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German Pages 478 [480] Year 2016
Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht
116 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Gregor Christandl
Selbstbestimmtes Testieren in einer alternden Gesellschaft Eine Untersuchung zum Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung
Mohr Siebeck
Gregor Christandl, geboren 1980; Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Innsbruck und Yale; 2006 Promotion; wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Innsbruck; wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg; 2013 Assistenzprofessor an der Universität Innsbruck; 2015 Habilitation; 2016 Assoziierter Professor, Universität Innsbruck.
e-ISBN PDF 978-3-16-154633-4 ISBN 978-3-16-154632-7 ISSN 0340-6709 (Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
„In a word, a testator may be led, but not driven; and his will must be the offspring of his own volition, and not the record of someone else’s.“ Hall v. Hall [1865–69] L.R. 1 P.&D. 481, 482
Vorwort Vorwort
Vorwort
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, inwiefern das liberal geprägte Erblasserkonzept des geltenden deutschen Erbrechts den besonderen Schutzbedürfnissen immer älter werdender, sogenannter „verletzlicher“ Erblasser bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen gerecht wird. Nachdem Testamente häufig erst im letzten Lebensabschnitt oder kurz vor dem Tod errichtet werden, sind Gerichte bereits heute mit zahlreichen Fällen konfrontiert, in denen zumindest fraglich erscheint, ob das hinterlassene Testament tatsächlich dem frei gebildeten Willen des Erblassers entspricht. Solche Fälle werden zunehmen, weil körperliche und geistige Gebrechen, die mit steigender Lebenserwartung häufiger auftreten, die Fähigkeit zur selbstbestimmten Teilnahme am Rechtsverkehr beeinträchtigen und damit auch die Willensbildung bei der Errichtung erbrechtlicher Verfügungen anfälliger für Druck und unzulässige Einflussnahme durch Dritte machen. Anhand einer historischrechtsvergleichenden Untersuchung zeigt diese Arbeit Wege auf, wie dieser Problematik begegnet werden könnte, um die Selbstbestimmung als Ausdruck der freien Persönlichkeitsentfaltung des Erblassers und als Geltungsgrundlage letzwilliger Verfügungen vor unzulässiger Fremdbestimmung zu schützen. Im Herbst 2015 wurde die vorliegende Arbeit als Habilitationsschrift an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck angenommen. Zu ihrem Entstehen hat besonders meine in jeder Hinsicht lehrreiche und prägende Zeit als wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg in den Jahren 2010–2012 beigetragen. Meinem akademischen Lehrer Professor Reinhard Zimmermann danke ich für die wohlwollende Unterstützung und dafür, dass er in mir die Begeisterung für historisch-vergleichende Forschung im Erbrecht geweckt hat. Herzlichst danken möchte ich auch Professor Bernhard Eccher für die langjährige und engagierte Förderung meines wissenschaftlichen Werdegangs. Danken möchte ich ferner Professor Anne Röthel, die das in dieser Arbeit erstmals monographisch bearbeitete Thema als erste in der deutschen Literatur ausführlich diskutiert und mein Projekt von Beginn an unterstützt hat. Zu Dank verpflichtet bin ich auch Professor Stephan Wolf (Universität Bern) sowie Professor Susanne Ferrari (Universität Graz), die neben Professor Zimmermann und Professor Röthel als Gutachter im Habilitationsverfah-
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Vorwort
ren fungiert haben. Professor Alexandra Braun (Universität Oxford), Professor Constanze Fischer-Czermak (Universität Wien) und Professor Marcello Maggiolo (Universität Padova) danke ich für ihren Beitrag als externe Mitglieder der Habilitationskommission. Professor Helmut Koziol, der meine wissenschaftliche Laufbahn seit vielen Jahren begleitet und gefördert hat, danke ich herzlich für seine Unterstützung. Meinen Kollegen und Kolleginnen in Hamburg und Innsbruck sei für den Gedankenaustausch und für Anregungen ebenfalls gedankt. Zu danken habe ich für die tatkräftige Unterstützung bei der Vorbereitung der Publikation meinen Mitarbeitern in Innsbruck Frau Eleonora Chiappini und besonders Herrn Maximilian Dallago sowie dem Team der Abteilung Redaktionen des Max-Planck-Instituts in Hamburg, insbesondere Frau Janina Jentz. Schließlich gebührt mein Dank den Direktoren des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, den Professoren Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann für die Aufnahme dieser Arbeit in die Schriftenreihe des Instituts und für die großzügige Förderung der Drucklegung. Rechtsprechung und Literatur wurden bis April 2016 berücksichtigt. Gewidmet ist diese Arbeit Marion, die mich seit weit mehr als einem Jahrzehnt begleitet und unser gemeinsames Leben durch Adrian bereichert hat. Innsbruck, im Frühjahr 2016
Gregor Christandl
Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht
Inhaltsübersicht
Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis ........................................................................................ XI Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. XXI
Einleitung................................................................................................... 1 Erster Teil: Selbstbestimmung im Erbrecht .....................................29 § 1 Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage privatautonomen Handelns ..................................................................... 29 § 2 Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage erbrechtlicher Verfügungen .................................................................... 41 § 3 Fremdbestimmung bei erbrechtlichen Verfügungen................................83
Zweiter Teil: Schutz der Selbstbestimmung im Erbrecht ........... 129 § 4 Sicherung der Selbstbestimmung des Erblassers durch Testiervoraussetzungen ............................................................... 129 § 5 Schutz der Selbstbestimmung durch materielle Beschränkung der Testierfreiheit ....................................................................................... 318 § 6 Maßnahmen zum Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung ........... 376
Ergebnisse ............................................................................................... 399 Literaturverzeichnis .................................................................................... 407 Rechtsprechungsverzeichnis ....................................................................... 431 Sachverzeichnis .......................................................................................... 441
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ........................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. XXI
Einleitung................................................................................................... 1 I. Erbrecht in einer alternden Gesellschaft .................................................. 1 1. Demographischer Wandel: die Alterung der Gesellschaft .................... 1 2. Gesellschaftlicher Wandel: die Pluralisierung der Lebensformen ..................................................................................... 2 3. Erbrecht im demographischen und gesellschaftlichen Wandel............. 3 4. Zunahme alterstypischer Krankheiten und Erbrecht ............................ 7 II. Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung .......................................... 9 1. Problemstellung .................................................................................. 9 2. Der „verletzliche Erblasser“ ............................................................... 10 3. Drei Beispiele aus der Rechtspraxis ...................................................11 4. Gefahren bei der Feststellung von Fremdbestimmung post factum ................................................................................................ 13 5. Diskussionsstand ................................................................................ 15 6. Gesetzliche Eingriffe in die Testierfreiheit zum Schutz vor Fremdbestimmung .............................................................................. 18 7. Handlungsimpulse aus der UN-Behindertenrechtskonvention ............21 III. Themeneingrenzung, Erkenntnisinteresse und Methode ..........................22 1. Themeneingrenzung ........................................................................... 22 2. Erkenntnisinteresse und Gang der Untersuchung ................................24 3. Methodisches ..................................................................................... 26
Erster Teil: Selbstbestimmung im Erbrecht ......................................29 § 1 Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage privatautonomen Handelns ..................................................................... 29 I. Grundlegung ........................................................................................... 29
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Inhaltsverzeichnis
1. Selbstbestimmung als Möglichkeit des Handelns nach dem eigenen Willen ................................................................................... 29 2. Selbstbestimmung in der Verfassung .................................................. 31 II. Selbstbestimmung im Privatrecht ........................................................... 32 1. Privatautonomie als Grundprinzip des Privatrechts ............................ 32 2. Privatautonomie als Gewährleistung formaler Selbstbestimmung .............................................................................. 33 3. Materialisierung der Privatautonomie................................................. 36 4. Ergebnis: Beschränkte formale Selbstbestimmung ............................. 40 § 2 Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage erbrechtlicher Verfügungen .................................................................... 41 I. Die Herausbildung der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit aus historischer Perspektive .......................................................................... 43 1. Entwicklungsstufen der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit ................ 43 a) Genossenschaftliche Phase............................................................. 44 b) Individualisierung des Eigentums. Lebzeitige Einzelverfügungen ......................................................................... 47 c) Erbrechtliche Einzel- und Gesamtverfügungen .............................. 48 2. Die Entstehungsbedingungen letztwilliger Verfügungen .................... 50 II. Erbrechtliche Privatautonomie................................................................ 51 1. Historische Herleitung aus dem Eigentum .......................................... 51 2. Derivat des Erbrechts ......................................................................... 52 3. Sonderform der Privatautonomie ........................................................ 54 4. Selbstbestimmung nach dem Tod? ..................................................... 55 a) Testierfreiheit im Interesse der Familie? ........................................ 56 b) Testierfreiheit im Eigeninteresse des Erblassers ............................. 57 aa) Selbstbestimmung ................................................................... 57 bb) Selbstverantwortung ................................................................ 59 c) Selbstbestimmung und Selbstverantwortung als Wesensmerkmale erbrechtlicher Verfügungsfreiheit ...................... 62 5. Willensdogma in der erbrechtlichen Privatautonomie ........................ 63 a) Gesteigerte Willensherrschaft im Erbrecht ..................................... 64 aa) Höchstpersönlichkeit ............................................................... 64 bb) Unbeschränkbarkeit der Testierfreiheit .................................... 66 cc) Erweiterte Anfechtungsbefugnis .............................................. 67 dd) Auslegung ............................................................................... 68 ee) Mentalreservation .................................................................... 70 b) Begründung der gesteigerten Willensherrschaft im Erbrecht .......... 71 aa) Einseitigkeit und mangelnde Empfangsbedürftigkeit ............... 72 bb) Voraussetzung der Möglichkeit erbrechtlicher Selbstbestimmung ................................................................... 72
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cc) Unentgeltlichkeit erbrechtlicher Verfügungen .........................72 c) Beschränkungen der Willensherrschaft im Erbrecht .......................73 aa) Formpflicht .............................................................................. 73 bb) Pflichtteilsrecht ....................................................................... 74 cc) Gesetzes- und Sittenwidrigkeit (§§ 134 und 138 Abs. 1 BGB) ............................................................................ 75 dd) Grundrechte ............................................................................. 76 ee) Erbschaftssteuerrecht ............................................................... 78 ff) Familiäre Treuepflichten .........................................................79 6. Zwischenergebnis ............................................................................... 82 § 3 Fremdbestimmung bei erbrechtlichen Verfügungen ................................83 I. Äußere Einflüsse und Fremdbestimmung ...............................................84 1. Wesensmerkmale der Fremdbestimmung ...........................................85 a) Kausalität ....................................................................................... 85 b) Fremdinteresse ............................................................................... 85 c) Vorsatz .......................................................................................... 86 d) Ergebnis ......................................................................................... 87 2. Formen der Einflussnahme auf den Willen des Erblassers ..................87 a) Zwang (vis absoluta)...................................................................... 87 b) Drohung ......................................................................................... 88 c) Ausnützung von Abhängigkeits- und Beherrschungslagen in Vertrauensverhältnissen ................................................................. 90 d) Täuschung...................................................................................... 93 e) Schmeicheleien, Bitten und Forderungen, Widerspruch .................94 II. Rechtsfolgen der Fremdbestimmung....................................................... 97 1. Nichtigkeit ......................................................................................... 97 a) Nichtigkeit wegen mangelnder Zurechenbarkeit ............................97 b) Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit ................................................98 2. Anfechtbarkeit wegen Drohung und Täuschung ............................... 102 3. Erbunwürdigkeit............................................................................... 102 III. Schutzzweck der Rechtsfolgen von Fremdbestimmung ........................ 103 1. Unmittelbarer Schutz des Erblassers durch Nichtigkeit, Anfechtung und Erbunwürdigkeit? ................................................... 103 a) Nichtigkeit ................................................................................... 103 b) Anfechtung .................................................................................. 104 c) Erbunwürdigkeit .......................................................................... 107 2. Mittelbarer Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung? ............... 110 a) Anfechtung wegen Drohung oder Täuschung gemäß § 2078 BGB ................................................................................. 110 b) Nichtigkeit wegen Zwangs und wegen Sittenwidrigkeit ............... 114 c) Widerlegliche Vermutung der Sittenwidrigkeit ............................ 116
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d) Erbunwürdigkeit .......................................................................... 117 e) Strafbewehrung der Testierfreiheit? ............................................. 119 3. Kein Schutz des Erblassers durch ex post-Schutzmechanismen ........ 122 a) Zweiseitige erbrechtliche Verfügungen ........................................ 122 b) Einseitige erbrechtliche Verfügungen .......................................... 123 c) Ex post-Mechanismen und ihre Gefahren ..................................... 124 IV. Ergebnis und weiteres Vorgehen .......................................................... 127
Zweiter Teil: Schutz der Selbstbestimmung im Erbrecht ........... 129 § 4 Sicherung der Selbstbestimmung des Erblassers durch Testiervoraussetzungen .............................................................. 129 I. Testierfähigkeit .................................................................................... 129 1. Begriff.............................................................................................. 129 2. Erwerb der Testierfähigkeit im rechtshistorischen Überblick ........... 130 a) Antikes Griechisches Recht ......................................................... 131 b) Römisches Recht ......................................................................... 131 c) Ius Commune ............................................................................... 132 d) Germanische Rechte .................................................................... 133 e) Ergebnis: Testierfähigkeit als Selbstbestimmungsfähigkeit .......... 134 3. Voraussetzungen der Testierfähigkeit im geltenden Recht ............... 136 a) Formales Kriterium: Mindestalter ................................................ 136 aa) Regelung im BGB ................................................................. 136 bb) Mindestalter im Rechtsvergleich ........................................... 138 i) Erwerb mit Volljährigkeit ................................................ 139 ii) Erwerb mit Eheschließung ............................................... 139 iii) Erwerb im Minderjährigkeitsalter mit Beschränkung der Verfügungsfreiheit ..................................................... 139 iv) Erwerb im Minderjährigkeitsalter mit Beschränkung der Formwahlfreiheit ....................................................... 140 v) Erwerb im Minderjährigkeitsalter ohne Beschränkungen .............................................................. 140 cc) Mindestalter und Selbstbestimmung ...................................... 141 b) Materielles Kriterium: Geistige Gesundheit ................................. 148 aa) Regelung im BGB ................................................................. 148 bb) Geistige Gesundheit des Erblassers im Rechtsvergleich ........ 150 i) Deutschland ..................................................................... 150 ii) Österreich ........................................................................ 153 iii) Schweiz ........................................................................... 154 iv) Frankreich ....................................................................... 156 v) Italien .............................................................................. 157
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vi) Spanien ............................................................................ 157 vii) England ........................................................................... 158 cc) Zwischenergebnis .................................................................. 161 dd) Alterstypische Beeinträchtigungen ........................................ 163 ee) Demenz und lichte Augenblicke ............................................ 166 ff) Ergebnis ................................................................................ 173 Fähigkeit zur selbstbestimmten Willensbildung ............................... 174 a) Voraussetzungen einer selbstbestimmten Willensbildung ............ 175 b) Abgrenzung zur Fremdbestimmung ............................................. 176 c) Willensschwäche in der Rechtsprechung...................................... 177 d) Ergebnis ....................................................................................... 179 Relative Testierfähigkeit .................................................................. 180 a) Begriff ......................................................................................... 180 b) Rechtslage im Rechtsvergleich .................................................... 181 c) Schwierigkeitsgrad der Verfügung und rechtliche Komplexität ................................................................................. 184 d) Ergebnis ....................................................................................... 186 Partielle Testierfähigkeit .................................................................. 186 a) Keine partielle Testierfähigkeit im deutschen Recht .................... 186 b) Kritik ........................................................................................... 187 c) Österreich und Italien................................................................... 189 d) Ergebnis ....................................................................................... 190 Testierfähigkeit und Erwachsenenschutz .......................................... 191 a) Ausschluss der Testierfähigkeit bzw. Ermächtigung im Einzelfall ..................................................................................... 192 b) Ausschluss der Testierfähigkeit im Einzelfall .............................. 193 c) Beschränkung der Formwahlfreiheit (Testierfreiheit) ................... 194 d) Keine Auswirkungen auf die Testierfähigkeit .............................. 195 Überprüfung der Testierfähigkeit bei Testamentserrichtung ............. 196 a) Die Feststellungspflichten des Notars .......................................... 196 aa) Deutschland ........................................................................... 196 bb) Österreich .............................................................................. 198 cc) Schweiz ................................................................................. 200 dd) Frankreich ............................................................................. 201 ee) Italien .................................................................................... 202 ff) Spanien.................................................................................. 204 b) Die Golden Rule im englischen Recht .......................................... 205 c) Zwischenergebnis ........................................................................ 207 Rechtsfolgen der Testierunfähigkeit ................................................. 208 a) Unheilbare Nichtigkeit ................................................................. 208 b) Anfechtbarkeit ............................................................................. 209 c) Heilung ........................................................................................ 210 d) Zwischenergebnis ........................................................................ 211
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10. Ergebnisse ...................................................................................... 211 a) Testierfähigkeit als Selbstbestimmungsfähigkeit .......................... 211 b) Geschäftsfähigkeit und Testierfähigkeit ....................................... 212 c) Mindestanforderungen: Mindestalter............................................ 215 d) Mindestanforderungen: Geistige Gesundheit................................ 215 e) Anerkennung relativer und partieller Testierfähigkeit .................. 216 f) Erwachsenenschutzmaßnahmen und Testierfähigkeit ................... 217 g) Überprüfung der Testierfähigkeit zu Lebzeiten ............................ 217 h) Rechtsfolgen der Testierunfähigkeit ............................................. 218 i) Schutz des Erblassers durch Regeln der Testierfähigkeit? ............ 219 j) Ergebnis ....................................................................................... 222 II. Form ..................................................................................................... 223 1. Formzwang im Testamentsrecht. Funktionalisierung und Liberalisierung ................................................................................. 223 a) Begriff der Form .......................................................................... 224 b) Historische Entwicklung im Überblick ........................................ 224 c) Liberalisierung zugunsten des Erblasserwillens ........................... 226 d) Grundformen im modernen Recht ................................................ 229 2. Funktionen des testamentarischen Formzwangs ............................... 231 a) Warnfunktion ............................................................................... 231 b) Rechtsklarheitsfunktion ............................................................... 233 c) Beweisfunktion ............................................................................ 234 d) Fälschungs- und Unterdrückungsschutz ....................................... 235 3. Schutz vor Fremdbestimmung durch Form in der Diskussion........... 236 a) … in den Vorarbeiten zum BGB .................................................. 237 b) … in den Vorarbeiten zum Testamentsgesetz ............................... 238 c) … in der aktuellen deutschen Diskussion über Testamentsformen ........................................................................ 239 4. Schutz vor Fremdbestimmung durch Beschränkung der Formwahlfreiheit .............................................................................. 240 a) Minderjährige .............................................................................. 240 b) Volljährige ................................................................................... 243 c) Ergebnis ....................................................................................... 247 5. Schutz vor Fremdbestimmung bei Privattestamenten ....................... 247 a) Eigenhändigkeit ........................................................................... 248 b) Beteiligung von Zeugen ............................................................... 250 aa) Zeugen als Urkundspersonen ................................................. 251 bb) Bezeugung des Testamentsinhalts ......................................... 253 cc) Bezeugung der Echtheit des Testaments ................................ 253 dd) Bezeugung der Authentizität der Unterschrift ........................ 254 c) Fazit ............................................................................................. 255 6. Schutz vor Fremdbestimmung bei öffentlichen Testamentsformen ............................................................................ 256
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a) Deutsches Recht ........................................................................... 258 aa) Beteiligung des Notars........................................................... 258 bb) Zeugen .................................................................................. 259 cc) Mündlichkeit der Errichtung .................................................. 260 dd) Schutz durch notarielle Testamente? Ein Blick in die Praxis ........................................................... 264 ee) Fazit ...................................................................................... 266 b) Rechtsvergleich............................................................................ 271 aa) Anforderungen an die Willenserklärung des Erblassers ......... 271 bb) Zeugen .................................................................................. 276 cc) Übergabe einer verschlossenen Schrift .................................. 277 dd) Fazit ...................................................................................... 279 c) Ergebnis ....................................................................................... 280 7. Schutz vor Fremdbestimmung bei gemeinschaftlichen Testamenten ..................................................................................... 281 a) Das gemeinschaftliche Testament ................................................ 283 b) Formerleichterungen beim gemeinschaftlichen eigenhändigen Testament ............................................................. 284 c) Zwischenergebnis ........................................................................ 286 d) Schutz durch Form? ..................................................................... 287 e) Fazit ............................................................................................. 289 8. Anforderungen an die Form zum Schutz vor Fremdbestimmung ...... 289 a) Mitwirkung eines neutralen Garanten .......................................... 289 b) Offene Willenserklärung .............................................................. 290 c) Vertraulichkeit ............................................................................. 291 III. Höchstpersönliche Errichtung erbrechtlicher Verfügungen ................... 293 1. Formelle Höchstpersönlichkeit: Eine historische Spurensuche ......... 294 a) Vorgeschichte im römischen Recht .............................................. 294 b) Gemeines und kanonisches Recht ................................................ 295 c) Eingang in die Kodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts ........ 297 d) Entstehungsgeschichte des § 2064 BGB ...................................... 299 2. Begründungsansätze ......................................................................... 300 a) Bedeutung für die nächsten Angehörigen ..................................... 300 b) Sicherung der freien Willensentscheidung ................................... 301 c) Erfordernis eines persönlichen Bekenntnisses .............................. 301 d) Gefahr unlauterer Machenschaften ............................................... 301 e) Verantwortungsübernahme .......................................................... 302 f) Todesverarbeitung ....................................................................... 303 g) Fazit ............................................................................................. 304 3. Durchbrechung der formellen Höchstpersönlichkeit ......................... 306 a) Beistand bei der Willenserklärung ............................................... 306 b) Widerruf des Testaments durch Dritte „im Interesse des Erblassers“ ................................................................................... 307
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c) Vertretung des Erblassers: statutory wills .................................... 308 d) Richtlinien für die Errichtung eines statutory will ........................ 310 e) Voraussetzungen für die Errichtung eines statutory will .............. 312 f) Beispiele aus der Praxis ............................................................... 313 g) Verfahrensaufwand und Kosten ................................................... 315 h) Bewertung: Schutz der Selbstbestimmung des Erblassers?........... 316 § 5 Schutz der Selbstbestimmung durch materielle Beschränkung der Testierfreiheit ....................................................................................... 318 I. Schutz gegen an der Beurkundung Mitwirkende ................................... 319 1. Römisches Recht .............................................................................. 319 a) Zeugen ......................................................................................... 319 b) Testamentsschreiber..................................................................... 321 c) Zusammenfassung und Würdigung .............................................. 321 2. Gemeines Recht ............................................................................... 322 a) Zeugen ......................................................................................... 322 b) Urkundspersonen und Testamentsschreiber.................................. 323 c) Zusammenfassung und Würdigung .............................................. 324 3. Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert ...................................... 325 a) Zeugen ......................................................................................... 325 b) Testamentsschreiber und Notare .................................................. 327 c) Sonstige an der Beurkundung Mitwirkende.................................. 330 d) Zusammenfassung und Würdigung .............................................. 331 4. Deutsches Recht ............................................................................... 333 a) Ausschließungsgründe in den Vorarbeiten zum BGB ................... 333 b) Weitere Entwicklung und BeurkG ............................................... 334 c) Zusammenfassung und Würdigung .............................................. 337 II. Schutz gegen Dritte durch Testierverbote ............................................. 338 1. Testierverbote in der historischen Entwicklung ................................ 338 a) Entstehung im Ancien Droit ......................................................... 338 b) Rechtsunsicherheit und persönlicher Anwendungsbereich ........... 340 c) Code civil..................................................................................... 343 aa) Vormund ............................................................................... 343 bb) Ärzte, Chirurgen und Apotheker ............................................ 344 cc) Priester .................................................................................. 345 dd) Krankenhäuser, religiöse Orden............................................. 346 ee) Schiffsoffiziere ...................................................................... 346 ff) Umgehungen und Rechtsfolgen ............................................. 346 d) Bewertung ................................................................................... 347 2. Testierverbote in den romanischen Rechtsordnungen ....................... 348 a) Der Einfluss auf die romanischen Rechtsordnungen: „relative Erbunfähigkeit“ ............................................................. 348
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b) Testierverbote im italienischen Recht .......................................... 349 c) Testierverbote im spanischen Recht ............................................. 350 d) Kontinuierliche Erweiterung der Testierverbote im französischen Recht ..................................................................... 351 aa) Heime und Betreuungspersonal ............................................. 351 bb) Krankenpfleger und gerichtliche Betreuer ............................. 352 cc) Physiotherapeuten ................................................................. 353 dd) Reformbestrebungen: Erweiterung der Testierverbote ........... 353 3. Testierverbote im deutschen Recht ................................................... 355 a) Heimgesetzgebung (§ 14 HeimG) ................................................ 355 aa) Sachlicher Anwendungsbereich. Letztwillige Verfügungen und Kenntnis .................................................... 357 bb) Persönlicher Anwendungsbereich .......................................... 357 cc) Heimsituation. Keine analoge Anwendung für ähnliche Abhängigkeitslagen ............................................................... 358 dd) Einschränkungen und Ausnahmen ......................................... 359 b) Dienstrechtliche Geschenkannahmeverbote ................................. 360 c) Berufsordnungen: Ärzte ............................................................... 362 d) Beschränkung der Testierfreiheit über § 138 BGB ....................... 364 aa) Sittenwidrigkeit wegen Missbrauchs einer Vertrauensstellung ................................................................. 364 bb) Kein typisiertes Testierverbot nach § 138 BGB für Vertrauenspersonen ............................................................... 364 cc) Rechtsprechung ..................................................................... 365 e) Gesetzliche Konkretisierung des § 138 BGB zum Schutz vor Fremdbestimmung ....................................................................... 367 f) Zusammenfassung und Befund .................................................... 368 III. Fazit: Inhaltliche Beschränkungen der Testierfreiheit zum Schutz des Erblassers? ..................................................................................... 371 1. Grundwertung .................................................................................. 371 2. Testierverbote in Bezug auf Mitwirkende ......................................... 372 3. Testierverbote in Bezug auf Dritte.................................................... 373 4. Ergebnis ........................................................................................... 375 § 6 Maßnahmen zum Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung ............ 376 I. Leitkriterien bei der Ausgestaltung eines rechtlichen Schutzinstruments ................................................................................ 377 1. Selbstbestimmung ermöglichen ........................................................ 377 2. Formwahlfreiheit erhalten ................................................................ 378 3. Flexibilität zulassen.......................................................................... 379 II. Formwahlbeschränkungen in Gefährdungslagen ................................... 379 1. Die inhabilidad sucesoria im katalanischen Erbrecht ....................... 380
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Kritik ............................................................................................... 380 Certificate of independent review im kalifornischen Recht ............... 382 Kritik ............................................................................................... 383 Anforderungen und Ausgestaltung eines wirksamen Schutzinstruments ............................................................................ 384 a) Persönlicher Anwendungsbereich ................................................ 384 aa) Keine Anknüpfung am Alter des Erblassers........................... 385 bb) Anknüpfung an eine Abhängigkeitslage des Erblassers ......... 386 cc) Kein grundsätzlicher Ausschluss für Ehepartner und sonstige Verwandte ............................................................... 387 dd) Kein Ausschluss für unentgeltliche Dienstleister ................... 388 b) Flexibilisierung: Ausgestaltung als Vermutungsregel .................. 389 c) Erforderliche Form ...................................................................... 390 6. Ergebnis: De lege ferenda Vorschlag ............................................... 393 7. Verfassungskonformität ................................................................... 395 8. Kollisionsrechtliche Behandlung der Schutzvorschrift ..................... 396 2. 3. 4. 5.
Ergebnisse............................................................................................... 399 Literaturverzeichnis .................................................................................... 407 Rechtsprechungsverzeichnis ....................................................................... 431 Sachverzeichnis .......................................................................................... 441
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis a. A. AB ABGB Abl SL abl. Abs. A.C. AcP a. F. AG Ageing Soc. ÄGH AJP All ER ALR Alzheimer’s & Dementia Am. J. Psych. Anm. AP APuZ Ariz. L. Rev. Art. Aufl. A.2d
anderer Ansicht Amtliches Bulletin (Schweiz) Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Amtsblatt des Saarlandes ablehnend Absatz Appeal Cases (Third Series), Law Report Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) alte Fassung Amtsgericht (Deutschland) Ageing and Society (Zeitschrift) Ärztegerichtshof (Deutschland) Aktuelle Juristische Praxis (Zeitschrift) All England Law Reports Preußisches Allgemeines Landrecht Alzheimer’s & Dementia: The Journal of the Alzheimer’s Association American Journal of Psychiatry Anmerkung Audiencia Provincial (Gericht zweiter Instanz, Spanien) Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift) Arizona Law Review Artikel Auflage Atlantic Reporter Second
BAT Bay GVBl. BayObLG BBG Bd. BeckOK BeckRS belg. Cod. civ. BerGer. BerUrt. BeurkG BGB
Bundes-Angestelltentarifvertrag Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht Bundesbeamtengesetz Band Beck’scher Onlinekommentar Beck-Rechtsprechung (Beck Online) Code civil (Belgien) Berufungsgericht Berufungsurteil Beurkundungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch
XXII BGBl BGBl. BGE BGer BGH BGHZ BlgNR
Abkürzungsverzeichnis
BNotO Brem.GBl. BT-Drucks. Bull. civ. Bull. crim. BVerfG BVerfGE BWB BWNotZ
Bundesgesetzblatt (Österreich) Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgericht (Schweiz) Bundesgerichtshof (Deutschland) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Beilage(n) zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats (Österreich) Bundesnotarordnung (Deutschland) Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen Bundestagsdrucksache Bulletin des arrêts de la Cour de cassation: Chambres civiles Bulletin des arrêts de la Cour de cassation: Chambre criminelle Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Burgerlijk Wetboek (Niederlande) Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg
CA Cal. 4th Cal. AB Cal. Prob. Code Cap. Cass. civ. Cass. crim. Cass. C. fam. Ch Classical Philol. C.L.J. C.M.L. Rev. CMBC C. pen. Cod. comm. COP Cost. CQ Global Researcher
Court of Appeal California Official Reports 4th California Assembly Bill California Probate Code capitulum (Kapitel) Cour de cassation – chambre civile (Frankreich) Cour de cassation – chambre criminelle (Frankreich) Corte di cassazione (Italien) Code de l’action sociale et des familles (Frankreich) Law Reports, Chancery Division (3rd Series) Classical Philology (Zeitschrift) Cambridge Law Journal Common Market Law Review Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 Code pénal (Frankreich) Codex iuris civils commentaire Court of Protection (England) Costituzione della Repubblica Italiana (Italienische Verfassung) Congessional Quaterly Global Researcher
D. DA
Digesten Réceuil analytique de jurisprudence et de législation Dalloz (1941–1944) De Gex & Smale’s Chancery Reports derselbe Demografische Forschung aus erster Hand (Zeitschrift) das heißt dieselbe Diritto delle successioni e della famiglia (Zeitschrift) Deutsche Justiz (Zeitschrift)
De G.&Sm. ders. DFAEH d. h. dies. Dir.succ.fam. DJ
Abkürzungsverzeichnis
XXIII
DJT DNotZ Dr. famille Duke J. Comp. & Int’l L.
Deutscher Juristentag Deutsche Notar-Zeitschrift Droit de la famille (Zeitschrift) Duke Journal of Comparative and International Law
E ebd. Ed. EF-Z Einl. EMRK EQG M-V ErbR ErbRÄG Est.Plan.&Cmty. Prop.L.J. et al. EWCA Civ EWHC
Erblasser ebenda Edition Zeitschrift für Familien- und Erbrecht Einleitung Europäische Menschenrechtskonvention Einrichtungsqualitätsgesetz Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (Österreich) Estate Planning and Community Property Law Journal
f./ff. Fam Fam.dir. FamErbRÄG FamPRa.ch FamRZ
folgende Family Division (Vereinigtes Königreich) Famiglia e diritto (Zeitschrift) Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2004 (Österreich) Die Praxis des Familienrechts (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht, Erbrecht, Verfahrensrecht, Öffentlichem Recht Fachdienst Erbrecht (Beck Online) Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zeitschrift) Family Law Reports Fußnote Foro italiano (Zeitschrift) Familie Partnerschaft Recht (Zeitschrift) Code civil (Frankreich)
FD-ErbR FGPrax FLR Fn. Foro it. FPR franz. C. civ. Gai. GBl. BW GG Giur.merito Giust.civ. Giust.civ.mass. GP g.t. GVBl. GVBl. LSA GV. NRW. GVOBl. M-V
und andere Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales) England & Wales High Court
Gaius Gesetzblatt des Landes Baden Württemberg Grundgesetz Giurisprudenza di merito (Zeitschrift) Giustizia civile (Zeitschrift) Giustizia civile massimario (Zeitschrift) Gesetzgebungsperiode giudice tutelare (Vormundschaftsgericht, Italien) Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Gesetz-und Verordnungsblatt für das Land MecklenburgVorpommern
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
Hamb. GVBl. Harv. L. Rev. Hbd. HeimG HKK h. M. Hrsg.
Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Harvard Law Review Halbband Heimgesetz (Deutschland) Historisch-kritischer Kommentar zum BGB herrschende Meinung Herausgeber
ICLQ iFamZ i. g. F. Int.J. Law Psychiatry IPG Isr. L. Rev. i.S.v ital. Cod. civ. i. V. m.
International and Comparative Law Quarterly (Zeitschrift) Interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht in geltender Fassung International Journal of Law and Psychiatry International Psychogeriatrics (Zeitschrift) Israel Law Review im Sinne von Codice civile (Italien) in Verbindung mit
JA J. Aging Soc. Policy JBl J. Ethics JEV Jh. JherJb J.O. J. Soc. Philos. JuS JW JZ
Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Journal of Aging and Social Policy Juristische Blätter (Zeitschrift) Journal of Ethics Journal für Erbrecht und Vermögensnachfolge Jahrhundert Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Journal officiel de la République française Journal of Social Philosophy Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) JuristenZeitung
Kap. kat. C. civ. KG
Kapitel Código civil de Cataluña (Katalonien) Kammergericht (Deutschland)
Lab. La. L. Rev. LG LGBl. Lib. lit. LM LPA LQR L.R. lux. C. civ.
Labeo (Zeitschrift) Louisiana Law Review Landgericht (Deutschland) Landesgesetzblatt (Österreich) liber (Buch) litera Nachschlagewerk des BGH in Zivilsachen, zitiert nach Gesetz und laufender Nr., hrsg. von Lindenmaier/Möhring Les Petites Affiches (Zeitschrift) Law Quarterly Review Law Report(s) Code civil (Luxemburg)
malt. C. civ.
Maltese Civil Code
Abkürzungsverzeichnis MBO MDR Mich. J.L. Reform Minn. L. Rev. MittBayNot MTArb MüKo BGB m. w. N.
XXV
Musterberufsordnung der Ärzte (Deutschland) Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) University of Michigan Journal of Law Reform Minnesota Law Review Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern (Zeitschrift) Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (Deutschland) Münchener Kommentar zum BGB mit weiteren Nachweisen
Nds. GVBl. NJOZ NJW NJW-RR
Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht NO Notariatsordnung (Österreich) Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-RR Neue Zeitschrift für Strafrecht, Rechtsprechungs-Report Nuova giur.civ.comm. La Nuova Giurisprudenza Civile Commentata (Zeitschrift) N.W.2d North Western Reporter Second NZ Österreichische Notariatszeitung NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht OGH OGHbrZ OGHZ OLG OLGZ OR
Oberster Gerichtshof (Österreich) Oberster Gerichtshof für die Britische Zone Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Zivilsachen Oberlandesgericht (Deutschland) Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Obligationenrecht (Schweiz)
Pa. P.&D. Pepp. L. Rev. Pomp. port. C. civ. P.2d P.3rd
Pennsylvania State Reports Probate and Divorce Cases Pepperdine Law Review Pomponius Código civil (Portugal) Pacific Reporter Second Pacific Reporter Third
Q.B.
Queen’s Bench
RabelsZ RDP Recht
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revista de derecho privado Das Recht – Rundschau für den deutschen Juristenstand (Zeitschrift) Responsabilità civile e previdenza (Zeitschrift) Revision
Resp.civ.prev. Rev.
XXVI RG Warn. RG RGBl. RGRK RGZ Riv.dir.civ. Riv.not. RJ RJN RLDC Rn. RNotZ Rob. Ecc. Rpfleger Rz.
Abkürzungsverzeichnis Warneyers Jahrbuch der Entscheidungen. Ergänzungsband enthaltend die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts, hrsg. von Otto Warneyer Reichsgericht (Deutschland) Reichgesetzblatt Reichsgerichtsräte-Kommentar BGB Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen 1880 bis 1945 Rivista di diritto civile Rivista del notariato Aranzadi Civil (Sentencias Tribunal Supremo) Revista Jurídica de Navarra Revue Lamy Droit Civil Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Robertson’s Ecclesiastical Reports Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Randziffer
s. S. Sächs. GVBl. SG S.J. sog. span. C. civ. Stetson L. Rev. STS successio S.W.2d SZ
section Satz/Seite Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Soldatengesetz (Deutschland) Solicitors’ Journal sogenannt Código civil (Spanien) Stetson Law Review Sentencia del Tribunal Supremo (Spanien) Successio – Zeitschrift für Erbrecht South Western Reporter Second Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofs in Zivil- (und Justizverwaltungs-)sachen, veröffentlicht von seinen Mitgliedern
TELTJ ThürWTG Trib.
Trusts and Estates Law & Tax Journal Thüringer Gesetz über betreute Wohnformen und Teilhabe Tribunal (Frankreich)/Tribunale (Italien)
UCLA L. Rev. U. Kan. L. Rev. Ulp. UMKC L. Rev. UN-BRK UNSW L.J. UPC U. Pitt. L. Rev.
University of California Los Angeles Law Review University of Kansas Law Review Ulpian University of Missouri-Kansas City Law Review UN-Behindertenrechtskonvention University of New South Wales Law Journal Uniform Probate Code (USA) University of Pittsburgh Law Review
Vfg. VGH vgl.
Verfügung Verwaltungsgerichtshof (Deutschland) vergleiche
Abkürzungsverzeichnis Vorbem.
Vorbemerkungen
WISTA WLR WM Wn. App. WTG WTLR
Wirtschaft und Statistik (Zeitschrift) Weekly Law Reports Wertpapier Mitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Washington Appellate Reports Wohnteilhabegesetz Wills & Trusts Law Reports
Yale L.J.
Yale Law Journal
z. B. ZBGR ZBW ZErb ZEV ZGB Ziff. ZRG GA
zum Beispiel Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zivilgesetzbuch (Schweiz) Ziffer Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Germanistische Abteilung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Romanistische Abteilung
ZRG RA
XXVII
Einleitung Einleitung
I.
Erbrecht in einer alternden Gesellschaft
I. Erbrecht in einer alternden Gesellschaft
Der „demographische Wandel“ als viel bemühter Topos der Gegenwart bezeichnet die Veränderung der Altersstruktur unserer westlichen Industriegesellschaften. Rückläufige Geburtenzahlen verbunden mit einer stetig steigenden Lebenserwartung stellen nicht nur die Tragfähigkeit bestehender sozialer Sicherungssysteme in Frage,1 sondern lassen auch Zweifel darüber aufkommen, ob das geltende Recht den damit verbundenen Herausforderungen gerecht werden kann. 1. Demographischer Wandel: die Alterung der Gesellschaft Dass der „demographische Wandel“ nicht bloß ein zu gesellschaftspolitischen Zwecken an die Wand gemaltes Schreckgespenst ist, sondern bereits in der Gegenwart seine Wirkungen zeigt, ergibt sich aus gesicherten Bestandsaufnahmen und weithin anerkannten, länderübergreifenden Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung in den westlichen Industrieländern der nächsten 50 Jahre.2 Während im Jahr 2008 die Bevölkerung Deutschlands noch zu 19 % aus Kindern und Jugendlichen bis 20, zu 61 % aus Erwachsenen bis 65 und zu 20 % aus älteren Menschen bestand, prognostizierte das Statistische Bundesamt in einem 2015 erschienenen Bericht,3 dass sich der Bevölkerungsanteil der über 65-Jährigen im Jahr 2060 auf 33 % erhöhen werde, sodass dann jeder Dritte älter als 65 sein und die Gesamtzahl aller über 70-Jährigen die Neugeborenenzahl um das Doppelte übersteigen werde.4 Die Zahl der heute 5 Millionen Menschen über 80 wird demnach auf 9 Millionen ansteigen, sodass im Jahr 2060 jeder achte (insgesamt ca. 13 % der Bevölkerung) bereits über 80 Jahre alt sein wird.5 Ein sehr ähnliches Bild zeichnet das Statistikamt 1 Sachverständigenrat, Herausforderungen 2011. Zu wirtschaftlichen Gefahren und Chancen des demographischen Wandels vgl. Börsch-Supan, APuZ 10–11/2011, 19 ff. 2 Vgl. United Nations, World Population Ageing 2015; im Überblick auch: Greenblatt, CQ Global Researcher 5 (2011) 133–156, United Nations, Population Ageing and Development 2009. 3 Statistisches Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2060 17. 4 Statistisches Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2060 17. 5 Statistisches Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2060 19.
2
Einleitung
Austria6 für Österreich, wonach der Bevölkerungsanteil der über 65-Jährigen von 18,4 % im Jahr 2014 auf 27,9 % im Jahr 2050 ansteigen wird. Jeder Dritte wird dann der Generation der über 65-Jährigen angehören. Diese Zahlen sind freilich nicht nur auf die steigende Lebenserwartung zurückzuführen, sondern ergeben sich auch aus der anhaltend geringen Fertilität,7 die einen Anstieg des Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung sowie eine gleichzeitig zunehmende Verkleinerung der Kernfamilien (Ein-Kind-Familien) und somit eine Schrumpfung der Generationen mit sich bringt. Eine Geburtenrate von 1,3 oder 1,4, wie sie heute in vielen Industriestaaten festgestellt werden kann, verkleinert jede künftige Generation im Vergleich zur vorangehenden Generation um ein Drittel.8 2. Gesellschaftlicher Wandel: die Pluralisierung der Lebensformen Zum Topos des demographischen Wandels gesellt sich jener der Pluralisierung der Lebensformen. Neben der Zunahme des Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung und der durch geringe Geburtenraten bedingten Schrumpfung der Kernfamilien ist nämlich auch ein allgemeiner Trend zur Vervielfältigung der Lebensformen festzustellen.9 Wenngleich keine generelle Abkehr von partnerschaftlichen Lebensformen festzustellen ist, wird die Ehe zwischen Mann und Frau als traditionelle Lebensform doch seit den 1970er Jahren angesichts steigender Scheidungszahlen und abnehmender Eheschließungen von alternativen Lebensformen, insbesondere der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, zurückgedrängt, mag sie auch vorerst die dominierende Partnerschaftsform bleiben.10 In einem immer längeren Leben gewinnen eheliche und vor allem nichteheliche Lebensabschnittspartnerschaften (serielle Monogamie) an Bedeutung11 und tragen dazu bei, dass immer häufiger sogenannte Patchwork-Familien anzutreffen sind. Wenn auch gesamtgesellschaftlich immer noch partnerschaftliche Lebensformen vorherrschen,12
Statistik Austria, Bevölkerungsprognose 2015. Vgl. dazu Schneider/Dorbritz, APuZ 10–11/2011, 26 ff. Demnach besteht ein enger Zusammenhang zwischen der zurückgehenden Geburtenrate und dem steigenden Bildungsund Erwerbsgrad von Frauen. 8 Seiler, Grundzüge 1. 9 Vgl. dazu Brüderl, APuZ 19/2004, 3 ff.; Hill/Kopp, Familiensoziologie 305 ff.; Schmidt/Moritz, Familiensoziologie 37 ff.; Wagner, Entwicklung und Vielfalt der Lebensformen 99 ff. Die Heterogenität der Lebensformen ist zumindest heute noch ein Phänomen, das besonders unter jungen Erwachsenen zwischen 20 und 35 festzustellen ist: ebd. 119. 10 Lengerer/Klein, WISTA 4/2007, 447. Dabei handelt es sich zwar um einen allgemein feststellbaren Trend. Im Detail sind allerdings bedeutende Unterschiede zwischen den Altersgruppen festzustellen. 11 Vgl. Eckhard, ZBW 31 (1/2006) 105–125. 12 Lengerer/Klein, WISTA 4/2007, 447. 6 7
I. Erbrecht in einer alternden Gesellschaft
3
ist ein stetig zunehmender Trend zu Einzelhaushalten (Singularisierung)13 festzustellen. Der jüngste österreichische Familienbericht zeigt, dass bereits 36 % der österreichischen Haushalte nur von einer Person bewohnt werden. Davon sind 43,6 % Alleinstehende, die mindestens 60 Jahre alt sind.14 In Deutschland zeigt sich ein ähnliches Bild. Von den 39,9 Millionen Haushalten im Jahr 2013 wurden 40,5 % von nur einer Person und weitere 34,4 % von nur zwei Personen bewohnt.15 35,1 % der Einzelpersonenhaushalte wurden im Jahr 2013 von mindestens 65 Jahre alten Personen bewohnt.16 3. Erbrecht im demographischen und gesellschaftlichen Wandel Dass vor dem Hintergrund dieses demographischen und gesellschaftlichen Wandels auch das Erbrecht als grundsätzlich statusorientiertes17, strukturell der ehelichen Familie verpflichtetes Rechtsgebiet18 unter Reformdruck gerät, kann nicht überraschen. So diskutierte der 68. Deutsche Juristentag die Frage, ob das deutsche Erbrecht „noch zeitgemäß“ sei.19 Davor hatten sich bereits der 17. Österreichische Juristentag,20 der 5. Deutsche Erbrechtstag21 und der 3. Schweizer Erbrechtstag22 ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, wie das Erbrecht den Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels im 21. Jahrhundert begegnen könne. Während in der Schweiz23 und in Österreich24 noch über eine künftige Reform diskutiert wurde, entschied sich der Brüderl, APuZ 19/2004, 4. Vgl. Schipfer, Familien in Zahlen 8. Dabei handelt es sich vor allem um Verwitwungen, besonders bei Frauen. In Deutschland waren im Jahr 1999 79 % der über 80-jährigen Frauen verwitwet: Vierter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drucks. 14/8822, 90. 15 Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Tafel 1, 1.2, 1.2.1. 16 Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Tafel 3, 3.6, 3.6.1. 17 Zur Statusorientierung im Erbrecht vgl. insbesondere Röthel, Solidaritätskonzept 85 ff. 18 Dazu Breitschmid, successio 2007, 10 ff. 19 Röthel, Gutachten 68. DJT. 20 Welser, Reform. 21 Vgl. Kroppenberg, ErbR 2010, 206 ff.; Szydlik, ErbR 2010, 217 ff. 22 Vgl. Breitschmid, successio 2009, 276–317. 23 Motion 10.3524 des Ständerats Felix Gutzwiller, Für ein zeitgemässes Erbrecht vom 17.6.2010. Unter der Voraussetzung, dass nichteheliche Partner ehelichen Partnern nicht gleichgestellt werden, haben der Nationalrat und der Ständerat die Motion angenommen und den Bundesrat beauftragt, „das über hundertjährige, nicht mehr zeitgemässe Erb- und Pflichtteilsrecht flexibler auszugestalten und es den stark geänderten demografischen, familiären und gesellschaftlichen Lebensrealitäten anzupassen.“ Vgl. Amtliches Bulletin 2011 N 109. 24 Vgl. für die vor allem in der Wissenschaft geführte Diskussion: Welser, Reform. Im März 2015 ging der Entwurf zur Reform des österreichischen Erbrechts in Begutachtung, im Juli 2015 wurde er vom österreichischen Parlament als Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (ErbRÄG 2015) angenommen: BGBl. I 87/2015 vom 20.7.2015. 13 14
4
Einleitung
deutsche Gesetzgeber mit der Erbrechtsreform des Jahres 2010 für eine punktuelle Revision einzelner Erbrechtsbestimmungen, um einerseits den gesellschaftlichen Entwicklungen und den geänderten Wertvorstellungen Rechnung zu tragen und andererseits die Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers zu stärken.25 Ähnliche Motive haben auch den französischen Gesetzgeber dazu bewogen, das Erbrecht einer Revision zu unterziehen.26 In vielen weiteren Rechtsordnungen sind Reformen geplant oder bereits umgesetzt.27 Indes ist Forderungen, die aufgrund demographischer und zuweilen auch demoskopischer28 Erkenntnisse Gesetzesreformen anmahnen, grundsätzlich mit Vorsicht zu begegnen. Dies bedeutet freilich nicht, dass sich wandelnden demographischen und sozialen Gegebenheiten überhaupt keine erbrechtsspezifische Bedeutung zukommen soll, weil etwa das Erbrecht des BGB „grundsätzlich wertanschauungsfrei und gesellschaftspolitisch neutral“ formuliert sei.29 Ganz im Gegenteil: Das Erbrecht des BGB ist – ebenso wie das Erbrecht anderer Rechtsordnungen – wesentlich durch Wertanschauungen und 25 Vgl. die Begründung im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts, BT-Drucks. 16/8954, S. 1. 26 Der sehr punktuellen Reform des Jahres 2001 (Loi n° 2001-1135 relative aux droits du conjoint survivant et des enfants adultérins et modernisant diverses dispositions de droit successoral, J.O. Nr. 281 vom 4.12.2001, S. 19279) folgte im Jahr 2006 eine am 1.1.2007 in Kraft getretene umfangreichere Reform des Erbrechts, womit vor allem die Testierfreiheit gestärkt werden sollte (Loi n° 2006-728 portant réforme des successions et des libéralités, J.O. Nr. 145 vom 24.6.2006, S. 9513). 27 Vgl. etwa nun die Reform des österreichischen Erbrechts im ErbRÄG 2015 sowie die Reform des katalanischen Erbrechts aus dem Jahr 2008 (Ley 10/2008, de 10 de julio, del libro cuarto del Código civil de Cataluña, relativo a las sucesiones) oder die Vorarbeiten für eine Reform des schottischen Erbrechts: Report on Succession: Scottish Law Commission Report No 215, verfügbar unter: . Für einen Überblick über die Erbrechtsanpassungen in den letzten Jahrzehnten im Lichte des demographischen Wandels in den einzelnen Bundesstaaten der USA: Hill, J. Aging Soc. Policy 7 (1995) 57 ff. 28 Mittels Umfragen versuchte das Bundesministerium für Justiz in den Jahren 1970 und 1971 den mutmaßlichen Erblasserwillen zu ermitteln, um sich daran bei einer 1969 vom Bundestag beschlossenen (nie umgesetzten) großen Reform des gesetzlichen Erbrechts zu orientieren (Beschluss abgedruckt in: FamRZ 1969, 506). Die Ergebnisse wurden zusammengefasst und kommentiert veröffentlicht: Stöcker, FamRZ 1971, 609 ff. Für eine eingehende kritische Auseinandersetzung mit diesen Umfragen vgl. Bauer, Soziologie 35 ff. Weitere Umfragen wurden in Österreich (Freisitzer, Ausgestaltung 101 ff.) Frankreich und Großbritannien durchgeführt. Dazu mit weiteren Hinweisen Bauer, Soziologie 7 (Fn. 10). In jüngerer Vergangenheit sind das Konstanzer Erbschafts Survey (dazu mit den wichtigsten Ergebnissen einer Telefonbefragung von 990 Personen: Lettke, Vererbungsmuster) sowie die Studie des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) für die Schweiz unter dem Titel „Erben in der Schweiz. Eine Familiensache mit volkswirtschaftlichen Folgen“ zu erwähnen. Für eine Zusammenfassung vgl. Stutz, FamPra.ch 4/2006, 862–877; kritisch dazu Breitschmid, successio 2007, 202 ff. 29 Rauscher, Reformfragen Bd. 1 180 (freilich relativierend auf S. 182).
I. Erbrecht in einer alternden Gesellschaft
5
gesellschaftspolitische Entscheidungen geprägt.30 Etwa die Entscheidung für eine Privaterbfolge, der Grundsatz der Familienerbfolge im gesetzlichen Erbrecht, die dem Erblasser gewährte Testierfreiheit und das Pflichtteilsrecht entspringen spezifischen Wertanschauungen über das Verhältnis von Familie und Individuum, die im Lichte gesellschaftlichen Wandels durchaus veränderlich sind.31 Darüber hinaus ist zu bedenken, dass das geltende Erbrecht aufgrund vielfältiger Möglichkeiten der Vermögenskonzentration soziale Ungleichheit tendenziell stabilisiert bzw. vergrößert (Perpetuierungswirkung),32 sodass die Behauptung einer „gesellschaftspolitischen Neutralität“ des Erbrechts nicht haltbar ist.33 Reformaufrufe, die sich auf demographischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen beruhen, sind aber ganz grundsätzlich skeptisch zu beurteilen, weil es schlicht nicht möglich ist, von deskriptiven bzw. empirischen auf normative Sätze zu schließen.34 Zu behaupten, dass etwa aufgrund der Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften in der Gesellschaft Lebensgefährten den Ehepartnern erbrechtlich gleichgestellt werden sollen, ist ein Fehlschluss,35 da aus Prämissen ohne normatives Prädikat ein normativer Schluss schon logisch nicht folgen kann. Was sein soll, ergibt sich nicht aus dem Ist-Zustand,36 sondern aus dem Zusammenspiel deskriptiver und präDies zeigt ganz vortrefflich Dutta, Erbrecht in seiner umfassenden Untersuchung über die Funktionen, die der Gesetzgeber dem Erbrecht bei dessen Ausgestaltung zuweisen kann. 31 Dies zeigt sich exemplarisch im Zusammenhang mit der seit langem anhaltenden Diskussion über eine Reform oder gar eine Abschaffung des Pflichtteilsrechts. Vgl. etwa Coing, Gutachten 49. DJT A45 ff.; Schlüter, Änderung 1047 ff.; Martiny, Gutachten 64. DJT A3 ff. 32 Szydlik, ErbR 2010, 219: „Ebenfalls bestätigt sich, dass bereits solche Personen(gruppen) erben, die ohnehin ökonomisch bessergestellt sind.“ Ders., Reich 135 ff. Zur Perpetuierungsfunktion des Erbrechts („Kontinuität durch Erbrecht“) vgl. ausführlich Dutta, Erbrecht 477–544. 33 Vgl. Soergel/Stein, Einl. Erbrecht Rn. 66. 34 Dass von einem Sein (d. h. von einer deskriptiven Prämisse) nicht auf ein Sollen (normative Konklusion) geschlossen werden kann, entspringt den Grundregeln der Logik und ist in der Moralphilosophie als Hume’sches Gesetz bekannt. Hume, Treatise, Buch III, Teil 1, Abschnitt 1: „For as this ought, or ought not, expresses some new relation or affirmation, it is necessary that it should be observed and explained; and at the same time that a reason should be given, for what seems altogether inconceivable, how this new relation can be a deduction from others, which are entirely different from it.“ 35 Dasselbe gilt im Übrigen für den Schluss, dass aufgrund des allgemein höheren Durchschnittsalters von Erben zum Zeitpunkt des Erbfalls das Pflichtteilsrecht zu überdenken sei. Ein solcher Schluss wäre nur dann zulässig, wenn neben der empirischen Prämisse des deutlich höheren Lebensalters der Erben bei Erbantritt und ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit, die normative Prämisse der (ausschließlichen) Versorgungsfunktion des Pflichtteilsrechts für wirtschaftlich Unselbständige träte. 36 A. A. offenbar Soergel/Stein, Einl. Erbrecht Rn. 66, der davon ausgeht, dass mangels spezifisch erbrechtsrelevanter soziologischer Untersuchungen bereits eine Sekundäranalyse 30
6
Einleitung
skriptiver Prämissen, die gerade im Fall soziologischer und demographischer Befunde fehlen.37 Dass die Berücksichtigung demographischer und soziologischer Daten im Hinblick auf eine Reform des Erbrechts38 aber dennoch von Nutzen sein kann, soll damit nicht in Abrede gestellt werden. Nichts spricht dagegen, wenn der Gesetzgeber im Hinblick auf eine Reform des Erbrechts auch Rechtstatsachen berücksichtigt, um die Aktualität seiner Wertanschauungen an der Realität zu messen und möglicherweise zu überdenken.39 Sollte sich zum Beispiel in naher oder ferner Zukunft herausstellen, dass der Ehe in der Gesellschaft kaum noch praktische Bedeutung zukommt und entsprechend nichteheliche Lebensformen in allen Lebensaltersstufen dominieren, mag es für den Gesetzgeber an der Zeit sein, sich Gedanken darüber zu machen, inwiefern die Vorrangstellung der ehelichen Familie im Erbrecht noch aufrecht erhalten werden soll. Eine Entscheidung wird sich aber auch in diesem Fall niemals durch das Faktische aufdrängen, sondern immer im Ermessen der politischen Entscheidung des Gesetzgebers stehen, der sich dabei an den Rahmen der verfassungsrechtlich in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG verankerten Erbrechtsgarantie zu halten hat. Demographische und soziologische Befunde gestatten bzw. erleichtern es dem Gesetzgeber, sich bestimmter Entwicklungen und Probleme bewusst zu werden. Künftige Herausforderungen können auf diese Weise vorhergesehen werden, um so das Recht entsprechend vorzubereiten bzw. sicherzustellen, dass es auch neuen gesellschaftlichen Bedingungen gerecht wird.40 Unter der Voraussetzung, dass die Daten im erbrechtlichen Kontext richtig gelesen und ausgewertet werden,41 ist mithin jenen Stimmen in der Lehre beizupflichten, die sich für die Verwendung familiensoziologischer und demographischer Erkenntnisse bei Reformüberlegungen im Erbrecht ausspre-
sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse „rationalere Begründungen für Reformvorschläge zu liefern“ vermöchte. 37 So im Ergebnis auch Staudinger/Otte, Einl. zum Erbrecht Rn. 125: „Die Feststellung all dieser Veränderungen macht indessen noch keinen Reformvorschlag schlüssig.“ Ebenso Kroppenberg, ErbR 2010, 207. Kritisch zur erbrechtlichen Relevanz demographischer Daten auch: Rauscher, Reformfragen, Bd. 1 182 ff.; umfassend Bauer, Soziologie und Erbrechtsreform (2003). 38 MüKo BGB/Leipold, Erbrecht Einl. Rn. 61. 39 So hat etwa der österreichische Gesetzgeber der gewandelten gesellschaftlichen Realität im Zuge der Erbrechtsreform 2015 durch die Einführung eines gesetzlichen Erbrechts des Lebensgefährten im letzten Rang Rechnung getragen. Vgl. dazu Christandl, JBl 2016 21 ff. 40 Insofern dienen demographische und soziologische Erkenntnisse dem Gesetzgeber zur „Problemerkenntnis und-definition, Situationsanalyse, Abschätzung der Entwicklung ohne gesetzgeberische Tätigkeit und Ursachenanalyse“: Bauer, Soziologie 222. 41 Vgl. dazu instruktiv Otte, AcP 202 (2002) 335 ff.
I. Erbrecht in einer alternden Gesellschaft
7
chen.42 Auf die durchaus wichtige Orientierungsfunktion,43 die solche Erkenntnisse im Zusammenhang mit Gesetzesreformen erfüllen können, sollte nicht leichthin verzichtet werden.44 Erkenntnissen der empirischen Sozialwissenschaften kommt indes nicht bloß in der Gesetzgebung, sondern auch in der Rechtswissenschaft eine wichtige Funktion zu. Nicht zuletzt ist es diesen Befunden zu verdanken, dass sich die Rechtswissenschaft in jüngster Zeit verstärkt mit Rechtsfragen im Zusammenhang mit Menschen in höherem Alter45 auseinander setzt und damit vorausschauend Lösungen erarbeitet, die in der Rechtspraxis fruchtbar gemacht werden können. 4. Zunahme alterstypischer Krankheiten und Erbrecht Obwohl dank des medizinischen Fortschritts, positiver Umwelteinflüsse und bestimmter Lebensgewohnheiten (Verzicht auf Risikofaktoren, gesunde Ernährung und ausreichend geistige und körperliche Aktivität) Gesundheit und Leistungsfähigkeit heute bis in das hohe Alter erhalten werden können,46 steht doch außer Zweifel, dass aufgrund der stetig steigenden Lebenserwartung der Anteil der an alterstypischen körperlichen und geistigen Gebrechen leidenden Bevölkerung zunehmen wird. Nach heutigen Berechnungen soll sich die Zahl der an einer Demenzkrankheit leidenden Personen in DeutschMüKo BGB/Leipold, Erbrecht Einl. Rn. 61. Insofern wird in der Rechtssoziologie ein interdisziplinärer Austausch gefordert. Vgl. Cottier, Reformbedürftigkeit 219, die darauf hinweist, dass der je eigene disziplinäre Charakter von Rechtswissenschaft und Soziologie nicht aufgelöst werden darf. Zu nutzen sei die unterschiedliche epistemologische Orientierung bei der Erkenntnisgewinnung. 44 Die Entwicklungen etwa im Betreuungsrecht, im Recht der Patientenverfügungen oder der Maßnahmen gegen Altersdiskriminierung legen über die große Bedeutung dieser Orientierungsfunktion hinreichend Zeugnis ab. 45 Wenngleich sich ein „Altersrecht“ (elder law) als eigene Disziplin noch nicht herausgebildet hat. Vgl. dazu Spickhoff, AcP 208 (2008) 347; Zimmer, ZErb 2010, 127 f.; Becker/Roth (Hrsg.), Recht der Älteren. Zuletzt zur Frage älterer Menschen in Rechtsprechung, Gesetz und Beratung: Wedemann, NJW 2014, 3419–3424; dies., AcP 214 (2014) 664–694; Gebauer/Isomura/Kansaku/Nettesheim, Alternde Gesellschaften. Aus rechtstheoretischer Perspektive vgl. Doron (Hrsg.), Theories on Law and Ageing. Zum heterogenen Begriff „Altersrecht“, der sich aus privat- und öffentlichrechtlichen Materien zusammensetzt, vgl. Ganner, Selbstbestimmung 19 ff. Dagegen ist die Entwicklung in Großbritannien und den USA bereits weiter. Für Großbritannien vgl. etwa Herring, Older People in Law and Society (2009); für eine Übersicht über elder law als Gegenstand in der universitären Lehre in den USA: Kaplan, Stetson L. Rev. 40 (2010) 15, 18 ff. Auch in Spanien befasst sich die Lehre schon seit längerer Zeit mit Fragen des Altersrechts (derecho de la ancianidad): vgl. etwa Zurita Mártin, Protección civil de la ancianidad; Pérez/Gallego/ Reguero Celada (Hrsg.), Protección jurídica de los mayores. 46 Vgl. dazu Sechster Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drucks. 17/3815, S. 24. 42 43
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Einleitung
land bis 2050 mit mindestens zwei Millionen im Vergleich zu heute verdoppeln.47 Parallel dazu werden auch andere alterstypische Krankheiten (sog. Multimorbidität)48 stark zunehmen, sodass es insgesamt zu stetig steigender Pflegebedürftigkeit bei älteren Menschen kommen wird. Für das Erbrecht bleibt dieser Befund freilich nicht folgenlos. Es ist eine bekannte und von der Praxis bestätigte49 Tatsache, dass sich Erblasser vielfach erst dann zur Errichtung eines Testaments entschließen, wenn sie bereits in einem fortgeschrittenen Alter stehen. Einzelnen empirischen Untersuchungen zufolge verfügen mehr als die Hälfte aller Erblasser zum ersten Mal oder noch einmal nach dem Erreichen des 70. Lebensjahres und gar ein Fünftel aller letztwilligen Verfügungen wird von Personen über 80 errichtet.50 Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Errichtung eines Testaments neben den vermögensrechtlichen Verfügungen für den Erblasser notwendig eine Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit voraussetzt.51 In Zeiten von Jugend und Gesundheit fällt vielen Menschen diese Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit schwer,52 sodass der Akt des Testierens häufig (zu) lange aufgeschoben wird. Wenn also altersbedingte Krankheiten, insbesondere Demenzerkrankungen in Zukunft zunehmen, weil immer mehr Menschen das sog. „vierte Lebensalter“ (80 +)53 erreichen, dann ist aufgrund des in dieser Altersgruppe stark ansteigenden Krankheitsrisikos zu erwarten, dass die Ziegler/Dobelhammer, DFAEH (3/2010) 4. Vgl. auch Klockgether, Biologie 25. Dabei handelt es sich um eine Kumulation verschiedener Krankheiten, die typischerweise bei älteren Menschen auftreten. Hierzu gehören Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Atembeschwerden (Lungenerkrankungen), Gehirnerkrankungen sowie Herz-Kreislaufkrankheiten. Vierter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drucks. 14/8822, S. 132. 49 Vgl. z. B. Lichtenwimmer, Geschäfts- und Testierfähigkeit 43 f. 50 Röthel, Gutachten 68. DJT A17 mit Bezug auf einzelne empirische Studien. Einer kürzlich erschienenen rechtstatsächlichen Studie zum Testierverhalten im Raum Brandenburg zufolge, entschließen sich Erblasser mehrheitlich zwischen 65 und 69 zur Errichtung eines Testaments. Vgl. Metternich, Verfügungsverhalten 150. 51 In der jüngeren Literatur wurde die Geltungsgrundlage der Testierfreiheit insgesamt in der dem Einzelnen als Persönlichkeitsrecht zustehenden Todesverarbeitung erblickt. Goebel, Testierfreiheit 168 ff. „Der tragende Legitimationsgrund der Testierfreiheit liegt in deren Funktion für den Testierenden, in der je individuellen Todesverarbeitung wirkmächtig seine Personalität entfalten zu können.“ Goebel, Ehegattenschutz 104. Ob durch Einräumung der Testierfreiheit dem Einzelnen tatsächlich die Verarbeitung seines Todes ermöglicht werden soll, ist freilich spekulativ. Unbestreitbar ist aber, dass die Errichtung einer letztwilligen Verfügung eine konkrete Bewusstwerdung der eigenen Endlichkeit und damit des eigenen Todes voraussetzt. 52 Zur Todesverdrängung mit weiteren Hinweisen auf entsprechende soziologische Studien Goebel, Testierfreiheit 157 ff. 53 Das vierte Lebensalter wird auch als Hochaltrigkeit bezeichnet. Vgl. zur Begriffsbildung und Abgrenzung Vierter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drucks. 14/8822, S. 47 f. 47 48
II. Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung
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Rechtspraxis immer häufiger mit Erblassern zu tun haben wird, bei denen eine selbstbestimmte und selbstverantwortete Entscheidung wenn überhaupt nur noch unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.54 II. Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung II. Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung
1. Problemstellung
Die vorliegende Untersuchung nimmt die geschilderten demographischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zum Anlass, um der Frage nachzugehen, inwiefern das liberal geprägte Erblasserkonzept des geltenden deutschen Erbrechts den besonderen Schutzbedürfnissen immer älter werdender, altersoder krankheitsbedingt geschwächter Erblasser bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen gerecht wird. Körperliche und geistige Gebrechen, die – wie bereits angesprochen – mit der steigenden Lebenserwartung in den westlichen Gesellschaften häufiger auftreten werden,55 beeinträchtigen die Fähigkeit zur selbstbestimmten Teilnahme am Rechtsverkehr56 und machen mithin auch die Willensbildung bei der Errichtung erbrechtlicher Verfügungen anfälliger für Druck und unzulässige äußere Einflussnahme.57 Dabei geht es im Erbrecht, wie zu zeigen sein wird, nicht um den Schutz des Verfügenden vor sich selbst, d. h. vor übereilten oder nicht hinreichend überdachten Vermögenshandlungen. Im Gegensatz zu lebzeitigen Geschäften (etwa Schenkungen) entfalten letztwillige Verfügungen per definitionem ihre Wirkungen erst mit dem Tod und lassen somit die Vermögenssphäre des Verfügenden unberührt. Unmittelbares Schutzziel ist dagegen der verletzliche Erblasser,58 der vor unzulässiger Einflussnahme von außen möglichst abgeschirmt werden soll,59 denn allein auf seinen selbstbestimmt gebildeten Willen kann es für die rechtliche Geltung einer erbrechtlichen Verfügung ankommen. Inwieweit und mit welchen Instrumenten das geltende Erbrecht und im Vergleich dazu das Erbrecht ausgewählter europäischer und fallweise außereuropäischer Rechtsordnungen die Selbstbestimmung des Erblassers vor unzulässiger Einflussnahme durch Dritte schützt bzw. schützen sollte, ist Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit. Wetterling, Auffälligkeiten 35. Vierter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drucks. 14/8822, S. 130 ff.; Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Hochaltrigkeit in Österreich 273 ff. sowie 307 ff. 56 Vgl. dazu Spickhoff, AcP 208 (2008) 347; mit besonderer Berücksichtigung der Patientenautonomie: Lipp, Autonomie 383 ff.; Röthel, AcP 211 (2011) 196 ff. 57 Vgl. zu diesem Zusammenhang auch bereits Coing, Gutachten 49. DJT A47. 58 Vgl. Kerridge, C.L.J. 59 (2000) 310; Bahurel, Volontés 325 ff. 59 Mithin geht es um den „Schutz des testierenden Erblassers vor Macht“: Röthel, Gutachten 68. DJT A81; leicht variiert: „Schutz der Testierfreiheit vor Macht“, Röthel, AcP 210 (2010) 55 ff. 54 55
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2. Der „verletzliche Erblasser“ Besonders anfällig für Fremdbestimmung bei erbrechtlichen Verfügungen sind Personen in fortgeschrittenem Alter,60 die häufig alleinstehend und kinderlos sind und/oder keinen engeren Kontakt zu ihren nächsten Angehörigen61 pflegen.62 Geistige und körperliche Gebrechen, Suchtmittelabhängigkeit, Pflegebedürftigkeit, unkontrollierte Stimmungsschwankungen, kürzlich erlittene oder große persönliche Verluste, eine unterwürfige oder herrschsüchtige Persönlichkeitsstruktur, Ängste und Depressionen sowie soziale Vereinsamung erhöhen das Risiko, Opfer von Fremdbestimmung zu werden.63 Am Beginn fremdbestimmter erbrechtlicher Verfügungen steht häufig die soziale Isolation des Betroffenen.64 Der am Nachlass interessierte Dritte unterbricht bzw. verhindert jeden Kontakt zu Verwandten und Freunden; er spiegelt dem Betroffenen vor, dass er von diesen allein gelassen wird und ihm somit mit dem Dritten nur noch eine einzige verlässliche Bezugs- und Vertrauensperson verbleibt. Dadurch schafft er eine vollständige Abhängigkeitssituation, die es ihm erlaubt, auch durch bloß subtilen Druck lebzeitige65 oder letztwillige Vermögensverfügungen zu erwirken.66 Der amerikanische Psychiater Bennett Blum beschreibt diesen Vorgang in seinem auffällig unpasEine genaue Altersangabe ist weder möglich noch sinnvoll. Indes gilt die allgemeine Beobachtung, dass die Gefährdung mit zunehmendem Alter ansteigt und damit besonders im dritten und vierten Lebensalter (also genau dann, wenn im Durchschnitt am häufigsten testiert wird) relevant wird. 61 Die beruflich geforderte Mobilität hat dazu geführt, dass Eltern und Kinder bzw. Verwandte häufig nicht mehr in derselben Region wohnen. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen und Bildung verstärken dieses Phänomen. Vgl. zur Verbreitung des sogenannten „autonomen Familientyps“ in Europa, bei dem Eltern und Kinder geographisch voneinander entfernt wohnen und wenig Kontakt pflegen, ohne nennenswerte finanzielle gegenseitige Unterstützungen zu leisten: Dykstra/Fokkema, Ageing Soc. 31 (2011) 557 f. Zur Abhängigkeit im Alter Townsend, Ageing Soc. 1 (1981) 5 ff. 62 „The standard vulnerable testator is old and frail. He is generally single, childless and not in close contact with his next-of-kin“. Kerridge, C.L.J. 59 (2000) 310. Vgl. auch Bahurel, Volontés 326: „souvent affaiblis par la maladie et l’âge, subissent des graves pressions ou sont manipulés, voire violontés par des tiers dans le but d’obtenir des legs: le legataire isole le testateur, calomnie ses héritiers pour le pousser à les déshériter, le menace, le frappe“. 63 Vgl. Peisah/Finkel/Shuman, IPG 21 (2009) 7–15 sowie Blum, Undue Influence Worksheet. 64 Vgl. Peisah/Finkel/Shuman, IPG 21 (2009) 10. 65 Vgl. zu diesem als elder financial abuse bezeichneten Problem: Johnson, UMKC L. Rev. 79 (2010) 99 f. 66 Dies geschieht etwa dadurch, dass der Dritte wiederholt darauf hinweist, dass der Betroffene die Hilfe und Unterstützung etwa auch im Erbweg angemessen würdigen müsse und damit beim Betroffenen ein Schuldbewusstsein erzeugt, das dem Dritten letztlich zugutekommt. Vgl. dazu die Schilderung aus der anwaltlichen Praxis: Bonefeld, Statement 73 f. 60
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send akronymisierten I-D-E-A-L-Modell.67 Der Abschottung (isolation) des Betroffenen von Informationen, Freunden, Verwandten und sonstigen Vertrauenspersonen folgt seine Abhängigkeit (dependency). Daraufhin werden ihm Versprechungen und/oder unterschwellige Drohungen in Bezug auf Pflege, Sicherheit, Freundschaft und ähnliches (emotional manipulation) gemacht sowie seine Defizite ausgenützt (exploitation of a weakness). Schließlich willigt der Betroffene ein (acquiescence) und führt die vom Dritten ausdrücklich oder implizit geforderten Verfügungen durch (loss). In einem auffälligen Kontrast zu diesem vor allem in der jüngeren Literatur aufgekommenen Bild des „verletzlichen Erblassers“ steht die Perspektive jener, die den Erblasser aufgrund seiner Vermögensstellung als den „Starken“ sehen, der eines Schutzes im Allgemeinen nicht bedarf.68 Die meisten Testamente würden nämlich von Personen in der Blüte ihres Lebens errichtet.69 Dabei kann sich diese Vermutung freilich auf keine empirischen Daten stützen. Sie berücksichtigt im Übrigen auch nicht, dass ein Testament bis zum Tod des Erblassers jederzeit widerrufen bzw. abgeändert werden kann und dass somit selbst dann, wenn der Erblasser in jungen Jahren testiert hat, niemals gesichert ist, dass er aufgrund der später eingetretenen körperlichen und geistigen Schwäche nicht doch noch Opfer von Fremdbestimmung wird.70 3. Drei Beispiele aus der Rechtspraxis Die praktische Relevanz dieses Themas ist durch ausreichend Anschauungsmaterial aus der Rechtspraxis belegt. Die jüngere Rechtsprechung hatte sich vermehrt mit Fällen zu befassen, die sich zwanglos dem soeben beschriebenen Muster der Ausnützung und Fremdbestimmung des „verletzlichen Erblassers“ zuordnen lassen und daher begründete Zweifel hinsichtlich der Selbstbestimmtheit der jeweiligen erbrechtlichen Verfügungen aufkommen lassen. Hier seien nur einleitend und beispielhaft drei Fälle geschildert, die zeigen sollen, wie sich das Problem der Fremdbestimmung des Erblassers in der Gerichtspraxis darstellt. In einem in letzter Instanz vom BGH71 entschiedenen Fall hatte eine 1922 geborene Frau eine Vorsorgevollmacht zugunsten eines Bekannten72 erstellt. Blum, Undue Influence Worksheet. Gulliver/Tilson, Yale L.J. 51 (1941) 9, im Zusammenhang mit der Schutzfunktion der Form: „In spite of the benevolent paternalism expressed in some of the decisions interpreting these requirements, the makers of wills are not a feeble or oppressed group of people needing unusual protection as a class; on the contrary, as the owners of property, earned or inherited, they are likely to be among the more capable and dominant members of our society.“ 69 Gulliver/Tilson, Yale L.J. 51 (1941) 10: „Under modern conditions, however, wills are probably executed by most testators in the prime of life and in the presence of attorneys.“ 70 Kritisch in diesem Sinn auch Reid, Scotland 429 f. 71 BGH 13.4.2011, NJW 2011, 2135. 67 68
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Als wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit Zweifel an der Gültigkeit der Vollmacht angemeldet wurden und diese Zweifel alsbald von einem ärztlichen Sachverständigen wegen fortgeschrittener seniler Demenz bestätigt wurden, brachte der Bevollmächtigte die hochbetagte Frau zu einem Notar, vor dem sie eine neuerliche Vorsorgevollmacht errichtete. Diese Gelegenheit nützte der Bevollmächtigte auch dazu, um sich von der Erblasserin in einem ad hoc errichteten notariellen Testament begünstigen zu lassen. Als die Testierende im weiteren Verfahren vor dem Betreuungsgericht auf diese letztwillige Verfügung angesprochen wurde, konnte sie sich an das Testament nicht mehr erinnern. Nach ihrem Willen sollte ihr behinderter, ebenfalls unter Betreuung stehender Sohn ihr Erbe sein. Dass sie vor dem Notar, der ihre Testierfähigkeit bestätigt hatte, ganz anders testiert hatte, war ihr nicht bewusst. Der zunächst vom Betreuungsgericht zum Betreuer ernannte Bevollmächtigte wurde aus seinem Amt entlassen, da „dieser ein erheblich gesteigertes Interesse an den Vermögenswerten der Betroffenen“ habe, „was diese aufgrund ihrer Situation nicht mehr erkennen und überblicken“ könne. 73 Hinsichtlich der Testamentserrichtung stellte das Gericht fest, „dass diese zielgerichtet und auf Veranlassung des [Bevollmächtigten] und ohne dass sich die Betroffene und Beschwerdeführerin über die Bedeutung ihrer Verfügung bewusst war, erfolgt ist.“74 Ein weiterer Fall betrifft eine verwitwete, an fortgeschrittener Demenz leidende Erblasserin, die im Alter von 69 Jahren starb und einen Sohn hinterließ. Mit ihrem langjährigen Lebensgefährten hatte sie zunächst einen Erbvertrag geschlossen, in dem sie ihn zum Vermächtnisnehmer einsetzte. Als der Lebensgefährte zu ihrem Betreuer ernannt wurde, errichtete sie kurz darauf ein notarielles Testament, in dem sie die Tochter des Betreuers mit Ehemann als Alleinerben einsetzte und ihren eigenen Sohn auf den Pflichtteil setzte. Im Zuge der vom Sohn betriebenen Testamentsanfechtung wegen Testierunfähigkeit sagten Zeugen aus, dass die Erblasserin Angst hatte, von ihrem Lebensgefährten und Betreuer nicht mehr versorgt und in einem Heim untergebracht zu werden. Das Gericht führte dazu lediglich aus, dass die Abhängigkeit der Erblasserin nicht auf der Bestellung des Lebensgefährten zum Betreuer, sondern „eher auf die seit langem bestandene Lebensgemeinschaft“ zurückzuführen sei, und wies die Klage als unbegründet zurück.75 In einem weiteren, vor Schweizer Gerichten verhandelten Fall ging es um eine deutsche Staatsbürgerin, die sich wenige Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes in der Schweiz niedergelassen hatte. Da ihre Ehe kinderlos geblieben war, setzte sie eine Person aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zu ihrem Die genauen Verhältnisse zwischen dem Dritten und der Betroffenen ergeben sich aus dem Sachverhalt nicht. 73 LG Weiden 14.10.2010, BeckRS 2011, 12329. 74 LG Weiden 14.10.2010, BeckRS 2011, 12329. 75 BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369, 2371. 72
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Alleinerben ein. Diese Einsetzung bestätigte die Erblasserin vier Jahre später in einem Nachtrag zu ihrem ersten Testament. Zur selben Zeit wurde ein Rechtsanwalt für die Erblasserin tätig, der sich nach Ansicht des Gerichts bemüht hatte, „seine Einflussmöglichkeiten und die Bindung der Erblasserin, die in dieser Intensität zu keiner anderen Person als ihm bestanden hat, sicherzustellen und von Seiten Dritter nicht stören zu lassen.“ Der Rechtsanwalt wurde mithin die einzige Bezugsperson der Erblasserin. In der Folge setzte sie ihn zu ihrem Alleinerben ein und ordnete zunächst noch zugunsten des ursprünglichen Erben ein Vermächtnis an. Nach zwei weiteren Jahren widerrief die Erblasserin alle letztwilligen Verfügungen mit Ausnahme der Erbeinsetzung zugunsten ihres Rechtsanwalts. Das Schweizer Bundesgericht bestätigte das Urteil der zweiten Instanz, das den begünstigten Rechtsanwalt für erbunwürdig erklärte. Die Erblasserin sei nämlich davon ausgegangen, dass die Zuwendung des Beklagten ihr gegenüber echter Freundschaft und Zuneigung entsprungen sei, und habe ihn deshalb zum Alleinerben eingesetzt. Dagegen habe der Beklagte nicht aus Freundschaft, sondern mit Bereicherungsabsicht gehandelt und habe seine wahren Absichten vor der Erblasserin verborgen. Ihn habe eine Aufklärungspflicht hinsichtlich seines tatsächlichen Verhältnisses zur Erblasserin getroffen. Da er dieser Pflicht nicht nachgekommen sei, habe er in unzulässiger Weise auf die Willensbildung der Erblasserin eingewirkt und sich so gemäß Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB erbunwürdig gemacht. Das Gericht sah es für erwiesen an, dass die Erblasserin ihr ursprüngliches Testament nicht widerrufen und nicht neu oder anders verfügt hätte, wenn sie die wahren Absichten des Rechtsanwalts gekannt hätte.76 4. Gefahren bei der Feststellung von Fremdbestimmung post factum Ob des wohl schon an dieser Stelle aufkeimenden Zweifels, wie im Einzelfall Fremdbestimmung überhaupt erkannt und festgestellt werden kann, ist hier vorsorglich schon einleitend auf die Gefahren einzugehen, die mit der Feststellung von Fremdbestimmung post factum einhergehen. Fremdbestimmung zu ermitteln ist kein leichtes Unterfangen, zumal sich die Frage konkret in aller Regel erst nach dem Tod des Betroffenen erstmals stellt und damit eine unmittelbare Feststellung ausgeschlossen ist. Dabei würde vielfach auch eine Befragung des Betroffenen kaum zu einer Erhellung beitragen. Wer isoliert und abhängig gemacht wurde, wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gegen die eigene Vertrauensperson wenden und daher die Verfügung als von ihm selbst gewollt erklären. Dies entspricht dem oben beschriebenen Muster, nach welchem die Vertrauensperson eine Abhängigkeitssituation erzeugt, aufgrund derer der Betroffene keine andere Möglichkeit sieht, als in jede an ihn herangetragene Forderung einzuwilligen 76
BGer 6.2.2006, BGE 132 III 305 ff.
