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German Pages 188 Year 1914
FÜHRER DURCH DIE KÖNIGLICHEN MUSEEN ZU BERLIN HERAUSGEGEBEN VON DER GENERALVERWALTUNG
DAS KAISERFRIEDRICH-MUSEUM [OHNE MÜNZKABINETT] FÜNFTE AUFLAGE
PREIS 50 PF.
BERLIN 1914 VERLAG GEORG REIMER
LAGEPLAN der Königlichen
Museen.
Der Eingang zum Vorderasiatischen Museum ist durch die Kleine Museumstrasse; zum Kaiser-Fricdrich-Musemn nur dem Denkmal gegen Hier.
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Haltestelle der Stmsseuüa-hn.
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Folge der Räume Gr. Trepper-kau».
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3. Basilika. 19.
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D'u's.-ht Plastik.
20. Gotik.
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Kais
er-Friedrich-Museum. Obergeschoß.
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Das Kaiser-Friedrich-Museum ist geöffnet: Wochentags außer Montags von 10 Uhr ab Sonntags „ 12 „ „ im April bis September bis 6 Uhr „ Oktober und März „ 5 „ „ November und Februar „ 4 „ „ Dezember und Januar „ 3 „ Dienstags und Mittwochs wird ein Eintrittsgeld von 50 Pf. erhoben, an den übrigen Tagen ist der Besuch unentgeltlich. Montags, sowie am Neujahrstag, am Karfreitag, am Himmelfahrtstag, am Bußtag und an den ersten Feiertagen der drei hohen Feste bleibt das Museum geschlossen. Stöcke und Schirme sind an den Eingängen abzugeben, wofür eine Gebühr nicht verlangt werden darf. Wer die Sammlungen zu eingehendem Studium benutzen will und besonderer .Begünstigungen bedarf, hat sich bei dem Direktor der betreffenden Abteilung zu melden. Für Besucher, die das Treppensteigen zu vermeider. wünschen, ist ein Aufzug vorhanden, der vom großer. Treppenhaus (1) aus zugänglich ist. Für seine Benutzung sind von jeder Person 10 Pfennig zu entrichten. Meldung an der Garderobe.
Das Kaiser-Friedrich-Museum enthält: 1. die Gemäldegalerie: Kommiss. Direktor: Friedländer. 2. die Sammlung der Bildwerke der christlichen Epochen und der persisch-islamischen Kunst: Direktor: fehlt zurzeit (vertreten durch den Generaldirektor). 3. das Münzkabinett: Direktor Menadier und Direktor Dressel. Das Bureau des Museums befindet sich im Untergeschoß. Zugang durch den Eingang an der Stadtbahn. Das Bureau der Generalverwaltung der Kgl. Museen Ibefindet sich im Untergeschofl des Alten Museums, Einfgang durch die kleine Tür der FriedrichsbrQcke gegenüber.
Der vorliegende Führer ist bestimmt, eine Übersicht über den Bestand der im Kaiser-Friedrich-Museum vereinigten Sammlungen (mit Ausnahme des Münzkabinetts, das in einem besonderen Führer behandelt ist,) zu gewähren und dem Besucher, der zu selbständigen Studien nicht vorbereitet ist oder nicht die Muße besitzt, die unentbehrlichsten Erläuterungen und einen Hinweis auf das Beachtenswerteste zu bieten. Die Anordnung schließt sich an die räumliche Folge der Aufstellung der Sammlungen an, die mit der laufenden Numerierung der Räume jedoch nicht übereinstimmt. Die Nummern der Räume sind an augenfälliger Stelle, in den Kabinetten unter den Fenstern angebracht. Ein Verzeichnis der Säle nach ihren laufenden Nummern findet sich auf Seite XVIII. Die Reihenfolge der nachstehenden Beschreibung erhellt für das Erdgeschoß aus der dem Plane beigefügten „Folge der Räume", für das Obergeschoß aus den in den Plan eingezeichneten schwarzen Linien. Wer dem Führer folgt, durchschreitet alle für den Besuch des Publikums bestimmten Räume.
INHALT. Seite
Vorbemerkung
i
Erdgeschoß: Altchristlich-byzantinische
Kunst,
Gipsabgüsse
nach
italienischen Skulpturen, Islamische Kunst, Deutsche Skulpturen, Gipsabgüsse nach deutschen Skulpturen.
5—76
Münzkabinett in besonderem Führer. Obergeschoß: Gemäldegalerie mit italienischen Skulpturen
77—168
Verzeichnis der Ausstellungsräume nach den in den Plänen vermerkten Nummern. Erdgeschoß: Seite
Saal Nr. i . „ „ 2. „ „ 3. „ „ 4. „ „ 5. „ „ 6. „ „ 7. „ „ 8. „ „ 9. „ „ 10.
Vorderes, großes Treppenhaus Neuerwerbungen deutscher Kunst »Basilika« Islamische Kunst, Stoffsammlung Koptische Bildwerke Byzantinische Bildwerke 1 Mosaik aus Ravennau. altchristliche Bildwerkel Italienische Bildwerke des 13. u. 14. Jahrh. . Persische und islamische Kunst; Teppiche.. Islamische Kunst, Sammlung Sarre
4 58—62 28—30 41—42 17—23 j ¡j 24—27 39—40 38—39
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36—38
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' 3 " > Abgüsse deutscher Bildwerke '4.J
63—76
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1 M ü n z e n und Medaillen, siehe den besonderen 16./ Führer 17. Abgüsse italienischer Skulpturen 18. Deutsche Bildwerke des 17. und 18. J a h r h . . . 19. Abgüsse italienischer Skulpturen 20. Deutsche und niederländische Bildwerke des 15. und 16. Jahrh., deutsche Gemälde des 15. J»lirh 21. Deutsche Bildwerke des 16. Jahrh 22. Abgüsse italienischer Skulpturen 23. Deutsche Bildwerke des 15. u. 16. J a h r h . . . 24. Deutsche Bildwerke und Gemälde des 13. und 14. Jahrh
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f > Abgüsse italienischer Skulpturen 2
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» 2 7 . Hinteres Treppenhaus
31—35 58 31—35
55—57 53—55 31—35 49—53 44—48 31—35 62
Verzeichnis der Ausstellungsräume.
XIX
Obergeschoß: Seite
Saal Nr. 28. Florentinische und sienesische Gemälde des 14. Jahrhunderts (Trecento) „ „ 29. Florentinische und venezianische Gemälde sowie Bildwerke des 14. und 15. Jahrhunderts ,, „ 30. Kleine Florentiner Gemälde des 15. Jahrhunderts „ „ 31. Werke der Klinstierfamilie della Robbia „ „ 32. Florentiner Bildwerke und Gemälde aus dem frühen 15. Jahrhundert (Quattrocento) * n 33- Plaketten „ „ 34. Donatello-Saal „ „ 35, Norditaliener des 16. Jahrhunderts „ „ 36. Bronzebildwerke r >i 37- Florentiner Bildwerke und Gemälde des 15. Jahrhunderts ,, „ 38. Botticelli-Saal n 39- James-Simon-Sammlung: n „ „ 40. Florentiner Marmorbildhauer des späteren 15. Jahrhunderts ., „ 41. Signoielli-Saal „ „ 42. Venezianer des 15. und 16. Jahrhunderts „ „ 43. Venezianer des 15. und 16. Jahrhunderts „ „ 44. Paduanische und ferraresische Werke des 15. Jahrhunderts „ „ 45. Italienische Hochrenaissance „ „ 46. Venezianer des 15. Jahrhunderts „ „ 47. Venezianer des 16. —18. Jahrhunderts f) 48. Tiepolo-Zimmer * 49- Spanier „ „ 50. Franzosen, Engländer und Deutsche des 18. Jahrhunderts „ „ 51. Italienisches Barock und Rokoko „ „ 52. Holländer und Vlamen des 17. Jahrhunderts (Fortsetzung S. XII)
167 166 164 163 162 161 159 159 149 151 155 148 147 152 146 145 154 144 142 139 135 135 136 132 129
XX
Verzeichnis der Ausstellungsräume.
Saal Nr. 53. Sammlung Thiem „ „ 54. Durchgang „ , 55. Späte Holländer des 17. Jahrhunderts K . 56. Holländer des 17. Jahrhunderts „ 57. Holländer des 17. Jahrhunderts _ 58. Frtthe Holländer des 17. Jahrhunderts „ . 59. Werke des Frans Hals ., 60. Kleine Bilder und Miniaturen des 16.—19. Jahrhunderts „ 6 1 . Rembrandt Saal „ 62. Vlamen des 17. Jahrhunderts „ , 63. Rubens Saal . 64. Die Teppiche nach den Kartons von Ralfael n „ - 65. Deutsche der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts „ 66. Deutsche des 15. und 16. Jahrhunderts - 67. Deutsche der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts . ., 68. Niederländer des 15. und 16. Jahrhunderts . . 69. Niederländer des 1 5 und 16. Jahrhunderts „ „ 70. Niederländer und Franzosen des 15. Jahrhunderts „ ., 7 1 . Niederländer des 16. Jahrhunderts. „ „ 72. Genter Altar der Brüder van Eyck . , 73. Niederländer des 17. Jahrhunderts und Sammlung v. Wesendonk
Seite 12a 128 121 119 118 117 125 125 115 123 156 113 114 110 107 108 104 102 102
D
ie K g l . Museen zu Berlin sind erst im 19. Jahrhundert in dem hochherzigen Bestreben, den bis dahin mannigfach verstreuten Kunstbesitz des Hohenzollernschen Herrscherhauses der allgemeinen Betrachtung und B e n u t z u n g zugänglich zu machen, als eine einheitliche A n s t a l t gegründet. Zu diesem Zwecke wurde durch K a b i nettsorder K ö n i g Friedrich Wilhelms III. v o m 24. April 1823 die A u f f ü h r u n g eines eigenen Gebäudes durch Schinkel auf einem bis dahin zum Teil v o n einem Arme der Spree eingenommenen Platze am sog. Lustgarten befohlen. A m 3. August 1830 wurde der Bau dem Publikum eröffnet. Der König gab der neuen Anstalt eine regelmäßige Dotation aus der Staatskasse und auf Grund der Vorschläge W . von Humboldts und des Ministers von Altenstein eine Verfassung, welche die Ziele und Wege ihrer Entwicklung bestimmt hat. Diese Entwicklung führte im Laufe der Jahre die Notwendigkeit der Erweiterung der Räumlichkeiten durch den Bau eines zweiten Museums herbei, dessen Ausführung K ö n i g Friedrich Wilhelm IV. dem Architekten Stüler übertrug. So entstand in den Jahren 1843—55, übrigens nur als ein Teil einer weit großartiger geplanten Erweiterung, das sog. Neue neben dem Schinkelschen, dem nun sog. Alten Museum. Beide, ihrer architektonischen Gestaltung nach übrigens durchaus selbständig gedachten, Bauten sind durch einen Straßenüberbau zu einem Ganzen verbunden. Später machte die Entwicklung der ethnologischen Abteilung in Verbindung mit der Vermehrung auch aller übrigen Sammlungen die Errichtung eines neuen selbständigen Gebäudes, des Museums für Völkerkunde in der Königgrätzer Straße 120, erforderlich. Es ist nach Führer durch d a s Kaiser-Friedrich-Museum.
I
2
Vorbemerkung.
Endes Entwurf erbaut und im Dezember 1886 eröffnet. Es enthält außer den ethnologischen Sammlungen die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer einschl. der Schliemann - Sammlung. Das neben dem Museum für Völkerkunde liegende, 1877—81 von Gropius und Schmieden in Renaissance formen errichtete Kunstgewerbemuseum wurde im April 1885 in den Verband der Königlichen Museen übernommen und in den Jahren 1901 bis 1904 durch ein besonderes Gebäude für Bibliothek und Unterrichtsanstalt nach Plänen von Hoßfeldt erweitert. Eine fernere Erweiterung der Kgl. Museen bildete der zwischen der Nationalgalerie und der Stadtbahn errichtete, 1901 in Benutzung genommene vorläufige Bau für die pergamenischen Altertümer, der zurzeit wieder abgetragen ist, um den Neubauten für das Deutsche Museum und für die Sammlungen der Antike Platz zu machen, in denen der Fries vom großen Altar in Pergamon als Mittelpunkt seine endgültige Aufstellung finden wird. An der Spitze der Museumsinsel, nördlich der Stadtbahn, erhebt sich das Kaiser-Friedrich-Mus e u m , in dem die Sammlungen der hohen Kunst der christlichen Epochen bis etwa zum Jahre 1800 sowie das Münz- und Medaillenkabinett Platz gefunden haben. Es ist nach den Plänen und unter der künstlerischen Oberleitung des Geh. Oberhofbaurats v o n I h n e in den Jahren von 1897 bis 1903 in italienischem Barockstil erbaut und am 18. Oktober 1904 eröffnet worden. Der Grundriß ist, dem Bauplatz entsprechend, ein ungleichschenkliges Dreieck mit der Stadtbahn als Grundlinie. Der Eingang ist an der Inselspitze, dem Denkmal weiland S. M. des Kaisers Friedrich (von Maison) gegenüber, dessen Namen das Museum trägt zur Erinnerung an den erlauchten Protektor der Kgl. Museen, welcher zuerst den Plan zu diesem Neubau faßte. Von dem vorderen großen Treppenhause (1) führt die Achse durch einen korridorartigen Vorraum (2) in einen durch beide Stockwerke gehenden Raum von kirchenartiger Form, die sog. Basilika (3), aus der man in das kleinere hintere Treppenhaus (27)
Vorbemerkung.
3
gelangt. Im Erdgeschoß sind im linken, nördlichen Flügel des Gebäudes, nach der Spree zu, die altchristlichen und byzantinischen sowie bis auf weiteres die Werke der sassanidischen und älteren islamischen Kunst aufgestellt; im südwestlichen, rechten Flügel, am Kupfergraben, haben die deutsche Plastik des Mittelalters und der Renaissance und Abgüsse italienischer Bildwerke, in den beiden Sälen neben der Stadtbahn die Münzen und Medaillen, die in einem besonderen Führer behandelt werden, ihren Platz erhalten. Im oberen Stock sind in dem Flügel an der Spree bis an das hintere Treppenhaus die Gemälde der italienischen, französischen, englischen und spanischen Schulen nebst den kleineren italienischen Bildwerken, in dem Flügel am Kupfergraben die der deutschen und niederländischen Schulen aufgestellt. Die Lage der verschiedenen Museumsgebäude zueinander und die Zugänge zu ihnen sind aus dem Übersichtsplan zu ersehen.
Der H a u p t e i n g a n g f ü h r t a n der K l e i d e r a b l a g e u n d V e r k a u f s s t e l l e der K a t a l o g e v o r ü b e r in das v o r d e r e Grofie Treppenbaus (i). Im Stil der Z e i t des G r o ß e n K u r f ü r s t e n gehalten, e n t h ä l t es als besonderen S c h m u c k einen B r o n z e a b g u ß des R e i t e r d e n k m a l s dieses F ü r s t e n v o n S c h l ü t e r auf dem Original sockel des M o n u m e n t s , welcher v o n der K u r f ü r s t e n b r ü c k e e n t f e r n t und d u r c h eine K o p i e ersetzt w u r d e . E r h a t t e d u r c h die U n b i l d e n des K l i m a s zu sehr gelitten, u m den schweren O r i g i n a l g u ß noch l ä n g e r zu tragen. D i e T r e p p e f ü h r t d i r e k t z u der G e m ä l d e g a l e r i e im I. S t o c k , die a u c h v o m z w e i t e n T r e p p e n h a u s z u g ä n g l i c h ist. G e r a d e a u s g e l a n g t m a n in einen längeren Korridor (2). H i e r sind v o r ü b e r g e h e n d B a r o c k - und R o k o k o s k u l p t u r e n deutscher H e r k u n f t u n d v o r allem N e u e r w e r b u n g e n d e u t s c h e r P l a s t i k u n d Malerei aufgestellt, die im Z u s a m m e n h a n g m i t der d e u t s c h e n K u n s t besprochen w e r d e n sollen (S. 58). V o m K o r r i d o r treten w i r in die Basilika (3), deren B i l d w e r k e a n anderer Stelle (S. 28 ff.) g e w ü r d i g t werden. W i r w e n d e n uns sofort in die T ü r zur L i n k e n , d u r c h schreiten den S a a l 4 (s. S. 4iff.), kreuzen Saal 8 (s. S. 24fr.) in der linken E c k e und betreten S a a l 6, m i t dem der R u n d g a n g beginnt.
ALTCHRISTLICH-BYZANTINISCHE KUNST.
Saal 6 und 7. Frühchristlicher und byzantinischer Saal. *) Die Bildwerke der altchristlichen Zeit sowie die des byzantinischen und des italienischen Mittelalters ungefähr bis zum Trecento sind in dem ersten an der Ostfront gelegenen Saal aufgestellt. Ihr Bestand hat sich durch Neuerwerbungen der letzten anderthalb Jahrzehnte sehr bereichert, so daß innerhalb dieser ganzen Epoche jede Stilperiode durch eine Gruppe von Denkmälern vertreten ist. Bei der Aufstellung ist angestrebt worden, dem einzelnen Kunstwerk möglichst eine besondere Wirkung wiederzugeben. Den Abschluß dieses langen Saales, dessen letzter Teil durch den eingebauten Bogen abgesondert wird, bildet eine Apsis, welche in ihrer ganzen Ausdehnung von dem M o s a i k a u s S. M i c h e l e i n A f f r i c i s c o III. 2282 zu R a v e n n a aus dem Jahre 545 n. Chr. eingenommen wird, welches Friedrich Wilhelm IV. 1843 angekauft und S. M. der Kaiser 1904 dem Kaiser-FriedrichMuseum zugewandt hat. Die Apsis enthält das Bild des zu göttlicher Herrlichkeit erhöhten jugendlichen Christus zwischen den anbetenden Erzengeln, umrahmt von einem Friese von zehn (ursprünglich zwölf) Tauben (cfen Aposteln) in einer doppelten Akanthusranke mit dem göttlichen Lamm (erneuert) im Scheitel. Der stärker restaurierte Fries des Triumphbogens trägt das Bild des Menschensohnes als Weltrichter (bärtiger Typus), den Michael mit *) Die beigefügten Nummern beziehen sich auf den Band des großen illustrierten Katalogs der Bildwerke der christlichen Epochen: III. Altchristliche und mittelalterliche byzantinische und italienische Bildwerke, von O. Wulff. 1. Altchristliche Bildwerke. Berlin 1909. 2. Mittelalterliche Bildwerke. Berlin 1 9 1 1 .
6
Altchristlich-byzantinische Kunst.
dem Schwamm auf dem Ysop und Gabriel mit der Lanze umstehen, welche den sieben Engeln des Zornes den Befehl erteilen, in die Posaune zu stoßen (Apokalypse). Die strenge Zeichnung und die prachtvolle dekorative Farbenwirkung geben von dem glänzenden, feierlich großen Monumentalstil der altbyzantinischen Kunst einen bedeutenden Eindruck. Vor der Apsisnische ist auf altarähnlichem Unterbau III. 183 mit kreuzgeschmückter Verde-antico-Brüstungsplatte (6. Jahrhundert) die halblebensgroße Statuette eines Lammes u. 2235 aufgestellt, Rest einer freiplastischen Gruppe des Guten III. 182 u. Hirten von symmetrischer Anordnung, daneben r. und 1. III. 2236 zwei byzantinische Schranken und über der erstercn ein III. E. weibliches Mosaikporträt des 4. Jahrh. (aus Rom). III. 2234 In der Mitte des Raumes steht ein großer Sarkophag, dessen Schauseite (3. J a h r h . d i e Gestalt des Verstorbenen zweimal, als berittenen J ä g e r in der Mitte und als Leser (der hl. Schriften) am 1. Eckabschluß, in symbolischer Zusammenstellung mit den Jahreszeitbildern des Herbstes (Weinlese) links und Winters (Olivenernte) rechts zeigt und noch keinerlei der antiken Sepulkralplastik fremde Motive enthält. An der Hauptwand sind B r u c h s t ü c k e altchristlicher Sarkophagplastik abendl ä n d i s c h e r , vorwiegend römischer, P r o v e n i e n z mit zwei mehr oder weniger vollständig erhaltenen Exemplaren vereinigt. Die früheste Stilphase (3. Jahrhundert) wird durch zwei Platten der V o r d e r w a n d eines III. 3 u. 4 S a r k o p h a g s (das Mittelstück fehlt) veranschaulicht, deren echt antike Schönheit noch an die hellenistischen Reliefbilder erinnert; auf beiden ist eine gelagerte Herde dargestellt, an den Ecken rechts der gute Hirte, links eine zweite Hirtengestalt mit einem Hunde. Aus demselben symbolischen Gedankenkreise sind teilweise auch die Darstellungen des darunter aufgestellten niedrigen III. 5 S a r k o p h a g s (3.—4. Jahrhundert) geschöpft, als Hauptfigur aber findet sich hier schon die zu den ältesten Typen gehörige Gestalt des schlafenden Jonas. Den Seitenabschluß bildet links die Orans (die Gebetspersoni-
Altchristlich-byzantinische Kunst.
7
fikation oder die Seele des Verstorbenen), rechts der gute Hirte. Der Stil ist noch rein, wenngleich flüchtig. Mehrere dazwischen in mittlerer Höhe befestigte Bruchstücke römischer Durchschnittsarbeit (4. J a h r h . ) schildern zum Teil ebenfalls das Hirtenleben, das vorletzte Relief rechts aber stellt eine christliche Mahlszene (Agape), das letzte Christus mit dem Hauptmann von Kapernaum dar. In der Mitte der Wand ist auf kurzen Säulen ein vollständiger S a r k o p h a g von der verbreiteten strigilierten Gattung gröberen Stils m i t d a c h f ö r m i g e m D e c k e l (4. Jahrhundert) aufgestellt, der in der Mitte die Gestalt des Verstorbenen (darüber Inschrifttafel) mit Schriftrolle und an den Ecken gute Hirten zeigt (aus Syrakus). Bessere Arbeit verrät die rechts an der Wandfläche befestigte V o r d e r w a n d e i n e s gleichartigen S a r k o p h a g s (4. Jahrhundert, aus Rom), besonders in den noch durchaus antik aufgefaßten Tritonen, welche die Inschrifttafel des Deckels halten, und den ihnen folgenden Seewesen. Die Mitte zwischen den Kannelluren nimmt ein Medaillon mit Doppelporträt (Köpfe noch unausgearbeitet) eines Ehepaares ein, wie die beiden Tauben unter demselben andeuten. Die Seitenabschlüsse bilden allegorische Gestalten (anscheinend eine Muse links und ein Mann im Philosophenmantel rechts). Von B r u c h s t ü c k e n (durchweg aus Rom) verdient noch Beachtung die (kopflose) Relieffigur des guten Hirten zwischen Lämmern (aus Albano) besten Stils (2.—3. J a h r hundert) unter dem mittleren Sarkophag und das großfigurige Relief mit vier Köpfen (bezw. Halbfiguren) einer Apostelversammlung in der Mitte rechts (4. Jahrhundert), endlich mehr in gegenständlicher Hinsicht als wegen seines echt römischen Werkstattstils, das letzte rechts mit dem O p f e r A b r a h a m s (von Isaak ist nur der Kopf erhalten) und mehreren zur Szene der H e i l u n g d e r B l u t f l ü s s i g e n gehörigen Figuren. A n der Fensterwand links ein Sarkophag mit Hirtenbildern und Reste eines jüdischen, rechts ein s t r i g i lierter Sarkophag (aus Rom) mit dem symbolischen Bilde der Tauben, welche aus einem Spring-
III. 18 III. 14 III. 11
III. 10
in. J
III. 15 III. 16 III. 1 III. 1619 III. 12
8
Altchristlich-byzantinische Kunst.
III. 17 brunnen trinken (Refrigerium). Darüber Deckelhälfte III. 1622 eines Sarkophags mit Noah und den drei Jünglingen v o r Nebukadnezar, daneben links Bruchstück mit Moses B e drängnis (bezw. Ergreifung des Petrus), rechts mit Orans zwischen den Aposteln Paulus (links) und Petrus (rechts). Dem b y z a n t i n i s c h e n K u n s t k r e i s e gehören ein unter dem Eingangsbogen stehender Porphyr III. 1624 torso einer byzantinischen Kaiserstatue (4. Jahrhundert) [III. 182 von ägyptisierendem Stil (aus Alexandria) sowie die vor u. 2236 der Apsisnische aufgestellten Schranken und das unter III. 164 dem Fenster aufgestellte K o l o s s a l k a p i t e l l von kompositem T y p u s an. Der Akanthusschnitt läßt in ihm eine Arbeit des 5. Jahrhunderts erkennen (vgl. die Säule des Marcian [t 457] in Konstantinopel). Ein zweites von ähnlichen Maßen in der Apsisnische nähert sich schon dem kämpferförmigen T y p u s des 6. Jahrhunderts. Die Entwicklung des b y z a n t i n i s c h e n Kapit e l l s veranschaulicht die Reihe der im Saale zur A b grenzung der folgenden Stilperioden verteilten SäulenIII.1632/3 paare und daneben angeordneten Werkstücke. Mehrere solche neben der zweiten Säule der Fensterwand (aus der Menas-Basilika des Arkadius) gehören noch der früh beliebten Kanellurendekoration an, ebenso das schöne III. E. Kompositkapitell der gegenüberstehenden Säule mit verstümmelten Vogelfiguren unter den Ecken. Das III. 161 Kapitell der ersten Säule am Fenster, bei dem sogenannten Hormisdas-Palaste (Justinians) ausgegraben, weist die kaiserlichen Adler als Eckschmuck neben dem kleinzackigen Akanthus auf. Diesen mit verfeinertem, sägezackigem Schnitt und die im 5. und 6. Jahrhundert ebenso beliebten Abarten des breitzackigen und des tangartigen Akanthus sind am daraufliegenden K ä m p f e r (oder Antenkapitell) III. 162 aus der Basilika des J o h . Studios (463 n. Chr.) vereinigt III. 166 (Monogramme ausgebrochen). Während das nächste die Abwandlung des breitzackigen Schnitts im 5.—6. J a h r hundert verdeutlicht, finden sich die ersteren beiden wieder III. 160 am Kapitell (aus Konstantinopel) und K ä m p f e r (aus III. 163 Nicäa) der gegenüberstehenden Ecksäule. Seine Verflauung in der provinzialen K u n s t endlich zeigt die erste
Altchristlich-byzantinische Kunst.
9
Säule des Einbaus an der Nebentür, die mit ihrer Brüstung (darauf kreuzförmiges Monogramm) und ihrem Architrav aus Milet stammt (die kleine Doppelsäule zugehörig, aber in anderer Verbindung), eine Umbildung das K ä m p f e r kapitell des Säulenstumpfs daneben (rechts). Im so begrenzten Abschnitt ist an der Hauptwand die a l t b y z a n t i n i s c h e (bzw.griechisch-christliche) P l a s t i k aufgestellt, mit der B r ü s t u n g e i n e s A m b 0 n (Freikanzel) als Mittelstück (die Säulen und die Pilasterabschlüsse der fehlenden Seitenwände hinzugefügt). Darunter steht die Schmalseite eines S a r k o p h a g s a u s K o n s t a n t i n o p e l , den jugendlichen Christus zwischen zwei Aposteln in einer dekorativen Architektur darstellend (4.—5. Jahrhundert). Dieses R e lief reiht sich stilistisch einer Gruppe kleinasiatischer, größtenteils noch heidnischer Denkmäler an, der auch ein daneben rechts aufgestelltes Bruchstück (3. J a h r hundert, erworben in Italien) einer vielleicht christlichen Darstellung (Nebengruppe einer Mahlszene) zuzuzählen ist, sowie ein zweifellos heidnisches mit zwei Musen. Mit solchen Werken reineren antiken Stils verglichen, verrät das Christusrelief den Verlust der Proportionen, des plastischen Gewandstils und Contraposts und die beginnende Hinwendung zur realistischen Kunstauffassung. Links vom Mittelstück gibt eine (unvollständige) B r ü s t u n g s platte (aus Byzanz) anscheinend die Überführung Benjamins in einem isolierenden Reliefstil wieder, der ebenso wie der Gegenstand die Einwirkung der syrischen Kleinplastik auf die hauptstädtische K u n s t bezeugt. Den Abschluß dieser Stilwandlung vertritt das F r a g m e n t e i n e s S a r k o p h a g s (rechts oben), mit der Gestalt des Petrus und eines vorgebeugten Mannes in Volkstracht, Teil einer Wunderszene (aus Sinope), das nach seiner Verwandtschaft mit der ravennatischen Plastik als altbyzantinische Arbeit des 5. Jahrhunderts anzusprechen ist. Das Gegenstück links bildet ein G r a b s t e i n des 7. J a h r hunderts aus Byzanz mit Moses auf dem Berge Horeb; darunter Rest einer O r p h e u s g r u p p e (vgl. die Photographie einer solchen aus Athen), in der unteren
HI. 175 in. 174
III. 181
III. 26
III. 25 III. E.
III. 28
III. 29
III. 32 Iii.40
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Altcbristlich-byzantinische Kunst.
III. 30 Reihe rechts Bruchstück eines Reliefs (von einem A b r a hamsopfer). In der Mitte zu oberst findet sich eine prachtvolle (syrische?) P l a t t e mit zwei aus einer Vase, aus der ein Rebstock hervorwächst, trinkenden Pfauen (6. Jahrhundert), weiter neben der zweiten Säule eine hohe HI.33 Z i e r p l a t t e mit zwei Pfauen und einem Reh (5.—6. Jahrhundert) und zwei G r a b p l a t t e n (6. J a h r III. 36 hundert) ausPriene (jüdisch, mit siebenarmigemLeuchter) III. 1471 und Byzanz (mit gutem Hirten und Kreuzen). Gegenüber am Fenster ein treppenförmiges Kugelspiel mit Zirkus III. 27 szenen (4.—5. Jahrhundert). In die Nebentür (zum koptischen Saal) ist ein byzanIII. 1708 tinischer Sturzbalken (7.—8. Jahrhundert, aus Nicäa) eingehängt, im Bogenfelde eine byzantinische Mosaikikone III. 1989 des 1 1 . — 1 2 . Jahrhunderts, Christus als Erbarmer darstellend, eingelassen, links von der Tür sind Stücke verschiedener Herkunft zu einer entsprechenden Säulen Stellung zusammengefaßt. Der Karnies mit Inschrift von III. 178 einer Muttergotteskirche kommt wieder aus Milet (das Profil der Rückseite nach dem ersten Architrav abgegossen, ebenso das Doppelsäulchen). Die Brüstung bilden III. 1704 zwei Rücken an Rücken gestellte (und verkittete) Zierplatten (9.—10. Jahrhundert) mit gleichem Motiv des aufDas geblühten Kreuzes, das oben Rosetten umgeben. Säulenkapitell (aus Konstantinopel) gehört noch dem III. 168 6. Jahrhundert an, vertritt aber schon den T y p u s des reinen Würfel- (bzw. K ä m p f e r - ) Kapitells der justinianischen Zeit, mit reichem, aus Zickzackbändern gebildeIII. 39 tem Netzwerk. Auf der r. Brüstung des Säulenvorbaus III. E. und vor der Nebensäule r. stehen zwei Porträtköpfe byzantinischer Kaiser aus dem Hause Konstantins d. Gr. (der links befindliche unausgearbeitet). Gegenüber ist das III. 1626 Bruchstück eines Reliefs der betenden Gottesmutter (aus Kleinasien) befestigt (5./6. Jahrhundert). Die weitere Entwicklung der Kapitellformen läßt sich im folgenden Abschnitt beobachten. Während das III. 173 Kapitell der großen Mittelsäule an der Hauptwand aus der Zeit des Heraklius (f 641) bei ähnlicher Grundform von fast willkürlich kompositem Charakter
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ist (gekreuzte Füllhörner vorn, lanzettförmige Blätter hinten) —, ein weiteres Beispiel ähnlicher Behandlung stellt das kleine Kapitell der Verde-antico-Säule dar, — erhält sich das Kämpferkapitell in strenger, entweder blattloser (vgl. das Gegenstück, 7. Jahrhundert) oder doch ins Geometrische umstilisierter Dekoration (vgl. das Kapitell aus Pergamon rechts unten daneben aus dem 1 1 . — 1 2 . Jahrhundert) bis ins 2. Jahrtausend als eigentlicher Stammtypus der byzantinischen Architektur, der sich dann seit dem 1 0 . — I i . Jahrhundert wieder mit reicherem, altbyzantinischen Vorbildern nachgeahmtem Blattschmuck bekleidet. Davon bietet ein großes Kapitell aus der Pantokratorkirche in Konstantinopel eine Probe. Diesen Abteil füllt die Gruppe der Bildwerke d e s b y z a n t i n i s c h e n M i t t e l a l t e r s . Sie sind durchgehends in einem Flachrelief von sehr mäßiger E r hebung, aber feiner Abstufung gearbeitet, auf das sich die bildnerische Tätigkeit der byzantinischen K u n s t beschränkt. Einzelgestalten in voller Vorderansicht bilden ihre Hauptaufgabe, am häufigsten M a r m o r i k o n e n der Gottesmutter. Das größte Relief (aus K o n stantinopel, 1 0 . — I I . Jahrhundert) in der Mitte zeigt diese mit betend erhobenen Armen auf schemelartigem Sockel unter einem von Spiralsäulen getragenen (mitsamt dem Kopf und beiden Händen fehlenden) Bogen stehend. E s ist eine vortreffliche Probe des monumentalen Stils der jüngeren Blütezeit, dessen Wirkung durch die schlanken Proportionen und den großen, fast linearen, plissierten Faltenzug bestimmt wird. Wie dieser Typus zwar durch reichere Drapierung mit überfallenden Gewandzipfeln, Zickzacksäumen usw. fortgebildet wird, zugleich aber die Formensprache verflaut, läßt das kleinere R e l i e f d e r M a r i a O r a n s ( 1 2 . — 1 3 . Jahrhundert) daneben (rechts) erkennen, dem in der Behandlung eine zugehörige Darstellung des E r z engels Michael (links) als ihres Trabanten in kaiserlichem Ornat mit dem Loros entspricht (die Gegenfigur Gabriels fehlt). Beide Gestalten verraten in den zu kurzen Armen und übertrieben kleinen Füßen den be-
III. 169 III. 1 7 1 1
III. 1710
hi. 1696
III. 1698 III. 1699
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ginnenden Stilverfall. Dagegen bewahrt ein an der großen Mittelsäule befestigtes kleines R e l i e f b i l d d e r stein. 1697 henden G o t t e s m u t t e r mit dem Kinde vor der Brust einen sehr alten ikonographischen Typus (Wlacherniotissa) trotz der flüchtigen Arbeit ( n . — 1 2 . Jahrhundert) noch in sehr stilgetreuer Wiedergabe (erw. in Venedig in den vierziger Jahren). Über dem großen Relief endlich ist ein anderes von mittlerer Größe befestigt, das die III. 1700 sitzende Gottesmutter als » T h r o n C h r i s t i « mit dem segnenden Kinde auf ihren Knien darstellt (12. J a h r hundert, aus Conversano in Apulien, aber wohl Arbeit eines griechischen Künstlers). — Zwischen Tür und Mittelsäule hängt eine der seltenen mittelbyzantinischen Relief III. 2216 nachbildungen antiker Bildwerke, den Hirtengott Pan neben einem Widder darstellend (aus Athen); darüber III. 1991— Bruchstücke von Fresken des 12. Jahrhunderts (aus Per2001 gamon). Die B r ü s t u n g s p l a t t e n dieser Epoche, zu unterst angebracht, tragen das bevorzugte, in mannigfaltiger Weise abgewandelte Bandgeflecht, das sich um einen größeren Kreis in symmetrisch angeordneten kleineI.1705—07 ren verschlingt. Als Füllungen dienen Rosetten- (bzw. u. 2218 Muschel-) Motive (die Viertelplatte links eine venezianische Nachahmung). Daneben sind Tierszenen beliebt. Die zwischen Wand- und Verde-antico-Säule eingeschlossene Brüstung bietet davon ein besonders schönes, auf beiden III. 1703 Seiten bearbeitetes Beispiel und zugleich einen interessanten Beleg für das Eindringen von Motiven der sarazenischen Kunst, der sowohl das vom Adler gepackte Reh wie die Komposition der beiden einen Hahn umlauernden Füchse entstammt (vgl. die Deckenmalereien der Cap. Palatina in Palermo). Die Stilisierung der Weinranke wie der Akanthusbordüre hingegen ist ganz das Ergebnis der byzantinischen Stilentwicklung. Zwei über der Maria Orans und dem Erzengel Michael III. 1742/3 angebrachte Z i e r p l a t t e n , die im Spitzbogen abgeschlossen sind, lassen sich zwar kaum als griechische Originalarbeiten ansprechen, sie geben aber zweifellos in ihren Kompositionen (Reh vor einer Blütenstaude und
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Schwanenpaar mit verschlungenen Hälsen über einem von einem Löwen angefallenen Reh oder Hasen) griechische Vorbilder im engsten Anschluß wieder, wie das daneben befindliche Bruchstück der Tiergruppe (aus Athen) bestätigt. Diese ganze Gattung geht mit ihrer typischen Umrahmung durch die doppelseitige Zahnschnittleiste in die venezianische Plastik über. Zwei über der Brüstungsplatte mit den Füchsen ausgespannte Brokatstickereien gehören schon der spätbyzantinischen Stilphase ( 1 5 . — 1 7 . Jahrhundert) an. Die gesamte i t a l i e n i s c h e S k u l p t u r des f r ü h e n u n d h o h e n M i t t e l a l t e r s ist in dem letzten Drittel des Saales untergebracht. Die K ä m p f e r k a p i t e 1 1 e mit magerem Akanthusgerank des vierten Säulenpaares sind venezianische Nachahmungen byzantinischer T y p e n der Übergangszeit (8.—9. Jahrhundert). Diese F o r m geht in den romanischen Stil über, wie die Kapitelle der beiden die Tür der Schmalwand flankierenden Säulen ( 1 1 . — 1 2 . Jahrhundert) veranschaulichen, wenngleich die Blattbildung hier eine Umstilisierung erfährt. Griechischen T y p u s hat auch der kämpferartige Aufsatz des kanneliierten Pilasters an der Wand (der Verdeantico-Säule gegenüber) mit dem altchristlichen Motiv der Vögel in Weinranken (flüchtige italien. Arbeit des 7.—8. Jahrhunderts). Unmittelbar aus dem antiken korinthischen Kapitell abgeleitet, aber in einen ganz anderen Geschmack übersetzt sind hingegen die l a n g o b a r d i s e h e n K a p i t e l l e der beiden Spiralsäulen im letzten Abschnitt. Aus dem Blattkapitell mit doppeltem K r a n z entstehen endlich durch Anfügung und Häufung von Tierfiguren (Vögel, Sirenen, Löwen, Greifen) an Ecken und Seiten blattlose Formen, wie sie die kleinen in den Ecken der Schmalwand aufgestellten Säulen tragen. Hier kreuzt sich schon mit der antik-byzantinischen Tradition die zweite Kunstströmung des frühen italienischen Mittelalters, die l a n g o b a r d i s c h e , in der das Tierornament ebenfalls von Anfang an beliebt ist. Doch hat in ihr ein g e r i l l t e s B a n d o r n a m e n t die V o r herrschaft, das sich in seinen Motiven (mehrfach durch-
111.2217
III. 1762/3
III. 1764/5
III. 1740
III. 1775/6
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III. 1716 u - '7 2 7 III. 1721/2 III. 1714/5
III. 1741
III. E.
III. 1744—46 u - '749
u
III. 1747/8 - «753—58 III. 1759 III. 1780
III. 1830
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schlungenen Flechtbändern mit runden oder eckigen Schlingen, zu dreieckigen Gebilden geformten Trauben, Wein-, Dreiblatt- und Kreuzfüllungen) wesentlich vom byzantinischen Bandgeschlinge unterscheidet. Solche Ornamente schmücken die Pilaster, Friesbalken, eine Fensterfüllung und vor allem die beiden C i b o r i u m s b o g e n (der kleinere mit aufliegender Weihinschrift des Papstes Johanns V I I I . ) an der Hauptwand sowie die davorgestellten beiden B r u n n e n und den S a r k o p h a g dazwischen, dem ein anderer langobardischer mit roher Darstellung von Pfauen in Rankenumrahmung gegenübersteht. Unter dem kleineren Ciboriumsbogen ist ein venezianisches Relief (13. Jahrhundert) befestigt, das nach altchristlichemVorbilde die Flucht nach Ägypten widergibt, neben dem größeren rechts zuunterst eine der seltenen langobardischen figürlichen Darstellungen (8. Jahrhundert) und darüber die Relieffigur eines thronenden Papstes ( 1 2 . — 1 3 . Jahrhundert) aus Aquila. In der oberen Reihe sind als Seitenstücke hier und an der Fensterwand spitzbogige venezianische Z i e r p 1 a 1 1 e n angebracht, deren flaches Relief und Gegenstände (Vögel, die aus einer Schale trinken oder auf einer Pflanze sitzen) wieder auf byzantinische Vorbilder zurückweisen. An der Schmalwand endlich ist eine Gruppe von ähnlichen, jüngeren venezianischen Zierplatten in kräftigem Hochrelief mit phantastischeren Kompositionen (13. Jahrhundert) zusammengestellt. Sie dienten als typischer Fassadenschmuck der Paläste (Pal. Mosca). Das Mittelstück bildet ein spätromanisches Relief des Marcuslöwen, und unter diesem ist ein Rankenfries mit Füllfiguren angebracht, der eine Stilprobe der oberitalienischen architektonischen Dekoration bietet, wie sie sich um 1200 in Parma, Modena und anderenorts entfaltet. Von der damals noch schwach entwickelten Freiplastik besitzt die Abteilung ein vorzügliches Werk in der Madonna mit segnendem Kinde des Presbyter Martinus von 1 1 9 9 (über dem langobardischen Sarkophag). Ein traditionelles hieratisches Schema ist hier in eine Rundfigur umgesetzt.
