
A b b . i. Prunkhandtuch von 1 7 1 7 aus Niederdorla/Kr. Mühlhausen (17 A 69 N)
A b b . 2. Prunkhandtuch von 1 7 1 9 aus Niederdorla/Kr. Mühlhausen O7A70N)
Abb. 3. Prunkhandtuch von 1770 aus Oberdorla/Kr. Mühlhausen (17 A 63 N)
Abb. 4. Prunkhandtuch von 1729, aus Mühlhausen (17 A 55 N)
textilen Künste z. T . auf die kulturgeschichtlich wichtigen Klosterwerkstätten zurückgehen. 19 Die Bedeutung der Mustervorlagen der stickfreudigen Renaissance für die thüringischen Stickereien bedarf noch der Untersuchung. Figürliche Motive, besonders Kreuzigungsgruppen, ähnlich wie auf dem Prunkhandtuch von 1729 (Abb. 4), w o der füllende Klosterstich verwendet ist, finden wir auch auf Stickmustertüchern dieser Zeit, aber in Kreuzstich gestickt. Das genannte Prunkhandtuch aus Mühlhausen von 1729 zählt mit zu den kostbarsten uns überlieferten Stücken und ist in seiner Ausführung einzigartig, weil es in seiner ikonographischen Aussage den Beweis erbringt, daß die Stickerin noch im 18. Jahrhundert das Motiv als Zeichen zu deuten wußte, das im Mittelalter und in noch früheren Zeiten als Sinnbild in der christlichen Kunst entstanden ist. Adam und E v a in der Sündenfallszene sind ein beliebtes Hochzeitssymbol 20 , das gilt auch für die Volkskunst. Wir finden es gestickt und gewebt, geschnitzt und gemalt, auf Tellern, Kacheln und Fliesen abgebildet und auf festlichen Gebäckstücken. Als Zeichen für die Hochzeit ist es auch hier aufzufassen, da es ja als Schmuckmotiv eines wichtigen Gegenstandes des Hochzeitsgutes benutzt worden ist. A u f unserem Prunkhandtuch wird die Symbolsprache des Mittelalters lebendig, die in Farbe und Motiv des Stickwerkes zum Ausdruck gebracht ist. Danach gehören die Motive des zweiten und des dritten Feldes zusammen. Der Sündenfall und die Erlösung werden einerseits durch die Paradiesszene und andererseits durch die Kreuzigungsgruppe mit den Leidenswerkzeugen dargestellt. 21 Der Baum der Erkenntnis trägt rote, rotgelbe und gelbe Äpfel, seine Blätter sind grün, grün-gelb und gelb gestickt. A u c h hierin ist wohl bildhaft der Zusammenhang von Schuld und Erlösung ausgesprochen. Fahlgelb ist die Farbe des Verrates 22 , der den T o d zur Folge hat. 23 Rot ist die Symbolfarbe der wiedergeborenen Liebe 24 , grün die der Neugeburt 2 5 sowie der göttlichen Barmherzigkeit. 26 Die Paradiesschlange, die sich am Baum der Erkenntnis herabringelt, ist auf unserem Tuch als einfache gekrönte schillernde Schlange dargestellt. Diese F o r m der Schlangendarstellung ist seit der Barockzeit wieder üblich. 27 Die Schlange ist immer das Sinnbild des Teufels, des Bösen. 28 Dagegen weisen Hirsch, Storch, Hase und Pfau auf Erlösung und Auferstehung hin, wie auch die beiden buntschillernden Eisvögel, die auf den Baum der Erkenntnis zufliegen. Der Storch gehört nach Luthers Bibelübersetzung zu den „gerechten V ö g e l n " , die die rechte Zeit merken, wann sie wiederkommen sollen. 29 Alles dies beweist, daß die Stickerin in der Anwendung der Symbole und in der Farbgebung auf alte Uberlieferung zurückgeht, und es ist anzunehmen, daß ihr die Bedeutung der alten Zeichensprache genau bekannt war. 30 K a r l R u m p f , Hessen (Deutsche Volkskunst N . F.), Marburg/X^ahn 1 9 5 1 , S. 16. 20
Sigrid F'.sche, A d a m und E v a , Sündenfall und E r l ö s u n g ( = Lukas-Bücherei zur christlichen Ikonographie, Bd. 8), Düsseldorf
21
Leonie Reygers, A d a m und E v a , in: Reallexikon der Deutschen Kunstgeschichte, B d . 1 , Stuttgart 1937, Sp. 1 5 1 , A b b . 20:
22
Klementine Lipffert, Symbol-Fibel, Kassel 1955, S. 69. M a n f r e d Lurker, Symbole, Mythos und L e g e n d e in der K u n s t ( • Stu-
2:1
Lieselotte Straub, B a u m , in: Reallexikon der Deutschen Kunstgeschichte, B d . 2, Stuttgart 1948, Sp. 64IT.
1 9 5 7 , S. 32. „ S ü n d e n f a l l und E r l ö s u n g " im Missale des Berthold Furtmeyr von 1 4 8 1 . dien zur Deutschen Kunstgeschichte, B d . 314), Baden/Baden 1959, S. 39. 24
K l . Lipffert S. 69. M e n g i s , R o t , in: Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, B d . 7, Berlin 1935/36, Sp. 796.
23
K l . Lipffert S. 74. Mengis, G r ü n , in: Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, B d . 3, Berlin 1 9 3 0 / 3 1 , Sp. n 8 o f .
26
K l . Lipffert S. 76.
27
Sigrid E s c h e S. 29.
28
K a r l K ü n s t l e , Ikonographie der christlichen K u n s t , B d . 1, F r e i b u r g 1928, S. 259.
29
Hirsch: Wilhelm M o l s d o r f , Christliche Symbolik der mittelalterlichen K u n s t , Leipzig 1926, S. 202; Vera v. B l a n k e n b u r g , Heilige und dämonische Tiere, Leipzig 1943, S. 1 3 6 ; Lipffert S. 27; Lurker S. 43. Storch: Lipffert S. 28 (unter: Ibis), S. 355. H a s e : Blankenburg S. i 6 o f . ; Lipffert S. 26; Lurker S. 39. P f a u : LipH'ert S. 32; L u r k e r S. 32. E i s v o g e l : Lipffert S. 23.
:(0
D i e E i n f ü h r u n g in die Bedeutung der Symbolsprache in den Werken der Volkskunst verdanke ich den Vorlesungen v o n Frau Gertrud Weinhold, Berlin.
19
Im oberen Feld dieses kostbaren Prunkhandtuches ist der Name der Besitzerin und die Jahreszahl „ J u s t i n a Sophia Stülerin. 1 7 2 9 " in ein Band eingestickt, das von zwei schwebenden Engeln getragen wird. Justina Sophie Stüler, Tochter des Tuchmachermeisters Johann G e o r g Stüler in Mühlhausen und einer Pastorstochter aus Horsmar, ist am 1. 6. 1 7 1 4 geboren und heiratete am 19. 6. 1738 den Ratsherrn Christian Gottfried Stephan in Mühlhausen. 3 1 Sie war also 15 Jahre alt, als das Tuch für sie angefertigt wurde. Die beiden Engel halten außer dem Schriftband eine K r o n e über einen Doppeladler, der als Hinweis auf die freie Reichsstadt Mühlhausen zu deuten ist. E i n Prunkhandtuch mit gleicher Anordnung der Motive — aber ohne Doppeladler — aus dem Jahre 1743 mit dem Namen Anna Christina Bonifacien befand sich früher als Altartuch in einer Pfarrkirche in Mühlhausen. 32 Das Stickwerk auf den Prunkhandtüchern des 19. Jahrhunderts weist gegenüber denen des 18. Jahrhunderts kaum mehr figürliche Gestaltung auf. Pflanzenornament und Alphabet sind die beliebtesten Stickereimotive, wie auf dem Prunkhandtuch von 1 8 1 6 (Abb. 5).
Prunkhandtücher mit verschiedenen Techniken und mit Zierborten in Durchbruch- oder Filetstickerei Eine besondere Gruppe von Prunkhandtüchern ist mit Stickwerk in verschiedenen Techniken ausgeziert. Bei dem Prunkhandtuch von 1754 aus Grabe bei Mühlhausen (Abb. 6) sind die einzelnen Felder mit rotem und blauem Leinengarn in verschiedenen Sticharten reich bestickt; das oberste und unterste Feld mit Kreuzstich, die beiden mittleren Felder mit freier Stickerei, in der Hauptsache Plattstich. Das Monogramm A . B . H . und die Jahreszahl weisen auch dieses Stück als Hochzeitsgut aus. Trotz der fast formelhaften Wiederholung der einzelnen Ornamente und der Reihung der Motive entsteht eine lebendige Wirkung, weil die Farbzusammenstellung bei jedem Muster eine andere ist. Besonderes Interesse verdient der Spruch auf dem dritten Feld: „ A n a • ist ein Jeder man bekant Barbara • war meine bat genant Her • steht meine name am Ende ting • mich den will ich Z u gottwend." Zwischen die einzelnen Felder sind Streifen in Doppeldurchbruch eingefügt. Dazu kommt als unterer Abschluß eine Klöppelspitze, so daß insgesamt vier volkstümliche Textiltechniken an diesem einen Stück zu finden sind. A u f dem Paradehandtuch von 1784 (Abb. 7) ist ebenfalls Doppeldurchbruch für die Trennungsstreifen der einzelnen Felder voneinander benutzt worden, hier in geometrischer Anordnung der Motive. Die eingefügten Kreuzstichmuster aus schwarzem Garn sind leider fast vollständig ausgefallen, so daß nur noch anhand der Nadelstiche die Jahreszahl rekonstruiert werden konnte. Die Stickerei in den Feldern läßt sich dagegen nicht mehr feststellen. Das Prunkhandtuch von 1778 (Abb. 8) ist mit einem breiten Streifen in Netzstickerei (Filetarbeit) verziert, eine Technik, die wir bei einer größeren Anzahl thüringischer Volkstextilien in Verbindung mit anderem Stickwerk finden. Bei der Filetarbeit wird ein durchbrochener Grund benutzt, in den das Muster eingestopft wird. Die Mustervorlagen stammen fast alle aus Siebmachers „ S c h ö n neue Modelbuch" von 1587. Wahrscheinlich läßt sich die Filetarbeit in Thüringen bis in die Renaissancezeit zurückverfolgen. Die im Heimatmuseum zu Ruhla aufbewahrten Prunkhandtüchet 3 3 , von denen eines die ;tl
Stammtafel der Familie Stüler in: Mühlhauser Geschichtsblätter 28, 1927/28, S. 226f. Den Hinweis verdanke ich Herrn D r . Ulrich Steinmann, Berlin.
32 :t3
Nachweis im Photo-Archiv des Museums für V o l k s k u n d e , Berlin. Luise G e r b i n g , D i e Ruhlaer Tracht, R u h l a 1909, S. 33 u. T a f e l V I , a. u. b.
20
Ûr • , M ¡ M
^ffc U
j
- 'AfIÄt
njßptif"
** • ¡S
^M C
V inai
V
•
Abb. 6. Prunkhandtuch von 1754 aus Grabe/Kr. Mühlhausen (17 A 58 N)
Abb. 7. Prunkhandtuch von 1784, erworben in Gotha (17 A 67 N)
Jahreszahl 1689 trägt, gehören mit zu den schönsten Beispielen dieser Textiltechnik, die als Schmuck Thüringer Volkstextilien noch einmal gründlich untersucht werden muß. Der Annahme Luise Gerbings, daß es sich vielleicht um Stickereien für kirchliche Zwecke handelt, möchte ich nicht zustimmen. Der Gebrauch des Prunkhandtuches muß bereits um 1700 im bäuerlichen Lebenskreis Thüringens allgemein üblich gewesen sein, wenn man die Tücher aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts als Grundlage heranzieht. Diese sind meisterhaft gestickt sowie in der Anordnung der Ornamente voll durchgebildet. Sie unterscheiden sich auch in ihrer Ausführung von den gleichzeitigen Prunkhandtüchern anderer Landschaften. Diese Arbeit ist ein Hinweis auf den Reichtum und die landschaftlich ausgeprägte Eigenart der Thüringer Volkstextilien. Sie ist zugleich als ein kleiner Beitrag für eine noch ausstehende Gesamtmonographie des Prunkhandtuches gedacht, die heute nur noch auf Grund des vorhandenen Materials in den Museen erarbeitet werden kann. P h o t o n a c h w e i s : S t a a t l i c h e M u s e e n zu B e r l i n .
24
DER
JUNGE-ALTAR
AUS DER N I K O L A I K I R C H E
ZU
STRALSUND
Ein Beitrag zum Problem der Werkstoffverwendung in der mittelalterlichen Plastik
Edith Fründt
Im Jahre 1955 wurde der sogenannte „ J u n g e - A l t a r " aus der Nikolaikirche zu Stralsund (Abb. 1) in der Werkstatt der Skulpturensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin durch den Restaurator Wolf-Dieter Kunze wiederhergestellt.
Bei der genauen Untersuchung von Schrein und Figuren
kamen einige bisher unbekannte Besonderheiten zum Vorschein, die im Zusammenhang mit den handwerklichen Gepflogenheiten der mittelalterlichen Schnitzkunst für die Herkunft des JungeAltars von großer Bedeutung sind. Diese Restaurierungsergebnisse sollen hier zum ersten Male veröffentlicht werden und geben Anlaß, die schon mehrmals erörterte Frage nach der Provenienz dieses Werkes nun nicht von der stilkritischen, sondern von der technischen Seite her aufzugreifen. Das Problem kann im Rahmen dieses Aufsatzes allerdings nur angedeutet werden, eine endgültige Lösung muß im Zusammenhang mit der Verwendung der verschiedenen Holzarten in der mittelalterlichen Plastik einer größeren Arbeit vorbehalten bleiben. Die Bestimmung der Holzarten ergab, daß nur das Schreingehäuse und die Engelfiguren aus Eichenbzw. Lindenholz sind, für die Madonna aber Nußbaum benutzt war. Bei der näheren Untersuchung der Mittelfigur zeigte sich, daß an der Rückseite mehrere senkrecht laufende Bohrgänge von etwa 4 cm Durchmesser sichtbar waren. Sie begannen im Oberkörper der Madonna und lagen an der ausgehöhlten Rückseite zum Teil offen. E i n etwa 30 cm langer Bohrgang führte von der rechten Schulter der Figur abwärts und war mit einem v o m Wurm zerfressenen Lindenholzdübel verschlossen. Dieser vertikal geführte Gang und ein halb aufgeschnittener, nachträglich zugesetzter Bohransatz an der linken Schulter (Abb. 2) deuteten darauf hin, daß die Madonna ursprünglich vollrund gearbeitet und erst nachträglich ausgehöhlt, also „hohlgeschlagen" wurde. Außerdem müssen an der linken E c k e der Rückseite die Gewandfalten abgeschnitten worden sein (Abb. 3), was sich sowohl an der scharfkantigen Schnittfläche der Fassungsschicht, als auch am Verlauf der Faltenbahn zeigt. Erst
durch das Hohlschlagen und das Verkleinern paßte die Figur in den Schrein hinein;
vollplastisch wäre sie zu groß gewesen. Ferner fehlt an der rechten Vorderkante des K o p f tuches ein Stück des Saumes, das zusammen mit dem Riß unter dem Kinn der Madonna beweist, daß der K o p f einmal abgetrennt und ein 1 bis 2 cm breites Stück des Halsabschnittes entfernt worden war. Diese bei der Restaurierung zutage gekommenen Eigentümlichkeiten deuten darauf hin, daß die etwa 1,30 m große Mittelfigur ursprünglich nicht für den Schrein bestimmt war, sondern ihm erst nachträglich eingefügt wurde. Damit erhebt sich von neuem, jetzt von der handwerklich-technischen Seite her, die schon mehrfach erörterte Frage nach der Herkunft dieses qualitätvollen Bildwerkes.
25
Abb. i . Junge-Altar aus der Nikolaikirche in Stralsund
Abb. 2. Madonna aus dem Junge-Altar (Ausschnitt: Bohrloch, Rückseite)
Abb. 3. Madonna aus dem Junge-Altar (Ausschnitt: Faltenansatz des Mantels, Rückseite)
D e r J u n g e - A l t a r w i r d v o n der F o r s c h u n g einmütig f ü r eine lübeckische A r b e i t gehalten. 1 M a n schreibt die M a d o n n a dem Meister des Lettners v o n St. Marien zu. A b e r ein V e r g l e i c h mit den u m 1425 entstandenen F i g u r e n v o n der Westseite des Lettners 2 zeigt, daß die 80 cm großen Steinplastiken nur den Schnitt der niedergeschlagenen A u g e n mit der J u n g e - M a d o n n a gemeinsam haben, sonst aber bew e g l i c h e r in ihrer Haltung und lieblicher im Ausdruck sind. F ü r die J u n g e - M a d o n n a gibt es w e d e r stilistische noch i k o n o g r a p h i s c h e Parallelen in der lübeckischen Plastik des weichen Stils. A u ß e r i h r ist kein Beispiel einer schönen M a d o n n a des lübeckischen Kunstkreises bekannt. I h r e nächste V e r w a n d t e b e f a n d sich in d e m 600 k m östlicher gelegenen T h o r n . D i e s e 1 , 1 5 m große K a l k s t e i n - M a donna 3 hat in der A n o r d n u n g des G e w a n d e s — g r o ß e Schüsselfalten an der Standbeinseite und reiches Faltengehänge neben dem Spielbein — und dem Sitz des K i n d e s g r o ß e Ähnlichkeit mit der J u n g e M a d o n n a . D o c h die H a l t u n g ist eleganter, der A u s d r u c k weicher, kurz — sie ist v o n größerer Qualität. ]
Max Paul, Sundische und lübische Kunst. Berlin 1 9 1 4 . S. 37 —6K; H. Bethe, Die Mecklenburgischen Schnitzaltäre von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts. Phil. Diss. Leipzig 1925 (ungedruckt); C. G . Heise, Lübecker Plastik. Bonn 1926. S. 1 4 ; W. Paatz, D i e lübeckische Steinskulptur aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Lübeck 1929. S. 44; H . Wentzel, Lübeck und Stralsund. I n : Monatsbl. d. Ges. f. pomm. Gesch. u. Alterstumskde. Neue F o l g e 50. 1936. (7/8. S. 142—47); Max Hasse, D e r Flügelaltar. Dresden 1 9 4 1 . S. 48; A . Feulner u. Th. Müller, Gesch. d. dt. Plastik. München 1953. S. 279; E . Fründt, D i e mecklenburgische Plastik v o n 1400 bis zum A u s g a n g des Mittelalters. Phil. Diss. Rostock 1954 (ungedruckt) S . 4 9 ; W. Paatz, Prolegomcna zu einer Geschichte der deutschen spätgotischen Skulptur. Heidelberg 1956. S. 34.
2
C. G. Heise, a. a. O . A b b . 21.
:1
I m 2. Weltkrieg vernichtet. K . H. Clasen, D i e mittelalterliche Bildhauerkunst im Deutschordensland Preußen. Berlin 1939, A b h . t*2 .
27
Die Übereinstimmung in den Äußerlichkeiten hat Pinder veranlaßt, beide Bildwerke aus einer Wurzel herzuleiten und in der Junge-Madonna eine norddeutsche Abwandlung der „Schönen Madonnen" zu sehen. 4 Uber die Herkunft dieser Gruppe herrscht jedoch in der Forschung keine Einmütigkeit. D a sich der größte Teil der stilverwandten Figuren im Osten und Südosten (sog. Thorner Madonna, Breslauer Madonna, Krumauer Madonna u. a.) befindet, nimmt Pinder eine Entstehung im schlesischböhmischen Raum an 5 und hält die Junge-Madonna für das Produkt einer von Osten nach Westen wandernden Stilströmung 6 . Glasen ist aber der Meinung, der Hauptmeister dieser Gruppe, der sogenannte „Meister der schönen Madonnen", stamme v o m Niederrhein, hätte hier sein frühestes Werk, die Bonner Madonna geschaffen und sei dann nach dem Osten gewandert. 7 Als Beweis für seine These führt er eine Reihe sowohl v o n früheren als auch von gleichzeitigen Madonnen des Rheinlandes an. Sie alle haben schon das Charakteristische des „Schönen-Madonnen"-Typs, den Mantel mit den großen Schüsselfalten an der einen und den über den A r m herabfallenden Faltenkaskaden an der anderen Seite. Unter diesen von Clasen genannten Figuren befindet sich eine, die nicht nur große Ähnlichkeit mit der Thorner Madonna, sondern mehr noch mit der Junge-Madonna hat. V o n dieser Madonna aus St. Servatius in Maastricht (Abb. 4) hat die Mittelfigur des Junge-Altars nicht nur Haltung und Gewanddrapierung übernommen, sondern die Falten des Mantels sind bis in letzte Einzelheiten hinein genau nachgebildet. Bei beiden ist die Fußspitze des Spielbeins unter dem G e wand sichtbar, und rechts davon bauscht sich der Saum zu einer leicht geknickten Tütenfalte. Diese hakenförmige Falte hat auch die Thorner Madonna, aber hier fehlt die gabelartige Stauung des Untergewandes über der rechten Fußspitze. A u c h die Anordnung der großen Faltenkaskade ist fast wörtlich übereinstimmend. Hier wie dort die zwei übereinanderliegenden Gewandsäume, die nur bei der Maastrichter weicher und gerundeter fließen, bei der Stralsunderin schwerer und langgezogener wirken. Pinder 8 und andere 9 sahen nur in der Thorner Madonna das Vorbild für das Marienbild aus dem Junge-Altar. Durch die Ähnlichkeit mit einer rheinischen Skulptur aber ist eine Herkunft aus einer westlichen Kunstlandschaft möglich. Diese Annahme kann nun durch die Ergebnisse der Restaurierungen erhärtet werden. Die Verwendung von Nußbaumholz für die Mittelfigur läßt die Vermutung aufkommen, die Madonna sei nach Lübeck importiert worden. In der lübeckischen Schnitzkunst wurde, wie in der ganzen Küstenplastik, fast ausnahmslos Eichenholz 1 0 für Altäre und Einzelfiguren verwendet. In einer in plattdeutscher Sprache abgefaßten Zunftbestimmung der Stadt heißt es ausdrücklich: „Fernerhin soll niemand ein geistlich Werk machen, denn aus Eichenholz". 1 1 Der G e brauch bestimmter Holzarten in bestimmten Landschaften läßt sich für die Plastik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts feststellen. So wurde Nußbaum nur in genau abgrenzbaren Gebieten West- und Südwestdeutschlands sowie in West- und Südwesteuropa für Skulpturen benutzt. In Oberitalien, in Burgund, der Westschweiz, teilweise am Oberrhein 12 , in Nordfrankreich, in den südlichen Niederlanden 13 , in K ö l n , und vereinzelt am Niederrhein und in Westfalen 14 lassen sich Plastiken aus NußI
W. Pinder, Z u m Problem der .Schönen Madonnen* um 1400. I n : J h . d. Preuß. Kunstsammlungen 44. Bd. 1923. S. 165.
5
W. Pinder, a. a. O . S. 147/48.
" W. Pinder, a. a. O . S. 165. 7
K . H . Clasen, a. a. O . S. 189/90.
* W. Pinder, S. 165. " H . Bethe, a. a. O . ; E . W i e s e , Z u r Datierung der .Schönen M a d o n n e n ' . I n : Z s . f. bild. K i t . 6 1 . B d . 1927/28. S. 3 5 9 - 3 6 4 ; W, Paatz, Steinskulptur. S. 44; A . Feulner und T h . Müller, a. a. O . S. 279; W. Paatz, Prolegomena S. 34. 10
Plastiken aus Lindenholz k o m m e n in der lübeckischen Plastik nur vereinzelt v o r (z. B. die Hngelfiguren v o m J u n g e - A l t a r , Johannes d. T . v o n Henning v . d. Heyde. Berlin, E h e m . Staatl. Museen, Dahlem).
" Max Paul, a. a. O . S. ; o . 12
L i n k s des Oberrheins, vor allem im Elsaß, w i r d Nußbaum verwendet, rechtsrheinisch k o m m t ausschließlich Lindenholz vor.
1:1
In den südlichen Niederlanden, vornehmlich in Brüssel, wird Nußbaum und Eichenholz verwendet.
II
A m Niederrhein und in Westfalen wird v o r w i e g e n d Eiche, vereinzelt aber auch Nußbaum gebraucht.
2S
A b b , 4. Maastricht, St. Servatius, M a d o n n a
holz nachweisen (vgl. Skizze). Die meisten dieser Nußbaumfiguren sind nicht wie Linden- und Eichenholzbildwerke hinten ausgehöhlt, sondern rundplastisch. Nußbaum ist ein zäheres Holz als Linde und Eiche, daher verzichtete man weitgehend auf das Hohlschlagen und versuchte, dem Reißen der Fasern durch Bohrgänge entgegenzuwirken, wie wir es bei der Junge-Madonna gesehen haben. Eine umfassende Arbeit über die Verwendung der verschiedenen Holzarten in der mittelalterlichen Plastik steht leider immer noch aus. Sie ist um so notwendiger, als dieses bisher kaum beachtete Gebiet neue Erkenntnisse für die geographische Bestimmung der spätgotischen Skulptur bringen würde. Photonachweis: A b b . 1 - 3 Staatliche Museen zu Berlin. A b b . 4 ehem. Staatliche Bildstelle.
30
EIN BABYLONISCHES
OMEN AUS DEM JAHRE Liane
5 9 2 V. U . Z .
Jakob-Kost
Im Zuge der Neuordnung der Magazine des Vorderasiatischen Museums zu Berlin ist ein kleines, bisher unbeachtetes Bildwerk aus Bronze 1 zu Tage gekommen, das sich nach erfolgter gründlicher Reinigung als Darstellung eines Fisches 2 erwies. Dieser Fisch ist 8,3 cm lang, 2,5 cm hoch (mit Flosse) und 2 cm breit (mit Flosse). Der schmale, platte Körper endet in einen breit ausladenden K o p f , dessen rechtes Auge nicht mehr vollständig erhalten ist. Auf dem Rücken, dicht hinter dem K o p f , ragt eine spitze Flosse empor. Auf der linken Seite, ebenfalls dicht am K o p f , trägt der Fisch eine, auf der rechten Seite dagegen zwei Flossen. Der relativ gute Erhaltungszustand der Bronze, deren Oberfläche nur wenig beschädigt ist, zeigt an der in Frage stehenden Stelle deutlich, daß diese Ungleichheit der Flossen ursprünglich ist. Infolge der schlechten Beschaffenheit der Bronze bei ihrer Auffindung konnte an dem Stück selbst keine Fundnummer und damit auch kein Fundort festgestellt werden, jedoch weist eine Inschrift, die auf dem Körper des Tieres eingegraben ist, nach Babylon 3 . Diese Inschrift, die mit neubabylonischen Zeichen geschrieben und vorzüglich erhalten ist, gibt auch Aufschluß über das Alter der Bronze. Der Text beginnt auf der linken Körperseite des Fisches und wird auf der rechten — v o m Bauche her beginnend — fortgesetzt.
W J
h ^ x t ^ K
links
links
summa nünu ab-rat-su sä sumeli la ibassi
„Wenn ein Fisch nicht seine linke Flosse hat,
mätu nakru ihaliq sattu i2 K A M
wird das feindliche Land untergehen. — Jahr 12
rechts
rechts
D
des Nebukadnezar, des Königs von Babylon,
nabü-kudurru-usur sar bäbili KI
apil D nabü-aplu-usur sar bäbili KI 1
Sohnes des Nabopolassar, des Königs von Babylon."
Für die Publikationserlaubnis bin ich dem Direktor des Vorderasiatischen Museums zu Berlin, Herrn Generaldirektor Prof. Dr. G . R . Meyer sehr zu Dank verpflichtet.
2
Z u weiteren Darstellungen von Fischen vgl. z. B. E . Douglas van Buren, The Fauna of Ancient Mesopotamia as Represented in A r t (Analecta orientalia 18, Rom 1939), S. 104fr. Nach Durchsicht der Fundinventare von Babylon möglicherweise die Nr. 8175, Fundgebiet Kasr.
31
Durch diesen Text ist das Fehlen der zweiten Flosse auf der linken Seite des Fisches hinreichend erklärt.4 Die bisher bekannten Omina und Orakel, in denen der Fisch eine Rolle spielt, betreffen nur die Fischähnlichkeit eines Menschen oder die Nahrungsaufnahme dieser Tiere, keine körperlichen Mißbildungen an ihnen selbst.5 Tritt eine solche bei anderen Tieren auf (z. B. an einem Schaf), so steht die daraus entnommene Schlußfolgerung im allgemeinen in vollem Einklang mit der des vorliegenden Omens 6 , d. h. fehlt eines der linken Körperteile, so ist es für das eigene Land günstig, rechts dagegen ungünstig. Das Datum des Omens gibt uns die überaus seltene Gelegenheit, ein Fundstück auf das Jahr genau zu datieren. Der bronzene Fisch mit seinem Orakel ist demnach im 12. Jahre des Nebukadnezar II. (604—562 v. u. Z.), d. h. im Jahre 592 v. u. Z. angefertigt worden. 4
D i e V o k a b e l f ü r „ S c h w i n g e , F l o s s e " ist das maskuline abru, vgl. A . Deime], Sumerisches Lexikon I I I , 2, S. 4; W. v . Soden, Assyrisches Handwörterbuch (Wiesbaden 1959), S. 7. A u c h in den Nachbarsprachen (syr. ebrä; hebr. " D N ; aram. S 1 3 S ) ist das Wort maskulin. Schließt man die Möglichkeit aus, daß neben abru noch eine m. W. bisher nicht bekannte feminine F o r m des Wortes existiert, so ist man genötigt, abratu als femininen Plural zum maskulinen Singular zu fassen. Der Inhalt des Textes scheint indessen an dieser Stelle eine Singularform zu fordern, denn dem Fisch fehlt ja nur eine Flosse und nicht beide.
6
Z u m Beispiel J . Hunger, Babylonische Tieromina nebst griechisch-römischen Parallelen (Mitteilungen der VorderasiatischÄgyptischen Gesellschaft 14, 3, Leipzig 1909), S. 1 5 9 8 .
6
Z u m Beispiel M . Jastrow, Religion Babyloniens und Assyriens (Gießen 1 9 1 2 ) , 2, 2, S. 852 und 854.
7
In den vorliegenden Exemplaren der Babylonischen Chronik (zuletzt D . J . Wiseman, Chronicles of Chaldaean K i n g s [London 1956]) sind keine A n g a b e n über das 12. Jahr Nebukadnezars erhalten.
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
33
ZUM OHRSCHMUCK Liane
DER
ASSYRER
Jakob-Kost
In einer Studie zum „Ohrschmuck der Assyrer" hat A . Moortgat 1 den Formenschatz dieser Schmuckstücke herausgestellt und gleichzeitig versucht, die einzelnen Schmuckformen auf ihre ursprünglichen, symbolischen Werte zurückzuführen. Diese Untersuchung beschränkte sich in der Hauptsache auf das Material, das die assyrischen Reliefs in reichem Maße lieferten; Funde aus den Grabungen heranzuziehen, schien nicht in gleicher Weise lohnend. Inzwischen ist der beste Teil dieser Grabungsfunde aus Assur, die köstlichen Schmuckbeigaben der großen Gruft 14630 von W. Andrae 2 ausführlich veröffentlicht worden. Bei der in den letzten Jahren erfolgten Neuordnung der Magazine des Vorderasiatischen Museums zu Berlin und der z. Z. noch im Gange befindlichen Bearbeitung vor allem der metallenen Antiken sind jedoch einige Ohrringe zu Tage gekommen, die in ihrer Form und Technik eine hohe Kunstfertigkeit der assyrischen Handwerker erkennen lassen und daher einer näheren Betrachtung würdig erscheinen 3 , zumal sie — als Schmuck des assyrischen Volkes — kaum eine Ähnlichkeit mit den Formen aufweisen, die uns von den Reliefs her als Schmuck für Könige und Hofstaat bekannt sind. Alle im folgenden kurz beschriebenen Ohrringformen stammen aus den Grabungen in Assur. E s handelt sich ausschließlich um Beigaben aus Gräbern, die den Fundumständen nach in neuassyrische bzw. nachassyrische Zeit gehören, d. h. etwa in das 9 . - 7 . Jahrhundert v. u. Z. bzw. in die letzten Jahrhunderte v. u. Z . zu datieren sind. Davon ausgenommen sind 2 Ohrringe, die aus dem 2. Jahrtausend (?) bzw. der mittelassyrischen Zeit stammen.4 Dabei ist jedoch zu beachten, daß für einige der hier beschriebenen Formen Vergleichsstücke bis in das 2. und 3. Jahrtausend v. u. Z. hinaufreichen. Der Symbolwert der einzelnen Ohrringe — wenn überhaupt jemals vorhanden — ist in den meisten Fällen nicht mehr aufzuspüren, da die Formen in der Spätzeit des assyrischen Reiches wohl nach rein ornamentalem Geschmack entstanden sein werden 5 . Ein Vergleich mit dem Formenschatz des Mittelmeergebietes zeigt für mehrere Typen bedeutsame Ubereinstimmungen, die z. T. auf den assyrischen Einfluß im Mittelmeergebiet zurückzuführen sind 6 , ' A . M o o r t g a t , D e r Ohrschmuck der Assyrer (Archiv f ü r Orientforschung I V ; Berlin 1 9 2 7 , S. 1 8 ; ) . 2
W. A n d r a e bei A . v . Haller, D i e G r ä b e r und G r ü f t e v o n Assur (Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen OrientGesellschaft 65, Berlin 1954, S. 123 ff.).
3
F ü r die Publikationserlaubnis bin ich dem Direktor des Vorderasiatischen Museums zu Berlin, Herrn Generaldirektor Professor D r . G . R . Meyer sehr zu D a n k verpflichtet.
4
D i e Datierungen sind dem unter A n m . 2 genannten Buche entnommen, das auch für Fundumstände und weitere Beigaben zu vergleichen ist.
5
V g l . A . Moortgat, a. a. O . , S. 2 0 1 ; nach A . v. Hallers Datierungen der G r a b f u n d e gab es rein ornamentale F o r m e n f ü r Ohrringe jedoch schon früher, v g l . z. B . hier N r . 7.
" A . Moortgat, a. a. O . , S. 205 ff.
54
2. T . vielleicht auch von gegenseitiger Befruchtung herrühren. Andere Formen wieder mögen wohl auch — wie zum Beispiel der im Orient allgemein verbreitete T y p des „kahnförmigen" Ohrrings — etwa gleichzeitig, aber unabhängig voneinander entstanden sein. Diese kahnförmigen Ohrringe und die daraus abgeleiteten Formen sind teils massiv, teilweise jedoch auch hohl, aus zwei entsprechenden Hälften zusammengelötet. Als hauptsächlichste Verzierungen finden sich Umwicklungen aus dünnem Draht, Wülste, Kerben und v o r allem meist lineare Kugelverzierungen, teils echt granuliert, teils angegossen. Einige Hinweise auf Ähnlichkeiten in den Nachbargebieten, die jedoch niemals einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, findet man jeweils nach der Beschreibung des betreffenden assyrischen Typs. Dieser kleine Beitrag, der das T h e m a in keiner Weise erschöpfend behandeln kann, will lediglich einige neue Aspekte zur allgemeinen Kenntnis des assyrischen Kunstgewerbes beisteuern, sowie ausdrücklich auf die Schönheit der Erzeugnisse des assyrischen Goldschmiedehandwerks hinweisen. 1 . V A A s s . 2435 — 1 5 1 6 3
A s s u r , f E 1 0 I , G r ä b e r z i m m e r in W o h n h a u s
Material: G o l d
H . 1 , 2 c m , B r . 1 , 2 c m , S t ä r k e d e s K a h n e s 0,7 c m .
