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German Pages 860 [872] Year 1978
Pestalozzi Sämtliche Werke herausgegeben von
Artur Buchenau
Eduard Spranger
Hans Stettbacher
12. Band
Berlin 1938
Verlag von Walter de Gruyter & Co. v o r m d s G . J . QSschen'tche VerUgthtndlgng — J . Guttenttg, Verlagsbuchhandlung — Ceorg Reimer — Karl J- Trübner — Veit & Comp.
Auslieferung für die Schweiz: Orell Füssli Verlag, Zürich
Pestalozzi Sämtliche Werke 12. Band Schriften aus der Zeit von 1797—1799
Berlin 1938
Verlag von Walter de Gruyter & Co. vormala G . J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trühner — Veit 4r Comp.
Auslieferung f ü r die Schweiz: Orell FSssli Verlag, Zürich
P h o t o m e c h a n i s c h e r N a c h d r u c k 1978
CIP-Kurztitelauf
nähme
der Deutschen
Bibliothek
Pestalozzi, J o h a n n H e i n r i c h [Sammlung] S ä m t l i c h e W e r k e / hrsg. v o n Artur B u c h e n a u . . . — N a c h d r . — Berlin, N e w Y o r k : d e Gruyter. B d . 12. S c h r i f t e n a u s der Zeit v o n 1797—1799. — N a c h d r . [d. A u s g . ] Berlin, d e Gruyter, 1938. — 1988. I S B N 3-10-341638-1
© 1938/77 by Walter de Oruyter & Co., vormals O. J . Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J.Trübner — Veit & Comp., Berlin 30 Printed in the Netherlands Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung, sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Inhalt. Seit«
Vorwort 1. Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts. 1797 2. Entwürfe zu den „Nachforschungen" 3. Über Barbarei und Kultur. Fragmente zu einem II. Teil des Buches: Meine Nachforschungen usw. Ende 1797 4. An mein Vaterland im Hornung 1798 5. Zur Verfassungsfrage. Fragment einer Flugschrift. März 1798 . . . . 6. Zuruf an die vormals demokratischen Kantone. Mai 1798 7. Wach auf Volk! E i n Revolutionsgespräch zwischen den Bürgern Hans und Jacob 8. An Helvetiens Volk. No. 1. Vorsommer 1798 9. Über den Zehnden. Juni 1798 10. Ein Wort an die Gesetzgebenden Räthe Helvetiens. 22. Juli 1798.. 11. An mein Vaterland! Am 24ten Augstmonat 1798 12. An Helvetiens V o l k ! No. 2. Anfang September 1798 13. Revolutionsskizzen. Erstes Stük. September 1798 14. Montag, den xo. Herbstmonat, am Morgen. 1798 15. Über Unterwaldens Schiksahl. September 1798 16. Das helvetische Direktorium an das helvetische Volk. 2. November 1798 17. Ein Wort über die angetragene französische Werbung. Anf. Dezember 1798 18. Abhandlung über die Natur der helvetischen Zehnden und Bodenzinse und der Unpassenheit aller ihrethalben in der Revolutionsgenommenen Maßregeln. 1798—1799 19. Erster Entwurf zum Zweiten Zehntenblatt. 1798 20. Ansätze zu einer Fortsetzung des zweiten Zehntenblattes. Anf. 1800 I. Anhang. Textkritik II. Anhang. Sacherklärung III. Anhang. Worterklärung IV. Anhang. Namen- und Ortsregister
VII 1 167 243 261 269 275 283 295 303 329 345 351 359 375 383 391 399
407 469 493 505 774 847 853
Potroort. Der porltegenbe 33anb enthält bas bebeutenbfte pljtlofopfjifdje JDerf peftaIo33is, Me „Hadjforfcfjungen", tuie bie Schrift meift fut3 3itiert oirb. (Erftmalig fontien ba3u bie erhaltenen Ijanbfdjriftlicfyen (Zntamrfe uni» 21nfäj$e einer ^ortfefcung, oon ber man bisijer nid?ts wußte, mitgeteilt werben. ifcf?en3eit oon fadjDerftänbiger ijanb eine völlige Heuorbnung bes Hadjlaffes fyaben oornefymen laffen, bie ebenfo wie unfere Ausgabe, bas djronologifcfye Prin3ip 3ugrunbe legt. Die Signaturen finb alfo geänbert unb net" einfacfjt, bie fjanbfcfyriften aber audj unter ben früheren Signaturen auffinbbar. Hr. 3 bes fonnte 3ur Bearbeitung Dr. Herbert Sdjönebaum, Hr. $—8 unb — D r . 2Ilfreb Huf er unb Hr. 9, —20 Dr. «Emanuel Dejung anvertraut werben. Die Herausgeber.
Meine
N a c h f o r s c h u n g e n
über den Gang der Natur in d e r
Entwiklung des Menschengeschlechts von d e m V e r f a s s e r Lienhard und Gertrud.
Zürich, bei Heinrich 1797.
Pestalozzi Werke XII.
Geßner.
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Zuschrift an
einen edlen Mann, den ich aus Ehrfurcht nicht nenne, der es aber zu fühlen vermag, daQ ich Ihn, nur Ihn im Auge hatte.
l*
Herr! Zwei Männer in einem Lande, suchten Wahrheit fürs Volk — Der eine Hochgebohren, durchwachte seine Nächte, und opferte seine Tage dem Lande, in dem er herrschte Gutes zu thun. — Er erreichte sein Ziel — 5 Sein Land war durch seine Weisheit gesegnet — Lob und Ehre krönten sein Haupt — Seine Edlen trauten auf ihn — Und das Volk gehorchte ihm schweigend — Der andere ein Müdling *), erreichte sein Ziel nicht, 10 Jede seiner Bemühungen scheiterte. — Er diente seinem Lande nicht — Unglück, Leiden und Irrthum bogen sein Haupt, Sie entrissen seiner Wahrheit iede Kraft — Und seinem Daseyn ieden Einfluß — 15 Die Edlen im Land kennen ihn nicht. — Und das Volk spottet seiner. — Welcher von beiden meinst du, Herr! hat die Wahrheit fürs Volk wirklich gefunden? Die Welt wird augenbliklich antworten: 20 Der Müdling ist ein Träumer, und die Wahrheit ist auf der Seite des Hochgebornen — — Aber dieser urtheilte nicht also — Da er von dem unabläßlichen Forschen des Müdlings nach Wahrheit fürs Volk hörte, gieng er in seine Hütte, und fragte 25 ihn: was hast du gesehen? Da erzählte dieser dem Edlen den Gang seines Lebens, und der Edle entwikkelte ienem den Zustand vieler Verhältnisse die dieser nicht kannte — Der Müdling ließ dem Edlen Gerechtigkeit wiederfahren, so und der Edle gönnte den Erfahrungen des Müdlings seine Aufmerksamkeit — Stiller Ernst war auf der Stirne von beiden, als sie schieden, und auf beider Lippen lagen die Worte: 35 — Wir m e i n t e n es beide gut — — U n d wir i r r t e n beide. — *) Müdling ist ein Provinzialausdruck, der einen Mann bezeichnet, der in irgend einer Anstrengung seines Lebens ohne Erfolg ermüdet worden.
Die Widersprüche die in der menschlichen Natur zu liegen scheinen, würkten vielleicht auf wenige Sterbliche so gewaltsam, als auf einen Menschen, dessen Lage und Umstände auf eine seltene Art zusammen trafen, die Gefühle eines zwanglosen s und ungebogenen Naturlebens mitten durch eine nicht anspruchlose aber äuserst gehemmte — und in einem hohen Grad unbefriedigende Thätigkeit bis an sein nahendes Alter lebhaft zu erhalten. Jezt sizze ich endend und ermüdet nieder, und freue mich, 10 wiewohl gekränkt, und in meinem Innersten verwundet, des Kindersinns mit dem ich mich selbst frage: Was bin ich, und was ist das Menschengeschlecht? Was hab ich gethan ? und was thut das Menschengeschlecht ? i5 Ich will wissen, was der Gang meines L e b e n s , wie es w a r , aus mir gemacht h a t ; ich will wissen, was der Gang des L e b e n s , wie er i s t , aus dem Menschengeschlecht macht. Ich will wissen, von was f ü r F u n d a m e n t e n mein 20 Thun und L a s s e n und von was f ü r G e s i c h t s p u n k t e n meine wesentlichsten Meinungen eigentlich ausgehen, und unter den Umständen, unter denen ich lebe, eigentlich ausgehen müssen. Ich will wissen, von was f ü r F u n d a m e n t e n das 25 Thun und L a s s e n meines Geschlechts, und welchen Gesichtspunkten seine wesentlichsten Meinungen eigentlich a u s g e h e n — u n d unter den U m s t ä n d e n , unter denen es lebt, eigentlich ausgehen müssen. Der Gang meiner Untersuchung kan seiner Natur nach keine ao andere Richtung nehmen, als diejenige, die die Natur meiner individuellen Entwikkelung selbst gegeben, ich kan also in derselben in keinem Stük von irgend einem bestimmten philosophischen Grundsaz ausgehen, ich muß sogar von dem Punkt der Erleuchtung, auf welchem unser Jahrhundert über diesen 35 Gegenstand steht, keine Notiz nehmen. Ich kan und soll hier eigentlich nichts wissen, und nichts suchen, als die
Meine Nachforschungen.
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Wahrheit, die in mir selbst liegt, das ist, die einfachen Resultate, zu welchen die Erfahrungen meines Lebens mich hingeführt haben; aber eben darum werden diese Nachforschungen einem grossen Theil meines Geschlechts, einen i h r e r A r t u n d Weise die Sachen dieser Welt anzusehen, n a h e s t e - 5 h e n d e n Aufschluß, über ihre w e s e n t l i c h s t e n Angeleg e n h e i t e n ertheilen. Vom Throne bis zur Leimhütte nimmt die Geschäftswelt, wie ich, weder von der Philosophie der Vorzeit, noch von derjenigen der Gegenwart, irgend eine Kunde; aber das Unrecht 10 der Menschen und ihre Thorheiten führen allenthalben eben die Erfahrungen, eben die Gefühle und eben die Leiden herbei — die meiner individuellen Anschauungsart der Dinge die Richtung gegeben, die sie genommen. Ich bin überzeugt, der gröste Theil der lebenden Menschen 15 trägt die Fundamente meiner Wahrheit und meiner Irrthümer, mit meinen Gefühlen belebt, in seinem Busen — und die Welt im Großen steht den Gesichtspunkten nahe, von denen meine wesentlichsten Meinungen eigentlich ausgehen. Ich bin überzeugt, meine Wahrheit ist Volkswahrheit, und mein Irrthum 20 ist Volksirrthum. Das Volk spricht freilich die Grundsäzze nicht aus, bei denen ich hier stehe — aber auch ich sprach dieselben nicht aus, da sie schon längst zu sichern Gefühlen in mir gereift waren — Ich trug die Frage: was bin ich? Jahre lang schwankend im Busen, bis mir endlich nach langem 25 und langem Suchen folgende Säzze den Faden zu enthalten schienen, an welchem ich den Pfad der Natur in jeder Entwicklung des Menschengeschlechts mit Sicherheit nachspüren, und ihn von seinem Anfang an, bis zu seiner Vollendung, verfolgen könnte. so Die Grundlage meiner Nachforschungen. Der Mensch kommt durch die Unbehülflichkeit seines thierischen Zustandes zu Einsichten. Seine Einsichten führen ihn zum Erwerb. Der Erwerb zum Besizstand. 35 Der Besizstand zum gesellschaftlichen Zustand. Der gesellschaftliche Zustand zum Eigenthum, zur Macht und zur Ehre. Ehre und Macht zur Unterwerfung, zur Beherrschung.
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Meine Nachforschungen.
Unterwerfung und Beherrschung zum Adel, zum Dienste und zur Krone. — Alle diese Verhältnisse rufen einen gesezlichen Rechtszustand herbei. 5 Das gesezliche Recht ruft der bürgerlichen Freiheit. Der Mangel dieses Rechts führt die Tirannei und die Sklaverei herbei, das ist einen Zustand, in welchem die Menschen ohne gegenseitig bindende Gesezze dennoch gesellschaftlich vereiniget leben. Ich folge dem Gang der Natur weiter, ich finde 10 in mir selbst ein Wohlwollen, bei dessen Dasein Erwerb, Ehre, Eigenthum und Macht, mich in meinem Innersten veredeln, und durch dessen Mangel alle diese Vorzüge meines gesellschaftlichen Daseins auf Erden mich in meinem Innersten entwürdigen. 15 Ich forsche der Natur dieses Wohlwollens nach, und finde dasselbe in seinem Wesen sinnlich und thierisch; aber ich erkenne auch eine Kraft in mir selbst, dasselbe in meinem Innersten zu veredlen, und heiße dieses also veredelte Wohlwollen Liebe. Aber auch die Liebe gefahret durch mein Lechzen nach eigener so Behaglichkeit, sich in meinem Innersten zu verlieren; wenn dieses geschehen, so finde ich mich in mir selbst verödet und wüste: dann suche ich mich durch die Kraft meines Ahndungsvermögens über die Grenzen alles hier möglichen Forschens und Wissens, zu der Quelle meines Daseins zu er25 heben, und bei ihr Handbietung und Hülfe gegen die Uebel und Schwächen meiner Natur zu suchen. Ich frage mich jezt, ist die Reihe dieser Vorstellungen richtig? geht die Natur in der Entwiklung des Menschengeschlechts diesen Weg? — und faßte dann jeden Hauptbegrif dieser so Säzze einzeln ins Auge. Die K e n n t n i s s e , das Wissen des Menschen. — Der Mensch labet sich an der Quelle seines Wissens mit reinem Wasser, und wann er sich weiter wagt, wann er die grossen Wellen der ewigen Meere durchbricht, und über ihre 35 unergründlichen Tiefen daher schwimmt, so erhebt sich sein Herz im schwellenden Busen. Einer trinkt dann auch wohl in der Brandung am Felsengestad giftigen Schaum; einer wagt sich in Untiefen, die er nicht kennt; ein- anderer in den Strom, wo er Gebürge mit sich in seinen Schlund reißt — Sie gehen
Meine Nachforschungen.
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alle dem Tod entgegen; aber das Grab der Menschheit sind die weiten Ebenen, wo eingezwungene Wasser zum stehenden Sumpf werden, du findest in ihrem weiten Raum keine Stelle zum Trinken, keine zum Schwimmen, keine zum Baden, aber du sinkest mit jedem Schritt in ihren unergründlichen Koth. 6 Die menschliche Erkenntniß entspringt aus der Unbehülflichkeit unserer Natur in ihrer thierischen Freiheit, diese führt unser Geschlecht zur Vereinigung seiner Kräfte, und der erste Zwek dieser Vereinigung ist, die Genüsse des Lebens, die unsere Natur fordert, uns selber leichter, sicherer und befriedigender 10 verschaffen zu können, als dieses uns ohne Vereinigung unserer Kräfte mit andern möglich wäre. Der ursprüngliche Zweck des menschlichen Wissens ist seiner Natur nach mit dem Zweck der menschlichen Vereinigung der nemliche; aber es ist nichts desto weniger gewiß, daß die gesell- 16 schaftliche Menschheit sich durch ihr Wissen immer mehr von diesem Zweck entfernt — daß unsere Kenntnisse immer mehr auf einer schwärmenden Neigung beruhen, uns den Kopf mit fremden, uns gar nicht mehr berührenden Gegenständen anzufüllen. Daher eine Menge Menschen mit den ausgebreitesten 20 Kenntnissen, dennoch in ihren wesentlichsten Angelegenheiten handeln, als wenn sie nichts wüßten, und verführt durch die Ausartung ihrer Kenntnisse, dahin kommen, Träumer, Bettler und Schurken zu werden. Gott sprach zum Menschen in Eden: du sollt die Früchte 2s des Baums der Erkenntniß nicht mit thierischer Rohheit an dich reissen — thust du es, so wird deine Erkenntniß eine unversiegliche Quelle des Todes für dich seyn, wirst du dich aber, deiner Pflicht getreu, zum ruhigen Beschauen seiner Früchte erheben, so wirst du glüklich leben auf Erden, ich selber will so mit dir in deinen Gefilden wohnen. Aber der Thiersinn des Menschen wand sich wie eine Schlange um den Baum der Erkenntniß — und' sagte zum lüsternen Geschlecht: warum solltest du sehen was wahr und was gut ist, und nicht mit aller Macht, die in deiner Hand ist, darnach greifen ? da riß seine 35 thierische Begierlichkeit mit weibischer Schwäche die verbotene Frucht von den Aesten des Baums — izt war seine Unschuld dahin — die Schaam blieb ihm übrig — er suchte izt Feigenblätter gegen die Wahrheit seiner Natur und ein Recht gegen seinen Verführer — So war es im Anfang, und so ist es immer. *o
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Meine Nachforschungen.
Erwerb. E r entspringt, wie die Erkenntniß, aus der Unbehülflichkeit meines Geschlechts im Verderben seines Naturstands — diese führt uns durch die Vereinigung unserer Kräfte zu den 6 unzäligen Einrichtungen, Verträgen, Verkommnissen und Gesezzen, durch welche wir im gesellschaftlichen Zustand den Endzweck zu erzielen suchen, uns unter einander unsere Lebensgenüsse leichter, sicherer und befriedigender machen zu können. Der Erwerb geht also ebenfalls von meiner Selbstsorge aus, 10 und soll mich, seiner Natur und seinem Zweck gemäß, einfach und gerade zur Befriedigung meiner selbst in meinen nächsten Verhältnissen hinführen. Das Recht des Erwerbs ruhet daher auf dem Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung. Aber der Mensch dehnt im 15 gesellschaftlichen Zustand das Recht des Erwerbs weit über den Zweck dieser Vereinigung aus; daher giebt ihm derselbe bald allgemein die verschobene Richtung, daß er den Zweck desselben nicht erzielet, wohl aber durch die Schwerfälligkeit seiner Anstrengung, die wonnevolle Behaglichkeit des Natur20 lebens in sich selbst auslöscht, und die wohlwollende Gemüthsstimmung ganz verliert, die das wesentliche Kennzeichen seiner innern Befriedigung und seiner Kraft ist, seine Nebenmenschen in irgend einer Sache durch sich selbst freundlich und froh befriedigen zu können. 25
E i g e n t h u m — Besizstand.
Sein Zwek und sein Recht muß ebenfalls von meiner Selbstsorge ausgehen, und mich zur Befriedigung meiner selbst in meinen nächsten Verhältnissen hinführen. Aber der gesellschaftliche Mensch genießt dieses Recht, und erkennt diesen 30 Zweck nicht; im Gegentheil das Eigenthum ist in seiner Hand Pandorens Büchse geworden, aus der alle Uebel der Erde entsprungen. Es ist durch die Nahrung, die es der Selbstsucht unserer thierischen Natur giebt, das grosse Hinderniß des gesellschaftlichen Zwecks geworden, und hat den Menschen bald 35 allgemein dahin gebracht, daß er dasselbe entweder wie ein beladener Esel auf wundem Rücken herumträgt, oder wie ein spielendes Kind als ein nichtiges Ding versplittert. Eine ursprüngliche Rechtmäsigkeit des Besizstandes, oder
Meine Nachforschungen.