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Dagegen verrät die Sitzfigur einer säugenden Maria aus III. 1771 Verona mit gut erhaltener (aber wohl nicht ursprünglicher) Bemalung im Motiv wie in der Formengebung schon eine freiere Auffassung und den Einfluß der französischen Frühgotik. Die als Säulenträger' dienenden beiden Löwen III. 1772/3 (13. Jahrhundert) zu den Seiten der Tür bilden ein ständiges Zubehör romanischer Kirchenportale in Italien. Erzeugnisse a l t c h r i s t l i c h e r K l e i n k u n s t , zum kleineren Teile abendländischen, zum größeren Teile jedoch byzantinischen oder syro-ägyptischen Ursprungs, sind in mehreren G l a s s c h r ä n k e n an den Fenstern und einem kleinen Pultaufsatz an der Hauptwand vereinigt. Dieser letztere enthält die frühesten Elfenbeinarbeiten: in der Mitte vorn ein Konsulardiptychon (6. J a h r hundert), umgeben von den beiden Flügeln eines byzantinischen kirchlichen Diptychons mit den repräsentativen Gestalten des greisenhaft aufgefaßten Christus (zwischen Petrus und Paulus) und Marias (zwischen Engeln) auf dem Thron (6. Jahrhundert), daneben links einen einzelnen kleineren Flügel mit drei christologischen Szenen, darüber das Oberstück eines fünfteiligen Diptychons mit dem von schwebenden Engeln getragenen Kreuz im Kranz (syrischer Arbeit des 6. Jahrhunderts) sowie hinter diesem zwei syrische Pyxiden (Elfenbein-Schachteln), die eine in noch klassischen Formen (4. Jahrhundert) Christus zwischen den Aposteln, die andere (6.—7. Jahrhundert) die Geburtsgeschichte Christi mit manchen den Apokryphen entlehnten Zügen darstellend. Der mittlere Glaskasten enthält vorwiegend Kleinbronzen und ein paar jüngere Elfenbeinschnitzereien. Von der Decke hängen Lampen, Lichterreifen und eucharistische Tauben herab; in der Mitte ein bronzenes Standkreuz mit zahlreichen Anhängern. Auf der Vorderseite die bekannte Bronzestatuette Petri mit dem Kreuz (römische Arbeit aus dem 4. Jahrhundert), Lamm (aus Trapezunt, 5. Jahrhundert), mehrere Weihrauchfässer mit den Hauptszenen des Lebens Christi (palästinensischen Ursprungs), zahlreiche Lampen mit christlichen Emblemen; in der Mitte ein zweiseitig bearbeitetes, purpurn gefärbtes byzantinisches Elfenbeinrelief
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mit Darstellung der Krönung Kaiser Leos (9. Jahrhundert), hinten ein Elfenbeinkasten mit antikisierenden D a r stellungen (Kampf- und Zirkusszenen). Von den pultförmigen Schränken umschließt der erste eine Sammlung altchristlicher Tonlampen (eine größere römische mit dem guten Hirten, eine fischgestaltige aus Köln, die übrigen meist nordafrikanischer oder alexandrinischer Herkunft), ölampullen v o n T o n (aus Klein asien), zwei weitere aus Blei mit Darstellung der T a u f e Christi und den T y p e n der Monzeser Goldampullen, und gravierte Bronzekreuze (aus Syrien und Palästina). In der Mitte geschnittene Steine,' Goldgläser sowie ein Fischamulett (Amethyst), ein altbyzantinisches Goldarmband, ein silberner Schalenboden und liturgischer Löffel u. a. m. Im zweiten pultförmigen Schranke nimmt die Mitte ein getriebenes Bronzerelief (Beschlag) des E v . Johannes ( I i . Jahrhundert) ein, umgeben von geschnittenen Steinen, Emails und spätbyzantinischen Holzkreuzen, darunter ein Kreuzigungsbild (12.—13. Jahrhundert), eine der feinen, tragbaren, byzantinischen Mosaikarbeiten. Links davon Elfenbeinschnitzereien der mittelbyzantinischen Epoche, ausgezeichnet durch sorgfältige und zierlichfeine Arbeit (Triptychon mit Kreuzigung des 1 0 . — 1 1 . Jahrhunderts, daneben die 40 zum Tode des Erfrierens verurteilten Märtyrer), rechts ein großes spätbyzantinisches Speckstein-Diptychon (mit Festbildern), umgeben von kleineren Reliefs aus dem gleichen Material, Elfenbein und Bronze, darunter ein russisches emailliertes Triptychon des 17. Jahrhunderts. Die dritte, auf einem der langobardischen Sarkophage aufliegende Pultvitrine enthält die in drei Gruppen geordnete Kleinplastik des italienischen Mittelalters. Links liegen langobardische Metallarbeiten um eine große Elfenbeintafel mit der Kreuzigung (und jüngeren Szenen der Weltschöpfung auf der Rückseite) herum, rechts eine Anzahl v o n unteritalischen byzantinisierenden Elfenbeinreliefs, v o n denen mehrere in ihrem derben Stile dem A l t a r v o r s a t z des Doms in Salerno verwandt sind, und mehrere der frühesten Plaketten, die nach byzantinischen Specksteinreliefs 11. dergl. Vorlagen abgegossen sind. Die
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Mittelgruppc umfaßt venezianische Arbeiten, und zwar oben ein großes romanisches Bronzekruzifix nebst zwei getriebenen Bronzeikonen der Gottesmutter, umgeben von Glasflüssen (13. Jahrhundert), unten ornamentale Elfenbeineinlagen eines Möbels. Unbestimmt bleibt die Herkunft (Sizilien?) der dazwischenliegenden kleinen Handspiegel, deren Bleifassung in Durchbrucharbeit Typen des frühgotischen ritterlichen Gesellschaftslebens widergibt. Außerdem ist vor der größten Säule an der Fensterwand ein hoher byzantinischer Bronzekandelaber aufgestellt.
Saal 5. Koptischer Saal. Durch die Seitentür der Hauptwand gelangt man in den Saal der koptischen Altertümer. Hier ist ein beträchtlicher Bestand von den Kunsterzeugnissen der christlichen einheimischen Bevölkerung Ägyptens aus dem 3.—8. Jahrhundert, die erst in den letzten Jahrzehnten ein lebhafteres Interesse erweckt haben, vereinigt. So roh teilweise die Werke des unter dem Einfluß des Christentums zu neuer Tätigkeit erwachenden Kunstschaffens der eingesessenen Rasse erscheinen, so besitzt das letztere doch eine unbestreitbare entwicklungsgeschichtliche Bedeutung, einmal durch den Einfluß, den es rückwirkend auf die griechische christliche Kunst bei der Stilbildung der byzantinischen Kunst geübt hat, zweitens aber auf die werdende arabische Kunst. Liegt docl^schon die Stärke des koptischen Stils auf der ornamentalen Seite. Seine Entwicklung besteht in einer fortschreitenden Schematisierung von der hellenistischen Kunst ererbter oder von Syrien und Byzanz aufgenommener Motive. Nicht nur das Pflanzenornament und im Zusammenhange mit ihm die dekorative Architektur erfährt eine antinaturalistische Umstilisierung, sondern auch figürliche Gebilde werden zu geometrisch erstarrten Formen. In mancher Beziehung ist ein Einfluß altägyptischer Kunstweise zu verspüren, namentlich in der Vorliebe für ein ganz flaches, die Abstufung auf das Äußerste beschränkendes Relief, während in dem Streben der lückenlosen Flächenfüllung Führer durch das Kaiser-Friedrich-Museum.
2
lg
III. i $9
III. 193
III. 1645 111.198 u.2oo III. 199 III. 192
III-194/5
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die Tendenzen der Arabeske sich ankündigen. Außer an architektonischen Ziergliedern, Relieffüllungen u. dgl. betätigt sich die koptische Kunst besonders an den Grabsteinen (Stelen). Das bevorzugte Material sind die weichen ägyptischen Kalk- und Sandsteinarten, deren Behandlung mit der blühenden Holzschnitzerei vieles gemein hat. Für diese waren schwere Nadelhölzer im Gebrauch. In der Kleinkunst ist Bein, aber auch Ton und Bronze verarbeitet worden. Die wichtigsten Fundstätten sind Achmim, Antinoe, el Fajum, Aschmunein, Luxor, Kene und vor allem die Ruinen koptischer Klöster in Bäwitj für die Kleinplastik auch die Schutthügel (Kom-Ischgan u. a.) im Gebiet von Alexandrien. Haupt- und Fensterwand des Saales werden durch zwei breite Pilaster in je drei flache Blendnischen gegliedert. Den Pilastern sind Säulen (in Nachahmung von Sandstein) mit originalen K a p i t e l l e n vorgestellt. Nur eins von diesen am ersten Pilaster rechts vom Eingang (aus dem vorigen Saal) aus prokonnesischem Marmor ist ein vom Bosporus importiertes Stück mit dem kleinzackigen (theodosianischen) Akanthusschnitt. Dieser kor inthische Typus erscheint schon in dem größten Kapitell der inmitten des Saales aufgestellten Säule dahin umgebildet, daß im unteren Blattkranz einzelne Blätter durch Mäander und andere, z. T. geometrische Motive, ersetzt sind. j)j e Kapitelle am zweiten und an den gegenüberstehenden Pilastern zeigen eine ägyptisierende (letztere und das Eckstück der Fensterwand eine noch viel stärker schematisierte) Blattbildung, das zweite sogar die völlig glatte Grundform der auf die Vierzahl beschränkten Blätter. Von den Kapitellen einer in die Mittelnische der Hauptwand eingebauten Säulenstellung läßt das mittlere noch deutlich seine Abkunft vom korinthischen erkennen, wenngleich es die (in Syrien aufgekommene) Auflösung des Blattes in kleinere Teilmotive (Dreiblätter, Kelche u. dgl.) von harten eckigen Umrissen aufweist. Die beiden seitlichen Kapitelle haben die Form des byzantinischen Kämpferkapitells, das hier gleichsam von den verflochtenen wedelartigen Akanthuszweigen umsponnen ist (vgl. die Kapitelle
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der Hagia Sophia). Noch stärker verändert durch fiederartige Rippung ist das Akanthusgezweig eines kämpferförmigen Kapitells, welches (als Gegenstück eines glatten Blattkapitells) die Bekrönung der einen von zwei kürzeren, denselben Eingang flankierenden Säulen bildet, Neben der Mittelsäule des Saales sind endlich auf dünnen Holzsäulen zwei Kapitelle aufgestellt, welche in überaus zierlicher und sauberer Arbeit den palästinensischbyzantinischen Typus des Korbkapitells wiedergeben, das eine mit dreistreifigem Geflecht und Akanthusblättern, das andere mit symmetrisch verflochtener Weinblattranke und Löwenköpfen an den Ecken (dazwischen Kreuze). Auf dem Säulenpaar zu Seiten der Nebentür stehen Löwen, die in geometrischer Stilisierung der Formen nur noch von der Protome eines dritten balkenartigen Stückes übertroffen werden. Über ihnen und zu oberst an den Pilastern und in den Nischen sind f r i e s a r t i g e S t e i n e angebracht. Sie tragen teils figürliche antike oder christliche Darstellungen (Vase zwischen aufspringenden Löwen, Reiterheiliger im Löwenkampf, Seekentaur mit Nereide, Leda und schwebender Putto), teils den charakteristischen Rankenschmuck mit Tierfiguren in den Einrollungen. In der Mittelnische ist über einer Säulenstellung ein größerer Teil eines solchen Frieses mit Wedelranken und kränzhaltenden Genien zusammengestellt. Das Mittelstück der rechten breiten Wandnische (aus Bäwit) stellt eine eigenartig stilisierte Weinranke dar, ein Hauptmotiv der koptischen Kunst. Am linken Pilaster neben der Mittelnische sind unter den friesartigen dekorativen Stücken einige mit figürlichen Darstellungen geschmückte Grabsteine (Stelen) befestigt: rechts Grabstele, eine säugende Mutter mit Kind darstellend, daneben beiderseits Stelen mit Frauengestalten, die mit ausgebreiteten Händen beten (Orans als Verkörperung der Seele der Verstorbenen), wie sie namentlich im Gebiet von Theben typisch sind (die erste links datiert Ära mart. 419 = 703 n. Chr.). Bei durchgehends rohem Stil zeigt sich gelegentlich Beobachtung der äußeren Wirklichkeit in der Tracht. In der Mittelnische nehmen zwei reiche Schranken mit radähnlichem 2»
III. 196 in. 201 in. 1655/6
Iii. 50/1 m . 52
m. 67 m. 69 u. 59 in. 64 u. 60 111.211/12 m . 208 111.216
in. 79 Iii. 74—78
u. 1646 III, 137
20
III. 71 III. 72 III. 2240
III. 73 III. 83 HI« 55 III. 42
III. 58
III. 1641/2 lli. 215
III. 91—94
Altchristlich-byzantinische
Kunst.
Bandgeflecht, aus B ä w i t stammend, die Zwischenräume der o. a. Säulenstellung ein. A m rechten Pilaster befindet sich links oben das Fragment einer Orpheusgruppe (die zuhörenden Tiere nebst Satyr). Bedeutender sind die in Augenhöhe hängenden Reliefs, von denen das mittlere links Christus selbst zu Pferde von zwei Engeln geleitet zeigt. Das rechts befindliche stellt anscheinend den hl. A b t Phoibammon (mit Namensbeischrift) auf dem Throne sitzend dar (oder Christus?), wie er ihn verehrenden Mönchen Kränze austeilt, die eine darunter angebrachte Stele zeigt den Stifter des berühmten weißen Klosters, den ägyptischen Mönchsheüigen Schnudi (Abba Schenute) mit Stab und langem Armelrock. Das Gegenstück links ist eine Stele mit dem beliebten, aber tiefer als gewöhn lieh herausgearbeiteten Motiv des Kreuzes, das unter einer Arkade steht. A n der Hauptwand haben auch die bedeutendsten beiden Bildwerke in Stein ihren P l a t z gefunden, und zwar das Hochrelief einer S t a d t g ö t t i n von trockenster Messertechnik der Gesichtsbildung im Bogenfelde der T ü r und ein K a i s e r k o p f mit (früher vergoldetem) Lorbeerkranz in der Mitte der rechten Seitennische (auf kurzem Säulenstumpf mit Korbkapitell). In der abgeplatteten Nase, der Form des Ohres und besonders der verlängerten Tränendrüse verrät er aufs deutlichste die Anregungen altägyptischer Bildnisse (die Augen waren eingesetzt). Über ihm ragt eine reich dekorierte Giebelnische von charakteristischer Form vor mit Putten, die auf Seedrachen reiten, und jugendlicher Maske. Die Schmalwand mit dem zweiten Eingang trägt zwei in Tiefendunkel ausgearbeitete Zierplatten aus Bäwit, die Fensterwand rechts v o m Halbfenster einen ebenso behandelten prachtvollen Rebenfries (aus Bäwit) und ähnliche kleinere Bruchstücke. V o n ihren Säulen wird die eine (links) beiderseits, die andere nur an der linken Seite größtenteils von Grabstelen flankiert; sie zeigen teils den Totenvogel — die fliegende und ein K r e u z im Schnabel, in den Krallen oder im K r a n z e über den Flügeln haltende Taube — , teils den Nilschlüssel, das altägyptische als
Altchristlich-byzantinische Kunst.
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Lebenszeichen bekannte Henkelkreuz, welches von den Kopten nunmehr auf das Monogramm Christi bezogen wurde, manchmal auch beide vereinigt. Andere dieser Stelen tragen Kreuze mit verschiedenem Schmuck, unter diesen auch eins, das auf Stufen steht und sich dadurch als das (konstantinische ?) Golgathakreuz zu erkennen gibt, wobei die regelmäßig wiederkehrende Arkade den Baldachin nachahmt. Der Stil dieser Stelen ist gewöhnliche Steinmetzarbeit. Die hintere Schmalwand schmücken zwei große K a r niese (oder Antenkapitelle?), von denen besonders das links befindliche mit doppelter Blattreihe durch einen Akanthusschnitt von ausgesuchter Eleganz und Schärfe hervorragt, das andere über einfacher Reihe eine stilvolle Flechtranke aufweist. Unter beiden sind breite Nischenabschlüsse von Muschelform angebracht und noch niedriger Bordbretter mit kleineren architektonischen Ziergliedern und anderen Fragmenten. Unterhalb der Steinfriese laufen an mehreren Stellen hölzerne hin, von denen hervorzuheben sind: an der Hauptwand in der r. Blendnische ein solcher mit Golgathakreuz zwischen Muschelrosetten und einer mit zwei Engeln, die ein K r e u z halten, und an der ersten Schmalwand ein Balken mit zwei schwebenden, ein Medaillon tragenden Engeln ( B ä w i t ) . Ein größeres Holzrelief (Balkenabschluß), den betenden Daniel in persischer Tracht zwischen den Löwen darstellend ( B ä w i t ) , befindet sich zu äußerst rechts an der H a u p t w a n d , darüber ein kapitellartiger A u f satz mit dem Totenvogel (Bäwit), und zuoberst ein kränzhaltender Adler (Kalkstein). Auf der hinteren Schrankvitrine ist grobe Tonware aufgestellt. Von den Vasen zeigen manche menschliche Figuren (z. B . Oranten auf per großen Vase auf dem Schranke), andere in Weiß a u f gemalte Fische (wohl eine Anspielung auf die Fischsymbolik), Vögel oder gar kein Ornament. Die großen, durchbrochen gearbeiteten Tonuntersätze (zwei neben dem Kaiserkopfe) waren zur A u f n a h m e von Gefäßen bestimmt. Der Schmuck des Koptischen Saales wird vervollständigt durch G e w e b e , welche die freien Wandflächen
III. 84—90 III. 82
III. 206/7
v
in. 235/6
HI- 255 III. 254 III. 253 III. 242 i n . 266 111.48 111.1511 Iii. 1564/5 III. 1592—94
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Altchristlich-byzantinische Kunst.
oberhalb und zwischen den Skulpturen schmücken. Es sind meist mehrere größere oder ganze Stücke zusammengestellt, hemd- oder mantelartige Gewänder, die mit mehr oder weniger reichen Einsätzen, von den Schultern nach vorn und rückwärts herablaufenden Borten (Claven) geschmückt sind. Den Grundstoff bildet in der Regel Leinen, den Einschlag buntfarbige oder Purpurwolle in der vorherrschenden Technik der Wirkerei (vgl. ein ganzes Hemd rechts neben dem Halbfenster in der Mitte, dann zu Seiten des Kaiserkopfes eine Gruppe verschiedener Borten und Einsätze sowie Seidenstickereien, welche ganze Szenen aus dem Evangelium in einem weiter entwickelten, schon ziemlich erstarrten Stil darstellen, verschiedene christliche Embleme in dem einen Rahmen unter der dreiteiligen Säulenstellung, in dem andern solche mit figürlichen Kompositionen). Dazu kommen sammet- und friesartige Stoffe (vgl. das Mittelstück der dunklen Schmalwand) und vor allem großfigurige gobelinartige Wirkereien, wohl meist für Vorhänge bestimmt. Solche (oder Purpur- u. a. Einsätze) sind zwischen und auf die Gewänder der oberen Rahmen eingesetzt worden, um ein größeres Material in wirksamer Gruppierung zu zeigen. Von der Mehrzahl der antikisierenden Darstellungen unterscheidet sich auffallend eine Gruppe von jüngerem und mehr provinzialem Charakter durch ihre schreiend grellen Farben und oft verzerrte Zeichnung (rechts oben neben dem Halbfenster). Der erste Wandschrank (neben dem Eingange zum Saal der Stoffsammlung) enthält Proben von Malerei auf Holz und Papyrus sowie kleinere Holz- und Beinschnitzereien und Glasgefäße. Zu beachten ist besonders das auf III. 1607 Holz gemalte Porträt eines Bischofs. Auf dem unteren III. 309—13 Brett der linken Abteilung sind Webekämme und eine Nadel für Wirkerei, auf den Pulteinsätzen darunter links Holzkämme und beingeschnitze Amulette, auf der rechten Seite kleinere Geräte aus Bein mit Kreispunktornament, zu unterst in allen Abteilungen Lederarbeiten (Schuhe, Gürtel, Kopfkissen) ausgelegt; im obersten Fache beiderseits Glasgefäße (vor allem ein dunkelblauer III. 1195 Pokal mit Darstellung der Weinernte in geritzter Zeichnung
Altchristlich-byzantinische Kunst.
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auf Blattgold). Die erste Fenstervitrine enthält in der Mitte zwischen zwei großen Bronzehandspiegeln ein silbernes Kreuz mit gravierter Darstellung des Kruzifixus, umgeben von Engeln und Heiligen (auf der Rückseite der hl. Schenute), darunter auf einer Unterlage vereinigt vorwiegend Schmucksachen und zierliche Geräte aus Gold, Blei, Kupfer, Elfenbein, Glas; links von der Mitte eine Anzahl von Schmuckstücken von Bronze, darunter zahlreiche Kreuze mit und ohne Glaseinlagen, rechts Bronzefigürchen für Gerätzier und kleine Gegenstände von Metall. Die zweite Fenstervitrine zeigt drei Gruppen von Beinschnitzereien, hauptsächlich für Möbelbeschläge bestimmt, von denen die linke und die mittlere noch ganz antike Motive (Herakles, Bacchus, Nereiden, Satyrn und besonders tanzende Mänaden) und Stilbehandlung aufweist, die rechte überwiegend christliche Gegenstände (Mittelstück Abrahamsopfer) in einem strengeren und zum Teil stark vergröberten Stil, darunter aber noch manche schöne Arbeit besonders in einfacher, ursprünglich farbig eingelegter Ritzung. Der zweite Wandschrank vereinigt Erzeugnisse der Kleinkunst und des Kunstgewerbes, vorwiegend aus Bronze und Ton. Das oberste Fach füllen meist bemalte Tongefäße und Teller; in Augenhöhe verschiedene Kleinbronzen, darunter Weihrauchbecken, Leuchter, Flaschen Kannen u. a. m. Die untersten Fächer füllen teils bemalte Gefäßscherben und kleinere Skulpturen, teils eine zahlreiche Sammlung von Tonlampen (meist mit christlichen Inschriften oder Emblemen, einige in Froschgestalt) und Tonstempeln (zum Verschluß von Krügen). In der Mitte des Saales zwei Sechseckvitrinen, von denen die erste besonders Holzschneidereien (darunter als Hauptstück die Darstellung einer durch christliche Kriegsscharen aus der Belagerung durch Barbaren befreite Stadt), sowie einige kleinere Geräte und Figuren aus Stein enthält; die andere enthält eine Sammlung von Lampen (besonders zu beachten eine große in Schiffsgestalt) und anderen Geräten aus Bronze.
III, 1106
111.725—751
III. 428
III. 243 III. 780
Aus dem koptischen Saal gelangt m a n — Saal 4 nur an der Seite kreuzend — nach
Saal 8 ZU DEN ITALIENISCHEN BILDWERKEN DER GOTIK.*) Diese Sammlung ist wohl in ihrer A r t die gewählteste und mannigfaltigste, selbst im Vergleich mit italienischen. Denn wenn in Italien auch das Museo Civico in Pisa, das Museo del Castello in Mailand, das Museum in Capua u. a. Sammlungen je f ü r ihre lokale K u n s t weit reicher und bedeutender sind, so erkaufen sie alle das doch durch Einseitigkeit, d. h. Verzicht auf andere wichtige Schulen. Die ältesten Werke dieses Saales schließen sich zeitlich an die zuletzt Saal 6 gesehenen. Sie befinden sich deshalb diesem benachbart an der linken Schmalwand. Zu seiten III. 1793 der T ü r die Büste einer gekrönten jungen Frau (wohl eine Fürstin darstellend), aus Scala bei Ravello, die der bekannten Büste der Sigilgaita dort nahe verwandt und eines der seltenen Beispiele der ersten Blüte figürlicher Plastik in Süditalien (um 1250) ist; ebenso ihr Gegenstück, die Büste eines Mannes m i t schmalem Reifen um das III. 179» Haupt,SwohHdas P o r t r ä t eines Fürsten. Dieser in der Tiber gefundene Kopf, der sich in der Behandlung, namentlich des Haares, antiken archaischen Büsten anschließt, ist das bedeutendste Beispiel mittelalterlicher 111.2223—25 Porträtplastik in Rom aus so früher Zeit (um 1250). *) Die beigefügten Nummern beziehen sich auf die Bände des großen illustrierten Katalogs der Bildwerke der christlichen Epoche: I. Die Elfenbeinbildwerke, von W. Vöge, Berlin 1 9 1 1 . III. Altchristliche und mittelalterliche byzantinische und italienische Bildwerke, von O. Wulff, Berlin 1909 und 1 9 1 1 . IV. Die deutschen Bildwerke, von W. Vöge. Berlin 1 9 1 0 .
Italienische Bildwerke der Gotik.
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Rechts daneben sind ein Relief und zwei kleinere Bestandteile eines unteritalienischen Ambon angebracht, von denen das erstere die typische Darstellung der Ausspeiung des J o n a s trägt und in vortrefflicher Erhaltung ein Beispiel f ü r die Vermischung antikisierender und naturalistischer Bestrebungen mit dem romanischen Stil im frühen 1 3 . Jahrhunderts bietet. Darunter die Liegefigur einer Madonna mit dem Kinde aus einer die Anbetung der Könige darstellenden Präsepegruppe, Arbeit eines Meisters der römischen Kosmatenschule (nach Ä r a di Cambio?). In dem kleinen Wandabschnitt links daneben sind einige andere Bildwerke der von Byzanz und der Antike beeinflußten K u n s t Unteritaliens (Neuerwerbungen), an der Hauptwand aber mehrere, f ü r die Geschichte der italienischen Plastik bemerkenswerte Stücke aufgestellt: in Relief von N i c c o l ö P i s a n o : der hl. Buonacorso III. 1797 zwischen zwei Engeln, darüber der tote Christus, von zwei III. 1799 Engeln beklagt, von G i o v a n n i P i s a n o , ursprünglich das Lesepult jener berühmten Kanzel Giovannis im Dom zu Pisa, zu der auch die beiden vorgenannten Sibyllen . gehörten. Daneben der Torso eines Engels, wahrscheinlich III. 1796 von N i c c o 1 ö s Verkündigung an der Kanzel des Doms zu Siena (vgl. diese als Gipsabguß Saal 1 7 ) und am Fenster gegenüber das Fragment einer großen Nischengruppe: die Bestattung Maria, von A r n o l f o d i C a m b i o (?), III. 1808 eine Komposition von schlichter Großartigkeit, die wahrscheinlich einst das rechte Seitenportal an der Fassade des Florentiner Doms geschmückt hat. Die Mehrzahl der Hauptwerke ist auf der einzigen größeren Wand zwischen den beiden Türen nach dem Brunnensaal hin vereinigt. Unter einem großen Kruzifixus von schönen Formen und edelstem Ausdruck, das als ein Werk des A n d r e a P i s a n o gilt, stehen auf III. 1834 gotischer Blattwelle vier etwa zweidrittel lebensgroße III. 1802— Marmorstatuetten von Propheten, zur Seite je ein Engel, III. 1806/7 sämtlich Sieneser Arbeiten von Nachfolgern des G i o v a n n i P i s a n o . Von Giovanni selbst sind — weiter unten — die halblebensgroße Marmorstatuette der Ma- III. 1798 donna und zwei Sibyllen aufgestellt, großartige Gestalten III. 1800/0
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III. 1836/7
III. 1835
III. 1816 III. i8ao/i
III. 1813 IV. 90 I. 80
1.118/9 I. 78/9 1.142
Italienische Bildwerke der Gotik.
in reich bewegter Haltung, die wie die Vorbilder zu Michelangelos Gebilden an der sixtinischen Decke erscheinen. Dazwischen ein paar aufs zierlichste bemalte Holzstatuen der Verkündigung, die schon den Ausgang der großzügigen Bildnerschule der Pisani ins Genrehafte und Naturalistische kennzeichnen. Ahnliches gilt von der nur wenig älteren Luccher Holzfigur der Maria mit dem K i n d e — am Fenster rechts — , obwohl sie von schlichterer H a l t u n g ist. Daneben sind zu Seiten des venezianischen Portals rechts mittelitalienische Marmorarbeiten, v o r allem eine fast lebensgroße Madonna des Giovanni d'Agostino aus Siena, links ein paar süditalienische angebracht; unter ihnen besonders reizvoll die zwei verhüllten trauernden Gestalten in Zeittracht, die offenbar den »pleureurs« f r a n zössicher Grabmonumente nachgebildet sind. Zwischen ihnen eine neapolitanische Madonna, die gleichfalls den Einfluß französischer Gotik verrät, obgleich sie im Quattrocento entstanden. — Der R a u m erhält einen besonderen Reiz durch den spätgotischen K a m i n zwischen den beiden Fenstern und die alte Tür mit dem Wappen Baglione, beides Prachtstücke der venezianischen S p ä t gotik. Die große Vitrine in der Mitte umschließt die nahverwandte französische und italienische Kleinkunst des späten Mittelalters, zumeist in Elfenbein. Ausnahmen sind die anmutige Statuette einer törichten J u n g f r a u in vergoldetem Holz und die reizvolle Alabasterstatuette der Madonna von N i n o P i s a n o . Benachbart ist ihr eine Madonna unter dem Baldachin, ein Elfenbeinwerk, das f ü r französische K u n s t vom Ende des 1 4 . J a h r hunderts charakteristisch, während die beiden tiefer stehenden Reliefs, Reste einer Gefangennahme Christi und eine Apostelgruppe, mit ihren ausdrucksvollen Köpfen bereits dem späteren 14. Jahrhundert angehören. Hier befinden sich auch mehrere Diptychen mit ausführlicher Schilderung der Passion Christi, das mittlere aus dem 13., die seitlichen aus dem 14. Jahrhundert, und die Paxtafel mit der Majestas Domini und dem Tode der Gottesmutter, eine hervorragende italienische Arbeit des 14. Jahrhunderts,
Italienische Bildwerke der Gotik.
2;
An der Schmalseite rechts ein feine und durch die teilweise erhaltene Bemalung besonders reizvolle Relieffigur der Maria mit dem Kinde und eine Anzahl profaner Reliefs (Liebesszenen, Romanillustrationen); unter ihnen ist das durchbrochene Relief, ein Liebespaar darstellend, als eine der feinsten Arbeiten der Art (englisch ? 14. Jahrh.) hervorzuheben. An der Rückwand die italienischen Arbeiten der Zeit, drei Klappaltäre aus der Werkstatt der Embriachi in Venedig, charakteristisch durch die Zusammenstellung der halbrunden Beinstücke mit intarsier tem Holz. Gleiches gilt für die beiden Schmuckkästen mit Liebespaaren.
I. 85 1.140 1.145—147 1. 148—150
Im Nachbarraum, Saal 4, finden sich — provisorisch hier belassen — zwischen islamischer und koptischer Kunst zwei schöne Brunnen aus Venedig, die einstens malerische Höfe der Lagunenstadt geschmückt haben. An ihnen vorbeischreitend, gelangt man zur Basilika (3). *) Dieser stattliche hohe Raum ist durch die Ausnutzung des Hofes entstanden. E r gibt dem Bau eine große Hauptachse und schafft zugleich für umfangreiche Altarwerke, plastische wie gemalte, die für die eigentlichen Sammlungsräume zu große Abmessungen haben, einen geeigneten Platz zur Aufstellung. Man lernt hier, wie Altarbilder und Skulpturen -in dem Zusammenhang eines kirchenartigen Raumes, für den sie j a geschaffen wurden, wirken. Vorbild für diesen zwei Stockwcrkc hohen Saal sind die einfachen Florentiner Hallenkirchen mit flachen Nischen an den Seiten vom Anfang des 16. Jahrhunderts gewesen. San Francesco unter San Miniato ist ein klassisches Beispiel dieser Art. In der apsisartigen Nischc, durch die man eintritt, beachte man die zierlich gearbeite Madonnenstatuettc V.338 von D o m e n i c o G a z i n i , einem Genuesen, der lange in Sizilien tätig war. Auch dies Marmorwerk stammt nachweislich daher. In der Mitte der Basilika beachte man zunächst die beiden alten Säulen, von denen die eine den »Marzocco« *) Die beigefügten Nummern beziehen sich, wenn sie allein stehen, auf das „Beschreibende Verzeichnis der Gemälde im KaiserFiiedrich-Museum, Berlin 1 9 1 2 " , wenn sie mit V verbunden sind, auf den Band des großen illustrierten Katalogs der Bildwerke der christlichen Epochen: V . Die italienischen und spanischen Bildwerke der Renaissance und des Barock, von Frida SchottmUller, Berlin 1 9 1 3 .
Basilika.
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(Löwe), die andere die Wölfin trägt, die Wappentiere der großen, italienischen Kunststädte Florenz und Siena. An diese Säulen lehnt sich ein Chorgestühl, dessen zwanzig Sitze mit feinsten Intarsien mannigfaltig und reich verziert sind, ein Hauptwerk seiner Art von P a n t a l e o n e de M a r c h i s vorn Ende des 15. Jahrhunderts. Dazwischen steht ein etwas jüngeres, großes Lesepult in gleicher Arbeit und von ähnlicher Schönheit. In den Nischen wechseln Skulpturen und Gemälde. Man betrachte zunächst die Gemälde. Rechts zwei Marienglorien von F r a B a r t o l o m e o (1511 dat.) und G i a c o m o u n d 249 G i u l i a n o F r a n c i a ; farbenreiche, aber nicht eigent- 287 lieh farbenschöne Bilder, die etwa gleichzeitig in Florenz bzw. Bologna entstanden. Gegenüber finden sich zwei venezianische Altartafeln mit der Madonna zwischen Heiligen. Die eine von L u i g i V i v a r i n i stammt aus 1165 dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Komposition und Figuren sind von steifer Gebundenheit, während das wesentlich jüngere Werk von P a r i s B o r d o n e mit 191 seiner unruhig bewegten Gruppierung schon den Einfluß von Tizian und Tintoretto verrät. — Die Kunstentwicklung der Inselstadt im Cinquecento ist durch diese beiden Werke gut illustriert. Unter den Skulpturen wende man sich zunächst den farbig glasierten Robbiaarbeiten zu; florentinischenWerken, die ganz für die Nachbarschaft von kühlfarbenen Steinmauern erfunden sind, und durch den wetterbeständigen Überzug als Außenschmuck besonders geeignet sind. Die Werke von Luca della Robbia, dem Erfinder und besten Meister dieser Technik, befinden sich im oberen Stockwerk (Kab. 31); hier sind nur umfangreiche Glasurarbeiten, die meist jüngeren Datums sind, aufgestellt. Mit ihrer weniger feinen Durchbildung kommen die Spätwerke der Robbia selbst auf größere Entfernung genügend zur Gel[u. I J 2 tung. So die Rundreliefs mit der Madonna oder der hl. V. 113, u o Verdiana, die dekorativ wirksame Statue des hl. An- V. 115 tonius mit dem Schwein und der Altar mit Christi Auf- V. 118 V. 11 erstehung. Ganz anders der Madonnenaltar gegenüber, V. 98 ein frühes, sorgfältig durchgearbeitetes, fein empfundenes
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V. 265
V. 287 V. 259
V. 286 V.415
Basilika.
Werk von A n d r e a d e l l a R o b b i a , Lucas Neffen und Werkstattgenossen. Andreas Sohn, G i o v a n n i d e l l a Robbia, war der tüchtigste der dritten Generation. Von ihm stammt die herbe Freigruppe der Beweinung Christi, die — wie ähnliche in Florenz — unter dem Einfluß des gewaltigen Bußpredigers Savonarola entstanden ist. In derselben Nische (der letzten links) beachte man auch eine Kalksteinlünette: Johannes der Evangelist, verehrt von seiner Brüderschaft, von B a r t o l o m e o B e l l a n o , dem besten Donatelloschüler in Padua. Diese steifen Gestalten und geradlinigen Falten kommen vielfach in oberitalienischer Plastik vor. An der Schmalwand des Saales finden sich noch andere Arbeiten aus Venedig: zwei geschmackvolle Sakristeibrunnen und das ältere Relief des hl. Hieronymus aus der Werkstatt B a r t o l o m e o B o n o s , in der gleichzeitig das berühmte Hauptportal des Dogenpalastes entstand. Das Gegenstück, der Reitende Kardinal, stammt von einem Grabmal in Verona, der Heimat der prachtvollen Scaligergräber. Mittelitalienische Kunst um 1500, wie sie in den abgelegenen Orten der Marken, beeinflußt von Bologna und Venedig, entstand, veranschaulicht die große Madonnenstatue, die als Altarschmuck und Prozessionsbild diente. Steif in der Komposition, ist sie nicht ohne lebensvolle Einzelzüge, während die Kreuzigung B e g a r e l l i s (in der letzten Nische) jene sichere Routine besitzt, die um die Mitte des 16. Jahrhunderts selbst in einer kleinen Stadt wie Modena selbstverständlich geworden war. An die Schmalseite der Basilika grenzt das kleinere Treppenhaus (27), dessen figürlicher Schmuck bei der Deutschen Plastik (S. 60) besprochen wird. Links schließen hier die Säle der Islamischen Abteilung (S. 36 ff.) und die Räume mit Abgüssen nach deutschen Skulpturen (vgl. S. 61) an. Wir wenden uns zunächst nach rechts, durchschreiten das Münzkabinett, dessen reicher Inhalt in einem besonderen Führer besprochen wird, um in den Sälen 17—26 die Betrachtung italienischer Kunst fortzusetzen.
Saal 17, 19, 22, 25, 26. DIE GIPSABGÜSSE NACH ITALIENISCHEN SKULPTUREN. Die Abgüsse nach B i l d w e r k e n der italie» n i s c h e n P l a s t i k befanden sich bis 1905 im Neuen Museum, waren dann längere Zeit deponiert, bis man sie hierher in die galerieartigen Räume am Kupfergraben brachte, die vordem die polychromen Originalskulpturen aus Italien (jetzt im Obergeschoß) innehatten. Selbst neben einer größeren Sammlung von solchen und von Marmor- und Bronzewerken, wie sie Berlin besitzt, erscheinen Gipsabgüsse schwer entbehrlich. Zunächst für den Forscher bei stilkritischen Vergleichen; mehr noch aus pädagogischen Rücksichten, da die Kunstentwicklung mancher Epoche kaum lückenlos zu verstehen ist ohne diese Reproduktionen nach den Hauptwerken. Sie wurden hier dem Material gemäß — als Marmor, Sandstein, Bronze oder Terracotta — bemalt; denn nur so vermitteln sie den richtigen Eindruck. Sie sind nach historischen Gesichtspunkten aufgestellt. Die ältesten Werke befinden sich Saal 17 (benachbart dem Münzkabinett), die spätesten Saal 26. Das frühe Mittelalter ist nur durch den hl. Hippolytus vertreten, eine stark restaurierte Gewandstatue in sitzender Stellung, die den unmittelbaren Zusammenhang dieser Stilepoche mit der spätrömischen Plastik offenbart. Ähnliches gilt von dem etwas jüngeren Silberschilde des Theodosius (Madrid). — Der gewaltige Aufschwung, den die italienische Skulptur seit dem dreizehnten Jahrhundert in Toskana nahm, ist mit den Namen N i c c o l ò und G i o v a n n i P i s a n o verknüpft. Der Vater
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Die Gibsabgtlsse nach italienischen Skulpturen.