Z e i t : mittelassyrisch K a h n f ö r m i g e r ( o d e r s i c h e l f ö r m i g e r ) O h r r i n g , d e s s e n v e r d i c k t e r T e i l i n n e n h o h l u n d m i t einer F ü l l m a s s e v e r s e h e n ist ( A b b . 1 ) . D i e s e r e i n f a c h e O h r r i n g stellt die a m h ä u f i g s t e n u n d in g r o ß e r Z a h l i m V o r d e r e n O r i e n t v o r k o m m e n d e O h r r i n g f o r m d a r , v g l . A . M o o r t g a t , S . 2 0 5 . Z u m V e r g l e i c h f ü r d i e g r i e c h i s c h e W e l t siehe z. B . K . H a d a c z e k , D e r O h r s c h m u c k d e r G r i e c h e n u n d E t r u s k e r ( W i e n 1 9 0 3 ) , S . 2 1 f . ; C . - F . A . S c h a e f f e r , E n k o m i - A l a s i a ( P a r i s 1 9 5 2 ) , S. 320, F i g . 9 5 . 2. V A A s s . 2 4 3 9 -
10778
Assur, b E 5 I V
M a t e r i a l : Silber
H . e t w a 1,5 c m , B r . 1,3 c m , H . d. K a h n e s 0,3 c m ,
Z e i t : neuassyrisch
S t ä r k e d e s K a h n e s 0,3 c m .
K a h n f ö r m i g e r O h r r i n g m i t e t w a r e c h t e c k i g e m Q u e r s c h n i t t . A n b e i d e n A u ß e n s e i t e n d e s K a h n e s u n d an der U n t e r s e i t e je e i n e R e i h e v o n w i n z i g e n K ü g e l c h e n ( A b b . 2). Ä h n l i c h e e i n f a c h e V e r z i e r u n g e n d e s K a h n e s , z. B . W i c k l u n g e n m i t S i l b e r d r a h t , e i n f a c h e R i l l e n v e r z i e r u n g u . ä. a u c h n o c h A s s . 20504
altass., A s s . 1 4 6 3 0 m i t t e l a s s . , A s s . 1 5 2 8 9 m i t t e l a s s . , V A A s s . 2460 n e u a s s . , V A A s s . 2 4 4 4 n e u a s s . , A s s . 8828 n e u a s s . ,
A s s . 1 4 3 4 4 n i c h t datiert, A . v . H a l l e r , D i e G r ä b e r u n d G r ü f t e v o n A s s u r ( W i s s e n s c h a f t l i c h e V e r ö f f e n t l i c h u n g e n d e r D e u t s c h e n O r i e n t - G e s e l l s c h a f t 6 5 ; B e r l i n 1 9 5 4 ) , T a f . 1 0 , 20, 3 6 ff. G o l d k ü g e l c h e n a u f d e m K a h n s c h o n in d e r L a r s a - Z e i t zu B e g i n n d e s 2. J a h r t a u s e n d s v . u . Z . , v g l . L . W o o l l e y , T h e R o y a l C e m e t e r y ( O x f o r d 1 9 3 4 ) , PI. 1 3 8 ; V g l . f e r n e r f ü r d e n g r i e c h i s c h e n K u l t u r k r e i s K . H a d a c z e k , S . 5 f . ; H . S c h l i e m a n n , I l i o s ( L e i p z i g 1 8 8 1 ) , S . 5 4 3 , 546, 5 5 4 t r o j a n . / m y k . ; M . O h n e f a l s c h — R i c h t e r , (Berlin 1893), T a f . 2 1 7 ; G . Becatti, Oreficerie antiche ( R o m
Kypros
1 9 5 5 ) , T a f . 3 1 , N r . 1 7 4 , 1 7 7 aus E p h e s o s , 8 . - 7 . J h . v . u . Z . ;
T a f . 7 5 , N r . 293 aus K e r t s c h , 5. J h . ; N r . 294 6. J h . 5. V A A s s . 2 4 4 1 — 1 1 2 4 2
A s s u r , c A 6 I I I , in n e u a s s y r i s c h e m H a u s e
M a t e r i a l : Silber
H . 1,75 c m , B r . 1,5 c m .
Z e i t : neuassyrisch K a h n f ö r m i g e r O h r r i n g , a u s z w e i g l e i c h e n K ö r p e r n z u s a m m e n g e s e t z t ( A b b . 3). B e i d e K ä h n e s i n d a m h i n t e r e n E n d e d u r c h einen B o g e n zusammengehalten ^ ^
( H i n t e r a n s i c h t ) , d a s v o r d e r e E n d e l ä u f t in e i n e n e i n z e l n e n B ü g e l aus. D e r K ö r p e r d e s
O h r r i n g e s ist d u r c h Q u e r r i e f e n v e r z i e r t . Ä h n l i c h e Q u e r r i e f e n v e r z i e r u n g e n A s s . 1 4 6 3 0 m i t t e l a s s . , v g l . A . v . H a l l e r , T a f . 28, 3 6 ; g l a t t e r z w e i f a c h e r K a h n , h o h l ,
vgl.
L . W o o l l e y , P I . 1 2 9 , 1 3 8 ; m e h r f a c h e K ä h n e auch bei t r o j a n i s c h e n O h r r i n g e n , v g l . K . H a d a c z e k , S . 6. 4. V A A s s . 2 2 4 0 — 1 5 4 3 0 Material: Silber
A s s u r , g A O V , in a s s y r i s c h e m W o h n h a u s e H . 1 , 9 c m , B r . 1 , 7 c m , S t ä r k e d . D o p p e l k a h n e s 0,9 c m .
Z e i t : neuassyrisch K a h n f ö r m i g e r O h r r i n g , aus z w e i g l e i c h e n K ö r p e r n b e s t e h e n d , d i e sich n u r a n i h r e n E n d p u n k t e n b e r ü h r e n ( A b b . 4). D o r t ist das Schmuckstück
j e w e i l s m i t e i n e m f e i n e n S i l b e r d r a h t u m w i c k e l t , w ä h r e n d sich a u c h in der M i t t e d e s K a h n e s diese U m -
w i c k l u n g b e f i n d e t , hier a l l e r d i n g s f ü r j e d e n d e r b e i d e n K ä h n e g e s o n d e r t , n i c h t z u s a m m e n f a s s e n d w i e a n b e i d e n S e i t e n p u n k t e n des O h r r i n g s . Z u v e r g l e i c h e n ist V A A s s . 2 4 3 9 n e u a s s . , A s s . 1 9 1 0 4 9. J h . ; f e r n e r V A A s s . 1 8 9 0 a u s G o l d , der a m S c h e i t e l p u n k t b e i d e r K ä h n e n o c h R e s t e e i n e r k l e i n e n B l ü t e t r ä g t . D i e s e s S t ü c k ist w e g e n zu starker B e s c h ä d i g u n g n i c h t g e s o n d e r t a u f g e n o m m e n . V g l . w e i t e r K . H a d a c z e k , S. 6 t r o j a n i s c h ; f ü r d i e W i c k l u n g e n K . H a d a c z e k , S . 1 7 a l t g r i e c h . ; R . S i v i e r o , G l i ori e le a m b r e d e l m u s e o n a z i o n a l e di N a p o Ü ( F i r e n z e 1 9 5 4 ) , S . 7 5 , N r . 294 1 . J h . v . u . Z . — 1 . J h . u . Z . 5. V A A s s . 1 9 1 5 — 1 2 3 9 4
A s s u r , e E 1 0 I V , östlich v o n T u r m 25 d e s B i n n e n w a l l e s , 1 m u n t e r d e r H ü g e l oberfläche
Material: Silber
H . 2,9 c m , B r . 1 , 4 c m , H . d . K a h n e s 1 , 5 c m
Zeit: nachassyrisch
Stärke des K a h n e s 1 , 2 c m .
35
A b b . i —15
K a h n f ö r m i g e r Ohrring, aus zwei gleichen, sehr bauchigen K ö r p e r n bestehend ( A b b . 5). Wie aus den Resten eines zweiten Exemplares hervorgeht, war der K ö r p e r des Ohrringes innen hohl. D e r B ü g e l ist an dem einen K ö r p e r befestigt und w i r d zum Verschluß diagonal in das Halteloch des anderen Teiles eingeführt. N a c h den vorhandenen Spuren scheint es, daß die Oberfläche des O h r r i n g s „ g r a n u l i e r t " w a r . E i n in F o r m und Verzierung ähnliches E x e m p l a r , das jedoch nur einen einfachen K ö r p e r hat, ist V A 5884 aus nachassyrischer, vielleicht achämenidischer Z e i t ; ein Ohrring mit dreifachem K ö r p e r A s s . 20504 altass., vgl. A . v. Haller, T a f . 1 0 ; v g l . sonst zur F o r m des starken Bauches, bzw. der Mehrgliedrigkeit K . Hadaczek, S. 6; 22; M . Ohnefalsch—Richter, K y p r o s , T a f . 2 5 ; R . Siviero, S. 68, N r . 258, T a f . 1 8 1 d . 6. V A A s s . 2442 — 1 1 6 0 7 Material: Silber
A s s u r , c D 9 II, K o m p o s i t g r a b in Wohnhausraum H . 2 cm, B r . 1,9 cm, H . d. K a h n e s 0,6 c m , B r . d. K a h n e s 0,7 c m .
Z e i t : neuassyrisch K a h n f ö r m i g e r Ohrring, aus zwei gleichen, nebeneinanderliegenden K ö r p e r n bestehend, innen hohl (Abb. 6). Beide Teile sind am E n d e des K a h n e s , d. h. in halber Höhe des Ohrringes durch je eine mehrfädige Wicklung aus Silberdraht zusammengefaßt. Beide K ä h n e tragen an ihrem unteren R a n d e je eine Reihe größerer K u g e l n , während zwischen dem inneren R a n d e des K a h n e s und der Kugelreihe am unteren R a n d e sich je 3 Reihen v o n kleinen K ü g e l c h e n befinden, deren oberste auf der A u ß e n seite des Innenrandes aufsitzt. D i e innere Oberfläche des K a h n e s trug gleichfalls eine oder mehrere Rethen v o n K ü g e l c h e n ; Reste einer Reihe sind am R a n d e erhalten. V g l . A . v . Haller, T a f . 19 g ; K . Hadaczek, S. 6 ; H . Schliemann, S. 514. 7. V A A s s . 2443
—
"891
Material: Silber
A s s u r , d C 9 I I I , Außenkante des Binnenwalles Durchmesser etwa 4,3 cm.
Z e i t : Mitte 2. Jahrtausend (?) G r o ß e r , flacher R i n g , u m den herum frei abstehende Doppelkugeln ( j i , ) aufgesetzt sind. D i e glatte Oberfläche des R i n g e s ist durch einen Wulst verziert ( A b b . 7). V g l . A . v . Haller, T a f . i 6 d . Z u ähnlichen F o r m e n v g l . L . P. di Cesnola, Cypern (Jena 1879), T a f . 6 3 ; G . Becatti, T a f . C, 4 a, b späte Hallstattzeit; T a f . 14, N r . 48 mykenisch, 16. J h . ; T a f . 75, N r . 296 cyprisch 10.—6. J h . ; O . Reuther, Innenstadt v o n B a b y l o n , T a f . 76, 138 9 . - 7 . J h . ; G . Contenau, Manuel d'archéologie Orientale 3 (Paris 1 9 3 1 ) , S. 1 4 5 1 , A b b . 880. 8. V A A s s . 1879 — 1 1 7 7 5
A s s u r , c C 9 I, Hockersarg, Außenkante des Binnenwalles
Material: stark oxydiert, B r o n z e mit Muschel
H 2,25 cm, B r . etwa 1,7 cm (mit Muschel!), H . d. Muschel 1,45 c m .
Z e i t : neuassyrisch K a h n f ö r m i g e r Ohrring, aus zwei nebeneinanderliegenden Teilen bestehend (?), an dessen Vorderseite eine durchbohrte kleine Muschel hängt ( A b b . 8). Weitere E x e m p l a r e dieses T y p s sind V A A s s . 2465 nachass., A s s . 1 1 6 1 8 neuass., V A A s s . 2464 neuass. 9. V A A s s . 2407 — 1 4 9 1 5 Material: G o l d und Lapislázuli
A s s u r , c D 9 I, zweiteiliger Wannensarg H . 1,25 cm, Br. 1,25 c m , H . d. Perle 0,4 cm, Durchmesser d. Perle 0,6 cm.
Z e i t : neuassyrisch K a h n f ö r m i g e r O h r r i n g , dessen verdickter Teil senkrecht zum Ohrläppchen zu liegen k o m m t ( A b b . 9). In der Mitte dieses Teiles ist waagerecht, also im rechten Winkel zu dem verdickten Stück des Ohrringes, ein kleiner G o l d r i n g aufgelötet, auf dem eine Perle aus Lapislázuli aufsitzt. D a r ü b e r ein zweiter kleiner G o l d r i n g , aber nicht festgelötet, sondern beweglich. 10. V A A s s . 1 8 8 0 — 1 1 7 7 7 Material: Silber
A s s u r , c E 9 II, Scherbengrab an der Außenkante des Binnenwalles H 1,65 c m , H . d. A n h ä n g e r s etwa 0,3 cm, Br. d. A n h ä n g e r s 0,5 c m .
Z e i t : neuassyrisch K a h n f ö r m i g e r O h r r i n g ; an seiner untersten, dicksten Stelle ist ein kugelförmiger A n h ä n g e r angelötet (Abb. 10). O b dieser verziert w a r , ist auf keinem der erhaltenen Stücke mehr festzustellen. Weitere Beispiele dieses T y p s sind A s s . 1 2 2 5 1 neuass. und A s s . 1 5 6 5 1 neuass. E i n gleiches E x e m p l a r befindet sich unter den Berliner Fundstücken aus B a b y l o n , N r . 20023. 1 1 . V A A s s . 2444—12331 Material: Silber
A s s u r , e E 10 I V , auf T u r m 25 des Binnenwalles, K o m p o s i t g r a b H . 2,1 cm, B r . 1,3 cm, H . d. Anhängers 0,5 c m , Durchmesser der Platte 0 , 6 x 0 , 7 c m .
Z e i t : neuassyrisch K a h n f ö r m i g e r O h r r i n g ; an seiner stärksten Stelle befindet sich ein K r a n z aus K u g e l n , v o n dem ein in eine kreisrunde waagerechte Platte auslaufender A n h ä n g e r ausgeht (Abb. 1 1 ) . D i e Unterseite der Platte ist glatt, während der R a n d der Oberseite v o n eng aneinanderliegenden Silberkügelchen umgeben ist. F ü r weitere E x e m p l a r e dieses T y p s v g l . V A A s s . 2460 neuass., A s s . 10879 neuass., A s s . 1 2 2 5 1 neuass. u n d A s s . 12267 neuass. Z u r F o r m v g l . auch di Cesnola, Cypern, T a f . 64 7 . - 6 . J h . v . u. Z . D i e F o r m dieses Anhängers inmitten anderer Ornamente v g l . G . Becatti, T a f . 43, N r . 229 phönizisch/punisch 6. J h . v . u. Z . 12. V A Ass. 1915 — 12394
A s s u r , e E 1 0 I V , östlich v o m T u r m 25 des Binnenwalles, i m unter Hügel-
Material: Silber
oberfläche.
Z e i t : nachassyrisch
H . 2,7 c m , B r . 1 cm, H . d. A n h ä n g e r s 1,3 cm, Durchmesser d. Anhängers 0,9 cm.
K a h n f ö r m i g e r O h r r i n g , der auf seiner Vorderseite durch eine 9- bis 10 fache U m w i c k l u n g aus dünnem Silberdraht geschmückt ist ( A b b . 12). V o n dem Scheitelpunkt des K a h n e s hängt an einem kurzen Halse ein kegelförmiger A n h ä n g e r mit der Spitze nach unten. Dieser K e g e l ist an seinem breiten E n d e durch zwei herumlaufende Wülste verziert, zwischen denen Spuren v o n
37
Kügelchen erhalten sind. Der übrige Körper des Kegels ist mit größeren Kügelchen bedeckt. Auf der Kegelplatte und am Halse ebenfalls Spuren dieser Verzierung. Ein ähnliches Exemplar ist V A Ass. 2444 neuass.,; ferner Ass. 21555, a ^ e r ohne Hals und schlecht erhalten, nicht datiert; V A Ass. 2462 nicht datiert. Vergleichsbeispiele mit kugel-bedeckten Tropfen bzw. Pyramiden siehe bei A . Moortgat, S. 204; ferner bei K . Hadaczek, S. i6ff. altgriech.; S. 60 etruskisch; ferner M. Ohnefalsch—Richter, Taf. 182; G . Becatti, Taf. 100, Nr. 381 Taranto 4. J h . ; Taf. 75, Nr. 290, 291 Cypern 10.—9. Jh.; vgl. auch A . Parrot, Les fouilles de Mari (Syria 1937), PI. X V , 3, S. 84 assyrisch; O. Reuther, Innenstadt von Babylon, Taf. 49, i5d 2. H. 2. Jahrtausend, kassitisch. 13. V A Ass. 2444 — 12331 Material: Silber Zeit: neuassyrisch
Assur, e E 1 0 I V , auf Turm 25 des Binnenwalles H. 2,4 cm, Br. 1,5 cm, H, d. Anhängers etwa 0,7 cm, Durchmesser d. Anhängers 1 , 1 cm.
Kahnförmiger Ohrring mit Anhänger am Scheitelpunkt des unteren Bogens (Abb, 13), Von einem kurzen Hals hängt eine nach unten offene, korbähnliche Blüte herab, deren einzelne Blätter aus ovalen Silberdrahtschiingen bestehen. Diese Schlingen sind auf der Außenfläche mit eng aneinanderliegenden Kügelchen besetzt. Reste solcher Kügelchen befinden sich auch am Halse der Blüte. Die beiden kugelartigen Verdickungen des eigentlichen Ohrringes waren ebenfalls dicht mit Kügelchen besetzt, die an einer der Verdickungen noch gut erhalten sind. Für Pflanzen- und Blütenanhänger vgl. K . Hadaczek, S. 20, Fig. 36, um 600 v. u. Z. Vgl. auch hier Nr. 14, i 6 f . 14. V A Ass. 2445 — 8906 Assur, c E 6 III, in einem Wohnhause Material: Silber H. 2,8 cm, Br. 1,15 cm, H. d. Anhängers 1,4 cm, Br. d. Anhängers 0,9 cm. Zeit: neuassyrisch Kahnförmiger Ohrring, an beiden Enden des Kahnes, d. h. in halber Höhe des Ohrringes durch Umwicklungen mit Silberdraht geschmückt, mit Anhänger in Form einer dreiblättrigen Blüte (Abb. 14). Die ovalen, dicken Blütenblätter sind an ihrer Außenfläche konkav und innen hohl. Zwischen den Blättern befindet sich eine Silberkugel als Stempel. Vgl. A . v. Haller, Taf. 38c; in dem gleichen Fund mehrere Exemplare. Ferner Ass. 15651 neuass.; Reste zweier Ohrringe gleicher Form, nur beträchtlich größer (VA Ass. 2455; erhaltene Gesamthöhe: 4 cm, H. d. Anhängers: 3,5 cm) sind nach der Fundlage wohl parthisch. 15. V A Ass 1742 — 8592 Material: Silber Zeit: neuassyrisch
Assur, c E 6 III, in einem Wohnhause H. etwa 4,3 cm, Br. etwa 2,7 cm, Sehr stark zerstört.
Kahnförmiger Ohrring, innen hohl, an dem von jedem Ende des Kahnes zum Scheitelpunkt hin je 3 Kugeln angelötet sind (Abb. 15); auf diese Kugeln folgt je ein größerer Anhänger, deren Formen nicht mehr genau zu erkennen sind. In der Mitte befindet sich ein großer Kugelanhänger, der oben abgeflacht ist. Seine Oberfläche war mit Kügelchen bedeckt, als unterer Abschluß diente ebenfalls eine kleine Kugel. Zum Vergleich etwa A . Moortgat, S. 199, Abb. 13 aus dem 9. Jh. v. u. Z .
Gußformen Die im Vorderasiatischen Museum zu Berlin aufbewahrten Gußformen aus Assur sind im Hinblick auf das Thema untersucht worden, und tatsächlich konnten drei weitere Ohrringformen gewonnen werden. Die Gußformen selbst sind nach ihrer Fundlage nicht mit Sicherheit datierbar, dürften aber nach den Typen ihrer Ohrringformen ebenfalls aus der Spätzeit des assyrischen Reiches stammen. Zu Gußformen vgl. D . Opitz, Beiheft 1 zum Archiv für Orientforschung (Berlin 1933), S. 179ff. Assur, e B 7 I unter der Mauer des Nabu-Tempels. H. etwa 2,2 cm, Br. etwa 1,3 cm, H. d. Anhängers etwa 1 cm, Br. d. Anhängers 0,9 cm. Ohrring mit Anhänger in Form eines Granatapfels (Abb. 16). Vgl. A . Moortgat, S. 205.
16. V A 8349 - 19768
Abb. T 6
38
17- V A 8320 - 17479
Assur, i A 10 V , 2,50 m tief im Schutt H. etwa 2 cm, Br. etwa 1,4 cm, H. d. Anhängers 1,1 cm, Br. d. Anhängers 1,2 cm. Ohrring mit Anhänger in Form einer Blüte (Abb. 17). Vgl. hier Nr. 14.
Abb. 17
18. V A 8320 — 17479
Assur, wie Nr. 17
H. etwa 2,2 cm, Br. etwa 2,3 cm. Ohrring mit 7 Anhängern in Form von Pinienzapfen, deren 6 kleine aus je 4 Kügelchen bestehen (Abb. 17). Das weit größere Mittelstück entspricht einer oben abgeplatteten Kugel, mit Kügelchen verziert und mit einem derselben als unterem Abschluß. V g l . hier Nr. 15. Zur Anordnung vgl. A . Moortgat, S. 201 f. und Taf. V I I I , 2, 3, 4, 5, 9, 1 1 ; für angelötete Kugelpyramiden vgl. K . Hadaczek, S. i6ff. altgriechisch.
39
BABYLON ZUR ZEIT DER PERSER, UND
GRIECHEN
PARTHER
Horst Klengel
Als am 12. Oktober des Jahres 539 V. u. Z . Ugbaru ( = Gobryas), der Statthalter des Berglandes Gutium und Parteigänger des Achämeniden K y r o s II., an der Spitze eines persischen Heeres in Babylon einzog, bedeutete dies zwar den Untergang des einst mächtigen neubabylonischen Reiches, nicht aber das Ende Babylons. Vielmehr hat sich diese berühmte Stadt noch durch Jahrhunderte ihre Bedeutung als wichtiges Wirtschaftszentrum und Mittelpunkt eines regen kulturellen Lebens erhalten, und ihre glanzvolle Vergangenheit und große Tradition, an die spätere Herrscher ebenso gern wie frühere anknüpften, haben der alten Euphratmetropole auch in der politischen Geschichte des alten Vorderasien einen nicht unwesentlichen Platz zugewiesen. Die Darstellungen altvorderasiatischer Geschichte enden gewöhnlich mit der Eroberung Mesopotamiens durch die Perser; in den historischen Untersuchungen über den Hellenismus oder die griechisch-römische Antike klingt dann nur hier und da noch einmal ein Name auf, der in früheren Zeiten einmal Glanz und Bedeutung besaß. I m folgenden sei daher ein Uberblick über das weitere Schicksal der wohl bekanntesten Stadt des mesopotamischen Altertums gegeben, wie er sich uns auf Grund des archäologischen Befundes 1 , der inschriftlichen Quellen und der Berichte antiker Schriftsteller bietet. 2 Wenige T a g e nachdem Babylon kampflos 3 den Persern zugefallen war, traf K ö n i g K y r o s II. selbst in der Stadt ein, freudig begrüßt nicht nur von den Exil-Juden, die in ihm den von Gott verheißenen Befreier sahen (Jes. 44, 28; 45, 1), sondern v o r allem von der Priesterschaft des ehrwürdigen Stadtund Landesgottes Marduk, dessen Kult in den letzten Jahren des neubabylonischen Reiches arg vernachlässigt worden war. Gewiß hatte es K y r o s in erster Linie der Marduk-Priesterschaft zu danken, daß seine Truppen ohne Widerstand zu finden in Babylon einmarschieren konnten. 4 Für Babylon begann damit die Zeit der persischen Herrschaft, die etwas länger als zweihundert Jahre dauerte (539 bis 331 v. u. Z.). Babylon wurde zu einer der königlichen Residenzen erhoben, und sowohl Kambyses II. (529—522) als auch Xerxes (485—465) haben hier als Kronprinzen mit dem Titel eines sar Bäbili,
1
A u s g r a b u n g e n haben unter Leitung v o n R . K o l d e w e y in den Jahren 1 8 9 9 — 1 9 1 7 stattgefunden. D i e F u n d e sind größtenteils in
2
V g l . dazu die Zusammenstellung der Quellen bei Fr. Wetze], E . Schmidt u. A . Mallwitz, „ D a s Babylon der Spätzeit" (Wiss. V e r -
das Vorderasiatische M u s e u m Berlin gelangt. öffentl. der Deutschen Orient-Gesellschaft, 62), Berlin 1957, S. 70IT. (Im folgenden abgek. Wetzel, Spätzeit), ferner F r . Wetzel, Mitteil. d. Deutschen Orient-Gesellschaft 79 (1942) 3 ff. :i
Zylinder-Inschrift K y r o s ' II., Z . 1 7 (F. H . Weißbach, „ D i e Keilinschriften der A c h ä m e n i d e n " , Leipzig 1 9 1 1 , S. 4) und Nabti-
4
In seiner Zylinder-Inschrift (s. A n m . 3) Z . I4tf. stellt es K y r o s II. so dar, als habe ihn Marduk selbst nach B a b y l o n geführt und
na'id-Chronik I I I 15 f. (S. Smith, „ B a b y l o n i a n Historical T e x t s " , L o n d o n 1924, S. t t 3 rt'.). ihn dort ohne K a m p f und Schlacht einziehen lassen (balu qabli u tahäzi ugeribaS qirib Bäbili).
40
König von Babylon, regiert.5 Drei Aufstände, in denen sich die Bewohner Babylons gegen die dennoch als fremd empfundene Perserherrschaft erhoben, zeigen uns jedoch deutlich, daß die Beziehungen der Achämenidenkönige zu ihren babylonischen Untertanen nicht so gut waren, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. Über die erste Erhebung, die in das Jahr 521 v. u. Z. fällt, hat König Dareios I. (521—485) selbst in seiner großen, dreisprachig (altpersisch, elamisch und babylonisch) abgefaßten Felsinschrift von Bisutün (Behistün) berichtet (§§ 16—20).6 Demnach war es ein gewisser Nidintu-Bel, der sich als Nebukadnezar (III.), Sohn des letzten neubabylonischen Königs Nabü-na'id, ausgab und das Volk von Babylon abtrünnig machte — nur 18 Jahre nach dem triumphalen Einzug des .Befreiers' Kyros! Als sich Dareios mit seinem Heere näherte, stellte sich ihm NidintuBel am Euphrat zur Schlacht. Vernichtend geschlagen, floh er mit wenigen Getreuen nach Babylon; erst nach einer langwährenden Belagerung7 gelang es dem Perserkönig, die stark befestigte Stadt einzunehmen und den falschen Nebukadnezar zu töten. Der zweite Aufstand folgte kurz darauf (5 20 v. u. Z.), und auch über dieses Ereignis hat Dareios in der genannten Felsinschrift einen Bericht gegeben (§§49—51)®: „ E s spricht Dareios, der König: Während ich in Persien und Medien war, fielen die Babylonier ein zweites Mal von mir ab. Ein Mann namens Araka, ein Armenier, des Haldita Sohn, empörte sich in Babylon an einem Orte, der t->. 1 1 • iq j .. , f Dubala genannt wird 9 , von da aus (empörte er sich). So täuschte er das Volk: ,Ich bin
f
¿m . \ . w
' \
\ jr
J t
-¿^M 1M -
m ^ p
•.'•• j t ^T^Sfe
^jj&gay
^JBPJP^^ A b b . 1. Elfenbeinköpfchen einer Perserin. H ö h e 2,8 cm
Nebukadnezar (IV.), der Sohn des Nabü-na'id'. Da fiel das babylonische Volk von mir ab (und) ging zu Araka über. E r eroberte Babylon. Darauf sandte ich ein Heer nach Babylon. Einen Perser namens Vindaparna, meinen Untergebenen, machte ich zum Obersten über sie. So sprach ich zu ihm: ,Geht und vernichtet das babylonische Heer, das mich nicht anerkennt!' Vindaparna zog mit seinem Heer nach Babylon. Ahuramazda half mir. Nach dem Willen Ahuramazdas schlug Vindaparna die Babylonier und nahm (sie) gefangen... Dann ordnete ich an, (daß) jener Araka und seine vornehmsten Anhänger in Babylonien gepfählt würden. Das wurde von mir in Babylon vollbracht." Die dritte Erhebung brach im Jahre 479 v. u. Z. aus. An ihrer Spitze stand ein gewisser Samas-irba, der den Titel eines sar Bäbili sar mätäti annahm. Diesmal war es Xerxes, der zur Niederschlagung der Empörung herbeieilen mußte; nachdem ihm dies gelungen, zerstörte er die große Statue des Marduk (Herodot I 183) und strich den Titel ,König von Babylon' aus seinem Königsnamen. 10 5
Den Titel eines sar Bäbili sar mätäti, „ K ö n i g v o n Babylon, K ö n i g der L ä n d e r " haben, nach A u s w e i s der D a t u m s a n g a b e n auf Verwaltungs- und Wirtschaftsurkunden, die Achämeniden v o n K y r o s II. bis X e r x e s getragen. V g l . 2. B . F . E . Peiser in K e i l inschriftl. Bibliothek I V (1896) S. 25 8 ff. und M . San N i c o l ö - A . U n g n a d , „ N e u b a b y l . Rechts- und V e r w a l t u n g s u r k . " (Leipzig 1935) N r . 4 1 5 ff., 635 f. und passim.
6
F . H . Weißbach, „ D i e Keilinschriften der A c h ä m e n i d e n " (Leipzig 1 9 1 1 ) , S. 8ff.
7
V g l . Herodot I I I i 5 o f f . D e r erste und zweite A u f s t a n d sind bei Herodot zusammengefaßt.
8
F . H . Weißbach, a. a. O . , S. 5 4 f r
9 10
Über die L a g e dieses Ortes ist nichts bekannt. Zusammenstellung der Quellen zu diesem A u f s t a n d bei Wetzel, Spätzeit, S. 70.
41
Dreimal also haben sich der Überlieferung zufolge Babylon und Babylonien gegen die Perser erhoben — nichts Ungewöhnliches, wenn man in Betracht zieht, daß auch das achämenidische Großreich denselben Charakter aufwies wie alle vorderasiatischen Großreichsbildungen früherer Zeiten: Es war ein Konglomerat verschiedener Völker und Stämme, die sich nicht nur in Sprache und Religion unterschieden, sondern häufig auch verschiedenartigen Wirtschaftssystemen angehörten. Erwies sich ein König als schwach oder waren seine Truppen auch nur anderenorts gebunden, dann brachen immer wieder Unruhen aus, die sich meistens schnell ausbreiteten. Es ist gewiß kein Zufall, daß der erste babylonische Aufstand sich gerade zu dem Zeitpunkt entzündete, als König Kambyses fern in Ägypten weilte und im Stammland der Dynastie ein Magier namens Gaumata sich der Herrschaft bemächtigt hatte; der zweite, als Dareios nach Elam, Medien und Persien gezogen war, wo die immer noch glimmende Flamme des Aufruhrsi neue Nahrung gefunden hatte; der dritte aber, als das persische Heer im Kampf gegen die griechischen Poleis empfindliche Niederlagen erlitten hatte. Die Aufstände zu Beginn seiner Regierung hatten bereits Dareios I. zu der Erkenntnis geführt, daß die auf Selbstverwaltung und Toleranz beruhende Politik des Kyros dringend einer Reform bedurfte. So ging er daran, die Verwaltung seines Reiches von Grund auf zu ändern. Er teilte seinen Herrschaftsbereich in 20 Statthalterschaften (Satrapien) ein, und eine davon war — mit Einschluß eines Teiles des nördlicher gelegenen Assyrien — Babylonien. Wenn man nach den Steuern urteilen darf, Abb. 2. Abrollung eines persischen Siegels. die jede Satrapie dem Großkönig zu entrichten hatte, war Höhe 3 cm Babylonien die bei weitem reichste (Herodot I 192 und III 92). Und tatsächlich dürfte sich die Einbeziehung Babylons in das persische Großreich auf seine Wirtschaft — namentlich den Handel — eher vorteilhaft als nachteilig ausgewirkt haben; ja dem babylonischen Handel öffneten sich jetzt im Rahmen eines Weltreiches Gebiete, die ihm früher kaum erreichbar waren, wie etwa die Handelsplätze am Ägäischen Meer. Seine Lage an den großen Handelswegen, die von der iranischen Hochebene zum Mittelmeer und vom Persischen Golf nach Nordsyrien und Kleinasien führten, wird sich nunmehr ebenso günstig bemerkbar gemacht haben wie in früheren Zeiten schon die Tatsache, daß sich gerade bei Babylon Euphrat und Tigris — beides wichtige Handelsstraßen — einander am nächsten kamen. Zahlreiche Tontafeln aus der Perserzeit bezeugen uns nicht nur den weiteren Gebrauch des in Keilschrift geschriebenen Babylonischen neben der aramäischen Reichssprache, sondern zeigen uns auch ein völlig intaktes wirtschaftliches Leben. 11 So hat auch das reiche und berühmte Bank- und Handelshaus der Familie Egibi, in neubabylonischer Zeit begründet, zur Perserzeit noch fortbestanden. 12 Freilich machten sich, wenn Babylon auch im wesentlichen seinen früheren mesopotamischen Charakter wahrte, allmählich persische Einflüsse bemerkbar. So tauchen in den Urkunden etwa seit der Zeit Dareios' I. in steigendem Maße persische Namen auf, und besonders unter dem in Babylon residierenden Artaxerxes I. (465—423) ging die Verwaltung der Stadt immer mehr in die Hände persischer Beamter über. 13 Neben der einheimisch-babylonischen Einwohnerschaft und der jüdischen
11
Vgl. die in Anm. 5 genannten Veröffentlichungen von Keilschrifttexten sowie L. Demuth und E. Ziemer, Beiträge zur AssyrioIogie III (Leipzig 1898) S. 393fF.; J . Kohler—A. Ungnad, „ 1 0 0 ausgew. Rechtsurk." (Berlin 1909); F. E . Peiser, „Babyl. Verträge des Berliner Museums" (Berlin 1890) passim.
12
Vgl. S. Weingort, „ D a s Haus Egibi in neubabyl. Rechtsurkunden" (Berlin 1939). R. Ghirsman, „ I r a n " (1954) S. 195.