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(acquiescence). Er muss ja stets befürchten, dass ihm Zuneigung, Pflege und Sorge entzogen werden und er in der Folge allein dastehen könnte. Dass das enge Vertrauensverhältnis möglicherweise mit unlauteren Mitteln herbeigeführt wurde und der Dritte nicht das Wohl des Betroffenen, sondern seine eigene Bereicherung anstrebt, mag dem Betroffenen häufig verborgen bleiben oder er will es nicht wahrhaben. Neben den bereits geschilderten Risikofaktoren für Fremdbestimmung (verletzlicher Erblasser sowie Isolierung und Abhängigmachung durch eine Vertrauensperson) wurde in der Literatur auch auf Indizien für Fremdbestimmung bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung hingewiesen. So sollte grundsätzlich Testamenten mit Misstrauen begegnet werden, a) deren Errichtung nicht auf die Initiative des Erblassers zurückgeht, b) die in Anwesenheit der direkt oder indirekt begünstigten Vertrauensperson errichtet werden und c) deren Errichtung vor einem Rechtsanwalt oder Notar erfolgt, welcher der Vertrauensperson, nicht aber dem Erblasser bekannt ist.77 Auch hinsichtlich des Inhalts könnten Indizien für Fremdbestimmung festgemacht werden. Hat der Erblasser etwa eine „unnatürliche“ oder unerwartete Anordnung getroffen, z. B. weil er von früheren Verfügungswünschen ohne erkennbaren Grund abgegangen ist oder eine Vertrauensperson „ungebührlich“ begünstigt hat, so bestünden ebenfalls Verdachtsmomente, die auf eine Fremdbestimmung schließen lassen könnten.78 Während äußere Umstände gewisse Hinweise für eine mögliche Fremdbestimmung liefern können, ist in Bezug auf Indizien, die den Inhalt erbrechtlicher Verfügungen betreffen, mehr Vorsicht geboten. Ein Erblasser kann jederzeit auch für Außenstehende vermeintlich grundlos seinen Willen ändern und „ungerechte“ Entscheidungen treffen. Wenn etwa ein hochbetagter Erblasser seine viel jüngere Ehefrau zur Alleinerbin einsetzt79 oder ein Erblasser unter ausdrücklicher Übergehung seiner Kinder aus erster Ehe seine neue Lebensgefährtin als Alleinerbin einsetzt,80 sollte dies für sich allein noch keine Peisah/Finkel/Shuman, IPG 21 (2009) 13; Spar/Garb, Am. J. Psych. 149 (1992) 170. Peisah/Finkel/Shuman, IPG 21 (2009) 13. 79 So etwa zuletzt im aufsehenerregenden Fall des 2010 verstorbenen Frankfurter Millionärs Bruno Schubert, der ein Jahr vor seinem Tod eine 62 Jahre jüngere Frau geheiratet hatte, daraufhin den mit seiner im selben Jahr verstorbenen Ehefrau geschlossenen Erbvertrag wegen Hinzukommens einer neuen Pflichtteilsberechtigten angefochten hatte, um seine junge Ehefrau testamentarisch zur Alleinerbin einzusetzen (mit der Bedingung, dass sie bei ihm wohne und ihn bis zu seinem Lebensende pflege): LG Frankfurt a. M. 29.9.2011, BeckRS 2011, 23586. 80 OLG München 13.9.2011, BeckRS 2011, 22971. Der geschiedene Erblasser war eine neue Beziehung eingegangen und setzte unter ausdrücklicher Übergehung seiner drei Kinder aus erster Ehe seine Lebensgefährtin als Alleinerbin ein. In einem nicht unterzeichneten Zusatz zu seinem handschriftlichen Testament knüpfte er die Verfügung an die Bedingung, dass auch die Lebensgefährtin zu seinen Gunsten in derselben Weise verfüge. Die übergangenen Pflichtteilsberechtigten wandten sich gegen die Ausstellung eines Erb77 78
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Bedenken auslösen, selbst wenn eine solche Verfügung den gesellschaftlichen Erwartungen zuwiderlaufen mag. Allzu leicht würde auf diese Weise das Urteil über das Vorliegen von Fremdbestimmung zu einem Werturteil über die Sozialadäquanz des Inhalts der letztwilligen Verfügung mit gravierenden Folgen für die Testierfreiheit, die dadurch ausgehöhlt würde. Wie zu zeigen sein wird, geht die vorliegende Arbeit daher davon aus, dass es ein Anliegen des Erbrechts sein muss, Fremdbestimmung durch Schutzmechanismen ex ante zu vermeiden und nicht erst post factum eine durch Fremdbestimmung zustande gekommene Verfügung zu beseitigen. Es wird unter Beweis zu stellen sein, dass damit das wichtigste Ziel, nämlich der Schutz verletzlicher Erblasser vor Willkür, Abhängigkeit und Ausnützung bei der Ausübung ihrer Testierfreiheit, am ehesten erreicht werden kann. 5. Diskussionsstand Während der Sorge vor einem übermächtigen Erblasser,81 der seine Freiheit zulasten seiner Erben ausübt, bereits der Gesetzgeber mittels tiefgreifender Beschränkungen der Testierfreiheit begegnet ist,82 wurde der Frage nach dem Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung in der bisher geführten Diskussion zur Testierfreiheit83 vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt.84 scheins zugunsten der Lebensgefährtin und machten geltend, dass der Erblasser ihnen mitgeteilt habe, dass er zu ihren Gunsten verfügt habe, die Lebensgefährtin dieses neue Testament aber zerrissen habe. Sie habe den Erblasser missbraucht und kontrolliert und durch Drohung und Erpressung daran gehindert, ein neues Testament zu errichten. Da diese Behauptungen im Laufe des Verfahrens nicht erhärtet werden konnten, bewilligte das Nachlassgericht schließlich den von der Lebensgefährtin beantragten Erbschein. 81 Zu Umfang und Gegenstand dieser Diskussion mit weiteren Nachweisen: Röthel, Gutachten 68. DJT A86 ff.; dies., AcP 210 (2010) 34 ff. 82 Diese erfolgen insbesondere durch das Pflichtteilsrecht. Rechtshistorisch ist die Sorge vor dem übermächtigen Erblasser, der sein Vermögen willkürlich außerhalb der Familie verteilt, wohl so alt wie die Testierfreiheit selbst. In der griechischen Antike war bei Vorhandensein ehelicher Nachkommen die Testierfreiheit zugunsten der Familienerbfolge überhaupt ausgeschlossen. Vgl. Paoli/Cantarella, Successioni 703. 83 Zur Testierfreiheit erschienen zuletzt zwei Habilitationsschriften, von denen keine auf die Problematik von Fremdbestimmung zulasten des Erblassers bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen eingeht. Sofern von Fremdbestimmung die Rede ist, bezieht sich dieses Konzept auf die Erben, auf die der Erblasser unzulässigen Druck ausüben kann. Vgl. Goebel, Testierfreiheit 317 ff.; Goebel, Ehegattenschutz 364; Kroppenberg, Privatautonomie 39 ff., 135. 84 Vgl. aber besonders Röthel, Gutachten 68. DJT A81 ff.; dies., AcP 210 (2010) 55 ff.; Kroppenberg, ErbR 2010, 214 ff.; Zaczyk, Kriterien 89 ff.; in der Rechtsprechung wurde auf die Schutzbedürftigkeit alternder Erblasser vor Einflussnahme durch Dritte in der Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des in § 14 HeimG enthaltenen Testierverbots hingewiesen: BVerfG 3.7.1998, NJW 1998, 2964. In der Schweiz: Abt, Ungültigkeitsklage; Breitschmid, AJP 2009, 1430 f. Für das englische Recht: Kerridge, C.L.J. 59 (2000) 310– 334; zur Diskussion in den USA aus rechtsvergleichender Sicht m. w. N.: Scalise, Duke J.
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Etwas anders verhält es sich in Bezug auf die Frage von Autonomie und Heteronomie bei lebzeitigen Rechtsgeschäften Älterer. Diesbezüglich sind in jüngster Vergangenheit mehrere grundlegende Arbeiten erschienen.85 Da aufgrund der geschilderten soziodemographischen Entwicklungen (steigende Lebenserwartung, Vereinsamung im Alter) zu erwarten ist, dass das Problem der Fremdbestimmung bei letztwilligen Verfügungen tendenziell zunehmen wird,86 sollte ihm in der erbrechtlichen Diskussion mehr Raum gewidmet werden. Dieser Forderung will die vorliegende Untersuchung nachkommen und dabei an die in jüngster Zeit angesichts der zunehmenden Alterung der Gesellschaft in einzelnen Rechtsordnungen vorangetriebene Diskussion zum „Schutz des testierenden Erblassers vor Macht“87 anknüpfen. Während sich die Schweizer Diskussion auf die Gefahr von Fremdbeeinflussung durch berufliche Vertrauenspersonen beschränkte und ein entsprechendes Testierverbot forderte,88 hat die bisherige deutsche Diskussion eine solche Verkürzung auf bestimmte Personenkreise zurecht vermieden, da abgesehen vom möglichen Generalverdacht, dem die betroffenen BerufsgrupComp. & Int’l L. 19 (2008/2009) 41 ff.; im Rechtsvergleich auch: Sonnekus, Freedom 78 ff. Im französischen Recht zuletzt Bahurel, Volontés 325 ff. Im italienischen Recht zuletzt: Cinque, Nuova giur.civ.comm. 2011, I, 1032; Patti, Riv.dir.civ. 2014, 992; Spotti, Fam.dir. 2014, 657; Cinque, Dir.succ.fam. 2015, 361. 85 Lipp, Freiheit; Ganner, Selbstbestimmung; Roth, AcP 208 (2008) 451–489; Spickhoff, AcP 208 (2008) 345–415; Röthel, AcP 211 (2011) 196 ff. Vgl. auch die fast unüberschaubare Literatur zur Materialisierung der Vertragsfreiheit. Anstatt aller Canaris, AcP 200 (2000) 273–364. 86 Vgl. etwa die Diskussion im Zusammenhang mit der Änderung des deutschen Betreuungsrechts zum 1.1.1999, BT-Drucks. 13/7158, S. 43: „Vor allem ältere Personen, die professionelle Beratung und Hilfe für die Verwaltung des Vermögens in Anspruch nehmen, können im Einzelfall in besonderem Maße mißbräuchlichen Beeinflussungen ihrer Vertreter bzw. Vermögensverwalter ausgesetzt sein. Gegenstand dieser Beeinflussung kann vor allem der Versuch sein, über die Vergütung für die erbrachte Tätigkeit hinaus großzügige Schenkungen zu erhalten oder in Verfügungen von Todes wegen bedacht zu werden. Dieses Problem wird sich in den nächsten Jahren durch steigende Lebenserwartung und den weiteren Anstieg des Vermögens älterer Mitbürgerinnen und Mitbürger noch verschärfen.“ Vgl. auch den letztlich gescheiterten Gesetzesvorschlag zur Verhinderung erbrechtlicher Zuwendungen an Vertrauenspersonen in der Schweiz (AB 2009, 58 ff. 3.3.2009). 87 Röthel, Gutachten 68. DJT A81. 88 Angeregt wurde diese Diskussion besonders durch die Dissertation von Abt, Ungültigkeitsklage sowie durch einige spektakuläre Fälle aus der Rechtsprechung, insbesondere den oben geschilderten Fall BGer 6.2.2006, BGE 132 III 305 ff. Die Diskussion mündete in einem Gesetzesvorschlag, durch den letztwillige Verfügungen und Schenkungen zugunsten dieser Vertrauenspersonen verboten werden sollten. Der Vorschlag wurde jedoch mit der Begründung abgewiesen, dass die gesetzlichen Schutzinstrumentarien ausreichten, um solche Praktiken zu bekämpfen, im Übrigen Standesregeln einen effizienteren Schutz bieten würden und schließlich ein solches Verbot im Widerspruch mit der Stärkung der Selbstbestimmung im Rahmen des kürzlich gesetzlich geregelten Vorsorgeauftrags (Vorsorgevollmacht) stünde.
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pen dadurch ausgesetzt wären, auch übersehen würde, dass gerade von engsten Familienangehörigen Druck und unzulässige Beeinflussung ausgehen können.89 Vorgeschlagen wurde daher nicht eine Ausweitung des in § 14 HeimG enthaltenen Testierverbots in Bezug auf Heimträger und Heimpersonal,90 sondern de lege lata eine Lösung über § 138 BGB.91 Die Sittenwidrigkeitskontrolle solle von einer Inhalts- und Motivkontrolle weggeführt werden und in Form einer prozeduralen Abschlusskontrolle letztwillige Verfügungen beseitigen, die infolge eines strukturellen Ungleichgewichts durch Fremdbeeinflussung zwischen Erblasser und Begünstigtem zustande gekommen sind. Dieses strukturelle Ungleichgewicht könne durch ein Vertrauens- oder Pflegeverhältnis, die (empfundene oder tatsächliche) Abhängigkeit vom Begünstigten oder den gesundheitlichen (geistigen und physischen) Zustand des Erblassers bedingt sein.92 Erforderlich sei ein Schutz vor Fremdbestimmung vor allem deshalb, weil durch eine fremdbestimmte letztwillige Verfügung gleichzeitig ein schon verfassungsrechtlich nicht hinnehmbares Legitimationsdefizit hinsichtlich der gesetzlichen Erben entstünde.93 Der Erblasser müsRöthel, AcP 210 (2010) 61 f.; ihr folgend Lange, Erbrecht 60 f. Ein entsprechender Vorstoß des Bundesrats zur Ausweitung des Verfügungsverbots gemäß § 14 HeimG auf alle „beruflichen Vermögensverwalter“ im Rahmen der Diskussion zur Änderung des deutschen Betreuungsrechts zum 1.1.1999, BT-Drucks. 13/7158, S. 43, wurde von der Bundesregierung mit der Begründung abgewiesen, dass die vom Bundesrat erwähnten Vermögensbetreuer (Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker, Rechtsanwälte, Steuerberater und Betreuer) nicht im selben Verhältnis zum Betroffenen stünden wie der Heimträger und seine Bediensteten. Es fehle an der „persönlichen Abhängigkeit“, weshalb ein Verbot eine unzulässige pauschale Einschränkung der Privatautonomie darstelle. BTDrucks. 13/7158, S. 54 f. 91 Röthel, AcP 210 (2010) 62 ff.; ihr folgend Lange, Erbrecht 61; vgl. für ein ganz ähnliches Verständnis der Sittenwidrigkeitskontrolle auch Sieghörtner, Nichtigkeit 824. 92 Röthel, AcP 210 (2010) 62; dies., Gutachten A86. 93 „Die normativen Gehalte der gesetzlichen Erbfolge formulieren zugleich Anforderungen an die privatautonome Qualität der Testierung: Die mit der Testierfreiheit eröffnete Freiheit der Gestaltung setzt selbstbestimmte und selbstverantwortete letztwillige Erklärungen voraus. Fremdbestimmte Verfügungen können die Zurücksetzung der gesetzlichen Erben nicht legitimieren.“ Röthel, AcP 210 (2010) 62; dies., Gutachten A22 f. Diese Forderung ist nicht neu und wurzelt letztlich im Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen. Vgl. dazu Kralik, Erbrecht 90: „[Die formelle und die materielle Höchstpersönlichkeit] stellen eine ganz erhebliche Beschränkung der Nachgiebigkeit der gesetzlichen Regeln über die Rechtsfolgen des Todes einer Person dar und zeigen, dass die gesetzliche Erbfolge und die anderen nachgiebigen Vorschriften durchaus nicht bloß vom Gesetzgeber geradezu widerwillig aufgestellte Notlösungen für den Fall sind, dass es an wirksamen Anordnungen des Erblassers fehlt, wie man etwa aus der Systematik unseres Gesetzbuches, das die testamentarische Erbfolge vor die gesetzliche stellt, zu entnehmen glauben könnte. Sie lehren uns vielmehr, dass nur die Achtung vor einem höchstpersönlichen Entschluss des Erblassers ein Abgehen von der gesetzlichen Erbfolge rechtfertigt.“ 89 90
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se also letztlich im Interesse der gesetzlichen Erben vor Fremdbestimmung geschützt werden. Diese Vorschläge sind im Zuge der vorliegenden Untersuchung kritisch zu beleuchten und auf ihre Tauglichkeit zum Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung zu prüfen. 6. Gesetzliche Eingriffe in die Testierfreiheit zum Schutz vor Fremdbestimmung Beispielhaft soll hier einleitend gezeigt werden, dass die Frage des Schutzes des Erblassers vor Fremdbestimmung auch auf gesetzgeberischer Ebene in unterschiedlichen europäischen und außereuropäischen Rechtsordnungen thematisiert wurde. Im Detail sind zwar unterschiedliche Lösungswege eingeschlagen worden. Auffällig ist jedoch, dass in erster Linie eine Lösung darin gesucht wurde, mögliche einflussnehmende Personen vom Kreis der in einem Testament begünstigbaren Personen auszuschließen. Inwiefern ein solcher Ansatz zum Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung geeignet ist, wird in der vorliegenden Arbeit zu untersuchen sein. Im Zuge der jüngsten Reform des Erwachsenenschutzrechts94 versuchte der französische Gesetzgeber die Problematik der Fremdbeeinflussung durch weitgehende Testier- und Schenkungsverbote zu lösen. Das bereits davor bestehende Schenkungs- und Testierverbot in Bezug auf Geistliche, Ärzte, Apotheker und Chirurgen, die den Erblasser während seiner letzten Krankheit behandelt haben, wurde mit der Erwachsenenschutzreform auf alle Angehörigen medizinischer und pharmazeutischer Berufe sowie auf Krankenpfleger ausgedehnt, die sich um den Erblasser während seiner zum Tode führenden Krankheit kümmern (Art. 909 franz. C. civ.). Auch den im Rahmen des Erwachsenenschutzes vom Gericht beauftragten Betreuer (mandataire judiciaire) und beauftragte Betreuungseinrichtungen hat der Gesetzgeber in das Testier- und Schenkungsverbot aufgenommen. Der Code de l’action sociale et des familles erstreckte dieses Verbot ferner auf Heime und deren Bedienstete sowie ehrenamtliche Mitarbeiter (Art. 331-4 C. fam.). Gemäß Art. 443-6 C. fam. fallen schließlich auch Personen unter das Schenkungs- und Testierverbot, die ältere oder behinderte Erwachsene zur Pflege bei sich zu Hause aufnehmen. Von diesen Testier- und Schenkungsverboten sind nur jene Einzelverfügungen ausgenommen, die Entgeltfunktion haben, wobei insofern die Vermögenslage und die geleisteten Dienste zu berücksichtigen sind. Dabei mag es etwas verwundern, dass Erbeinsetzungen zugunsten dieser Personen zulässig sind, sofern es sich bei den Erben um Verwandte bis zum vierten Grad handelt und keine Nachkommen vorhanden sind, es sei denn der Begünstigte ist selbst ein Nachkomme. Loi n° 2007-308 portant réforme de la protection juridique des majeurs, J.O. Nr. 56 vom 7.3.2007, S. 4325. 94
II. Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung
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Im belgischen Code civil entsprachen die Testierverbote bis ins Jahr 2003 der ursprünglichen Fassung des französischen Code civil. Mit Gesetz vom 22.4.2003 erweiterte der Gesetzgeber die betroffenen Personenkategorien auf Betreiber und Mitarbeiter von Alten- und Pflegeheimen sowie aller anderen Einrichtungen zur Unterbringung älterer Menschen (Art. 909 Abs. 2 belg. C. civ.). Auch der Begriff der den Erblasser bis zu seinem Tod betreuenden Geistlichen erfuhr eine Erweiterung (Abs. 4). Davor war bereits im Jahr 2002 das Testierverbot auch auf das Pflegeteam im Rahmen der Sterbehilfe ausgedehnt worden.95 Im Jahr 2010 wurde erneut eine Revision des Art. 909 belg. C. civ. angeregt.96 Während etwa ein Arzt, der den Erblasser ein Leben lang behandelt hat, zum Erben eingesetzt werden könne, wenn der Erblasser plötzlich an einer mit früheren Krankheiten nicht zusammenhängenden Blutung versterbe, dürfe der Gärtner eines Altenheims nicht als Erbe begünstigt werden, obwohl der Erblasser diesen vielleicht nie in seinem Leben gesehen habe.97 Es seien auch Krankenpfleger, Krankenhauspersonal, persönliche Assistenten für Menschen mit Behinderung und Haushaltshilfen sowie alle Arten von häuslichen Pflegekräften von Art. 909 belg. C. civ. nicht erfasst. Eine entsprechende Erweiterung des Testierverbots wurde im belgischen Parlament diskutiert, fand aber letztlich nicht Eingang in das Gesetz. Auch der katalonische Gesetzgeber hat im Zuge der jüngsten Erbrechtsrevision98 das Problem der Fremdbeeinflussung durch Vertrauenspersonen erkannt, es indes nur in Bezug auf vertraglich bedienstete Pflege- und Hilfskräfte gesetzlich angehen wollen.99 Dabei sah der Reformgesetzgeber die französische Lösung der Testierverbote als zu weitgehend an und begnügte sich damit, gemäß Art. 412-5 Abs. 2 kat. C. civ. bei Verfügungen zugunsten dieser Personen bloß eine strengere Form vorzusehen. Damit können vertraglich bedienstete Pflege- und Hilfskräfte nur mittels öffentlichen notariellen Testaments oder Erbvertrags erbrechtlich begünstigt werden. Die auch bereits vor der Erbrechtsrevision bestehenden Testierverbote zulasten des Notars, der Testamentszeugen, der beteiligten Sachverständigen und Dolmetscher sowie des Verfassers des fremdhändigen Testaments und des den Erblasser während der letzten Krankheit begleitenden Geistlichen bleiben erhalten. Art. 15 Abs. 2 Loi du 28 mai 2002 relative à l’euthanasie. S. 5-395 Proposition de loi modifiant l’article 909 du Code civil en ce qui concerne la capacité de disposer ou d’acquérir par donation entre vifs ou par testament. 97 Das Beispiel stammt aus der Begründung zum vorstehenden Gesetzesentwurf S. 5-395. 98 Ley 10/2008, de 10 de julio, del libro cuarto del Código civil de Cataluña, relativo a las sucesiones. Vgl. dazu Vaquer Aloy, Freedom 101. 99 Dagegen hat das im Jahr 2006 in Galizien neugefasste Erbrecht ausdrücklich die Gültigkeit von letztwilligen Verfügungen zugunsten von Pflegekräften anerkannt. Ebenso gültig soll die letztwillige Verfügung sein, die unter der Bedingung der Pflege durch den Erben steht. Vgl. Art. 203 Abs. 2 und Art. 204 Ley 2/2006, de 14 de junio, de derecho civil de Galicia. 95 96
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Einleitung
In Kalifornien wurde der Gesetzgeber aufgrund eines aufsehenerregenden Falls zu Beginn der 1990er Jahre auf die Problematik aufmerksam, als ein Erbrechtsanwalt sich selbst bzw. seine Kollegen über Jahre hinweg systematisch in von ihm vorbereiteten Testamenten begünstigt hatte. Dieser Praxis schob der Gesetzgeber (1993 Cal. AB 21) einen Riegel vor und verbot Begünstigungen zugunsten des Testamentsverfassers (§ 21350 Cal. Prob. Code, nunmehr § 21380 Cal. Prob. Code). Im Jahr 1997 wurde das Testierverbot auch auf Pflegekräfte (care custodians) ausgedehnt, zunächst aber von der Rechtsprechung auf berufliche Pflegekräfte eingeschränkt, die vor dem Pflegefall kein persönliches Verhältnis zum Erblasser gepflegt hatten.100 Als das oberste kalifornische Gericht101 keinen Anhaltspunkt für eine teleologische Reduktion des Gesetzesbegriffs care custodians auf berufliche Pflegekräfte erkennen konnte, wurde das Testierverbot auch auf Personen erstreckt, die den Erblasser ehrenamtlich oder aufgrund einer bereits vor Eintritt des Pflegefalls bestehenden Freundschaft pflegten. Mit Rücksicht auf diese Personen griff der Gesetzgeber im Jahr 2010102 erneut ein und nahm jene Pflegekräfte vom Testierverbot aus, die während eines genau definierten Zeitraums vor Eintritt des Pflegefalls, vor dem Tod des Erblassers bzw. vor seiner Aufnahme in ein Hospiz zum Erblasser in einem persönlichen Verhältnis gestanden hatten (§ 21362 Cal. Prob. Code).103 Das Testierverbot gemäß § 21380 Cal. Prob. Code gilt nicht für Verwandte (bis zum fünften Grad) und Ehepartner sowie auch dann nicht, wenn die Verfügung von geringem Wert ist (bis 5.000 US-Dollar bei einem Nachlass über 150.000 US-Dollar; § 21382 Cal. Prob. Code). Außer für Testamentsschreiber und diesen nahe stehende Personen stellt das Testierverbot auch bloß eine widerlegliche Vermutung für das Vorliegen von Fremdbestimmung auf (§ 21380 b), c) Cal. Prob. Code). Jedenfalls unbeachtlich sind die Testierverbote, wenn das Testament von einem unabhängigen Rechtsanwalt durchgese100 Verwandte (bis zum fünften Grad) und Ehepartner waren von Beginn an von diesem Testierverbot nicht betroffen (§ 21351 Cal. Prob. Code). 101 Bernard v. Foley, 39 Cal. 4th 794 (2006). 102 2011 Cal. AB 1023. 103 § 21362 Cal. Prob. Code: „(a) ‘Care custodian’ means a person who provides health or social services to a dependent adult, except that ‘care custodian’ does not include a person who provided services without remuneration if the person had a personal relationship with the dependent adult (1) at least 90 days before providing those services, (2) at least six months before the dependent adult’s death, and (3) before the dependant adult was admitted to hospice care, if the dependent adult was admitted to hospice care. As used in this subdivision, ‘remuneration’ does not include the donative transfer at issue under this chapter or the reimbursement of expenses. (b) For the purposes of this section, ‘health and social services’ means services provided to a dependent adult because of the person’s dependent condition, including, but not limited to, the administration of medicine, medical testing, wound care, assistance with hygiene, companionship, housekeeping, shopping, cooking, and assistance with finances.“
II. Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung
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hen wird, der den Erblasser über Inhalt und Folgen des Verfügungsaktes aufklärt, festzustellen versucht, ob die Verfügung infolge von Betrug, Zwang, Härte oder unzulässiger Beeinflussung entstanden ist und schließlich dem Erblasser eine Unbedenklichkeitsbescheinigung (certificate of independent review) ausstellt (§ 21384 Cal. Prob. Code). 7. Handlungsimpulse aus der UN-Behindertenrechtskonvention Der Bundesgesetzgeber hat der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG ohne Vorbehalt zugestimmt.104 Dieses am 1.1.2009 in Kraft getretene Bundesgesetz erteilte den innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl und transformierte die UN-BRK somit in innerstaatliches Recht. Als ratifizierter völkerrechtlicher Vertrag steht diese Konvention nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG in der innerstaatlichen Normenhierarchie im Range eines Bundesgesetzes105 und ist somit von den Gerichten und Organen des Staates, soweit methodisch vertretbar, im Rahmen der Auslegung des Bundesrechts zu beachten. Darüber hinaus dient die UN-BRK wie die EMRK auch auf der Ebene des Verfassungsrechts als „Auslegungshilfe bei der Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes“.106 Die UN-BRK richtet sich ferner auch an die Gesetzgeber der beigetretenen Staaten, die verpflichtet werden, die in der Konvention vorgesehen Rechte zu gewährleisten und zu fördern und damit auch auf gesetzlicher Ebene umzusetzen (Art. 4 Abs. 1 UN-BRK). Für die hier zu untersuchende Frage des Schutzes des Erblassers vor Fremdbestimmung hat die UN-BRK insofern Bedeutung, als zu den von der Konvention geschützten Menschen mit Behinderung gemäß Art. 2 Abs. 2 all jene zählen, „die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können“.
Auch pflegebedürftige oder gebrechliche, sog. „verletzliche“ Erblasser fallen somit in diesen weiten subjektiven Anwendungsbereich der Konvention. Entsprechend bedeutsam ist für die Ausübung der Testierfreiheit Art. 12 Abs. 4 UN-BRK. Darin werden die Vertragsstaaten verpflichtet sicherzustellen,
104 Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13.12.2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21.12.2008, BGBl. 2008 II 1419. 105 BVerfG 14.10.2004, NJW 2004, 3407, 3408 m. w. N. 106 In Bezug auf die EMRK: BVerfG 14.10.2004, NJW 2004, 3407, 3408.
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„dass zu allen die Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit betreffenden Maßnahmen im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen geeignete und wirksame Sicherungen vorgesehen werden, um Missbräuche zu verhindern.“
Bei den zu ergreifenden Maßnahmen zur Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit ist stets darauf zu achten, dass „der Wille und die Präferenzen der betreffenden Person geachtet werden, es nicht zu Interessenkonflikten und missbräuchlicher Einflussnahme kommt, dass die Maßnahmen verhältnismäßig und auf die Umstände der Person zugeschnitten sind, dass sie von möglichst kurzer Dauer sind und dass sie einer regelmäßigen Überprüfung durch eine zuständige, unabhängige und unparteiische Behörde oder gerichtliche Stelle unterliegen. Die Sicherungen müssen im Hinblick auf das Ausmaß, in dem diese Maßnahmen die Rechte und Interessen der Person berühren, verhältnismäßig sein.“
Daraus ergeben sich für den Bundesgesetzgeber deutliche Handlungsimpulse, um im Erbrecht Maßnahmen zu setzen, die sicherstellen, dass in den Grenzen der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit auch verletzliche Erblasser ihrem Willen frei von äußerer Einflussnahme und Missbrauch Geltung verleihen können. III. Themeneingrenzung, Erkenntnisinteresse und Methode III. Themeneingrenzung, Erkenntnisinteresse und Methode
1. Themeneingrenzung
Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit dem Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung bei der Ausübung der Testierfreiheit und somit zugleich mit dem Schutz der Selbstbestimmung des Erblassers bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen. Nicht in den Untersuchungsgegenstand fällt mithin die Frage des Schutzes vor Fremdbestimmung bei lebzeitigen Rechtsgeschäften (etwa Schenkungen), mögen sie auch auf den Todesfall abgeschlossen worden sein. Diese Themeneinschränkung lässt sich einerseits damit begründen, dass zum Schutz von Selbstbestimmung bei lebzeitigen Rechtsgeschäften bereits umfangreiche Untersuchungen mit besonderer Berücksichtigung des Schutzes älterer Personen vorliegen,107 während die Forschung zum Schutz vor Fremdbestimmung bei erbrechtlichen, insbesondere letztwilligen Verfügungen noch weitgehend am Anfang steht.108 Zum anderen ist dies aber auch dogmatisch damit zu begründen, dass lebzeitige Rechtsgeschäfte auf den Todesfall trotz ähnlicher Funktion wesentliche strukturelle Unterschiede zu erbrechtlichen, insbesondere letztwilligen Rechtsgeschäften aufweisen,109 die gerade in Bezug auf die Frage der Schutzgründe vor Fremdbestimmung von Lipp, Freiheit; Ganner, Selbstbestimmung; Roth, AcP 208 (2008) 451–489; Spickhoff, AcP 208 (2008) 345–415; Röthel, AcP 211 (2011) 196 ff. 108 Röthel, Gutachten 68. DJT A81 ff.; Röthel, AcP 210 (2010) 55 ff.; Röthel/Lemmerz, Erwachsenenschutz 20 ff.; Kroppenberg, ErbR 2010, 214 ff.; Zaczyk, Kriterien 89 ff. 109 Lange/Kuchinke, Erbrecht 11. 107
III. Themeneingrenzung, Erkenntnisinteresse und Methode
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Relevanz sind, sodass ein Ausschluss lebzeitiger (und damit lebzeitig verbindlicher) Rechtsgeschäfte für die vorliegende Untersuchung ratsam scheint. Bei lebzeitigen Rechtsgeschäften, mögen sie auch auf den Todesfall abgeschlossen sein, wirkt sich Fremdbestimmung unmittelbar auf die Vermögenslage des Verfügenden aus (sofortige rechtliche Bindung bei Schenkungen auf den Todesfall oder Abfluss von Vermögenswerten ohne entsprechenden Ausgleich, z. B. durch Schenkung oder unwirtschaftliche entgeltliche Veräußerungen). Anders verhält es sich dagegen bei letztwilligen Verfügungen, bei denen eine solche Vermögenswirksamkeit zu Lebzeiten des Erblassers ausbleibt. Dies findet seinen Grund nicht bloß darin, dass bei letztwilligen Verfügungen Geltung und Wirkung110 auseinanderfallen, sondern vor allem in der Tatsache, dass es bei letztwilligen Verfügungen insgesamt zu einer für lebzeitige Geschäfte typischen vermögenswirksamen Handlung gar nicht kommt. Weder findet eine Veräußerung von Vermögensbestandteilen aus dem Vermögen des Erblassers statt, noch wird die Verfügungsfreiheit hinsichtlich bestimmter Güter schuldrechtlich beschränkt.111 Der Erblasser ordnet lediglich an, wie sein Vermögen nach seinem Tod zu verteilen ist. Zu Vermögenseinbußen, wie sie bei lebzeitigen Geschäften möglich sind, kann es somit bei letztwilligen Verfügungen nicht kommen. Es entfallen somit für letztwillige Verfügungen genau jene Sachgründe, die bei lebzeitigen Rechtsgeschäften den Schutz schwächerer Teilnehmer am Rechtsverkehr vor Fremdbestimmung in besonderem Maße begründen. Im Testamentsrecht liegt das Schutzbedürfnis nicht in der Abwehr nachteiliger Vermögensverfügungen bzw. im Schutz des Verfügenden vor sich selbst begründet, sondern basiert – wie zu zeigen sein wird – im Besonderen auf der Sicherung der selbstbestimmten Willensbildung des Erblassers als Ausdruck seiner ihm verfassungsrechtlich verbürgten Selbstentfaltungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Den Erblasser vor Fremdbestimmung zu schützen bedeutet, ihn davor zu bewahren, dass er Dritten wehrlos ausgeliefert ist und mit unzulässigen Mitteln zu einer letztwilligen Verfügung gedrängt wird, die seinen persönlichen Vorstellungen und Wünschen hinsichtlich seiner Nachlassverteilung nicht entspricht. Den Erblasser vor Fremdbestimmung zu schützen bedeutet aber gleichzeitig auch sicherzustellen, dass der letztwilligen Verfügung nicht ihr Geltungsgrund entzogen wird. Vor diesem Hintergrund wird die vorliegende Untersuchung das Hauptaugenmerk auf letztwillige Verfügungen als Paradigma erbrechtlicher Verfügungen legen. Der Erbvertrag, der aufgrund seiner lebzeitigen Bindungswir110 Zu diesem strukturellen Unterschied zwischen lebzeitigen und letztwilligen Rechtsgeschäften vgl. ausführlich Kroppenberg, Privatautonomie 341 ff. 111 Beim Erbvertrag und im Wege der Analogie (BGH 23.9.1981, NJW 1982, 43) bei wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod eines Ehegatten sind freilich die Beschränkungen hinsichtlich beeinträchtigender Schenkungen zu beachten (§§ 2287, 2288 BGB).
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kung eine Zwischenposition einnimmt, steht nicht im Fokus dieser Arbeit, wird indes dort berücksichtigt, wo etwa Schutzmechanismen aufgrund der lebzeitigen Wirkung des Erbvertrags deutlich von jenen bei letztwilligen Verfügungen abweichen. Dies gilt insbesondere für die erbvertragliche Anfechtungsregelung (§§ 2281 ff. BGB), die schon von ihrer Funktion her wesentlich von der Anfechtungsregelung bei letztwilligen Verfügungen (§§ 2078 ff. BGB) abweicht. Die Arbeit befasst sich ferner nicht mit erbrechtlichen Instituten, die nach dem Tod des Erblassers sicherstellen, dass der im Testament niedergelegte Wille des Erblassers möglichst getreu umgesetzt wird (etwa durch Auslegung oder Testamentsvollstreckung). Die hier zu behandelnde Frage des Schutzes des Erblassers vor Fremdbestimmung stellt sich nämlich nur zu Lebzeiten des Erblassers, denn nur so lange der Erblasser lebt, kann durch entsprechende Maßnahmen zum Schutz des gefährdeten Erblassers dafür gesorgt werden, dass eine letztwillige Verfügung selbstbestimmt errichtet werden kann. Ist der Erblasser dagegen bereits verstorben, dann können Maßnahmen zur getreuen Umsetzung eines fremdbestimmt zustande gekommenen Willens zur Sicherung der Selbstbestimmung nicht mehr beitragen, sondern einen fremdbestimmten Willen lediglich perpetuieren. 2. Erkenntnisinteresse und Gang der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung geht der Frage nach, wie das geltende Erbrecht den Bedürfnissen der wachsenden Zahl gebrechlicher und damit der Gefahr von Fremdbestimmung ausgesetzter Erblasser begegnet und welche Instrumentarien es bereitstellt, um dieser Gefahr entgegenzutreten. Dabei geht es um die Frage, welchen Schutz das Erbrecht zu Lebzeiten des Erblassers zur Verfügung stellt, um sicherzustellen, dass der Erblasser sein Testament in Selbstbestimmung errichten kann. Die nachträgliche, d. h. posthume Feststellung von Fremdbestimmung sieht sich nämlich nicht bloß mit großen Beweisschwierigkeiten konfrontiert, sondern kann überdies dem Erblasser auch keinen Schutz vor bereits erfolgter Fremdbestimmung bieten. Im ersten Teil dieser Untersuchung soll zunächst herausgearbeitet werden, ob es überhaupt ein berechtigtes Anliegen des Rechts sein kann, die Selbstbestimmung des Erblassers vor Fremdbestimmung und damit vor unzulässiger Einflussnahme auf seinen letzten Willen zu schützen. Zur Erörterung dieser Frage ist zu allererst und in aller gebotenen Kürze die Bedeutung von Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage privatautonomen Handelns im Privatrecht und sodann näher die Bedeutung von Selbstbestimmung im Erbrecht zu untersuchen. Dabei ist auf die rechtshistorischen und dogmatischen Grundlagen der Testierfreiheit als tragendes, die Selbstbestimmung des Erblassers verkörperndes Prinzip des Erbrechts einzugehen. Sollte sich zeigen – wie anzunehmen ist –, dass es ein wesentliches Anliegen der Rechtsordnung ist, dass
III. Themeneingrenzung, Erkenntnisinteresse und Methode
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der Erblasserwille möglichst selbstbestimmt zustande kommt, dann ist zu untersuchen, in wessen Interesse die Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers geschützt werden soll. Es könnte einerseits das Interesse des Erblassers sein, dem es ermöglicht werden soll, ein ihm persönlich zustehendes Freiheitsrecht selbständig und unbeeinflusst auszuüben.112 Andererseits könnte sich aber auch herausstellen, dass der Schutz des Erblassers vor Fremdbeeinflussung vornehmlich dem Interesse der Erben dient,113 deren Erwartungen etwa als gesetzliche Erben nur dann enttäuscht werden dürfen, wenn der Wille des Erblassers authentisch ist und somit selbstbestimmt geäußert wurde.114 Sodann ist auf die Bedeutung des Willensdogmas im Erbrecht näher einzugehen, wobei seine Ausdehnung und seine Schranken auszuloten sind. All dies führt zu einem ersten Zwischenergebnis hinsichtlich der Bedeutung von Selbstbestimmung im Recht erbrechtlicher Verfügungen. In der Folge wird der Versuch unternommen, Fremdbestimmung im Gegensatz zur Selbstbestimmung positiv zu definieren und die darunter subsumierbaren Verhaltensweisen in entsprechende Fallgruppen einzuordnen. Daran anzuschließen ist eine Diskussion der Rechtsfolgen von Fremdbestimmung. Diese sind nach ihrer Tauglichkeit zum Schutz der Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers zu untersuchen. Ausgehend von den Ergebnissen dieses ersten Teils sind im zweiten Teil jene erbrechtlichen Institute zu untersuchen, die geeignet sein könnten, den Erblasser zu Lebzeiten vor Eingriffen Dritter in seine Verfügungsfreiheit zu schützen. Dazu zählen in erster Linie die Gültigkeitsvoraussetzungen letztwilliger Verfügungen, insbesondere die Regelung der Testierfähigkeit, der Form und das Gebot der formellen Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen. Sodann ist zu untersuchen, ob durch Beschränkungen der materiellen Testierfreiheit der erhoffte Schutz der Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers er112 Flume, Allgemeiner Teil 5, wonach sich dieses Postulat aus der Definition privatautonomen Handelns ergibt, dessen Geltungsgrund allein die Selbstbestimmung ist. 113 So z. B. Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht 374: „Die Testierfreiheit liegt im Interesse der Angehörigen, deren besonderen Bedürfnissen sich die gesetzliche Erbfolge im einzelnen Falle nicht anzupassen vermag; sie liegt aber auch im Interesse des Testierenden selbst, da sie ihm die Möglichkeit bietet, Treue zu belohnen und Untreue zu strafen.“ Gschnitzer, Erbrecht 22, dreht dieses Verhältnis um: „Sinn und Zweck der Verfügung von Todes wegen ist die Erstreckung der Verfügungsfreiheit über den Tod hinaus. Sie dient in erster Linie dem Interesse des Erblassers: er kann Liebe belohnen, Lieblosigkeit bestrafen. Sie dient mittelbar regelmäßig dem Familieninteresse, weil der Erblasser dadurch den Bedürfnissen des Einzelfalles in den Grenzen des Pflichtteilsrechtes gerecht werden kann.“ 114 Entsprechend wurde in der deutschen Diskussion argumentiert, dass eine Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge einer besonderen Legitimation bedarf, die nur dann gegeben ist, wenn der Wille des Erblassers selbstbestimmt geäußert wurde: Röthel, Gutachten 68. DJT A29 f.; dies., JZ 2011, 226. Diese Forderung ist nicht neu und wurzelt letztlich im Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen. Vgl. dazu Kralik, Erbrecht 90. Vgl. oben Fn. 93.
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reicht werden kann. Wie bereits erwähnt, versuchen verschiedene Gesetzgeber europäischer und außereuropäischer Rechtsordnungen die Gefahr der Fremdbestimmung durch Testierverbote zugunsten bestimmter Personen zu bannen. Abschließend soll aufgezeigt werden, wo und wie angesetzt werden kann, um dem Problem von Fremdbestimmung bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen wirksam entgegenzutreten. 3. Methodisches Die vorliegende Arbeit wird sich mit der Frage des Schutzes des Erblassers vor Fremdbestimmung aus historisch-vergleichender Perspektive115 deskriptiv-analytisch auseinandersetzen, wobei auf rechtshistorische Entwicklungen überall dort eingegangen wird, wo diese für das Verständnis des geltenden Rechts als wesentlich erachtet werden. Mit weit geöffnetem Blick in europäische und außereuropäische Rechtsordnungen sollen nicht nach großen, in sich abgeschlossenen Länderberichten, sondern jeweils bezogen auf die entsprechenden Sachfragen Lösungen in unterschiedlichen Rechtssystemen untersucht und unter Berücksichtigung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden116 miteinander verglichen werden. Besonderes Augenmerk wird neben dem deutschen auf das französische, österreichische, italienische und englische Recht gelegt, wobei auch weitere Rechtsordnungen wie etwa die spanischen Foralrechte (insb. Kataloniens) sowie das Recht einzelner Bundesstaaten der USA vereinzelt in die Analyse miteinbezogen werden. Die Arbeit versucht somit zu den einzelnen Problemkreisen jeweils jene Rechtsordnungen in den engeren Blick zu nehmen, die besonders interessante Lösungen anzubieten haben. Diese Vorgehensweise erscheint für das vorliegende Erkenntnisziel insgesamt fruchtbarer, als eine apriorische Beschränkung auf bestimmte willkürlich ausgewählte Rechtsordnungen. Gerade im Erbrecht wird vielfach mit Hinweis auf seine behauptete „kulturelle Prägung“117 der Wert oder sogar die Möglichkeit von Rechtsvergleichung in Frage gestellt.118 Dieser Ansicht ist hier entschieden entgegenzutreten. Rechtsvergleichung scheitert grundsätzlich nicht an kulturellen Hürden,
115 Zur Bedeutung der historisch-rechtsvergleichenden Methode Zimmermann, LQR 112 (1996) 576–605; Gordley, Comparative Law 753–773. 116 Dannemann, Comparative Law 383 ff. 117 Für Nachweise Zimmermann, RabelsZ 76 (2012) 475; grundlegend ders., JZ 2016 321–332. 118 Dazu de Waal, Comparative Succession Law 1073 f.: „It has often been stated as a piece of conventional wisdom that the law of succession is one of the most indigenous branches of the law and that it therefore does not ideally lend itself to comparative research.“
III. Themeneingrenzung, Erkenntnisinteresse und Methode
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denn eine funktionale Betrachtung119 des Rechts als Instrument zur Lösung universeller Sachfragen macht im Grunde jeden Rechtsbereich einem Rechtsvergleich zugänglich. Fraglich bleibt indes nur, ob ein Rechtsvergleich auch fruchtbar gemacht werden kann, gerade in Rechtsbereichen, die besonders stark von kulturellen Wertvorstellungen120 geprägt sind.121 Mithin ist die Frage zu beantworten, ob das Erbrecht ein solcher Rechtsbereich sein könnte, der so stark von Wertvorstellungen und Moralgeboten geprägt ist, dass diesbezüglich gewonnene rechtsvergleichende Erkenntnisse nicht gewinnbringend verwertet werden können. Diese Frage ist zu verneinen.122 Das Erbrecht mag zwar auch durch kulturelle Wertvorstellungen geprägt sein, es wirft gleichzeitig aber auch eine Reihe universeller Sachfragen auf, die durchaus Gegenstand einer rechtsvergleichenden Untersuchung sein können.123 Unter der Voraussetzung, dass eine Rechtsordnung die testamentarische Erbfolge zulässt, stellt sich eine Reihe von Fragen, etwa nach der Testierfähigkeit (Wer kann ein Testament errichten?), nach der Form (Wie errichtet man ein Testament?), nach dem möglichen Inhalt eines Testaments (Was darf der Testator anordnen?), nach der Auslegung, nach der Umsetzung des niedergelegten Willens etc. Ein Rechtsvergleich hinsichtlich dieser universellen Fragen kann als Inspirationsquelle für das eigene Recht dienen, gerade dann, wenn man Defizite im eigenen Recht diagnostiziert und sich auf die Suche nach einer möglichen Behebung dieser Defizite begibt. Die vorliegende Arbeit bedient sich der Bezüge zum ausländischen Recht, um zu ermitteln wie andere Rechtsordnungen sicherstellen, dass der Erblasser möglichst frei von äußerem Druck und unzulässigem Einfluss testiert, und versucht aus den so gewonnenen Erkenntnissen einen adäquaten Lösungsvorschlag für dieses Sachproblem im deutschen Recht zu entwickeln.
119 Zur funktionalen Rechtsvergleichung grundlegend Zweigert/Kötz, Einführung 31– 39; zuletzt ausführlich zu dieser Methode Michaels, Functional Method 339 ff. 120 Zur Problematik des meist undefinierten Begriffs der Kultur im Recht vgl. Michaels, Rechtskultur 1258 f., der auch darauf hinweist, dass die Rede von Rechtskultur „oft konservatives oder gar reaktionäres Potential“ habe, womit Veränderungen oft bewusst von vornherein abgewehrt würden. 121 Gerade der sog. „better law approach“ im Rechtsvergleich funktioniert in diesen Fällen nicht, denn schließlich müssen alle gefundenen Lösungen aus ihrer kulturellen Prägung heraus erklärt werden. Zimmermann, RabelsZ 76 (2012) 475 f. 122 Vgl. Zimmermann, RabelsZ 76 (2012) 496 f. 123 Die Tatsache, dass in den Motiven kontinuierlich auf ausländische Erbrechte verwiesen wird, zeigt im Übrigen auch, dass das deutsche Erbrecht auf rechtsvergleichender Basis entstanden ist. Vgl. z. B. die Ausführungen zur Zulässigkeit des gemeinschaftlichen Testaments in Mugdan V 134 (Motive V S. 253).
Erster Teil
Selbstbestimmung im Erbrecht Erster Teil – Selbstbestimmung im Erbrecht
§ 1 Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage privatautonomen Handelns
§ 1 Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage privatautonomen Handelns
Ausgangspunkt für die Behandlung der Frage nach der spezifischen Bedeutung von Selbstbestimmung im Erbrecht, ist eine Klärung dessen, was aus rechtlicher Sicht unter Selbstbestimmung zu verstehen ist und welche Bedeutung ihr insgesamt auf dem Gebiet des Privatrechts zukommt. Dabei wird hier nicht der Versuch einer umfassenden Darstellung des Meinungsstands zu dieser Frage unternommen, denn dies ginge im Hinblick auf die in dieser Arbeit zu behandelnde Frage der erbrechtlichen Selbstbestimmungsfreiheit entschieden zu weit. Die folgenden Ausführungen zum Begriff sowie zur Bedeutung von Selbstbestimmung im Privatrecht1 werden sich daher auf die wesentlichen, für die weitere Darstellung grundlegenden Eckpunkte beschränken.2 I.
Grundlegung
1. Selbstbestimmung als Möglichkeit des Handelns nach dem eigenen Willen Wer selbstbestimmt3 handelt, handelt grundsätzlich frei von äußerem Einfluss und Druck, insbesondere des Staates.4 Er orientiert sich somit letztlich allein an seinem Willen, der als Summe seiner auch von seinem sozialen Umfeld Zur allgemeinen Bedeutung von Selbstbestimmung im Recht vgl. Hollerbach, Selbstbestimmung im Recht. 2 Eingehend vgl. etwa Bydlinski, Privatautonomie 53 ff.; Wolf, Entscheidungsfreiheit 8 ff.; Singer, Selbstbestimmung 7 ff. Klassisch sind die Ausführungen von Flume, Allgemeiner Teil 1 ff. 3 In den Schriften Immanuel Kants ist der Begriff im Deutschen erstmals nachweisbar, wobei er allerdings noch nicht mit Autonomie gleichgesetzt wurde, sich damit jedoch aufgrund des Kontextes bereits partiell deckte. Zur philosophischen Bedeutung des Begriffs Selbstbestimmung vgl. Gerhardt, Selbstbestimmung 335. In der Weimarer Klassik wurde der Begriff mit Begeisterung aufgenommen. Schiller schrieb: „Es ist gewiß von keinem sterblichen Menschen kein größeres Wort noch gesprochen worden als dieses Kantische, was zugleich der Innhalt seiner ganzen Philosophie ist: Bestimme Dich aus Dir selbst.“ Schiller, Brief an G. Ch. Körner vom 18.2.1793. 4 „Nichteinmischung des Staates“: Busche, Privatautonomie 14; Medicus, Allgemeiner Teil Rn. 176. 1
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Erster Teil – Selbstbestimmung im Erbrecht
mitbestimmten Wünsche und Vorstellungen durch sein Handeln zum Ausdruck kommt. Selbstbestimmtes Handeln ist daher grundsätzlich gleichbedeutend mit Handeln im Einklang mit dem eigenen Willen.5 Mit dieser Macht des Einzelnen, seinem Willen entsprechend zu handeln, geht freilich auch Verantwortung einher. Wer selbstbestimmt handelt, kann nicht andere für die Folgen seines Handelns verantwortlich machen. Vielmehr muss er dafür selbst einstehen6 und wird daher durch sein Handeln rechtlich gebunden. Selbstbestimmtes Handeln zieht somit immer auch Selbstverantwortung nach sich. Um diesen Zusammenhang zu erkennen, bedarf es der Einsichtsfähigkeit,7 die unabdingbare Voraussetzung für selbstbestimmtes Handeln ist.8 Nur wer einsichtsfähig ist, kann die Folgen seines Handelns reflektierend in Kauf nehmen und daher dafür auch verantwortlich gemacht werden. In den gesetzlichen Schranken der Geschäftsfähigkeit (§§ 104, 105 BGB) kommt dieser innere Zusammenhang zwischen Selbstbestimmungsfreiheit und Einsichtsfähigkeit deutlich zum Ausdruck.9 Leidet der Handelnde auch bloß vorübergehend an einer Störung seiner geistigen Fähigkeiten, so konnte er die Folgen seines Handelns nicht reflektieren und kann daher für diese auch nicht zur Verantwortung gezogen werden. 5 Dagegen ist Handeln in Selbstbestimmung nicht immer ein Handeln in Freiheit: „But autonomy cannot be identical to liberty for, when we deceive a patient, we are also interfering with her autonomy. Deception is not a way of restricting liberty. The person who, to use Locke’s example, is put into a cell and convinced that all the doors are locked (when, in fact, one is left unlocked) is free to leave the cell. But because he cannot – given his information – avail himself of this opportunity, his ability to do what he wishes is limited. Self-determination can be limited in other ways than by interferences with liberty.“ Dworkin, Theory and Practice 14. Wer aufgrund von Freundschaften oder rechtlichen Verpflichtungen eine Entscheidung trifft, mag zwar nicht als gänzlich frei bezeichnet werden. Dass er aber selbstbestimmt handelt, ist nicht zu bezweifeln, denn der Einzelne entscheidet letztlich selbst, welche Werte er bei seiner Entscheidung berücksichtigen möchte und folgt somit im Ergebnis allein seinem Willen. 6 Dies setzt freilich voraus, dass das selbstbestimmte Handeln zu Lebzeiten des Handelnden Wirkungen entfaltet. Zur Problematik der Selbstbestimmung bei letztwilligen Verfügungen vgl. unten ausführlich § 2 II.4. 7 Dazu Oshana, J. Ethics 6 (2002) 267: „To be a responsible agent is, in part, to be rational; to be rational is to be potentially responsive to criteria that offer reasons for action that are objective in the sense that they are independent of what a person happens to have in his motivational set. The responsible agent understands, or has the potential to understand, what every moral community generally expects of morally responsible agents as interlocutors, capable of engaging in moral address. Responsible agency requires the ability to recognize moral norms evaluative of one’s reasons for actions as well as the ability to respond to these evaluations.“ 8 Gerhardt, Selbstbestimmung 316. Gerade im Privatrecht ist daher die Selbstbestimmung dort eingeschränkt, wo eine besonnene Entscheidung aufgrund mangelnder Geschäfts- oder Testierfähigkeit (§ 104 BGB, § 2229 BGB) nicht möglich ist. 9 Dazu Riesenhuber, Selbstverantwortung 9 f.
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Selbstbestimmung als Ausdruck der Willensfreiheit des Einzelnen stößt dort an ihre Grenzen, wo durch selbstbestimmtes Handeln in die Willensfreiheit anderer eingegriffen würde.10 Aus diesem Grunde wurde die Selbstbestimmung des Einzelnen in der philosophischen Diskussion als „eine Zentralkategorie der menschlichen Zivilisation“ bezeichnet.11 Selbstbestimmung erfordert nämlich Respekt vor dem eigenständigen Willen des anderen. Es ist dabei die Aufgabe der Rechtsordnung, die Schranken der Selbstbestimmungsfreiheit des Einzelnen zu konkretisieren.12 2. Selbstbestimmung in der Verfassung Die Freiheit nach eigenen Vorstellungen und Wünschen zu handeln, eröffnet dem Einzelnen die Möglichkeit der Entfaltung seiner Persönlichkeit und ist eine Selbstverständlichkeit einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die Selbstbestimmungsfreiheit ist somit eine „vorrechtliche Verfassungsvoraussetzung“,13 die als solche rechtlich gar nicht konstituiert, sondern lediglich anerkannt werden kann. Im Ergebnis macht es daher keinen Unterschied, wenn in einzelnen Verfassungen, wie etwa in Art. 2 Abs. 1 GG im Lichte historischer Schrecken die allgemeine Freiheitsgarantie ausdrücklich verbürgt ist,14 während sich andere Verfassungen auf die Anerkennung bloß einzelner Teilbereiche des Rechts auf freie Persönlichkeitsentfaltung in Form bestimmter Freiheitsrechte beschränken.15 All diese Verfassungen gehen nämlich von der grundsätzlichen Freiheit des Menschen und damit von einem gemeinsamen Postulat aus. Es ist die verfassungsrechtlich gebotene Aufgabe der Rechtsordnung, die Verwirklichung dieser Freiheit zu ermöglichen, den Einzelnen also vor unzulässigen Eingriffen des Staates und Dritter zu schützen. 10 Entsprechend bestimmt Art. IV der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789: „La liberté consiste à pouvoir faire tout ce qui ne nuit pas à autrui: ainsi l’exercice des droits naturels de chaque homme n’a de bornes que celles qui assurent aux autres Membres de la Société, la jouissance de ces mêmes droits.“ 11 Gerhardt, Selbstbestimmung 316. 12 Vgl. dazu Busche, Privatautonomie 15: „In einer auf dem Zusammenschluß einzelner Rechtssubjekte basierenden Gesellschaft ist Selbstbestimmung nur denkbar, wenn der Wille des Einzelnen von den anderen Mitgliedern der Gesellschaft kraft allgemeiner Übereinkunft oder bestimmter Regeln, denen alle Individuen unterworfen sind, respektiert wird. Diese Regeln stellt die Rechtsordnung zur Verfügung, mit deren Hilfe die Gesellschaft ihre Individualbeziehungen ‚verfasst’ und damit die Grundlegung für den Staat schafft.“ 13 Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 GG Rn. 3. Vgl. auch Flume, Allgemeiner Teil 19, wonach die Achtung des Einzelnen als Person und damit seiner Selbstbestimmung nicht erst aus Art. 2 GG folgen. 14 Etwa in Frankreich: Art. IV der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 oder in Italien: Art. 2 Cost. 15 Vgl. etwa die Übersicht bei BeckOK GG/Lang Art. 2 Rn. 1 (Stand: 1.3.2015).
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Eine Rechtsordnung, die den Einzelnen als selbstbestimmtes Individuum anerkennt, nimmt ihn in erster Linie in seiner Individualität ernst. Damit konkretisiert sich in der Freiheits- und Selbstbestimmungsgarantie gemäß Art. 2 Abs. 1 GG auch das in Art. 1 Abs. 1 GG als oberstes Verfassungsprinzip formulierte Bekenntnis zur unverletzlichen Menschenwürde. Die Anerkennung der Selbstbestimmungsfreiheit ist eine spezifische Form der Anerkennung der viel breiteren, dem Einzelnen ganz unabhängig von seiner konkreten Fähigkeit zum selbstbestimmten Handeln (Einsichtsfähigkeit) zustehenden Achtung seiner Würde als Mensch. Verfassungsrechtlich beschränkt und gleichzeitig geschützt wird das Selbstbestimmungsrecht durch die Schrankentrias in Art. 2 Abs. 1 GG. Demnach ist die allgemeine Freiheitsgarantie dort ausgeschlossen, wo Rechte anderer die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz (Art. 2 Abs. 1 S. 2 GG) verletzt würden. II. Selbstbestimmung im Privatrecht 1. Privatautonomie als Grundprinzip des Privatrechts Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund ist es evident, dass die Freiheitsgarantie und damit das Recht auf Selbstbestimmung besonders im Privatrecht volle Geltung beanspruchen.16 Schließlich kann ein Staat das Recht auf Selbstbestimmung und die freie Entfaltung der Persönlichkeit am besten dadurch fördern, indem er jedem die Gestaltung seiner privaten Rechtsverhältnisse selbst überlässt und sich darauf beschränkt, die zur Durchsetzung dieser privatrechtlichen Selbstbestimmung erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.17 Insofern hat der Gesetzgeber den Rechtssubjekten ein „funktionsfähiges Instrumentarium zur vertraglichen Selbstbestimmung“ an die Hand zu geben, „das dem Einzelnen zwar nicht die Garantie, wohl aber die Möglichkeit zu individueller Interessenverfolgung bietet.“18 So beruht denn auch das gesamte Privatrecht19 auf der Privatautonomie20 als dem Einzelnen eingeräumtes Recht zur selbstbestimmten, von seinem
16 Zur Verankerung der Vertragsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG: BVerfG 13.5.1986, BverfGE 72, 155; BVerfG 7.2.1990, BVerfGE 81, 242 (254 ff.); BVerfG 19.10.1993, BVerfGE 89, 214 (231 ff.); BVerfG 6.2.2001, BVerfGE 103, 89 (100); BVerfG 6.7.2010, BVerfGE 126, 286 (300). 17 Canaris, JZ 1987, 994. 18 MüKo BGB/Busche, Vor § 145 Rn. 3. 19 Bydlinski, System 148 f.; Brox/Walker, Erbrecht Rn. 23; Kötz, Vertragsrecht Rn. 22. 20 Der Begriff der Privatautonomie ist relativ jung und trat seinen Siegeszug erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an. Davor war das Konzept vorwiegend negativ besetzt, insbesondere weil damit zügelloses, individualistisches Verhalten assoziiert wurde. Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Busche, Privatautonomie 14.
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Willen getragenen Gestaltung seiner Rechtsverhältnisse.21 Dabei ist das Ausmaß der privatautonomen Gestaltungsmöglichkeiten freilich nicht in allen Teilbereichen des Privatrechts identisch. Im Schuldrecht erfährt der Grundsatz der Privatautonomie durch die weite inhaltliche Gestaltungsfreiheit seine größte Ausformung,22 unterliegt aber auch dort den von der Rechtsordnung vorgezeichneten Schranken und damit, um mit Bydlinski zu sprechen, der Verkehrssicherheit, der inhaltlichen Äquivalenz und der Selbstverantwortung.23 Im Familien-, Erb- und Sachenrecht, wo es maßgeblich um die Zuordnung von Rechten geht, ist privatautonomes Handeln in weiten Teilen (wenn auch nicht ausschließlich) darauf beschränkt, sich für oder gegen die Vornahme eines bestimmten Rechtsgeschäfts zu entscheiden (Abschlussfreiheit). Inhalt und Wirkungen dieser Rechtsgeschäfte bleiben vielfach im Interesse des Rechtsverkehrs vom Gesetzgeber vorgegeben und entziehen sich damit privatautonomer Gestaltungsfreiheit.24 2. Privatautonomie als Gewährleistung formaler Selbstbestimmung Die Verwirklichung der Privatautonomie erfolgt durch Rechtsgeschäft. Insofern spricht man auch von „rechtsgeschäftlicher Privatautonomie“ oder von Vertragsfreiheit, wobei der Begriff „Vertrag“ als pars pro toto für jede Art rechtsgeschäftlichen Handelns steht. Gemeint ist damit die Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen.25 Dies kann Flume, Allgemeiner Teil 1: „Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen“; Singer, Selbstbestimmung 6: „Privatautonomie bedeutet Selbstbestimmung durch rechtliche Selbstgestaltung.“ 22 Insofern steht nicht selten der Begriff der Vertragsfreiheit für die Privatautonomie insgesamt. Flume, Allgemeiner Teil 12. Zur Selbstbestimmung im Privatrecht mit besonderer Berücksichtigung des Vertragsrechts vgl. ausführlich Singer, Selbstbestimmung; Weiler, Willenserklärung. 23 Bydlinski, Privatautonomie 122 ff. Zur Selbstverantwortung vgl. Bydlinski, System 164 ff. 24 Wer etwa seine Vaterschaft anerkennt (§ 1594 BGB), ist an die gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen (z. B. Vaterschaftsverhältnis, Unterhaltspflichten, Pflichtteilsansprüche) dieser Anerkennung gebunden und kann diese nicht privatautonom gestalten. Dasselbe gilt auch für die Eheschließung. Abgesehen von güterrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten durch Ehevertrag, sind die Wirkungen der Ehe der Privatautonomie der Eheleute entzogen. Auch an die Erbeinsetzung im Testament sind bestimmte Rechtsfolgen geknüpft (z. B. die Universalsukzession gemäß § 1922 BGB oder die Haftung für Nachlassschulden gemäß § 1967 BGB), in die der Erblasser nicht gestaltend eingreifen kann. Ebenso sind der Zeitpunkt und die Wirkungen der Übereignung gemäß § 929 BGB gesetzlich definiert und können von den Parteien nicht abgeändert werden. 25 Bydlinski, System 148 beschränkt den Begriff der Vertragsfreiheit auf die „Möglichkeit zur Rechtsgestaltung“: „,Rechtsgeschäftliche‘ Privatautonomie bedeutet […] die Möglichkeit für jedermann, durch Erklärung seines Willens bestimmte bindende Rechtsfolgen, und zwar gerade die, auf die der erklärte Wille gerichtet ist, in Geltung zu setzen; als eine 21
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grundsätzlich durch Verträge (Verpflichtungs- oder Verfügungsgeschäfte), einseitige Rechtsgeschäfte oder einfache Rechtshandlungen geschehen. Geltungsgrundlage privatautonomen Handelns ist im Wesentlichen eine formal verstandene Selbstbestimmungsfreiheit.26 Ein Rechtsgeschäft entfaltet nämlich grundsätzlich jene Rechtsfolgen, die bei seiner Vornahme von einer selbstbestimmungsfähigen, d. h. voll geschäftsfähigen Person27 gewollt waren. Ob der erklärte Wille, bestimmte Rechtsfolgen eintreten zu lassen, auch in der Tat selbstbestimmt zustande gekommen ist, bleibt dabei unbeachtlich, denn auf für die Willensbildung maßgebliche Beweggründe (Motive) kommt es zumindest bei entgeltlichen lebzeitigen Geschäften im Interesse der Verkehrssicherheit und des Vertrauensschutzes regelmäßig nicht an.28 Die Rechtsordnung geht somit im Wesentlichen von der Gleichheit aller Privatrechtssubjekte aus, die sich auf Augenhöhe gegenüberstehen und insofern frei darüber bestimmen, wie ihre gegenläufigen Interessen angemessen auszugleichen sind. Diesen von den Parteien im Wege ihrer Vertragsfreiheit erzielten Interessensausgleich hat der Staat grundsätzlich anzuerkennen.29 Nur vereinzelt hat das BGB Ausnahmen von diesem formalen Selbstbestimmungskonzept zugelassen.30 Dies gilt zum Beispiel für die Fälle der vorsätzlichen Täuschung und der Drohung (§ 123 BGB). Wer vorsätzlich getäuscht wird oder einer Drohung zum Opfer fällt und infolgedessen eine bestimmte Willenserklärung abgibt, wird seine Erklärung zwar wollen (coactus spezifische Art der Schaffung von (regelmäßig individuellen) Rechtsregeln.“ Kritisch dazu Singer, Selbstbestimmung 85 ff. 26 Singer, Selbstbestimmung 45. Dagegen Wolf, Entscheidungsfreiheit 133 ff. 27 Ausnahmsweise wird von der Selbstbestimmungsfähigkeit des Betroffenen überhaupt abgesehen. Dies geschieht bei beschränkt Geschäftsfähigen hinsichtlich ausschließlich begünstigender Geschäfte (§ 107 BGB) sowie bei volljährigen Geschäftsunfähigen in Bezug auf Geschäfte des täglichen Lebens (§ 105a BGB). 28 So ausdrücklich für entgeltliche Geschäfte, sofern der Beweggrund nicht zur ausdrücklichen Bedingung gemacht wurde: § 901 S. 2 ABGB. Der deutsche BGB Gesetzgeber hat auf eine ausdrückliche Feststellung dieses Grundsatzes, der sich aus § 119 BGB ergibt, verzichtet. Vgl. dazu HKK/Zimmermann, vor § 1 BGB Rn. 21. In der Rechtsprechung zuletzt BGH 5.6.2008, NJW 2008, 2442, 2443: „Nicht nach § 119 Absatz I BGB anfechtbar sind dagegen Erklärungen, die auf einen im Stadium der Willensbildung unterlaufenen Irrtum im Beweggrund – Motivirrtum – (BGH 7.7.1998, NJW 1998, 3192) oder auf einer Fehlvorstellung über die Rechtsfolgen beruhen, die sich nicht aus dem Inhalt der Erklärung ergeben, sondern kraft Gesetzes eintreten – Rechtsfolgenirrtum – ([BGH 8.11.1977, NJW 1978, 1257; BGH 15.12.1994, NJW 1995, 1484, 1485]).“ Dies gilt freilich nicht für letztwillige Rechtsgeschäfte, bei denen der Motivirrtum grundsätzlich beachtlich ist (§ 2078 Abs. 2 BGB: Testament; § 2281 Abs. 1 BGB: Erbvertrag). Weitere Fälle, in denen auch bei lebzeitigen Rechtsgeschäften der Motivirrtum zu beachten ist, sind nach h. M. § 119 Abs. 2 BGB (Eigenschaftsirrtum), § 123 BGB (vorsätzliche Täuschung, Drohung) sowie § 313 (Störung der Geschäftsgrundlage). 29 BVerfG 6.2.2001, BVerfGE 103, 89 (100); BVerfG 7.2.1990, BVerfGE 81, 242 (254). 30 Zur Materialisierung der Vertragsfreiheit vgl. näher unten § 1 II.3.