N i c c o l ö P i s a n o , der viel von der antiken K u n s t gelernt hat, ist in dem schwerfällig-ernsten Relief einer Kreuzabnahme in Lucca kennen zu lernen. A n seiner großen Kanzel im Sieneser Dom sind auch damalige W e r k stattgehilfen, wie A r n o l f o d i C a m b i o und G i o vanni Pisano, sein berühmter Sohn, beteiligt. Dieser, der — statt ruhigen Gleichmaßes — eine leidenschaftliche, dramatische Schilderung erstrebte, wurde der erste Gotiker in Italien. Die Madonnenstatue aus Padua ist charakteristisch für den Beginn dieses spätmittelalterlichen Stils, während sein Höhepunkt — freilich zugleich sein Ausklang in die Renaissance — die K u n s t des J a c o p o d e l l a Q u e r c i a ist. Diesersienesische Marmorbildhauer ist wie die jüngeren Florentiner hier gut vertreten. Seine edle Gestaltungsweise wird durch das Grabmal der Ilaria del Caretto illustriert, die dekorative Großartigkeit seiner Kompositionen und Faltenmotive durch den Grabstein und A l t a r der Trenta. Kunsthistorisch besonders wichtig ist der Taufbrunnen im Sieneser Baptisterium, da sein figürlicher Schmuck zum großen Teil von D o n a t e l l o , G h i b e r t i und Q u e r c i a gearbeitet ist, und weil durch das nahe Beieinander die Stil- und Temperamentsunterschiede dieser berühmten Plastiker besonders deutlich werden. — Ä h n liches gilt von den kleinen Reliefs zu Seiten der Tür (zu Saal 19, den wir sodann betreten); es sind die Konkurrenzarbeiten für die Florentiner Baptisteriumpforte (1401) von Brunelleschi, dem bahnbrechenden Architekten der Renaissance, und von G h i b e r t i , dem letzten Gotiker neben Quercia; sein Hauptwerk, die dritte T ü r zur Florentiner Taufkirche, und andere Arbeiten (in Saal 19, Mitte) zeigen seine geschmackvolle, feine Art, seinen Anschluß an die A n t i k e und das ausgehende Mittelalter. Donatello, der Hauptmeister der Frührenaissanceskulptur, mag hier zunächst als Schöpfer großer Statuen, dann als Reliefbildner studiert werden. Von schlanken Proportionen, wie beim S. Georg, und einer weichen, fast gotischen Bewegung, wie beim Marmordavid, kommt er allmählich zu größerer Natürlichkeit in
Die Gipsabgüsse nach italienischen Skulpturen.
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der Haltung und zu einer kraftvollen Charakteristik. So beim Zuccone, den Paduaner Heiligen und der Bronzefigur des asketischen Johannes in Siena. Doch hat er unter dem Einfluß der Antike auch ein Werk von harmonischer, fast klassizistischer Schönheit, den Bronzedavid, geschaffen. Bei den Reliefs vergleiche man die zarte Jugendarbeit: S. Georgs Drachenkampf, mit den ganz auf Fernwirkung berechneten, derben Puttenfriesen von den Sängerkanzeln in Florenz und Prato und den sorgfältig durchgebildeten, chronikartigen Schilderungen von dem berühmten Paduaner Hochaltar. Der dritte große Bildner in Florenz in dieser Epoche war L u c a d e l l a R o b b i a , der feinfühlige Madonneninterpret und der Erfinder farbig glasierter Tonbildnerei. Hier ist er durch das schlichte, ausdrucksvolle Grabmal Federighi, eine seiner wenigen Marmorarbeiten, und die weißglasierte Gruppe der Heimsuchung in Pistoia vertreten, eine der schönsten Konzeptionen der Renaissance. Die jüngeren Plastiker teilen sich in zwei Gruppen: die Marmorbildner und die Bronzegießer. Jene sind oftmals auch Architekten, diese hingegen Goldschmiede und Maler gewesen; und sie hatten besonderes Interesse für gewisse Darstellungsprobleme, so die Durchbildung der Aktfigur. — Man erkennt das an A n t o n i o Poll a i u o l o s interessanter Herkulesgruppe, an B e r t o 1 d o s Schlachtenrelief mit den vielen kleinen, kühnbewegten Gestalten, und endlich an Verrocchios Brunnenfigur: dem Knaben mit dem Delphin und der zierlichen Davidfigur, die zum Vergleich mit D o n a t e 1 1 o auffordert. Den Stil der gleichzeitigen, großen dekorativen Marmorwerke lehren das Grabmal des Kardinals von Portugal von A n t o n i o R o s s e l l i n o und B e n e d e t t o d a M a i a n o s prachtvolle Kanzel erkennen (Saal 22); man beachte auch F e d e r i g h i s zierlich ornamentierten Dombrunnen als sienesische Arbeit und (im Saal 25) A n d r e a B r e g n o s Grabmal des Kardinal Rovere (Saal 25), als Beispiel des lombardisch-römischen Stils. Wertvolles leistete auch die Generation nach 1450 Führer durch das Kaiser-Friedrich-Museum.
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Die Gipsabgüsse nach italienischen Skulpturen.
im Porträt. Die Marmorbüsten der D e s i d e r i o , A n tonio Rossellino, Verrocchio, Bened e t t o d a M a i a n o , M i n o d a F i e s o l e und C i v i t a 1 e sind treffliche Illustrationen zur Kultur- und Menschheitsgeschichte. Unter den Oberitalienern (Saal 25) beachte man A m a d e o-s Reliefs aus Cremona mit den überschlanken, steifen Gestalten und eckigen Faltenmotiven; dieser Stil mag von der Holzplastik und von der Nachbarschaft Deutschlands beeinflußt sein. Ganz anders die weiche Formengebung des Dalmatiners F r a n c e s c o L a u r a n a , der in Oberitalien, Neapel, Sizilien und Frankreich tätig war und heute durch seine vielfach nachgebildeten Frauenbüsten populär ist. Unter den Venezianern ist A n t o n i o Rizzo, vertreten durch eine weibliche Heilige (?) und das Grabmal Foscari, dann L e o p a r d i s Reliefs und die Porträtbüste der Caterina Cornaro, Cyperns Königin, hervorzuheben. Der Kamin aus florentinischem Sandstein ist eine Originalarbeit von dem Verrocchio-Schüler F r a n c e s c o d i S i m 0 n e. Unter den Bildhauern der Hochrenaissance ist M i c h e l a n g e l o B u o n a r r o t i hier am besten vertreten. Man kann das Wesen dieses ganz großen und eigenartigen Meisters und seine Entwicklung von dem kleinen, figurenreichen Relief mit dem Kentauernkampf (das mit der Reiterschlacht seines Lehrers Bertoldo zu vergleichen wäre) und den frühen Madonneninterpretationen bis zum Moses, den gefesselten Sklaven und den großartigen Gestalten der Mcdicikapellc beinahe lückenlos kennen lernen. — Die gewaltigen Körperformen und starken, komplizierten Bewegungsmotive erscheinen in seinen Schöpfungen als der notwendige Ausdruck eines leidenschaftlichen, seiner Zeit vorauseilenden Genies; bei seinen Schülern und Nachfolgern aber häufiger als Manier, so in der Adonisstatue von V i n c e n z o d c ' R o s s i , die früher auch Michelangelo zugeschrieben war, und in den Passionsreliefs von G i a n B o l o g n a .
Die Gipsabgüsse nach italienischen Skulpturen.
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Hier erkennt man beinahe schon das werdende Barock, während die wenig älteren Arbeiten von L o r e n z e 1 1 i nach Raffael und J a c o p o Sansovinos Bacchus noch ganz die schlichtere Großartigkeit der Hochrenaissance besitzen. Die Bildnisdarstellung wurde nach 1540 kühler und glatter; die Würde des Dargestellten glaubte man so am besten zu zeigen; so L e o n e L e o n i s Büsten von Karl V. Nur aus der Tierdarstellung (Adler und Puter) eines T a c c a spricht unmittelbares, intimes Naturstudium. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kamen neue Schönheitsideale und ein gesteigertes Raffinement im Technischen auf. Der führende Künstler jener neuen Epoche, des Barocks, war L o r e n z o B e r n i n i . Eine reiavolle Frauenbüste lehrt hier wenigstens eine Seite seiner großartigen Tätigkeit und den Kontrast zu den älteren Zeiten kennen. Wir wenden uns zurück durch die Säle 25, 22, 19, 17, 16 und 15, durchqueren das hintere Treppenhaus (27) und betreten den Saal 1 1 .
3*
ABTEILUNG ISLAMISCHER KUNST. Saal 11 und 12.
Palastfassade von Mscbatta.
Das mächtige, höchst merkwürdige Monument, ein Geschenk S. M. des Sultans Abdul Hamid II. an S. M. den Kaiser, der die Gnade hatte, es dem Kaiser-FriedrichMuseum zu überweisen, ist eines der interessantesten Denkmäler, die uns in Vorderasien aus der nachbabylonischassyrischen Zeit erhalten sind. Was wir vor uns sehen, ist der Schmuck des das Eingangsportal flankierenden Fassadenteils, in porösem Kalkstein ausgeführt, etwas über 6 m in der Höhe und, ursprünglich, auf jeder Seite des Portals etwa 24 m breit. Übernommen und übertragen wurden die mächtigen Werkstücke im Winter 1903/1904 durch den Baurat Dr. Schumacher in Haifa und Professor B. Schulz in Charlottenburg, der gleichzeitig die Ausgrabungen in Baalbek leitete. Die Mittel zur Durchführung des schwierigen Transportes verdanken die Kgl. Museen Sr. Durchlaucht dem Fürsten Guido Henckel von Donnersmarck. Dieser Teil der Fassade ist bis auf die beiden untersten Steinlagen ganz mit dichten Ornamenten bedeckt. Die am stärksten in die Augen fallenden dekorativen Elemente sind, außer dem kräftigen Sockel und dem stark ausladenden Gesims, große Zickzacklinien, die stark hervortretende Rosetten einfassen und sich quer über die ganze Fassade ziehen. Sämtliche Profile wie die ganze Fläche sind förmlich übersponnen mit den reichsten Ornamenten, die teils von der Antike abgeleitet, teils orientalischen Ursprungs sind, und in denen das spätere arabische Ornament vielfach in seinen Vorbildern erscheint. Der Raum zwischen und über den Zickzacklinien ist bedeckt mit Weinlaub, das, aus einer Vase oder aus dem
Die islamische Kunst.
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Boden herauskommend, die ganze Fläche rankend Uberzieht, und in dessen Zweigen sich Vögel bewegen, während zu seiten der Vasen Löwen, Greife, Kentauren und andere vorwiegend vorderasiatische Fabeltiere stehen. Die technische Behandlung zeugt von großer Kunstfertigkeit; dadurch, daß das Relief kräftig eingegraben ist, taucht das Ornament hell aus dem Tiefendunkel auf und konnte so in dem blendenden Licht der syrischen Wüste besonders wirkungsvoll zur Geltung kommen. Der Palast von Mschatta (der arabische Ausdruck für Winterlager), etwa zwei Tagereisen östlich vom Jordan am Rande der syrischen Wüste, ganz nahe der Pilgerstraße nach Mekka, gelegen, galt früher als ein Bau eines der letzten Sassanidenfürsten, ChosroSs II. (f 628 n. Chr.), der eine Zeitlang nicht nur Syrien, sondern auch Ägypten unterworfen hatte. Prof. J . Strzygowski, dem das Museum die Anregung zur Erwerbung (bei der auch die Herren Prof. Euting und Brünnow behilflich waren) verdankt, hat nachzuweisen versucht, daß der Bau wesentlich älter sein müsse. Er ist geneigt, ihn auf die Zeit um 400 n. Chr. zurückzuführen und weist ihn Baumeistern aus Mesopotamien zu, die sich christlicher und persischer Arbeiter bedienten. Der antike Einfluß läßt sich am stärksten in der am besten erhaltenen Seite links vom Portal erkennen, während in der Ornamentik der rechten Seite, in welcher Tiere ganz fehlen, rein orientalische Motive dominieren, die an sassanidisch-persische Denkmäler erinnern. Doch hat die Entdeckung einer Reihe von anderen, ähnlichen Schloßanlagen in der Nähe von Mschatta, die nachweisbar aus den ersten Jahrhunderten des Islams, dem 7.—8. Jahrhundert, stammen, im Gegensatz zu den früheren Datierungen die Vermutung nahegelegt, daß auch Mschatta in die gleiche Zeit zu setzen ist und vielleicht erst von einem omajjadischen Kalifen von Damaskus in der ersten Hälfte des 8. Jahrh. n. Chr. errichtet wurde. Gegenüber der Fassade sind die Bruchstücke einer Portalumrahmung von einem der erwähnten Bauwerke, von dem Schlosse El Tuba, aufgestellt. Sie zeigen eine der Fassade von Mschatta, verwandte Dekoration. — Von dem Schlosse
3«
Die islamische Kunst.
Amra besitzt das Museum einige Fragmente der Freskomalereien des Inneren, vor allem die Darstellung einer nackten weiblichen Figur, die noch ganz in spätantikem Geiste aufgefaßt ist. Dieses kleine Wüstenschloß Kuseir Amra ist nachweislich zwischen den Jahren 715 und 740 erbaut worden. In einem Pultschrank sind ägyptische und syrische Elfenbeinarbeiten, sowie ein kufisches, reich verziertes Koranfragment des 8.—9. Jahrhunderts, in der Vitrine am Fenster einige Tongefäße und Sarkophag-Fragmente früh- und vorislamischer Zeit ausgestellt. Verwandt damit sind zwei freistehende, glasierte Vasen (neben der Tür). An der Seitenwand vor dem Treppenhaus sind einige Abgüsse von Portalstücken, Fenstern und Ornamenten kirchlicher Bauten Nordsyriens aufgestellt, die als Geschenk von Mr. Allison V. Armour in New York an das Museum gelangten. Siö zeigen eine der Fassade von Mschatta verwandte Ornamentik, aber ohne ausgesprochen orientalische Beimischung. Ebenda einige vorislamische Stoffreste, aus ägyptischen Gräbern. Die beiden korridorartigen Säle, die sich an den großen Mschatta-Raum anschließen, enthalten Kunstwerke des islamischen Orients mit Ausschluß der jüngeren Zeit, die im Kgl. Kunstgewerbemuseum vertreten ist. Der weitaus größte Teil der Gegenstände ist durch Geschenk oder Leihgabe in das Kaiser-Friedrich-Museum gelangt.
Saal 10. Sammlung Friedrich Sarre. Diese Sammlung islamischer Kunst ist von Prof. Sarre größtenteils auf seinen Reisen im mohammedanischen Orient zusammengebracht und den Kgl. Museen leihweise überlassen worden. Die ausgestellten Objekte sind meist persischer Herkunft und bilden eine glückliche Ergänzung zu den Beständen des Museums (s. Saal 9). Hervorzuheben sind mittelalterliche Tonwaren aus Raghes in Persien und Rakka am Euphrat, persische Lüsterfliesen, persische Halbfayencen nach chinesischen Porzellanvorbildern, mit Edelmetall tauschierte, sogen. Mossulbronzen,
Die islamische Kunst
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emaillierte Gläser (vgl. Saal 9), einige Waffen und Stoffe, und unter den Teppichen ein prächtiger Tierteppich des 16. Jahrhunderts. Am Ende dieses Saales, bereits zur Sammlung des Museums gehörend, sind drei ganze Wände und einzelne Zierbretter aus einem Hause in Alcppo zur Aufstellung gelangt, die von einem persischen Künstler in figürlichen und ornamentalen Motiven zu Beginn des 17. Jahrhunderts ausgemalt wurden. Saal 9. Teppichsaal. Dieser Saal erhält seinen Charakter durch eine gewählte Sammlungvorderasiatisch er.mcistpersischer T e p p i c h e , großenteils Prachtstücke von ungewöhnlich guter Erhaltung. Die große Mehrzahl der Teppiche stammt aus einem Geschenk des Generaldirektors Dr. Bode zur Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums. Besonders bemerkenswert ist 'Zunächst der große Tierteppich an der hinteren Schmalwand, eine persische Arbeit aus dem 16. Jahrhundert, die in ihrer Zeichnung und ihrem Dekor den starken Einfluß der chinesischen Kunst bekundet. An der Hauptwand hängen zwei schmale, sehr lange Teppiche, deren Felder stilisierte Tiere zwischen Pflanzenornament aufweisen, unter ihnen wiederholt den aufrechtstehenden chinesischen Drachen. Die Herkunft dieser wohl noch aus dem 15. Jahrhundert stammenden Teppiche ist vielleicht im ehemaligen Armenien zu suchen. Zwischen beiden ein ebenfalls früher, persischer Typus mit großem Medaillon, Eckzwickeln und schöner Borte. Ein langer, sehr fein geknüpfter Teppich mit Arabeskenranken gehört der Zeit um 1500 an. Ein mittelgroßes Stück, jetzt von quadratischer Form, mit großen Blüten und Blättern, stammt aus dem nordwestlichen Persien vom Beginn des 16. Jahrhunderts. Aus dem 16. Jahrhundert ferner ein sog. Hcratteppich und aus dem 17. ein sog. Damaskusteppich, beide mit rotem Grund, an der Ausgangswand ein blauer, prachtvoller sogen. Vasenteppich des 16. Jahrh. An der Fensterwand hängen in Rahmen ein paar kleinere Teppiche, darunter einer von
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seidenartigem Glanz, ein charakteristisches Beispiel der sogenannten Damaskusteppiche, ferner ein äußerst prächtiger, mit Silberfäden durchschossener persischer Seiden teppich des 17. Jahrhunderts (sogen. Polenteppich), ein sehr reizvoller persischer Baumteppich, ein sehr frühes Bruchstück mit einer stark stilisierten Tiergruppe (Drache und Phönix) in zwei achteckigen Feldern, und ein gewirkter persischer Seidenteppich des 17. Jahrhunderts. In mehreren Schränken und Vitrinen sowie an den Wänden sind Beispiele der verschiedenen Zweige des älteren islamischen Kunstgewerbes aufgestellt. Die beiden vorderen Vitrinen und der erste Wandschrank enthalten persische und syrische Fliesen- und Gefäßkeramik des 12.—14. Jahrh. in verschiedenen Techniken, unter denen die der Lüsterfayence für den mohammedanischen Orient besonders charakteristisch und durch hervorragende Beispiele vertreten ist. Ein Hauptstück persischer Keramik ist die freistehende, große, hellblaue Vase mit Reliefdekoration, die wohl aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammt. Die Metallarbeiten sind in zwei Vitrinen untergebracht; die eine enthält Bronzegefäße mit Silber- und Goldtauschierung (sog. Mossulbronzen), wie sie im 1 3 . — 1 4 . Jahrhundert in Mesopotamien, Syrien und Ägypten hergestellt wurden (darunter ein großer Korankasten aus Kairo); in der anderen sind gegossene Bronzen (zum Teil frühislamische Tierdarstellungen), Schmuckstücke • aus Gold und einiges Silbergerät (Halbfigur des Sassanidenkönigs Narses, Schale mit Lautenspieler, Kanne mit getriebenen Reliefmotiven u. a. m.) zur Schau gestellt. Eine weitere Vitrine zeigt geschnitzte und bemalte Kästen aus Elfenbein und sog. »Olifante«, alle syrischer oder sizilischer Provenienz und meist aus dem 12. Jahrh. Den Glanzpunkt des Saales bilden die emaillierten und vergoldeten syrischen Glasgefäße (Tischgerät und Moscheeampeln) aus dem 13.—14. Jahrh. (darunter 3 Leihgaben der Sammlung Sarre); sie finden ihre Ergänzung in einer Serie von kleinen emaillierten Bechern, die im letzten Wandschrank mit Erzeugnissen anderer islamischer Glastechniken (zum Teil
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aus der Fatimidenzeit Ägyptens) aufgestellt sind. Im letzten Teile des Saales bemerkt man ferner einige Holzschnitzereien aus Kleinasien und Persien, darunter einen prachtvollen Koranständer und eine Doppeltür, beide seldschukische Arbeiten des 13. Jahrhunderts. Am Ausgange zum nächsten Saale finden sich noch arabische Grabsteine aus Kairo und Wandverkleidungen mit farbigen Fliesen aus Kleinasien und Transkaspien.
Saal 4. Saal der Stoffsammlungen. Durch den Saal 8 hindurch gelangt man links in Saal 4 mit drei italienischen Pozzi (Brunnen) in der Mitte. Freistehende Rahmen und eine Fensterwand enthalten eine Auswahl der wertvollen, aus ägyptischen Funden bestehenden Reinhardtschen Stoffsammlung. Die rechts aufgestellten freistehenden Rahmen enthalten die koptischchristlichen Stoffe. Zu diesen gehören auch einige sehr wertvolle, von S. M. dem Kaiser geschenkte, aus der Sammlung von Jenisch stammende Stücke, die an der Wand aufgehängt sind (u. a. ein Hemd von friesartigem Leinenstoff, ein großer Vorhang mit Tier- und Baumornamenten). Daneben ein zweiter Vorhang mit Arkade und großer Borte. Die übrigen, links stehenden Rahmen enthalten vor allem arabische Textilien verschiedenster Art; historisch besonders wertvoll sind fatimidische, gobelinartig gewirkte Seidenstoffe. Die beiden Vitrinen der rechten Saalseite enthalten, abgesehen von einer Serie von Menasfläschchen aus Abu Mina und anderen Tongegenständen koptischer Herkunft, vornehmlich Beispiele glasierter byzantinischer Keramik des Mittelalters. Eine reiche, aus farbigem Stein und bemaltem Stuck hergestellte Wandnische stammt aus einem samaritanischen Hause in Damaskus (um 1600), ein großes, durchbrochen geschnitztes, maurisches Doppelfenster des 15. Jahrh. aus Murcia. Ferner sind in diesem Saal links eine Anzahl kleinasiatischer alter Teppiche aufgehängt; sodann enthalten zwei Vitrinen keramische Objekte, zumeist Funde aus_ Ausgrabungen in Fostat und anderen islamischen Orten Ägyptens. Ebendaher stammen die in
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einer Drehvitrine ausgestellten frühislamischen, meist stark oxydierten Bronzegeräte. Der Wandschrank am Ausgang links birgt vor allem mittelalterliche, unglasierte Tongefäße mit Reliefdekor aus Mesopotamien, daneben auch einige kleinere ägyptische Holzschnitzereien, von denen eine weitere Serie in einem Fensterpult ausgelegt ist, während an der rechten Seite der Ausgangswand einige frühe, im sog. Tulunidenstil geschnitzte Bretter Platz gefunden haben. Daneben zwei große Buchdeckel aus der Mamlukenzeit und eine Pultvitrine mit weiteren Ledereinbänden ägyptischer Technik. Unter den Teppichen sind besonders drei Exemplare des 16. Jahrh. mit sog. Holbein- und Uschakmustern, ein sog. Gartenteppich (um 1700) und ein frühes spanischmaurisches Stück (14. Jahrh.) zu beachten. A n m. Die islamische Abteijung wird voraussichtlich im Jahre 1915 in das z. Z. im Bau begonnene Asiatische Museum in Dahlem überführt werden.
Das Hauptportal dieses großen Saales führt durch die große Nische der Basilika (3) geradeaus zu der SAMMLUNG DER DEUTSCHEN UND NIEDERLÄNDISCHEN SKULPTUREN.*) Hier sind mit den plastischen Arbeiten einige wertvolle Glasgemälde und die deutschen Tafelbilder des 1 3 . — 1 5 . Jahrhunderts vereinigt, an denen das Museum besonders reich ist. Die engen Beziehungen zwischen Plastik und Malerei im frühen und späten Mittelalter legten eine solche Zusammenordnung nahe. Ferner sind einige französische Bildwerke hier aufgestellt. Die Sammlung ist auf die Säle 23, 24, 2 1 , 20 und 18 verteilt, und zwar in folgender Weise: Der an die »Basilika« anstoßende große Saal (23) ist durch Scherwände in Abschnitte gegliedert, in denen, möglichst nach Schulen und Meistern geordnet, die Arbeiten der deutschen Frührenaissance (1450—1525) mit Ausnahme der niederrheinischen, Platz gefunden haben. Der letzte (4.) Abschnitt geht rechts in den sog. Emporensaal (24) über, in dem vereinigt wurde, was an romanischen und gotischen Skulpturen wie an Tafelbildern dieser Zeit vorhanden ist; Abschnitt 4 schließt sich mit seinem Inhalt zum Teil noch dem Emporensaal an. Links, dem Emporensaal gegenüber, führt eine Tür in einen kleinen, gewölbten Raum (21), in dem hauptsächlich Werke der deutschen Hochrenaissance aufgestellt sind. An ihn schließt sich der große gewölbte Saal (20), der noch einige *) Die beigefugten Nummem sind die des großen illustrierten Kataloges: Kgl. Museen. Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epochen, Band IV: „Die deutschen Bildwerke und die der anderen cisalpinen Länder", von Wilhelm Vöge, Berlin 1910, und Band I : Die Elfenbeinbildwerke, von Wilhelm Vöge, Berlin 1 9 1 1 . Die Nummern ohne römische Zahlen beziehen sich auf das „Beschreibende Verzeichnis der Gemälde im Kaiser-FriedrichMuseum". Berlin 1 9 1 2 .
Deutsche und niederländische Skulpturen.
süddeutsche, außerdem aber Werke der niederrheinischen Schule enthält, ferner in mehreren Glaskästen die kleinen Bildwerke in Holz, Elfenbein, Perlmutter, Speckstein, Zinn und Bronze. Ein großer Glasschrank, der jenseits dieses Saales in dem Raum an der kleinen Treppe (18) steht, enthält-im wesentlichen gleichfalls niederrheinische Arbeiten. Um den chronologischen Zusammenhang zu wahren, der durch die Anlage der Räume nicht durchzuführen war, durchschreiten wir den Saal 23 und wenden uns rechts in den
Saal 24.
IV. 29 1216 A
IV. 34
iv. 91
Romanische und gotische Bildwerke.
Diesem Räume gibt die im Grunde desselben eingemauerte große romanische W e s t e m p o r e aus der Benediktinerkirche Kloster-Gröningen stammend (12. Jahrhundert), das Gepräge. Aus einer zementartigen Stuckmasse bestehend, wie sie gerade in Halberstadt und Umgegend damals viel verwendet wurde, und nach vorn (oberhalb einer nicht mitübertragenen kleinen Apsis) im Halbkreis ausladend, zeigt die Brüstung derselben eine Darstellung des thronenden Christus als Richter mit den Wundmalen zwischen den zwölf Aposteln (nur zehn erhalten). An den derben, doch nicht rohen Reliefs Spuren alter Bemalung. — Über der Empore ein süddeutscher Kruzifixus aus dem Ende des 12. Jahrhunderts und unterhalb eines der frühsten uns erhalten gebliebenen deutschen Tafelbilder, der S o e s t e r A l t a r a u f s a t z aus dem frühen 13. Jahrhundert, mit Darstellungen von Christus vor Kaiphas, der Kreuzigung und den Frauen am Grabe, stark byzantinisierend in Stil und Auffassung. Links daneben ein südfranzösisches (toulousanisches) oder nordspanisches Steinrelief mit thronendem Christus. Ferner über dem Altaraufsatz schöne deutsch-romanische Kapitelle des 13. Jahrhunderts; mehrere andere an der Längswand und der Fensterwand des Saales als Sockel für Statuen verwendet. Unter dem Soester Aufsatz noch ein f r a n z ö s i s c h e s aus der Normandie stammendes M a r morretabulum (Altaraufsatz) aus dem 14. Jahrhundert, von feiner Arbeit. In der Ecke links ein in der
Deutsche und niederländische Skulpturen.
Aufstellung unter einem Baldachin feierlich wirkender jugendlicher Apostel, eine norddeutsche Arbeit aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts. Neben der Türe rechts eine mittelrheinische Madonna, die dem Kinde die Brust gibt (um 1200). Vor der Empore steht frei im Räume auf einer gedrehten Säule ein nordfranzösischer, überaus anmutiger Kandelaber-Engel. Die Gruppe der romanischen Arbeiten setzt sich an der Fensterwand fort. Am Mittelfenster, vor einem herrlichen G l a s f e n s t e r , einer f r a n z ö s i s c h e n Arbeit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts (aus Poissy bei Paris stammend, es zeigt eine weibliche Heilige in reichem Gerank), eine wahrscheinlich flandrische Madonna des 14. Jahrhunderts aus Marmor mit besonders schön gearbeitetem Gewand und ein aus weißem Kalkstein gefertigter Engel (bayrisch, erste Hälfte des 15. JahrHunderts). Die beiden seitlichen F e n s t e r ebenfalls mit schönen romanischen Glasgemälden in Medaillonform (aus Schloß Mainberg in Franken stammend, 12. Jahrhundert), mit Christus und der Sünderin und der Austreibung aus dem Tempel. Vor dem Fenster links ein sog. Palmesel (niederbayrisch, 13. Jahrhundert), wie sie in den Prozessionen des Palmsonntags verwendet wurden, bemerkenswert als frühestes bekanntes Exemplar. Links davon ein sitzender Engel aus einer Darstellung der Frauen am Grabe (niederrheinische Arbeit um 1200), ausgezeichnet durch die Klarheit und Strenge der Gewandbehandlung; rechts eine, wahrscheinlich brabantische, thronende Madonna (um 1250). Am Fenster rechts steht eine aus Sandstein gemeißelte, anmutige Madonna (bayrisch, erste Hälfte des 15. Jahrhunderts); daneben ein kniender Johannes d. T. (auf Kalkstein, norddeutsch, 14. Jahrhundert). Links aus einem spätromanischen Doppelkapitell eine Maria mit dem Kinde, elsässische Arbeit um 1400. In der Ecke eine thronende Madonna mit einer Nische in der Brust zur Unterbringung einer Reliquie, fränkisch, 14. Jahrhundert. Die plastischen und kleineren malerischen Arbeiten an der Langwand gegenüber den Fenstern gruppieren
IV. 97 IV. 4 IV. 39
IV. 88 IV. 65
IV. 31
1 v. 3 iv. 38 iv. 64 IV. 78 inv. 5 5 8 7
IV. 46
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sich um drei größere Tafelbilder; diese sind (von rechts nach links): x. Rechteckiger Altaraufsatz mit Dreieinigkeit, Maria 1216B und Johannes d. Evang. ( w e s t f ä l i s c h e S c h u l e nach 1250), den byzantinisierenden Stil des Soester Auf1216 A satzes in manieristischer Übertreibung zeigend. 2. In der Mitte der Wand ein großer, kleeblattförmiger Altaraufsatz ( n i e d e r s ä c h s i s c h e Schule, zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts) mit der Darstellung 157° der Kreuzigung Christi und Krönung Mariä, wo der byzantinische Stil mit gotischen Elementen sich mischt. 1624 3. Thronende Madonna, b ö h m i s c h e Schule um 1350, aus Glatz, von hervorragendem Farbenreiz. Neben und unter diesen Hauptstücken sind Skulpturen und kleine Bilder angebracht, und zwar unter i : eine der Mitte des 15. Jahrhunderts entstammende, süd• V. 235 deutsche Madonna mit Engeln; drei besonders feine K ö p f e in Sandstein vom S c h ö n e n B r u n n e n in IV. 53 N ü r n b e r g , Ende des 14. Jahrhunderts; ein vermutlich oberdeutsches Diptychon (um 1400) mit Kreuzi1620 gung und Erscheinung des Auferstandenen; k ö l n i s c h e s D i p t y c h o n (nach 1360) mit Madonna und 1627 Gekreuzigtem; zwei kleine T a f e l b i l d e r d e r b ö h 1219 m i s c h - s c h l e s i s c h e n S c h u l e um 1400 mit u. 1221 Verspottung und Kreuzigung Christi. Neben 2 stehen IV. 44 11. 45 zwei große S a n d s t e i n f i g u r e n d e r h l . K ö n i g e aus einer Anbetungsgruppe (fränkisch, erste Hälfte des 14. Jahrhunderts); zwischen ihnen, in der Mitte auf einem gotischen Blätterkapitell angebracht, eine G r u p p e d e r IV- 55 P i e t à aus weißem Kalkstein, feine süddeutsche Arbeit um 1400, aus der Nähe von Wien stammend; links davon IV. 52 eine Gruppe zweier a n b e t e n d e r K ö n i g e und eine IV. 57 k l a g e n d e M a r i a , beide, wie auch der rechts angeIV. 56 brachte Prophet, N ü r n b e r g e r Tonbildwerke des 14. Jahrhunderts. Eine etwas spätere süddeutsche Tonarbeit sehen wir in dem gut charakterisierten südIV. 67 deutschen schlafenden Apostel daneben. Neben der Glatzer Madonna steht rechts eine S t a t u e IV. 54 K a i s e r K a r l s IV. in Sandstein, aus Nürnberg, nach
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der Mitte des 14. Jahrhunderts); rechts daneben eine Gruppe der K r ö n u n g M a r i a in braunem Holz, niederrheinische Arbeit des 14. Jahrhunderts, und der Apostel Johannes, eine dem vorher genannten schlafenden Apostel engverwandte Tonarbeit, aber noch mit der alten Bemalung. Links vom Bilde eine Statue der Madonna auf der Mondsichel, aus Ton, mittelrheinisch, um 1420, daneben ein kleines Gemälde im Rund, Krönung der Maria, französisch um 1410, und ein kleines burgundisches Triptychon (um 1390), darstellend die Dreieinigkeit und die vier Apostel; ganz links vor dem Pfeiler eine hl. Katharina (süddeutsch, um 1400). In der Mitte des Saales ein Pultschrank, in dem die d e u t s c h'e n u n d französischen Elfenb e n e aus frühmittelalterlicher und romanischer Zeit, ferner die gotischen Bildwerke deutscher Herkunft in Elfenbein und Bronze Platz gefunden haben. Zu erwähnen sind: 1. an der Langseite nach dem Fenster zu: in der Mitte das große deutsche Kruzifix des 12. Jahrhunderts, von den Elfenbeinen: Abendmahl und Fußwaschung, Metzer Arbeit des 9. Jahrhunderts; Christus im Tempel, Hochzeit zu K a n a und Heilung des Aussätzigen (unten rechts), Metzer Arbeit des 10. Jahrhunderts; aus derselben Schule eine Verkündigung der Maria; Christus, umgeben von den vier Evangelisten, hervorragende Arbeit eines Echternacher Meisters vom Ende des 10. Jahrhunderts mit auffallend naturalistischen Zügen; Christus von Engeln getragen, aus der Gegend von Nevers, 12. Jahrhundert; links und rechts davon ein Diptychon mit der bemerkenswerten Darstellung der mönchischen Pflege von Kunst und Wissenschaft, wohl aus St. Martin in Tours ( 1 0 . — 1 1 . Jahrhundert). — Oben auf dem Aufsatz: Reliquienkasten, Anfang des 1 1 . Jahrhunderts; in der Mitte ein großer Reliquienkästen mit Christi Himmelfahrt, umgeben von Passionsszenen, eine deutsche Arbeit des 12. Jahrhunderts. Darunter ein Relief mit der Darstellung im Tempel, rheinische Arbeit des 10. Jahrhunderts, Geschenk S. M. des Kaisers; links davon ein kleines Sitzbild der Madonna mit dem
IV. 70 IV. 66 IV. 74 1648 1688 IV. 48
IV. 458 1.29 1.31 X. 28 I- 38 1.77
I- 42 1. 64
I. 120
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Kinde im Stil der Freiberger goldenen Pforte; daneben das Mittelstück eines Klappaltars mit der Kreuzabnahme Christi, ein rheinisches Holzrelief um 1150. Rechts 1. 137 oben eine sitzende Madonna mit teilweiser Bemalung (deutsch, Ende 14. Jahrh.) und dahinter eine achteckige 1.58 Reliquienbüchse mit Aposteln (rheinisch, 12. Jahrh.). Geht man nach
Saal 23 (Abschnitt 4). zurück, so sieht man unter dem Bogen rechts eine aus den iv. 40 Cevennen stammende Statue der thronenden Madonna aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, links hinIV. 47 gegen eine zweite schwäbischen Ursprungs (um 1350) und IV. 71 eine dritte derartige Darstellung dicht daneben, die vom Niederrhein stammt und der zweiten Hälfte des 14. J a h r hunderts angehört. Ihr gegenüber eine vielleicht nieder IV. 251 bayrische bemalte Tonstatue der Madonna (um 1480). 1207 Auf der an den Emporensaal sich anschließenden Scher— 1210 wand hängen vier T a f e l b i l d e r d e s N ü r n b e r g e r M e i s t e r s B e r t h o l d L a n d a u e r , Außenund Innenseiten zweier Flügel eines Altars, den zu Anfang des 15. Jahrhunderts die Familie Deichsler in eine Nürnberger Kirche gestiftet hat. Zwischen den Tafelbildern IV. 49 eine bemalte H o l z s t a t u e d e r M a d o n n a , süd deutsch, Ende des 14. Jahrhunderts. Darunter die beIV. 63 malte Sandsteinstatuette einer knienden Stifterin (bayrisch, erste Hälfte des 15. Jahrhunderts), auch kostümgeschichtlich bemerkenswert; links davon ein Kölner Tafel 1205 A bild derMaria mit demKinde,daneben ein hübscher F l ü g e l 1238 a 1 1 a r , der vielleicht von der Hand Hermann W y n r i c h s v o n W e s e l stammt, Maria inmitten weiblicher Heiligen. 1217 Rechts von der Stifterinfigur eine Vera Ikon in der Art des Kölner M e i s t e r s W i l h e l m , Ende des 14. Jahrh. Links und rechts von den Tafelbildern des Meisters IV. 60 Berthold zwei Statuen des hl. Georg, wovon die rechte eine bemerkenswerte Darstellung der ritterlichen Bewaffnung aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts gibt. Links 1224 neben der Scherwand K ö l n e r B i l d e r f i b e l (ebenfalls auf der Stilstufe des M e i s t e r s W i l h e l m ) .
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An der zweiten Scherwand dieses Abschnittes ein großer F l ü g e l a l t a r a u s d e r S c h u l e d e s IV. 562 M a r t i n S c h o n g a u e r (1445/50—1491) mit Christus am Kreuze und Heiligen. Darunter feine, altbemalte H a l b f i g u r d e r M a d o n n a mit dem Kinde (Stein), IV. 59 erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. Rechts von dieser Scherwand sind die durch große Kraft des Ausdruckes hervorragenden Figuren eines IV. 244—147 ölbergs aufgestellt, oberbayrische Arbeiten um 1515. Da- IV. 101 neben eine Madonna aus gebranntem Ton, ulmisch. Zwischen den Türen zu den Sälen der italienischen Gipsabgüsse eine überlebensgroße, altbemalte H o l z - IV. 100 s t a t u e , Maria als Mutter des Erbarmens darstellend, von G r e g o r E r h a r t , dem Meister des Blaubeurer Hochaltars, um 1490. Rechts davon ein hl. Nikolaus, süd- IV. 6j deutsch, um 14.00, links eine bemalte Sandsteinstatue IV. 197 der Madonna, eine Nürnberger Arbeit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Vor der Madonna des Blaubeurer Meisters, in der Mitte des Abschnittes der » P a t r o k l u s s c h r e i n « , IV. 76 ein aus dem Soester Dom stammender Reliquienkasten aus vergoldetem Silber, 1313 von M e i s t e r S i g e f r i e d gefertigt. Wir wenden uns nun, nachdem wir noch den aus Nassauer Marmor hergestellten Grabstein des 1523 verstorbenen bayrischen Ritters Hans Landinger beachtet haben, zurück in den eigentlichen Saal 23. Deutsche Holzblldwcrke der Spätgotik. An den Wänden links und rechts der großen Eingangstür (dem Zugang von der Basilika) haben zwei große, jetzt aus acht Tafeln bestehende Altarflügel H a n s M u l t s c h e r s Platz gefunden, mit Szenen der Passion (die Außenseiten der Flügel) und des Marienlebens (die Innenseiten), merkwürdige, durch die Kraft des Ausdrucks ausgezeichnete Jugendwerke dieses frühen, in Ulm und Sterzing tätigen oberschwäbischen Meisters, der Maler und Schnitzer in einer Person war. Auf den Tafeln die doppelte Signatur und die Jahreszahl 1437. Fuhrer durch dal Kaiser-Friedrich-Museum.
