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German Pages 176 [185] Year 1961
S T A A T L I C H E M U S E E N ZU B E R L I N FORSCHUNGEN
UND
BERICHTE,
BAND
S T A A T L I C H E M U S E E N ZU B E R L I N
FORSCHUNGEN UND BERICHTE B A N D 3/4
AKADEMIE-VERLAG•BERLIN 1961
H E R A U S G E G E B E N V O N D E N S T A A T L I C H E N M U S E E N ZU B E R L I N
SCHRIFTLEITUNG :
CARL
BLÜMEL
ELISABETH VERA-MARIA
ROHDE
RUTHENBERG
Alle Rechte vorbehalten Copyright i960 by Akademie-Verlag GmbH, Berlin Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8, Leipziger Straße 3/4 Lizenz-Nr.: 202 • 100/86/60 Klischeeanfertigung: Graphischer Großbetrieb Sachsendruck Plauen Gesamtherstellung: C . G . R ö d e r , Leipzig III/i8/2-42117 Bestellnummer: 2081/3/4 Printed in Germany ES 12 C
INHALTSVERZEICHNIS
Z u m Geleit
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Festrede anläßlich der Wiedereröffnung der Staatlichen Museen am 4. Oktober 1959 FORSCHUNGEN :
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B l ü m e l , C a r l : Teure Fälschungen
13
D u d z u s , W o l f g a n g : Frühe umayyadische Glasstempel aus Ägypten mit Beamtennamen in den Berliner Museen
18
F r ü n d t , E d i t h : Eine Gruppe memphitischer Grabreliefs des Neuen Reiches
25
J a k o b - R o s t , L i a n e : Z u einer Tonplastik aus Uruk
32
J a n d a , K a r l H e i n z : Illustrationen von Lyonel Feininger
38
J a n d a , K a r l H e i n z : Verzeichnis der Schriften von Carl Blümel
44
K l a r , M a r t i n : Ein Trinkspiel Augusts des Starken
52
R i s t o w , G ü n t e r : D a s F r o s c h - u n d Krötenmotiv auf koptischen Tonlampen in der Frühchristlich-byzantinischen Sammlung
60
R i s t o w , G ü n t e r : Drei koptische Seidenstickereien mit dem Bild Christi am Kreuz
70
T i m m , W e r n e r : Der gestrandete Wal, eine motivkundliche Studie. . Timm,
Werner:
Eine
neuerworbene
Zeichnung
von
Antoine
Watteau BERICHTE:
Baumgärtner,
76 94
Sabine:
Neuerwerbungen
des
Kunstgewerbe-
museums
99
L a m p e , D o r a v o n : Beobachtungen und Erfahrungen bei den Restaurierungsarbeiten am Dresdner Dürer-Altar
109
Ägyptisches Museum
119
Vorderasiatisches Museum
124
Antiken-Sammlung
135
Islamisches Museum
142
Ostasiatische Sammlung
143
Münzkabinett
144
Kunstgewerbemuseum
150
Frühchristlich-byzantinische Sammlung
152
Skulpturen-Sammlung
157
Gemäldegalerie
163
Kupferstichkabinett
164
National-Galerie
165
Museum für Volkskunde
171
ZUM
GELEIT
Das Jahr 1958 nimmt in der Geschichte der Staatlichen Museen zu Berlin für alle Zukunft einen besonderen Rang ein, als das Jahr einer großen Tat, die unserem Institut wieder Weltgeltung verlieh. Die Übergabe von 1,5 Millionen Kunstwerken, die von der Sowjetarmee aus dem zusammenbrechenden Hitlerstaat sichergestellt wurden, durch die Regierung der UdSSR an die Regierung der D D R ist ein in der Geschichte unseres Volkes einmaliges Ereignis. Kein aufrichtig denkender Mensch wird von diesem Akt der Großherzigkeit unberührt bleiben können, wenn er sich die historischen Tatsachen in diesem Zusammenhang einmal objektiv vor Augen hält. Es ist in den letzten zwei Jahren viel darüber gesprochen und geschrieben worden, muß aber auch an dieser Stelle noch einmal mit allem Nachdruck gesagt werden, daß die Sowjetunion durch den Überfall der faschistischen deutschen Wehrmacht unermeßlichen Schaden an Gut und Blut erlitten hat. Viele ihrer traditionsreichen Kulturstätten wurden ausgeraubt oder niedergebrannt. Es sei hier als Beispiel das Schloß Petrodworez (Peterhof) bei Leningrad genannt. In zähem Fleiß und unter großen Entbehrungen ging die Bevölkerung der Sowjetunion nach dem furchtbaren Krieg daran, die vom deutschen Faschismus zu verbrannter Erde gemachten weiten Gebiete sowjetischen Landes wieder zu besiedeln: und diese Menschen haben die von ihrer Armee im heutigen Gebiete der D D R sichergestellten — ja, geretteten — Kunstschätze wieder in unsere Obhut gegeben. Nicht nur das: In den 13 Jahren ihrer Verwahrung sind die Kunstwerke von sowjetischen Wissenschaftlern und Restauratoren sorgfältigst gepflegt und auch restauriert worden, wovon sich heute ein jeder überzeugen kann. Wie wir von unseren nach Leningrad und Moskau entsandten Kolleginnen und Kollegen wissen, geschah dies oft unter Hintansetzung vieler notwendiger eigener Arbeiten. Wer darum ehrlichen Herzens diese Übergabeaktion betrachtet und über ihre Vorgeschichte nachdenkt, der muß darin ein noch nicht dagewesenes Zeichen von Vertrauen und Freundschaft erkennen, wird sich aber auch fragen müssen, woraus es resultiert: Aus der konsequenten Politik der Regierung der D D R , deren oberstes Gebot Frieden, Verständigung und Völkerfreundschaft — insbesondere feste Freundschaft mit der Sowjetunion — ist. Unser Dank gilt dem sowjetischen Volke und seiner Regierung, die den Entschluß zur Übergabe faßte und verwirklichte, er gilt aber auch unserer Regierung, die die Voraussetzung dafür schuf. Die umfangreichen Arbeiten zur Abwicklung des Transportes, wozu auch die sachgemäße Verpackung der Kunstwerke und ihre listenmäßige Erfassung zählten, bewältigte in freundschaftlicher Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern und Restauratoren der Ermitage zu Leningrad und des 7
Puschkin-Museums zu Moskau seitens der Staatlichen Museen zu Berlin ebenfalls eine Gruppe von Wissenschaftlern und Restauratoren. Allen sei an dieser Stelle für ihre vorzügliche und umsichtige Arbeit gedankt. Der z. November 1958, an dem mit einem feierlichen Staatsakt in der Staatsoper die Ausstellung der zuvor in Leningrad und Moskau gezeigten Kunstwerke in der National-Galerie und im Nordflügel des Pergamon-Museums unter dem Titel „Schätze der Weltkultur, von der Sowjetunion gerettet", eröffnet wurde, wird in die Annalen der Staatlichen Museen zu Berlin als ein Fest der deutsch-sowjetischen Freundschaft eingehen. Am Zustandekommen dieser eindrucksvollen Ausstellung, die in kürzester Frist fertiggestellt wurde, haben Arbeiter, technische Verwaltungsangestellte, Restauratoren und Wissenschaftler der Staatlichen Museen sowie auch Angehörige der Nationalen Volksarmee Anteil. Ihre hierbei geleistete Arbeit ist beispielhaft und verdient großes Lob. Die Staatlichen Museen sind zu einem großen Bauplatz geworden. Die teilzerstörten Gebäude des Alten und des Neuen Museums werden wieder aufgebaut, die verschiedenen Abteilungen im Pergamon-Museum, im Bode-Museum und in der National-Galerie erweiterten ihre Räume oder gestalteten sie neu, um die Fülle der übergebenen Kunstdenkmäler in einem würdigen Rahmen der Öffentlichkeit darzubieten. So wurde in der Antiken-Sammlung der Pergamon-Altar wiederaufgebaut und die ständige Ausstellung der erlesensten griechischen und römischen Plastiken, griechischer Vasen und Kleinkunst fertiggestellt. Im Vorderasiatischen Museum wurde die gesamte nördliche Raumfolge der Assur-Säle neu gestaltet, um die monumentalen assyrischen Relieforthostaten wieder einzubauen, und ein Raum geschaffen, der die Denkmäler hauptsächlich der hochentwickelten urartäischen Metallurgie aufnehmen wird. Das Ägyptische Museum zeigt in seinen bisherigen Räumen im Bode-Museum eine kleinere Ausstellung von übergebenen Kunstschätzen und wird, sobald das Gebäude wieder hergerichtet ist, seine reichen Bestände im Neuen Museum der Öffentlichkeit zugänglich machen. Das Neue Museum wird nach seinem Wiederaufbau außerdem die Sammlung der Papyri aufnehmen. Zu der bedeutendsten Sammlung seiner Art ist durch die Übergabe von rund 3 50000 Münzen das Münzkabinett geworden, das damit einen gewaltigen Zuwachs nicht nur an kostbarem Ausstellungsmaterial, sondern auch an wertvollstem Studienmaterial erhielt. Ähnlich verhält es sich bei der Skulpturen-Sammlung, der