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eine Möglichkeit den ursprünglich rechtmäsigen von dem ursprünglich unrechtmäsigen Besizstand zu sondern, vermag ich mir nicht zu denken. Der Besizstand ist geheiliget, weil wir gesellschaftlich vereiniget sind — und wir sind gesellschaftlich vereiniget, weil 5 der Besizstand geheiliget ist. Welchen Ursprung er auch immer gehabt habe, das geht uns weiter nichts an, wir müssen ihn respektiren, weil er ist; und gröstentheils wie er ist, oder unsere Bande alle auflösen. — Aber wie er gebraucht wird, und wie er gebraucht werden dürfe, das geht uns unendlich viel an. J e 10 grösser das gesellschaftliche Eigenthum, je mehr ist es mit den Rechten vieler anderer, die auf eine nähere oder entferntere Art daran Theil haben, belastet, und kann folglich dem Zwek der gesellschaftlichen Vereinigung nur in soweit ein Genüge leisten, als die an demselben theilnehmenden Mitnuznießer 15 derselben, in ihren Rechten gesichert, sich durch dasselbe einen befriedigenden Ersaz ihrer Naturrechte verschaffen können. Die Beschränkung der Nuznießung des Eigenthums muß daher nach dem Grad seiner Ausdehnung immer steigen, und nach dem Grad seiner Einschränkung muß die Nuznießung 20 immer abnehmen. Die Natur führt uns allgemein auf diese Bahn. Der Mann mit beschränktem Vermögen zieht, mit gleicher Thätigkeit, und mit gleichen Kenntnissen, Nuzzen aus denselben, dem sich der grosse Reichthum nie nähern kan. 25 Auch ruhet dieser Grundsaz ganz und gar nicht auf willkührlichen Voraussezzungen, sondern auf der Natur der gesellschaftlichen Rechtmässigkeit des Besizstands selber. Wann dieser nicht als der fortdauernde Genuß aller Folgen meiner blos thierischen Kraft, soll angesehen werden, so muß seine 30 Benuzzung nothwendig so weit in gesezliche Schranken gelenkt werden, daß es dem untergeordneten Nuznießer des grossen Besizstands immer möglich bleibt im gesellschaftlichen Zustand durch diese Nuznießung diejenige Befriedigung zu finden, um deren willen er das bürgerliche Joch beruhiget am Halse trägt. 35 Hier schlägt also natürlich die Frage ein: was ist in einem Staat das Verhältnis der Eigenthümer gegen die Nichteigenthümer? — Des Besizstandes gegen die Menschen die keinen Theil an der Welt haben ? — Gehört diesen unseren Mitmenschen, die mit gleichen Naturrechten, wie wir gebohren, uns den 40
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Meine Nachforschungen.
Besizzern der Erde mit gleichen Ansprüchen ins Angesicht sehen — gehört diesen Staatsbürgern — die jede Last der gesellschaftlichen Vereinigung siebenfach tragen — keine ihre Natur befriedigende Stellung in unserer Mitte? — Fürchtet euch 5 nicht Besizzer der Erde — es ist hierin wahrlich mehr um Grundsäzze, als um Allmosen, mehr um Rechtsgefühl, als um Spitäler — mehr um Selbstständigkeit als um Gnaden zu thun. — Aber wenn ich frage: Kennst du Welt diesen Grundsaz? findet der Mensch, der keinen Theil an der Welt hat, in den 10 bestehenden Einrichtungen der Staaten einen wirklichen Ersaz aller Naturansprüchen? findet er in denselben sichere Bildung und Mittel sich dieselbe verschaffen zu können? Wann ich das und dergleichen frage, so kan ich mir nicht verhehlen — das erleuchtete Jahrhundert kennt diesen Gründls saz nicht — je aufgeklärter unsre Zeiten werden, ie weniger lassen die Staaten solche Fragen an sich kommen. Unsere Gesezgebungen haben sich zu einer solchen Höhe geschwungen, daß es ihnen unmöglich ist, an die Menschen zu denken — Sie besorgen den Staat — und machen alle Kronen glänzend — 20 indessen ist der, so keinen Theil an der Welt hat, zum voraus von ihnen vergessen — man stekt ihn aber unter das Militär — oder erlaubt ihm sich selber darunter zu stekken — Zu Zeiten macht man auch eine Lotterie — darin ein jeder sein Glük mit wenigen Kreuzern probieren kan. 25 Gewis ist es, daß der grosse Besizstand in der Welt nicht einmal in einem realen Verhältnis mit dem kleinen belastet ist, und daß man die Reichen ihre Fonds täglich mehr auf eine Art anhäufen läßt, die die Welt mit elenden, tief verdorbenen Menschen voll macht. Auch das ist wahr, wenn die Folgen, 30 dieses Volksverderbens sichtbar werden, so wirft man immer mehr die Schuld auf diejenigen, die verdorben worden sind, und nicht auf diejenigen, die verdorben haben, — und immer fortfahren, mit ihrem Vortheil tausend Umstände zu veranstalten, unter welchen das Volk nothwendig schlecht werden muß — äs Man sieht ihnen nach, im Gefühl dessen, was sie sich unterstehen dürfen, werfen sie ein Beati possidentes zu ihrer Rechtfertigung hin — und schikken die andern mit einem habeant sibi vor die Thüre.
Meine Nachforschungen.
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G e s e l l s c h a f t l i c h e r Zustand. Bis die Macht das Wort ausspricht, sie wolle, daß der gesellschaftliche Zustand als ein nur auf ihrer List, auf ihrer Gewalt, und auf ihrem Glük ruhender Zustand angesehen werde, nimmt der Mensch allgemein an, sie wolle, daß dieser Zustand als ge- 5 seilschaftlich rechtmäsig angesehen werde, und handelt auf der ganzen Erde, wie er ohne diese Voraussezzung nicht handeln würde, und nicht handeln könnte. Er legt mit der trägen Gutmüthigkeit seiner sinnlichen Natur das Unrecht, aus welchem der Besizstand und die bestehende 10 Gewalt entsprungen seyn mag, allenthalben gerne in ewige Vergessenheit, und begnügt sich, mit der schwankenden Hofnung, daß das fernere Beyeinanderwohnen der Staatsbürger vor Gewaltthätigkeit und Unrecht gesichert werde. Sowohl das Eigenthum als der gesellschaftliche Zustand, wird durch 15 den Anspruch an Rechtmässigkeit, etwas, das er vorher und in seinem Ursprung nicht war, nemlich ein, auf einem stillen aber wahren Vertrag ruhender Besizstand, dessen erste Bedingung ist, alles Unrecht ihres Ursprungs zu vergessen, aber dasselbe für die Zukunft unmöglich zu machen. Wenn es also schon 20 wahr ist, daß die Staaten sich nicht durch einen gesellschaftlichen Vertrag gebildet, so ist dennoch auch wahr, daß die Menschen nicht ohne den Geist eines solchen Vertrags in der bürgerlichen Gesellschaft leben, und daß Recht und Gerechtigkeit, auf welche alle Staaten ihre Einrichtungen zu gründen 25 sich rühmen — nichts anders sind, als ein lautes Anerkennen des allgemeinen Bestehens eines solchen Vertrags, der ihre Verwalter zu dem Wesen desselben, zu Recht und Gerechtigkeit, als zu ihrer Pflicht, hinlenkt. Indessen sagen die Erfahrungen aller Zeiten, daß der Mann 30 am Plaz jeden Verein zwischen sich und seinen Untergebenen zuerst zu seinen Gunsten motiviren, stilisiren, zu Zeiten auch radiren und variren läßt, und dann noch das wenige, was nach allen diesem den Untergebenen noch dienen könnte, als der Herrschaft lästige Eingriffe erklärt, die als blosse Gnadensachen, 35 gar nicht nach dem Buchstaben, sondern nach dem Befinden der Herrschaft erklärt werden müssen. Allenthalben wendet der Mensch im Besiz der Macht alles Mögliche an, um ohne würkliche Anerkennung des Gesellschaftrechts in der bürgerlichen Gesellschaft doch Meister zu seyn. 40
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Meine Nachforschungen.
Die Ursachen davon liegen so tief in unserer thierischen Natur, daß wir uns darüber gar nicht verwunderen sollen. Alles gesellschaftliche Unrecht ist in seinem Wesen immer eine Folge des freien Spielraums den meine thierische Natur, 5 im gesellschaftlichen Zustand — gegen den Zwek der gesellschaftlichen Vereinigung findet. Alle Maasregeln der gesellschaftlichen Ordnung sind daher nichts anders, als gesellschaftliche Einrichtungen, diesen Spielraum meiner thierischen Natur, zu Gunsten des gesellschaftlichen Zwecks, einzuschränken; 10 und der gesellschaftliche Vertrag selber ist nichts anders, als der, sichere Willen gesellschaftlich vereinter Menschen, der diese Einschränkung zu Gunsten des gesellschaftlichen Zwecks gebietet. Der Geist dieses Vertrags soll mich sichern, das nicht zu entbehren, was ich vermög meiner Natur im gesellschaft15 liehen Zustand immer wollen muß, und das nicht zu leiden, was ich in demselben nicht wollen kan. Macht. Die Macht kann dem Vertrauen, das die gutmüthige Schwäche meines Geschlechts allenthalben in sie sezt, als Macht nicht 20 entsprechen. Wann ich in ihrem Besiz Löwenkräfte in meinen Gebeinen fühle, was soll mir das Recht der kleinen Thiere, und der kindische Wahn, sie haben mich zum Löwen gemacht? Gehen ihre Schaaren zu Grunde, ich bin der Löwe, meine Zähne und meine Klauen sind mein. Also denke ich im Besiz der Macht, s» nicht weil ich ein Narr bin, oder ein Sonderling, oder ein vorzüglich ungerechter Mann, ich denke also, weil ich den Kopf gern in den Lüften träges und am milden Strahl der Sonne gern der Vergangenheit und der Zukunft vergesse. Aber muß sich der Mensch der Macht in diesem Sinne unterso werfen, muß er ihre Ansprüche, die einfache Folge ihrer thierischen Begierlichkeit sind, als solche anerkennen? Er thut es. Soweit die Erde rechtlos ist, hat sie auch den Begrif und die Vorstellung von ihrem Recht verloren. 35 Der Mensch steht in dieser Lage vor dem Bild seines eigenen Rechts wie ein Verschnittener vor dem Bild der Göttin, die er bedient, er hat sie gesehen, denkt an sich selber, schüttelt den Kopf, und geht von ihr weg, zu seinem Reistopf. Aber ist eine solche Unterwerfung unter den Thiersinn der Macht, Pflicht
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der Menschen ? — Als man Jesum Christum dieses fragte, nahm er einen Pfenning und sagte: wes ist das Bild und die Ueberschrift? Sollte er mit diesen Worten mehr gesagt haben, als der Mensch müsse sich, vermög seiner Natur, nothwendig dem unterwerfen, der Gewalt über ihn hat; sollte er damit mehr 5 gesagt haben, als die Pflicht der Menschen in dieser Lage seye seine Noth, und was Gott und ihr gutes Herz weiter aus dieser Noth herauszubringen vermögen. Einmal eine gesellschaftliche Pflicht, das ist eine Folge des gesellschaftlichen Rechts, kan eine solche Unterwerfung nicht 10 seyn. Der Mensch thut in der bürgerlichen Gesellschaft nicht einseitig auf sein Naturrecht Verzicht; die Macht thut es wie der Mensch — wann nun diese ihr Wort bricht und ihrer Seits das bluttriefende Recht der Naturverwilderung aufstellt, so tritt sie mit diesem Schritt unwidersprechlich in den Naturstand, 15 und probirt ihre Thierkraft ausser allen Schranken des Rechts, was soll dann das Volk, was ist sein unwillkührliches allgemeines Wollen in dieser L a g e ? Im innersten seines Gefühls ist sein Vertrag mit der Macht gebrochen, woher soll ihm iezt das bindende Gefühl seiner Pflicht kommen ? durch was für Mittel muß 20 es in seine Seele hineingebracht werden ? Die Macht habe nicht blos Gewalt, sondern auch ein Recht, gegen das allgemeine unwillkürliche Naturwollen des Volks. Entweder schüttelt das Volk beim Fühlen des allgemeinen Unrechts, wie der Verschnittene den Kopf, oder es erwachen in ihm die lebhaften Gefühle 25 der Selbsterhaltung. Ein dritter Fall ist möglich: Ein Mensch, aber nicht ein Volk, höher als sein Geschlecht, entweicht dem Unrecht einer solchen gesellschaftlichen Zerrüttung, und stirbt in lauter Verehrung von Pflichten, die höher sind als die gesellschaftlichen, ihnen so zum Zeugniß einen Tod, der wenigen Sterblichen zu sterben vergönnt ist. Aber die gesellschaftliche Menschheit ist auf der ganzen Erde fern von dieser Höhe; und das gesellschaftliche Recht nimmt von ihr keine Kunde. Das menschliche Geschlecht theilt sich beim Leiden des äusersten Unrechts nur in zwei 35 Theile; entweder greift es nach seinen Erdäpfeln, oder nach seiner Keule. Das ist nicht meine, das ist die Meinung meiner Natur, deren hohen ewigen Gang die Meinungen der Zeit weder viel fördern noch viel hindern. 40
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Meine Nachforschungen.
Möge deine Gesezgebung noch so eine weißgedünkte verkleisterte Wand seyn, möge der Thiersinn der Macht sich hinter ihrem Blendwerk auch noch so menschlich geberden, ewig unterwirft sich der Mensch mit wahrem freiem Willen nie einer Ordnung, 6 die irgend Jemand das Recht giebt, ihm in den Verirrungen seines Thiersinns die Haut über die Ohren herabzuziehen. Das Verhältniß der Menschen im Staat gegen einander, ist ein blos thierisches Verhältniß. Der Mensch als Geschlecht, als Volk, unterwirft sich dem Staat gar nicht als ein sittliches Wesen; er tritt 10 nichts weniger als deswegen in die bürgerliche Gesellschaft, damit er Gott dienen und seinen Nächsten lieben könne. Er tritt in die bürgerliche Gesellschaft, seines Lebens froh zu werden, und alles das zu gemessen, was er als ein sinnliches thierisches Wesen unumgänglich gemessen muß, um seine Tage froh und i5 befriediget auf dieser Erde zu durchleben. Das gesellschaftliche Recht ist daher ganz und gar kein sittliches Recht, sondern eine blosse Modifikation des thierischen. Inzwischen liegt der Macht freilich alles daran, daß ich ein sittlicher Mensch sey, und sie nie in den Fall komme, daß mein 20 Thiersinn sich an dem ihrigen reibe. Sie leitet es deswegen auf der ganzen Erde dahin, dem Menschengeschlecht das Verhältnis zwischen ihr und dem Volk als ein sittliches in die Augen fallen zu machen. Aber die Neigung der Macht, sich für ein sittliches Verhältnis auszugeben, ändert die wahre Lage ihres 25 Verhältnisses gegen das Volk nicht, und wann das Personale der Macht diese Neigung, von innerer Unsittlichkeit gereizt, nur für eigenen Vortheil nähret, und sie nur zum Dekmantel ihrer bürgerlichen Gesezlosigkeit und ihres gesellschaftlichen Unrechts braucht, so thut sie hierin nichts anders, als was der so Wolf und der Fuchs, wann sie könnten, auch thun würden, um das Schaaf und die Henne zu einem unbedingten Zutrauen zu bewegen. Indessen thut die Henne wohl, wenn sie des Nachts auf den Bäumen schläft, und das Schaaf, wenn es troz allem was der Wolf sagt, sich an den Hirten hält. 36 Wahr ist indessen doch auch, wann die Macht durch persönlichen Edelmuth freiwillig, oder durch die Weisheit der Gesezze gezwungen, in den Schranken einer gesezlichen Rechtlichkeit fest steht, so ist ihre desfaisige Meinung, wenn sie sich schon auf Irrthum gründet, in diesem Fall dem Staat oft ganz «0 unschädlich, sie kann ihm unter gewissen Umständen sogar
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Meine Nachforschungen.
vortheilhaft seyn. Wann sie aber, aus welchen Ursachen es auch immer seyn mag, dahin versunken ist — Volksdummheit und Volkssittlichkeit in ihren Begriffen mit einander zu verwechseln, und beide als Polster ihrer thierischen Behaglichkeit und als Mittel anzusehen, sich selbst im Besiz iedes gesellschaft- s liehen Unrechts, so weit zu sichern, daß sie weder durch die Kraft der Gesetze, noch durch diejenige des Volks im Genuß derselben beeinträchtiget werden, sondern in Sardanapalischer Sorglosigkeit jede noch so unrechtmässige Handlungsweise ohne einige Gefahr forthin als rechtmässig behaupten kan; in 10 diesem Fall ist dann die Neigung der Macht, ihr Verhältnis gegen das Volk, als ein sittliches Verhältnis in die Augen fallen zu machen, gewis nicht unschädlich, und noch weniger wahrhaft nüzlich. Indessen wird sie in jedem, so auch in diesem Fall dich alle-15 mal mit der Miene der Unschuld fragen: Wie sollte ein Staat bestehen können, dessen Gesezgebung nicht auf Sittlichkeit gegründet ist ? Sie sollte zwar freilich diese Frage nicht thun, um den Verirrungen ihres eigenen Thiersinns einen Anstrich zu geben. Aber es begegnet ihr in diesem Fall, was dem Menschen 20 überhaupt begegnet, wann er seinen Leidenschaften unterliegt. Sie kommt mit sich selbst in Widerspruch, und glaubt auf der einen Seite wirklich der Staat müsse auf Sittlichkeit gegründet seyn, auf der andern Seite führt sie ihre Bürger selber zu hundert und hundert Verhältnissen, Umständen und Genüssen, die alle 25 Fundamente der Sittlichkeit in unserm Geschlecht auslöschen, und im Gegentheil dem Thiersinn des Volks eine gesellschaftliche Verhärtung, Schlauheit und Verwegenheit ertheilen, daß das Zwischenspiel der mitten durch alle diese Umstände angepriesenen Sittlichkeit selbst zu dem frommen Betrug nicht mehr 30 dienen kan, zu dem es eigentlich bestimmt ist. Wann es also der Macht schon zu verzeihen ist, daß sie das Verhältnis des Volks gegen sich selbst als ein sittliches ansehe und anpreise, so darf ein Gesezgeber sich von diesem Irrthum nicht täuschen lassen, er darf weder den König, noch das Volk sittlich glauben, 35 und muß die Rechte und Pflichten aller Stände im Staat also bestimmen; daß der allgemeine Thiersinn unserer Natur bei dem ersten Bürger wie bei dem lezten nicht zum Nachtheil der andern in seiner bürgerlichen Lage Nahrung und Begünstigung finde. 40 Pestalozzi Werke X I I .
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Meine Nachforschungen.