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Den Multschers gegenüber an den Scherwänden hat IV. »48 man zur rechten Hand neben einem bayrischen Altar mit IV. 270 Anbetung der Könige die bemalten Statuen einer Madonna IV. 271 und eines Papstes im Stil des hauptsächlich in Tirol und Oberösterreich tätigen Malers und Schnitzers M i c h a e l IV. 237/8 P a c h e r (ca. 1435—1501). Über dem Altar zwei Büsten von Heiligen in dunklem Holz (Ende des 15. Jahrhunderts, vom Chorgestühl der Münchener Frauenkirche), Arbeiten des bayrischen Meisters E r a s m u s G r a s s e r . Pachers IV. 373/4 Richtung gehören auch die zwei reich vergoldeten Heiligen statuen, links und rechts von der Eingangstür, an. Zu den Seiten eines an der zweiten Scherwand befindlichen, von dem Meister des Ulmer Hochaltars D a n i e l M a u c h IV. 106 stammenden Reliefs der Sippe Christi zwei in einer oberIV. 249/50 bayrischen Werkstatt entstandene Heilige, Petrus und Georg, welch letzterer in der Frische und K r a f t seiner Charakteristik als besonders gutes Beispiel der Schnitzkunst dieser Gegend sich erweist. Am Sockel des Schreins IV. 293/4 sind kleine südtiroler Reliefs angebracht, interessant wegen ihres engen Zusammenhangs mit oberitalienischen Arbeiten. Am Fenster links eine feine, aus der Gegend von IV. 243 Tegernsee stammende, der Zeit um 1500 angehörige Pietà, IV. 259 und am Fenster rechts eine thronende Madonna von einem niederbayrischen Meister. An den Schmalseiten der Scherwände eine säugende Madonna von einem Meister in der IV. 181 Richtung des Veit Stoß und ein hl. Georg, oberbayrisch, IV. 241 um 1500. Im folgenden Abschnitt (2) sind neben und zwischen vier Altarflügeln des Memminger Malers Bernhard S t r i g e l (1460 oder 1461—1528), paarweis geordnete Heilige darstellend, Reliefs und Statuen s c h w ä b i s c h e r Herkunft aufgestellt, und zwar rechts neben IV. 97 diesen Tafelbildern eine Maria als Mutter des Erbarmens (um 1500), von großer Innigkeit und Keuschheit des Ausdrucks, vielleicht ein Werk des F r i e d r i c h S c h r a m m von Ravensburg; am Fenster die unbemalte (ungefaßte) Statue IY. 278 eines hl. Königs um 1480. An der linken Wand hängt zwischen den Strigelschen Tafeln eine Anbetung der IV. 114 Könige in Holz, von einem bedeutenden, namenlosen
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schwäbischen Meister (um 1510), rechts davon eine hl. Barbara, oberrheinisch. Über den Strigels an beiden Wänden sechs Holzbüsten von Vorfahren Christi (?), die mit neun anderen (an den Wänden gegenüber, in Abschnitt 1, 4 und in Raum 2 0 ) zu einem Zyklus gehören, der das Gestühl der berühmten Fuggerkapelle in der Annenkirche zu Augsburg schmückte, für deren Altar Dürer die Zeichnungen lieferte. Unsere Büsten, bald mehr durch die peinliche Sorgfalt der Ausführung, bald durch Liebreiz des Entwurfs überraschend (die Frauenbüste über der Mantelmadonna), sind Arbeiten des A d o l f D a u h e r von Augsburg (um 1510). Den Strigelwänden gegenüber befinden sich links weitere Werke s c h w ä b i s c h e r Meister: große Krönung der Maria um 1500; unter derselben ein reizvolles, reich vergoldetes Holzrelief mit der Wochenstube der hl. Anna, eine Augsburger Arbeit um 1510, links und rechts davon zwei Reliefs, Christus am Ölberg, das linke von einem elsässischen Meister um 1500, das'rechte, etwas frühere von einem mittelrheinischen, und, durch den feinen Ton der Bemalung ausgezeichnet, zwei Gruppen mit der Messe des hl. Gregor und der Enthauptung der hl. Katharina An der entsprechenden Scherwand zur Rechten Werke des hervorragenden N ü r n b e r g e r Bildschnitzers V e i t S t o ß (ca. 1440—1533) und seiner Richtung; eine große Krönung der Maria, eine Statue Johannes des Evang. und sechs ungefaßte kleine Holzreliefs mit der Verkündung und fünf Passionsszenen, zur berühmten Rosenkranztafel, jetzt im Germanischen Museum zu Nürnberg, gehörig. Am Fenster ein hl. Martin um 1510, schwäbischer Herkunft, und am Fenster auf der entgegengesetzten Seite des Abschnittes wird die Kunst des berühmten Nürnbergers besonders gut durch die beiden lebensvollen Statuen des Evangelisten "und des Täufers Johannes gekennzeichnet. Das zwischen ihnen stehende Doppelbild des dornengekrönten Heilandes und die beiden Heiligen, Magdalena und die Apollonia, an der vorher besprochenen Scherwand zeigen deutlich die feine fränkische Art. An den Schmalseiten der Scherwände (vor Abschnitt 3) ein 4*
IV. 166 IV. 1 1 6 — 1 3 0
IV. 149 IV. 160 IV. 167 IV. 170 IV. 98/9
IV. 182 u. 183 IV. 1 7 3 — 1 7 ?
IV. 190
IV. i8ou. 179
IV. 231/2
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IV. 236 hl. Laurentius, oberbayrisch, um 1490, und gegenüber ein IV. 277 Christusknabe, die frische Arbeit eines vermutlich fränkischen Meisters um 1470. Im Abschnitt 3 eine reiche Auswahl von Werken des W ü r z b u r g e r Bildschnitzers T i l m a n n R i e m e n s c h n e i d e r . In der Mitte der Wand rechts ein wichtiIV. 200 ges, urkundlich beglaubigtes Frühwerk des Meisters, Christus, der Magdalena erscheinend, von dem 1400—1492 entstandenen Magdalenenaltar der Pfarrkirche zu Münnerstadt stammend. Die frühere Zeit des Meisters wird ferner IV. 201 durch die am Fenster links stehende Statue des Apostels Matthäus veranschaulicht. Unter dem eben genannten IV. 206 Relief eine stimmungsvolle Dreifaltigkeitsgruppe (die Taube fehlt) mit Resten alter Bemalung und Vergoldung, IV. 207 daneben links ein sehr feines Engelkonzert und ringsum, IV. 2 1 1 — 2 1 4 an derselben Wand, vier Heilige aus Riemenschneiders Werkstatt, vom Altar der Kitzinger Pfarrkirche stammend. An der entsprechenden Wand linker Hand ebenfalls IV. 208 u. 215 von »Meister Dill« zwei schöne Statuen der Maria mit [V. 2 0 2 — 2 0 5 dem Kinde, unten die Sitzfiguren der vier Evangelisten, IV. 209 von edelster Bildung der Köpfe, ein hl. Georg zu Pferde, in seinem zierlich durchgeführten Plattenharnisch ein lebensfrisches Reiterbild des ausgehenden 15. JahrhunIV. 216 derts; ein hl. Johannes, merkwürdig wegen der gut erhaltenen alten Fassung (Riemenschneider bemalte seine Arbeiten nur selten). Ferner die Wiederholung einer größeren IV. 220 Arbeit des Meisters, eine bunt bemalte Beweinung des Leichnams Christi. An derselben Wand, dem Meister IV. 210 nahestehend, eine Gruppe der klagenden Frauen von einer Beweinung Christi oder Kreuzigung. In der Ecke am IV. 223 Fenster der hl. Eligius, unterfränkisch. Dieser Wand gegenüber sind weitere, R i e m e n S c h n e i d e r und seiner Richtung mehr oder minder nahestehende Werke angebracht, die sich um einen schwäIV. 153 bischen Altar aus dem Anfange des 16. Jahrh. gruppieren. IV. 218 Unter ihnen eine eigenhändige kleine Maria, das Kind anbetend. Am Fenster ein vermutlich aus Unterfranken IV. 224 stammender Jacobus d. Ä. An der entsprechenden Wand rechter Hand ein großer
Deutsehe und niederländische Skulpturen.
o b e r r h e i n i s c h e r Flügelaltar, angeblich aus Basel (um 1500), mit der Anbetung der Könige; rechts darunter ein schwäbischesHausaltärchen(umiS29),mitderhl.Sippe,ein in der Anordnung des Ganzen wie in der Durchführung der Einzelheiten reizvolles, wohlerhaltenes Stück. Links am Fenster eine mittelrheinische Madonna, um 1525. An der Schmalseite der Scherwand zum letzten Abschnitt ein vortrefflicher Kruzifixus von R i e m e n s c h n e i d e r , darunter eine kleine Gruppe der Madonna, die dem Kinde das Fläschchen reicht. Der folgende vierte (und letzte) Abschnitt dieses Saales schließt sich inhaltlich zum Teil an den rechts sich öffnenden Emporenraum an und ist daher im Anschluß an diesen besprochen worden. Wir wenden uns links zu dem kleinen gewölbten
Saal 21.
IV. 168 IV. 113 IV. 172 IV.217 IV. 151
Deutsche Bildwerke der Renaissance und des Barock.
An der Wand dem Fenster gegenüber ein Glasschrank; darüber eine M a d o n n e n s t a t u e in Stein, f r a n z ö s i s c h e Arbeit um 1530 (in der Mitte), links und rechts derselben zwei M a r m o r r e l i e f s , Engel mit Fackeln darstellend, Reste eines Grabmals in Innsbruck von dem Niederländer A l e x a n d e r C o l l i n s , dem 1566 die Vollendung des Grabmals des Kaiser Max übertragen wurde. Darüber ein Kruzifixus, eine schwäbische Arbeit aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts. Zu den Seiten des Glasschranks stehen die großen Porträtbüsten des Willibald Imhoff (Nürnberg um 1570) und seiner Gattin Anna in gebranntem Ton und bemalt, Arbeiten des Niederländers J a n d e Z a r , von lebensvoller Wirkung, Hauptwerke dieser im Norden seltenen Gattung. Im Glasschrank eine Anzahl feiner deutscher Kleinplastiken in Holz. Auf dem Schrank unter einem Glassturz die ausgezeichnete Figur eines Bocciaspielers von dem in Augsburg und Genua tätigen G e o r g P e t e l (1600—1643). Im Pult E l f e n b e i n a r b e i t e n des 17. und 18. Jahrhunderts, meist Reliefporträts berühmter Persönlichkeiten des 17. und 18. Jahrhunderts.
IV.353 IV.374/5
iv. 104 iv. 37a iv. 373
IV. 384
54 IV. 137
Deutsche und niederländische Skulpturen.
An der Wand rechts des Fensters: H a u s a l t a r in Kelheimer Stein mit Passionsszenen, aus der Antoniuskapelle des Imhoffschen Hauses zu Augsburg stammend, eine Arbeit H a n s D a u h e r s (oder Daucher, Schüler seines Vaters Adolf Dauer wie Gregor Erharts, 1 5 0 0 — 1 5 3 7 IV. 257 tätig in Augsburg). Oben darüber ein Relief mit der Taufe Christi, von H a n s L e i n b e r g e r , dem in Landshut zwischen 1 5 1 6 und 1530 nachweisbaren Künstler; es stammt von den Flügeln des Moosburger Altars, eines Hauptwerkes des Meisters. Unter dem Hausaltar zwei nieder IV. 252 bayrische Flachreliefs (um 1515), links die hl. Dorothea, IV. 253 rechts die hl. Agnes, beide von großer Feinheit. An der Wand links des Fensters in der Mitte eine IV. 301 anmutige Arbeit aus Solnhofener Stein Maria im Rosenhag, von einem Meister in der Art des Jodocus Vredis, Ende des 15. Jahrhunderts. Rechts daneben IV. 138 ein Specksteinrelief der S u s a n n a i m B a d e , von großer Feinheit der Durchführung, dem Victor Kaiser zugeschrieben, Anfang des 16. Jahrhunderts; links davon ein IV. 265 Holzrelief, den Liebesbrunnen darstellend, die Arbeit eines bayrischen Holzschnitzers um 1 5 1 5 , der Altdorfersche Motive verwandte. Links daneben wieder eine der IV. 192 seltenen Profanfiguren, ein Dudelsackpfeifer, Nürnberger Arbeit um 1520. Über ihm das in Flachrelief gehaltene IV. 142 lebensgroße Bildnis des Freysinger Bischofs, Herzogs Philipp von Bayern, von der Hand des namentlich als Medailleur bekannten, von 1525—1546 nachweisbaren F r i e d r i c h H a g e n a u e r . Neben dem Fenster ein IV. 268 Flachrelief mit der Allegorie der göttlichen Heilsordnung von P e t e r D e l l , Würzburg, Mitte des 16. Jahrhunderts. In der Mitte des Raumes im Glasschrank: an der dem Fenster gegenüberliegenden Schmalseite eine charakterIV. 171 volle, feine kleine Büste von der Hand K o n r a d M e i t s von Worms (erste Hälfte des 16. Jahrhunderts). Darunter IV. 194 ein Puttenfries, vielleicht von Flötners Hand, und ein IV. 289 ausdrucksvolles Männerbildnis im Halbrelief, ohne Grund, süddeutsche Arbeit um 1530. Unter den sonst auf der IV. 267 Längsseite aufgestellten Kunstwerken sei die Freigruppe
Deutsche und niederländische Skulpturen.
hervorgehoben, das Martyrium des hl. Sebastian, von einem Regensburger Meister (um 1525), das vom schwäbischen Meister M. G. gefertigte Bildnis eines Herrn Schad von Mittelbiberach (1521) und ein männliches Bildnis in Flachrelief, süddeutsch um 1530. In der oberen Reihe seien noch genannt die beiden Reliefs im Rund, Pietà und Anna selbdritt, von H a n s S c h w a r z . Wendet man sich zu der anderen Längsseite, so zieht die in Silber sehr kunstvoll getriebene Madonnastatuette zunächst den Blick auf sich, eine Arbeit des Augsburger Goldschmieds H e i n r i c h H u f n a g e l aus dem Jahre 1482. Links darunter ein Halbrelief aus Solnhofener Stein, Dürers Zweikampf mit Lazarus Spengler von H a n s D a u l v e r , 1522; das Bildnis Karls V. in Relief, aus dem gleichen Material, von L o y H e r i n g , um 1532, und rechts, aus seiner Werkstatt von einem Monogrammistcn D. H. das Halbrelief mit dem Urteil des Paris. Daneben L u d w i g K r u g s , des Nürnberger Meisters, vortrefflieh gearbeiteter Sündenfall. Links von der zum folgenden Räume führenden Tür die bemalte Tonbüste Friedrichs II. von Dänemark vom Nürnberger G e o r g L a b e n w o l f (f 1585), rechts davon eine lebensfrische, bemalte Holzstatuette eines musizierenden Knaben, eine Arbeit P e t e r F l ö t n e r s (um 1530).
IV. 108 IV. 291 IV. 133 IV. 134 IV. 1 1 1 IV. 136 IV. 139 IV. 140 IV. 191 IV. 360 IV. 199
Saal 20. Deutsche Kleinplastik der Renaissance. In der Mitte ist ein bronzener Springbrunnen auf- IV. 475 gestellt, eine gute Arbeit aus der Werkstatt Peter V i s c h c r s , nach dem Wappen darauf für eine aus Leipzig stammende Familie Straub bestimmt. Die den Fenstern gegenüberliegende Hauptwand nimmt zum größten Teil ein mächtiger w e s t f ä l i s c h e r F l ü g e l a l t a r ein (um 1475), e ' n Werk des sogenannten 1222 Meisters von Schöppingen, mit figurenreicher Darstellung der Kreuzigung und anderen Vorgängen aus der Leidensgeschichte Christi. Rechts des Altares schönes Tafelbild des K ö l n e r 1235 » M e i s t e r s d e s M a r i e n l e b e n s « (tätig 1463 bis
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Deutsche und niederUndische Skulpturen.
1480, unter dem Einflüsse des Dierick Bouts), Maria im Grünen unter heiligen Frauen darstellend. Ein Kranz n i e d e r r h e i n i s c h e r S k u l p t u r e n , in dem für diese Schule charakteristischen Eichenholz und unbemalt, umgibt das Gemälde. Links des Altares eine A n b e t u n g 1335 A d e s C h r i s t k i n d e s vom Kölner » M e i s t e r d e r V e r h e r r l i c h u n g M a r i ä « (um 1460—1500),ebenfalls von kleineren plastischen Arbeiten niederrheinischer IV. 311 und niederländischer Schule (schönes Relief der Beweinung Christi) umgeben. An der einen Schmalwand ein stattlicher, reichverIV. 272 goldeter Schnitzaltar mit einer Madonna zwischen Engeln, Tiroler Arbeit um 1480; an der anderen Schmalwand des 1205/06 Saales z w e i g r o ß e A l t a r f l ü g e l (die Rückseiten) eines m i t t e l r h e i n i s c h e n Meisters, die zugehörigen Vorderseiten zwischen den Fenstern (um 1440). Zwischen den Rückseiten eine niederrheinische IV.347 Marmormadonna, 15. Jahrh., zweite Hälfte. Darüber die IV. 154 vortreffliche Statue eines Propheten, eine schwäbische Arbeit um 1500, und daneben n i e d e r d e u t s c h e Skulpturen. Die fünf Fenster des Saales schmücken herrliche G l a s g e m ä l d e nach dem Entwurf (und wahrscheinlich auch von der Hand) des Dürerschülers H a n s B a 1 d u n g gen. G r i e n (Straßburg und Freiburg, 1475/80 bis 1545), aus der Sammlung des Grafen Douglas stammend, ursprünglich für eine Kirche in Freiburg gearbeitet; von einer Schönheit der Farbengebung, wie sie den Tafelbildern Baidungs selten eigen ist. Das Hauptstück, der hl. Georg (Mittelfenster), von ungewöhnlicher Kraft des Entwurfs und der Farbe. Der Saal enthält endlich zwei Wandvitrinen an den Schrägwänden links und rechts der Fenster und drei freistehende Glasschränke. In dem W a n d s c h r a n k links der Fenster sind die [u. 188 deutschen Elfenbeine der Barockzeit aufgestellt, darunter 1.189,190 Adam und Eva (Arbeit von L e o n h a r d Kern), 1.181 ferner Arbeiten des E r a s m u s Q u e l l i n u s und 1.192 vielleicht des A n d r e a s S c h l ü t e r (stehender Her-
Deutsche und niederländische Skulpturen.
kules in der Mitte) und in seiner Art (Herkules und der 1.193 nemäische Löwe dahinter, Omphale, mit Amor spielend, 1.194 links). Im P u l t Flachschnitzereien aus Elfenbein und Perlmutter. Über dem Schrank ein Altarschrein mit der hl. IV. 132 Anna zwischen zwei männlichen Heiligen, oberdeutsch erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. Im W a n d s c h r a n k gegenüber R e l i e f s u n d S t a t u e t t e n i n H o l z : Sitzende Madonna mit dem iv. 300 Kinde in zarter Farbengebung, wahrscheinlich westfälisch, Ende des 15, Jahrhunderts; hl. Christoph, frän- iv. 227 kisch, 15. Jahrhundert, mit schön erhaltener kräftiger Bemalung. Im Pult kleine d e u t s c h e u n d n i e d e r l ä n d i s c h e A r b e i t e n i n P e r l m u t t e r mit biblischen und profanen Darstellungen, Schmuckteile aller Art, bestimmt namentlich zu Mantelschließen und Hutagraffen wie die Plaketten bei den Italienern. Über dem Schrank ein kleiner A l t a r mit zwei Heiligen, ober- IV. 107 schwäbisch, erstes Viertel des 16. Jahrhunderts. Der freistehende G l a s k a s t e n vor dem Mittelfenster enthält eine reiche Zahl vortrefflicher Bleiplaketten Peter Flötners und anderer, unbekannter, namentlich die Stiche der Kleinmeister benutzender Meister. In dem Glasaufsatz veranschaulicht ein zierliches Kabinettschränkchen und ein truhenartiges Kästchen die Verwendung dieser Art von Kleinplastik. Dort noch eine bronzene Madonna Hans Leinbergers. IV. 478 In dem Glasschrank links deutsche und französische Bronzeplaketten und kleine Bronzefiguren, worunter die durch Etiketten hervorgehobenen Arbeiten Peter Vischers und seiner Werkstatt besonders zu beachten sind. Auch der Glasschrank rechts enthält noch Kleinbronzen und Eisenschnittarbeiten. In dieser schwierigen Technik zeichnete sich besonders G o t t f r i e d Leyg e b e aus (1630—1682 in Nürnberg und Berlin tätig), von dessen Hand der in der Mitte des Aufsatzes aufgestellte Große Kurfürst als Bellerophon (1680) und die kleine IV. 498 Platte mit der Austreibung des Heliodor herrührt. IV. 874
Deutsche und niederländische .Skulpturen.
In dem Durchgangsraum (18), der zu den Ausstellungsräumen des Münzkabinetts führt, ein großer Wandschrank, der außer einer Sammlung von Porträtrcliefs des 17. Jahrhunderts in der Hauptsache niederdeutsche Holzschnitzereien enthält. Wir durchschreiten wiederum die eben betrachteten Räume der deutschen Kunst (20, 21 und 23) und wenden uns, in der Basilika angelangt, links in den Eingangsraum (2), der früher nur eine kleine Anzahl deutscher Arbeiten des Barock und Rokoko enthielt und 1 9 1 3 zu einem Ausstellungssaal für N e u e r w e r b u n g e n deutscher K u n s t umgestaltet wurde. Ihre endgültige Aufstellung werden diese wie alle übrigen deutschen Werke erst in dem Neubau erhalten, der sich zwischen dem KaiserFriedrich-Museum und dem »Neuen Museum« erhebt. Die Anordnung im Saal 2, die im einzelnen naturgemäß öftere Veränderungen erleiden wird, geht aus von der dem großen Treppenhaus (Raum 1) zunächst liegenden Seite. Sie entspricht im großen ganzen der zeitlichen Entstehung. Unter den T a f e l b i l d e r n steht an erster Stelle das Werk des oberrheinischen Meisters K o n r a d W i t z : Salomon und die Königin von Saba. Witz, der in andern Werken als ein genialer Neuerer seine Figuren schon in weite Landschaften und perspektivisch vertiefte Innenräume setzt, hat hier wie in den zugehörigen Tafeln des Baseler Museums noch den feierlichen Goldhintergrund beibehalten, von dem sich die Gruppe der beiden Gestalten mit ihren wenigen leuchtenden Farben prächtig abhebt. Die noch mangelhafte Kenntnis des Körpers und der Gesetze seiner räumlichen Darstellung kommt gegenüber der plastischen Wucht des Aufbaus und der Ausdrucksgewalt dieser Gestalten kaum zum Bewußtsein. — Aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammen die beiden süddeutschen Bilder, die in der Mitte der linken
Deutsche und niederländische Skulpturen.
Wand Platz gefunden haben. Das eine zeigt den Stil des Begründers der Nürnberger Schule, H a n s P l e y d e n w u r f f . Das auch als Kulturbild reizvolle »Gastmahl des Herodes« ist dem liebenswürdigen, dem Namen nach unbekannten » M e i s t e r d e s H a u s b u c h s « verwandt. In dem Veronika-Bilde des Malers, der nach dem Bartholomäus-Altar der Münchner Pinakothek benannt ist, steht ihnen ein Beispiel der hochkultivierten, etwas empfindsam gewordenen Kölner Malerei vom Ausgang des 15. Jahrhunderts gegenüber. Die P l a s t i k geht in zwei hervorragenden Elfenbeinschnitzereien (Mittelvitrine) bis ins 14. Jahrhundert zurück. Man darf den »Verrat des Judas«, zu dem das Museum schon früher einige zugehörige Passionsgruppen besaß (Saal 8), sicher als französische Arbeit bezeichnen; bei der Standfigur der »Maria mit dem Kinde« spricht manches für eine Entstehung in Deutschland oder den Niederlanden. Gewiß aber sind beide Werke in ihrer ernsten Großzügigkeit ein Abglanz der Blütezeit, die die monumentale Plastik jenseits des Rheins im 13. Jahrhundert erlebt hatte. Die Holzbildwerke größeren Maßstabes, also die der Altarplastik angehörenden Stücke, setzen erst später ein. Vom Ende des 14. Jahrhunderts stammt vielleicht noch die schwäbische Figur einer h 1. A g a t h e , die sich in den Proportionen wie in der hieratischen Gebundenheit der Haltung heraushebt. In den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts weicht dieser Stil langsam einer lebendigeren Erfassung individueller, scharf beobachteter Einzelzüge. Die reizvolle Gruppe einer » G e b u r t C h r i s t i « (linke Wand) legt davon ebenso Zeugnis ab wie die beiden Darstellungen des Erzengels Michael (ebenda) und die im Körperlichen noch unfreie, in den Gesichtszügen schon sehr anmutige thronende M a d o n n a v o m M i t t e l r h e i n. Die Zeit von etwa 1450—1530 bezeichnet nach Umfang und Bedeutsamkeit der Produktion eine Blüte der deutschen Bildnerei. Die Entwicklung wird unter dem Einfluß der führenden Malerei rascher und glänzender, sie verästelt sich in einer stattlichen Anzahl von Lokal-
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Deutsche und niederländische Skulpturen.
schulen. Jede derselben ist mit charakteristischen Werken unter den Neuerwerbungen vertreten, O b e r b a y e r n durch den kraftvoll stämmigen König aus Tegernsee, A u g s b u r g und sein Hinterland durch zwei kleinere Altäre, unter denen besonders auf die Marienkrönung von Joerg Lederer aufmerksam gemacht sei (rechte Wand, Mitte), U 1 m und F r a n k e n durch zwei Sebastianstatuen von bezeichnender Verschiedenheit: den Ulmer, eine breitwüchsige, stark bewegte Gestalt, verbindet ein Zug zum Monumentalen mit den berühmten Büsten des Ulmer Chorgestühls von Joerg Syrlin; die andere zeigt sich in der Ruhe der äußeren Erscheinung, in dem schmalen, edlen Gesichtstypus, in dem verhaltenen Ausdruck tiefer Empfindung deutlich der Art des Tilman Riemenschneider verwandt. Der O b e r r h e i n stellt sich mit der eigenartigen, frisch-graziösen »Madonna von Dangolsheim« den andern süddeutschen Schulen ebenbürtig zur Seite. Aufs Ganze gesehen, verschwinden freilich die besonderen Ausprägungen des Zeitempfindens vor den gemeinsamen Zügen. Der Einfluß Dürers wird weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus auch in der Plastik spürbar: Wir erkennen ihn ebenso in den geschäftigen, kleinen Engelsgestalten des Altars v o n J o e r g L e d e r e r wie in dem R e l i e f a u s C o l m a r (von 1510), das einen schlafenden Pilger (oder Krämer?) in einer reichen Landschaft darstellt. Überall zeitigt das 16. Jahrhundert eine größere Sicherheit und Freiheit in der Erfassung des Menschlichen und im Zusammenhange damit eine bewußte Unterordnung der Gewandung, die dem Aufbau des Körpers folgen, nicht mehr ihn verhüllen und übertönen will. In diesem Sinne zeigen alle Stücke, die gegen 1525 entstanden sind, eine innere Verwandtschaft, der große schwäbische S i p p e n a 1 1 a r (linke Wand) ebenso wie die Einzelfiguren des hl. Stephanus und des sitzenden Nikolaus (rechte Wand). In der K l e i n p l a s t i k (Mittelvitrine) läßt sich dann die Bewegung noch weiter verfolgen. Hier bezeichnet zunächst die Kreuzabnahme des Niederbayern H a n s Leinberger einen Höhepunkt der selbständigen
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deutschen Entwicklung. Auf kleinstem Räume versteht der Meister nicht nur den Vorgang klar und ergreifend zu entwickeln, er gibt auch mit seinem aus der Spätgotik entwickelten, aber ganz persönlich behandelten Linienstil den Gestalten eine Tiefe des Gefühlsausdrucks, wie er sonst nur in wenigen auserwählten Werken der Malerei anzutreffen ist. Ihm gegenüber wirken L o y H e r i n g mit seinem »Liebesgarten«, einem ausgezeichneten Relief Hans in Kehlheimer Stein, oder des Augsburger S c h w a r z mit seiner »Grablegung« (Holz) fast kühl; beide stehen, wenigstens in diesen Werken, schon deutlich unter dem Einfluß italienischer Formensprache. Gegen Ende des Jahrhunderts übernehmen in Süddeutschland vielfach niederländische Künstler, die ihrerseits die italienische Schulung schon durchgemacht haben, die Führung. Der Meister des Buchsreliefs » M a r i a m i t J e s u s u n d J o h a n n e s « und der der L u c r e t i a s t a t u e t t e gehören dieser Richtung an. Die P l a s t i k d e s 18. J a h r h u n d e r t s kann, namentlich in Bayern, der Blütezeit um 1500 an Umfang und Volkstümlichkeit durchaus an die Seite treten. Proben von ihr finden sich im Raum 2 am Ende. Die Kleinkunst dieser Zeit ist, abgesehen von den Neuerwerbungen, in dem Raum 22 (am Kupfergraben) aufgestellt. Von dem bedeutendsten süddeutschen Meister, F r a n z I g n a z G ü n t h e r , besitzt die Sammlung zwei kostbare Tonmodelle zu großen Altarfiguren (Vitrine im Raum 22) und eine auf Wolken kniende Madonna (Raum 2). Unter den neu hinzugekommenen Stücken steht eine geistvolle Tonskizze: Gott Vater auf der Weltkugel (Raum 2, Mittelvitrine) ihm mindestens nahe. Günthers Werke, in denen ein sprühendes Temperament von untrüglichem Schönheitssinn gelenkt erscheint, veranschaulichen am eindringlichsten die künstlerischen Ziele jener Zeit: es ist die machtvolle pathetische Geste, und daneben der Ausdruck innigster Andacht und Verzückung, die dargestellt werden sollen. Eine Farbigkeit, die Gold und Weiß bevorzugt, ein sprechender, malerisch reichbewegter Umriß sind die wichtigsten Mittel dazu. Fast noch mehr als
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Deutsche und niederländische Skulpturen.
von den Gestalten der gotischen Altarschreine gilt von diesen Schöpfungen, daß sie in einem ganz bestimmten dekorativen Zusammenhang, in den prunkvollen A u f b a u der Altäre, hineinkomponiert sind. Wenn sie auch hier, losgelöst von ihrem ursprünglichen Rahmen, eine zwingende Wirkung üben, so ist dies der beste Beweis für die ursprüngliche bildnerische Kraft, die in dem letzten A b schnitt alter kirchlicher Kunstübung ihre Auferstehung feierte. Wir durchschreiten nun die Basilika nach ihrer ganzen L ä n g e , um in das zweite hintere Treppenhaus (27) zu gelangen, wo monumentale Skulptur des 18. Jahrhunderts aufgestellt ist. Auf den beiden Postamenten, die die Treppe flankieren, haben zwei Bildwerke des französiIV. 448 sehen Meisters Pigalle (1714—85) Platz gefunden, Merkur IV. 449 und Venus, beide in weißem Marmor. Friedrich d. Gr., der j a ein Liebhaber der französischen K u n s t war, erhielt sie für Sanssouci als Geschenk, wo sie im P a r k e gestanden haben, bis sie S. M. der Kaiser den Unbilden der Witterung entzog und sie dem Museum überwies. Den K ö n i g Friedrich selbst mit seinen Generälen sehen wir oben in den Nischen stehen. Mitten Friedrich in einer Kopie nach Schadow (Original in Stettin), rechts Zieten, ebenfalls v o n Schadow, aber Original; ebenso links vom K ö n i g Leopold von Dessau. Zu diesen beiden Denkmälern gehören die unten an den I V . 4 3 4 — 4 3 7 Wänden befestigten Reliefs. Neben Zieten folgt weiter 11. 4 3 9 — 4 4 2 Seidlitz von Jean Pierre Antonie Tassaert, der seit 1775 Hofbildhauer in Berlin war. Von ihm ist auch die Statue Keiths, die links sich an den Dessauer anschließt. Die beiden äußersten Bildwerke, links Winterfeld, rechts Schwerin, sind nach Modellen von F. G. A d a m gearbeitet. Die Feldherrnstatuen standen auf dem Wilhelmsplatz in Berlin, bis sie um 1860 durch Bronzekopien ersetzt wurden.
Saal 13. GIPSABGÜSSE NACH DEUTSCHEN SKULPTUREN. Eine Ergänzung der Originalbildwerke bietet die Sammlung der G i p s a b g ü s s e n a c h Werken d e r d e u t s c h e n P l a s t i k . Da im Kaiser FriedrichMuseum kein Raum vorhanden ist, sie ganz auszustellen, so hat eine Auswahl, die sämtliche Perioden umfaßt, im Erdgeschoß eine vorläufige Unterkunft gefunden. Die ersten bedeutenden Leistungen freier Plastik in N o r d d e u t s c h l a n d sind Werke des E r z g u s s e s , der zumal in Sachsen, besonders in Hildesheim, bald nach dem Jahre IOOO eine erste Blüte erlebte. Hier förderte der in Italien gebildete gelehrte und selbst kunstfertige Bischof Bernward die Künste in reichem Maße, indem er Kirchen baute, die die lange Reihe der romanischen Bauwerke bedeutend eröffneten, und für deren Ausschmückung und Bereicherung Sorge trug. 1015 wurde die berühmte e h e r n e T ü r (jetzt am Dome) vollendet, deren Abguß links neben dem Durchgang ausgestellt ist. Auf den beiden Flügeln, die jeder als ganzes gegossen sind, ist in je acht Reliefs die Schöpfungsgeschichte und die Geschichte Christi dargestellt. Die einzelnen Szenen sind mit wenigen Figuren bestritten. Die Relieftechnik ist noch unvollkommen, der Ausdruck der Köpfe kommt über einen gewissen Schematismus nicht hinaus. Aber aus der lebhaften Schilderung der Vorgänge, den scharf erfaßten Bewegungen der Gestalten spricht eine frisch zugreifende Beobachtungsgabe. Hier wie bei andern deutschen Werken wird d e r Beschauer sich am leichtesten in die Sprache des Künstlers hineinfinden, der nicht nach einer fertigen Schönheitsregel sie zu beurteilen sucht,
Gipsabgüsse Dach deutschen Skulpturen.
sondern vielmehr ihrer Fähigkeit nachgeht, für Innerliches einen charakteristischen Ausdruck zu finden. Darstellungen unserer Bronzetüren wie »Kain und Abel« oder »Der Sündenfall« reden eindringlich davon, wie stark der Meister sich in die Situation hineinversetzt hat. Sie sind daher auch leicht mitzufühlen und nachzuerleben, mögen die Mittel, deren er sich bedient, noch so primitiv und selbst fremdartig sein. Ein zweites Bronzewerk, das man mit Bernward in Verbindung zu bringen pflegt, das aber dem veränderten plastischen Stil nach später sein wird, ist die sogenannte B e r n w a r d - S ä u l e , von der ein Abguß links aufgestellt ist. Nach dem Vorbilde der Trajanssäule in Rom umziehen spiralförmig 28 Szenen aus dem Leben Christi, kaum voneinander getrennt, den Schaft. Statt des hohen Reliefs und der sorglosen Kompositionsweise der Türreliefs mächt sich an der Säule die Tradition der Antike in der gleichmäßigen Oberflächenbehandlung wie in der bewußten Raumfüllung bemerkbar; der frische, derbe Zug, der die Türen so lebendig machte, ist aber einer leeren Auffassung gewichen. Der Ruf der sächsischen Gießhütten muß sich schnell verbreitet haben. Wenigstens begegnen wir weitab von ihrem Ursprungsort Erzwerken, deren Herkunft aus Sachsen sicher oder wahrscheinlich ist. So steht die B r o n z e t ü r an der Kirche S a n Z e n o in V e r o n a der Hildesheimer Tür nahe; sie ist wohl als Stiftung aus Norddeutschland nach der Lombardei gekommen. Von dem umfangreichen Werke sind rechts neben der Eingangstür vier Tafeln ausgestellt. Zeitlich, aber nicht dem Stil und der Technik nach, gehört die B r o n z e t ü r d e s A u g s b u r g e s D o m e s noch hierher. Auch sie wird in der ersten Hälfte des I i . Jahrhunderts entstanden sein, aber vielleicht in Süddeutschland selbst. Die vorhandenen 35 Tafeln, die einzeln auf eine Holztür aufgelegt sind, sind der willkürlich zusammengesetzte Rest von zwei Türen. Stilistisch sind sie durchaus abhängig von älteren antikisierenden Vorbildern (besonders Elfenbeinskulpturen), deren Typen-
Gipsabgüsse nach deutschen Skulpturen.
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schätz nur gering war, so daß Wiederholungen vorkommen. Die Bedeutung der einzelnen Szenen ist nicht bei allen sicher festzustellen. Eine um hundert J a h r e spätere Arbeit der sächsischen Gießhütten ist die B r o n z e t ü r am Dome z u G n e s e n , die noch ein Gegenstück hat in der Tür der Sophienkirche zu Nowgorod. (Mitte des 12. Jahrh.) Die Gnesener Tür zeigt deutlich, welchen Weg die Stilentwicklung genommen hat: der frische, naive Naturalismus, der Sinn für epische ja, für dramatische Wirkung, der die Hildesheimer Reliefs so lebendig machte, ist einem leereren, konventionellen Stil gewichen. Aus der ersten Hälfte des 12. Jahrh. stammt der T a u f s t e i n der Kirche des Nonnenstiftes z u F r e k k e n h o r s t in Westfalen, der laut Inschrift 1 1 2 9 vollendet wurde. Die Reliefs des unteren Streifens erweisen sich noch als von der niedersächsischen Kunst abhängig, während die der oberen Zone deutlich auf Miniaturmalereien als Vorlagen hinweisen. Als ein Beispiel des späteren romanischen Stiles in Hildesheim seien die in Stuck gearbeiteten Figuren der M a r i a u n d des P a u l u s genannt, die sich an den Chorschranken der Michaelskirche befinden. Diese Kirche, von Bernward gegründet, wurde alsbald mehrfach umgebaut und erneuert.; die Figuren der Maria und der sechs Apostel entstammen dem Anfange des 13. J a h r h . Beim Betreten des
Saales 14, der durch Scherwändc in vier Abschnitte zerlegt ist, verweilen wir einen Augenblick bei dem geradezu aufgestellten Braunschweiger L ö w e n , der sich den besprochenen Werken der sächsischen Gießkunst anschließt. Heinrich der Löwe errichtete ihn 1 1 6 6 vor seiner Burg als sein Wahrzeichen. Der Abguß zeigt deutlich, welche Monumentalität in diesen streng stilisierten und fast heraldischen, aber dabei lebendigen Formen steckt. Die plastische Durchbildung und die Technik des Bronzegusses sind gleich vortrefflich. Führer durch das Kaiser-Friedrich-Museum.