13
42
Kolonie 14 müssen wir daher eine Schicht von Einwanderern persischer Herkunft als wichtiges Bevölkerungselement annehmen. Das Stadtbild Babylons, das einst durch die rege Bautätigkeit Nebukadnezars II. (604—562) geprägt worden war 15 , hat sich während der Zeit der Perserherrschaft nicht wesentlich verändert. Lediglich der Euphrat nahm einen anderen Lauf: Wohl bei einem besonders starken Frühjahrshochwasser durchbrach der Fluß die Ufermauer und bahnte sich unter Ausnutzung eines alten Kanalbettes und eines Burggrabens einen neuen Weg, der ihn statt westlich nunmehr östlich um die beiden Königsburgen herumführte. In der Partherzeit (siehe unten) ist der Euphrat dann allmählich wieder in sein altes Bett zurückgekehrt, während der Flußlauf der Perser- und Griechenzeit versandete und verschlickte.16 Die berühmte Prozessionsstraße und das Istar-Tor mit ihrem farbigen Schmelzziegelschmuck dürften zwar zu Beginn der Perserzeit noch manchen Bewunderer gefunden haben, verloren jedoch mit dem Aufhören der großen Neujahrsprozessionen zu Ehren Marduks seit 479 v. u. Z. (siehe oben die Zerstörung der Marduk-Statue durch Xerxes) an Bedeutung und gerieten langsam in Verfall. 17 Der Sommerpalast Nebukadnezars scheint bis in die Zeit Alexanders des Großen erhalten geblieben zu sein, während die Königsburgen zur Stadtzitadelle umgebaut wurden und eine neue Umfassungsmauer erhielten.18 Im Jahre 498 v. u. Z. begann man mit dem Bau eines Kronprinzenpalastes (,Haus des Königssohnes') 19 , und unter der Regierung Artaxerxes' II. (404—3 5 8) wurde auf der Südburg ein Marmorbau mit farbigem Ziegelschmuck und Säulen aufgeführt, der einen apadanaartigen Grundriß zeigt.20 Der große Flachtempel Esangila und die Zikurrat (Tempelturm) Etemenanki haben fortbestanden (s. unten die Beschreibung Herodots); Kyros II. nennt sich in einer Backsteininschrift geradezu den ,Erbauer' von Esangila. 21 Im Wohnviertel der Stadt sind ebenfalls keine Anzeichen eines Brandes oder einer Zerstörung vorhanden, vielmehr haben die Häuser der NebukadnezarPeriode noch lange Zeit fast unverändert weiterbestanden.22 Wenn Herodot (III 15 9) berichtet, Dareios I. habe nach der Niederschlagung des (zweiten) Aufstandes die Stadtmauer zerstören und alle Tore abbrechen lassen, dürfte das übertrieben sein: Die Tore der inneren Mauer werden noch lange in den Urkunden genannt. Herodot hat, etwa zwischen 470 und 460 v. u. Z., selbst die glänzende Stadt am Euphrat besucht und uns eine Beschreibung hinterlassen (I 178—200), die durch die Ausgrabungen vielfach Bestätigung gefunden hat. Obwohl ein weitgereister Mann, hat Herodot dennoch beim Anblick Babylons bekennen müssen, daß es nicht nur größer, sondern auch viel prächtiger als alle anderen ihm bekannten Städte sei und fährt dann fort: „Diese gewaltige Stadt liegt in einer weiten Ebene und bildet ein Viereck, das auf jeder Seite hundertzwanzig Stadien lang ist. Der Umfang der Stadt beträgt also im ganzen vierhundertachtzig 14
Nur ein Teil der exilierten Juden dürfte nach 539 v. u. Z. mit der Erlaubnis Kyros' II., den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen (Zitat des Erlasses Esr.6, 3 — 5), in die Heimat zurückgekehrt sein; "vgl. M. Noth, „Geschichte Israels" (Berlin 1953) S. 276 ff.
15
Vgl. dazu E . Unger, „Babylon. Die heilige Stadt nach der Beschreibung der Babylonier" (Berlin 1931). Wetzel, Spätzeit S. 1 und 24. Herodot (III 155) nennt zwar noch das Ii>tar-(Semiramis-)Tor, erwähnt jedoch nicht mehr seinen farbigen Schmuck; die Prozessionsstraße findet bei ihm keine Erwähnung. Vgl. Fr. Wetzel, Zeitschrift für Assyrologie, Neue Folge Bd. 14 (1944) S. 50, R. Koldewey, „Das Istar-Tor in Babylon" (Wiss. Veröffentl. der Deutschen Orient-Gesellschaft, 32), Leipzig 1918, und Wetzel, Spätzeit S. 27 f.
16 17
18
Wetzel, Spätzeit S. 2 4 f .
19
Eine in das 24. Jahr des Dareios datierte Geschäftsurkunde handelt von einer Lieferung für diesen Bau, s. M. San Nicolö— A . Ungnad. „Neubabylonische Rechts- und Verwaltungsurkunden" (Leipzig 1935) Nr. 447.
20
Vgl. dazu R. Koldewey, „ D a s wiedererstehende Babylon" (Leipzig 1925) S. i2Öff.; R . Koldewey, „ D i e Königsburgen von Babylon" (Wiss. Veröffentlichungen der Deutschen Orient-Gesellschaft, 54), Teil I, (Leipzig 1931) S. 120ff., und Wetzel, Spätzeit S. 25.
21
F. H. Weißbach, „Die Keilinschriften der Achämeniden", S. 8f. O. Reuther, „Die Innenstadt von Babylon" (Wiss. Veröffentl. der Deutschen Orient-Gesellschaft, 47), Leipzig 1926, S. 34 und 147 f. (im folgenden abgek. Reuther, Innenstadt).
22
43
A b b . 3. Babylon zur Zeit Herodots l = Sommerpalast Nebukadnezars, 2 = Hauptburg, 3 = Stadtschloß (Südburg), 4 = Iiitartor (zur Zeit Herodots: Semiramis-Tor), 5 = Tempelturm E t e m e n a n k i , 6 = Flachtempel Esangila, 7 = L a g e des späteren griechischen Theaters. N a c h Fr. Wetzel, Zeitschrift für Assyriologie, Neue F o l g e B d . 14 (1944), Plan I I
Stadien... Außen ist sie zuerst von einem breiten tiefen, nassen Graben umgeben und dahinter von einer Mauer, welche fünfzig königliche Ellen breit und zweihundert hoch ist. Die königliche Elle aber ist noch drei Fingerbreit länger als die gemeine E l l e . . . Oben auf der Mauer am Rande baute man einstöckige Türme, je zwei einander gegenüber, zwischen denen genügend Platz blieb, daß ein vierspänniger Wagen hindurchfahren konnte. Rundherum in der Stadtmauer sind hundert Tore, ganz von Erz, auch die Türstütze und Pfosten... Die Stadt aber zerfällt in zwei Teile, die durch den Fluß getrennt werden, den Euphrat, der mitten durch die Stadt fließt, ein tiefer, reißender Strom, der aus Armenien kommt und in das Rote Meer mündet. Die Stadtmauer lehnt sich von beiden Seiten an den Fluß, und an sie schließt sich dann am Flusse entlang auf beiden Ufern eine Mauer aus Ziegelstein. Die Stadt selbst besteht aus drei- bis vierstöckigen Häusern und wird von geraden Straßen durchschnitten, die teils der Richtung des Flusses folgen, teils senkrecht auf ihn zuführen. V o r diesen waren Pforten in der Mauer am Flusse, vor jeder Straße eine Pforte. Auch die waren von Erz und führten unmittelbar an den Fluß. Jene erste Mauer aber ist gewissermaßen der Panzer, hinter ihm aber zieht sich noch eine zweite Mauer um die Stadt, die nicht viel niedriger, aber schmaler ist als die andere. Mitten in jedem der beiden Stadtteile befindet sich ein festungsartiger Bau, in dem einen die mit hohen und festen Mauern umgebene Königsburg, in dem anderen der auch zu meiner Zeit noch vorhandene Tempelbau des Zeus Belos (Marduk), mit ehernen Toren. E r bildet ein Viereck, und jede Seite ist zwei Stadien lang. Mittendarin steht ein mächtiger Turm, ein Stadion lang und breit und auf diesem ein zweiter, darauf noch einer, und so im ganzen acht Türme, immer einer auf dem 44
anderen. Außen um die Türme herum führt eine Wendeltreppe nach oben. Auf halber Höhe ist ein Ruheplatz mit Bänken, w o man sich beim Aufstieg hinsetzen und ausruhen kann. Auf dem obersten Turme ist ein großer Tempel... Unten in dem Heiligturm in Babylon ist noch ein anderer Tempel.. ," 2 3 Neben den Bauwerken lieferte die persische Schicht, vor allem aus dem Wohnviertel der Stadt, eine Vielzahl von Kleinfunden, die das oben bereits erwähnte Nebeneinander von Babylonischem und Persischem bestätigen. Unter den zahlreichen Tonfiguren (Terrakotten) fallen jetzt besonders die Reiter- und Kriegerfiguren auf, erstere in der Form sogenannter .Scheibenreiter', bei denen der Körper des Reitenden als quergestellte Scheibe auf das Pferd gesetzt ist.24 Die Keramik besitzt nicht mehr den früheren Formenreichtum, doch treten j et2t auch einige neue Typen auf: So die außen und innen mit Asphalt bestrichenen Doppelkegeltöpfe, die in den Häusern entweder im Boden steckten oder aber gegen die Wand gelehnt waren und nicht als Trinkwasserbehälter gedient
Abb. 4. Sogenannter Scheibenreiter. Höhe 14,5 cm
23
Zitat nach der Übersetzung von Th. Braun (Insel-Verlag 1956). Eine Reihe von Angaben Herodots bedürfen auf Grund des archäologischen Befundes einer Korrektur: Die Maßangaben sind unzutreffend, wobei unklar bleiben muß, ob Herodot in Babylon griechische, persische oder babylonische Maße genannt erhielt, die er dann einfach als Stadion bezeichnete. Jedenfalls ist das Verhältnis von Zikurrat zu Períbolos nicht 1 : 2 , sondern 1 : 4 (92:400 m jeweilige Seitenlänge). Die Länge der Stadtmauern beläuft sich nach Herodot, wenn man das pers.-babyl. Stadion zu 198,39 m zugrunde legt, auf etwa 95 km; die bei der Grabung erfolgte Nachmessung erbrachte jedoch nur 8400 m (1650 + 2650 + 1500 + 2600 m). Die Mauerbreite ist nach Herodot 50 Ellen = 25 m, die Höhe 200 Ellen = 100 m; Herodots Irrtum ist hier offensichtlich. (Die Höhe wird jetzt etwa mit 12—14 m angesetzt). Die 100 Tore sind gewiß im Hinblick auf das 100 torige Theben angegeben. Eine Euphrat-Ufermauer ist nur auf der östlichen Seite nachzuweisen. Das 3. und 4. Stockwerk der Häuser ist vielleicht auf einen falschen optischen Eindruck Herodots zurückzuführen. Die Zella auf der Zikurrat kann nicht groß gewesen sein, und der Turm hat nur 7 Geschosse besessen. Der Euphrat, der nach Ansicht Herodots in das Rote Meer mündete, ist nicht so reißend wie etwa der Tigris; Herodot scheint ihn während seiner alljährlichen Anschwellungsperiode gesehen zu haben. Vgl. zur Stadtbeschreibung Herodots Fr. Wetzel, Zeitschrift für Assyriologie, Neue Folge Bd. 14 (1944) S. 4; ff., und O. E . Ravn, „Herodotus' Description of Babylon" (Kopenhagen 1942).
24
Reuther, Innenstadt S. 35, und R. Koldewey, „ D a s wiedererstehende Babylon" S. 228f. 45
haben können; ferner glasiertes feines Geschirr, Stempelkeramik und kugelige Wassergefäße. Die Gefäße wurden häufig dazu benutzt, nach Abschlagen der Spitze als Verlängerungen für Abfallröhren zu dienen, wenn die Fußböden erhöht werden mußten. Glas war bekannt, aber noch kostbar, während schwarz gefirnißte griechische Scherben auf Import aus der Ägäis deuten. 25 Im Wohnviertel wurde auch eine ganze Anzahl sogenannter ,Stülpgräber' entdeckt, in denen die Toten in halb hockender Stellung unter den über sie gestülpten Särgen bestattet sind. 26 Mehr als ein Jahrhundert nach Herodots Babylon-Besuch betrat ein anderer berühmter Mann von den Gestaden des Ägäischen Meeres die alte Euphratstadt, aber nicht als Reisender und Forscher, sondern als Eroberer: Alexander der Große. Ebenso wie K y r o s II. haben sich auch dem Makedonenkönig die Stadttore widerstandslos geöffnet. Alexander wurde nach seinem Triumph über das persische Heer des Dareios III. bei Gaugamela (331 v. u. Z.) von der Priester- und Beamtenschaft sowie der Bevölkerung der Stadt feierlich empfangen und willkommen geheißen. 27 Hatte sich Alexander in Ägypten ganz als der rechtmäßige Nachfahre der Pharaonen gefühlt, so gab er sich in Babylon als der legitime Thronerbe sowohl der früheren babylonischen als auch der achämenidischen Könige. Ebenso wie wenige Zeit zuvor dem ägyptischen Gotte A m m o n , opferte er nunmehr dem babylonischen Marduk 2 8 und erteilte den Befehl, das inzwischen in Verfall geratene Hauptheiligtum des Gottes mit der Zikurrat Etemenanki in Babylon wiederherzustellen (vgl. Strabo X V I 1,5). Alexander kämpfte nun nicht mehr für den R u h m Makedoniens, sondern für ein eigenes neues Weltreich, zu dessen künftiger Hauptstadt das traditionsreiche Babylon ausersehen wurde und in dem Perser und Griechen friedlich nebeneinander leben und gleichgestellt sein sollten. E i n deutliches Anzeichen dieser neuen Politik, die namentlich bei seinen alten makedonischen Kampfgefährten Unwillen erregen mußte, sehen wir zum ersten Mal hier in Babylon: Der persische Satrap Mazaios, der die Stadt kampflos übergeben hatte, wurde in seinem Amte belassen; das militärische K o m m a n d o und die Steuerverwaltung wurden allerdings aus seinen Machtbefugnissen ausgeschlossen und Makedonen übertragen. 29 Gesandtschaften vieler Länder fanden sich nun in Babylon ein, um dem jungen Herrscher zu huldigen, der sich nach seinem indischen Feldzug zu neuen Eroberungen und Erkundungen rüstete. D o c h Alexander der Große kam nicht mehr dazu, seine kühnen Vorhaben in die Tat umzusetzen: E r starb am 13. Juni 323 in Babylon. Für die Forträumung der Schuttmassen von der Zikurrat Etemenanki, einer Vorarbeit für den Neubau des Heiligtums, hatte Alexander nach seiner Rückkehr aus Indien das gesamte Heer eingesetzt, um die während seiner Abwesenheit sehr nachlässig durchgeführten Arbeiten rascher voranzutreiben. 30 Doch seine Lebenszeit reichte nicht aus, um mit dem Wiederaufbau des Tempels beginnen zu können. Während eine Weiterarbeit am Tempelturm nicht mehr bezeugt ist, sind auch nach dem T o d e Alexanders des Großen noch Schuttmassen v o m Tieftempel Esangila abgefahren worden; so unter dem Stiefbruder Alexanders, Philippos Arrhidaios 3 1 , sowie unter seinem Sohn, Alexander II. 3 2 . Nach den Berichten antiker Schriftsteller hat zur Zeit Alexanders des Großen der alte, von Nebukadnezar errichtete Sommerpalast im Norden der Stadt noch bestanden und wurde sogar von dem Makedonen noch bewohnt. 3 3 25
Reuther, Innenstadt S. 35 f.
26
Reuther, Innenstadt S. 34.
27
D i o d o r X V I I 64; A r r i a n , Anabasis X I I 1 6 , 3 ; Curtius R u f u s V I , 1 , 7 f r . ; v g l . zum folgenden auch Baumstark in Pauly-Wissowa, Realenzyklopädie s. v, Babylon.
28
V g l . U. Wilcken, „ A l e x a n d e r der G r o ß e " (Leipzig 1 9 3 1 ) S. izi)(.
28
D i o d o r X V I I 64; Curtius R u f u s V i , 4 j f . ; Arrian, Anabasis I I I 16, 4 ; v g l . U. Wilcken, a. a. O. S. 1 3 1 .
20
A r r i a n , Anabasis V I I 1 7 , 2 f . ; Strabo X V I 1 , 5 . Siehe auch Wetzel, Spätzeit S. 19.
3
' V g l . die sog. „ D i a d o c h e n c h r o n i k " bei S. Smith, „ B a b y l o n i a n Historical T e x t s " ( L o n d o n 1924) S. 140H.
22
V g l . J . K o h l e r — A . U n g n a d , „ 1 0 0 ausgew. R e c h t s u r k . " N r . 89. D i e Urkunde ist in das 6. J a h r Alexanders II. (etwa 315 v . u. Z . )
22
Wetzel, Spätzeit S. 24.
datiert.
46
Eine neue Ä r a begann für Babylon, das im J a h r 3 1 2 v . u . Z . vorübergehend von den Truppen des Demetrios Poliorketes besetzt worden war, als sein Satrap Seleukos den Königstitel annahm
und
als
,Nachfolger' (Diadoche) Alexanders ein großes, den Iran sowie Mesopotamien und Syrien umfassendes Reich gründete. V o n nun an stand die alte Stadt
am Euphrat
der Herrschaft der
unter
seleukidischen
K ö n i g e ( 3 1 1 — 1 4 0 v. u. Z.), aber es besaß unter ihnen nicht mehr seine einstige Bedeutung. Bereits Seleukos I. ( 3 1 1 — 2 8 1 ) , der Begründer der neuen Dynastie, ließ um 300 v. u. Z. am Tigris
eine
neue
Hauptstadt
bauen, die nach ihm Seleukeia benannt wurde und in die er einen Teil der Einwohnerschaft Babylons umsiedelte. 34 Bäbili,
Der Titel
König
eines
von Babylon,
sar
r
den
Xerxes nach der Niederwerfung des Aufstandes von 479 abgelehnt hatte, wurde nur noch einmal v o m Sohn und
Nachfolger
des
Seleukos,
Antiochos I. (281—261), wieder auf-
HTT
4TTl I
genommen 3 5 , ohne daß dadurch jedoch Babylon wieder eine hauptstädtische Bedeutung erlangt hätte. Spielte Babylon in der politischen Geschichte
des
Seleukidenreiches
Abb. 5. Grundriß eines griechischen Theaters und der Palaestra
nur noch eine untergeordnete Rolle, so bezeugen die Inschriften doch eine Wiederherstellung älterer, inzwischen verfallener Bauten, und die Ausgrabungen haben einige Neubauten freigelegt. So wurde unter Antiochos I. mit der Neuerbauung des Esangila-Heiligtums begonnen; eine Tonzylinderinschrift dieses K ö n i g s datiert die Fundamentlegung des Neubaus in das 43. J a h r seleukidischer Ä r a ( = 269 V. u. Z.). 36 Das Hauptheiligtum Babylons hat demnach auch in der Seleukidenzeit noch bestanden, und noch um 126 v. u. Z. erscheint ein T o r von Esangila in einer Chronik. 37 Der Tempelturm Etemenanki scheint damals nicht wiederaufgebaut worden zu sein; lediglich die Umfassungsmauern wurden erneuert und dienten wohl einer Festungsanlage. Im Sommerpalast Nebukadnezars baute man, nach den aufgefundenen griechischen Dachziegeln zu urteilen, Peristyle mit Pultdächern in die H ö f e ein, ebenso auch in der HauptS4 35 38 37
Strabo X V I 738; Plinius d. A . , Naturalis historia V I 122; Pausanias I 16, 3. Vgl. Wetzel, Spätzeit S. 20. Tonzylinderinschrift Antiochos' I. bei F. H. Weißbach, „ D i e Keilinschriften der Achämeniden" S. 1 3 2 f . F. H. Weißbach, a. a. O., und Wetzel, Spätzeit S. 29; vgl. auch S. Smith, „Babylonian Historical Texts" S. 155 (Z. 19). Siehe „ T h e Babylonian and Oriental Record" IV (1890) S. 131H".
47
bürg. 38 Bei den Neubauten wäre an erster Stelle das griechische Theater zu nennen39, dessen Zuschauerraum auf dem von Alexander abgefahrenen Etemenanki-Schutt errichtet ist und das in seiner ersten Bauperiode vielleicht schon aus der Zeit Alexanders des Großen stammt. Im wesentlichen aus den in Mesopotamien üblichen Lehmziegeln aufgeführt, hat es eine ganze Reihe von Erweiterungen und Umbauten erfahren und seine letzte Gestalt erst im letzten Jahrhundert der Partherherrschaft (s.unten) erhalten. Die möglicherweise in den Ausgang des 4. Jahrhunderts v. u. Z. gehörende erste Bauperiode zeigt einen Zuschauerraum mit neun Treppen und acht Kirkiden, wobei die Mitteltreppe breiter gehalten ist als die übrigen. Die Parodoi besaßen noch keine Tore und die Mauern des Parodos liefen
A b b . 6. E r o s f i g u r
schräg zur Flucht des Skenengebäudes, welches aus einem Hauptraum mit jeweils einem kleineren Nebenraum an den Schmalseiten bestand. Die Länge des Skene mag etwa 43 m betragen haben, die Breite bis etwa 7 m. Der Grundkreis der Orchestra einschließlich der unteren Prohedrie berührte nicht das Skenengebäude. Es würde zu weit führen, sollte hier noch auf die späteren Umbauten in seleukidischer und parthischer Zeit eingegangen werden; statt dessen sei ein Grundriß des Theaters und der Palaestra beigegeben, der den letzten Zustand (etwa 2. Jh. u. Z.) vor Augen führt. Soweit in dem Wohnviertel Babylons Neubauten nachgewiesen werden konnten, zeigen sie fast durchweg ein babylonisches, nicht griechisches Gepräge. Bevorzugtes Baumaterial sind Brocken gebrannter Lehmziegel, die man aus verfallenen älteren Großbauten entnommen hatte.40 Es ist anzunehmen, daß es auch ein spezielles griechisches Wohnviertel gab und man wird es vielleicht in der Nähe des griechischen Theaters suchen müssen 41 ; die dafür in Frage kommende Hügelgruppe ist bis heute noch nicht genauer untersucht worden.
(Schmuck eines Gefäßhenkels).
Die Zahl der Kleinfunde, die bei den Grabungen aus der seleukidischen Schicht geborgen wurden, ist recht beträchtlich und zeigt deutlich einen griechischen Einfluß. 42 Neben die althergebrachten einheimischen Gefäße traten jetzt griechische Formen, wie etwa die schlanken Amphoren mit Stielfuß und kleinen runden Henkeln unter der Schulter; Scherben mit schwarzfiguriger Malerei dagegen zeugen von einer Einfuhr aus der Ägäis. Zahlreich sind die Henkel griechischer Amphoren, die bisweilen mit einem Stempel versehen sind, der ihre außerbabylonische Herkunft bestätigt. Kreisrunde flache Flaschen (sog. ,Pilgerflaschen') mit Doppelhenkeln, typisch für diese und die parthische Zeit, sowie Gefäße aus dünnem Glas kamen recht häufig zutage — Glas scheint jetzt nicht mehr zu den Kostbarkeiten gehört zu haben. Die Terrakotten zeigen neben den griechischen Typen, wie etwa den weiblichen Gewandfiguren, auch dem griechischen Geschmack angepaßte babylonische, so die nunmehr griechisch gekleidete Frau mit einem Kind an der Brust. Der bereits in persischer Zeit auftretende sog. Scheibenreiter (s. oben) ist nun ebenfalls nach griechischer Art gekleidet. Z u erwähnen wären in diesem Zusammenhang auch die griechischen Terrakottamasken sowie Tonfiguren des griechischen Halbgottes Herakles. Die Toten dieser Zeit sind meistens ausgestreckt liegend in TrogH ö h e 7,5 c m
38
Wetzel, Spätzeit S. 24 ff.
39
D a z u jetzt ausführlich A . Mallwitz bei Wetzel, Spätzeit S. j t f . ; v g l . auch R . K o l d e w e y , „ D a s wiedererstehende B a b y l o n " S. 294 ff.
40
Reuther, Innenstadt S 148.
41
Wetzel, Spätzeit S. 3 f.
42
Reuther, Innenstadt S. 3 7 f . , vgl. auch R . K o l d e w e y , „ D a s wiedererstehende B a b y l o n " S. 238fr.
48
Abb. 7. Griechische Maske. Höhe 13,2 cm
särgen bestattet, doch hat sich auch die Hockerbestattung in den
persischen
Stülpgräbern
weiter erhalten. I m W o h n v i e r tel trat ein Sarg mit einer G e sichtsmaske zutage. D i e Sarkophage sind teilweise aus Ziegeln gemauert, die verfallenen Palastbauten entnommen w u r den. Babylon
ist
griechische
jedoch
Stadt
keine
geworden.
Z w a r ist neben der babylonischen und persischen B e v ö l k e r u n g s g r u p p e sowie der
jüdi-
schen K o l o n i e mit den griechisch-makedonischen
Ein-
wanderern
und
ein weiteres
w o h l ziemlich starkes Element in der Stadt seßhaft g e w o r d e n , doch kann v o n einer völligen Hellenisierung nicht die R e d e sein. A u c h
die
babylonische
K e i l s c h r i f t ist noch — w e n n auch
in
sehr
beschränktem
U m f a n g e -- in G e b r a u c h gewesen, wie Urkunden
eine des
Reihe
von
Wirtschafts-
lebens bezeugen, daneben sind uns auch Umschriften in griechischer K u r s i v e
erhalten geblieben. 4 : 1 E i n Mitglied
der
Marduk-
Pricsterschaft, B e r o s s o s , schrieb zu B e g i n n des 3. Jahrhunderts v . u. Z . eine babylonische Geschichte in griechischer Sprache und widmete sie dem Seleukiden A n t i o c h o s I . ; leider ist dieses Werk uns nur noch in A u s z ü g e n und Zitaten bei späteren antiken Schriftstellern erhalten. 44 I m G e g e n s a t z zur Perserzeit kann w ä h r e n d der Seleukidenherrschaft nicht mehr v o n einer Blüte B a b y l o n s gesprochen w e r d e n ; v i e l m e h r gibt es A n z e i c h e n dafür, daß die Stadt allmählich in V e r f a l l geriet. I m Wohnviertel v e r ö d e t e n und zerfielen eine Reihe v o n Häusern und w u r d e n teilweise mit G r ä b e r n belegt. 1 5 E r s t unter A n t i o c h o s I V . ( 1 7 5 — 1 6 3 ) , der in einer griechischen Weihinschrift als . G r ü n d e r der Stadt (Polis)' bezeichnet ist 40 , scheint B a b y l o n wieder eine gewisse Wiederbelebung erfahren zu haben. D i e E r b a u u n g des Proskenions i m griechischen Theater dürfte in diese Zeit zu datieren sein. 47 D i e H e r r s c h a f t der Seleukiden über die noch immer berühmte Stadt am E u p h r a t neigte sich jedoch schon ihrem E n d e zu. Während die N a c h f a h r e n des Seleukos alle K r ä f t e aufbieten mußten, um ihre westlichen Besitzungen gegen die n u n m e h r in das östliche Mittelmeergebiet v o r d r i n g e n d e n Heere 1:1
YL r I. die A n g a b e n bei W c r z c l , Spätzeit S. 7 2 .
14
Siehe d a z u L e h m a n n - H a u p t im R e a l l e x i k o n der A s s y r i o l o g i e s. v . B e r o s s o s .
15
R e u t h e r , I n n e n s t a d t S. 1 4 8 . V g l . W e t z e ] , Spätzeit S. 7 2 ( R e g i e r u n g s z e i t des A n t i o c h o s I V . hier zu k o r r i g i e r e n ! ) .
17
W'ctzel, S p ä t z e i t S. 20.
50
Roms zu verteidigen, gingen ihre östlichen Provinzen an das kriegerische iranische Reitervolk der Parther verloren. Mithradates I., ein parthischer K ö n i g aus dem Hause der Arsakiden, besetzte die iranische Hochebene und eroberte anschließend, im Jahre 140 v. u. Z . , die fruchtbare Ebene an Euphrat und Tigris. 48 Wiederum begann für Babylon eine neue Epoche: Die mehr als dreieinhalb Jahrhunderte währende Zeit der Partherherrschaft (140 v. u. Z.—227 u. Z.). Babylon wurde eine der zeitweiligen Residenzen, doch nicht immer waren die Partherkönige die tatsächlichen Herren der Stadt. Hatte gleich zu Beginn ein seleukidischer Vorstoß unter Antiochos V I I . (138—129) den Parthern Babylon zeitweilig wieder entrissen 49 , so fiel die Euphratstadt dann in die Hände des parthischen Usurpators Himeros, der ein hartes Strafgericht über die Stadt verhängte, die den Seleukiden als Befreier begrüßt hatte. 50 Als endlich Mithradates II. (124—76 v. u. Z.) das Zweistromland fest seinem Machtbereich eingegliedert hatte, da erreichten um 92 v. u. Z. die Römer den oberen Euphrat. Das europäische und das asiatische Großreich standen sich hier gegenüber, und der K a m p f zwischen ihnen zog sich mit wechselndem E r f o l g durch mehrere Jahrhunderte. Im wesentlichen haben sich die Römer jedoch mit der Euphratgrenze bescheiden müssen; nur wenige Male gelang es ihnen, Mesopotamien und damit auch Babylon in ihre Gewalt zu bringen. So erreichte Kaiser Trajan 1 1 5 u. Z. den Persischen G o l f und besuchte auf dem Rückweg auch das alte Babylon, w o er des toten Alexander gedachte. 51 Hier aber mußte er auch erfahren, daß sich die neuen Provinzen wieder empört hatten; obwohl Trajan der Lage Herr werden konnte, gab doch sein Nachfolger Hadrian die unsicheren neuen Provinzen (Armenia, Mesopotamia, Assyria) wieder auf und zog sich hinter die Euphratgrenze zurück. Gegen Ende des 2. Jahrhunderts u. Z . war es Septimius Severus, der weit nach Osten vorstieß (199 u. Z.), so daß Babylon zum zweiten Male, wenn auch nur für kurze Zeit, zum römischen Imperium gehörte. 52 Aber sowohl Trajan als auch Septimius Severus haben die Stadt anders kennengelernt als K y r o s II. oder Alexander der G r o ß e : Kein feierlicher E m p f a n g durch die Einwohnerschaft wurde ihnen hier zuteil, sondern beide Male war die Bevölkerung v o r dem nahenden römischen Heere geflohen und hatte Babylon verödet zurückgelassen. E s scheint, als hätten die Babylonier aus ihren E r fahrungen mit Eroberern, die sich als .Befreier' gaben, allmählich Vorsicht gelernt. Das Partherreich besaß keine ständige Hauptstadt, aber unter den zeitweiligen Königsresidenzen war neben Rhagae (nahe Teheran), Ekbatana und dem neu gegründeten Ktesiphon am Tigris auch Babylon zu finden. Man ginge jedoch fehl, daraus auf eine Neubelebung oder gar einen großzügigen Wiederausbau der Stadt schließen zu wollen; der archäologische Befund spricht eher für das Gegenteil. Z w a r scheint die um 125 v. u. Z . erfolgte teilweise Einäscherung der Stadt, die als Strafgericht gedacht und mit einer Deportation der Bevölkerung verbunden war, ohne nachhaltigere Folgen geblieben zu sein, da bereits im Jahre 109 v. u. Z . wieder Wettkämpfe in Babylon stattfanden, deren Siegerlisten uns erhalten geblieben sind 53 ; auch können Hinweise auf Umbauten älterer Anlagen verzeichnet werden: Das griechische Theater erhielt nunmehr seine letzte Gestalt 54 , während der alte Sommerpalast Nebukadnezars zu einer Festungsanlage umgebaut, teilweise aber auch abgetragen wurde. 5 5 Die Hauptburg hat, wenn auch nicht mehr als Palast, so doch noch als Wohnstätte gedient; im Hof v o r dem ehemaligen Thronsaal wurden zudem zahlreiche Bestattungen in Wannen und soge48
R . G h i r s h m a n , „ I r a n " S. 245; v g l . Justin X X X V I I I 9, 5.
49
Justin X X X V I I I , 10, 6; R . Ghirshman, „ I r a n " S. 248.
30
Justin X L I I , 1 , 3 ; v g l . dazu unten.
51
In dem Gebäude, das ihm als Todeshaus Alexanders bezeichnet wurde, opferte er den M a n e n des T o t e n ; s. Cassius D i o L X V I I I
52
Cassius D i o L X X V 9; Z o n a r a s X I I 9. Z u dem Verhältnis Römer—Parther s. R . G h i r s h m a n , „ I r a n " S. 250ff.
53
Wetze), Spätzeit S. 20 und 73.
30, v g l . Zonaras X I
54
22.
Wetzel, Spätzeit S. 18 f. (Zustand II) und 20. D i e griechische Inschrift des Dioskurides über eine v o n ihm durchgeführte E r n e u erung v o n Theater nebst Skene datiert nach der F o r m der Schriftzeichen aus der Zeit zwischen 1 3 0 und 200 u. Z . , s. E . Schmidt bei Wetzel, Spätzeit S. 50.
55
Wetzel, Spätzeit S. 25.
51
nannten ,PantofFelsarkophagen' aus parthischer Zeit aufgedeckt. 56 Der parthischen Periode gehört in seinen frühen Schichten auch der sogenannte ,Südwestbau' an 57 , ebenso wahrscheinlich auch die Anlage eines kleineren Innenhafens. 58 Deutlicher noch zeigt sich der Niedergang der einst dichtbevölkerten Metropole in ihrem Wohnviertel: W o noch parthisches Mauerwerk aufgefunden wurde, bezeugt es eine Reihe von kurzlebigen Häusern mit schiefwinkligen Räumen. Sie waren häufig auf den Resten älterer Bauten errichtet, mitunter von krummen, nachlässig hergestellten Umfassungsmauern umgeben und ohne Rücksicht auf das alte Straßennetz angelegt. 59 Z w a r ist schon in persischer und seleukidischer Zeit das neubabylonische Straßensystem durch verschiedentliche Verschiebungen der Fluchten abgewandelt worden, doch nun durchschneiden Mauern die Straßenzüge, und Gräber sowie Getreidegruben sind dort angelegt, w o einstmals lebhaftes orientalisches Straßenleben pulsierte. Dazwischen befanden sich jetzt größere Flächen, die verödet waren und teilweise als Garten- und Ackerland genutzt wurden. Der alte Mauerring, der die Millionenstadt umgrenzt hatte, war schon lange viel zu weit geworden. Babylon nahm mehr und mehr einen dörfischen Charakter an. Was im einzelnen zu diesem Niedergang geführt hat, läßt sich schwer feststellen. Sicherlich aber hat die Tatsache, A b b . 9. Parthische Terrakotte,
daß das im westlichsten Teil des Partherstaates gelegene Babylon in
M a n n mit Blume und K r a n z .
seinem Handel mit dem nun römischen Mittelmeergebiet wohl einen
Höhe 1 1 , 4 cm
starken Rückgang verzeichnen mußte, negative Auswirkungen auf den Wohlstand der Stadt gehabt.
Nach Titus Livius X X X V 1 1 I , 1 7 bildete im Babylon seiner Zeit die Einwohnerschaft griechischmakedonischer Herkunft noch das stärkste Element, wenn auch die Stadt insgesamt einen parthischen Charakter annahm. Dieses Nebeneinander von Griechischem und Parthischem findet in den zutage geförderten Kleinfunden aus der — allerdings stellenweise sehr gestörten — parthischen Schicht eine Bestätigung. 60 Bei den zahlreichen Terrakotten fanden sich neben rohen Nachbildungen gräzisierter babylonischer Typen auch solche, die sich durch ihre Bekleidung — wie etwa die quergefältelten Hosen — sicher als parthisch ansprechen lassen. In der Keramik stehen plumpe hellenisierende Amphoren neben weißglasierten parthischen Gefäßen; die tönernen Lampen sind jetzt verziert, grün oder blau glasiert und scheinen aus zwei Formen gedrückt. A u c h im Bestattungswesen existieren ältere und jüngere Formen gleichzeitig: Neben die jetzt flacheren Stülpsärge und die hellenistischen gemauerten Sarkophage treten lange schmale Trogsärge mit oder ohne Deckel. Die Kenntnis der babylonischen Keilschrift und Sprache war, wenn auch in nur sehr kleinem Kreise, noch vorhanden. N o c h aus dem 1. Jahrhundert v. u. Z. besitzen wir einige Wirtschaftsurkunden aus Babylon 6 1 , während die Astronomen ihre Beobachtungen — für Babylon ist bei Plinius, Nat. hist. V I 26, 123, eine Astronomenschule bezeugt — noch bis in das erste Jahrhundert u. Z . in babylonischer Sprache auf T o n schrieben. Auch griechische Inschriften sind aus der Partherzeit Babylons noch erhalten. 62 Schalen mit hebräi58
Wetzel, Spätzeit S. 27.
57
Wetzel, Spätzeit S. 22 f.