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tamen volui ),31 sodass dem formalen Verständnis der Selbstbestimmung nach herrschender Meinung im Grunde Genüge getan ist.32 Da die Rechtsordnung das rechtswidrige Verhalten des Erklärungsempfängers aber nicht auch noch belohnen will,33 indem sie ihm durch staatlichen Zwang zur Durchsetzung verhilft, macht § 123 BGB die Durchsetzbarkeit eines durch vorsätzliche Täuschung oder Drohung zustande gekommenen Rechtsgeschäfts vom nachträglichen Geschäftserhaltungswillen des Getäuschten/Bedrohten abhängig. Binnen der in § 124 BGB vorgesehenen Frist entscheidet somit der Betroffene, ob er sich durch Anfechtung vom Geschäft lösen möchte oder ob er daran festhält.34 Bei arglistiger Täuschung durch einen nicht am Vertrag beteiligten Dritten ist das Anfechtungsrecht des Betroffenen bei Gutgläubigkeit des Erklärungsempfängers gemäß § 123 Abs. 2 S. 1 BGB dagegen ausgeschlossen. Die Tatsache, dass der Erklärende einen Willen geäußert hat, ist somit für die Gültigkeit der Willenserklärung hinreichend. Dass dieser Wille bloß geäußert wurde, weil der Erklärende von einem unbeteiligten Dritten über wesentliche Entscheidungsvoraussetzungen getäuscht worden war, soll im Interesse des Vertrauensschutzes bei Gutgläubigkeit des Erklärungsempfängers unbeachtlich sein. Dieser Grundsatz gilt etwa auch im österreichischen (§ 875 ABGB),35 im italienischen (Art. 1439 Abs. 2 ital. C. civ.), im Schweizer
31 Paulus, D. 4, 2, 21, 5 (tamen coactus volui) im Zusammenhang mit einem erzwungenen Erbschaftsantritt. Im Vertragsrecht will der Bedrohte zur Vermeidung des ihm angedrohten größeren Übels den Vertragsschluss. Dazu Zimmermann, Obligations 652 f. 32 „Auch wer eine Erklärung unter dem Einfluß eines Irrtums, einer arglistigen Täuschung oder einer Drohung abgibt, setzt nämlich noch in Selbstbestimmung eine Regelung in Geltung; seine Selbstbestimmung ist dann zwar fehlerhaft, doch hört sie darum noch nicht auf, Selbstbestimmung zu sein.“ Canaris, Vertrauenshaftung 422. 33 Der Gedanke, dass der Willenserklärung wegen „Unsittlichkeit“ des Verhaltens die Geltung zu versagen sei, findet sich bei Savigny, System Bd. III 100. 34 Es kann freilich auch damit argumentiert werden, dass die Anfechtung in den Fällen von Täuschung und Drohung gerade deshalb eröffnet ist, weil volle Selbstbestimmung im Sinne eines Handelns nach dem eigenen Willen aufgrund eines äußeren psychischen Zwangs bzw. Manipulation nicht stattgefunden hat. Nach Gerald Dworkin sowie Marina A. L. Oshana kann Selbstbestimmung nur unter der Bedingung einer prozeduralen Unabhängigkeit stattfinden. Dies bedeutet, dass die Willensbildung nicht durch äußeren psychischen Zwang (Drohung) oder durch Manipulation (Täuschung) beeinträchtigt werden darf. Dworkin, Theory and Practice 14, 18; Oshana, J. Soc. Philos. 29 (2008) 93 f. 35 Das österreichische Recht schließt die Anfechtung auch im Falle der Drohung durch einen Dritten aus, wenn der Vertragspartner von der Drohung weder wusste noch davon wissen musste (§ 875 S. 2 ABGB). Mittels einer teleologischen Reduktion von § 123 Abs. 1 BGB (Anfechtbarkeit wegen Drohung durch einen Dritten nur dann, wenn ein Schutzgebot zulasten des Erklärungsempfängers besteht) wurde eine entsprechende Beschränkung der Anfechtbarkeit wegen Drohung durch einen Dritten auch für das deutsche Recht vorgeschlagen: Martens, AcP 207 (2007) 393 ff.
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(Art. 28 Abs. 2 OR) oder im französischen Recht.36 Der Vertrauensschutz des gutgläubigen Vertragspartners dringt somit gegen die Wahrung der Selbstbestimmung des Getäuschten durch.37 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in allen Fällen, in denen die Einflussnahme auf den Willen des Erklärenden die Schwere des Drohungstatbestands nicht erfüllt und im Übrigen auch keine vorsätzliche Täuschung vorliegt, mithin bei Ausnützung einer Zwangslage oder bei Druckausübung, die Willenserklärung wegen Willensmangels nicht anfechtbar ist. Daraus ergibt sich, dass § 123 BGB im Interesse des Verkehrs- und Vertrauensschutzes keinen vollständigen Schutz der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit vor Fremdbestimmung bietet. Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass Geltungsgrundlage lebzeitigen rechtsgeschäftlichen Handelns nicht die vollständige Freiheit von äußerer Einflussnahme ist, sondern lediglich Selbstbestimmung im formalen Sinn. Das Erklärte gilt im Grunde deshalb, weil es so von einer selbstbestimmungsfähigen Person geäußert wurde. Im Interesse des Verkehrs- und Vertrauensschutzes wird weitgehend von den Umständen, wie es zu dieser Erklärung gekommen ist, abgesehen. Mag die Willensbildung auch fehlerhaft sein, so bleibt nach herrschender Meinung der geäußerte Wille dennoch Ausdruck personaler Selbstbestimmung. 38 Nur ausnahmsweise wird von diesem Grundsatz formaler Selbstbestimmung abgewichen (etwa in den Grenzen des § 123 BGB). 3. Materialisierung der Privatautonomie Dass tatsächliche Selbstbestimmung nicht auf eine formale Selbstbestimmung beschränkt werden darf, ohne sie inhaltlich auszuhöhlen, kann freilich auch von den überzeugtesten Verfechtern formaler Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage rechtsgeschäftlichen Handelns nicht bestritten werden.39 So ist denn auch das Machtungleichgewicht zwischen den Parteien als „ewiges Ist die arglistige Täuschung nicht vom Erklärungsempfänger, sondern von einem Dritten bewirkt, bleibt dies grundsätzlich ohne Wirkungen für die Gültigkeit des Geschäfts und begründet lediglich einen außervertraglichen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Dritten. Dies ergibt sich aus Art. 1116 franz. C. civ., der ausschließlich auf die Täuschung durch eine der Vertragsparteien Bezug nimmt. Allerdings hat die Rechtsprechung anerkannt, dass das Geschäft auch dann anfechtbar ist, wenn eine Komplizenschaft zwischen Erklärungsempfänger und Täuschendem vorliegt. Cass. civ. 1ère, 27.6.1972, D. 1973, 133 (Anm. Malaurie). Vgl. dazu Terré/Simler/Lequette, Les obligations Rn. 235. Das französische Recht erweist sich somit in dieser Hinsicht noch weiter im Prinzip der formalen Selbstbestimmung verhaftet, als etwa das deutsche Recht, wo nicht Komplizenschaft des Dritten erforderlich ist, sondern ein „Kennen-Müssen“ des Erklärungsempfängers genügt. 37 Canaris, Vertrauenshaftung 422. 38 Canaris, Vertrauenshaftung 422. 39 Es sei denn, man möchte mit Zöllner, AcP 196 (1996) 25 ff. verneinen, dass die Privatrechtsordnung bindende Rechtsfolgen nur an einen Akt der Selbstbestimmung knüpft. 36
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Dilemma“ der Privatautonomie bezeichnet worden.40 Besonders bei Ungleichgewichtslagen zwischen den Parteien erweist sich nämlich selbstbestimmtes Handeln im Sinne der Verwirklichung eigener, nicht fremdbestimmter Vorstellungen häufig als faktisch unmöglich. Andererseits ist freilich auch offensichtlich, dass eine rein material verstandene Selbstbestimmungsfreiheit zu einer völligen Aushebelung der Selbstbestimmungsfreiheit führen würde, weil es zu einer Überreglementierung kommen müsste, die dem Einzelnen kaum noch Spielraum zur rechtsgeschäftlichen Selbstverwirklichung ließe.41 Der von Verfechtern der materialen Selbstbestimmung als Tatbestandselement der Willenserklärung geforderte umfassende Schutz der Entscheidungsfreiheit vor allen Formen der Beeinträchtigung, insbesondere vor Beeinträchtigungen durch ungleiche Machtlagen,42 würde die Selbstbestimmungsfreiheit des Einzelnen somit noch deutlicher untergraben, als eine rein formal verstandene Selbstbestimmungsfreiheit. Wo die für einen „gerechten Interessensausgleich“ erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil nicht beide Parteien in ihrer Entscheidung frei zu ihrer Willenserklärung gelangten, dürfte nämlich die Rechtsordnung eine von den Parteien geschlossene Vereinbarung gar nicht anerkennen. Es müsste mithin bei „allen Vereinbarungen Unwirksamkeit eintreten, sofern ein nach objektiven Maßstäben ungerechter Interessensausgleich unter Beeinträchtigung der Selbstbestimmung eines Partners vereinbart worden“ ist.43 Von einem rein materialen Verständnis der Selbstbestimmungsfreiheit als Geltungsgrundlage rechtsgeschäftlicher Gestaltungsfreiheit ist es daher nur ein kleiner Schritt, der Selbstbestimmung jeglichen Wert abzusprechen und letztlich nur noch darauf abzustellen, ob durch einen Vertrag ein mit „objektiven Gerechtigkeitsvorstellungen“ korrespondierender Interessensausgleich zustande kommt. So fordert Schmidt-Rimpler in seiner berühmt gewordenen Schrift zu den Grundlagen des Vertragsrechts, dass der Vertrag „überall dort auszuschalten“ sei, wo aufgrund von Ungleichgewichtslagen zwischen den Parteien eine beidseitige Willenseinigung nicht erfolgen kann und der Vertrag somit keine genügende „Richtigkeitsgewähr“ im Sinne der Gemeinschaftsordnung biete. „Ehrlich und bewusst“ sei besonders in Fällen mangelnder Vertragsparität zu „hoheitlicher Gestaltung zu schreiten.“44 Der Vertrag ist mithin nicht mehr ein Instrument der selbstbestimmten Gestaltung der eigenen Rechtsverhältnisse, sondern ein „Mechanismus, um ohne hoheitliche Gestaltung in begrenztem Rahmen eine richtige Regelung auch gegen unrichFlume, Allgemeiner Teil 10. Singer, Selbstbestimmung 21. 42 Wolf, Entscheidungsfreiheit 122. 43 Wolf, Entscheidungsfreiheit 293 f. 44 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941) 157 f. mit einer Typisierung der Fälle, in denen der Vertrag „kein geeignetes Ordnungsmittel“ darstellt und deshalb durch hoheitliche Gestaltung zu ersetzen sei. 40 41
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tigen Willen herbeizuführen, weil immer der durch die Unrichtigkeit Betroffene zustimmen muss.“45 Aus dem dialektischen Zusammenspiel der auf gleicher Ebene sich begegnenden Interessen der Vertragsparteien ergebe sich ein Kompromiss, der im Idealfall objektiven Gerechtigkeitsvorstellungen und damit den Erwartungen der Gemeinschaftsordnung entspreche. Wird die staatliche Anerkennung des Vertrags und damit seine gerichtliche Durchsetzbarkeit mit der Erreichung dieses Ziels eines gerechten Interessensausgleichs verbunden, dann dient der Vertragsmechanismus freilich nicht mehr der individuellen Interessensverfolgung, sondern in erster Linie der Durchsetzung staatlich (vor)formulierter Zielvorstellungen.46 Auch diejenigen, die dieser Lehre Schmidt-Rimplers noch im jüngeren Schrifttum folgen wollen,47 müssen sie freilich insofern einschränken, als „eine objektive, absolute Richtigkeit“ nicht existiert, womit der Lehre wohl insgesamt ihre Überzeugungskraft entzogen ist.48 Aus alledem folgt, dass weder ein rein formales noch ein rein materiales Verständnis der Selbstbestimmungsfreiheit dem verfassungsrechtlichen Ideal der Persönlichkeitsentfaltung durch rechtliche Selbstgestaltung gerecht wird. Mithin ist ein Mittelweg einzuschlagen, der mit Schutznormen operiert, deren
Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941) 156. Busche, Privatautonomie 78. 47 Vgl. etwa zuletzt MüKo BGB/Säcker, Einl. vor § 1 Rn. 37: „Natürlich gibt es im Bereich gesellschaftlicher Wertungen keine objektive, absolute Richtigkeit; es gibt vielmehr prinzipiell so viele ‚Richtigkeiten‘, wie es Rechtssubjekte und Instanzen gibt, die über die Richtigkeit frei bestimmen.“ Vgl. auch Coester-Waltjen, AcP 190 (1990) 14, die eine „gewisse Richtigkeitsgewähr“ nur im funktionierenden dialektischen Vertragsmechanismus erblickt und im Übrigen (ohne die zahlreichen Vorbehalte Schmidt-Rimplers – Walter Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941) 165 ff.) Vereinbarungen von der Rechtsordnung anerkannt sehen will, „auch wenn das Vereinbarte unter objektiven Gesichtspunkten unrichtig oder unvernünftig erscheint.“ 48 Damit wird nämlich die Lehre Schmidt-Rimplers, die von einer – aus seiner Zeit heraus verständlichen, ideologisch vorgeprägten – objektiv feststehenden Richtigkeitsvorstellung ausgeht, insgesamt in Frage gestellt. Ob man also davon sprechen kann, dass im heutigen Schrifttum Schmidt-Rimplers Ansicht weiterhin auf breite Zustimmung stößt (Busche, Privatautonomie 78) oder nach „einem Siegeszug durch die Zivilrechtswissenschaft“ gar als „herrschend“ angesehen werden kann (Weiler, Willenserklärung 60), ist sehr zweifelhaft. Freilich hat Schmidt-Rimpler seine Position durch einen späteren Beitrag sehr entschärft und damit auch für eine nicht ideologiegebundene Diskussion fruchtbar zu machen versucht. Dazu Walter Schmidt-Rimpler, Vertragsproblem 3–26. Dass SchmidtRimpler, wie er schreibt, „den Vertrag vor dem Zugriff des autoritären Staates bewahren wollte, dessen Streben, wie das eines jeden solchen, auf Ausschaltung, mindestens Zurückdrängung der Vertragsordnung zugunsten hoheitlicher Gestaltung gerichtet war“ (S. 9), verdeutlicht ob der Offenkundigkeit des Primats nationalsozialistischer Vorstellungen in seiner ursprünglichen Lehre der Richtigkeitsgewähr, wie wenig einsichtig er sich für seinen Sündenfall zeigte. 45 46
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Aufgabe es im Sinne eines von Canaris formulierten Untermaßverbots49 ist, sicherzustellen, dass die Chancen einer möglichst selbstbestimmten vertraglichen Regelung erhöht werden. In einer der bedeutendsten Entscheidungen zur verfassungsrechtlich gebotenen Materialisierung50 der Vertragsfreiheit hob das BVerfG hervor, dass dort, „wo es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt“, mit den „Mitteln des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Ausgleich der Interessen zu gewährleisten“ sei. Wenn in derartigen Ungleichgewichtslagen über grundrechtlich verbürgte Positionen verfügt werde (wie etwa über die Berufsfreiheit mittels eines vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbots), müssten „staatliche Regelungen ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern.“ Dadurch würden nicht bloß die „objektiven Grundentscheidungen des Grundrechtsabschnitts“, sondern zugleich auch das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) verwirklicht.51 In der berühmten Folgeentscheidung zur Bürgschaft bei Eheleuten wurde diese Rechtsprechung des BVerfG gefestigt und dahingehend präzisiert, dass das verfassungsrechtlich gebotene materiale Verständnis der Vertragsfreiheit auch nicht zu weit gehen dürfe. Bereits die Rechtssicherheit im Privatrechtsverkehr verbiete es, dass die Rechtsordnung für jedes Verhandlungsungleichgewicht Vorsorge treffe. Vielmehr habe sie im Grunde das Ergebnis privatautonomer Rechtsgestaltung zu respektieren. Ein Schutz vor Fremdbestimmung sei daher nur dann geboten, wenn folgende drei Voraussetzungen erfüllt seien: 1.) es müsse eine typisierbare Fallgestaltung vorliegen; 2.) ein Vertragsteil müsse strukturell unterlegen sein und 3.) die Folgen der Unterlegenheit müssten ungewöhnlich belastend sein. Lägen diese Voraussetzungen vor, dann müsse der Gesetzgeber aufgrund der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) reagieren und Korrekturen ermöglichen,52 um zu verhindern, dass sich „Selbstbestimmung in Fremdbestimmung“ verkehre.53 Dem Gesetzgeber stehen unterschiedliche Wege offen, um den Einzelnen vor Fremdbestimmung zu schützen. Wenn das strukturelle Ungleichgewicht zwischen den Parteien in einem bestimmten Bereich so schwer wiegt, dass 49 Canaris, AcP 184 (1984) 228: „Verfassungswidrig ist das Fehlen von Schutzvorschriften dann, wenn das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum unterschritten ist. Wann das der Fall ist, lässt sich nicht generell sagen, sondern hängt wesentlich von der Art des betroffenen Rechtsguts und der Möglichkeit zu privatautonomem Selbstschutz ab.“ Zu den im rechtsgeschäftlichen Bereich erforderlichen Schranken zur Wahrung dieses Untermaßverbots vgl. ebd., 232 ff. 50 Zu diesem Begriff vgl. Canaris, AcP 200 (2000) 277 ff. 51 BVerfG 7.2.1990, BVerfGE 81, 242 (255). 52 BVerfG 19.10.1993, BVerfGE 89, 214 (232). 53 BVerfG 19.10.1993, BVerfGE 89, 214 (232); BVerfG 6.2.2001, BVerfGE 103, 89 (100 f.); BVerfG 17.10.2014, BVerfGE 114, 1 (34).
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eine selbstbestimmte Willensbildung der unterlegenen Partei regelmäßig auszuschließen ist, wird der Gesetzgeber häufig mit zwingenden Gesetzesvorschriften (etwa im Arbeits-, Miet-, Verbraucher- oder Versicherungsrecht)54 einschreiten, um typische Ungleichgewichtslagen zu korrigieren. Diese reichen von der Fixierung des Vertragsinhalts (etwa durch Klauselverbote § 307 BGB), mittels derer die Inhaltsfreiheit der Vertragsparteien beschränkt wird, bis hin zu Aufklärungspflichten (etwa in § 360 BGB), Formvorschriften (z. B. § 492 BGB Verbraucherkredit, § 655b BGB sowie § 484 BGB Teilzeit-Wohnrecht)55 und Widerrufsrechten (z. B. § 312 BGB, § 312 b BGB, § 312 d BGB), die weniger stark in die formale Vertragsfreiheit der Parteien eingreifen. Soweit der Gesetzgeber kein zwingendes Recht schafft, um allfällige Machtungleichgewichte auszugleichen, greifen ergänzend zivilrechtliche Generalklauseln ein, wie insbesondere §§ 138 Abs. 2, 242, 307, 315 BGB.56 Über sie kann im Einzelfall dort Abhilfe geschaffen werden, wo besonders eklatante Störungen der Vertragsparität zu offensichtlich unbilligen Vertragsgestaltungen geführt haben. Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz wird in diesen Fällen im Wege der mittelbaren Drittwirkung durch die Gerichte verwirklicht.57 4. Ergebnis: Beschränkte formale Selbstbestimmung Aus dem vorangehenden Überblick zur Frage der Bedeutung von Selbstbestimmung im Bereich des Privatrechts, lässt sich folgern, dass der Privatrechtsverkehr grundsätzlich von einem formalen Selbstbestimmungskonzept 54 Zum teilweise sehr hohen Preis dieser schützenden zwingenden Gesetzesvorschriften vgl. Kötz, Vertragsrecht Rn. 45, wobei hinsichtlich des Verbraucherschutzes freilich zu präzisieren ist, dass die Kosten der sich aus den zwingenden Vorschriften ergebenden Risikoverteilung nur dann an die Kunden weitergegeben werden können, wenn der Markt dies zulässt. Eine Überspannung des Schutzes der wirtschaftlich unterlegenen Partei bringt nämlich die Gefahr mit sich, dass das Schutzziel in sein Gegenteil verkehrt werden kann, sodass bestimmte Waren überhaupt nicht mehr angeboten werden, im Mietrecht das Mietwohnungsangebot knapp wird oder im Arbeitsrecht kaum noch unbefristete Arbeitsverträge geschlossen werden bzw. durch Scheingeschäfte (etwa Scheinwerkverträge) arbeitsrechtliche Schutzvorschriften umgangen werden (dazu Schüren, Arbeitnehmerüberlassung § 318 Rn. 135 ff.). Kritisch in diesem Sinne im Hinblick auf den europäischen VerbraucherAcquis auch Eidenmüller/Faust/Jansen/Wagner/Zimmermann, C.M.L. Rev. 48 (2011) 1077–1123. 55 Vgl. zu diesen Formvorschriften bei Verträgen mit schutzbedürftigen Personen: Kötz, Vertragsrecht Rn. 170. 56 Im österreichischen Recht etwa § 879 ABGB sowie § 934 ABGB (Verkürzung über die Hälfte). Im italienischen Recht zur Sicherung tatsächlicher Selbstbestimmung vgl. die Rückgängigmachung (rescissione) gemäß Artt. 1447 ff. ital. C. civ. eines unter Ausnützung einer Not- oder Gefahrensituation geschlossenen Vertrags. 57 Dazu BVerfG 7.2.1990, BVerfGE 81, 242 (255).
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beherrscht wird, nach dem alle Rechtsgenossen gleich und daher zur rechtsgeschäftlichen Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen befugt sind. Demnach gilt in aller Regel das Erklärte, ohne dass darüber hinaus eine weitere Überprüfung des Inhalts oder der Umstände der Willensbildung geboten wäre.58 Die Privatrechtsordnung, insbesondere das deutsche BGB, geht vom Idealfall gleichberechtigter, sich auf gleicher Augenhöhe frei gegenüberstehender Rechtsgenossen aus, die im dialektischen Austausch gemeinsam zu einem sachgerechten Ergebnis gelangen. Durch die Anerkennung des auf diese Weise zum Ausdruck gebrachten Willens respektiert die Rechtsordnung das jedermann zustehende Recht zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit. Selbstverständlich bedeutet dieser Vorrang der formalen Selbstbestimmungsfreiheit als Geltungsgrundlage privatautonomen Handelns nicht, dass die Rechtsordnung jede Willenserklärung vorbehaltlos anerkennen muss. Besonders dann, wenn die Idealbedingungen der Verwirklichung selbstbestimmten Handelns nicht erfüllt sind, greift der Gesetzgeber durch zwingendes Recht einerseits und durch Generalklauseln andererseits ein, um strukturell bedingte oder im Einzelfall festgestellte eklatante Ungleichgewichtslagen, die zu unbilligen Vertragsgestaltungen führen würden oder geführt haben, zu korrigieren.59 Insofern wird der Grundsatz der formalen Selbstbestimmung zur Verwirklichung einer tatsächlichen Entscheidungsfreiheit durch ein materiales Selbstbestimmungsverständnis nach außen hin begrenzt.
§ 2 Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage erbrechtlicher Verfügungen § 2 Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage erbrechtlicher Verfügungen
Vor dem Hintergrund dieser Standortbestimmung der Privatautonomie im Recht lebzeitiger Geschäfte ist im Folgenden zu erörtern, welche Bedeutung der Selbstbestimmung bei der Ausübung der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit als vermögensrechtliche Verfügungsbefugnis für die Zeit nach dem Tod des Erblassers zukommt. Hierfür ist zunächst zu fragen, inwiefern bei der Errichtung erbrechtlicher Verfügungen überhaupt Selbstbestimmung möglich ist. Daran könnten Zweifel aufkommen, zumal der Erblasser zumindest auf den ersten Blick nicht über seine eigene Rechtssphäre bestimmt, sondern auf die Rechtssphäre anderer (nämlich seiner Erben bzw. der Vermächtnisnehmer bzw. der übergangenen gesetzlichen Erben) einwirkt. Wenn – wie Canaris formuliert hat – privatautonomes Handeln „immer rechtliche Selbstgestaltung“ ist und sich „Selbstbestimmung als rechtliche Selbstgestaltung gar nicht 58 Insofern stellt Werner Flume, Allgemeiner Teil 6 fest: „Die privatautonome Gestaltung von Rechtsverhältnissen bedarf, soweit sie vom Recht anerkannt wird, keiner anderen Rechtfertigung, als dass der einzelne sie will.“ 59 Vgl. dazu mit rechtsvergleichenden Hinweisen Zimmermann, Obligations 268 ff.
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Erster Teil – Selbstbestimmung im Erbrecht
anders denken lässt, als in der Form der Selbstbindung“, weil Recht ohne Geltung „ein Widerspruch in sich wäre“,60 dann müsste man daraus freilich schließen, dass letztwillige Verfügungen als testamentarische Anordnungen gar nicht Ausdruck von Selbstbestimmung sein können und damit auch nicht als privatautonomes Handeln im angeführten Sinne qualifiziert werden dürften. Ihnen mangelt es nämlich an der für rechtsgestalterisches (privatautonomes) Handeln typischen Bindungswirkung.61 Die Unverbindlichkeit in Form der freien und jederzeitigen Widerruflichkeit ist ein rechtsordnungsübergreifendes Strukturmerkmal letztwilliger Verfügungen62 und deutet insofern auf einen wesentlichen Unterschied zwischen lebzeitigen und letztwilligen Verfügungen hin. Daraus ergibt sich die im Folgenden zu untersuchende Frage, inwieweit Verfügungen unter Lebenden und letztwillige Verfügungen überhaupt auf ein einheitliches Konzept der Privatautonomie und somit auf einen einheitlichen Geltungsgrund gestützt werden können, wie dies die herrschende Ansicht ohne weitere Vorbehalte63 annimmt.64 Nur wenn feststeht, dass es im Rahmen der Ausübung der Testierfreiheit auf die Selbstbestimmung des Einzelnen ankommt, kann die in der vorliegenden Arbeit zu behandelnde Frage der Fremdbestimmung des Erblassers für das Recht überhaupt problematisch sein.
Canaris, Vertrauenshaftung 413 f. Der Erbvertrag (§ 2289 Abs. 1 S. 2 BGB) und unter bestimmten Umständen das gemeinschaftliche Testament (§ 2272 Abs. 2 BGB) bilden hiervon eine bloß scheinbare Ausnahme, denn sie lassen eine Beschränkung der Testierfreiheit entgegen § 2302 BGB zu. Allerdings entspringen die Bindungswirkungen des Erbvertrags bzw. des gemeinschaftlichen Testaments nicht einem Rechtsgeschäft von Todes wegen, sondern einem lebzeitigen Rechtsgeschäft, nämlich einem bei einem Erbvertrag bzw. einem gemeinschaftlichen Testament vom Gesetzgeber vermuteten konkludenten vertraglichen Ausschluss der Testierfreiheit. Lebzeitig ist damit natürlich nicht der Erbvertrag oder das gemeinschaftliche Testament, sondern ausschließlich die sofort wirksame (oder mit dem Tod eines Ehegatten eintretende Wirksamkeit der) Verbindlichkeitsvereinbarung. Für den Erbvertrag spricht Musielak entsprechend von der „Doppelnatur des Erbvertrags“: MüKo BGB/Musielak, Vor § 2274 Rn. 2. Dazu grundsätzlich BGH 8.1.1958, NJW 1958, 498: „Wenn auch der Erbvertrag eine Vfg. von Todes wegen ist, ist er doch ein wirklicher Vertrag […]. Aus dieser Rechtsnatur folgt, daß die Parteien an den Inhalt des Vertrages, soweit dieser vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen enthält, grundsätzlich gebunden sind.“ 62 Hinsichtlich des Testaments als Inbegriff letztwilliger Verfügungen: §§ 2253, 2302 BGB; Österreich: §§ 713 ff. ABGB; Frankreich: Art. 895 C. civ. Italien: Artt. 679 ff. C. civ.; Spanien: Art. 737 C. civ.; England: vgl. Kerridge, Succession 3-06; Schweiz: Artt. 509 ff. ZGB. 63 Zuletzt allerdings für eine von der lebzeitigen Privatautonomie emanzipierte „Privatautonomie von Todes wegen“ Kroppenberg, Privatautonomie 352 ff. 64 Vgl. etwa Brox/Walker, Erbrecht Rn. 23; Leipold, Erbrecht Rn. 61: „Privatautonomie auf erbrechtlichem Gebiet“. 60 61
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I. Die Herausbildung der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit aus historischer Perspektive Ausgangspunkt für die Erörterung der Frage nach der Bedeutung von Selbstbestimmung als Geltungsgrund letztwilliger Verfügung, ist ein Blick auf die Entwicklungsgeschichte der Selbstbestimmungsfreiheit im Erbrecht. Während heute nicht mehr ernsthaft bezweifelt wird, dass jeder nach seinem Willen über sein Vermögen auch von Todes wegen verfügen darf und dieses Recht meist mit dem Recht auf Selbstbestimmung des Einzelnen als „Fortsetzung der Eigentums-, der Verpflichtungs- und Verfügungsfreiheit über den Tod hinaus“65 begründet wird, ist die erbrechtliche Verfügungsfreiheit anders als die Vertragsfreiheit aus historischer Perspektive keine Selbstverständlichkeit, sondern vielmehr die (politisch immer wieder in Frage gestellte66) Errungenschaft einer langen, durchaus nicht linearen Rechtsentwicklung: nihil est quod magis hominibus debetur, quam ut supremae voluntatis, post quam iam aliud velle non possunt, liber sit stilus.67 1. Entwicklungsstufen der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit Für eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit erscheint ein Vergleich der Forschungen zum altgriechischen, römischen und germanischen Recht68 besonders erhellend, denn in diesen Rechten finden sich die Wurzeln des heute geltenden Rechts. Wie zu zeigen sein wird, lassen sich augenfällige entwicklungsgeschichtliche Parallelen ausmachen, die es erlauben, die Genese der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit in drei eng mit dem wirtschaftlich-sozialen Fortschritt verbundene, freilich grob schematisierte Phasen zu gliedern. An eine erste genossenschaftliche Phase reiht sich im Gefolge der Individualisierung des Eigentums eine Phase lebzeitiger Einzelverfügungen auf den Todesfall bis sich schließlich, nicht ohne Rückfälle, in einer dritten Phase erbrechtliche Einzel- und Gesamtverfügungen herausbildeten und durchsetzten.69 Lange/Kuchinke, Erbrecht 4. Der wohl prominenteste Schlag gegen die Testierfreiheit erfolgte, abgesehen von den Umwälzungen in den sozialistischen Ländern, während der französischen Revolution in Frankreich, als die Testierfreiheit abgeschafft wurde (1793). Vgl. dazu Beckert, Unverdientes Vermögen 50 f. 67 Cod. 1.2.1: Imperator Constantinus. 68 Zur Problematik dieses Begriffs Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand 4 ff. Abzustellen ist auf das Recht germanischer Stämme, soweit überhaupt allgemeine Aussagen über gemeinsame Charakteristika dieser Rechte gemacht werden können. 69 Für eine rein geistesgeschichtliche und an der Funktion des Testaments orientierte Rekonstruktion der Herausbildung der Testierfreiheit vgl. zuletzt Bahurel, Volontés 19 ff., der die Testierfreiheit bei den Römern mit dem Glauben an die Unsterblichkeit erklärt, im Ancien Droit als Schlüssel zum Himmel und in der Moderne als Ausdruck des Individualismus über den Tod hinaus. 65 66
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a) Genossenschaftliche Phase Ein Vergleich der Entwicklung des Erbrechts in der Antike Griechenlands, 70 Roms71 und bei den Germanen deutet auf bemerkenswerte Parallelen hin, die den inneren Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlich-sozialen Fortschritt72 einer Gesellschaft und der Herausbildung des Erbrechts sichtbar machen. Den für eine frühe gesellschaftliche Entwicklungsstufe charakteristischen sesshaften Personenverbänden (Sippen, Stämme, Hausgenossenschaften, familia73 im antiken Rom, οΐκος (oíkos) in der griechischen Antike74) ist ein Erbrecht vermutlich75 noch fremd. Das vorhandene Vermögen (in Form von landwirtschaftlichen Bebauungsflächen, landwirtschaftlichem Gerät und Hausgerät) ist nämlich nicht den einzelnen Verbandsmitgliedern zugeordnet, sondern steht als notwendige Lebensgrundlage allen Teilhabern in gleicher Weise zu.76 Scheidet also ein Teilhaber wegen Todes aus, so kommt es weder zu einer Vermögensübertragung noch zu einer Vermögensnachfolge, denn der Verband77 als Vermögensträger bleibt, solange noch Mitglieder vorhanden sind, erhalten.78 Die Teilhaber rücken in die Rechtsposition des aus dem geBarta, Graeca Bd. II/1 496 ff.; Beauchet, Histoire 423 ff.; MacDowell, The Law 92 ff. Maffi, Family 256 ff.; Thür, Erbrecht 48. 71 Vgl. dazu Wieacker, Hausgenossenschaft 3 ff.; Kaser, Römisches Privatrecht I 91 ff.; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht 434 ff. 72 So dezidiert in Bezug auf die Testierfreiheit in deutschen Rechtsgebieten: Hesse, Einfluss 145: „feste Abhängigkeit“. 73 Als Gesamtheit von Menschen und Gütern: Wieacker, Hausgenossenschaft 10; Kaser, Römisches Privatrecht I 50 f., 97; Arces, Studi 95 ff. 74 Dazu zuletzt Barta, Graeca Bd. II/2 4 f.; ausführlich, Schmitz, Nachbarschaft 27 ff.; Karabélias, L’acte 81 f. In der älteren Literatur: Paoli, Successioni 701. Zum oíkos als Personen- und Vermögensgesamtheit vgl. auch Gehrke, Familie 408 f. Zu den Parallelen vgl. De Francisci, Storia 109; Rabel, ZRG RA 50 (1930) 323 mit Bezügen auch zum japanischen Recht. 75 Sichere Aussagen lassen sich für diese frühe Zeit freilich nicht treffen, weshalb sich die Forschung mit Rekonstruktionen beholfen hat, deren Überzeugungskraft allein in ihrer Plausibilität gründet. 76 Diesen Begriff des Familienvermögens greift Hegel, Grundlinien § 171 in seinem „sittlichen“ Verständnis von Familie und Eigentum wieder auf: „Das [Familienvermögen] ist gemeinsames Eigentum, so dass kein Glied der Familie ein besonderes Eigentum, jedes aber sein Recht an das Gemeinsame hat.“ 77 Etwa im römischen Recht als Kultverband für die Hausgötter: Kaser, Römisches Privatrecht I 92; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht § 65 Rn. 5. Zu den Ursprüngen der Genossenschaft des deutschen Rechts im Familienverband vgl. Gierke, Genossenschaftsrecht I 14 ff. 78 Für das Recht im alten Griechenland: Schmitz, Nachbarschaft 205 f.; Barta, Graeca Bd. II/2 19 f.: „Familieneigentum“; Beauchet, Histoire 423; für das römische Recht: Wieacker, Hausgenossenschaft 14: „Den genauen erbrechtlichen Ausdruck dieses Vorgangs verdanken wir Siber. Er ist nicht successio, wie Mitteis gerade für das Hauserbrecht meinte. Die sui folgen weder nach, noch treten sie neu in den Verband ein. Die potestas des 70
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nossenschaftlichen Verband Ausgeschiedenen nach, sodass es bloß zu einer Anwachsung (bzw. einem Anfall) kommt, die keiner Übertragung bedarf.79 Für ein Erbrecht ist in einer solchen auf kollektivem Eigentum aufbauenden primitiven Gesellschaft kein Platz.80 Indes gab es ohne Zweifel auch schon in dieser frühen Zeit Gegenstände des engsten persönlichen Bedarfs (etwa Kleidung, Schmuck, Waffen). Diese folgten aber nach verbreiteter Überzeugung dem Verstorbenen als Beigaben in das Grab, sodass sich diesbezüglich ein Erbrecht nicht entwickeln konnte.81 Waren keine Hausgenossen oder Sippenangehörige vorhanden, dann fiel das Gut in ältester germanischer Zeit vermutlich an die Siedlungsgemeinschaft, die unter ihren Mitgliedern einen Übernehmer auswählte.82 Ähnliches wird für die römische Frühzeit vermutet, wo das Gut in Ermangelung von agnatischen Seitenverwandten an die Gens ging.83 In frühester altgriechischer Zeit fiel das Vermögen an die Seitenverwandten (anchisteia) oder über die Töchter an die männlichen Nachkommen in der weiblichen Linie (epikleros).84 Fehlten auch Seitenverwandte oder männliche Nachkommen in der weiblichen Linie, ging das Gut an die Siedlungsgemeinschaft.85 Dem Hausgenossen ohne männliche Nachkommen wurde aber wohl vorwiegend aus kultischen Gründen (Totengedenken, Ahnenkult und damit verbundene Opferpflicht)86 schon sehr früh die Möglichkeit eingeräumt, für die pater familias stirbt nicht, um in den gewaltfreien wiedergeboren zu werden. Vielmehr setzen diese die unsterbliche Hausgenossenschaft, mit sinngemäß abgewandelter Verwaltungsordnung, fort.“ Für das germanische Recht vgl. Gierke, ZRG GA 12 (1876) 481 f.: „Natur des Hauses als eines dauernden Verbandes“. 79 Für das germanische Recht vgl. Hagemann, Erbrecht 1371; für das römische Recht: Wieacker, Hausgenossenschaft 14 f.; für das griechische Recht: Schmitz, Nachbarschaft 205 f.: „Das athenische Erbrecht lässt mithin deutlich erkennen, dass der Vater kein freies Verfügungsrecht über den oikos hatte. Der Generationswechsel im bäuerlichen Haus ist also in erster Linie als eine Übergabe der Hausgewalt anzusehen, nicht als ein Erbvorgang.“ Vgl. auch Beauchet, Histoire 423. 80 Insofern kann man für diese Zeit weder von einem Erblasser noch von einem Erben, Nachfolger oder von einer Erbschaft sprechen. Instruktiv dazu Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand 43. Vgl. auch Hagemann, Erbrecht 1371. 81 Dabei handelt es sich um den Totenteil im germanischen Recht: Floßmann, Privatrechtsgeschichte 315; Hesse, Einfluss 10 m.w.N; zu Parallelen im römischen Recht Wieacker, Hausgenossenschaft 11. 82 Heusler, Institutionen II 622. Gesicherte Erkenntnisse gibt es für diese frühe Zeit freilich nicht. 83 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht 436; Kaser, Römisches Privatrecht I 102; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht § 66 Rn. 6. 84 Thür, Erbrecht 48. 85 So die Vermutung („to the city“) bei Maffi, Family 256. 86 Für das griechische Recht: Bruck, Schenkung 104 f.; Harrison, The Law I 123; für das römische Recht: Mitteis, Römisches Privatrecht 93 f.; Karabélias, L’acte 66 ff.; für das germanische Recht Hagemann, Erbrecht 1376.
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Aufrechterhaltung seines Hausverbands und des damit verbunden Hauskults im Wege der Adoption für einen Stammhalter zu sorgen. 87 Die anfangs lebzeitige Adoption wurde im weiteren Verlauf zu einer Adoption auf den Todesfall, d. h. zu einer Adoption mit Wirkung ab dem Tod des Erblassers. Diese frühesten Wurzeln88 des erst später entstehenden Testaments reichen in eine Zeit zurück, in der von Erbrecht noch gar keine Rede sein konnte. Der an Kindesstatt Angenommene folgte dem Verstorbenen nämlich nicht als Erbe nach, sondern garantierte den Fortbestand des mit Vermögen ausgestatteten, nicht ohne Personen auskommenden Familienverbands (Erhalter). So lassen sich denn auch gewisse Parallelen zwischen der frühen griechischen Diatheke (διαθηκη) mit Adoption (εισποίησις, eispoíēsis)89, dem frühen römischen testamentum calatis comitiis90 und der germanischen (salfränkischen) Affatomie (Tit. 46 Lex salica) bzw. der langobardischen gairethinx91 ziehen. Bei allen Unterschieden zwischen diesen Rechtsinstituten im Detail, kann doch zumindest als gesichert gelten, dass sie (unabhängig von ihrer familien- bzw. personenrechtlichen Bedeutung92) mittels Adoption eines Hausfremden ursprünglich dem Zweck dienten, den Fortbestand des für den Haus- und Totenkult bedeutenden Familienverbands zu sichern. Erst als der Totenkult und die damit verbundenen Opferpflichten aufgrund von Schenkungen (Seelteil) oder Stiftungen von geistlichen Instanzen (etwa der Kirche im Mittelalter oder den Tempelverwaltungen in der griechischen Antike) übernommen wurde, oder wie im römischen Recht dem Vermögen folgte,93 verlor die testamentarische Adoption an Bedeutung.94 Vgl. dazu Bruck, Über römisches Recht 33. Dazu Barta, Graeca Bd. II/1 503 f. Vgl. dazu im Zusammenhang mit der Nennung des Erben im alten Testament in der Bibel Zimmermann, „Sind wir aber Kinder“ 443. 89 Thür, Recht 231. Vgl. auch MacDowell, The Law 99 f.; Harrison, The Law Bd. 1 82 ff., 150; Karabélias, L’acte 57 ff. 90 Es handelte sich um ein Testament vor der zwei Mal (24. März und 24. Mai: Gai. 2,101) jährlich einberufenen Volksversammlung, der vermutlich das Recht zustand, den letzten Willen des Erblassers zu billigen oder zu verwerfen. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht 447 f. Als Adoptionstestament war wohl auch das testamentum in procinctu ausgestaltet, das einen bloßen Sonderfall des Komitialtestaments darstellte. An die Stelle der Komitien trat das kampfbereite Heer. Kaser, Römisches Privatrecht I 106 f.; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht § 67 Rn. 2. Kritisch Arces, Studi 107 ff., der das testamentum calatis comitiis streng von der adrogatio trennt und hervorhebt, dass diese Testamentsform nicht ausschließlich eine Adoptionsfunktion erfüllte. 91 Dazu Hagemann, Erbrecht 1376. Zur Affatomie ausführlich Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand 131 ff. Zur gairethinx und ihren Verbindungen zur Adoption Dilcher, Normen 300. 92 Diese wurde insbesondere in Bezug auf die Affatomie zuletzt mit gewichtigen Gründen in Frage gestellt: vgl. Adrian Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand 145. 93 Für das römische Recht lässt sich nicht eruieren, zu welcher Zeit das Adoptionstestament (Komitialtestament) außer Übung kam. Jedenfalls lebte es nicht bis in die klassische Zeit fort und wurde vom zunächst nur in dringenden Fällen zulässigen Manzipations87 88
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b) Individualisierung des Eigentums. Lebzeitige Einzelverfügungen Das kollektivistische Verbandssystem musste freilich mit der Zeit erodieren, denn das Anwachsen der Familien erschwerte bei beschränkten Ressourcen und nach und nach einsetzender Zersplitterung (Realteilung) des Familienguts ein Auskommen für den einzelnen Familienverband.95 Parallel dazu trat das Konzept individuellen Eigentums mit immer klareren Konturen aus dem kollektivistischen Familiengut hervor.96 Die Anerkennung des Rechts des Einzelnen, über bestimmte eigene Sachen zu Lebzeiten zu verfügen, drängte die dem Verbandssystem zugrundeliegende kollektivistische Eigentumsvorstellung langsam in den Hintergrund und öffnete so den Weg für lebzeitige Verfügungen (insbesondere Schenkungen) auf den Todesfall. Im germanischen Rechtskreis erfolgten diese Verfügungen zunächst nicht nur, aber besonders auf Betreiben der Kirche.97 Die frühe Praxis wickelte sie zunächst über einen Mittelsmann ab. Im germanischen Recht erfüllte der Salmann98 diese Funktion, im frühen römischen Recht der familiae emptor 99 im Wege
testament (testamentum per aes et libram) verdrängt. Die dort eingesetzten Begünstigten (zunächst Legatare) wurden mit dem Totenkult belastet, denn die sacra sollten nach der Entscheidung der Pontifices vom Eigentum getragen werden (Cicero, De legibus, Kap. 2, 50). Vgl. dazu Bruck, Über römisches Recht 28, 38. 94 Bruck, Schenkung 152. 95 Dazu für die römische Frühzeit Wieacker, Hausgenossenschaft 15 ff., 19 ff.; Kaser, Römisches Recht 93; für die griechische Frühzeit: Maffi, Family 256. Zur Teilung des Hausvermögens im alten griechischen Recht: Rabel, Labeo 7 (1961) 531 f. 96 Für die griechische Frühzeit: Barta, Graeca Bd. II/2 296 ff.; Beauchet, Histoire 425; Harrison, The Law Bd. 1 125; zur „sua res“ im frühen römischen Recht als Gegenstand von Sachzuwendungen unter Lebenden und später als Gegenstand des Manzipationstestaments: Wieacker, Hausgenossenschaft 30 f.; ob sich in dieser frühen römischen Zeit je ein Sondergut des Hausvaters herausgebildet hat ist allerdings strittig: Kaser, Römisches Privatrecht I 97 f. Im germanischen Recht, das die Familiengebundenheit des Vermögens lange bewahrte, drang unter dem Einfluss der Kirche der Gedanke individuellen Eigentums in Form des Freiteils durch. Hagemann, Erbrecht 1376; Wieacker, Hausgenossenschaft 31. 97 Hagemann, Erbrecht 1376. Auch im alten Griechenland sind wohl geistliche Institutionen (Tempelverwaltungen) frühe Wegbereiter dieser der Pflege des Totenkultes dienenden Schenkungen. Vgl. dazu Bruck, Schenkung 142 ff. 98 Hagemann, Erbrecht 1377. Auch bei der Affatomie wurde das Gut einem Mittelsmann übertragen und erst von diesem an den Erwerber weitergegeben. Dazu SchmidtRecla, Kalte oder warme Hand 145. 99 Wieacker, Hausgenossenschaft 35 (Fn. 140) hat darauf hingewiesen, dass man sich vom Begriff emptor nicht täuschen lassen dürfe. Demnach handelt es sich nicht um einen Käufer im eigentlichen Sinne, sondern um einen Erbnehmer (emere=accipere). Kaser, Römisches Privatrecht I 107 spricht ebenso allgemein von „Erwerber“, während Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht § 67 Rn. 3 den familiae emptor als „treuhänderischen Vermögenskäufer“ bezeichnen. Humbert, L’acte 157: „acquéreur à titre onéreux mais symbolique“.
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der Manzipation.100 Auch im griechischen Recht101 war die Übertragung über einen Mittelsmann anfangs weit verbreitet.102 Als sich die Anweisungen an den Mittelsmann hinsichtlich der Vermögensempfänger durch Verschriftlichung vom Treuhandgeschäft zu lösen begannen, entwickelten sich daraus die ersten einseitigen, letztwilligen Verfügungen.103 So ging die Treuhandschenkung mit der Zeit zugunsten einer einseitigen letztwilligen Verfügung unter. Der Mittelsmann wandelte sich im römischen Recht zum Zeugen104 oder im griechischen und germanischen Recht zum Testamentsvollstrecker.105 c) Erbrechtliche Einzel- und Gesamtverfügungen Dass aus der lebzeitigen (Treuhand-)Schenkung zunächst erbrechtliche Einzelverfügungen hervorgingen, bezeugt der Inhalt der ersten sich abzeichnenden letztwilligen Verfügungen. So war das Manzipationstestament der Zwölftafelzeit ein Legatentestament.106 Auch die diatheke ohne Adoption des griechischen Rechts107 sowie die Vergabungen108 auf den Todesfall des germanischen Rechts enthielten zunächst unwiderrufliche Verfügungen über einzelne getrennte oder verbundene Vermögensgegenstände.109 Die Übergänge von den lebzeitigen (sofort wirksamen und unwiderruflichen) Einzelverfügungen auf erbrechtliche Verfügungen, die erst mit dem Tode des Erblassers wirksam werden und bis dahin widerrufen werden können, erwiesen sich freilich als fließend. Eine strenge Trennung zwischen lebzeitigen und erbrechtlichen Geschäften ist daher für diese Übergangsphase nicht möglich.110 Dies gilt auch 100 Gai. 2.103. Dazu Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht 448 f.; Kaser, Römisches Recht 107; Wieacker, Hausgenossenschaft 31. 101 Barta, Graeca Bd. II/1 501 f. 102 Bruck, Schenkung 145 ff.; Rabel, ZRG RA 30 (1909) 471. 103 Für das römische Recht Wieacker, Hausgenossenschaft 38; Kaser, Römisches Privatrecht I 108; Dulckeit, ZRG RA 70 (1953) 181 ff.; für das griechische Recht: Bruck, Schenkung 148. 104 Kaser, Römisches Privatrecht I 679. 105 Bruck, Schenkung 145 ff. 106 Wieacker, Hausgenossenschaft 30; Kaser, Römisches Privatrecht I 107; Kaser/ Knütel, Römisches Privatrecht § 67 Rn. 5; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht 449; Dulckeit, ZRG RA 70 (1953) 181. Gegen diese Ansicht Humbert, L’acte 153; zuletzt Arces, Studi 185, der davon ausgeht, dass die Erbeinsetzung bis in die älteste Zeit zurückreicht und nicht eine Entwicklung späterer Zeit darstellt. 107 Bruck, Schenkung 106 ff.; Rabel, ZRG RA 30 (1909) 470; Harrison, The Law Bd. 1 151 f. 108 Für eine Kritik an diesem von der Germanistik entwickelten (nicht aus den Quellen entnommenen) Begriff vgl. Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand 81 ff. 109 Dass hier zunächst über einzelne Sachen und erst später über Sachgesamtheiten verfügt wurde, erscheint plausibel. Diese Abfolge konnte allerdings zuletzt für das germanische Recht nicht nachgewiesen werden. Vgl. Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand 642. 110 Vgl. z. B. für das griechische Recht Bruck, Schenkung 109 f.
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für die deutschrechtlichen Vergabungen hinsichtlich derer zuletzt gezeigt wurde, dass sie aufgrund von Widerrufsklauseln und Wirksamkeitsaufschub bis zum Tod des Verfügenden den erbrechtlichen Verfügungen des römischen Rechts zum Teil so nahe kamen, dass sie nur schwerlich von diesen abzugrenzen sind. Die im 19. und 20. Jahrhundert weit verbreitete Lehrmeinung, dass dem deutschen Recht einseitige erbrechtliche Verfügungen fremd waren und erst über die Rezeption des römischen-kanonischen Rechts eingeführt wurden,111 kann einer Überprüfung am vorhandenen Quellenmaterial nicht standhalten.112 Dabei ist freilich einzuräumen, dass die Unterscheidung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis als Charakteristikum des römischen Rechts weder dem germanischen113 noch dem griechischen Recht bekannt war.114 Dies besagt aber nicht viel, denn sowohl im germanischen Recht als auch im griechischen Recht waren Gesamtverfügungen bekannt, mittels derer widerruflich über das gesamte Vermögen115 für die Zeit nach dem Tod des Erblassers verfügt werden konnte. Das Erbenlaub (Zustimmung der Abkömmlinge) des germanischen Rechts war nach jüngsten Erkenntnissen auch nicht Wirksamkeitsvoraussetzung der Verfügung, sondern als Widerspruchsrecht konstruiert, das durch zwölfmonatigen Fristablauf erlosch.116 Vielfach waren die Hauptempfänger der Verfügungen ohnehin nicht Hausfremde, sondern Personen aus dem engsten Familienverband. Dies zeigt sich an der großen Zahl von Vergabungen an Familienangehörige im germanischen Recht.117 Auch im römischen Recht war der paradigmatische Fall der Erbeinsetzung nicht die Einsetzung eines Familienfremden, sondern eines Hauserben.118 Die Verfügungen dienten somit offensichtlich dem Zweck, die weitere Zersplitterung des Familienvermögens in der Erbengemeinschaft auszuschalten und einen Anerben zu bestimmen, auf den das Vermögen konzentriert werden konnte.119 Darüber hinaus hatten aber gerade in der römischen OberVgl. etwa Landau, ZRG GA 114 (1997) 58 f. Seif, ZRG GA 121 (2005) 111. Umfassend Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand. 113 Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand 641. 114 Thür, Diatheke 530; Karabélias, L’acte 96. 115 Für das antike griechische Recht: Thür, Diatheke 530; Ruschenbusch, ZRG RA 79 (1962) 310, wonach Solon in seiner Gesetzgebung eine bereits davor bestehende Tradition der Universalnachfolge durch Testament bestätigt hat. Die solonische Gesetzgebung habe sich lediglich darauf beschränkt, festzulegen, dass bei Vorhandensein von leiblichen Söhnen kein Testament errichtet werden dürfe, dass der Adoptivsohn nicht testieren dürfe und dass das Testament nach freiem Willen zu errichten sei. Für das germanische Recht: Seif, ZRG GA 121 (2005) 97; Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand 642. 116 Seif, ZRG GA 121 (2005) 94 f.; Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand 643 ff. 117 Vgl. dazu den Quellenanhang bei Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand 647 ff. 118 Wieacker, Hausgenossenschaft 38; vgl. dazu auch m. w. N. Paulus, ZRG RA 111 (1994) 430 f.; Champlin, Classical Philol. 84 (1989) 204 f. 119 Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Testierfreiheit des vorklassischen römischen Rechts durch Notgesetzgebung (sog. Erbschutzgesetzgebung) eingeschränkt: Verbot, Lega111 112
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schicht Testamente enorme gesellschaftliche Bedeutung120 und wurden gemeinhin als Spiegel des Charakters des Testators angesehen.121 2. Die Entstehungsbedingungen letztwilliger Verfügungen Die Entstehungsbedingungen letztwilliger Verfügungen sind damit klar bezeichnet. Der vorangehende historische Aufriss bestätigt die verbreitete und plausible Erkenntnis,122 dass ohne individuelles, d. h. vom Hausverband bzw. der Familie losgelöstes Eigentum, Testierfreiheit nicht denkbar ist. Solange nämlich das Vermögen in einem Verband gebunden ist, bleibt kein Raum für Verfügungen von Todes wegen, denn der Tod des Einzelnen lässt den Fortbestand des Vermögensträgers (oikos, familia, Sippe als Personen- und Vermögensgesamtheit) unberührt, sodass sich Fragen über die Vermögensnachfolge im erbrechtlichen Sinne gar nicht erst stellen. Als mit der Zeit das kollektive Eigentum zugunsten einer individuellen Sachzuordnung zurückgedrängt wurde, waren die Voraussetzungen für die Entstehung der Testierfreiheit bereitet. Denn erst zu diesem Zeitpunkt konnte sich das Bedürfnis entwickeln, Anordnungen über die individuelle Zuordnung des Vermögens nach dem eigenen Tod zu treffen. Freilich ist hier gleich einzuräumen, dass die Herausbildung individuellen Eigentums die Entstehung der Testierfreiheit nicht notwendigerweise bedingt. Der Fortbestand individuellen Eigentums über den Tod hinaus ist nämlich auch dann gesichert, wenn das Vermögen des Einzelnen nach te über 1000 as anzunehmen, durch die lex Furia testamentaria; Verbot, Schenkungen von Todes wegen über 1000 as anzunehmen, durch die lex Cincia; die Nichtigkeit der Schenkung zwischen Eheleuten; Beschränkungen des Frauenerbrechts durch die lex Voconia. Vgl. dazu Wieacker, Hausgenossenschaft 45 ff. 120 Inhaltlich folgten sie bei der Oberschicht meist einem vorgegebenen sozialen Pflichtenprogramm. Dazu anschaulich Champlin, Classical Philol. 84 (1989) 207 f.: „It is very clear that a sense of duty was a strong motivation for the Roman testator: he was obliged to do the proper thing, to repay favors, to honor friends.“ Ebd., 209: „The observable public interest in wills and the testator’s sense of duty offer strong confirmation: the ‘horror of intestacy’ – or better, deep distaste – is essentially a reflection of the social responsibility of the individual citizen; it is a communal, not an individual emotion. The law of intestacy took care of property only. The making of a proper will was an actual duty, designed to honor or rebuke family, friends, and servants as they deserved. If the officium was properly fulfilled, the testator was praised. If it was done improperly, from the time of the late Republic certain close relatives were allowed legal recourse with the querela inofficiosi testamenti, the complaint of the unduteous will.“ 121 Plinius d. J., Epistolae, VIII., 18, der diesen Gemeinplatz im Hinblick auf einen bestimmten Einzelfall bestreitet: „falsum est nimirum quod creditur vulgo, testamenta hominum speculum esse morum“, der Verstorbene erscheine nämlich in seinem Testament viel gütiger, als er zu Lebzeiten war. Vgl. ausführlich zu den Beweggründen der Testamentserrichtung im alten Rom Champlin, Classical Philol. 84 (1989) 198 ff. 122 Vgl. z. B. Muscheler, Erbrecht Bd. 1 Rn. 377; Floßmann, Privatrechtsgeschichte 296; Wieacker, Hausgenossenschaft 33 f.; Lange/Kuchinke, Erbrecht 6.
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seinem Tod auf eine oder mehrere Personen übergeht. Die Intestatserbfolge, die in Anbetracht des von einer Vermögensgemeinschaft auf eine Solidargemeinschaft123 reduzierten Hausverbands in den hier besprochenen Rechtskulturen Familienerbfolge war, gewährleistet dies und steht daher am Anfang jeder erbrechtlichen Entwicklung. Erst die Unzufriedenheit über die Ergebnisse des im wesentlichen auf Gleichheit der Abkömmlinge aufbauenden Intestatserbrechts und der Wunsch nach Vermögenskonzentration aus wirtschaftlichen Gründen oder zum Machterhalt der regierenden oder wohlhabenden Familien124 ließen zunächst in der Form lebzeitiger Schenkungen auf den Todesfall über einen Mittelsmann und später mittels erbrechtlicher Einzelverfügungen und Gesamtverfügungen in einem nicht immer linearen Prozess die Testierfreiheit entstehen. Das Individualeigentum förderte somit die Entstehung der Testierfreiheit, denn erst seine Festigung im Rechtsbewusstsein der frühen Gesellschaften hat lebzeitige Schenkungen ermöglicht, aus denen in der Folge erbrechtliche Verfügungen hervorgegangen sind. II. Erbrechtliche Privatautonomie Aus den benannten historischen Wurzeln der erbrechtlichen Verfügung im Recht der lebzeitigen Schenkung folgt zunächst, dass beiden Verfügungsarten zumindest historisch ein einheitliches Konzept privatautonomer Gestaltungsbefugnis zugrunde liegt. 1. Historische Herleitung aus dem Eigentum Das allgemeine Prinzip der Privatautonomie ist seinerseits an das Konzept individuellen Eigentums geknüpft und hängt somit eng mit der Freiheit des Einzelnen zusammen, über sein Vermögen nach seinem eigenen Willen verfügen zu dürfen. Während diese Verfügungsfreiheit des Eigentümers aus historischer Perspektive zunächst als eine lebzeitige Freiheit verstanden und durch die lebzeitige (sofort wirksame) Schenkung verwirklicht wurde, verstärkte sich bald das Bedürfnis danach, sich die volle Verfügungsfreiheit über sein Vermögen zu Lebzeiten zu bewahren und lediglich über die Vermögensnachfolge Der darin begründete Versorgungsgedanke wird etwa auch in der naturrechtlichen Begründung des Erbrechts deutlich. Vgl. dazu Locke, Two Treatises I, § 88, wonach das Erbrecht der Nachkommen darin begründet liegt, dass Gott den Menschen den starken Wunsch eingepflanzt habe, in den eigenen Nachkommen fortzuleben, was den Kindern ein Recht auf Teilhabe am elterlichen Vermögen garantiere. Die Kinder hätten daher auch schon zu Lebzeiten ein Recht auf Teilhabe am elterlichen Vermögen, das mit dem Tod der Eltern auf sie übergehe. Dies entspreche nicht nur dem Recht Gottes, sondern auch dem geltenden Landesrecht, das den Eltern eine Versorgungspflicht gegenüber ihren Kindern auferlege. Zum erbrechtlichen Verständis Lockes vgl. Kendrick, Legal Theory 17 (2011) 145 ff. 124 Wieacker, Hausgenossenschaft 29. 123
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nach dem Tod zu bestimmen. Die Wirksamkeit der noch lebzeitig gedachten, zweiseitigen Verfügung wurde daher zunächst auf den Todeszeitpunkt hinausgeschoben. Der Schritt hin zur letztwilligen Verfügung, die ausschließlich Anordnungen für die Vermögensnachfolge enthält, war vollzogen, als die Verfügungen widerruflich ausgestaltet wurden und sich die Anweisungen des Erblassers für den Mittelsmann bzw. das Schenkungsversprechen an den Begünstigten zum einseitigen Rechtsgeschäft verselbständigten. Damit hatte sich die Freiheit des Eigentümers über seine persönliche Habe zu Lebzeiten zu verfügen auf die Zeit nach seinem Tode erstreckt, und es festigte sich mithin die rechtliche Überzeugung, dass der Eigentümer nicht bloß lebzeitig, sondern auch für die Zeit nach seinem Tod Vermögensanordnungen treffen darf. Die erbrechtliche Verfügungsfreiheit ist insofern nicht naturrechtlicher (oder vorrechtlicher und unabdingbarer) Inhalt des Eigentumsbegriffs, 125 sondern Ergebnis einer historisch gewachsenen, zunächst gewohnheitsrechtlich etablierten Erweiterung des Eigentumsbegriffs über den Tod hinaus.126 2. Derivat des Erbrechts Trotz dieser historisch engen Verbindung mit der Eigentumsfreiheit, kann die erbrechtliche Verfügungsfreiheit dogmatisch nicht aus dem Eigentum abgeleitet werden.127 Sie ist vielmehr ein genuines Derivat des Erbrechts.128 Erst 125 So aber zuletzt, wenn auch vorsichtig („dürfte“), Muscheler, Erbrecht Bd. 1 (2010) Rn. 400. Aus naturrechtlicher Sicht ablehnend zur Herleitung der Testierfreiheit aus der Eigentumsfreiheit: Zeiller, Privat-Recht 188: „Hieraus folgt, dass nach dem bloßen Naturrechte (im Naturstande) die Güter des Verstorbenen, aller letztwilligen Anordnungen desselben ungeachtet, der Aneignung preisgegeben würden“, es sei denn der Erblasser habe bereits zu Lebzeiten über sein Vermögen wirksam verfügt. 126 In diesem Sinne bemerkt auch Klang/Weiß § 552 f. ABGB, 210: „Die Testierfreiheit, als das Recht, letztwillig zu verfügen, ist eine notwendige Folge [zu verstehen bloß im historischen, nicht im rechtlichen Sinn!, Anm.] des Sondereigentums. Beides geht auf eine gemeinsame Wurzel, die Anerkennung subjektiver Vermögensrechte durch die Rechtsordnung zurück. Wollte man daher, ohne die Freiheit zu Verfügungen unter Lebenden einzuschränken, die Möglichkeit, eine Erklärung des letzten Willens zu errichten, beseitigen, so würde sie sich ganz von selbst aus ersterer, und zwar möglicherweise aus der Schenkung auf den Todesfall, d. h., aus der Schenkung unter Lebenden, deren Wirksamkeit bis nach dem Ableben des Schuldners hinausgeschoben ist, entwickeln, so wie sie daraus entstanden ist. Ebenso ferner, wie das Vermögensrecht unter Lebenden ist auch das Recht, eine letztwillige Verfügung zu errichten, auf Herrschaft und Willensfreiheit gegründet.“ 127 So aber Staudinger/Otte, Einl. zum Erbrecht Rn. 72. Auch Busche, Privatautonomie 58 (Fn. 74) m. w. N., weil „die Freiheit zu testieren, also das Recht, sein Vermögen zu vererben, dem im Institut Erbrecht garantierten Vermögensübergang von Todes wegen zeitlich vorgelagert“ sei. Es gehe also um die lebzeitige Verfügungsbefugnis des Erblassers, die aus dem Eigentum folge und als Testierfreiheit Voraussetzung für die Einrichtung Erbrecht sei. Dieser Argumentation ist zwar insofern beizupflichten, als sie das individuelle Eigentum als Vorausbedingung des Erbrechts erkennt. Allerdings blendet sie aus, dass
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die Anerkennung des Erbrechts als Recht des Einzelnen über seine Vermögensnachfolge zu bestimmen, erlaubte eine Verlängerung der lebzeitigen Verfügungsfreiheit des Eigentümers über seinen Tod hinaus.129 In diesem Sinne hat das Erbrecht eigentumserweiternde Funktion, die in der Zusammenziehung von Eigentums- und Erbrechtsgarantie in Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich zum Ausdruck kommt.130
das Eigentum mit dem Tod der Person als subjektives Recht untergehen würde, eine Verfügungsbefugnis also für den Zeitpunkt, an dem der Erblasser nicht mehr Eigentümer ist, nicht bestünde, wenn nicht das Erbrecht dafür sorgen würde, dass das Eigentum nicht mit dem Tod des Erblassers erlischt. Vgl. dazu nur BVerfG 14.12.1994, NJW 1995, 2977: „Das Erbrecht hat die Funktion, das Privateigentum als Grundlage der eigenverantwortlichen Lebensgestaltung mit dem Tode des Eigentümers nicht untergehen zu lassen, sondern seinen Fortbestand im Wege der Rechtsnachfolge zu sichern. Die Erbrechtsgarantie ergänzt insoweit die Eigentumsgarantie und bildet zusammen mit dieser die Grundlage für die im Grundgesetz vorgegebene private Vermögensordnung.“ Zum Ganzen auch Maunz/Dürig/ Papier, Art. 14 GG Rn. 295. In diesem Sinne auch in Österreich, wo Kralik, Erbrecht 126 darauf hingewiesen hat, dass die Testierfreiheit „keine notwendige Folge des Privateigentums“ sei, sondern „eine Erweiterung der Befugnisse des Privateigentümers über seinen Tod hinaus“ darstelle. Dagegen wurde zuletzt in Italien vertreten, dass sich die Testierfreiheit zwingend aus der Eigentumsfreiheit ergebe: Bonilini, Concetto 34 f. Gerade in Italien, wo es an einer breiteren Diskussion dieser Frage mangelt, muss diese Begründung der Testierfreiheit aber am nicht bloß schuldrechtlich wirkenden Noterbrecht scheitern. Ein so gravierender Eingriff in die Eigentumsfreiheit, der einer Umwandlung von Individualeigentum in Familieneigentum gleichkommt, könnte durch die soziale Schranke des Eigentumsrechts (Art. 42 Abs. 2 Cost.) nicht gerechtfertigt werden. Allein plausibel scheint daher auch für Italien, dass die Testierfreiheit nicht der Eigentumsgarantie, sondern der Erbrechtsgarantie (Art. 42 Abs. 4 Cost.) entspringt. 128 Vgl. BVerfG 14.12.1994, NJW 1995, 2977; BVerfG 19.4.2005, NJW 2005, 1561, 1562: „Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG gewährleistet die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG das Erbrecht als Rechtsinstitut und als Individualrecht. Es hat die Funktion, das Privateigentum als Grundlage der eigenverantwortlichen Lebensgestaltung mit dem Tode des Eigentümers nicht untergehen zu lassen, sondern seinen Fortbestand im Wege der Rechtsnachfolge zu sichern. Die Erbrechtsgarantie ergänzt insoweit die Eigentumsgarantie und bildet zusammen mit dieser die Grundlage für die im Grundgesetz vorgegebene private Vermögensordnung.“ Ebenso zuletzt BVerfG 25.3.2009, NJW-RR 2010, 156; BVerfG 30.10.2010, NJW 2011, 366. MüKo BGB/Leipold, Einl. vor § 1922 Rn. 25. Für eine Rekonstruktion des Verhältnisses von Eigentum und Testierfreiheit im französischen Recht vgl. Bahurel, Volontés 112. Der Autor sieht mit der herrschenden Ansicht in Frankreich die Testierfreiheit als integrierenden Bestandteil des Eigentumsrechts an. Die erheblichen Schranken der Testierfreiheit werden dabei aber nicht berücksichtigt. 129 Diese Erkenntnis ist freilich nicht neu. Sie geht auf Pufendorf, De iure Lib. IV Cap. X § IV zurück, der sich von seinen Vorgängern der Naturrechtslehre in diesem Punkt deutlich löste und eine Begründung der Testierfreiheit, wie überhaupt des Erbrechts, aus dem naturrechtlichen Eigentumsbegriff ablehnte. 130 So etwa auch die spanische Verfassung, die in Art. 33 Abs. 1 Eigentums- und Erbrechtsgarantie in einem Satz zusammenfasst. Dazu Camacho/de Lama, La sucesión 73.
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Aus der Herleitung der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit aus dem Erbrecht ergibt sich eine wesentliche, praktisch relevante rechtliche Konsequenz. Die Verfügungsfreiheit des Erblassers kann nämlich anderen und viel weitergehenden Schranken unterliegen als die Verfügungsfreiheit des Eigentümers.131 Dies zeigt sich insbesondere in der massiven Beschränkung der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit durch das Pflichtteilsrecht, für das es hinsichtlich der Eigentumsfreiheit kein Pendant gibt bzw. geben kann.132 3. Sonderform der Privatautonomie Das Erbrecht verlängert also die Verfügungsfreiheit des Eigentümers über seinen Tod hinaus. Die erbrechtliche Verfügungsfreiheit ist damit nichts anderes als eine spezifische Ausprägung der von der Rechtsordnung anerkannten privatautonomen Gestaltungsfreiheit. Dabei muss freilich betont werden, dass es sich um eine Privatautonomie besonderer Art handelt, die als „Privatautonomie von Todes wegen“133 oder einfacher als „erbrechtliche Privatautonomie“134 bezeichnet werden kann. Der Erblasser wird nämlich nicht verbindlich für sich selbst tätig,135 wie es im Allgemeinen für die Privatautonomie Auch in der italienischen Verfassung sind Eigentums- und Erbrechtsgarantie im selben Art. 42 zusammengefasst. Dazu Bonilini, Concetto 33 ff. 131 Insofern ist es gerade nicht zutreffend, wie Muscheler, Erbrecht Bd. 1 Rn. 565 meint, dass die Testierfreiheit das „Recht des lebenden Eigentümers“ sei und das Erbrecht dem Erblasser daher alles zu erlauben habe, was ihm das allgemeine Vermögensrecht erlaube. Das zeigt sich paradigmatisch im Pflichtteilsrecht, das die Testierfreiheit in einer Weise beschränkt, die für das allgemeine Vermögensrecht nicht denkbar ist. Dazu in der folgenden Fn. 132 Die pflichtteilsrechtlichen Schranken der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit bestätigen somit die Herleitung der Testierfreiheit aus der Erbrechtsgarantie. Ergäbe sich die erbrechtliche Verfügungsfreiheit unmittelbar aus dem Eigentum, dann wäre nicht zu rechtfertigen, weshalb der Eigentümer in so erheblichem Maße in seiner Verfügungsfreiheit eingeschränkt und dadurch gleichsam Individualeigentum in Familieneigentum umgewandelt wird. Eine lebzeitige Entsprechung zu einer so massiven Beschränkung der Verfügungsfreiheit besteht für den Eigentümer nämlich nicht, weshalb ein unzulässiger Eingriff in den Wesensgehalt des Eigentums (Art. 19 Abs. 2 GG) vorläge. Erst die Herleitung der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit aus der Erbrechtsgarantie macht die pflichtteilsrechtliche Beschränkung schlüssig, denn das Erbrecht räumt nicht wie das Eigentum (unter dem Vorbehalt der sozialen Funktion, Art. 14 Abs. 2 GG) volle, sondern aufgrund des im Erbrecht verankerten Familienschutzgedankens nur beschränkte Verfügungsfreiheit ein. 133 Kroppenberg, Privatautonomie. 134 Leipold spricht von der „erbrechtlichen Ausprägung der Privatautonomie.“ MüKo BGB/Leipold, Einl. vor § 1922 Rn. 17. Im italienischen Recht wird der Begriff autonomia testamentaria verwendet, um das privatautonome Handeln des Erblassers auch terminologisch von der lebzeitigen Privatautonomie (autonomia contrattuale) abzugrenzen. Die Verengung auf das Testament ergibt sich freilich aus dem Erbvertragsverbot (Art. 458 ital. C. civ.). Vgl. Trabucchi, Riv. dir. civ. 1970, 44.