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Wir wenden uns nunmehr rechts in den Raumabschnitt 1 , der noch weitere romanische Bildwerke enthält. Das früheste Stück ist die gleich rechts an der Scherwand hängende A l t a r t a f e l v o n A a c h e n (zweite Hälfte des io. Jahrh.). Die in Goldblech getriebenen Reliefs zeigen Szenen der Passion in antikisierendem Stile. Ein Hauptwerk romanischer Kunst ist das T a u f b e c k e n d e r B a r t h o l o m ä u s k i r c h e in L ü t t i c h , dessen Abguß frei im Räume aufgestellt ist. Das prachtvolle Bronzewerk ist 1140 von Renerus van Huy gegossen worden. Der Stil ist überraschend reif und edel für die Zeit, die Szenen würdig und treffend komponiert. Die zwölf Stiere, die das Becken tragen, sind vorzüglich in der Bewegung. Dagegen ist das H i l d e s h e i m e r T a u f b e c k e n , das ungefähr hundert Jahre später (um 1250) entstand, bereits ein erheblicher Rückschritt. An dem Kessel selbst, der von den vortrefflichen Figuren der vier Paradiesesflüsse getragen wird, sind ebenso wie auf dem Deckel zahlreiche Szenen dargestellt, mit denen die künstlerische Komposition sich ganz geschickt -• abgefunden hat; aber die Durchbildung der Körper, die Wiedergabe der Bewegungen und die ganze künstlerische Erfindung zeigt, daß die Hildesheimer Schule den Höhepunkt überschritten hatte. Der meiste Platz in diesem Raumabschnitt ist Werken der reifen K u n s t d e s 13. J a h r h . gewidmet, nämlich den Skulpturen in W e c h s e 1 b u r g i. Sa. und F r e i b e r g i. Sa., die beide die erste Blüte deutscher Plastik einleiten. Von den W e c h s e l b u r g e r Bildwerken sind ausgestellt: an der Abschlußwand die große K r e u z i g u n g s g r u p p e ; rechts und links davon drei Reliefs von der Kanzel; an den Scherwänden rechts vier Wandstatuen und links die beiden alttestamentlichen Ritter, wahrscheinlich Abraham und Melchisedek. Der Stil dieser Skulpturen spricht bereits unmittelbar an: eine fast klassische Schönheit, die manchmal beinahe etwas süßlich wird, überwiegt
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die Darstellung der seelischen Vorgänge, die nur ganz gehalten gegeben werden (z. B. bei Maria und Johannes unter dem Kreuz). Der Eindruck der Kreuzigung ist der feierlicher, aber doch anmutiger Monumentalität. Die Zeit der Entstehung ist etwa 1220—1240. Etwa gleichzeitig sind die Plastiken an der sogenannten g o l d e n e n P f o r t e der Marienkirche zu F r e i b e r g i. Sa. An der rechten Wand sind angebracht: oben das sogenannte Tympanon, das Bogenfeld über der Tür, mit der thronenden Maria, von den heiligen drei Königen und Engeln verehrt; unten acht Statuen, die, vier auf jeder Seite, zwischen den Säulen der Gewände des Portales stehen, eine Anordnung, die auf des Freiberger Meisters Bekanntschaft mit Werken der gleichzeitigen französischen Gotik schließen läßt. (Am Fenster, links der Wechselburger Kreuzigung, ist als Beispiel französischer Skulptur die h. Modesta von der Kathedrale von Chartres aufgestellt.) Der Stil der Freiberger Plastiken ist dem der Wechselburger ähnlich, doch ist eine Neigung zu gemessener Strenge (z. B. im Tympanon) nicht zu ver kennen. Eine Vorstellung von der Grabplastik der Zeit gibt die an der linken Scherwand aufgerichtet ausgestellte G r a b p l a t t e des Grafen W i p r e c h t v o n G r o i t z s c h (f II 24) in der Laurentiuskirche zu Pegau i. Sa., ein Idealbild des Ritters in einem den Wechselburger Figuren verwandten Charakter. Obwohl die Grabplatte von vornherein für die horizontale Lage bestimmt war, scheint der Ritter (trotz des Kopfkissens) zu stehen, eine Eigentümlichkeit der damaligen Grabfiguren, der wir auch später begegnen. Die Bemalung des Abgusses sucht eine Vorstellung zu geben von der reichen Wirkung des farbigen und mit Glasflüssen verzierten Originals. Aus etwas späterer Zeit (wohl aus dem Ende des 13. Jahrh.) stammt die rechts unter den Freiberger Skulpturen ausgestellte G r a b p l a t t e d e r K a i s e r i n U t a in St. Emmeram zu Regensburg, eine feine Arbeit voller Empfindung. Die P u l t v i t r i n e vor dem Fenster enthält Abgüsse nach Reliefs kleinen Formates; vorn Elfenbeintäfel5*
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chen der frühen Zeit; nach dem Fenster zu auch Abgüsse nach Stein- und Holzreliefs der Renaissance. A m D u r c h g a n g zum nächsten Raumabschnitt haben links und rechts zwei der zwölf fürstlichen Stifter und Stifterinnen aus dem Chor des N a u m b u r g e r D o m e s Aufstellung gefunden (um 1250). Sie bilden die gerade Weiterentwicklung der eben besprochenen sächsischen Bildwerke aus Wechselburg und Freiberg. Was in diesen noch unfrei und beinahe maniriert war, hat sich in den Naumburger Figuren zu kräftiger Wirklichkeit umgebildet. Die plastische Durchbildung der charaktervollen Köpfe und der groß hinströmenden Gewandung vereinigt sich mit der bedeutenden Haltung dieser Fürsten und Fürstinnen zu dem Eindruck »sicherer Gegenwart«. In dem Raumabschnitt 2 sei zunächst auf einige Grabdenkmäler hingewiesen, da sie sich an die eben besprochenen anschließen: links der Eingangstür das D o p p e l g r a b m a l Heinrichs d e s L ö w e n und seiner Gattin Mechthildis (im BraunSchweiger Dom). Der Meister dieser beiden Figuren erstrebt nicht, wie der der obersächsischen (Naumburger) Fürstenfiguren, kräftige Lebendigkeit, sondern eine klassische, ideale Monumentalität; auch die Köpfe wollen keinerlei Porträtähnlichkeit geben, Die Durchbildung der Einzelheiten wie die technische Ausführung sind von gleicher Sicherheit. Die Entstehungszeit kann nicht vor 1260 sein. Ganz anders wirkt das links vom Fenster angebrachte G r a b m a l d e s S i e g f r i d v o n E p p s t e i n , Erzbischofs von Mainz. Der Erzbischof ist dargestellt, wie er, dem traditionellen Rechte von Mainz entsprechend, die deutschen Könige Heinrich Raspe von Thüringen und Wilhelm von Holland krönt. Die Grabplatte wird um 1280 entstanden sein; das Formgefühl ist bereits stark gotisch. Weder die frische Naturbeobachtung der obersächsischen Plastik noch die feierlich fließende Monumentalität der niedersächsischen ist hier zu finden. Nur die kühne Lösung der schwierigen Bewegung der
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Doppelkrönung, die höchst originell aufgefaßt ist, bringt ein gewisses Leben in die unpersönliche Komposition. Ein drittes, wiederum anders geartetes Beispiel ist das links frei vor dem Fenster aufgebaute G r a b m a l des H e r z o g s H e i n r i c h (f 1290) in der Kreuzkirche zu B r e s l a u , das um 1300 errichtet sein wird. Der stehend gedachte Ritter (man beachte die Falten!) liegt auf einem fast zu hohen Aufbau, der mit Gruppen von Leidtragenden geschmückt ist. Das besonders für den Osten bedeutende W e r k zeigt noch die Nachwirkung des Naumburger Stiles, aber es machen sich bereits französische Einflüsse geltend. In B a m b e r g rief der Dombau im 13. Jahrh. eine Kunstblüte hervor, die der sächsischen gleichzeitig und gleichwertig ist. Wie der Dombau selbst im L a u f e der Vollendung Stilwandlungen erfuhr, so scheiden sich auch die Plastiken deutlich in verschiedene Stufen. A m altertümlichsten und am gebundensten sind die R e l i e f s i m G e o r g e n c h o r , sechs disputierende Prophetenpaare und der h. Michael (letzterer an der Scherwand rechts v o m Fenster, eines der ersteren an der rechts von der Tür). Der Eindruck der Reliefs ist höchst eigenartig und anziehend: mit den noch starren Formen frühromanischer und byzantinischer Kunst (Elfenbeinreliefs) mischt sich ein stürmischer Drang nach bezeichnender Charakteristik, der den Meister zu Übertreibungen führt. Der h. Michael ist noch stark byzantinisch; in den Propheten aber lodert ein heißes inneres Leben, leuchtet ihnen aus den erregten Gesichtern und bestimmt ihre Gebärden. Ein zweiter Bamberger Bildhauer, der sogenannte M e i s t e r der A d a m s p f o r t e , war offenbar in RcilTls gewesen. Mit ihm tritt der französische Einfluß am Bamberger Dombau merklich hervor. Der Künstler erscheint in seinen Werken als greifbare und bedeutende Persönlichkeit; er hat zwar bereits gewisse typische Eigenschaften der französischen Gotik, wie die Ausschwingung des Körpers und das starre Lächeln, aber er weiß seinen Figuren einen Z u g von Größe, eine von antikem Geiste durchwehte Monumentalität zu geben. Von seinen Werken sind ausgestellt: die Idealfiguren des Kaisers H e i n r i c h II. und seiner Gemahlin
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K u n i g u n d e (an der Scherwand rechts von der Tür); ferner die E v a (rechts am Fenster), schüchtern zwar noch in den Formen, aber doch bereits richtig, die früheste freiplastische nackte Figur in der deutschen Kunst; dann die großartigen Gewandfiguren der M a r i a und der E l i s a b e t h (beide im Durchgang zum nächsten Raumabschnitt) und ein V e r k ü n d i g u n g s e n g e l (rechts vom Fenster), ein in seiner eleganten Kurve und seinem Lächeln besonders französisch anmutendes Werk. Von derselben Hand ist der berühmte R e i t e r , vielleicht Konrad III. oder Stephan d. H. von Ungarn. Die ganz neue Aufgabe des lebensgroßen Reiterbildnisses ist glänzend gelöst. Roß und Reiter sind vorzüglich miteinander verbunden, der Kopf des Königs ein berühmtes Beispiel des beseelten Idealporträts. Der Reiter steht auf einer Akanthuskonsole, ein Baldachin (im Abguß unten neben ihm) schwebt über seinem Haupte. Endlich sind dem Meister noch zwei Figuren zuzuschreiben, die jetzt am Fürstenportale des Domes stehen: die Figuren der » K i r c h e « und » S y n a g o g e « , die triumphierende und die unterlegene Religion; beide von großem Liebreiz (Abgüsse rechts und links der Tür). Von dem sonstigen plastischen Schmucke dieses Portales, den ein anderer Meister fertigte, sind (neben den zuletztgenannten) ausgestellt: z w e i P r o p h e t e n , auf deren Schultern in durchsichtiger Symbolik Apostel stehen; ferner das B o g e n f e l d über der Tür mit "der Darstellung des jüngsten Gerichts; der französische Einfluß durchdringt hier die lokale Tradition, wie wir sie aus den Reliefs am Georgenchor kennen. Zwischen den deutschen Werken finden sich in diesem Räume einige kleinere Beispiele französischer und englischer Plastik, die aber zum Teil zeitlich bereits über die deutschen Werke hinausgehen. Im nächsten Raumabschnitt 3 gehört der um 1250 entstandene A p o s t e l d e r S a i n t e C h a p e l l e i n P a r i s (links im Durchgang) noch zum vorangehenden. Die um 1250 entstandene Figur ist ein
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Beispiel für den graziösen, aber schon manirierten Stil, den die französische Plastik im Dienste der Architektur angenommen hatte. An den Einfluß dieses Stiles auf die deutsche Plastik wurde schon erinnert. Von der K u n s t d e s 14. J a h r h. hat nur wenig ausgestellt werden können. Erst das im Bau befindliche »Deutsche Museum« wird hier einen Überblick gewähren können. Des Zusammenhanges wegen sei angedeutet, welchen Weg die deutsche Plastik genommen hat. Die großen architektonischen Aufgaben des 14. J a h r h., die einer Bauleidenschaft folgten, wie sie nur die Barockzeit noch gekannt hat, zwangen die Plastik ganz in ihren Dienst. Hand in Hand damit geht eine Entfernung von der lebendigen Naturanschauung, ein Manierismus, der den Formen des Körpers ihren Eigenwert nimmt und die Gewandung im Dienste dekorativer und architektonischer Gedanken verselbständigt. Die Darstellung des Seelischen macht unleugbare Fortschritte. Doch tritt nicht selten an Stelle der gesunden individuellen Empfindung, die z. B . die Naumburger Figuren auszeichnet, ein Überschwang des Gefühls. Der A p o s t e l P e t r u s vom Kölner Dom (im Durchgang gegenüber dem Pariser Apostel), der der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts angehört, zeigt in der Weichheit der plastischen Formen und in der manierierten Wellenbewegung des Körpers die charakteristischen Merkmale dieses Stils. Die frei aufgestellte Reitergruppe des h. G e o r g im Prager Dom, die 1373 von Martin und Georg von Clausent> ur g gearbeitet wurde, muß als eine besonders hohe Leistung der Freiplastik erwähnt werden, da sie vermutlich der deutschen Kunst angehört. Hier hat die stilisierte Behandlung der nicht eben großen Gruppe und die goldschmiedeartige Durchbildung eine künstlerische Wirkung ergeben, die für die Zeit nicht gewöhnlich ist. Im 15. J a h r h . folgte der zur Manier ausgearteten Kunst wieder eine naturalistische Strömung, die die Plastik von der Architektur allmählich freimacht und sie vielleicht allzu selbständige Wege gehen läßt.
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In der neuen Blütezeit, die sich langsam vorbereitet, wird das H o l z a l s M a t e r i a l bevorzugt. Der Maßstab der Figuren wird kleiner, der Kreis der Darstellungen erweitert sich mächtig. Eine lebendige Anschauung dieser Kunst läßt sich nur in der Sammlung der Originale gewinnen, schon darum, weil jetzt die Farbe als wesentliches Element die Wirkung mitbestimmt. Malerei und Plastik reichen sich die Hand in den A l t a r s c h r e i n e n , in denen die bunten Reliefs wie gerahmte Gemälde wirken. Maler und Bildschnitzer sind oft eine Person. Und selbst wenn die Bemalung fehlt (wie bei manchen Werken Riemenschneiders und in der niederrheinischen Schule), ist das künstlerische Kompositionsprinzip durchaus malerisch. Deshalb kann es sich bei Abgüssen nur darum handeln, einige hervorragende Stücke zur Ergänzung vorzuführen. Die B l ü t e d e r d e u t s c h e n P l a s t i k zu Ende des 15. und Beginn des 16. Jahrh. hat einen von der gleichzeitigen italienischen Kunst verschiedenen Charakter. Nicht auf Formenschönheit im rhetorischen Sinne der romanischen Völker kam es den deutschen Künstlern an, sondern auf eindringliches Versenken in die reiche Gefühlswelt und ein oft schmerzliches Miterleben dessen, was sie darstellten. Die Personen der biblischen Geschichte in ihren Kunstwerken denken nie daran, ob sie auch eine gute Figur machen, sondern scheinen nur mit sich und ihren Empfindungen beschäftigt. Deutschland ist die Heimat der Märchen, und die Lust zu fabulieren, gibt sich kund in der Art, wie die Legenden mit allerlei kleinen Zügen des täglichen Lebens ausgestattet und menschlich nahegebracht werden. Der Stoffkreis ist noch ganz der biblische. Nur vereinzelt treten auch rein profane Figuren aus ihm hervor. Die Formensprache ist letzten Endes noch gotisch; erst jüngere Künstler übernehmen die eindringenden Formen er italienischen Kunst, die einzelne bedeutende Werke anzuregen vermochten, aber bald, als dem deutschen Wesen fremd, die deutsche Kunst zur Verödung brachten. Die o b e r d e u t s c h e n S t ä d t e , an der Spitze
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Nürnberg, daneben Würzburg, Augsburg und Ulm, übernehmen die Führung in der neuen, überaus lebhaften Kunsttätigkeit. An erster Stelle sei der Nürnberger V e i t Stoß (1438 (?)—1533) genannt. In seiner Kunst vereinigt sich ein kräftiger Naturalismus mit schwungvoller Bewegtheit, die später hart an Manier grenzt. Von seinen großen Werken konnte nichts ausgestellt werden. Aber seine Art wird klar werden aus den beiden Figuren der M a r i a und des J o h a n n e s , beide unter dem Kreuz zu denken (an den Scherwänden links vom Eingang, einander gegenüber); ferner an der noch mittelalterlich befangenen kleinen Heiligen (rechts vorn an der Scherwand) und endlich an zwei Reliefs des Kestner-Museums in Hannover (Beschneidung und Verkündigung: im letzten Raumabschnitt, an der Wand rechts vom Schrank). Etwas strenger und altertümlicher als Stoß ist der gleichwohl jüngere A d a m K r a f f t (um 1450—1507). Seine meisten und besten Werke sind nicht wie die des Stoß in Holz gearbeitet, sondern in S t e i n . Sein Stil ist einfacher und derber, aber voll von Ernst und kraftvoller Naturempfindung. Proben seiner Kunst bietet eine Tafel der berühmten Stationen vom Johanniskirchhof ( » B e w e i n u n g « , an der Scherwand links vom Fenster). Mit wenigen Figuren ist auf kleinem Räume eine eindrucksvolle Komposition geschaffen. Die Rückwand und Teile der Seitenwände in1 der linken Raumhälfte (dem Fenster gegenüber) werden eingenommen von dem Abguß eines großen Werkes K r a f f t s : des S c h r e y e r s c h e n G r a b m a l e s , das außen an St. Sebald angebracht ist (1492). In malerischer Weise ist die Passion dargestellt. Die Hauptszenen in großen Figuren vorn, die übrigen in die aufsteigende Landschaft in kleinerem Maßstabe verteilt. Die Komposition ist trotz ihrer großen Fülle durchaus klar; die Hauptgruppen voll tiefer Leidenschaft und Bewegung, doch ohne Übermaß im Ausdruck. Die technische Durchführung im Stein ist vollendet. Neben dem Holzschnitzer und dem Steinbildhauer
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war hauptsächlich als Erzgießer tätig P e t e r V i s c h e r (1460—1529), mit dem man recht eigentlich die Vorstellung von deutscher Renaissance zu verbinden pflegt. Sein berühmtes Sebaldusgrab ist leider, da der Raum mangelt, zurzeit nicht ausgestellt. Als Probe seiner knappen und strengen, aber vornehmen Kunst, deren Formen der Bronze ausgezeichnet angepaßt sind, muß das mitten frei vor dem Fenster aufgestellte G r a b m a l des Grafen v. H e n n e b e r g und seiner Gemahlin in Römhild genügen (um 1510). Die vornehme, lebensvolle Schönheit Vischerscher Gestalten ist auch diesen beiden Figuren eigen. Von Peters Sohn H a n s V i s c h e r , dem Schöpfer des bekannten Kurfürstengrabmals im Berliner Dom, stammt der Apollobrunnen im Hofe des Nürnberger R a t hauses, dessen Abguß im letzten Raumabschnitt links seine Stelle hat. Der Künstler hat sich völlig in die italienischen Formen eingelebt, ja, der Apollofigur scheint ein Stich des Italieners Jacopo dei Barbari zugrunde zu liegen. Eine gewisse Glätte und Leerheit ist nicht zu leugnen. Auch die sogenannte Nürnberger Madonna (rechts am Fenster), die vielleicht der Vischerschen Werkstatt nahesteht, ist davon nicht ganz freizusprechen; ja, der Ruhm dieser gefeiertsten Statue im Germanischen Museum stützt sich im Grunde auf Eigenschaften, die gerade für die beste d e u t s c h e Kunst am wenigsten bezeichnend sind. Von den Künstlern außerhalb Nürnbergs ist T i 1 m a n n R i e m e n s c h n e i d e r , der in Würzburg eine fruchtbare und bildnerische Tätigkeit voll tiefer Empfindung entfaltete, in unserem Museum durch Originalwerke so trefflich vertreten, daß es für die Abgußsammlung nur der Ergänzung durch einige seiner Steinplastiken bedurfte. Hingewiesen sei auf die Köpfe Adams und Evas, die in ihrer länglichen, idealisierenden Bildung und in ihrem schwerblütigen Ernst sofort die Hand des Meisters verraten, und ferner auf die Reliefs vom Grabmal des Kaisers Heinrich II. und der Kaiserin Kunigunde in Bamberg (im Raumabschnitt 1). Unter den gleichzeitigen Werken bayrischer K u n st ist außer den Blutenburger Figuren, von deren
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gehaltener, milder Schönheit die Mariastatue und der Apostel Jacobus d. Ä. zeugen, die Grabplatte von dem Denkmal Kaiser Ludwigs des Bayern in der Münchner Frauenkirche zu beachten (Raumabschnitt 3, rechts vom Fenster). Sie ist mit Wahrscheinlichkeit dem als Steinund Holzbildhauer gleich ausgezeichneten E r a s m u s G r a s s e r zuzuschreiben. A u g s b u r g ist durch die Ölbergszene vom Grabmal Heinrichs von Lichtenau aus dem Dom, ein kraftvolles, lebensfrisches Werk Hans B ä u e r l e i n s , vertreten (im letzten Raumabschnitt). Raumabschnitt 4. Die Plastik N o r d d e u t s c h l a n d s steht in ihren besseren Leistungen unter niederrheinischem oder niederländischem Einfluß. Auch das Relief der »Fußwaschung« aus der Lübecker Marienkirche verrät viel davon. Der Ausdruck der Personen ist zurückhaltend und ernst, wie dies ja norddeutschem Wesen entspricht. — In den Ostseeländern wurde niederländische Kunst auch vielfach importiert. So wurde der A l t a r s c h r e i n aus der Brömserkapelle der L ü b e c k e r Jacobikirche (Schlußwand, obere Reihe) vielfach schon für das Werk eines flämischen Meisters erklärt. Die szenisch reiche und bewegte Arbeit steht zum mindesten unter unmittelbarem Einfluß der Brüsseler und Antwerpener Arbeiten. Den Abschluß machen denn auch einige der berühmtesten Werke in den N i e d e r l a n d e n selbst. Die freistehende Tumba der Maria von Burgund, Gemahlin Kaiser Maximilians, deren Wände mit Wappenschildern und Engel figuren in reichstem Laubwerk verschwenderisch geziert sind, ist ein Werk des Pierre de B e c k e r e in Brügge. Dieselbe Stadt birgt im Justizpalast jenen prunkvollen Kamin aus den Jahren 1529 und 30, den G u y o t d e B e a u g r a n t mit 17 Gehilfen ausführte. Ihm entstammen die vier Renaissancestatuen an beiden Fenstern des letzten Raumabschnitts, frei bewegte Gestalten von glänzender dekorativer Wirkung. In dem Glasschrank sind Abgüsse nach Werken deut-
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scher Kleinplastik und nach Reliefs ausgestellt, die die ausgezeichnete Originalsammlung des Museums zu ergänzen bestimmt sind. Mit der Sammlung der Abgüsse deutscher Skulpturen schließt der Rundgang durch das Erdgeschoß. Um der Anordnung der Räume der Gemälde-Galerie im Obergeschoß zu folgen, ist es nötig, durch das kleine Treppenhaus (27), die Basilika (3) und den Raum der Neuerwerbungen (2) in das große Treppenhaus zurückzukehren, um von dort das Obergeschoß zu erreichen.
OBERGESCHOSS. GEMÄLDEGALERIE MIT ITALIENISCHEN SKULPTUREN.1) Beschreibendes Verzeichnis der Gemälde. Siebente Auflage. Berlin, G. Reimer, 1912,. Preis I Mark, geb. 1,50 M. Die Gemäldegalerie des Kaiser-Friedrich-Museums. Vollständiger beschr. Katalog m. Abbild, sämtlicher Gemälde, bearbeitet von Hans Posse. 40. 2. Aufl. Berlin, Julius Bard, IQ13. I. Abtl. Die romanischen Länder. Geh. 20 M., geb. 23 M. II. Abtl. Die germanischen Länder. Geh. 25 M., geb. 28 M. — Beide Teile in einem Band, geb. 50 M. Die Gemäldegalerie der Königlichen Museen zu Berlin. Mit erläuterndem Text von Julius Meyer, Wilhelm Bode u. a. Herausgegeben von der Generalverwaltung. In 26 Lieferungen. Berlin, G. Grotesche Verlagsbuchhandlung. Erschienen sind seit 1888 vierundzwanzig Lieferungen. Preis der Lieferung 30 M. Sammlung von Renaissancekunstwerken. Gestiftet von James Simon in Berlin zum 18. Oktober 1904. 40. 2. Ausg. 1908. Preis 50 Pf. Mit 20 Tafeln 5 M. •) Die seitlich beigefugten Nummern dieser Abteilung entsprechen denen des beschreibenden Verzeichnisses der Gemälde. Ein vorangestelltes S. weist auf den Katalog: Sammlung von Renaissancekunstwerken, gestiftet von James Simon, hin; eine vorangestellte V. auf den Katalog: Die italienischen und spanischen Bildwerke usw. von Frida SchottmUller.
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Die italienischen Bronzen. Mit Abbildungen sämtlicher Stücke. Berlin, Georg Reimer. 3. Aufl. (in Vorbereitung). Die italienischen und spanischen Bildwerke der Renaissance und des Barock in Marmor, Ton, Holz und Stuck, mit Abbild, sämtlicher Bildwerke, bearbeitet von Frida Schottmüller. Berlin, Georg Reimer, 1913. 2. Aufl., geb. 33 M.
Die Berliner Gemäldesammlung ist unter den größeren GMehnshw Galerien des Kontinents die jüngste. Zwar hatten schon iUng. in früheren Zeiten der Große Kurfürst sowie die Könige Friedrich I. und namentlich Friedrich der Große, teils durch Einzelkäufe, teils durch Erbschaft eine nicht unerhebliche Anzahl hervorragender Werke von älteren Meistern allmählich erworben und in ihren Schlössern zu Berlin, Potsdam und Charlottenburg aufgestellt, allein den Plan einer Galeriebildung faßte und verwirklichte erst Friedrich Wilhelm III., indem er mit einer passenden Auswahl jener Gemälde zwei neu angekaufte Sammlungen zu einem Ganzen vereinigte. Diese Sammlungen waren die Galerie Giustiniani (gegründet um die Wende des 16. zum 17. Jahrh.), welche 1 8 1 5 zu Paris, und die in Berlin befindliche Sammlung des englischen Kaufmanns Solly, die 1821 erworben wurde. Beide bedurften der Sichtung. Aus der an 3000 Gemälde zählenden Sammlung Solly wurden 677, von den 157 Giustiniani-Bildern 83 für die neue Galerie bestimmt; die schon 1820 in Aussicht genommene, aber erst 1829 bewirkte Auswahl aus den Kgl. Schlössern umfaßte etwa 350 Stücke. Dazu kamen noch 1 1 in den Jahren 1820 bis 1830 gemachte einzelne Erwerbungen, von denen Fr. v. Rumohr einen Teil in Italien vermittelt hatte. Im ganzen enthielt die so gebildete Sammlung etwa 1200 Gemälde, eine Zahl, welche den jetzigen Bestand um fast 150 Bilder übertrifft, obgleich nahezu die Hälfte desselben aus neueren Erwerbungen besteht. So sehr ist in den letzten Jahrzehnten die Sammlung gesichtet worden. Ihrem Inhalte nach ergänzten sich jene verschiedenen Sammlungen zu einem lehrreichen Gesamtbilde der geschichtlichen Entwicklung der Malerei. Die Galerie Solly enthielt, neben einigen guten Meistern des Trecento, die
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verschiedenen italienischen Schulen des 15. Jahrh. in ganz ungewöhnlichem Umfang, vertrat daher in seltener Weise diese bedeutenden Epochen der italienischen Malerei, während sie aus der Blütezeit derselben, dem 16. Jahrh., nur eine Reihe von Meistern zweiten und dritten Ranges aufzuweisen hatte. Aus der altniederländischen Schule besaß sie das Hauptwerk der Brüder van Eyck sowie einzelne Werke von Nachfolgern derselben, ferner eine Reihe charakteristischer Werke aus den verschiedenen deutschen Schulen, endlich aus der flämischen und holländischen Schule des 17. Jahrh. eine Anzahl Bilder kleiner Meister und einzelne bedeutendere Stücke. Die Auswahl der Sammlung Giustiniani ergab eine Folge guter Werke der italienischen Naturalisten und Akademiker des 17. Jahrh. Die Kgl. Schlösser lieferten einige auserlesene Werke bedeutender italienischer Meister vom 16.—18. Jahrh., einige Bilder aus der französischen Schule, aus der deutschen Schule Werke von L. Cranach, insbesondere aber eine Anzahl vorzüglicher Arbeiten der vlämischen und holländischen Malerei des 17. Jahrh. Unter den einzelnen Erwerbungen waren mehrere ausgezeichnete Bilder aus verschiedenen Schulen, namentlich zwei Gemälde von Raphael und eine Reihe von anderen Werken der italienischen Malerei, die den Bestand der Sammlung Solly zu ergänzen vermochten. Die so gebildete, 1830 in den oberen Räumen des Alten Museums eröffnete Gemäldegalerie hatte ihren besonderen Charakter, der ihr unter den großen europäischen Sammlungen ihren Wert und eine selbständige Bedeutung sicherte. Sie erwies sich im eigentlichen Sinne des Wortes als eine h i s t o r i s c h e Sammlung, d. h. als eine solche, die von der Geschichte der Malerei, ihrem Verlauf in den verschiedenen Schulen und Epochen, ein deutliches Bild zu geben vermochte. Keine andere Sammlung, die 1824 eröffnete National Gallery zu London ausgenommen, zeigt eine solche M a n n i g f a l t i g k e i t d e r S c h u l e n . Dafür fehlte es ihr andererseits an jener Fülle von Meisterwerken aus den besten Epochen, welche die großen Galerien von Paris, Florenz, Wien, Dresden, Petersburg
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und Madrid aufzuweisen haben. Diese Lücken auszufüllen, war die Galerieverwaltung von Anfang an eifrig bemüht; allein bei beschränkten Mitteln und der Seltenheit der großen Meisterwerke konnte zunächst die Zahl solcher Erwerbungen nur klein sein. Unter diesen stehen die Madonna del Duca di Terranuova von Raffael, der hl. Antonius von Murillo, die Altarbilder von Andrea del Sarto und Moretto obenan. Andererseits konnte die niederländische Schule des 15. Jahrhunderts sowie die holländische des 17. Jahrhunderts mit einer Anzahl ausgewählter Stücke bereichert werden. — Erst seit dem J a h r e 1873 ermöglichten reichlichere Mittel größere Erwerbungen nach den verschiedensten Seiten. Von eingreifender Be-deutung war zunächst der im Jahre 1874 gemachte Ankauf der Sammlung Barthold Suermondt in Aachen, der besten Privatgalerie Deutschlands. Sie führte eine Reihe der immer noch mäßig vertretenen holländischen Meister sowie einige Meisterwerke der altniederländischen, deutschen und spanischen Schule der Galerie zu. Dank der reicheren Mittel konnte seither die Sammlung nach allen Richtungen durch zahlreiche wertvolle Erwerbungen, z. T . von Werken ersten Ranges, vervollständigt und dafür manches geringwertigere Stück ausgeschieden werden. Seit 1896 wurde die Entwicklung der Galerie noch gefördert durch die Tätigkeit des damals errichteten Kaiser - Friedrich - Museums - Vereins. Dieser Verein übergibt die von ihm auf Vorschlag der Galerieverwaltung erworbenen Kunstwerke den Kgl. Museen zu dauernder Aufstellung und erwirbt auch Kunstwerke in der Absicht, dieselben den Kgl. Museen zu den Ankaufspreisen zu überlassen. Mit seiner Hilfe wurde eine Anzahl hervorragender Gemälde erworben, wie das Bildnis des Estienne Chevalier von Fouquet, das Männerbildnis des jüngeren Holbein aus der Millaissammlung, Rembrandts Studie nach seinem Bruder mit dem vergoldeten Helm, sieben niederländische Meisterwerke des 17. Jahrhunderts aus der Clinton-Hope-Sammlung, sowie aus Sir Robert Peels Sammlung zwei große Bildnisse von der Hand van Dycks aus dessen italienischer Zeit. ErF ü h r e r durch d a s K a i s e r - F r i e d r i c h - M u s e u m .