Frühchristlich-byzantinischen Sammlung, dem Islamischen Museum, der Gemäldegalerie, dem Kunstgewerbemuseum und der National-Galerie, wie auch beim Museum für deutsche Volkskunde. Als am 4. Oktober 1959 anläßlich der Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik, sämtliche Sammlungen auf der Museumsinsel wieder eröffnet wurden, waren auch die geplanten ständigen Ausstellungen fertiggestellt. Nun können Wissenschaftler und Studenten wieder an manchem bisher entbehrten Original ihre Studien treiben, nun mögen aber auch alle werktätigen Menschen kommen und sich diese ihre Reichtümer mit dem Herzen und Verstände — erlebend und lernend — zu eigen machen. Gerade ein reger Besuch unserer Museen durch die werktätigen Menschen liegt uns besonders am Herzen, kommt doch dadurch der Dank unseres Volkes gegenüber den Völkern der Sowjetunion mit am sichtbarsten zum Ausdruck. Gerhard Rudolf Meyer
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FESTREDE anläßlich der Wiedereröffnung der Staatlichen Museen zu Berlin am 4. Oktober 19 5 9 1
In diesen Tagen wird auf vielen Festveranstaltungen das zehnjährige Bestehen unserer Deutschen Demokratischen Republik feierlich begangen. Millionen Verpflichtungen unserer schaffenden Menschen zu Ehren dieses Geburtstages sind eingelöst worden. Auch die Mitarbeiter der Staatlichen Museen zu Berlin hatten eine solche Verpflichtung übernommen, deren Erfüllung bekanntzugeben ich hier und jetzt die große Freude habe. Vor einem Jahr bewegte uns alle die Nachricht von der Übergabe der 1,5 Millionen Kunstwerke durch die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik — ein in der Geschichte einmaliges Ereignis, wenn man bedenkt, in welch ein verhängnisvolles Verhältnis der Hitlerkrieg und die faschistische Eroberungspolitik das sowjetische und das deutsche Volk zueinander gebracht hatten. Unermeßliche Opfer hat die Sowjetunion und ihre Bevölkerung der verbrecherische Überfall der faschistischen deutschen Wehrmacht und ihr grausames Wüten in diesem Lande gekostet. Millionen blühender Menschenleben wurden ausgelöscht und viele ehrwürdige Kulturstätten beraubt und vernichtet. Bitteres Leid brachte dieses furchtbare Verbrechen den Familien, den Müttern, Frauen und Kindern in der Sowjetunion — und auch in Deutschland. Die Rote Armee besiegte die faschistischen Angreifer, der Hitlerstaat brach zusammen. Noch während der Kampfhandlungen war von sowjetischen Truppen begonnen worden, wertvolle Kunstschätze sicherzustellen und in Obhut zu nehmen. Das Bild der Staatlichen Museen zu Berlin, einst einer weltberühmten Sammlung von Kunstschätzen und Kulturdenkmälern aus fast allen Epochen der Menschheitsgeschichte, entsprach dem Bilde des vernichteten und besiegten Hitlerstaates. Durch anglo-amerikanische Bomben schwer beschädigt, waren die Gebäude mit den noch verbliebenen Kunstwerken weitgehend den Witterungseinflüssen ausgesetzt, die das Werk der Zerstörung allmählich zu vollenden drohten. Die erste Hilfe kam vom Magistrat von Groß-Berlin, der die Mittel zur Verfügung stellte, mit denen die allerschwersten Schäden beseitigt bzw. verhindert werden konnten. Im Jahre 1951 gelangten die Staatlichen Museen unter direkte Betreuung der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik durch das Ministerium für Kultur. Nun konnte ein stetig voranschreitender Wiederaufbau beginnen. Die ersten Ausstellungen wurden zusammengestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, manche Unzulänglichkeit durch geschickte Improvisation ausgeglichen. Ausgehend von den Grundsätzen der Kulturpolitik unseres Staates, ging unser Bestreben bei der Gestaltung von Ausstellungen dahin, diese für die Besucher jeglichen Bildungsgrades verständlich, 1
Gehalten v o m Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Nationalpreisträger D r . G e r h a r d R u d o l f Meyer.