58
Wetzel, Spätzeit S. 24. E s handelt sich dabei um einen 2,80 m breiten K a n a l , der sich zu einem 87 m langen und 13 — 1 4 m breiten Becken ausweitet.
"
Reuther, Innenstadt S. 148 fr.
80
Reuther, Innenstadt S. 39 f.
61
Siehe z. B . J . K o h l e r — A . U n g n a d , „ 1 0 0 ausgew. R e c h t s u r k . " N r . 94fr. (Arsakä = Mithradates II.).
62
Wetzel, Spätzeit S. 49 fr.
52
sehen Schriftzeichen aus parthischer und späterer Zeit mögen Hinweise auf das Vorhandensein einer jüdischen Ansiedlung sein; hier und in anderen jüdischen Gemeinden Mesopotamiens entstand im Verlauf mehrerer Jahrhunderte der babylonische Talmud. 6 3 Die Austreibung der Juden als Brunnenvergifter, die uns Josephus, Ant. Jud. X V I I I , 371 f., überliefert hat und in Babylon zu A n f a n g des 1. Jahrhunderts u. Z . stattgefunden haben soll, scheint dem Judentum der Stadt nicht das Ende gebracht zu haben. Falls das griechische Theater tatsächlich erst im 2. Jahrhundert u. Z . seinen letzten großen Umbau erfahren hat, könnte das für eine begrenzte Nachblüte sprechen; lange dürfte sie jedoch nicht vorgehalten haben. 64 Die Partherherrschaft wurde 227 u. Z . durch die persischen Sasaniden beendet, und 642 eroberten die Anhänger des Propheten Mohammed das Zweistromland. Babylon war zu dieser Zeit schon ein kleiner, unbedeutender Ort geworden und seine Stätte geriet allmählich in Vergessenheit; nur sein Name überdauerte. A m A n f a n g des 10. Jahrhunderts beschreibt der arabische Geograph Al-Istahri Babylon als ein kleines D o r f , in dem man noch die Trümmer von Gebäuden sehen könne; in alten Zeiten aber sei es einmal eine große Residenz gewesen. 63
Wetzel, Spätzeit S. 33.
64
V g l . A . M a l l w i t z bei Wetzel, Spätzeit S. 2 1 .
P h o t o n a c h w e i s : A b b . 1 , 2, 4, 7—9 Staatliche M u s e e n zu B e r l i n . A b b . 3 aus F r . Wetzel, Z e i t s c h r i f t f ü r A s s y r o l o g i e , N e u e F o l g e B d . 1 4 (1944), P l a n I I . A b b . 5 aus F r . W e t z e l , E . S c h m i d t u. A . M a l l w i t z , D a s B a b y l o n der Spätzeit, B e r l i n 1 9 5 7 , T a f e l n a .
53
BEITRÄGE ZUR
OINOPHOREN-GRUPPE
Elisabeth Kohde
Die Gefäßgruppe der sogenannten OINOOPOI, bei der es sich um eine Gattung spätrömischer, in ihrem Ursprung alexandrinischer Reliefkeramik handelt, fand in jüngster Zeit durch wiederholte eingehende Untersuchungen 1 erneute Beachtung. Die Bezeichnung der Gefäße als Oinophoren, die sich aus der Inschrift OINOOPOC auf einem dieser Gattung angehörenden K r u g in der Sammlung D . M. Robinson 2 herleitet, sei auch hier nur als Arbeitstitel 3 verwendet. Die Beobachtungen von U. Hausmann ergaben, daß sich bei einigen dieser grob gearbeiteten, in zwei Hälften aus der Form ausgedrückten Gefäße Repliken nachweisen lassen, die entweder aus derselben Matrize hergestellt sind oder aus Zweitschöpfungen von Matrizen stammen, die möglicherweise in anderen Gegenden nach exportierten Gefäßen angefertigt wurden. 4 Drei Gefäße dieser Gattung, zwei des Pelikentyps, eins in Oinochoenform, zu denen sich unter den bereits bekannten Stücken ebenfalls Repliken feststellen ließen, seien als bescheidener Beitrag zu den oben zitierten grundlegenden Untersuchungen hier vorgelegt. Die 0,175
m
hohe, bisher unveröffentlicht gebliebene Pelike (Abb. 1 u. 3) gehört zum Besitz der
Staatlichen Museen in Gotha. 5 Sie ist völlig ungebrochen, hat außen und innen Sinteransatz 6 und ist aus hellem gelbbraunem T o n gearbeitet, den ein dünner rötlicher Überzug bedeckt. Das Gefäß wurde wie üblich in zwei Hälften aus je einer Form für Vorder- und Rückseite ausgedrückt und zusammengefügt, wobei man den T o n an den Stellen des Aneinandertreffens der Hälften in senkrechtem Verlauf glattstrich. Der freigearbeitete Fuß und der Rand sind auf der Scheibe angedreht. Die Henkel, die zusammen mit den Gefäßseiten aus der Form gewonnen wurden (vertikale Naht an der Innenseite) haben Einkerbungen. Außen auf beiden Seiten unter dem Mündungsrand setzt sich ein schmaler horizontaler Wulst ab. J e zwei Lorbeerzweige, die, von den Henkelzonen ausgehend, schräg emporgerichtet sind und etwa in der senkrechten Achse der Bildmitte zusammentreffen, schirmen wie ein Dach die auf beiden Seiten dargestellte Szene ab, in der ein Jüngling ein Pferd führt. Die Jünglinge 1
E v a B . Bönis, Archaeologiai Ertesitcf 79, 1952, 23 — 32, T a f . 1 — 3 ; U . H a u s m a n n , Athenische Mitteilungen 69/70, 1954/55, 125 — 146 (Beilagen 43 — 53) mit Zusammenstellung des Materials nach Gefäßtypen geordnet; ders., a. a. O . 7 1 , 1956, 1 0 7 — 1 1 2 (Beilagen 61—64) und Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums M a i n z 5, 1958, 266—275 ( T a f . 45—49); M . P. V a u lina, Sovietskaia A r c h e o l o g i a 1 , 1959, 72—83; L . Ghali-Kahil, Monuments Piot 5 1 , i960, 73—91.
2
D . M . R o b i n s o n , A m e r i c a n J o u r n a l of A r c h a e o l o g y 1 3 , 1909, 301V,; ders. Corpus V a s o r u m A n t i q u o r u m Baltimore, R o b i n s o n Collection, Fase. 3, I V , T a f . 39, Text S. 51 f. mit A n g a b e der älteren Literatur. V g l . Hausmann, a. a. O . 69/70, 1954/55, 125 A n m . 1.
4
A . a. O . 7 1 , 1956, 108 (zylindrischer K r u g t y p u s ) und J a h r b u c h Mainz a. a. O. T a f . 45—48, S. 27T.
5
I n v . Z . V . 1002 mit V e r m e r k : „ G e k a u f t v o n Nik. Zitelli in C h i o s " .
6
D e r an der Außenfläche haftende Sinter konnte inzwischen durch Behandlung in der Restauratorenwerkstatt der AntikenS a m m l u n g der Berliner Museen größtenteils entfernt werden.
54
sind frontal in das Bild gestellt, sie sind nackt, ein Mäntelchen ist über die linke Schulter gelegt, ein Lorbeerkranz mit einer an der rechten Seite herabhängenden Traube — beides mit dem Modellierholz fast gänzlich verstrichen — umgeben den K o p f ; mit der Rechten halten sie eine aufgestellte Lanze, die Linke faßt das dahinterstehende Pferd am Zaum. So wie das Zaumzeug ist auch das Geschirr der Pferde deutlich angegeben, man erkennt es vorn auf der Brust und an den Hinterbacken der Tiere. — E s dürfte kein Zweifel bestehen, daß es sich bei dem vorliegenden Gefäß und der unlängst publizierten Pelike im Athener
Nationalmuseum
(Abb. 2)'
um
Repliken handelt, die wahrscheinlich sogar aus der gleichen F o r m hergestellt wurden. E i n an Hand der Photos von Vorder- und Rückseite der Athener Pelike durchgeführter Vergleich unseres Stückes mit dem des Nationalmuseums, dessen Bildschmuck als Darstellung der Dioskuren von Hausmann 8 sicher richtig verstanden ist, hat die Ubereinstimmung beider Gefäße ergeben. Eine geringe Abweichung auf einer Seite des Gothaer Gefäßes, w o der Mantelzipfel über den linken A r m des Jünglings herüberhängt, während an entsprechender Stelle auf dem Athener Stück der A r m des Jünglings unbedeckt bleibt, A b b . 3. Pelike, Staatliche Museen G o t h a
beweist nichts gegen einen Ausdruck aus derselben Matrize, sondern dürfte aus der sehr
groben Herstellungstechnik zu erklären sein, bei welcher notwendigenfalls mit dem Modellierholz Ergänzungen und Korrekturen durchgeführt wurden. So mögen auch an den K ö p f e n der Dioskuren Kranz und Traube aus der Negativform nur schwach und unvollständig ausgedrückt worden sein, und das Modellierholz formte dann in grober Weise nach, was die Matrize nicht mehr hergegeben hatte. F ü r eine Herstellung beider Gefäße aus den gleichen Negativformen spricht schließlich aber auch die Anbringung der überdachenden Lorbeerzweige, deren Abstand v o m K o p f e des Dioskuren übereinstimmend auf der einen Seite der Peliken beträchtlich größer ist als auf der anderen. Eine Pelike der Berliner Antiken-Sammlung 9 , die hier erstmalig abgebildet wird (Abb. 5 u. 8), ist für uns durch die besonders gute Erhaltung beider Bildseiten und die dadurch mögliche Erfassung des Details von Bedeutung. Das Gefäß (heller rötlich-brauner T o n , dünner rötlicher Überzug, Henkel mit Einkerbungen als Strickhenkel gebildet, im Gefäßinnern Sinteransatz, an der Außenfläche nur vereinzelt etwas Sinter) zeigt als Bildschmuck auf der einen Seite, in der man die Hauptseite A zu 7
Hausmann, a. a. O . 69/70, 1954/55, 1 3 7 III. Nr. 15 mit A n m e r k u n g 2 4 a und Beilage 44, 2. Z u r zeitlichen E i n o r d n u n g ders., a. a. O . 1 3 8 A n m . 28. — D i e obige A b b i l d u n g verdanken wir der großen Hilfsbereitschaft v o n U. Hausmann, der liebenswürdigerweise das in seinem Besitz befindliche P h o t o der Athener Pelike f ü r unsere Untersuchungen zur V e r f ü g u n g stellte.
8
A . a. O . 1 3 7 A n m . 24a. — D e n Bildtyp des mit aufgestellter Lanze v o r einem Pferd stehenden Mannes in Frontalansicht zeigt auch ein römischer Grabstein des 3. J h s . in Aquileia, I n v . 102 (B. Forlati T a m a r o , Sculture di Aquileia — Estratto da „ A q u i l e i a N o s t r a " V , 1 , 1934, 30, F i g . 49).
0
I n v . 3 0 4 1 3 ; aus Kleinasien. Höhe 0 , 1 7 7
56
K . A . Neugebauer, Führer durch das Antiquarium II, 205.
Abb. 7. Detail mit dem Kopf des Eros von der Pelike Abb. 6
Abb. 6. Pelike, Puschkin-Museum Moskau
sehen hat, einen frontal stehenden Eros, der von zwei emporgerichteten, nach oben zusammenstrebenden Weinranken, an denen breite Blätter und große Trauben hängen, umgeben ist. Die Erosfigur ist nackt bis auf ein um die Schulter gelegtes Mäntelchen, von dem ein Zipfel an der rechten Hüfte herabhängt. In der Rechten hält der kleine dickliche geflügelte Liebesgott die Syrinx, die er vor die i
i
i
•
i- i
A
Brust erhoben hat, im linken Arm trägt er ein Füllhorn, unter welchem neben seinem linken Bein eine Darstellung erscheint, die man als Teil einer gesenkten Fackel deuten möchte. 10 Die aus dem bisher bekannten Material dieser Pelike zuzuordnenden Repliken, das Fragment im Museum von Delos (Abb. 4 ) 1 1 , die Pelike aus der Nekropole des skythischen Neapol, jetzt im Puschkin-Museum in Moskau (Abb. 6—7 u. 9—io) 12 und ein Pelikenbruchstück aus der einstigen römischen Kolonie Apulum 13 sind, wie Unterschiede an den Köpfen der Erosfiguren und an den Blättern erkennen lassen, sicher nicht aus 10
R. Zahn erwähnt im Inventar nur: „ E r o s mit Syrinx und Fackel", ebenso Neugebauer, a. a. O. „ E r o s mit Hirtenflöte und Fackel". D a unter der linken Hand des Eros aber ganz deutlich die abgebogene Spitze des Horns im Relief zu erkennen ist, die die dahinter hängende Weintraube zum Teil überschneidet, haben wir es hier zweifellos mit einem Füllhorn zu tun, das in einem merkwürdigen spätzeitlichen Synkretismus mit einer Fackel verbunden wurde. Füllhorn und Fackel sieht auch ¡Vf. P. Vaulina, a. a. O. 72, auf der im folgenden erwähnten Replik unseres Gefäßes, der Pelike aus Neapol.
11
Hausmann, a. a. O. 69/70, 1954/55, 137 III Nr. 1 3 ; ders., a. a. O. 71, 1956 Beilage 64; ders., Jahrbuch Mainz a. a. O. 272, Taf. 47,4. — Hier abgebildet nach der Aufnahme von U. Hausmann, die dieser uns freundlicherweise für den Druck unserer Vorlage überließ.
12
P. N . Schulz und W. A . Golowkina, Das skythische Neapol (Lebende Vergangenheit). Aus dem Russischen ins Deutsche übertragen von A . Becker und R . Kalinowski, Berlin 1954, Taf. zu S. 1 8 7 ; U. Hausmann, Jahrbuch Mainz a. a. O. 272 mit Anmerkung 24 und Taf. 47, 3; M. P. Vaulina a. a. O. 73, Fig. T U. 2; N. N . Britova, Travaux du Musée Pouchkine des Beaux-Arts, Moskau i960, Abbildungen S. 40/41. — Sehr herzlicher Dank sei hier Herrn Professor B. R. Wipper, stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Puschkin-Museums, Moskau, ausgesprochen, der uns liebenswürdigerweise durch Übersendung guter Originalphotos der Pelike die obigen Abbildungen ermöglichte.
13
Bonis, a. a. O. 25, 1 2 u. Taf. 3, 5 a.
58
derselben Matrize hergestellt, sondern werden alle vier aus verschiedenen Formen, die jedoch im Grundtyp übereinstimmen, gearbeitet sein. Eine interessante Abweichung ist uns in dem K o p f des Eros aus Neapol erhalten, dessen Haar in dicken Strähnen wie eine Kapuze das Gesicht umgibt. Man wird sich fragen, ob diese Variante bereits in der Anlage der Negativform beabsichtigt war, oder ob sie sich erst nach dem Ausdrücken aus der Matrize ergeben hat, indem die den K o p f rahmenden Lockenhaare in der F o r m zurückgeblieben sind oder durch den Formausdruck nicht deutlich ausgebildet waren, so daß sich die Notwendigkeit ergab, mit dem Spachtel nachzuarbeiten, was dann in vereinfachender grober Weise geschah. Daß wohl letzteres der Fall gewesen ist, die Matrize also die Haaranordnung des Eros in der üblichen, durch die Repliken bekannten A r t gezeigt haben mag, darauf möchte man aus den Resten von Haarlocken schließen, die auf dem K o p f des Eros erkennbar sind. — A u f der Rückseite des Gefäßes erscheint Hermes, ebenfalls in Frontalansicht stehend und von Weinranken mit Blättern und Trauben umgeben, die dicht an seinen K o p f heranreichen. Der über der Brust geknotete Mantel bedeckt die Schultern und den linken A r m des Gottes, in dem er das Kerykeion hält, sein übriger K ö r p e r ist nackt. Die gesenkte rechte Hand trägt einen Beutel. A u f dieser Bildseite ist die Übereinstimmung der beiden Gefäße, der Berliner Pelike mit derjenigen aus Neapol, noch offensichtlicher. Die am K o p f e des Hermes des letztgenannten Gefäßes deutlich angegebenen Flügel vermag man auf dem Berliner Stück nicht mit Sicherheit zu identifizieren. Vermutlich sind die beiden über der Stirn des Gottes sich erhebenden Ansätze als kleine Flügel zu verstehen. Zeitlich wird man die Berliner Pelike nach der Bildung der Gewandfalten und Körperformen etwa in die Jahre um 220—235 u. Z. setzen. 14 Später, sicher nicht v o r der Mitte des 3. Jahrhunderts, mag die Gothaer Pelike mit der Dioskurendarstellung entstanden sein. Schließlich sei noch auf ein Gefäß hingewiesen, das dem Oinochoentyp der Gattung angehört (Abb. 1 1 ) . Die Kanne befand sich einst in der Antiken-Sammlung der Berliner Museen 15 , sie ist dann während des letzten Krieges verschollen und kann, da keine photographischen Aufnahmen des Stükkes existieren, hier nur nach einer kleinen Skizze, die Robert Zahn für das Inventar anfertigte, abgebildet werden. Die Inventareintragung Zahns lautet: „Späte Kanne, aus doppelter F o r m hergestellt. A u f der einen Seite in Relief: gehörnte Satyrmaske mit Weinranken, auf der anderen Kantharos, aus dem Weinranken wachsen. Henkel weggebrochen." Wir erkennen aus diesem Wenigen, was uns von dem Gefäß erhalten blieb, daß es sich um den T y p jener Oinochoen handelt, die auf der Vorderseite eine große Maske und unter dem Henkel den Kantharos mit daraus emporrankenden Rebzweigen tragen, wie es die Kannen in Karlsruhe und London mit Medusenhaupt und die Kannen in Aquileia (Abb. 12) und Leningrad mit Silensmaske zeigen. 16 Zweifellos haben wir es bei den Oinochoen 14
V g l . die in diesem Zeitraum gearbeitete Sarkophagplastik, wie etwa den Sarkophag R o m , St. Peter (F. Matz, Jahrbuch d. Deutschen Archäologischen Instituts, 19. E r g ä n z u n g s h e f t T a f . 2 5 b u. T a f . 26a, b).
15
I n v . 3 0 4 1 2 ; aus Kleinasien. Höhe 0,155
10
Karlsruhe, Badisches Landesmuseum B 816 (Athen. Mitt. 7 1 , 1956 Beilagen 62 u. 63, 1 ; Jahrbuch M a i n z a. a. O . T a f . 46, 3 u.
m
; K A . Neugebauer, Führer II, 206.
4); L o n d o n , Britisches M u s e u m 74. 8 — 5. 104 (Jahrbuch M a i n z a. a. O . T a f . 46, 1 u. 2); Aquileia, Museum (G. Brusin, G l i Scavi di Aquileia, Udine 1934, F i g . 7 3 ; Jahrbuch M a i n z a. a. O . T a f . 49, 1 ) ; Leningrad, E r m i t a g e B - 9 0 1 0 (M. P. Vaulina, a. a. O . 76 F i g . 5). A u c h das P h o t o der Oinochoe in Aquileia wurde uns v o n U. Hausmann beschafft. Ihm sei an dieser Stelle für alle uns erwiesene kollegiale H i l f e sehr herzlich gedankt.
60
A b b . I i . S k i z z e einer O i n o c h o e der A n t i k e n - S a m m l u n g B e r l i n
A b b . 12. Oinochoe, Museum Aquileia
Aquileia und Leningrad ebenso wie bei den Medusenhaupt-Kannen Karlsruhe und London mit Repliken verschiedener Formen, jedoch desselben Typs zu tun. Daß es sich bei der Berliner Oinochoe u m eine weitere Replik des Typs Aquileia-Leningrad handelt, ist durchaus möglich, allein auf Grund der kleinen Skizze aber nicht zu entscheiden. Zahn erwähnt im Inventar „gehörnte Satyrmaske", wobei ihn vielleicht grob ausgeführte oder nachgearbeitete Haarsträhnen, die sich auf dem Kopfe wie Hörner ausnehmen, oder den Kopf dicht umgebendes Weinrankenwerk, das die Darstellung verunklärt, zu dieser Deutung führen konnten. V o n einem „bärtigen gehörnten Panskopf zwischen R e b r a n k e n " spricht allerdings auch Neugebauer 1 7 , was dann vielleicht zu der V e r m u t u n g berechtigt, daß, ebenso wie bei den vorher betrachteten Repliken aus Neapol und Berlin, auch hier gewisse Abweichungen vorhanden sind, die jedoch keinen verschiedenen Grundtyp vorauszusetzen brauchen. A u c h die angegebene Höhe der Kannen w ü r d e die A n n a h m e von Repliken nicht ausschließen. Das M o t i v der Rückseite der genannten Oinochoen, der Kantharos, aus dem zu beiden Seiten hin in symmetrischer K o m position Weinranken mit Blättern und Trauben herauswachsen, erscheint auch auf einer Oinochoe dieser Gattung mit Ganymed-Darstellung in Leningrad 1 8 und auf einer kürzlich publizierten Lagynos im Museum von Kairo 1 9 , w o es ebenfalls den R a u m unter dem Henkel füllt. W i r besitzen damit weitere Zeugnisse für das V o r k o m m e n dieses sepulkral-symbolischen Motivs 2 0 , das, in der dionysischen Weinstocksymbolik wurzelnd, v o m frühen Christentum übernommen und umgedeutet wurde. 17
A . a. O . 206.
18
E r m i t a g e 9 4 1 ; v g l . M . P . V a u l i n a , a. a. O . 75 ff.
19
l n v . 8 6 6 3 5 ; L . G h a l i - K a h i l , a. a. ( ) . T a f . I V F i g . 2 u n d S. 74 F i g . 2.
20
V g l . U . H a u s m a n n , J a h r b u c h M a i n z a. a. O . 2 6 9 t .
P h o t o n a c h w e i s : A b b . 1 , 3, 5, 8, 1 1 Staatliche M u s e e n zu B e r l i n . O r i g i n a l p h o t o s f ü r die A b b i l d u n g e n 6, 7, 9, 1 0 w u r d e n f r e u n d l i c h e r w e i s e v o n P r o f . B . R . Vi i p p e r , M o s k a u , f ü r die A b b i l d u n g e n 2, 4, 1 2 v o n P r o f . D r . U . M a u s m a n n , T ü b i n g e n , zur V e r f ü g u n g gestellt.
6l
„CROM", DER
MONOLITH-SOCKEL
DES „ E H E R N E N R E I T E R S " IN
LENINGRAD
Werner Tim///
Das berühmte Monument Peters des Großen mit dem sich aufbäumenden Pferd in Leningrad zählt zu den großartigsten Reiterstandbildern, die die Geschichte der Monumentalplastik kennt. 1 Sein genialer Schöpfer ist der französische Bildhauer Etienne-Maurice Falconet, den Katharina II. mit diesem Auftrag betraute und 1766 nach Petersburg kommen ließ. Sechzehn Jahre nahmen dann die Arbeiten für dieses Monument in Anspruch bis es am 18. August 1782 feierlich enthüllt werden konnte.
An dieser Stelle beschäftigt uns weniger das Reiterstandbild als solches, sondern die Geschichte des gewaltigen Sockels, der aus einem einzigen Granitfelsen besteht. Dieser Block ist 14 m lang, 6 m breit und 5 m hoch und hat ein Gewicht von rund 30000 Zentnern. Falconet hatte sich bereits in Paris mit der Idee eines mächtigen steinernen Sockelaufbaus beschäftigt und auch schon ein Modell zur Veranschaulichung angefertigt. Der Aufbau bestand hier jedoch aus einer Anhäufung verschieden großer Blöcke. Erst in Petersburg legt ihm der Conte Carburi-Lascaris, ein griechischer Ingenieur in russischen Diensten, aus statischen Gründen und auch wegen der größeren Dauerhaftigkeit nahe, einen Monolithen zu verwenden. Fast zwei Jahre hat man daraufhin erfolglos nach einem geeigneten Felsen gesucht und war schon im Begriff, auf die ursprüngliche Idee von Falconet zurückzukommen, als ein Bewohner des Dorfes Lachta an der Bucht von Kronstadt auf einen bemoosten Felsblock in einem 1
V g l . E d m u n d Hildebrandt, L e h e n , Werke und Schriften des Bildhauers Ii.-M. Falconet, Straßburg 1908, S. 4 1 — 55.
62
Abb. 2. Jacob von der Schley, Bearbeitung des freigelegten Monolithen, Radierung (43x68 cm)
A b b . 3. J a c o b van der Schley, Transport des Monolithen, Radierung (42,8x69,1 cm)
A b b . 4. Sellier, Seetransport des Monolithen zwischen zwei Fregatten, Kupferstich
sumpfigen Wald aufmerksam machte, von dem aus Peter der Große angeblich einmal Ausschau auf Petersburg gehalten hatte. Diesen teilweise im sumpfigen Untergrund versunkenen Stein zeigt die erste von drei die Bergung des Monolithen schildernden großformatigen Radierungen im Berliner Kupferstichkabinett. Sie stammen von dem holländischen Stecher Jacob van der Schley, der sich zwischen 1768 und 1775 in Petersburg aufhielt, und gehen auf Zeichnungen des russischen Architekten I g o r Velten zurück. Allein das Transportproblem schien nahezu unlösbar und erinnert an die enormen Felsbewegungen, die zur Errichtung der größten Hünengräber der Vorgeschichte erforderlich waren. A u c h an den Transport ägyptischer Obelisken an ihren Aufstellungsort wie an den späteren Abtransport solcher
A b b . 5. Erinnerungsmedaille zur A u f s t e l l u n g des Monolithen
nach Europa, z. B. nach R o m , Paris und London, mag man sich hier erinnert fühlen. E s hat deshalb nicht an einflußreichen Persönlichkeiten in Petersburg gefehlt, die sich gegen dieses tollkühne Projekt wandten. A b e r Katharina II. gefiel dieser Plan und allen Bedenken zum Trotz verstand sie es, ihn durchzusetzen. Unterkünfte für 400 Arbeiter wurden errichtet und im Winter 1768, als der Boden hinlänglich fest war, löste man den Stein, der im Volksmund bald den Beinamen „ G r o m " ( „ D o n n e r " ) erhielt, v o m Untergrund und begann 1769 mit der Bearbeitung des Monolithen, der dann allmählich die F o r m annahm, die für die Aufstellung des Reiters vorgesehen war. Man erkennt den Fortschritt der Arbeit deutlich an den beiden weiteren Radierungen. Für die Bewegung des Kolosses konstruierte der Conte Carburi 2 , der Falconet bei diesem Projekt getreulich zur Seite stand, 16 riesige Maschinen, die jeweils mit 32 Leuten betrieben wurden und den Block täglich um etwa 45 m auf großen K u p f e r kugeln, die in Hohlschienen liefen, vorwärts brachten. A u f der betreffenden Radierung gewahrt man allerdings nur zwei große Winden, ähnlich wie sie zu der Zeit auf Schiffen als Ankerspill Verwendung fanden, mit je 30 Mann besetzt. Z w e i Trommler, oben auf dem Block stehend, gaben die Zeichen zum Vorrücken oder Einhalten. Selbstverständlich erregte dieses Unternehmen viel Aufsehen, und ganz Petersburg war auf den Beinen, um sich den komplizierten Transport anzusehen. A u f der dritten 2
V o n ihm ist 1 7 7 7 ein großes T a f e l w e r k herausgegeben w o r d e n , das eingehend den v o n ihm geleiteten Transport des Monolithen schildert; v g l . M . Comte Carburi de Ceffalonie, M o n u m e n t élevé à la gloire de Pierre-le-Grand, ou relation des travaux et des moyens mèchaniques, qui ont été employés pour transporter à Pétersbourg un R o c h e r de trois millions pesant, destiné à servir de base à la Statue équestre de cet F.mpereur. Paris, N y o n u. S f o u p e ,
T777
(mit
12
Kupfern).
65
Radierung gewahrt man links v o m Felsen die Urheberin dieses Projektes, Katharina II., mit ihrem Hofstaat, und es ist vielleicht Falconet selbst oder der Conte Carburi, der ihr den Transport erläutert. Eine Erinnerungsmedaille 3 , die Katharina auf den glücklich gelungenen Transport später schlagen ließ, gibt die gleiche Situation dieser Radierung wieder. 4 Fünfmal bohrte sich unterwegs der Felsen durch sein enormes Gewicht in den weichen Boden und mußte mühsam wieder flottgemacht werden — aber endlich wurde das Ufer der N e w a erreicht, und jetzt übernahm die Admiralität den Weitertransport des Steines. D a kein Schiff in der Lage war, den mächtigen Fels an Bord zu nehmen, mußte Carburi ein gewaltiges Floß konstruieren, das zwischen zwei Fregatten befestigt wurde. Im Oktober 1770 erreichte der K o l o ß dann schließlich seinen Bestimmungsort, w o er sich noch heute befindet, wenngleich seine Basis sich im Laufe der vergangenen zwei Jahrhunderte unter dem Druck des gewaltigen Gewichtes merklich senkte. Die A b b i l d u n g w u r d e nach dem E x e m p l a r im Berliner Münzkabinett angefertigt. 4
Z w e i Aquarelle v o n Blarenberghe in der E r m i t a g e zu L e n i n g r a d stellen ebenfalls den Transport dar, ebenso finden sich im Historischen M u s e u m zu M o s k a u weitere Darstellungen. V o m Historischen M u s e u m zu M o s k a u wurde auch die A u f n a h m e nach dem Stich v o n Sellier mit dem Schiffstransport freundlicherweise zur V e r f ü g u n g gestellt.
Photonachweis: A b b . 1 — 3, 5 Staatliche Museen zu Berlin, A b b . 4 Historisches M u s e u m , Moskau.
Z U R N E U A U F S T E L L U N G E I N E R S A N D S T E I N P L A S T I K D E S i 8. J A H R H U N D E R T S IN D E R
SKULPTUREN-SAMMLUNG
Ein Bericht über den Stand der Forschung zur Frage Joseph Anton Feuchtmayer und seine Gehilfen
Edith Fründt
Im September i960 konnte der Barocksaal der
plastischen K e r n des Bildwerkes zu betonen, und
Skulpturen-Sammlung mit der Plastik des 17. und
durch seine Glätte zu der bewegten Oberfläche der
18. Jahrhunderts um ein bedeutendes Stück berei-
Skulptur kontrastieren. Man wählte daher eine ein-
chert werden. D i e Neuaufstellung der Sandsteinfigur
fache Steinsäule mit dorischer Basis, die nur wenig
einer „betenden Maria" (Abb. 1) ist um so bedeut-
höher sein durfte als die Figur. Das Verhältnis ist
samer, als durch Kriegseinwirkung die Bestände der
9 0 : 1 1 0 cm, so daß der Betrachter auf die betenden
Skulpturen-Sammlung
Hände sehen kann.
an qualitätsvoller
Rokoko-
plastik stark reduziert sind. So fehlen fast ausnahmslos die großen Namen der süddeutschen Bildhauer
Die
bemerkenswerte
Qualität der
unterlebens-
großen Plastik (Abb. 2) hat seit dem Ankauf durch
wie Johann Baptist Straub, Ignaz Günther u. a., die
Theodor Demmler die Forschung
früher mit einigen guten Werken in Berlin vertreten
beschäftigt, ob es nicht möglich sei, diese Figur
waren.
einem der großen deutschen Rokoko-Bildhauer zu-
Nach Abschluß der langwierigen Restaurierung
mit der Frage
zuschreiben. Demmler selbst hielt sie, als sie 1921
zerstörten Fassungsreste
aus Weinheimer Privatbesitz nach Berlin kam, für
wurden festgelegt, die Risse und Sprünge geschlos-
ein Werk in der „ A r t des Ignaz Günther", wie seine
sen - mußte die Figur einen ihrem Charakter und
Eintragung im Inventar lautete. Unter der gleichen
Zustand entsprechenden Sockel erhalten. Das Bild-
Bezeichnung ist sie dann auch in der Neuerwerbungs-
-
die durch den Brand
werk war Ende des 18. Jahrhunderts bereits über-
liste in den „Berichten aus den Preußischen Kunst-
arbeitet und in seiner ursprünglichen Form zerstört
sammlungen" 1 zu finden. Adolf Feulner erwähnte
worden. Dabei wurde die einstmals auf Wolken
die Berliner Skulptur in seiner 1923 erschienenen
schwebende Gestalt zu einer Verkündigungs-Madon-
Publikation „Bayrisches R o k o k o " 2 zum ersten Male
na umgearbeitet. Aus diesem Grunde fehlen Unter-
mit dem Namen Joseph Anton Feuchtmayer. Aller-
schenkel und Füße, und die ganze Figur bekam eine
dings versah er seine Zuschreibung mit einem Frage-
ihrem früheren Aussehen nicht mehr entsprechende
zeichen. Feulner revidierte jedoch kurz darauf seine
neue Frontansicht. Durch diese Veränderung stand
Meinung
man vor der Schwierigkeit, dem seiner Fußpartie
„Skulptur
beraubten Torso eine geeignete Standfläche geben
Deutschland" 3 und sah nun in der Berliner Figur eine
zu müssen. E s galt, den schwerelosen Charakter der
Arbeit des durch sein Chorgestühl in der Kloster-
Figur nicht zu zerstören und zugleich einen dem
kirche zu Wiblingen bekannt gewordenen
geschlossenen Umriß gemäßen Sockel zu entwerfen.
Joseph Christian d. J . ; aber dieser Meinung hat sich
Dieser mußte möglichst rund sein, um den festen
niemand angeschlossen. Christians Arbeiten in Wib-
1 2
in dem von und
Malerei
ihm verfaßten Handbuch des
18. Jahrhunderts
in
Franz
Berliner Aluseen. Berichte aus den Preuß. K u n s t s a m m l u n g e n XL1I1, J g . 1922. S. 41. A d o l f Feulner, Bayrisches R o k o k o . M ü n c h e n 1923. S. 163. Adolf Feulner, Skulptur u n d Malerei des 18. J a h r h u n d e r t s in Deutschland. P o t s d a m - W i l d p a r k , 1929. (Handb. d. K u n s t w i s s . ) S. 91 A b b . 84.
67
Abb. i. Art des Joseph Anton Feuchtmayer, um 1760 bis 1770, Maria aus einer Krönung (Inv. Nr. 7997). Sandstein
Abb, 2. Art des Joseph Anton Feuchtmayer, um 1760 bis 1770, Maria aus einer Krönung, Detail (Inv. Nr. 7997). Sandstein
lingen und Unlingen sind in ihrer spielerischen Grazi-
noch aus Entwürfen und Photographien bekannt) 8 .
lität und in ihrem sentimental-süßlichen Ausdruck
1763 bis 1764 arbeitete er den Hochaltar in Baindt,
Werke des Louis-seize und haben mit der plastisch-
von dem nur noch einige Figuren erhalten sind 9 ,
ruhigen Auffassung unserer Sandsteinplastik nichts
1764 bis 1766 den Hochaltar für die Kapelle im
gemein. Demmler schrieb 1930 in seinem Katalog
Schloß Heiligenberg am Bodensee, der im 19. Jahr-
„ D i e Bildwerke des Deutschen Museums. III. Bd.
hundert zerstört wurde und nur von einem Riß
D i e Bildwerke in Holz, Stein und Ton. Großplastik" 4
bekannt ist 10 , 1761 bis 1768 ist seine Mitarbeit an den
die „betende Maria" wieder Joseph Anton Feucht-
Beichtstühlen und am Chorgestühl der Stiftskirche
mayer zu. E r verglich sie mit einer damals noch als
in St. Gallen überliefert 11 . 1764 schuf er die Stuk-
Werk Feuchtmayers geltenden Figur, der Madonna
katuren für die Prälatur im Kloster Salem 12 , 1765 bis
glaubte,
1766 den Hochaltar und zwei Seitenaltäre der Pfarr-
gewisse Übereinstimmungen in Haltung und Aus-
aus Herdwangen
(Kreis Konstanz) und
kirche St. Leonhard (Reste befinden sich heute in
druck zu sehen. Demmler wies als erster auch auf
Herdwangen) 1 3 .
die Ähnlichkeit mit der Maria in der Krönung auf dem Giebelrelief an der Ostfront der Klosterkirche zu St. Gallen hin. Zwei in den dreißiger Jahren erschienene Dissertationen 5 , die sich mit Feuchtmayer, seinen Mitarbeitern und Nachfolgern beschäftigten, stellten die Zuschreibung
der Berliner Figur an
J . A . Feuchtmayer erneut in Frage. Wilhelm Boeck erweiterte die Ergebnisse dieser Dissertationen in seiner
Feuchtmayer-Monographie 6 ,
indem
er
die
„betende Maria" in der Berliner Sammlung eindeutig als ein Werk des Gehilfen und Nachfolgers von J . A . Feuchtmayer, Johann Georg Dirr,
be-
zeichnete. Auch Boeck verwies auf die Ähnlichkeit mit
der
St. Gallener
Marienkrönung.