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gefordert wird.136 Insofern wurde treffend festgestellt, dass die Rechtsordnung die Testierfreiheit, im Gegensatz zur Vertragsfreiheit, nicht bloß als einen in sich selbst gerechtfertigten Akt der Selbstbestimmung anerkennt, sondern sie vielmehr erst als „Möglichkeit privatautonomen Handelns mit posthumer Rechtswirkung“ konstituiert.137 Auf der Grundlage der Erbrechtsgarantie gestattet es die Rechtsordnung dem Erblasser durch die Zuerkennung der letztwilligen Verfügungsfreiheit in die gesetzliche Erbfolge einzugreifen und insofern hinsichtlich seiner Vermögensnachfolge rechtsgestaltend tätig zu werden. Wie bei der lebzeitigen Privatautonomie findet also auch bei der Ausübung erbrechtlicher Verfügungsfreiheit Rechtsgestaltung statt, allein bezieht sie sich auf die Zeit nach dem Tod des Verfügenden. Insofern beruhen sowohl die lebzeitige Verfügungsfreiheit als auch die erbrechtliche Verfügungsfreiheit auf ein- und demselben Prinzip der Privatautonomie.138 Beide gestatten es dem Einzelnen nach seinem Willen rechtsgestalterisch tätig zu werden. Ebenso wie die Vertragsfreiheit ist daher die Freiheit des Erblassers zur Gestaltung seiner Vermögensnachfolge auf die in Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Freiheit zur Persönlichkeitsentfaltung zurückführen.139 Im Ergebnis bedeutet dies, dass die erbrechtliche wie die lebzeitige Privatautonomie der Verwirklichung des verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatzes der Selbstbestimmung dient. 4. Selbstbestimmung nach dem Tod? Hier drängt sich freilich sogleich die Frage auf, wie jemand eine Freiheit (Verfügungsfreiheit) für eine Zeit ausüben kann, in der er als Rechtssubjekt nicht mehr existiert. Frei sein, so könnte man zugespitzt formulieren, kann nur der Lebende, nicht dagegen der Tote. Insofern müsste man auch bezweifeln, dass der Einzelne durch seine erbrechtlichen Verfügungen selbstbestimmt handeln kann. Wenn nämlich die Wirkungen seines Handelns erst Auch der Erbvertrag und das gemeinschaftliche Testament bilden hiervon keine Ausnahme, denn alle lebzeitigen Wirkungen, die diesen Verfügungen entspringen, entstammen notwendigerweise lebzeitigen Rechtsgeschäften und sind insofern gerade nicht Ergebnis der Ausübung erbrechtlicher Privatautonomie. Dazu bereits oben Fn. 61. 136 Canaris, Vertrauenshaftung 413 f. 137 Kroppenberg, Privatautonomie 169. 138 So auch Kroppenberg, Privatautonomie 148. 139 Lange/Kuchinke, Erbrecht 26. Diese freie Persönlichkeitsentfaltung erlebt der Erblasser, indem er in die Entscheidung über die Verteilung seines Vermögens nach seinem Tod seine Persönlichkeit einfließen lassen kann. Eine „Todesverarbeitung“, wie sie etwa von Goebel, Testierfreiheit 243 ff. sowie in Frankreich zuletzt auch von Bahurel, Volontés 15 ff. in die Testierfreiheit hineingelesen wird, muss nicht, aber kann freilich damit einhergehen. Vielmehr geht es aber darum anzuerkennen, dass der Einzelne seinen Wünschen gemäß und damit „in Selbstbestimmung“ darüber entscheidet, wer ihm in welchem Ausmaß und unter welchen Bedingungen in das Vermögen nachfolgt. 135
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nach seinem Tod eintreten, so könnte man argumentieren, kann er seine Selbstbestimmung zu Lebzeiten nicht verwirklichen. Bedenkt man darüber hinaus, dass Selbstbestimmung bei lebzeitiger Rechtsgestaltung stets auch Selbstverantwortung bedeutet und ein solches Einstehenmüssen für die Folgen des eigenen Handelns bei erbrechtlichen Verfügungen aufgrund des dazwischen tretenden Todes nicht denkbar ist, dann müssten auch unter diesem Gesichtspunkt Zweifel an der Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage erbrechtlicher Verfügungsfreiheit aufkommen.140 Angesichts dieser Zweifel könnte man sich leicht dazu verleitet sehen, die letztwillige Verfügungsfreiheit des Erblassers nicht in seiner Selbstbestimmung, sondern in anderen Geltungsgründen zu verorten. a) Testierfreiheit im Interesse der Familie? So wurde etwa der Versuch unternommen, die Testierfreiheit dem Interesse der Familie des Erblassers und damit seiner gesetzlichen Erben zuzuordnen. Den Familienangehörigen könnte durch die Testierfreiheit die Möglichkeit eingeräumt werden, entsprechend ihrem Verhältnis zum und ihren Leistungen für den Erblasser behandelt zu werden. Dem entspricht der weiter unten141 zu diskutierende Gedanke, dass der Erblasser seine Testierfreiheit im Interesse seiner engsten Familienangehörigen auszuüben und damit im Grunde dafür zu sorgen habe, dass die typischerweise gerechte Verteilung seines Vermögens nach dem gesetzlichen Erbrecht an die Besonderheiten des Einzelfalls angepasst werde. Stünde die Testierfreiheit aber tatsächlich im Dienste der Familie und nicht der Selbstbestimmung des Erblassers, verkäme sie zu einer bloßen Worthülse. Durch die familiäre Zweckbindung würde sie nämlich in ein pflichtgebundenes Recht verwandelt und wäre damit der Willensfreiheit des Erblassers entzogen. Für eine solche Pflichtenbindung der Testierfreiheit sind indes keine positivrechtlichen Anhaltspunkte auszumachen, weshalb dieser familienrechtliche Begründungsansatz als Irrweg zu verwerfen ist.142
Vgl. dazu kritisch auch Kroppenberg, Privatautonomie 146, 287 ff. Vgl. unten § 2 II.5.c)ff). 142 Ebenso auch Muscheler, Erbrecht Bd. 1 Rn. 388: „Wird Testierfreiheit als Instrument der Feinjustierung im Raum des gesetzlichen Erbrechts betrachtet, gerät jedes Überschreiten der zementierten Familiengrenze in den Verdacht von Missbrauch und Willkür. So häufig das Testament in der Praxis zur Feinabstimmung innerhalb der Familie dienen mag, so wenig darf aus dieser faktischen Regel eine normative Grenze abgleitet werden.“ Für weitere, hier nicht näher zu behandelnde – weil weitgehend abwegige – Begründungsversuche und deren Untauglichkeit, die Testierfreiheit zu rechtfertigen, vgl. die Ausführungen ebd., Rn. 383 ff. 140 141
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b) Testierfreiheit im Eigeninteresse des Erblassers aa) Selbstbestimmung Die angeführten Zweifel an der Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage der letztwilligen Verfügungsfreiheit rühren allesamt daher, dass der Besonderheit erbrechtlicher Verfügungen nicht hinreichend Rechnung getragen wird und Vorstellungen der lebzeitigen Privatautonomie auf ihr erbrechtliches Pendant übertragen werden.143 Es macht gerade den Kern letztwilliger Verfügungen aus, dass ihre Wirksamkeit auf den Zeitpunkt des Todes des Verfügenden aufgeschoben wird und dass sie bis dahin unverbindlich, d. h. jederzeit widerruflich sind. Diese Wesensmerkmale letztwilliger Verfügungen implizieren indes nicht, dass Selbstbestimmung für letztwillige Verfügungen schlechterdings undenkbar wäre. Sie muss aber für die erbrechtliche Verfügungsfreiheit von der Entfaltung lebzeitiger Rechtswirkungen entkoppelt werden. Wenn sich der Erblasser der Freiheit bedient, seine Vermögensnachfolge nach seinen Wünschen und Vorstellungen zu regeln, dann trifft er in Selbstbestimmung eine Entscheidung, durch die er auch hinsichtlich seiner Vermögensnachfolge seine Persönlichkeit verwirklichen kann.144 In diesem Sinne versteht auch das BVerfG die Ausübung der Testierfreiheit als Akt der Selbstbestimmung.145 Daraus folgt, dass auch bei letztwilligen Verfügungen Selbstbestimmung bereits zu Lebzeiten stattfindet146 und somit dem Eigeninteresse des Erblassers, nämlich seinem Interesse nach freier Persönlichkeitsentfaltung dient.147 Zu dieser Tendenz („Verlebzeitigung erbrechtlicher Verfügungen“) kritisch Kroppenberg, Privatautonomie 79 ff. 144 Muscheler, Erbrecht Bd. 1 Rn. 399 knüpft an die Verfügungsfreiheit des „gegenwärtigen Eigentümers“ an: „der Erblasser sagt im Akt des Testierens, wer nach seinem Tod neuer Eigentümer sein und ob dieses Eigentum irgendwie beschränkt sein soll“. Dem ist mit der Einschränkung zuzustimmen, dass die Verfügungsfreiheit des Erblassers nicht bloßer Ausfluss des Eigentumsrechts, sondern der erbrechtlich gewährleisteten Erweiterung des Verfügungsrechts des Eigentümers ist. Dass die Testierfreiheit darüber hinaus auch noch aus der Nutzungsfreiheit des Eigentümers abgeleitet werden kann, wie Muscheler zu zeigen versucht, überzeugt zumindest in Bezug auf Testamente nicht. Die jederzeitige Widerruflichkeit letztwilliger Verfügungen nimmt ihnen jede Verbindlichkeit, sodass eine Nutzung gar nicht erst möglich ist. 145 BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853: „Testierfreiheit als individuelles Selbstbestimmungsrecht im wirtschaftlichen Bereich“. 146 Dem entspricht der Gedanke von Muscheler, Erbrecht Bd. 1 Rn. 407, wonach es „bei der Anerkennung des Testamentes [nicht um das Recht eines Toten, sondern] in Wahrheit um das Recht der Lebenden geht“, mit anderen Worten also um das Recht des lebenden Erblassers auf freie Selbstbestimmung in Selbstverantwortung. 147 Wie Zimmermann, NJW 1979, 569, 573 im Zusammenhang mit der Problematik des postmortalen Persönlichkeitsschutzes im Falle einer Sektion hervorhebt, geht es auch hier nicht um einen „Grundrechtsschutz für Leichen […] Schutzobjekt sind allein die Lebenden“. 143
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Erster Teil – Selbstbestimmung im Erbrecht
Belege für diese persönlichkeitsspezifische Bedeutung des Testaments lassen sich bereits dem römischen Testamentsrecht entnehmen.148 Der Einwand, wonach der Erblasser an der Regelung seiner Vermögensnachfolge gar kein Interesse haben könne, weil er zum Zeitpunkt der Wirksamkeit seiner Anordnungen bereits tot sei, schlägt fehl. Aufgrund der durch das Recht lebzeitiger Verfügungen vorgeprägten Vorstellungen wird mit diesem Argument nämlich verkannt, dass es für den Akt der Selbstbestimmung des Erblassers auf den Eintritt der Rechtswirkungen gar nicht ankommt. Es trifft zu, dass bei lebzeitigen Rechtsgeschäften der Akt der Selbstbestimmung erst durch das Herbeiführen bestimmter rechtlicher Wirkungen vollzogen ist (Freiheit durch Bindung). Dagegen geht es bei der Ausübung der Selbstbestimmung im Recht letztwilliger Verfügungen allein darum, dass dem Erblasser zu Lebzeiten von der Rechtsordnung die Möglichkeit eingeräumt wird, selbstbestimmt für die Vermögensverteilung nach dem Tod zu sorgen. Die Wahrnehmung dieser Möglichkeit, d. h. die Errichtung einer letztwilligen Verfügung, ist für sich und unabhängig von lebzeitigen Wirkungen für den Erblasser bereits hinreichende Gelegenheit zur Selbstbestimmung. Ihre Rechtfertigung findet sie, wie die Vertragsfreiheit, in dem verfassungsrechtlich verbürgten Recht auf Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen zu Lebzeiten. Diese Rückkoppelung zum Recht auf Persönlichkeitsentfaltung ist erforderlich, weil das Selbstbestimmungsrecht sich auch im Erbrecht nicht aus sich heraus rechtfertigen kann. Es dient notwendig einem bestimmten, von der Rechtsordnung anerkannten Zweck und dieser liegt in der Entfaltung der Persönlichkeit des Erblassers. Insofern ist die Testierfreiheit eine spezielle, vom Grundgesetz in den Schranken der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG anerkannte Ausformung des allgemeinen Rechts auf Persönlichkeitsentfaltung der Lebenden.149 Vgl. dazu Paulus, ZRG RA 111 (1994) 432 f.: „Das Testament war dem Römer nicht um seiner selbst willen wichtig oder ein Unsterblichkeitsmerkmal, sondern es diente ihm als postmortaler Garant dafür, bei den Nachlebenden in Erinnerung zu bleiben. Das ist ein Stückchen Unsterblichkeit! Soziologisch gesehen, trat das Testament an die Stelle desjenigen Knotens im gesellschaftlichen Beziehungsgeflecht, den zu seinen Lebzeiten der Testator eingenommen hatte und der durch seinen Tod auseinandergerissen wurde. […] Mit diesen materiellen Zuwendungen wurde das soziale Netzwerk nachgezeichnet, in dessen Mittelpunkt der Testator stand.“ Zur gesellschaftlichen Bedeutung des Testaments bei den Römern vgl. auch den sehr instruktiven Beitrag von Champlin, Classical Philol. 84 (1989) 198 ff. 149 Eine Verortung der Testierfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG, wie von Kroppenberg, Privatautonomie 174 ff. postuliert, ist weder erforderlich noch tunlich, denn die Testierfreiheit ist kein von der Erbrechtsgarantie abgekoppeltes Freiheitsrecht. Ganz im Gegenteil, hat sie als Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung des Erblassers nur in den Schranken der Erbrechtsgarantie Bestand. Diese Schranken zeigen sich etwa im Pflichtteilsrecht, in gesetzlichen Verboten und in der Sittenwidrigkeitsgrenze. Auf eine nähere Auseinandersetzung mit der verfassungsrechtlichen Verortung der Testierfreiheit in Art. 14 Abs. 1 GG wird hier verzichtet. Sie ist, trotz einzelner Gegenstimmen, unbestritten. 148
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bb) Selbstverantwortung Für die lebzeitige Privatautonomie wurde festgehalten, dass mit der Selbstbestimmung stets auch Selbstverantwortung einhergehe, denn wer selbstbestimmt handle, könne nicht andere für die Folgen seines Handelns verantwortlich machen. Für die erbrechtliche Privatautonomie ist freilich einzuräumen, dass von einer Einstandspflicht des Erblassers für die Rechtsfolgen seiner Verfügungen nicht die Rede sein kann. Dies hat nicht nur mit der jederzeitigen Widerruflichkeit letztwilliger Verfügungen zu tun, sondern auch damit, dass der Erblasser seine Anordnungen bis zu seinem Tod geheim halten kann und darf. Die Heimlichkeit schützt den Erblasser in seiner freien Willensbestimmung, indem sie ihm erlaubt, frei von äußerem Druck jene Anordnungen zu treffen, die ihm aufgrund seiner Lebens- und Beziehungssituation angemessen erscheinen.150 Eine Veröffentlichungspflicht seines letzten Willens würde das Testament ähnlich einem Vertrag zum Ergebnis eines dialektischen Willensprozesses151 transformieren, denn der Erblasser sähe sich wohl gezwungen so zu testieren, wie es sein Umfeld (oder insgesamt die Gesellschaft) von ihm erwartet. Das in vielen Fällen unvermeidliche Machtungleichgewicht zwischen den Parteien, nämlich dem typischen Erblasser im fortgeschrittenen Alter einerseits und den noch jungen potentiellen Erben andererseits, würde es dem Erblasser faktisch unmöglich machen, von der Erwartungshaltung jener nächsten Angehörigen oder Bekannten abzuweichen, auf die er bis zu seinem Tod angewiesen ist. Selbstverantwortung im Sinne einer Einstandspflicht gegenüber Dritten wie im Falle der lebzeitigen Privatautonomie ist mit der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit nicht vereinbar, denn sie wäre dadurch in ihren Grundfesten gefährdet. Der Erblasser ist niemandem zur Rechenschaft verpflichtet und trägt insofern auch keine rechtliche Verantwortung für seine Verfügungen. Aus alledem darf freilich nicht der Schluss gezogen werden, dass die erbrechtliche Verfügungsfreiheit eine „verantwortungslose“ Freiheit wäre. Auch der Erblasser muss Verantwortung übernehmen. Allerdings handelt es sich aufgrund der Heimlichkeit und der aufgeschobenen Rechtswirkungen nicht um eine Verantwortung gegenüber Dritten wie bei der lebzeitigen Privatautonomie, sondern um eine moralische Verantwortung des Erblassers vor sich selbst und seinem Gewissen.152 Wer sich die Mühe macht, eine letztwillige 150 Hierin liegt der tiefere Sinn der Garantie der Heimlichkeit des Testierens. Einer artifiziell wirkenden Konstruktion einer „gedachten Übereinkunft aller lebenden (aktuellen und potentiellen) Testatoren“ bedarf es zu ihrer Begründung dagegen nicht. So aber Muscheler, Erbrecht Bd. 1 Rn. 408. 151 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941) 156. 152 BGH 8.11.1954, NJW 1955, 100; vgl. dazu auch Goebel, Testierfreiheit 293. In diesem Sinne auch die englische Leitentscheidung zur Testierfähigkeit Banks v. Goodfellow [1870] L.R. 5 Q.B. 549, 563: „The law of every civilized people concedes to the owner
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Verfügung zu errichten, wird diesen Schritt in aller Regel genau überlegen und sich auch mit der Frage auseinandersetzen, wie sein soziales Umfeld auf seine Anordnungen reagieren wird.153 Eine Entscheidung ganz unabhängig von diesen Faktoren wird ein verständiger Erblasser üblicherweise nicht treffen. Wenn er dies aber im Einzelfall dennoch macht, indem er etwa all jene übergeht, die eine objektiv nachvollziehbare Erwartungshaltung hegen, dann ist auch diese (scheinbar verantwortungslose) Entscheidung durch die erbrechtliche Verfügungsfreiheit gedeckt, denn aus der moralischen Verantwortung des Erblassers lassen sich keine inhaltlichen Schranken seiner Verfügungsfreiheit ableiten. Daraus folgt indes nicht, dass die hier formulierte moralische Verantwortung des Erblassers ohne jede rechtliche Relevanz ist. Die inhaltlichen Anforderungen an die Voraussetzungen für die Ausübung der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit zeigen nämlich deutlich, dass der Erblasser nur dann eine gültige erbrechtliche Verfügung errichten kann, wenn er zu einer verantwortungsvollen Entscheidung fähig ist. Dies kommt besonders in der klassischen Definition der Testierfähigkeit zum Ausdruck. Nach ständiger Rechtsprechung muss der mindestens 16-jährige Erblasser bei der Errichtung der erbrechtlichen Verfügung in der Lage sein, „sich über die Tragweite seiner Anordnungen und ihrer Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie über die Gründe, die für und gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen, ein klares Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln“154.
Die Rechtsprechung verlangt damit also keine inhaltlich verantwortungsbewusste Verfügung (sie hätte hierfür auch keinen allgemein gültigen Bewertungsmaßstab), sehr wohl aber, dass der Erblasser objektiv in der Lage war,
of property the right of determining by his last will, either in whole or in part, to whom the effects which he leaves behind him shall pass. Yet it is clear that, though the law leaves to the owner of property absolute freedom in this ultimate disposal of that of which he is thus enabled to dispose, a moral responsibility of no ordinary importance attaches to the exercise of the right thus given.“ 153 Dies meint auch Leipold, wenn er darauf hinweist, dass es bei letztwilligen Verfügungen zwar „unmittelbar stets um vermögensrechtliche Folgen“ gehe, dass diese „aber mittelbar oft auch die persönlich-familiären Beziehungen zwischen den Beteiligten stark beeinflussen“. MüKo BGB/Leipold, § 2064 Rn. 1. Dazu auch Lange, Denkschrift 12 f. 154 So die ständige Rechtsprechung seit BGH 29.1.1958, FamRZ 1958, 127; OLG Hamm 6.10.1988, Rpfleger 1989, 23; OLG Hamm 13.3.1989, OLGZ 1989, 271, 273; BayObLG 31.1.1991, NJW 1992, 248; BayObLG 28.5.1993, FamRZ 1994, 593, 594; OLG Köln 20.12.1993, NJW-RR 1994, 396 = ErbPrax 1994, 232; OLG Frankfurt a.M. 5.9.1995, BeckRS 06596 = FamRZ 1996, 635; OLG Hamm 12.11.1996, FamRZ 1997, 1026, 1027; BayObLG 24.10.2001, BayObLGZ 2001, 290; BayObLG 14.9.2001, FamRZ 2002, 1066 = NJOZ 2001, 2138.
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eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen (Einsichtsfähigkeit in die „sittliche Berechtigung“ der Verfügung).155 Verstärkt wird dieses Desiderat eines verantwortungsbewusst handelnden Erblassers durch die formelle Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen (§ 2064 BGB). Da Verantwortung infolge selbstbestimmten Handelns im Erbrecht immer moralische Verantwortung ist, kann der Erblasser dieser Verantwortung auch bloß persönlich gerecht werden. Dementsprechend darf er sich bei der Errichtung seiner Verfügungen keines Stellvertreters bedienen, denn damit könnte er sich seiner persönlichen Verantwortung für seine Anordnungen entziehen.156 Die formelle Höchstpersönlichkeit erbrechtlicher Verfügungen drängt sich vor diesem Hintergrund unmittelbar auf. Die materielle Höchstpersönlichkeit (§ 2065 Abs. 2 BGB), wonach der Erblasser seinen Willen erschöpfend zu bilden hat und daher die Entscheidung über die Person des Bedachten nicht in das freie Ermessen eines Dritten stellen darf, wird in der Rechtsprechung und der wohl herrschenden Lehre ebenso auf den Verantwortungsgedanken zurückgeführt.157 Daran müssen allerdings Zweifel 155 Dieses Kriterium hebt, ohne den Inhalt der Verfügung vorzugeben, die moralische Verantwortung hervor, die mit der erbrechtlichen Selbstbestimmung einhergeht. Der Erblasser soll in der Lage sein, seiner Verantwortung gegenüber Dritten (mögen es Verwandte oder Freunde sein) auch in seinem Testament gerecht zu werden. Das Kriterium der „Einsichtsfähigkeit in die sittliche Berechtigung“ mag zwar aus einem „abgestorbenem Strang“ der Rechtsprechung entstammen (Geliebtentestamente), bewahrt aber als Mahnung an die Verantwortung des Erblassers gegenüber seinem sozialen Umfeld auch heute noch seine Bedeutung. Für eine Auflassung dieses Kriteriums dagegen Kroppenberg, Testierfähigkeit 209. 156 BGH 8.11.1954, NJW 1955, 100: „In den §§ 2064, 2065 BGB bekennt das Gesetz sich zu dem Grundsatz, daß der Erblasser allein vor seinem Gewissen die Verantwortung dafür übernehmen muß, wenn er die Erbfolge anders regelt, als das Gesetz sie vorgesehen hat. Aus diesem Grunde kann er eine letztwillige Verfügung nur persönlich errichten.“ Lange/Kuchinke, Erbrecht 345 sprechen von der „Notwendigkeit eines persönlichen Bekenntnisses“. Vgl. auch MüKo BGB/Leipold, § 2064 Rn. 1: „Dem Erblasser ist die Möglichkeit, die Erbfolge privatautonom zu regeln, im Vertrauen auf seine gerechte Entscheidung anvertraut […]. Er soll sich dieser personalen Verantwortung nicht durch Einschaltung eines Vertreters entziehen können.“ Zuletzt Schlüter/Röthel, Erbrecht 72. 157 BGH 8.11.1954, NJW 1955, 100; Lange, Denkschrift 15; MüKo BGB/Leipold, § 2065 Rn. 1: „Bestreben, die höchstpersönliche Verantwortung des Erblassers für seine Verfügungen zu gewährleisten“; Staudinger/Otte, § 2065 BGB Rn. 2: „[§§ 2064 und 2065 BGB] sollen sicherstellen, dass die Entscheidung über das Schicksal eines Vermögens nach dem Tode seines Inhabers nicht von Personen getroffen wird, die sich der Verantwortung für die Verwendung dieses Vermögens nicht als Inhaber desselben bewusst werden konnten.“; Brox/Walker, Erbrecht Rn. 96: „er soll die Entscheidung nicht aus Unentschlossenheit oder Verantwortungsscheu einem Dritten überlassen“. Vgl. zum Ganzen auch die Diskussion bei Goebel, Testierfreiheit 296 ff. Dagegen Lange/Kuchinke, Erbrecht 543, wonach es „im Einzelfall sittlicher Verantwortung mehr entsprechen“ kann, wenn die „Entscheidung in das Auswahlermessen eines Dritten“ gestellt wird; ebenso gegen den Verantwortungsgedanken als Rechtfertigung materieller Höchstpersönlichkeit: Grossfeld, JZ 1968, 115; Zimmermann, „Quos Titius voluerit“ 24; zuletzt Lange, Erbrecht 218.
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angemeldet werden, denn die Möglichkeit zu einer verantwortungsbewussten Entscheidung besteht schließlich auch dann, wenn der Erblasser die Entscheidung über die Person des Erben dem Ermessen eines Dritten überlässt. Dies gilt besonders dann, wenn der Erblasser dem Dritten vertraut und etwa weiß, dass er in der Zukunft Kenntnisse erlangen wird, die ihm eine verantwortungsvollere Entscheidung ermöglichen, als er sie selbst mit seinem auf die Gegenwart beschränkten Wissen treffen könnte.158 Schließlich kann auch die strenge Formpflicht im Erbrecht funktional im Lichte eines möglichst verantwortungsvoll handelnden Erblassers verstanden werden.159 Wer seinen Willen niederschreiben oder vor einem Notar erklären muss, wird in aller Regel weniger leichtfertige Entscheidungen treffen und folglich verantwortungsvoller mit seiner erbrechtlichen Verfügungsfreiheit umgehen, als wenn eine formlose Erklärung genügen würde.160 c) Selbstbestimmung und Selbstverantwortung als Wesensmerkmale erbrechtlicher Verfügungsfreiheit Die vorangehenden Ausführungen zeigen, dass die Einwände gegen die Möglichkeit der Selbstbestimmung im Erbrecht nicht durchgreifen. Selbstbestimmung findet auch im Erbrecht zum Zeitpunkt der Errichtung erbrechtlicher Verfügungen statt. Der Erblasser schafft durch seine Verfügungen ein gewisses Bild seiner Person für die Zeit nach seinem Tod,161 das er im Sinne der verfassungsrechtlich verankerten Freiheit seiner Persönlichkeitsentfaltung 158 Das klassische Beispiel hierfür ist der Fall des Unternehmers, der zum Zeitpunkt der Errichtung seiner Verfügung noch nicht weiß, welches seiner Kinder für die Unternehmensnachfolge geeignet sein wird und daher diese Entscheidung einer Person überlässt, der er vertraut und die nach seinem Tod die entsprechenden Kenntnisse über die Fähigkeiten seiner Kinder hat, um eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen. Vgl. Westermann, Auswahl 190; Grossfeld, JZ 1968, 113; Zimmermann, „Quos Titius voluerit“ 7. Zuletzt vgl. zur Delegation als Ausdruck von Verantwortungsbewusstsein auch Kleinschmidt, Delegation 356 f. 159 BGH 9.4.1981, NJW 1981, 1737, 1738: „Alle diese Formzwecke sollen in ihrer Gesamtheit dazu beitragen, verantwortliches Testieren zu fördern.“ 160 Vgl. Langbein, Harv. L. Rev. 88 (1975) 489, 494 f.: „cautionary function“. Auf diese Formfunktion weist auch Zimmermann, „Quos Titius voluerit“ 31 hin: „Das Formerfordernis soll gewährleisten, dass der Testator nicht leichtfertig und unbedacht oder unter einem momentanen Einfluss etwas dahinsagt, das ihm im Augenblick ziemlich gleichgültig sein mag und das er hernach zu widerrufen vergisst (oder: nicht in der Lage ist). An diese Bedeutung, die seine Entscheidung für andere hat (etwa für seine Familie), soll ihn das Formerfordernis mahnen.“ Vgl. auch Reid/de Waal/Zimmermann, Testamentary Formalities 468. 161 Somit kann er sich als sehr großzügig erweisen, wenn er Teile seines Vermögens an wohltätige Organisationen vermacht oder als sehr gerecht, wenn er seine Kinder entsprechend ihrem Bedarf unterschiedlich begünstigt. Über die Art, wie der Erblasser über sein Vermögen verfügt, können Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit gezogen werden.
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selbst prägt. Auch die Selbstverantwortung ist mit der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit nicht grundsätzlich unvereinbar. Allerdings darf sie nicht als rechtliche Selbstverantwortung im Sinne einer Einstandspflicht für die Rechtsfolgen des eigenen rechtsgeschäftlichen Handelns verstanden werden, denn als solche tritt sie nur bei lebzeitigen Verfügungen in Erscheinung. Bei letztwilligen Verfügungen erweist sich die Selbstverantwortung als eine moralische Kategorie (Verantwortung vor sich selbst und dem eigenen Gewissen), der im Erbrecht mittelbar über die Voraussetzungen der Testierfähigkeit, die formelle Höchstpersönlichkeit und die Formstrenge rechtliche Bedeutung zukommt. Grundsätzlich soll der Erblasser nämlich nach den Vorschriften über die Testierfähigkeit, die formelle Höchstpersönlichkeit und die Form nur dann eine letztwillige Verfügung errichten können, wenn er zu einer verantwortungsvollen Entscheidung in der Lage ist. Mithin geht es bei der erbrechtlichen Privatautonomie um die Möglichkeit zur Errichtung einer verantwortungsvollen Verfügung. Nicht abgestellt wird dagegen darauf, dass der Erblasser tatsächlich (also inhaltlich) eine verantwortungsvolle Verfügung getroffen hat, denn damit würde die Testierfreiheit ausgehöhlt. 5. Willensdogma in der erbrechtlichen Privatautonomie Der Wille des Erblassers steht im Erbrecht162 über allem.163 Der Selbstbestimmung des Erblassers im Sinne eines Handelns nach dem eigenen Willen wird damit im Erbrecht wesentlich mehr Bedeutung zugemessen als bei lebzeitigen Geschäften. Der selbstbestimmte Wille muss nämlich kein Kompromissverfahren wie bei Vertragsverhandlungen durchlaufen, bevor er in das Testament aufgenommen wird. Der testierfähige Erblasser darf sich somit darauf beschränken, seinen Willen in der vorgeschriebenen Form zu äußern, um ihm unabhängig von der Frage seiner Vernünftigkeit oder Angemessenheit Geltung zu verleihen. Im Erbrecht gilt daher in reinster Form der von Flume für die rechtsgeschäftliche Privatautonomie geprägte Satz, dass die privatautonome Gestaltung keiner anderen Rechtfertigung bedarf, als dass der Einzelne sie wolle: stat pro ratione voluntas.164 Man muss im Erbrecht sogar so weit gehen, dass 162 Ausgenommen sind davon freilich zweiseitige Verfügungen, durch die bereits lebzeitige Verpflichtungen entstehen: der Erbvertrag und das gemeinschaftliche Testament in Bezug auf wechselbezügliche Verfügungen nach dem Tod eines Ehegatten. 163 Mugdan V 24 (Motive V S. 45): „Im Erbrechte muss der Ausgangspunkt sein, dass der Wille des Erblassers zur Geltung zu bringen ist, und dass grundsätzlich eine Verfügung nur wirksam sein kann, wenn der wirkliche Wille mit dem erklärten übereinstimmt.“ 164 Flume, Allgemeiner Teil 6, wonach Privatautonomie als Anerkennung der Selbstherrlichkeit des Einzelnen in der Gestaltung von Rechtsverhältnissen zu verstehen ist. Es ist kein Zufall, dass das Beispiel für diese Aussage unmittelbar bei der Testierfreiheit ansetzt, denn dort tritt die Selbstherrlichkeit des Einzelnen wohl am deutlichsten zu Tage. Im Zusammenhang mit der Vertragsfreiheit trifft diese Aussage weit weniger zu, denn dort
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es nicht nur keines anderen Rechtfertigungsgrundes bedarf, sondern überhaupt keinen anderen Rechtfertigungsgrund für die Geltung einer letztwilligen Verfügung gibt, als jenen, dass der Erblasser sie gewollt hat. a) Gesteigerte Willensherrschaft im Erbrecht Diese im Vergleich zur lebzeitigen Privatautonomie verstärkte Willensherrschaft165 ist offenkundig und wird in aller Regel damit begründet, dass der Wille des Erblassers möglichst rein und unverfälscht verwirklicht werden soll. aa) Höchstpersönlichkeit Dies zeigt sich etwa schon bei dem bereits im Zusammenhang mit der Selbstverantwortung des Erblassers diskutierten Grundsatz der formellen Höchstpersönlichkeit, die für alle Arten erbrechtlicher Verfügungen gilt (§§ 2064, 2274, 2284 Abs. 1, 2290 Abs. 2, 2296 Abs. 1, 2347 Abs. 2 BGB). Eine ähnliche, die Stellvertretung ausschließende formelle Höchstpersönlichkeit ist der Vertragsfreiheit fremd und findet sich lediglich im Familienrecht wieder (z. B. § 1311 S. 1; § 1750 Abs. 3; etwas großzügiger § 1596 BGB). Das Abstellen auf den reinen, unverfälschten Willen des Erblassers wird durch den Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit verstärkt, wonach der Erblasser die Erbenbestimmung inhaltlich selbst vorzunehmen hat und seine Entscheidung somit nicht in das Ermessen eines Dritten stellen darf (§ 2065 Abs. 2 BGB).166 Allerdings zeigt sich gerade in den Vorschriften über die Höchstpersönlichkeit (besonders der materiellen), dass der Grundsatz der persönlichen und vollständigen Willensäußerung des Erblassers nicht bloß im Dienste der Verwirklichung der Selbstbestimmung des Erblassers steht. Selbstbestimmung wäre auch dann ohne weiteres möglich, wenn der Erblasser im Testament eine Person seines Vertrauens mit der Bestimmung seines Erben beauftragen würde.167 ist der letztlich geäußerte Wille nicht willkürlich vom Einzelnen geprägt, sondern regelmäßig Ergebnis eines Verhandlungskompromisses. Zur befremdlichen Herkunft dieses lateinischen Zitats vgl. Mayer-Maly, Privatrechtsphilosophie 25 (gesellschaftskritische Bemerkung Juvenals über Vernunft und Willen von Frauen). 165 Vgl Lange/Kuchinke, Erbrecht 342. 166 Für eine ausführliche Kritik an dieser Bestimmung Zimmermann, „Quos Titius voluerit“; kritisch dazu Windel, Modi 235 ff.; Kroppenberg, Privatautonomie 92 f.; zuletzt Muscheler, Erbrecht Bd. 1 Rn. 558 ff. Zu den unterschiedlichen Kritikpunkten im Überblick mit eigenem Erklärungsansatz Goebel, Testierfreiheit 294 ff. Die materielle Höchstpersönlichkeit wird freilich nicht streng durchgesetzt, da sie im Wesentlichen bloß für die Erbeinsetzung gilt, nicht dagegen für das Vermächtnis (§§ 2151, 2156 BGB), die Auflage (§ 2193 BGB), die Ernennung des Testamentsvollstreckers (§§ 2198, 2200 BGB) und die Auseinandersetzung (§ 2048 BGB). 167 Kleinschmidt, Delegation 357; Muscheler, Erbrecht Bd. 1 Rn. 560.
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Dem steht allerdings das Verbot des § 2065 Abs. 2 BGB für Erbeinsetzungen entgegen. Der Grund (wenn auch nicht die Rechtfertigung168) für dieses Verbot169 ist nach hier vertretener Auffassung in der Statusorientierung der Erbfolge zu verorten.170 Nur die willentliche Erklärung desjenigen, der im Zentrum dieser Statusbeziehungen steht, kann den familienrechtlichen Status als Anknüpfungskriterium im gesetzlichen Erbrecht außer Kraft setzen171 und stattdessen durch Erbeinsetzung ein neues (dem familienrechtlichen Status für den alleinigen Zweck der Vermögensnachfolge nachgebildetes) Statusverhältnis (Erbenstellung) zugunsten des gewillkürten Erben begründen. In diesem Grundsatz wird auch die ursprüngliche, vortestamentarische Wurzel der Erbeinsetzung im Adoptionstestament deutlich.172 Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass jede Form der Erbberufung notwendig an ein Statusverhältnis anknüpft, mag es familienrechtlich entstanden oder durch Erbeinsetzung willkürlich konstituiert worden sein.173 Dass die Begründung eines solchen Statusverhältnisses höchstpersönlich erfolgen muss, ergibt sich zwanglos aus dem Grundsatz der Höchstpersönlichkeit bei der gewillkürten Be168 An einer sachlichen Rechtfertigung dieses Gebots der materiellen Höchstpersönlichkeit mag es wohl mangeln. Im französischen Recht wird die materielle Höchstpersönlichkeit damit begründet, dass das Testament Gesetz sei und nur der Erblasser vom Gesetzgeber die Rechtsmacht erhalte, ein Testament zu errichten. Diese vom Gesetzgeber eingeräumte Rechtsmacht könne an Dritte nicht weitergegeben werden. Vgl. dazu Bahurel, Volontés 233: „Le testateur est un législateur et le seul législateur successoral privé que la loi tolère: par conséquent, toute délegation à un tiers est exclue.“ 169 Vgl. zuletzt die umfassende Untersuchung zu den Gründen des § 2065 Abs. 2 BGB von Kleinschmidt, Delegation 305–406, der zum Ergebnis kommt, dass dieses Verbot von keinen „zwingenden materialen Gründen“ getragen sei, im Übrigen aber nur deshalb aufrecht erhalten werden solle, um einen allzu langen Schwebezustand zu vermeiden, weil ohne ausdrückliche Anordnung im Testament von keiner Vor- und Nacherbschaft gesprochen werden könne. Mit bedeutenden Argumenten gegen die Erforderlichkeit des § 2065 Abs. 2 BGB zur Vermeidung eines Schwebezustands, vgl. allerdings Muscheler, Erbrecht Bd. 1 Rn. 561, der darauf hinweist, dass mit amtswegiger Fristbestimmung für die Erbenbestimmung die Zeit der konstruktiven Vorerbschaft sehr kurz gehalten werden könnte und dass gerade bei der Anfechtung von Testamenten oder bei der Feststellung von Erbunwürdigkeitsgründen der Schwebezustand viel länger sein könne. Zudem scheine sich der Gesetzgeber nicht so sehr wegen eines Schwebezustands zu sorgen, zumal er die aufschiebend bedingte Erbeinsetzung in § 2074 BGB zulässt. 170 Zur Statusorientierung des gesetzlichen Erbrechts Röthel, Solidaritätskonzept 97 ff. Vgl. auch Windel, Modi 222 ff. 171 Vgl. in diese Richtung auch Röthel, Solidaritätskonzept 96. 172 Zum Adoptionstestament in der historischen Entwicklung der Testierfreiheit vgl. oben § 2 I.1.a). 173 Wenngleich nicht deutlich, aber wohl in diese Richtung auch Windel, Modi 236 f: Er nennt die Vorschrift des § 2065 BGB insofern ein „Bindeglied zwischen gesetzlicher und gewillkürter Erbfolge“, als sie „eine Abweichung von der mit eigenem materialem Rechtswert ausgestalteten Regelung der §§ 1924 ff. BGB nur aufgrund höchstpersönlicher Entscheidung des Erblassers zulässt.“
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gründung von Statusverhältnissen174 im Familienrecht (etwa durch Eheschließung nach § 1311 BGB oder Anerkennung der Vaterschaft nach § 1596 Abs. 4 BGB) und wird in § 2065 Abs. 2 BGB für das Erbrecht noch einmal wiederholt. Die Lockerung des Höchstpersönlichkeitsgebots beim Vermächtnis (§ 2251 BGB) wird damit leichter verständlich.175 Während eine Erbeinsetzung durch Statusbegründung in bestehende familienrechtliche (und erbrechtlich relevante) Statusverhältnisse eingreift, wirken sich Vermächtnisse lediglich auf die Höhe der jeweiligen Erbteile aus. Die statusorientierte gesetzliche Erbordnung bleibt davon unberührt. bb) Unbeschränkbarkeit der Testierfreiheit Gemäß § 2302 BGB darf der Erblasser seine Testierfreiheit nicht vertraglich beschränken. Vertragliche Verpflichtungen, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, sind daher nichtig. Damit wird sichergestellt, dass der Erblasser jederzeit und unabhängig von vorher eingegangenen Verpflichtungen über seine Vermögensnachfolge gemäß seinem freien Willen verfügen kann. Ausnahmen von diesem Verbot bilden der Erbvertrag (§ 2289 Abs. 1 S. 2 BGB) und wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod eines Ehegatten (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB). Diese Beschränkungen der Testierfreiheit wirken in beiden Fällen lebzeitig und sind insofern Ausfluss einer entgegen § 2302 BGB ausnahmsweise zulässigen lebzeitigen vertraglichen Vereinbarung.176 Dies berücksichtigt Kleinschmidt, Delegation 375 m. E. zu wenig, wenn er die faktische und gewillkürte Statusbegründung auf dieselbe Ebene stellt und fragt, worin denn diese für die testamentarische Erbfolge geforderte Intentionalität bei der Statusbegründung des Kindes zu seinen Eltern bestehe. Das Testament ist eben im Gegensatz zur Geburt eines Kindes kein bloßes Faktum, sondern Akt und für solche Akte (z. B. Eheschließung) ist zwingend Höchstpersönlichkeit erforderlich. Daraus folgt zwanglos, dass die von Röthel, Solidaritätskonzept 96 formulierte gesteigerte Intentionalität bei der Begründung der Erbenstellung eben nicht für die gesetzlichen Berufungsgründe insgesamt erforderlich ist, sondern nur dann, wenn ein durch ein Statusverhältnis mit dem Erblasser verbundener Erbe durch einen Dritten ersetzt werden soll. Der Dritte mag zwar auch ein Verwandter des Erblassers sein und damit bereits in einem Statusverhältnis zum Erblasser stehen, die Erbeinsetzung wertet jedoch dieses Statusverhältnis so weit auf (Erbenstatus), dass die engsten Verwandten als Erben verdrängt werden. 175 Insofern muss die Schwächung des Grundsatzes der materiellen Höchstpersönlichkeit in § 2151 BGB nicht als prinzipienwidriger pragmatischer Kompromiss angesehen werden. So allerdings Zimmermann, „Quos Titius voluerit“ 50. 176 Vgl. mit Bezug auf den Erbvertrag, BGH 8.1.1958, NJW 1958, 498.: „Wenn auch der Erbvertrag eine Vfg. von Todes wegen ist, ist er doch ein wirklicher Vertrag […]. Aus dieser Rechtsnatur folgt, daß die Parteien an den Inhalt des Vertrages, soweit dieser vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen enthält, grundsätzlich gebunden sind.“ Insofern hat der Erbvertrag eine „Doppelnatur“: MüKo BGB/Musielak, Vor § 2274 Rn. 2. 174
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Die Bindungswirkung dieser Beschränkungen der Testierfreiheit ist allerdings gegenüber lebzeitigen Bindungen aufgrund des erbrechtlichen Zusammenhangs177 geschwächt, was sich besonders darin zeigt, dass sowohl der Erbvertrag als auch die unwiderrufliche wechselbezügliche Verfügung im gemeinschaftlichen Testament wegen Motivirrtums (§ 2081 i. V. m. § 2078 Abs. 2 BGB) anfechtbar sind.178 Die Widerruflichkeit erbrechtlicher Verfügungen wird aufgrund dieser Abschwächung der Bindungswirkung unter bestimmten Voraussetzungen sogar dann noch gewährleistet, wenn der Erblasser eine gegen § 2302 BGB zulässige Bindung durch Erbvertrag oder eine entsprechende Verfügung im gemeinschaftlichen Testament eingegangen ist.179 cc) Erweiterte Anfechtungsbefugnis Die verstärkte Willensherrschaft im Erbrecht zeigt sich darüber hinaus auch in den erbrechtlichen Anfechtungsvorschriften (§§ 2078 ff. BGB), wonach Verfügungen beseitigt werden können, die aufgrund eines Erklärungs-, Inhalts- oder Motivirrtums nicht dem wahren Willen des Erblassers entsprechen. Der tatsächliche Wille des Erblassers wird dabei stärker berücksichtigt als bei lebzeitigen Rechtsgeschäften (§§ 119 ff. BGB). Während im Allgemeinen ein Erklärungs- oder Inhaltsirrtum nur dann beachtlich ist, wenn die Erklärung gemäß § 119 Abs. 1 BGB bei „Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles“ nicht abgegeben worden wäre, fehlt eine solche objektive Einschränkung der Erheblichkeit des Irrtums im Erbrecht. Ein Irrtum ist demnach auch dann beachtlich, wenn er vom Erklärenden durch eine
Entsprechendes gilt auch für die wechselbezügliche Verfügung im gemeinschaftlichen Testament, die mit dem Tod eines Ehegatten unwiderruflich wird und mithin die Testierfreiheit des überlebenden Ehepartners dauerhaft beschränkt. 177 Windel, Modi 379 f. begründet diese abgeschwächte Verbindlichkeit des Erbvertrags damit, dass im Gegensatz zu lebzeitigen Rechtsgeschäften die erbvertragliche Bindung für den Erblasser bloß formal, aber nicht kausal legitimiert sei. Überzeugender, weil weniger dogmatisch konstruiert, scheint allerdings, dass durch den erbrechtlichen Zusammenhang der Wille des Erblassers stärkeren Schutz erfährt und entsprechend der Vertrauensschutz des Vertragspartners zurückgedrängt wird. Wer auch die historischen Zusammenhänge dieser Regelung erkennt, vermag die erweiterten Anfechtungsvoraussetzungen auch mit der nachwirkenden gemeinrechtlichen Ablehnung erbvertraglicher Bindung zu erklären. Vgl. in diesem Sinne Kipp/Coing, Erbrecht 161. 178 Für eine analoge Anwendung der in Bezug auf den Erbvertrag vorgesehenen Eigenanfechtung auch bei unwiderruflichen wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament vgl. die ständige Rechtsprechung: BGH 4.7.1962, NJW 1962, 1913; BGH 3.11.1969, FamRZ 1970, 79, 80. Dazu ausführlich Staudinger/Kanzleiter, § 2271 BGB Rn. 69 ff. 179 Insofern schützt das Eigenanfechtungsrecht des Erblassers gemäß § 2281 i. V. m. § 2078 BGB seine Willensfreiheit. BGH 16.3.1983, FamRZ 1983, 898, 899. Vgl. dazu MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 10.
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verständige Würdigung der Sachlage vermieden hätte werden können.180 Ferner ist im Erbrecht auch jeder Irrtum über den Beweggrund (Motivirrtum) beachtlich (§ 2078 Abs. 2 BGB). Der Vertrauensschutz, der die Beachtlichkeit des Motivirrtums für lebzeitige Rechtsgeschäfte auf den Fall des Eigenschaftsirrtums (§ 119 Abs. 2 BGB) beschränkt, dringt im Erbrecht nicht durch. Das zeigt sich einerseits darin, dass bei erfolgreicher Anfechtung dem Anfechtungsgegner kein Ersatz des Vertrauensschadens zusteht, da § 2078 Abs. 3 BGB die Anwendbarkeit des § 122 BGB für das Erbrecht ausdrücklich ausschließt. Andererseits zeigt sich dies aber auch in der im Vergleich zu §§ 121, 124 BGB verlängerten Anfechtungsfrist, die im Erbrecht niemals vor dem Erbfall zu laufen beginnt (§ 2082 Abs. 2 BGB). Da die Anfechtung den irrtümlich, durch Drohung oder Täuschung, zustande gekommenen Willen beseitigt und somit ausschließlich kassatorische Wirkungen entfaltet, wird sie – soweit wie möglich – von der Auslegung verdrängt.181 Auf diese Weise soll vermieden werden, dass eine Verfügung im Wege der Anfechtung vernichtet wird, obwohl gemäß § 2084 BGB dem erklärten Willen des Erblassers zum Erfolg verholfen werden könnte. dd) Auslegung Die verstärkte Willensherrschaft des Erblassers wird auch in den Regeln der erbrechtlichen Auslegung deutlich. Bei Testamenten kommt es nicht auf den objektiven, „nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte“ (§ 157 BGB) zu bestimmenden Erklärungsgehalt an. Es besteht nämlich kein Grund, das Vertrauen Dritter oder des Verkehrs zu schützen. Entsprechend ist bei einseitigen letztwilligen Verfügungen gemäß § 133 BGB auf den „wirklichen Willen“ und damit auf das subjektive Verständnis des Erblassers182 abzustellen. Der Durchsetzung der Verfügung des Erblassers wird dadurch absoluter Vorrang eingeräumt. Der allgemein anerkannte Vorrang der Auslegung gegenüber den Anfechtungsregeln183 unterstreicht dieses Ziel. Anders verhält es sich dort, wo dem Interesse des Erblassers auf Durchsetzung seines wirklichen Willens das Interesse eines Vertragspartners bzw. eines an einem wechselbezüglichen gemeinschaftlichen Testament beteiligten Dritten gegenübersteht. Nach herrschender Meinung soll daher sowohl im Fall von wechselbezüglichen Anordnungen in gemeinschaftlichen Testamenten als auch bei vertragsmäßigen Verfügungen in Erbverträgen die objektivVgl. dazu ausdrücklich die Materialien zum BGB Mugdan V 540 (Prot. S. 6661). So die herrschende Meinung. Vgl. MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 11; Staudinger/ Otte, § 2078 BGB Rn. 6. 182 Staudinger/Singer, § 133 BGB Rn. 15. 183 Vgl. MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 11; RG 11. 3.1909, RGZ 70, 391; BGH LM Nr. 1 zu § 2100 BGB. 180 181
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normative Auslegung des § 157 BGB zur Anwendung gelangen.184 An dieser herrschenden Ansicht wurden zuletzt Zweifel angemeldet, da trotz Bindungswirkung der vertragsmäßigen Verfügungen im Erbvertrag und der unwiderruflichen wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament weder eine objektive Einschränkung der Anfechtung stattfinde, noch nach „ganz überwiegender Auffassung“185 Vertrauensschadensersatz bei erfolgreicher Anfechtung gemäß § 122 BGB geschuldet sei.186 Es müsse daher für alle erbrechtlichen Verfügungen ausschließlich auf den „wirklichen Willen“ des Erblassers gemäß § 133 BGB ankommen, denn das Vertrauen Dritter werde aufgrund dieser weiten Anfechtungsgründe und der Verweigerung des Vertrauensschadensersatzes187 auch bei „verbindlichen“ erbrechtlichen Verfügungen nicht geschützt. Diese Kritik erscheint zwar plausibel, sie berücksichtigt aber zu wenig, dass es sich unabhängig vom erbrechtlichen Kontext, der die Verbindlichkeit der Vereinbarung zum Schutz der Testierfreiheit schwächt,188 stets um eine zu Lebzeiten wirksame Verpflichtung handelt, die einem anderen gegenüber bzw. gemeinsam mit einem anderen eingegangen wurde. Insofern kann und darf für die Auslegung der entsprechenden Erklärung nicht ausschließlich auf den einseitigen Willen des Erblassers gemäß § 133 BGB abgestellt werden. Wenn gemäß § 133 BGB kein übereinstimmender Wille ermittelt werden kann, so ist – soweit möglich – über die objektiv-normative Auslegung gemäß § 157 BGB Abhilfe zu schaffen.189
184 BGH 8.2.1989, NJW 1989, 2885: „Maßgebend für die Auslegung eines Vertrages – auch eines Erbvertrages – ist das, was die Vertragsteile erklärt haben und wie das Erklärte aus der Sicht des anderen Teiles zu verstehen war (§ 157 BGB). Was der Erblasser – einseitig – gewollt (und nicht auch geäußert) hat, fällt dagegen, solange es dem anderen Teil verborgen bleibt, bei der Auslegung hier nicht ins Gewicht.“ Vgl. dazu auch Staudinger/Otte, Vor § 2064 ff. BGB Rn. 126 ff. 185 Das ist etwas überzeichnet, denn die Frage ist durchaus strittig. Gegen den Ersatz etwa OLG München 5.6.1997, NJW 1997, 2331; MüKo BGB/Musielak, § 2281 Rn. 21; a. A. Staudinger/Kanzleiter, § 2281 BGB Rn. 37 m. w. N. 186 Kroppenberg, Privatautonomie 296 ff. 187 Vgl. etwa MüKo BGB/Musielak, Vor § 2281 Rn. 21. Zu dieser Problematik auch Lange/Kuchinke, Erbrecht 522. 188 MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 10. 189 Für das gemeinschaftliche Testament, BGH 7.10.1992, NJW 1993, 256: „Im Hinblick auf die besondere Bedeutung der Verfügungen der Ehegatten für den jeweils anderen Teil kommt es hierbei jedoch, anders als bei einseitigen Testamenten, nicht allein auf den Willen des betreffenden Testators an, um dessen Verfügung es geht; vielmehr muß gemäß dem hier anzuwendenden § 157 BGB eine Beurteilung aus der Sicht (Empfängerhorizont) des anderen Ehegatten stattfinden: Dieser muß die Möglichkeit haben, sich bei seinen Verfügungen auf diejenigen des anderen Teiles einzustellen und umgekehrt.“ Vgl. auch Staudinger/Kanzleiter, Vor § 2265 ff. BGB Rn. 47; für den Erbvertrag vgl. BGH 8.2.1989, NJW 1989, 2885, oben Fn. 184.
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ee) Mentalreservation Da es für die Auslegung erbrechtlicher Verfügungen, insbesondere des Testaments, in erster Linie auf den „wirklichen Willen“ des Erblassers gemäß § 133 BGB ankommt, mag es etwas verwundern, dass nach dem Willen des Gesetzgebers und der herrschenden Meinung190 die Unbeachtlichkeit des geheimen Vorbehalts gemäß § 116 S. 1 BGB auch auf erbrechtliche Verfügungen Anwendung finden soll.191 Wenn nämlich im Erbrecht tatsächlich der wirkliche Wille des Erblassers ausschlaggebend ist, müsste dieser Grundsatz auch dann gelten, wenn ein Erblasser eine letztwillige Verfügung trifft, die er bereits bei ihrer Errichtung nicht wollte. Es entfällt ja gerade bei einseitigen, nicht empfangsbedürftigen, für den Erblasser unverbindlichen letztwilligen Verfügungen das dem Normzweck des § 116 BGB innewohnende Vertrauensschutzbedürfnis.192 Der gesetzgeberischen Entscheidung und der herrschenden Meinung, die Mentalreservation auch im Erbrecht für unbeachtlich zu erklären, ist dennoch aus praktischen Erwägungen zu folgen. Es lässt sich ex post nämlich
190 Für die Beachtlichkeit des geheimen Vorbehalts beim Testament dagegen Lange/ Kuchinke, Erbrecht 815 f.; Brox/Walker, Erbrecht Rn. 257, Schlüter/Bartholomeyczik, Erbrecht Rn. 222. 191 Im Rahmen der Vorarbeiten zum BGB hatte die erste Kommission noch entschieden, dass das Willensdogma im Interesse der gesetzlichen Erben strikt durchzuführen sei und daher § 116 bei erbrechtlichen Verfügungen nicht gelten sollte (Mugdan V 24 (Motive V S. 45)): „Dem Gesichtspunkte, dass eine Berufung auf Arglist nicht zu gestatten sei und deshalb der Urheber der Willenserklärung (zur Strafe) an seiner Erklärung festgehalten werden müsse (Mot. 1 S. 191), kann hier eine Berechtigung nicht zugestanden werden. Denn hier würde nicht der Erblasser der leidende Theil sein, sondern derjenige, welcher nach dem wahren Willen des Erblassers die Erbschaft oder den in Frage stehenden Theil derselben erhalten sollte, also in der Regel die gesetzlichen Erben und, soweit es sich um Vermächtnisse handelt, die eingesetzten Erben.“ Doch hat die zweite Kommission die Ausnahmebestimmung wieder gestrichen. Dem Erblasser dürfe nicht gestattet werden, „mit letztwilligen Verfügungen gewissermaßen sein Spiel zu treiben.“ Es geschehe dem Erblasser dadurch kein Unrecht und im Übrigen wäre die Beachtlichkeit auch mit den Formerfordernissen für den Widerruf nicht vereinbar. Die Beachtlichkeit des Motivirrtums sei aber auch sehr bedenklich, denn sie würde geradezu zur Anfechtung anregen und verleiten (Protokolle 6659=Mugdan V 539). 192 Lange/Kuchinke, Erbrecht 816: „Kann der Bedachte nicht auf den objektiven Gehalt der Erklärung von Todes wegen vertrauen, so besteht kein Grund, ihn auf die Ernstlichkeit der Verfügung vertrauen zu lassen.“ So wird denn auch in Österreich die Meinung vertreten, dass Mentalreservation im Recht der letztwilligen Verfügungen beachtlich sei und daher der letztwilligen Verfügung die Gültigkeit entziehe. Welser/Zöchling-Jud, Grundriss II Rn. 2028. A. A. dagegen die Rechtsprechung: OGH, 24.3.1954, 2Ob774/53 (SZ 27/74): „Ein formloser derogatorischer Vorbehalt ist bei einem formgerechten Testament unwirksam“, sowie: Kralik, Erbrecht 103; Eccher, Erbrecht Rn. 4/15.
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schlechthin nicht feststellen,193 ob der Erblasser bloß die Erklärung selbst194 oder auch ihren Inhalt wollte.195 Besonders bei Fremdbeeinflussung wird der Inhalt der Erklärung regelmäßig gewollt sein, denn es entspricht ja gerade dem Ziel des Erblassers sich aus der in diesen Fällen vorliegenden Drucksituation zu befreien. Dann stellt sich freilich nicht die Frage der Nichtigkeit der Erklärung wegen Abwesenheit eines Willens, sondern vielmehr die Frage der Anfechtbarkeit derselben wegen eines mangelhaft zustande gekommenen Willens.196 Im Erbrecht beruht die Unerheblichkeit der Mentalreservation somit nicht auf Vertrauensschutzüberlegungen, sondern vielmehr darauf, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der Mentalreservation im konkreten Anwendungsfall nicht feststellbar sind. Bei Vorliegen einer formgültig abgegebenen Erklärung eines testierfähigen Erblassers ist daher stets davon auszugehen, dass ein Wille hinsichtlich des Inhalts der Erklärung bestand. Ist dieser mangelhaft zustande gekommen, ist er, sofern möglich, im Wege der Auslegung entsprechend dem „wirklichen Willen“ des Erblassers zu korrigieren oder subsidiär durch Anfechtung zu beseitigen. b) Begründung der gesteigerten Willensherrschaft im Erbrecht An dieser Stelle drängt sich wiederum die Frage auf, weshalb es gerade im Erbrecht so besonders auf den subjektiven Willen des Erklärenden ankommen soll, wenn dieser doch zum Zeitpunkt des Eintritts der Wirksamkeit der Verfügungen nicht mehr am Leben ist und eine Ergründung des „reinen und wahren“ Willens sich ohnehin als schwierig, wenn nicht als ganz und gar unmöglich erweist.
193 Diese Schwierigkeit muss auch Lange, JherJb 82 (1932) 7 einräumen: „Darum ist nicht nur in Übereinstimmung mit § 117 die Scheinverfügung nichtig, sondern im Gegensatze zu § 116 S. 1 auch die letztwillige Verfügung unter dem geheimen Vorbehalt, das Niedergeschriebene nicht zu wollen. Ob sich diese Nichternstlichkeit freilich gegen den äußeren Schein der Ernstlichkeit im einzelnen Falle beweisen lässt, ist eine andere Frage.“ 194 Kritisch zur Differenzierung nach dem Erklärungsbewusstsein Bydlinski, Privatautonomie 163 f., indes mit Bezug auf fahrlässige Willenserklärungen. 195 Der Schulbeispielfall bei Lange/Kuchinke, Erbrecht 816 überzeugt nicht, denn die Erklärung des Erblassers vor und nach der Errichtung des Testaments, dass er das Testament nicht ernstlich gemeint hat und mit dem Testament lediglich den Erbschleicher loswerden wollte, ist kein Fall von Mentalreservation. Der Erblasser wollte nämlich so testieren, wie er testiert hat, wenn auch sein Motiv darin bestand, den Erbschleicher loszuwerden. Seine mündlichen Erklärungen vor und nach der Testamentserrichtung ändern an seinem Testierwillen zum Zeitpunkt der Errichtung nichts und die nachfolgende Erklärung stellt jedenfalls keinen formgültigen Widerruf dar. 196 Zur Anfechtung bei subtilem Druck vgl. Röthel, AcP 210 (2010) 62 ff.
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aa) Einseitigkeit und mangelnde Empfangsbedürftigkeit Die verstärkte Willensherrschaft im Erbrecht ergibt sich in erster Linie aus der Tatsache, dass letztwillige Verfügungen weder Rechte noch rechtlich geschützte Anwartschaften zugunsten der Bedachten begründen. Es handelt sich um einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärungen, sodass es nur auf den Willen des Erklärenden als einzigen Geltungsgrund ankommen kann. Die verstärkte Willensherrschaft im Erbrecht unterstreicht die zentrale Bedeutung der Willkür des Einzelnen im Recht erbrechtlicher Verfügungen. Nur ausnahmsweise wird auch der Wille Dritter berücksichtigt, weil dieser in die Erklärung des Erblassers eingeflossen ist. So verhält es sich bei vertragsmäßigen Verfügungen in Erbverträgen und bei wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod eines der Ehegatten. bb) Voraussetzung der Möglichkeit erbrechtlicher Selbstbestimmung Die verstärkte Willensherrschaft im Erbrecht dient mittelbar auch der Ermöglichung einer zu Lebzeiten erfolgenden, selbstbestimmten Entscheidung des Erblassers. Zum Errichtungszeitpunkt muss der Erblasser nämlich darauf vertrauen können, dass sein Wille nach seinem Tod verwirklicht wird. Ohne dieses Vertrauen wäre Selbstbestimmung durch erbrechtliche Verfügungen für den Erblasser nicht möglich und die Testierfreiheit somit ein inhaltsleeres Recht. Die verstärkte Willensherrschaft im Erbrecht ist somit auch eine mittelbare Voraussetzung für die Möglichkeit erbrechtlicher Selbstbestimmung. cc) Unentgeltlichkeit erbrechtlicher Verfügungen Nicht überzeugend erscheint dagegen der Erklärungsversuch, wonach das Erwerbsinteresse des Bedachten aufgrund der Unentgeltlichkeit erbrechtlicher Verfügungen zurückzutreten habe und es aus diesem Grund im Erbrecht verstärkt auf den Willen des Erblassers ankomme.197 Unentgeltlichkeit (donandi causa) als Rechtsgrund einer Vermögensübertragung kann nämlich nur bei lebzeitigen Geschäften, nicht aber bei erbrechtlichen Verfügungen als Rechtsgrund angeführt werden,198 weil letztere bereits den erschöpfenden erbrechtlichen Rechtsgrund (mortis causa) in sich tragen.199 Ferner ist zu bedenken, dass auch erbrechtliche Verfügungen nicht immer mit Schenkungsabsicht erfolgen, sondern durchaus Erfüllungsfunktion haben können (z. B. Abgeltung von Pflegeleistungen durch Vermächtnis oder Erbeinsetzung).200 Der Grund für die verstärkte Berücksichtigung des Willens des Erblassers So indes Lange/Kuchinke, Erbrecht 342. Windel, Modi 378; Kroppenberg, Privatautonomie 92 f. 199 Dazu ausführlich Windel, Modi 376 ff. 200 Dies berücksichtigt Mankowski, Beseitigungsrechte 418 zu wenig, wenn er den erbrechtlichen Erwerb als unentgeltlich qualifiziert. 197 198
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liegt daher nicht in der (möglichen aber nicht notwendigen) Unentgeltlichkeit der Zuwendungen, sondern vielmehr in der mangelnden lebzeitigen Begründung einer schützenswerten Rechtsposition des Bedachten. c) Beschränkungen der Willensherrschaft im Erbrecht So weit und umfassend die Willensherrschaft des Erblassers im Erbrecht auch ausgeprägt sein mag, erfährt sie doch äußere Grenzen. Diese treten besonders in der Formpflicht, im Pflichtteilsrecht und in den Schranken der Gesetzesbzw. Sittenwidrigkeit offen zutage. Inwiefern auch Grundrechte, das Erbschaftssteuerrecht oder familiäre Treupflichten die Willensherrschaft des Erblassers zu beschränken vermögen, ist im Folgenden zu diskutieren. aa) Formpflicht In gewissen Fällen mag man zum Schluss kommen, dass die strenge Formpflicht des Testamentsrechts die Willensherrschaft des Erblassers beschränkt.201 Der nicht formgerecht zum Ausdruck gebrachte Erblasserwillen, mag er auch noch so eindeutig zu Tage treten, wird nämlich nicht anerkannt. Wenn etwa der Erblasser sein Testament zur besseren Leserlichkeit am Computer verfasst,202 ausdruckt und danach handschriftlich datiert sowie unterschreibt, hat er ein formnichtiges Testament errichtet, das keinen Bestand haben kann. Der Wille des Erblassers ist in diesen Fällen nicht zu berücksichtigen und das Testament mithin gemäß § 2247 i. V. m. § 125 BGB nichtig, mögen auch an der Urheberschaft des Erblassers und an der Ernstlichkeit der Erklärung keinerlei Zweifel bestehen.203 Allerdings gehen häufig mit der Verletzung von Formpflichten auch Zweifel an der Authentizität und Seriosität des Testaments einher, sodass der Formalismus in vielen Fällen den gegenteiligen Zweck verfolgt, den Willen des Erblassers zu sichern.204 Kritisch dazu bereits Langbein, Harv. L. Rev. 88 (1975) 489 ff. Genauso geschehen im Fall OLG Hamm 10.1.2006, NJOZ 2006, 2666: Der maschinenschriftliche Textteil wurde vom Erblasser handschriftlich datiert und unterschrieben. Daraufhin folgte ein eigenhändig geschriebener Text des Erblassers, der lautete: „Ein Testament sollte im üblichen Sinne handschriftlich verfasst werden. Damit es aber gut zu lesen ist, habe ich es mit dem Computer erstellt. Ich habe bewusst diese Zeilen handschriftlich unter das Testament gesetzt, damit man meine Handschrift falls es nötig ist, vergleichen kann. Das Testament wurde bei völliger geistigen und körperlichen Gesundheit verfasst.“ Zu dieser Problematik mit einer rechtspolitischen Stellungnahme, wonach eine Anpassung des Gesetzes „auch wegen der veränderten Schreibgewohnheiten jüngerer Generationen“ geboten sei: Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rn. 35. 203 Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rn. 3, 7. 204 Vgl. dazu Reid/de Waal/Zimmermann, Testamentary Formalities 469, die in der Beweisfunktion die wichtigste Funktion des testamentarischen Formalismus erblicken. Dazu auch Bahurel, Volontés 342: „Le formalisme testamentaire, pris globalement, ne tend 201 202
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bb) Pflichtteilsrecht Die Willensherrschaft des Erblassers wird durch das Pflichtteilsrecht insofern beschränkt, als bestimmte engste Angehörige auch gegen den Willen des Erblassers einen Anspruch auf Teilhabe am Wert des Nachlasses durchsetzen können.205 Allerdings handelt es sich bei diesem Teilhabeanspruch der nächsten Verwandten um einen Geldanspruch gegen den Erben (§ 2303 Abs. 1 BGB), sodass die vom Erblasser getroffenen Verfügungen grundsätzlich wirksam sind206 und lediglich in ihrem Wert beschränkt werden.207 Vom Erblasser angeordnete Beschränkungen oder Beschwerungen des Pflichtteils muss sich der Pflichtteilsberechtigte nicht gefallen lassen (§ 2306 BGB, vgl. aber § 2338 BGB), auch ein Ausschluss des Pflichtteils ist nur bei Vorliegen eines gesetzlich vorgesehenen Pflichtteilsentziehungsgrundes zulässig (§ 2333 BGB), sodass diesbezüglich das Pflichtteilsrecht die Testierfreiheit nicht bloß mittelbar durch Wertaushöhlung, sondern auch unmittelbar beschränkt. Die Selbstbestimmung des Erblassers hinsichtlich der Vermögensverteilung wird daher im Rahmen des Pflichtteilsrechts in erheblichem Maße zugunsten der nächsten Familienangehörigen beschränkt (Familienerbrecht). Die Ansicht, das Pflichtteilsrecht biete einen gewissen Schutz gegen eine Beeinflussung des Erblassers vonseiten Dritter,208 verkennt, dass das Problem pas à limiter la liberté testamentaire. Il apparaît au contraire qu’il est le soutien indispensable de son efficacité.“ 205 Vgl. dazu Leipold, Erbrecht Rn. 821. Kralik, Erbrecht 126 will dagegen im Hinblick auf das österreichische Recht im Pflichtteilsrecht keine Schranke der Testierfreiheit sehen, weil auch Verfügungen, die gegen das Pflichtteilsrecht verstoßen, angesichts des bloßen Geldanspruchs der Pflichtteilsberechtigten wirksam seien. Es trifft zwar zu, dass die Verfügungen wirksam sind, allerdings werden sie durch den Pflichtteil wertmäßig ausgehöhlt. Dies bewirkt zumindest eine mittelbare Beschränkung der Testierfreiheit. Eine echte Beschränkung erkennt Kralik lediglich in § 774 ABGB, wonach Bedingungen und Belastungen, die den Pflichtteil beschränken, ungültig sind. Zu erwähnen wäre darüber hinaus, dass der Erblasser den Pflichtteil nicht entziehen kann, es sei denn, es liegt ein „Enterbungsgrund“ (§§ 768 ff. ABGB) vor. 206 Das gilt eingeschränkt sogar für Rechtsordnungen, in denen nicht bloß ein Wertanspruch, sondern ein dinglicher Anspruch der Noterben besteht, wie dies etwa im italienischen Recht der Fall ist. Testamentarische Verfügungen, die gegen den Pflichtteil der Noterben verstoßen, sind grundsätzlich so lange wirksam, als die Noterben nicht mit Erfolg deren Kürzung gerichtlich durchgesetzt haben. Dann verlieren sie ihre Wirksamkeit aber – anders als im deutschen Recht, wo die Verfügungen grundsätzlich wirksam bleiben – rückwirkend. Vgl. dazu Tullio, Azione 544 f. 207 Gerade diesen zweiten Aspekt berücksichtigt Kroppenberg, Privatautonomie 23 f. zu wenig, wenn sie argumentiert, der willkürliche Gebrauch der Testierfreiheit ließe sich nicht durch das Pflichtteilsrecht verhindern. Ein Verstoß gegen das Pflichtteilsrecht bewirkt zwar nicht die Unwirksamkeit der entsprechenden Anordnungen, allerdings führt er zu einer wertmäßigen Aushöhlung derselben und beschränkt die Testierfreiheit somit mittelbar. 208 Coing, Gutachten 49. DJT A47.
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der Fremdbestimmung selbst dann noch besteht, wenn der Erblasser nur noch über einen geringen Teil seines Vermögens verfügen kann. Eine Beeinflussung vermag dann zwar die gesetzlichen Erben nicht mehr wesentlich zu berühren, die Testierfreiheit bleibt aber derselben Gefährdung ausgesetzt. Richtig wurde daher darauf hingewiesen, dass das Pflichtteilsrecht die Konsequenzen unzulässiger Einflussnahme auf den Erblasser bloß abschwäche, das Problem selbst aber nicht löse.209 cc) Gesetzes- und Sittenwidrigkeit (§§ 134 und 138 Abs. 1 BGB) Wie allen Akten privatautonomer Gestaltung, sind auch der Testierfreiheit durch die allgemeinen Schranken der Privatautonomie Grenzen gesetzt. Entsprechend darf die Verfügung von Todes wegen weder gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) noch gegen die guten Sitten verstoßen (§ 138 Abs. 1 BGB). Zu den gesetzlichen Verboten zählen neben strafrechtlichen Vorschriften210 etwa das Verbot der Drittbestimmung des Erben (§ 2065 BGB), der Verstoß gegen die Eröffnungspflicht des Testaments (§ 2263 BGB) und das Verbot, die Testierfreiheit rechtsgeschäftlich einzuschränken (§ 2302 BGB). Die Fristen für den Ausschluss der Auseinandersetzung (§ 2044 Abs. 2 BGB), für die Nacherbschaft (§ 2109 BGB), für aufgeschobene Vermächtnisse (§ 2162 BGB) sowie für die Dauervollstreckung (§ 2210 BGB) beschränken ebenfalls die Testierfreiheit.211 Als praktisch bedeutsamster Fall der Gesetzeswidrigkeit einer erbrechtlichen Verfügung wird im Schrifttum regelmäßig der Verstoß gegen § 14 HeimG angesehen, der den Erblasser vor Ausnützung und Einflussnahme bei der Errichtung erbrechtlicher Verfügungen durch das Heim und das Pflegepersonal schützen soll.212 Die auffallende Zurückhaltung der Rechtsprechung bei der Feststellung der Sittenwidrigkeit erbrechtlicher Verfügungen213 entspricht dem Grundsatz der Freiheit des Willens und damit der größtmöglichen Freiheit der Selbstbestimmung des Erblassers. Im Hohenzollern-Beschluss hat das BVerfG214 zuletzt nachdrücklich seine ständige Rechtsprechung bekräftigt, dass dem Erblasser mit der Testierfreiheit die Möglichkeit eingeräumt werde, die Erbfolge „weitDauner-Lieb, DNotZ 2001, 465; ihr folgend Martiny, Gutachten 64. DJT A71. Dazu Staudinger/Otte, Vor § 2064 ff. BGB Rn. 130. 211 Vgl. Lange/Kuchinke, Erbrecht 821. 212 Dazu unten ausführlich § 5 II.3. 213 Nach herrschender Auffassung kann Sittenwidrigkeit nur in „besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen vorliegen“ (BGH 2.12.1998, NJW 1999, 566, 568) und nur dann, wenn „sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit auf eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder allgemeine Rechtsauffassung“ stützt (BGH 20.10.1993, NJW 1994, 248, 250). Dabei ist für den Begriff der Sittenwidrigkeit auf die „Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere in den Grundrechten niedergelegt ist“, zu rekurrieren (BGH 2.12.1998, NJW 1999, 566, 568). 214 BVerfG 22.3.2004, NJW 2004, 2008, 2010. 209 210
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gehend nach seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen zu regeln“. Explizit ausgeschlossen wurde insbesondere, dass der Erblasser seinen Willen an dem allgemeinen Gleichheitssatz215 oder an den „allgemeinen gesellschaftlichen Überzeugungen“ oder den „Anschauungen der Mehrheit“ auszurichten habe. dd) Grundrechte Eine Beschränkung der Testierfreiheit ergibt sich nach der Rechtsprechung des BVerfG bloß dann, wenn in Grundrechte der Erben durch „unzumutbaren Druck“216 mittelbar eingegriffen wird, wie dies bei der hohenzollerschen Ebenbürtigkeitsbedingung durch Beschränkung der Eheschließungsfreiheit der Erben der Fall gewesen sei.217 Bei dieser im Ergebnis kritikwürdigen Rechtsprechung218 wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Erbe grundsätzlich keinen Anspruch auf die Ausnahmsweise können und müssen aber auch untragbar diskriminierende Verfügungen wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. Dies gilt insbesondere für Diskriminierungen aufgrund der Hautfarbe, Herkunft oder Abstammung. Allerdings sollte diese Nichtigkeit nicht eine Erbeinsetzung oder Vermächtnisanordnung treffen, sondern lediglich Bedingungen oder Auflagen, die an eine entsprechende Erbeinsetzung oder Vermächtnisanordnung geknüpft sind. Mithin wäre zwar eine Erbeinsetzung oder Vermächtnisanordnung zugunsten nur nichtjüdischer/nichtfarbiger etc. Nachfahren zulässig. Untragbar, und daher wegen Sittenverstoßes nichtig, wäre dagegen die an eine Vermächtnisanordnung zugunsten einer Stipendienstiftung geknüpfte Bedingung, mit dem zugewandten Vermögen keine Studierenden jüdischer Abstammung/dunkler Hautfarbe etc. zu fördern. Während bei Bedingungen oder Auflagen die Sittenwidrigkeit durch Bestimmung zu einem künftigen Tun (vgl. dazu Lange/Kuchinke, Erbrecht 827) klar zutage tritt, kann bei Erbeinsetzungen oder Vermächtnisanordnungen die Sittenwidrigkeit nur im Beweggrund liegen. Den Erblasser müssen aber nicht bloß sittenwidrige Motive geleitet haben. Es müsste also eine Gegenüberstellung von sittlichen und unsittlichen Beweggründen stattfinden, wie sie die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Geliebtentestamenten vertreten hat (BGH 31.3.1970, NJW 1970, 1273). Eine hierfür erforderliche Gesinnungsprüfung erscheint aber nur schwer durchführbar und sollte daher von vornherein unterbleiben. Wer von einem rassistischen Erblasser wegen seiner Hautfarbe oder Abstammung nicht bedacht wurde, hat wohl in aller Regel auch kein Interesse von diesem Erblasser Vermögen zu erwerben. 216 Dazu bereits davor Staudinger/Otte, § 2074 BGB Rn. 34 (Schutz der Entschließungsfreiheit des Bedachten) unter Verweis auf Thielmann, Sittenwidrige Verfügungen 119 ff. 217 In diesem Sinne auch Leipold, Erbrecht Rn. 257, wonach die Entscheidung des BVerfG damit zu rechtfertigen sei, dass man der Bedeutung der Grundrechte als „objektiver Wertordnung auf der Ebene des Privatrechts“ nur dann gerecht werden könne, wenn die Grundrechte auch vor „mittelbarer Beeinträchtigung durch unzumutbaren faktischen Druck auf die Entscheidung des Betroffenen“ geschützt würden. 218 Sehr kritisch dazu Muscheler, Erbrecht Bd. 1 Rn. 337, der sarkastisch bemerkt: „Sittenwidrig sind nicht letztwillige Verfügungen, die auf den Bedachten finanziellen Druck ausüben sollen. Sittenwidrig sind vielmehr Rechtsansichten, die dem Bedachten nicht 215
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Erbschaft hat, diese vielmehr erst durch die Berufung und in den Schranken (Bedingungen, Auflagen etc.) der Berufung erwirbt.219 Wenn man sich dies vor Augen hält, und somit erkennt, dass eine geschützte Position eines „erdienten Erben“ nicht existiert, dann erscheint auch eine Ebenbürtigkeitsklausel zulässig, denn sie formuliert lediglich die Voraussetzungen der Berufung zur Erbschaft. Der Erbe wird daher durch solche, seine Grundrechte berührende Anordnungen nicht „unzumutbar unter Druck gesetzt“, denn für den Erben handelt es sich stets nur um eine Begünstigung, welchen Voraussetzungen und Beschränkungen diese auch immer unterliegen mag. Wohl niemand würde eine Schenkung wegen Eingriffs in die Eheschließungsfreiheit als sittenwidrig ansehen, weil ihre Wirksamkeit von der späteren Eheschließung des Beschenkten (etwa des künftigen Schwiegersohns) mit der Tochter des Schenkers abhängig gemacht wird. Es liegt ganz im Ermessen des Schenkers zu bestimmen, welche (auch grundrechtsrelevanten) Bedingungen für die Wirksamkeit seiner Schenkung zu erfüllen sind, so wie es ganz im Ermessen des Beschenkten liegt, diese Bedingungen zu erfüllen, um die Begünstigung zu erhalten oder, im Falle einer auflösenden Bedingung, zu behalten.220 Dasselbe muss auch für das Erbrecht gelten. Denn ebenso wie der Beschenkte, hat auch der Erbe keinen ex ante-Anspruch auf eine unbeschwerte bzw. bedingungslose Begünstigung.221 Gleich dem Beschenkten ist der Erbe völlig frei, die vom Verfügenden angeordneten Bedingungen und Auflagen zu erfüllen. Der wirtschaftliche und persönliche Druck222 zulasten des Begünstigten (etwa der finanzielle Druck mit einer bestimmten Person die Ehe schließen zu müssen, um an die Begünstigung zu gelangen oder sie behalten zu dürfen) ist dabei vom Begünstigten
zutrauen, diesen Druck auszuhalten, und ihm nicht ermöglichen, dem Druck zu erliegen.“ Ebenso Isensee, DNotZ 2004, 762: „Nicht der Testator greift in die Eheschließungsfreiheit ein, sondern das BVerfG in die Testierfreiheit.“; Kroppenberg, DNotZ 2006, 86 ff. Zurückkhaltend kritisch Otte, ZEV 2004, 393 ff. 219 Dies hebt zu Recht Kroppenberg, DNotZ 2006, 95 f. hervor. 220 Seit BGH 3.2.2010, NJW 2010, 2202 (bestätigt etwa durch BGH 20.7.2011, NJW 2012, 523) sind solche Zuwendungen jedenfalls als Schenkung zu qualifizieren. Auf sie soll auch die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage (etwa bei Scheidung des Schwiegerkinds vom eigenen Kind) anwendbar sein. Damit wird erreicht, was auch mit einer ausdrücklichen auflösenden Bedingung (Rückforderung bei Scheidung) erreicht werden könnte. 221 Vgl. auch Gutmann, NJW 2004, 2348. 222 Röthel, AcP 210 (2010) 45 f. streicht besonderes die personal-soziale Dimension des Erbens hervor und erkennt darin eine große Gefahr für Beherrschung und Druck durch den Erblasser: Ausschlagung und Annahme einer Erbschaft hätten nachhaltigen Einfluss auf das Identitätsempfinden, die Interpretation des Beziehungslebens und den weiteren Lebensverlauf.