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Werbungen, die gelegentlich der Eröffnung des KaiserFriedrich-Museums i. J. 1904 gemacht worden sind, sind die als Geschenk überwiesene Sammlung James Simon mit einer kleinen Zahl ausgewählter altitalienischer und altniederländischer Bilder, sowie die Galerie Adolf Thiem mit trefflichen dekorativen Bildern der Niederländer des 17. Jahrhunderts und einigen gewählten primitiven niederländischen und französischen Bildern, die beide in besonderen Räumen des oberen Stockwerks aufgestellt sind. Gd*TbM*itC D ' e Galerie enthält Denkmäler der Malerei v o n der technlkeiü späteren Zeit des Mittelalters bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, und zwar nur Werke der Tafelmalerei (auf Holz oder Leinwand), die sich in ihrem technischen Verfahren, sowohl in den Darstellungsmitteln wie in der Behandlungsweise, von der Handschriften- (Miniatur-) wie auch von der Wandmalerei wesentlich unterscheidet. Einzelne Ausnahmen, in denen für die Buchmalerei oder das Wandgemälde dieselbe technische Methode angewendet wurde wie für das Tafelbild, können hier außer Betracht bleiben. Die Buch- wie die Wandmalerei gehen der Tafelmalerei voraus und kommen früher zur Entwicklung. Im früheren Mittelalter bediente sich die W a n d malerei öfters der Leimfarbe, welche auf die mit heißem Leim getränkte Mauerfläche aufgetragen wurde, bisweilen wohl auch des Temperaverfahrens (s. weiter unten). Zumeist aber wurde der sorgfältig geglättete und getrocknete Bewurf mit Kalkwasser wieder angefeuchtet, darauf die Zeichnung gebracht und nun die Malerei mit Farben, die mit Wasser angerieben und mit K a l k gemischt waren, ausgeführt und, um dem Schatten mehr K r a f t zu geben, mit Temperafarben nachgeholfen (dies das sog. »fresco secco«). Von diesem Verfahren unterschied sich wesentlich die eigentliche Frescomalerei, die erst seit Ende des 14. Jahrhunderts in Gebrauch k a m und größere Übung voraussetzte. Im Fresco wurde die Malerei mit den Erdfarben, die mit Wasser und K a l k wie bei der früheren Methode gemischt waren, unmittelbar auf dem frischen, noch feuchten Mauerkalk aufgetragen, so daß sie mit diesem sofort sich verband und verhärtete (das sog. »buon fresco«);
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hier mußte allemal das auf dem frischen Bewurf begonnene Stück, so lange dieser noch feucht war, mithin am gleichen Tage, vollendet werden. Doch ward auch dieser Malerei bisweilen mit Tempera nachträglich mehr Vollendung und K r a f t gegeben. Die T a f e l m a l e r e i , deren dürftige Anfänge in das 1 1 . und 12. Jahrhundert zurückgehen (jedoch auch im Altertum bereits angewandt), bediente sich bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts, in Italien bis gegen Ende desselben, vorwiegend der T e m p e r a t e c h n i k , d. h. einer Mischung der Farbstoffe mit in Wasser löslichen Bindemitteln, deren Hauptbestandteil das Eigelb bildete (an Stelle der im früheren Mittelalter gebräuchlichen Eiweiß- und Harzfarben). In Italien wurde das Bindemittel zumeist aus Eigelb und Feigenmilch, in den nördlichen Ländern aus Eigelb und Honig oder Wein hergestellt. Mit den so zubereiteten Farben wurde die Malerei auf der Holtzafel, die vorher einen sorgfältig präparierten Kreidegrund erhalten hatte, ausgeführt und alsdann, nachdem sie wohlgetrocknet war, mit einem Firnis überzogen. Dieser, aus einer Mischung von Harz, zumeist Bernstein oder Sandarak, mit Leinöl bestehend, hatte sowohl das Bild vor Feuchtigkeit, Staub und dergl. zu schützen, wie auch der Färbung, die an sich glanzlos war, Schimmer und Leuchtkraft zu verleihen. Da indes die so bereiteten Farben sehr schnell trockneten, mußten vorher alle erforderlichen Töne auf der Palette oder in besonderen Schälchen präpariert sein, dann in flachen Lagen sowohl übereinander wie nebeneinander hingesetzt und durch strichelnde Behandlung, das sogenannte »Schraffieren«, insbesondere bei sorgsamer Modellierung des Fleisches, möglichst ineinander übergeleitet und verbunden werden. Dies aber machte eine innige Verschmelzung der Töne und damit eine feinere Durchbildung der Form, wie auch eine größere Fülle und Lebhaftigkeit der Färbung unmöglich. Da zudem die Farbe erst durch den Firnis ihre volle Tiefe und Leuchtkraft erhielt, so war es für den Maler schwer, sich von vornherein der Wirkung zu versichern. Endlich bereitete der nadlet
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träglich aufgetragene Firnis an sich mancherlei Schwierigkeiten, sofern er nur langsam trocknete und durch einen dunklen Ton die Wirkung beeinträchtigen konnte. Die verschiedenen Nachteile der Temperatechnik führten, als das Bedürfnis nach höherer Vollendung in der Form wie in der Färbung, zugleich mit dem Streben nach größerer Naturwahrheit, lebhafter hervortrat, zur Erfindung der sogenannten Ö l m a l e r e i . Zwar waren Ölfarben längst im Gebrauch, insbesondere zur Bemalung von Holzstatuen, Wappen, Geräten, Mauerflächen, sowie zu ornamentalen Zwecken, und daher kann von einer E r f i n d u n g derselben im 15. Jahrhundert n i c h t die Rede sein. Allein ihre k ü n s t l e r i s c h e Anwendung für Tafelbilder, die zugleich ihre Verfeinerung und Vervollkommnung voraussetzte, wirkte in Betracht der bedeutsamen Konsequenzen gleich einer epochemachenden Entdeckung. Es waren die Niederlande, speziell Flandern und hier insbesondere die Brüder van Eyck, die im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts die neue Methode und damit die höchste Ausbildung der Tafelmalerei herbeiführten. So vollständig war die Umwälzung mittels des neuen Verfahrens, daß die darauf gegründete Darstellungsweise sofort zu einer Vollendung gelangte, die in mancher Hinsicht nicht wieder erreicht worden und auf die weitere Entwicklung der Malerei von größtem Einfluß gewesen ist. Die technische Neuerung bestand nicht bloß darin, daß die Bereitung eines sehr geklärten und rascher trocknenden Firnisses, worauf sich zuerst das Augenmerk richtete, erzielt wurde, sondern, was die Hauptsache war, sie betraf die Farben selbst. Zuerst wurden die Farben wahrscheinlich an der alten Temperamischung, bald aber mit einem leicht trocknenden Ol (in der Regel Nußoder Leinöl) angerieben, und alle Farbentöne erhielten einzeln, ehe sie aufgetragen wurden, einen kleinen Zusatz von geeignetem Firnis. Dadurch gelang es nicht nur, die Töne in zarten Ubergängen zu verschmelzen, die mannigfachen Abstufungen des Lichts nachzubilden und der Formbildung größere Weichheit und Vollendung zu geben, sondern der Färbung von vornherein auch im
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Detail den erforderlichen Glanz sowie Tiefe und Leuchtkraft zu verschaffen. Eine solche Anwendung der neuen Technik setzte naturgemäß ein klares Bewußtsein höherer künstlerischer Ziele, ein tieferes Verständnis der natürlichen Formen und Lichtwirkungen voraus. Zugleich erweiterte sich der Kreis der Darstellung und umfaßte bald nicht bloß die ganze sichtbare Natur, sondern auch den Ausdruck des menschlichen Seelenlebens in- bisher ungeahntem Umfange. — In Italien kam diese Technik erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (nach 1470), und auch dann erst allmählich in Aufnahme. Dort erfuhr sie im 16. Jahrhundert, dann gleichfalls in den nordischen Ländern, mannigfache Umbildungen. Die Künstler gingen nun, um die Form noch sorgfältiger zu modellieren und herauszuarbeiten und um das Helldunkel reicher abzustufen, zum Gebrauch der reinen Ölfarbe über, die ihnen ein öfteres Übermalen gestattete; den Firnis trugen sie dann erst auf die fertige Malerei als schützenden Überzug auf. Sowohl die Temperagemälde wie die Ölbilder des 15. Jahrhunderts waren vorherrschend auf Holztafeln gemalt, die bisweilen mit Leinwand bedeckt, immer aber mit einem festen glatten Kreideüberzug versehen (grundiert) wurden; der bloßen Leinwand bediente man sich nur ausnahmsweise und zu besonderen Zwecken. Erst im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts kommt die Leinwand namentlich in Italien mehr und mehr in Gebrauch und verdrängt schließlich die Holztafel fast gänzlich. Dagegen wurde von der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts für Bilder von kleinerem und mittlerem Formate die Holztafel noch gern benutzt. Die ältesten erhaltenen Denkmäler der abendländischen Tafelmalerei sind aus dem 12. Jahrhundert; verschiedene bemerkenswerte Bilder aus dem 13. Jahrhundert befinden sich in der Sammlung deutscher Originalskulpturen im Erdgeschoß. Doch ist zu jener Zeit, wie im 13. Jahrhundert überhaupt, einerseits die Buch-, andererseits die Wandmalerei noch bei weitem vorherrschend. Und zwar bilden in den nördlichen Ländern
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i n s b e s o n d e r e d i e B u c h m a l e r e i e n , in I t a l i e n d a g e g e n d i e W a n d g e m ä l d e die m a ß g e b e n d e K u n s t , u n t e r deren E i n fluß sich d i e T a f e l m a l e r e i e n t w i c k e l t . D i e g e s a m t e M a l e r e i d i e n t i n d e r ä l t e s t e n Z e i t , b i s in d a s 15. J a h r h u n d e r t , v o r w i e g e n d religiösen u n d n a m e n t l i c h k i r c h l i c h e n Z w e c k e n . W e n n die B u c h m a l e r e i schon frühzeitig a u c h W e r k e w e l t lichen Inhalts ziert, u n d die W a n d m a l e r e i z u m S c h m u c k der fürstlichen Schlösser, d a n n der R i t t e r b u r g e n u n d der R a t h ä u s e r v i e l f a c h v e r w e n d e t w i r d , so s t e h t d a s T a f e l b i l d i m 13. u n d 14. J a h r h u n d e r t f a s t a u s s c h l i e ß l i c h i m Dienste der K i r c h e . A u c h f ü r das P r i v a t l e b e n b e s t i m m t , h a t es l e d i g l i c h religiösen Z w e c k u n d I n h a l t . Erst im 1 5 . J a h r h u n d e r t b e g i n n t es, n e b e n d e n b i b l i s c h e n G e stalten und V o r g ä n g e n , die Erscheinungen der natürlichen Welt, z u n ä c h s t das Bildnis, selbständig z u behandeln, und e r w e i t e r t so i m m e r m e h r sein S t o f f g e b i e t , i n d e m es z u gleich aus den profanen Sagenkreisen neue Vorstellungen aufnimmt. — «L* Malere? E h e w i r die einzelnen R ä u m e der Galerie durchu. ihre Ver- w a n d e r n , g e b e n w i r eine k u r z e Ü b e r s i c h t ü b e r ihren t r Ber?in l n B e s t a n d nach den einzelnen Schulen. Altdeutsche Schule. D i e a l t d e u t s c h e M a l e r e i ist in i h r e n v e r s c h i e d e n e n S c h u l e n v o m 13. b i s z u m 16. J a h r h u n d e r t d u r c h eine Z a h l v o n c h a r a k t e r i s t i s c h e n u n d b e deutenden Werken vertreten. In d e r ä l t e r e n Z e i t n i m m t sie, v o n f r ü h e r e n K u n s t w e r k e n n u r m ä ß i g b e e i n f l u ß t ( a m m e i s t e n v o n d e r b y z a n t i n i s c h e n ) , eine z i e m l i c h u n a b h ä n g i g e S t e l l u n g ein u n d w i r d v o r n e h m l i c h i n d e r k ö l n i s c h e n S c h u l e , v o n d e r z w e i t e n H ä l f t e des 14. J a h r h u n d e r t s a n bis g e g e n d i e M i t t e d e s 15., z u h e r v o r r a g e n d e n L e i stungen fortgebildet. Sie erfährt alsdann den Einfluß d e r E y c k s c h e n S c h u l e u n d t r i t t in eine n e u e B a h n e i n ; d o c h n i m m t sie in d e n v e r s c h i e d e n e n P r o v i n z e n eine e i g e n t ü m l i c h e E n t w i c k l u n g , die sich i n s b e s o n d e r e d u r c h i n d i v i d u e l l e C h a r a k t e r i s t i k u n d L e b h a f t i g k e i t des A u s druckes kennzeichnet, aber a u c h leicht einen handwerksmäßigen Zug gewinnt. Leider w i r d die letzte Ausbildung, wenngleich durch die großen K ü n s t l e r jener Zeit a u f g e w i s s e n G e b i e t e n e r r e i c h t , d u r c h die p o l i t i s c h e n
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und kirchlichen Ereignisse gestört. — Die Gemälde, welche die Entwicklung vom 14. bis zum Ausgange des 15. J a h r hunderts vornehmlich charakterisieren, finden sich im Erdgeschoß zwischen den gleichzeitigen Skulpturen. Zwei dreiteilige Altarbilder der westfälischen S c h u l e (Soest) und ein kleeblattförmiger großer Altaraufsatz der n i e d e r s ä c h s i s c h e n S c h u l e (Qued,linburg) gehören noch dem 13. Jahrhundert an. Aus dem 14. Jahrhundert stammt ein hervorragendes Altarbild der thronenden Madonna aus der b ö h m i s c h e n S c h u l e , sowie einige kleine Gemälde der k ö l n i s c h e n S c h u l e ; aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts zwei Altarflügel der ihr verwandten A l t - N ü r n b e r g e r Schule (Meister B e r t h o l d ?), und die großen Altarflügel Hans Multschers. Aus der späteren Zeit sind einige Meister der s c h w ä b i s c h e n S c h u l e hervorzuheben: B a r t h . Z e i t b i o m , das Staffelbild zu einem seiner größten Altarwerke; M. S c h o n g a u e r , die Anbetung der Hirten, ein kürzlich erworbenes Meisterwerk; H a n s Burckm a i r aus Augsburg, eine hl. Familie; H a n s B a 1 d u n g G r i e n , mehrere kirchliche Gemälde, darunter eines seiner Hauptwerke; C h r i s t o p h Amberger, zwei Bildnisse; vor allem aber der j ü n g e r e Hans H o 1 b e i n mit vier vorzüglichen Bildnissen, darunter einem seiner Hauptwerke, dem Kaufmann Georg Gisze. Es folgen aus der n i e d e r r h e i n i s c h e n Schule der Meister des Marienlebens mit 2 hübschen Tafeln und Barth. Bruyn mit einem seiner besten Werke. Unter einer ganzen Reihe interessanter Gemälde des s ä c h s i s c h e n Malers L u c a s C r a n a c h d. Alt. sein bestes Werk, die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten. Gut ist neuerdings ,^uch die f r ä n k i s c h e Schule vertreten, zumal es in den letzten Jahrzehnten gelang, eine der empfindlichsten Lücken, den oft beklagten Mangel an Werken A l b r e c h t D ü r e r s , auf unverhofft glückliche Weise durch einige hervorragende Bildnisse des Meisters, worunter der berühmte Holzschuher und die 1506 in Venedig gemalte farbenprächtige »Madonna
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m i t d e m Zeisig«, a u s z u f ü l l e n . F e r n e r s i n d h i e r z u e r w ä h n e n : ein H a u p t b i l d seines S c h ü l e r s H a n s v o n K u l m b a c h sowie die Bilder der nach D ü r e r gebildeten A 1 b r e c h t A l t d o r f e r und G e o r g Pencz. Altniederländische Schule. In d e r n o r d i s c h e n M a l e r e i d e s 15. J a h r h u n d e r t s n i m m t diese S c h u l e die e r s t e S t e l l e ein. Sie h a t das eigentliche Prinzip der Tafelmalerei e n t d e c k t u n d s o f o r t die D a r s t e l l u n g d e s r e a l e n L e b e n s in d e m l e u c h t e n d e n f a r b i g e n S c h e i n aller D i n g e b i s ins kleinste Detail mit meisterhafter Technik ausgebildet. H i n s i c h t l i c h dieser S c h u l e ü b e r t r i f f t d i e B e r l i n e r G a l e r i e d u r c h d i e Z a h l a u s g e z e i c h n e t e r W e r k e alle a n d e r e n ö f f e n t lichen Sammlungen. Voran steht das H a u p t w e r k der altniederländischen Malerei: die sechs T a f e l n des G e n t e r A l t a r w e r k s der Brüder H u b e r t und J a n v a n E y c k. H i e r a n s c h l i e ß e n sich v e r s c h i e d e n e k l e i n e r e Gemälde von J a n v a n E y c k . D a n n v o n einem der hervorragendsten selbständigen Zeitgenossen der van Eyck, von R o g e r v a n der W e y d e n , der die b r a b a n t e r Schule b e g r ü n d e t e , drei Flügela l t ä r e u n d ein F r a u e n b i l d n i s , die z u m T e i l z u s e i n e n b e s t e n W e r k e n gehören. V o n dem heute mit Robert Campin, d e m L e h r e r v a n der W e y d e n s , identifizierten M e i s t e r v o n F 1 6 m a 11 e eine K l a g e a m K r e u z u n d ein c h a r a k teristisches männliches Bildnis. V o n anderen bedeutenden N a c h f o l g e r n d e r v a n E y c k sind A l b e r t O u w a t e r in s e i n e m e i n z i g e n b e g l a u b i g t e n G e m ä l d e , D i r k Bouts, P e t r u s C r i s t u s u n d G e r a r d D a v i d in g u t e n B i l d e r n v e r t r e t e n . E i n in j e d e r B e z i e h u n g b e d e u t e n d e s Werk ist d i e » A n b e t u n g d e r K ö n i g e « v o n Hugo v a n d e r G o e s . — A l s v o r z ü g l i c h e Vertreter der altf r a n z ö s i s c h e n M a l e r e i b e s i t z t die G a l e r i e d a s P o r t r ä t d e s E s t i e n n c C h e v a l i e r m i t d e m hl. S t e p h a n v o n J a n F o u q u e t u n d die A l t a r f l ü g e l v o n S i m o n Marmion. D i e niederländische Schule d e s 16. J a h r h u n d e r t s s t e h t als K u n s t e i n e r Ü b e r g a n g s z e i t a n k ü n s t l e r i s c h e m V e r m ö g e n s o w o h l h i n t e r d e r v o r a n g e g a n g e n e n als d e r n a c h f o l g e n d e n Malerei z u r ü c k u n d i s t d a h e r v o n v o r w i e g e n d h i s t o r i s c h e m Interesse. A u f der einen Seite
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stehen die Meister, die unter dem Einflüsse italienischer Vorbilder die nationale Eigentümlichkeit einbüßen, dafür aber eine neue, in der Freiheit der Darstellung und in der Formbildung entwickelte Kunst vorbereiten, auf der anderen diejenigen Meister, die mit der beginnenden Ausbildung der verschiedenen Gattungen der Klein maierei, des Sittenbildes, der Landschaft und des Stilllebens, eine neue Kunstepoche einleiten. Beide Gruppen sind sehr zahlreich vertreten. Zu der ersten zählen insbesondere J a n G o s s a e r t (Mabuse), H e r r i B 1 e s , J o a c h i m de P a t i n i r , H i e r o n y m u s B o s c h , Jan van Scorel, Jean Bellegambe, Mart e n H e e m s k e r c k u. a. Vorzüglich vertreten ist durch ein großes Madonnenbild, ' Q u i n t e n M a s s y s , der die niederländische Kunstweise des 15. Jahrhunderts im Sinne der Renaissance fort- und umbildet, dann P i e t e r B r u e g e l d. Ä l t . durch die »Niederländischen Sprichwörter«. Von dem Begründer der Genremalerei L u c a s v a n L e y d e n finden sich drei seiner seltenen Bilder, von dem Porträtmaler A n t o n i s M o r ein Hauptwerk aus seiner ersten Zeit und ein gutes Bild aus späterer Zeit. Vlämische Schule. An ihrer Spitze steht R u b e n s , zugleich ihr Schöpfer und ihr Führer, der die v l ä m i s c h e M a l e r e i zu selbständiger und den größten Kunstepochcn ebenbürtiger Bedeutung fortbildet. Von dem großen Meister hat Berlin allerdings keine so reiche Zahl umfangreicher Gemälde aufzuweisen wie München, Petersburg, Wien und Madrid, doch kennzeichnen die vorhandenen den Künstler nach seinen verschiedenen Seiten und haben zumeist durch außerordentliche malerische Qualitäten und als ganz von seiner Hand vollendete Werke hervorragenden Wert. Die Auferweckung des Lazarus ist ein treffliches Beispiel seiner großen Kirchengemälde, während die Diana auf der Hirschjagd, die Befreiung der Andromeda, das große Bacchanal und die Diana im Bade die ganze Fülle von Heiterkeit und Lebenslust seiner mythologischen Darstellungen bekunden. In anderen Werken lassen sich die verschiedenen Stufen seiner fort-
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schreitenden Entwicklung verfolgen: der hl. Sebastian verrät noch die Nachwirkung seines italienischen Aufenthaltes, der seine Formbehandlung läuterte; Neptun und Amphitrite, als Komposition ein Hauptwerk, vertritt wieder in anderer Weise die Zeit nach der Rückkehr des Meisters aus Italien; die schon genannten Gemälde sind aus seiner mittleren Zeit, während die hl. Cäcilie, die lebensgroße Figur der Andromeda und die Diana im Bade den Künstler auf der vollen Höhe der Meisterschaft in seiner letzten Periode zeigen. Die Einnahme von Tunis gewährt als unvollendetes Gemälde Einblick in sein technisches Verfahren. — Auch von Rubens' größtem Schüler, A n t o n i u s v a n D y c k , besitzt die Galerie charakteristische, zum Teil sehr bedeutende Werke. In seinem Hauptfach, dem Bildnis, ist der Meister durch drei Bildnisse aus seiner Genueser Zeit vorzüglich vertreten. Von seinen Altargemälden sind einige aus seiner ersten Zeit, da er, noch ganz unter Rubens' Einfluß, dessen Weise fast noch zu überbieten versuchte (z. B. die Verspottung Christi); ein besonders eindrucksvolles Werk (die Beweinung Christi) stammt aus seiner mittleren Periode, nachdem er sich in Italien durch das Studium der dortigen großen Meister selbständiger entwickelt hatte. Zu seinen reizvollsten Werken gehört das Nymphenbild. Ebenso ist J o r d a e n s mit einer seiner derben Eßgesellschaften und einem Bildnis vertreten. Die großen Eigenschaften der vlämischen Schule, Schwung der Formen und Bewegtheit der Komposition, verbunden mit Fülle und Leuchtkraft der Färbung, geben sich auch in den Stilleben kund, sowohl im Tierstück monumentalen Umfangs wie im Blumenstrauß. In der Galerie hat diese Gattung insbesondere von Frans S n y d e r s , J a n F y t , J a n B r u e g h e l , der in diese Periode übergreift, und D a n i e l S e g h e r s gute Werke aufzuweisen. — Die P o r t r ä t m a l e r e i der Schule zeigt nicht selten im Familienbild durch den großen Umfang und durch die stattlich festliche Erscheinung der Dargestellten sowie durch die malerische Umgebung einen ins Monumentale erhöhten Charakter, Wirkungsvolle
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Werke dieser Art sind von C o r n e l i s d e V o s und G o n z a l e s C o x vorhanden. Weniger reich ist das v l ä m i s c h e S i t t e n b i l d vertreten, das in der farbigen Schilderung eines fröhlichen, von Lust und Übermut erfüllten Volkslebens gleiche Vorzüge aufweist. Doch finden sich von dem jüngeren T e n i e r s eine Reihe charakteristischer und zum Teil trefflicher Werke. Von dem gleichen Meister ist das Bild Neptun und Amphitrite beachtenswert, da er hier, wie öfters, die Hauptfiguren einem großen Bilde des Rubens entnommen hat. Von B r o u w e r , dem genialen Maler des flämischen Volkslebens, der mit treffendem Humor die feinste malerische Behandlung verbindet, ist eine in ihrer Art sehr seltene Landschaft, in der tageshellen Wirkung treu beobachtet und von geistreicher Behandlung, hervorzuheben. — In der L a n d s c h a f t repräsentieren die älteren schon genannten Meister J a n B r u e g h e l und P a u l u s B r i l zwei verschiedene Richtungen; der erstere die zierliche, farbenreiche Schilderung des heimatlichen Landes, der zweite die mehr dekorative Darstellung der südlichen Natur mit ihrem klassischen Formenreichtum, eine Gattung, auf deren weitere Entwicklung er großen Einfluß geübt hat. Holländische Schule. Die holländische S c h u l e zeichnet sich durch eine seltene Vollständigkeit der größeren und kleineren Meister aus. Die Künstler, welche die Anfänge dieser Schule kennzeichnen, sind schon genannt. In der weiteren Entwicklung tritt, dem holländischen Volkscharakter entsprechend, nicht (wie in der vlämischen Schulc) eine einzige hervorragende Persönlichkeit als bestimmender Mittel- oder Höhepunkt hervor; vielmehr schlagen eigentümlich angelegte Kräfte verschiedene Wege ein und begründen so eine ganze Anzahl von kleineren, in sich selbständigen Gattungen. Zunächst entwickelt sich die P o r t r ä t m a l e r e i , im Einklang mit der großen Rolle, welche die einzelne bürgerliche Persönlichkeit in dem neugegründeten Freistaate spielt. Auf diesem Felde ist neben N. E l i a s , J a n R a v e s t e i j n , P a u l u s M o r e e l s e und J. G.
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C u i j p , besonders F r a n s H a l s , der an der Spitze der früheren holländischen Bildnismalerei steht, in einer von keiner Galerie außerhalb Haarlems erreichten Reihe von Werken vertreten, welche die Entwicklung des Künstlers verfolgen lassen. Er gehört zugleich durch seine Schilderung von charakteristischen Volkstypen zu den Begründern der holländischen Genremalerei. Neben Frans Hals zeichnet sich der Amsterdamer Bildnis maier T h o m a s d e K e i j s e r durch mehrere treffliche Werke aus. Die reiche Entwicklung, welche die holländische G e n r e m a l e r e i nimmt, kommt in der Galerie zu einem sehr mannigfachen Ausdruck, und zwar sowohl die frühere Periode, die sich besonders in der Schilderung einer abenteuernden Soldateska und eines derben Bauernstandes hervortut, als die spätere. Die letztere machte, neben einer mehr gemütlichen Auffassung des ländlichen Treibens und der beschränkten Existenz der kleinen Leute, mit Vorliebe das gesittete Leben der bürgerlichen Klassen, des »Mijnheer« und seines Hauses, zu ihrem Gegenstande. In dieser Gattung sind insbesondere T e r b o r c h , J a n S t e e n , M e t s u , P i e t e r d e H o o c h und der D e l f t s c h e v a n d e r M e e r zu nennen, alle gut und charakteristisch vertreten. Dagegen sind die sogenannten Kleinmeister, wie G e r a r d D o u , Frans v a n M i e r i s , S l i n g e l a n d , nur spärlich vorhanden. Was die Genremalerei besonders auszeichnet, ist die feine Ausbildung des Helldunkels, die zugleich die schwebende Stimmung des Vorgangs, die leise Bewegung des inneren Lebens zum Ausdruck bringt. Die dadurch bewirkte malerische Vollendung hebt die holländische K u n s t auf die höchste Stufe. Hier ist es nun, ähnlich wie in der vlämischen Schule Rubens, ein über alle hinausragender Meister, R e m b r a n d t v a n R i j n , der diese Ausbildung des eigentlich Malerischen vollzieht und auf die Entwicklung der holländischen Schule in ihrer zweiten Periode den bestimmenden Einfluß übt. Von ihm empfängt auch die Schilderung des Sittenlebens einen
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höheren künstlerischen Charakter; bedeutende Meister wie Pieter de Hooch, der Delftsche Vermeer, Nicolas Maes, stehen direkt unter seiner Einwirkung. Von Rembrandt selbst hat die Sammlung charakteristische, zum Teil ausgezeichnete Werke aus seinen verschiedenen Perioden aufzuweisen. Ein hervorragendes Werk des Meisters, von eigentümlichem Zauber ist das Bildnis seiner Gattin Saskia; zwei kleine Bildchen mit biblischen Darstellungen sind treffliche Beispiele für die Wirkung des Helldunkels in der heimlichen Geschlossenheit des Hauses. Vor allem aber sind sieben Gemälde Rembrandts vorzügliche Zeugnisse der Meisterschaft aus seiner besten Zeit: »Die Vision Daniels«, von besonderem Reiz durch den poetisch-stimmungsvollen Ausdruck des Vorgangs, »Susanna mit den beiden Alten«, von blühender Färbung und Feinheit des Tons, »Joseph von Pothiphars Frau verklagt«, von unübertroffener Leuchtkraft des Kolorits, »die Predigt Johannis des Täufers«, eine der figurenreichsten Darstellungen des Meisters, vielleicht Vorlage für eine nicht ausgeführte Radierung ähnlich dem berühmten Hundertguldenblatt, der »Anslo«, der den bedeutendsten Werken des Meisters an die Seite zu stellen ist, das kraftvolle Bildnis der Hendrickje Stoffels und endlich »Rembrandts Bruder mit dem Goldhelm«. In jüngster Zeit kamen ein paar kleine Bilder als wertvolle Bereicherung hinzu: das Jugendwerk »Simson und Delila«, die phantastische Helldunkelskizze des »barmherzigen Samariters« und zwei Bilder aus der Sammlung Rudolf Kann. — Die Rembrandt-Schüler sind fast vollständig vertreten, besonders reizvoll G. F 1 i n c k in der »Susanna«. Die L a n d s c h a f t , die in der Schilderung der heimatlichen Natur jetzt auch die Stimmungen des atmosphärischen Lebens darstellt, hat in der Sammlung ihre tüchtigsten Vertreter. Von J a c o b v a n R u i s d a e 1 finden sich unter einem Dutzend Gemälde zwei Fernsichten von Haarlem, eine große, stürmisch bewegte See, eine sumpfige Waldlandschaft sowie kleinere Waldbilder, die zu seinen besten Werken zählen; von A. v a n d e r N e e r eine ganze Reihe von zum Teil erlesenen
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Stücken; von dem auf dem Kontinente seltenen P h i l i p s d e K ö n i n c k eine holländische Flachlandschaft mit weit ausgedehnter Ferne, zugleich ein bedeutsames Zeugnis für den Einfluß Rembrandts auf diesem Gebiete der holländischen Malerei; von A. v a n E v e r d i n g e n zwei feine Bildchen mit norwegischen Motiven; eine vorzügliche Dünenlandschaft vom Haarlemer v a n der Meer. Auch H o b b e m a , J. v a n Goijen, H a c k a e r t , J o r i s v a n d e r H a g e n , S. v a n R u i j s d a e 1 sind vertreten. — Nicht minder zeichnet sich durch gute Werke der besten Meister die mit dem Hirten-, Jagd- und Tierleben verbundene Landschaftsmalerei aus, eine Gattung, welche in Holland zu vollendeter Meisterschaft ausgebildet wurde. Besonders sind hier die Werke von P a u l u s P o t t e r , A e l b e r t C u i j p A d r i a e n v a n der V e l d e , K a r e l du J a r din, Philips Wouwerman, NicolaesBerchem, Hendrick Mommers hervorzuheben. Auch das zu einer besonderen Gattung ausgebildete A r c h i t e k t u r s t ü c k , ebenso das S e e b i 1 d hat tüchtige Meister aufzuweisen. Für das erstere sind namentlich B a r t h , v a n B a s s e n und E m a n u e l d e W i t t e zu nennen; im zweiten ist L u d o l f B ä k • h u i s e n und J a n v a n d e C a p p e l l e , letzterer mit einem vorzüglichen Bilde vertreten. Besonders reich und gut finden sich die verschiedenen Arten des S t i l l 1 e b e n s , die der Holländer mit jener Liebe und Sorgfalt gepflegt hat, die er dem Schmuck und Geräte seines reich ausgestatteten Hauses, den Blumen und Früchten seines wohlversorgten Gartens zuwandte. Treffliche Beispiele bieten die Gemälde von J a n W e e n i x , W. K a l f , J a n de H e e m , J a n v a n H u i j s u m , R a c h e l R u i j s c h und A. v a n B e i j e r e n . Italienische Schule. Die i t a l i e n i s c h e S c h u l e ist in einer Weise vertreten, die der Galerie ein ganz besonderes Interesse verleiht. Die bedeutsamen Anfänge, welche die Kunst des T r e c e n t o ausmachen und durch eine neu erwachte selbständige Naturanschauung eine neue Gestaltungsweise und damit die große Zeit der
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Malerei vorbereiten, sind durch eine größere Anzahl lehrreicher Beispiele gekennzeichnet, und zwar für die beiden Hauptschulen der Epoche, die florentinische und die sienesische. Von G i o 1 1 o selbst, dem großen florentinischen Meister und Hauptbegründer der neuen Entwicklung, hat die Galerie ein kleines Werk aufzuweisen; von einem seiner Schüler, T a d d e o G a d d i , der dem Meister besonders nahestand, ein sehr bemerkenswertes Triptychon sowie ein paar Tafeln, zu einer größeren Folge gehörig, denen Kompositionen Giottos zugrunde liegen. Charakteristisch für die Schule Giottos ist auch die Madonna von A g n o l o G a d d i . Beachtenswerter als sein Triptychon ist das reizende Altärchen B e r n a r d o D a d d i s , das zugleich den Einfluß der Sienesen zeigt. — Noch besser stellt sich die Schule von Siena dar, besonders anziehend durch den Liebreiz ihrer Bildungen, der sich auch in der Färbung ausspricht. Von dem Hauptwerk der Schule, das ihre bedeutsamen Anfänge und für Siena den Übergang zu der neuen großen Epoche der Malerei bezeichnet, von dem umfangreichen Altarwerke des D u c c i o (in den Jahren 1308 bis 1 3 1 0 für den Dom von Siena gemalt), besitzt die Galerie ein Predellenstück. Dann finden sich von S i m o n e M a r t i n i eine tiefempfundene kleine Grablegung und von L i p p o M e m m i mehrere Madonnenbilder vor, ferner von den Nachfolgern, die für Siena Bedeutung erlangt haben, insbesondere von P i e t r o L o r e n z e t t i und B a r t o l o d i M a e s t r o F r e d i , echte Werke sowie eine Anzahl guter Schulstücke. Auch die sienesische Malerei des Quattrocento, die wir hier anschließen, weil sie mit der großen Entwicklung der neuen Epoche nicht Schritt zu halten vermochte, hat charakteristische Erzeugnisse aufzuweisen, namentlich Werke von S a s s e t t a , N e r o c c i o d i B a r t o l o m m e o , G i o v a n n i di P a o l o . Endlich sind noch andere Schulen und Meister, die im Trecento neben Florenz und Siena eine sekundäre Stellung einnehmen, in der Galerie vertreten: A l e g r e t t o N u z i von Fabriano, B a r n a b a von Modena, die altvenizianische und altpaduanische Schule.
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Die besondere Stärke der Sammlung liegt in dem Besitz von großen und kleinen Werken aus der bedeutsamen Periode des Q u a t t r o c e n t o . Von den führenden Künstlern des 15. Jahrhunderts wurde bald eine hohe Meisterschaft erreicht, indem sich mit der plastischen Durchführung der Formen, dem großen monumentalen Zug, dem immer weitere Gebiete umfassenden Studium der Natur eine immer zunehmende Herrschaft über die Darstellungsmittel verband. Aus dieser Zeit hat die Galerie in seltener Vielseitigkeit Werke aller namhaften Schulen aufzuweisen, darunter solche, die über die historische Bedeutung hinaus ein tieferes künstlerisches Interesse gewähren. Daher ist die hiesige Sammlung vornehmlich geeignet, von der vielseitigen und umfassenden Entwicklung des 15. Jahrhunderts eine deutliche Vorstellung zu geben. Doch bleibt dabei zu berücksichtigen, daß diese Kunst, die venezianische Schule ausgenommen, vor allem in der Wandmalerei (»buon fresco«) zu Leistungen von höchstem künstlerischen Werte sich erhoben hat, während sie in den Tafelbildern noch schüchtern und mit sichtbarer Anstrengung ein neues Gebiet betritt. Aus der t o s k a n i s c h e n S c h u l e , die das Hauptglied in der Kette jener Entwicklung bildet, sind Hauptwerke vorhanden von M a s a c c i o , F r a A n g e l i c o , dessen Jüngstes Gericht zu den schönsten Werken des durch die hohe Anmut seiner Gestalten wie durch den Ausdruck innig reiner Empfindung ausgezeichneten Meisters gehört; ferner von B e n o z z o G o z z o l i , F r a F i l i p p o und F i l i p p i n o Lippi, B o t t i c e l l i , R a f f a e l l i n o del G a r b o , Pie r o d i C o s i m o , zum Teil von selbständigem und großem künstlerischen Reiz. Auch von D o m e n i c o G h i r l a n d a j o , der für Florenz einen der Höhepunkte des Quattrocento bedeutet, finden sich charakteristische Leistungen. Von V e r r o c c h i o besitzen wir eine Madonna, die den Einfluß der Bronzeplastik und ihrer Formenstrenge auf die Malerei bekundet, von P i e r o P o 1 1 a i u o 1 o die Verkündigung und von seinem Bruder A n t o n i o P o l l a i u o l o den David (erworben 1890),
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einen interessanten Versuch zur Einführung der öltechnik. — Neue Elemente bringt die u m b r i s c h - t o s k a n i s c h e S c h u l e hinzu in der perspektivischen Behandlung der Form, in der Durchbildung des Nackten, in der Sättigung und Leuchtkraft der Färbung. Auf diesem Felde treten F i o r e n z o d i L o r e n z o , M e l o z z o d a F o r 1 i und besonders S i g n o r e 11 i hervor, der letztere mit ausgezeichneten Werken. — Aus der u r a b r i s e h e n S c h u l e finden sich Bilder von G e n t i 1 e da F a b r i a n o , Bonfigli, P i n t u r i c c h i o , S p a g n a , B e r t u c c i ; doch fehlt der Führer der Schule, P e r u g i n o. — Von der o b e r i t a l i e n i s c h e n M a l e r e i ist die Schule von P a d u a durch deren Begründer F r a n c e s c o S q u a r c i o n e , ihren Führer M a n t e g n a , den Meister perspektivischer Formendurchbildung und scharfer Charakteristik, und den seltenen P a r e n t i n o gut vertreten; mehr noch gilt dies für die verwandten Schulen von B o l o g n a und F e r r a r a , aus welchen die Galerie das Hauptwerk des C o s m f e T u r a , von hohem phantastischen Reize, sowie tüchtige Werke von F r . C o s s a , E r c o l e R o b e r t i , F. M a i n e r i , M a r c o Z o p p o , L o r e n z o C o s t a u. a. besitzt. — Einen sehr bedeutsamen Gang nimmt die Entwicklung der v e n e z i a n i s c h e n S c h u l e , indem sie mit Einführung der neuen Technik durch Tiefe und Leuchtkraft des Kolorits die malerische Darstellung vollendet. Auch dafür bietet die Galerie zahlreiche bezeichnende Beispiele. Aus der frühen Zeit ist ein sehr seltener Meister vertreten: der Veroneser V i t t o r e P i s a n o , der als vortrefflicher Port rätist (besonders durch seine Medaillen berühmt) und als scharfer Beobachter des Naturlebens auf den Fortgang der Schule von Einfluß gewesen ist. Von A n t o n e l l o d a M e s s i n a , der die ausgebildete Ölmalerei nach Venedig bringt, finden sich mehrere jener ausgezeichneten Bildnisse, die den Meister neben die größten Künstler aller Zeiten stellen. Von dem eigentlichen Führer der Schule, G i o v a n n i B e 11 i n i , und den unter seinem Einfluß stehenden Zeitgenossen, wie C i m a und C a r p a c c i o , von den Führer durch das Kaiser-Friedrich-Museum.
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kleineren Meistern der Schule und den mit den Bellini wetteifernden V i v a r i n i sowie von dem eigenartigen C a r l o C r i v e l l i sind eine Reihe von Werken vorhanden, darunter einzelne treffliche Leistungen (so der von Engeln betrauerte Christus und die Auferstehung von G i o v . B e l l i n i , das große Altarbild des L u i g i V i v a r i n i , das große Madonnenbild von C a r l o C r i v e l l i und die Pietà von C a r p a c c i o ) . Endlich sind auch die Schulen von Vicenza, Verona und Mailand durch die Montagna, Buonsignori, Girolamo da Libri, Borgognone, Foppa u. a. vertreten. Von hervorragenden Werken aus der Blütezeit der italienischen Malerei findet sich nur eine kleinere Anzahl, eine empfindliche, wohl nicht mehr auszufüllende Lücke. Immerhin vermag das Vorhandene eine Vorstellung von der großen Periode zu geben. Von R a f f a e 1 mehrere anziehende Jugendwerke, die seine Entwicklung innerhalb der umbrischen Schule und über dieselbe hinaus charakterisieren ; von F r a Bartolommeo ein großes Altarbild ; von A n d r e a d e l S a r t o ein schönes Hauptwerk, von F r a n c i a b i g i o , dem Freunde und Arbeitsgenossen Andreas,. zwei gute Bildnisse, sowie von dem späteren trefflichen Bildnismaler B r o n z i n o die Porträts des Ugolino Martelli und der Eleonore von Toledo. Ferner aus der l o m b a r d i s c h e n S c h u l e vor allem ein höchst beachtenswertes Altarbild, das früher nur für ein Werk aus der mailändischen Schule galt, aber wohl im wesentlichen als eigenhändiges Werk des großen Meisters L e o n a r d o d a V i n c i angesprochen werden darf; ein Jugendwerk des G a u d e n z i o Ferrari, ein gutes Gemälde des seltenen B o l t r a f f i o , die Caritas von S o d o m a ; endlich aber ein Hauptbild des C o r r e g g i o , Leda mit dem Schwan. Aus den S c h u l e n v o n B o l o g n a und F e r r a r a mehrere Bilder von F r a n c . F r a n c i a und seinen Schülern, von G a r o f a l o und M a z z o l i n o . — Den Höhepunkt der v e n e z i a n i s c h e n S c h u l e bezeichnen mehrere Bildnisse von T i z i a n , darunter das des Töchterchens des Roberto Strozzi; dazu ein männliches Bildnis
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v o n G i o r g i o n e , d a s v o r t r e f f l i c h e B i l d einer j u n g e n Römerin von S e b a s t i a n o del P i o m b o , aus S c h l o ß B l e n h e i m , ein B i l d , d a s u n s d i e K u n s t des C i n q u e c e n t o in i h r e r s c h ö n s t e n B l ü t e v e r g e g e n w ä r t i g t , f e r n e r verschiedene Altartafeln von P a r i s B o r d o n e , T i n t o r e t t o und L o r e n z o L o t t o ; von den beiden letzten noch je zwei treffliche Bildnisse; endlich a u c h profane Malereien z u m P a l a s t s c h m u c k v o n P a o l o V e r o n e s e und T i n t o r e t t o . V o r z ü g l i c h ist die a n d i e V e n e z i a n e r sich a n s c h l i e ß e n d e S c h u l e v o n B r e s c i a in ihren besten Meistern M o r e t t o (Bonvicino), R o m a n i n o und d e m seltenen S a v o 1 d o v e r t r e t e n ; d i e A l t a r t a f e l M o r e t t o s g e h ö r t z u seinen s c h ö n sten W e r k e n . D i e N a c h b l ü t e d e r i t a l i e n i s c h e n K u n s t i m 17. J a h r h u n d e r t , j e t z t freilich w e n i g e r g e s c h ä t z t a l s f r ü h e r , i s t in d e r S a m m l u n g z u m T e i l sehr g u t v e r t r e t e n ; s o w o h l d i e a k a d e m i s c h e R i c h t u n g v o n ihrer b e s t e n S e i t e in e i n e m Hauptwerke von G u i d o R e n i und ausgezeichneten Bildnissen v o n A g o s t i n o C a r r a c c i , D o m e n i c h i n o und C a r l o M a r a t t i , w i e die naturalistis c h e G e g e n s t r ö m u n g in C a r a v a g g i o . — E n d l i c h z e i g t sich d e r l e t z t e A u f s c h w u n g d e r i t a l i e n i s c h e n M a l e r e i ( a m E n d e d e s 17. u n d i m 18. J a h r h u n d e r t ) v o n k ü n s t l e r i s c h e m W e r t durch das Verständnis farbiger dekorativer W i r k u n g und durch virtuose Behandlung unter d e m Einfluß der v e n e z i a n i s c h e n M e i s t e r ; ein H a u p t b i l d v o n L u c a G i o r d a n o , v o r t r e f f l i c h e W e r k e v o n T i e p o 1 o u n d eine R u i n e n l a n d s c h a f t v o n G. P. P a n i n i , sowie S t ä d t e ansichten von A. C a n a l e , B e i o t t o und namentlich v o n G u a r d i sind hier h e r v o r z u h e b e n . Spanische Schule. D u r c h einige H a u p t w e r k e d e r g r ö ß t e n Meister der Blütezeit, der ersten H ä l f t e des 17. J a h r h u n d e r t s , ist die s p a n i s c h e S c h u l e vert r e t e n . I h r e M e i s t e r s c h a f t b e s t e h t in d e r m a l e r i s c h e n , a u f H e l l d u n k e l u n d K r a f t oder a u f F e i n h e i t d e s T o n s g e r i c h t e t e n B e h a n d l u n g , m i t d e r sich l e b e n s v o l l e r N a t u r a l i s mus, energische Charakteristik und öfters der ergreifende A u s d r u c k g e s t e i g e r t e r religiöser E m p f i n d u n g w i r k s a m v e r 7*
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binden. Z u b e a c h t e n sind besonders zwei große B i l d e r Z u r b a r a n s , das schöne Frauenbildnis und d a s frühe J u g e n d b i l d der Musikanten v o n V e l a z q u e z , die V e r z ü c k u n g des hl. Antonius, und die stattliche A n b e t u n g der Hirten v o n M u r i 11 o sowie der hl. Sebastian v o n Ribera. V o n den n a m h a f t e n Zeitgenossen und S c h ü lern dieser großen Meister, A l o n s o Cano, Carr e n o und C e r e z o h a t die Galerei einige g u t e W e r k e aufzuweisen, seit neuerer Z e i t a u c h interessante Arbeiten v o m letzten Meister der älteren s p a n i s c h e n Malerei, F r a n c i s c o Goya. Französische Schule. Die f r a n z ö s i s c h e S c h u l e u m f a ß t nur eine kleine A n z a h l v o n Gemälden, doch gibt diese kleine Z a h l v o n der E n t w i c k l u n g der französischen Malerei des 17. und 18. J a h r h u n d e r t s ein nahezu vollständiges Bild. V o n N i c o l a s Poussin finden sich einige m y t h o l o g i s c h e Darstellungen, glückliche Beispiele seiner edlen F o r m g e b u n g und auf stilvolle Größe gerichteten Kompositionsweise; namentlich aber ist die A n s i c h t v o n A c q u a acetosa nicht nur sein H a u p t w e r k in dieser G a t t u n g , sondern eines der schönsten W e r k e der klassischen Landschaftsmalerei überhaupt. Ihr steht die A n s i c h t aus der U m g e b u n g R o m s v o n Gaspard D u g h e t nahe. Von Claude Lorrain zwei italienische L a n d s c h a f t e n . Von C h a r l e s Lebrun ist ein großes F a m i l i e n p o r t r ä t vorhanden, vielleicht das bedeutendste seiner W e r k e . V o n den Bildnismalern, welche die Persönlichkeit v o n ihrer glänzenden Seite und in lebhafter, der W e l t zugewendeter Beweglichk e i t anziehend zu schildern wissen, sind mehrere H a u p t meister mit ausgewählten S t ü c k e n v e r t r e t e n : Pierre M i g n a r d , Nie. Largilli&re und A n t o i n e P e s n e , letzterer am Berliner Hofe v o n Friedrich I. und Friedrich dem Großen beschäftigt, der die zu hoher Meisterschaft gelangte französische K u n s t seiner Zeit wohl zu schätzen wußte. Besonders bemerkenswert ist das große Selbstporträt mit seinen Töchtern. — Endlich finden sich v o n A n t o i n e W a t t e a u , der das heitere, lebensfrohe Treiben der Gesellschaft jener Zeit inmitten
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der anmutigen N a t u r mit vollendetem malerischen Reiz d a r s t e l l t e , m e h r e r e g u t e G e m ä l d e (eine g r o ß e A n z a h l s e i n e r W e r k e s o w i e v o n B i l d e r n seiner N a c h f o l g e r b e w a h r e n d i e k ö n i g l i c h e n Schlösser), w ä h r e n d v o n d e n M a l e r n , d i e d e m Z u g e des Zeitalters folgend bald mit derberem R e i z die u n v e r h ü l l t e S i n n l i c h k e i t , b a l d die s i n n l i c h e A n m u t i n einem Schleier v o n Empfindsamkeit und Unschuld wohl z u s c h i l d e r n v e r s t a n d e n , n u r J . B . G r e u z e in e i n e m c h a r a k t e r i s t i s c h e n B i l d e v o r h a n d e n ist. V o n d e m s e l t e n e n , in s e i n e n F a r b e n b e s o n d e r s g e s c h m a c k v o l l e n M a l e r C h a r d i n k a m ein s c h ö n e s S t i l l e b e n in die G a l e r i e . Englische Schule. Durchs dankenswerte Geschenke u n d d u r c h E r w e r b u n g e n h a t d a s M u s e u m in d e n l e t z t e n J a h r e n eine A n z a h l W e r k e dieser i m 18. J a h r h u n d e r t n e b e n der französischen Schule hervorragendsten Malerschule erhalten: vier wertvolle Bildnisse v o n S i r J. R e y n o l d s , das P o r t r ä t des J o h n Wilkinson v o n T h o m a s G a i n s b o r o u g h , männliche Porträts v o n T h . L a w r e n c e , R e a b u r n und R o m n e y , u n d ein b e sonders feines Frauenbildnis v o n dem letzteren. A u c h der vielgereiste Z o f f a n y und der L a n d s c h a f t e r W i l s o n s i n d c h a r a k t e r i s t i s c h v e r t r e t e n . — B e i diesen B i l d e r n d e s 18. J a h r h u n d e r t s h a t m a n a u c h die d e u t s c h e n d i e s e s J a h r h u n d e r t s e i n g e r e i h t ; i n t e r e s s a n t e P o r t r ä t s v o n G r a f f, C h o d o w i e c k i , A n g e l i c a K a u f f m a n n und G e n r e b i l d e r v o n C h o d o w i e c k i , die d e n e n v o n W a t t e a u u n d G r e u z e n a c h g e b i l d e t sind.