Allerdings
meint er, Dirr habe auch am Giebelrelief mitgearbeitet, und kommt zu dem Schluß, die „betende Maria" in Berlin lasse sich in Dirrs „ Œ u v r e der sechziger Jahre . . . " besser einordnen als in das des älteren Meisters 7 . einen Blick auf Dirrs urkundlich
über-
lieferte Tätigkeit in den sechziger Jahren zu werfen. 1760 bis 1762 war er Feuchtmayer
-
in Zusammenarbeit mit
am Hochaltar
und zwei
Seiten-
altären in Beuron tätig. (19. J h . zerstört und nur 4
Pfarrkirche St. Leonhard, die sich heute in Herdwangen befinden, sind also nachweislich von Dirr. Die von Demmler erwähnte Ähnlichkeit mit der Herdwanger Madonna wäre also demnach eine stilistische Verwandtschaft mit einem gesicherten Werk Dirrs. Die Madonnenfigur auf dem kleinen Altar in Herdwangen 1 5 ist zwar ähnlich in der Haltung - auch sie hat den K o p f zur Standbeinseite geneigt, das Knie ist deutlich unter dem Gewand sichtbar und der Blick nach innen gewandt - , aber sie ist süßlicher im Ausdruck und summarischer in der Gewandbehandlung,
besonders
hat
Berliner
die Berliner Figur von Dirrs Werken, vor allem wird auch bei seinen Reliefs in St. Gallen 1 6 und Salem 17 deutlich. Sie sind viel härter in der Wiedergabe des Stofflichen, unplastischer in der Körperbildung und weniger differenziert im Ausdruck. Für sie trifft wie für die Herdwanger
Madonna
die
Bezeichnung
„Louis-seize" zu.
S. 4 1 9 — 2 0 .
468. T 9 3 2 .
R u t h S c h w e i s h e i m e r , J o h a n n G e o r g D i r r , der B o d e n s e e p l a s t i k e r des L o u i s X V T . P h i l . D i s s . M ü n c h e n Wilhelm Boeck, Joseph A n t o n Feuchtmayer. Tübingen
7
B o e c k , a. a. O . S. 2 3 6 .
8
S c h w e i s h e i m e r , a. a. O . S. 9 — T 4 .
0
S c h w e i s h e i m e r , a. a. O . S.
1 4 — 1 9 .
S c h w e i s h e i m e r , a. a. O . S. 1 9 — 2 4 .
11
S c h w e i s h e i m e r , a. a. O . S. 2 4 -
12
S c h w e i s h e i m e r , a. a. O . S. 3 5 — 3 7 .
,:t
S c h w e i s h e i m e r , a. a. O . S. 3 7 — 3 9 .
14
S c h w e i s h e i m e r , a. a. O . S.
3 9 - 6 1 .
' B o e c k , a. a. O . S. 1 2 7 A b b .
174.
ir
Gesicht der
Maria. Es ist einfach die künstlerische Qualität, die
H o r s t Sauer, H e r k u n f t u n d A n f ä n g e des B i l d h a u e r s J o s e p h A n t o n F a i c h t m a y e r . Phil. D i s s . L p z .
6
10
das
nichts von der stillen Ergebenheit
T h e o d o r D e m m l e r , D i e B i l d w e r k e des D e u t s c h e n M u s e u m s , I I I . B d . , D i e B i l d w e r k e in H o l z , Stein u n d T o n . G r o ß p l a s t i k . B e r l i n und Leipzig. 1 9 3 0 .
5
für das Münster zu Salem 14 . Die Nebenaltäre der
denen aus den sechziger Jahren, unterscheidet. Das
Um Boecks Meinung teilen zu können, ist es notwendig,
1766 bis 1779 entstand sein Hauptwerk, Chorgestühl, Hochaltar, Orgelgehäuse und Seitenaltäre
35.
16
B o e c k , a. a. O . A b b . 5 2 4 — 5 3 1 ,
17
A b b i l d u n g s n a c h w e i s hei S c h w e i s h e i m e r , a. a. O . S. 3 9 .
7°
536-551.
1948.
1935.
A b b . 3. A r t des Joseph A n t o n Feuchtmayer, um 1760 bis 1 7 7 0 , Maria aus einer K r ö n u n g , Detail (Inv. N r . 7997). Sandstein
D i e „betende Maria" in das Œ u v r e Feuchtmayers
Augen und der in sich gekehrten Haltung stimmt sie
einzuordnen, stößt auch auf Schwierigkeiten. Das
mit der betenden Maria aus der Berliner Sammlung
Charakteristische der Feuchtmayerschen Figuren, ihr
überein (Abb. 3). Gerade aber diese Birnauer Galerie-
ausfahrender Kontur, das Expressive im Ausdruck
büste soll für Feuchtmayer untypisch sein. Man hat
stehen im Gegensatz zu der Ruhe und Stille der
sie und
Berliner Plastik. Auch haben Feuchtmayers Gestal-
mundi deshalb Dirr zugeschrieben. 20 Die Ausstat-
ten
tung der Wallfahrtskirche in Neubirnau hat Feucht-
knochige
Gesichter
mit
durchmodellierten
den ihr
stilistisch verwandten
Salvator
Wangenpartien, während das Antlitz der Maria glatt-
mayer von 1747 bis 1758 geschaffen, die Galerie-
gerundet ist. Unter den Figuren der Wallfahrtskirche
büsten entstanden 1757. 2 1 In einem Schreiben Feucht-
in Neubirnau 1 8 , Feuchtmayers Hauptwerk, befindet
mavers werden zwei Bildhauer, „ A n t o n y " und „Hans
sich nur ein K o p f , der an den der Berliner Figur
J ö r g " , als Mitarbeiter genannt, die als die beiden
erinnert. E s ist die Büste der Mater salvatoris 19 von
Brüder Franz Anton und Johann Georg Dirr ange-
der
sehen werden müssen. 22 Eine genaue Aufteilung
Galeriebrüstung.
Im
Schnitt
des
Gesichtes
- die gerade Nase mit dem feinen Rücken und die
der Büsten an Feuchtmayer und seine beiden Ge-
gewölbten Augenlider mit der eingeritzten Linie - ,
hilfen ist daraus nicht zu ersehen. Eine Scheidung
dem leichtgesenkten K o p f , den niedergeschlagenen
der Hände ist demnach nur nach stilkritischen Merk-
18 B o e c k , a. a. O . S. 169—195. 2 9 1 - 3 0 6 . ' » B o e c k , a. a. O . A b b . 4 9 1 . 20 Horst Sauer, D a s Werk Joseph A n t o n Faichtmayers. E i n Überblick. I n : Oberrheinische K u n s t V I . J g . 1 9 3 3 . S. 230. Schweisheimer, a. a. O . S. 6—7. B o e c k , a. a. O . S. 292. 21 B o e c k , a. a. O . S. 32. 22 B o e c k , a. a. O . S. 3 2 .
71
malen möglich. Gewiß, die Köpfe des Salvator mundi und der Mater salvatoris unterscheiden sich in ihrer passiven Stimmung von den ausdrucksvollen Gesichtern der übrigen Büsten. Aber in Feuchtmayers Altersstil, d. h. in seiner künstlerischen Sprache der sechziger Jahre, läßt sich eine deutliche Hinwendung zum Stillen und Gelassenen feststellen. Es ist wieder eine Frauenbüste, die „Katharina v o n Cortona" von einem der Beichtstühle in St. Gallen 2 3 , die in Gesichtsschnitt und Ausdruck mit der Berliner Sandsteinfigur übereinstimmt. Die gesenkten Augen mit den schweren Lidern, die gerade Nase und die weichgeknickten Falten des Kopftuches erinnern an die Krönungsfigur. Dirrs Stil der sechziger J a h r e dagegen zeigt deutlich das Hineinwachsen des Künstlers in den Zopfstil. 2 4 Zusammenfassend können w i r sagen, die „be2:1
tende M a r i a " in der Berliner Skulpturen-Sammlung kann mit Sicherheit weder Joseph Anton Feuchtmayer noch seinem Gehilfen Johann Georg Dirr zugeschrieben werden. Die Qualität des Stückes spricht gegen Dirr, wenn auch einige Anklänge an den beruhigten Stil dieses begabtesten Schülers Joseph Anton Feuchtmayers nicht zu übersehen sind. So verlockend es ist, dieses bemerkenswerte Bildwerk mit dem Namen eines der großen RokokoBildhauer in Verbindung zu bringen, so müssen wir uns doch der Meinung Feulners anschließen, der in der „Geschichte der deutschen Plastik" schrieb: „In der Zubereitung der Oberfläche Joseph Anton Feuchtmayer sonst sehr nahestehenden . . . " und weiter „. . . Es ist zweifellos der Nachhall seines Geistes, der an diesem Bildwerk haftet, auch w e n n es nicht von seiner Hand ausgeführt sein sollte." 2 5
B o c c k , a. a. O . A b b . 501. B o e c k , a. a. O . S. 288. • 5 A . Feulner und T h . Müller, Geschichte der deutschen Plastik. Deutsche Kunstgeschichte B d . II. München 1953- S. 581 — 82. 24
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
DIE ELFENBEINBILDWERKE
IN D E R
SKULPTUREN-SAMMLUNG
Ria Wurche
D e n Grundstock der beachtlichen Sammlung von
nie mehr behoben werden können. Das gilt im be-
Elfenbeinarbeiten bildeten die 1875 aus der ehe-
sonderen für die in der Skulpturen-Sammlung vor-
maligen Kunstkammer der Abteilung
handenen Reliefs und Statuetten aus Elfenbein.
der
christlichen
Epoche"
zugeführten
„Bildwerke 170
V o n diesen Stücken ist keines vollständig erhalten.
Reliefs und Statuetten. E s waren vorwiegend Stücke
etwa
Im Grunde sind es verbrannte, für Ausstellungs-
des Barock, die kostbarsten aber stammten aus der
zwecke nicht mehr verwendbare Reste, die aber ihren
byzantinischen, karolingisch-ottonischen und roma-
kunstgeschichtlichen Wert behalten haben, da für
nischen Epoche. Ankäufe und Geschenke erweiter-
wissenschaftliche Vergleichszwecke die Kataloge und
ten in den folgenden Jahren die Sammlung.
Photographien herangezogen werden können. Bis
Wilhelm V ö g e publizierte erstmals die Exponate
auf geringe Ausnahmen sind von allen Elfenbein-
1900. 1 Ihre letzte wissenschaftliche Bearbeitung und
bildwerken Photoplatten vorhanden, so daß Fach-
Veröffentlichung erfolgte 1923 durch W. F. Volbach. 2
wissenschaftler und Interessenten auf Wunsch A b -
1935 erwarben die Staatlichen Museen einen Teil
züge erhalten können, wenn die Abbildungen im
der Sammlung Figdor, Wien, darunter 25 Elfen-
Katalog nicht genügen. Bedauerlicherweise wurden
beinbildwerke 3 ,
damit
nicht von allen aus der Sammlung Figdor erworbenen
sehr wertvolle frühe Stücke, wie z. B. zwei Reliefs
Elfenbeinbildwerken Aufnahmen angefertigt; viel-
hauptsächlich
Reliefs, und
der Echternacher Schule. 4 Der Krieg mit allen seinen
leicht wäre es dann möglich gewesen, alle vorhan-
Folgen verhinderte die Publikation dieser neuen
denen Bruchstücke zu identifizieren und den Ver-
Erwerbungen.
bleib des einen oder anderen Stückes festzustellen.
Im Frühjahr 1942 begann die Verlagerung der
Das Verdienst, eine erste Sichtung der Elfenbein-
Kunstwerke von der Museumsinsel. Ein Teil wurde
fragmente vorgenommen zu haben, gebührt Frau
in Berlin u. a. im Bunker am Friedrichshain deponiert,
Lapkowskaja, Wissenschaftlerin der Ermitage. Die
darunter befanden sich auch die Elfenbeinbildwerke,
weitere
die, von sowjetischen Truppen geborgen, im Herbst
Sammlung erbrachte die Aufklärung über den Ver-
1958 den Staatlichen Museen übergeben wurden.
bleib und damit über die fast völlige Zerstörung von
Der im Bunker ausgebrochene Brand vernichtete wertvollstes Museumsgut, dessen materieller
und
Bearbeitung
innerhalb
der
Skulpturen-
insgesamt 45 Exponaten. In den meisten Fällen sind es nur Partikelchen, bestehend aus einem Bruch-
ideeller Verlust unabsehbar ist. Darüber hinaus haben
stück und Ornament, einem Teil der Figur
die geretteten Exponate Beschädigungen erlitten, die
einem Rest des Gewandes.
1
2
3 4
oder
Beschreibung der Bildwerke der christlichen E p o c h e n . B d . 1. D i e Elfenbeinbildwerke, bearbeitet v o n Wilhelm V ö g e . Berlin 1900. Neudruck 1 9 1 0 . D i e Bildwerke des Deutschen Museums. Herausgegeben v o n T h e o d o r D e m m l e r . B d . I. D i e Elfenbeinbildwerke, bearbeitet v o n W . F . V o l b a c h . Berlin und Leipzig 1 9 2 3 ; zitiert V o l b a c h , K a t a l o g der Elfenbeinbildwerke. Staatliche Museen zu Berlin. Verzeichnis der Neuerwerbungen 1933—1935. Ausstellung: Schloßmuseum 1936. K a t . N r . 19—25. Jetzt in den E h e m . Staatl. Museen zu Berlin-Dahlem.
73
A b b . i a u. b. P l l n g s t f c s t , k ö l n i s c h , E n d e 1 2 . J a h r h u n d e r t , W ' a l r o ß z a h n . H . 1 4 c m , B r . 9,4 c m . A b b . b z e i g t d e n Z u s t a n d im J a h r e i 9 6 0
D i e F o l g e n des Brandes stellen sich als eine völlige V e r ä n d e r u n g des Materials dar. D i e Stücke waren alle d u r c h g e g l ü h t und
weisen zum T e i l
Sprünge
sowie Risse auf, haben aber erstaunlicherweise ihre
Gipstäfelchen,
die der G r ö ß e
des
Originals
ent-
sprechen, befestigt w o r d e n . D i e Oberfläche w u r d e leicht eingetönt, um die starken
Farbunterschiede
zwischen dem jetzt dunklen E l f e n b e i n und dem hellen
F o r m behalten, so daß eine Identifizierung möglich
Weiß des G i p s e s etwas zu mildern. D i e A b b i l d u n g
war. D i e mattglänzende gelbliche Oberfläche, der
des unversehrten Stückes w u r d e neben die Zustands-
Die
aufnahme v o n i960 gesetzt. A u f diese Weise ist es
Farbskala geht v o n einem bläulichen Schwarz über
möglich, sich v o n dem G r a d der Z e r s t ö r u n g eine
B r a u n s c h w a r z ins G r a u e und A s c h g r a u e und reicht
V o r s t e l l u n g zu machen.
Schmelz
des
Elfenbeins,
ist
verschwunden.
d a v o n bis zu einem stumpfen Weiß. D a b e i w u r d e
V o n dem Relief mit der Darstellung des Pfingst12. Jahrhundert ( I 6 1 1 ) 6
beobachtet, daß E l f e n b e i n und Walroßzahn auf die
festes, kölnisch,
starke Flitzeeinwirkung verschieden reagierten. D i e
eine H ä l f t e fast vollständig erhalten (Abb. i a u . b).
Ende
ist
B i l d w e r k e aus Walroßzahn erwiesen sich allgemein
D a s Material - Walroßzahn - ist trotz vollständiger
als resistenter. 5
V e r k o h l u n g fest, aber v o n leicht splitternder S p r ö d i g -
D i e im f o l g e n d e n veröffentlichten A r b e i t e n aus
keit. D i e rechte H ä l f t e des Reliefs hat eine grau-
E l f e n b e i n oder Walroßzahn gehören zu den am be-
schwarze V e r k o h l u n g , die in der linken H ä l f t e in
sten erhaltenen. D i e F r a g m e n t e sind v o n unserem
einen bräunlichen T o n übergeht. D i e Oberfläche w e i s t
Restaurator f ü r Stein, H e r r n Wilfried Bauer,
keine auffälligen Risse auf, und v o n dem früheren
5
auf
N a t ü r l i c h m u ß m a n bei d i e s e n Ü b e r l e g u n g e n die N ä h e d e s e i g e n t l i c h e n B r a n d h e r d e s u n d d a m i t d i e e n t s p r e c h e n d e H i t z e e i n w i r k u n g in B e t r a c h t z i e h e n . A u c h d i e S t ä r k e der e i n z e l n e n R e l i e f s b z w . d i e V o l l p l a s t i z i t ä t der O b j e k t e w a r f ü r ihre R e s i s t e n z v o n Bedeutung.
6
V o l b a c h , K a t a l o g der E l f e n b e i n b i l d w e r k e , S. 27, T a f . 33.
74
Ahl). 2 a u. h. Verkündigung An Maria, kölnisch, linde 12. Jahrhundert, Walroßzahn. H. 16,6 cm, BT. 9,6 cm. A b b . b zeigt den Zustand im Jahre i960
Schmolz ist ein mattglänzender Schimmcr noch zu
A u c h die Statuette eines Springers 8 ,
süddeutsch,
bemerken. N u r die schon beim unversehrten Stück-
14. J a h r h u n d e r t (I 678) aus Walroßzahn hat starke
abgesplitterten
Beschädigungen erlitten. D e r K o p f des Pferdes fehlt
Stellen
sind glanzlos
und
stumpf. dem
ganz. I m allgemeinen ist die rechte Seite der F i g u r
P h n g s t f e s t ist eine V e r k ü n d i g u n g , ebenfalls kölnisch,
w e n i g e r in Mitleidenschaft gezogen w o r d e n ( A b b . 3 c ) .
E n d e 12. J a h r h u n d e r t (I 610) 7 aus Walroßzahn. A u s
A u f der linken Seite weisen der eine
zwei o b l o n g e n Teilen einst z u s a m m e n g e f ü g t , ist nur
schütze und die kleinen Gestalten der Basis die durch
Das
Gegenstück
zu
der
Darstellung
mit
Armbrust-
das F r a g m e n t der rechten H ä l f t e mit Maria vorhanden.
Absplitterungen entstandenen Fehlstellen auf. Starke
V ö l l i g verkohlt und schwarzbraun ist die untere Par-
Risse befinden sich besonders in der Basis dieser voll-
tie, w o g e g e n sich das stumpfe graue Weiß des oberen
plastischen Statuette, die sich in der F a r b e -
Teiles abhebt. Craqueleeartigc Risse sind schon auf
bräunlichen Weiß - v o n den beiden anderen Reliefs
der A b b i l d u n g des unzerstörten Reliefs zu sehen.
aus \X alroßzahn unterscheidet (Abb. 3 a - c ) .
einem
D i e s e R i ß b i l d u n g e n haben sich durch den Brand ver-
E i n i g e Schwierigkeiten bereitete die Bearbeitung
tieft und sind deutlich auf dem G r u n d hinter den bei-
der Reliefs aus E l f e n b e i n , das durch den B r a n d etwas
den K ö p f e n erkennbar ( A b b . 2 a u. b).
porös und brüchig g e w o r d e n ist. D i e dünnen E l f e n -
' Volbach, Katalog der Elfenbeinbildwerke, S. 27, Tat". 33. Volbach, Katalog der F.ltenbeinbildwerke, S. 5 1 , T a f . 3V
H
75
beinplättchen, besonders die der Brcttstcinc und der Minneszenen sind zum T e i l auf den ersten B l i c k v o n G i p s nicht zu unterscheiden.
Sie sind weich
und
fassen sich w i e K r e i d e an, so daß in einigen Fällen Z w e i f e l an der Echtheit der ausgelagerten E x p o n a t e a u f k a m . D a es unvorstellbar erschien, daß A b g ü s s e sichergestellt w u r d e n , erwies sich eine genaue B e s t i m m u n g des Materials als n o t w e n d i g . D i e m i k r o skopischen Untersuchungen ergaben in allen Fällen einwandfrei
verbranntes
kreidig-weißes
gipsartig
wirkendes E l f e n b e i n . D i e s e Fragmente sind besonders empfindlich und werden, sorgfältig verpackt, in einem trockenen R a u m a u f b e w a h r t . D i e Schachfigur eines B i s c h o f s , deutsch, 14. J a h r hundert (I 66y)9
aus weißem E l f e n b e i n , verlor als
vollplastische Freifigur durch den B r a n d w e n i g e r an Substanz als die Reliefs. T r o t z d e m ist auch ihr E r haltungszustand
bedrückend
(Abb. 4 a u. b).
Rückseite ist v ö l l i g abgesprungen, die
A b b . 4 a u. b. Bischof (Schachfigur), deutsch, 14. Jahrhundert, Eltenbein. H . 7,5 cm. A b b . b zeigt den Zustand im J a h r e i960
Die
Vorderan-
trächtigt der V e r l u s t der H ä n d e den Gesamteindruck
sicht läßt eine starke B e s c h ä d i g u n g des K o p f e s er-
wesentlich. V o n den Spuren der ehemaligen Bema-
kennen, und neben den übrigen Fehlstellen beein-
lung, die im K a t a l o g 9 angegeben sind, ist nichts mehr
" Y o l b a c h , K a t a l o g der Elfenbeinbildwerke, S. 52, T a f . 35.
A b b . 5 a u. b. Jugendszenen Christi, niederrheinisch, 2. Hälfte 1 1 . Jahrhundert, Elfenbein, H. 13,6 cm, Br. 1 2 , 1 cm. A b b . b zeigt den Zustand im Jahre i960
77
zu entdecken. Leichte Rißbildungen zeigt das Ornat,
Wie unvollständig dieses Stück erhalten ist, geht aus
sonst ist die Figur von einem gelblichen Weiß und
der Abbildung deutlich hervor (Abb. 5 a u. b).
ohne Glanz.
In diesem Bericht wurden nur die am wenigsten
Vollkommen verkohlt und schwarzbraun in der
zerstörten Elfenbeinbildwerke veröffentlicht. Über
Färbung und damit den Reliefs aus Walroßzahn sehr
den Erhaltungszustand oder den Verbleib der ande-
ähnlich ist die Darstellung der Jugendszenen Christi,
ren Stücke sind die Mitarbeiter der Skulpturensamm-
niederrheinisch, 2. Hälfte 1 1 . Jahrhundert (I 275 2) 10 .
lung gern bereit, Interessenten Auskunft zu geben.
10
V o l b a c h , K a t a l o g der Elfenbeinbildwerke, S. 24, T a f . 28.
P h o t o n a c h w e i s : Staatliche Museen zu Berlin.
EINE NEUERWERBUNG DER OSTASIATISCHEN Bruno Voigt
In der Sung-Zeit (960-1279) reifte eine Malerei von großer künstlerischer Delikatesse heran: der sogenannte Literatenstil. Die Verschmelzung von Philosophie und Buddhismus gab die geistige Grundlage dieses Stiles. Die reale Umwelt war das Motiv. Der Satz aus der Zen-Lehre „Alles in Einem und Eines in Allem" als unumstößliche Tatsache, als absolute Feststellung der Realität von Welt und Leben, war die geistige Grundhaltung dieser klassischen SungMalerei. Es wurde ein Prinzip der Malerei, durch einen besonderen Stil in sinnfällige Form gesetzt, das heute in China wieder besonders wirksam ist. Es ist dies die Tuschmalerei des sparsamen Pinsels und der sparsamen Farbe. Eine sichtbare Trennung zwischen dem Zeichnerischen und dem Malerischen wurde vermieden, sollte doch die Kalligraphie sich harmonisch in die Malerei einfügen. Die Künstlerindividualität kam voll zur Geltung, denn die Formen dieser Kunst waren immer die Handschrift der Meister, auch wenn sie von der ganzen Nation geschrieben wurde. Dieser Tuschestil bekam in der Yüan-Zeit (Mongolenherrschaft, 1279-1368) eine besonders kühne Ausdrucksweise. Der bekannte chinesische Maler Tji Bai-schi (1861 bis 1957) benutzte die Methoden der Literatenmalerei der Yüan-Epoche und virtuose Malereien des 18.Jahrhunderts als traditionelle Faktoren seiner Kunst. Es gibt von ihm viele Tuschen, die mit geistreichen selbstverfaßten Gedichten versehen sind. Der Maler bewies, daß die chinesische Kunst auch in den Zeiten
Adler auf K i e f e r v o n T j i Bai-shi (Qi Bai-shi') gemalt 1934 Tuschmalerei 197 x 46 cm, k a t . N r . 23
SAMMLUNG
des untergehenden Tjing-Staates ( 1 6 4 4 - 1 9 1 1 ) nicht
D u Dich noch verbergen! A m Abend ging ich spa-
stagnierte. Das Studium der alten Meister, und ganz
zieren, dabei habe ich dieses Gedicht verfaßt. Im
besonders das Studium der Natur und die A u f g e -
Juni des Jahres 1934 von Bai-schi Tji Huang in Pe-
schlossenheit der neuen Zeit gegenüber, ließen einen
king gemalt."
neuen Stil in diesem Meister heranreifen. Unsere Neuerwerbung von der Hand dieses Künstlers trägt den Titel: „Adler auf K i e f e r " . Diese Tuschmalerei auf Papier entstand 1934. Die farbige Wirkung wurde
Bai-schi ist der Künstlername und bedeutet „weißer Stein". Abschließend noch einige biographische Bemerkungen:
einzig und allein mit schwarzer Tusche erzielt. Das
Der Maler wurde in Hsiangtan, Provinz Hunan, als
Bild zeigt rechts oben folgenden Text: „ H o c h oben.
Sohn eines armen Bauern geboren. In seiner Jugend-
T j i Bai schii hat das für Bruder Po-an gemalt." A u f
zeit verdiente er seinen Lebensunterhalt durch Holz-
die linke Seite ist ein Gedicht in schöner Kalligraphie
schnitzerei. Alter Tradition folgend wurde er zum
geschrieben: „Woher kommt der Adler, der auf die-
guten Kalligraphen und sein besonderer Stolz sind
sem prachtvollen Zweig sitzt? In dem bereiften Wald
die von ihm geschnittenen Signatursiegel gewesen.
weht der Wind, so daß die kalten Federn des Vogels
In der Volksrepublik China war er Abgeordneter des
flattern. Dann steigt dieser Vogel gen Himmel empor,
Volkskongresses und Vorsitzender des chinesischen
weit in die Ferne über zehntausend Meilen hin. Im
Künstlerverbandes. E r starb 1957 in Peking.
Herbst breitet er seine Flügel mächtig aus. Die Hasen sind ängstlich und verstecken sich vor ihm in Sträuchern und Heidekraut und wagen nicht, gegen ihn zu kämpfen. In der heutigen Zeit spannt man von drei Seiten Netze, um ihn zu fangen. Ach Adler, w o kannst Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
80
Obwohl sein Werk unter Ausfuhrverbot steht, wurde es uns doch ermöglicht, acht Tuschen von ihm anzukaufen. Wir sind dem Ministerium für Kultur der Volksrepublik China dafür zu großem Dank verpflichtet.
DIE ANTIKEN-SAMMLUNG
UND IHRE
BESUCHER
Werner Schmeichler
Bei einem Rückblick auf die von September i960 bis heute in der Antiken-Sammlung der Staatlichen Museen ausgeübte Mentoren-Tätigkeit drängen sich mancherlei Probleme und Fragen auf, die vielleicht nicht allein denjenigen, der mit Museumsführungen als berufsmäßiges Aufgabengebiet betraut ist, sondern auch den, der sich als Besucher einer Führung anschließt, interessieren dürften. Da die AntikenSammlung durch ihre weltberühmten Werke der Architektur, Plastik und Kleinkunst zu den bedeutendsten und damit auch meist besuchten Abteilungen der Berliner Museen gehört, mag sie nicht ohne Berechtigung als Ausgangspunkt gewählt sein, um einige Erfahrungen und Ziele der praktischen Museumsarbeit an dieser Stelle vorzutragen. Neben der wissenschaftlichen Arbeit liegt heute in verstärktem Maße die Aufgabe aller Wissenschaftler des Museums darin, möglichst viele Menschen an die Kunst heranzuführen. Seit vielen Jahrzehnten bemühen sich Archäologen und Kunsthistoriker um die Erforschung der Kunst der Vergangenheit und Gegenwart, wobei über das griechisch-römische Altertum ein klares Bild der historischen und künstlerischen Entwicklung herausgearbeitet wurde, das sich seit den Tagen Goethes und Winckelmanns allerdings in vielem grundsätzlich geändert hat. Leider mußten wir in unseren Führungen aber immer wieder die Erfahrung machen, daß viele Besucher über eine nur geringe Kenntnis der antiken Kultur verfügen. Die griechische Kunst des Altertums ist jedoch für das europäische Kunstschaffen von außerordentlicher Bedeutung, steht sie doch am Anfang ihrer Entfaltung. Viele Fragen der gegenwärtigen Kunst sind ohne Kenntnis der antiken Kunst schwer zu verstehen, wie zum Beispiel das
Problem der einheitlichen Kunstauffassung, eine der dringendsten Fragen im Stilgemisch unserer zeitgenössischen Plastik und Malerei. So ist es für uns heute vor allem wichtig, Menschen ohne oder mit nur geringen Vorkenntnissen (Werktätige aus Betrieben, Schüler von Fach- und Oberschulen) mit den Kunstwerken der Museen vertraut zu machen. Der bürgerliche Staat hatte kein großes Interesse, den Arbeitern und Bauern wirkliche Kenntnisse über die Kunst zu vermitteln. Der Beweis dafür ist in der Tatsache zu sehen, daß in den heutigen bürgerlichen Staaten Westeuropas, so auch in Westdeutschland, ein Teil der Kunsthistoriker und Künstler die Rolle der Kunst bei der Bildung des Bewußtseins des Menschen zu negieren versucht. Das zeigt sich in den Kunstausstellungen dieser Länder, wo in privaten wie öffentlichen Ausstellungen die abstrakte Kunst dominiert. Kunstbetrachtung heißt Erkenntnis in leicht verständlicher Form zu erlangen. In der Kunst des Altertums spüren wir den Pulsschlag des gesellschaftlichen Lebens. Sie erzählt von Freude und Leid, Armut und Schönheit des alten Griechenland und Rom. Wir legen deshalb in unseren Führungen nicht nur Wert auf die Erklärung künstlerischer Formprobleme, sondern versuchen, unseren Besuchern ein anschauliches Bild vom Zusammenhang zwischen Gesellschaft, Geschichte und Kunst zu vermitteln. Es ist kaum möglich, ein antikes Kunstwerk, wobei besonders auf Architekturteile hingewiesen werden soll, losgelöst ohne Kenntnis zeitlich-historischer und räumlich-baulicher Zusammenhänge zu verstehen und voll zu würdigen. Durch Rekonstruktionen antiker Bauwerke, in denen die originalen Einzelteile in einen durch Ergänzungen vervollständigten Gesamt- oder Teilaufbau gebracht wurden, schuf man 81
Abb. 2. Schüler der Ingenieurschule Berlin-Lichtenberg bei einer Führung am Pergamonaltar
die Möglichkeit einer solchen anschaulichen, die
jedoch ihre Anteilnahme gewinnen, indem wir ihnen
richtigen Proportionen vermittelnden Kunstbetrach-
erzählen, wie diese Wunderwerke
tung. Beim Bau des Museums waren die verantwort-
entstanden sind. Wir schildern ihnen die Arbeit der
der
Baukunst
lichen Stellen der Weimarer Regierung sehr skeptisch
Sklaven, die die schweren Marmorblöcke im Stein-
über Theodor Wiegands Pläne der Errichtung eines
bruch brachen und diejenige der griechischen Hand-
Architekturmuseums
Form.
werker, die in mühevollem Schaffen die Blöcke glät-
Heute, dreißig Jahre später, hat sich Wiegands Weit-
in der
geschilderten
teten und aufeinander fügten. Sehr interessiert folgen
sicht als richtig erwiesen. Die Rekonstruktionen des
die meisten Besucher den Ausführungen über die Ge-
Pergamonaltars, des Markttores von Milet und der
schichte der Ausgrabungen und über den A u f b a u des
Säulen der Tempel von Priene und Magnesia am
großen Altars, die wir als Einleitung unserer Füh-
Mäander geben jedem Menschen ein eindrucksvolles
rung geben. Bei der Fülle des Ausgestellten können
Bild von der Baukunst der Griechen und Römer. Be-
selbstverständlich nur die bedeutendsten Stücke be-
tritt er nach den Architektursälen die Räume der
trachtet und erläutert werden, denn die Erfahrung
Skulpturensammlung, so ist er durchaus in der Lage,
zeigte uns, daß eine „Uberfütterung" mit Fakten das
sich die Umgebung, in der diese Skulpturen standen,
Aufnahmevermögen des Besuchers übersteigt. So er-
vorzustellen. Dadurch kommt er zu einem tiefen
läutern wir selten den gesamten Fries des pergameni-
gefühls- und verstandesgemäßen Erlebnis der Kunst.
schen Altars, sondern beschränken uns auf die wich-
E s ist sehr schön zu sehen, wie viele Besucher er-
tigsten Gruppen im Ostfries. Hier gehen wir dann über
staunt und ergriffen vor den gewaltigen Schöpfungen
eine einfache Erzählung der Gigantomachie hinaus
der antiken Handwerker und Künstler stehen. Daß
und versuchen, den Besuchern die Wesensmerkmale
die in der genannten Weise wieder errichtete antike
der hellenistischen Baukunst und Plastik verständlich
Baukunst eindrucksstark und dabei leicht verständ-
zu machen. Die Verbindung der historischen Gege-
lich ist, beweisen die hohen Besucherzahlen der An-
benheiten mit den gleichzeitigen künstlerischen und
tiken-Sammlung, zu deren Hauptanziehungspunkten
technischen Problemen ergibt trotz Beschränkung auf
die Architektursäle rechnen. - Im Jahre 1961 wurden
das Charakteristischste ein recht vielfältiges Bild der
von uns bis Anfang Dezember 203924 Besucher ge-
Antike und regt sehr oft zu Vergleichen mit unserer
zählt und rund 440 Führungen durchgeführt, an
Zeit an. Bemerken wir ein solches Interesse, so emp-
denen annähernd 1 o 300 Besucher teilnahmen. Unsere
fehlen wir einen Besuch in der Vorderasiatischen Ab-
Führungen beginnen damit, daß wir uns vorher
teilung, w o Werke aus den Vorstufen der mittel-
darüber informieren, woher unsere Besuchergruppen
meerischen Kunstentfaltung ausgestellt sind, wäh-
kommen, welchen Beruf sie ausüben und ob be-
rend in der Nationalgalerie die gewonnenen Erkennt-
sondere Wünsche betreffs der Führung vorliegen.
nisse an zeitgenössischen Werken überprüft werden
Die Unterschiedlichkeit der Gruppen, ihrer Kennt-
können.