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anschaulich und eindrucksvoll zu machen und zugleich einer wissenschaftlich und historisch richtigen Darstellung gerecht zu werden. Millionen fleißiger Hände erarbeiteten und erarbeiten ständig die für unseren Wiederaufbau benötigten Mittel; u n s ist es eine Herzenssache, die Museen zu einer Bildungsstätte von hohem Niveau werden zu lassen; wir wollen die Zeugen der immer gültigen Werte menschlicher Kultur erhalten, pflegen und sie a l l e n Bevölkerungsschichten nahebringen. Der werktätige Mensch, der Schüler, der Student und der Wissenschaftler mögen — das ist unser Wunsch und unser Bestreben — in gleichem Maße in den Museen heimisch werden. Das Vertrautwerden und der Umgang mit dem Wahren und Schönen, mit Kultur und Kunst, bilden den Menschen, sie wecken sein Verständnis und vermögen seine schöpferischen K r ä f t e anzuregen; zugleich schaffen sie ihm aber auch Entspannung, Muße und Sammlung - - drei Dinge, deren der schaffende Mensch besonders bedarf. In diesem Bestreben liegt unser Anteil am A u f b a u der Deutschen Demokratischen Republik, unserem Arbeiter-und-Bauern-Staat, der bei seiner Gründung v o r 10 Jahren ein bitteres und unseliges E r b e zu übernehmen hatte. Der konsequenten Friedenspolitik unserer Regierung, die Verständigung und Freundschaft mit allen Völkern, insbesondere mit der Sowjetunion, zum obersten Grundsatz ihres Handelns erklärt hat, ist es zu danken, daß wir diese Feierstunde v o r dem Altar v o n Pergamon heute begehen können. Die Politik der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hat uns das Vertrauen und die Freundschaft der Völker der Sowjetunion und aller Völker des sozialistischen Lagers erworben, mit denen wir uns eins wissen in dem aufrichtigen und leidenschaftlichen Bemühen um die Erhaltung des Friedens in der Welt. In sozialistischen Staaten gibt es keinen Stand und keine Bevölkerungsgruppe, die aus Kriegsvorbereitung und K r i e g Nutzen zu ziehen vermöchten; es gibt dort nur Menschen, die sich in friedlicher Arbeit einen dauerhaften Wohlstand schaffen, sich der Kunst und Wissenschaft widmen wollen. — Diese Entwicklung auch in der Deutschen Demokratischen Republik und das Gedeihen der Freundschaft zwischen den Völkern der Sowjetunion und der Bevölkerung unseres Staates haben zu dem Entschluß des Ministerrates der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken geführt, die in der Sowjetunion sichergestellten Kunstschätze der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zu übergeben, nachdem bereits im Jahre 1955 750 Dresdner Gemälde wieder in die Obhut ihrer Heimatgalerie gelangt waren. E s ist gewiß nicht von ungefähr geschehen, daß die Regierung der Sowjetunion für die Übergabe der Kunstdenkmäler einen Zeitpunkt gewählt hatte, zu dem die allgemeine weltpolitische Lage außerordentlich gespannt erschien — das Gespenst der nuklearen Massenvernichtung war riesengroß geworden, geschürt durch jene gewissenlosen Elemente, die da noch immer glauben, gen Osten ziehen zu müssen. Ihnen konnte natürlich der Beschluß zur Übergabe der Kunstwerke nicht gefallen. Man hörte oft in diesem Zusammenhang das Wort: das ist ja nur ein politischer Schachzug der Sowjets! Wir sagen darauf mit aller Bestimmtheit: ein Schach den Unverbesserlichen und Uneinsichtigen — uns aber ein Beweis der Aufrichtigkeit und des Ernstes der sowjetischen Bemühungen um die Erhaltung des Friedens. Denn die Truppen der Roten Armee haben jene Schätze der Weltkultur sichergestellt, und die sowjetischen Restauratoren und Wissenschaftler haben sie 13 Jahre lang auf das Sorgfältigste betreut, damit sie der Menschheit für immer erhalten bleiben. Das Hauptwerk aus der großherzigen Übergabeaktion von 1958 ist der Fries des Altars von Pergamon, dessen Wiederaufbau wir, wie alle friedliebenden Menschen und alle ehrlichen Freunde der Wissenschaft und der Kunst, mit herzlicher Freude begrüßen. Der Altar v o n Pergamon, das prachtvollste Denkmal griechischer Barockbildnerei, eines der sieben Weltwunder der Alten, wurde unter Eumenes II. (etwa 180—160 v. u. Z . ) erbaut und den Gottheiten Zeus und Athena geweiht zum Dank f ü r deren Hilfe beim Sieg über die das Pergamenische Reich bedrohenden Galater. Das Thema des Frieses beruht auf der Sage, daß die Erdgöctin G e gewaltige 10