D u r c h d e n U m g a n g , der sich a n die H a u p t t r e p p e anschließt, gelangt man l i n k s zu den K a b i n e t t e n und Sälen der n i e d e r l ä n d i s c h e n und d e u t s c h e n M a l e r s c h u l e n ; r c c h t s z u d e n Italienern, S p a n i e r n u n d d e r M a l e r e i d e s 18. J a h r h u n d e r t s . W i r w e n d e n u n s z u n ä c h s t n a c h links, z u d e m e r s t e n kleinen
Rundgang du|ju .dle e
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Oberlichtsaal 73. der zurzeit an der L ä n g s w a n d einige niederländische Bilder des X V I I . Jahrhunderts sowie an der Schmalwand einige v o n den Erben, Professor K a r l v . W e s e n d o n k und F. W . Freiherr Dr. v . Bissing, leihweise ausgestellte Gemälde der S a m m l u n g v . W e s e n d o n k enthält. Längswand: 884 Jacob van Ruisdael, B e w e g t e See bei aufsteigendem Wetter. 87« C o r n e l i s B e g a , Lautenspielerin, v o n ungemeinem Reiz der Anordnung, F a r b e und Modellierung. Schmalwand m i t Bildern der v . W e s e n d o n k s c h e n S a m m l u n g (nicht im Verzeichnis der Gemäldegalerie): Jan Vermeer van Haarlem, Landschaft. Eine schlichte, großgesehene A b s c h r i f t des Flachlandes mit hohem Himmel. Joachim de Patinir, L a n d s c h a f t mit Jagd, eine der besten Arbeiten des Meisters, scharf gezeichnet, mit allerlei lustigen Einzelzügen. A d r i a e n v a n O s t a d e , V o r dem Wirtshaus, H a u p t w e r k des Meisters aus der Frühzeit (die Porträts v o n anderer Hand). M e i n d e r t H o b b e m a gen.(JanVermeer v a n H a a r l e m), Dorfstraße. Feinste Wiedergabe warmen Sonnenlichts. Jacob van Ruisdael, L a n d s c h a f t mit Ruine, schwermütig, dunkel. Die historische Folge der Gemälde beginnt mit
Kabinett 72. Genter Altar der Brüder van Eyck. —523
H u b e r t und J a n v a n E y c k , 12 Tafeln aus dem unschätzbaren H a u p t w e r k e der altniederländischen Malkunst. Der A l t a r wurde im A u f t r a g e des Jodocus V y d t und seiner Gattin Isabella Burluut für deren Kapelle in der Kirche S. Johann (jetzt S. B a v o ) zu Gent v o n H u b e r t v a n E y c k (f 1426) entworfen und bis zu einem
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nicht genau feststellbaren Grade ausgeführt, von dem jüngeren Bruder Jan vollendet (1432). Das untere Mittelbild wie die darüber befindlichen Einzelgestalten Gottvaters, Johannis und Maria sind noch in der Kirche S. B a v o zu Gent, während die beiden oberen äußersten Flügel mit A d a m und E v a in die Galerie zu Brüssel gekommen sind. In Berlin fehlen ganz die Gestalten des A d a m und der Eva. Kopien sind: Gottvater und die Anbetung des L a m m e s (von M i c h i e l v a n C o x i e um 1560 für K ö n i g Philipp II. von Spanien gemalt), ferner Maria und Johannes sowie die beiden schmalen mittleren Teile der Verkündigung (Arbeiten des 19. Jahrh.). Die hiesigen Originaltafeln sind neuerdings auseinandergesägt, so daß heute die Rückseiten neben den Vorderseiten hängen. Ein Bild von der ursprünglichen Anordnung des Ganzen gibt die Zusammenstellung in Photographien rechts v o m Fenster. Linke Wand: Die beiden Johannes, als Statuen in Steinfarben gehalten, ihnen zur Seite kniend die Stifter Jodocus und Isabella V y d t mit prachtvoll lebenswahren Köpfen. Im Gewand kein leichter Fluß, sondern statuarische Befangenheit, allerdings unter Schwinden alles Eckigharten. Darüber: Die Verkündigung, oben Propheten und Sibyllen. Man beachte, wie unwirklich die gleichsam geschnitzten schönen Gestalten in dem zierlich feinen R a u m auf dem stark abfallenden Boden stehen. Schrägwand links: Die singenden Engel. Der erste, etwas gewaltsame Versuch, einer Handlung wie der des Singens mannigfachen Ausdruck zu entlocken. In den glänzend überreichen Gewändern, dem Schmuck und den Schnitzereien verrät sich der enge Zusammenhang des Malhandwerks mit den andern Künsten. Hauptwand: Links: die gerechten Richter und die Streiter Christi zu Pferde. Ein farbenherrliches Denkmal der durch Geist oder Geburt führenden Gesellschaftsschichten
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jener Tage. — In der Mitte: die Anbetung des Lammes durch hlg. Männer und Frauen, als Symbol der Erlösungstat Christi. Oben: Gottvater mit Maria und Johannes. — Rechts: die hlg. Einsiedler und Pilger, unter ihnen übergroß der hl. Christopherus. Noch keine Landschaft voll L u f t und Leben; alles einzeln gebaut, aber aus wundervoll zarten Gliedern. Schrägwand rechts: Die musizierenden Engel. Mit allen Künsten der Stoffwiedergabe geschmückt, in einer interessanten Teilung der Bildfläche vermittelst der schräg durchziehenden Orgelpfeifen. Rechte Wand: Hugo van der Goes, Anbetung der Könige. Neben dem Portinari-Altar in Florenz das schönste Werk dieses so seltenen Künstlers und eine der herrlichsten Arbeiten der altniederländischen Malerei überhaupt. Ende des Jahres 1 9 1 3 aus dem spanischen Kloster Monforte ins Museum überführt. — In mauerumschlossenem Raum, der zweimal lichte Ausblicke läßt, spielt sich der Vorgang ab, über dem eine friedevolle, feierlich höfische Stille liegt. Gegen den rechten Bildrand gerückt wie ein stützendes Bauglied der Mohrenkönig zusamt den drei Köpfen, die sich um seine Schulter gruppieren. Weiter hinein in die Bildfläche kniet der zweite König, dem ein Knappe kniend den Pokal reicht. Geschlossen für sich die Gruppe der beiden knienden Männer zuseiten der Madonna. Die Farben stufen sich von sattem Dunkel rechts zu lichter Blässe links. Wundervoll sind die feinnervigen Hände, so die des Mohren, dann die festgreifende Linke des knienden Knappen und die von rückwärts durchleuchtete Rechte des zweiten Königs, die prächtig zu dem weichen Pelzwerk und dem glühenden Rot der Kappe steht.
Kabinett 70. Niederländer und Franzosen des 15. Jahrhunderts. 532 A
A e l b e r t v a n O u w a t e r , Die Auferweckung des Lazarus. Das einzige beglaubigte Werk dieses
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um 1450 in Haarlem tätigen Meisters. Für jene Zeit bewundernswerter Akt, strenge Gliederung in je eine Gruppe zuseiten des Vorgangs, volkstümlich derbe Typen und — um den Charakter des Orients darzustellen — bizarre Trachten. Dirk Bouts. Zwei Flügel von dem Haupt- 533,539 werke des Meisters, dessen Mittelstück mit dem Abendmahl sich noch in der Peterskirche zu Löwen befindet (vollendet 1467): Elias in der Wüste vom Engel gespeist. Feingestimmte Abendlandschaft, die sich noch streng in die felsige Vorderbühne und den Tiefenausschnitt links gliedert. — Das Passahfest. Schlichter Ernst der Gestalten, mit zartem Licht erfüllter Raum. Sclirägwände: S i m o n M a r m i o n , Die Legende des hl. Ber- 1645, tinus, zwei Altarflügel aus dem Kloster St.-Omer. 1645 A Lebhafte Anklänge an die Buchminiatur jener Zeit. Feinausgeschnittene Raumdurchblicke. Rückwand: J a n v a n E y c k , Bildnis des Giovanni Amol- 5*3A fini, der als Faktor eines Luccheser Kaufhauses in Brügge lebte. Vornehm, fast elegant, in satten Farbtönen. J a n v a n E y c k , Christus am Kreuz mit Maria 525 F und Johannes, Jugendwerk Jans, von einigen Forschern auch Hubert zugeschrieben. In schöner Farbigkeit, vor phantastischem Stadtbild. Der Schmerz zur Grimasse gesteigert. D e r M e i s t e r v o n F U m a l l e , Christus am 538 A Kreuz mit Trauernden. Metallisch glühende Farben. Anordnung der Gestalten zu einem flach nach links geschwungenen Bogen, in dem rechts einsam die kühn vom Rücken genommene Gestalt steht. Duftige Landschaftsferne. Petrus Cristus, Brustbild eines jungen 532 Mädchens, angeblich einer Lady Talbot, kühl vornehmen Charakters.
Gem&ldegalerie. J a n v a n E y c k , Bildnis des Baulduyn de Lannoy als Ritter vom Goldenen Vließ. Von größter Lebenswahrheit und trotz des kleinen Formates von stärkster Monumentalität. Rechte Wand: Petrus Cristus, Die Madonna mit dem knienden Karthäuser. Miniaturgleich, mit winzig feinem Ausschnitt eines Stadtbildes. H a n s M e m l i n g , Bildnis eines alten Mannes, in feinmodellierender, liebenswürdiger Charakterisierung. N i e d e r l ä n d i s c h e r M e i s t e r u m 1450, Kreuzabnahme (mit Benutzung einer Komposition von Roger van der Weyden). Vor sonnig hellem Himmel mit wundervoll luftigen Wolken das leere Kreuz, unter ihm die Schmerzensmutter mit dem Leichnam, inverblichenenTönen gehalten. Zur Linken Johannes in dunklem Gewand, rechts der kniende Stifter, in leuchtendes Rot gekleidet. R o g e r v a n d e r W e y d e n , Brustbild einer jungen Frau. Das glänzend gemalte weiße Kopftuch umschließt eng das Oval des fein modellierten Kopfes, der mit seltsam sprechenden Augen aus dem Rahmen blickt. G e e r t g e n t o t S i n t J a n s , Johannes d. T. nur in Abstufungen von Braun zu einem dunklen Grün gegeben. Von eigen feiner Stimmung in Figur und Landschaft. J e a n F o u q u e t (der Hauptmeister der französischen Malerei des 15. Jahrhunderts), Estienne Chevalier mit dem hl. Stephan. Von kräftiger Monumentalität, die unter italienischen Einflüssen großgezogen ist. D e r M e i s t e r v o n F 1 £ m a 1 1 e , Bildnis, wahrscheinlich des Niccolo Strozzi, dessen Marmorbüste von Mino da Fiesole (V. 164 in Kab. 40) zu einem interessanten Vergleich zwischen nordischer und italienischer Porträtrealistik herausfordert.
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J a n v a n E y c k , Der Mann mit den Nelken, 5*5A in modellmäßig gespannter Haltung mit geöffnetem Mund und erhobenen Händen. Raffinierteste Wiedergabe der Haut. J a n v a n E y c k , Die Madonna in der Kirche. 5 2 5 c Von zauberhaft spielendem Licht durchfluteter Raum; darin übergroß wie ein Symbol die Gottesmutter mit dem Kinde. Im folgenden Kabinett 68. Niederländer des 15. u. 16. Jahrhunderts. Linke W a n d : P e t r u s C r i s t u s , Verkündigung und Geburt Christi (dat. 1444). Altarflügel, aus der Kathedrale von B u r g o s stammend. L u c a s v a n L e y d e n , Die Schachspieler. 574A Ein typenreiches Genrebild, der Vorbote einer in der späteren holländischen Kunst so reichen Gattung. L u c a s v a n L e y d e n , Madonna mit Engeln 584B und dem Stifter. Im Gesamtaufbau, dann auch in Einzelheiten, wie dem Lautenspieler unten, lebhaft an Venedig gemahnend, dazu merkwürdig grobe Kinderköpfe. In Farbe und Licht äußerst prachtvoll. L u c a s v a n L e y d e n , der hl. Hieronymus, 5 8 4A in Farben und Flächengliederung gleich tüchtig. Jan van S c o r e l , Bildnis eines Mannes, 644B schön modelliert, mit Campagnalandschaft im Hintergrund. Rückwand: N i e d e r l ä n d i s c h e r M e i s t e r u m 1520, (O. Nr.) Madonna mit Kind. Von seltsam ernster Lieblichkeit, mit freundlicher Rundung des Kinderkörpers. Q u e n t i n M a s s y s , Maria Magdalena, Aus- 574C schnitt aus einer größeren Komposition. Weich, idealisiert, mit gehaltener Schmerzgebärde; schillernd abgetönte Stoffarben. H i e r o n y m u s B o s c h , Johannes auf Path- 1647A
io8
O.Nr.
585 A
585 B
561
608
545 529K 534B
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mos, zartfarbig, Landschaft in zwei Kulissen aufs gebaut. Rechts unten ein witzig scheußlicheWesen, das Nachfolger in Arbeiten P. Bruegels und D. Teniers' gefunden hat. Rechte Wand: P i e t e r B r u e g e l d. Ä l t . , Die niederländischen Sprichwörter. Als Komposition in lauter Einzelgruppen zerfallend, von derbem, bizarren Humor. Starke Lokalfarben, oft von hoher Schönheit, so in der Wiedergabe des Wassers und der tonigen Wärme der Innenräume. A n t o n i s M o r , Die Utrechter Domherren Kornelius van Hoorn und Antonius Taets (1544). Frühestes bekanntes Werk des Meisters. Realistische Monumentalität. A n t o n i s M o r , Bildnis der Herzogin Margarethe von Parma, italienisch reich und formensicher. Von hier aus betritt man den Oberlichtsaal 69. Niederländer des 15. u. 16. Jahrhunderts. Linke Schmalwand: Q u e n t i n M a s s y s , Die thronende Madonna. Festlicher Aufbau, weich und voll fließende Gewänder. Im Motiv das rein Menschliche gesucht, verstärkt durch Stilleben und Landschaft. J o a c h i m d e P a t i n i r , Ruhe auf der Flucht. Zuseiten der auch figürlich betonten Mittelachse in zwei Landschaften zerfallend. Reizvoll in den Einzelheiten. Rückwand: R o g e r v a n d e r W e y d e n , Bildnis Karls des Kühnen von Burgund. Holbeinisch auf drei tiefe Farben gestimmt. P e t r u s C r i s t u s , Johannes der Täufer. Im Zusammenklang von Figur und Landschaft an das Vorbild der Eycks erinnernd. R o g e r v a n d e r W e y d e n , Johannesaltar, unmalcrisch von Architektur umrahmt, mit
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manchen eckigen Bewegungen — farbig aber und in der Raumgebung bewundernswert. H u g o v a n d e r G o e s , Die Geburt Christi. 1 6 2 2 A Nächst dem Portinari-Altar in Florenz das Hauptwerk des Meisters. Stärkster seelischer Ausdruck in den Köpfen (fast möchte man sagen: selbst in dem Blick von Ochs und Esel). Volkstümliche Typen. Gegensatz der erregt hereinstürmenden Hirten zu der stillen Lieblichkeit der Hauptgruppe. Von deren blassem Blau stuft sich die Farbe nach außen zu sattem Grün und Blau. R o g e r v a n d e r W e y d e n , Kreuzabnahme 534 (alte, schöne Kopie nach dem Original im Prado zu Madrid). Prachtvoll klare Gruppierung, durchschnitten von den Linien der drei hinsinkenden Körper. Der Gemütsausdruck, hier der Schmerz, starr, und nicht v&n so starker Unmittelbarkeit wie bei v a n der Goes. Rechte Schmalwand: J o o s v a n C l e v e d. J . , Bildnis eines jungen 633 A Mannes (danach Kopie von Rubens in der Münchner Pinakothek). In Blick und Hand unendlich fein beseelt. Helldunkel, nur aus Schwarz und einem blassen Braun aufgebaut. J a n G o s s a e r t , Maria mit dem Kinde, in kalt 650 wächserner Modellierung, aber mit allem R a f finement der Maltechnik. J o o s v a n C l e v e d. J . , Bildnis einer Frau, 633B voll weicher Geschlossenheit des Tons. In allem ein Vorläufer der großen niederländischen Bildniskunst des 17. Jahrh. J a n G o s s a e r t , Christus am Ölberg. Aus der 551 A Frühzeit des Meisters. Brillanz in der Wiedergabe des kalten Mondlichts. J a n G o s s a e r t , Bildnis eines Mannes. Über 586A unruhigstem, aber farbig sehr geschmackvollen Stoffgewoge steht der stark modellierte Kopf. Eingangswand: G e r a r d D a v i d , Kreuzigung. Gute Raum- 573
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Gemäldegalerie.
teilung durch d a s schräggestellte K r e u z und die A n o r d n u n g der Gruppen. Die F a r b e n v o n einem milden G r a u ü b e r h a u c h t . 535 Roger van der W e y d e n , Flügelaltar. H a u p t w e r k der mittleren Zeit des Meisters. S t i f t u n g Peeter Bladelins, Gründers der S t a d t Middelburg und Schatzmeisters des Herzogs v o n Burgund. Mittelbild: Geburt Christi, rechter Flügel: Ihre V e r k ü n d i g u n g an die K ö n i g e des Morgenlandes, linker Flügel: Ihre V e r k ü n d i g u n g a n den Herrscher des Abendlandes, den K a i s e r A u g u s t u s , durch die tiburtinische Sibylle. — A u f dem Mittelbilde kniet links Joseph mit brennender K e r z e (um anzudeuten, d a ß der V o r g a n g eigentlich bei N a c h t spielt), in der Mitte die Madonna, m ä d c h e n h a f t lieblich, mit aufgelöstem H a i r in b l a u e n G e w ä n d e r n , rechts der Stifter in s a m m e t t i e f e m S c h w a r z . Hinter ihm ein feiner B l i c k in die S t r a ß e n seiner S t a d t . G a n z s y m m e t r i s c h e A n o r d n u n g , a u f g e l ö s t durch das schrägc Gerüst der H ü t t e . (Von diesem Oberlichtsaal 69 aus k a n n man, einen kleinen D u r c h g a n g s r a u m (71) und das H a u p t t r e p p e n haus durchschreitend, direkt in die A b t e i l u n g der italienischen Bilder gelangen, zuerst in den S a a l 34.) U m die Gemälde der deutschen Schule und der niederländischen Schulen des 17. Jahrhunderts weiter zu besichtigen, betritt m a n wieder K a b i n e t t 68, d a n n
Kabinett 67. Deutsche der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. (Die A n f ä n g e der deutschen Malerei im 13., 14. und 15. J a h r h u n d e r t sind im 1. S t o c k des Kaiser-FriedrichMuseums zu studieren, w o in den Sälen 24, 23, 21 die ältesten deutschen Tafelbilder zusammen mit den Bildw e r k e n aufgestellt sind.) A n der linken und rechten W a n d sind die vier Männerporträts v o n H o l b e i n d. J. ausgestellt, die W a n d gegenüber dem F e n s t e r beherrscht Dürer.
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III
Linke W a n d : H a n s H o l b e i n d. J., Bildnis eines älteren 586D Mannes. A u s der späteren englischen Zeit des Meisters. Reiche W i r k u n g der himbeerroten Ärmel und des Goldes. Die Beischrift zum flächenfüllenden Ornament erhoben. H a n s B u r c k m a i r , Die hl. Familie (1511). 584 In manchen Zügen schon italienisch, in der L a n d schaft aber noch ganz nordisch. A l b r e c h t A l t d o r f e r , Die hl. Nacht (etwa 638 E 1512). Liebenswürdig, in feingetupfelter Malweise, noch ohne Einheit der Lichtführung. Lustig rundliche Engelskinder. H a n s H o 1 b e i n d. J., Bildnis des Georg Gisze, 586 eines Danziger Kaufherrn in London. Hauptwerk von 1532. Eine glänzende, o b j e k t i v kühle Abschrift des Mannes, wie seiner Umgebung. K o n r a d W i t z , Christus am Kreuz. In Land- 1656 schaft und Farben von der gleichen frischen Zartheit. Christoph Araberger, Bildnis des Se- 583 bastian Münster (1552). Weich vertriebene, sehr malerische Modellierung. S c h r ä g w a n d , links: M a r t i n S c h o n g a u e r , Die Geburt Christi. 1629 Eines der wenigen von dem Meister selbst ausgeführten Tafelbilder. Weniger glücklich im Ausdruck der lieblichen, wie der charaktervoll männlichen Züge. Feinfarbige Landschaft aus dem Elsaß. — Die Flügelbilder daneben sind schwächer, in der Werkstatt nach Kupferstichen Schongauers gemalt. Albrecht Dürer, Bildnis des Kurfürsten 557C Friedrich des Weisen von Sachsen, in Wasserfarben auf Leinwand. Jugendwerk (um 1496), schon sehr monumental, voll starrer Drohung in Blick und Händen. Rückwand: Albrecht D ü r e r , Bildnis des Nürnberger 557E
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Patriziers und Ratsherrn Hieronymus Holzschuher (datiert 1526), das berühmteste und wirkungsvollste Porträt des Meisters. In ihrer Energie fast überbelebte Züge. A l b r e c h t D ü r e r , Die Madonna mit dem Zeisig. 1506 in Venedig unter dem Eindruck der Werke Bellinis gemalt. Mit der venezianischen Dreiteilung der Rückenfläche durch das Vorhangtuch. Metallisch helle Farben. Überreichtum des Geschehens. A l b r e c h t D ü r e r , Bildnis des Nürnberger Ratsherrn Jakob Muffel (datiert 1526). Großartige Geschlossenheit. Schrägwand rechts: L u c a s C r a n a c h d . Ält., Die Ruhe auf der Flucht. (1504.) Das früheste beglaubigte, zugleich das anmutigste und farbenprächtigste Bild des Meisters. Voll deutschen Gemüts und Waldesheimlichkeit. Feinzierliche Blumen und Altdorfer verwandte Engelchen. Kräftig harmonisch leuchtende Farben. C h r i s t o p h A m b e r g e r , Bildnis des Kaisers Karl V. (1532). Mit eigenem Geschmack ist das bleiche Gesicht vor die perlgraue Wand gestellt. Rechte Wand: H a n s H o 1 b e i n d. J . , Bildnis eines Holländers aus der Familie de Vos van Steenwijk (1541 datiert). Glatt, kühl, vornehm. A l b r e c h t D ü r e r , Brustbild einer Frau (wohl 1506 in Venedig gemalt). Von fast lionardesker Tonschönheit. A l b r e c h t A l t d o r f e r , Die Ruhe auf der Flucht (1510). Vielfältig heiteres Spiel in Landschaft und Engeln. H a n s H o l - b e i n d. J . , Bildnis des Kölner Patriziers Hermann Hillebrandt Wedig (1533 datiert). Durch Haltung der Hände und Falten des Mantels aufs wirksamste geschlossene Vorderansicht.
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H a n s B a i d u n g G r i e n , Flügelaltar mit der 603 A Anbetung der Könige (1507), in den starkleuchtenden Farben einem der prachtvolleu Glasbilder des Meisters gleichend. Kabinett 65.
Deutsche der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Linke Wand: Lucas Cranach d. Ä l t . , Apollo und Diana, von bizarrer Zierlichkeit. Antikischer Vorwurf, wie er dem Gemüte des Malers im Grunde weltenfern war. L u c a s C r a n a c h d. Ä l t . , Männerbildnis, schwerknochig, trotz der feinen Pinselung. Das linke Auge merkwürdig geschlitzt und verzeichnet. B a r t e l B r u y n d. Ä l t . , Bildnis des Bürgermeisters Ryht. Datiert 1525. Eines der besten Porträts des Meisters. Sprechender Ausdruck. Stark ornamental wirkende Gewandung. L u c a s C r a n a c h d. Ä l t . , David und Bathseba. Ausdruck einer eigentümlich hausbackenen Sinnlichkeit. Mehr zeichnerische wie malerische Werte. L u c a s C r a n a c h d. Ä l t . , Flügelaltar mit dem Jüngsten Gericht. Kopie nach Hieronymus Bosch. . Der Meister von M e ß k i r c h , Zwei Tafeln mit Einzelgestalten von Heiligen. Rückwand: A l b r e c h t A l t d o r f e r , Kreuzigung. Ohne tiefe Tragik, aber räumlich und farbig von größtem Reiz. H a n s B a i d u n g G r i e n , Die Kreuzigung (datiert 1512). J ö r g B r e u , Maria mit Kind und d. hl. Barbara und Katharina. Prachtvoll tiefer und heller Luftraum. Albrecht Altdorfer, Landschaft mit Führer durch das Kaiser-Fricdrich-Museura.
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564
618
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567>*
5 63 619A,B 638D 603 597 A 638A
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593 1234B 629A 589
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Satyrfamilie. Datiert 1507. Groß gesehen, mit Annäherung an das reine Landschaftsbild. H a n s B a i d u n g G r i e n , Beweinung Christi, in gläsern hellen Farben, von verzerrt rücksichtsloser Wildheit, die in den weiblichen Gesichtern zur Leblosigkeit erstarrt. D e r M e i s t e r v o n M e ß k i r c h , Christus am ölberg. Eigentümliche Mischung großer Weichlichkeit in den gebrochenen Farben mit reiner Linienkunst. Rechte Wand: G e o r g P e n c z , Die Bildnisse des Nürnberger Malers Erhard Schwetzer und seiner Gattin. Datiert 1544. Nach Spätflorentiner Vorbild vor eine raumvertiefende Nische gesetzt. L u c a s C r a n a c h d. A l t . , Jungbrunnen. Vergnügt ausgelassenes Spiel der Phantasie. Martin S c h a f f n e r , Vier Heilige. Von einer gewissen Großartigkeit. Schwere Farben. Ungelöstheiten in Gesichtern und Händen. Hermann t o m R i n g (?), Bildnis eines Architekten. Schöne Lebendigkeit, ungemein plastisch, in kühlem Licht. L u c a s C r a n a c h d. A l t . , Kardinal Albrecht von Brandenburg als hl. Hieronymus. Datiert 1527. Farbenkräftiges Werk aus der mittleren Zeit des Meisters.' In dem an das Kabinett 65 anstoßenden kleinen Oberlichtsaal 66. Deutsche des 15. und 16. Jahrhunderts.
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Linke Wand: L u c a s C r a n a c h d. Ält., Kurfürst Johann Friedrich d. Großmütige v. Sachsen. Leblos, trotz der peinlichen Wiedergabe alles einzelnen, perspektivistisch merkwürdig unräumlich, nach vorn fallend.
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Rückwand: N i c o l a u s N e u f c h a t e l , Bildnis eines vor- 6326, C nehmen Mannes und Bildnis einer D a m e . U n b e friedigend in der H a u t b e h a n d l u n g , v o r z ü g l i c h in der W i e d e r g a b e des Seidenstoffes. H a n s B u r c k m a i r , Zwei A l t a r f l ü g e l mit dem 569, 572 hl. Ulrich, Schutzpatron v o n A u g s b u r g , und der hl. Barbara. Gesättigte P r a c h t in Zeichnung und Farbe. Die Heilige v o n überhäuften Stoffwulsten umhüllt. H a n s v o n K u l m b a c h , D i e A n b e t u n g der 596A K ö n i g e . Datiert 1511. Ein H a u p t w e r k dieses Dürer-Nachfolgers. Blasse Schönheit der Farben, f a s t venezianische Fleischmodellierung, geistvolle R a u m s c h i c h t u n g . Rechte Wand: S c h w ä b i s c h e r Meister u m 1440, Die 1673 Dreifaltigkeit und die B e g e g n u n g v o n Maria und Elisabeth. K ö l n i s c h e r M e i s t e r um 1400, K r e u z i g u n g 1627B m i t Heiligen. Ausgangswand : Nicolaus Neufchatel, Bildnis einer 632D Nürnberger Patrizierin. Gehalten stille T ö n e . Große Biederkeit. Z u r ü c k durch das K a b i n e t t 65 g e l a n g t m a n z u den Sälen und K a b i n e t t e n , in denen die niederländischen Bilder des 17. Jahrhunderts ausgestellt sind.
Saal 62.
Vlamen des 17. Jahrhunderts.
Linke Schmal wand: R u b e n s , L a n d s c h a f t mit dem S c h i f f b r u c h des 776 E Aeneas. Lebendiges Zeugnis der genialen H a n d schrift des Meisters. P r a c h t v o l l e r Linienzug, phantastisch verklärendes L i c h t . Die F a r b e n o f t k a u m den roten Malgrund d e c k e n d . Rubens, V e n u s und Adonis. D e k o r a t i v ge- 763B f ü l l t e Fläche, fast porzellanen helle F a r b e n . 8*
Ii6 798 G
776 D
780 879 775 u -777
776 F 763
782
785
762 A
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Rubens, Die Eroberung von Tunis durch Kaiser K a r l V.; skizzierter Entwurf, um 1 6 1 8 gemalt. In dieser Andeutung schon das ganze Gewoge, der Lärm und der Schwall des Schlachtfeldes. Voll eiserner Ruhe nur das Reiterbild des Kaisers, das dem großen Bildnis von Tizian im Prado zu Madrid entspricht. Rückwand: R u b e n s , Landschaft mit Turm, Studie zu dem »Turnier« im Louvre. Blick von des Künstlers Landsitz Steen. Voll warmer Erregtheit, in sonnig feuchte L u f t gehüllt. Rubens, Entwurf zu einem jener prunkvoll rauschenden Altargemälde, das sich in der Augustinerkirche zu Antwerpen befindet. J a c o b J o r d a e n s , Lustige Gesellschaft, voll derbsinnlicher Ausgelassenheit, mit allerlei Lichtund Charakterisierungseffekten. A b r a h a m J a n s s e n s und F r a n s Snyd e r s , Vertumnus und Pomona, Meleager und Atalante. Die Tiere und Früchte von Snyders, die Blumen im Haar der Pomona von J a n Brueghel. R u b e n s , Bildnis des J e a n van Ghindertalen aus Brüssel. Der ruhig vornehme ältere Herr. R u b e n s , Bildnis seines zweiten Knaben. Aus einer bloßen Kopfstudie vom Meister zu einem Genrebild vergrößert. Rechte Schmalwand: A n t o n i u s v a n D y c k , Bildnis des Thomas François de Carignan, Prinzen von Savoyen. Repräsentationsbild mit dem ganzen Reichtum italienischer Technik. R u b e n s , Perseus befreit Andromeda. Gleich herrlich in dem leuchtenden Purpurrot und Meerblau, der Geschlossenheit der beiden Gruppen, den vielfachen Bewegungsmotiven der Engelsbuben. Rubens, Bildnis der Isabella Brant, des
Gemäldegalerie.
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Meisters erster Gattin, vor belebt rotem Sammet, in schwebend reichen Tönen.
Kabinett 59.
Werke des Frans Hals,
der hier so reich und mannigfaltig vertreten ist, wie in keiner anderen Galerie außerhalb Haarlems. Daneben die Werke einiger Nachfolger und Zeitgenossen. Linke W a n d : A . B r o u w e r . Der Hirt am Wege. Fast ohne Lokalfarben, tonig verwischt. A . v. B e i j e r e n , Tote Fische. Glibbriger Glanz der Fischleiber in scheinbar ganz zufälligem Nebeneinander. F r a n s H a l s , T y m a n Oosdorp. Von 1656, der Spätzeit des Meisters. Verwildert-genialer K o p f , breit heruntergestrichen. S a l o m o n R u i j s d a e l , Holländische Flachlandschaft, voll warmgoldiger L u f t . Breite Untermalung, durch Lichtflecken und modellierende Tupfen gehöht. An den Schrägwänden: Frans Hals, junger Mann und junge Frau. Meisterwerke der mittleren Zeit, hell und blond. Beim Mann äußerst farbige Belebung der Haut. Volle Breite, selbst beim Charakterisieren von Spitzen. Rückwand: J a n v a n d e r M e e r v a n H a a r l e m d. Ä., Flachlandschaft. Dunkel wandert vorn der Schatten einer Wolke über das weite, von spiegelnden Wasserläufen und dunklen Baumketten belebte Land. F r a n s H a l s , »Hille Bobbe« (richtiger »Malle Bobbe« = verrückte Babette). Vollströmendes Temperament. Freie, aller Kleinlichkeiten bare Auffassung des Menschlichen. Frans Hals, Bildnis eines älteren Mannes. Von ca. 1660, der spätesten Zeit des Malers.
853H 983
D
801H 901C
800/1
810A
801C
801E
118
808H
853 B 793
801G 791.
74 >i
758 A, B 865 D
753
861. 806B
Gemäldegalerie.
Konzentrierung des Lebens in Kopf und Händen, die eine fast drohende Sprache reden. H e r c u l e s S e g h e r s , Holländische Flachlandschaft mit dem Städtchen Rhenen. Eines der wenigen bezeichneten Werke dieses seltenen Meisters. Das Landschaftsbild zusammengezogen in ganz wenige malerische Elemente von stärkstem Gehalt. Rechte Wand: Adriaen B r o u w e r , Dünenlandschaft im Mondschein. Eine Impression von phantastischem Weben des Lichts. G e r a r d T e r b o r c h , Die Familie des Schleifers. Gedämpfte Farbigkeit, gleichsam von der roten Kappe des Stehenden ausstrahlend. Wundervolles Leben alles Stofflichen. F r a n s H a l s , »Die Amme mit dem Kinde«. Pinselherrlichkeit eines Velasquez mit nordischer Herzlichkeit gepaart. G e r a r d T e r b o r c h , Die väterliche Ermahnung. In Dunkel getauchte Wand, davor das Zauberspiel knisternder, glänzender Stoffe. Kabinett 58. Frühe Holländer des 17. Jahrhunderts. Linke Wand: A. P a l a m e d e s z , Zwei Bildnisse und ein Gesellschaftsstück. J a n v a n G o i j e n , Ansicht der Stadt Arnheim. Nur in Grün und Braun abgestuft, durch Lichtfurchen mannigfach gegliedert und vertieft. Schrägwand links: Paulus Moreelse, Bildnis einer jungen Frau. Schon zu gleichmäßige Wertung- aller stofflichen Oberfläche. Rückwand: A e l b e r t C u i j p , Flachlandschaft, voll goldig warmer Luft. Hercules Seghers, Holländische Flach -
Gemäldegalerie.
landschaft mit dem Städtchen Rhenen. Die weite Fläche unter dem fern leuchtenden Himmelssaum ist zur Wirkung gebracht mit unendlich wenigen geistvollen Strichelchen. Schrägwand rechts: I. G. C u i j p , Bildnis einer alten Frau, lebendig, kräftig modelliert. Rechte Wand: A e r t v a n d e r N e e r , Mondscheinlandschaft. T h o m a s d e K e i j s c r , Altarflügel mit Stiftern. Von aristokratischer Eleganz. Farben und Lichter auf dem Untergrunde der dunklen Tracht nur um so. wirksamer. J a n v a n G o i j e n , Ansicht von Nimwegen. Wie eine rein zeichnerische Untermalung wirkend, dennoch ein voller Wiederklang des dunstig feuchten Flußtales. P i e t e r d e M o l y n , Der Abend. Wie ein Goldstreif fließt das Licht in die schon beschatteten Flächen. Farbiges Verschmelzen der Gebäude mit dem Erdboden, der Bäume mit dem seidigen Himmel. Kabinett 57.
743. 842B 7508, C.
865E
960B
Holländer des 17. Jahrhunderts.
Linke Wand: P i e t e r d e H o o c h , Die Goldwägerin. Vor 1401B goldgleißender Wand ein schwergemusterter Teppich, ein tiefroter Rock und eine kühlblaue Jacke. Der Raum durch das öffnen von Tür und Fenster aufgelockert. G e r a r d T e r b o r c h , Das Konzert. Auf den 7910 ersten Blick als unvergleichliche Kostümstudie wirkend, dann aber auch eine seltsam musikalische Stimmung ausströmend. J a n v a n d e r M e e r v a n D e l f t , Die 912B junge Dame mit dem Perlenhalsband. Vor perlgrauer Wand blasses Zitronengelb, darunter dunkelblaue Decke und wenige Glanzlichter auf
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1679.
94 81)
912C
872B
1623
795 D
948 F
820B
884B
Gemäldegalerie. den Geräten. Alles wie in w e i c h e Schleier g e h ü l l t . Oben: v a n de V e l d e , Der Salutschuß. W i l l e m Windstille, durch die dumpf der S c h u ß hallt. Frohe Festlichkeit der F a r b e n . Schrägwand links: W i l l e m K a l f , Stilleben. Der wollige Teppich, die p f l a u m i g e H a u t des P f i r s i c h s , d a s b l i t z e n d e G l a s — alles w i r d g l e i c h l e b e n d i g . Jan v a n der Meer v a n D e l f t , Herr und D a m e beim Wein. Stilleben und Genrebild z u g l e i c h , ein P r e i s l i e d auf d a s a l l e s v e r k l ä r e n d e Licht. Rückwand: P a u l u s P o t t e r , Der Stier. L i n k s die geschlossene G r u p p e d e s B a u m e s m i t d e n z w e i Rindern über helleuchtendem Wiesenstreifen. R e c h t s nur der m o n u m e n t a l e U m r i ß des Stiers v o r der h e l l e n W o l k e . Jan v a n der H e i j d e , Straße vor dem H a a r l e m e r T o r in A m s t e r d a m . Zartfarbig, mit liebenswürdig feiner L i c h t f ü h r u n g . Schrägwand rechts: J ä n S t e e n , Die Kindtaufe. Ein Abbild bürgerlich biederer Festesfreude. Breiterer Pinselstrich, bewegte Gruppierung unter den W i r k u n g e n des links einfallenden Lichtes. W i l l e m K a l f , S t i l l e b e n , in r e i c h e r P r a c h t a u s dem Dunkel aufleuchtend. Rechte W a n d : P i e t e r d e H o o c h , Mutter und K i n d . Frühes Meisterwerk. Warmgoldenes Sonnenlicht, d a s d u r c h d a s h o h e F e n s t e r n u r g e d ä m p f t in d a s h e i m l i c h stille Z i m m e r h e r e i n f ä l l t , d e n z w e i t e n R a u m aber voll durchtränkt. J a c o b v a n R u i s d a e l , Landschaft mit Klosterruine, von schwerem Pathos.
Gemäldegaleric.
Kabinett 56.
121
Holländer des 17. Jahrhunderts.
Linke W a n d : J a c o b v a n R u i s d a e l , Fernsicht v o n den 885E Dünen bei Overveen, feinbewegt in L i c h t und Schatten, voll der feuchten L u f t des nahen Meeres. Jacob van Ruisdael, Eichenwald. Mit 885G gewaltigem Temperament schwingt sich der helle Baumstrunk v o r dem Dickicht der Baumkronen nach rechts hin, wo sich alles in L i c h t und Helle auflöst. A. C u i j p , Rheinlandschaft. W e i c h schneiden 861B die Uferkulissen in den goldigen D u n s t des Flußtales. Schrägwand links: A . v a n d e V e l d e , Die Farm. H a u p t w e r k des 922 C Meisters. Allem Kleinlichen fern, ist jeder Form nachgegangen und das Ganze zu einem färbenschönen, lichtdurchflossenen Ganzen gefügt. Rückwand: J a c o b v a n R u i s d a e l , Haarlem, v o n den 885C, D Dünen bei Overveen gesehen, in dem heiteren L i c h t eines schönen Morgens. N i c o l a e s M a e s , A l t e Frau beim Apfelschälen. 819C Beschauliche Ruhe, umspielt v o n dem weichen Lichte Rembrandts. Rechte W a n d : M e i n d e r t H o b b e m a , Waldige L a n d s c h a f t . 886 In einer breiteren Art, den B a u m s c h l a g zu geben und durch das Licht aufzulockern. J . S t e e n , Der Wirtshausgarten. In k r ä f t i g 795 hellem Licht die gut geschlossene Gruppe des Künstlers mit seiner Familie. Gabriel Metsu, Die K r a n k e . V o n dem 79* C tiefen Dunkel und dem satten Grün und R o t umrahmt, wirken um so mehr das blasse Gesicht über dem W e i ß der Wäsche und des Pelzwerks.
Gemäldegalerie.
122
Es folgt Kabinett 53. 533 A
529D
645A 112 K
1640 948G
883 C
883 D
787A
Sammlung Thiem.