So sehr also die Macht wünscht, daß ich ein sittlicher Mensch seie, so darf sie es als Macht nicht von mir fordern. Die Macht darf nur in soweit von mir fordern, daß ich ein sittlicher Mensch seie, als sie selbst sittlich, das ist, als sie nicht 5 Macht ist, nicht als Macht handelt. Sie darf es nur in soweit von mir fordern, als sie in der Göttlichkeit ihrer Kraft lebet und wallet, nicht daß ihr gedienet werde, sondern daß sie diene, und ihr Leben gebe zur Erlösung für viele. Das ist der Stein in der Krone der Fürsten der ihr Recht göttlich macht. 10 Wo er glänzt, da kniet das Volk, und begehret kein Recht, aber wo er mangelt, und falsch ist, da hat es ein Recht nöthig. Die Macht, als Macht, ist auf der ganzen Erde gesezlos, und die gesezlose Macht ist wie das Schlagen der Welle im Sturm, die selber vergeht, indem sie eine andere verschlingt. 15 Wer will das Recht dieser Welle, dieses Verschlingens, dieses Vergehens ansprechen? Herr, verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun! Ehre. Wann der Wilde in seine Haut wie in ein hölzernes Bret schnei20 det, wann er sich Farben anstreicht, die schlechter sind, als er selber, wann er sich Nase und Ohren durchsticht, damit etwas an ihm hange, das glänzt; so thut er mit allen diesem weniger, und macht sich weniger Plage, als der Europäer zu gleichem Zwek. Der Schmukkasten der Otaheitin ist von dem Schmuk25 kästen des europäischen Weibs nicht sehr verschieden, und der Beinorden des Südländers ist mit allen Orden unsers Welttheils die nämliche Sache. Allenthalben führt der Trieb zur Auszeichnung den thierischen Menschen dahin, daß er die Schleppe seines Kleides und einen 30 Ring an der Nase mehr achtet, als sich selber, und für Brandtwein, Glaskorallen und Bänder, sein eigen Geschlecht für einen jeden todtschlägt, der dahin gekommen, um Mord und Unterdrükkung seines Geschlechts, durch Glaskorallen, Brandtewein und Orden anzuzetteln und bezahlen zu können. 35
Unterwerfung. Der Grund der Unterwerfung ist nichts weniger als ein unserm Geschlecht natürlicher Dienstwjlle; es ist keine Spur eines solchen Willens in unserer thierischen Natur.
Meine Nachforschungen.
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Der Grund der Unterwerfung ist Selbstsorge. Das gesellschaftliche Recht kann also die Grundsäzze der Unterwerfung auf kein anders Fundament bauen, als auf dasjenige auf welches unsere Natur sie selber gebauet hat. Auch kann die äusere Form, in welcher der unterworfene Mensch s den thierischen Trieben seiner Selbsterhaltung und Selbstversorgung entgegen zu streben genöthiget ist, das Wesen seines gesellschaftlichen Rechts auf keine Weise verändern. Er soll durch Unterwerfung nichts weniger, als den Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung, den Ersaz seiner Naturansprüche 10 verlieren, er soll ihn vielmehr durch dieselbe sicher stellen. Er hat, als unterworfener Mann, vorzüglich Anspruch an eine weise Organisation des bürgerlichen Erwerbs, an gesezliche Sicherstellung der niederen Rechte des untergeordneten Eigenthums, an gesicherte und allgemeine Volksbildungsanstalten, 16 an Schuz eines jeden, dem Armen möglichen Erwerbs, an gesezliche Beschränkung der Reichen in jeder gemeinschädlichen Benuzzung ihrer Fonds. Eine andere Frage ist: Genießt der unterworfene Mann in den wirklich bestehenden bürgerlichen Einrichtungen sein ge- 20 seilschaftliches Recht? Oder ist im Gegentheil wahr, daß die Unterwerfung in den Jahrbüchern des Menschengeschlechts allgemein blos als ein Zwang- und Nothstand zum Vorschein kommt, in welchem die Schwäche unsers Geschlechts, von aller Sicherheit des Rechts soviel als gesezlich ausgeschlossen, und 25 in den wesentlichsten Bedürfnissen des Lebens beeinträchtiget, sich in Lagen versezt siehet, die ihm nicht einmal erlauben sein Leben anders, wenn auch nicht mühsam und elend, doch in seinen ersten Gefühlen gekränkt, und durch Rechtlosigkeit und Ehrlosigkeit erniedriget, zu durchserben. Eben diese Jahr- so bücher aber sagen dann auch, daß das Menschengeschlecht unter diesen Umständen allgemein neidisch, tükkisch, diebisch, niederträchtig, untreu und verrätherisch werde, daß sein Innerstes sich gegen jede grössere gesellschaftliche Kraft, und gegen einen jeden Menschen, der in einer gesellschaftlich bessern 35 Lage ist, empöre. Die thierische Selbstständigkeit, die meine Natur fordert, findet nur in der gesellschaftlichen Selbstständigkeit einen befriedigenden Ersaz. Die Grundgefühle meiner thierischen Natur sind alle wider 40 2*
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Meine Nachforschungen.
die Unterwerfung, sie stößt in ihrem Wesen an den gewaltsamen Trieb; in den Angelegenheiten meiner Selbsterhaltung unabhängig und selbstständig zu seyn, oder wenigstens mich unabhängig und selbstständig machen zu können, und gegen 5 das mit so vieler Kraft in mir liegende Mißtrauen, gegen alles, was diese Selbstständigkeit entreissen oder erschweren kann. Das Gefühl meiner rechtlosen unsichern Lage im gesellschaftlichen Zustand, tödtet alle Grundlagen des menschlichen Geistes, durch welche die Veredlung der Nation allein möglich gemacht 10 wird. Die Geschlechter der Menschen versinken durch bürgerliche Erniedrigung in jedem Staat zur möglichen Schlechtigkeit herab, und erheben sich durch gesellschaftliche Selbstständigkeit zu jeder bürgerlichen Tugend. Daher der Unterschied zwischen dem Edelmuth des ungarischen Adels, und der Kriecherey des 15 f t sehen und f f sehen; daher der Unterschied zwischen Helvetiens Bergbewohnern und den polnischen Bauern, und eben so der Unterschied zwischen einem gesezlich gesicherten Handlungsstand, und tief erniedrigten reichen Fabrickknechten, zwischen einem ehrenvesten bürgerlichen Arbeitsstand, 20 und ehrlosem Fabrikgesindel. Beherrschung. Wesentlich von der Regierung verschieden, ist sie eine blosse Folge des Privateigenthums, der Privatbedürfnisse und der Privatrechte. Die Regierung hingegen ist eine bestimmte Folge des ss allgemeinen Eigenthums, der allgemeinen Bedürfnisse und Rechte. Sowohl Beherrschung als Regierung müssen den Grund ihres Rechts beiderseits in dem Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung suchen. Die Beherrschung muß ihr Recht mehr als die Regierung auf diesen Zweck, in so ferne er durch die so B e d ü r f n i s s e und N e i g u n g e n der I n d i v i d u e n im S t a a t b e s t i m m t w i r d , gründen. Die Regierung hingegen muß dasselbe mehr als die Beherrschung auf diesen Zweck, in so f e r n e er durch die A b s t r a k t i o n der a l l gemeinen B e d ü r f n i s s e , und des allgemeinen W i l l e n s 35 b e s t i m m t ist, gründen. Es liegen aber sowohl in der Natur der herrschaftlichen, als der Regierungsrechte, so viele Reize gegen diese beiden Grundgesichtspunkte, daß es unmöglich zu erwarten ist, daß dieselben den Menschen, die im Besiz sowohl der einen als der andern ge-
Meine Nachforschungen.
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sellschaftlichen Vorzüge stehen, von selbst auffallen. Sowohl im einen als im andern F a l l ist seine ganz thierische Stellung dagegen, er faßt sie also nicht. E s ist nicht möglich, es kann im Besiz grosser gesellschaftlicher K r ä f t e nie mein thierischer Wille seyn, mich im Gefühl 5 meiner R e c h t e durch allgemeine oder durch Privatbedürfnisse und Neigungen eingeschränkt und gehemmt zu sehen. E s kann im Besiz der Macht nie mein thierischer Wille seyn, den Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung gegen mich selbst anzuerkennen, und im Gefolg dieser Anerkennung nicht anders 10 als gesellschaftlich rechtmässig zu regieren. Dieser Wille bestehet in einem jeden S t a a t nur in soweit, als die Weisheit und K r a f t der Gesezgebung die Ansprüche unserer thierischen Natur in den Theilhabern der gesellschaftlichen Vereinigung allgemein mildert, indem sie die ursprünglich 15 ungesellschaftliche und gesellschaftlich unrechtmäßige Ungleichheit aller gesellschaftlichen Kräfte, durch eine mit dem Endzweck der gesellschaftlichen Vereinigung übereinstimmende Organisation des Gebrauchs derselben rechtmäßig zu machen, und durch Vorsorge für die Menschenrechte deren, die keinen 20 Theil an der Welt haben, den Geist des gesellschaftlichen Vertrags in ein Geschlecht hinein zu bringen sucht, bei welchem die Natur den Hang zu allem gesellschaftlichen Unrecht mit solchem Reiz verwoben. E s ist gewiß, der reine gesellschaftliche Wille besteht in einem jeden S t a a t nur in soweit, als die Gesezgebung 25 das ganze Wirrwarr des im namenlosen Chaos des Zufalls, wie in Mackbeths Kessel gekochten Undings unsers Reichthums, und unserer Armuth — unserer Rechte und unserer Rechtlosigkeit, unserer Ansprüche und unserer Niederträchtigkeiten in eine solche Ordnung zu bringen sucht, die auch der Schwäche 30 unsers Geschlechts die Möglichkeit offen läßt — durch den gesellschaftlichen Zustand wirklich gesellschaftliche Rechte zu erhalten, und durch dieselbe unter den Schranken der bürgerlichen Vereinigung wahre Befriedigung zu finden. Freylich geschiehet das alles nicht — unsere Gesezgebungen 35 lassen der Hexe ihren Kessel, und wir leben in dem Unding, das sie uns gekocht h a t — wie die Frösche im Sumpf, unbesorgt für die so der Storch frißt. — Der alternde Welttheil h a t die Grundsäzze der wahren gesellschaftlichen Ordnung wie aus dem Gedächtniß verlohren. *o
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Meine Nachforschungen.
Die Masse des Volks hat keinen Begrif von seinem gesellschaftlichen Recht — also auch keinen gesellschaftlichen Willen; und Verkleisterungsmittel unserer bürgerlichen Entmannung sind weder ein Ersaz des mangelnden bürgerlichen 5 Rechts — noch ein Fundament einer wahren gesellschaftlichen Ordnung —• und die Gewaltsordnung, die die Macht nicht für das Menschengeschlecht, sondern für ihren Dienst einrichtet, ist noch schlimmer als das Unding das uns die Hexe gekocht hat. Indessen ist das was geschiehet um deswillen nicht das, 10 was geschehen soll. Der herrschaftliche Stand ist gar nicht durch seinen Ursprung, sondern nur durch das Gesez rechtmäßig, das Gesez aber darf den Grund seiner Rechte weder in den Gewaltgelüsten übergrosser Herren, noch in den demüthigen Niederträchtigkei15 ten überschwacher Knechte suchen. Es muß ihn in dem Zweck und dem Wesen der gesellschaftlichen Vereinigung suchen. Aber die meisten Staaten tummeln sich in den barocken Formen des Unrechts, dem sie die Gestalt des Rechts und der Ordnung, wie dem Esel die Löwenhaut über die Ohren herumziehen. Wenn 20 wir indessen von Herrschaftswegen Genüsse und Rechte fordern, die den Zustand derer, die sich um unser Eigenthum bewerben, um unsers grössern Vortheils willen abhängig, ehrlos und rechtlos machen, so handelten wir — wenn auch die ganze Welt das gleiche thut, hierin nicht nach den Gesezzen des gesell25 schaftlichen Rechts — sondern nach denjenigen unserer thierischen Selbstsucht — und die Folgen die diese Handlungsweise dann haben mag — sind in jedem Fall nicht Folgen unserer gesellschaftlichen Rechtlichkeit, sondern des Gegentheils. Gesellschaftliches so
Recht.
Ich sähe unter allen vorstehenden Abschnitten den entscheidenden Einfluß meiner selbstsüchtigen Natur auf das allgemeine Zugrundrichten des gesellschaftlichen Zwecks im gesellschaftlichen Zustand. Die ersten Bedürfnisse der gesellschaftlichen Menschheit rufen 35 deswegen gebietend einer Kraft, die den Vergehungen meiner Selbstsucht in diesem Zustand allgemein und wirksam Einhalt zu thun im Stande sey. In dem Gefühl dieser Bedürfnisse liegt der Ursprung aller gesezlichen Einrichtungen unsers Geschlechts.
Meine Nachforschungen.
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In der Uebereinstimmung dieser Einrichtungen mit dem gesellschaftlichen Zweck liegt das Wesen des gesellschaftlichen Rechts. Im Mangel dieser Uebereinstimmung hingegen liegt das Wesen des gesellschaftlichen Unrechts — oder die Quelle der Uebereinstimmung derselben, mit dem Gelüsten derer, die das physische Uebergewicht der Gewalt, die in ihrer Hand ist, zum Fundamente legen, und vermöge ihrer Natur nicht anders können, und nicht anders wollen, als dieses Uebergewicht zum Fundament dieser Einrichtung zu machen. Der Mensch kann und will als thierisches Geschöpf nicht anders als selbstsüchtig handeln; er ist in dem freien Spielraum seiner Naturtriebe allenthalben zur Gesezlosigkeit geneigt, und lebt als Tyran und Sklave nach den gleichen Grundsäzzen seiner thierischen Gefühle; und wenn er jezt im öffentlichen Getümmel des Aufruhrs wüthet — so schlich er vorher in trügender Staatsruh der Rechtlosigkeit — wie ein stilles grundfressendes Wasser einher. Man muß daher das lezte Unglük des Staats nie ohne Rüksicht auf den Einfluß ihres frühern Verderbens ins Auge fassen. Nur Betrüger und Betrogene berühren die Ursachen nicht — wenn von Wirkungen die Rede ist. Adel. Meine thierische Natur bindet mich durch meine Ehre wie durch mein Gut an mein Kind — ich muß, vermöge derselben, nothwendig dahin lenken, ieden Lebensgenuß, den ich in meine Hand gebracht, in der Hand meines Kindes fortdauernd zu machen — also liegt Anspruch an erbliche Ehre in dem Grundgefühl meiner thierischen Natur, wie der Anspruch an erbliches Eigenthum. Der Grad der Kultur und des Bedürfnisses, die wesentliche Eigenheit des Besizstands—kurz der bestehende Fuß aller Dinge entscheidet an iedem Ort und in iedem Zeitalter über die Schiklichkeit oder Unschiklichkeit eines ieden Mittels, unser Geschlecht dem Endzweck der gesellschaftlichen Vereinigung näher zu bringen. Der Adel war in der Feudalform der Vorzeit als der Mittelpunkt des allgemeinen Besizstands, ein Mittel zu diesem Zweck. Es ist wahr — das Mittel fraß den Zweck — der Adel stellte
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Meine Nachforschungen.
d e n F o r t s c h r i t t d e s M e n s c h e n g e s c h l e c h t s still, w i e d i e —
Priester
e r h a ß t e d a s R e c h t d e r W e l t , wie die K ö n i g e — er w a r selbst-
süchtig wie die R e i c h e n , u n d g e w a l t t h ä t i g wie die die G e w a l t haben.
A b e r sein U n r e c h t ,
6 Augen der Welt.
lag
offen
und
schreiend
vor
den
E s w a r d i h m selbst zur L a s t — u n d gerieth
ihm selbst z u m schnellen Verderben — d a hingegen d a s U n r e c h t der K ö n i g e u n d der Großreichen, in deren H ä n d e n das U n r e c h t , in deren Seelen die I r r t h ü m e r des Adels hinüber g e g a n g e n — i h n e n n i c h t so leicht selber z u r L a s t fallen, u n d n i c h t so leicht
zum
10 s c h n e l l e n V e r d e r b e n g e r e i c h e n w e r d e n . Die W e l t wird grosse Mühe haben, die Ungesellschaftlichkeit
unserer
über das Unrecht
Souverenitäts-
und
und
Finanz-
a n m a s s u n g e n d a s z u g e w i n n e n , w a s sie ü b e r d a s U n r e c h t Ungesellschaftlichkeit
des
Feudaleinflusses
15 D i e W e l t , d i e i n d e r F e u d a l f o r m
wirklich
der Vorzeit wie in
und
gewann. eisernen
B a n d e n still s t a n d — ist
iezt durch die Coalition der Gewalts-
rechte
des
allen
des
Geldein-
flusses
zu einer T o n t i n e g e m a c h t worden, w o endlich
niemand
Throns,
mit
Schlüpfrigkeiten
u n d n i c h t s bleibt, w a s es ist, u n d w a s es w a r . 20
Indessen h a t die H a n d l u n g , die iezt a u f d e n T r ü m m e r n
des
A d e l s u n d d u r c h die F i n a n z l ü k k e n d e r H ö f e ihr a l l m ä c h t i g g e wordenes
Haupt
emporhebt,
nirgends
als in E n g l a n d ,
einen
in d a s W e s e n der Regierung eingewobenen grossen Geist, d a s F e u d a l s y s t e m der Vorzeit einen solchen 25
J e z t ist die W e l t in d e r H a n d d e r H o f j u d e n , u n d die j u d e n in d e r H a n d d e r Minister, d e r e n V o l k Credit hat.
Indessen
flattert
wie
hatte. Hof-
einen wesentlichen
der Besizstand, v o m Boden
los-
g e m a c h t — wie ein v e r s c h e u c h t e r Vogel a u f demselben h e r u m . V o r A l t e m s a ß d e r A d l e r i n s e i n e m N e s t —• u n d w e n n e r s i c h u n 30 g e b ü h r l i c h h i e l t , s o f a n d i h n d e r J ä g e r , s o h o c h a u c h s e i n N e s t w a r ; iezt glauben die K a b i n e t t e r , die kleinen Vögel legen m e h r E y e r , u n d zerstören alle grosse N e s t e r , u m d a s ihrige, d a s allein h o h e , d a s allein heilige — d a s allein freie — in d a s Gold d e r W e l t einzufassen.
Aber
dieses
Gold
wird
35 w e r d e n n a c h e i n i g e n E r f a h r u n g e n
verschwinden,
und
die n a h e sind, wieder
seyn, unser E i g e n t h u m , wie v o r Alters, an Grund u n d anzuketten.
W e n n m a n indessen die F o r m e n
den Geist unserer T a g e zu eng
findet
Boden
der Vorzeit
— so werfe m a n
wir froh für
dennoch
kein Mittel, das unser Geschlecht einmal wirklich weiter g e b r a c h t 40 h a t — m i t u n b e d i n g t e r S o r g l o s i g k e i t w e g .
Meine Nachforschungen.