Giganten erschuf, die sich gegen die olympischen Götter auflehnten. Einem Orakelspruch zufolge können die Götter nur dann den Sieg erringen, wenn ein Sterblicher ihnen beisteht; dafür wird Herakles gewonnen. Viele Götter mit ihren heiligen Tieren nehmen an diesem K a m p f e teil. Die Reliefs wirken insofern besonders lebendig, als die Giganten sowohl als Menschen (jung, alt, nackt oder auch in Rüstung), wie auch als furchterregende Unholde, größtenteils als Mischwesen mit Schlangenleibern, auftreten. Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hat der deutsche Ingenieur Carl Humann in der byzantinischen Festungsmauer von Pergamon, dem heutigen Bergama in Kleinasien, einige große Friesplatten entdeckt und wurde 1878 mit der Ausgrabung dieser Schätze für die Berliner Museen betraut, die bis zum Jahre 1886 währte. V o n 1902—1908 war der Fries im alten Pergamon-Museum erstmalig vollständig aufgestellt. Z u r Hundertjahrfeier der Berliner Museen, im Oktober 1930, wurde das nach Messel's Plänen von Hoffmann neugebaute Pergamon-Museum eröffnet. In diesem Neubau nimmt der Altar den großen Mittelsaal ein. Das Bauwerk hat quadratischen Grundriß. Im Museum ist nur etwas mehr als ein Drittel in Originalgröße aufgebaut worden. 1939 mußte das Museum nach A u s bruch des zweiten Weltkrieges geschlossen werden. 1941 wurden die Friesplatten abgenommen und bombensicher untergebracht, das Gebäude erlitt schweren Schaden durch Luftangriffe. Im Jahre 1945 wurde der Pergamon-Fries von sowjetischen Fachoffizieren nach Leningrad gebracht und dort in der Ermitage so lange betreut, bis bei uns die gesicherte Möglichkeit der Wiederaufstellung gegeben war. War der Altar einst zum Dank f ü r den Sieg des hellenischen Pergamon errichtet worden, so wird sein Wiederaufbau immer verbunden sein mit unserem Dank an die Sowjetunion und mit der Gewißheit des endgültigen Sieges der Friedensidee in der ganzen Welt. Neben dem Pergamon-Fries sind tausende antiker Plastiken, hunderte griechischer Vasen und eine umfangreiche Sammlung von Kleinkunst der Anteil der Antiken-Sammlung. Ganze Reihen herrlicher assyrischer Reliefs, Steinplastik, Bronzen und kostbare Kleinfunde kann das Vorderasiatische Museum wieder zeigen, das Ägyptische Museum eine große Anzahl von Kunstwerken aus allen Epochen der Geschichte des alten Nillandes. Die National-Galerie, die Gemäldegalerie, die Skulpturen-Sammlung, die Frühchristlich-byzantinische Sammlung, das Islamische Museum, das Kupferstich- und das Münzkabinett, das Kunstgewerbemuseum und das Museum für Volkskunde — sie alle haben eine wesentliche Bereicherung ihrer Ausstellungen durch zahlreiche und sehr wertvolle Kunstschätze erfahren. Wir dürfen heute dankbar und stolz feststellen: die Staatlichen Museen zu Berlin haben ihren internationalen Rang wiedergewonnen, sie gehören zu den größten und bedeutendsten Museen der Welt. K n a p p v o r Jahresfrist übernahmen wir die Verpflichtung, alle aus der Übergabeaktion stammenden Kunstwerke in ihre Abteilungen einzugliedern und zum 10. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik neue Ausstellungen zu schaffen, in denen die bedeutendsten Stücke ihren Platz finden sollten. Diese Verpflichtung habe ich die große Freude, hier v o r der Öffentlichkeit als erfüllt zu erklären. Ich danke an dieser Stelle allen wissenschaftlichen Mitarbeitern und Restauratoren der Staatlichen Museen zu Berlin für ihre großen Anstrengungen und ihre hingebungsvolle Arbeit. Für den in so kurzer Frist durchgeführten Wiederaufbau des Pergamon-Altars — der wohl wieder den Hauptanziehungspunkt unserer Museen darstellen wird — sage ich besonderen Dank Herrn Professor Dr. Carl Blümel und Fräulein Dr. Elisabeth Rohde. Dank gilt dem Bauleiter unserer Museen, Herrn Friedemann Seiler, der die große Verantwortung für die pünktliche Erfüllung aller Bauarbeiten — besonders am PergamonAltar und im Vorderasiatischen Museum — trug. Dank allen Arbeitern und Handwerkern, Dank all den ungenannten fleißigen Händen, die zum Gelingen des Werkes beitrugen. Wir danken der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, die unsere kulturelle Aufbauarbeit durch das Ministerium für Kultur großzügig und verständnisvoll unterstützt. Mit dem heutigen Tage öffnen die Ausstellungen der Staatlichen Museen zu Berlin wieder ihre Pforten. Mögen v o r allem unsere schaffenden Menschen einen regen Gebrauch machen von den vielseitigen 11
Bildungsmöglichkeiten, die ihnen hier geboten werden, denn sie haben — jeder an seinem Platze — dazu beigetragen, diese Kulturstätte wieder aufzubauen — mögen sie auch die Früchte genießen, die sie ihnen in großer Fülle zu bieten vermag. Unsere Einladung gilt nicht zuletzt allen Fachwissenschaftlern, Studenten, Schülern und Kunstfreunden in aller Welt, unsere Tore sind jeder friedlichen Forschungs- und Lehrtätigkeit, aller völkerverbindenden Wissenschaft und Kunst weit aufgetan. In diesem Sinne erkläre ich die Staatlichen Museen zu Berlin zu Ehren des 10. Jahrestages der Deutschen Demokratischen Republik für eröffnet.
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TEURE
FÄLSCHUNGEN Carl Rlümel
Unter den von der Sowjetunion im Herbst 1958 übergebenen Kunstwerken der Berliner AntikenSammlung befanden sich auch gefälschte Marmorarbeiten, die seinerzeit von dem Direktor der Antikenabteilung Carl Weickert erworben worden waren: Ein Tiberiuskopf (Inv. 1872. Abb. 1 u. 2) wurde 1938 zur Feier des 25jährigen Bestehens der Vereinigung der Freunde antiker Kunst angekauft und in dem Bericht der Vereinigung vom Mai 1940, S. 16 von Weickert veröffentlicht. Vorher war der Kopf im Besitz von Frau von Karg-Bebenburg, München, die ihn um 1911 von Hartwig in Rom gekauft hatte. Die Kaufsumme wurde 1938 von einigen Mitgliedern der Vereinigung gestiftet. Der Tiberius wurde bereits von einem italienischen Archäologen auf Grund der von Weickert veröffentlichten Abbildungen im Jahre 1955 für eine Fälschung erklärt. 1 (Luigi Polacco, II volto di Tiberio p. 187) Polacco zeigte, daß der Tiberiuskopf spätaugusteischen Bildnissen verwandt ist, in der Modellierung der Haare aber in spättiberianische oder sogar in die Zeit des Caligula gehört. Auf denselben Zwiespalt stößt man bei der Haaranordnung über der Stirn des Kopfes. Dargestellt ist ein verhältnismäßig junger Tiberius von ungefähr dreißig bis vierzig Jahren. Er zeigt aber die Frisur des spätesten Altersporträts des Kaisers. Auch das Vorbild für die Fälschung glaubte Polacco nachweisen zu können. E r nahm dafür den sogenannten Tiberius von der Via Giolitti (Felletti Maj Nr. 96) in Anspruch, der in Wirklichkeit das Bildnis eines Privatmannes ist. Man findet dort genau dieselben Beschädigungen an Ohren, Augen, Nase und Büste. Natürlich kann diese Ubereinstimmung auch zufällig sein. Der Fälscher des Tiberius war ein so geschickter Bildhauer, daß er sehr wohl in Anlehnung an verschiedene Porträts des Kaisers den Kopf herstellen konnte. D ie Fälschung ist niemals unter der Erde gewesen, weil nach einer gründlichen Reinigung auch nicht die geringsten Sinterspuren im Haar haften blieben. Der Reliefkopf einer Gorgo (Inv. 1879. Abb. 3) wurde von Weickert 1942, ebenfalls aus Mitteln der Vereinigung der Freunde antiker Kunst, in Paris erworben und in der Festschrift für David M. Robinson 1 5 1 9 Taf. 36 veröffentlicht. Einen antiken kreisrunden Marmordeckel für ein Gefäß