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grundsätzlich in Kauf zu nehmen.223 Der Verfügende hätte von einer Begünstigung nämlich auch gänzlich absehen können. Der Erbe muss sich somit damit zufrieden geben, dass er überhaupt (wenn auch bedingt oder unter Auflagen) begünstigt wurde.224 Der Erblasser mag zwar durch das „bedingte Inaussichtstellen von Vorteilen“ mittelbar in die Grundrechte des Erben eingreifen, indem er ihn zu einem bestimmten grundrechtsrelevanten Verhalten zu drängen versucht. Dem Erben bleibt es aber unbenommen, frei und selbstbestimmt darüber zu entscheiden, ob er diesem Wunsch des Erblassers nachgeben will oder nicht. Nur wenn der Erbe aufgrund einer Abhängigkeitssituation zwischen ihm und dem Erblasser keine selbstbestimmte Entscheidung treffen kann und sich daher außerstande sieht, die Bedingungen des Erblassers zurückzuweisen,225 mag man erwägen, ob nicht in vereinzelten Ausnahmefällen mit Anne Röthel 226 auf Sittenwidrigkeit der gesamten Verfügung erkannt werden sollte.227 ee) Erbschaftssteuerrecht Eine mittelbare Beschränkung der Testierfreiheit, im Sinne einer wertmäßigen Belastung der letztwilligen Verfügungen, kann sich auch aus dem Erbschaftssteuerrecht ergeben. Auf diesen Zusammenhang hat das BVerfG wie„Die schutzwürdigen Erwartungen der nächsten Angehörigen werden durch die Pflichtteilsansprüche abgedeckt. Damit tut das bürgerliche Recht der grundrechtlichen Institutsgarantie von Ehe und Familie Genüge. Die Gewährleistung des Pflichtteils schränkt die Testierfreiheit ein, entlastet aber auch ihre Ausübung von familiären wie sozialen Rücksichten. Eine Bindung des Erblassers an Grundrechte der Erbprätendenten – etwa qua Drittwirkung – besteht nicht.“ Isensee, DNotZ 2004, 758. 224 Otte, ZEV 2004, 397 will dagegen zwischen bloßer Einflussnahme und freiheitsbeschränkendem Druck unterscheiden, indem er auf Fälle verweist, „in denen der Erblasser wissentlich und willentlich die Angewiesenheit des Bedachten auf die Zuwendung (mit-) verursacht hat“. Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass auch dieser Erbe, der aufgrund des Verhaltens des Erblassers auf die Erbschaft angewiesen ist, keinen Anspruch auf die Erbschaft über seinen Pflichtteil hinaus hat und insofern auch nicht beanspruchen darf, unbedingt und ohne Auflagen begünstigt zu werden. 225 Geschützt würden damit unmittelbar nicht die Grundrechte des Erben vor mittelbarer Einwirkung, sondern vielmehr der Erbe vor einer Entscheidung, die er aufgrund der Abhängigkeitslage und emotionalen Verbundenheit mit dem Erblasser nicht selbstbestimmt treffen kann. 226 Röthel, AcP 210 (2010) 49. Für einen solchen Mittelweg im französischen Recht vgl. Bahurel, Volontés 381 ff. 227 Röthel, AcP 210 (2010) 54. Eine Teilnichtigkeit im Sinne einer bloßen Nichtigkeit der Bedingung bei Aufrechterhaltung der Zuwendung ist dagegen mit dem tatsächlichen Erblasserwillen in aller Regel nicht vereinbar. Der Erblasser wollte nämlich offenkundig keine unbedingte, sondern nur eine bedingte Verfügung. Die Verfügung muss daher, entgegen der h.A. (vgl. etwa MüKo BGB/Leipold, § 2074 Rn. 28) in ihrer Gänze wegfallen, was freilich dem Erben meist nicht zugute kommt. Da aber der Erbe keinen Anspruch auf eine unbedingte Begünstigung hat, verdient er hierfür auch keinen Schutz. 223
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derholt hingewiesen.228 Die Erbschaftssteuer treffe zwar allein den Erben und nicht den Erblasser, wirke aber dennoch auch auf das Verfügungsrecht des Erblassers ein und berühre mithin seine Testierfreiheit. Das in Art. 14 Abs. 1 GG verankerte Recht des Erblassers zu vererben, dürfe durch die Ausgestaltung der Erbschaftssteuer nicht ausgehöhlt werden. Dies bedeutet insbesondere, dass die Steuerbelastung „das Vererben vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Eigentümers nicht sinnlos erscheinen lassen“ darf. Das geltende Erbschaftssteuerrecht beeinträchtigt nach Ansicht des BVerfG die Testierfreiheit nicht. Es diene nämlich in erster Linie der Erzielung von Staatseinnahmen und trage im Übrigen durch die Privilegierung naher Angehöriger229 dem Familienprinzip des Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung.230 Steuerrechtliche Erwägungen mögen zwar (insbesondere den fachlich beratenen) Erblasser in seiner Willensbildung leiten. Dies wird aber freilich niemals so weit gehen, dass der Erblasser allein aus steuerrechtlichen Gründen bestimmte Personen überhaupt nicht bedenkt, die er bedenken wollte. Insofern ist festzuhalten, dass das Erbschaftssteuerrecht, sofern es die Testierfreiheit nicht gänzlich aushöhlt, indem es Begünstigungen durch die Steuerlast faktisch aufhebt oder wesentlich beschneidet, die Testierfreiheit nicht berührt. ff) Familiäre Treuepflichten Der vor allem im 19. Jh. unter dem Eindruck der Anschauungen Hegels231 verbreiteten und im Nationalsozialismus stark propagierten Ansicht,232 woBVerfG 30.10.2010, NJW 2011, 366; BVerfG 22.6.1995, BVerfGE 93, 165. Verfügungen zugunsten Familienfremder bzw. entfernt Verwandter werden in der Steuerklasse III (§ 15 ErbStG) mit den höchsten Steuersätzen (§ 19 ErbStG) und den geringsten Freibeträgen (§ 16 ErbStG) belegt. In die Steuerklasse III fallen z. B. Onkel, Tanten, Pflegekinder sowie der (unverheiratete) Lebensgefährte. 230 Dies kritisiert Breitschmid, successio 2007, 20 und spricht insofern für das ebenfalls die rechtliche Familie privilegierende kantonale Erbschaftssteuerrecht in der Schweiz von „steuerlicher Sanktionierung der sittlich gerechtfertigten Begünstigung nicht verwandter Nahestehender“. 231 Für Hegel war die Testierfreiheit Ausdruck der Härte und Unsittlichkeit der römischen Gesetze und nur dann zuzugestehen, wenn der Erblasser keine engeren Verwandten hinterlasse. Die Übergehung naher Familienverhältnisse durch ein Testament gehöre „zum Unsittlichen, und die ausgedehnte Gültigkeit jener Willkür gegen ein solches [Familienverhältnis] enthält die Schwächung seiner Sittlichkeit in sich.“ Hegel, Grundlinien § 180. Für einen Überblick zur Diskussion im 19. Jh. vgl. Beckert, Unverdientes Vermögen 69 ff. 232 Eingang fand dieser Gedanke im während des Nationalsozialismus erlassenen TestG. Gemäß § 42 Abs. 2 TestG war eine Verfügung von Todes wegen, die „in einer gesunden Volksempfindung widersprechenden Weise gegen die Rücksichten verstößt, die ein verantwortungsbewusster Erblasser gegen Familie und Volksgemeinschaft zu nehmen hat“, nichtig. Dazu vorbereitend Lange, Denkschrift 5: „Damit ist der Grundgedanke der Erbrechtserneuerung klargestellt: Die Willkür des Erblassers muss ihre Grenze im Pflicht228 229
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nach die Ausübung der erbrechtlichen Privatautonomie familienrechtlichen Schranken unterliege, kann heute nicht mehr gefolgt werden. Gleichwohl heißt es noch bei Lange/Kuchinke, dass die Gestaltungsfreiheit von Todes wegen die Erwartung rechtfertige, „dass der Erblasser bei der Regelung seiner Vermögensverhältnisse233 für die Zeit nach seinem Tod, stärker als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden, dem Pflichtgebot entspricht und im Gedanken an seinen Tod sein Haus pflichtbewusst bestellt.“234 In diese Richtung, wenn auch deutlich abgeschwächt, äußerte sich wiederholt auch Leipold. Nach seiner Ansicht legt die gesetzliche Erbfolge einen „generellen Maßstab“ an, der eine „für den Normalfall angemessene Erbregelung“ enthalte, während die Testierfreiheit es dem Erblasser erlaube „die Besonderheiten des einzelnen Falles durch individuelle Regelungen zu berücksichtigen.“ So sei es letztlich das „Vertrauen in den Gerechtigkeitssinn des Erblassers (auch in seine Rolle als Ehegatte, Eltern- oder Großelternteil usw.), das der Testierfreiheit des BGB zugrunde“ liege.235 und Gemeinschaftsgedanken finden.“ Diese Bestimmung wurde mit Kontrollratsgesetz (KRG) Nr. 37, Art. I, lit. a mit Wirkung ab dem 5.11.1946 aufgehoben. 233 Streng genommen, regelt der Erblasser nicht seine Vermögensverhältnisse für die Zeit nach seinem Tod, sondern ausschließlich seine Vermögensnachfolge, denn nur um die Frage, „wer was unter welchen Bedingungen und Auflagen im Todesfall erhalten soll“, geht es im Erbrecht. 234 Lange/Kuchinke, Erbrecht 5. So auch Boehmer, Einl. zum Erbrecht Rn. 1. Vgl. in Österreich: Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht 374: „Die Testierfreiheit liegt im Interesse der Angehörigen, deren besonderen Bedürfnissen sich die gesetzliche Erbfolge im einzelnen Falle nicht anzupassen vermag; sie liegt aber auch im Interesse des Testierenden selbst, da sie ihm die Möglichkeit bietet, Treue zu belohnen und Untreue zu strafen.“ Gschnitzer, Erbrecht 22 mit umgekehrtem Schwerpunkt, allerdings immer noch auf demselben Gedanken der familiären Treuepflicht beruhend: „Sinn und Zweck der Verfügung von Todes wegen ist die Erstreckung der Verfügungsfreiheit über den Tod hinaus. Sie dient in erster Linie dem Interesse des Erblassers: er kann Liebe belohnen, Lieblosigkeit bestrafen. Sie dient mittelbar regelmäßig dem Familieninteresse, weil der Erblasser dadurch den Bedürfnissen des Einzelfalles in den Grenzen des Pflichtteilsrechtes gerecht werden kann.“ Vgl. auch Bydlinski, System 412: Bindung des Erblassers durch „die Verantwortung für besonders versorgungsbedürftige Angehörige“, die der Autor über die Sittenwidrigkeit durchsetzen möchte, wenn ein Testament „in grober Weise dem Gedanken der Fürsorge für nahe Angehörige“ widerspreche. An die Stelle des sittenwidrigen Testaments tritt aber freilich kein „pflichtbewusstes“ Testament, sondern die gesetzliche Erbfolge. 235 MüKo BGB/Leipold, Einl. vor § 1922 Rn. 19. Ebenso Sieghörtner, Grundlagen 361. Noch weiter geht Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941) 157 (Fn. 32), wonach ein Testament „typischerweise der Zuwendung an Verwandte und nahestehende Personen dient und deshalb in gewissem Rahmen damit gerechnet werden kann, dass die persönlichen Bindungen und Beziehungen den Testator zu richtiger Gestaltung veranlassen“. Im Übrigen bedürften Testamente aufgrund ihrer Einseitigkeit „einer besonders scharfen Richtigkeitsprüfung“, die weiter gehen könne, als bei lebzeitigen Rechtsgeschäften, da weder die Verkehrssicherheit gefährdet, noch die Folgen unabsehbar wären, weil die „typisch richtige“ gesetzliche Erbfolge eintrete. In der Schweiz wurde die These der familienrechtlichen
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Dieses Verständnis der Testierfreiheit als „treuhänderische Freiheit des gerechten Hausvaters“236 steht in offenem Widerspruch zur Selbstbestimmung als Geltungsgrund der Verfügungsfreiheit im Erbrecht. Nicht der freie Wille schlechthin, sondern bloß der im „familiären Pflichtbewusstsein“ geäußerte Wille könnte demnach die Geltung einer erbrechtlichen Verfügung rechtfertigen. Für ein solches familiengebundenes Verständnis der Testierfreiheit findet sich indes kein Anhaltspunkt in der Rechtsordnung.237 Der Gesetzgeber hat sich vielmehr damit begnügt, zum Schutz der engsten Verwandten ein Pflichtteilsrecht vorzusehen. Im Übrigen überlässt er es der freien persönlichen Entscheidung des Erblassers, wie dieser die Nachfolge in sein Vermögen regeln möchte und setzt ihm dabei bloß die bereits erwähnten, nur ausnahmsweise greifenden Schranken der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit (§§ 134 und 138 Abs. 1 BGB). Die Testierfreiheit ist somit „kein pflichtgebundenes Recht, das nur zum Wohl der Familie ausgeübt werden dürfte, sondern ein individuelles Freiheitsrecht, das der Verwirklichung der Privatautonomie auf dem Gebiet des Erbrechts dient.“238 Während der Erblasser seine Testierfreiheit freilich dazu einsetzen kann, im Einzelfall eine gerechte Verteilung zwischen seinen gesetzlichen Erben zu erreichen, ist er weder zu einer solchen, wie immer zu Bindung des Erblassers von Widmer, Grundfragen 177 vertreten: „Man darf nicht ausser acht lassen, dass das Erbrecht seine Wurzeln im Familienrecht hat, wo der privatautonomen Rechtsgestaltung nur beschränkt Raum gelassen wird. Es ist daher eine Vertrauensposition, in gewissem Sinn ein Amt, das dem Erblasser in Ansehung seines Verantwortungsbewusstseins und seiner besseren Kenntnis der Verhältnisse im Einzelfall verliehen wird. Und in diesem Amt bleibt er – ähnlich einer Behörde – an die Maxime der Gleichbehandlung gebunden.“ 236 So beschreibt Goebel, Testierfreiheit 46 diese Auffassung. 237 Insbesondere aus den erbrechtlichen Anfechtungsvorschriften lässt sich kein solcher Anhaltspunkt gewinnen. Zwar mag die Anfechtung in aller Regel den gesetzlichen Erben zugute kommen, da diese (in Ermangelung eines wiederauflebenden Testaments zugunsten Familienfremder) bei erfolgreicher Anfechtung berufen sind. Eine Familienbindung des Erblassers lässt sich daraus aber nicht ableiten. Dies gilt auch für die Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten (§ 2079 BGB). Nach Leipold mache gerade § 2079 BGB deutlich, dass die Testierfreiheit dem Erblasser nicht als „Freiheit zu beliebigen Verfügungen“ eingeräumt werde, sondern als „Freiheit in Verantwortung, nämlich im Vertrauen darauf, dass der Erblasser die gesetzlichen Erbrechte des Ehegatten und der nächsten Angehörigen besonders beachten und in redlicher Würdigung der konkreten Umstände eine gerechte Erbregelung schaffen werde“. MüKo BGB/Leipold, § 2079 Rn. 2. Dies überzeugt nicht, denn die Anfechtung wegen Übergehung von Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2079 BGB greift ja nur dann ein, wenn dem Erblasser die Pflichtteilsberechtigten unbekannt waren oder diese erst nach Errichtung geboren wurden. Die Bestimmung stellt insofern lediglich die Vermutung auf, dass der Erblasser mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bei Kenntnis der Sachlage anders verfügt hätte. Dass er auch anders verfügt haben sollte oder müsste, kann daraus nicht abgeleitet werden. 238 Staudinger/Otte, Einl. zum Erbrecht Rn. 54.
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definierenden, „gerechten“ Verteilung verpflichtet, noch ist eine solche „gerechte Verteilung“ Gültigkeitsvoraussetzung seines letzten Willens. 6. Zwischenergebnis Die erbrechtliche Verfügungsfreiheit lässt sich ebenso wie die Vertragsfreiheit auf ein einheitliches Konzept der Privatautonomie zurückführen. Dies wird durch die historische Herleitung der erbrechtlichen Privatautonomie aus lebzeitigen unentgeltlichen Verfügungen unterstrichen und zeigt sich besonders darin, dass sowohl die lebzeitige als auch die erbrechtliche Verfügungsfreiheit letztlich auf der Selbstbestimmung des Einzelnen beruhen. Durch lebzeitige bzw. erbrechtliche Rechtsgestaltungsfreiheit erkennt die Rechtsordnung das Recht des Einzelnen auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit an. Trotz dieser gemeinsamen Grundlage in der Selbstbestimmung, bestehen doch wesentliche strukturelle Unterschiede zwischen lebzeitiger und erbrechtlicher Verfügungsfreiheit, die es verbieten, ohne weiteres von der Vertragsfreiheit auf die Testierfreiheit zu schließen. Erbrechtliche Rechtsgestaltung ist nicht lebzeitige Rechtsgestaltung. Ihr fehlen insbesondere lebzeitige Wirkungen und damit die Verbindlichkeit für den Erblasser. Dies degradiert sie allerdings nicht zu einer Privatautonomie zweiten Ranges, sondern markiert bloß ihre strukturelle Eigenständigkeit. Selbstbestimmung erfolgt im Erbrecht nicht durch nach außen verbindliche Rechtsgestaltung, sondern durch gestalterischen Eingriff in die gesetzliche Erbfolge nach dem Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Ausübung der Verfügungsfreiheit. Da die Rechtswirkungen der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit erst mit dem Tod des Erblassers eintreten, erhält auch der Begriff der Selbstverantwortung im Erbrecht eine eigenständige Bedeutung. Selbstverantwortung ist im Erbrecht nicht rechtliche Verbindlichkeit im Sinne rechtlichen Einstehenmüssens für die Folgen des eigenen rechtsgeschäftlichen Handelns, sondern Einstehenmüssen vor sich selbst und vor dem eigenen Gewissen. Es handelt sich also um eine moralische Verantwortung, der über die Regeln der Testierfähigkeit, die formelle Höchstpersönlichkeit und die Formpflicht im Erbrecht rechtliche Bedeutung zukommt, indem sie die Möglichkeit zu einer verantwortungsvollen Entscheidung sichern. Die verstärkte Willensherrschaft im Erbrecht ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass nur die Selbstbestimmung des Erblassers die rechtliche Geltung einer einseitigen erbrechtlichen Verfügung begründen kann. Dem Erbrecht geht es daher in erster Linie darum, den Willen des Erblassers möglichst exakt zur Geltung zu bringen. Dieser Grundsatz wird nur dort durchbrochen, wo nicht einseitig, sondern durch Erbvertrag oder wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament verfügt wurde und somit auch der Wille Dritter in die erbrechtliche Verfügung eingeflossen ist.
§ 3 Fremdbestimmung bei erbrechtlichen Verfügungen
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Beschränkungen der Willensherrschaft des Erblassers ergeben sich (großteils indirekt) aus den Formvorschriften, dem Pflichtteilsrecht sowie direkt aus den allgemeinen Schranken der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit erbrechtlicher Anordnungen gemäß § 134 sowie § 138 BGB. Da durch die Ausübung der Testierfreiheit nur mittelbar auf die Grundrechte der Begünstigten eingewirkt werden kann, und diese Einwirkung durch eine selbstbestimmte Entscheidung des Erben verhindert werden kann, erwächst aus den Grundrechten der Erben grundsätzlich keine Schranke der Willensherrschaft des Erblassers. Lediglich dort, wo eine selbstbestimmte Entscheidung des Erben aufgrund von Beherrschungslagen nicht möglich ist, sollte die Testierfreiheit des Erblassers bei grundrechtsrelevanten Verfügungen ausnahmsweise beschränkt werden. Das Erbschaftssteuerrecht kann die Selbstbestimmung des Erblassers nur dann beschränken, wenn es die erbrechtliche Zuwendung aufgrund der Steuerlast gänzlich oder im Wesentlichen aufhebt. Familiäre Treuepflichten scheiden außerhalb der Grenzen des Pflichtteilsrechts als weitere Schranken der Testierfreiheit aus.
§ 3 Fremdbestimmung bei erbrechtlichen Verfügungen § 3 Fremdbestimmung bei erbrechtlichen Verfügungen
Angesichts der zentralen Bedeutung, die dem Willen des Erblassers und damit seiner Selbstbestimmung als Geltungsgrund erbrechtlicher Verfügungen zukommt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Erblasser vor Fremdbestimmung zu schützen ist, um ihm bei der Gestaltung seiner Vermögensnachfolge die Verwirklichung des verfassungsrechtlich verankerten Rechts auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zu garantieren. Es wäre indes illusorisch zu fordern, dass zur Sicherung einer selbstbestimmten Entscheidung keinerlei Einfluss auf die Entscheidung des Erblassers ausgeübt werden dürfe.239 Der Prozess der Willensbildung vollzieht sich nämlich niemals völlig unabhängig von äußeren Umständen bzw. vom Verhalten und von Aussagen anderer, sondern ist vielmehr das Ergebnis einer Vielzahl innerer und äußerer Faktoren.240 Der Mensch ist als soziales Wesen regelmäßig in ein gesell239 In diesem Sinne geht es nicht um materielle, sondern um formale Selbstbestimmung, d. h. um die Möglichkeit, eine Wahl nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen zu treffen. Für eine Kritik am materiellen Selbstbestimmungskonzept Dworkin, Theory and Practice 22 ff., und für ein formelles Verständnis von Selbstbestimmung, 26: „What is valuable about autonomy is that the commitments and the promises a person makes be ones he views as his, as part of the person he wants to be, so that he defines himself via those commitments.“ 240 Vgl. Zaczyk, Kriterien 96: „Dass die Urteilsbildung frei von Einflüssen Dritter zu erfolgen habe, ist ebenfalls nur in modifizierter Form zutreffend. Gewiss kann es Situationen geben, in denen ein Mensch gleichsam willenlos den Direktiven anderer folgt; seine Entscheidung ist dann nicht mehr selbstbestimmt, nicht mehr frei. Prinzipiell ist aber
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schaftliches und familiäres Umfeld eingebettet, das ihn stets in seinen Entscheidungen beeinflusst.241 Im Folgenden muss es daher um die Frage gehen, wann überhaupt von Fremdbestimmung gesprochen werden kann. Nach einem Versuch, rechtserhebliche Einflussnahme von rechtlich nicht erheblichen, weil die Selbstbestimmung nicht störenden äußeren Einflüssen anhand bestimmter allgemeiner Kriterien zu unterscheiden, soll auf die entsprechend ihrer Phänomenologie zu unterscheidenden Formen der unzulässigen Einflussnahme eingegangen werden. I.
Äußere Einflüsse und Fremdbestimmung
Äußere Einflüsse unterscheiden sich von Fremdbestimmung dadurch, dass sie auf die Entscheidung des Erblassers zwar kausal einwirken, die Entscheidungsfreiheit des Erblassers aber nicht beeinträchtigen bzw. seinen Willensbildungsprozess nicht stören.242 Dies bedeutet, dass der Erblasser trotz dieser Einflüsse frei bleibt, nach seinem eigenen Willen zu verfügen. Im Falle der Fremdbestimmung wird von außen in den Willensbildungsprozess eingegriffen, indem dem Erblasser entweder überhaupt keine Wahl bleibt, seine Wahlmöglichkeiten stark beschränkt werden oder seine Entscheidungsgrundlage von außen gestört wird.243 Gekennzeichnet ist Fremdbestimmung jedenfalls dadurch, dass der Erblasser durch den Einfluss Dritter keine eigene, seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen entsprechende Abwägungsentscheidung mehr treffen kann.244 Die Abgrenzung zwischen bloß äußeren Einflüssen und Fremdbestimmung erweist sich in der Praxis als schwierig, insbesondere dann, wenn Fremdbefestzuhalten, dass jedes menschliche Denken und Handeln den Einflüssen anderer unterliegt, solange es nur in Gesellschaft erfolgt – niemand ist eine Insel.“ Vgl. auch Bahurel, Volontés 328; für den Bereich des Vertragsrechts Weiler, Willenserklärung 157. 241 Insofern betonen die Vertreter der sog. relational autonomy die Bedingtheit von Entscheidungen durch die sozialen Beziehungen der Person. Grundlegend: Mackenzie/ Stoljar, Relational Autonomy. 242 Gerald Dworkin bezeichnet dies als procedural independence. Demnach müssen alle äußeren Faktoren, die auf den Willensbildungsprozess einwirken, diesen fördern und dürfen ihn nicht stören. „Spelling out the conditions of procedural independence involves distinguishing those ways of influencing people’s reflective and critical faculties which subvert them from those which promote and improve them.“ Dworkin, Theory and Practice 18. 243 Zu den Bedingungen von Selbstbestimmung vgl. Oshana, J. Soc. Philos. 29 (1988) 93 ff. Selbstbestimmung ist demnach nur möglich, wenn folgende vier Voraussetzungen erfüllt sind: 1) die Person muss zur kritischen Reflektion eigener Handlungen fähig sein; 2) Dritte dürfen die Entscheidungsfreiheit der Person nicht beeinträchtigen oder beschränken; 3) die Person muss eine angemessene Wahlmöglichkeit haben; 4) das soziale Umfeld muss die Entscheidungsfreiheit der Person zulassen. Demnach hängt die Möglichkeit für Selbstbestimmung stets vom Umfeld des Einzelnen ab. 244 Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rn. 14.
§ 3 Fremdbestimmung bei erbrechtlichen Verfügungen
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stimmung nicht offen, sondern auf indirektem Weg durch Manipulation des Erblassers (Desinformation, Informationsverschweigung) erfolgt. Im Folgenden sollen die Wesensmerkmale der Fremdbestimmung näher erörtert werden. 1. Wesensmerkmale der Fremdbestimmung a) Kausalität Ob überhaupt eine Fremdbestimmung des Willensbildungsprozesses des Erblassers stattgefunden hat, hängt davon ab, ob ein Kausalzusammenhang zwischen Einflussnahme und Verfügung besteht. Hätte der Erblasser nämlich auch ohne äußeren Einfluss in derselben Weise verfügt, dann ist die Einflussnahme, mag sie etwa auch als Drohung formuliert worden sein, rechtlich unerheblich. Die Verfügung wäre ohnehin gewollt gewesen. Fremdbestimmung hat somit in Fällen alternativer Kausalität keine rechtlich eigenständige Bedeutung. Als Unterscheidungskriterium zwischen zulässiger, die Selbstbestimmung des einzelnen nicht beeinträchtigender Einflussnahme und unzulässiger Fremdbestimmung ist das Kausalitätskriterium aber ungeeignet.245 Jede Art der Einflussnahme, mag sie auch vom Verfügenden als unverbindlich empfunden worden sein, ist – sofern sie im Willensbildungsprozess ausdrücklich oder implizit Berücksichtigung findet – kausal für die Entscheidung. Um im Rahmen dieser kausal effizienten Einflussnahmen zwischen Fremdbestimmung und äußeren Einflüssen zu unterscheiden, bedarf es zusätzlicher Kriterien.246 Dies zeigt sich etwa am Beispiel der Beratung des Erblassers durch einen Notar. Die Ratschläge des Notars mögen zwar kausal effizient für die Ausgestaltung des letzten Willens des Erblassers sein, niemand würde deshalb aber bei notarieller Beratung eine Fremdbestimmung des Erblassers annehmen wollen. b) Fremdinteresse Bei der Unterscheidung zwischen Fremdbestimmung und bloßen äußeren Einflüssen kommt es daher auf das vom Dritten verfolgte Eigen- oder Fremdinteresse an. Wurde der Einfluss etwa aufgrund beraterischer Tätigkeit ausgeübt, dann handelt es sich um eine Beeinflussung im Interesse des Erblassers. Durch rechtliche Beratung wird die Selbstbestimmung des Erblassers nicht beeinträch-
Dazu Weiler, Willenserklärung 158 f. So auch Weiler, Willenserklärung 158 f.: „Da jede Willensbildung Einflüssen unterliegt, kann allein aus deren Gegebensein noch nicht geschlossen werden, es liege Fremdbestimmung vor. Deswegen bedeutet Einflussnahme auf die Willensbildung nicht zugleich Fremdbestimmung.“ 245 246
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tigt,247 sondern ganz im Gegenteil gefördert. Der Erblasser kann nämlich aufgrund der zusätzlichen Informationen eine seinem Willen besser entsprechende und damit in aller Regel verantwortungsvollere Entscheidung treffen.248 Anders verhält es sich, wenn der Dritte im eigenen oder im fremden Interesse Einfluss auf die Entscheidungen des Erblassers ausübt, denn in diesen Fällen kommt es zu einer Störung des Willensbildungsprozesses und somit zu einer Beeinträchtigung der Möglichkeit zur Selbstbestimmung. Die Einflussnahme lässt sich dabei danach unterscheiden, ob sie direkt oder indirekt erfolgt. Die direkte Einflussnahme kann von der Ausübung sehr subtilen Drucks bis hin zum physischen Zwang bei der Errichtung der erbrechtlichen Verfügung reichen. Die indirekte Einflussnahme erfolgt dagegen durch Desinformation, indem der Erblasser über entscheidungserhebliche Tatsachen getäuscht wird oder ihm entscheidungserhebliche Informationen vorenthalten werden. Beide Formen der Einflussnahme können die Entscheidungsfreiheit und damit die Möglichkeit zur Selbstbestimmung des Erblassers wesentlich beeinträchtigen. c) Vorsatz Die Verfolgung eines Fremdinteresses zur Störung des Willensbildungsprozesses des Erblassers ist nur denkbar, wenn sie bewusst und absichtlich, d. h. gezielt erfolgt.249 Von Fremdbestimmung kann daher nur dann die Rede sein, wenn der Dritte mit Vorsatz auf den Willensprozess des Erblassers eingewirkt hat. Fehlt dieser Vorsatz, liegt nicht Fremdbestimmung, sondern ein Irrtum (zumeist wohl Motivirrtum) des Erblassers vor. Selbstbestimmung birgt für den Einzelnen immer auch das Risiko, dass er aufgrund einer Verkennung oder falschen Einschätzung von Tatsachen Entscheidungen trifft, die er bei genauer Kenntnis und Berücksichtigung der Sachlage nicht getroffen hätte. Auf Dritte, und damit auf eine Fremdbestimmung, sind solche Störungen des Willensbildungsprozesses nur dann zurückzuführen, wenn sie von diesen im Fremdinteresse vorsätzlich herbeigeführt wurden. Haben Irrtümer Dritter zu falschen Vorstellungen der Wirklichkeit beim Erblasser geführt, kann von 247 „Die Grenze zwischen zulässiger Beratung und Anregung, die gerade ältere Erblasser gerne in Anspruch nehmen, und unzulässiger Beeinflussung ist dann überschritten, wenn der Testierende angesichts der Beeinflussung durch Dritte zu einer freien Selbstentschließung nicht mehr in der Lage ist, es also gerade nicht mehr zur eigenen Abwägungsentscheidung, die die Selbstbestimmung kennzeichnet, kommt.“ Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rn. 14. 248 Man denke etwa an den Erblasser, der von seinen drei Kindern die verschwendungssüchtige Tochter anfangs nicht begünstigen wollte, aufgrund der Beratung aber schließlich Pflichtteilsbeschränkung gemäß § 2338 BGB mit Testamentsvollstreckung anordnet und damit eine Lösung erzielt, die gleichzeitig seinem Willen der Vermeidung der Verschwendung seines Nachlasses und der Versorgung seiner Tochter am besten entspricht. 249 Vgl. für das französische Recht Bahurel, Volontés 328 f.
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Fremdbestimmung keine Rede sein. Der Erblasser wurde in diesen Fällen nicht getäuscht, sondern hat sich getäuscht. d) Ergebnis Fremdbestimmung liegt nur dann vor, wenn: a) die Einflussnahme des Dritten zur Störung des Willensbildungsprozesses des Erblassers geführt hat und für die erbrechtliche Verfügung kausal war, dieselbe Verfügung also nicht auch ohne das Zutun (Tun oder Unterlassen) des Dritten errichtet worden wäre; b) die Einflussnahme im fremden Interesse, d. h. nicht zur Förderung der Selbstbestimmung des Erblassers erfolgt ist und c) die Einflussnahme bewusst und absichtlich, mithin vorsätzlich, erfolgte. Fremdbestimmung ist daher das Ergebnis vorsätzlicher äußerer, direkter oder indirekter Einwirkungen auf den Willensbildungsprozess des Erblassers im Interesse des Einwirkenden oder eines anderen Dritten. 2. Formen der Einflussnahme auf den Willen des Erblassers Im Folgenden wird nun der Versuch unternommen, die einzelnen Formen der unzulässigen Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess des Erblassers näher zu beschreiben und zu systematisieren. Dabei ist freilich darauf hinzuweisen, dass es sich bei der hier versuchten Gruppenbildung zwar um in ihrem Kern empirisch abgrenzbare Verhaltensweisen handelt, eine trennscharfe Differenzierung aber trotz der unterschiedlichen daran anknüpfenden Rechtsfolgen nicht durchwegs möglich ist. a) Zwang (vis absoluta) Die direkte Einflussnahme Dritter auf den Willen des Erblassers ist in ihrer gravierendsten Ausprägung physischer Zwang (Überwältigung). Durch physische Gewalteinwirkung wird der Erblasser zur Abgabe einer bestimmten erbrechtlichen Erklärung gezwungen, ohne dass ihm eine Wahlmöglichkeit verbleibt. Typisches Beispiel ist die vom Dritten geführte Hand des Erblassers.250 Auch das unter Folter errichtete Testament251 gehört hierher. Der Erblasser wird in diesen Fällen zum bloßen Instrument eines fremden Willens. Den Fällen von Zwang sind die Fälle psychischer Fremdsteuerung einer Person, wie sie durch Hypnose oder Gehirnwäsche möglich ist, gleichzustelSavigny, System Bd. III 100. OLG Brandenburg 20.8.1998, FamRZ 1999, 1461 (DDR-Flüchtling, der den Behauptungen des Anfechtenden zufolge nach seiner Rückkehr in die DDR schweren Verhören unterzogen wurde und unter „Zwang und Drohung“ zur Errichtung eines Testament bestimmt worden sei; schließlich habe er den Tod durch Erhängen gefunden, wobei die Selbsttötung vom Anfechtenden in Zweifel gezogen wurde; in diesem Fall hätte nicht angefochten, sondern auf Feststellung der Nichtigkeit des Testaments geklagt werden müssen). 250 251
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len,252 denn auch in diesen Fällen verbleibt dem Betroffenen als bloßes Werkzeug eines fremden Willens kein Restraum an Entscheidungsfreiheit. Da bei Zwang in der Form physischer und psychischer Fremdsteuerung kein zurechenbarer Handlungswillen des Erklärenden vorliegt, fehlt es nach verbreiteter Ansicht bereits an einer Willenserklärung.253 Aus diesem Grund liegt in diesen Fällen überhaupt keine erbrechtliche Verfügung vor, sie ist also nicht bloß anfechtbar, sondern von Anfang an nichtig.254 b) Drohung Der Drohungstatbestand ist dann erfüllt, wenn ein Übel angekündigt wird, von dem der Drohende behauptet, es für den Fall eintreten lassen zu können, dass der Bedrohte die Abgabe der geforderten Willenserklärung verweigert.255 Drohungen können auch versteckt oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen,256 müssen aber stets vorsätzlich sein, d. h. der Drohende muss bewusst den Zweck verfolgt haben, den Bedrohten zur Abgabe einer bestimmten Willenserklärung zu veranlassen.257 Ob die Drohung ernsthaft und damit für die Willenserklärung kausal war, ist nicht objektiv zu bestimmen und hängt auch nicht von der Meinung des Drohenden ab. Vielmehr kommt es allein auf die subjektive Sichtweise und damit auf die persönliche Verfassung des Bedrohten an.258 Abhängigkeitssituationen, wie sie besonders bei alternden, pflegebedürftigen Erblassern häufig vorkommen, erhöhen die Anfälligkeit, auch wenig konkreten oder imaginären Drohungsszenarien zu erliegen. Die Selbstbestimmung des Erblassers wird bei Drohungen weitgehend, aber nicht vollständig ausgeschaltet. Dem Erblasser verbleibt nämlich die Entscheidung zwischen dem in Aussicht gestellten Übel und der Errichtung einer erbrechtlichen Verfügung eines bestimmten Inhalts. Tatbestandsmäßig liegt somit 252 Dazu ausführlich Weiler, Willenserklärung 166 ff., der Hypnose und Gehirnwäsche als psychisch wirkende Maßnahmen zum Ausschluss der Entscheidungsfreiheit des Betroffenen qualifiziert und insofern die klassische Dichotomie vis absoluta – vis compulsiva als zu eng bezeichnet. 253 Mugdan V 25 (Motive V S. 47): „den Fällen körperlicher Überwältigung, in welchen eine Willenserklärung gar nicht vorliegt“. So auch die einhellige Ansicht. Vgl. mit weiteren Hinweisen Staudinger/Singer, § 123 BGB, Rn. 65. 254 Insofern bedarf sie keiner Anfechtung: MüKo BGB/Leipold, Einl. vor § 2078 Rn. 53. 255 BGH 7.6.1988, NJW 1988, 2599, 2600 f.; BGH 22.11.1995, NJW-RR 1996, 1281, 1282. 256 BGH 7.6.1988, NJW 1988, 2599, 2601.; BGH 22.11.1995, NJW-RR 1996, 1281, 1282; OLG Saarbrücken 2.5.2001, NJW-RR 2001, 1632. 257 BGH 22.11.1995, NJW-RR 1996, 1281, 1282. Nach MüKo BGB/Armbrüster, § 123 Rn. 101 genügt auch ein Eventualvorsatz, wonach sich der Drohende lediglich bewusst sein muss, dass er durch seine Drohung die Willenserklärung des Bedrohten beeinflussen kann. 258 BGH 6.5.1982, NJW 1982, 2301, 2302; BGH 22.11.1995, NJW-RR 1996, 1281, 1282; MüKo BGB/Armbrüster, § 123 Rn. 113.
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eine Willenserklärung vor, wenngleich sie mangelhaft zustande kommt. Zur Anfechtung der Verfügung gemäß § 2078 Abs. 2 BGB muss die Drohung nach dem Wortlaut des Gesetzes (wie gemäß § 123 BGB) „widerrechtlich“ erfolgt sein. Dies ist im Erbrecht wohl stets der Fall,259 denn eine „gerechtfertigte Drohung“ zur Erzielung einer bestimmten erbrechtlichen Verfügung ist angesichts der Tatsache, dass niemand einen „gerechten Anspruch“ auf eine erbrechtliche Begünstigung erheben kann, nicht denkbar;260 es sei denn, man möchte einen solchen Anspruch aus einer sittlichen Verpflichtung ableiten und die Drohung somit sittlich rechtfertigen.261 Die Widerrechtlichkeit der Drohung ergibt sich entweder aus den verwendeten Mitteln (z. B. Androhung physischer Gewalt), aus dem beabsichtigten Erfolg oder aus dem Verhältnis zwischen verwendetem Mittel und verfolgtem Zweck (Drohung mit einer Strafanzeige, wenn der Zweck der Drohung nicht mit der Straftat in Zusammenhang steht262: etwa Drohung mit einer Anzeige wegen Steuerhinterziehung,263 Drohung mit Aufkündigung des Pflegedienstes, auf den der Erblasser angewiesen ist264). Geht 259 So Schlüter/Bartholomeyczik, Erbrecht Rn. 230. So auch die Kritik während der Vorarbeiten zum BGB: Mugdan V 542 (Prot. S. 6670). Man entschied allerdings, die Widerrechtlichkeit als Voraussetzung beizubehalten, da Fälle einer „nicht widerrechtlichen Willensbeeinflussung denkbar wären“, etwa wenn der Vater seine Tochter zur Annahme eines für sie „vorteilhaften“ Heiratsantrags oder zur Errichtung einer letztwilligen Verfügung mit der Drohung bestimme, sie anderenfalls auf den Pflichtteil zu setzen. Hier handelt es sich aber freilich nicht um Beispiele fehlender Widerrechtlichkeit von Drohungen im Erbrecht, denn die Bestimmung der Tochter zur Annahme eines Heiratsantrags unter Androhung der Beschränkung auf den Pflichtteil führt zu keiner erbrechtlichen Verfügung, die wegen Drohung angefochten werden könnte und gehört daher nicht hierher. Wenn der Vater dagegen die Tochter zu einer erbrechtlichen Verfügung drängt, indem er ihre wirtschaftliche Zwangslage ausnützt und ihr androht, sie auf den Pflichtteil zu setzen, dann ist nicht ersichtlich, worin in diesem Fall die Rechtmäßigkeit (und damit die fehlende Widerrechtlichkeit) dieser Drohung liegen sollte. Die Mittel-Zweck-Relation ist nämlich zu missbilligen, denn es ist rechtsmissbräuchlich, wenn die Testierfreiheit des Vaters unter Ausnützung der wirtschaftlichen Zwangslage der Tochter zur Beschränkung der Testierfreiheit derselben verwendet wird. Wenn bei Brox/Walker, Erbrecht Rn. 234 darauf hingewiesen wird, dass es nicht widerrechtlich sei, wenn die Pflegerin den hilfsbedürftigen E mehrfach darum bittet, sie in einem Testament zu bedenken oder von ihrem Recht Gebrauch macht und ihr Dienstverhältnis kündigt, dann liegt schon tatbestandlich keine Drohung vor, sodass über die Widerrechtlichkeit gar nicht befunden werden muss. 260 Zutreffend wurde daher im österreichischen Recht die Möglichkeit einer „gerechten Drohung“ ausgeschlossen. Vgl. Klang/Weiß, § 564, 565 ABGB 261. Ebenso Ferrari/LikarPeer, Erbrecht 135. In der Rechtsprechung OGH 21.9.1949, 2Ob41/49 (SZ 22/134). 261 Lange/Kuchinke, Erbrecht 854: „wenn zwar nicht die Rechtsordnung, aber die Sittenordnung dem Erblasser die Erfüllung der Forderung nahelegt.“ 262 Flume, Allgemeiner Teil 536. 263 Dieses Beispiel bei Lange, Erbrecht 369. 264 Für einen Fall, in dem die Pflegerin äußerte, sie bleibe nicht, wenn sie nicht letztwillig bedacht werde, und es werde der Pflegebedürftigen dann schlecht gehen, wurde vom
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die widerrechtliche Drohung vom Begünstigten aus, sind neben der Anfechtbarkeit der Verfügung auch die Voraussetzungen für die Erbunwürdigkeit des Drohenden erfüllt (§ 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB). c) Ausnützung von Abhängigkeits- und Beherrschungslagen in Vertrauensverhältnissen Diese dritte Form der direkten Einwirkung auf den Prozess der Willensbildung unterscheidet sich von der Drohung insofern, als dem Erblasser kein künftiges, vom Willen des Drohenden abhängiges Übel angedroht wird. Vielmehr wird in den Willensbildungsprozess dadurch eingegriffen, dass meist im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses eine körperlich-geistige Schwäche 265 oder eine psychische Zwangslage des Erblassers ausgenützt wird, um diesen durch persönliche Bedrängnis266 unter Druck zu setzen und auf diese Weise eine bestimmte erbrechtliche Verfügung herbeizuführen. 267 Der Dritte könnte zum Beispiel die Abhängigkeitssituation des Erblassers verstärken, indem er ihn sozial isoliert und sich selbst immer wieder als aufopfernden, unentbehrlichen Gefährten darstellt, der auf die tätige Dankbarkeit des Erblassers einen Anspruch habe. Lediglich aus dem objektiven Zusammenhang ließe sich aus diesem in der Praxis nicht selten vorkommenden Verhalten268 die freilich unkonkrete Mahnung erkennen lassen,269 dass der Erbösterreichischen OGH als Drohung beurteilt. Die letztwillige Verfügung wurde damit aufgehoben. OGH 21.9.1949, 2Ob41/49 (SZ 22/134). 265 Vgl. z. B. Abschluss eines Erbvertrags durch Ausnützung der Unerfahrenheit und Beschränktheit des Erblassers BGH 4.6.1951, LM Nr. 1 zu § 138 BGB, BeckRS 1951, 31397613 (Volltext). 266 Vgl. MüKo BGB/Armbrüster, § 138 Rn. 95. 267 Vgl. allerdings Lange/Kuchinke, Erbrecht 854, wonach als Drohung auch jede Handlung anzusehen ist, „bei der der Einwirkende das Maß der intensiven Bitte, des Anmahnens der Verbundenheit oder des Mitgefühls des Erblassers so überschreitet, dass dieser unter einen nicht unerheblichen persönlichen oder wirtschaftlichen Druck gesetzt wird, oder dass die Willensschwäche oder Zwangslage des Erblassers ausgenützt wird.“ 268 Das vor allem in der amerikanischen Literatur hierzu zitierte Modell wurde von Bennett Blum, Undue Influence entwickelt. Demnach folgt der Abschottung (isolation) von Informationen, Freunden, Verwandten und sonstigen Vertrauenspersonen die Abhängigkeit des Betroffenen (dependency). Daraufhin werden ihm Versprechungen und/oder unterschwellige Drohungen in Bezug auf Pflege, Sicherheit, Freundschaft usw. (emotional manipulation) gemacht und seine Defizite werden ausgenützt (exploitation of a weakness). Vor diesem Hintergrund willigt der Betroffene ein (acquiescence) und führt die ausdrücklich oder implizit geforderten Verfügungen durch (loss). Mit Beispielfällen aus der Praxis vgl. auch Brommer, Willenlos. 269 Findet dagegen eine klare Ankündigung statt (z. B. wenn der Drohende mit dem Entzug einer bisher gewährten Leistung (wie der Pflege des Erblassers) droht, zu der er an sich nicht verpflichtet ist), dies den Erblasser aber in eine akute Notsituation bringen würde, dann liegt nach herrschender Meinung eine Drohung gemäß § 2078 Abs. 2 BGB vor.
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lasser im Falle seiner Undankbarkeit ohne seinen Gefährten dastehen könnte.270 Eine Ausnützung der Abhängigkeitssituation des Erblassers läge zum Beispiel auch dann vor, wenn der Dritte, der sich zuvor schon zur alleinigen Bezugsperson des Erblassers gemacht hat, dem nunmehr pflegebedürftigen Erblasser seine Pflegedienste unter der Bedingung anbietet, von diesem erbrechtlich bedacht zu werden.271 Dem Erblasser könnte auch ein vom Dritten unbeherrschbares Unheil in Form einer Warnung vor Augen gehalten werden, so etwa wenn ein Priester darauf hinweist, dass der Erblasser „nicht in den Himmel komme“, wenn er nicht zugunsten der Kirche testiere.272 Gerade bei einer gläubigen Person, die angesichts ihres nahen Todes auf Heil im Jenseits hofft, kann eine solche Bemerkung den Willen erheblich beeinflussen. Der Geistliche nützt die Todesnot des Erblassers,273 oder besser seine tiefe Gläubigkeit, aus, um ihn zu Vgl. dazu MüKo BGB/Leipold, Einl. vor § 2078 Rn. 51; RG 27.10.1902, JW 1902, Beil. S. 286; KG 7.9.1999, NJW 2001, 903, 905. 270 Nach herrschender Rechtsprechung liegt eine Ausnützung einer Zwangslage und keine Drohung vor (BGH 7.6.1988, NJW 1988, 2599, 2601), wenn sich die Befürchtung des Eintritts eines Übels „lediglich aus der objektiven Sachlage ergibt, nicht aber von dem anderen Teil hervorgerufen oder bestärkt wird“. Abhängigkeits- oder Beherrschungssituationen können solche Befürchtungen begründen, wenn der Erblasser sich nicht entsprechend dankbar zeigt und zugunsten des beherrschenden Teils verfügt. 271 In diesen Fällen wird nicht mit der Aufkündigung eines bereits erbrachten Dienstes gedroht, sondern lediglich die schwache Verhandlungsposition des Erblassers ausgenützt, um eine bestimmte erbrechtliche Verfügung zu erreichen. 272 So geschehen in dem Fall KG 7.9.1999, NJW 2001, 903, 905. Nach Ansicht des Gerichts lag in diesem Fall kein Drohungstatbestand vor, nicht zuletzt auch deshalb, weil für den Drohenden das angekündigte Übel („nicht in den Himmel kommen“) nicht beherrschbar war und dieser auch nicht behauptete, es beherrschen zu können. Vgl. zu dieser Problematik Kempermann, Unlautere Ausnützung 112. 273 § 48 Abs. 3 TestG (31.7.1938, RGBl. I 793) sah die „Ausnützung der Todesnot“ des Erblassers als Unwirksamkeitsgrund vor. In der amtlichen Begründung dazu heißt es: „Es ist vorgekommen, dass Religionsdiener in Verkennung ihrer wahren Pflichten auf einen Erblasser am Sterbebett unter Ausnutzung seiner Todesnot (z. B. unter Ausnutzung der Angst des Sterbenden vor Bestrafung im Jenseits) eingewirkt haben, um Zuwendungen zugunsten kirchlicher Einrichtungen zu erlangen, Ein solches Verhalten kann nicht gebilligt werden.“ Amtliche Begründung zum TestG, in Deutsche Justiz 1938, 1259. Dieser Unwirksamkeitsgrund wurde allerdings mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiet des Bürgerlichen Rechts (5.3.1953, BGBl. I 33) nicht in das BGB übernommen, da darin eine „ungerechtfertigte Verdächtigung der Religionsdiener“ erblickt wurde. Zur Ausnützung der Todesnot in der Rechtsprechung vgl. BGH 28.3.1956, BeckRS 1956, 31385608. Darin werden strenge Anforderungen an diesen Nichtigkeitsgrund gestellt. Es müsse sich um eine sittlich anstößige Ausnützung der Todesnot handeln. Es reiche nicht, dass eine nicht aus dem Testament begünstigte Ehefrau eines Priesters der 7-Tage-Adventisten der Erblasserin auf dem Sterbebett mit folgenden Worten dazu veranlasst, zugunsten des Enkels der Erblasserin zu verfügen: „Du machst doch ein Testament. Du gibst doch Helmut S. das Haus. Du wirst doch den Fluch nicht auf Dich laden wollen“.
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einer Verfügung zu veranlassen, die dieser ohne entsprechenden Hinweis nicht getroffen hätte. Sofern man den Drohungstatbestand nicht auf die Ausnützung von psychischen Zwangslagen und andere Beherrschungslagen erstrecken möchte,274 ist die Anfechtung gemäß § 2078 Abs. 2 BGB und mit ihr die Erbunwürdigkeit wegen widerrechtlicher Drohung ausgeschlossen. In Fällen, in denen solche Ausnützungsgefahren auch nicht durch den Gesetzgeber von vornherein entschärft werden (§ 14 HeimG), kann bei Beeinflussungen der Willensbildung durch Ausnützung einer Abhängigkeits- oder Beherrschungslage in Vertrauensverhältnissen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB in Betracht kommen.275 274 Zumindest in Bezug auf lebzeitige Geschäfte steht die herrschende Rechtsprechung dem mit der Begründung entgegen, dass „rechtsgeschäftliches Handeln nicht selten auf wirklichen oder vermeintlichen wirtschaftlichen oder persönlichen Zwängen beruhe und die Sicherheit des Rechtsverkehrs daher schwer beeinträchtigt wäre, wenn Willenserklärungen allein deshalb angefochten werden könnten, weil der Erklärende zur Abgabe durch eine dem anderen Teil bekannte Zwangslage veranlasst wurde.“ BGH 7.6.1988, NJW 1988, 2599, 2601. A. A. Lange/Kuchinke, Erbrecht 854. Dieses Argument trägt freilich für das Recht der letztwilligen Verfügungen nicht, wenn es darin auf den Vertrauens- bzw. Verkehrsschutz nicht ankommt. Entsprechend für eine Erweiterung des Drohungstatbestands auch auf die Ausnützung von psychischen Zwangslagen: Röthel, Gutachten 68. DJT A86. 275 Röthel, Gutachten 68. DJT A86; Sieghörtner, Nichtigkeit 824; Lange/Kuchinke, Erbrecht 824 (hinsichtlich Zuwendungen an den Betreuer unter Ausübung von Druck; hier werde die Testierfreiheit durch § 138 BGB nicht eingeschränkt, sondern zusätzlich geschützt); Flume, Allgemeiner Teil 536: „Die bloße Ausnutzung einer Notlage ist keine Drohung, sie kann aber dazu führen, dass das Geschäft nach § 138 nichtig ist.“ So auch BGH 22.1.1991, NJW 1991, 1046, 1047: „[E]in Verstoß gegen die guten Sitten [kann sich] auch daraus ergeben, dass eine Verpflichtung ‚ohne hinreichende Entschließungsfreiheit‘ eingegangen wird. § 138 BGB schützt auch vor der Ausnutzung der emotionalen Zwangslage und der persönlichen Verstrickung. In dieser Weise gewinnt der in § 138 Absatz II BGB besonders hervorgehobene Gesichtspunkt der ‚Ausbeutung einer Zwanglage‘ auch im Rahmen von § 138 Absatz I BGB Bedeutung. Es handelt sich um einen Nichtigkeitsgrund, der gegebenenfalls auch die (bloße) Anfechtbarkeit nach § 123 Absatz I BGB überlagert, weil nicht die Drohung mit einem künftigen Übel, sondern die Ausnutzung der vorhandenen Zwangslage im Vordergrund steht oder hinzutritt.“ Für einen erbrechtlichen Fall, in dem das Zustandekommen eines Erbvertrags als Ergebnis einer sittenwidrigen Ausnützung der Unerfahrenheit und Beschränktheit des Erblassers angesehen wurde: BGH 4.6.1951, BeckRS 1951, 31397613. BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369, 2371 hat die Frage, „unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall Sittenwidrigkeit anzunehmen ist“, wenn etwa „der Betreuer seine Stellung dazu missbraucht hat, die Entscheidungsfreiheit des Betreuten in rechtlich anstößiger Weise zu beeinträchtigen“, nicht entschieden. Im Sinne einer Sittenwidrigkeit hat dagegen das OLG Braunschweig 4.11.1999, ZEV 2000, 448 = FamRZ 2000, 1189 = BeckRS 1999, 30843645 entschieden, wonach „es das Gesetz als sittenwidrig missbilligt, wenn ein Betreuer seine ihm gerichtlich verliehene Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf den Betreuten dazu benutzt, gezielt darauf hinzuwirken, dass der infolge seiner geistigen Behinderung leicht beeinflussbare Betreute ohne reifliche Überlegung über erhebliche Vermögenswerte zu Gunsten des Betreuers durch ein Testament vor einem Notar
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So zum Beispiel in einem Fall,276 in dem die Schwester des Erblassers für diesen die Pflege übernommen hatte und später den Erblasser „unter Ausnutzung des ihr geschenkten Vertrauens“ und seiner „Unerfahrenheit und geistigen Beschränktheit“ dazu bestimmt hat, mit ihr einen Erbvertrag zu schließen, in dem sie als Alleinerbin eingesetzt wurde. Der Erblasser habe dabei unter dem völligen Einfluss seiner Schwester gestanden, die „bewusst ausgenutzt“ habe, dass er aufgrund seiner beschränkten geistigen Kräfte die Tragweite eines Erbvertrags nicht erkennen konnte.277 d) Täuschung Täuschung ist eine Form der indirekten Einflussnahme, bei der dem Erblasser durch gezielte Falschinformationen bzw. durch Verschweigung und Unterdrückung von Informationen ein Bild der Wirklichkeit vermittelt wird, das den Tatsachen nicht entspricht. Damit soll der Erblasser bewegt werden, zugunsten bestimmter Personen in einer gewissen Weise erbrechtlich zu verfügen. Die Gefahr solcher indirekter Einflussnahme besteht besonders bei älteren, gebrechlichen, sozial isolierten Erblassern, denn sie sind häufig nicht mehr in der Lage, sich über die Richtigkeit bzw. Vollständigkeit der ihnen mitgeteilten Informationen selbst oder durch ihr soziales Umfeld zu vergewissern. Abhängigkeits- und Beherrschungssituationen verstärken die Gefährdung, denn sie führen in aller Regel dazu, dass Erblasser nicht einmal in Betracht ziehen, die ihnen mitgeteilten Informationen zu hinterfragen oder zu überprüfen. Sofern arglistige Täuschung bewiesen werden kann, lässt der Gesetzgeber Erbunwürdigkeit zulasten des Täuschenden eintreten (§ 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Dies setzt freilich voraus, dass bei Verschweigung von Informationen den Schweigenden eine Aufklärungs- oder Offenbarungspflicht trifft. 278 In jedem Fall führt verfügt.“ Für das Vorliegen von Sittenwidrigkeit genüge es, „dass sich der Betreuer, der durch die von ihm herbeigeführte letztwillige Verfügung bedacht ist, der Tatumstände bewusst ist, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt.“ 276 BGH 4.6.1951, BeckRS 1951, 31397613. 277 Vgl. zu diesem Fall auch Flume, Allgemeiner Teil 371 f., der bereits wegen relativer Geschäftsunfähigkeit Nichtigkeit eintreten ließe. Nach den Feststellungen des Gerichts war der Erblasser nur in der Lage alltägliche Geschäfte zu verstehen, die Bedeutung eines Erbvertrags vermochte er dagegen nicht zu erfassen. 278 Vgl. dazu Staudinger/Olshausen, § 2339 BGB Rn. 38. Es kommt in aller Regel darauf an, ob der Erblasser die Mitteilung bestimmter für die Entscheidung relevante Umstände vom Schweigenden nach Treu und Glauben erwarten durfte. Relevant wurde dies in der Rechtsprechung besonders hinsichtlich der Aufklärungspflicht in Bezug auf die Untreue des schweigenden und begünstigten Ehepartners. Vgl. etwa BGH 21.9.1967, NJW 1968, 642, wonach ein Ehegatte erbunwürdig ist, der ein fortdauerndes ehewidriges Verhältnis verschweigt, obwohl er weiß, das der andere Ehegatte im Vertrauen auf die Beteuerung seiner ehelichen Treue ein Testament zu seinen Gunsten errichtet. In diesem Fall bestand das Verhalten des Ehegatten jedoch nicht bloß in einem Verschweigen, sondern
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die Täuschung aber zu einem Irrtum (regelmäßig zu einem Motivirrtum), der gemäß § 2078 BGB zur Anfechtung berechtigt. e)
Schmeicheleien, Bitten und Forderungen, Widerspruch
Die schwächste Form der Einflussnahme auf den Willen des Erblassers stellen bloße Schmeicheleien, Bitten und Forderungen sowie Widerspruch gegen den Willen des Erblassers dar. Durch sie wird versucht, den Erblasser davon zu überzeugen, eine bestimmte erbrechtliche Verfügung zu treffen bzw. zu unterlassen. Beabsichtigt ist somit die Überzeugung des Erblassers und damit im Ergebnis die Erzielung einer selbstbestimmten Entscheidung des Erblassers im Sinne des Dritten. Zu Fremdbestimmung im Sinne einer Störung des Willensbildungsprozesses des Erblassers kommt es in diesen Fällen in aller Regel nicht.279 Der Erblasser wird nämlich weder unter Druck gesetzt, noch wird ihm ein Wille aufgedrängt oder seine Gutgläubigkeit bzw. Abhängigkeit ausgenützt. Der Dritte versucht vielmehr dem Erblasser Gründe aufzuzeigen, die den Erblasser bewegen sollen, gerade ihn erbrechtlich zu begünstigen. Diese indirekte Form der Einwirkung auf den Willen des Erblassers umfasst ein großes Spektrum verschiedener Verhaltensweisen, die unterschiedlich intensiv ausfallen können. Es lassen sich hierfür drei im Kern von einan-
auch – in der Zeit vor der Testamentserrichtung – in der Beteuerung, seiner Ehegattin treu zu sein. Es lag somit auch eine Fehlinformation vor. 279 So auch die englische Rechtsprechung zur Anfechtung wegen „undue influence“: „To make a good will a man must be a free agent. But all influences are not unlawful. Persuasion, appeals to the affections or ties of kindred, to a sentiment of gratitude for past services, or pity for future destitution, or the like, – these are all legitimate, and may be fairly pressed on a testator. On the other hand, pressure of whatever character, whether acting on the fears or the hopes, if so exerted as to overpower the volition without convincing the judgment, is a species of restraint under which no valid will can be made. […] In a word, a testator may be led, but not driven; and his will must be the offspring of his own volition, and not the record of someone else’s.“ Hall v. Hall [1865–69] L.R. 1 P.&D. 481, 482; zuletzt Cattermole v. Prisk [2006] 1 F.L.R. 693. Auch der bloße Widerspruch stellt keine unzulässige Fremdbestimmung dar: Hansen v. Barker-Benfield [2006] EWHC 1119 (Ch). In den USA vgl. z. B. In the Matter of the Trust and Estate of Melter, 167 Wn. App. 285: „In order to vitiate a will on this ground [scil. undue influence], there must be something more than mere influence. There must have been undue influence at the time of the testamentary act, which interfered with the free will of the testator and prevented the exercise of judgment and choice. Undue influence has been described as tantamount to force or fear which destroys the testator’s free agency and constrains him to do what is against his will. Actions such as giving advice, arguments, persuasions, solicitations, suggestions or entreaties generally do not amount to undue influence unless such actions are so importunate, persistent, or coercive that they effectively subdue and subordinate the will of the testator and take away his or her freedom of action.“
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der abgrenzbare Gruppen von beeinflussenden Verhaltensweisen bilden, die in ihren Randbereichen fließend ineinander übergehen. Die schwächste Form der Einflussnahme stellt die besonders zuvorkommende und freundliche Behandlung des Erblassers dar, bei der erbrechtliche Begünstigungen nicht angesprochen oder nur am Rande angedeutet werden. Die Schmeicheleien können in der unausgesprochenen Hoffnung erfolgen, der Erblasser möge sich in seinem Testament für die Güte, Aufmerksamkeit und Freundlichkeit des Schmeichlers und Helfers erkenntlich zeigen. Ob diese Absicht überhaupt besteht oder nur aus freien Stücken altruistisch gehandelt wird, lässt sich im Einzelfall nicht feststellen. Eine unzulässige Einflussnahme auf den Willen des Erblassers ergibt sich daraus jedenfalls nicht.280 Eindeutiger und intensiver ist der Versuch der Einflussnahme, wenn der Erblasser mit indirekten und direkten Bitten oder mit Widerspruch auf seine erbrechtlichen Verfügungen angesprochen wird. Diese Bitten und der Widerspruch werden nachdrücklicher, wenn zu ihrer Rechtfertigung an die Güte des Erblassers appelliert bzw. an vergangene, dem Erblasser erwiesene Gefälligkeiten erinnert wird. So etwa, wenn der Erblasser um eine Erbeinsetzung gebeten wird, weil er sich doch immer um die Bedürftigen gekümmert habe oder weil der Bittende doch stets für den Erblasser gesorgt habe, während alle anderen, besonders seine anderen oder nächsten Familienangehörigen, sich von ihm abgewandt hätten.281 Die intensivste Form der Einflussnahme am Übergang zur Druckausübung besteht in aufdringlichem und wiederholtem Fordern, das ebenfalls durch moralische Rechtfertigungsgründe verstärkt werden kann. So etwa wenn vom Erblasser gefordert wird, dass er sich für lebzeitige Dienste erkenntlich zeigen müsse. Hier dienen Appelle an das Gewissen der Verstärkung der an den Erblasser herangetragenen erbrechtlichen Forderungen. Der Übergang zur Druckausübung durch Ausnützung einer Willensschwäche oder einer Abhängigkeitssituation des Erblassers ist bei diesem Verhalten fließend.
So auch die amerikanische Rechtsprechung. Vgl. z. B. Conner v. Brown, 3 A.2d 64, 71 (1938): „Further it may be said that a will which is solely the outcome of kindness, induced by acts of attention or service to a testator in caring for him, even where such acts are actuated by a selfish motive, is not a will procured by undue influence; nor will the employment of flattery, appeals to the affection or pity of the testator, or persuasion or importunity falling short of coercion, constitute undue influence.“ So auch In Re Estate of West, 522 A.2d 1256, 1265 (1987). 281 In dieser Aussage könnte auch eine Verfälschung der Tatsachen liegen, die je nach Gesundheitszustand des Erblassers zu seiner Überzeugung führen könnte, dass sich seine Verwandten tatsächlich nicht mehr um ihn kümmern wollten, während es vielleicht in Wirklichkeit so war, dass er von seinen Verwandten ganz gezielt abgeschirmt wurde. Ist dem so, dann liegt eine Täuschung bzw. eine Ausnützung der geistig-körperlichen Schwäche des Erblassers vor. 280
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All diese Formen der indirekten Einwirkung auf den Erblasser durch Schmeicheleien, Bitten, Forderungen und Widerspruch sind aber unter rechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich unbedenklich, weil sie in die Entscheidungsfreiheit des Erblassers nicht eingreifen.282 Dem Erblasser soll bloß aufgezeigt werden, dass es gute Gründe für eine erbrechtliche Begünstigung des Dritten gäbe. Solange also kein Druck ausgeübt, keine Zwangslage ausgenützt und bei der Begründung von Bitten und Forderungen nicht getäuscht wird, wird der Erblasser lediglich an seine, aus seinen sozialen Beziehungen herrührende Verantwortung bei erbrechtlichen Verfügungen erinnert. Darin ist keine Störung des Willensbildungsprozesses des Erblassers zu erblicken. Jeder kann Forderungen und Bitten äußern, wenn er dabei gleichzeitig anerkennt und respektiert, dass die Entscheidung diesen Bitten und Forderungen Folge zu leisten, allein in den Händen des Erblassers liegt. Wenn z. B. der auf einem landwirtschaftlichen Gut mit seinen Eltern wohnende jüngste Sohn seinen Eltern gegenüber die Forderung äußert, sie müssten ihn als Alleinerben einsetzen, weil er sich – anders als seine Geschwister – um seine Eltern gekümmert habe und kümmern werde und darüber hinaus sein bisheriges Leben für den Erhalt und die Bewirtschaftung des Bauernhofs geopfert habe, dann ist darin – sofern nicht eine besondere Abhängigkeitssituation besteht – keine unzulässige Einflussnahme auf den Willen der Erblasser zu erkennen. Auch das Verhalten des Nachbarn, der sich über längere Zeit um den alleinstehenden Erblasser gekümmert hat und irgendwann die Frage aufwirft, wie der Erblasser zu verfügen gedenke, und dem Erblasser daraufhin ins Gewissen redet, alle zu bedenken, die ihm Gutes getan haben, ist nicht als Fremdbestimmung zu werten. Damit appelliert er nämlich lediglich an die Verantwortung des Erblassers, ohne in dessen Willensbildung einzugreifen. Grundsätzlich liegt auch dann keine Fremdbestimmung vor, wenn der Dritte direkt um eine Begünstigung im Testament bittet; so etwa, wenn ein Priester oder ein Vertreter einer wohltätigen Organisation den Erblasser bittet, die Kirche, eine Stiftung oder einen Verein durch eine erbrechtliche Verfügung zu bedenken, solange diese Verfügung nicht durch Ausnützung einer Schwäche bzw. durch Druckausübung herbeigeführt wird.283 282 So auch die herrschende Meinung, wonach ein fortgesetztes und aufdringliches Bitten ebenso wie ein Widerspruch gegen die beabsichtigte Verfügung des Erblassers die Anfechtungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Vgl. dazu mit Hinweis auf RG 17.2.1910, Recht 1910, Nr. 1395 sowie BGH 2.4.1965, BWNotZ 1965, 348: MüKo BGB/Leipold, Einl. vor § 2078 Rn. 51. In diesem Sinne auch Zeiller, Commentar Bd. 2/2 § 566 ABGB 436: „Die freie Willkür wird durch Zwang, Betrug und Irrtum gehemmt. Der Zwang ist […] von den bloßen Vorschlägen, Schmeicheleien, selbst Zudringlichkeiten, denen der Erblasser ausweichen konnte, zu unterscheiden.“ 283 Etwa dadurch, dass der sehr gläubige, kurz vor dem Tod stehende Erblasser nicht in den Himmel kommen würde, wenn er nicht auch die Kirche in seinem Testament bedenke. KG 7.9.1999, NJW 2001, 903, 905.