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Der Barbar lebt nur unter der willkührlichen Gewalt gesellschaftlich — und welche Form der Besizstand auch immer in einem Staat haben mag, so ist dieses gewiß, wenn der Endzweck der gesellschaftlichen Vereinigung in demselben erzielt werden soll, so muß man dem Bürger in demselben immer einen, seinem s Eigenthum verhältnißmässigen gesezlichen Werth und Einfluß ertheilen. Das Eigenthum regiert immer besser als der Mensch. Ich glaube wenigstens es sey nur durch den Geist von Gesezzen, die diesen Gesichtspunkt zum Fundament haben, mög-10 lieh, den alternden Welttheil vor der gedoppelten Gefahr zu bewahren, in allen seinen Abtheilungen entweder von den Anmassungen der Krone verschlungen — oder den Anmassungen des Sansculotism zerrissen zu werden. So lebhaft uns auch die Irrthümer und das Unrecht des Adels vor Augen stehen, so sollen wir doch nicht vergessen, daß das Eigenthum immer der Fuß unsers gesellschaftlichen Daseyns ist und seyn muß — und daß also der Naturkampf zwischen dem Eigenthümer und Nichteigenthümer, im gesellschaftlichen Zustand ewig nicht aufhören kann — Wir dürfen das alte Heilig- 20 thum des Pflugs und seinen ewigen Vorzug vor allem Judenwesen ohne Gefahr für die Pflanzschule aller Staatskräfte und für die gute Beschaffenheit des Volks nicht aus den Augen verlieren. Man mache einen Unterschied zwischen dem Recht des Adels als Eigenthümer Und den Anmassungen dieses Stands, 25 die keinen Grund im Recht des Eigenthums haben; man überlasse die leztern dem Zahn der Zeit, der so kraftvoll an ihrem Irrthum nagt, und unterwerfe die ersten den Grundsäzzen, ohne welche das Eigenthum kein gesellschaftliches Recht seyn kann; so scheint mir der Streit gehoben, der indem er in unsern Tagen so ohne Edelmuth und ohne grossen gesezgeberischen Geist geführt worden ist, nicht anders konnte, als das Wohlwollen des Menschengeschlechts unter einander weit mehr als es gut und nüzlich gewesen ist, zu stören. Kronrecht. In seinem Ursprung schwankend, zwischen den Gefühlen des Privatrechts, oder vielmehr der Privatanmassungen in dem Besiz der unverhältnißmässigen gesellschaftlichen Kräfte, und den Ansprüchen des öffentlichen Rechts und des öffentlichen Be-
35
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Meine Nachforschungen.
dürfnisses. Einzig durch seine Uebereinstimmung mit dem gesellschaftlichen Zweck und dem gesellschaftlichen Recht gesellschaftlich — und nur in soweit rechtmässig. In der Hand der Individuen als solcher — bloße thierische 6 Kraft, und in soweit in seinen Wirkungen nicht blos wie das Eigenthum, die Macht und die Ehre, allgemeine Nahrung unsers thierischen Sinns und aller Verirrungen, zu welchen dieser Sinn uns alle hinführt — sondern die bestimmte höchste Stufe, das bestimmte non plus ultra aller möglichen Attentate 10 gegen alle Fundamente der gesellschaftlichen Wahrheit und des gesellschaftlichen Rechts. Könige können Anbetung verdienen, aber es ist gleich wahr — der Begriff des Kronrechts, als ein allgemeiner Begriff, erregt beim sinnlichen, selbstsüchtigen Menschen eben die Gefühle, 15 welche die Wörter Freiheit und Gleichheit beim französischen Sansculotten erregt haben. Freiheit. Unser Geschlecht hat eine allgemeine und starke Neigung in dem Genuß seiner Lebensansprüche unabhängig und selbst20 ständig zu seyn. Naturfreiheit ist Genuß dieser Selbstständigkeit in vollem Leben meiner thierischen Kraft. Bürgerliche Freiheit ist Ersaz der Naturfreiheit, Besiz gesellschaftlicher Selbstständigkeit. Das Recht der Naturfreiheit ruhet auf dem allgemeinen unwillkührlichen und unwandelbaren Gefühl des 25 Bedürfnisses meiner Selbstständigkeit im Naturstand. Das Recht der bürgerlichen Freiheit ruhet auf dem eben so allgemeinen Gefühl des Bedürfnisses eines Ersazzes dieser Naturfreiheit im gesellschaftlichen Zustand. Der thierische Reiz dieses Gefühls ist eine einfache Folge der so Eigenheiten der Thierart meines Geschlechts. Ich bin vermöge desselben kein trauliches kraftloses Hausthier, das unter den Füssen eines stärkern ruhig gaukelt und frißt; im Gegentheil ich gehöre vielmehr zu den gewaltsamen, unruhigen, den Genuß selbst der Sicherheit vorziehenden Raub- und Waldthieren. s5 Es ist freilich auch wahr, meine Neigung zur Selbstständigkeit wird durch meine Trägheit, und mein Hang zur Sicherstellung meines Rechts, durch denjenigen zum Genuß, in mir selbst geschwächt, und es ist unstreitig, man kan mich durch sichern Sinnengenuß unter allen Umständen zum schwächlichem Haus-
Meine Nachforschungen.
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thier umbilden — aber von Natur bin ich kein solches, ich will da immer lieber herrschen als dienen. Das Mittel zwischen Herrschen und Dienen, Selbstständigkeit, ist Bedürfniß meiner Natur. Das Herrschen ist Bedürfniß überwiegender thierischer Kräfte, oder wenigstens der Ein- 5 bildung davon. Das Dienen ist Bedürfniß verlohnter oder geschwächter thierischer Kräfte, oder wenigstens der Einbildung davon. Auch gemässigte thierische Kraft spricht in ihrem gesunden Zustand Selbständigkeit an. Dieser Anspruch ist in meinem Geschlecht eine unwillkührliche Folge der Unverdor-10 benheit meines Bluts und des freien Spieles meiner Säfte in Hirn und Herz — Ich verlange sie, weil dieses Herz in mir wie in einem Mann schlägt, weil dieses Hirn nicht vom Schlag getroffen in einem ohnmächtigen bettlägrigen Kopf stokt — ich verlange sie, weil mein Blut in Jünglingsfarbe meinen Geist in 15 ieder Ader frei und froh ohne Gift nährt. Also beschaffen, muß ich sie verlangen, weil ich bin, was ich bin, und ich höre auf zu seyn, was ich im gesunden thierischen Zustand nothwendig bin, wenn ich aufhöre thierische Selbständigkeit zu verlangen. 20 Im bürgerlichen Leben ist alles Thun und Lassen des gesellschaftlichen Menschen ein ewiges Haschen nach Selbstständigkeit .— freilich ein ohnmächtiges, und fast immer mit der Kränkung des Fehlgreifens gebrandmarktes Haschen. Es läßt sich gar nicht läugnen, es gelingt ihm in diesem Zustand selten, 25 von Gesezzen abzuhängen, die auf dem Recht ruhen, das in seiner Brust schlägt, und das er sich selber gegeben. Bald hängt er allgemein von der Willkühr der Gewalt ab, die immer nur darnach trachtet, unser Geschlecht auf den Ruinen seiner zertrümmerten Selbstständigkeit, als ein neugeschaffenes, so menschheitloses und menschheitleeres Wesen — blos zu regieren, demselben alle Kraft und alles Recht seiner Natur zu rauben, und dann' wann dieses geschehen, in ihm die also erniedrigte Menschheit zu beglükken und zu begnaden. Armes Geschlecht, das höchste Ziel deiner Gesezgebung 35 geht dahin, dich entwürdigt zu füttern, und der alternde Welttheil lobt seine Weisheit, wann du von diesem Futter nur fett wirst.
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Meine Nachforschungen.
Tyranney. Tyranney ist Kränkung meiner Selbstständigkeit ohne und wider den gesellschaftlichen Zweck. Es giebt eine barbarische und eine civilisirte Tyranney. Unter der barbarischen blute, 5 unter der civilisirten schmachte ich; ihr Wesen ist in beiden Fällen das nämliche, Gebrauch der Macht ohne Respekt für ihre Bestandteile, und ohne Rüksicht auf ihren Zweck. Sie ruhet allgemein auf dem Thiersinn meiner Natur, der im Vollgefühl unverhältnißmässiger Kräfte nicht anders kan, als die Schwäche 10 meines Geschlechts zu erniedrigen und mißbrauchen. Sie ist nichts anders als die Unterdrükkung des bürgerlichen Rechts durch die Naturfreiheit der Macht. Wer diese Unterdrükkung leiden muß ist Sklav. Wer sie nicht leiden muß ist frei. 15 Wer sie leiden macht ist Tyrann. Wer sie leiden machen kan, kan Tyrann seyn. Wer das nicht kan, kan nicht Tyrann seyn. Völker, deren Fürsten nicht Tyrannen seyn können, haben ein Recht. 20 Völker, deren Fürsten Tyrannen seyn können, haben kein Recht. Fürsten, die Tyrannen seyn können, und nicht sind, sind Engel oder Schatten. Der Anspruch an Tyranney ist nicht Bosheit, er ist Menschen25 natur. Nur der Schaafskopf spricht sie nicht an wenn er kan. Der wahrhaft Reine, Tugendhafte freilich auch nicht — aber es ist von reiner Tugend nicht die Rede, wenn man vom gesellschaftlichen Recht und von der öffentlichen Einrichtung des bürgerlichen Verhältnisses als solchen spricht. 30
Aufruhr. Das Wimmern des Menschengeschlechts unter dem Druck des gesellschaftlichen Unrechts — und der gesezlosen Gewalt, ist nicht Aufruhr. Auch lauter Tadel der öffentlichen Unordnung, ist an sich nicht Aufruhr. Das Streben des Menschen35 geschlechts, die Maasregeln der öffentlichen Ordnung und des gesellschaftlichen Rechts, wo sie mangeln, einzuführen, und wo sie geschwächt sind, zu stärken — dieses Streben liegt im Innersten meiner unentwürdigten Natur — iedes Volk, dem
Meine Nachforschungen.
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e s m a n g e l t , i s t in t i e f e n i e d e r e S c h l e c h t h e i t v e r s e n k t w o r d e n . H i n b i s t d u N a m e V a t e r l a n d ! w e n n dieses S t r e b e n in d e r B r u s t deiner B ü r g e r t o d t ist! deine entwürdigten Menschen sind Staatsbürger geworden. U n d a u c h du meine Menschlichkeit bist hin, wenn ich ohne 5 Interesse für das öffentliche R e c h t , u n d ohne Abneigung gegen d a s ö f f e n t l i c h e U n r e c h t u n d g e g e n s e i n e Quelle, d i e w i l l k ü h r l i c h e G e w a l t , in d e r b ü r g e r l i c h e n G e s e l l s c h a f t lebe. A b e r wie k a n m a n d a s I n t e r e s s e für die Angelegenheiten des V a t e r l a n d s bei d e n I n d i v i d u e n i m L a n d a l s o l e b h a f t w e r d e n l a s s e n , u n d d a b e i 10 d e n S t a a t auf ieden F a l l v o r Aufruhr sicher stellen ? A l s o f r a g t ein Z e i t a l t e r — d a s n i e e i n f a c h u n d g e r a d e h i n r e c h t t h u n — aber sich bei allem N i c h t r e c h t t h u n selber bestens g e s i c h e r t w i s s e n will. I c h w e i ß a u f d i e s e F r a g e , w i e sie g e s t e l l t ist k e i n e A n t w o r t . is I c h weiß g e g e n die A u s a r t u n g keiner einzigen m e n s c h l i c h e n K r a f t , u n d keiner einzigen menschlichen T u g e n d auf ieden F a l l Mittel. A b e r das weiß ich doch, daß keine K r a f t u n d keine T u g e n d in m e i n e r S e e l e d e s w e g e n a u s g e l ö s c h t w e r d e n soll, d a m i t sie n i c h t a u s a r t e n k ö n n e , u n d d a ß d i e l e b e n d i g e A n h ä n g - 20 lichkeit des B ü r g e r s a n d a s R e c h t seines L a n d e s , eben so wenig z u e i n e r K r a f t l o s i g k e i t , in d e r sie g a r k e i n g e s e l l s c h a f t l i c h e s Uebel mehr veranlassen könne, versenkt werden darf. Gewiß ist wenigstens, u m d e m A u f r u h r vorzubeugen, m u ß ich doch n i c h t d i e m e n s c h l i c h e S e e l e ä n d e r n , d a ß sie z u a l l e n P h a n t a s i e n 25 d e r Willkühr, u n d zu allen Unflath der Rechtlosigkeit passe. W a n n a b e r eine R e g i e r u n g a u s G r ü n d e n , d i e sie n i c h t p r o t o kollirt, die G r u n d f r a g e des bürgerlichen R e c h t s u n d d e r b ü r g e r l i c h e n S e l b s t s t ä n d i g k e i t n i c h t m e h r will, o d e r n i c h t m e h r d a r f , a n s i c h k o m m e n l a s s e n , d a n n b l e i b t g e g e n d e n A u f r u h r , d a s i s t , 30 g e g e n die b e i m V o l k e u n t e r diesen U m s t ä n d e n n o t h w e n d i g e r w a c h e n d e n lebhaften Gefühle v o n der Unsicherheit u n d U n r e c h t m ä s s i g k e i t i h r e r L a g e , freilich k e i n M i t t e l ü b r i g , a l s d e r G e b r a u c h physischer K r a f t , ratio ultima r e g u m — u n d dieses w i r k e t d a n n a u c h s o v i e l s i c h e r e r , w a n n m a n i m F a l l i s t , m i t 35 g a n z v e r s t o k t e r Stille zu W e r k e zu gehen, d a s a b e r weis ich freilich d a n n a u c h n i c h t , w i e dieses a u f j e d e n F a l l m ö g l i c h i s t , o h n e d a s Volk n o c h s c h l e c h t e r zu m a c h e n , als es d u r c h den A u f r u h r selber k a u m h ä t t e werden können. W e n n i c h i n d e s s e n s c h o n zweifle, o b d i e L a g e n u n d U m s t ä n d e , *o
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unter denen der Mensch zum Giftmischen geneigt werden kan, denen vorzuziehen seien, durch die wir gereizt werden, mit Kains Keule zu morden, so billige ich das Todschlagen mit der Keule so wenig als das Giftmischen. Und wenn ich schon 5 zweifle, ob das Volk durch den Aufruhr schlechter werde, als durch politische Täuschung, so billige ich den Aufruhr so wenig, als die falsche Gewaltthätigkeit der Staatskunst. Das Verderben des gesellschaftlichen Zustands führet uns offenbar zu zwei Extremen, die unser Geschlecht auf ungleichen Wegen, aber 10 beiderseits gleich zu Grund richten, und diese sind Ruchlosigkeit und Erschlaffung. Wir dürfen aber, um der Gefahren willen, welche die Ruchlosigkeit und ihr äuserstes Verderben, der Aufruhr, über unser Geschlecht verhängt, diejenigen nicht verkennen, welche die bürgerliche Erschlaffung im gesellschaftlichen Zui6 stand veranlaßt. Und wenn auch mein Zeitalter, durch Umstände verführt, der lezten allgemein das Wort redet, oder wenigstens über sie hinschlüpft, wie über glühendes Eisen, ich werde es nie thun. Sie ist gänzlicher Mangel des Glaubens an bürgerliche Tugend, gänzliche Gleichgültigkeit für das Wesen 20 des gesellschaftlichen Rechts. Wer durch sie entwürdigt ist, verachtet sich selber, und hasset den, der es nicht thut. Wenn vom Recht die Rede ist, so spricht er, wir haben ja zu essen und zu trinken, und schöne Häuser; wenn vom Volk die Rede ist, so fragt er: was ist das ? Das Menschengeschlecht, 25 meynt er, sei die Geldkiste, Freiheit, alles was einträgt, und alles was wohlthut, Sklaverei, alles was kostet und alles was wehthut. Mein Geschlecht verbindet in diesem Zustand die ekelhafteste Großsprecherei mit der tiefsten Niederträchtigkeit. Belastet so mit Fluch des bürgerlichen Jochs, ohne bürgerliche Kraft, entblößt von irgend einem stärkenden Gefühl einer befriedigenden Selbstständigkeit, tanzet er dann, den Ring an der Nase, um Brod, bückt sich, kniet und purzelt vor dem Mann, der ihn diesen Diensttanz mit Prügel in der Hand gelehrt hat. Der 85 Mensch trägt in diesem Zustand nicht einmal die Kraft und die Ruhe des stärkern Viehs in seiner Brust, das Herzklopfen des Schwächsten wird dann sein Theil. Von jedem Reiz gelokt, und von jeder Drohung geschrekt, meint er dann, alles, was er thut, sei Sünde, und thut doch alles, was er meynt das Sünde 40 sei. Er ist ohne Wohlwollen gegen sein eigen Geschlecht; wann
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von der Noth seiner Kinder die Rede ist, so sagt er, sorgen sie auch, ich habe auch müssen sorgen, und eben so wenig rührt ihn die Nachwelt, sein Geschlecht und sein Volk. Die Frage, ob der Mensch durch eine solche Erschlaffung nicht schlechter werden könne, als durch den Aufruhr, ist also, so Gott will, keine verfängliche Frage. Staatsrecht. Es ahndete mir jezt, alle Wonne des Lebens scheitere an den öffentlichen Einrichtungen des gesellschaftlichen Zustands, ich mußte mich fragen: was ist das Staatsrecht? aber unwillkürlich stand mir Göthes Lied vor der Seele: Edel sei der Mensch, Hülfreich und gut, Denn das allein Unterscheidet ihn Vor allen Wesen Die wir kennen. Heil den Unbekannten Höhern Wesen Die wir ahnden, Ihr Beispiel lehr uns Jene glauben. Denn unfühlend Ist die Natur. Es leuchtet die Sonne Ueber Böse und Gute; Und dem Verbrecher Glänzet wie dem Besten Der Mond und die Sterne. Wind und Sturm, Donner und Hagel Rauschen ihren Weg Vorübereilend Und ergreifend Einen um den andern. Auch das Glük Tappt unter die Menge, Faßt bald des Knaben Lokkige Unschuld, Bald auch des kahlen Alten schuldigen Scheitel.
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Meine Nachforschungen. Nach ewigen ehrnen Grossen Gesezzen Müssen wir alle Unseres Daseyns Kreise vollenden. Nur allein der Mensch Vermag das Unmögliche, Er unterscheidet, Wählet und richtet, Er kan dem Augenblik Dauer verleihen. Er allein darf Den Guten lohnen. Den Bösen strafen, Heilen und retten. Alles Irrende, Schweifende Nüzlich verbinden. Und wir verehren Die Unsterblichen Als wären sie Menschen, Thäten im Grossen, Was der Beste im Kleinen Thut oder möchte. Der edle Mensch Sei hülfreich und gut. Unverändert schaffe er Das nüzliche Rechte, Sei nur ein Beispiel Jenes geahndeten Wesen.