nisse und Interessen muß berücksichtigt werden, wenn die Besucher mit dem G e f ü h l das Museum verlassen sollen, daß sie freudig etwas gelernt haben. Es wäre völlig unangebracht, sich vor die Besucher hinzustellen, und ihnen ein wohlgeformtes Referat zu halten, damit würde niemals der enge Kontakt zwischen Besucher und Mentor geschaffen, der jene, bei den meisten Menschen beobachtete anfängliche Benommenheit und Scheu überwindet und sie zu eigenem Mitdenken und zu Fragen anregt, die aus der Führung gar oft ein lebhaftes, auf breiter Basis geführtes kunstwissenschaftliches Zwiegespräch werden lassen. Daß bei allem die absolut exakte Wissenschaftlichkeit des Dargebotenen
oberstes
Prinzip
bleibt, braucht nicht gesondert betont zu werden. Sehr wissensdurstig zeigen sich im allgemeinen die
Besondere Bedeutung messen wir der Führung von Oberschulen und Fachschulen bei. Bei der Jugend muß die Kunsterziehung beginnen. Der Besuch der Antiken-Sammlung soll dazu beitragen, das in der Schule gewonnene Wissen zu vertiefen und zu erweitern. Bei diesen Führungen gehen wir auf grundlegende Fragen, wie A u f b a u und Funktion von Tempel- und Altaranlagen ein und versuchen, die Schüler mit den in den Vitrinen ausgestellten Dingen des täglichen Lebens der Griechen und Römer, den Tongefäßen, Bronze- und Glaserzeugnissen bekanntzumachen (Abb. 1). N u r wenige Schulklassen zeigen sich bei den Führungen desinteressiert. Fast immer ist in solchen Fällen zu bemerken, daß eine schlechte Schuldisziplin in der Klasse herrscht und der Lehrer den Besuch des Museums nur unvollständig oder gar
Gruppen aus den Betrieben, obgleich sie zu Beginn
nicht vorbereitet hatte. Aus diesem Grunde emp-
der Führung oft etwas verschlossen sind. Wir können
fehlen wir, die Fachlehrer, wie Kunsterzieher, Ge-
83
schichts- und Deutschlehrer, in kurzen Sonderfüh-
schlägt uns auch bei bulgarischen, polnischen und
rungen im Museum zu schulen, um sie mit den Kunst-
tschechischen Gruppen entgegen.
werken vertraut zu machen, die sich im Besitz des
Aus Zeitmangel können nicht alle Wünsche nach
Museums befinden. Führen die Lehrer dann ihre
einer Führung erfüllt werden. Viele Besucher gehen
Klassen selbst durch die Abteilungen, so findet der
auch gern allein durch die Ausstellungen, um in stil-
im Anschluß an den Schulunterricht hier vermittelte
lem Zwiegespräch mit den Kunstwerken Erholung
Wissensstoff eine noch stärkere Vertiefung.
von den Aufgaben und Pflichten des Alltags, aber
Gute Erfahrungen machten wir mit den Fachschu-
auch Anregung zu neuem Schaffen zu finden. Z u
len. Bei ihnen versuchen wir besonders auf die Be-
ihrer Information liegen gedruckte, mit guten A b -
rufsinteressen der Fachschüler einzugehen. Ständige
bildungen versehene Publikationen vor. Der kleine,
Gäste der Antiken-Sammlung waren während des
von D r . Elisabeth Rohde geschriebene und bereits in
vergangenen Jahres die Fachschüler der Ingenieur-
zweiter Auflage erschienene Ausstellungsführer durch
schule in Berlin-Lichtenberg (Abb. 2). Bei ihnen war
den Saal des großen Altars gibt in knappen Worten
naturgemäß das technische Interesse vorherrschend
alles Wesentliche über dieses gewaltige, durch seine
und in Frage und Antwort wurde angeregt über viele
Marmorfriese weltberühmte Bauwerk. Eine Über-
technische Einzelheiten der antiken Architektur und
setzung der kleinen Schrift in die russische und
Plastik diskutiert. Mehrere ausgedehnte Führungen
englische Sprache ist geplant, um auch den ausländi-
unternahmen wir auch mit Schülern der Berliner
schen Besuchern die Möglichkeit zu geben, sich zu
Schule für Architekturmodellbau.
unterrichten. Das von derselben Verfasserin geschrie-
Aus Westdeutschland besuchen uns
vor
allem
Oberschulklassen. Auch ihr Verständnis f ü r die antike Kunst hängt in vielen Fällen von der Tätigkeit des Lehrers ab. Klassen mit humanistisch gebildeten Lehrern zeigen meist ein gut vorbereitetes Wissen und ein von starkem Interesse getragenes Verständnis f ü r die archaischen und klassischen Bildwerke. Bei verschiedenen Gästen aus Westdeutschland war jedoch eine zunehmende Ablehnung der antiken griechischrömischen Kunst zu bemerken. Mit einer Klasse aus Stuttgart wurde ein längeres Gespräch geführt, um die dafür zugrunde liegenden Ursachen herauszufinden. Im Verlauf der Unterhaltung war recht bald zu erkennen, daß man die gegenstandslose moderne Malerei und Plastik für den höchsten Inbegriff einer freien großen Kunst zu halten glaubt. Nach Meinung
bene Buch: „Pergamon - Burgberg und A l t a r " vermittelt einen geschichtlichen Überblick über das pergamenische Reich von seinen Anfängen bis in die römische Kaiserzeit und stellt in das historische Geschehen die Entwicklung der pergamenischen Baukunst, zu deren größten Schöpfungen der berühmte Altar zählt. Die letztgenannte Publikation sieht innerhalb von sechs Monaten bereits ihrer zweiten A u f lage entgegen. Wer eine nur bildliche Erinnerung an die Kostbarkeiten der Antiken-Sammlung erwerben möchte, wird gern zu den preiswerten Kunstmappen des Schmiedicke Verlages greifen, von denen bisher zwei Mappen verschiedenen Formates mit ausgewählten Photos vom großen Fries des Pergamonaltars und je eine Mappe über frühgriechische Plastik und griechische Terrakotten vorliegen.
der Schüler könne deshalb die realistische Kunst
Neben die innerhalb der Museen geleistete Arbeit
Griechenlands mit ihrer einheitlichen Auffassung
tritt dann die nicht geringer zu bewertende Arbeit,
kaum von Wert für die zeitgenössische Kunstent-
die man als Museumswerbung zu bezeichnen pflegt,
wicklung sein. So gingen sie zum Beispiel daran, mit
da sie sich an einen weit größeren Personenkreis
der völlig idealistischen Kunsttheorie Paul Klees die
wendet, in dem Bestreben, Interesse f ü r die Kunst
archaische Götterplastik zu erklären.
aller Zeiten zu wecken. Fernsehen, Rundfunk und
V o n den ausländischen Gästen, die unsere A b -
Tagespresse stehen hier den Museen hilfreich zur
teilung besuchen, zeigen die Werktätigen der Sowjet-
Seite. Weiter gilt es, die Erfahrungen auszuwerten,
union ein ganz besonders waches Interesse für die
die wir auf der v o m Ministerium für Kultur veran-
Kunstwerke des Altertums. Mit Notizblock und Blei-
stalteten Kulturkonferenz in Dresden im Herbst i960
stift wohnen sie den Führungen bei, um möglichst
sammelten. Das Bestreben unseres Staates ist es, die
viel des Gesehenen und Erfahrenen schriftlich fest-
Werktätigen und vor allem die Jugend an die Kunst
zuhalten. Haben ihnen unsere Führungen gefallen, so
heranzuführen, da die Kunst durch die Widerspiege-
verabschieden sie sich mit freundlichen Dankes-
lung von Natur und Gesellschaft auf die Bewußtseins-
worten. D i e gleiche Aufmerksamkeit und Freude
bildung des Menschen einen großen Einfluß ausübt.
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
84
ZUM WIEDERAUFBAU
DES ALTEN
MUSEUMS
F riedemann Seiler
Das Alte Museum, das berühmteste Bauwerk des Architekten Carl-Friedrich Lustgarten,
dem
heutigen
Schinkel, am früheren Marx-Engels-Platz
in
Berlin gelegen, wurde im Jahre 1850 fertiggestellt. Hinter der offenen Säulenvorhalle und dem groß-
Seit 1958 stellt die Regierung umfangreiche Mittel zur Verfügung. So konnten großzügige Restaurierungsmaßnahmen eingeleitet werden. Als das Wichtigste wurde die seit Jahren geforderte Bedachung der Ruine angesehen. Dank der großzügigen Förde-
zügigen offenen Treppenhaus schließen sich der große
rung durch die Regierung ließ sich dieses nun ver-
Kuppelsaal und die beiden Ausstellungsgeschosse an,
hältnismäßig rasch durchführen. Das Bauwerk er-
die einen westlichen und einen östlichen Lichthof
hielt eine stählerne Dachkonstruktion, die mit einer Stahlbeton-Rippendecke geschlossen wurde. Diese
umschließen. In dieser klaren baulichen Konzeption überstand
Arbeiten stellten hohe Anforderungen an den aus-
das Gebäude 1 1 5 Jahre mit nur geringen äußeren
führenden Baubetrieb, denn es galt unter größter
Eingriffen, wie z. B. der Anbau eines Überganges
Umsicht alte Konstruktionsteile zu demontieren und
zu dem 1850 von Stüler erbauten Neuen Museum,
die Mauerkrone zur Aufnahme der neuen Haupt-
und dem 1880 erfolgten Umbau der Dächer und
gesimsblöcke sowie der Dachkonstruktion herzu-
Obergeschoßdecken zur Gewinnung von Oberlicht-
richten. Neben diesen konstruktiven Arbeiten konnte
sälen.
mit der steinmetzmäßigen Überarbeitung der Fassa-
Nach relativ geringem Bombenschaden - es wur-
den begonnen werden. Im Zusammenhang mit dem
den zwei Fensterachsen der Fassade in der Bode-
Dach mußte das 90 cm auskragende Hauptgesims er-
straße zerstört - geriet das Alte Museum wenige
neuert werden, denn die alten Gesimsblöcke waren
Tage vor Kriegsende in Brand. Die im Gebäude ein-
durch Feuereinwirkung zersprungen. Die über dem
gelagerten Möbel der bombengeschädigten Bevöl-
Gesims der Hauptfassade stehenden Adler mußten
kerung bildeten den Zündstoff für die große Zer-
ebenfalls neu angefertigt werden, denn alle ihre Standflächen waren durch den Rost der Befestigungs-
störung. Erst 1951 konnte mit geringen Sicherungsmaßnahmen begonnen werden. E s wurde das Dach über dem Gebälk der offenen Säulenhalle in massiver Konstruktion wiederhergestellt. Um den Westhof herum wurden Notdächer errichtet - denn man mußte die Erdgeschoßräume
bereits für
Verwaltungszwecke
nutzen - und die Bombenlücke in der Bodestraße geschlossen. Der Kuppelüberbau
erhielt ebenfalls
gerade noch rechtzeitig ein Dach, denn länger hätte das mit Kassetten gezierte Kuppelgewölbe der Witterung nicht trotzen können. In der Vorhalle barg man die Reste der Freskenmalerci.
dübel auseinandergetrieben worden. A n den Säulen waren erhebliche Beschädigungen zu restaurieren. So hatte ein Granateinschlag ein Kapitell völlig zerstört und das Gebälk sowie die oberste Säulentrommel in Mitleidenschaft gezogen. Hier wurde der konstruktive Halt durch Stahlbetonbauteile, mit Naturstein verkleidet,
gesichert.
Das
Sandsteinkapitell
wurde in zwei Schalen um einen Betonkern versetzt. N o c h viel stärkere Zerstörungen erhielt das offene Vestibül hinter der Säulenvorhalle. Hier war die großzügige Treppenanlage durch Feuer und durch die spätere Einwirkung der Witterung völlig zer-
85
Abb, 3, Montage der Dachkonstruktiun
A b b . 5. Versetzen der Hauptgesimsblöcke
A b b . 6. D i e W i r k u n g der rostenden Befestigungsdübel
A b b . 7. D a s zerstörte Vestibül
;m der Standfläche der A d l e r
stört. Sic wurde originalgetreu wiedererrichtet. Die
den Ausstellungssälen des I. Obergeschosses hätten,
große Bronzetür - Buntmetalldiebe haben Figuren
bei deren Wiedererrichtung, auch die schwere Archi-
und Ornamente herausgebrochen - wird zur Zeit
tektur Schinkels erfordert.
restauriert. D i e Freitreppe erhielt neue Granitstufen.
Um aber, unbeeinträchtigt vom Raum,
modern
Ebenso mußte die Sockelverkleidung in Sandstein
ausstellen zu können, entschied man sich nach langen
erneuert werden.
Erörterungen gegen die Säulen.
Das Äußere des Schinkelbaues wird originalgetreu
Die Decken werden also freitragend von Wand
als Baudenkmal wiederhergestellt, während man über
zu Wand gespannt.
den Innenausbau lange Zeit getrennter Auffassung
keiten, moderne Räume mit vielseitiger Nutzungs-
war. Die eine Meinung ging dahin, daß das ganze
möglichkeit
Gebäude, innen und außen, nach dem Vorbild Schin-
Ausrüstungen zu schaffen, deren Details noch auf
kels wiederhergestellt werden sollte, die andere da-
den Reißbrettern der Architekten bearbeitet wer-
gegen vertrat den Standpunkt, im Inneren moderne
den.
und
Damit bieten
den
sich
notwendigen
Möglich-
technischen
Museumsräume zu schaffen, in denen sich die Archi-
Die Gesamtbaukosten für das Alte Museum wer-
tektur des Raumes zurückhält, um dem Kunstwerk
den auf rund 15 Millionen D M geschätzt, w o v o n
zur vollen Wirkung zu verhelfen. Ein Kompromiß
bisher für die Restaurierung des Gebäudes
war hier schwer zu finden. D i e Säulenstellungen in
4 Millionen D M bereitgestellt wurden.
rund
Photonachweis: A b b . i A r c h i v der Staatlichen Museen. A b b . 2, 5, 6, 7 Staatliche Museen zu Berlin. A b b . 4 A u f n a h m e W. Preiss, Dresden. A b b . 8 Reproduktion nach einer Zeichnung v o m E n i 'urtsbüro Hochbau II, Berlin.
89
Abb. 8. Das Bronzetor im Vestibül
ÄGYPTISCHES
Im Februar i960 wurde wie vorgesehen die Pa-
MUSEUM
auf längere Zeit in Anspruch nehmen, da die Depot-
pyrussammlung als selbständige Museumsabteilung
räume in der Trümmerruine des Neuen Museums nur
von der Verwaltungszuständigkeit des Ägyptischen
ungenügend zu beheizen sind, so daß die Aufnahme
Museums abgetrennt.
der magazinierten Stücke während der Wintermonate
In der Ägyptischen Abteilung wurde die Re-Inven-
ausgesetzt werden muß. Durch den Abgang einiger
tarisierung der wieder nach Berlin zurückgekehrten
Mitarbeiter trat eine weitere Verzögerung ein, die
Bestände der Sammlung fortgesetzt. Diese Arbeit,
sich auf die Re-Inventarisierung sowie auf andere, be-
die nur am Material selbst, d. h. in den Magazinen
reits begonnene Arbeiten (Anlage eines Standort-
durchgeführt werden kann, wird die Mitarbeiter noch
kataloges der ständigen Ausstellung u. a.) auswirkte
Abb. I. Kalksteinrelief aus dem Grabe des Seschem-nofer IV., um 2400 v. u. Z. Inv.-Nr. 1129
Abb. 3. Statue eines ptolemäischen Königs, Granit, zwischen 300 und 100 v. u. Z . Inv.-Nr. 14764
und weiter auswirken wird. Fertiggestellt werden
liehe Lücke durch die Leihgabe eines Segel- und eines
konnte das Manuskript für den Führer durch die Aus-
Ruderschiffes durch das Postmuseum Berlin wenig-
stellung des Ägyptischen Museums.
stens 2. T. geschlossen werden (Abb. 2). E s handelt
Die Ausstellung selbst erfuhr durch Umgruppie-
sich hierbei um kleine, in Gaufürstengräbern (um
rung und Neuaufstellung einiger bisher magazinier-
2000 v. u. Z.) gefundene Holzmodelle, die dem To-
ter Stücke nur geringe Veränderungen. So wurde
ten f ü r seine Fahrten im Jenseits mitgegeben wurden.
das bekannte Kalksteinrelief aus dem Grabe des
Im Saal der griechisch-römischen Zeit wurde die
Seschem-noferIV., eines hohen Beamten aus der Zeit
schöne
der späten 5. Dynastie (um 2400 v. u. Z.), restauriert
(zwischen 500 und 100 v. u. Z.) nach ihrer Zusam-
und im Saal des Alten Reiches neu angebracht (Abb. 1).
mensetzung wieder ausgestellt (Abb. 3).
Granitstatue
eines ptolemäischen
Königs
Da die im Besitz unseres Museums befindlichen
Im Rahmen der Vortragsreihe der Staatlichen Mu-
sogenannten Dienermodelle des Mittleren Reiches
seen wurde folgendes Thema behandelt: 1. März 1961.
noch nicht wieder in unserem Verfügungsbereich
St. Wenig, Die Entstehung der ägyptischen Hoch-
sind, konnte die gerade auf diesem Gebiete empfind-
kultur.
IV. Müller
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
P A P Y R U S S A M M L l! N G
E s war im Mai 1958, als sich der bekannte amerikanische Papyrologe H. C. Youtie in einer seiner Gastvorlesungen an der Londoner Universität über das Schicksal der Berliner Papyrussammlung in folgenden Worten äußerte: „What makes the problem acute is the disappearance of all the papyri and ostraca which made up the great collection of the Berlin Museum. These have simply vanished. More than 1900 papyrus texts from this collection were published before the war in nine volumes. Together with the twenty-four volumes of Oxyrhynchus
papyri
published in England, they form the backbone of papyrological study." 1 Im Herbst desselben Jahres wurde die berühmte Sammlung zusammen mit den anderen Schätzen des Ägyptischen Museums von der Sowjetunion nach Berlin überführt. Die in den Sommermonaten 1959 vorgenommene Re-Inventarisierung ergab, daß die eingetretenen Verluste nur gering sind und keine der wertvollen Handschriften betreffen. Eine kleine Kollektion vorwiegend ägyptischer Texte wurde im Bode-Museum in einem Saal der ägyptischen Abteilung ausgestellt. Die sprachliche Ordnung und Magazinaufstellung der Tausende von Papyri und Ostraka konnte erst i960 nach der Lieferung der benötigten Spezial-
1
Spezialschrank zur A u f b e w a h r u n g der zwischen Glasscheiben liegenden Papyri
The textual criticism of documentary papyri, University of L o n d o n , Institute of Classical Studies, Bulletin Supplement N o . 6 (1958) S. 35.
93
und weiter auswirken wird. Fertiggestellt werden
liehe Lücke durch die Leihgabe eines Segel- und eines
konnte das Manuskript für den Führer durch die Aus-
Ruderschiffes durch das Postmuseum Berlin wenig-
stellung des Ägyptischen Museums.
stens 2. T. geschlossen werden (Abb. 2). E s handelt
Die Ausstellung selbst erfuhr durch Umgruppie-
sich hierbei um kleine, in Gaufürstengräbern (um
rung und Neuaufstellung einiger bisher magazinier-
2000 v. u. Z.) gefundene Holzmodelle, die dem To-
ter Stücke nur geringe Veränderungen. So wurde
ten f ü r seine Fahrten im Jenseits mitgegeben wurden.
das bekannte Kalksteinrelief aus dem Grabe des
Im Saal der griechisch-römischen Zeit wurde die
Seschem-noferIV., eines hohen Beamten aus der Zeit
schöne
der späten 5. Dynastie (um 2400 v. u. Z.), restauriert
(zwischen 500 und 100 v. u. Z.) nach ihrer Zusam-
und im Saal des Alten Reiches neu angebracht (Abb. 1).
mensetzung wieder ausgestellt (Abb. 3).
Granitstatue
eines ptolemäischen
Königs
Da die im Besitz unseres Museums befindlichen
Im Rahmen der Vortragsreihe der Staatlichen Mu-
sogenannten Dienermodelle des Mittleren Reiches
seen wurde folgendes Thema behandelt: 1. März 1961.
noch nicht wieder in unserem Verfügungsbereich
St. Wenig, Die Entstehung der ägyptischen Hoch-
sind, konnte die gerade auf diesem Gebiete empfind-
kultur.
IV. Müller
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
P A P Y R U S S A M M L l! N G
E s war im Mai 1958, als sich der bekannte amerikanische Papyrologe H. C. Youtie in einer seiner Gastvorlesungen an der Londoner Universität über das Schicksal der Berliner Papyrussammlung in folgenden Worten äußerte: „What makes the problem acute is the disappearance of all the papyri and ostraca which made up the great collection of the Berlin Museum. These have simply vanished. More than 1900 papyrus texts from this collection were published before the war in nine volumes. Together with the twenty-four volumes of Oxyrhynchus
papyri
published in England, they form the backbone of papyrological study." 1 Im Herbst desselben Jahres wurde die berühmte Sammlung zusammen mit den anderen Schätzen des Ägyptischen Museums von der Sowjetunion nach Berlin überführt. Die in den Sommermonaten 1959 vorgenommene Re-Inventarisierung ergab, daß die eingetretenen Verluste nur gering sind und keine der wertvollen Handschriften betreffen. Eine kleine Kollektion vorwiegend ägyptischer Texte wurde im Bode-Museum in einem Saal der ägyptischen Abteilung ausgestellt. Die sprachliche Ordnung und Magazinaufstellung der Tausende von Papyri und Ostraka konnte erst i960 nach der Lieferung der benötigten Spezial-
1
Spezialschrank zur A u f b e w a h r u n g der zwischen Glasscheiben liegenden Papyri
The textual criticism of documentary papyri, University of L o n d o n , Institute of Classical Studies, Bulletin Supplement N o . 6 (1958) S. 35.
93
schränke (Abb.) begonnen werden. Sie ist jetzt im
für Orientforschung der Deutschen Akademie der
wesentlichen abgeschlossen. Die restauratorische Be-
Wissenschaften zu Berlin sowie das Institut für Ä g y p -
arbeitung wird allerdings noch Jahre in Anspruch
tologie der Humboldt-Universität beteiligt.
nehmen.
Wie der zunehmende Besuch von Fachkollegen
A n der wissenschaftlichen Erschließung der Samm-
aus dem In- und Auslande zeigt, ist die Berliner
lung, die seit Februar 1960 eine selbständige Mu-
Papyrussammlung wieder ein Zentrum der inter-
seumsabteilung ist, sind die Arbeitsgruppe Papyrus-
nationalen Forschung geworden.
kunde im Institut für griechisch-römische Altertums-
Im Rahmen der Museumsvorträge wurde folgen-
kunde der Deutschen Akademie der Wissenschaften
des Thema behandelt: 9. November i960: W. Müller,
zu Berlin, das Ägyptische Wörterbuch im Institut
Antikes Leben aus griechischen Papyri.
W. Müller
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
VORDERASIATISCHES
Nach dem Umbau der Nordsäle und ihrer Neuein-
MUSEUM
pelabdruck gehören zu den jüngsten Entdeckungen.
richtung ist mit der am 4. Oktober 1959 erfolgten
Es hat sich wieder gezeigt, daß man durchaus nicht
Wiedereröffnung sämtlicher Ausstellungsräume die
immer mit Hacke und Spaten auf uralten Ruinen-
ständige Ausstellung des Vorderasiatischen Museums
hügeln zu graben braucht, um archäologische Neu-
zum größten Teil fertiggestellt worden.
entdeckungen machen zu können. Auch im stillen
Die geplante Neugestaltung des Babylon-Saales
Museums-Magazin läßt sich in zäher Kleinarbeit mit-
(Raum 6) und des Raumes 7 (mit persischen Alter-
unter noch mancher Beitrag für unsere Kenntnis der
tümern) mußte zugunsten vordringlicher baulicher
altvorderasiatischen Kulturen gewinnen, selbst wenn
Unternehmungen
noch
das Material dort nun schon sehr lange lagert, wie im
zurückgestellt werden; sie wird aller Voraussicht
vorliegenden Falle die Altertümer aus Toprak-Kale
nach 1963 erfolgen.
in unserem Museum.
in den Museen zunächst
In den Jahren 1960/61 standen daher hauptsäch-
Eine umfangreiche Arbeit stellte die Sichtung und
lich wissenschaftliche und Magazinarbeiten im Vor-
Ordnung der Bestände des Tonmagazins dar, zumal
dergrund. So wurde die Bearbeitung der babyloni-
hierzu die Entzifferung der zahlreichen beschrifteten
schen und assyrischen Terrakotten und der altvorder-
Bauziegel gehörte, die nach den ermittelten Epochen
asiatischen Stempelsiegel fortgesetzt und die Arbei-
sortiert wurden. Gleichzeitig fanden Sichtungs- und
ten an Katalogen und Inventaren weitergeführt.
Ordnungs-
Bei der Bearbeitung urartäischer Altertümer aus
arbeiten im Steinmagazin statt, w o eine große Anzahl
Toprak-Kale (Armenien) fanden sich zu dem großen,
verschiedenster Denkmäler jetzt übersichtlich unter-
unlängst
gebracht werden konnte.
zusammengesetzten
bronzenen
Weihe-
schild Rusas (III.), Sohnes des Fkimena (um 645
Im Rahmen der Magazinarbeiten ist auch der
v. u. Z.), noch zwei Fragmente. Außerdem wurden
Neuaufbau einer Gipssammlung begonnen worden.
27 kleine Bruchstücke aus Bronzeblech als Frag-
Eine Reihe von Probeabgüssen und -formen wurde
mente verschiedener Prunkschilde identifiziert. Diese
bereits
Fragmente sind mit Stier- und Löwenbildern bzw.
gonnen.
hergestellt und die Serienanfertigung
be-
mit Flechtband- oder Zickzackmustern ornamentiert.
Die Werkstattarbeiten erstreckten sich auf die lau-
E i n größeres Stück einer Bronzeplatte erwies sich als
fenden Restaurierungen, wie sie sich aus der Neu-
Teil eines Hausmodells, ähnlich dem im Britischen
ordnung der Magazinbestände ergaben. Besonders
Museum zu London
Eine
zu erwähnen ist die Konservierung und Restaurie-
Tonplombe mit einer Siegelabrollung, die „heilige
rung eiserner Waffen und Gerätschaften aus Toprak-
B ä u m e " typisch urartäischer Prägung zeigt, sowie
Kale. Eine Reihe von Vorträgen in Berlin und in an-
eine weitere Plombe mit verschiedenen urartäischen
deren Städten der Republik dienten der Popularisie-
Hieroglyphenzeichen und einem sechseckigen Stem-
rung der Museumsarbeit und neuester Forschungs-
94
verwahrten Exemplar.
schränke (Abb.) begonnen werden. Sie ist jetzt im
für Orientforschung der Deutschen Akademie der
wesentlichen abgeschlossen. Die restauratorische Be-
Wissenschaften zu Berlin sowie das Institut für Ä g y p -
arbeitung wird allerdings noch Jahre in Anspruch
tologie der Humboldt-Universität beteiligt.
nehmen.
Wie der zunehmende Besuch von Fachkollegen
A n der wissenschaftlichen Erschließung der Samm-
aus dem In- und Auslande zeigt, ist die Berliner
lung, die seit Februar 1960 eine selbständige Mu-
Papyrussammlung wieder ein Zentrum der inter-
seumsabteilung ist, sind die Arbeitsgruppe Papyrus-
nationalen Forschung geworden.
kunde im Institut für griechisch-römische Altertums-
Im Rahmen der Museumsvorträge wurde folgen-
kunde der Deutschen Akademie der Wissenschaften
des Thema behandelt: 9. November i960: W. Müller,
zu Berlin, das Ägyptische Wörterbuch im Institut
Antikes Leben aus griechischen Papyri.
W. Müller
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
VORDERASIATISCHES
Nach dem Umbau der Nordsäle und ihrer Neuein-
MUSEUM
pelabdruck gehören zu den jüngsten Entdeckungen.
richtung ist mit der am 4. Oktober 1959 erfolgten
Es hat sich wieder gezeigt, daß man durchaus nicht
Wiedereröffnung sämtlicher Ausstellungsräume die
immer mit Hacke und Spaten auf uralten Ruinen-
ständige Ausstellung des Vorderasiatischen Museums
hügeln zu graben braucht, um archäologische Neu-
zum größten Teil fertiggestellt worden.
entdeckungen machen zu können. Auch im stillen
Die geplante Neugestaltung des Babylon-Saales
Museums-Magazin läßt sich in zäher Kleinarbeit mit-
(Raum 6) und des Raumes 7 (mit persischen Alter-
unter noch mancher Beitrag für unsere Kenntnis der
tümern) mußte zugunsten vordringlicher baulicher
altvorderasiatischen Kulturen gewinnen, selbst wenn
Unternehmungen
noch
das Material dort nun schon sehr lange lagert, wie im
zurückgestellt werden; sie wird aller Voraussicht
vorliegenden Falle die Altertümer aus Toprak-Kale
nach 1963 erfolgen.
in unserem Museum.
in den Museen zunächst
In den Jahren 1960/61 standen daher hauptsäch-
Eine umfangreiche Arbeit stellte die Sichtung und
lich wissenschaftliche und Magazinarbeiten im Vor-
Ordnung der Bestände des Tonmagazins dar, zumal
dergrund. So wurde die Bearbeitung der babyloni-
hierzu die Entzifferung der zahlreichen beschrifteten
schen und assyrischen Terrakotten und der altvorder-
Bauziegel gehörte, die nach den ermittelten Epochen
asiatischen Stempelsiegel fortgesetzt und die Arbei-
sortiert wurden. Gleichzeitig fanden Sichtungs- und
ten an Katalogen und Inventaren weitergeführt.
Ordnungs-
Bei der Bearbeitung urartäischer Altertümer aus
arbeiten im Steinmagazin statt, w o eine große Anzahl
Toprak-Kale (Armenien) fanden sich zu dem großen,
verschiedenster Denkmäler jetzt übersichtlich unter-
unlängst
gebracht werden konnte.
zusammengesetzten
bronzenen
Weihe-
schild Rusas (III.), Sohnes des Fkimena (um 645
Im Rahmen der Magazinarbeiten ist auch der
v. u. Z.), noch zwei Fragmente. Außerdem wurden
Neuaufbau einer Gipssammlung begonnen worden.
27 kleine Bruchstücke aus Bronzeblech als Frag-
Eine Reihe von Probeabgüssen und -formen wurde
mente verschiedener Prunkschilde identifiziert. Diese
bereits
Fragmente sind mit Stier- und Löwenbildern bzw.
gonnen.
hergestellt und die Serienanfertigung
be-
mit Flechtband- oder Zickzackmustern ornamentiert.
Die Werkstattarbeiten erstreckten sich auf die lau-
E i n größeres Stück einer Bronzeplatte erwies sich als
fenden Restaurierungen, wie sie sich aus der Neu-
Teil eines Hausmodells, ähnlich dem im Britischen
ordnung der Magazinbestände ergaben. Besonders
Museum zu London
Eine
zu erwähnen ist die Konservierung und Restaurie-
Tonplombe mit einer Siegelabrollung, die „heilige
rung eiserner Waffen und Gerätschaften aus Toprak-
B ä u m e " typisch urartäischer Prägung zeigt, sowie
Kale. Eine Reihe von Vorträgen in Berlin und in an-
eine weitere Plombe mit verschiedenen urartäischen
deren Städten der Republik dienten der Popularisie-
Hieroglyphenzeichen und einem sechseckigen Stem-
rung der Museumsarbeit und neuester Forschungs-
94
verwahrten Exemplar.
ergebnisse auf dem Gebiet
der
vorderasiatischen
Museum „ W a s uralte Denkmäler erzählen" eine Neuauflage der Ubersichtskarte
Altertumskunde. E n d e i960 konnte die zweite, erweiterte A u f l a g e
sowie
„Vorderasien
im A l t e r t u m " herausgebracht werden.
der kleinen Wegleitung durch das Vorderasiatische
G. R.
Meyer
ANTIKEN-SAMMLUNG
Als am 4. Oktober 1959 die Antiken-Sammlung
antiker Kleinkunst ihre endgültige F o r m f ü r die
feierlich wiedereröffnet werden konnte, hatten die
kommenden Jahre erhalten. A b e r
beiden großen Säle mit antiker Architektur, der Per-
ger wird der Besucher, der häufig und als K e n n e r die
nichtsdestoweni-
gamonsaal, die neun Säle mit antiken Marmorskulp-
Sammlungen besucht, immer wieder auf kleine, aber
turen und die vierzehn Säle des Antiquariums mit
doch nicht unwichtige Änderungen und Verbesse-
A h b . i . A r c h a i s c h e s R e l i e f v o n der Tnsel P a r o s
95
ergebnisse auf dem Gebiet
der
vorderasiatischen
Museum „ W a s uralte Denkmäler erzählen" eine Neuauflage der Ubersichtskarte
Altertumskunde. E n d e i960 konnte die zweite, erweiterte A u f l a g e
sowie
„Vorderasien
im A l t e r t u m " herausgebracht werden.
der kleinen Wegleitung durch das Vorderasiatische
G. R.
Meyer
ANTIKEN-SAMMLUNG
Als am 4. Oktober 1959 die Antiken-Sammlung
antiker Kleinkunst ihre endgültige F o r m f ü r die
feierlich wiedereröffnet werden konnte, hatten die
kommenden Jahre erhalten. A b e r
beiden großen Säle mit antiker Architektur, der Per-
ger wird der Besucher, der häufig und als K e n n e r die
nichtsdestoweni-
gamonsaal, die neun Säle mit antiken Marmorskulp-
Sammlungen besucht, immer wieder auf kleine, aber
turen und die vierzehn Säle des Antiquariums mit
doch nicht unwichtige Änderungen und Verbesse-
A h b . i . A r c h a i s c h e s R e l i e f v o n der Tnsel P a r o s
95
r u n g e n stoßen. So b e k a m die F i g u r der A p h r o d i t e i m
nicht l ä n g e r i m
P c r g a m o n f r i c s d e n v o n D r . Luschey im M u s e u m v o n
durfte ( A b b . 3). A u f g e s t e l l t w u r d e n w e i t e r i m Saal
I s t a n b u l w i e d e r e n t d e c k t e n K o p f , w e n i g s t e n s in einer
der r ö m i s c h e n S k u l p t u r e n ein archaistischer T h r o n -
getönten
sessel
Gipsabformung
archaisches
wieder
aufgesetzt.