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II. Rechtsfolgen der Fremdbestimmung Da der Geltungsgrund erbrechtlicher Verfügungen in der Selbstbestimmung des Erblassers wurzelt, muss sich Fremdbestimmung notwendig auf die Gültigkeit der Verfügungen auswirken. Je nach Schwere der Fremdbestimmung tritt Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit ein. Daneben ordnet das Gesetz in besonders gravierenden Fällen zulasten der Einflussnehmenden auch Erbunwürdigkeit an. 1. Nichtigkeit a) Nichtigkeit wegen mangelnder Zurechenbarkeit Ist eine erbrechtliche Verfügung ausschließlich durch Fremdbestimmung zustande gekommen, weil dem Erblasser nicht bloß psychisch, sondern tatsächlich keine andere Wahl blieb, als die vom Fremden verlangte Willenserklärung abzugeben, kann sie keine Wirkungen entfalten. Dies ist stets dann der Fall, wenn dem Erblasser seine Entscheidungsfreiheit durch körperlichen Zwang (z. B. Folter, Nahrungs- und Pflegeentzug), Hypnose oder Gehirnwäsche vollständig entzogen wird. Die auf diese Weise durch den Erblasser als Werkzeug eines fremden Willens vorgenommene Verfügung ist nichtig, da es dem Erblasser bereits am Willen fehlte, eine erbrechtliche Verfügung zu errichten.284 Die erbrechtliche Verfügung ist vielmehr die Willenserklärung des Dritten,285 die in Ermangelung eines eigenen Handlungswillens des Erblassers nichtig ist. Das BGB hat Fälle des fehlenden Handlungswillens bewusst nicht geregelt, da bei einer „durch körperliche Überwältigung erzwungenen Erklärung ein rechtliches Wollen und mithin eine Willenserklärung im Rechtssinne gar nicht vorliegt“286 und daher auch kein gesetzlicher Regelungsbedarf bestehe. Dieser Ansicht folgt die herrschende Lehre, wonach die Bedeutungslosigkeit einer erzwungenen Erklärung schon durch das Fehlen des Handlungswillens287 als unverzichtbarer Bestandteil einer Willenserklärung bedingt ist, Vgl. zum mangelnden Handlungswillen als Nichtigkeitsgrund MüKo BGB/ Armbrüster, Vor § 116 Rn. 22. 285 Flume, Allgemeiner Teil 46: „Der Handlungswille würde z. B. fehlen, wenn jemand im Zustande der Bewusstlosigkeit oder unter dem Einfluss einer Hypnose ein Erklärungsverhalten übt oder wenn jemand physisch überwältigt und ihm von dem, der ihn überwältigt, die Hand zur Unterschrift eines Vertrages geführt wird. Im letzteren Falle hat nicht der Überwältigte, sondern der Überwältigende einen Erklärungsakt abgegeben.“ 286 Mugdan I 722 (Prot. I 249). 287 Nach einer zuletzt wiederholten Ansicht ist nicht der Handlungswille Voraussetzung einer zurechenbaren Willenserklärung, sondern die Handlungsfähigkeit, die gerade in Fällen der ausschließlichen Fremdbestimmung (körperlicher Zwang, Hypnose) fehle. Neuner, JuS 2007, 884; diesem folgend: Staudinger/Singer, Vorbem. zu §§ 116 ff. BGB Rn. 27. 284
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sodass schon tatbestandsmäßig nicht von einer Willenserklärung gesprochen werden kann.288 Die scheinbare Willenserklärung ist, wie die gemäß § 105 Abs. 2 BGB vom Bewusstlosen abgegebene scheinbare Willenserklärung, wegen mangelnder Zurechenbarkeit nichtig.289 b) Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit In den gesetzlichen Anfechtungsgründen sind all jene Fälle fremder Einflussnahme nicht erfasst, die unter der Schwelle der widerrechtlichen Drohung bleiben290 und nicht als Täuschung zu einem anfechtungsbegründenden Irrtum (besonders Motivirrtum) geführt haben. Etwaige Druckausübung durch Ausnützung von Abhängigkeitslagen, psychischen Zwangslagen oder körperlich-geistigen Schwächen bleibt insofern außerhalb des Spektrums anfechtungsrelevanter Willensbeeinflussung. Allerdings erkennt der BGH291 in einer nicht immer widerspruchsfreien, an der Einzelfallgerechtigkeit orientierten Rechtsprechung in Fällen, in denen eine Verfügung ohne „hinreichende Entschließungsfreiheit“ eingegangen wurde, unter besonderen Umständen Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit an.292 288 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil 436 f.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil § 32 Rn. 7; Palandt/Ellenberger, Einf. Vor § 116 BGB Rn. 16; Bork, Allgemeiner Teil Rn. 589 ff., 890. Vgl. dazu auch Weiler, Willenserklärung 160 ff. 289 MüKo BGB/Armbrüster, Vor § 116 Rn. 22. 290 Kritisch dazu Röthel, Gutachten 68. DJT A86. 291 Vgl. BGH 22.1.1991, NJW 1991, 1046, 1047: „Wie das BerGer. im Ansatz richtig sieht, kann sich ein Verstoß gegen die guten Sitten auch daraus ergeben, daß eine Verpflichtung ‚ohne hinreichende Entschließungsfreiheit‘ eingegangen wird. § 138 BGB schützt auch vor der Ausnutzung der emotionalen Zwangslage und der persönlichen. In dieser Weise gewinnt der in § 138 Absatz II BGB besonders hervorgehobene Gesichtspunkt der ‚Ausbeutung einer Zwanglage‘ auch im Rahmen von § 138 Absatz I BGB Bedeutung. Es handelt sich um einen Nichtigkeitsgrund, der gegebenenfalls auch die (bloße) Anfechtbarkeit nach § 123 Absatz I BGB überlagert, weil nicht die Drohung mit einem künftigen Übel, sondern die Ausnutzung der vorhandenen Zwangslage im Vordergrund steht oder hinzutritt.“ BGH 4.6.1951, BeckRS 1951, 31397613. Dazu auch Flume, Allgemeiner Teil 372: „Zuwendungsgeschäfte mit einer Vertrauensperson sind immer nach § 138 Abs. 1 fragwürdig, und das gleiche gilt für testamentarische Zuwendungen an eine Vertrauensperson, wenn diese auf die testamentarische Verfügung eingewirkt hat.“ Für das Erbrecht Anne Röthel, Ist unser Erbrecht noch zeitgemäß? in Verhandlungen des 68. Deutschen Juristentages, Gutachten A1 (2010) A86; Sieghörtner, Nichtigkeit 824; Lange/ Kuchinke, Erbrecht 824 (hinsichtlich Zuwendungen an den Betreuer unter Ausübung von Druck; hier werde die Testierfreiheit durch § 138 BGB nicht eingeschränkt, sondern zusätzlich geschützt). Dieser Ansatz ist nicht neu. Für Beispiele aus der älteren Rechtsprechung Johannsen, WM 1971, 927 ff. 292 Nach MüKo BGB/Armbrüster, § 138 Rn. 6 müssen neben den besonderen Umständen des Zustandekommens allerdings zumindest die objektiven und subjektiven Anwendungsvoraussetzungen des Anfechtungstatbestands erfüllt sein, weil sonst „wegen der in den Anfechtungsregeln zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung ein Rückgriff auf
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Dabei handelt es sich freilich um eine den Anwendungsbereich des § 138 Abs. 1 BGB sprengende Interpretation, die nicht bloß aufgrund des Wortlauts von Abs. 2 fraglich erscheint, sondern auch zu Wertungswidersprüchen führt. § 138 Abs. 2 BGB verlangt neben der Ausnützung der Notlage, Unerfahrenheit oder des Leichtsinns einer Partei auch ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Darin zeigt sich, dass das unredliche Zustandekommen allein keine Sittenwidrigkeit begründen kann. Es kommt letztlich stets auch auf den Inhalt an.293 Dies gilt grundsätzlich auch für die Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB, denn auch hier müssen neben einer möglichen sittenwidrigen Ausnützung einer Zwangslage weitere Umstände hinzutreten, um einen Sittenverstoß zu begründen.294 Diese einschränkende Auslegung des § 138 BGB drängt sich angesichts der Beschränkung der Anfechtungsgründe in § 123 BGB (§ 2078 BGB) freilich auch auf, denn käme es lediglich auf das fremdbestimmte Zustandekommen an, dann müsste in jedem Fall widerrechtlicher Drohung und arglistiger Täuschung nicht bloß Anfechtbarkeit, sondern Nichtigkeit eintreten. Dies wäre mit dem Normzweck des § 123 BGB (sowie des § 2078 BGB), der die Rechtsfolgen ausdrücklich auf die Anfechtbarkeit beschränkt, nicht vereinbar. Zu einem unlösbaren Wertungswiderspruch käme es, wenn weniger harte Formen der Fremdbestimmung wie Druckausübung mit Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit sanktioniert wären, während bei den schwereren Formen der Fremdbestimmung, nämlich der widerrechtlichen Drohung und der arglistigen Täuschung, lediglich Anfechtbarkeit einträte (§ 123, § 2078 BGB). Sittenwidrigkeit ist daher bei Fremdbestimmung nach herrschender Ansicht nur dann anzunehmen, wenn über die Voraussetzungen des § 123 (bzw. § 2078) BGB hinaus noch weitere Umstände hinzukommen, die eine Sittenwidrigkeit und
§ 138 BGB“ ausscheidet. Anders offensichtlich BGH 22.1.1991, NJW 1991, 1046, 1047. Grundsätzlich ablehnend Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 9, wonach „das sittenwidrige Zustandebringen von Verträgen nicht vom Regelungsbereich des § 138 erfasst wird“. BGH 25.1.1990, NJW 1991, 287, 291: „Entscheidend insoweit ist vielmehr, ob das Rechtsgeschäft seinem Inhalt nach mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung unvereinbar ist.“ Befürwortend dagegen BGH 10.10.1997, NJW-RR 1998, 590, 592: „Dem Verhalten gegenüber dem Geschäftspartner sind aber nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles Grenzen nach § 138 Abs. I BGB gesetzt, die nach Meinung des Senats überschritten sind. Das Unwerturteil folgt hier weniger aus dem objektiven Inhalt des Geschäfts, sondern den Motiven der Kl. und den von ihnen verfolgten Zwecken und der Art und Weise ihres Vorgehens. Es war den Kl. zwar nicht verwehrt, mit ihrem Geschäftspartner über eine Kaufpreisreduzierung zu verhandeln und diese auch zu erreichen. Sie durften aber nicht die ihnen bekannte intellektuelle Unterlegenheit und Willensschwäche ihres Partners mit sittenwidrigen Methoden ausnutzen und daraus Vorteile ziehen.“ 293 Sack, NJW 1974, 564. 294 BGH 4.7.2002, NJW 2002, 2774, 2775.
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damit Nichtigkeit gerechtfertigt erscheinen lassen.295 Umgekehrt heißt dies freilich auch, dass bei Beeinflussungen, die unterhalb der Schwelle von Drohung und Täuschung des § 123 BGB (bzw. im Erbrecht § 2078 BGB) angesiedelt sind, Nichtigkeit der Verfügungen wegen Sittenwidrigkeit de lege lata nicht in Frage kommt. An diese Auffassung der Gesetzessystematik, die zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen erforderlich erscheint, hat sich die Rechtsprechung aber nicht immer gehalten. Insbesondere bei Erbverträgen, die unter bewusster Ausnützung einer Schwäche des Erblassers zustande gekommen sind, nahm der BGH unabhängig von „weiteren Umständen“ Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit an.296 Vereinzelt wurde aber auch bei Testamenten Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit festgestellt, wenn der Wille des Erblassers in „sittlich nicht zu billigender Weise“ beeinflusst worden war, mag auch der eigentliche Grund der Nichtigkeit immer in der Testierunfähigkeit des Erblassers begründet gewesen sein.297 So etwa in einem Fall, in dem der Betreuer unter Missbrauch seiner Vertrauensstellung die Demenz der Erblasserin ausgenützt hatte, um sich und seine der Erblasserin unbekannte Familie testamentarisch begünstigen zu lassen.298 In einem anderen Fall wurde ein Erbver295 BGH 4.7.2002, NJW 2002, 2774, 2775; BGH 17.1.2008, NJW 2008, 982, 983: „Einer solchen Beurteilung steht im Streitfall aber entgegen, dass das Bürgerliche Gesetzbuch einen durch Täuschung bewirkten Vertragsschluss nicht wie nach § 138 BGB als von vornherein nichtig behandelt, sondern durch die Sonderregelung des § 123 BGB lediglich dessen Anfechtbarkeit bestimmt und es dadurch der Entscheidung des Getäuschten überlässt, ob er nachträglich die Nichtigkeit dieses Rechtsgeschäfts herbeiführen will. Ist daher ein Rechtsgeschäft durch arglistige Täuschung (oder widerrechtliche Drohung) zu Stande gekommen, so kann § 138 BGB neben § 123 BGB nur dann anwendbar sein, wenn weitere Umstände als die unzulässige Willensbeeinflussung hinzutreten, die das Geschäft seinem Gesamtcharakter nach als sittenwidrig erscheinen lassen.“ In diesem Sinne auch: BGH 14.12.1987, NJW 1988, 902, 903 (Täuschung); BGH 7.6.1988, NJW 1988, 2599, 2601 (Drohung); BGH, 26.9.1995, NJW 1995, 3315 (Täuschung). 296 Johannsen, WM 1971, 928 mit Hinweis auf die in der Folge im Text zitierten Entscheidungen des BGH. 297 Testamentarische Verfügungen wurden daher bisher unter diesem Gesichtspunkt noch nie für nichtig erklärt. Vgl. dazu auch unten § 5 II.3.d)cc). 298 OLG Braunschweig 4.11.1999, ZEV 2000, 448 = FamRZ 2000, 1189 = BeckRS 1999, 30843645. Wenngleich das Testament auch bereits wegen mangelnder Testierfähigkeit für nichtig erklärt wurde, bestand das Gericht darauf, dass unabhängig von der Frage der Testierfähigkeit das Testament auch sittenwidrig zustande gekommen war und daher auch unter diesem Gesichtspunkt für nichtig erklärt werden musste. Den Grundsätzen des Betreuungsrechts sei zu entnehmen, dass „es das Gesetz als sittenwidrig missbilligt, wenn ein Betreuer seine ihm gerichtlich verliehene Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf den Betreuten dazu benutzt, gezielt darauf hinzuwirken, dass der infolge seiner geistigen Behinderung leicht beeinflussbare Betreute ohne reifliche Überlegung über erhebliche Vermögenswerte zugunsten des Betreuers durch ein Testament vor einem Notar verfügt, der nicht von dem Betreuten als sein Berater hinzugezogen ist, sondern von dem
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trag für sittenwidrig erklärt, weil er durch Ausnützung der Vertrauensstellung durch die pflegende Schwester zustande gekommen war.299 Das Verdikt der Sittenwidrigkeit hängt offenkundig wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. So wurde die Sittenwidrigkeit eines Testaments in einem Fall300 verneint, in dem der langjährige Lebensgefährte und Betreuer die Erblasserin unter Druck gesetzt hatte, seine Tochter und seinen Schwiegersohn testamentarisch zu begünstigen. Die Erblasserin hatte Angst, von ihrem Betreuer nicht mehr versorgt und in einem Heim untergebracht zu werden. Diese Angst nützte der Betreuer aus und erzwang so das von ihm gewünschte Testament. Der Einwand der Sittenwidrigkeit wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Abhängigkeitssituation der Erblasserin bereits durch die langjährige Lebensgemeinschaft und nicht erst durch die Betreuerbestellung entstanden war. Die Erblasserin hatte ihren Lebensgefährten auch ausdrücklich als ihren Betreuer gewünscht. Implizit deutete das Gericht damit an, dass bei persönlich begründeten Vertrauensverhältnissen, auf die sich der Erblasser freiwillig einlässt, Sittenwidrigkeit wegen Ausnützung einer Vertrauensstellung nicht oder nur in außergewöhnlichen Ausnahmefällen vorliegen kann. In einem weiteren, länger zurück liegenden Fall wurde die Sittenwidrigkeit eines Erbvertrags ebenso verneint, obwohl die Indizien fremder Einflussnahme eindeutig waren.301 Der Erblasser wurde von seinem Neffen vom Hof gewiesen, als dieser erfahren hatte, dass er nicht ihn, sondern das Patenkind zum Erben der dem Hof zugeordneten Grundstücke eingesetzt hatte. Da der Neffe seinem Onkel klar bedeutete, dass er so lange nicht auf den Hof zurückkehren dürfe, bis er nicht sein Testament widerrufen und ihn zum Erben der Ackergrundstücke eingesetzt habe, schloss der Erblasser noch am selben Tag mit seinem Neffen einen Erbvertrag in diesem Sinne und durfte daraufhin wieder auf den Hof zurück. Dass dieser Erbvertrag durch Ausnützung der Abhängigkeit des Erblassers von seinem Neffen erzwungen worden war, zeigt sich nicht bloß in der zeitlichen Nähe zwischen Hausverweis und Erbvertragsabschluss, sondern auch darin, dass der Erblasser bereits 14 Tage nach Abschluss des Erbvertrags ein Drittel seiner Grundstücke im Wege einer verschleierten Schenkung an sein Patenkind übertrug, um damit zumindest teilweise seinen ursprünglichen Willen gegen den Erbvertrag durchzusetzen. Die Ausnützung des Zerwürfnisses des Erblassers mit seinen nächsten Angehörigen (insbesondere der Kinder) wurde in einzelnen Fällen von der Rechtsprechung als für die Feststellung der Sittenwidrigkeit von Erbverträgen begünstigten Betreuer. Für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit reicht es dabei aus, dass sich der Betreuer, der durch die von ihm herbeigeführte letztwillige Verfügung bedacht ist, der Tatumstände bewusst ist, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt.“ 299 BGH 4.6.1951, BeckRS 1951, 31397613. 300 BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369. 301 BGH 27.11.1957, BeckRS 1957, 31396358.
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hinreichend anerkannt.302 So etwa in einem Fall eines Erblassers, der mit seiner Tochter wegen ihrer Heiratsabsichten im Streit lag. Er beabsichtigte für den Fall einer späteren Aussöhnung mit seiner Tochter lediglich widerruflich und damit testamentarisch zugunsten eines Verwandten zu verfügen. Der Verwandte nützte die Einsamkeit des von seiner Tochter verlassenen Vaters aus und kündigte an abzureisen, wenn er nicht als Vertragserbe eingesetzt würde. Der BGH stellte in diesem Fall ein sittenwidriges Zustandekommen des Erbvertrags fest, da die Erbeinsetzung „unter Abreisedrohung“ nicht unwesentlich über das gemäß § 138 BGB „unerhebliche schlichte Benutzen einer günstigen Lage und die Zurückstellung fremder Interessen gegenüber den eigenen“, hinausgegangen sei.303 2. Anfechtbarkeit wegen Drohung und Täuschung Eine durch widerrechtliche Drohung oder infolge einer arglistigen Täuschung aufgrund eines Irrtums (auch Motivirrtums) zustande gekommene Willenserklärung ist nicht schlechthin nichtig, sondern bloß anfechtbar, denn ihr liegt, anders als beim Zwang, nicht eine ausschließlich fremdbestimmte Entscheidung zugrunde. Der Erblasser hat sich, wenngleich mit beeinträchtigter Entscheidungsfreiheit, für die abgegebene Willenserklärung entschieden, um im Falle der Drohung dem angedrohten Übel zu entgehen oder um den durch Täuschung vermittelten Vorstellungen mit seiner Verfügung zu entsprechen. Die Erklärung ist dem Erblasser somit voll zuzurechnen. Gleichwohl ist sie mangelhaft zustande gekommen und daher gemäß § 2078 BGB bzw. bei Erbverträgen gemäß § 2281 BGB anfechtbar. 3. Erbunwürdigkeit Wenn der Erblasser durch widerrechtliche Drohung oder arglistige Täuschung dazu bestimmt wurde, eine erbrechtliche Verfügung zu errichten oder aufzuheben, tritt zulasten des Einwirkenden Erbunwürdigkeit ein (§ 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB), vorausgesetzt die fremdbestimmt entstandene Verfügung wurde nicht ohnehin vor dem Erbfall unwirksam (§ 2339 Abs. 2 BGB). Erbunwürdigkeit tritt ferner auch dann ein, wenn der Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich daran gehindert wurde,304 eine Verfügung von Todes wegen zu 302 BGH 26.2.1970, III ZR 218/67; BGH 4.9.1959, V ZR 146/58 (beide unveröffentlicht), vgl. Johannsen, WM 1971, 928 f. 303 BGH 5.4.1968, BGHZ 50, 63, 70 ff. In diesem Fall verschwimmen freilich die Grenzen zur Drohung, denn der Erblasser setzt den Verwandten zum Vertragserben ein, um eine Notlage zu vermeiden, in der er sich befände, wenn der Verwandte plötzlich abreisen würde. 304 Dies kann durch Gewalt, Drohung, Täuschung oder Ausnützung einer Willensschwäche oder Zwangslage geschehen, somit in den Formen der oben geschilderten Spielarten der Fremdbeeinflussung.
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errichten oder aufzuheben (§ 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB). In diesem Fall kommt es auf eine spätere Unwirksamkeit der verhinderten Verfügung (Unwirksamkeit des nicht widerrufenen Testaments, nicht errichtetes Testament, das ohnehin unwirksam geworden wäre) nicht an, denn bei Verhinderung der Äußerung des letzten Willens ist nicht der Erfolg (wie bei § 2339 Nr. 3 BGB), sondern die Tat für die Erbunwürdigkeit ausschlaggebend.305 Die Erbunwürdigkeit muss durch Anfechtung gerichtlich geltend gemacht werden (§ 2340 BGB). Im Gegensatz zu § 2080 BGB ist aber jeder anfechtungsberechtigt, dem der Wegfall der fremdbestimmt zustande gekommenen Verfügung auch bloß mittelbar zugutekommt (§ 2341 BGB).306 Liegt Erbunwürdigkeit vor, scheidet derjenige, der auf den Erblasser unzulässig eingewirkt hat, rückwirkend aus der Erbfolge aus und verliert damit jeden erbrechtlichen Anspruch, gleich aus welchem Berufungsgrund. Davon sind gemäß § 2345 BGB auch rein obligatorisch wirkende erbrechtliche Ansprüche gegen den Nachlass, wie Vermächtnisse oder Pflichtteilsansprüche, betroffen. III. Schutzzweck der Rechtsfolgen von Fremdbestimmung Wenn es aufgrund des verfassungsrechtlichen Auftrags gemäß Art. 14 GG in Verbindung mit Art. 2 GG geboten ist, die Selbstbestimmung und damit die Entfaltung der Persönlichkeit des Erblassers bei der Regelung seiner Vermögensnachfolge zu schützen und zu sichern, dann sind die soeben geschilderten Rechtsfolgen bei Fremdbestimmung daraufhin zu untersuchen, ob sie diesem verfassungsrechtlichen Schutz- und Sicherungsauftrag gerecht werden und den Erblasser hinreichend vor der Gefahr von Fremdbestimmung in Schutz nehmen. 1. Unmittelbarer Schutz des Erblassers durch Nichtigkeit, Anfechtung und Erbunwürdigkeit? a) Nichtigkeit Eine nichtige erbrechtliche Verfügung ist nach den allgemeinen Grundsätzen rechtlich inexistent und kann daher von Anfang an keine Wirkungen entfalten sowie auch später nicht geheilt werden.307 Trotz dieses Grundsatzes ist zu MüKo BGB/Helms, § 2339 Rn. 22. Insofern sind all jene (einschließlich des Staates) anfechtungsberechtigt, die potentiell zur Erbschaft berufen wären. Die Anfechtungsberechtigung wird somit nicht bloß den Nächstberufenen in die Hand gelegt. Dies stellt sicher, dass die Erbunwürdigkeit auch dann geltend gemacht werden kann, wenn die Nächstberufenen aus welchen Gründen auch immer daran kein Interesse haben. Vgl. dazu Lange/Kuchinke, Erbrecht 162; Staudinger/ Ohlshausen, § 2341 BGB Rn. 3. 307 Möglich ist lediglich eine Neuvornahme mit inhaltlicher Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts (§ 141 Abs. 1 BGB). 305 306
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beachten, dass gerade in Fällen der Fremdbestimmung, mithin bei Zwang (physische oder psychische Überwältigung des Erblassers) sowie bei sittenwidriger Druckausübung, die Nichtigkeit der Verfügung nicht so eindeutig zu Tage tritt, wie dies etwa bei einer Formnichtigkeit der Fall ist. Solange also die Nichtigkeit wegen Zwangs bzw. Sittenwidrigkeit nicht festgestellt wurde, sind die Verfügungen als zumindest dem Anschein nach gültig und somit als rechtswirksam anzusehen. Ferner ist zu beachten, dass hinsichtlich des Schutzzwecks der Nichtigkeit wegen Fremdbestimmung zwischen zweiseitigen erbrechtlichen Verfügungen (Erbvertrag und gemeinschaftlichen Testamenten) und einseitigen erbrechtlichen Verfügungen zu unterscheiden ist. Im Falle des Erbvertrags und bei wechselbezüglichen Verfügungen nach dem Tod eines Ehegatten in gemeinschaftlichen Testamenten kann die Nichtigkeit vom Verfügenden selbst geltend gemacht werden. Daraus folgt, dass der Erblasser von einer bis zur Feststellung der Nichtigkeit vermeintlich gültigen Verfügung befreit wird und seine volle Testierfreiheit wiedererlangt. Die Nichtigkeitsfolge schützt damit wie bei lebzeitigen Geschäften die Willensfreiheit des Verfügenden selbst. Bei einseitigen erbrechtlichen Verfügungen erfüllt die Nichtigkeitsfolge dagegen eine grundverschiedene Funktion. Der Schutz der Willensfreiheit des Erblassers, d. h. die Befreiung von einem nichtigen Rechtsgeschäft zur Wiedererlangung voller Verfügungsfreiheit kommt bei letztwilligen Verfügungen nicht in Frage, weil der Erblasser, der lediglich einseitig verfügt hat, an seine Verfügungen nicht gebunden ist und daher gemäß § 2253 BGB ein jederzeitiges Widerrufsrecht hat, auf das er außer durch Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament nicht wirksam verzichten kann (§ 2302 BGB). Die Nichtigkeit als Rechtsfolge von Fremdbestimmung kann daher bei einseitigen erbrechtlichen Verfügungen dem unmittelbaren Schutz der Selbstbestimmung des Erblassers gar nicht dienen. Dagegen nützt sie in erster Linie jenen Personen, deren Erbansprüche durch die für nichtig erklärte Verfügung beschränkt oder ausgeschlossen worden wären. b) Anfechtung Nach den Grundsätzen des Allgemeinen Teils (§ 142 Abs. 1 BGB)308 entfaltet die Anfechtung auch im Erbrecht ausschließlich negative Wirkungen.309 Sie Die Rückwirkung der Anfechtung entspricht somit jener des allgemeinen Teils. Mugdan V 31 (Motive V S. 57). „Die Anfechtung hat die gleichen Wirkungen wie jede Anfechtung (§ 112). Eines besonderen Ausspruchs darüber oder einer näheren Erläuterung darüber bedarf es nicht.“ 309 Für die Anfechtung Mugdan V 31 (Mot. S. 57); Lange/Kuchinke, Erbrecht 842; MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 4; Staudinger/Otte, § 2078 BGB Rn. 34. Mit dem Wortlaut des Gesetzes unvereinbar sind die in der Vergangenheit geäußerten Forderungen, an308
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beseitigt rückwirkend die mangelbehafteten Verfügungen, wobei abweichend vom allgemeinen Grundsatz, nicht Totalnichtigkeit eintritt (§ 139 BGB), sondern grundsätzlich nur jene Verfügungen von Nichtigkeit betroffen sind, die mangelbehaftet sind (Teilnichtigkeit). Die übrigen, selbstbestimmt zustande gekommenen Verfügungen bleiben somit unberührt, um den Erblasserwillen so weit wie möglich zu erhalten (§ 2085 BGB). Anderes gilt freilich bei wechselbezüglichen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament (§ 2270 BGB) sowie bei Teilnichtigkeit des zweiseitigen Erbvertrags, für den aufgrund der widerleglich vermuteten Wechselseitigkeit der Verfügungen Totalnichtigkeit anzunehmen ist (§ 2298 BGB). Auch bei der Ermittlung des Schutzzwecks der Anfechtung ist wie bei der Nichtigkeit zwischen Anfechtung zweiseitiger erbrechtlicher Verfügungen (Erbvertrag, gemeinschaftliches Testament) einerseits und einseitiger erbrechtlicher Verfügungen andererseits zu unterscheiden.310 Während bei lebzeitigen Rechtsgeschäften (§§ 119 ff. BGB), bei Erbverträgen (§ 2281 BGB) und bei gemeinschaftlichen Testamenten311 die Anfechtung (ebenso wie die Feststellung der Nichtigkeit) dem Verfügenden selbst zustattenkommt, weil sie ihn von einem Rechtsgeschäft entbindet, das aufgrund eines Willensmangels zustande gekommen ist, dient die Anfechtung bei Testamenten nicht dem Schutz der Willensfreiheit des Erklärenden.312 Bei einseitigen erbrechtlichen Verfügungen wirkt die Sanktion der eingeschränkten Wirksamkeit durch Anfechtbarkeit wegen Fremdbestimmung nämlich erst zu einem Zeitpunkt, an dem der Erblasser bereits verstorben ist.313 Dieser statt der erfolgreich angefochtenen Verfügung jenen Willen gelten zu lassen, den der Erblasser hatte oder gehabt hätte, wenn er nicht getäuscht oder bedroht worden wäre. Dies ist mit der herrschenden Meinung (MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 4) abzulehnen. In der älteren Lehre z. B. Schulz, Irrtum 82 ff. In diese Richtung aber wohl noch Brox/Walker, Erbrecht Rn. 242, wonach die Wirkung der Anfechtung jedenfalls nach „dem hypothetischen Willen des Erblassers zu bestimmen“ sei. Im Sinne, dass die Anfechtung dem hypothetischen Willen des Erblassers „in größerem Umfang zum Erfolg“ verhelfe, BGH 8.5.1985, NJW 1985, 2025, 2026. Flume, Allgemeiner Teil 430 lässt die Anfechtung überhaupt nur zu, wenn sich nicht ermitteln lässt, in welchem Sinne der Testator verfügen wollte. Wenn dagegen der wirkliche Wille des Erblassers feststehe und eine vollständige, formgültige Erklärung abgegeben worden sei, könne für die Anfechtung kein Platz sein. Das Testament müsse entsprechend des festgestellten wahren Willens ausgelegt werden. So auch schon Siber, Auslegung 378 ff. 310 MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 7. 311 Nach einhelliger Meinung sind die Vorschriften über die Anfechtung von Erbverträgen (§§ 2281 ff. BGB) auch auf die Anfechtung von wechselbezüglichen Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten nach dem Tod eines der Ehegatten (davor besteht freie Widerruflichkeit in der Form des § 2271 Abs. 1 BGB) anwendbar. Vgl. z. B. Lange/ Kuchinke, Erbrecht 461 ff. 312 MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 1. 313 Dagegen will Harke, JZ 2004, 180 ff. die Anfechtung durch den gesetzlichen Vertreter bereits zu Lebzeiten des Erblassers zulassen (analog zu § 2282 Abs. 2 BGB), wenn
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kann daher von den rechtlichen Folgen der ausschließlich kassatorischen Wirkung nicht mehr profitieren. Darin zeigt sich auch die Besonderheit314 des Anfechtungsrechts bei einseitigen erbrechtlichen Verfügungen, die wie bei der Nichtigkeit einseitiger erbrechtlicher Verfügungen auch hier damit zu erklären ist, dass der Erblasser bis zu seinem Tod keines Rechtsmittels zur Befreiung aus seinen einseitigen Verfügungen bedarf, weil diese ihn aufgrund der jederzeitigen Widerruflichkeit niemals binden.315 Die Testamentsanfechtung schützt daher im Gegensatz zur Anfechtung zweiseitiger erbrechtlicher Verfügungen nicht die Willensfreiheit des Erblassers.316 Sie beseitigt vielmehr einen Willen, der nicht hinreichend selbstbestimmt zustande gekommen ist. Daraus ergibt sich nach verbreiteter Ansicht in erster Linie ein Schutz der Ansprüche jener, die begünstigt gewesen wären, wenn der Erblasser keine mangelhafte Willenserklärung abgegeben hätte.317 Dies sind in aller Regel die gesetzlichen Erben.318 Wollte der Erblasser überhaupt kein Testament errichten, schützt das Anfechtungsrecht zumindest die negative Testierfreiheit. In diesem Fall könnten die Wirkungen der Anfechtung der Erblasser testierunfähig geworden ist und daher seine mit Willensmängeln behaftete Verfügung nicht mehr selbst widerrufen kann. Abl. MüKo BGB/Leipold, § 2078 BGB Rn. 1 Fn. 1. Ebenso abl. Mankowski, Beseitigungsrechte 981. In der Rechtsprechung zuletzt abl. Hinsichtlich der Anfechtung einseitiger Verfügungen im Erbvertrag durch den Betreuer nach Eintritt der Testierunfähigkeit: OLG Bamberg 22.5.2015, ZErb 2015, 314. 314 „Hier besteht die Eigenthümlichkeit, dass diejenige Person, welche unter dem Einflusse einer gewissen Art von Willensunfreiheit verfügt hat, in dem Zeitpunkte, in welchem die Wirkungen der Verfügung eintreten, nicht mehr vorhanden ist, mithin auch nicht anfechtungsberechtigt sein kann.“: Mugdan V 30 (Motive V S. 55). 315 Mugdan V 170 (Motive V S. 370); Lange/Kuchinke, Erbrecht 839; Flume, Allgemeiner Teil 430. Dagegen vgl. Harke, JZ 2004, 180 ff. 316 A. A. Mankowski, Beseitigungsrechte 402 f., nach dem die Testamentsanfechtung „Geltungshilfe“ für den „wahren Willen“ des Erblassers leiste. Wie dieser wahre Wille bei einer rein kassatorischen Wirkung der Testamentsanfechtung zur Geltung kommen soll, bleibt dabei indes unbeantwortet. Die „negative Durchsetzung des wahren Erblasserwillens“ bringt den positiven (wahren) Erblasserwillen jedenfalls nicht zwingend zum Durchbruch. 317 MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 1: „Der Zweck der Testamentsanfechtung liegt daher in erster Linie im Schutz der Interessen des Anfechtungsberechtigten vor einer in sich fehlerhaften Erklärung des Erblassers.“ In diesem Sinne auch Schlüter/Röthel, Erbrecht 121; Ebenso bereits die Begründung der Anfechtungsregeln während der Vorarbeiten der ersten Kommission zum BGB: „Der Entw. bezweckt, indem er die Anfechtbarkeit bestimmt, nur diejenigen Personen zu schützen, welche bei unbeeinflusster Willenentscheidung des Erklärenden nicht benachteiligt worden wären. Deshalb darf nur in die Hand dieser Personen die Entscheidung gelegt werden, ob die in der Verfügung enthaltene Erklärung stehen bleiben oder fallen soll.“ Mugdan V 30 (Motive V S. 56). 318 Es können aber auch Ersatzerben (§ 2097 BGB) oder Ersatzvermächtnisnehmer (§ 2190 BGB) sein, die Miterben aufgrund von Anwachsung (§ 2094 BGB) oder die Begünstigten aus einem anderen Testament, das infolge des mangelbehafteten und erfolgreich angefochtenen Widerrufs wieder auflebt.
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also dem wahren Willen des Erblassers zur Verwirklichung verhelfen. Dieses Ergebnis ist aufgrund des dazwischentretenden Todes des Erblassers und des damit unüberprüfbar gewordenen wahren Willens des Erblassers aber stets unsicher, sodass darin nicht der typische Zweck der Anfechtung liegen kann. Dogmatisch überzeugender erscheint, wenn der Anfechtungsregelung überhaupt kein Schutzzweck unterstellt wird. Die Anfechtungsregelung verhilft somit im Ergebnis lediglich dem Grundsatz zur Durchsetzung, dass es einem nicht auf Selbstbestimmung beruhenden Testament an einem Geltungsgrund mangelt und dieses somit keinen Geltungsanspruch hat. Wer immer ein rechtserhebliches Interesse daran hat, diesen Mangel geltend zu machen, ist anfechtungsberechtigt und genießt insofern über die Anfechtungsregelung mittelbar Schutz vor einer fehlerhaften Erklärung des Erblassers.319 Bei Fremdbestimmung (Täuschung oder Drohung) kommt hinzu, dass einer unrechtmäßig zustande gekommenen, nicht auf dem wahren Willen des Erblassers beruhenden letztwilligen Verfügung innerhalb der Anfechtungsfrist der Bestandsschutz verwehrt wird. Somit kann sie als Unrecht wegen mangelhaften Geltungsgrunds beseitigt werden. Damit verwirklicht die Anfechtung bei Fremdbestimmung auch den allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach niemand durch sein rechtswidriges Verhalten zum Nachteil eines anderen bereichert werden darf.320 Liegt der Anfechtung ein selbstverschuldeter Irrtum des Erblassers zugrunde, beseitigt sie nicht das Ergebnis eines Unrechts, sondern ist vielmehr Ausdruck des Grundsatzes, dass ein Testament nur dann ein hinreichend legitimierter Berufungsgrund ist, wenn es sich auf einen mangelfreien Geltungsgrund (mangelfreie Ausübung der Selbstbestimmungsfreiheit) stützen kann. Daran mangelt es bei irrtümlichen Verfügungen aufgrund der Störung des Willensbildungsprozesses, sodass die Rechtsordnung – unabhängig vom wahren Willen des Erblassers – das mit Willensmängeln behaftete Testament beseitigt und anstatt dessen regelmäßig321 die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung bringt. c) Erbunwürdigkeit Die Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit kann stets erst nach dem Tod des Erblassers und somit erst nach Eröffnung der Erbschaft erfolgen. Bis zu die319 Dieter Leipold, in: Münchener Kommentar BGB, 6.A., 2013, § 2078, Rn. 1; Olzen, Erbrecht Rn. 648. Dieser Schutz der Anfechtungsberechtigten kann indes nicht als Hauptzweck der Anfechtungsregelung begriffen werden, vielmehr handelt es sich um einen unumgänglichen Nebeneffekt der Anfechtung post mortem, die zwangsläufig nur von denjenigen erhoben werden (und somit nur denjenigen nützen) kann, die daran ein Interesse haben: kritisch daher zu dieser verbreiteten Position Muscheler, Erbrecht Bd. 1 999. 320 Pomp. D. 50, 17, 206: „jure naturae aequum est neminem cum alterius detrimento et injuria fieri locupletiorem.“ 321 Vgl. Fn. 318.
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sem Zeitpunkt ist der Tatbestand der Erbunwürdigkeit nämlich entweder noch gar nicht erfüllt, weil er von einem bestimmten Erfolg abhängig ist (§ 2339 Nr. 3, 4 BGB), oder er kann noch durch Verzeihung (§ 2343 BGB) beseitigt werden. Zur Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit sind nicht bloß die Nächstberufenen, wie im Fall der Anfechtung gemäß § 2078 BGB (§ 2080 BGB), berechtigt, sondern jeder, dem der Wegfall auch nur mittelbar zustattenkommen könnte (§ 2341 BGB). Durch diese Erweiterung der Anfechtungsberechtigten im Vergleich zur Testamentsanfechtung gemäß § 2080 BGB soll möglichst vermieden werden, dass diejenigen, die sich bestimmter schwerwiegender Straftaten gegen den Erblasser bzw. einer „Kränkung seiner Testierfreiheit“322 schuldig gemacht haben, die Erbschaft nur deshalb behalten, weil der zunächst Berufene untätig bleibt oder selbst unwürdig ist und daher kein Interesse an einer Anfechtung hat. Insofern sind alle möglicherweise Berufenen und damit immer auch der Fiskus zur Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit berechtigt.323 Praktisch bedeutet dies allerdings nicht viel, denn wer aus der festgestellten Erbunwürdigkeit keinen Vorteil zieht, hat wohl in aller Regel auch kein Interesse daran, das Kostenrisiko einer Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit auf sich zu nehmen.324 Unmittelbarer Zweck der Regelung der Erbunwürdigkeit ist es sicherzustellen, dass derjenige, der sich bestimmter schwerer Verfehlungen gegen das Leben des Erblassers, seine Testierfreiheit und Testiermöglichkeit (Schutzgüter) schuldig gemacht hat, aus dessen Nachlass weder als Erbe, noch als Pflichtteilsberechtigter, noch als Vermächtnisnehmer begünstigt wird. Nur der Erblasser kann als Träger der Schutzgüter der Erbunwürdigkeitsregelung die Tat verzeihen und den Täter somit von seiner Erbunwürdigkeit befreien. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verfehlung und der erbrechtlichen Begünstigung nach dem Grundsatz „nemo ex suo delicto meliorem suam condicionem facere potest“325 ist nicht für alle Unwürdigkeitsgründe gemäß § 2339 BGB erforderlich.326 So besonders dann nicht, wenn der wegen Drohung, Täuschung oder Fälschung Erbunwürdige auch als gesetzlicher Erbe von der Erbschaft ausgeschlossen wird. Wer nämlich durch Drohung ein Testament zu seinen Gunsten erzwungen hat, der müsste, sofern es auf eine Ursächlichkeit zwischen Verfehlung und Begünstigung ankäme, Mugdan V 276 (Motive V S. 517). So die h. M. Vgl. bereits Mugdan V 822 (Prot. V S. 7710): „Das Anfechtungsrecht soll demjenigen zustehen, welchem der Wegfall des Erbunwürdigen, wenn auch nur mittelbar, zu Statten kommt. Darnach sind sämmtliche möglicher Weise Berufene, also auch der Fiskus, sofort anfechtungsberechtigt; ob sie freilich die dem Erbunwürdigen entrissene Erbschaft auch für sich erhalten, ist eine andere Frage, die damit noch nicht entschieden ist.“ 324 MüKo BGB/Helms, § 2341 BGB Rn. 1. 325 Ulp. D. 50, 17, 134, 1 326 Zimmermann, Nemo 300. 322 323
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lediglich nach dem Testament erbunwürdig sein, nicht aber nach dem an dessen Stelle tretenden gesetzlichen Erbrecht. Dieses hätte die Erbfolge nämlich unabhängig von der Drohung bestimmt. Zwischen der Begünstigung aus dem gesetzlichen Erbrecht und dem Verhalten des Erbunwürdigen besteht daher in diesem Fall kein ursächlicher Zusammenhang. In der umfassenden Wirkung der Regelung der Erbunwürdigkeit zeigt sich klar, dass sie als Sanktion zulasten des Erben konzipiert ist.327 Der Erbe wird von der Erbschaft (samt Vermächtnis- und Pflichtteilsanspruch) ausgeschlossen, weil er sich bestimmter, im Gesetz aufgezählter Verfehlungen gegen den Erblasser, insbesondere gegen seine Testierfreiheit schuldig gemacht hat. Muscheler spricht bei seinem Versuch der Formulierung eines einheitlichen Zwecks aller Erbunwürdigkeitsgründe von einer „Verletzung der ‚Würde des Erblassers‘ in seiner Eigenschaft als Träger von Testierfreiheit.“328 Weniger überzeugend scheint der Ansatz, diese Sanktionswirkung der Erbunwürdigkeit unter Übersteigerung des Willensdogmas damit erklären zu wollen, dass der Erblasser den Erben jedenfalls enterbt bzw. ihm den Pflichtteil entzogen hätte, wenn er den Unwürdigkeitsgrund gekannt hätte.329 Dieser am hypothetischen Willen anknüpfende Erklärungsversuch scheitert schon daran, dass sich Erbunwürdigkeitsgründe und Pflichtteilsentziehungsgründe nicht vollständig decken, sodass etwa in den Fällen von § 2339 Nr. 3 BGB (Drohung, Täuschung) nicht einmal bei unterstelltem Willen des Erblassers die Möglichkeit zur Pflichtteilsentziehung bestanden hätte. Ein solcher nicht verwirklichbarer hypothetischer Wille kann daher zumindest in diesen Fällen auch nicht zur Rechtfertigung der Erbunwürdigkeit herangezogen werden. Im Übrigen könnte man genauso gut annehmen, dass der Erblasser seinem Erben bei Kenntnis der Erbunwürdigkeitsgründe verziehen hätte.330 Zwingend ist weder die eine noch die andere Lösung, weshalb der Erklärungsversuch der
327 Zimmermann, Nemo 300: „Dass den rechtswidrig Handelnden darüber hinaus [d. h. über den Gewinn hinaus, den er durch seine rechtswidrige Handlung erzielt hat] aber weitere nachteilige Folgen treffen, lässt sich so nicht mehr erklären. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine Sanktion und damit um einen Fremdkörper im Bereich des Zivilrechts.“ A. A. MüKo BGB/Helms, § 2339 Rn. 2, der in der Erbunwürdigkeit eine Durchsetzung des „hypothetischen Erblasserwillens auf Enterbung des Täters“ in der Form einer „Art widerleglicher gesetzlicher Vermutung“ erblickt und es ablehnt, „einen der deutschen Privatrechtsdogmatik fremden Begriff der zivilrechtlichen Strafe ohne Not wiederzubeleben“. 328 Muscheler, ZEV 2009, 58, 61; Muscheler, Erbrecht Bd. 2 Rn. 3148. 329 So z. B. Lange/Kuchinke, Erbrecht 839; Staudinger/Olshausen, § 2339 BGB Rn. 6; MüKo BGB/Helms, § 2339 Rn. 2. Kritisch diesbezüglich auch Reinhard Zimmermann, Nemo 300. 330 Mag auch nach herrschender Ansicht, die von einem hypothetischen Willen im Sinne der Erbunwürdigkeit ausgeht, der mutmaßliche Wille des Erblassers zur Verzeihung nicht ausreichen. Vgl. OLG Stuttgart 17.5.1956, Rpfleger 1956, 160 f.; Palandt/Edenhofer, § 2343 BGB Rn. 1. Anderer Ansicht bloß RGRK/Kregel § 2343 BGB Rn. 1.
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Regelung der Erbunwürdigkeit über den mutmaßlichen Willen des Erblassers allzu konstruiert erscheint und im Ergebnis nicht überzeugt. Als Sanktion für rechtswidriges Handeln des Erben zulasten des Erblassers kann die Erbunwürdigkeit dem Schutz der Willensfreiheit (Testierfreiheit) des Erblassers lediglich mittelbar durch Abschreckung331 und nicht unmittelbar zustattenkommen.332 2. Mittelbarer Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung? a) Anfechtung wegen Drohung oder Täuschung gemäß § 2078 BGB Wie gezeigt (Verweis), dient nach hier vertretener Ansicht die Anfechtung gemäß § 2078 BGB bei Fremdbestimmung nicht dem Schutz der Willensfreiheit des Erblassers bzw. der Anfechtungsberechtigten, sondern der Verwirklichung des Grundsatzes, dass nur eine selbstbestimmt errichtete letztwillige Verfügung aus rechtlicher Sicht Geltung beanspruchen kann. Nun ist der Frage nachzugehen, ob die Anfechtbarkeit dennoch einen mittelbaren Schutz der Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers erzeugen könnte. Zu ermitteln ist also, inwiefern die Anfechtung negative Anreize zur Unterlassung von unzulässigen Störungen der Willensfreiheit des Erblassers auszusenden vermag.333 An der Effizienz einer solchen „mittelbaren Schutzwirkung“ der Anfechtungsreglung ist – so viel kann hier bereits vorweg genommen werden – aus mehreren Gründen zu zweifeln. Zunächst wird die mittelbare Schutzwirkung der Anfechtungsregelung schon dadurch eingeschränkt, dass der Kreis der Anfechtungsberechtigten gemäß § 2080 BGB auf jene Personen beschränkt ist, denen die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten331 Nur mittels dieser Abschreckungswirkung ist verständlich, wie das Institut der Erbunwürdigkeit zulasten des Erben den Schutz der Testierfreiheit des Erblassers bewirken kann. Es handelt sich insofern um eine mittelbare Schutzwirkung. Wohl in diesem Sinne für die Konzeption der Erbunwürdigkeit zum Schutz der Testierfreiheit Zimmermann, Erbunwürdigkeit 507 ff. 332 Aus diesem Grund hat Zimmermann, Nemo 302 auch bezweifelt, dass die Erbunwürdigkeit ein geeigneter Ansatzpunkt zur Lösung des Problems der „unlauteren Einflussnahme auf schutzbedürftige Testatoren“ sei. 333 MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 3 erblickt die mittelbare Schutzwirkung nicht – wie hier – in negativen Anreizen für Einflussnehmende, sondern darin, dass nicht selbstbestimmt zustande gekommene Verfügungen der Erfolg verwehrt wird: „Mittelbar vermag die Anfechtung auch die Willensfreiheit des Erblassers zu schützen. Rechtswidrigen Einwirkungen auf die Testierfreiheit durch arglistige Täuschung und Drohung wird durch die Anfechtung der Erfolg entzogen.“ Es muss allerdings in Frage gestellt werden, inwiefern die reine Aufhebung tatsächlich die Willensfreiheit des Erblassers schützt, denn im Gegensatz zu lebzeitigen Geschäften und zweiseitigen erbrechtlichen Verfügungen gewinnt der Erblasser ja seine bereits verletzte Willensfreiheit nicht wieder zurück und wenn die gesetzliche Erbfolge greift, kommt es auch nicht zwingend zur Verwirklichung des Erblasserwillens.
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kommen würde. Der mittelbare Schutz der Testierfreiheit des Erblassers wird somit vom Eigeninteresse der Nächstberufenen abhängig gemacht. Haben diese Nächstberufenen (aus welchem redlichen oder unredlichen Grund auch immer) kein Interesse an der Anfechtung, oder wollen sie, besonders bei kleineren Nachlässen, das stets mit einer Anfechtung verbundene beträchtliche Prozessrisiko nicht auf sich nehmen, dann geht eine mögliche mittelbare Schutzwirkung der Anfechtungsregelung zugunsten des Erblassers ins Leere. Diese beträchtliche Schwäche der mittelbaren Schutzwirkung der Anfechtungsregelung zeigt sich ganz besonders bei alleinstehenden Erblassern, die keine näheren Verwandten hinterlassen und nicht zuletzt auch aus diesem Grund in der Literatur als besonders „verletzlich“ angesehen werden.334 Bei ihnen braucht der Druck ausübende Dritte in aller Regel nicht einmal mit der Möglichkeit einer Anfechtung zu rechnen. Wenn nämlich die Anfechtungsberechtigten den Erblasser nicht persönlich kannten oder keinen Einblick in sein Privatleben hatten, weil sie mit ihm in keinem engeren Kontakt standen, dann verfügen sie in aller Regel auch über keinerlei Anhaltspunkte, die eine erfolgreiche Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung in Aussicht stellen könnten.335 Noch weiter geschwächt wird die mittelbare Schutzwirkung der Anfechtbarkeit ferner aufgrund der rein kassatorischen Wirkung der Anfechtung.336 Wer nämlich als Dritter unzulässig auf den Erblasser eingewirkt hat, muss – bis auf die mögliche Tragung der Prozesskosten – wegen seines Verhaltens mit keinen negativen Folgen rechnen, die über den Verlust der unrechtmäßig erwirkten erbrechtlichen Begünstigung hinausgehen. Hier mag zwar die weitergehende Erbunwürdigkeit abschreckend wirken, die insofern das Anfechtungsrecht zur Erzeugung entsprechender Anreize ergänzen könnte.337 Aber abgesehen davon, dass zweifelhaft ist, ob die Erbunwürdigkeit überhaupt geeignet ist, entsprechende negative Anreize zu erzeugen,338 könnte sie ohnehin nur dann abschreckend wirken, wenn der Täter auch ohne die fremdbestimmte Verfügung am Nachlass beteiligt gewesen wäre (etwa als gesetzlicher Erbe, als früherer Testamentserbe, als Pflichtteilsberechtigter, als Vermächtnisnehmer). Wenn also der nicht verwandte häusliche Pfleger den Erblasser durch Drohung dazu bestimmt hat, eine testamentarische Verfügung zu seinen Gunsten zu errichten, dann führen sowohl Anfechtung als auch Erbun„The standard vulnerable testator is old and frail. He is generally single, childless and not in close contact with his next-of-kin“. Kerridge, C.L.J. 59 (2000) 310. 335 In diesen Fällen versuchen die gesetzlichen Erben daher meist gegen das Testament mit der Begründung vorzugehen, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung nicht testierfähig war. Der Beweis der Testierunfähigkeit gelingt allerdings ebenfalls nur sehr selten. 336 Diese allein bewirkt noch keinen mittelbaren Schutz der Willensfreiheit des Erblassers. Anders aber MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 3. Vgl. oben Fn. 333. 337 Staudinger/Olshausen, § 2339 BGB Rn. 6; MüKo BGB/Helms, § 2341 Rn. 3. 338 Dazu sogleich unten § 3 III.2.d). 334
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würdigkeit bloß dazu, dass der Dritte seine rechtswidrig erzwungene Zuwendung verliert. Darüber hinaus hat der Dritte (bis auf die mögliche Übernahme der Prozesskosten) aus zivilrechtlicher Sicht keine negativen Konsequenzen zu befürchten, sodass er das Risiko ohne entgegenstehende negative Anreize eingehen kann. Eine weitere sehr bedeutende Abschwächung erfährt die mittelbare Schutzwirkung der Anfechtungsregelung aufgrund der großen Beweisschwierigkeiten, denen sich Anfechtungsberechtigte in der Praxis ausgesetzt sehen. Die Beweislast für den Anfechtungsgrund trägt nämlich nach den allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung stets der Anfechtungsberechtigte. Dabei muss zwar der anfechtungsbegründende Willensmangel nicht aus der Urkunde ersichtlich sein, sodass der Beweis mit allen Mitteln geführt werden kann,339 etwa auch auf der Grundlage bezeugter mündlicher Aussagen des Erblassers.340 Der Beweis der Drohung bzw. der Täuschung gelingt aber in aller Regel nicht, da kaum jemals die Beweislage so eindeutig ist, dass sich feststellen ließe, dass die Verfügung offensichtlich fremdbestimmt zustande gekommen ist. Für den Anfechtungsberechtigten kommt erschwerend hinzu, dass er sich bei diesem Beweis nicht auf den Anscheinsbeweis stützen kann, weil es sich nach ständiger Rechtsprechung341 bei der erbrechtlichen Verfügung bei Irrtum,342 aber auch bei Drohung343 und Täuschung, „um einen individuellen Vorgang des Verstandes- und Seelenlebens eines Menschen handelt“, dem kein zu vermutender typischer Geschehensablauf zugrunde gelegt werden könne. Zu beweisen, dass der Erblasser nach seinen subjektiven Vorstellungen344 die Verfügung nicht getroffen hätte, wenn er nicht bedroht wor-
MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 64. BGH 14.1.1965, NJW 1965, 584: „[Bei der Anfechtung geht es] vielmehr um die Frage, ob diese formgültige und eindeutige Verfügung von Willensmängeln beeinflusst ist. Derartige Mängel lassen sich häufig nicht aus der Urkunde selbst ersehen. Deshalb muss sich die Prüfung, ob sie vorliegen, notwendig auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände erstrecken, und es ist nicht Voraussetzung für die Feststellung eines Willensmangels, dass sich für dessen Vorliegen Anhaltspunkte aus der Verfügung selbst ergeben. Der Fall liegt insoweit nicht anders, als wenn zu prüfen ist, ob sonstige Rechtsgeschäfte, insbesondere Verträge, von Willensmängeln beeinflusst sind. Daher kann und muss das Gericht alle vorgetragenen wesentlichen Umstände berücksichtigen; es besteht kein gesetzlicher Grund und damit keine rechtliche Möglichkeit, mündliche Äußerungen hierbei außer Betracht zu lassen, oder als Voraussetzung einer erfolgreichen Anfechtung nach § 2078 BGB zu fordern, dass sich ein Anhaltspunkt für einen Willensmangel aus der letztwilligen Verfügung selbst ergebe.“ Vgl. auch BayObLG 30.4.1990, FamRZ 1990, 1040. 341 Dem folgt auch die Lehre. Vgl. etwa MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 64; Staudinger/Otte, § 2078 Rn. 45. 342 BGH 31.10.1962, NJW 1963, 246, 248. 343 BayObLG 3.10.1989, FamRZ 1990, 211, 213; KG 7.9.1999, NJW 2001, 903, 905. 344 BayObLG 14.8.2002, FamRZ 2003, 708, 710 = NJOZ 2002, 2399. 339 340
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den wäre (Ursächlichkeit im Sinne einer condicio sine qua non),345 erweist sich bei Unzulässigkeit des Anscheinsbeweises als so schwierig, dass in der jüngeren veröffentlichten Rechtsprechung zu § 2078 BGB keine einzige Entscheidung zu finden ist, nach der eine letztwillige Verfügung wegen Drohung mit Erfolg angefochten worden wäre. So rechtfertigt zum Beispiel allein die Tatsache, „dass es sich bei der Erblasserin um eine 88-jährige hilfsbedürftige Frau gehandelt habe, die möglicherweise befürchten musste, von ihrer Tochter nicht mehr versorgt zu werden,“ nicht die Annahme, dass die (vom Gericht vermutete) Drohung auch für die letztwillige Verfügung ursächlich war.346 Wenn die Umstände den Schluss nahelegen, dass der Erblasser auch aus anderen Gründen und somit trotz der Drohung so testiert haben könnte, muss die Anfechtung scheitern. Gerade bei nahestehenden Personen könnte für die erbrechtliche Verfügung in aller Regel auch Dankbarkeit, Freundschaft oder Anerkennung ausschlaggebend gewesen sein, sodass selbst bei Beweis der Drohung immer noch nicht der Beweis der Ursächlichkeit im Sinne des ausschlaggebenden Grundes erbracht ist. Eine Anfechtung wegen Drohung ist daher in der Praxis fast immer aussichtslos. Von diesen sehr strengen, praktisch unüberwindbaren Anforderungen an den Kausalitätsbeweis347 weicht die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts348 in einem Fall ab, in dem ein im Alter von 80 Jahren verstorbener, lediger und kinderloser Erblasser eine Frau mit der Begründung zur Alleinerbin eingesetzt hatte, sie hätte ihn siebeneinhalb Jahre betreut. Das Gericht hatte sich aufgrund umfangreichen Zeugenbeweises davon überzeugt, dass die Bedachte den Erblasser so beeinflusst hatte, dass dieser glaubte sie345 Mugdan V 26 (Motive V S. 48): „falsa causa adiecta non nocet“. Staudinger/Otte, § 2078 Rn. 28. Insofern muss es sich um den bewegenden Grund für die Verfügung gehandelt haben, ohne den die Verfügung nicht vorgenommen worden wäre. War die Drohung oder Täuschung bloß ein Mitgrund, besteht keine Anfechtbarkeit. BGH 27.5.1987, NJWRR 1987, 1412, 1413: „§ 2078 Absatz II BGB verlangt, dass der die Fehlvorstellung des Erblassers ausmachende und zur Anfechtung berechtigende Umstand nicht nur eine Ursache, sondern der bewegende Grund für seinen letzten Willen war; nur mit dem erheblichen Gewicht des Beweggrundes kann ein Umstand den Verfügenden zu seiner Verfügung i. S. von § 2078 Absatz II BGB bestimmt haben (BGH 27.5.1971, WM 1971, 1153, 1154 unter II 1). Nicht jede Ursache hat das Gewicht des Beweggrundes. Offensichtlich will das Gesetz mit diesem Wortlaut der Anfechtbarkeit letztwilliger Verfügungen Schranken setzen. Der Erblasserwillen selbst soll maßgeblich sein, nicht eine nachträgliche Spekulation über ihn.“ 346 BayObLG 3.10.1989, FamRZ 1990, 211, 213. 347 Für eine strenge Handhabung des Kausalitätsbeweises besonders bei Motivirrtum (also auch in Fällen arglistiger Täuschung) ausdrücklich MüKo BGB/Leipold, § 2078 Rn. 64, „um eine Ausuferung der Anfechtung wegen Motivirrtums zu vermeiden.“ BayObLG 4.1.2006, ZEV 2006, 209, 211. 348 BayObLG 14.8.2002, FamRZ 2003, 708 = NJOZ 2002, 2399.
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beneinhalb Jahre lang betreut worden zu sein, ohne dass dies zutraf. Im Übrigen hätte der Erblasser die Bedachte nach Ansicht des Gerichts auch nicht begünstigt, wenn er von der kriminellen Vergangenheit (Betrügereien) derselben gewusst hätte. All dies würde aber nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen noch nicht genügen, um den Kausalitätsbeweis des „bewegenden Grundes“ zu erbringen. Denn es liegt nicht fern, dass der Erblasser, der zu seinen gesetzlichen Erben keinen näheren Kontakt hatte, die Bedachte ganz unabhängig von der genauen Dauer und Intensität der Pflege durch die Bedachte und unabhängig von ihrer kriminellen Vergangenheit (sie könnte sich ja geläutert haben) als Alleinerbin hätte einsetzen wollen. Es könnte sein, dass wohl trotz der offensichtlich unredlichen Absichten der Bedachten, sich der Erblasser von der Bedachten verstanden, behütet und betreut gefühlt hat und schon darin einen Grund für seine erbrechtliche Verfügung gesehen hat. Zu erklären ist die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, das der Anfechtung stattgegeben hat, wohl nur aufgrund der einigermaßen kuriosen Umstände des Einzelfalls. Die Bedachte war auch in der Vergangenheit bereits auf eine ähnliche Weise Erbin geworden, war wegen Betrugs verurteilt worden und hatte sich während der Untersuchungshaft wegen anderer Straftaten das Leben genommen. Es wären somit die dem Gericht unbekannten gesetzlichen Erben der Bedachten zur Erbschaft gelangt. Um dies zu vermeiden, zog man es wohl vor, die gesetzlichen Erben des Erblassers zum Zuge kommen zu lassen, wenn das Gericht dabei auch Abstriche vom sonst so streng gehandhabten Kausalitätsbeweis349 machen musste. Im Ergebnis wird damit deutlich, dass ein effizienter mittelbarer Schutz der Willensfreiheit des Erblassers bei einseitigen erbrechtlichen Verfügungen über die Anfechtungsregelung des § 2078 BGB aus einer ganzen Reihe von Gründen nicht erreicht werden kann. Der Vorschlag, den Drohungsbegriff des § 2078 BGB auch auf „weniger harte Formen der Beherrschung und Beeinflussung“ auszudehnen scheint daher insgesamt für den Schutz der Willensfreiheit des Erblassers wenig hilfreich, dies auch dann, wenn die Anforderungen an deren Nachweis gesenkt würden.350 Es bleibt nämlich dabei, dass der Erblasser durch die Anfechtungsregelung in seiner Selbstbestimmung nicht geschützt werden kann und darüber hinaus aufgrund der rein kassatorischen Wirkung von der Anfechtung in aller Regel keine negativen Anreize zur Unterlassung von Fremdbestimmung ausgehen können. b) Nichtigkeit wegen Zwangs und wegen Sittenwidrigkeit Die von der Nichtigkeit ausgehenden negativen Anreize351 zur Vermeidung von Fremdbeeinflussung des Erblassers sind ebenfalls äußerst schwach, denn die Nichtigkeit liegt in diesen Fällen nicht so offen zutage, wie dies etwa bei 349 350
BayObLG 4.1.2006, ZEV 2006, 209, 211. So aber Röthel, Gutachten 68. DJT A86.
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einer Formnichtigkeit oder einer Nichtigkeit wegen Gesetzesverstoßes (etwa Verstoß gegen ein Testierverbot) der Fall ist. Wegen Zwangs oder Sittenwidrigkeit nichtige Verfügungen sind so lange als gültig und damit als wirksam anzusehen, als ihre Nichtigkeit nicht (wenn auch bloß deklaratorisch) festgestellt wird. Wer sich also auf Nichtigkeit wegen physischer oder psychischer Überwältigung (Zwang, vis absoluta) oder wegen sittenwidriger Druckausübung oder Ausnützung einer Abhängigkeitssituation beruft, hat nicht bloß zu beweisen, dass Zwang bzw. Druckausübung oder die Ausnützung einer Zwangslage vorlag, sondern auch dass diese für die Verfügung kausal waren. Bei Sittenwidrigkeit aufgrund der Umstände des Zustandekommens erweist sich der Beweis der Kausalität ähnlich wie bei den Anfechtungstatbeständen der widerrechtlichen Drohung und der arglistigen Täuschung als äußerst schwierig. Allein der Beweis, dass eine für Fremdbestimmung anfällige Situation bestand, tatsächlich auf den Erblasser Druck ausgeübt oder eine Zwangslage des Erblassers ausgenützt wurde, schließt für sich noch nicht aus, dass der Erblasser nicht dennoch aus freiem Willen so verfügt hätte. Der Erblasser könnte stets auch aus Dankbarkeit und Anerkennung seinen Pfleger zum Alleinerben eingesetzt haben. Die beträchtlichen Beweisschwierigkeiten stehen somit ebenso wie bei der Anfechtung einer effizienten mittelbaren Schutzwirkung der Nichtigkeit wegen sittenwidrigen Zustandekommens der Verfügung entgegen. Die Tatsache, dass die Sittenwidrigkeit auch von Amts wegen festgestellt werden kann, verbessert die mittelbare Schutzwirkung nicht, denn das Gericht wird die zur Feststellung der Sittenwidrigkeit erforderlichen spezifischen Umstände des Einzelfalls in aller Regel nicht kennen. Es zeigt sich somit, dass auch die Nichtigkeit wegen Zwangs oder Sittenwidrigkeit als härteste Sanktion von Fremdbestimmung die Willensfreiheit des Erblassers kaum zu schützen vermag und im Wesentlichen mit denselben Schwierigkeiten (insbesondere Beweisschwierigkeiten) zu kämpfen hat wie die Anfechtungsregelung. Ein negativer Anreiz zur Unterlassung von Einflussnahmen, die zu Nichtigkeit führen könnten, kann daher nicht einmal von der Nichtigkeitssanktion ausgehen. Die mit der Anfechtungsregelung unter Wertungsgesichtspunkten kaum zu vereinbarende Nichtigkeit wegen sittenwidrigen Zustandekommens erbrechtlicher Verfügungen352 ist daher auch nicht mittelbar zum Schutz der Willensfreiheit des Erblassers geeignet. Letztlich schützt auch diese extensive, die Gesetzessystematik überspannende Lösung vor allem die gesetzlichen Er351 Zur Abschreckungsfunktion des § 138 BGB vgl. MüKo BGB/Armbrüster, § 138 Rn. 2: „Neben dem das wertwidrige Rechtsgeschäft treffenden Eliminationszweck des § 138 steht sein Abschreckungszweck. […] Es soll eben nicht nur die einmal erfolgte sittenwidrige Regelung ausgeschaltet, sondern auch jedermann vom Versuch, ein sittenwidriges Rechtsgeschäft vorzunehmen, abgehalten werden.“ 352 Dazu oben § 3 II.1.b).
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ben,353 während der Erblasser keinen zusätzlichen Schutz vor Einflussnahmen von Dritten erwarten darf. c) Widerlegliche Vermutung der Sittenwidrigkeit Eine mittelbare Schutzwirkung ergäbe sich aber dann, wenn diese Beweisschwierigkeiten durch eine widerlegliche Vermutung überwunden werden könnten, wie dies etwa im Rahmen der Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften der Fall ist. Bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen (besonders grobes Missverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Bürgen), besteht demnach eine widerlegliche Vermutung, dass die Bürgschaft allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen wurde und der Darlehensgeber dies sittenwidrig ausgenutzt hat.354 Es liegt nun am Gläubiger Tatsachen vorzutragen, aus denen eine freie Willensentscheidung des Bürgen und eine realistische Risikoabschätzung hervorgehen, um damit die Vermutung der Sittenwidrigkeit zu widerlegen. Im deutschen Erbrecht wird – im Gegensatz etwa zum amerikanischen Recht 355 – eine solche widerlegliche Vermutung der Sittenwidrigkeit bisher nicht anerkannt.356 Dennoch wäre denkbar, dass man in bestimmten typischen, objektiv für Fremdbestimmung anfälligen Situationen eine sittenwidrige Beeinflussung des Erblassers widerleglich vermutet. Dies könnte etwa bei Begünstigung von Personen in bestimmten Vertrauensverhältnissen der Fall sein, z. B. des Betreuers, des Vorsorgebevollmächtigten, des häuslichen Pflegepersonals, des letztbehandelnden Arztes, des letztDass es damit letztlich nicht nur um den Schutz des Erblassers vor Macht geht, räumt Röthel, AcP 210 (2010) 65, die zuletzt auch im Erbrecht eine „Abschlusskontrolle“ auf der Grundlage von § 138 BGB gefordert hat, ganz offen ein: „Nicht hinreichend selbstbestimmte Verfügungen können die Zurücksetzung der gesetzlichen Erben nicht legitimieren. Die Entschließungsfreiheit des Testators ist auch im Interesse der gesetzlichen Erben durch eine richterliche Abschlusskontrolle (§ 138 BGB) zu schützen.“ 354 Vgl. etwa BGH 14.5.2002, NJW 2002, 2228, 2229: „Anders als das BerGer. angenommen hat, war die Bekl. nach ihrem Vorbringen bei Übernahme der Bürgschaft voraussichtlich nicht in der Lage, die in den Kreditverträgen, welche Anlass der Höchstbetragsbürgschaftserklärung über 100.000 DM waren, vereinbarten Zinsen aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen dauerhaft allein zu tragen. Es spricht deshalb eine von der Kl. zu widerlegende tatsächliche Vermutung dafür, dass sie die Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen hat.“ 355 Vgl. Scalise, Duke J. Comp. & Int’l L. 19 (2008/2009) 41, 56 f. Eine entsprechende Forderung äußerte auch Kerridge, C.L.J. 59 (2000) 330 f. für das englische Recht, der in erster Linie über Vermutungen die erheblichen Beweisschwierigkeiten bei Anfechtungsklagen beseitigen möchte. Vgl. auch Kerridge, Succession 87. 356 „Zuwendungen an den Betreuer, dessen Angehörige oder eine Person, die den Erblasser auf Grund einer Vorsorgevollmacht betreut hat, verstoßen grundsätzlich nicht gegen die guten Sitten.“ Palandt/Ellenberger, § 138 BGB Rn. 50 mit Hinweis auf BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369. 353
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betreuenden Priesters usw. Bei der Vermutung unzulässiger Fremdbestimmung könnte man aber auch vom spezifischen Vertrauensverhältnis absehen und lediglich jene Fälle erfassen, in denen Personen, die an der Vorbereitung oder Errichtung der letztwilligen Verfügung beteiligt waren, begünstigt wurden.357 Wenn sehr strenge Anforderungen an die Widerlegung der Sittenwidrigkeitsvermutung (Beweis, dass der Erblasser selbständig und unbeeinflusst verfügt hat) gestellt würden, würde diese Vermutungsregel von vornherein nach der Art eines Testierverbots die Voraussetzungen der Errichtung gültiger erbrechtlicher Verfügungen beschränken und somit bei Kenntnis bereits ex ante Wirkungen entfalten, von denen Schutzwirkungen zugunsten des Erblassers ausgehen können. Es besteht allerdings die große Gefahr, dass diese Lösung insgesamt zu weit führen würde. Durch die Vermutung würde nämlich eine ganze Gruppe von engen Vertrauten des Erblassers generell unter Verdacht gestellt und darüber hinaus in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise in die Testierfreiheit des Erblassers eingegriffen.358 Nicht jeder, der den Erblasser pflegt oder ihn bei der Vorbereitung oder Errichtung einer erbrechtlichen Verfügung unterstützt und durch diese Verfügung begünstigt wird, hat auch auf den Erblasser unzulässig eingewirkt. Man würde damit wohl häufig die nächsten Vertrauenspersonen des Erblassers von der Erbfolge ausschließen und somit wohl häufig jene, die sich am ehesten eine Teilhabe am Vermögen des Erblassers verdient hätten. Die Lösung würde somit ungerechtfertigt weit in die Testierfreiheit des Erblassers eingreifen. Aus diesen Gründen ist eine vermutete Sittenwidrigkeit in besonderen Gefährdungslagen abzulehnen. d) Erbunwürdigkeit Man möchte vermuten, dass gerade von der Regelung der Erbunwürdigkeit aufgrund ihres Sanktionscharakters unter bestimmten Umständen ein Anreiz ausgehen könnte, gewisse Formen der Einflussnahme (§ 2339 Nr. 2, 3 BGB) auf den Erblasser zu unterlassen. Dies könnte freilich überhaupt nur dann zutreffen, wenn der Einflussnehmende auch ohne die von ihm provozierte erbrechtliche Verfügung zur Erbfolge berufen gewesen wäre. Ist dies nämlich nicht der Fall, dann fällt der Sanktionscharakter der Erbunwürdigkeit weg, sodass negative Anreize nicht mehr erzeugt werden können. Wenn das einzige Risiko bei Fremdbestimmung nämlich darin besteht, dass die durch unlauteres Verhalten verschaffte Begünstigung wegfällt, dann erwächst daraus kein wirksamer Anreiz zur Unterlassung, denn die Wahrscheinlichkeit ist sehr 357 „Classification by profession causes problems. It is simpler to impose a presumption where the beneficiary has been instrumental in helping to prepare a will under which he benefits.“ Kerridge, C.L.J. 59 (2000) 331. 358 Röthel, Gutachten 68. DJT A84; dies., AcP 210 (2010) 63.
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groß, dass die Erbunwürdigkeit wegen Fremdbestimmung nicht beweisbar ist; und sollte sie ausnahmsweise doch bewiesen werden können, dann verliert der Erbunwürdige ohne jede zivilrechtliche Sanktion lediglich das, was er sich unrechtmäßig verschafft hat. Dagegen könnte man meinen, dass besonders die gesetzlichen Erben, die mangels einer erbrechtlichen Verfügung berufen sind, aus den Regeln der Erbunwürdigkeit einen wesentlichen Anreiz erhalten sollten, die Selbstbestimmung des Erblassers zu respektieren. Indes kann kein Zweifel daran bestehen, dass die mit Abstand häufigsten Fälle von Fremdbestimmung auch in Zeiten professioneller Pflege immer noch im engsten Familienkreis vorkommen.359 Es sind nämlich in aller Regel die engsten Familienangehörigen, die zum Erblasser in einem Naheverhältnis stehen, das es ihnen erlaubt, in den Willensbildungsprozess wirksam einzugreifen. Der Beweis, dass der Erblasser an der Errichtung bzw. am Widerruf einer Verfügung von Todes wegen vorsätzlich und widerrechtlich gehindert worden wäre, oder dass der Erblasser aufgrund einer widerrechtlichen Drohung oder einer arglistigen Täuschung verfügt hätte, gelingt – wie die spärliche Rechtsprechung zu diesen Fällen von Erbunwürdigkeit zeigt – in aller Regel nicht.360 Die Sanktion der Erbunwürdigkeit kann mithin also nicht einmal diejenigen von unlauterer Einflussnahme abhalten, die sich der gesetzlichen Erbun359 Umso eher muss man hiervon ausgehen, wenn man Pflichtteilsberechtigten „mehr an Einwirkung gestattet“ als einer „familienfremden Person“. Vgl. Lange/Kuchinke, Erbrecht 854. 360 Die Rechtsprechung zu § 2339 BGB hat sich hauptsächlich mit den Fragen der Erbunwürdigkeit bei Tötungsdelikten und Testamentsfälschungen auseinandergesetzt. In seltenen Fällen ist auch die Frage der Erbunwürdigkeit wegen Verhinderung eines Widerrufs (BGH 14.2.1990, NJW-RR 1990, 515) und die Frage der Erbunwürdigkeit wegen arglistiger Täuschung (vor allem wegen Verschweigens einer außerehelichen Beziehung BGH 21.9.1967, NJW 1968, 642) besprochen worden. Endgültig bejaht wurde die Erbunwürdigkeit nur im letzten Fall, ohne dass sich der BGH festlegen wollte, wann bei Verschweigen der ehelichen Untreue Erbunwürdigkeit vorliegt: „Der Senat ist nicht veranlasst, allgemein und abschließend zu entscheiden, unter welchen Umständen das Verschweigen einer ehelichen Untreue als arglistige Täuschung erbunwürdig macht. Jedenfalls unter den Umständen, wie sie hier vom Berufungsgericht tatsächlich festgestellt worden sind – wenn der ungetreue Ehegatte den anderen durch Beteuerungen und Versprechungen von seiner ehelichen Treue überzeugt hat, gleichwohl aber sein ehewidriges Verhältnis über die ihm bekannte Testamentserrichtung hinaus fortsetzt –, muss er sprechen, sobald ihm bekannt wird, dass der andere Ehegatte im Vertrauen auf seine Beteuerungen ein Testament zu seinen Gunsten errichten will. Schweigt er unter solchen Umständen und lässt er die Testamentserrichtung geschehen – sei es, um die Erbschaft nicht zu verlieren, sei es auch aus Rücksicht gegen die erkrankte Frau –, so muss er den Makel der Erbunwürdigkeit auf sich nehmen und die Folgen tragen; denn er ist sich bewusst, dass infolge seines fortdauernden Verhaltens der andere Ehegatte aus Beweggründen und unter Vorstellungen testiert, die nicht der Wirklichkeit entsprechen.“
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würdigkeitsgründe und ihrer Wirkungen bewusst sind. Auch ihnen wird nämlich bekannt sein, dass der Beweis einer Fremdbestimmung im Sinne von § 2339 Nr. 2 und 3 BGB nur in den seltensten Fällen gelingen kann. Das sehr geringe Risiko, jeglichen Erbanspruch zu verlieren, wiegt daher den zu erwartenden Gewinn aus einer fremdbestimmten Begünstigung nicht auf. Aus diesem Grund ist das Rechtsinstitut der Erbunwürdigkeit für eine Lösung des Problems der Fremdbestimmung schutzbedürftiger Testatoren nicht der geeignete Ausgangspunkt.361 e) Strafbewehrung der Testierfreiheit? Zu untersuchen bleibt schließlich noch, ob etwa durch Strafbewehrung der Testierfreiheit ein mittelbarer Schutz durch entsprechende negative Anreize erreicht werden kann. Der deutsche Strafgesetzgeber hat diesbezüglich, im Gegensatz zum französischen Strafgesetzgeber, stets Zurückhaltung bewahrt und keine Sonderstraftatbestände zum Schutz der Testierfreiheit des Erblassers geschaffen. Als Angelegenheit des Privatrechts ist die Testierfreiheit somit in erster Linie dem Schutz des Privatrechts anheimgestellt. Das Strafrecht greift nur dort ein, wo etwa im Zusammenhang mit der Verletzung der Testierfreiheit die Tatbestände der Nötigung, der Erpressung, der Freiheitsberaubung, der Drohung, des Betrugs,362 der Untreue oder der Urkundenfälschung erfüllt sind.363 In einem Fall eines Betreuers, der seine testierunfähigen Betreuten dazu veranlasste, ihn als Erben einzusetzen, erkannte das OLG Celle den Untreuetatbestand für erfüllt. Den Betreuer treffe eine Vermögensbetreuungspflicht gemäß § 266 Abs. 1 StGB, die auch über den Tod des Betreuten hinaus wirke. Da der Betreuer die letztwilligen Verfügungen vom Erblasser selbst errichten ließ, wurde festgestellt, dass der Betreute auch als „undoloses Werkzeug gegen sich selbst“ eingesetzt werden könne, besonders wenn er testierunfähig sei. Ebenso wurde eine Vermögensgefährdung bejaht, wenn zu Lebzeiten ein Widerruf des Testaments wegen Testierunfähigkeit nicht mehr möglich ist.364 Gerade die Frage des Vermögensschadens bleibt aber offen. Es ist nämlich unklar, ob unter diesen Umständen überhaupt der Tatbestand der Untreue erfüllt sein kann. Einen Vermögensschaden erleidet nämlich nicht der Betreu361 Zimmermann, Nemo 302. A. A., für das amerikanische Recht: Hosemann, Mich. J.L. Reform 47 (2014) 419–466, der allerdings auch darauf hinweist, dass letztlich zu geringe negative Anreize von einer Einführung von Erbunwürdigkeit wegen Eingriffs in die Testierfreiheit ausgehen würden: ebd., 453 f. 362 Schroeder, NStZ 1997, 585 f., der besonders auf die Problematik des erforderlichen Vermögensschadens hinweist, im Ergebnis aber die Erfüllung des Betrugstatbestands bei unbemerkter Einfügung eines Vermächtnisses bzw. bei einer Erbeinsetzung durch Täuschung bejaht. Dagegen OLG Stuttgart 18.9.1998, NJW 1999, 1564. In diesem Sinne auch Brand/Fett, JA 2000, 211. 363 Kudlich, JA 2013, 711. 364 OLG Celle 13.2.2013, NStZ-RR 2013, 176.