Warum steht dieses Bild meiner Natur vor meiner Seele, wenn ich mich frage, was ist das Staatsrecht ? Ist es, weil wir alle nach ewig ehernen, grossen Gesezzen unsers Daseyns Kreise Vollenden, also kein Recht, folglich auch kein Staatsrecht statt hat. Oder ist es, weil jedes Recht meines Geschlechts, 85 folglich auch das Staatsrecht, wesentlich dahin wirken soll, das, was den Menschen von allen Wesen, die wir kennen, unterscheidet, in ihm seiner möglichsten Entwiklung näher zu bringen. Unstreitig würde die Staatskunst, wenn sie sich die Entwiklung der menschlichen Kräfte als ihre Bestimmung ^o vorsezte, mehr leisten, als die Welt bis jezt von ihr empfangen zu haben scheint. Aber kan sie sich diesen Zweck vorsezzen, würde sie durch Anerkennung derselben in der Hand der Gewalt,
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in der sie immer seyn muß, dadurch das Menschengeschlecht nicht mehr verhunzen, als selbiges durch alle Noth und den unsäglichen Drang, zu welchen es ihre Fundament- und Rechtlosigkeit seit einem Jahrhundert hingeführt hat, wirklich verhunzt worden ist? 5 Aber ich wollte mit dieser Frage: was ist das Staatsrecht? eigentlich nicht so viel wissen; sie war eine blosse Folge der Ahndung: alle Wonne des Lebens scheitere an den öffentlichen Einrichtungen des gesellschaftlichen Zustands, und wollte in Verbindung mit den Gefühlen, welche die Gegenstände, die ich 10 bis jezt ins Auge faßte, in mir rege gemacht, eigentlich so viel sagen: Ist die Staatskunst gesellschaftlich rechtmässig, wenn der Mensch in und z i ihrem Dienst, durch sein Wissen und seine Kenntnisse zum Träumer, zum Schurken und zum Bettler gemacht wird ? Wenn das Eigenthum in seiner Hand, vorzüglich 15 durch ihre Einmischung in und zu ihrem Dienst zu Pandorens Büchse wird, aus der alle Uebel sich über die Erde verbreiten? Hat sie ein Recht gegen das allgemeine unwillkührliche Naturwollen des Volks, und gegen den Geist des gesellschaftlichen Vertrags, der auf diesem Naturwollen ruht ? Hat sie ein 20 Recht den gesellschaftlichen Zustand auf die List, die Gewalt und den Betrug der Macht zu gründen ? Ist sie gesellschaftlich rechtmässig wenn sie selber die Auswahl der Bürger durch die Verirrungen der Ehre bis dahin entmenschlichet, daß diese ihr eigen Geschlecht auf den Wink eines jeden todschlagen, der 25 so weit gekommen, über Glaskorallen, Brandtewein, Liqueurs, Edelsteine und Ordensbänder disponiren zu können? Darf sie meinem Geschlecht durch Unterwerfung den Ersaz seiner Naturansprüche entreissen, und für den herrschenden Stand diesen Ersaz in Genüsse verwandeln, die ihn zu aller Sinnlich- 30 keit und zu aller Gewaltthätigkeit des Naturlebens herabwürdigen müssen ? Darf sie die Unverdorbenheit meines Bluts, und das freie Spiel meiner Säfte in Hirn und Herz mir zu Grund richten, und wider meinen Willen und wider mein Recht mich dahin bringen, daß dieses Herz in mir nicht mehr wie in einem 35 Mann schlägt; daß dieses Hirn wie vom Schlage getroffen, in meinem ohnmächtigen Kopfe stokt, und mein Blut in Todesfarbe umwandle, meinen Geist in jeder Ader vergifte? Ist sie gesellschaftlich rechtmässig, wenn sie mein Geschlecht dahin erniedriget, dasselbe als ein blosses Mittel den Thiersinn der 40 Pestalozzi Werke X I I .
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Macht zu befriedigen und allmählig zu verfeinern, anzusehen? Ist sie gesellschaftlich rechtmässig, wenn sie mein Geschlecht durch Rechtlosigkeit und Ehrlosigkeit zum Gesindel macht? und zur Erhaltung der Staatsruhe die Leiber und Seelen der 5 Menschen dahin entnervt, daß sie zu allen Phantasien der willkührlichen Gewalt, und zu allem Unflat der Rechtlosigkeit passen? Hat sie ein Recht, das Ebenmaas der bürgerlichen Stände aufzuheben, welches bestehen muß, wenn die Menschen nicht in einem ewigen Krieg miteinander sich selber auffressen, 10 oder zu einer solchen bürgerlichen Erschlaffung versinken sollen, daß es denn selber einem Düc d'Alba keine Freude machen könnte, dasselbe noch ferner zu drükken ? Ist sie gesellschaftlich rechtmässig, wenn sie die Privatangelegenheiten ihrer Günst j linge, die Ausschweifungen der Staatsehre, die Staatshoffarth, i6 die Staatseitelkeit und die Staatsgemächlichkeit eine Richtung nehmen läßt, die, indem sie bei dem Personale der Menschen, die auf die Sitten des Landes den größten Einfluß haben, Anmassungen, Bedürfnisse und Gelüste erzeugt, die, da sie mit dem wirklichen Fundament des Staats kein Verhältniß haben, dahin 20 wirken müssen, der arbeitenden und erwerbenden Klasse der Bürger die Gewohnheiten, Sitten und Lebensart, und selber den bürgerlichen Spielraum zu rauben, der wesentlich ist, sie im Stand zu erhalten, die gesellschaftlichen Rechte und Vorzüge, die sie von ihren Vätern geerbt, ihren Kindern, nicht als 25 ein blosses Schattenwerk, sondern wirklich zu hinterlassen ? Ich gehe weiter. — Wohlwollen. Harmlose Behaglichkeit ist die Mutter meines bloß thierischen Wohlwollens, so Du findest dasselbe beim unmündigen Kind und beim behaglichen Wilden, wie beim Hirten, der seine Weiden nicht verzinset und mit seinen Nachbarn nicht market, du findest es allenthalben wo der Sinnengenuß des Menschen erquikkend und leicht ist. 36 Aber so wie es Anstrengung erfordert, so wie er durch Sorgen und Angst unterbrochen, so wie er mit Gefahr und Kränkung begleitet ist, so wie meine thierische Natur keine harmlose Befriedigung mehr findet, also mindert sich dieses Wohlwollen in derselben. So wie das Kind das Uebel empfindet, so wie es
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weint, so wie es leidet und mangelt, also mindert sich bei ihm diese thierische Quelle seines Wohlwollens, seine Harmlosigkeit. Also auch beim Wilden, so wie ihm Behaglichkeit mangelt, so wie seine Sonne nicht mild ist, so wie er sich des vergangenen Uebels erinnert, das zukünftige fürchtet, und vom gegenwär- s tigen leidet, also mindert sich sein Wohlwollen. Da wo seine Haut vom Frost erstarrt, und er beschneites Moos mit seinem magern Rennthier theilt, da wird er falsch und hart wie der Bauer, der den unbezahlten Pflug auf rohem Land treibt, und der mühselig lebende Bürger. Auch der Hirt, wenn 10 er hinter magerm Vieh auf dürren Haiden flucht, und jeden Zuber Milch hinter Schloß und Riegel verwahrt, ist ohne dieses Wohlwollen. E s verliert sich allenthalben da, wo der Sinnengenuß meiner Natur für mein Geschlecht mühsam ist und Anstrengung fordert: und dieses ist bald auf der ganzen weiten is Erde der Fall, nur selten göm.+ ein ewiger Frühling den flötenden Hirten einen immerwährenden Scherz mit seinen Heerden und mit seinem Geschlecht. Aber es ist für den gesellschaftlichen Menschen wirklich gut, daß es so ist, das Menschengeschlecht bildet sich durch so eben die Hemmungen, durch welche seih thierisches Wohlwollen verlohren geht, und es ist für diese Ausbildung wesentlich wichtig, daß der Boden, den er baut, Geld kostet. E r soll sich freuen wenn er für Weib und Kind Milch bekommt von der Kuh, die nicht sein ist, und Brod von dem Acker, den er 25 für einen fremden Mann bauet. Demnach ist behagliche Wonne das allgemeine Ziel meines thierischen und meines gesellschaftlichen Daseyns auf Erden. Alle Kunst des Eigenthums ist nichts anders, als das Streben meines Geschlechts, die Behaglichkeit der ganzen Erde auf den 30 Flek zusammen zu bringen, auf dem ein jeder lebt. Alle Kunst des Staats ist nichts anders, als das Streben meines Geschlechts, die Behaglichkeit auf den Fleck zusammen zu bringen, auf welchem die Menschen leben, für die er sorgt. Der Mensch sezt, so wie ihm dies gelingt, sich selbst in eben ss die Lage, in welcher der harmlose Südländer die Gutmüthigkeit mit sich ins Grab trägt, die die belasteten Völker nur mit sich auf die Welt bringen, und der Staat thut, in soweit er seine Bürger in eine harmlose Lage sezt, in Rücksicht auf diejenigen, die er also sezt, die nämliche Sache. Das Wohlwollen d e r « 3*
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Paläste ist daher im allgemeinen nichts anders, als die Wirkung einer solchen Südseeluft und einer solchen Südseefülle. Zürnet nicht gute Töchter von Menschen, deren Amtleute hart sind, wenn ich die Liebe zu eurem Papagey und zu eurer 5 Tante für nichts anders erkläre. Wenn ihr mitten in Genüssen, die auf dem Unrecht vollendeter Staatsverhärtung ruhen, wie die schuldlosen Südländerinnen, empfindet, so ist euer Wohlwollen nichts anders, als der Selbstbetrug der thierischen Neigung zur harmlosen Behaglichkeit, die auch den rohesten Mann 10 dahin bringt, daß es ihm lieb ist, wenn ohne seinen Abbruch andere Leute essen, trinken und schlafen können. Diese Neigung zur Behaglichkeit ist die allgemeine Triebfeder unsers thierischen Daseyns. Du dankest ihr deine Betriebsamkeit, aber wenn du aus Unbetriebsamkeit verfaulest, so 15 geschiehet es aus gleicher Neigung. Um ihretwillen bist du barmherzig, aber auch um ihretwillen zerfleischest du unser Geschlecht. Um ihretwillen frohnest du der Meinung des Volks, aber auch um ihretwillen höhnest du das Urtheil deines Geschlechts. Um ihretwillen bauest du der Ehre Altäre, und um 20 ihretwillen gründest du den Siz der Thronen auf die Ehrlosigkeit des Menschengeschlechts. Um ihretwillen erscheinst du unter deinem Geschlecht gern als gepriesene Mutter der Gnaden ; aber auch um ihretwillen zertritst du das Recht deines Geschlechts. Sie ist es, die zum Heldensinn der Freiheit erhebt, 25 aber sie ist es auch, was dich jedes Joch der Knechtschaft zu ertragen gewöhnt. Liebe. Wenn der Mensch in aller Gedankenlosigkeit seiner sinnlichen Natur sein Daseyn an der Sonne verträumt, und in allem 30 Nebel seines Thiersinns, mit seinem schweifenden irrenden Wissen weit von sich weg fliegt, die Noth der Seinen bricht ihm doch das Herz, er wirft die Afterkrone seines Wissens zu ihren Füssen, und liegt seiner Wirthschaft ob, ihr Leben zu retten. Wenn vom ewigen Reiben des Eigenthums seine Hand hart 35 wird wie der Fus des schwerfälligsten Thiers; das Sinnengefühl seiner thierischen Theilnehmung erhält ihm dennoch sein Herz noch weich. Der Mann der an seinem Pult für die Ordnung eines Kreuzers unerbittlich igt, giebt dem Elenden unter seiner Thüre ungezähltes Geld.
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Wenn du im Besiz der Macht mit unermeßlichem Thiersinn, den Nakken der Völker unter deinem Fus fühlst, dieser Sinnerigenuß hält dich zurück, daß du mit deiner Ferse weniger hart auftrittst, auf den Nakken der liegenden Völker. Und wenn dir der Athem fast stille steht, vor dem Gefühle der Ehre, und b du das Blut und den Hohn der Unschuld nicht achtest, damit ein Weichling dir lächle, und tausend Narren deinen Namen nennen, dieses Sinnengefühl bringt dich zu dir selber; daß das Lächeln des Schwächlings dir den Mord der Unschuld und den Hohn des Elends weniger vergütet, und die tausende die deinen 10 Namen kennen, dir nicht mehr werth sind, um ihretwillen mit dir selber im Streit, und ein Schurke zu seyn vor deinem eigenen innern Richter. Das thut die Liebt in der Hülle des thierischen Wohlwollens, aus dem sie entkeimt. Noch ist sie nicht Liebe! — sie ist es is nur wenn sie sich zum Göttersinn einer zuverlässigen Treue zu erheben vermag. Aber wo findest du diesen Göttersinn der zuverlässigen Treue? — Ich habe sie auf Erden gesucht und nirgend anders gefunden als gepfropft auf Gehorsam und Furcht. Zeitalter! ich danke es dir nicht, auch ich warf in deinen Fluthen, 20 Zwang und Furcht als ein lästiges Gewand weg, wie deine Jünglinge alle. Die Nachwelt wird sie wieder suchen, die heilige Furcht und den frommen Gehorsam, auf dem so menschliche Früchte gedeihen. Sie weilen nicht ewig auf dem Stamm dem sie entkeimten. 2» Wenn dem Menschen, auf Weisheit gegründete Furcht und auf Liebe ruhender Gehorsam, zur zweiten Natur geworden, so finden die gereiften Früchte an dem Stamm dem sie entkeimet, keine Nahrung mehr, und das grosse Werk das der Mensch in sich selbst erschaft, seine zuverlässige Treue wird dann frei. 30 So allgemein das thierische Wohlwollen, so selten ist die Liebe. Wo du sie suchst da findest du Untreue, und wo du einen Menschen treu glaubst, da findest du ihn kraftlos. Aber der Trug des Wohlwollens, und die Lügen seiner Schwächen sind noch verachtenswürdiger als die Kraft des 35 lieblosen Mannes. Die Armseligkeit des thierischen Wohlwollens untergräbt alle Fundamente des gesellschaftlichen Lebens, seine Schwäche ist gedankenlos und fahrläsig, jeder Erwerb entschlüpft der ohnmächtigen Hand, die es mit der ganzen Welt wohl meint. Un-10
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dank überlebt den armseligen Mann, dieser hat von jeher das gedankenlose Wohlwollen mit Verachtung bezahlt; auch endet der Mensch diese Laufbahn so oft damit, daß er entweder ein Narr wird, oder ein Menschenfeind. 5 Selber die Macht geht durch den Trug dieses Wohlwollens zu Grund, sie kann nicht anders, ihr Wesen ruhet auf kraftvoller Erhaltung ihrer thierischen Stellung. Auf die Liebe macht sie zwar selten Anspruch, aber ihre Neigung zur Behaglichkeit reizt sie zuweilen, nach dem Sinnengenuß des harmlosen 10 Wohlwollens zu gelüsten, dann verdirbt sie sich selber; eben so die Ehre. Schande ist die ewige Gefährtin aller blos thierischen Harmlosigkeit. Religion. Das kühnste Wagstück deiner Natur, o unbegreiflicher 15 Mensch, die Erhebung deines Ahndungsvermögens über die Grenzen alles hier möglichen Forschens und Wissens — auch dieses ist in seinem Ursprung ein Kind deiner thierischen Neigung zur Behaglichkeit. Kronen und Scepter, den Göttern gleich werden, sizzen auf 20 Thronen, weder hungern noch dürsten, weder Frost noch Hizze dulden, mit erwünschten Leuten schmausen, alle diese Bilder zeigen, daß sie aus dem Hirn deiner nach Harmlosigkeit schmachtenden Natur entsprungen sind. Aber sei mir auch in aller Schwäche deines Ursprungs, sei 25 mir auch im Lallen deiner kindlichen Selbstsucht ehrwürdig, göttliche, weit angebetete Mutter meines Geschlechts. Wenn ich dich in der Hülle deines Entstehens für thierisch erkläre, so sezze ich das Ziel deiner Vollendung gar nicht in die Grenzen der Hülle deines Entstehens. 30 Ich achte das Innere deines Wesens für göttlich, wie das innere Wesen meiner Natur; aber wie dieses in meinem thierischen Leib ruhet, und aus dem Moder seines Todes entkeimt, so entkeimst und wallest auch du in meinem thierischen Leib, und in dem Moder seines Todes. 35 Wenn der Mensch einen Baum oder eine Blume pflanzet, so gräbt er die Erde um, er legt Mist an die Wurzeln und dekt sie wieder mit Erde. Was thut er mit allem diesem für das innere Wesen des Baums und der Blume? Der Stoff durch den sich jeder Keim entwikkelt ist in der
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ganzen Natur unendlich geringer an Werth, als der Keim selber. Darum seyd meine Richter ihr freundlich Guten, die ihr in der Weihe des himmlischen Funkens göttlicher lebet als unser Geschlecht. Seid meine Richter, verdunkle ich damit der Sonne s Licht, wenn ich sage, alle Wärme der Erde entkeimt aus dem Boden dieser Erde; oder wenn ich sage, der Säugling müsse nach thierischen Gesezzen entwöhnt werden, behaupte ich damit, es gebe gar kein sittliches Gesez in meiner Natur? Nenne es Abtödtung, nenne es Wiedergeburt dieses kühne 10 Wagstück deiner Natur, diesen salto mortale auser dich selbst, in sofern du nur sinnliche Natur bist. Es ist die höchste Anstrengung deines ganzen Wesens, den Geist herrschen zu machen über das Fleisch, eine in meiner Natur lebende bessere Kraft, die selbst mein thierisches Wesen 15 entflammt, gegen mich selbst, und meine Hand aufhebt, zu einem unbegreiflichen Kampf. Der Mensch findet in seiner Natur keine Beruhigung, bis er das Recht seiner thierischen Sinnlichkeit in sich selbst verdammt hat, gegen sich selbst, und gegen sein ganzes Geschlecht. 20 Aber er scheint die Kraft nicht zu besizzen, diesem Bedürfniß seines Wesens ein Gnüge zu leisten. Die ganze Macht seiner ganzen thierischen Natur sträubt sich gegen diesen ihr so schrecklichen Schritt. Aber er sezt die Kraft seines Willens der Macht seiner Natur entgegen. 25 Er will einen Gott fürchten, damit er Recht thun könne; er will einen Gott fürchten, damit der Thiersinn seiner Natur, den er an sich selber verachtet, ihn nicht länger in seinem Innersten entwürdige. Er fühlt was er in dieser Rücksicht kan, und macht sich nun das, was er kan, zum Gesez dessen, was er 30 soll. Diesem Gesez, das er sich selber giebt, unterworfen, unterscheidet er sich vor allen Wesen die wir kennen. Ihm allein mangelt die Schuldlosigkeit des Instinkts, durch dessen Genuß das Vieh beruhiget, auf dem Punkt bleibt, den dieser ihm anweist. 35 Er allein vermag es nicht, auf diesem Punkt stehen zu bleiben, er muß sich entweder über denselben erheben, oder unter denselben versinken. Er hat eine Kraft, getrennt vom Instinkt, Ueberlegung und Gedanken in sich selbst wollen zu lassen, auch gegen den Instinkt. «
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E r hat eine Kraft, in sich selbst den Gedanken herrschen zu lassen über den Instinkt. Er kann aber im Gebrauch dieser Kraft von dem gedoppelten Gesichtspunkt, entweder dessen, was er soll, oder dessen, was er gelüstet, ausgehen. 5 Wenn er im Gebrauch derselben von dem lezten ausgeht, so führt sie ihn dahin, ohne alle Aufmerksamkeit auf den Trug und das Unrecht seiner thierischen Natur zu handeln, sie führt ihn auf die Höhe des Tempels, zeigt ihm alle Reiche der Welt, und lispelt ihm zu, das alles ist dein, wenn du nur willst. 10 Dann lebt der Mensch im Glauben an das Wort seiner thierischen Selbstsucht, unter seinem Geschlecht ein Verderber. Sein Auge glühet gegen den Mann der seyn will was E r ist, auf seiner Lippe ist Hohn gegen die Wahrheit, und gegen das Recht seines Geschlechts, er liebt die Trägheit, die. Gewalt" 15 thätigkeit, die Galeeren, die Monopole, die Chikane, den Eigensinn, und die gesellschaftliche Kraft des Eigensinns, die willkührliche Gewalt. — Wenn er aber im Gebrauch dieser Kraft von dem ausgeht, was er soll, so führt sie ihn zu einer Gemüthsstimmung in der der Trug und das Unrecht, die Trägheit, die so Gewaltthätigkeit, die Galeeren, die Chikane, die Monopole, der Eigensinn und die willkührliche Gewalt von ihm verachtet werden, in der er tief fühlend, mit der ganzen Fülle seines Wesens strebend nach dem Besten, Edelsten, das er zu erkennen vermag, nur innere Vollkommenheit sucht und nichts anders. 25 Und es ist in der Weihe dieses Strebens, daß er seine Traumkraft über die Grenzen der sinnlichen Wahrnehmung erhebe, damit er finde das Bild eines Gottes, das ihm Kraft gebe, gegen den Thiersinn seiner Natur. Sollte der Mensch dieses nicht thun, sollte er die Handbietung seiner sinnlichen Natur, sollte er sein so Ahndungsvermögen, über die Grenzen alles hier möglichen Wissens, nicht benuzzen ? Sollte er der Wahrheit um der Wahrheit, und dem Recht um des Rechts willen getreu seyn ? Fordre das nicht von ihm, bis ers kan, und denke nicht daß ers könne, so lange er ein Thier ist, und eben so wenig, daß er anders als 35 thierisch dahin gebracht werden könne, ein Mensch seyn zu wollen. Störe also das Werk deiner Natur, die thierische Einlenkung in das Gebiet der Sittlichkeit nicht durch die Anmassungen deines Thiersinns selber. Hätte der Mersch die sinnliche thie40 rische Ahndimg einer Hoffnung über das Grab nicht, so wäre
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Recht und Wahrheit von der Erde verbannt, es würde sichs dem thierischen Menschen um der Seifenblase einer nichtigen Meinung willen nicht lohnen, sich aus Wahrheit und Recht, wie er solche in diesem Zustand zu erkennen vermöchte, vieles zu machen. 5 Also sei mir heilig, kühnstes Wagestück meiner Natur, Erhebung meiner Traumkraft über ihre thierischen Grenzen, du erhältst die Schaamröthe im Leib meines Todes, du erzeugest die Thränen des reuenden Sünders, des kämpfenden Beters mächtige Kraft; des hohen Dulders sich opfernden Sinn, der 10 Demuth nie ermüdete Weisheit, und der Selbstverläugnung menschenändernde Tugend. Holde Mutter meines Geschlechts, wenn der Schwindelgeist meiner Natur sich in seinem Wissen und Nichtwissen blähet, ich knie vor deinem Altar und der Dunst meines Kopfs weichet 15 vor meiner Ahndung, wenn die bleierne Last meines nichtigen Daseyns mich Himmel und Erde und mich selber vergessen macht; ich knie vor deinem Altar und vergesse Himmel und Erde und mich selber nicht mehr. Wenn das Joch des Eigenthums meinen Nakken beugt, und ich im Wühlen seines Koths 20 gegen die Wahrheit kalt, und gegen das Recht hart werde, wenn auch die Liebe durch mein Lechzen nach eigner Behaglichkeit dahingeht, und mir iezt sogar auch die armselige Kraft des thierischen Wohlwollens in meinem Innersten mangelt, wenn nun mein Auge zum Schuz meiner Höhle glühet, wie das 25 Auge des Tigers; wenn im Sinnengenuß der Eitelkeit mir der Athem fast still steht vor dem tiefen Gefühl der Ehre, und ich im Besiz der Macht die Menschen, die mich umschwärmen, wie das Licht trauliche Mükken, verbrenne. Kurz wenn ich in den Verirrungen des Wissens, der Macht, der Ehre und selber der 30 Liebe, auch den lezten Funken der Menschlichkeit in meinem Innersten verloren, wenn Nacht und Tod mich umgibt, und selber das Leben keinen Werth für mich hat, weil ich seiner nicht werth bin; was ist Wahrheit und was ist Recht für mich in diesem Zustand? 35 Es sind Worte, die noch im Trugsinn meines Thiersinns glänzen, wie die Sterne am Himmel. Aber sie leiten weder mein Gehen noch mein Stehen, weder mein Liegen noch mein Aufstehen. Ohne der Gottesfurcht sinnliche Handbietung ist Wahrheit und Recht meinem Geschlecht nur Täuschung und Schein. 40
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Meine Nachforschungen.