Relief v o n der Insel Paros
aus
Ein
(Nr. 1051)
Magazin
und
der
zurückgehalten
interessante
werden
Grabstein
dem
eines r ö m i s c h e n G l a d i a t o r s (Nr. 794). I m Saal der
6. J a h r h u n d e r t v . u. Z. k o n n t e als L e i h g a b e aus der
f r i i h g r i e c h i s c h e n A r b e i t e n k a m e n z w e i S k u l p t u r e n aus
M a x - K l i n g e r - G e d ä c h t n i s s t ä t t e bei N a u m b u r g in d e m
M i l c t aus d e m 6. J a h r h u n d e r t v. u. 7,. h i n z u :
Saal der f r ü h g r i e c h i s c h e n S k u l p t u r e n a u f g e s t e l l t w e r -
marmorne
den ( A b b . i ) . E i n schöner r ö m i s c h e r
Knabenkopf
aus claudischer Zeit (Nr. 1896), bisher noch publiziert,
steht jetzt in
einer V i t r i n e des
q u a r i u m s ( A b b . 2). E i n i g e g r ö ß e r e
Altarschrankc
mit
dem
Relief
eine einer
S p h i n x (Nr. 1614) u n d ein M a r m o r b e c k e n (Nr. 1796).
un-
D e r ebenfalls aus M i l e t s t a m m e n d e K u r o s w u r d e in
Anti-
F e n s t e r n ä h e in stärkeres L i c h t g e r ü c k t und auf einen
Marmorskulp-
d r e h b a r e n S o c k e l gestellt. Fast alle
Marmorskulp-
t u r e n w u r d e n im L a u f e des J a h r e s in d e n W e r k -
turen aus d e m 6. J a h r h u n d e r t v . u. Z. sind f ü r d e n
stätten restauriert und z u m Teil aus B r u c h s t ü c k e n
wissenschaftlichen
w i e d e r z u s a m m e n g e s e t z t . D a z u g e h ö r e n der K i n d e r -
photographiert worden.
s a r k o p h a g mit d e m Relief der s p i e l e n d e n
Putten
Skulpturenkatalog
im
Atelier
N o c h nicht ein D r i t t e l der a n t i k e n M a r m o r s k u l p -
(Nr. 1881), eine A p h r o d i t e s t a t u e aus P r i e n e u n d der
turen steht in den A u s s t e l l u n g s s ä l e n .
hellenistische T o r s o einer
w u r d e n die M a g a z i n e der S a m m l u n g neu e i n g e r i c h -
fliehenden
w e i b l i c h e n Ge-
Inzwischen
stalt (Nr. 589), die w a h r s c h e i n l i c h in E p h e s o s ent-
tet. A u f H o l z b o r d e n hat man die K ö p f e u n d kleine-
standen ist. D i e drei letzten A r b e i t e n f a n d e n i h r e n
ren Reliefs zeitlich g e o r d n e t a u f g e s t e l l t . Bei diesen
Platz in den Sälen des A n t i q u a r i u m s . U n t e r den neu
u m f a n g r e i c h e n A r b e i t e n w u r d e die A b t e i l u n g
a u f g e s t e l l t e n K u n s t w e r k e n in der S k u l p t u r e n s a m m -
k r ä f t i g v o n P r a k t i k a n t e n der H u m b o l d t - U n i v e r s i t ä t
lung
muß
besonders auf das
noch
tat-
unpublizierte
unterstützt. In den W e r k s t ä t t e n b e k a m e n über sech-
G r a b r e l i e f der Chrvsion aus H a l i k a r n a ß (Nr. 787)
zig K ö p f e und Reliefs neue Steinsockel. D a m i t steht
h i n g e w i e s e n w e r d e n , das w e g e n
seiner g u t e n Er-
z u m ersten M a l in der G e s c h i c h t e der B e r l i n e r M u -
h a l t u n g und als b e s o n d e r s v o r n e h m e , schon leicht
seen d i e g e s a m t e S a m m l u n g a n t i k e r S k u l p t u r e n f ü r
1. J a h r h u n d e r t s v. u. Z.
die vielen Wissenschaftler, die s t ä n d i g aus der g a n z e n
klassizistische
Arbeit
des
Abb. 3. Grabrelief der Chrysion aus Halikarnas
Welt zu Studienzwecken nach Berlin kommen, über-
zwanzig Jahren abgelöst haben. Terrakotten und
sichtlich geordnet in gut beleuchteten Räumen zur
Vasen werden aus Bruchstücken wieder zusammen-
Verfügung.
g e f ü g t und gereinigt; alles Vorarbeiten, die auf die
Im Antiquarium mit den vielen tausend Werken
spätere wissenschaftliche Bearbeitung und endgültige
antiker Kleinkunst werden die Arbeiten der Restau-
Publikation hinzielen, für die eigentlich noch alles
ratoren und die N e u o r d n u n g
durch die Wissen-
zu tun bleibt. Angekauft wurden für das Antiquarium
schaftler auch in dem nächsten Jahrzehnt zu keinem
ein campanischer Teller, eine campanische Schale und
endgültigen Abschluß kommen. Hunderte von Bron-
ein geometrisches Kännchen. Eine Publikation dieser
zen müssen sorgfältig chemisch behandelt werden,
drei Gefäße ist in Vorbereitung.
weil die kranke Patina ihren Bestand gefährdet. Stän-
D i e Photographienbestellungen und wissenschaft-
dig müssen für zahllose Kunstwerke mit Hilfe der
lichen Anfragen von Fachkollegen, Universitätsinsti-
alten Inventare und Photographienalben die Inven-
tuten und Verlagen des In- und Auslandes haben sich
tar-Nummern gesucht werden, die sich in den letzten
gegenüber der Vorkriegszeit ungefähr verzehnfacht.
97
Führungen von Schulen, Betufsgruppen und Gruppen privater Besucher fanden täglich, auch sonntags, in den Ausstellungsräumen des Pergamonmuseums, besonders in den Sälen der antiken Architektur, statt, wobei sich die Zahl der im Jahre i960 durchgeführten Führungen auf etwa fünfhundert belief. Seit dem September i960 ist die Stelle eines Mentors in der Antiken-Sammlung besetzt, wodurch die Wissenschaftler zugunsten ihrer anderen Arbeiten wesentlich entlastet werden. Ein kurzer Ausstellungsführer „ D e r Altar von Pergamon", von Dr. Elisabeth Rohde verfaßt, ist im Oktober i960
erschienen und war nach wenigen Wochen vergriffen. Eine Neuauflage wird vorbereitet. Ein umfangreicherer Führer für das Pergamonmuseum, ebenfalls von Dr. Rohde, erschien im Henschelverlag Juni 1961 unter dem Titel „Pergamon, Burgberg und Altar". Auch für die römischen Skulpturen ist ein populärer Führer in Vorbereitung. Mit der Bearbeitung eines wissenschaftlichen Kataloges der griechischen Skulpturen vom 6. bis 4. Jahrhundert v. u. Z. wurde begonnen. Für diese sehr umfangreiche Arbeit mußte die Literatur aus den letzten zwanzig Jahren zusammengestellt werden. C. Blii.wel
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
ISLAMISCHES
Das Islamische Museum legte im Jahre i960 einen weiteren wichtigen Abschnitt seiner Nachkriegsgeschichte zurück. A m 6. Oktober, dem Vorabend zum 1 1 . Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik, wurden abermals drei Räume des Museums von der Generaldirektion der Öffentlichkeit übergeben. Der größte von ihnen diente zur Aufnahme des neuerstandenen AleppoZimmers. In den beiden kleineren Räumen kamen erlesene iranische Miniaturen aus dem BaysonghurManuskript und der Qazwini-Handschrift zur Ausstellung. Das Aleppo-Zimmer, dessen bemalte hölzerne Wandverkleidung infolge des Krieges stark gelitten hatte, wurde von den Restauratoren Manfred Becker, Uta Tyroller und Heinz Berndt in fünf Monaten wiederhergestellt. Im Verlauf der gemeinsamen Arbeiten gelang es, seine wertvollen Wachsmalereien von den alten fest gewordenen Lack- und Staubschichten zu befreien. Dies hatte zum Ergebnis, daß ihre ehemals bu nten Farben in ursprünglicher Leuchtkraft zutage traten. Durch das Entgegenkommen der Bauleitung konnte das Zimmer zum ersten Mal seit 1912, dem Jahr der Erwerbung, in T-Form als echte Drei-Nischen-Anlage aufgebaut werden.
98
MUSEUM
Zu den Objekten, die man in der Berichtszeit im Museum restaurierte, gehören die timuridischen Fliesenfelder aus den Mausoleen bei Buchara und Samarkand. Ihnen schlössen sich die großen ledernen Schattenspielfiguren und der Stoff mit der Darstellung von Adlern und Pfauen aus Ägypten an. Auch gelangte ein Ushakteppich mit Medaillonmusterung (I. 6932) von der Werkstatt wieder in die Ausstellung. In dem großen Depot des Dachgeschosses entstand durch die Vereinigung ganzer Gruppen von Fayencemosaiken, Fliesen und Stuckfragmenten eine sehenswerte Studiensammlung. Die Ausstellung des Museums wurde durch die Leihgabe eines iranischen figürlichen Bucheinbandes der Safawidenepoche glücklich bereichert. In dem genannten Zeitraum erfolgte der Aufbau einer neuen Standorts- und Abbildungskartei für das gesamte Museum. Als Publikation ist zu verzeichnen: Wolfgang Dudzus und Volkmar Enderlein, Islamische Kunstwerke, Bildheft, Staatliche Museen zu Berlin, Islamisches Museum, Berlin i960. W. Dudzus
Führungen von Schulen, Betufsgruppen und Gruppen privater Besucher fanden täglich, auch sonntags, in den Ausstellungsräumen des Pergamonmuseums, besonders in den Sälen der antiken Architektur, statt, wobei sich die Zahl der im Jahre i960 durchgeführten Führungen auf etwa fünfhundert belief. Seit dem September i960 ist die Stelle eines Mentors in der Antiken-Sammlung besetzt, wodurch die Wissenschaftler zugunsten ihrer anderen Arbeiten wesentlich entlastet werden. Ein kurzer Ausstellungsführer „ D e r Altar von Pergamon", von Dr. Elisabeth Rohde verfaßt, ist im Oktober i960
erschienen und war nach wenigen Wochen vergriffen. Eine Neuauflage wird vorbereitet. Ein umfangreicherer Führer für das Pergamonmuseum, ebenfalls von Dr. Rohde, erschien im Henschelverlag Juni 1961 unter dem Titel „Pergamon, Burgberg und Altar". Auch für die römischen Skulpturen ist ein populärer Führer in Vorbereitung. Mit der Bearbeitung eines wissenschaftlichen Kataloges der griechischen Skulpturen vom 6. bis 4. Jahrhundert v. u. Z. wurde begonnen. Für diese sehr umfangreiche Arbeit mußte die Literatur aus den letzten zwanzig Jahren zusammengestellt werden. C. Blii.wel
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
ISLAMISCHES
Das Islamische Museum legte im Jahre i960 einen weiteren wichtigen Abschnitt seiner Nachkriegsgeschichte zurück. A m 6. Oktober, dem Vorabend zum 1 1 . Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik, wurden abermals drei Räume des Museums von der Generaldirektion der Öffentlichkeit übergeben. Der größte von ihnen diente zur Aufnahme des neuerstandenen AleppoZimmers. In den beiden kleineren Räumen kamen erlesene iranische Miniaturen aus dem BaysonghurManuskript und der Qazwini-Handschrift zur Ausstellung. Das Aleppo-Zimmer, dessen bemalte hölzerne Wandverkleidung infolge des Krieges stark gelitten hatte, wurde von den Restauratoren Manfred Becker, Uta Tyroller und Heinz Berndt in fünf Monaten wiederhergestellt. Im Verlauf der gemeinsamen Arbeiten gelang es, seine wertvollen Wachsmalereien von den alten fest gewordenen Lack- und Staubschichten zu befreien. Dies hatte zum Ergebnis, daß ihre ehemals bu nten Farben in ursprünglicher Leuchtkraft zutage traten. Durch das Entgegenkommen der Bauleitung konnte das Zimmer zum ersten Mal seit 1912, dem Jahr der Erwerbung, in T-Form als echte Drei-Nischen-Anlage aufgebaut werden.
98
MUSEUM
Zu den Objekten, die man in der Berichtszeit im Museum restaurierte, gehören die timuridischen Fliesenfelder aus den Mausoleen bei Buchara und Samarkand. Ihnen schlössen sich die großen ledernen Schattenspielfiguren und der Stoff mit der Darstellung von Adlern und Pfauen aus Ägypten an. Auch gelangte ein Ushakteppich mit Medaillonmusterung (I. 6932) von der Werkstatt wieder in die Ausstellung. In dem großen Depot des Dachgeschosses entstand durch die Vereinigung ganzer Gruppen von Fayencemosaiken, Fliesen und Stuckfragmenten eine sehenswerte Studiensammlung. Die Ausstellung des Museums wurde durch die Leihgabe eines iranischen figürlichen Bucheinbandes der Safawidenepoche glücklich bereichert. In dem genannten Zeitraum erfolgte der Aufbau einer neuen Standorts- und Abbildungskartei für das gesamte Museum. Als Publikation ist zu verzeichnen: Wolfgang Dudzus und Volkmar Enderlein, Islamische Kunstwerke, Bildheft, Staatliche Museen zu Berlin, Islamisches Museum, Berlin i960. W. Dudzus
ERWERBUNGEN
DES MÜNZKABINETTS
A n griechischen Münzen konnten nur 3 Bronzemünzen
erworben
werden,
die dafür aber
eine
i960
Über diese Neuerwerbungen ist eine Veröffentlichung in den Forschungen und Berichten geplant.
wesentliche Bereicherung darstellen. D i e eine ist
Unter den angekauften Goldmünzen befinden sich
eine sehr seltene Bronzemünze von Hadrianopolis
u. a. 25 100- und 500-Piaster-Stücke der Türkei, ein
in Thrakien, geprägt unter dem Kaiser Septimius
Dukat Kaiser Rudolfs II. von 1 ; 90, 1 holländischer
Severus von dem römischen Statthalter in der Pro-
Dukat 1757 und 24 deutsche Reichsmünzen. Außer-
vinz Thrakien, Q. Sicinius Clarus, im Jahre 202 u. Z .
dem konnte eine Silberschale mit 22 eingelegten
Die Münze wird im nächsten Band der Forschun-
Goldmünzen erworben werden. V o n den silbernen
gen und Berichte veröffentlicht werden.
Münzen und denen aus unedlen Metallen wären zu
Auch die 2. Münze ist vorher noch nicht in unse-
erwähnen: 1 Taler von Christian I V . von Dänemark
rer Sammlung vertreten gewesen. E s handelt sich
in Glückstadt 1624; 1 russ. Barren ä 10 Kopeken
ad Istrum, im
1726; 1 russ. Notmünze 1654; 3 sächsische Brak-
zur
des
teaten des 12. und 13. Jahrhunderts; 1 Salzburger
Kaisers Caracalla von dem Provinzstatthalter Fla-
Taler des Erzbischofs Max Gandolf. E s konnten auch
vius
einige seltene Banknoten erworben werden, so z. B.
um eine Prägung heutigen
von Nikopolis
Bulgarien
Ulpianus
gelegen,
gegen
210
die u. Z .
Zeit
herausgegeben
7 Exemplare des im Konzentrationslager Theresien-
wurde. Schließlich gelangte durch Geschenk eines Be-
stadt
umgelaufenen
Papiergeldes,
2
chinesische
suchers eine Bronzemünze (Serratus) das syrischen
Scheine aus der Zeit des Tai p'ing-Aufstandes so-
Königs Antiochos V I . mit Porträt des Königs und
wie einige frühe nordamerikanische Scheine aus dem
Elefant, geprägt zwischen 145 und 142 v. u. Z., ins
18. Jahrhundert.
Kabinett, eine Münze, die bereits in anderen Exem-
Die AW«z7/i?«sammlung konnte um 48 Medaillen
plaren bei uns vertreten ist. Z u dieser Schenkung
bereichert werden, von denen einige besonders her-
gehört auch eine prächtig erhaltene kleine Kupfer-
vorgehoben seien.
münze des Constantinus II. als Caesar aus der Münz-
Die früheste ist eine seltene Augsburger Messing-
stätte Thessalonike sowie eine arabische Nachahmung
medaille auf die Krönung Josefs I. zum römischen
eines Follis des byzantinischen Kaisers Constans II.
K ö n i g 1690. Sie zeigt auf der Vorderseite die K r ö -
aus Emesa in Syrien, um 640 u. Z .
nungsszene und auf der Rückseite die Ansicht von
A n römischen Münzen wulden erworben: 8 Denare
Augsburg unter einem in den Wolken
knienden
aus der Zeit der römischen Republik, ferner 4 De-
heiligen Josef, der von der heiligen Dreifaltigkeit
nare, ein Quinar und ein sogenannter Antoninianus
umgeben ist. Das römisch-deutsche Reich ist mit
der römischen Kaiserzeit.
einer von Roettiers geschaffenen Medaille auf die
Sämtliche Stücke
sind
außerordentlich gut erhalten. Die wichtigste Neuerwerbung ist ein unter dem Kaiser N e r o (54 bis 68 u. Z . ) geprägter Dupondius (BMC 195 var.), der auf der Rückseite das soge-
Eroberung von Belgrad 1 7 1 7 durch K a r l V I . vertreten. Unsere
reiche
Sammlung
von
Papstmedaillen
konnte durch ein Bronzestück von Philipp-Heinrich
nannte Macellum Neronis zeigt, eine Markthalle in
Müller auf den T o d Clemens X I . vermehrt werden.
Rom, f ü r die der in der Mitte befindliche runde
Z u den Napoleon-Medaillen des Kabinetts kam eine
Kuppelbau charakteristisch ist. Die Details dieser
Bronzemedaille auf den Frieden von Campo Formio
interessanten Architektur, an deren Stelle heute die
1797, die Duvivier mit dem jugendlichen Brustbild
Kirche S. Stefano Rotondo steht, sind auf der Münze
gestaltete.
recht gut erkennbar.
Eine neue Stadtmedaille konnte der Sammlung
Für die mittelalterlich ¡neuzeitliche Sammlung kamen
zugeführt werden. E s ist eine Preismedaille des
i960 139 Goldmünzen, 70 Silber- und Scheidemünzen
Konservatoriums in Genf von B o v y . Der Auswahl
und 66 Banknoten hinzu.
aus dem umfangreichen Werk des Münchener Medail-
Unter den Goldmünzen befinden sich 34 hervor-
leurs Karl Götz, die im Kabinett bereits vorhanden
ragende polnische Stücke des 1 6 . - 1 8 . Jahrhunderts,
war, konnten 9 Stück hinzugefügt werden, 7 Gold-
hauptsächlich Dukaten, einige Doppeldukaten und
und zwei Silbermedaillen. Es handelt sich dabei um
ein 10-Dukaten-Stück Sigismunds III.
Arbeiten aus den zwanziger und dem Anfang der 99
dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Davon sollen
zeigt, und das sehr charakteristische
hervorgehoben werden die Medaille zur Erinnerung
genannt, das 1954 als eine der reichsten Arbeiten des
an den Ozeanflug des Zeppelin 1924, an die Welt-
Künstlers entstand.
Selbstbildnis
fahrt des Dr. Eckener mit dem Luftschiff 1929, die
Als Geschenk der Staatlichen Ermitage in Lenin-
Goethe-Medaille 1932, und die Gedenkmedaille auf
grad erhielten wir eine Medaille, die dem 1. Welt-
den
tragischen
Untergang
des
Segelschulschiffes
Niobe 1932.
raumflug des Sputnik 1957 gewidmet ist. Z u den Neuerwerbungen gehört auch die Medaille auf die
Das Münzkabinett legte seit langem Wert darauf,
150-Jahrfeier der Humboldt-Universität. Der 400-
auch die Sammlung zeitgenössischer Medaillen zu
Jahrfeier der Dresdener Kunstsammlungen
pflegen. So gelang es im Berichtsjahr, 7 Arbeiten des
des 400. Todestages von Philipp Melanchthon wurde
sowie
Bildhauers und Medailleurs Prof. Gustav Weidanz,
mit je einer Porzellanmedaille gedacht. Das Bildnis
der seit Jahrzehnten auf Burg Giebichenstein in
Melanchthons erscheint auch auf einer i960 entstandenen Medaille von Bruno Eyermann, die eben-
Halle arbeitet und lehrt, zu erwerben. V o n diesen seien die 1949 entstandene Goethe-
falls zu unseren Neuerwerbungen gehört.
A. Suhle
Medaille, deren Rückseite die Marktkirche in Halle
SKULPTUREN-SAMMLUNG
Nach Abschluß der Sichtung, Identifizierung und
Stücke unmöglich ist, den gesamten Bestand an
übergebenen
deutschen, niederländischen und französischen Wer-
Werke der Skulpturen-Sammlung konnte am 1. Juli
ken in diesen 2. Band hineinzunehmen, ist auch ein
Ordnung der von der Sowjetunion
i960 die Bestimmung und Beschriftung der zum
3. Band des Kataloges „Deutsche Skulpturen" ge-
größten Teil unpublizierten sogenannten AE-Stücke
plant.
(Ausstellungs-
und
Einrichtungsstücke)
beendet
In den beiden ständigen Ausstellungen der Skulp-
werden. Steindepot II ist jetzt als Studiensammlung
turen-Sammlung,
für die Stein-Großplastik des 12. (Gröninger Empore),
französische
13. und 18. Jahrhunderts geordnet. Die Gipsabguß-
„Kunstwerke der italienischen Renaissance", mußten
sammlung nach Werken der italienischen Renaissance-
Umgruppierungen nach chronologischen und syste-
Skulptur wurde neu aufgestellt und für Studienzwecke
matischen Gesichtspunkten vorgenommen werden.
zugänglich gemacht. Außerdem transportierte man
Für die Augsburger Plastik um 1500, die in der
„Deutsche,
Bildwerke"
im
niederländische
und
Bode-Museum
und
die noch in den Kellern des ehemaligen Deutschen
Sammlung mit guten und charakteristischen Stücken
Museums lagernden Plastiken und Gipse der Skulp-
vertreten ist, wurde eine besondere K o j e eingerichtet.
turensammlung in das Bode-Museum, um sie hier
Im sogenannten „Antwerpener
zu magazinieren.
spätgotische niederländische Plastik und die von ihr
Für alle Ausstellungsräume
und Depots
wurde
eine Standortkartei mit Angabe der Werkbezeichnung, der Herkunft, Datierung,
Saal"
wurde
die
beeinflußte niederrheinische zusammengefaßt. Die Kabinette mit den italienischen Renaissance-
Inventarnummer,
Skulpturen wurden durch eine Reduzierung auf die
Maßangabe und Material eingerichtet. Einführende
qualitätsvollsten Exponate aufgelockert und die zeit-
Raumtexte für die Ausstellungsräume der Skulp-
liche Entwicklung dadurch klarer herausgestellt.
turen-Sammlung im Bode-Museum werden die Be-
In der Holzwerkstatt wurde von den Restaura-
schriftungen der einzelnen Stücke erweitern. Außer-
toren, Herrn Manfred Becker, Herrn Wolf-Dieter
dem wurde ein allgemeinverständlicher Führer durch
Kunze
die
Restaurierungen an abteilungseigenen Stücken durch-
Ausstellung
deutscher,
niederländischer
und
französischer Bildwerke vorbereitet. Die Arbeiten am Katalog „Deutsche Skulpturen" Bd. 2, der vornehmlich die von der SU übergebenen Plastiken behandeln soll, wurden weitergeführt. D a es wegen der großen Zahl der noch nicht publizierten 100
und
Herrn
Hans
Puckelwartz,
folgende
geführt : Tirolisch
um 1750,
III. Rochus
und Wendelin
(I 7691, 7692): Reinigung und Neuvergoldung. Antwerpener Truhe: Reinigung und Entfernung der falschen Intarsia, Entrosten der Beschläge.
dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Davon sollen
zeigt, und das sehr charakteristische
hervorgehoben werden die Medaille zur Erinnerung
genannt, das 1954 als eine der reichsten Arbeiten des
an den Ozeanflug des Zeppelin 1924, an die Welt-
Künstlers entstand.
Selbstbildnis
fahrt des Dr. Eckener mit dem Luftschiff 1929, die
Als Geschenk der Staatlichen Ermitage in Lenin-
Goethe-Medaille 1932, und die Gedenkmedaille auf
grad erhielten wir eine Medaille, die dem 1. Welt-
den
tragischen
Untergang
des
Segelschulschiffes
Niobe 1932.
raumflug des Sputnik 1957 gewidmet ist. Z u den Neuerwerbungen gehört auch die Medaille auf die
Das Münzkabinett legte seit langem Wert darauf,
150-Jahrfeier der Humboldt-Universität. Der 400-
auch die Sammlung zeitgenössischer Medaillen zu
Jahrfeier der Dresdener Kunstsammlungen
pflegen. So gelang es im Berichtsjahr, 7 Arbeiten des
des 400. Todestages von Philipp Melanchthon wurde
sowie
Bildhauers und Medailleurs Prof. Gustav Weidanz,
mit je einer Porzellanmedaille gedacht. Das Bildnis
der seit Jahrzehnten auf Burg Giebichenstein in
Melanchthons erscheint auch auf einer i960 entstandenen Medaille von Bruno Eyermann, die eben-
Halle arbeitet und lehrt, zu erwerben. V o n diesen seien die 1949 entstandene Goethe-
falls zu unseren Neuerwerbungen gehört.
A. Suhle
Medaille, deren Rückseite die Marktkirche in Halle
SKULPTUREN-SAMMLUNG
Nach Abschluß der Sichtung, Identifizierung und
Stücke unmöglich ist, den gesamten Bestand an
übergebenen
deutschen, niederländischen und französischen Wer-
Werke der Skulpturen-Sammlung konnte am 1. Juli
ken in diesen 2. Band hineinzunehmen, ist auch ein
Ordnung der von der Sowjetunion
i960 die Bestimmung und Beschriftung der zum
3. Band des Kataloges „Deutsche Skulpturen" ge-
größten Teil unpublizierten sogenannten AE-Stücke
plant.
(Ausstellungs-
und
Einrichtungsstücke)
beendet
In den beiden ständigen Ausstellungen der Skulp-
werden. Steindepot II ist jetzt als Studiensammlung
turen-Sammlung,
für die Stein-Großplastik des 12. (Gröninger Empore),
französische
13. und 18. Jahrhunderts geordnet. Die Gipsabguß-
„Kunstwerke der italienischen Renaissance", mußten
sammlung nach Werken der italienischen Renaissance-
Umgruppierungen nach chronologischen und syste-
Skulptur wurde neu aufgestellt und für Studienzwecke
matischen Gesichtspunkten vorgenommen werden.
zugänglich gemacht. Außerdem transportierte man
Für die Augsburger Plastik um 1500, die in der
„Deutsche,
Bildwerke"
im
niederländische
und
Bode-Museum
und
die noch in den Kellern des ehemaligen Deutschen
Sammlung mit guten und charakteristischen Stücken
Museums lagernden Plastiken und Gipse der Skulp-
vertreten ist, wurde eine besondere K o j e eingerichtet.
turensammlung in das Bode-Museum, um sie hier
Im sogenannten „Antwerpener
zu magazinieren.
spätgotische niederländische Plastik und die von ihr
Für alle Ausstellungsräume
und Depots
wurde
eine Standortkartei mit Angabe der Werkbezeichnung, der Herkunft, Datierung,
Saal"
wurde
die
beeinflußte niederrheinische zusammengefaßt. Die Kabinette mit den italienischen Renaissance-
Inventarnummer,
Skulpturen wurden durch eine Reduzierung auf die
Maßangabe und Material eingerichtet. Einführende
qualitätsvollsten Exponate aufgelockert und die zeit-
Raumtexte für die Ausstellungsräume der Skulp-
liche Entwicklung dadurch klarer herausgestellt.
turen-Sammlung im Bode-Museum werden die Be-
In der Holzwerkstatt wurde von den Restaura-
schriftungen der einzelnen Stücke erweitern. Außer-
toren, Herrn Manfred Becker, Herrn Wolf-Dieter
dem wurde ein allgemeinverständlicher Führer durch
Kunze
die
Restaurierungen an abteilungseigenen Stücken durch-
Ausstellung
deutscher,
niederländischer
und
französischer Bildwerke vorbereitet. Die Arbeiten am Katalog „Deutsche Skulpturen" Bd. 2, der vornehmlich die von der SU übergebenen Plastiken behandeln soll, wurden weitergeführt. D a es wegen der großen Zahl der noch nicht publizierten 100
und
Herrn
Hans
Puckelwartz,
folgende
geführt : Tirolisch
um 1750,
III. Rochus
und Wendelin
(I 7691, 7692): Reinigung und Neuvergoldung. Antwerpener Truhe: Reinigung und Entfernung der falschen Intarsia, Entrosten der Beschläge.
Abb. 2. Raum in der Ausstellung „Italienische Kunstwerke der Renaissance" in der National-Galerie
A b b . 3. Ausstellung deutsche Barockplastik im Bode-Museum
Elsässisch
um
1400,
Heilige Familie
(I 5 896):
Nachfolge des Nicolaus Gerhaert
von Leyden
Abnahme der späteren Übermalungen, Freilegung
um 1480, der sogenannte „Bartlose" (I 5597): Ent-
und Festigung originaler Fassungsreste.
fernen einer dunklen Ubermalung.
Nachfolger
des
J . A. Feuchtmayer,
um
1760,
Francesco da Laurana, Maske einer jungen Frau
Puttengruppe (I 8380): Abnahme der Kreideüber-
(I 259): Härtungsversuche des durch den
malung.
pulverisierten Marmors.
Oberitalienisch um 1400, K ö n i g aus einer Epiphaniasgruppe (I 7195): Entfernen der oberen Olfarbschicht und Festigung der Goldfassung. Werkstatt des Hans Backoffen um 15 20, Hl. Margarete
(I 5910):
Entfernen
der Ubermalung
des
19. Jahrhunderts In der Steinwerkstatt nahm Herr Wilfried Bauer Joseph Anton Feuchtmayer um 1760, Maria aus Schließen der Brandrisse
und Aufsockeln der Figur. Nachfolge des Nicolaus Gerhaert von Leyden um 1480, der sogenannte „ B ä r t i g e " (I 5598): Zusammensetzen der Einzelteile und Entfernen der Brandspuren. 102
Außerdem stellte die Skulpturen-Sammlung vom 1 . 4. bis 1. 9. i960 den Restaurator Manfred Becker für die Restaurierung des Aleppo-Zimmers im Islamischen Museum zur Verfügung. Im Jahr i960 wurden Leihgaben für folgende Ausstellungen zur Verfügung gestellt:
nachstehende Restaurierungen v o r : einer Krönung (I 7997):
Brand
Für die Ausstellung anläßlich
des
„Bayrische
Eucharistischen
Frömmigkeit"
Weltkongresses
in
München: Maria mit dem Kinde, bayrisch um 1630 (I 8430); für die Ausstellung „Schach im Wandel der Zeiten" anläßlich der Schacholympiade in Leipzig: Elfenbeinfigur 14. J h . (I 678),
eines
„Springers",
süddeutsch,
Elfenbeinfigur eines „ B i s c h o f s " , niederrheinisch, 2. Hälfte 12. Jahrhundert (I 667);
E . Fründt: „ D i e Kunst des B a r o c k " (Anläßlich der Berliner Festwochen i960),
für die Pfarrkirche in Wolmirsleben: Kruzifixus, schwäbisch um 1500 (I 2570).
E . Fründt: Bericht über die Ausstellung „Kunstder
italienischen
Renaissance"
(erscheint
E n d e 1961 im ,Jahrbuch der Kunstmuseen in der D D R ' Bd. 2). Im Winterhalbjahr
H. Sachs: „Mittelalterliches Chorgestühl in Deutschland",
Folgende Aufsätze wurden geschrieben: werke
Vorträge über folgende Themen:
E . Fründt: „ D i e Bedeutung Augsburgs für die Kunst um 1500". Im Rahmen der verstärkten Werbung für den Besuch der Staatlichen Museen zu Berlin wurden
1960/61
hielten die wissen-
schaftlichen Mitarbeiter der Skulpturen-Sammlung
mehrere
populärwissenschaftliche Artikel
in
den
Tageszeitungen veröffentlicht.
E. Fründt
P h o t o n a c h w e i s : Staatliche M u s e e n zu B e r l i n .
GEMÄLDEGALERIE
Das Hauptgewicht der Arbeit im Jahre i960 lag auf der systematischen Durchsicht des Gemälde-
Größere restauratorische Maßnahmen wurden an folgenden Bildern vorgenommen:
bestandes der Galerie. Diese wurde unternommen,
Meister der weiblichen Halbfiguren, Mittelflügel,
um Qualität, Erhaltungszustand und Ausstellungs-
Kat. N r . 1863: Abnahme des Firnis und alter Ol-
würdigkeit eines jeden Werkes festzustellen und eine
farbenübermalungen, die z. T. über der Original-
Vorauswahl für eine künftige Ausstellung in größe-
schicht lagen. Retuschierung mit Tempera und teil-
rem Ausmaße zu treffen. Da die meisten der Gemälde
weise mit Öllasuren.
früher nicht ausgestellt gewesen sind und daher weni-
L . Laurana,
Architektonische
Vedute,
Kat. N r .
ger Aufmerksamkeit in bezug auf Zuschreibung und
1 6 1 5 : Behandlung der starken Blasenbildung. Anfer-
Pflege erfordert haben, traten umfangreiche Auf-
tigung eines Rahmens.
gaben zutage. In Zusammenhang mit der Uber-
J . D . de Heem,
Spiegelrahmen,
prüfung des Bestandes stand eine Neuordnung der
Sicherung
wissenschaftlichen Kartei unter gleichzeitiger Vor-
einen neuen Bildträger (Holz).
nahme von Vermerken und Ergänzungen. In der gemeinsamen Ausstellung der Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung
im Haupt-
der
Malschicht
Kat.
N r . 963:
und Übertragung
auf
J . G . von Edlinger, Herrenbildnis, Kat. Nr. 2097: Rentoilierung. M. Palmezzano,
Heiligen,
Bild, das außerdem starken Wurmfraß zeigte, wird
ken einige Umhängungen vorgenommen worden.
auf eine neue Holztafel übertragen. Die Arbeit ist
Selbstbildnis
von
1649,
Poussin-Aus-
stellung im Louvre, M a i - A u g u s t ,
Kriegseinwirkung
Kat. N r .
mung mit der Umgruppierung von plastischen Wer-
Poussin,
durch
mit
1087:
Folgende Gemälde wurden ausgeliehen:
Das
Maria
geschoß des Bode-Museums sind in Übereinstim-
zerbrochene
noch nicht abgeschlossen. Im Rahmen des Vortragszyklus der Staatlichen Museen für das Winterhalbjahr 1960/61 hielt Irene
Gerard vanHonthorst, Das Puffspiel, Internationale
Geismeier einen Vortrag über das Thema „Nieder-
Ausstellung „Schach im Wandel der Zeiten" Stadt-
ländischer Alltag auf Bildern des 16. und 17. Jahr-
geschichtliches Museum Leipzig,
hunderts".
9. November.
15. Oktober bis
R. Vorpahl- Weinhold
103
Elfenbeinfigur eines „ B i s c h o f s " , niederrheinisch, 2. Hälfte 12. Jahrhundert (I 667);
E . Fründt: „ D i e Kunst des B a r o c k " (Anläßlich der Berliner Festwochen i960),
für die Pfarrkirche in Wolmirsleben: Kruzifixus, schwäbisch um 1500 (I 2570).
E . Fründt: Bericht über die Ausstellung „Kunstder
italienischen
Renaissance"
(erscheint
E n d e 1961 im ,Jahrbuch der Kunstmuseen in der D D R ' Bd. 2). Im Winterhalbjahr
H. Sachs: „Mittelalterliches Chorgestühl in Deutschland",
Folgende Aufsätze wurden geschrieben: werke
Vorträge über folgende Themen:
E . Fründt: „ D i e Bedeutung Augsburgs für die Kunst um 1500". Im Rahmen der verstärkten Werbung für den Besuch der Staatlichen Museen zu Berlin wurden
1960/61
hielten die wissen-
schaftlichen Mitarbeiter der Skulpturen-Sammlung
mehrere
populärwissenschaftliche Artikel
in
den
Tageszeitungen veröffentlicht.
E. Fründt
P h o t o n a c h w e i s : Staatliche M u s e e n zu B e r l i n .
GEMÄLDEGALERIE
Das Hauptgewicht der Arbeit im Jahre i960 lag auf der systematischen Durchsicht des Gemälde-
Größere restauratorische Maßnahmen wurden an folgenden Bildern vorgenommen:
bestandes der Galerie. Diese wurde unternommen,
Meister der weiblichen Halbfiguren, Mittelflügel,
um Qualität, Erhaltungszustand und Ausstellungs-
Kat. N r . 1863: Abnahme des Firnis und alter Ol-
würdigkeit eines jeden Werkes festzustellen und eine
farbenübermalungen, die z. T. über der Original-
Vorauswahl für eine künftige Ausstellung in größe-
schicht lagen. Retuschierung mit Tempera und teil-
rem Ausmaße zu treffen. Da die meisten der Gemälde
weise mit Öllasuren.
früher nicht ausgestellt gewesen sind und daher weni-
L . Laurana,
Architektonische
Vedute,
Kat. N r .
ger Aufmerksamkeit in bezug auf Zuschreibung und
1 6 1 5 : Behandlung der starken Blasenbildung. Anfer-
Pflege erfordert haben, traten umfangreiche Auf-
tigung eines Rahmens.
gaben zutage. In Zusammenhang mit der Uber-
J . D . de Heem,
Spiegelrahmen,
prüfung des Bestandes stand eine Neuordnung der
Sicherung
wissenschaftlichen Kartei unter gleichzeitiger Vor-
einen neuen Bildträger (Holz).
nahme von Vermerken und Ergänzungen. In der gemeinsamen Ausstellung der Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung
im Haupt-
der
Malschicht
Kat.