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te, sondern es erleiden ihn allenfalls jene, die begünstigt gewesen wären, hätte der Eingriff in die Testierfreiheit nicht stattgefunden.365 Fälle von Eingriffen in die Testierfreiheit scheitern daher zumeist an den Tatbestandsvoraussetzungen des Strafrechts, sodass vom Strafrecht keine negativen Anreize gegen Verletzungen der Testierfreiheit ausgehen können. In Frankreich hat der Gesetzgeber die finanzielle Ausbeutung Schutzbefohlener zu einem eigenständigen, freilich sehr weitläufigen Straftatbestand in Art. 223-15-2 C. pen. erhoben. Demnach wird der betrügerische Missbrauch der dem Täter bekannten oder offenkundigen Unwissenheit oder der Schwäche eines Minderjährigen oder eines besonders verletzlichen Volljährigen unter Strafe gestellt. Bei Volljährigen kann die Verletzlichkeit auf das Alter, eine Erkrankung, eine Krankheit, eine körperliche oder geistige Behinderung oder Schwangerschaft zurückzuführen sein. Ebenso wird der betrügerische Missbrauch der Unwissenheit oder Schwäche einer psychologisch oder physisch abhängigen Person geschützt. Der mit dreijähriger Freiheitsstrafe und Geldstrafe von 375.000 Euro bestrafte Missbrauch besteht in der Ausübung schweren oder wiederholten Drucks oder in der Anwendung von Mitteln zur Veränderung der Urteilsfähigkeit, um diese Person zu einem Tun oder Unterlassen zu verleiten, das schwere Nachteile zur Folge hat.366 Obwohl auch bei diesem Straftatbestand der erforderliche schwere Vermögensnachteil wegen der aufgeschobenen Wirkung des Testaments problematisch ist, hat sich die Rechtsprechung mit diesem Einwand bisher nicht weiter befassen wollen und ohne weitere Begründung einen schweren Vermögensnachteil immer dann bejaht, wenn der verletzliche Erblasser zugunsten einer Person verfügt, die ihn dazu in missbräuchlicher Ausnützung der Schwäche verleitet hat.367 Selbst bei Errichtung eines notariellen Testaments können diejenigen, die sich um die Erblasserin gekümmert haben und auf sie zum 365 Zu dieser Kritik einer konstruierten, von § 266 StGB nicht gedeckten „Dreiecksuntreue“ vgl. Kudlich JA 2013, 712. 366 Art. 223-15-2 Abs. 1 C. pen.: „Est puni de trois ans d’emprisonnement et de 375 000 euros d’amende l’abus frauduleux de l’état d’ignorance ou de la situation de faiblesse soit d’un mineur, soit d’une personne dont la particulière vulnérabilité, due à son âge, à une maladie, à une infirmité, à une déficience physique ou psychique ou à un état de grossesse, est apparente ou connue de son auteur, soit d’une personne en état de sujétion psychologique ou physique résultant de l’exercice de pressions graves ou réitérées ou de techniques propres à altérer son jugement, pour conduire ce mineur ou cette personne à un acte ou à une abstention qui lui sont gravement préjudiciables.“ 367 Cass. crim. 21.10.2008, n° 08-81.126, Bull. crim. 2008, n° 210: „Attendu qu’au sens de ce texte, constitue un acte gravement préjudiciable pour une personne vulnérable, celui de disposer de ses biens par testament en faveur d’une personne l’ayant conduite à cette disposition.“ In diesem Sinne bereits Cass. crim. 15.11.2005, n° 04-86051: „l’acte de disposer de ses biens par testament en faveur de la personne qui l’a obligée à cette disposition, constitue un acte gravement préjudiciable au sens tant de l’article 313-4 ancien que de l’article 223-15-2 nouveau du Code pénal“.
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Zwecke einer bestimmten Verfügung eingewirkt haben, sich wegen Missbrauchs der Schwäche der verletzlichen Erblasserin strafbar machen. So bestätigte die Cour de Cassation368 die strafrechtliche Verurteilung eines der Erblasserin nahestehenden Ehepaars zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung und zu 70.000 Euro (Frau) bzw. 35.000 Euro (Mann) Geldstrafe wegen Vertrauensmissbrauchs und Ausnutzung der Schwäche der Erblasserin. Dabei wurden das Alter der Erblasserin, ihre Einsamkeit, die Abschottung und Abhängigmachung durch die Täter sowie die Manöver zur Steuerung ihrer vermögensrelevanten Geschäfte berücksichtigt. Im Übrigen war das verurteilte Ehepaar bei der Ausarbeitung des schriftlichen Entwurfs für das notarielle Testament und bei dessen Übergabe an den Notar anwesend. Aus einer strafrechtlichen Verurteilung folgt zwar nicht die Feststellung der Testierunfähigkeit im Zivilverfahren, aber jedenfalls ein Willensmangel, der zur Aufhebung des Testaments führt.369 Von einer solchen strafrechtlichen Bewehrung der Testierfreiheit mag zwar eine gewisse generalpräventive Wirkung ausgehen, die es gerade für Familienfremde im Vergleich zum deutschen Recht riskanter macht, auf den Erblasser unzulässigen Druck auszuüben. Die beträchtliche Strafdrohung wiegt schwer und mag einige davon abhalten, die Testierfreiheit des Erblassers anzutasten. Abgesehen von der Frage der Verhältnismäßigkeit dieses Strafmaßes, die zumindest angezweifelt werden muss, bleibt allerdings offen, ob diese Maßnahme auch treffsicher ist. Sie setzt jedenfalls Familienfremde verstärkt der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aus, wenn sie als Vertraute mit dem Erblasser in Kontakt waren. Dadurch privilegiert die Rechtsordnung in besonderem Maße die Familienerbfolge, denn je weniger der vom Erblasser geäußerte Wille vom gesetzlichen Erbrecht abweicht, desto geringer ist das Risiko, dass die Erben sich der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen. Dies setzt auch bei Erblassern einen gewissen Anreiz, bei der Ausübung ihrer Testierfreiheit möglichst der gesetzlich vorgegeben Verteilungsgerechtigkeit zu folgen, um enge Vertraute nicht dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen. Gerade bei alleinstehenden Personen genügt aber das Modell der gesetzlichen Verteilung nur in den seltensten Fällen den Vorstellungen einer angemessenen Vermögensverteilung des Erblassers. Dieser pflegt nämlich häufig zu nicht verwandten Personen (Freunde, Nachbarn, Pfleger usw.) engere Beziehungen, als zu seinen nächsten Verwandten (z. B. Großneffen, Großnichten). Im Übrigen führt diese Strafbewehrung der Testierfreiheit auch zu Strafanzeigen in Familien, in denen einzelne großzügiger bedacht wurden als andere. Hinzu kommt, dass der Erblasser, der einen pflegenden Familienangehörigen aufgrund seiner Dienste besonders begünstigen möchte, diesen auch gleichzeitig der Strafverfolgung aussetzt, wenn die restlichen 368 369
Cass. crim. 5.9.2012, n° 11-84483. Cass. civ. 24.10.2012, n° 11-20442, Bull. civ. 2012, I, n° 209.
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Erben eine missbräuchliche Ausnützung vermuten. Mangels direkter Beweisbarkeit des Missbrauchs der Schwäche des Erblassers in den meisten Fällen, leiten die französischen Gerichte die Tat häufig aus den Umständen des Falles und somit aus Indizien ab. Dies geht freilich vor allem zulasten engster Vertrauenspersonen, die möglicherweise vom Erblasser freien Willens begünstigt wurden. Daraus folgt, dass trotz der unter Umständen bestehenden generalpräventiven Wirkung solcher Straftatbewehrung der Testierfreiheit, im Ergebnis das Ziel der Stärkung der Testierfreiheit dadurch konterkariert wird, dass der Erblasser einerseits darauf achten muss, durch seine Verfügungen zugunsten von Vertrauenspersonen, diese nicht der Strafverfolgung auszusetzen und Vertrauenspersonen andererseits eine erbrechtliche Begünstigung möglichst ausschlagen müssen, um sich nicht dem Verdacht eines Missbrauchs der Willensschwäche des Erblassers auszuliefern. Diese der Testierfreiheit zuwiderlaufenden Wirkungen von Straftatbeständen führen somit zu einer bedenklichen Verengung der Verfügungsfreiheit des Erblassers. Daher sind strafrechtliche Maßnahmen zur Sicherung der Testierfreiheit nicht der geeignete Weg, um die Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers zu sichern. 3. Kein Schutz des Erblassers durch ex post-Schutzmechanismen Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass Nichtigkeit wegen Zwangs oder wegen Sittenwidrigkeit aufgrund von Druckausübung, sowie Anfechtung und Erbunwürdigkeit als ex post-Maßnahmen im Wesentlichen nicht zum Schutz der Selbstbestimmung des Erblassers beitragen können. Dies gilt sowohl in Bezug auf zweiseitige als auch für einseitige erbrechtliche Verfügungen und hängt in erster Linie damit zusammen, dass Fremdbestimmung ex post nur in den seltensten Fällen feststellbar ist.370 a) Zweiseitige erbrechtliche Verfügungen Während im Recht lebzeitiger Verfügungen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit in erster Linie den Betroffenen selbst schützen, weil er durch sie von Verbindlichkeiten befreit werden kann, die er nicht selbstbestimmt eingegangen ist, kann dieser Zweck im Erbrecht grundsätzlich nur bei zweiseitigen, unwiderruflichen Verfügungen erreicht werden. Bei diesen ist der betroffene Erblasser nämlich selbst zur Anfechtung bzw. zur Geltendmachung der Nichtigkeit berechtigt. Indes können auch in diesen Fällen Nichtigkeit bzw. Anfechtung schon aus praktischen Gründen nur selten zu einem besseren Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung beitragen. Wer nämlich aufgrund körperlichen Zwangs oder einer Drohung eine zweiseitige Verfügung errichtet hat, wird erst dann die Nichtigkeit geltend machen bzw. die Verfügung anfechten, 370
Dazu sogleich § 3 III.3.c).
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wenn die Gefahr nicht mehr besteht, dass der Dritte den Zwang weiter ausübt oder das angedrohte Übel eintreten lässt. Auch bei arglistiger Täuschung wird der Erblasser erst dann seine Verfügung wegen Motivirrtums anfechten, wenn ihm klar wird, dass er getäuscht wurde. Gerade bei älteren Erblassern, die aufgrund ihrer häufigen Abhängigkeitssituation der Gefahr von Fremdbestimmung in besonderem Maße ausgesetzt sind, kommt eine Anfechtung bzw. eine Geltendmachung der Nichtigkeit in aller Regel nicht in Frage, weil sie sich weder aus ihrer Abhängigkeit befreien, noch aufgrund dieser Abhängigkeit einer möglichen Täuschung bewusst werden können. Daraus folgt, dass die Möglichkeit der Befreiung des Erblassers aus den Fesseln durch Fremdbestimmung entstandener zweiseitiger erbrechtlicher Verfügungen vor allem eine theoretische ist. Daher kann von einem effektiven Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung durch Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit auch bei zweiseitigen Verfügungen praktisch keine Rede sein kann. b) Einseitige erbrechtliche Verfügungen Bei einseitigen erbrechtlichen Verfügungen ist der Erblasser aufgrund der jederzeitigen Widerruflichkeit nicht an seine Verfügungen gebunden, sodass Anfechtung und Nichtigkeit erst nach dem Tod des Erblassers durchgesetzt werden können und daher eine besondere Funktion erfüllen. Sie stellen sicher, dass nur jene letztwilligen Verfügungen rechtliche Geltung beanspruchen können, die selbstbestimmt errichtet wurden. Darüber hinaus garantieren sie, dass durch Fremdbestimmung errungene Vermögenswerte keinen Bestandsschutz genießen. Sie bringen mithin das Legitimationsdefizit eines nicht selbstbestimmt zustande gekommenen Testaments als erbrechtlicher Berufungsgrund zum Ausdruck. Dabei schützt die Anfechtung im Ergebnis freilich mittelbar die Interessen jener, die ohne die fremdbestimmte Verfügung zur Erbfolge berufen gewesen wären. Dies gilt sowohl für die Anfechtbarkeit als auch für die Feststellung der Nichtigkeit wegen Zwangs und Sittenwidrigkeit. Anfechtbarkeit und Nichtigkeit sind auch nicht dazu geeignet, den Erblasserwillen mittelbar zu schützen: denn einerseits vermag die rein kassatorische Wirkung dieser Rechtsmittel zu einem Zeitpunkt, an dem der Erblasser nicht mehr am Leben ist, dem Willen des Erblassers nicht mehr zur Durchsetzung zu verhelfen, und andererseits gehen weder von der Anfechtung noch von der Nichtigkeit geeignete negative Anreize aus, die den Erblasser zu Lebzeiten vor Fremdbestimmung schützen könnten. Somit zeigt sich besonders in Bezug auf Testamente eine grundsätzliche Unzulänglichkeit dieser ex post-Mechanismen zum Schutz der Selbstbestimmung des Erblassers. Im Gegensatz zu ihren Pendants im Recht lebzeitiger Rechtsgeschäfte sind sie aufgrund der strukturellen Besonderheiten des letztwilligen Rechtsgeschäfts im Erbrecht nicht geeignet, Fremdbestimmung wirksam zu verhindern bzw. dem Erblasser eine selbstbestimmte Entschei-
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dung zu ermöglichen. Vielmehr greifen Anfechtung, Nichtigkeit und Erbunwürdigkeit erst dann ein, wenn es mit dem Tod des Erblassers irreversibel zu einer fremdbestimmten Verfügung gekommen ist, der Erblasser also zu einer freien Entscheidung gar nicht mehr in der Lage ist. c) Ex post-Mechanismen und ihre Gefahren Vor diesem Hintergrund scheint es für den Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung nicht hilfreich, wenn für die Erweiterung der Nichtigkeits- bzw. Anfechtbarkeitsgründe plädiert wird.371 Wie hier zu zeigen versucht wurde, sind sie nämlich weder direkt noch indirekt dazu geeignet, die Selbstbestimmung des Erblassers zu seinen Lebzeiten vor der Gefahr äußerer unzulässiger Einflussnahme zu schützen. Eine Erweiterung der Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe liefe daher nicht bloß leer, weil aufgrund der spezifischen Wirkungsweise von Nichtigkeit und Anfechtung im Erbrecht die Entscheidungsfreiheit des Erblassers nicht geschützt werden kann. Sie wäre darüber hinaus auch in hohem Maße problematisch, da sie die Testierfreiheit des Erblassers in bedenklicher Weise einschränken würde. Diese die Testierfreiheit einschränkende Wirkung zeigt sich auch bei Straftatbeständen, die den Schutz der Testierfreiheit zum Gegenstand haben. Die Erweiterung der Anfechtungsvoraussetzungen oder der Nichtigkeitsgründe durch Erweiterung des Sittenwidrigkeitsbegriffs birgt nämlich die Gefahr, dass stets dann korrigierend zulasten der Testierfreiheit eingegriffen wird, wenn die allgemeinen Vorstellungen über eine gerechte und „sittlich gebotene“ Verfügung durch die Verfügungen des Erblassers enttäuscht werden. Vgl. dagegen Röthel, Gutachten 68. DJT A86, die dadurch aber konsequent in erster Linie nicht den Erblasser, sondern die gesetzlichen Erben schützen will. Das Unbehagen gegenüber fremdbestimmtem Testieren erkläre sich nämlich im Wesentlichen aus der Zurückdrängung der gesetzlichen Erben (Autonomiedefizit als Legitimationsdefizit). Das Unbehagen müsste aber wohl in erster Linie daraus folgen, dass dem Erblasser die Möglichkeit genommen wurde, in Entfaltung seiner Persönlichkeit eine selbstbestimmte Regelung für seine Vermögensnachfolge zu treffen. Die rechtlich ungeschützte Position der gesetzlichen Erben ist dabei zweitrangig. Für Frankreich Carbonnier/Catala/de SaintAffrique/Morin, Liberalités 20. Der Gesetzesvorschlag sollte die Anfechtungsgründe auf „suggestion“ und „captation“ erweitern. Vgl. zuletzt auch Bahurel, Volontés 339, der eine eigene Anfechtungsregelung für Testamente im Code civil fordert, die vorsieht, dass ein Testament frei zustande kommen (frei von äußerem Druck) und persönlich (ohne unzulässige Einflussnahme) und bewusst errichtet werden müsse (d. h. in vollem Bewusstsein des Grundes, der Natur und der Folgen des Testaments). Auch in Italien ist eine klare Tendenz festzustellen, die Lösung des Problems der Fremdbestimmung in der Erweiterung der Anfechtungsvoraussetzungen zu erblicken: Zuletzt für die Erweiterung der Anfechtungsvoraussetzungen wegen Täuschung: Cinque, Dir.succ.fam. 2015) 375 ff.; ebenso Patti, Riv.dir.civ. 2014, 1010; Spotti, Fam.dir. 2014, 658 ff. 371
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Wenn etwa missbilligt wird, dass außereheliche Partner oder viel jüngere Lebensgefährten und Ehepartner bzw. gleichgeschlechtliche Partner oder auch bloß Familienfremde372 anstatt der gesetzlichen Erben begünstigt werden, könnte zum Zwecke der Beseitigung dieser Verfügungen eine Drucksituation angenommen werden. Im Wege eines Zirkelschlusses könnte dadurch allzu schnell von der Ungewöhnlichkeit einer Verfügung auf unzulässige Druckausübung geschlossen werden.373 Dieselbe Gefahr zeigt sich in Bezug auf Straftatbestände zum Schutz der Testierfreiheit. Es besteht also bei einer Erweiterung der ex post-Maßnahmen über die gegenwärtigen Schranken hinaus die durchaus ernst zu nehmende Gefahr, dass der ungewöhnliche oder für die gesetzlichen Erben unerwartete Inhalt einer letztwilligen Verfügung zum hinreichenden Indiz für Fremdbestimmung wird.374 Dass diese Gefahr einen realen Hintergrund hat, zeigt die Rechtsprechung zur undue influence-Anfechtung in den USA.375 Amerikanische Gerichte setzen ihre Sicht einer gerechten erbrechtlichen Verfügung (natural – unnatural dispositions)376 teilweise nämlich dadurch um, indem sie Zuwendungen an Familienfremde häufiger und leichter beseitigen, als Begünstigun-
Über psychologische Vorbehalte gegenüber Begünstigungen außerhalb der Familie Spivack, U. Kan. L. Rev. 58 (2009/2010) 268. 373 Durch diese Hintertür könnte man etwa die Sittenwidrigkeit von Geliebtentestamenten wieder einführen, die nun nicht mehr aufgrund ihres Inhalts selbst sittlich anstößig wären, sondern allein deshalb gegen das Sittenwidrigkeitsverbot verstoßen könnten, weil man annimmt, dass ohne unzulässigen Druck die Geliebte der Ehefrau nicht vorgezogen worden wäre. Dies würde man wohl insbesondere bei begünstigten jüngeren (Ehe-) Partnern annehmen. Die entsprechenden Zuwendungen könnten ebenfalls wegen behaupteter Druckausübung (z. B. nach dem Muster „niemand würde ohne unzulässigen Druck seine Kinder auf den Pflichtteil setzen, um die 50 Jahre jüngere Ehefrau zur Alleinerbin einzusetzen“) beseitigt werden. 374 Diese Gefahren blendet Cinque, Dir.succ.fam. 2015, 373 ff. völlig aus und berücksichtigt nicht, dass durch die Erweiterung der Anfechtungsvoraussetzungen nicht der Erblasser, sondern die an die Stelle des Erblassers tretenden Erben gegen eine fremdbestimmte Verfügung geschützt werden. Ebenso Patti, Riv.dir.civ. 2014, 1010; Spotti, Fam.dir. 2014, 658 ff. 375 Leslie, Ariz. L. Rev. 38 (1996) 243 ff.; zuletzt Spivack, U. Kan. L. Rev. 58 (2009/ 2010) 267 ff. 376 „Where the provisions of a will are unjust, unreasonable, and unnatural, doing violence to the natural instincts of the heart, to the dictates of parental affection, to natural justice, to solemn promises, and to moral duty, such unexplained inequality is entitled to great influence in considering the question of testamentary capacity and undue influence.“ Carpenter v. Horace Mann Life Ins. Co., 730 S.W.2d 502, 507 (1987) (unter Hinweis auf Brown v. Emerson, 170 S.W.2d 1019 (1943). Zum Begriff „unnatural disposition“ im Rahmen der undue influence Lehre vgl. Madoff, Minn. L. Rev. 81 (1996/1997) 589 ff. Vgl. auch Frolik, Int.J. Law Psychaitry 24 (2001) 253 ff. 372
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gen in der Familie.377 Nicht zufällig wurde die Anfechtung wegen undue influence daher funktional in die Nähe des Pflichtteilsrechts gerückt.378 Der Abschnitt über den Begriff der Fremdbestimmung hat gezeigt, wie schwierig es ist, Fremdbestimmung von Selbstbestimmung zu trennen. Mag dies auch auf abstrakter Ebene gelingen, so verschwimmen doch verschiedene Formen der Einflussnahme auf den Erblasser, sodass es insgesamt häufig unmöglich sein wird, Fremdbestimmung im Nachhinein zu erkennen. Gerade für ex post-Mechanismen ist aber eine genaue Unterscheidung von Situationen der Fremd- und der Selbstbestimmung notwendig. Hinzu kommt, dass diese Unterscheidung zu einem Zeitpunkt zu treffen ist, zu dem der Erblasser nicht mehr befragt werden kann und somit unklar bleibt, ob eine unzulässige Einflussnahme bei der Errichtung der erbrechtlichen Verfügung tatsächlich stattgefunden hat. Die Herleitung von Fremdbestimmung aus bestimmten Verhältnissen des Erblassers zum Erben (Vertrauensverhältnis) oder aus gewissen Umständen des Einzelfalls (z. B. Teilnahme des Erben am Akt der Testamentserrichtung) ist höchst problematisch, weil sie durch eine zu grobe Schematisierung die Testierfreiheit gefährdet und dem Erblasser in der ihm zuerkannten Einzelentscheidungsbefugnis nicht gerecht werden kann. Wer als Erblasser seine Pflegekraft für die aufopfernde, überpflichtmäßig erfüllte Pflege belohnen möchte, muss dies grundsätzlich ebenso dürfen, wie er seine Kinder oder seinen Ehepartner für dieselben Leistungen belohnen darf. Dass hier besondere Vorsicht zu walten hat, weil das Fremdbestimmungspotential gerade in Abhängigkeitsverhältnissen sehr groß ist, steht außer Zweifel. Indes darf 377 „Courts impose and enforce this moral duty to family through the covert manipulation of doctrine. To begin with, courts faced with an offensive will often use other doctrines ostensibly designed to ascertain whether the testator formulated testamentary intent – doctrines such as capacity, undue influence and fraud – to frustrate the testator’s intent and distribute estate assets to family members. […] At the end of the day, testamentary freedom exists for the vast majority of the testators who happen to have the same sense of duty and moral obligation that the law implicitly imposes – but often not for those who hold non-conforming values.“ Leslie, Ariz. L. Rev. 38 (1996) 236 f. Vgl. auch zur Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Partnern: Sherman, U. Pitt. L. Rev. 42 (1980) 225 ff. 378 Für einen engen Zusammenhang zwischen dem Fehlen eines Pflichtteilsrechts und der Fülle der sog. will contests vgl. Langbein, Yale L.J. 103 (1994) 2042. Sehr instruktiv Madoff, Minn. L. Rev. 81 (1996/1997) 611 ff. Zuletzt deutlich in diese Richtung Scalise, Duke J. Comp. & Int’l L. 19 (2008–2009) 81: „In the sense of limiting testamentary freedom, undue influence and family protective devices serve the same basic function. That is, forced heirship and systems of community marital property serve the same function as the undue influence of restricting excessive impecunious gifts outside the family and protecting the natural recipients of the testator’s bounty.“ Zu diesem Zusammenhang von Pflichtteilsrecht und Schutz vor Beeinflussung gerade bei „älteren Erblassern“ vgl. auch Coing, Gutachten 49. DJT A47. Ebenso Dauner-Lieb, DNotZ 2001, 465; ihr folgend Martiny, Gutachten 64. DJT A71.
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dieser durchaus gegebenen Gefahr der Fremdbestimmung nicht auf eine Weise begegnet werden, dass auch eine selbstbestimmte Entscheidung des Erblassers unmöglich gemacht wird. IV. Ergebnis und weiteres Vorgehen Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass zum Schutz der Testierfreiheit des Erblassers nicht erst ex post angesetzt werden kann. Wenn Fremdbestimmung einmal stattgefunden hat und der Erblasser verstorben ist, ist die Möglichkeit zur selbstbestimmten Gestaltung der Vermögensnachfolge unwiederbringlich verloren. Darüber hinaus erweist sich die für ex post-Mechanismen erforderliche Feststellung von Fremdbestimmung im Nachhinein regelmäßig als so schwierig, dass durch sie eine ernsthafte Gefährdung der Testierfreiheit erzeugt wird. Wenn es also tatsächlich um den Schutz der Selbstbestimmung des Erblassers und nicht um den Schutz der nächsten Verwandten und gesetzlichen Erben gehen soll, dann müssen die Voraussetzungen der gültigen Errichtung erbrechtlicher Verfügungen so gestaltet sein, dass die Gefahr unzulässiger Einflussnahme weitestgehend ex ante gebannt wird. Der zweite Teil dieser Arbeit wird daher der Frage nachgehen, welche erbrechtlichen Institute dem lebzeitigen Schutz der erblasserischen Entschließungsfreiheit dienen bzw. unter welchen Voraussetzungen dieser Schutz durch erbrechtliche Institute erreicht werden kann.
Zweiter Teil
Schutz der Selbstbestimmung im Erbrecht Zweiter Teil – Schutz der Selbstbestimmung im Erbrecht
§ 4 Sicherung der Selbstbestimmung des Erblassers durch Testiervoraussetzungen
§ 4 Sicherung der Selbstbestimmung durch Testiervoraussetzungen
In jüngerer Zeit wurde im Zusammenhang mit der Frage nach dem Schutz des Erblassers vor Macht darauf hingewiesen, dass sich im deutschen Erbrecht jene Regelungen durchgesetzt hätten, die jeweils die geringsten Anforderungen an eine gültige erbrechtliche Verfügung stellten.1 Dies sei Ausdruck der „liberalen, die Testierfreiheit des Erblassers begünstigenden Grundhaltung des Gesetzgebers“ und zeige sich insbesondere in der im Vergleich zur allgemeinen Geschäftsfähigkeit erweiterten Testierfähigkeit (§ 2229 Abs. 2 BGB) sowie in der Liberalisierung der Testierformen. Der Schutz des Erblassers vor „weicher“ Fremdbestimmung sei ein Phänomen, das vom BGB-Gesetzgeber „im Interesse der formal-liberalen Grundtendenz“ ausgeblendet worden sei und erst in jüngster Zeit Aufmerksamkeit gewonnen habe. Im Folgenden soll untersucht werden, inwiefern die Regeln über die Gültigkeitsvoraussetzungen letztwilliger Verfügungen dem Schutz bzw. der Sicherung der selbstbestimmten Willensbildung des Erblassers dienen können. Damit geht es insbesondere um die Frage, ob über die Gültigkeitsvoraussetzungen letztwilliger Verfügungen mittelbar oder unmittelbar Schutz vor Fremdbestimmung gewährleistet werden kann. Zu den hier zu untersuchenden Regeln über die Gültigkeitsvoraussetzungen letztwilliger Verfügungen zählen die Vorschriften über die Testierfähigkeit, die Form und die formelle Höchstpersönlichkeit. Testierfähigkeit, Form und persönliche Vornahme treten im Rechtsvergleich als Konstanten unter den Gültigkeitsvoraussetzungen letztwilliger Verfügungen auf. I.
Testierfähigkeit
1. Begriff Die Fähigkeit, ein von der Rechtsordnung als gültig anerkanntes Testament zu errichten, abzuändern oder zu widerrufen, wird als Testierfähigkeit be-
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Röthel, AcP 210 (2010) 55.
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zeichnet.2 Für die Einräumung dieser Fähigkeit formulieren – soweit ersichtlich – alle Rechtsordnungen gewisse, bloß im Detail voneinander abweichende Anforderungen an die Fähigkeiten des Erblassers. Diese Anforderungen lassen sich in modernen Rechtsordnungen letztlich auf ein formales und ein materielles Kriterium3 reduzieren: Testierfähig ist, wer a) ein bestimmtes Mindestalter erreicht hat (formales Kriterium) und b) nicht geistig krank ist (materielles Kriterium). Höchstaltersgrenzen für die Testierfähigkeit sind im Rechtsvergleich ebenso wenig verbreitet, wie besondere über die allgemeine Geschäftsfähigkeit hinausgehende geistige und körperliche Fähigkeiten. Körperliche Fertigkeiten erlangen überhaupt nur insofern Bedeutung, als sie faktisch für eine selbstbestimmte Willensäußerung in den vorgeschriebenen Formen erforderlich sind.4 Da erbrechtliche Verfügungen ihren Geltungsanspruch aus dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen schöpfen,5 ist für ihre Gültigkeit die Selbstbestimmungsfähigkeit des Erblassers notwendige Voraussetzung. Testierfähig sind daher bloß jene natürlichen Personen, die in der Lage sind, aufgrund einer selbständig vorgenommenen, inneren Abwägung eine nach eigenen Wünschen und Vorstellungen selbstverantwortete Entscheidung zu treffen. In diesem Sinne hat auch das BVerfG6 festgestellt, dass letztwillige Verfügungen nur dann grundrechtlichen Schutz genießen, wenn der Erblasser zu selbstbestimmtem Handeln in der Lage war. Daran fehle es ihm aber regelmäßig, wenn er nicht über die „erforderliche Einsichts- und Handlungsfähigkeit“ verfüge. Dies könne etwa bei Kindern oder Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen der Fall sein, sofern diese wegen „geistiger oder körperlicher Gebrechen“ zu einer „eigenverantwortlichen Testamentserrichtung“ nicht mehr fähig seien. Damit sind die Mindestanforderungen an die Testierfähigkeit benannt, deren sich Gesetzgeber rechtsordnungsübergreifend bedienen, um die Testierfähigkeit auf selbstbestimmungsfähige Personen einzugrenzen. 2. Erwerb der Testierfähigkeit im rechtshistorischen Überblick Im Folgenden ist im Überblick auf die Voraussetzungen des Erwerbs der Testierfähigkeit in der rechtshistorischen Entwicklung einzugehen. Daraus lässt sich erkennen, welche Bedeutung der Selbstbestimmungsfähigkeit des Vgl. etwa Muscheler, Erbrecht Bd. 1 847: „Fähigkeit einer natürlichen Person, ein Testament zu errichten, zu ändern oder aufzuheben“; Herrler, Testament 1474: „Fähigkeit eine wirksame Verfügung von Todes wegen zu errichten“. 3 Vgl. auch Herrler, Testament 1474: „gewisses Mindestalter“, „Abwesenheit von geistigen Insuffizienzen“. 4 Insofern kann zumindest dogmatisch die faktische Unfähigkeit, als Unfähigkeit einer der zulässigen Testierformen zu genügen, von der Testierunfähigkeit unterschieden werden. Vgl. Muscheler, Erbrecht Bd. 1 848. Dazu unten § 4 I.3. 5 Vgl.oben § 2 II.5. 6 BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853. 2
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Erblassers als Geltungsvoraussetzung erbrechtlicher Verfügungen in unterschiedlichen rechtsgeschichtlichen Epochen zukam. a) Antikes Griechisches Recht Nach antikem griechischem Recht waren im Wesentlichen nur mündige männliche Bürger7 testierfähig. Minderjährige und Frauen konnten kein gültiges Testament errichten.8 Sofern ein Bürger eheliche Söhne hatte, schloss dies nicht seine Testierfähigkeit, sondern insgesamt seine Testierfreiheit aus. Hatte er dagegen ausschließlich eheliche Töchter, so genoss der Erblasser zwar Testierfreiheit; diese beschränkte sich aber darauf, Verfügungen zugunsten der adoptierten Schwiegersöhne zu treffen.9 Eine Lockerung dieser sehr weitgehenden Beschränkungen der Testierfreiheit trat erst im Laufe der Zeit ein, bis im 4. Jh. v. Chr. zumindest über einzelne Vermögensgegenstände trotz Vorhandenseins eigener Söhne frei verfügt werden konnte.10 Neben der Mündigkeit musste der männliche griechische Bürger auch über hinreichende geistige Fähigkeiten verfügen, um gültig testieren zu können. Die Urteilskraft des Testators sollte weder durch Geisteskrankheit, noch durch Senilität, Suchtmittel, Krankheit, Beeinflussung durch Frauen, Zwang oder Freiheitsentzug beeinträchtigt sein.11 b) Römisches Recht Nach römischem Recht12 waren grundsätzlich alle freien (sui iuris),13 mündigen (zunächst bei Geschlechtsreife im Einzelfall, sodann alle 14-jährigen),14 männlichen römischen Bürger testierfähig. Sklaven schieden aus.15 Dasselbe gilt für Frauen, bis sie zunächst über eine Übertragung in die fiduziarische Ehegewalt eines Mannes (coemptio testamenti faciendi causa) mit daran anschließender Entlassung (manumissio) Testierfähigkeit erwerben konnten. Auch ausländische männliche Bürger und andere Nicht-Bürger (etwa Freigelassene) konnten wohl gültig testieren. Die Quellenlage dazu ist allerdings nicht gesichert. Harrison, The Law Bd. 1 151. 8 Harrison, The Law Bd. 1 151. 9 Harrison, The Law Bd. 1 151. 10 Harrison, The Law Bd. 1 151; Beauchet, Histoire 680 f. 11 Harrison, The Law Bd. 1 152. Diese Aufzählung war nicht taxativ. Dazu ausführlich Karabélias, L’acte 110 f. 12 Im Überblick vgl. Kaser, Römisches Privatrecht Bd. 1 682 f.; Honsell/Mayer-Maly/ Selb, Römisches Recht 457 f. 13 Daher waren Gewaltunterworfene (etwa Hauskinder, dazu sogleich im Text) sowie andere Unfreie (Sklaven, Gefangene) nicht testierfähig. 14 Ulp. D. 28.1.5; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht 94 f. 15 Davon ausgenommen waren nur servi publici, die über die Hälfte ihres peculium verfügen durften. Ulp. 20.16. 7
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Unter Hadrian wurden schließlich frei geborene mündige (12-jährige)16 Frauen voll testierfähig. Dagegen bedurften frei geborene, unter Vormundschaft stehende Frauen weiterhin der Zustimmung ihres Vormunds für die Testamentserrichtung. Von den Hauskindern17 konnten Haussöhne lediglich über jenes Vermögen testieren, das sie im Soldatenstand oder Militärdienst (peculium castrense)18 erworben hatten. Die Testierfähigkeit war aber jedenfalls ausgeschlossen, wenn der Erblasser an einer Geisteskrankheit (furiosus) litt,19 von Geburt an taub oder stumm war,20 wegen Verschwendung entmündigt worden war, unter Freiheitsentzug stand21 oder strafrechtlich verurteilt worden war.22 c) Ius Commune Das gemeine Recht23 folgte im Wesentlichen dem römischen Recht und übernahm sowohl die Mündigkeit als auch die geistige Gesundheit als Voraussetzungen für wirksames Testieren. Bis zum Beweis einer Geistesstörung galt stets die Vermutung der Testierfähigkeit. Geisteskranke waren außer während sogenannter lichter Augenblicke nicht testierfähig. Im Gegensatz zum klassischen römischen Recht konnten Hauskinder ebenso wie Frauen frei über ihr Vermögen testieren. Auf die vielgestaltigen und ganz unterschiedlich begründeten Sonderregeln in den lokalen Rechten, insbesondere das stark variierende Mündigkeitsalter, aber auch die weiteren lokal geprägten Ausschlussgründe24 muss hier nicht weiter eingegangen werden. Ihre Spuren sind im modernen Recht unsichtbar geworden. Ulp. D. 28.1.5. Hauskinder waren grundsätzlich testierunfähig. Gai. D. 28.1.6; Pomp. D. 28.1.16. 18 Unter Konstantin erweiterte sich das verfügbare Vermögen der Hauskinder auf das peculium quasi castrense, d. h. auf Einkünfte aus öffentlichen und religiösen Ämtern. Vgl. dazu Kaser, Römisches Privatrecht Bd. 2 216. 19 Pomp. D. 28.1.16.1; Afric. D. 29.2.47: „furiosi autem voluntas nulla est“; Pomp. D. 50.17.40: „Furiosi vel eius, cui bonis interdictum sit, nulla voluntas est.“; Inst. 3.19.8: „Furiosus nullum negotium gerere potest, quia non intellegit quid agit.“ Offensichtlich war die Testierfähigkeit des Geisteskranken nicht bloß deshalb beschränkt, weil er faktisch nicht in der Lage war, den strengen Verhaltensanforderungen förmlicher Rechtsgeschäfte zu entsprechen, sondern gerade weil er nicht in der Lage war, die Folgen des eigenen Handelns zu verstehen. Im Sinne bloßer faktischer Voraussetzung für die Erfüllung der Formpflicht dagegen: Holzhauer, Gutachten 57. DJT B 17. Zu Recht kritisch HKK/Thier §§ 104–115 BGB Rn. 4. 20 Gai. D: 28.1.6.1. Später allerdings durften Taube und Stumme aufgrund eines besonderen kaiserlichen Reskripts testieren, Macer D. 28.1.17. Unter Justinian wurde nur noch taub oder stumm Geborenen die Testierfähigkeit versagt (C. 6.22.10). 21 Gai. D. 28.1.8 (Gefangenschaft bei Feinden); Ulp. 28.1.11 (Geiselhaft); Paul. D. 28.1.17; e contrario Marc. D. 28.1.13. 22 Gai. D. 28.1.8.4. 23 Coing, Europäisches Privatrecht I 565 f. 16 17
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d) Germanische Rechte In den Germanischen Rechten herrschte bis in das späte Mittelalter hinein die Vorstellung vor, dass derjenige, der sein Vermögen aufgrund seiner körperlichen Konstitution nicht mehr zu nutzen vermag, darüber auch seine Verfügungsbefugnis verliert, mithin nicht mehr geschäftsfähig ist.25 Entsprechend enthielt der Sachenspiegel in Landrecht I, Art. 52, § 2 die Regel, wonach Fahrnis nur so lange überlassen und (auch von Todes wegen) vergeben werden kann, als man in der Lage ist „mit Schild und Schwert begürtet, von einem Stein oder Stock, eine Daumenelle hoch, auf ein Pferd zu steigen, ohne Hilfe außer der, dass man den Steigbügel und das Pferd hält. Wenn man dies nicht mehr tun kann, so kann man es weder vergeben noch überlassen oder verleihen, weil man es dadurch jemandem entziehen würde, der bereits darauf wartet, dass es ihm durch unseren Tod zufällt.“26
Dabei handelte es sich freilich um eine Kraftprobe aus dem ritterlichen Leben. Die Glosse zum Landrechtsteil I, Art. 52 Sachsenspiegel ergänzt, dass der Bauer zum Pflügen eines Morgens Land fähig sein musste; die Frau dagegen imstande sein musste, ungeleitet zur Kirche zu gehen, sofern sie dafür eine bestimmte Mindestentfernung zurücklegte (zwanzig Ruten).27 Verfügungen auf dem Totenbett waren somit ungültig, wobei nach und nach Ausnahmen, insbesondere für Verfügungen über jene Vermögensgegenstände gemacht wurden, die der Erblasser noch selbst übergeben konnte.28 Im Laufe der Zeit lockerte man die Anforderungen an die körperliche Gesundheit immer weiter. Bald genügte es, wenn man noch in der Lage war, so lange vor Gericht zu stehen, bis die Vergabung erfolgt war.29 Unter dem Einfluss der Kirche30 und dem sich verbreitenden gemeinen Recht verzichtete man schließlich überhaupt auf die Erprobung der körperlichen Gesundheit als VorDazu Wesener, Geschichte 122 ff. In dem Sinne, dass in früher germanischer Zeit körperliche Tüchtigkeit und Wehrfähigkeit Voraussetzung nicht bloß der Geschäfts-, sondern der Rechtsfähigkeit waren: Planitz, Deutsches Privatrecht 41. 26 Transkription nach der Eckhardtschen Ausgabe des Sachsenspiegels, zitiert nach Seif, ZRG GA 121 (2005) 95. So auch im Deutschenspiegel, I. Landrechtsteil, Art. 49 § 1 und Art. 71 § 11 sowie im Schwabenspiegel, I Landrechtsteil, Art. 52. Dabei handelt es sich um den sog. Vorritt. Vgl. Meder, Rechtsgeschichte 165. Für das Wiener Stadtrecht, nach dem wohl bis ins 14. Jahrhundert hinein die körperliche Kraft Voraussetzung für die Testierfähigkeit war, vgl. Lentze, ZRG GA 69 (1952) 149 f. 27 Vgl. zur Glosse Homeyer, Sachsenspiegel 79. Für den Bauern: „En bur mag it vorgeven als he enen ummeganc plugen mach enis morghe lang“; für Frauen: „en vrue wen si tur kerken gan mach, als si darvan is tvintigh rude.“ 28 Vgl. aus den Quellen Behrend, Magdeburger Fragen 125. In der Literatur Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1 391. 29 Laband, Schöffenrecht 138 (4. Buch, Teil 1 Cap. 37). 30 Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1 391. 24 25
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aussetzung der Verfügungsfähigkeit und stellte somit nur noch auf die (weit weniger leicht feststellbare) geistige Gesundheit zum Errichtungszeitpunkt ab.31 Neben der über lange Zeit geforderten körperlichen Gesundheit war auch in germanischen Rechten stets erforderlich, dass der Verfügende ein bestimmtes Mindestalter erreicht hatte, also mündig (selfmundich) war32 sowie darüber hinaus nicht an einer offenkundigen Geisteskrankheit litt.33 e) Ergebnis: Testierfähigkeit als Selbstbestimmungsfähigkeit Im antiken griechischen und römischen Recht kam es für die Fähigkeit zur Errichtung eines Testaments neben der Mündigkeit wesentlich auf die Freiheit und die geistige Gesundheit des Erblassers an. Dagegen war die physische Gesundheit für die Testierfähigkeit grundsätzlich unerheblich.34 Gewisse körperliche Mindestanforderungen ergaben sich indes auch im römischen Recht bereits aufgrund der Förmlichkeit des Verfügungsakts.35 Das in den germanischen Rechten bis in das späte Mittelalter erhalten gebliebene, vom gemeinen Recht und dem Einfluss der Kirche verdrängte Erfordernis körperlicher Tüchtigkeit entstammte wohl archaischen Vorstellun-
Kleines Kaiserrecht, II. Buch, Art. 36. Dazu Siegel, Erbrecht 140: „Den Grundsatz, dass nur der körperlich Starke des Gutes gewaltig sei, hatte man aufgegeben; offenbar aus dem römischen Rechte war die neue Idee gekommen, dass man ja nicht mit dem Körper, sondern mit dem Geiste gebe.“ 32 Mündigkeit erreichte man bei den Angelsachsen ursprünglich mit 10, bei den Salfranken, Sachsen und süddeutschen Stämmen mit 12, bei den Ribuariern und Ostergmanen mit 15 Jahren. Im Mittelalter wurde das Mündigkeitsalter deutlich angehoben. Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1 382 f.; Planitz, Deutsches Privatrecht 39. Ein Höchstalter, mit dem gar die Rechtsfähigkeit (!) endete, gab es vielleicht nur in ältester germanischer Zeit. So Planitz, Deutsches Privatrecht 39. Im Mittelalter konnte sich derjenige, der „über die Jahre gekommen war“ unter Vormundschaft stellen lassen. Vgl. Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1 389. Dazu aus den Quellen: Sachsenspiegel I Art. 42. 33 Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1 1392: Geisteskranke waren schon nach älterem deutschen Recht unvollkommen handlungsfähig und standen unter Vormundschaft. Ursprünglich fehlte ihnen wohl jede Handlungsfähigkeit: Planitz, Deutsches Privatrecht 41. Nach Sachsenspiegel I Art. 3 fehlte ihnen sogar die Erbfähigkeit, sie waren somit unvollkommen rechtsfähig: „An Schwachsinnige und an Zwerge erstirbt weder Lehen noch Erbe, auch nicht an ein verkrüppeltes Kind. Wer dann die Erben sind und ihre nächsten Blutsverwandten, die sollen sie in ihre Obhut nehmen.“ Transkription nach . 34 Lab. 28.1.2: „In eo qui testatur eius temporis, quo testamentum facit, integritas mentis, non corporis sanitas exigenda est.“ 35 Vgl. etwa das römischrechtliche Testierverbot für Stumme und Taube, das erst später gelockert wurde. Dazu bereits oben Fn. 20. Im antiken griechischen Recht gab es dagegen keine strengen Formvorschriften für Testamente, weshalb auch eine Beschränkung in diesem Sinne nicht existierte. Harrison, The Law Bd. 1 153. 31
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gen eines inneren Zusammenhangs von (Körper-)Kraft und (Rechts-)Macht.36 Letztlich zeigt sich aber auch in dieser verstärkten körperlichen Anforderung bloß, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung noch seiner mächtig sein musste. Er sollte also in der Lage sein, selbstbestimmt, das heißt unabhängig und frei von Dritten für sich zu entscheiden, wie er über sein Vermögen verfügen wollte. Die Kraftprobe der germanischen Rechte kann mithin als ein urtümlicher Maßstab für die Fähigkeit des Erblassers zu selbstbestimmter Entscheidungsfindung angesehen werden. Der Verfügende sollte nicht bloß körperlich in der Lage sein, den strengen Formanforderungen germanischer Rechtsgeschäfte zu genügen, sondern musste darüber hinaus mittels Kraftprobe zeigen, dass ihm noch ein bestimmtes Maß an körperlicher Selbständigkeit und damit Unabhängigkeit verblieb. Dabei erscheint dieses Kriterium der körperlichen Gesundheit auch aus heutiger Sicht nicht gänzlich abwegig, denn wer pflegebedürftig, gebrechlich und hilfsbedürftig ist, befindet sich dadurch unweigerlich in einer Abhängigkeitssituation, die ihn für Fremdbestimmung besonders anfällig macht37 und damit seine selbstbestimmte Entscheidungsfähigkeit gefährdet. Neben der körperlichen Gesundheit musste nach germanischem Recht jedenfalls auch geistige Gesundheit dazukommen, weil Geisteskranke ursprünglich nicht einmal voll rechtsfähig, geschweige denn handlungsfähig waren, und daher niemals gültig verfügen konnten.38 Zusammenfassend lässt sich also dem kurzen Überblick entnehmen, dass dem Erblasser in allen berücksichtigten Rechtssystemen und Rechtsentwicklungsstufen nur insofern Verfügungsfreiheit eingeräumt wurde, als er auch für sich selbstbestimmt und selbstverantwortet Entscheidungen treffen konnte. Dies ergibt sich nicht nur aus dem universellen Erfordernis der Abwesenheit einer Geisteskrankheit (so unterschiedlich diese auch im Einzelnen definiert worden sein mag), sondern auch aus dem Erfordernis eines bestimmten Mindestalters (Mündigkeit), das in den germanischen Rechten noch durch die letztlich die Selbstbestimmungsfähigkeit sichernde körperliche Gesundheit ergänzt wurde.
Rive, Geschichte 162: „Die besondere Natur des altgermanischen Staats- und Rechtslebens giebt aber darüber hinaus der körperlichen Rüstigkeit eine eingreifende Bedeutung. Auf jener Stufe der sozialen Entwickelung und Cultur, in jenem von Gewalt und Noth beherrschten Leben ist der Gebrauch der physischen Kräfte die Bedingung der rechtlichen vollen Geltung und der materiellen Existenz.“ Vgl. dazu auch Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1 390. 37 Vgl. Kerridge, C.L.J. 59 (2000) 310: „The standard vulnerable testator is old and frail.“ 38 Lentze, ZRG GA 69 (1952) 150, wonach die geistige Gesundheit als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. Vgl. zum Status Geisteskranker auch Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1 392. 36
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3. Voraussetzungen der Testierfähigkeit im geltenden Recht Auch im geltenden Recht werden an die Testierfähigkeit im Wesentlichen die erwähnten zwei Anforderungen gestellt. Einerseits muss der Erblasser ein bestimmtes Mindestalter erreicht haben und andererseits muss er selbstbestimmungsfähig sein, mithin über eine gewisse geistige Gesundheit verfügen. Hinzu kommen bestimmte Mindestanforderungen an die körperliche Gesundheit bzw. körperliche Fertigkeiten,39 die allerdings dogmatisch nicht als Voraussetzungen der Testierfähigkeit, sondern als formimmanente Beschränkungen der Testierfreiheit zu qualifizieren sind. Diese körperlichen Mindestfähigkeiten und Mindestfertigkeiten sind daher im Rahmen der Form als Gültigkeitsvoraussetzung erbrechtlicher Verfügungen zu diskutieren. a) Formales Kriterium: Mindestalter aa) Regelung im BGB Hinsichtlich des Mindestalters fordert § 2229 Abs. 1 BGB die Vollendung des 16. Lebensjahres. Der Minderjährige erwirbt ab diesem Zeitpunkt die (unbeschränkte) Fähigkeit, ein Testament zu errichten, ist allerdings hinsichtlich der Wahl der Testamentsform beschränkt, da er nur durch Erklärung oder Übergabe einer offenen Schrift gegenüber einem Notar bzw. unter den Voraussetzungen des § 2249 gegenüber dem Bürgermeister testieren kann. Verwehrt bleiben ihm das privatschriftliche Testament sowie das Dreizeugentestament (§§ 2233 Abs. 1, 2, 2247 Abs. 4, 2249 Abs. 1, 2250 Abs. 1 BGB). Dabei handelt es sich nicht um eine beschränkte Testierfähigkeit.40 Beschränkt wäre diese nämlich nur dann, wenn der Erblasser zur Errichtung einer gültigen Verfügung der Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter oder eines neutralen Dritten (Gericht, Notar) bedürfte. Da dies, abgesehen von evidenten Interessenkonflikten bei den Eltern als gesetzliche Erben,41 mit dem Grundsatz der formellen Höchstpersönlichkeit der Errichtung gemäß 39 „Faktische Testierunfähigkeit“: Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rn. 58; Schlüter/ Röthel, Erbrecht 70. Terminologisch besser erscheint „Testierunmöglichkeit“. Dazu Reimann/Bengel/Mayer6/Voit, § 2229 Rn. 27. 40 Lange, Denkschrift 17: „Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt keine beschränkte Testierfähigkeit. Es stellt neben die Testierfähigkeit nur die Testierunfähigkeit.“ Dies ist offenkundig, denn niemand würde in Bezug auf formpflichtige lebzeitige Rechtsgeschäfte behaupten, dass durch die Einschränkung der Formwahlfreiheit die Geschäftsfähigkeit eingeschränkt werde. Dennoch zuletzt ausdrücklich für das Konzept einer beschränkten Testierfähigkeit ab 16: Löhnig, Testierfähigkeit 231. Ebenso Lange, Erbrecht 51. 41 Aufgrund dieses Interessenkonflikts müsste jedenfalls ein Pfleger gemäß § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB in Verbindung mit § 1796 Abs. 2 BGB bestellt werden, der dann im Interesse des Kindes zu entscheiden hätte. Die Schwierigkeiten, denen sich ein solcher Pfleger bei der Ermittlung dieses Kindesinteresses ausgesetzt sähe, sind evident und aufgrund der mangelnden geistigen Reife des Kindes unüberwindbar.
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§ 2064 BGB nicht vereinbar wäre, kennt das deutsche Erbrecht keine beschränkte Testierfähigkeit.42 Die Beschränkung auf gewisse öffentliche Formen bedeutet keine Beschränkung der Testierfähigkeit, sondern eine Beschränkung der Testierfreiheit des minderjährigen Erblassers (im Besonderen seiner Formwahlfreiheit).43 Die Festsetzung der Mindestaltersgrenze bei 16 Jahren im BGB hat eine merkwürdige Genese, da es den Verantwortlichen weder im Laufe der Vorarbeiten zum BGB noch im Zuge der Reform des Testamentsrechts gelungen ist, diese im Vergleich zur allgemeinen Geschäftsfähigkeit geringere Altersgrenze überzeugend zu rechtfertigen. Die Redaktoren konnten sich nicht einmal auf eine besondere historische Tradition stützen, denn eine solche gab es für die Altersgrenze von 16 im damaligen deutschen Reich nicht.44 Am ehesten wollte man wohl einen Kompromiss zwischen dem gemeinrechtlichen 12./14. und dem landrechtlich verbreiteten 18. Lebensjahr bzw. der Volljährigkeit wählen und fand dafür Unterstützung in Art. 903 franz. C. civ., der indes dem Minderjährigen eine inhaltlich auf die Hälfte des verfügbaren Vermögens beschränkte Testierfreiheit zuerkannte. In den Motiven wurde das Mindestalter von 16 einerseits damit begründet, dass daran auch die ZPO und die StPO die Eidesmündigkeit knüpften,45 andererseits damit, dass „in der Regel mit dieser Altersstufe die geistige Reife erlangt wird, welche zu einer selbständigen und überlegten Willenserklärung erforderlich ist.“46 Die Altersgrenze von 18 existiere nur in wenigen geltenden Rechten und wäre gegenüber den Prozessgesetzen nicht folgerichtig. Ungeklärt blieb dabei freilich, worin genau der besondere, begründungsrelevante Zusammenhang zwischen der Errichtung eines Testaments und der Eidesleistung im Prozess bestand.
42 Lange/Kuchinke, Erbrecht 346; Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rn. 20: „Der Minderjährige, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, ist inhaltlich unbeschränkt testierfähig; er ist bei der Erklärung seiner letztwilligen Verfügung lediglich an bestimmte Formen gebunden (§§ 2233 Abs. 1, 2247 Abs. 4) und auf rechtliche Beratung durch einen unabhängigen und neutralen Amtsträger angewiesen.“ Ebenso MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 7: „Der Minderjährige bedarf zur Errichtung eines Testaments nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (Abs. 2) oder des Vormundschaftsgerichts. Eine ‚beschränkte Testierfähigkeit‘ gibt es eben nicht.“ 43 Diesbezüglich unpräzise etwa Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rn. 3; Herrler, Testament 1474, Palandt/Ellenberger, § 2 BGB Rn. 2, die von „beschränkter Testierfähigkeit“ sprechen. 44 Dieser Regelung entsprachen lediglich das Württembergische Recht, die Holsteinische Verordnung vom 21.2.1782, das Hohenlohesche Landrecht (IV, 1, 2) und der Hessische Entwurf (§ 71). Vgl. Lange, Denkschrift 27 Fn. 1. 45 Die Anknüpfung an die Eidesfähigkeit findet sich auch im österreichischen Recht. Vgl. dazu Klang/Weiß, § 569 ABGB 275. 46 Mugdan V 131 (Motive V S. 249).
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In den Beratungen zum ersten Entwurf wurde denn auch besonders diese Begründung der Anknüpfung an die Eidesmündigkeit als „nicht stichhaltig“ kritisiert.47 Während die Eidesleistung immer einer Vorprüfung der Verstandesfähigkeiten des Minderjährigen unterliege, finde diese Vorprüfung bei der Errichtung eines Testaments gerade nicht statt. Aufgrund der großen Wichtigkeit und „tiefgreifenden Wirkung“ der letztwilligen Verfügung sei es notwendig, „die Testierfähigkeit erst in einem Alter eintreten zu lassen, welches eine gewisse Gewähr dafür biete, dass der Erblasser nicht nur darüber sich klar sei, wer ihm am nächsten stehe, sondern dass er sich wirklich der Tragweite seiner Anordnungen bewusst sei und dass er seine Entschließungen frei von ungehöriger Beeinflussung treffe. Ein Sechzehnjähriger werde die erforderliche Selbständigkeit und die Reife des Urtheiles regelmäßig nicht besitzen.“48
Ungeachtet dieser Bedenken stimmte die Mehrheit für die Beibehaltung der Mindestaltersgrenze von 16 Jahren und begründete dies damit, dass besonders die verheiratete Frau unter 18 vor einer Entbindung ein schützenswertes Interesse an der Errichtung eines Testaments haben könne. Im Übrigen wäre nicht einzusehen, weshalb die „Selbständigkeit des Urtheiles im 18. Jahre so sehr viel größer sein sollte als im 16. oder 17. Jahre.“49 Im Zuge der Reform des Testamentsrechts 1938 nahm der Erbrechtsausschuss die Frage des Mindestalters erneut auf und empfahl, dieses auf 18 heraufzusetzen. 50 Dieser Empfehlung wurde letztlich aber mit den wenig überzeugenden Argumenten nicht gefolgt, dass einerseits keine ungünstigen Erfahrungen mit dem Mindestalter von 16 vorlägen (wohl lagen weder positive noch negative Erfahrungen vor) und andererseits die Ehemündigkeit der Frau bereits mit 16 beginne51 (was eine Festsetzung der Testierfähigkeit mit 16 für alle und unabhängig von einer Ehe freilich auch nicht begründen konnte). Für die Errichtung eines Erbvertrags forderte § 2275 Abs. 1 BGB stets unbeschränkte Geschäftsfähigkeit des Erblassers, sodass ein Erbvertrag erst nach Erreichung der Volljährigkeit geschlossen werden kann. Eine Ausnahme besteht lediglich für den praktisch kaum relevanten Fall von Erbverträgen minderjähriger Ehegatten und Verlobter. Der Erblasser bedarf in diesem Fall der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters bzw. des Familiengerichts (§ 2275 Abs. 2, 3 BGB). bb) Mindestalter im Rechtsvergleich Rechtsvergleichend lassen sich unterschiedlich ausgestaltete Mindestaltersgrenzen für den Erwerb der Testierfähigkeit feststellen. Dabei folgen Rechtsordnungen im Wesentlichen fünf Modellen. 47 48 49 50 51
Mugdan V 691 f. (Protokolle V S. 7151 f.). Mugdan V 692 (Protokolle V S. 7152). Mugdan V 693 (Protokolle V S. 7155). Lange, Denkschrift 30. Amtliche Begründung zum TestG, in Deutsche Justiz 1938, 1254.
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Erwerb mit Volljährigkeit
In einzelnen Rechtsordnungen fällt der Erwerb der Testierfähigkeit mit dem Erwerb der Volljährigkeit zusammen. Dies ist etwa in Italien gemäß Art. 591 Nr. 1 ital. C. civ. der Fall, wo die Testierfähigkeit ausnahmslos mit der allgemeinen Handlungsfähigkeit und somit bei Erreichung des 18. Lebensjahres (Art. 2 ital. C. civ.) erworben wird.52 Auch in den USA53 und in England und Wales gilt der Grundsatz, wonach erst mit Erreichung der Volljährigkeit (18. Lebensjahr) testamentarisch verfügt werden kann.54 Dasselbe gilt in der Schweiz (Art. 467 ZGB)55 und in Polen (Art. 944 ZGB). ii) Erwerb mit Eheschließung Eine weitere Gruppe von Rechtsordnungen lässt die Errichtung von Testamenten bereits ab Eheschließung zu, wenn diese vor Erreichung der Volljährigkeit erfolgen kann: so etwa Frankreich (Art. 413-6 Abs. 1 franz. C. civ.), Luxemburg (Art. 481 lux. C. civ.), Dänemark (§ 62 Arvelov 2007 ), Irland (Succession Act 1975 s. 77), Portugal (Art. 2189 i. V. m. Artt. 122 und 138 port. C. civ.) und Schweden (§ 9.1 Ärvdabalk). iii) Erwerb im Minderjährigkeitsalter mit Beschränkung der Verfügungsfreiheit Unverheiratete Minderjährige sind in verschiedenen Rechtsordnungen zwar schon testierfähig. Ihre Testierfreiheit wird aber zumeist entweder sachlich mit Bezug auf den Umfang des verfügbaren Vermögens (Verfügungsfreiheit) oder förmlich durch Beschränkung der Formwahlfreiheit wie in Deutschland eingeengt. 52 In der ursprünglichen Fassung des ital. C. civ. aus 1942 fand der Erwerb der Volljährigkeit erst mit dem 21. Lebensjahr statt, die Testierfähigkeit erwarb man dagegen gemäß Art. 591 Nr. 1 ital. C. civ. bereits mit Erreichung des 18. Lebensjahres. Durch die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters auf 18 (Artt. 1, 10 Legge 8.3.1975, Nr. 39) wurde diese Diskrepanz beseitigt. 53 Insofern der unverbindliche UPC § 2.501: Who may make a will – An individual 18 or more years of age who is of sound mind may make a will.” Dieses Mindestalter findet sich, soweit ersichtlich, in allen Bundesstaaten der USA wieder. 54 Bis zum Erlass des Wills Act 1837 konnten nach dem über das Kirchenrecht aus dem römischen Recht übernommenen Grundsatz Mädchen ab 12 bzw. Jungen ab 14 testamentarisch verfügen. Vgl. Blackstone, Commentaries II 497. Mit dem Wills Act 1837 s. 7 wurde der Erwerb der Testierfähigkeit auf 21 heraufgesetzt. Diese Altersgrenze wurde mit dem Family Law Reform Act 1969 s. 3(1)(a) wieder auf 18 Jahre herabgesetzt. Vgl. dazu Kerridge, Succession 5-01. Lediglich minderjährige Soldaten und Seeleute in Dienst unterliegen dieser Altersgrenze nicht (Wills Act 1837 s. 11). 55 Übernommen wurde dieses Mindestalter aus den Stadtrechten von Bern, Freiburg, Basel, Schaffhausen und St. Gallen. Vgl. dazu Huber, Erläuterungen 317.
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Sachliche Beschränkungen der Testierfreiheit finden sich besonders in Frankreich (Art. 904 franz. C. civ.) sowie dem Code civil folgend in Belgien (Art. 904 belg. C. civ.) und Luxemburg (Art. 904 lux. C. civ.), wo der mindestens 16-Jährige zwar testamentarisch verfügen darf, sich dabei aber auf die Hälfte seines verfügbaren Vermögens56 beschränken muss. Auch in Schweden darf der mindestens 16-Jährige bereits testieren, allerdings nur beschränkt auf das Vermögen, über das er in seinem Alter bereits lebzeitig verfügen darf (§ 9.1 Ärvdabalk). Eine ähnliche Regelung enthält der dänische § 63 Abs. 2 Arvelov 2007, wonach der mindestens 15-Jährige hinsichtlich seines lebzeitig verfügbaren Vermögens ein Testament errichten darf. In Malta darf der 16Jährige57 schließlich nur jene testamentarischen Verfügungen treffen, die der Abgeltung von Leistungen dienen (remuneratory dispositions), die ihm erbracht wurden (Art. 598 malt. C. civ.). iv) Erwerb im Minderjährigkeitsalter mit Beschränkung der Formwahlfreiheit Einschränkungen der Formwahlfreiheit finden sich für Minderjährige neben Deutschland etwa auch in Österreich, Spanien und in Tschechien. In Österreich kann der 14–18-Jährige nur in der Form eines mündlichen gerichtlichen oder mündlichen notariellen Testaments verfügen (§ 569 ABGB).58 In Spanien setzt Art. 663 span. C. civ. das Mindestalter für die Errichtung eines Testaments mit 14 Jahren fest, erlaubt jedoch die Errichtung eines eigenhändigen Testaments erst ab Volljährigkeit (Art. 688 span. C. civ.),59 sodass der minderjährige Erblasser auf die öffentlichen Testamentsformen (offenes oder geschlossenes Testament) verwiesen ist.60 In Tschechien erwirbt der Minderjährige zwar mit Vollendung des 15. Lebensjahres die Testierfähigkeit, kann aber bis zur Erreichung des 18. Lebensjahres nur mit öffentlicher Urkunde gültig testieren (§ 476d Abs. 2 ZGB, § 1526 neues ZGB). v) Erwerb im Minderjährigkeitsalter ohne Beschränkungen In einzelnen Rechtsordnungen wird überhaupt von Beschränkungen der Testierfreiheit minderjähriger Testierfähiger abgesehen, sodass diese mit Erreichung des gesetzlich vorgesehenen Testierfähigkeitsalters wie Volljährige über ihre Vermögensnachfolge entscheiden dürfen. In Schottland erwerben Erblas56 Gibt es keine Pflichtteilsberechtigten, dehnt sich die Verfügungsfreiheit auf die Hälfte des Gesamtvermögens aus. Anderenfalls ist sie auf die Hälfte des verfügbaren Teils beschränkt. Vgl. Leroyer, Successions 243. 57 Im Jahr 2004 wurde das Mindestalter von 14 auf 16 angehoben. Vgl. Act Nr. XVIIII of 2004 to further amend the Civil Code Art. 51 (a). 58 Die Testierfähigkeit wird dadurch nicht beschränkt. Vgl. Eccher, Erbrecht Rn. 4/17. 59 Dazu Domínguez Luelmo, Testamento 397. 60 Domínguez Luelmo, Testamento 397.
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ser mit 12 Jahren wohl überhaupt am frühesten Testierfähigkeit,61 ohne dass damit die bei Minderjährigen in den meisten Rechtsordnungen üblichen Einschränkungen der Testierfreiheit (etwa hinsichtlich der Form oder des Umfangs) verbunden wären.62 Auch in der Türkei können Minderjährige mit Erfüllung des 15. Lebensjahres testamentarisch verfügen (Art. 502 ZGB) ohne dass sie dafür besondere Einschränkungen der Testierfreiheit hinzunehmen hätten.63 Age of Legal Capacity (Scotland) Act 1991 s. 2(2).64 und den Niederlanden gilt unbeschränkte Testierfreiheit ab 16 (Art. 4:55 Abs. 1 BWB). cc) Mindestalter und Selbstbestimmung Im Folgenden ist nun auf den inneren Zusammenhang zwischen Mindestalter als Voraussetzung der Testierfähigkeit und Selbstbestimmung einzugehen. Insbesondere erscheint die Frage von Interesse, inwiefern in unterschiedlichen Rechtsordnungen das Mindestalter der Sicherung der Selbstbestimmungsfähigkeit des Erblassers dient. Wie die allgemeine Geschäftsfähigkeit durch Mindestaltersgrenzen definiert ist, finden sich solche von der individuellen Reife (Fähigkeit zur „eigenverantwortlichen Willensbildung“)65 des Einzelnen abstrahierten Altersgrenzen zumindest seit dem klassischen römischen Recht auch für die Testierfähigkeit. Während im Falle der Geschäftsfähigkeit die Festlegung von starren Mindestaltersgrenzen der Rechtssicherheit dient,66 geht es im Erbrecht vor allem darum, eine Vermutung im Sinne genügender geistiger Reife aufzustellen, um einerseits sicherzustellen, dass die letztwillige Verfügung Geltung beanspruchen kann und andererseits zu vermeiden, dass in jedem Einzelfall festgestellt werden muss, ob der Erblasser bei der Errichtung des Testaments die Tragweite und Folgen seiner erbrechtlichen Verfügung einsehen konnte. Wer dagegen das gesetzliche Mindestalter noch nicht erreicht hat, gilt in den betrachteten Rechtsordnungen als absolut testierunfähig. Dessen Testament ist aufgrund des praktischen Bedürfnisses nach einer typisierten Lösung selbst dann ungültig, wenn bewiesen werden könnte, dass der Erblasser Age of Legal Capacity (Scotland) Act 1991 s. 2(2). Auch die volle Geschäftsfähigkeit tritt in Schottland vergleichsweise früh bereits mit der Vollendung des 16. Lebensjahres ein. Vgl. Age of Legal Capacity (Scotland) Act 1991 s. 1. 63 Volle Geschäftsfähigkeit wird dagegen gemäß Art. 11 ZGB erst mit 18 erworben. Die ursprünglich bei Mädchen mit 15 und bei Jungen mit 17 vorgesehene Ehemündigkeit wurde mit der Reform des Zivilgesetzbuchs aus dem Jahr 2001 für beide Geschlechter auf 18 erhöht. Lediglich mit Ausnahmegenehmigung kann nun bereits mit 16 geheiratet werden: Art. 124 ZGB. Die frühe Testierfähigkeit blieb dagegen erhalten. 64 Volle Geschäftsfähigkeit tritt seit 1.7.2007 mit Erreichung des 18. Lebensjahres ein (davor 21). Children’s Act 2005 s. 17. 65 MüKo BGB/Schmitt, Vor § 104 Rn. 2. 66 MüKo BGB/Schmitt, Vor § 104 Rn. 9. 61 62
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bereits über die erforderliche Reife verfügte. Hat ein 15-jähriger Sportstar bereits ein beträchtliches Vermögen angehäuft und möchte darüber testamentarisch verfügen,67 dann ist ihm dies nach deutschem Recht ausnahmslos verwehrt, mag er auch im Einzelfall aufgrund seiner geistigen Reife bereits fähig sein, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Die Mindestaltersgrenze im Recht der Testierfähigkeit dient somit in materieller Hinsicht der Sicherstellung der Fähigkeit des Erblassers zur selbstbestimmten Entscheidungsfindung68 und in formaler Hinsicht der Rechtssicherheit69 zur Vermeidung unnötigen Prozessaufwands, der entstünde, wenn in jedem Einzelfall das Vorliegen der materiellen Testierfähigkeitsvoraussetzungen (Verstandesfähigkeit, Fähigkeit zur selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Entscheidung) zu prüfen wäre. Beide Gründe können indes nicht rechtfertigen, weshalb in vielen Rechtsordnungen das Testierfähigkeitsmindestalter unter dem Mindestalter der allgemeinen Geschäftsfähigkeit angesetzt wird. Wenn es nämlich neben der Rechtssicherheit darauf ankommt, dass der Erblasser zu einer selbstbestimmten Entscheidung fähig ist, dann müsste auch für die Errichtung eines Testaments die Volljährigkeit als Mindestalter gelten. Denn die volle Geschäftsfähigkeit tritt mit der Volljährigkeit ab einem Alter ein, ab dem der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Jugendliche typischerweise in der Lage ist, selbstbestimmt und verantwortungsvoll für seine Vermögenssphäre zu entscheiden. Nun kann man im deutschen Recht freilich argumentieren, dass die Volljährigkeitsgrenze nur für belastende (§ 107 BGB) lebzeitige und erbrechtliche
67 Für diese Fälle fordert Muscheler, Erbrecht Bd. 1 849 de lege ferenda die Anwendung der §§ 106 ff., 1629, 1793 BGB und damit die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter, ohne zu bedenken, wie sehr gerade die gesetzlichen Vertreter aufgrund ihrer besonderen Stellung auf den Willen des Minderjährigen einwirken können und wie ungeeignet sie aufgrund ihrer Interessenlage als gesetzliche Erben wären. Eine familiengerichtliche Genehmigung lehnt Muscheler ausdrücklich ab. Zu den hier geäußerten Bedenken vgl. auch Mugdan V 131 (Motive V S. 249): „Würde bestimmt, die Zuziehung des Vormundes oder Pflegers oder des Gewalthabers sei erforderlich, so wäre die freie Willensbestimmung des Verfügenden gefährdet.“ Wenn man, wie Muscheler, de lege ferenda die allgemeinen Geschäftsfähigkeitsbestimmungen anwenden möchte, dann müsste man folgerichtig auch dafür plädieren, dass die Testamentserrichtung als für den Minderjährigen vermögensrechtlich weder nachteiliges noch vorteilhaftes und somit neutrales Geschäft gemäß § 107 BGB zustimmungsfrei ist. Zur Zustimmungsfreiheit bei neutralen Geschäften vgl. Palandt/ Ellenberger, § 107 BGB Rn. 7. 68 Dieser grundlegende Zusammenhang zwischen Testier- und Selbstbestimmungsfähigkeit wird in der Literatur indes nicht immer hinreichend gewürdigt. Vgl. etwa Schlüter/ Röthel, Erbrecht 68, wo das Mindestalter mit dem Interesse der Familie „an verantwortungsvoller Wahrnehmung der Testierfreiheit“ begründet wird. 69 Vgl. Lange, Denkschrift 17, wonach die Rechtssicherheit „gebieterisch“ feste Grenzen verlange.