Entwürdige ich damit das Heiligthum meiner Natur? Ich meine nein! Wie bei der Treue und dem frommen Gehorsam die Früchte der Gottesfurcht nicht mehr an dem Stamm dem sie entkeimen angeheftet bleiben; Engel tragen sie dann in hei5 ligen Händen. Alles Aeusere der Religion ist innigst mit meiner thierischen Natur verwoben. Ihr Wesen allein ist göttlich. Ihr Aeuseres ist nur gottesdienstlich. 10 Ihr Wesen aber ist nichts anders, als das innere Urtheil meiner selbst von der Wahrheit und dem Wesen meiner selbst. Es ist nichts anders als der göttliche Funken meiner Natur und meiner Kraft, mich selbst in mir selbst zu richten, zu verdammen und loszusprechen. 15 Das Aeusere der Religion ist j ede in die Sinne fallende Wartung und Pflege dieses Funkens. Die Wahrheit der Religion ist die Uebereinstimmung dieser Wartung mit ihrem Wesen. Offenbarung; iede Führung zu irgend einer Wartung dieses 20 Funkens, die sich meiner Vorstellungskraft, als von höhern Wesen herrührend, dargethan hat. Glaube, eine auf reiner Neigung zu innerer Vervollkommung ruhende Vorliebe für die Wahrheit von Geschichten, Meinungen und Lebensregeln, die sich meiner Vorstellungskraft als von 26. yhern Wesen herrührend dargethan haben. Andacht; iede an solche Geschichten, Meinungen, Lebensregeln angekettete Erhebung meiner Seele, die zum Zweck hat, den Reiz meiner thierischen Sinnlichkeit, durch die Kraft dieser Vorstellungen zu schwächen, so Alle äusere Folgen der Erhebung meiner Traumkraft über ihre thierischen Grenzen, Gebet, Andacht, Glauben u. s. w. sind an sich nicht göttlich, sonder nur gottesdienstlich, und vermöge ihres Ursprungs mit sinnlichen Vorstellungen und thierischen Begierden innigst verwoben, also in ihrem Wesen allgemeine 35 Nahrung meines thierischen Sinns, und aller Verirrungen, zu welchen dieser Sinn uns alle hinführt. Deswegen auch die Erfahrungen aller Zeiten und aller Welttheile laut sagen, die Religionen geben dem Menschengeschlecht allgemein die verschobene Richtung, daß ihre Wirkungen, wie die Wirkungen 40 des Eigenthums, der Macht und der Ehre, in den Jahrbüchern
Meine Nachforschungen.
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d e r W e l t , f a s t i m m e r n u r als s c h a u d e r n d e D e n k m ä l e r u n s e r s k a l t e n , selbstsüchtigen, u n d b l u t d ü r s t i g e n Thiersinns, u n d aller List, alles B e t r u g s , u n d aller W i n d b e u t e l e i derselben z u m Vorschein k o m m e n . E s ist n i c h t s a n d e r s möglich, wo i m m e r dein Geist, ehe er s v o m i n n e r n W e s e n d e r Religion geheiligt ist, a n irgend einem B i l d deiner T r a u m k r a f t verweilet, d a findest d u i m Bild deines G ö t t e s , d a s Bild d e i n e r selbst. B i s t d u d a n n d u m m , dein G o t t l o h n t die D u m m h e i t m i t d e m ewigen L e b e n , u n d d e n M e n s c h e n v e r s t a n d m i t d e r ewigen Ver-10 dammnis. B i s t d u ein T y r a n n , dein G o t t k e n n t keine T u g e n d als U n t e r t h ä n i g k e i t , u n d seinö E n g e l b ü k k e n sich v o r seinem T h r o n , wie deine S k l a v e n v o r dir. B i s t d u gefrässig, d u legest die F e t t e der Stiere auf d e n 15 A l t a r deines G o t t e s , u n d deine K n e c h t e m a c h e n d a s R e c h t deines B r a t e n s z u r t t t des Menschengeschlechts. Verschobener M e n s c h e n v e r s t a n d m a c h t sich d a n n z u m L e h r e r des Volks: E s ist diesem d a n n n i c h t genug, d a ß m a n blos u n w i s s e n d sei: 20 Blosse Unwissenheit l ä ß t d e m Menschensinn n o c h Spielraum. E s e r f o r d e r t d a n n Hörsäle, A k a d e m i e n , E d i k t e , S e m i n a r e u n d militärische Gewalt, d e n v e r w o r f e n e n M e n s c h e n v e r s t a n d gehörig, sicher u n d allgemein zu verschieben. Die Guillotine des W a h n s w i r d d a n n n o t h w e n d i g , Menschen- 25 fresser b r a t e n dir d a n n dein Herz, u n d scalpiren dir deinen i n n e r n Schädel. B e k l a g e dich n i c h t , o h n e d a s k ö n n t e die M a c h t die W e l t n i c h t m i t d e n P r i e s t e r n theilen, u n d dein K ö n i g k ö n n t e n i c h t a n einen G o t t g l a u b e n , der die W a h r h e i t so schwachköpfig f ü r c h t e t , u n d 30 d a s R e c h t so s t a r r k ö p f i g h a s s e t wie er. O h n e d a s w ü r d e die Menschheit ihr gröstes V e r d e r b e n n i c h t auf d e n T h r o n e n v e r g ö t t e r n , u n d d e n v e r g ö t t e r t e n E l e n d e n n o c h edler u n d reiner finden als seinen o b e r s t e n Priester, dessen Vestalin d e m S c h ö n s t e n aller Schönen a n einem schmuzigen 35 K r e u z liebäugelt, u n d dessen Mönche die e r s t e n G r u n d s ä z z e d e s gesellschaftlichen R e c h t s f ü r V e r b r e c h e n der beleidigten M a j e s t ä t erklären.
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Meine Nachforschungen.
Bild des Menschen w i e es
sich
meiner
Individualität
vor Augen
stellt.
Ich sehe den Menschen in seiner Höhle, er wandelt in derselben als ein R a u b ieder N a t u r k r a f t dahin, das stärkere Thier 5 zerreißt ihn, das schwächere vergiftet ihn; die Sonne trocknet seine Quelle auf, der Regen füllet seine Höhle m i t S c h l a m m ; Flüsse durchfressen den D a m m seiner Wohnung, und er findet in sandigen E b e n e n sein G r a b ; die G l u t h der W i n d e w e h e t ihn blind; das G i f t der Sümpfe r a u b t ihm seinen A t h e m , u n d wenn 10 er drei T a g e keinen Fisch und keine R a t t e findet, so stirbt er. Dennoch erhält er unter allen Himmelsstrichen sein D a s e y n , und siegt allenthalben über alle Uebel der Erde. Sein Leichtsinn ist unaussprechlich, wo ihm N i c h t s mangelt, d a schläft er, wo er nichts fürchtet, da sonnet er sich, w o er 15 sich nicht sonnet, da geht er auf R a u b aus. Allenthalben trieft er v o n dem B l u t seines Geschlechts, er schüzt seine Höhle wie ein T y g e r , und tödtet sein eigen G e schlecht, er spricht die Gränzen der E r d e als sein an, er t h u t unter der Sonne w a s er will. 20 E r kennt kein R e c h t , er kennt keinen Herrn; sein Wille ist sein einziges Gesez, und v o n der Sünde i r a g t er, w a s ist sie ? A b e r wie sehr sie ihn auch reizt, die bluttriefende Freiheit der Erde, er kann sie nicht tragen, er erschlaft unter d e m sonnigten P a l m b a u m : w o er Ueberfluß findet, da tödtet ihn eine 25 Mükke, wo er Mangel leidet, da tödtet ihn selber sein I n g r i m m . In allen L a g e n sehnet er sich nach einem bessern als nach dem R e c h t seiner Keule.
Recht,
In allen L a g e n wird er müde des Kriegs mit seinem G e s c h l e c h t ; in allen L a g e n sehnet er sich nach der Vereinigung m i t den 30 Menschen die er mordet. A b e r trozzend und furchtsam w a g t er unter dem eisernen Norden Jahrtausende den Schritt nicht, gefroren wie seine E r d e ist ihm sein Herz in seinem Busen erstarrt, ehe er ein Mensch ist, und unter der glühenden Sonne verzehrt sich sein 35 Hirn, in der W u t h ob dem Unrecht und ob dem E l e n d wieder, ehe er ein Mensch ist. A u c h unter dem mildesten Himmel fürchtet er sein eigen Geschlecht, fliehet vor dem Mann, der jenseits des Gebürgslebt, und tödtet den Fremden vor dessen V o l k er sich fürchtet.
Meine Nachforschungen.
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Dennoch bietet er seinem Geschlecht unter einem solchen Himmel früher die Hände. In der Harmonie der höchsten thierischen Befriedigung ist grössere Ruhe in seinem Geist, als wo die Natur ihn erschöpft, und leicht preiß giebt. 5 Schüchtern, aber nicht wild, geht er unter einem milden Himmel aus seiner Höhle, ein Stein ist ihm zu schwer, ein Ast ist ihm zu hoch, er fühlt: wenn noch ein Mensch bei mir wäre, ich höbe den Stein, ich pflückte den Ast; iezt sieht er einen Mann neben dem Stein, unter dem Ast; es drängt ihn ein Gefühl 10 wie der Hunger und der mächtige Durst; er muß zu dem Mann neben dem Stein und unter dem Ast; iezt steht er neben dem Mann, in seinem Auge strahlt ein Blick, der noch nie darin strahlte, es ist der Gedanke, wir können uns dienen; im Auge des Nachbars strahlt der nämliche Blick; ihre Busen wallen, 15 sie fühlen, was sie noch nie fühlten; ihre Hände schlingen sich in einander, sie heben den Stein, sie pflükken den Ast; iezt lachen sie ein Lachen das sie noch nie lachten; sie fühlen was sie vereinigt vermögen. Sie geniessen ihre Erkenntniß, ihre Kraft wächst mit ihrer 20 Erkenntniß, ihr Genuß mit ihrer Kraft, die Zeichen ihrer Vereinigung vermehren sich, der Laut ihres Mundes wird Sprache. Sie reden. Jezt ist es geschehen, wie das Meer am Felsengestade, also findet die bluttriefende Freiheit meines Geschlechts am Wort 25 des Menschen ihr Ziel. Denn öde war sie und wüste, ehe der Hauch seines Mundes, ehe das Wort des Menschen über die Erde schwebte. Aber mit dem Hauch seines Mundes baut der Mensch seinen Welttheil, und mit seinem Wort bauet er sich selber. 30 Er ist stumm, er ist ein Vieh. Er redet, er ist ein Mensch geworden. Unkunde und Mißtrauen, Mangel und Furcht verlieren iezt ihre entsezliche Allmacht, und ihr grimmiges Allrecht. Der Mensch erkennt iezt in seinem Wort den Grund seines 35 Rechts und den Grund seiner Pflicht. Er hat iezt der bluttriefenden Freiheit seiner Natur entsagt, gegen sich selbst, und gegen sein ganzes Geschlecht. Er ist durch sein Wort Mensch geworden, dem Gesez unterworfen, das in ihm selbst liegt, und das er sich selber gegeben. 40
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Meine Nachforschungen.
Darum macht er auch alles aus seinem Wort, er will daß es ewiglich lebe, er gräbt es in steinerne Tafeln, er gießt es in ewiges Erz, und Barden preisen in hohen Gesängen das Recht, das er sich selber gegeben, und das sein Recht ist und keines 6 andern. Aber wie? die Freiheit meiner Natur war also bluttriefend, ehe sie ein Recht kannte, ich war ein Vieh, ehe ich redete ? Unkunde und Mißtrauen giengen auf dieser Erde der Liebe, dem Zutrauen, der Erkenntniß vor, wie Dorn und Distel der ange10 bauten und gedüngten Feldfrucht, und ein grimmiges Thierrecht befleckte die Erde, ehe Menschentreue und Menschenrecht sie wieder mit ihren Opfern versöhnte? Also ist es nicht wahr, daß der Urmensch friedlich lebte auf Erden, es ist nicht wahr, daß er die Erde ohne Gewalt ohne i5 Unrecht, und ohne Blut vertheilt hat; es ist nicht wahr, daß der Ursprung des Meins und des Deins in meinem Gefühle der Billigkeit und des Rechts zu suchen ist. Es ist im Gegentheil wahr, das Menschengeschlecht theilte die Erde, ehe es sich auf ihr vereinigte, der Mensch riß an sich, 20 ehe er etwas hatte, er frevelte, ehe er arbeitete, er richtete zu Grunde ehe er etwas hervorbrachte, er unterdrückte, ehe er versorgte, er mordete, ehe er antwortete, der Hauch seines Mundes athmete Wortbruch, ehe der Laut eines Worts auf seiner Zunge gebildet, ein Recht verlangte. 25 Ich war thierisch verdorben, ehe ich menschlich gebildet wurde, die Zeit meiner thierischen Unschuld gieng wie ein Augenblick vorüber, mein thierisches Verderben war plözlich da, und dauerte lange, und ich schmiegte mich nur durch das Elend seiner Folgen gebeugt, ins Joch des bildenden gesellschaft30 liehen Lebens. Aber es ist geschehen, aller Koth der Erde hat nun seinen Herrn, rühre ihn nicht an, wenn er nicht dein ist; der Vogel in der Luft und der Fisch im Wasser hat seinen Meister; wenn du schon dürstet, wälze den Stein nicht von der Quelle die nicht 35 dein ist; wenn du schon hungerst, reiß keine Frucht von dem Baum; brich keine Aehre ab vom Halme; erlege das Wild nicht das dir aufstößt. Sie werden dich hängen — schaudere nicht, du hast dich selber dem Gesez unterworfen; und die Erde wäre wüste geblie40 ben, ein Wohnsiz der Thiere; und dein Geschlecht das unbe-
Meine Nachforschungen.
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hülflichste in der ganzen Wildniß, wann du es nicht gethan hättest. Aber du hast es gethan, nun wird deine Höhle ein Haus; dein Haus trennt dich von der Erde, bindet dich an das Deinige, und das Deinige vereiniget dich wieder mit deinem ganzen 5 Geschlecht. Du bist iezt Eigenthümer; du dehnest deine Sorge aus über Geliebte und Mitarbeiter; du sorgest über dein Grab hinaus, dein Sohn ist dein Erbe, dein Bruder schüzt deine Wittwe, und dein Freund erzieht dein unmündiges Kind. Was hast du verlohren ? xo Du findest auf Millionen Wegen Mittel, durch Anstrengung, Ordnung und Kenntnisse mit der Würde des Rechts, das du dir selber gegeben, menschlich zu benuzzen, was du thierisch ungenuzt liessest. Auf unübersehbaren Haiden wachsen im freien Gemisch is namenlose Pflanzen; du tödtest sie alle, und bauest auf den unabsehbaren Haiden ein nüzliches Körn. Du schlägst die Krone der Berge, und bauest auf ihren Hügeln einen einzigen Strauch. Du thürmest dein Geschlecht aufeinander wie Wind und 20 Wellen nichtigen Sand. Völker wohnen aufeinander wie Heeringe in einer Bucht und Ameisen auf einem handbreiten Haufen. Du schliessest Nationen mit einem Riegel ein. Am Morgen öfnet sich ein Thor, und eine Welt durchwallet die Erde, du sprichst zu dem Abgrund, reiß du den Sand, der Jahrtausende dein 2s Eigenthum war, nicht ferner vom Ufer. Du pflanzest das Wasserrohr in dürren Haiden und die Sonnenröthe des Grapps in der Tiefe der Sümpfe; Du missest die Kreise der Sterne, und irrst in dem Schatten der Welten in tausend Jahren um keine Stunde. ao Einer bauet eine Strekke des Landes auf der hunderte wohnen könnten, ein anderer nährt sich auf einem Raum der kaum etwas grösser ist als seine Grabstätte. Ein Mann redet ein Wort, und die Erzeugnisse der Welttheile wechseln sich wie die Erzeugnisse nachbarlicher Gärten. 35 Ein Handzug mangelt, und tausende zittern für ihr Leben, das Brod der Menge hängt an diesem Handzug. Der Mensch ist ein hohes Wunder im chaotischen Dunkel der unerforschten Natur. In einem ewigen Wechsel tödtet er sein Glück durch den 40
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Meine Nachforschungen.