N r . 963:
und Übertragung
auf
J . G . von Edlinger, Herrenbildnis, Kat. Nr. 2097: Rentoilierung. M. Palmezzano,
Heiligen,
Bild, das außerdem starken Wurmfraß zeigte, wird
ken einige Umhängungen vorgenommen worden.
auf eine neue Holztafel übertragen. Die Arbeit ist
Selbstbildnis
von
1649,
Poussin-Aus-
stellung im Louvre, M a i - A u g u s t ,
Kriegseinwirkung
Kat. N r .
mung mit der Umgruppierung von plastischen Wer-
Poussin,
durch
mit
1087:
Folgende Gemälde wurden ausgeliehen:
Das
Maria
geschoß des Bode-Museums sind in Übereinstim-
zerbrochene
noch nicht abgeschlossen. Im Rahmen des Vortragszyklus der Staatlichen Museen für das Winterhalbjahr 1960/61 hielt Irene
Gerard vanHonthorst, Das Puffspiel, Internationale
Geismeier einen Vortrag über das Thema „Nieder-
Ausstellung „Schach im Wandel der Zeiten" Stadt-
ländischer Alltag auf Bildern des 16. und 17. Jahr-
geschichtliches Museum Leipzig,
hunderts".
9. November.
15. Oktober bis
R. Vorpahl- Weinhold
103
KUPFER STICHKABINETT
Da im Jahr i960 dem Kupferstichkabinett noch keine eigenen Ausstellungsräume wieder zur Verfügung standen, beschränkte sich die Tätigkeit des Kabinettes im wesentlichen auf die interne Ordnung, Katalogisierung und Bearbeitung von Teilgebieten der 1958 von der Sowjetunion übergebenen Bestände. Der Studiensaal stand jedoch während des ganzen Jahres interessierten Besuchern, Forschern und Studenten ohne Einschränkung zur Verfügung. Bei den Arbeiten im Kupferstichkabinett verdient die fortschreitende wissenschaftliche Bearbei-
tung der umfangreichen Sammlung der alten Holzstöcke (Sammlung Derschau) Beachtung. Nach Verlust der Sammlung des Germanischen Museums in Nürnberg dürfte es die größte ihrer Art sein. Von der Restaurierungswerkstatt für Papier wurden im Berichtsjahr 530 Blatt restauriert bzw. neu aufgelegt. Die baulichen Maßnahmen im Bode-Museum wurden während dieser Zeit weiter vorangetrieben, und zwei Ausstellungssäle für das Kupferstichkabinett im Obergeschoß des Bodemuseums mit
Georges Rouault, Blatt 8 aus dem Zyklus „Miserere". Neuerwerbung des Kupferstichkabinetts
104
Zugang von der kleinen Kuppel (Haupteingang Monbijoubrücke) standen Ende i960 vor der Vollendung und werden voraussichtlich ab Frühjahr 1961 für Ausstellungen des Kupferstichkabinetts nutzbar sein. Als erste Ausstellung ist eine Ausstellung der Neuerwerbungen von 1950 bis i960 (Auswahl) geplant. Für auswärtige Ausstellungen wurden aus dem Besitz des Kupferstichkabinetts Leihgaben zur Verfügung gestellt: Ausstellung „ D e r graphische Zyklus", Amsterdam. Ausstellung des Verbandes Bildender Künstler zum 50. Jahrestag des Internationalen Frauentages, Berlin. „Signale. Gesellschaftskritik in der Graphik." Ausstellung der Stadt Iserlohn zu den Ruhrfestspielen.
Käthe-Kollwitz-Ausstellung, stichkabinett.
Dresden,
Kupfer-
Corinth-Ausstellung, Schwerin. „ D i e revolutionäre Tradition in der deutschen Graphik", Ausstellung in Bulgarien. Ausstellung „Schach im Wandel der Zeiten" zur Schacholympiade in Leipzig. Ausstellung „ D i e Kunst der Lithographie von den Anfängen bis zur Gegenwart", Halle/Moritzburg. An Neuerwerbungen sind i960 56 Blatt Druckgraphik des 16. bis 19. Jahrhunderts, 121 Blatt des 20. Jahrhunderts, sowie 47 moderne Plakate, meist polnischer und französischer Herkunft, zu verzeichnen. Unter den Neuerwerbungen an moderner Graphik sind die 58 Aquatinta-Radierungen des Zyklus „Miserere" von Georges Rouault hervorzuheben, die mit besonderer Unterstützung des Ministeriums für Kultur erworben werden konnten. W. Timm
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
NATIONAL-GALERIE
Wie auch in den voraufgegangenen Jahren lag i960 die hauptsächliche Arbeitsleistung der Mitarbeiter der National-Galerie in der Vorbereitung und Durchführung der Ausstellungen. Neben den ständigen Ausstellungen des Hauses, die ergänzt und teilweise durch Leihgaben zeitweilig verändert wurden, waren es hauptsächlich die Sonderausstellungen, deren Aufbau durchzuführen war, sowie die Vorbereitung der zu diesen Ausstellungen gehörenden Kataloge. Bis Mitte Januar i960 wurden die Ausstellungen von Otto Nagel und Walter Arnold noch im Obergeschoß der National-Galerie gezeigt. Nach dem Abbau dieser beiden Ausstellungen wurde in den gleichen Räumen mit dem Aufbau der Manzü-Ausstellung begonnen, die am 13. Februar eröffnet und bis zum 20. März i960 gezeigt wurde. Nach dieser Ausstellung der Werke eines zeitgenössischen italienischen Bildhauers, die einen regen Besuch verzeichnen konnte, wurde mit der Vorbereitung der Ausstellung der Werke des italienischen Malers Gabriele Mucchi begonnen. Die Ausstellung selbst wurde vom 14. Mai bis zum 31. Juli i960 gezeigt. Als dritte größere Ausstellung folgte dann die Ausstellung des Bildhauers Waldemar Grzimek in
der National-Galerie, die am 24. September 1961 eröffnet wurde. Gleichzeitig mit dieser Ausstellung, die bis Ende des Jahres in der National-Galerie zu sehen war, wurden Sonderkabinette mit den Werken junger Bildhauer gezeigt, und zwar nacheinander die Arbeiten von Werner Stötzer und Lore Plietzsch. Für jede der Ausstellungen erschien ein Katalog mit Abbildungen, für das Sonderkabinett der jungen Künstler jeweils ein Faltblatt. In den Ausstellungen selbst fanden Diskussionen statt, die teilweise von den Künstlern, deren Werke ausgestellt waren, selbst geleitet wurden. In den Räumen der ständigen Ausstellungen konnten durch zeitweilige Leihgaben von außerhalb ebenfalls einige Veränderungen vorgenommen werden. So stellte das Museum der Stadt Cottbus für die Wintermonate seine Gemälde von Karl Blechen der National-Galerie zur Verfügung, als Gegenleistung einer Leihgabe von Aquarellen und Zeichnungen Blechens aus dem Besitz der National-Galerie an das Cottbusser Museum anläßlich einer Ausstellung, die die Stadt Cottbus auf Grund des 120. Todestages von Blechen in den Räumen des dortigen Museums veranstaltete. 105
Zugang von der kleinen Kuppel (Haupteingang Monbijoubrücke) standen Ende i960 vor der Vollendung und werden voraussichtlich ab Frühjahr 1961 für Ausstellungen des Kupferstichkabinetts nutzbar sein. Als erste Ausstellung ist eine Ausstellung der Neuerwerbungen von 1950 bis i960 (Auswahl) geplant. Für auswärtige Ausstellungen wurden aus dem Besitz des Kupferstichkabinetts Leihgaben zur Verfügung gestellt: Ausstellung „ D e r graphische Zyklus", Amsterdam. Ausstellung des Verbandes Bildender Künstler zum 50. Jahrestag des Internationalen Frauentages, Berlin. „Signale. Gesellschaftskritik in der Graphik." Ausstellung der Stadt Iserlohn zu den Ruhrfestspielen.
Käthe-Kollwitz-Ausstellung, stichkabinett.
Dresden,
Kupfer-
Corinth-Ausstellung, Schwerin. „ D i e revolutionäre Tradition in der deutschen Graphik", Ausstellung in Bulgarien. Ausstellung „Schach im Wandel der Zeiten" zur Schacholympiade in Leipzig. Ausstellung „ D i e Kunst der Lithographie von den Anfängen bis zur Gegenwart", Halle/Moritzburg. An Neuerwerbungen sind i960 56 Blatt Druckgraphik des 16. bis 19. Jahrhunderts, 121 Blatt des 20. Jahrhunderts, sowie 47 moderne Plakate, meist polnischer und französischer Herkunft, zu verzeichnen. Unter den Neuerwerbungen an moderner Graphik sind die 58 Aquatinta-Radierungen des Zyklus „Miserere" von Georges Rouault hervorzuheben, die mit besonderer Unterstützung des Ministeriums für Kultur erworben werden konnten. W. Timm
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
NATIONAL-GALERIE
Wie auch in den voraufgegangenen Jahren lag i960 die hauptsächliche Arbeitsleistung der Mitarbeiter der National-Galerie in der Vorbereitung und Durchführung der Ausstellungen. Neben den ständigen Ausstellungen des Hauses, die ergänzt und teilweise durch Leihgaben zeitweilig verändert wurden, waren es hauptsächlich die Sonderausstellungen, deren Aufbau durchzuführen war, sowie die Vorbereitung der zu diesen Ausstellungen gehörenden Kataloge. Bis Mitte Januar i960 wurden die Ausstellungen von Otto Nagel und Walter Arnold noch im Obergeschoß der National-Galerie gezeigt. Nach dem Abbau dieser beiden Ausstellungen wurde in den gleichen Räumen mit dem Aufbau der Manzü-Ausstellung begonnen, die am 13. Februar eröffnet und bis zum 20. März i960 gezeigt wurde. Nach dieser Ausstellung der Werke eines zeitgenössischen italienischen Bildhauers, die einen regen Besuch verzeichnen konnte, wurde mit der Vorbereitung der Ausstellung der Werke des italienischen Malers Gabriele Mucchi begonnen. Die Ausstellung selbst wurde vom 14. Mai bis zum 31. Juli i960 gezeigt. Als dritte größere Ausstellung folgte dann die Ausstellung des Bildhauers Waldemar Grzimek in
der National-Galerie, die am 24. September 1961 eröffnet wurde. Gleichzeitig mit dieser Ausstellung, die bis Ende des Jahres in der National-Galerie zu sehen war, wurden Sonderkabinette mit den Werken junger Bildhauer gezeigt, und zwar nacheinander die Arbeiten von Werner Stötzer und Lore Plietzsch. Für jede der Ausstellungen erschien ein Katalog mit Abbildungen, für das Sonderkabinett der jungen Künstler jeweils ein Faltblatt. In den Ausstellungen selbst fanden Diskussionen statt, die teilweise von den Künstlern, deren Werke ausgestellt waren, selbst geleitet wurden. In den Räumen der ständigen Ausstellungen konnten durch zeitweilige Leihgaben von außerhalb ebenfalls einige Veränderungen vorgenommen werden. So stellte das Museum der Stadt Cottbus für die Wintermonate seine Gemälde von Karl Blechen der National-Galerie zur Verfügung, als Gegenleistung einer Leihgabe von Aquarellen und Zeichnungen Blechens aus dem Besitz der National-Galerie an das Cottbusser Museum anläßlich einer Ausstellung, die die Stadt Cottbus auf Grund des 120. Todestages von Blechen in den Räumen des dortigen Museums veranstaltete. 105
Aus den Museen der Städte Greifswald, Stralsund, Rostock
und
Halle
erhielt
die
werke und 1 1 9 Zeichnungen. Teilweise handelte es
National-Galerie
sich hierbei um Erwerbungen aus den Ankaufs-
ebenfalls Leigaben für Ausstellungszwecke im Tausch
mitteln der Staatlichen Museen, teilweise um Erwer-
gegen Ausstellungen von Zeichnungen aus dem
bungen, die der Kulturfonds für die National-Galerie
Besitz der National-Galerie, die in diesen Städten
tätigte wobei ausschließlich Werke der Gegenwarts-
gezeigt wurden.
kunst angekauft wurden, teilweise um Geschenke
So ging die von der National-Galerie zusammengestellte Ausstellung „Zeichnungen deutscher Mei-
an die Galerie. E s wurden Gemälde von Otto Nagel, E . v. Steinle,
ster vom Klassizismus bis zum Expressionismus, 1958
und Gabriele Mucci erworben, Bildwerke von
von der Sowjetunion übergeben" in die Museen der
W. Lammert, W. Arnold, G . Weidanz, O. Schlem-
Städte Schwerin, Rostock, Stralsund und Greifswald,
mer, K . Kollwitz,
M. Gimond
w o sie mit großem E r f o l g gezeigt werden konnte.
Zeichnungen
J . E. Hummel,
Ebenfalls von der National-Galerie
zusammen-
Klemke,
von
Strüning,
Wegener,
und W. Grzimek, Feigl,
Scheibe,
Stötzer,
Arnold,
gestellt wurde die Ausstellung „Aquarelle und Zeich-
S. Hasse, R. Liebknecht, Gimond, Mucchi, Metzkes,
nungen von Eduard Hildebrandt,
Venturelli,
1958
von der
Sowjetunion übergeben", die in Demmin gezeigt wurde und später in Berlin in der „Deutschen Bücherstube". Für beide Ausstellungen
Klinger,
Rietschel,
Zingg,
Genelli,
Spitzweg. Unter den Restaurierungsarbeiten nahm die Wiederherstellung des großen Paradebildes von Franz
waren Kataloge
von
Krüger aus dem Jahre 1829 einen besonderen Platz
Mitarbeitern der National-Galerie zusammengestellt
ein. Das Bild wurde von der Sowjetunion in vor-
worden.
züglich konserviertem Zustand übergeben, indem
Neben den Ausstellungen, die die National-Galerie
die Farbschicht durch Papierüberklebungen gesichert
im eigenen Hause in Berlin zeigte und solchen, die
war. Da die Vorlagen f ü r die Retuschen und Restau-
hier zusammengestellt wurden und nach außerhalb
rierungen in der Form von Großfotos im Archiv
gegeben wurden, unterstützte die National-Galerie
der National-Galerie vorhanden waren, konnte auch
auch Ausstellungen im In- und Ausland durch Leih-
erst hier mit der endgültigen Restaurierungsarbeit
gaben.
an dem großen Gemälde begonnen werden.
A n 42 Antragsteller wurden Ausleihungen aus den
In der Restaurierungswerkstatt für Plastik konnte
Beständen der Galerie gegeben, darunter auch nach
die Wiederherstellung der großen Marmorgruppe von
Westdeutschland und in das Ausland.
Reinholds Begas „ E v a und ihre Söhne" (1909) zum
wurden ausgeliehen im Jahre i960:
Insgesamt
1339
Zeich-
nungen, 5 7 Gemälde und 1 1 Bildwerke. Außerhalb der Deutschen Demokratischen Republik wurden so durch Leihgaben folgende Ausstellungen unterstützt:
Abschluß gebracht werden. Das Werk war in stark verschmutztem und beschädigtem Zustand vom Berliner
Magistrat
der
National-Galerie
übergeben
worden. Die Einzelteile der Skulptur konnten zusammengefügt werden und die äußerst
intensive
in Düsseldorf: Ernst Ludwig Kirchner, Otto Dix
Verschmutzung durch eine teerartige Masse durch
in Hamburg und Schleswig-Holstein: Plastik und
Fettlösung
Kunsthandwerk von Malern des deutschen Expressionismus
und
Tiefenbestrahlung
der
Marmor-
partien die betroffen waren, entfernt werden. Beide Werke, sowohl das Paradebild von Franz
in Frankfurt a. M. : Ernst Barlach
Krüger
in West-Berlin: Die Akademie der Künste, die
Begas wurden inzwischen in die ständigen Ausstel-
Mitglieder und ihr Werk (zur Eröffnung des neuen Hauses der Akademie) in Salzburg (Österreich) : Die Alpen im Spiegel der Jahrhunderte
wie
die
Marmorskulptur
von
Reinhold
lungen der National-Galerie aufgenommen. Die Ordnungsarbeiten in den Depots
konnten
weitergeführt werden. In der Sammlung der Zeichnungen wurde der Bestand der von der Sowjetunion
in Moskau (Sowjetunion) : Otto Nagel
1958 übergebenen Zeichnungen gesichtet. Im Ge-
In verschiedenen Orten Schwedens, darunter in
mäldedepot konnten die von der Sowjetunion über-
Stockholm, wurde die Ausstellung der Werke von
gebenen Gemälde ebenfalls für Ausstellungszwecke
Otto Nagel ebenfalls gezeigt.
restauratorisch vorbereitet werden. Im Plastikdepot
A n Neuerwerbungen hatte die National-Galerie
konnte die Ordnung der Bildnisabteilung zum Ab-
im Jahre i960 zu verzeichnen: 3 Gemälde, 10 Bild-
schluß gebracht werden für die Marmor- und Bronze-
106
A b b . 2. Giacomo Manzu — Ausstellung in der National-Galerie i960
porträts. Die Bestände der Schadow-und-RauchSammlung konnten weiterhin durch Restaurierungen der während des Krieges beschädigten Stücke ergänzt werden sowie durch Abgüsse nach Werken dieser Künstler aus dem Besitz anderer Institute, die ihre Werke in der Plastik-Werkstatt der National-Galetie restaurieren ließen. Mit der Durchordnung der Bestände des Schinkel-Museums, das 1959 von der Sowjetunion übergeben wurde, konnte begonnen werden. Durch Schaffung einer Wissenschaftlerstelle für den Führungsdienst konnte dem dringlichsten Wunsche der Besuchergruppen nach Führungen durch die Ausstellungen der National-Galerie einigermaßen begegnet werden. Neben diesen Führungen finden in der National-Galerie jeden Sonntagvormittag Führungen durch das Haus statt, die wechselnd von den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Galerie veranstaltet werden. A n Publikationen wurden die Kataloge f ü r die Ausstellungen G . Manzu, G. Mucchi und W. Grzimek erarbeitet, außerdem ein kleinformatiger Bild-
band mit 96 Abbildungen, der demnächst erscheinen soll. Für die Ausstellung „Neuerwerbungen seit 1945", die anläßlich des hundertjährigen Bestehens der Sammlung der National-Galerie im März 1961 stattfinden sollte, war ein entsprechender Katalog vorzubereiten. Im Rahmen der Museumsvorträge des Winterhalbjahres 1960/61 hielten die wissenschaftlichen Mitarbeiter der National-Galerie folgende Vorträge: dipl. phil. Brigitte Fissel: Der Bildhauer Fritz Cremer und dipl. phil. Willi Geismeier: Deutsche Romantikerzeichnungen, dip. phil. Alice Hartmann wurde aufgefordert zwei Vorträge in Erfurt am dortigen pädagogischen Institut zu halten, und zwar einmal über die National-Galerie und zum anderen über den Künstler Karl Blechen. Spezialführungen durch die Ausstellungen des Hauses sowie weitere Vorträge von Mitarbeitern an verschiedenen Institutionen trugen dazu bei, das Interesse der Zuhörer für die National-Galerie und ihre Aufgaben zu wccken. V. ~Ruthenberg
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin
MUSEUM FÜR
In der ständigen Ausstellung „Textilkunst in der überlieferten Volkskultur" wurden die aufgebauten Handwebstühle betriebsfertig eingerichtet, um den Besuchern auch von der technischen Seite her einen Einblick in die hervorragenden Leistungen der volkstümlichen Webkultur zu vermitteln. Auf einem vierschäftigen Bauernwebstuhl werden Handtücher mit „Gansaugenmuster" gewebt; auf dem großen und komplizierten Zampelwebstuhl entsteht ein Bildgewebe, und zwar schleswig-holsteinische Beiderwand; der altertümliche eichene Bauernwebstuhl aus Mecklenburg ist für ein Doppelgewebe eingerichtet und auf dem Hochwebstuhl der Ostseefischer wird das Teppichknüpfen gezeigt. Für das Vorführen der Handwebstühle und der übrigen Textilgeräte wurde eine Aufsichtskraft ausgebildet. Im Zusammenhang mit den nach Techniken geordneten volkstümlichen Nadelarbeiten konnte von einer Schülerin des Hauses der Erzgebirgischen Volkskunst in Schneeberg während ihrer Prakti108
VOLKSKUNDE
kantenzeit im Juli i960 täglich eine Stunde das Spitzenklöppeln vorgeführt werden. Sammeltätigkeit: Die zunehmende Sozialisierung des Dorfes war der Anlaß, im Berichtsjahr i960 das Hauptgewicht auf das Sammeln alter bäuerlicher und handwerklicher Arbeitsgeräte zu legen, die für die Erforschung der Produktionsverhältnisse und deren Entwicklung eine erhebliche Bedeutung haben. Mehrere freiwillige Helfer sind seit Jahren in verschiedenen Gebieten der Deutschen Demokratischen Republik für uns tätig. Doch genügte dies nicht mehr, da die volkstümlichen Arbeits- und Wirtschaftsgerätc infolge der neuen Produktionsmethoden einer beschleunigten Vernichtung ausgesetzt sind. Es wurde deshalb ein Artikel mit einer umfangreichen Liste gesuchter Gegenstände in der Wochenzeitung „ D e r Freie Bauer" (Nr. 28 v. 10. 7. i960, S. 12) veröffentlicht. Dieser Aufruf hatte einen sehr erfreulichen Erfolg, vor allem in abgelegenen sogenannten
porträts. Die Bestände der Schadow-und-RauchSammlung konnten weiterhin durch Restaurierungen der während des Krieges beschädigten Stücke ergänzt werden sowie durch Abgüsse nach Werken dieser Künstler aus dem Besitz anderer Institute, die ihre Werke in der Plastik-Werkstatt der National-Galetie restaurieren ließen. Mit der Durchordnung der Bestände des Schinkel-Museums, das 1959 von der Sowjetunion übergeben wurde, konnte begonnen werden. Durch Schaffung einer Wissenschaftlerstelle für den Führungsdienst konnte dem dringlichsten Wunsche der Besuchergruppen nach Führungen durch die Ausstellungen der National-Galerie einigermaßen begegnet werden. Neben diesen Führungen finden in der National-Galerie jeden Sonntagvormittag Führungen durch das Haus statt, die wechselnd von den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Galerie veranstaltet werden. A n Publikationen wurden die Kataloge f ü r die Ausstellungen G . Manzu, G. Mucchi und W. Grzimek erarbeitet, außerdem ein kleinformatiger Bild-
band mit 96 Abbildungen, der demnächst erscheinen soll. Für die Ausstellung „Neuerwerbungen seit 1945", die anläßlich des hundertjährigen Bestehens der Sammlung der National-Galerie im März 1961 stattfinden sollte, war ein entsprechender Katalog vorzubereiten. Im Rahmen der Museumsvorträge des Winterhalbjahres 1960/61 hielten die wissenschaftlichen Mitarbeiter der National-Galerie folgende Vorträge: dipl. phil. Brigitte Fissel: Der Bildhauer Fritz Cremer und dipl. phil. Willi Geismeier: Deutsche Romantikerzeichnungen, dip. phil. Alice Hartmann wurde aufgefordert zwei Vorträge in Erfurt am dortigen pädagogischen Institut zu halten, und zwar einmal über die National-Galerie und zum anderen über den Künstler Karl Blechen. Spezialführungen durch die Ausstellungen des Hauses sowie weitere Vorträge von Mitarbeitern an verschiedenen Institutionen trugen dazu bei, das Interesse der Zuhörer für die National-Galerie und ihre Aufgaben zu wccken. V. ~Ruthenberg
Photonachweis: Staatliche Museen zu Berlin
MUSEUM FÜR
In der ständigen Ausstellung „Textilkunst in der überlieferten Volkskultur" wurden die aufgebauten Handwebstühle betriebsfertig eingerichtet, um den Besuchern auch von der technischen Seite her einen Einblick in die hervorragenden Leistungen der volkstümlichen Webkultur zu vermitteln. Auf einem vierschäftigen Bauernwebstuhl werden Handtücher mit „Gansaugenmuster" gewebt; auf dem großen und komplizierten Zampelwebstuhl entsteht ein Bildgewebe, und zwar schleswig-holsteinische Beiderwand; der altertümliche eichene Bauernwebstuhl aus Mecklenburg ist für ein Doppelgewebe eingerichtet und auf dem Hochwebstuhl der Ostseefischer wird das Teppichknüpfen gezeigt. Für das Vorführen der Handwebstühle und der übrigen Textilgeräte wurde eine Aufsichtskraft ausgebildet. Im Zusammenhang mit den nach Techniken geordneten volkstümlichen Nadelarbeiten konnte von einer Schülerin des Hauses der Erzgebirgischen Volkskunst in Schneeberg während ihrer Prakti108
VOLKSKUNDE
kantenzeit im Juli i960 täglich eine Stunde das Spitzenklöppeln vorgeführt werden. Sammeltätigkeit: Die zunehmende Sozialisierung des Dorfes war der Anlaß, im Berichtsjahr i960 das Hauptgewicht auf das Sammeln alter bäuerlicher und handwerklicher Arbeitsgeräte zu legen, die für die Erforschung der Produktionsverhältnisse und deren Entwicklung eine erhebliche Bedeutung haben. Mehrere freiwillige Helfer sind seit Jahren in verschiedenen Gebieten der Deutschen Demokratischen Republik für uns tätig. Doch genügte dies nicht mehr, da die volkstümlichen Arbeits- und Wirtschaftsgerätc infolge der neuen Produktionsmethoden einer beschleunigten Vernichtung ausgesetzt sind. Es wurde deshalb ein Artikel mit einer umfangreichen Liste gesuchter Gegenstände in der Wochenzeitung „ D e r Freie Bauer" (Nr. 28 v. 10. 7. i960, S. 12) veröffentlicht. Dieser Aufruf hatte einen sehr erfreulichen Erfolg, vor allem in abgelegenen sogenannten
Kleiderschrank, T h ü r i n g e n , 1791
Reliktgebieten, wo sich urtümliche Geräteformen
die seit einigen Jahren bestehende Zusammenarbeit
und Arbeitsmethoden bis in den letzten Weltkrieg
mit der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
hinein erhalten haben. Weiter stellte sich heraus,
Berlin, Institut für Faserstoff-Forschung in Teltow,
daß die Meldungen nicht von Einheimischen kamen,
verstärkt. A u f Grund von Besprechungen mit Prof.
denen das überlieferte Gut etwas Selbstverständliches
Dr. Sommer und Dr. Schiffner, deren
ist, sondern von Zugezogenen, denen die überholten
mit den Möglichkeiten und Forderungen des Muse-
Arbeitsgeräte merkwürdig erschienen.
ums in Einklang gebracht werden mußten, wurden
Hervorzuheben ist die große Hilfsbereitschaft der
Ratschläge
die Maßnahmen je nach Bedarf sowohl f ü r die
Produktionsgenossenschaften
Schausammlung als auch für die Aufbewahrung im
und das Interesse, das unsere Sammeltätigkeit bei
Magazin festgelegt. Zunächst handelte es sich um
ihnen gefunden hat. N o c h vor Einbruch des Winters
folgendes:
Landwirtschaftlichen
konnten
die ausgesuchten Geräte geborgen
und
mehrere Lastkraftwagen voll nach Berlin überführt werden. Auch bei diesen Transporten wurden wir von den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften großzügig unterstützt.
1. Verhütungsmaßnahmen gegen Licht- und Staubschäden, 2. Vorbeugende Maßnahmen gegen Beschädigungen in der Schausammlung, 3. Richtige Aufbewahrung und Pflege im Magazin. Um die Textilien möglichst vor Lichtschäden zu
Neuerwerbungen i960:
bewahren, wurden in der Schausammlung „Textil-
10 Möbel, darunter ein Thüringer Schrank (1791),
kunst in der überlieferten Volkskultur" keine Leucht-
ein geschnitztes niederrheinisches Himmelbett (1793),
stoffröhren mit
ein bemaltes oberbayrisches Bett (1828), eine süd-
sondern einfache Glühlampen. Die Fenster bekamen
fluoreszierendem
Licht angebracht,
deutsche Wiege (18. Jh.), einOberlausitzer Schlangen-
schwarze Vorhänge, die nur zu den Öffnungszeiten
stuhl (1804).
des Museums aufgezogen werden, um den TagesSonntagstracht
lichteinfall zu reduzieren. Im Magazin wurden die
für junge Mädchen, mecklenburgische Binderinnen-
Glastüren der Textilschränke ebenfalls mit schwarzem
tracht, Berchtesgadener Männertracht,
Stoff ausgeschlagen.
Sorbische Brauttracht, sorbische
Mädchentracht;
außerdem
ungarische
49 Trachtenteile,
dar-
unter 31 sorbische.
Um die Staubschäden zu verringern, wurden möglichst alle Textilien in Vitrinen ausgestellt. Wenn dies
„Ja-
nicht möglich war, wurden sie so hoch gehängt, daß
Tücher" für den Bräutigam (1715 und 1788), 6 Thü-
der Fußbodenstaub sie nicht erreichen kann. Im
53 Volkstextilien,
darunter
2
Thüringer
ringer Paradehandtücher (meist 18. Jh.), ein Thürin-
Magazin wurden die Trachten einzeln auf Bügel ge-
ger Paradebettuch (1857), 4 Damaste, 14 Klöppel-
zogen und in Beutel aus Plastikfolie gesteckt. Diese
arbeiten.
Beutel sind zugleich Schutz gegen Schädlinge (Mot-
80 Arbeitsgeräte, 26 landwirtschaftliche Gerätemodelle, 56 Hausratgegenstände, 33 volkstümliche Keramiken,
30 Spielzeuge,
10
ten) und verhüten das Aneinanderreihen der z. T. hochempfindlichen Stoffe.
Brauchtumsgegen-
Als vorbeugende Maßnahme in der Schausammlung
stände, 19 Gegenstände ungarischer und slowakischer
ist das Hinterlegen der schweren und großen Gewebe
Hirtenkunst.
und vor allem der Knüpfteppiche mit einem Stützgewebe aus Polyamidfaser hervorzuheben. Dieses
Textilpflege:
Stützgewebe, das unseren Anforderungen entspricht,
Bei der Ubergabe der Kunstschätze durch die
wurde nach eingehender Beratung mit den genannten
Sowjetunion gelangten auch einige hundert wertvolle
Fachwissenschaftlern in Teltow und einigen Textil-
Volkstextilien wieder in den Besitz des Museums.
chemikern des Kunstfaserwerks „Wilhelm P i e c k " in
Alle Stücke waren sehr gut gepflegt und konserviert.
Schwarza-Rudolstadt ausgesucht. Die Kleintextilien
Dies war
wurden in der Schausammlung so montiert, daß sie
der Anlaß, die Probleme der
Konservierung
und -Restaurierung zu
Textil-
erarbeiten
und entsprechende Maßnahmen vorzubereiten und
ebenfalls möglichst wenig durch ihr Eigengewicht belastet werden.
durchzuführen. D a eine Textilrestaurierungswerk-
Im Magazin wurden die obligatorischen Lüftungs-
statt bei den Staatlichen Museen zu Berlin nicht
und Schutzmaßnahmen gegen Schädlingsbefall durch-
vorhanden ist und ein Laboratorium fehlt, das Be-
geführt.
schädigungen der Textilfaser feststellen kann, wurde
gewaschen und gerollt. Die Seidentextilien wurden
110
Die
Leinentextilien
wurden
vorsichtig
so gelagert, daß keine Bruchrisse entstehen können.
brach wurde fertig vorbereitet. Wegen der Maul- und
Für
Klauenseuche
die Konservierungs-
und
Pflegemaßnahmen
mußte
ist eine Aufsichtskraft ausgebildet worden.
werden.
Sonderausstellungen:
Veröffentlichungen:
„Neuerwerbungen" (Okt. bis N o v . i960) „Altes weihnachtliches Brauchtum" (Nov.
i960
sie
auf
später
verschoben
Ulrich Steinmann, Z u r Ausstellung des Museums für Volkskunde „Textilkunst in der überlieferten
bis Jan. 1961).
Volkskultur", in: Deutsches Jahrbuch für Volks-
Eine Patenschaftsausstellung „Erntezeit. Alte Ge-
kunde 6, Berlin i960, S. 438-442.
räte der Bauern, Winzer und Hirten" für die PatenL P G der Staatlichen Museen in Manschnow/OderPhotonachweis: Staatliche Museen zu Berlin.
Ulrich
Steinmann, Die Bundschuh-Fahnen
des
Joß Fritz, ebd. S. 243-284, 7 Abb. U. Steinmann
III
WISSENSCHAFTLICHE ANGESTELLTE BEI D E N S T A A T L I C H E N M U S E E N ZU B E R L I N (Stand vom Dezember 1961)
DER GENERALDIREKTOR:
Prof. Dr. Gerhard Rudolf Meyer ÄGYPTISCHES MUSEUM:
Komm. Direktor : Dr. Wolfgang Müller Wiss. Mitarbeiter: dipi. phil. Steffen Wenig dipi. phil. Marianne Brosemann PAPYRUS-SAMMLUNG :
Leiter : Dr. Wolfgang Müller VORDERASIATISCHES MUSEUM:
Direktor: Prof. Dr. Gerhard Rudolf Meyer Kustos : Dr. Liane Jakob-Rost Wiss. Mitarbeiter: Dr. Horst Klengel dipi. phil. Evelyn Klengel-Brandt ANTIKEN-SAMMLUNG :
Komm. Direktor und Kustos : Dr. Elisabeth Rohde Wiss. Mitarbeiter: dipi. phil. Huberta v. Littrow dipi. phil. Ursula Blaschke ISLAMISCHES MUSEUM:
Kustos : Dr. Wolfgang Dudzus Wiss. Mitarbeiter: dipi. phil. Volkmar Enderlein OSTASIATISCHE SAMMLUNG :
Leiter: Bruno Voigt Wiss. Mitarbeiter: dipi. phil. Renée Violet MÜNZKABINETT:
Direktor: Prof. Dr. Arthur Suhle Wiss. Mitarbeiter : dipi. phil. Eberhard Erxleben dipi. phil. Lore Börner dipi. phil. Sonnhild Lichtenberg dipi. phil. Hans-Dietrich Schultz KUNSTGEWERBEMUSEUM :
z. Z. unbesetzt
FRÜHCHRISTLICH-BYZANTINISCHE SAMMLUNG :
Komm. Leiter: Dr. Edith Fründt Wiss. Mitarbeiter: Dr. Günther Bröker SKULPTUREN-SAMMLUNG :
Kustos : Dr. Edith Fründt Wiss. Mitarbeiter: Dr. Hannelore Sachs dipl. phil. Ria Wurche dipl. phil. Eva Mühlbächer GEMÄLDEGALERIE :
Kustos : Dr. Renate Vorpahl-Weinhold Wiss. Mitarbeiter: dipl. phil. Irene Geismeier KUPFERSTICHKABINETT :
Direktor : Dr. Werner Timm Wiss. Mitarbeiter: dipl. phil. Renate Wenger NATIONAL-GALERIE :
1. Kustos : Dr. Vera-Maria Ruthenberg 2. Kustos : Dr. Liselotte Zinserling Wiss. Mitarbeiter : dipl. phil. Karl-Heinz Janda dipl. phil. Willi Geismeier dipl. phil. Lothar Brauner dipl. phil. Gottfried Riemann dipl. phil. Ursula Reyher MUSEUM FÜR V O L K S K U N D E :
Direktor: Dr. Ulrich Steinmann Wiss. Mitarbeiter: Helene Ebner von Eschenbach ZENTRALBIBLIOTHEK :
Direktor: Kurt Schifner Dipl.-Bibliothekarin: Ilse Schneider
113