hat der Fälscher benutzt, um daraus sein Gorgonengesicht zu machen. Die Unterseite des Stückes, die unberührt blieb, zeigt die braune originale Patina, während das Gesicht nach einer Reinigung mit warmem Wasser und einer kräftigen Bürste jetzt in hellem Weiß strahlt. Die künstliche Patina ließ sich leicht abwaschen. Die Beschädigungen im Gesicht, auf Nase und Wangen zeigen deutliche Spuren des Spitzmeißels. Sie sind demnach künstlich hergestellt worden. Es fehlt die heraushängende Zunge, die zu einem Gorgoneion des 6. Jahrhunderts vor Chr., von wenigen Ausnahmen abgesehen, gehört. Unverstanden sind die nach unten gerichteten Hauer im Mund. Sie wachsen nicht aus dem Ober1
W. H. G r o s s , G n o m o n 3 1 , 1959, 526, hält den T i b e r i u s k o p f nicht für eine Fälschung.
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Abb. 3. Gefälschter Reliefkopf einer G o r g o
kiefer heraus, sondern aus den Schneidezähnen. Die Formen des Gesichts sind ohne jeden Zusammenhang. Die Andeutung des Haares läßt jede bestimmte Zeichnung vermissen. Diese Gorgo ist eine besonders ungeschickte Fälschung, die ganz offenbar in Anlehnung an den Kopf aus dem Korfu-Giebel entstanden ist. Einen gefälschten lebensgroßen männlichen Torso kaufte Weickert im Juli 1941 für Hitler von den Herren Lundberg und Tannenbaum für eine Million Lire und eine Million Schwedenkronen (Abb. 4 u. 5). Wenn man sich diesen Torso zu einer ganzen Figur ergänzt denkt, so könnte sie weder stehen, laufen, noch sitzen. Auch bleibt die Haltung des Kopfes nach dem erhaltenen Halsansatz ganz ungeklärt. Das beweist, daß das Stück als Torso geschaffen wurde. Das tat man aber nicht in der Antike. Die Formen des Körpers lassen sich in keine bestimmte Epoche der griechischen Kunst einordnen. Sie zeigen klassische Partien neben ausgesprochen späthellenistischen oder gar barocken. Vor allem ist die Angabe der Genitalien mit dem Schamhaar von einer Brutalität der Ausführung, wie sie selbst im späteren Hellenismus etwa am Pergamon-Altar nirgends vorkommt. Die korrodierten Stellen der Oberfläche verteilen sich ganz unmotiviert auf Vorder- und Rückseite. Es ist nicht zu ersehen, in welcher Lage der Körper der Verwitterung ausgesetzt war. Entweder lag er auf dem Bauch, dann sind die Verwitterungsspuren unter der Brust unverständlich, oder er lag auf dem Rücken, 15
dann kann man sich die Verwitterungen an den Glutäen nicht erklären. Auch bleibt unerfindlich, warum der übrige Rücken unbeschädigt blieb. Vor allem sehen natürliche Verwitterungsspuren ganz anders aus. Sie sind niemals so scharf begrenzt, sondern zeigen an ihren Rändern unmerkliche Übergänge zur erhaltenen Marmoroberfläche. Auch kommt das Abblättern der Oberfläche bei natürlicher Verwitterung nicht vor. Gerade dieses stellenweise Abblättern des Steins ist typisch für Fälschungen, die durch ein starkes Erhitzen, verbunden mit einer Säurenbehandlung ein künstlich altes Aussehen erhalten sollen. Nach zuverlässigen Berichten wurde der Torso von Gildo Pedrazoni, Rom, Via del Vantaggio, angelo passegiata di Ripetta gemeißelt und danach von Armando Pacifici gebacken und schließlich von Herrn Tannenbaum behandelt. Durch die Hitzeeinwirkung ist der Marmor so mürbe geworden, daß er als einzige „Antike" der Berliner Museen den Transport aus der Sowjetunion nicht heil überstanden hat. Auch wenn das Stück eine echte griechische Arbeit wäre, kann der gezahlte Preis nur als phantastisch bezeichnet werden. Durch das Fehlen von Armen, Beinen und Kopf wäre selbst ein griechisches Original in seinem Wert so stark gemindert, daß man ohne Übertreibung sagen kann, daß Weickert ungefähr das dreißigfache des üblichen Handelspreises gezahlt hat. Die Kaufsumme bewegt sich an der Höchstgrenze von dem, was überhaupt jemals für eine antike Skulptur gezahlt wurde. Photonachweis: Abb. i, 2, 3 Staatliche Museen zu Berlin. Abb. 4, 5 Photo Felbermeyer.