A n s p r u c h a n sein R e c h t , u n d sein R e c h t d u r c h den A n s p r u c h a n sein Glück. So g e h t e r elend u n d r e c h t l o s dahin, u n d t r ä g t die Schuld seiner E r s c h ö p f u n g in sich selber. A u f d e r R i c h t s t ä t t e b l u t e t ein W e i b edler u n d grösser als d a s Geschlecht u n t e r d e m 6 sie lebte. I n der V e r b a n n u n g fühlt sich ein B e t t l e r h ö h e r als sein K ö n i g , der i h m s a g t e : weich du! u n d ihn n i c h t h ö r t e . E i n e n t w ü r d i g t e r M a n n n ä h r e t M e n s c h e n v e r a c h t u n g in seinem B u s e n , t r o z z e t d e m I r r t h u m , u n d reizt den V e r l ä u m d e r , d a ß er n o c h m e h r a u f ihn s c h m ä h e . 10 D e r H o h n seines Stolzes e n t w ü r d i g t ihn selber, u n d m a c h t des V e r l ä u m d e r s L ü g e n in seinem I n n e r s t e n z u r W a h r h e i t . Indessen w e i n t die jungfräuliche R o t h e eines b e t e n d e n W e i b s ü b e r ein k r ä n k e n d e s W o r t , d a s ihren L i p p e n e n t s c h l ü p f t , sie s c h l ä g t ihre A u g e n nieder v o r d e m M a n n , den w e d e r die 15 W o h n s t u b e n n o c h d a s B l u t a n sie b i n d e t . E i n a n g e b e t e t e s W e i b dienet in dunkler Vergessenheit einem verworfenen Mann, u n d die B o s h e i t d e s E l e n d e n v e r m a g n i c h t die R u h e i h r e r L i p p e n zu w a n d e l n — W a s ist d a s ? — Völker verzeihen einem Mann d e r die Gefühle d e r Mensch20 lichkeit in d e n E i n w o h n e r n des L a n d e s auslöscht, wie sie in i h m ausgelöscht sind, sie verzeihen einem Mann d e r ihre Söhne d e m T o d w e i h e t , u n d ihre T ö c h t e r d e r E n t e h r u n g , einem M a n n , d e r die R e c h t e i h r e r S t ä d t e u n d ihrer Dörfer der B ü b e r e i preis g a b ; einem M a n n , d e r d a s V a t e r l a n d zu einer W ü s t e , ihre 25 H ä u s e r zu B r a n d s t ä t t e n , u n d ihre G ä r t e n zu E i n ö d e n g e m a c h t hat. H i e r folgen N a t i o n e n wie g e h ö r n t e Stiere einem K i n d e , d a s sie a n einem Zwirnsfaden f ü h r t , u n d versprüzzen ihr B l u t für ieden E i n f a l l des u n m ü n d i g e n K i n d s oder seiner A m m e . 30 H i e r erstikken Völker in d e r windigen L e e r h e i t der M a c h t wie Mükken i m luftleeren R a u m , d o r t erstikken sie im Ueberfluß ihrer eigenen K r a f t , wie B i e n e n i m überfliessenden Honig. E i n Mann wird ein N a r r u n d r e d e t U n s i n n wie ihn die E r d e n o c h nie g e h ö r t h a t , Völker fallen v o r i h m auf die K n i e , b a u e n i h m 35 A l t ä r e u n d w e r d e n f r o m m , g e h o r s a m , a r b e i t s a m und m e n s c h lich bei d e r A n b e t u n g eines K a l b s o d e r des Teufels. L e g i o n e n B u b e n l a u r e n in den W o h n u n g e n d e r Gerechtigkeit wie hung r i g e K a z z e n v o r d e n L ö c h e r n d e r Mäuse, u n d m e i n Geschlecht wird in J a h r h u n d e r t e n nicht m ü d e , sich v o n ihnen fressen zu 40 lassen.
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Meine Nachforschungen.
Aber wie will ich den Faden finden von dem dieses Gewinde von Elend und Wohlstand, von Weisheit und Thorheit, von Wahnsinn und grosser Erhebung des Geistes ausgeht. Der Mensch ist schon in seiner Höhle nicht gleich; unter dem Dach, hinter Riegel und Wänden wächst diese Ungleichheit 5 mächtig, und wenn er zu hunderten und tausenden zusammen steht, so ist er gezwungen ob er will oder nicht will, er muß zu dem Starken sagen, sei du mein Schild, zu dem Listigen, sei du mein Führer, und zu dem Reichen, sei du mein Erhalter. Das ist der Ursprung der Macht, der tief in unserer Natur 10 liegt, und sich auf das wesentliche Bedürfniß der Entwiklung des ganzen Geschlechts gründet. Aber freilich auch, wie der Strom, der ganze Reiche wässert, oft ganze Provinzen verheert. Nicht die Macht, der Mensch, der sie in der Hand hat, ist schuld an dem Verderben seines Geschlechts. 15 Alle Folgen der Macht sind heilig und gut, so lange der Mensch, der sie in seiner Hand hat, treu ist, und sein Wort ein biederes Wort, und seine Treue unbeweglich, wie die unbeweglichen Sterne. Aber wenn der Mensch sich nicht zum Göttersinn der Treue zu erheben vermag, wenn sein Wort ein Rohr ist, das der Wind 20 bewegt, wenn er sich im Besiz der Macht nicht höher fühlt, als das Geschlecht, dessen Recht in seiner Hand ist, wenn er untreu ist wie der Mensch, dessen Schwäche auch ihm zu Leib geht, so zertrümmert er, mit der Kraft die in seiner Hand liegt, das Recht des Menschengeschlechts, das aber nicht sein Recht 25 ist, und düngt mit dem Blut der Menschen, denen er nicht Wort hält, und kein Recht läßt, die Erde, die er verwüstet. Aber auch im Kampf der Lügen und des Unrechts bildet sich unser Geschlecht, und erhebt sich zum Gefühl ieder Würde, und zum Besiz ieder Kraft, die in seiner Natur liegt. 30 Also gehe ruhig im Kampf der Wahrheit und des Rechts, zittre nicht bei dem Siege der Lügen, lerne den Unwerth des Thiersinns deines Geschlechts nur desto tiefer kennen, je mehr er über Recht und Wahrheit gewinnt, und wenn du in den Banden der Rechtlosigkeit gefangen liegst, wie eine Mükke 35 in den Banden der mordenden Spinne, so lerne zu sterben, damit du Mensch bleiben, und deinem Geschlecht dienen könnest. Es ist geschehen, in der Weihe der Thierkraft, die die entheiligte Macht angebetet, ist der Erdkreis verwildert. 40 Pestalozzi Werke XII.
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Meine Nachforschungen.
Die sinnlose Untreue der Macht, hat die Gefühle der Selbsterhaltung unter der verdorbenen Menge rege gemacht, iezt greift das rasende Volk der schuldigen Macht an die Kehle. Alle Strikke sind aufgelöst, die vormals die Macht banden, 5 daß sie bei dem Sirenengesang aller Reize zur Untreue und zum Wortbruch nicht so leicht ihre guten Sinnen verlieren konnte. Das Elend des alternden Welttheils ist unabsehbar. Nach ewigen, ehrnen, unwandelbaren Gesezzen lenkt sich der Sterblichen Wesen immer zum Uebergewichts seines Thiersinns und 10 seiner Thierkraft, und ewig sagt der Mensch, der mächtig und thierisch zugleich ist, zu der Schwäche seines Geschlechts: Du bist um meinetwillen da; und spielt dann über die gereiheten Schaaren derselben, wie über gereihete Saiten des Hackbrets, was achtet er das Springen der Saiten, es sind ia nur 15 Saiten, so viel Männer im Land sind, so viel hat er ia Saiten, so viel ihrer zerspringen, so viel wirft er weg, und so viel er wegwirft, so viel spannt er wieder über sein löcherichtes, klimperndes Bret, es sind ia nur Saiten. Ha es sind Menschen! Und sie wercLn in der namenlosen Er20 niedrigung eines rechtlosen Diensts, wie die Pfoten an den Klauen des Bären, sie wissen gar nicht was das murrende Thier will, das auf ihren Vieren steht, aber sie klammern sich vest in die Eingeweide, eines jeden gegen den es brummet. Ha es sind Menschen! und ihr Geschlecht wird in der Ernie25 drigung eines solchen Diensts wieder was es vorher war, ehe es die Macht aus dem Nichts rufte, und zu der Stärke seines Geschlechts sagte, sei du mein Schild und mein König. Wenn die Macht einmal zur Untreue versunken, und das Unrecht des Wortbruchs mit kaltem Geschwäz zu übertünchen 3« gelernt hat, so ist das Recht des Menschengeschlechts von der Erde gewichen. Sie sagt dann zu der Schwäche ihres Geschlechts, das ist mein Gesez, dem mußt du gehorchen, ich verkaufe dich dem königlichen Volk, das mir Geld giebt für dein Leben und für dein 35 Sterben, rühre die Trommel, und juble dem königlichen Volk, das für die Menschen so viel zahlt. Heil ihm, dem hohen Geschlecht, das bei den Königen anfragt, wie theuer ist das Menschengeschlecht feil, Heil ihm, und Jubel und Dank, es leitet seine Goldbäche in den Schoos der männerfeiltragenden Könige, 15 er d i e » Abhänglichkeit ntenblött.
(1798) E s ist wahr, wenn ein Zundelhändler m i t einem Zundelkrämer einen Accord macht, durch den Gulden und darunter und weit darunter feil? Man weiß das, und doch sagt [man], die (Nachlassung) Revolution diene nur den Reichen, der Arme und der Stetter verlieren an ihr. 36 Wer gewint und wer verliert, wenn Wein und Korn um den Drittel sinkt ? Wer gewint, wenn der Arme seine ganze Krafft und Mittel auf unbelastetes Feld werfen kan? Der Reiche wird keine Taglöhner feinden, die Concurrenz wird den Abtrag (der großen Güter mindern) des Lands (ungeheur verschw) vermehren, (des) zugleich aber die Schwierigkeit erhöhen, große Güter zu bauen 40 sowie ihren Vorteil herabsezen. Die Äkker werden natürlich in die Hand [von] Kleinbauren übergehen. (Die Cul) Wer wird also gewinen ? ( I s t es) Kan ein Zweifel [bestehen] ? Der Stetter oder Kleinb [auer] ? Noch einmahl! Die Frage über die Pfeudal [l]asten, wie sie jez Es ist die Frage (, durch was für Maaßregeln wird in): Was fordert das
Entwurf zum zweiten Zehntenblatt.
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höchste Wohl des Staats für Maaßregeln in der Reglirung Dieses Zeugnis konte er nicht tragen.) E r H in beiben £jff. Streichungen teilweife mit Sleiftift S. 166 Z. 29—30 Daseyns. Er konte das Zeugnis der Unbrauchbarkeit nicht E r ist nicht mehr — er fiel, gjufafj mit Sleiftift H , S. 166 Z. 30 tfdjen S o m m e r ^ 9 5 unb f j e r b f t ^796 entftanben fein m a g . Die politifdjen ZTott3en finb ftüijer a l s b a s F r a g m e n t ber „ H a d j f o r f c h u n g e n " niebergefcfjrieben. Die f j a n b f d j r i f t , 5 6 \ I 38, ift ein K o r r e f t u r j e t t e l in © f t a o , bet a n beiben S e i t e n f d j w e t befdjäbigt ift. £esarten ba^er teilmeife unfidjet. 41. auf
Die £janbfcf;rift, 3 6 ; I 39, ift ein über K o p f 3U w e n b e n b e s ^olioblatt. bet erften S e i t e ein breiter H a n b gelaffen. 42.
Die f j a n b f c f j r i f t , 3 6 i I $0, heftest a u s 3wei © f t a p b o g e n . 2luf ber legten S e i t e ftetjen n u r einige S a i l e n . 3 n ben etften S o g e n w a r o f f e n b a t ein w e i t e t e t eingelegt, b e t c e t l o r e n ift, fo bafj bet C e j t naefj ben erften 3 » e i S e i t e n eine £üde aufroeift. S . 241 Z . 1 8 — 2 2 2im H a n b e 3n>eimal b u r d j ein N [ o t a b e n e ] l)etPorget)oben. Pestalozzi W e r k e X I I .
36
562
I. Anhang. Über
23örbarei
unb
Äultur.
Fragmente 3U einem I I . (teil bes S u d j e s : BTeine Hacf;fotfcf;ungen ufn>. tDann p e f t a l o j j i begonnen hat, fein abgefd?Ioffenes ü u d j burdj eine erfes, angeregt burtfj bie f e f t ü r e oon i o n b o r c e t s ,,Esquisse", bte Zlrbeit ba3U aufgenommen. 2tm ; 6 . X I . \7ie in beiben B r i e f e n ange3ogene 2Irbeit roar (Enbe \1eifelsfrei, bafj bie uon pcftato33i bem jungen ^ifchet Dorgeroiefene Schrift mit ber Zlrbeit ibentifefj ift, oon bet fid; bie hiet mitgeteilten Fragmente erhalten haben, benn bie Begriffe, bie $ifd?et erwähnt, treten in bem einen Fragment, bas tnieberum mit ben anbetn in enget Derbinbung ftcfjt, in berfelben Reihenfolge auf.
Öejtonb
ber
ot in H , = g ü t i d j , tttappe 3 6 ; I I I (Eine ^oliofcitc ijt butef; B r u d ; in oiet Seile geteilt. 2Iuf brei bet nunmehr entftanbenen ©ftaefeiten finben fidj (Einträge, mit (Einte gefdjrieben, bie als Vorarbeit für ben 3»eiten Ceti ber „Ha brei auf 231. i v aufgeflebt waten, alle ebenfalls oon p . befdjrieben. 2tuf ber etften Seite oben redjts ftel)t pon frember £janb bie SIeiftiftnotij: „Brief an bie ©bgenoffen", barunter mit Cinte ZTo. 59. Ha = Sd?tDci5crifd?cs öunbesardjip, Abteilung £jeioetif 33b. 868, S . U5—26. (Ein Quartfyeft pon \6 Seiten, wooon bie legten 6 unbefdjrieben. Die Dotlage iji eine Kopie Dort unbefanniet fjanb, mit Pier geringfügigen Kor» refturen oon peftalojji feibft. 5 e f e s weißes Papier. Der erjle ilbbrucf erfolgte J886 im elften Banb bet Jfftenfammlung aus ber §eit bet £jelpetif (S. tos;—8$); einen weiteren brachten gleid)* 3eitig bie peßalo33M3lätter oon \886 5. \7—z\. Don ba ift bet 2lufruf in Seyffartt)s 8. 23b. S . J66—70 übergegangen. Unfer iEejt folgt H x , weil fie bie enbgültige für ben Drucf bereinigte Hebaftion barfteilt. Die fjauptparianten pon Hi werben iiier wiebergegeben. S. 277 Z. 8—12 Liebe, Biedere, Treue Leute !> Wer möchte nicht Blut weinen, . Wenn aber dieser Bewis (ohne) . Hingegen beunruhiget ihns der Verlurst dieser undiplomatischen Sicherheit. Ja, Bürger, der V e r l u r s t seines R e c h t s b e u n r u h i g e t das Volk. Hj S. 427 Z. 30—32 Sicherheit nach dem [Maß] tragen, als er reich ist}. a u f angeflehtem Blatt ftetft: Die Abänderung der Pfeudallasten und besonders die Verenderung der Zehndpflicht in Territorialabgaben ist keine Schenkung für den pfeudalpflichtigen Mann. Wenn sie auch in der höchsten Übereinstimmung mit dem Grundsaz, alles Eigenthum in Helvetien gleich zu belasten, ausgeführt syn wird, so ist diese Abenderung im ganzen nichts weniger als ein Geschenk für die Pheudalpflichtigen. Es ist zum Theil frylich ein Zurükkomen von fragen jez, ich möcht bald sagen, mit dem Ernst einer Nachteule {fragen) ob — Der iEe j t 6es Korrefturjcttels bricht ab. H 5 S. 454 Z. 24—26 Diefe geilen finb t>on peftalojßi fpäter in Hi beigefügt. S. 454 Z. 29 {Doch {ich will gerne zugeben, daß uns alle) ihr saget, die Erfahrungen sollten uns nur weiser machen {sollen). Es ist wahr, {aber auch die unglüklichsten Erfahrungen der Revolution sollen uns von den Prinzipien der Revolution,
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I. Anhang. die Menschheit immer) nur verwechsle man das Wort weiser nicht mit dem Worte forchtsamer,
ungläubiger, vertrauensleerer. Denn auch die unglüklichste Revolutionserfahrung [soll uns nicht] von den Principien des bürgerlichen Rechts und von der sittlichen Pflicht, das Menschengeschlecht durch eine vorwertsschreitende Verbesserung (ihrer) unserer bürgerlichen Organisation seiner inneren Veredlung inner näher zu bringen, 11. Cfapitel], 46. Vers. Mathei am 23. V[ers] 14 etc.) 2iuf angeflehtem S t a t t : Und davon, daß die Zehndeinkömften in unsren belastesten Gegenden Früchte eines solchen harten Baums sind und dem Wesen der ( v o n mir gegen) Lehre Jesu und seines göttlichen Entwurfs, die Härte der Eigenthumsansprachen zu mildren, e diametro entgegenstehen, ( K a n man) sich (nach allem Gesagten noch) ad hominem (dadurch) [zu] überzeugen, braucht [es] gar nichts weiter als einen mit Zehndrechten wohl fundirten (Amtmann- und Pfaffen) Tisch neben einen Tisch eines verschuldeten Anbauers dieser Gefählen zu stellen, und wenn (denn) das noch nicht genug syn sollte, die Rosenwangen der neben die abgezehrten Gesichter der Ehlenweiber und Ehlenkinder dieser armen Gegenden (zu stellen) anzusehen, und wenn auch dises nicht genug syn sollte, denn noch die Worte des Heilands Mathei an 23. und Lucae an 1 1 . C . 46. v. zu lesen. IDieber im SEejt: Ihr antwortet mir zwahr über alles dieses: Es sind in ganz Europa für die Armen keine bessere Anstalten, als die, so wir hatten. Ich erwiedere: Welche Anstalten imer für die Armuth nichts sind als Pflaster auf Wunden, die nur durch Blutreinigungen könen geheilet werden, wenn sie auch die einzigen wären, die alle vier Welttheile kenen, sind sie nichts. (Und um nicht) Denn muß ich euch noch sagen, nur um nichts und wieder nicht[s], oder um (auch) nur zu s o l c h e n P f l a s t r e n zu komen, revolutioniren sich denn würklich doch auch nur Abderiten. Ich kene den Eindruk dieser Stelle zum voraus, und weiß- zum vorau [s], man wird in derselben mein Herz verkenen. Er kan für mich nicht fatal [er] ausfallen, als ich mir ihn zum voraus vorstelle. Aber ich weiß auch den Grund, worum sie diesen Eindruk machen wird, und sage ihn unverhohlen: Es ist aus disem [Grund], weil man das Land nicht erkent und den Armen nicht kent, (darum die Zeit) und [man] spricht (auf) über dise Angelegenheit, (ihm nach) die ihm so wichtig, in einem Schlendriansgeist ab, der (in gewöhnlichen Zeiten) in Revolutionszeiten für Land und Leute ganz andere Folgen hat als in gewöhnlichen.