Eingangswand: D i e r i c k B o u t s , Christus im Hause Simons. Reiche Farbigkeit, die sich um das Weiß des feinbelebten Tisches vor der grauen Wand ausbreitet. H a n s M e m l i n g , Madonna mit Kind und Engel. Magdhafte Lieblichkeit der Madonna, harmloses Spiel von Engel und Kind, dazu gewisse Monumentalität im Linienfluß des roten Mantels. Barend van O r l e y (?), Verkündigung. Kunstvoll in Perspektive und vielerlei Schmuck. Der Hergang selbst ohne Wärme. E r c o l e d e ' R o b e r t i , Der hl. Hieronymus. Prächtig dekorativ in dem schöngezeichneten, flammendroten Kardinalsgewand. Hauptwand: J a c o b A d r i a e n s z B a c k e r , Bildnis einer Frau, unter dem Einfluß Rembrandts entstanden, wenn auch ohne dessen reiches Licht. W i l l e m K a l f , Stilleben. Die Porzellanschale als stärkster Ton aus der Bildmitte gerückt, ringsum ein Übergehen in tiefes Dunkel, aus dem nur die feinen Lichter des Glases aufblitzen. J a n F y t , Stilleben. Glanzvolle, dekorative Farbigkeit, wie sie den Vlamen unter Führung von Rubens eignet. Rückwand: P i e t e r B o e l , Stilleben. Im Gegensatz zu dem beschaulichen Insichruhen der holländischen Stilleben mit einem dramatischen Ausdruck versehen, hier durch die lauernde Katze. Feiner Farbgeschmack und Können in der Wiedergabe von Fell und Federn. A. v a n D y c k , Porträt einer jungen Marchesa Spinola. Aus der Genueser Zeit des Meisters.
Gemäldegalerie.
»23
Aristokratische Eleganz u n d spanische G r a n dezza vereint. Aus d e m D u n k e l leuchten Kopf u n d H ä n d e , schon d u r c h die T r a c h t s t a r k b e t o n t . Willem Claesz Heda, Stilleben. S y m - 1644 p h o n i e in Silbergrau u n d B r a u n . N u n z u r ü c k d u r c h die vier h o l l ä n d i s c h e n K a b i n e t t e u n d den Saal 62 nach rechts in d e n
Saal 63.
Rubenssaal.
Die Berliner S a m m l u n g g e h ö r t n a c h d e r Z a h l der R u b e n s w e r k e zwar n i c h t zu den reichsten S a m m l u n g e n , ihr Besitz a b e r ist f a s t d u r c h g ä n g i g v o n einer solchen Q u a l i t ä t , d a ß der K ü n s t l e r hier in seiner B e d e u t u n g b e sonders g ü n s t i g zur G e l t u n g k o m m t . • Die E i n g a n g s w a n d zwischen d e n beiden T ü r e n f ü l l t das Kolossalgemälde: Rubens, B e k e h r u n g P a u l i (um 1617). W i l d - 762B barocker S c h w u n g in B e w e g u n g e n , V e r k ü r z u n g e n u n d Licht. L a n g w a n d links: R u b e n s , D i a n a und N y m p h e n , v o n S a t y r n ü b e r - 762 C fallen. Meisterwerk der l e t z t e n Zeit. L i n k s heißleuchtende F a r b e n , r e c h t s der k ü h l e T o n h e r a b rieselnden Wassers, in dessen Schleier ein W i n d spiel s t e h t . A. v a n D y c k , B e w e i n u n g Christi, u m 1627 778 n a c h des Meisters R ü c k k e h r a u s Italien g e m a l t . Empfindsames, elegantes P a t h o s in weichen, schönen T ö n e n . — Zu beiden S e i t e n : A. v . D y c k , Bildnis eines v o r n e h m e n Genuesers 78a B, C u n d seiner G a t t i n . Meisterwerke der Genueser Zeit. Mit einem f a s t b e u n r u h i g e n d e n L e b e n in A u s d r u c k u n d H a l t u n g . D a r i n d e m Bilde der Marchesa Spinola noch überlegen (787 A in K a b . 53)R u b e n s , A u f e r w e c k u n g des L a z a r u s , a u s der 783 mittleren Zeit des Meisters, m i t Beihilfe des jungen van Dyck ausgeführt. Empfindungsvoll sprechende G e b ä r d e n .
Gemäldegalerie.
Rückwand: R u b e n s , Neptun und Amphitrite. Frühwerk (um 1612), glatter, hellfarbig, dekorativ. Charakterisierung, ja, fast Vermenschlichung der Bestien. R u b e n s , Bacchanal (um 1620, unter Beihilfe von A. van Dyck). Ein Rausch blutvoller Sinnlichkeit. Helleuchtende und tiefglühende Farbenwellen fluten vorüber und haben ihren Gegenhalt in dem anspringenden Tiger und der Kindergruppe mit Früchten. Langwand rechts: R u b e n s , Sebastian (noch unter der Einwirkung des Caravaggio, um 1614). Der hell von oben beleuchtete, festmodellierte Körper ist stimmungsvoll vor die in Dunkel versinkende Abendlandschaft gestellt. A. v a n D y c k , Dornenkrönung. Frühes, sehr italienisch dekoratives Werk, aus einer Abtei in Brügge stammend. Rubens, Hl. Cäcilie, mit den Zügen von Rubens' zweiter Gattin Helene Fourment. Vom Künstler für sein Musikzimmer gemalt (um 1640). In den Farben von besonderer Schönheit, mit dem starken Gefühlsausdruck des Barock. A. v a n D y c k , Die beiden Johannes. Wie Nr. 770. R u b e n s , Andromeda, Hauptwerk der letzten Jahre. Der Akt — im Gegensatz zum Sebastian — frei und ohne Pose vor einem großhinge strichenen Grunde stehend. C. d e V o s , Die Töchter des Malers, trotz der mehr zeichnerischen Härte frisch und lebendig. A. v a n D y c k , Nymphen, beim Bade von Satyrn überrascht. In Komposition und Farben von großem Zuge. Hier führt eine Tür zu dem
Gemäldegalerie.
125
Kabinett 60. Kleine Bilder und Miniaturen des 16.—19. Jahrhunderts. Rechte Wand: A d a m E l s h e i m e r , Der hl. Christoph. In 1707 sonnig leuchtender, aufs feinste abgewogener Landschaft die kühn bewegte Gestalt des schreitenden Heiligen. Die so seltene Vereinigung von Naturinnigkeit und Monumentalität. P a u l u s B r i 1 , Landschaft mit Latona, die die 714 A Bauern in Frösche verwandelt. Mehr kulissenmäßig gestellt, zart und braunfarbig. In dem Sammelrahmen französische, englische und deutsche Miniaturen des 18. und 19. Jahrhunderts, z. T. nicht nur durch die in ihrer Art reizvolle Technik, sondern auch durch die Dargestellten interessant. Rückwand: In dem mittleren Sammelrahmen fünf Bildchen von A d a m E l s h e i m e r , Der hl. Martin und der 644A—E Bettler, sowie vier schön aufgebaute, fein belichtete Landschaften mit Staffagefiguren, die trotz ihrer Kleinheit von seltsam starker und überzeugender Bewegung sind. Linke Wand: Verschiedene Landschaften mit Staffage von 900 ff. P h i l i p s W o u w e r m a n und Emanuel de Witte, Das Innere der 898A Nieuwekerk zu Amsterdam, als Vertreter dieser im 17. Jahrhundert mit besonderem Können in Gruppierung und Lichtführung gepflegten Gattung.
Saal 61.
Rembrandtsaal.
Vom Eingang links: R e m b r a n d t , Christus und die Samariterin 81 1H (1655). Unter dem Bogen die dunklen Umrisse des Brunnens mit den beiden Hauptgestalten. Hinter ihnen Gemäuer in den Gluten des Abendlichts.
126 828 J
828 H
811A
828A 828 L
Gemäldegalerie.
R e m b r a n d t , Der A l t e m i t der roten Mütze, prächtig in Farbe, alla p r i m a g e m a l t . Schrägwand: R e m b r a n d t , Potiphars Frau verklagt Joseph (1655). In einem L i c h t , das v o n dem B e t t auszustrahlen scheint und alles E n t f e r n t e r e in D ä m m e r versinken l ä ß t . Schlagend ausdrucksvolle Geste des Weibes. Linke Langwand: R e m b r a n d t , Der Mann m i t dem Goldhelm, R e m b r a n d t s Bruder (um 1650). W i e Gold rieselt das L i c h t an dem Metall herab. R e m b r a n d t , Bildnis eines Rabbiners (1645 datiert). Lebensvoll sprechende Hände. R e m b r a n d t , Der Mennonitenprediger A n s l o und seine Frau (datiert 1641). In dem Hell und D u n k e l wundervoll abgewogen durch das B ü c h e r stilleben links und die Frau rechts. A l l e s L e b e n des Augenblicks in der H a n d des Mannes v e r einigt.
Auf dem Tische davor zwei Bronzestatuetten ge65 u. 66) fesselter S k l a v e n v o n P i e t r o Tacca. 828E R e m b r a n d t , Susanna und die beiden A l t e n (1647 datiert). Zwischen der geheimnisreichen, grünen Tiefe der linken B i l d h ä l f t e und dem purpurnen S a m m e t rechts steht der goldig schimmernde Leib, alles in sich verbindend und verklärend. 828B R e m b r a n d t , Bildnis der H e n d r i c k j e Stoffels a m Fenster (um 1658). A n m u t i g ungezwungene Haltung, unendlich lebensvolle Fleischmodellierung, das K l e i d in reichen Farbsträhnen herabfließend. 812 R e m b r a n d t , Des Künstlers G a t t i n Saskia (1643). Befangen in der H a l t u n g , weniger pastos in der T e c h n i k , ein J a h r nach dem T o d e der D a r gestellten vollendet. Schrägwand:
Gemäldegalerie.
127
R e m b r a n d t , Die Vision Daniels (um 1 6 5 0 ) . 828 F Die Gestalten wie schwebend in dem weich bewegten Dämmer der Felsen. Daniel voll matten Verzagens in der Bewegung von Hand und Fuß; der Engel voll milder Holdheit, in silbrig lichten Tönen. Ausgangswand, links: R e m b r a n d t , Die Frau des Tobias mit der 805 Ziege (1646). Der Raum durchflutet von traulich verschwiegenem Zwielicht. Die Gruppe, besonders der Alte im Stuhl, von großer Wirkung. R e m b r a n d t , Predigt Johannis des Täufers. 828K Eine sog. »groutje«, d. h. eine grau in grau gemalte Vorlage für einen (nicht ausgeführten) Stich. Um 1635. Aus der wie zufällig verstreuten Menge schneidet ein magischer Lichtstrahl die Hauptgruppe heraus. Rechts: R e m b r a n d t , Bildnis eines jungen Juden (um 1645). Gespannt belebte Gesichtszüge. Rembrandt, Raub der Proserpina (Anfang der 30er Jahre). Schon ganz auf die Wirkung des noch kalten Lichtes berechnet. Rembrandt, Der Geldwechsler (von 1627). Eines der frühesten bezeichneten Werke des Künstlers. Auf Lichtwirkungen ausgehend, aber noch hart und unruhig zerrissen. R e m b r a n d t , Simson bedroht seinen Schwiegervater, der ihm die Frau vorenthält (1635). In der Geste noch gewaltsam und wenig überzeugend.
828 M 823 828D
802
Rechte Langwand: R e m b r a n d t , Simson und Delila (1628). Ge- 8iaA spenstisch huschendes Licht. Drohende Silhuette des hinter dem Vorhang hervorlugenden Kopfes. A e r t d e G e l d e r , Heilige Familie. In einer 806D wild experimentierenden Spachteltechnik, die aber zu recht drastischen Wirkungen gelangt.
128 821A
810
809
806 A 813B
847
Gemäldegalerie.
P h i l i p s K ö n i n c k , Weite holländische Flachlandschaft, breitgenommen und tüchtig besonders in der Wirkung der Ferne, die, von Kanälen durchzogen, sich in pastose Längsstreifen auflöst. R e m b r a n d t , Selbstbildnis, wie sprechend mit leichtgeöffnetem Mund und momentaner Kopfwendung. Die obere Gesichtshälfte durch den Hut weich beschattet. F e r d i n a n d B o l , Bildnis einer älteren Dame, sehr kühl, in selbständiger Auffassung. Eingangswand: A e r t de G e l d e r , Landschaft mit Ruth und Boas, in großem Strich, prächtig bewegt. G o v e r t F l i n c k (?), Susanna im Bade. Vor dem Dunkel grell leuchtender, in Gedanken an Rembrandts Susanna etwas flacher Akt. G e r a r d D o u , Bildnis der Mutter Rembrandts. Feinmalerei mit "Rembrandts Lichtgebung.
Kabinett 55. Späte Holländer des 17. Jahrhunderts. Rechte Wand: 837 G o d f r i e d S c h a l c k e n , Der angelnde Knabe. Weich und farbenschön der vom Licht getroffene Knabe und die Wasserlilien vor dem regen schweren Himmel. 854 D P i e t e r v a n S l i n g e l a n d , Angelnder Knabe, gut als Komposition, frisch in Ausdruck und Bewegung, wenn auch stumpf in den Formen. Linke Wand: 838 F r a n s v a n M i e r i s d. Ä l t . , Junge Dame vor dem Spiegel, raffiniert abgewogen in eleganter Glätte. 972Au.B J a n v a n H u i j s u m , Blumenstrauß. Zwei jener unendlich feinpinseligen, der Blumenhaut bis ins letzte Geäder nachgehenden Kompositionen, die aber auch als Ganzes reizvoll in Aufbau und Lichtgebung sind.
Gemäldegalerie.
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Saal 52. Holländer und Vlamen des 17. Jahrhunderts. Linke Längswand: S a l o m o n v a n R u y s d a e l , Flußlandschaft. 901A Verschmelzen von Luft und Wasser, zwischen die sich von rechts nur als schmaler Keil die Küste schiebt. E s a i a s B o u r s s e , Der Junge mit den Seifen- 912 A blasen. Wie eine dämmerige Schlucht liegt der Hofraum da, rechts oben fällt scharf das Sonnenlicht ein. Allart van Everdingen, Norwegische 835A Landschaft. Stark belebt, für den Norden fast zu schönfarbig. P e e t e r M e e r t ?, Der Rheder und seine Gat- 844 tin, braves, etwas gestelltes Bildnis von der Hand eines holländischen Kleinstadtmalers aus dem 17. Jahrh. In Luft und Landschaft tot. A e l b e r t C u i j p , Jagdbeute. Verbindung von 861 H Stilleben und Landschaft, schönes Zusammengehen des Schwanengefieders mit dem zartblauen Himmel. P i e t e r d e H o o c h , Das geschlachtete Schwein. 819 B In flotten langen Pinselstrichen ist der Kadaver hell in die Mitte gesetzt. Langsam in Dunkel versinkt die Raumtiefe links mit der feingezeichneten Gruppe. Ausgangswand: A d r i a e n v a n O s t a d e , Bauerngesellschaft. 855B Vor dem auch in der Tiefe reichbewegten Raum die flott hingesetzte Trinkergruppe. A e r t v a n d e r N e e r , Winterlandschaft. Den 840C sparsamen Farben der Natur sind die apartesten Wirkungen entlockt. A b r a h a m v a n d e n T e m p e l , Ein Edel- 858 mann und seine Gattin in ihrem Park. Elegante Gesellschaftspose, geschmackvoll reiche Hellfarbigkeit. J o r i s v a n d e r H a g e n , Ansicht des Rhein- 916 F ü h r e r durch das Kaiser-Friedrich-Museum.
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Gemäldegalerie.
tors und des Hafens von Arnheim. Schwach in den Tieren des Vordergrundes, vielseitig reich in der Tallandschaft. Rechte Längswand: J a n v a n d e r M e e r v a n H a a r l e m , Dünenlandschaft. In aller Anspruchslosigkeit des Dargestellten, schön in der Gliederung des Erdstreifens unter dem unbewegten Himmel. A d r i a e n v a n d e V e l d e , Flache Flußlandschaft, zartfarbig hingehaucht, atmosphärisch reich. A e r t v a n d e r N e e r , Mondlandschaft. Wie ein feiner Schnitt liegt fast in der Mitte des Bildes das Licht, von dem aus die Dinge rechts und links Umriß und Form erhalten. Einen besonderen Stimmungswert gibt der dunkle Reiter vorn, der eine Schute stromauf schleppt. H e n d r i c k M o m m e r s , Landschaft mit Hirten. Kraftvolle Wirkung der frei gegen den wolkigen Himmel gesetzten Gestalten. N i c o l a e s E l i a s , Bildnisse des Cornelis de Graef, Bürgermeisters von Amsterdam, und seiner Frau. Etwas unfreie, kühle Repräsentationsbilder. G e r a r d T e r b o r c h , Bildnisse des Herrn van Marienburg, eines Oheims des Malers, und seiner Frau. Bei aller Pinselzierlichkeit ausdrucksvolle Bildnisse. A e r t v a n d e r N e e r , Mondscheinlandschaft, fast unruhig in dem Reichtum der Lichtstufen und Umrisse. Philips Wouverman, Die Reitschule. Der dem Maler fast unentbehrliche Schimmel erscheint auf diesem Bilde als die Basis all der lichten Töne. Jacob van Ruisdael, Landschaft mit Bauernhaus. Von schwerem, satten Ton. Als Komposition überreich, zerrissen. G e r a r d T e r b o r c h , Die Konsultation (da-
Gemäldegalerie.
tiert 1635), frühestes datiertes Gemälde des Meisters, noch unter dem Einfluß der Schule des Frans Hals. G e r a r d D o u , Die Vorratskammer. Schöne Weichheit des Lichts. Die folgende Wand nehmen die vlämischen Bilder ein: D a v i d T e n i e r s d. J . , Wachtstube mit würfeinden Soldaten und der Befreiung Petri. In drei Gruppen in die Tiefe geführt. Im Vordergrund helle, reiche Lokalfarben. D a v i d T e n i e r s d. J . , Die Puffspieler. In vielfach gegliedertem, tonschönen Raum zwei gut charakterisierte Gruppen. C o r n e l i s d e V o s , Bildnis eines Ehepaares. Nicht von der großen Unbefangenheit und dem Schwung eines Rubens, doch voll guten malerischen Geschmacks. D a v i d T e n i e r s d. J . , Räuber im Walde. Aus der frühesten Zeit des Meisters. Der malerisch weiche, saftiggrüne Baumschlag durch Schätten- und Lichtstreifen gestuft. G o n z a l e s C o q u e s , Familienbildnis. Warmer Reichtum der Farben, nur lockere Bindung der Gruppe. J a n B r u e g h e l , d. Ä., Landschaft mit dem hl. Hubertus, der von Rubens' Hand stammt. D a v i d T e n i e r s d. J . , Der Maler mit seiner Familie. Wandabschnitt bis zur Tür: J a n F y t , Stilleben.
9
854 866 F
856 831
866 H
846C 765 857 853Bu.F
G E M Ä L D E UND B I L D W E R K E D E R ROMANISCHEN SCHULEN.
Saal 51. 408 A.
352
426 A
1665
441
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Italienisches Barock und Rokoko.
An der linken Längswand: I t a l i e n i s c h e r M e i s t e r u m 1650. Männliches Bildnis. Treffliche Charakterisierung in Gesichtszügen und Händen, mit allen Mitteln raffinierter Fleischmodellierung. Giovanni Battista Crespi, Gelübde der Franziskaner. Ekstatische Gebärden, von einem grünbleichen Licht überhaucht. Aufbau in einer Vordergrundkulisse großer und einer Mittelgrundkulisse kleiner Gestalten. C a r l o M a r a t t a , Bildnis eines jungen Mannes (auf der Rückseite 1663 bezeichnet). Auf dem schwarzen Kleide liegt scharf der Spitzenkragen, darüber stehen warm die Fleischtöne des Gesichts. Venezianischer Meister um 1590, Die Schachspieler. In unruhig flimmerndem Raum zwei dunkel gekleidete, ins Spiel versunkene Männer. Luca Giordano, Das Urteil des Paris. Treffliches dekoratives, unter dem Einfluß der Venetianer entstandenes Werk des als Schnellmaier (»Fapresto«) berühmten Künstlers, in warm glühendem Licht. Guido R e n i, Die Einsiedler Paulus und Antonius in der Wüste. Viel gerühmtes Altarwerk des Meisters aus der frühen (römischen) Zeit unter dem Einflüsse Caravaggios.
Gemälde und Bildwerke der romanischen Schulen.
133
A g o s t i n o C a r r a c c i , Bildnis der J o h a n n a P a r o l i n i - G u i c c i a r d i n i ( d a t i e r t 1598), l e b e n s v o l l e V o r d e r a n s i c h t , e i g e n e F a r b s t i m m u n g in B l a u g r a u zu Rotbraun. A n der A u s g a n g s w a n d : D o m e n i c o F e t i , Elias in der W ü s t e . K o l o ristisch feines Bildchen unter d e m E i n f l u ß der Venetianer. P i e t r o R o t a r i , Bildnis des päpstlichen Nuntius a m Dresdener Hofe J. Accoramboni, mit der beliebten, wirkungsvollen Geste, v o n etwas porzellanglatter Wirkung. G u e r c i n o , D e r hl. S e b a s t i a n . P i e t r o L o n g h i , Bildnis einer v o r n e h m e n D a m e . E i n R e p r ä s e n t a t i o n s b i l d a l s V e r t r e t e r des frühen venezianischen Rokoko. P i e t r o P a o l o B o n z i , B u r s c h e m i t Melone, breit hingestrichen, v o n einer anspruchslosen Selbstverständlichkeit. Die rechte L ä n g s w a n d enthält einige hervorragende W e r k e des M i c h e l a n g e l o d a C a r a v a g g i o : H i m m l i s c h e u n d irdische L i e b e . A u f l e u c h t e n der v o m L i c h t getroffenen Teile aus tiefem Schwarz. B r u s t b i l d einer j u n g e n F r a u , a u s d e r s p ä t e r e n Z e i t des Meisters; etwas hart im Gesicht, feine T ö n u n g in S c h w a r z - W e i ß . D e r hl. M a t t h ä u s . F ü r die K i r c h e S . L u i g i d e ' F r a n c e s i in R o m g e m a l t , d e r n a t u r a l i s t i s c h e n A u f f a s s u n g wegen aber nicht a b g e n o m m e n . B r u s t b i l d eines Mannes. A l l e i n d e r a u s d r u c k s v o l l e K o p f k o m m t zu Worte. A m o r a l s Sieger. Ein p r a c h t v o l l ungezogenes Modell unter den mannigfachsten Atelierrequisiten. Ferner: D o m e n i c h o Z a m p i e r i , gen. D o m e n i c h i n o , B i l d n i s des B a u m e i s t e r s V i n c e n z o S c a m o z z i ; a u s d e r früheren Z e i t d e s M e i s t e r s . A n n i b a l e C a r r a c c i , Römische Landschaft;
372A
380B
500 A
'681 1659
366
381 356
365
354 369
375
372
134
421 B
413 A
V. 433
V. 437
Gemälde und Bildwerke der romanischen Schulen.
aus der späten, römischen Zeit des Meisters, charakteristisch für die von Annibale ausgebildete neue landschaftliche Auffassung in der italienischen Malerei des 17. Jahrhunderts. S a l v a t o r R o s a , Landschaft, genial gestellte Kulissen. An der Schmalwand gegenüber dem Ausgang: I t a l i e n i s c h e r M e i s t e r u m 1650, früher V e l a z q u e z zugeschrieben, Bildnis des Feldhauptmanns Alessandro del Borro (?). In bravourmäßiger Haltung steht die wirkungsvoll umrissene FalstafTgestalt vor der grau abgeschatteten Nische. Zu ihren Füßen das pikant blaßrote Fahnentuch. Seitlich je zwei Marmorbüsten, die zusammen ein gutes Bild von der schwungvollen Porträtkunst des römischen Barock vermitteln, rechts: Marmorbüste des Kardinals Zacchia. Frühes Werk A l e s s a n d r o A l g a r d i s von 1626. In feinster Durchbildung des Stofflichen. links: Marmorbüste des Malers Carlo Maratta von F r a n c e s c o M a r a t t a , mehr auf dekorative Fernwirkung angelegt. In den Mittelvitrinen lebhaft bewegte kleinere Arbeiten (zum Teil Modelle) von Giovanni d a B o l o g n a , T a c c a , ferner von L o r e n z o B e r n i n i u. a. Auf dem Tisch unter dem Borro-Porträt lebensvoller Frauenakt in gebranntem T o n von einem Michelangelo-Nachfolger. Das Hauptportal dieses Saales führt in das Hintere Treppenhaus (27),
dessen plastischer Schmuck im Anschluß an die deutschen Bildwerke im Erdgeschoß besprochen wurde (S. 60). Über den Umgang gelangt man in den vorletzten Saal der italienischen Schule (47), von dem aus die T ü r an der rechten Längswand ins Tiepolozimmer (48) und weiter in
Gemälde und Bildwerke der romanischen Schulen.
135
die Säle (49 u. 50) mit spanischen, französischen und englischen Bildern führt. Wer die italienischen Gemälde in ihrer historischen Folge betrachten will, kehre durch die deutschen und niederländischen Säle zurück und beginne die Besichtigung mit Raum 28 (S. 62). Zimmer 48, Tiepolozimmer, mit grau in grau auf goldgelbem Grunde gemalten allegorisch-mythologischen Fresken T i e p 0 1 o s aus einer Villa bei Treviso. Sie sind in der ursprünglichen Anordnung und mit genauer Nachahmung der rahmenden OriginalStukkaturen wieder aufgestellt. Datiert 1754. In der rechten Ecke auf einer Konsole die bemalte Holzbüste V. 464 einer Mater dolorosa (spanisches Werk in der Art des M a s o M a r t i n e z , Mitte des 17 Jahrhunderts), von fast peinlichem Naturalismus, dabei doch von großem Adel in Form und Ausdruck. Saal 49.
Spanier.
An der Eingangswand: Velazquez, Bildnis der Schwester Philipps IV., Maria Anna, Gemahlin Kaiser Ferdinands III. (von späterer Hand der rote, in den Falten ungeschickte Vorhang, der auf der Gestalt lastet). Zurbaran, Bildnis eines vornehmen Knaben, in kaltem, scharf von links fallenden Licht vor dunkler Tiefe. A. C a n o , Die hl. Agnes; kühle lichte Farben. C a r r e f i o , König Karl II. von Spanien als Kind, in pomphaftem Innenraum, der den ungesund blassen Knaben erdrückt. C 0 e 11 o , Philipp II. von Spanien, reliefartig vor schwarzer Fläche. Himbeerfarbene Bänder auf goldgeätztem Panzer. An der Schmalwand: M u r i l l o , Vision des hl. Antonius von P a d u a . Hauptwerk des Künstlers, voll zarten Empfindens in warmem zauberischen Licht,
413 C.
404C 414 B 407 406 B
4'4
Gemälde und Bildwerke der romanischen Schulen.
413E
408 B 413 F 404A
405U
1619A 1619 B 1619
1667
V e l a z q u e z , Damenbildnis aus der mittleren Zeit des Meisters. Subtile Charakteristik in Blick und zuckenden Mundwinkeln. Glänzende Stoffmalerei. An der linken Längswand. C e r e z o , Christus am Kreuze. In magischem Dunkel schwebt der weichmodellierte Körper. V e l a z q u e z , Die Musikanten, ein Jugendwerk, an Zurbaran gemahnend, voll unruhiger Lichter. Z u r b a r a n , Der hl. Bonaventura verweist den hl. Thomas von Aquino auf den Gekreuzigten als die Quelle alles \\issens; aus einer Folge von vier Darstellungen aus dem Leben des hl. Bonaventura (früher in S. Bonaventura zu Sevilla), mit charaktervollen Köpfen, in einem Lichte, das kühl die Gestalten umschmiegt. An der zweiten Schmalwand: R i b e r a , der hl. Sebastian, gemalt 1633. A k t in weicher, großer Modellierung. Starker Stimmungswert des Lichtes, das die gestreckte rechte Körperlinie scharf umreißt und die linke im Dunkel verschwimmen läßt. G o y a , Porträt einer alten Frau, angeblich der Mutter des Künstlers. Goya, Bildnis eines Mönches, unbarmherzig packende Charakteristik. Goya, König Ferdinand V I I . präsidiert einer Sitzung der Philippinenkompagnie, Skizze zu einem Repräsentationsgemälde, mit phantastischem Kellerlicht, das Farben und Formen kaum aufleuchten läßt. Spanischer Meister des 17. Jahrh., Bücher-Stilleben; einem frühen Velazquez nahe.
Saal 50. Franzosen, Engländer und Deutsche des 18. Jahrhunderts. Die rechte Langwand nehmen die Werke der französischen Schule des 17. Jahrhunderts ein: 478 A N i e . P o u s s i n , Landschaft aus der römischen
Gemälde und Bildwerke der rumänischen Schulen. C a m p a g n a (bei A c q u a A c e t o s a ) m i t M a t t h ä u s u n d dem Engel. Eines der schönsten W e r k e des Meisters, v o n h e i t e r e m LinienfluO, in s e i d i g e n Farben abgetönt. Ch. L e b r u n , Bildnis des b e r ü h m t e n Kölner 47' K u n s t s a m m l e r s u n d Bankiers E. J a b a c h m i t seiner Familie. Großes Repräsentationsstück im Charakter Ludwigs XIV., mit etwas kalter Buntheit der r e c h t e n Gruppe, im Spiegel links der Maler selbst. N i e . P o u s s i n , L a n d s c h a f t m i t J u n o u n d d e m 463 getöteten Argus, klassizierendes Frühbild, in kräftigen Farbkontrasten. N i e . P o u s s i n , J u p i t e r a l s K i n d , v o n d e r Z i e g e 467 Amalthea genährt. U n t e r der Einwirkung der Antike stehende Komposition aus der mittleren Z e i t , in l i c h t e n G o b e l i n t ö n e n . Die R ü c k w a n d n e h m e n die W e r k e des französischen R o k o k o ein: J . S. C h a r d i n , S t i l l e b e n , b r e i t h i n g e s t r i c h e n , 1669 in f e i n e r A b t ö n u n g . P . M i g n a r d , B i l d n i s d e r M a r i a M a n c i n i , e i n e r 465 Nichte des Kardinals Mazarin. Casp. D u g h e t , L a n d s c h a f t a u s d e n B e r g e n 1626 u m R o m . Bewegtes Hell u n d Dunkel, im Zickzack verlaufende Tiefenführung. P e s n e , B i l d n i s d e s M a l e r s m i t s e i n e n zwei T ö c h - 496 H tern, H a u p t w e r k aus der S p ä t z e i t (1754), m i t etwas ängstlicher Stoffbehandlung. W a t t e a u , d i e i t a l i e n i s c h e u n d d i e f r a n z ö s i s c h e 468 u. 470 Komödie. Zarteste Lichtführung; grazile Figürchen. W a t t e a u , G e s e l l s c h a f t i m F r e i e n , u n v o l l e n d e t . 474 B G r u p p i e r u n g wie auf der B ü h n e ; ausdrucksvolle P o s e der drei H e r r e n im V o r d e r g r u n d e ; blanke, k n i s t e r n d e Seide v o r kulissenhaft v e r s c h w i m m e n den Baumreihen. G r e u z e , J u n g e s M ä d c h e n , g e m a l t 1787, p i k a n t e 494 C Tränenwehmut.
138 489 473 448 B 484 A
1637 1670 1671A 1637 B 1671 1646 A 1638
¡711
Gemälde und Bildwerke der romanischen Schulen.
P e s n e , Bildnis Friedrichs des Großen im Alter von 27 Jahren, gemalt 1739 zu Rheinsberg. N. L a n c r e t , Schäferszene, voller Koketterie. C l a u d e G e l l 6 e gen. L o r r a i n , Küstenlandschaft mit Ruinen in hellem Morgenlicht. L a r g i l l i ö r e , Bildnis seines Schwiegervaters, des Landschaftsmalers J e a n Forest, in lebendiger Drastik. Die linke Langwand nehmen die Werke der englischen Schule des 18. Jahrhunderts ein: J. R e y n o l d s , Selbstbildnis, in Rembrandtlicht. H. R a e b u r n , männliches Bildnis in Lebensgröße, vornehm, in kalten, breit hingestrichenen Farben. G. R o m n e y , Bildnis einer Dame; auf Hellblau, Weiß und Schwarz gestimmt. J. R e y n o l d s , Bildnis der Mrs. Boone mit ihrer Tochter, in sehr wirkungsvoller Abwertung von Figur zu Hintergrund. G. R o m n e y , Bildnis eines Herrn, durch die gesucht schlichte Tracht noch in seiner Vornehmheit gesteigert. R. W i 1 s o n , Landschaft, voll feuchten Dunstes, in drei Farbkulissen aufgebaut. T h . G a i n s b o r o u g h , Bildnis des Mr. John Wilkinson. Der wie eine schöne Kulisse hingestrichene Baumschlag ein trefflicher Rahmen der Figur. J . R e y n o l d s , Bildnis des Chevalier d'Eon in Frauentracht. Komposition in Schwarz-Weiß, belebt allein durch den roten Fleck der Stuhllehne. Die zweite Schmalwand nehmen zwei in Ton und Haltung vornehme Porträts von A n t o n Graff, kleinere Bilder von C h o d o w i e c k i und ein M ä d chenbild der A n g e l i k a K a u f f m a n n ein. Zwei in diesem Saal aufgestellte Vitrinen enthalten die den Kgl. Museen vermachte P o r z e l l a n s a m m l u n g S a m u e l ; die aus 64 Stücken bestehende Sammlung
Gemälde und Bildwerke der romanischen Schulen.
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bietet ein wertvolles Gegenüber zur deutschen Malerei des 18. Jahrhunderts auch insofern, als sie in bezug auf die Wahl des Stoffes den Übergang vom höfischfranzösischen Rokoko zum bürgerlich-deutschen Zopfstil klarmacht. Den Kern der Sammlung bilden Erzeugnisse der süddeutschen Manufakturen, wie Frankenthal, Höchst, Ludwigsburg, Nymphenburg und Wien; Meißen ist nur vereinzelt vertreten. Als hervorragendes Frankenthaler Stück wäre die allegorische Gruppe »Das Gesicht« zu nennen, eine Dame, die vor einem Spiegel Toilette macht, von J . A. H a n n o n g , dem Sohne des Begründers der Manufaktur, modelliert, ferner die Hinrichtung des Cyrus, eine fünffigurige Gruppe. Dem Hauptmeister von Ludwigsburg, W i l h e l m B e y e r , begegnet man in der höchst anmutigen Figur der »Kaffeeeinschenkenden Dame«, dem Cellisten und Violinspieler aus der Folge der Musikanten. Die durch ihr feinfarbiges Dekor berühmten Höchster Figuren und Gruppen sind größtenteils aus den Händen J o h . P e t e r M e l c h i o r s oder seiner Nachfolger hervorgegangen. Nymphenburg bemalte seine Erzeugnisse nur schwach, weil es den größten Wert auf eine sorgfältige, plastische Durchbildung legte. Man kann das an der kapriziösen Figur der »Stehenden Dame«, dem »Pierrot mit der Laterne« und anderen Stücken derselben Fabrik verfolgen. — Der »Jäger und die Jägerin im Reifrock« repräsentieren sehr gut den Geschmack der Wiener Manufaktur. Nun zurück durch Saal 49 und 48 zum Saal 47.
Venezianer des 16.—18. Jahrhunderts.
An der schmalen Eingangswand: T i n t o r e t t o , Bildnis eines Prokurators des hl. 298 Markus, in vornehm-selbstverständlicher Haltung. Über den bauschenden Sammet zucken die Lichter wie Blitze. G. B. M o r o n i , zwei Porträts, das eine unge- 167 u. 193 A sucht, fast unbeholfen, das andere voller Pose.
I4O
179 A , B
3°9
182 A, B
166
301
197
161
298 Ä
Gemälde und Bildwerke der romanischen Schulen.
Palma Vecchio, Bildnis eines jüngeren Mannes, m i t etwas weichlichem Ausdruck, in warmer, vertriebener Färbung. An der linken L ä n g s w a n d : P a l m a V e c c h i o , Halbfiguren junger F r a u e n , Vertreterinnen eines Typus, durch den der Maler besonders b e k a n n t ist. Darüber: P a o l o V e r o n e s e , Minerva u n d Mars, wie die ganze Reihe der b e n a c h b a r t e n Bilder von einer Saaldekoration aus dem Fondaco dei Tedeschi am Rialto s t a m m e n d . A n d r e a M e l d o l l a , gen. Schiavone. Zwei L a n d s c h a f t e n mit reicher Staffage. Tizian, Selbstbildnis des Malers. W e r k der späten Zeit des Meisters, voll packenden Lebens in dem leicht zur Seite gewandten Kopfe, dazu impressionistische W i r k u n g der unvollendeten H ä n d e u n d Gewandteile. Tizian, Bildnis seiner Tochter Lavinia, um I S 5 ° gemalt. In goldigem Ton, auf den Fleisch, F r ü c h t e u n d Gewand gestimmt sind, mit lebh a f t e r Geste, prachtvoll in die Fläche gestellt. Tizian, Bildnis eines jungen Mannes. Nur Gesicht u n d linke H a n d leuchten vor dunklem Grunde, das schwarze Gewand wird v o m Besatz wie von glänzenden K e t t e n durchzogen. M o r e 1 1 o , Maria u n d Elisabeth in der Glorie, unten der Stifter F r a Bartolommeo Averoldo und dessen Neffe Aurelio Averoldo. Von Averoldo 1541 f ü r die Kirche della Chiara in Verona bestellt. Silbriger Ton in L a n d s c h a f t u n d Gewändern. Vornehme, zurückhaltende Gesten. Tizian, Bildnis des venezianischen Admirals Giovanni Moro (f 1539). Glut in H a u t f a r b e und Mantel. K a l t e r Glanz der R ü s t u n g . An der A u s g a n g s w a n d : Tintoretto, Verkündigung, in raffinierter Wiedergabe des Lichtscheins, mit k ü h n e r Drehung
Gemälde und Bildwerke der romanischen Schulen.
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der Gestalten, die durch einen reizvollen Gartenausschnitt getrennt werden. Tizian, Bildnis einer Tochter des Roberto Strozzi. Das zweijährige Kind steht in hellstem Weiß auf der Scheide zwischen der dunklen Wandfläche links und der farbig und räumlich aufgelockerten rechten Bildhälfte. A n der rechten Längswand: Lorenzo L o t t o , Bildnis eines Architekten; aus der mittleren Zeit des Meisters. F r a n c e s c o B a s s a n o , Der barmherzige Samariter. Romanino, Enthauptung Johannis, färbenprächtig, mit Benutzung eines Holzschnittes von Dürer. C a r i a n i , Ruhende Frau im Freien. Die Bildfläche durch zwei Baumstämme wie durch Säulen geteilt. Reiche, ungewöhnlich tiefe Landschaft mit Gewitterhimmel. S a v o 1 d o , Die Venetianerin. Voll Karnevalslaune. Rechts von der kleinen Tür, die zum Tiepolokabinett führt, sind die Venezianer vom Ende des 17. und vom Anfang des 18. Jahrhunderts vereint: T i e p o 1 o , Verteilung des Rosenkranzes durch den hl. Dominikus. Entwurf zu einem der 1738/9 für die Kirche der Gesuati zu Venedig ausgeführten Deckengemälde. Beispiel der perspektivischen Brillanz des Meisters. T i e p o 1 o , Rinaldo und Armida. In der geistreichen Komposition und den lichten Farben gleich reizvolle Skizze. C a n a l e , S. Maria della Salute. Der warme Schein der untergehenden Sonne steigt an den Gebäuden empor. Der tiefste Farbpunkt: ein blutrotes Figürchen auf der Kirchentreppe. G u a r d i , Markusplatz mit Markuskirche und Campanile, im Gegensatz zu Canaletto mit stärkeren Schatten, grelleren Lichtflecken und Betonung der Atmosphäre.
160 A
153 3'4 157 A
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Gemälde und Bildwerke der romanischen Schulen.
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G u a r d i , Der Aufstieg eines Luftballons über dem Kanalc der Giudecca in Venedig (1784). Alles Gestaltvolle im Dunst verfließend, zu seinem Schatten verflüchtigt. T i e p o 1 o , Martyrium der hl. Agathe. Sehr wir459 B kungsvoll über der weiß, gelb und hellblau gekleideten Heiligen steht die branstig rote Henkergestalt. T i e p o 1 0 , Kreuztragung. Prachtvolle Skizze zu 459