FRÜHE
UMAYYADISCHE
GLASSTEMPEL
AUS
ÄGYPTEN
mit Beamtennamen in den Berliner Museen Wolf gang
Dud-^us
Gegen Ende des Jahres 1958 kehrten im Verlauf der großen Ubergabe von Kunstwerken aus der Sowjetunion zahlreiche islamische Glasstempel auf die Museumsinsel zurück. Man hielt sie bereits in den Wirren des Krieges f ü r verloren. Die meisten von ihnen hatte im A n f a n g des Jahrhunderts Professor B. Moritz aus K a i r o dem Berliner Münzkabinett geschenkt. V o n den nach dem Kriege in Berlin verbliebenen Exemplaren wurden die umayyadischen Gefäßstempel zusammen mit den größeren Gewichten v o r einiger Zeit veröffentlicht. 1 Ihnen kann jetzt nach Durchsicht der zurückgekommenen Bestände eine Reihe weiterer Glasstempel zunächst der frühen Umayyadenzeit folgen. Die angeführten Stücke tragen die Namen von ägyptischen Gouverneuren und Finanzbeamten der Epoche. Ihre Besprechung geschieht in chronologischer Weise. 1. Qurra ibn Shatïk Gouverneur 90—96 d. H. (709—714 n. Chr.) a) E i n viertel Qist Gefäßstempel mit leichter Beschädigung : [jJ~.Nl
(Es) ordnete an der Ami[r] Sji L...?
Qurra ein viertel Qist
Grün. D m . 3 5 mm. b) Ein viertel Qist Gefäßstempel in zwei Exemplaren (das eine von ihnen beschädigt) : j J i IjJ £0
(Es) ordnete an der Amïr Qurra ein viertel Qist
«—»I [j]
[v]ollwichtig
Grün-braun, 31 mm (abgebildet); grün, 31 mm. J e ein entsprechender Stempel befindet sich nach ,,P. Casanova" 2 in der Sammlung Fouquet und nach „ G e o r g e C. M i l e s " 3 in der Sammlung der Amerikanischen Numismatischen Gesellschaft in New York. 1
„ W o l f g a n g D u d z u s : Umayyadische gläserne G e w i c h t e und Eichstempel aus Ä g y p t e n in den Berliner M u s e e n " erschienen in „ A u s der Welt der Islamischen K u n s t . Festschrift für Ernst K ü h n e l zum 75. Geburtstag am 26. 10. 1 9 5 7 " Berlin (1959).
2
„Catalogue des pièces de verre des époques byzantine et arabe de la collection F o u q u e t " in „ M é m o i r e s publiés par les membres de la Mission Archéologique Française au Caire, V o l . V I " , Paris 1893, S. 3 6 7 , 1 , N o . 96 und I, Pl. II, N o . 96 (Abb.).
a
„ E a r l y Arabie Glass Weights and Stamps (Numismatic Notes and M o n o g r a p h s , N o . m ) " N e w Y o r k 1948, S. 70, Nr. 3 und Tafel X l l (Abb.).
2. Usäma ibn Zaid Finanzdirektor 96- 99 d. H. (714—717 n. Chr.) Gouverneur 102 d. H. (720—721 n. Chr.) a) Ein halbes Qist Gefäßstempel in bester Erhaltung: Ij J
(Es) ordnete an U-
j ¿j i-iL.
säma ben Z a
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