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I. Anhang. E s w a r meine Pflicht zu reden, und ich redte. Jez antworte ich wieder ruhig auf die kleinliche B e m e r k u n g : H 4 , nun wieber ausfetjenb. D o c h m a n k o m m t endlich wohl noch mit den Geistlichen, den A r m e n und den Spithälern und sagt uns, die Existenz dieser Stände, Stiftungen und Individuen hange an der Fortdur der Feüdaleinkünften, wie sie würklich eingehen; m a n sagt uns ferner, m i t dem Verderben dieser Ständen und Individuen hange der Ruin der Sitlichkeits-, der Polizey- und K u l t u r m i t t e l n unausweichlich [zusammen]. E s ist auch dargegen gar nichts zu sagen, es ist auch vollkommen richtig, w a n n 33t 3U unferm (Eejt umgearbeitet.
S. 454 Z. 3 0 — S . 455 Z. 12 Noch bleibt der Jammer zu beantworten, m i t welchem m a n behauptet, der Schaden, den die Religion und die A r m e n durch die A b ä n d e r u n g unsrer Feodalbesteurung in einen rechtlichen Steuerfuß leiden, sey unermeßlich und unersezlich. A b e r ich frage die Redlichkeit Helvetiens: W i e viel ist denn v o n dem Ganzen der ehemaligen Feodallast würklich an Kirchen, Pfarrer, Schulen und A r m e gekommen ? Ich frage fehrner: W i e viel v o n diesem verhältnismäßig Wenigen ist noch an elende Schulen, an Liederlichkeit und A n m a ß u n g pflanzende Anstalten, an Diebstahl und Landesunsicherheit begünstigende Allmosen und an republikanische Sitten und Grundsäze verpestende Schaffner, Pfleger und Handlanger gefallen und an übelverpfründete Vergebisfresser gelangt und so verwendet worden, d a ß die diesfälligen A u s g a b e n selber nicht nur die Ü b e l zehnfach erzeugten, denen sie abhelfen sollten, sondern noch die Mittel, mit welchen die N a t u r ihnen ohne D a z w i s c h e n k u n f t der Staatsirrthümer und der Pfafferey abhelfen würde, noch lähmten ? E r s t wenn diese Fragen beantwortet sind, ist es möglich, das Verhältnis des Genusses zu kennen, den Religion und A r m u t h aus den Feodalabgaben würklich zogen, und auch zu bestimmen, wie groß denn würklich die L ü c k e sey, die durch die Unvorsichtigkeit in der A u f h e b u n g dieser Gefälle in die Finanzlage der Geistlichen, Schulen und der A r m e n anstalten würklich hineingebracht worden, und wie schwer es allfällig seyn möchte, durch ein würklich weises und ge-
Textkritik.
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rechtes Finanzsystem diese Lücke wieder auszufüllen. Giebt m a n aber über diese Fragen kein Licht, so m u ß m a n freilich hierüber denken, d a ß nichts in der Welt ohne genügsame Gründe geschieht; aber item — m a n weiß d a n n eigentlich nicht, was hinter der Klage steckt. Ich m u ß aber noch bey fügen: Es h a t mir jemand, dem ich diese Bemerkungen gemacht, darauf geantwortet, diese Erläuterungen seyen gar nicht nöthig. W e n n jemand bestohlen worden, so sey es u m nichts zu t h u n , als den Diebstahl zurückzugeben, u n d der Dieb habe sich wenigstens u m den übrigen Finanzzustand des Bestohlenen nichts zu b e k ü m mern. E r h a t geradezu behauptet, jeder Angriff der Feodaleinkünfte sey in Rücksicht auf Geistliche und Arme a n sich selbst u n d ohne Rücksicht auf ihr Bedürfnis ein Diebstahl. Diese E i n k ü n f t e seyen, so wie sie selbige besessen, unbedingt ein ihnen von Gottes und Rechts wegen gehöriges E i g e n t h u m gewesen, u n d wer das, unter welchem Vorwande es auch seye, in Zweifel ziehe, der gehöre ohne anders zu der abscheulichen Zehndendiebsbande, mit der sich ein rechtlicher Mann auch n u r mit keinem W o r t e einlassen dürfe. E r warf dies auf eine Weise hin, die mir unverhohlen zu verstehen gab, er zähle mich selber wegen meinen diesfälligen Äußerungen unter diese Bande. Wahrlich, wahrlich, das war s t a r k ! Aber die Nachwelt wird richten, ob mein Herz je zum Raube geneigt, und ob ich auch wirklich zu der Diebsbande gehöre, die Kirchen, Schulen u n d Arme bestehlen und ihr G u t dem Laster, der U n o r d n u n g zur Verschleuderung preisgeben wollen. Ich fürchte keinen Namen. Aber ich bedaure freilich, d a ß ich in Tagen rede, wo der Bube, der vom R a u b e lebt, der Verschleuderer des Gutes der Armen und der Vergebisfresser zahlloser Heerde allenthalben geschont und der Mann, der den Quellen der Verwahrlosung der Armen, der Vernachlässigung der Schulen und den Mitteln der Sittlichkeit, der häuslichen u n d öffentlichen Volkskraft sein Leben opfert, zu einer Diebsbande gezählt wird, weil er es u n t e r der Würde eines die W a h r h e i t u n d das Vaterland liebenden Mannes findet, die I r r t h ü m e r , die das Feodalsystem von jeher begleiteten, u n d das Unrecht [einer] auf keinem Kapitalvorschuß ruhenden, sondern ganz von der Industrie abhängenden jährlichen Staatszehendenforderung nicht im alten Übel ruhen zu lassen, in die m a n sie gehüllet, und nicht strictissimi juris findet, d a ß der Richter u n d der Fresser des Zehndens nothwendig eine u n d dieselbe Person seyn müssen. I m E r n s t ! Mein Herz blutet, in einem Zeitpunkt zu leben, in welchem bald die freundlichsten meiner Zeitgenossen sich genöthigt glauben, mich unbedingt f ü r einen politischen Halbnarren zu erklären, um mich von der Anklage schändlicher u n d bübischer Diebsgelüste zu retten. J a , mein Herz
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S. 455 Z. 5 — 1 2
I. Anhang. blutet, mich oder mein Zeitalter dahin versunken zu sehen, meine Zehndbegriffe vor der Welt durch nichts als durch die Folge einer fixen Idee, die sich hierüber meiner bemächtigt, erklären und entschuldigen zu können. Doch was beklage ich mich! Alles, was mir durch mein Leben begegnet, war gut, alles war mir selbst gut. Mit dieser Überzeugung erhebe ich mich über alles Unrecht und über alles, was hinter mir ist, und strebe mit Ruhe jetzt immer nach dem Ziel, das ich mir vorgesetzt, hi h j Wohlthätigkeitsanstalten zu vervollkommen. on peftaIo33t eingefügt, bas XDort Natur fehlt. S. 463 Z. 28—32 Sprechet p darum nicht zu früh p an die vollkomne Ausübung eures Rechts, sprechet nicht an euer vollkomenes Recht, p bis das Vatterland vollkomen gerettet: zeiget, daß ihr eures p uiürklichen Rechts H 5 S. 463 Z. 29—37 fefjlt in hi h 2
Textkritik.
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S. 463 Z. 31 desselben tes3eit feinem
Sacherklärung.
77h
Sohne in bei Bewirtfchafiung bes Zleuljofes an bie £jant> ging, (ßewtffes lägt fid; batübet nicht ausfagen. Dod; wirb, w a s an «Entwürfen bereits norhanben war, reichen ©efprädjsftoff abgegeben haben, als p . , tDafjrfcfjeinlidj im ©f tober \795, pon Richte aufgefudjt würbe. Die S e g e g n u n g mit 5ege fteljt. ic fran3Öfifcf?e Sepolution bie „Zerstörung der Humanitätsund Rechtsgefühle E u r o p a s " Ijier gegeben faij. peftalojäi fah in bem Krieg gegen jrantreid; feit \7 gegenben forberten bie Dolfsoerfammlungen laut: ^reilaffung bet (Seftraften oon J795, Hücftuf bet Derbannten, (Erstattung bet 23u§en, tDiebereinfeijung in €i)ten unb HJürben, Verausgabe bet alten ^reitjeitsbriefe, i?anbels» unb (Se« werbefreifjeit. ben rein lanbwirtfdjaftlidjen 33ejirfen war bie Sepölferung weniger tabifal unb begnügte fid? ntit ber ^otberung nacfy 2ibfd;affung bet gefynten unb (Srunbjinfen. Die Regierung mufjte nachgeben. 21m 29. J o n . bewilligte fie gihylidje 2lmneftie, Verausgabe ber ^reitjeitsbriefe, (Bewerbe* unb Stubierfreiljeit, gutritt 3u allen Ämtern, freie tDalji ber £anbcögte. Die (Befangenen würben losgelaffen, bie Oerbannten unb (Seftücfyteten ietjrten tjeim. Salb fat) fid; bie Regierung per» arlajjt, nod; weiter 3U geljen. 2tm 3. Februar perfügte fie bie (Hinberufung einer non Stabt unb £anb 3U wäfylenben £anbesïommiffion 3ur 2tbftellung ber 8 e » fdjwerben. 2lm 5. Februar gab fie fobann bie alte Derfaffung förmlich preis, in» bem fie ben (Brunbfatj völliger politifcfyer ^reifjeit unb (Bleidjljeit annahm unb bie £ûnbesfommiffion beauftragte, auf biefer (Srmtblage eine neue Derfaffung 3U entwerfen. S i s bafjin follten bie alten Beworben prooiforifdj im 2tmt bleiben. mittlerweile Ijatte fid? am See ein revolutionärer 2lusfd;u§ gebilbet, ber 3uerjl in ttJäbenswil tagte, bann nadj Stäfa unb fdjliefjlid; nad; Küsnadjt unb llteilen perlegt würbe. (Es fam balb 3U fdjweren Spannungen 3»i(djen Stabt unb £anb. Die ^ütjrer ber £anbsgemeinben unb bie losgelaffenen (Befangenen unb {¡eimgefefyrten Verbannten waren 3um Ceil aufjerorbentlidj wiber bie Stabt auf» gebracht. Bei bet ftäbtifdjen Bürgerfdjaft et3eugte bet Derlujt ber Dorredjte aud; garten Unwillen. Die Hegierung lieg es ifjrerfeits an ber nötigen en
g>ebnben.
( E i n l e i t u n g . Der gehnten ijt eine urfprüngticfj firdjticfje Abgabe, bie auf bas mofaifdje (Sefetj 3Utü. 3 0 f f . fpridjt fpridjt p . ausbrüdiidj oon ber ( E r l ä u t e r u n g feines gefjntenblattes, alfo bem 3weiten B l a t t . S . 3 2 2 Z. 29ft. Der Votfdjfag einer 2tblöfung in 0 ? . nidjt weiter bisfutiert worben.
¿Ein W o r t an bie gefetjgeben&en Äät^e -fatlvetiene. H?äf}tenb ber fran3Öfifd?en Reoolution begannen fid? audj in ber (Eibgenof* fenfdjaft bie (Seiftet ber Untertanen wieber 3U regen gegen bie SeDormunbung unb (Entrechtung butd; eine bie Staatsmacht ausfcfjlicgltcf? befitjenbe unb auch wirtfdjaftlich prioilegierte £}errenfchicht. (Es fam 3ut «Erhebung ber Unterwailifer gegen bas Regiment ber ©berwaiiifer £anbr>ögte, 3U ben SYmpathiefunbge» bungen ber tVaabtlänber gegenüber bet fran3Öfif unb oft aud; auf bie böswilligfte 2Irt, a a s meljr a l s e i n m a l 3U ijef» tigen p r o t e f t e n in ben H ä t e n Jinlafj g a b . S o ftellte e t in H r . 58 bie (Entfdjäbigung f o t b e r n b e n P a t r i o t e n auf gleiche finie m i t p a u l S t y g e r unb bradjte in H r . ey bie oben er» roäfjnte H o t i j . f j a l l e r m u f j t e l e i t e t e » i b e r r u f e n . Jim 7. HOP. w ü r b e feine g e i t u n g u n t e r b r ü d t unb ein ^ a f t b e f e l ; ! gegen ifyn a u s g e g e b e n , f a l l e t flolj nad? D e u t f d j l a n b , trat gän3lidj auf bie S e i t e ber (Segenreoolution, rebigierte 1799 ben „ B o t e n a u s S c h w a b e n " unb ertjielt (ut3 b a t a u f eine S t e l l e i m K r i e g s m i n i f t e r i u m 3U tt>ien. Z . 3 2 — 3 4 D a s D i r e t t o r i u m beftanb a u s f ü n f Hlitgliebern, oon benett jebes je 73 S a g e l a n g bas p r ä f i b i u m f ü h r t e . ; $ r i b 6 t i o £ 6 f a r £al)arpe ( \ 7 5 $ — ^ 3 8 ) w ü r b e a m 30. 3 « " « l ? 9 8 i n s Diref» t o r i u m g e w ä h l t , a m 8.3nuat \800 aber mit 3 » e i f e i n e t K o l l e g e n geftür3t unb bei bem K n t a g bas D i r e f t o r i u m a u f g e » löft. 3 e < > n 4 n a t c iTlouffon (\776—^861.) mar «Seneratfefretär unb f p ä t e t eibgenöffifcfyer Kan3ler.
Pestalozzi Werke. XII.
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II. Anhang.
i£m tPort über fcie fran$öftfd?e Werbung. Jim XTopember hatte b a s Dolfyehungsbireftorium eine neue p r o f l a * mation a n s Doli etlaffen in betreff feinet 2lnftalten 3ut (Drganifierung einer nationalen Jfeijrmacfjt. Um alle Perbächtigungen unb 23eforgniffe 3« reibet« legen unb 3U 3erftreuen, gab es barin „bie ijeiligjte guficherung, baß t>on S e i t e ber fran3Öfifd;en Regierung nidjt bie minbefte Ilufforberung 3ur S t e l l u n g oon fjülfstruppen gefd;et)en ift, unb bag bie ^riebensunterljanblungen 3wifdjen ben benachbarten ITtäcfjten nidft abgebrochen finb. 2llle Zlnftalten, bie alfo gemacht wotben, finb Dorfichtsmagregeln, um unfer Daterlanb c o r Schaben 3U bewahren, euer (Eigenthum buref; euch felbfi 3U fdjütjen, innere R u h e aufredet 3U erhalten, unb eudj t>or ^reunb unb ^einb als ein bewaffnetes, tapferes ¿>oIf, ehren unb refpeftiren 3U m a c h e n . . . " (fjeto. 2lftenflg. I I I , S . 4 0 3 — t . ) Iiis bie heloetifche Regierung biefe Kunbmadjung erlief, mar bie S e q u i » fition nadj Stellung eines fjilfsforps t>on ; s o o o XHann in p a r i s feit 8 Cagen eine befcfjloffene Sache. Z>ie ^orbetung trmtbe begriinbet mit Zlrtifel 2 ber 211« lian3 c o m ( 9 . Zluguft unb bem beoorftehenben Kriegsausbruch. D a s be3ügliche Schreiben, t o m 27. (Dftober batiert, brachte ber neue fran3Öfifche ©efanbte i?enri perrodjel perfönlich nadj £u3ern. perrodjel traf bafelbft am 9. ZTooember ein. (£jeh>. 2lftenf. I I I , S . $3—etiens wochenlang burefj ©erüdjte geängftigt worben war, ^rantreich werbe bie junge ITtannfchaft wegführen, nacfjbem bie Regierung folcfje (Serüdjte förmlich ' n 2lbrebe gefteltt hatte, bereitete ihr be= greiflidjerweife bie fran3Öfifd;e ^orberung eine ungeheure Derlegenheit. Denn es lieg fidj leicht »orausfehen, bag bas ItTigtrauen unb bie Befürchtungen jetjt wieber aufleben unb bie 3ahlreidjen inneren ^einbe bas 2lbfommen 3U neuen 2lnflagen gegen bie oberfte S e h ö r b e benütjen würben. D a s Direftorium er« lieg bereits unterm 1. De3ember eine proflamation a n s Doli, worin es an bie B ü n b n i s t r e u e ber Porfahren gegenüber ber fran3Öfifchen ITtonardjie erinnerte unb bie Erwartung äußerte, bag bas neue ö ü n b n i s , bas auf eine gemeinfdjaft« liehe B e h a u p t u n g ber ITtenfchen« unb Bürgerrechte ab3iele, nicht weniger treu ge« halten werbe. Dor Reiten fei es um penfionen unb © r b e n s b ä n b e r gegangen, jetjt um ^retfjeit unb (Sleidjheit, früher fei ber fran3Öfifd;e Dienjt eine Quelle oon oligarchifchen (Srunbfätjen gewefen, jetjt werbe et tepublifanifdje ©efinnung unb £iebe 3um wiebergebornen P a t e r l a n b e 3ur ©runblage hoben. Sobann wirb baran erinnert, bag bie fran3Öfifd;en Könige mehr als (2 0 0 0 Sd;wei3er be« folbeten unb nod; bas Recht hatten, wettere 6 0 0 0 a n j u w e r b e n . 3 c tS* begehre bas fran3Öfifd/e Direitorium, fraft bes neuen S u n b e s , Ijülfsoölfer, wolle fidj aber mit freiwilligen Refruten begnügen, unb tiabe ber helcetifchen Regierung bie € r « nennung ber © f r i e r e überlaffen; babei follten bie frühern Ungleichheiten; &ie S p u r e n oon „Untertanen«, h e ^ f ^ e i b e n Klaffen« unb 5 a m ' ' ' e n c o m P a 9 n ' c n " wegfallen, unb ber Zlufruf fdjliegt mit ber (Hinlabung 3ur Anwerbung, ( f j e l o . 2l!tenflg. I I I S . 688.)
Sacherklärung.
835
(Dbfdjon peftalc>33t längft bic Dolfsblattrebaition »erlaffen Ijatie, jeigtc er fidj öodj fofort bereit, offenbar auch Ijier einem 2lnfudjen oon Segierungs» mitgliebern entfprechenb, bic Übereinfunft com 30. XTod. in einer eigenen $ u g » fdjtift 3U »erteibigen. Dabei biente ihm bie proflamation bes Direftoriums als Dorlage. Die Jlbfaffung fällt in bie erften S a g e bes Dejetnber i 7 9 8 . S. 401 Z. 31 £jier fönnte fowof)! bie Süb» als bie Horbfüfte ^ranfreichs ge» meint fein, erftere wegen ber 2lrmee in Egypten, l e i t e t e wegen ber geplanten (Ejpebition nadj 3 r ' a n b , bie aber bodj getabe bamals wegen bes brotjenben Kontinentalfriegs aufgegeben würbe. S. 402 Z. 31—35 £jeh>etien 3ählte J 8 0 0 H 3 6 9 5 9 (Einwohner, 3 5 8 5 6 0 2 l ! t i o » bürget, 2 2 3 0 0 0 Dienfttauglidje (£}elt>. 2Iftenflg. X I , S . 1,09). S. 402 Z. 36—37 f or ber Hecolution unterhielt bie Scf;wei3 Solbtruppen in ^ranfreicf;, Spanien, piemont, Zteapel, fjollanb. 31)t