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Geschäfte (Erbverträge)70 gilt, das Testament aufgrund seiner jederzeitigen Widerruflichkeit den Erblasser aber nicht bindet. Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass die Selbstbestimmungsfähigkeit als Voraussetzung der Testierfähigkeit nicht davon abhängt, ob das Rechtsgeschäft für den Betroffenen nachteilig oder vorteilhaft ist. Der Grundsatz der beschränkten Geschäftsfähigkeit Minderjähriger wird bei lediglich begünstigenden Rechtsgeschäften in § 107 BGB auch nicht deshalb durchbrochen, weil der Minderjährige (zumal der 7-Jährige) hinsichtlich dieser Rechtsgeschäfte voll selbstbestimmungsfähig wäre, sondern weil in diesen Fällen das für die Geschäftsfähigkeitsbeschränkung bedeutende Schutzbedürfnis des noch nicht voll selbstbestimmungsfähigen Minderjährigen fehlt.71 Bei der Errichtung eines Testaments kommt es auf den Schutz des Erblassers vor den Wirkungen seines Testaments nicht an, denn dieses entfaltet für ihn keinerlei Wirkungen.72 Vielmehr geht es allein darum, dass der Erblasser sein Testament selbstbestimmt errichtet hat, er mithin fähig war, eine selbstbestimmte und selbstverantwortete Entscheidung zu treffen.73 Nicht aufgrund seiner Wirkungen für den Erblasser,74 sondern ausschließlich aufgrund der Selbstbestimmung des Erblassers kann das Testament rechtliche Geltung beanspruchen.75 Aus der Zentralität der Selbstbestimmung im Testamentsrecht könnte man folgern, dass man auf eine Altersgrenze gänzlich verzichten sollte,76 um in je70 Für das gemeinschaftliche Testament, das hinsichtlich wechselseitiger Verfügungen nach dem Tod eines Ehepartners ebenso verbindlich werden kann, gelten allerdings keine Sonderregeln, sodass auch hierfür § 2229 BGB anwendbar ist und das Argument, das höhere Lebensalter von 18 sei bei verbindlichen Rechtsgeschäften erforderlich, nicht zu überzeugen vermag. 71 MüKo BGB/Schmitt, § 107 Rn. 2. Zur Schutzfunktion der Geschäftsfähigkeitsregeln vgl. auch Grunsky, Testierfähigkeit 10 f. 72 Vgl. dazu auch Schlüter/Röthel, Erbrecht 68 mit der aus hier vertretener Sicht dogmatisch wenig überzeugenden Schlussfolgerung, es gehe beim Mindestalter des Testierfähigen um den Schutz des Interesses der Familie an einer verantwortungsvollen Verfügung. 73 So auch BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853. 74 Wie etwa das lediglich vorteilhafte Geschäft für den beschränkt Geschäftsfähigen bei lebzeitigen Rechtsgeschäften. 75 Diesen Zusammenhang zwischen Geschäftsfähigkeit und Testierfähigkeit unterschätzt Grunsky, Testierfähigkeit 11, wenn er den Zweck der beschränkten oder mangelnden Geschäftsfähigkeit darauf reduziert, den nicht voll Geschäftsfähigen vor sich selbst zu schützen. Freilich treffen die Wirkungen des Testaments den Erblasser nicht, weshalb er auch nicht vor eigenen Rechtshandlungen geschützt zu werden braucht. Gleichwohl muss ein Akt der Privatautonomie auf einer selbstbestimmten Entscheidung beruhen, um überhaupt als Ausdruck der Persönlichkeitsentfaltung rechtlich bedeutsam zu werden. Geschäfts- und Testierfähigkeit erfüllen diesen Zweck. Sie wollen sicherstellen, dass der Minderjährige zu einer selbstbestimmten Willensäußerung typischerweise in der Lage war. Kritisch dazu auch Schmidt, RabelsZ 76 (2012) 1028–1032. 76 Im Ergebnis so wohl Grunsky, Testierfähigkeit 15 ff.
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dem Einzelfall festzustellen, ob der Erblasser zu selbstbestimmten und selbstverantworteten Entscheidungen fähig war. Allein aus Gründen der Rechtssicherheit und Prozessökonomie sehen Rechtsordnungen stets ein Mindestalter vor, ab dem diese Fähigkeit bis zum Gegenbeweis typischerweise vermutet werden kann. Da der deutsche Gesetzgeber den Erwerb der vollen Selbstbestimmungsfähigkeit im Allgemeinen erst mit der vollen Geschäftsfähigkeit mit 18 annimmt (§§ 2, 106 BGB), müsste dies folgerichtig auch für die Errichtung eines Testaments gelten. Es ist nämlich schlicht widersprüchlich, wenn man, wie im deutschen und vielen anderen Rechtsordnungen, volle Selbstbestimmungsfähigkeit für die Errichtung eines Testaments verlangt,77 diese aber für Testamente früher eintreten lässt als für Erbverträge oder lebzeitige Geschäfte. Das in vielen Rechtsordnungen anzutreffende geringere Mindestalter für die Errichtung von Testamenten78 zeigt deutlich, dass für die Testierfähigkeit weithin nicht dieselbe geistige Reife gefordert wird, wie für die Eingehung verpflichtender Rechtsgeschäfte. In Schottland genügt zum Beispiel die typische Einsichts- und Verstandesfähigkeit eines 12-Jährigen, in Österreich jene eines 14-Jährigen, in der Türkei jene eines 15-Jährigen und in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Südafrika jene eines 16-Jährigen. Dieser Mangel einer voll entwickelten Selbstbestimmungsfähigkeit wird in einzelnen Rechtsordnungen durch Beschränkungen der Formwahlfreiheit und des verfügbaren Vermögens zu kompensieren versucht. Im Erbrecht gelingt eine solche Kompensation über die Form freilich nur bedingt. Die etwa in Deutschland, Österreich, Spanien und mehreren anderen Rechtsordnungen vorgesehene öffentliche Testamentsform trägt zwar dazu bei, dass eine im Moment der Errichtung äußerlich freie Entscheidung zustande kommen kann, und sie unterstützt die selbstbestimmte Willensbildung durch fachliche Beratung und Aufklärung. Ob der Erblasser aber bereits die geistige Reife für eine selbstbestimmte Entscheidung hat, kann letztlich auch durch die öffentliche Beurkundung (trotz allfälliger Prüf- und Aufklärungspflichten des beurkundenden Notars) nicht sichergestellt werden. Lediglich die Gefahr nicht selbst-
77 BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853: „Selbstbestimmung setzt Selbstbestimmungsfähigkeit voraus. Nur wenn der einzelne in der Lage ist, selbstbestimmt zu handeln und im wirtschaftlichen Bereich eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen, können seine letztwilligen Verfügungen grundrechtlichen Schutz beanspruchen. Der einzelne muss demzufolge die für die Testamentserrichtung erforderliche Einsichts- und Handlungsfähigkeit besitzen. An dieser Selbstbestimmungsfähigkeit kann es etwa bei Kindern und Jugendlichen fehlen.“ 78 Vgl. etwa Schottland (12), Türkei (15) und Südafrika (16) ohne weitere Beschränkung der Testierfreiheit; mit formaler oder sachlicher Beschränkung der Testierfreiheit: Belgien (16), Dänemark (15), Deutschland (16), Frankreich (16), Luxemburg (16), Malta (16), Österreich (14), Schweden (16), Spanien (14), Tschechien (15).
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bestimmt zustande gekommener letztwilliger Verfügungen kann durch die Beschränkung der Formwahlfreiheit reduziert werden.79 Die dem französischen Code civil folgenden Rechtsordnungen sehen eine Beschränkung der Testierfreiheit Minderjähriger auf die Hälfte des verfügbaren Vermögens vor. Damit kann der mögliche Mangel an voller Selbstbestimmungsfähigkeit freilich überhaupt nicht kompensiert werden, denn wer über den gesamten Nachlass nicht selbstbestimmt verfügen kann, kann dies auch nicht hinsichtlich einer Hälfte.80 Durch diese Schranke wird lediglich die Gefahr der vollständigen Enterbung der gesetzlichen Erben aufgrund der zweifelhaften Selbstbestimmungsfähigkeit des 16-Jährigen entschärft, und somit dient diese Beschränkung der Testierfreiheit letztlich nicht dem Schutz des Erblassers in seiner selbstbestimmten Entscheidung, sondern dem Schutz seiner gesetzlichen Erben. Das dänische und das schwedische Recht, die auf das verfügbare Vermögen des Minderjährigen abstellen, lassen im Gleichschritt mit den allgemeinen Geschäftsfähigkeitsregeln jedenfalls Verfügungen zu, die der Erblasser auch lebzeitig allein hätte vornehmen dürfen. Dies ist durchaus plausibel (wer zu Lebzeiten über einen bestimmten Vermögensteil frei verfügen durfte, sollte darüber auch von Todes wegen verfügen dürfen), zeigt aber bloß (wie etwa nach § 105a BGB), dass hinsichtlich eines bestimmten sehr beschränkten Vermögens aufgrund der geringen wertmäßigen Relevanz nicht volle Selbstbestimmungsfähigkeit gefordert wird. Letztlich dient auch diese Beschränkung dem Schutz der gesetzlichen Erben, indem sie die verfügbaren Vermögensteile auf einen relativ geringen Wert reduziert. Das maltesische Recht lässt letztwillige Verfügungen eines mindestens 16-jährigen Minderjährigen nur dann und in der Höhe zu, in der sie der Entgeltung erbrachter Leistungen dienen sollen. Damit wird die Testierfreiheit des Minderjährigen so weit eingeschränkt, dass er nur einen bestimmten Zweck verfolgen darf und die Verfolgung dieses Zwecks auch gerichtlich überprüft werden kann (Art. 598 malt. C. civ.). Somit wird der Nachlass also bloß um jene Vermögenswerte verringert, um die er durch Leistungen zu79 So im Ergebnis auch Lange, Denkschrift 33; Lange/Kuchinke, Erbrecht 347: „Der Errichtungsakt steht damit unter der Autorität, Beratung und Warnung des Beurkundenden, so dass pflichtwidrige Testamente von Minderjährigen kaum zu erwarten sind.“ Unzutreffend ist es freilich von „pflichtwidrigen Testamenten“ zu sprechen, denn die Ausübung der Testierfreiheit ist nach dem BGB (im Gegensatz zu § 48 Abs. 2 TestG: Nichtigkeit wegen grober Pflichtverletzung gegenüber Familie oder Volksgemeinschaft) nicht pflichtgebunden. Besser wäre es daher von „nicht selbstbestimmt zustande gekommenen Testamenten“ zu sprechen. 80 So auch die Motive zum ersten Entwurf des Erbrechts, Mugdan V 131 (Motive V S. 248): „Es lässt sich innerlich nicht rechtfertigen, dass Jemand, welcher nicht über seinen ganzen Nachlass verfügen soll, verständig und selbständig genug sei, über die Hälfte zu verfügen.“
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gunsten des Erblassers bereichert wurde. Auch in dieser Regelung zeigt sich, dass letztlich die gesetzlichen Erben vor „unreifen“ Entscheidungen des Minderjährigen geschützt werden sollen, denn diese müssen letztwillige Verfügungen nicht hinnehmen, wenn sie eine angemessene Leistungsabgeltung überschreiten.81 Zusammenfassend ergibt sich somit folgendes Bild: Jene Rechtsordnungen (Schottland, Niederlande, Türkei, Südafrika), die Minderjährigen ohne Beschränkung ihrer Testierfreiheit volle letztwillige Verfügungsbefugnis einräumen, begnügen sich für die Testierfähigkeit offenkundig mit einer geringeren geistigen Reife, als sie für lebzeitige Geschäfte gefordert ist. Dies mag in erster Linie damit zusammenhängen, dass die Wirkungen der letztwilligen Verfügung den Minderjährigen selbst nicht treffen und er insofern keines Schutzes vor eigenen Rechtshandlungen bedarf.82 Dabei gerät aber aus dem Blick, dass eine letztwillige Verfügung nur dann Geltung beanspruchen kann, wenn sie auch Ausdruck des selbstbestimmten Willens des Erklärenden ist. Ob ein 12-, 15- oder 16-Jähriger zu einer solchen selbstbestimmten Willenserklärung bereits ohne weitere Unterstützung in der Lage ist, darf wohl bezweifelt werden.83 Diese Zweifel werden auch durch die Gehirnforschung gestützt. Der für die Handlungsplanung, das Sozialverhalten, das Geschichts- und Zukunftsbewusstsein und entsprechend für Antizipation (Vorhersehen von Konsequenzen einer Handlung), für Denken, Planen und Entscheiden zuständige vordere Teil der Großhirnrinde (präfrontaler Cortex) ist nach jüngeren Erkenntnissen in den Neurowissenschaften jene Struktur des menschlichen Gehirns, die für den Abschluss ihrer Entwicklung am meisten Zeit in Anspruch nimmt und daher erst ab einem Alter von 20–25 Jahren voll ausgereift ist. 84 In der Mehrzahl der betrachteten Rechtsordnungen wird die Testierfähigkeit Minderjähriger wegen der typischerweise noch nicht hinreichend ausgeprägten Selbstbestimmungsfähigkeit durch unterschiedlich tiefgreifende Einschränkungen der Testierfreiheit von außen begrenzt. Während die Beschränkung der Verfügungsfreiheit letztlich lediglich dem Schutz der gesetzlichen Erben dient, die vor einer vollständigen Enterbung durch den testierfähigen Minderjährigen geschützt werden sollen, können Beschränkungen der Formwahlfreiheit durch verpflichtende Beratung und Aufklärung durch den Beur-
Art. 598 Abs. 2 malt. C. civ.: „Nevertheless, where any such disposition, regard being had to the means of the testator and to the services in reward of which it is made, is found to exceed a reasonable amount, it may be reduced by the court to such amount.“ 82 So begründen etwa Brox/Walker, Erbrecht Rn. 90 das geringere Alter im Vergleich zur allgemeinen Geschäftsfähigkeit. 83 Zweifelnd auch MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 8. 84 Roth, Gehirn 161; Michaelis/Niemann, Entwicklungsneurologie 18. 81
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kundenden die selbstbestimmte Willensbildung des Minderjährigen fördern,85 sie aber letztlich auch nicht garantieren. In jenen Rechtsordnungen (England/Wales, Italien, Schweiz, USA), in denen die Testierfähigkeit mit der allgemeinen Geschäftsfähigkeit und somit mit dem Erwerb der vollen Selbstbestimmungsfähigkeit einsetzt, kann man davon ausgehen, dass es dem Gesetzgeber in erster Linie darum ging, eine möglichst selbstbestimmte Entscheidung zu gewährleisten. Wer volljährig und damit in seinen Lebensentscheidungen nicht mehr von seinen Eltern abhängig ist, wird sich grundsätzlich fremden Einflüssen leichter entziehen können, als der unter elterlicher Obhut stehende und somit noch nicht vollends selbständige Minderjährige. Im deutschen Recht stünde das GG einer solchen Gleichsetzung des Mindestalters für die Errichtung eines Testaments mit der Volljährigkeit auch nicht entgegen, 86 denn für den grundrechtlichen Schutz der Testierfähigkeit kommt es letztlich allein darauf an, dass der Erblasser eine voll selbstbestimmte und selbstverantwortete Entscheidung treffen konnte.87 Wenn dies nach allgemeinem Geschäftsfähigkeitsrecht erst mit 18 der Fall ist, dann sollte dies folgerichtig88 auch für die Testierfähigkeit gelten.89 Die Tatsache, dass für erbrecht85 Gerade aus diesem Grund verstößt die Beschränkung auf bestimmte öffentliche Testamentsformen gerade nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG, wie Muscheler, Erbrecht Bd. 1 850 meint. Die Beschränkung der Formen unterstützt nämlich die Ausübung der grundrechtlich geschützten, auf Selbstbestimmung beruhenden Handlungsfreiheit. Die Zustimmung durch den gesetzlichen Vertreter könnte diese Funktion nicht erfüllen, ja wäre im Gegenteil sogar höchst problematisch, weil sie aufgrund des Interessenkonflikts der gesetzlichen Vertreter die Selbstbestimmung des Minderjährigen ernstlich gefährden würde. 86 Dagegen äußern Grunsky, Testierfähigkeit 24 und Muscheler, Erbrecht Bd. 1 849 mit Bezug auf Art. 2 Abs. 2 GG verfassungsrechtliche Bedenken bereits beim gegenwärtigen Mindestalter von 16. Kritisch zu diesem Einwand Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rn. 23. 87 BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853. 88 A. A. Schmidt, Grundlagen der Testierfähigkeit in Deutschland und Europa, RabelsZ 76 (2012) 1041, der argumentiert, dass das höhere Alter im Geschäftsfähigkeitsrecht damit zusammenhänge, dass zum Schutz vor nachteiligen wirtschaftlichen Folgen ein zusätzlicher „Sicherheitspuffer“ vorgesehen sei, der bei der Testierfähigkeit wegen der ausbleibenden lebzeitigen Wirkungen nicht erforderlich sei. Dies würde aber bedeuten, dass im Geschäftsfähigkeitsrecht voll selbstbestimmungsfähigen Personen ab 16 die volle Selbstbestimmung versagt würde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Erwerb der vollen Selbstbestimmungsfähigkeit erst mit 18 angenommen hat und daher erst mit Volljährigkeit volle Geschäftsfähigkeit einräumt, denn erst ab diesem Alter kann der Einzelne im Rechtsverkehr typischerweise auf sich allein gestellt werden. Wenn man für Geschäfts- und Testierfähigkeit dieselbe geistige Reife fordert, dann muss man auch beim selben Mindestalter ansetzen. 89 Dies befürwortet zu Recht Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rn. 25. Für eine Anhebung des Testierfähigkeitsalters auf 18 äußerte sich bereits die hessische Regierung während der Vorarbeiten zum BGB, wenn auch damals das Volljährigkeitsalter bei 21 lag: Mugdan V 692 (Protokolle V S. 7152 ff.) sowie die Erbrechtskommission im Zuge der Ausarbeitung des TestG: Lange, Denkschrift 30: „[Es kann] angenommen werden, dass mit diesem Alter
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liche Verfügungen die Vertretung ausgeschlossen ist, rechtfertigt die Herabsetzung des Mindestalters der Testierfähigkeit nicht, denn für die Geltung der letztwilligen Verfügung kommt es stets auf die Fähigkeit des Erblassers zu einer voll selbstbestimmten Willenserklärung an. Für den Fall der Eheschließung vor Erreichung der Volljährigkeit (§ 1303 Abs. 2 BGB) könnte, ungeachtet der Heraufsetzung des Mindestalters, Testierfähigkeit ausnahmsweise schon früher eintreten. In diesem Fall erfordert nämlich bereits die Zulassung zur Ehe eine eingehende Überprüfung der geistigen Reife durch das Familiengericht. Es ist indes fraglich, ob diese Überprüfung, die im Hinblick auf eine familienrechtliche Entscheidung vorgenommen wird, genügt, um volle Selbstbestimmungsfähigkeit festzustellen. Die „geistige Reife“ für eine Eheschließung muss nämlich nicht notwendig jener geistigen Reife entsprechen, die zur Vornahme vermögensrelevanter Verfügungen erforderlich ist. Im Übrigen darf man bezweifeln, dass es einen tatsächlichen Bedarf dafür gibt, für diese ohnehin marginalen Fälle eine eigene Ausnahmeregelung vorzusehen. b) Materielles Kriterium: Geistige Gesundheit aa) Regelung im BGB Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist derjenige testierunfähig, der „wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.“ Nach herrschender Ansicht entspricht diese Beschränkung der Testierfähigkeit aufgrund mangelnder Einsichts- und Zurechnungsfähigkeit den Beschränkungen der allgemeinen Geschäftsfähigkeit in §§ 104 Nr. 2 und 105 Abs. 2 BGB.90 Der Erblasser soll nicht gültig testieren können, wenn er zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung aufgrund geistiger Insuffizienz nicht zur freien Willensbestimmung in der Lage war.91
der Minderjährige im allgemeinen pflichtbewusst und verständig sein wird. […] In der Heraufsetzung der Testierfähigkeit vom vollendeten 16. auf das vollendete 18. Lebensjahr, erblickt der Erbrechtsausschuss eine wesentliche Gewähr dafür, dass Testamente, die wegen mangelnder Reife bedenklich sind, zurückgedrängt werden.“ Ebenso für eine Heraufsetzung auf 18 Jahre: Ulrich von Lübtow, Erbrecht I (1971) 148 f.; Lange/Kuchinke, Erbrecht 347; MüKo BGB/Hagena, § 2229 BGB Rn. 8. A. A. zuletzt Löhnig, Testierfähigkeit 231, der davon ausgeht, dass die Testierfähigkeit des Minderjährigen als beschränkte Testierfähigkeit entsprechend der beschränkten Geschäftsfähigkeit anzusehen sei. 90 Vgl. Muscheler, Erbrecht Bd. 1 853. In der ursprünglichen Fassung des BGB fehlte eine Sonderbestimmung, weshalb auf die allgemeinen Bestimmungen im Rahmen des Geschäftsfähigkeitsrechts zurückgegriffen wurde. 91 Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rn. 29.
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Es geht also mit dieser Forderung geistiger Gesundheit im Wesentlichen darum, dass der Erblasser bei der Errichtung seines Testaments selbstbestimmungsfähig ist.92 Ein Testament kann nämlich nur dann Geltung beanspruchen, wenn der Erblasser die darin enthaltenen Verfügungen gewollt hat. Verfügungen zu wollen, bedeutet gemäß § 2229 Abs. 4 BGB nicht bloß ihre Bedeutung einzusehen, sondern auch in der Lage zu sein, das eigene Verfügungsverhalten dieser Einsicht entsprechend auszurichten.93 Der Erblasser muss sich also, trotz eventuell vorhandener geistiger Beeinträchtigungen, eine innere Vorstellung seiner Wünsche machen können und diese durch entsprechende Verfügungen unbeeinflusst umsetzen können, insofern über eine entsprechende autonome „Steuerungsfähigkeit“94 verfügen. In der ursprünglichen Fassung des BGB wurde auf eine ausdrückliche Bezugnahme auf dieses materielle Kriterium der Abwesenheit geistiger Insuffizienzen verzichtet. Es verstehe sich von selbst, dass die allgemeine Regel, wonach Willenserklärungen geschäftsunfähiger Personen nichtig sind, auch auf letztwillige Verfügungen anzuwenden sei. Einer nochmaligen Hervorhebung dieses Grundsatzes bedürfe es nicht.95 Lediglich der Bundesrat hatte vor Inkrafttreten des BGB in § 2229 Abs. 3 noch ergänzt, dass der wegen Geisteskrankheit, Verschwendung oder Trunksucht Entmündigte testierunfähig ist. Hinsichtlich natürlicher Geschäftsunfähigkeit (§ 104 Nr. 2 BGB), Bewusstlosigkeit und vorübergehender Störung der Geistestätigkeit (§ 105 Abs. 2 BGB) verließ man sich indes auf die allgemeinen Vorschriften. Mit der Neuordnung des Testamentsrechts außerhalb des BGB wurde für die geistige Gesundheit als materielle Testiervoraussetzung eine eigenständige Regelung geschaffen, die im Wesentlichen die §§ 104 Nr. 2 und 105 Abs. 2 BGB nachbilden sollte, ohne daran inhaltliche Änderungen vorzunehmen.96 Allein sprachlich sollte die Formulierung der entsprechenden Bestimmungen im Vergleich zum BGB verbessert werden. Mit der Reinkorporation des Tes-
92 Reimann/Bengel/Mayer6/Voit, § 2229 Rn. 14, wonach die Kriterien der Testierunfähigkeit verlangen, dass der Testator „in der konkreten Situation nicht in der Lage ist, ein selbstbestimmtes Testament zu errichten.“ Dazu auch BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853. 93 Dies ist auch, was Cicu, Testamento 104 meint, wenn er über die Bedeutung der Testierfähigkeit Folgendes festhält: „Nel diritto privato, in cui la legge riconosce all’ individuo una autonomia nel porre e perseguire degli intenti, attribuire valore giuridico alla dichiarazione di volontà (negozio giuridico) si può solo in quanto si riconosce nel dichiarante l’attitudine a comprendere quale è il proprio (o altrui) interesse ed in quale miglior modo può essere soddisfatto. Alla dichiarazione di volontà può quindi essere riconosciuto valore giuridico solo in quanto sia presupposto nel soggetto un sufficiente grado di intelligenza e di forza di autodeterminazione.“ 94 Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rn. 3. 95 Mugdan V 131 (Motive V S. 249). 96 Vogels/Seybold, Gesetz § 2 Rn. 8.
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tamentsrechts in das BGB97 wurde § 2 Abs. 3 TestG in § 2229 Abs. 4 BGB bis auf die Beispielsangabe „Trunkenheit“ für Bewusstseinsstörungen übernommen und gilt seither parallel zu § 104 Nr. 2 und 105 Abs. 2 für Testamente,98 während für die Errichtung von Erbverträgen die allgemeinen (inhaltlich freilich identischen)99 Regeln zur Geschäftsfähigkeit gelten. bb) Geistige Gesundheit des Erblassers im Rechtsvergleich Die Voraussetzung hinreichender geistiger Gesundheit zur Errichtung eines gültigen Testaments lässt sich als rechtsordnungsübergreifende Konstante feststellen. Was freilich die konkreten Anforderungen an die geistige Gesundheit betrifft, ergeben sich im Einzelnen wesentliche Unterschiede. Dagegen gehen alle betrachteten Rechtsordnungen davon aus, dass ab Erreichung des gesetzlichen Mindestalters Testierfähigkeit vermutet wird. Die unterschiedlichen Anforderungen an die geistige Gesundheit erweisen sich somit als mehr oder minder strenge Anforderungen an den Beweis der Testierunfähigkeit. i)
Deutschland
Nach deutschem Recht ist der Erblasser testierunfähig, wenn er zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht in der Lage ist, „die für und gegen eine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe abzuwägen und sich aus eigener Überlegung, frei von Einflüssen Dritter, ein klares Urteil zu bilden.“100 Nach ständiger Rechtsprechung genügt für die Testierfähigkeit nicht, dass der Erblasser eine allgemeine Vorstellung von der Errichtung eines Testaments und von dem Inhalt seiner letztwilligen Verfügung hat. Vielmehr muss er auch „in der Lage sein, sich über die Tragweite dieser Anordnungen und ihrer Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie über die Gründe, die für und gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen, ein klares Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln“.101
97 Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiet des Bürgerlichen Rechts (5.3.1953, BGBl. I 33). 98 Kritisch dazu, weil diese Parallelbestimmung „unnötige Verwirrung über das Verhältnis von Geschäfts- und Testierfähigkeit“ schaffe Schmidt, RabelsZ 76 (2012) 1028. 99 Eine irrtümliche Prüfung der Testierfähigkeit anstatt der Geschäftsfähigkeit schadet insofern nicht. Vgl. BayObLG 6.3.1996, NJW-RR 1996, 1289. 100 OLG München 14.8.2007, DNotZ 2008, 296. Vgl. auch BayObLG 19.4.2000, FamRZ 2001, 55; FamRZ 2000 701, 703; OLG Frankfurt a.M. 22.12.1997, NJW-RR 1998, 870 = FGPrax 1998, 62. 101 OLG Frankfurt a.M. 5.9.1995, BeckRS 06596 = FamRZ 1996, 635; OLG Hamm 6.10.1988, Rpfleger 1989, 23; OLG Hamm 13.3.1989, OLGZ 1989, 271, 273; BayObLG 31.1.1991, NJW 1992, 248; BayObLG 28.5.1993, FamRZ 1994, 593, 594; OLG Köln 20.12.1993, NJW-RR 1994, 396 = ErbPrax 1994, 232. KG 7.9.1999, NJW 2001, 903; BayObLG 2.10.2002, NJOZ 2003, 78, 81; OLG Hamm 20.5.2003, FamRZ 2004, 659;
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Gegen diese beiden Anforderungen wurde zuletzt Kritik geäußert, da sie einem Pflichtengedanken gegenüber engsten Familienangehörigen entsprängen, die in Anbetracht des Pflichtteilsrechts keine Berechtigung hätten.102 Es mag zwar zutreffen, dass die Einsichtsfähigkeit in die „sittliche Berechtigung“ der Verfügung und ihre „wirtschaftlichen Auswirkungen“ auf die Betroffenen ursprünglich die Pflichtengebundenheit des Erblassers gegenüber seiner Familie zum Ausdruck bringen sollten. Heute können diese Anforderungen aber nur noch so gelesen werden, dass der Erblasser in der Lage sein muss, Verantwortung für seine Verfügung zu übernehmen. Dies kann er nur, wenn er einerseits die in seinem sozialen Umfeld entstandenen oder provozierten Erwartungen Angehöriger und Bekannter (nicht nur der Pflichtteilsberechtigten) zu kennen in der Lage ist und andererseits die Folgen seiner Verfügungen absehen kann. Unter diesem Gesichtspunkt der Fähigkeit zu einer verantwortungsvollen Entscheidung 103 haben diese Anforderungen nach wie vor Aktualität. Wenn der Erblasser nur noch einen Wunsch oder eine Meinung äußern kann, ohne sich dabei der Gründe für und gegen seine Entscheidung bewusst zu sein, liegt Testierunfähigkeit vor, da der Erblasser sich kein selbständiges und damit selbstverantwortetes Urteil mehr bilden kann. In der Rechtsprechung wird daher gefordert, dass sich der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch an Sachverhalte und Ereignisse erinnern, Informationen aufnehmen, Zusammenhänge erfassen und Abwägungen vornehmen können muss, um testierfähig zu sein.104 Die Anforderungen an die geistige Gesundheit des Testierfähigen scheinen somit überraschenderweise jene der allgemeinen Geschäftsfähigkeit zu übersteigen,105 denn nach gefestigter Rechtsprechung ist die Geschäftsfähigkeit nicht ausgeschlossen, wenn der Einzelne unfähig ist, die Tragweite seiner Entscheidung zu verstehen.106 Die hierfür zitierte Rechtsprechung beruft sich durchwegs darauf, dass aufgrund der Nichtanerkennung einer relativen Geschäftsunfähigkeit, es auf die Fähigkeit zum Verständnis der Tragweite des konkreten (besonders schwierigen) BayObLG 17.8.2004, BayObLGZ 2004, 237, 241; BayObLG 9.3.2005, NJW-RR 2005, 1025, 1026 f.; OLG Celle 26.9.2006, ZEV 2007, 127, 128. 102 Kroppenberg, Testierfähigkeit 208 ff. 103 Die Fähigkeit zu einer verantwortungsvollen Entscheidung bedeutet keine Pflicht zu einer verantwortungsvollen Entscheidung, genauso wie das Fehlen der Fähigkeit zur verantwortungsvollen Entscheidung nicht aus einer „verantwortungslosen“ Verfügung abgeleitet werden darf. Es geht ausschließlich um eine präzisere Bestimmung der Mindestanforderungen an die geistigen Fähigkeiten des Erblassers. 104 OLG München 14.8.2007, DNotZ 2008, 296. 105 Kritisch dazu Schmoeckel, Vorwort 7: „Man darf vom Erblasser allerdings nicht mehr Einsicht verlangen, als für ein Rechtsgeschäft unter Lebenden erforderlich wäre.“ 106 Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rn. 16; Kössinger, Testierfähigkeit § 7 Rn. 11 unter Hinweis auf BGH 19.10.1960, NJW 1961, 261 sowie BGH 14.7.1953, NJW 1953, 1342.
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Geschäfts nicht ankommen könne.107 Zum selben Ergebnis müsste man auch hinsichtlich der Testierfähigkeit gelangen,108 da auch dort die Konstruktion einer relativen (nur für leichte Geschäfte bestehenden) Testierfähigkeit abgelehnt werde.109 Die Rechtsprechung scheint aber ungeachtet der Ablehnung einer relativen Testierfähigkeit dennoch in aller Regel zu verlangen, dass der Erblasser seine (spezifische) Anordnung verstanden hat und ihre Tragweite ermessen konnte.110 Eine wesentliche Abschwächung hinsichtlich der geistigen Anforderungen an die Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung hat die Rechtsprechung für den Fall vorgenommen, dass der Erblasser bei der Besprechung über den Inhalt beim Notar noch geistesklar ist, bei der Errichtung am Tag darauf aber bereits an erheblichen Störungen leidet. Der BGH hatte über den Fall einer Erblasserin zu entscheiden, die am Vortag noch bei geistiger Gesundheit ihre Wünsche einem Notar gegenüber geäußert hatte, am selben Abend allerdings einen Schlaganfall erlitt und daher am nächsten Tag der Errichtung unter einer erheblichen Bewusstseinsstörung litt, die ihre Testierfähigkeit ausschloss. In diesem Fall genügte es aber, dass am Tag der Errichtung die Erblasserin den „verlesenen Text verstand, wenn sie erfaßte, daß es sich um ihr Testament handelte, daß bestimmten Personen darin bestimmte Vermögensteile zugewendet werden, und wenn sie 107 „Eine auf besonders schwierige Geschäfte beschränkte Geschäftsunfähigkeit kann daher grundsätzlich nicht anerkannt werden. Demzufolge hat die Rspr. sich durchweg auf den Standpunkt gestellt, daß das bloße Unvermögen, die Tragweite einer Willenserklärung zu erfassen, die Anwendung des § 104 Ziff. 2 BGB nicht begründen könne ([RG 12.1.1911, RG Warn. 1911, Nr. 164; OGHbrZ 12.5.1949, NJW 1949, 544 = OGHZ 2, 45, 54 = NJW 49, 544, 545; OGHbrZ 13.4.1950, OGHZ 4, 66, 70 ff.] und die dort angeführte Rspr.).“ BGH 14.7.1953, NJW 1953, 1342. 108 Kritisch dazu Flume, Allgemeiner Teil 188: „Das Argument der Rechtsunsicherheit kann vollends überhaupt nicht angeführt werden gegen die Anerkennung einer relativen Geschäftsunfähigkeit im Testamentsrecht. Hier zeigt sich aber besonders drastisch die Notwendigkeit, eine relativ beschränkte Geschäftsunfähigkeit anzuerkennen. Da es beim Testament um nichts anderes als um die Verwirklichung des Willens des Testators geht, ist nicht ersichtlich, wie es sinnvoll sein könnte, ein Testament gelten zu lassen, dessen Inhalt der Testator verstandesmäßig nicht erfasst hat, nur weil der Testator einfache Geschäfte noch vornehmen konnte.“ Zur Frage der relativen Testierfähigkeit genauer unten § 4 I.5. 109 Palandt/Edenhofer, § 2229 BGB Rn. 1; Brox/Walker, Erbrecht Rn. 89; OLG München 14.8.2007, ZEV 2008, 37; in aller Regel werden unterstützend Entscheidungen zitiert, die eine relative Geschäftsfähigkeit ablehnen, obwohl gerade im Hinblick auf die Testierfähigkeit die Gründe für die Verneinung einer relativen Geschäftsfähigkeit (insb. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz) nicht überzeugen können. 110 Der Erblasser darf nicht nur allgemeine Vorstellungen von einem Testament haben, sondern muss dazu in der Lage sein, die Folgen der konkreten Erklärungen zu erfassen. Vgl. BGH 29.1.1958, FamRZ 1958, 127, 128; OLG Köln 20.12.1993, NJW-RR 1994, 396 = ErbPrax 1994, 232; OLG Hamm 12.11.1996, FamRZ 1997, 1026, 1027. Vgl. zu dieser Frage ausführlich unten § 4 I.5.
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schließlich dieser Einsicht entsprechend frei darüber entscheiden konnte, ob dieses Testament wirksam werden solle oder nicht“.111
Dass sie zu diesem Zeitpunkt zur selbständigen inhaltlichen Gestaltung ihres Testaments nicht mehr fähig war, wäre es nicht bereits erstellt worden, sei unerheblich.112 ii) Österreich Nach in Österreich herrschender Meinung sind die Anforderungen an die Testierfähigkeit geringer als die für die volle Geschäftsfähigkeit,113 der Beweis zur Überwindung der Testierfähigkeitsvermutung ist somit erheblich erschwert. Dies wird damit begründet, dass der Erblasser durch seine Verfügungen nicht beschränkt wird und dass er sich ferner bei der Äußerung seines letzten Willens nicht vertreten lassen kann. Letzteres gilt freilich in erster Linie im Hinblick auf das im Vergleich zur allgemeinen Geschäftsfähigkeit reduzierte Mindestalter, wonach bereits mit 14 volle Testierfähigkeit eintritt. Was die geistige Gesundheit betrifft, fordert § 565 ABGB für den Testierfähigen zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung „volle Besonnenheit“. Nach ständiger Rechtsprechung schließt trotz des eindeutigen Wortlauts nicht jede geistige Störung die Testierfähigkeit aus. Der Vollbesitz der geistigen Kräfte und die volle Kenntnis der Tragweite der Anordnung sind nach ganz herrschender Rechtsprechung nämlich nicht erforderlich.114 Die Testierfähigkeit entfällt erst bei einer „erheblichen Abschwächung der geistigen Fähigkei-
111 BGH 1.7.1959, NJW 1959, 1822, 1823. Vgl. zu diesem Fall Jörg Mayer, in: Soergel, BGB, 13. A. (2003), § 2229, Rn. 18. Diese Ausnahme gilt freilich nur für die öffentliche Testamentserrichtung und ist auch hier äußerst bedenklich, denn eine Änderung/ Anpassung der Wünsche ist auch beim öffentlichen Testament noch bis zur Unterschrift möglich. Wenn der Erblasser dazu aber aufgrund seines zwischenzeitlich verschlechterten Geisteszustands nicht mehr in der Lage ist, dann liegt offensichtlich Testierunfähigkeit vor. 112 Kritisch dazu Lange/Kuchinke, Erbrecht 346, Fn. 10. 113 In der Rechtsprechung OGH 31.1.2002, 6Ob317/01p; OGH 22.9.2005, 2Ob208/05k. Vgl. in diesem Sinne auch Kralik, Erbrecht 95; Eccher, Erbrecht Rn. 4/19. 114 „Trotz Vorliegens einer Geschäftsunfähigkeit kann nach der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung die Testierfähigkeit unter gewissen Voraussetzungen bejaht werden. Nur eine besonders erhebliche Abschwächung der geistigen Fähigkeiten, die eine Sinnesverwirrung herbeiführt, bewirkt die Testierunfähigkeit.“ OGH 25.11.1999, 6Ob244/99x. „Der Vollbesitz der geistigen Kräfte und die volle Kenntnis der Tragweite der Anordnung sind nicht erforderlich.“ OGH 28.8.1991, 9Ob710/91, NZ 1992, 294; OGH 31.1.2002, 6Ob317/01p. Vgl. aber zuletzt OGH 17.12.2008, 3Ob245/08p, wonach eine seit längerem bestehende Demenz die Testierfähigkeit ausschließt, wenn die Erblasserin „zwar möglicherweise das Bewusstsein, eine letztwillige Verfügung zu errichten“ hatte, ihr „das Wissen über deren Inhalt“ aber fehlte. Die Testierfähigkeitsvoraussetzungen seien im Einzelfall zu prüfen, eine krasse Fehlbeurteilung liege nicht vor.
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ten“,115 die sich darin äußert, dass der Erblasser „aufgrund seiner Sinnesverwirrung zu einer freien Willensentscheidung nicht mehr fähig“ ist.116 Nach ständiger Rechtsprechung mangelt es dem Erblasser daher etwa dann an Testierfähigkeit, „wenn er zwar den Willen hat, ein Testament zu errichten und auch in der Lage ist, den Testiervorgang zu erkennen, die normale Freiheit seiner Willensbildung aber aufgehoben ist.“117 Was dies freilich im Konkreten zu bedeuten hat, bleibt hinter dieser ständig wiederkehrenden (Leer-) Formel versteckt. In positiver Hinsicht wird wiederholt darauf hingewiesen, dass der Erblasser zumindest über die kognitiven und volitiven Fähigkeiten eines 14-Jährigen verfügen müsse,118 wodurch der Grad der tatsächlich geforderten geistigen Reife freilich auch nicht weiter erhellt werden kann. iii) Schweiz In der Schweiz verlangt Art. 467 ZGB neben der Erfüllung des Mindestalters von 18 Jahren auch Urteilsfähigkeit gemäß Art. 16 ZGB. Demnach ist urteilsfähig, wer nicht wegen seines Kindesalters, wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunkenheit oder anderen Zuständen unfähig ist, vernunftgemäß zu handeln. Der Erblasser muss demnach in der Lage sein, den Sinn, die Zweckmäßigkeit und die Auswirkungen seiner Verfügungen zu erkennen.119 Dies gilt bei öffentlichen Testamenten besonders für die Willensbildungsphase. Dagegen werden nach dem Vorbild der deutschen Rechtsprechung geringere Anforderungen an die Urteilsfähigkeit während der Beurkundungsphase gestellt.120 Insgesamt genügt es aber, wenn der Erblasser den konkreten Inhalt Nach älterer Rechtsprechung bedurfte es eines „hohen Grads der Willensbeeinträchtigung“, der den Beispielen in § 566 ABGB a. F. (Raserei, Wahnsinn, Blödsinn oder Trunkenheit) gleichsteht. Vgl. OGH 14.6.1988, 4Ob562/88. 116 Schwimann/Eccher, § 565 ABGB Rn. 8 mit Verweis auf OGH 27.6.1956, 7Ob293/56, JBl 1957, 239; OGH 1.4.1987, 3Ob653/86, JBl 1987, 655; OGH 28.8.1991, 9Ob710/91, NZ 1992, 294; OGH 4.2.1999, 4Ob340/98y, NZ 2000, 215. 117 OGH 27.9.1988, 2Ob609/87 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung; zuletzt OGH 25.3.2003, 1Ob51/03m. 118 OGH 14.10.2003, 1Ob28/03d; OGH 31.1.2002, 6Ob317/01p; OGH 16.12.2008, 8Ob155/08i; OGH 23.2.2011, 3Ob1/11k; OGH 11.5.2011, 3Ob76/11i; OGH 17.1.2012, 4Ob198/11p. Bei dieser in der Rechtsprechung häufig wiederholten Mindestanforderung wird freilich die Bedeutung der Formwahlbeschränkung für die Förderung und Unterstützung der Selbstbestimmungsfähigkeit minderjähriger Erblasser nicht hinreichend berücksichtigt. Bei Volljährigen, die nicht unter Sachwalterschaft stehen (§ 568 ABGB), gelten diese besonderen Formvorschriften nicht. OGH 22.9.2005, 2Ob208/05k. Insofern geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Selbstbestimmungsfähigkeit volljähriger Erblasser robuster ist, als jene minderjähriger Erblasser, die er (außer in Notlagen, § 597 ABGB) zusätzlich durch Beschränkung der Formwahlfreiheit schützen will. 119 BGer 25.3.2009, 5A.12/2009 E. 5.2 mit weiteren Hinweisen auf die Rechsprechung zu den intellektuellen Anforderungen der Testierfähigkeit. 120 BGer 25.3.2009, 5A.12/2009 E. 4.2. 115
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seiner Verfügungen kennt und in der Lage ist, diesen in den Kontext seiner Lebensumstände zu stellen.121 Nach der Rechtsprechung dürfen nämlich „keine überspannten Anforderungen gestellt werden“. Der Erblasser solle schließlich auch „in prekären Situationen physischer oder psychischer Belastung oder Schwäche“ testierfähig sein.122 Sind die Verfügungen eines in seinen geistigen Fähigkeiten beeinträchtigten Erblassers „unvernünftig“, „auffällig“ oder „ungewöhnlich“, dann kann dies nach Schweizer Rechtsprechung ein Indiz dafür sein, dass der Erblasser sich seiner Handlung bzw. ihrer Folgen nicht mehr hinreichend bewusst war und somit testierunfähig war.123 Abhängig von der Komplexität des Testamens stellt die Schweizer Rechtsprechung auch von Fall zu Fall unterschiedlich hohe Anforderungen an den geistigen Zustand des Erblassers.124
Wolf/Setz, Handlungsfähigkeit 38. BGer 25.3.2009, 5A.12/2009 E. 5.3. 123 BGer 16.12.1997, BGE 124 III 5 E. 4.c.cc.: „Zwar kann nicht generell vom Inhalt oder von den Folgen eines Rechtsgeschäftes auf das Vorliegen oder Fehlen der Urteilsfähigkeit der betreffenden Person geschlossen werden. Die Frage, ob eine Verfügung unter dem Gesichtspunkt des verantwortungsbewussten und vernünftigen Handelns für Aussenstehende nachvollziehbar ist, stellt sich nämlich dann nicht, wenn beim Testator weder allgemein noch speziell für die Zeit der Verfügung Zweifel an der Urteilsfähigkeit bestehen; sind hingegen wie im vorliegenden Fall solche Zweifel angebracht, kann die Vernünftigkeit einer Verfügung insoweit bedeutsam werden, als deren Inhalt als Indiz dafür gelten kann, dass sich der Testator seiner Handlung bzw. deren Folgen nicht mehr bewusst war.“ Dazu ausführlich Aebi-Müller, successio 2012, 20 ff. Ähnlich BayObLG 31.1.1991, NJW 1992, 248, 250: „Das Testament selbst gibt seinem Inhalt nach keinen Anhaltspunkt dafür, die Erblasserin habe es im Zustand einer Geistesstörung verfaßt; denn der Testamentsinhalt ist nicht unvernünftig. Die Erblasserin hat neben dem Ordinariat zwei ihr nahestehende Personen bedacht. Gegen eine geistige Störung bei Abfassung des Testaments sprechen auch der Wortlaut und die Form der letztwilligen Verfügung.“ 124 Vgl. z. B. BGer 17.1.2005, 5C.193/2004 E. 2.3.1: „Anordnungen von Todes wegen sind keine typisierten Rechtsgeschäfte, und innerhalb der Kategorie der letztwilligen Verfügungen gibt es solche von unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. Bei einem einfachen Testament sind die Anforderungen an die Verfügungsfähigkeit weniger hoch als bei einer komplizierten Anordnung (Peter Breitschmid, Basler Kommentar, 2. Auflage, N. 13 zu Art. 467/468 ZGB; vgl. auch BGer 23.5.1991, BGE 117 II 231 E. 2a S. 233). Eine komplizierte Verfügung liegt insbesondere dann vor, wenn sie auf komplexen Entscheidungsgrundlagen beruht und schwierig zu beurteilende Auswirkungen hat (Eugen Bucher, Berner Kommentar, N. 90 zu Art. 16 ZGB). Wohl ist ein Testament hinsichtlich seiner Tragweite im Vergleich zu einem sogenannten Alltagsgeschäft regelmässig anspruchsvoll, und der Erblasser wird es sich nicht leicht machen, zum Beispiel einen Erben auf den Pflichtteil zu setzen. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob der Erblasser seine Ziele durch eine komplexe oder einfache Verfügung anzustreben sucht.“ Dazu auch Wolf/Setz, Handlungsfähigkeit 39 f. 121 122
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iv) Frankreich Nach französischem Recht muss der Erblasser geistig gesund (sain d’esprit) sein, um ein gültiges Testament errichten zu können (Art. 489 Abs. 1, insb. Art. 901 franz. C. civ.). Geistige Gesundheit wird vermutet und bedeutet, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung unter keinen Beeinträchtigungen seiner Verstandesfähigkeit, Gedächtnisfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Vernunftgabe leidet, die ihn seiner Willensfähigkeit berauben könnten. 125 Wiederholt wurde in der Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die Geisteskrankheit gemäß Art. 901 franz. C. civ. alle Formen geistiger Beeinträchtigungen umfasst, aufgrund derer die Vernunftgabe des Erblassers oder seine Urteilsfähigkeit gestört sein können.126 Der Erblasser muss mithin in der Lage sein, den Sinn und die Tragweite seines Testaments zu verstehen127 und somit imstande sein, eine klare Entscheidung zu treffen. Strengere Voraussetzungen an die geistige Gesundheit für unentgeltliche Geschäfte und Testamente als für entgeltliche Geschäfte stellte nur das alte französische Recht vor dem Code civil.128 Bei der Feststellung der Testierunfähigkeit spielt vereinzelt auch die „Ungewöhnlichkeit“ bzw. die „Nachvollziehbarkeit“ des Inhalts zumindest als (weiteres) Indiz für das Fehlen der Testierfähigkeit eine Rolle.129 125 Tribunal de Grande Instance de Paris 5.3.1997, Dr. famille 2000, comm. n°14, note Beigner. 126 Cour d’appel de Paris 17.4.2008 (Juris-Data n°361400): „l’insanité d’esprit comprend, au sens de l’article 901 du Code civil, toutes les variétés d’affections mentales par l’effet desquelles l’intelligence du disposant a été obnubilée ou sa faculté de discernement déréglée“. Ebenso Cour d’appel de Rennes 6.5.2008, n° 06/04853. In diesem Sinne auch bereits Cass. civ. 4.2.1941, DA 1941, 113. 127 Cour d’appel de Dijon 13.11.2008, n° 08/00190: „L’article 489 alinéa premier du Code civil, qui a une portée générale, dispose qu’il faut être sain d’esprit pour faire un acte valable mais que c’est à ceux qui agissent en nullité pour cette cause de prouver l’existence d’un trouble mental au moment de l’acte. L’article 901 du même code réaffirme la même exigence de fond dans le domaine spécifique des libéralités. L’insanité d’esprit visée a contrario par ces deux textes s’entend de toute affection mentale suffisamment grave pour priver l’auteur de l’acte de sa capacité de discerner le sens et la portée de l’acte qu’il établit.“ 128 Dazu Malaurie/Aynès, Les successions 162. Nach einer Ordonnance des Kanzlers von Frankreich Henri François d’Aguesseau aus dem Jahr 1731 war für eine Schenkung und ein Testament „une sagesse moins équivoque, une rasion plus eclairée, une volonté plus ferme que pour s’obliger dans un contrat“ erforderlich. 129 Vgl. z. B. den Fall eines Alzheimer Patienten, der seine Pflegerin begünstigt hat. Das Gericht erachtete diese Verfügung nicht als ungewöhnlich: „Attendu que Paul François L… évoque dans son attestation du 16 mars 2007 la satisfaction maintes fois manifestée par Joseph X… quant à l’aide précieuse qui lui apportait au quotidien Madame Ginette Y… pour laquelle il éprouvait une grande affection; que celle-ci ne pouvant être rétribuée par lui à sa juste valeur pour le temps qu’elle lui consacrait, il n’est nullement anormal que Joseph X… ait voulu la dédommager en lui léguant l’appartement dont il était propriétaire par testament olographe confirmé par testament authentique“. Cour d’appel de Bastia 1.2.2012, n° 10/66.
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v) Italien Im italienischen Recht kann derjenige, der aus welchem Grund auch immer zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung dauernd oder vorübergehend einsichts- und willensunfähig ist, kein gültiges Testament errichten (Art. 591 ital. C. civ.). Nach der ständigen italienischen Rechtsprechung genügt es zur Überwindung der Testierfähigkeitsvermutung nicht, wenn bewiesen wird, dass der Erblasser an einer einfachen Störung seiner geistigen und intellektuellen Fähigkeiten litt. Vielmehr muss der Beweis erbracht werden, dass der Erblasser aufgrund einer bleibenden oder vorübergehenden Krankheit oder aufgrund einer anderen Störung zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung vollständig unfähig war, sich der eigenen Handlungen bewusst zu sein oder selbstbestimmt zu handeln.130 Vereinzelt wurde gefordert, dass der Erblasser sich in einem Zustand befinden müsse, der bei Fortbestand eine volle Entmündigung (vollständige Entziehung der Geschäftsfähigkeit gemäß Art. 414 ital. C. civ.) rechtfertigen würde.131 Nach herrschender Rechtsprechung kommt es heute im Wesentlichen aber darauf an, dass der Erblasser sich der Bedeutung seines Handelns bewusst ist und dass er zu einer selbstbestimmten Entscheidung fähig war.132 Bei der Beurteilung dieser Selbstbestimmungsfähigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung auch auf den Inhalt des Testaments, insbesondere auf die Seriosität, Üblichkeit und Kohärenz der Verfügungen Rücksicht zu nehmen.133 vi) Spanien Nach spanischem Recht muss der Erblasser voll urteilsfähig (cabal juicio) sein, damit er ein gültiges Testament errichten kann (Art. 663 Nr. 2 span. C. civ.). Die ständige Rechtsprechung fordert hierfür nicht vollkommene geistige Gesundheit, sondern lediglich durchschnittliche geistige Fähigkei-
130 Zuletzt Cass. 15.4.2010, Nr. 9081, Zacchia 2011, 1, 145; Cass. 11.6.2009, Nr. 13630, Riv.not. 2010, 2, 499: „privo in modo assoluto, al momento della redazione dell’atto di ultima volontà, della coscienza dei propri atti ovvero della capacità di autodeterminarsi“. 131 Cass. 30.1.2003, Nr. 1444, Giust. civ. mass. 2003, 230. Diese Voraussetzung wird traditionell mit Art. 763 Nr. 3 des ersten ital. C. civ. aus dem Jahr 1865 in Verbindung gebracht. Vgl. dazu Gabrielli Commentario/Gambini, Art. 591 C. civ. 216 ff. 132 Mit anderen Worten muss die geistige Beeinträchtigung so weit gehen, dass der Erblasser nicht nur kein Testament mehr errichten kann, sondern überhaupt unfähig ist, die Bedeutung seiner Handlung zu verstehen und willentlich deren Folgen zu akzeptieren. Vgl. dazu mit umfangreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre Venturelli, Capacità 115. 133 Cass. 5.1.2011, Nr. 230, Giust. civ. mass. 2011, 1, 21; Cass. 22.5.1995, Nr. 5620, Giust. civ. mass. 1995, 1046; Cass. 7.7.1978, Nr. 3411, Foro it. 1979, I, 130.
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ten,134 die es dem Einzelnen erlauben selbstbestimmt zu handeln.135 Die Vermutung voller Urteilsfähigkeit des Erblassers kann nur dann überwunden werden, wenn sich eindeutig und schlüssig beweisen lässt, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung über eine dermaßen geschwächte Verstandes- und Willensfähigkeit verfügte, dass er sich seiner Handlungen nicht mehr bewusst war.136 Einfache Vermutungen und indirekte Beweise, wie etwa Krankheit, Demenz, spätere Geschäftsunfähigkeitserklärung oder hohes Alter genügen als Beweis mangelnder Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht.137 Vor allem wenn es sich um ein öffentliches Testament handelt und dieses vor einem Notar errichtet wurde, begründet die gemäß Art. 696 span. C. civ. erforderliche schriftliche Bestätigung der Testierfähigkeit des Erblassers eine besonders robuste Vermutung, die nur bei „besonders vollständigen und überzeugenden“ (muy cumplidas y muy convincentes) Beweisen der Testierunfähigkeit erschüttert werden kann.138 Ergänzend wird für die Feststellung der Testier(un)fähigkeit in vereinzelten Fällen auch auf den Inhalt des Testaments Bezug genommen.139 vii) England Im englischen Recht wendet die Rechtsprechung für die Feststellung der an die Testierfähigkeit gestellten geistigen Mindestanforderungen einen in der Entscheidung Banks v. Goodfellow entwickelten Test an.140 Demnach ist es STS 27.11.1995 [RJ 1995/8717]; dazu auch Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/Rodríguez Guitián, Art. 662 Código civ. Bd. II 262. 135 STS 19.9.1998 [RJ 1998/6399]. 136 STS 27.1.1998 [RJ 1998/394]: „es constante la jurisprudencia que de antiguo y en interpretación de tales preceptos ha establecido: a) que la incapacidad o afección mental ha de ser grave, hasta el extremo de hacer desaparecer la personalidad psíquica en la vida de relación de quien la padece, con exclusión de la conciencia de sus propios actos (Sentencia de 25 abril 1959)“. Vgl. auch ausführlich STS 12.5.1998 [RJ 1998/3570]. 137 STS 12.5.1998 [RJ 1998/3570]. 138 STS 10.4.1987 [RJ 1987/2549]; STS 12.5.1998 [RJ 1998/3570]; STS 24.7.1998, [RJ 1998/5603], STS 27.6.2005 [RJ 2005/9688]. 139 So etwa AP Lugo 26.9.2001 [JUR 2001\318032]: „analizando el texto del testamento, no se aprecia en él ninguna disposición anormal, porque teniendo la causante dos hijas, las instituye herederas, mejorando a una en el tercio estimando por la ley a este efecto, y legándole también el tercio de libre disposición, con lo que la testadora no hace más que hacer uso de las facultades que la ley le concede“. In einem anderen Fall einer Erblasserin, die an weit fortgeschrittener Demenz litt, erklärte das Gericht, dass die eindeutigen medizinischen Gutachten im Sinne einer Testierunfähigkeit auch dadurch bestätigt würden, dass die Erblasserin mit den Begünstigten in keinem besonderen Vertrauens- und Gefühlsverhältnis stand, obwohl in aller Regel genau ein solches Verhältnis eine Verfügung rechtfertige. Audiencia Provincial de las Islas Baleares 17.4.2001 [AC 2002\232]. 140 Banks v. Goodfellow [1870] L.R. 5 Q.B. 549, 565: „It is essential to the exercise of such a power that a testator shall understand the nature of the act and its effects; shall 134
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erforderlich, dass der Erblasser weiß, worum es sich bei einem Testament handelt und welche allgemeinen Wirkungen es entfaltet. Er muss ferner wissen, welchen Umfang das Vermögen hat, über das er verfügt141 und er muss den Inhalt und die Wirkungen seiner Verfügungen verstehen und ermessen können. Dies bedeutet, dass an die Testierfähigkeit für besonders komplexe Testamente höhere Anforderungen gestellt werden.142 Darüber hinaus darf er nicht an geistigen Störungen leiden, die „seine Zuneigungen vergiften, sein Rechtsgefühl verkehren oder die Ausübung seiner natürlichen Fähigkeiten verhindern“. Hinsichtlich dieser letzten Voraussetzung wurde in der Rechtsprechung präzisiert, dass der Erblasser die geistige Gesundheit haben müsse, um Entscheidungen zu treffen, die Vermögen, Personen und Umstände so berücksichtigen, dass er zu einem „rationalen, fairen und gerechten“ Testament gelangen kann.143 Von Bedeutung ist insbesondere die Fähigkeit, sich alle Personen zu vergegenwärtigen, die in der Vergangenheit bedacht wurden oder die vernünftigerweise bedacht werden sollten.144 Fehlt diese Fähigkeit, understand the extent of the property of which he is disposing; shall be able to comprehend and appreciate the claims to which he ought to give effect; and with a view to the latter object, that no disorder of the mind shall poison his affections; pervert his sense of right, or prevent the exercise of his natural faculties – that no insane delusions shall influence his will in disposing of his property and bring about a disposal of it which, if the mind had been sound would not have been made.“ Zur aktuellen Bedeutung dieses Tests in Australien vgl. Purser, 38 UNSW L.J. 38 (2015) 854. 141 Eine detaillierte Kenntnis über einzelne Vermögensgegenstände ist dabei nicht erforderlich: Waters v. Waters [1848] 2 De G.&Sm. 591, 621. 142 Ständige Rechtsprechung. Tchilingirian v. Ouzounian [2003] EWHC 1220 (Ch): „Third, and superimposed on the above complication, it is also the case that the extent of acuity of mind which may be necessary to constitute testamentary capacity is not uniform in all situations. Where the will is complex, or where the family circumstances are complex, or calls upon the testator’s bounty are subtle, a greater degree of understanding on the testator’s part will be required than where the will and the circumstances, are very simple.“ Vgl. auch z. B. Sharp v. Adam [2005] EWHC 1806 (Ch), 209; Singellos v. Singellos [2010] EWHC 2353 (Ch) 147; Brown v. Deacy [2002] WTLR 781, 16. 143 Abbot v. Richardson [2006] WTLR 1567: „given her poor memory it would have been necessary for someone to remind her of the terms of her previous will and ascertain what she wished to do about the beneficiaries thereunder. Nothing of that kind had taken place and consequently L was unable to consider the beneficiaries under her previous will and whether she wished to make any kind of legacies to them. She therefore lacked testamentary capacity.“ Die Unfähigkeit, Personen zu berücksichtigen, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt begünstigt worden waren, wurde auch in einem weiteren Fall als Grund für die Feststellung der Testierunfähigkeit angegeben: Battan Singh v. Amirchand [1948] A.C. 161. 144 Abbot v. Richardson [2006] WTLR 1567 in einem Fall, in dem die Erblasserin die Hausangestellte bedacht hatte, ohne die mit einem früheren Testament Bedachten zu berücksichtigen: „In January 2003 she was able to understand the nature of the act of making a will, but was not able, without assistance, to recollect, understand or focus on all the persons whom she might reasonably wish to benefit and to arrive at a rational decision
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dann mangelt es dem Erblasser an der nötigen geistigen Gesundheit zur Errichtung eines gültigen Testaments. Die Überprüfung dieser Fähigkeit nimmt nicht zuletzt auch auf den Inhalt des Testaments Bezug.145 Mit dem Inkrafttreten des Mental Capacity Act 2005 im Jahr 2007 wird der Banks v. Goodfellow-Test zwar nicht verdrängt, wohl aber für Testamente, die nach seinem Inkrafttreten errichtet wurden, ergänzt.146 Bei der Beurteilung der Testierfähigkeit wird es mithin künftig nicht mehr allein auf das Verstehen, sondern in erster Linie auf die Entscheidungsfähigkeit (Mental Capacity Act 2005 s. 2, 3) des Erblassers ankommen. Um entscheidungsfähig und damit testierfähig zu sein, muss gemäß Mental Capacity Act 2005 s. 3(1) ein Erblasser: 1) die für die Entscheidung erheblichen Informationen147 verstehen;148 2) in der Lage sein, sich diese Information für die Zeit149 der Entscheidungsfindung zu merken; 3) und fähig sein, die Informationen gegeneinander abzuwägen, um sie zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen. Fehlt, trotz aller Formen der Unterstützung (s. 1(3)) eine dieser Fähigkeiten, dann ist der Erblasser nicht entscheidungsfähig und damit nicht testierfähig. Auch eine Person, die etwa aufgrund eines Locked-in-Syndroms150 mit ihrer about which of them she wished to benefit and in what way. It was clear that L wished to leave R a substantial legacy in her will, but given her poor memory it would have been necessary for someone to remind her of the terms of her previous will and ascertain what she wished to do about the beneficiaries thereunder. Nothing of that kind had taken place and consequently L was unable to consider the beneficiaries under her previous will and whether she wished to make any kind of legacies to them. She therefore lacked testamentary capacity.“ 145 Banks v. Goodfellow [1870] L.R. 5 Q.B. 549, 570: „Where insane delusion has once been shewn to have existed, it may be difficult to say whether the mental disorder may not possibly have extended beyond the particular form or instance in which it has manifested itself. It may be equally difficult to say how far the delusion may not have influenced the testator in the particular disposal of his property. And the presumption against a will made under such circumstances becomes additionally strong where the will is, to use the term of the civilians, an inofficious one, that is to say, one in which natural affection and the claims of near relationship have been disregarded.“ 146 In diese Richtung wohl In Re Key [2010] 1 WLR 2020, 2039, wo aber über ein Testament aus dem Jahr 2006 zu entscheiden war, sodass schon zeitlich der Mental Capacity Act keine Anwendung fand. 147 Als solche gelten gemäß Mental Capacity Act 2005 s. 3(4) auch Informationen über die vernünftigerweise vorhersehbaren Folgen einer bestimmten Entscheidung oder einer unterbliebenen Entscheidung. 148 Hierfür genügt es, wenn die relevante Information dem Betroffenen in einer seinen Bedürfnissen entsprechenden Form mitgeteilt werden kann. Vgl. Mental Capacity Act 2005 s. 3(2). 149 Dies kann auch ein sehr kurzer Zeitraum sein. Vgl. Mental Capacity Act 2005 s. 3(3). 150 Patienten mit diesem Krankheitsbild sind zwar bei Bewusstsein und geistig aufnahmefähig, können aber aufgrund vollständiger körperlicher Lähmung nicht durch Sprache oder Gesten mit ihrer Außenwelt kommunizieren.
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Außenwelt nicht kommunizieren kann, ist nach Mental Capacity Act 2005 s. 3(1)(d) nicht entscheidungsfähig und damit testierunfähig. Dies gilt allerdings nur, wenn überhaupt keine Kommunikation möglich ist. Kann der Betroffene zumindest durch Augenbewegungen Ja oder Nein signalisieren bzw. auf „und“ und „oder“ Fragen antworten, ist er nicht kommunikationsunfähig151 und somit grundsätzlich entscheidungsfähig. Im englischen Recht muss zur Testierfähigkeit noch „knowledge and approval“ hinzukommen. Auf die Fähigkeit, eine bereits getroffene Wahl zu verstehen und mit dieser einverstanden zu sein kommt es besonders dann an, wenn die Anweisungen über den Inhalt des Testaments zeitlich der Errichtung (execution) vorausgehen und die geistige Gesundheit des Erblassers sich in der Zwischenzeit verschlechtert. In diesem Fall ist bei der Errichtung nicht mehr erforderlich, dass der Erblasser noch in der geistigen Verfassung ist, selbständig eine Wahl zu treffen oder dass er sich an Einzelheiten der Verfügung erinnert. Vielmehr genügt es, wenn er weiß, dass es sich um seine Anweisungen handelt und dass er diese erkennt und bestätigt.152 cc) Zwischenergebnis Eine konkrete Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Standards für Mindestanforderungen an die geistige Gesundheit des Erblassers lässt sich allein aus allgemeinen, positiven Definitionen der Testierfähigkeit nicht herstellen. Aufgrund der Testierfähigkeitsvermutung kommt es nämlich weniger darauf an, welche geistigen Fähigkeiten positiv vorhanden sein müssen, als vielmehr darauf, welche Fähigkeiten dem Erblasser keinesfalls fehlen dürfen. Logisch betrachtet dürfte sich daraus kein Unterschied ergeben, denn die positiv formulierten Anforderungen an die geistige Gesundheit des Erblassers müssten gleichzeitig auch Mindestvoraussetzungen der Testierfähigkeit sein. In der Gerichtspraxis zeigt sich allerdings, dass zum Erhalt des Testaments (favor testamenti) die Mindestanforderungen an die geistige Gesundheit häufig hinter den gesetzlich geforderten positiven Voraussetzungen der Testierfähigkeit zurückbleiben. Wenn etwa in Österreich § 565 ABGB fordert, dass der Wille des Erblassers „im Zustande der vollen Besonnenheit“ erklärt werden muss, dann erscheint es angesichts dieses Wortlauts des Gesetzes geradezu widersprüchlich, wenn die Rechtsprechung nur dann auf Testierunfähigkeit erkennen will, wenn dem Erblasser das Verständnis des Inhalts seiner letztwilligen Verfügung „zur Gänze“ fehlt. Nach der Rechtsprechung des OGH bedarf es einer „erheblichen Abschwächung der geistigen FähigkeiExplanatory Notes zu Mental Capacity Act 2005 s. 3, Rn. 27, . 152 Zu diesem Kriterium ausführlich Perrins v. Holland and others [2011] Ch 270, 286D ff. Mit dieser Entscheidung wurden die Grundsätze der Entscheidung Parker v. Felgate [1883] LR 8 P.&D. 171 bestätigt. 151
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ten“,153 die sich darin äußert, dass der Erblasser „aufgrund seiner Sinnesverwirrung zu einer freien Willensentscheidung nicht mehr fähig“ ist.154 Ähnlich verfahren auch die Schweizer und die spanische Rechtsprechung. Das Schweizer ZGB verlangt zwar Urteilsfähigkeit (Art. 467 i. V. m. Art. 16 ZGB), der Rechtsprechung genügt es aber, wenn der Erblasser den konkreten Inhalt seiner Verfügungen kennt. Es dürften nämlich „keine überspannten Anforderungen gestellt werden“, weil der Erblasser schließlich auch „in prekären Situationen physischer oder psychischer Belastung oder Schwäche“ testierfähig sein solle.155 Auch im spanischen Recht verlangt Art. 663 Nr. 3 span. C. civ. volle Urteilsfähigkeit (cabal juicio). Die Rechtsprechung will allerdings erst dann auf Testierunfähigkeit erkennen, wenn sich eindeutig und schlüssig beweisen lässt, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung über eine dermaßen geschwächte Verstandes- und Willensfähigkeit verfügte, dass er sich seiner Handlungen nicht mehr bewusst war.156 Der gesetzliche Standard (volle Urteilsfähigkeit) weicht somit deutlich von dem in der Rechtsprechung geforderten Standard (bloßes Bewusstsein) ab. Das italienische Recht stellt bereits im Gesetz sehr geringe Anforderungen an die Testierfähigkeit des Erblassers. Gemäß Art. 591 Nr. 3 ital. C. civ. sind nämlich nur jene Erblasser testierunfähig, die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung auch vorübergehend einsichts- und willensunfähig waren. Zu beweisen ist nach der italienischen Rechtsprechung somit, dass der Erblasser vollständig unfähig war, sich der eigenen Handlungen bewusst zu sein oder selbstbestimmt zu handeln.157 Eine wesentliche Einschränkung dieser Fähigkeiten schadet somit nicht. Strengere Voraussetzungen scheinen dagegen im deutschen, englischen und französischen Recht zu gelten. Wer nach deutschem Recht nur noch einen Wunsch oder eine Meinung äußern kann (Bewusstsein über die Verfügung), ohne sich dabei der Gründe für und gegen seine Entscheidung bewusst zu sein, ist testierunfähig. Er kann nämlich kein selbständiges Urteil mehr bilden, sein Handeln somit nicht entsprechend seiner Einsicht steuern (§ 2229 Es bedarf eines „hohen Grads der Willensbeeinträchtigung“, denn nur eine „besonders erhebliche“ Abschwächung der geistigen Fähigkeiten, die eine Sinnesverwirrung herbeiführe, bewirke Testierunfähgikeit. OGH 25.11.1999, 6Ob244/99x. Dazu Koziol/ Bollenberger/Bydlinski/Apathy, § 566 ABGB Rn. 1. 154 Schwimann/Eccher, § 565 ABGB Rn. 8 mit Verweis auf OGH 27.6.1956, 7Ob293/56, JBl 1957, 239; OGH 1.4.1987, 3Ob653/86, JBl 1987, 655; OGH 28.8.1991, 9Ob710/91, NZ 1992, 294; OGH 4.2.1999, 4Ob340/98y, NZ 2000, 215. 155 BGer 25.3.2009, 5A.12/2009 E. 5.3. 156 STS 12.5.1998 [RJ 1998/3570]. 157 Zuletzt Cass. 15.4.2010, Nr. 9081, Zacchia 2011, 1, 145; Cass. 11.6.2009, Nr. 13630, Riv. not. 2010, 2, 499: „privo in modo assoluto, al momento della redazione dell’atto di ultima volontà, della coscienza dei propri atti ovvero della capacità di autodeterminarsi“. 153
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Abs. 4 BGB). Nach englischem Recht genügt es nicht, wenn der Erblasser weiß, welche Wirkungen sein Testament hat und über welches Vermögen er verfügt. Er muss darüber hinaus noch in der Lage sein, sich alle Personen zu vergegenwärtigen, die einen berechtigten Anspruch auf den Nachlass erheben könnten. Sowohl im deutschen als auch im englischen Recht sind diese Fähigkeiten aber nur für den Zeitpunkt der Testamentsgestaltung erforderlich, bei der reinen Beurkundung eines bereits geäußerten Willens lässt die Rechtsprechung dagegen auch bloßes Bewusstsein darüber genügen, dass es sich um die eigene Verfügung handelt. In Frankreich wird im Gesetz zwar ohne Einschränkungen „geistige Gesundheit“ vorausgesetzt (Art. 489 Abs. 1 franz. C. civ.). Dies bedeutet nach französischer Rechtsprechung jedoch nicht, dass der Erblasser keine geistige Krankheit haben darf. Er muss aber, ähnlich wie in Deutschland und in England, trotz einer eventuellen Krankheit, Inhalt und Tragweite seiner Verfügung noch verstehen, und imstande sein, eine klare Entscheidung zu treffen. Im Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass nach österreichischem, Schweizer, spanischem und italienischem Recht ein Erblasser erst dann testierunfähig ist, wenn er nicht einmal mehr seine Verfügungen kennt bzw. sich dieser nicht mehr bewusst ist. Nach deutschem, englischem und französischem Recht tritt Testierunfähigkeit dagegen schon dann ein, wenn ein tatsächliches Verstehen der Gründe und der Tragweite der Verfügungen bei der inhaltlichen Festlegung der letztwilligen Verfügung nicht mehr möglich ist. Ob diese Unterschiede in der Definition der Testierfähigkeit auch tatsächlich Bestand haben, lässt sich anhand der konkreten Beurteilung ähnlicher geistiger Beeinträchtigungen in den betrachteten Rechtsordnungen überprüfen. Im Folgenden ist daher auf altersbedingte Einschränkungen der geistigen Gesundheit einzugehen, die sich auf die Testierfähigkeit auswirken können. dd) Alterstypische Beeinträchtigungen In den betrachteten Rechtsordnungen herrscht Einigkeit darüber, dass die bloß graduelle Abnahme der geistigen Fähigkeiten (etwa der Merkfähigkeit) oder die Minderung der körperlichen Verfassung durch den Alterungsprozess nicht zur Testierunfähigkeit führen können. So schließt nach ständiger österreichischer Rechtsprechung die bloße Abnahme der geistigen Kräfte oder der Wahrnehmungsfähigkeit die Testierfähigkeit nicht aus. 158 Auch nach deutschem Recht genügen bloße Alterserscheinungen als Anzeichen oder gar 158 OGH 14.10.2003, 1Ob28/03d fordert für die Testierunfähigkeit „eine über die möglicherweise bloß infolge des fortgeschrittenen Alters eingetretene Abnahme hinausgehende massive Abschwächung der geistigen Fähigkeiten“. Mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung Eccher, in: Schwimann, ABGB, 2013, § 565, Rn. 8. So bereits Zeiller, Commentar Bd. 2/2 § 569 ABGB 444: „Hohes Alter, wenn nicht bewiesen wird, dass es mit Blödsinne verbunden ist, hindert nicht die Testierungs-Fähigkeit.“
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Beweis für die Testierunfähigkeit des Erblassers nicht.159 Nach Schweizer Recht wird die Vermutung der Testierfähigkeit nicht umgekehrt, wenn „ein Erblasser im fortgeschrittenen Alter nur gebrechlich, gesundheitlich angeschlagen und zeitweise verwirrt ist“, „lediglich Absenzen infolge eines Hirnschlags hat“ oder „bloss an altersbedingten Erinnerungslücken leidet“.160 Auch im französischen Recht genügen bloßes hohes Alter und alterstypische Gebrechlichkeit nicht, um die Testierfähigkeit auszuschließen, solange noch eine selbständige Entscheidung bei klarem Verstand möglich ist.161 Dasselbe gilt auch für das italienische Recht. Nach der klassischen Formulierung in der Rechtsprechung der Corte di Cassazione162 schließt nicht jede einfache Abweichung oder Veränderung der geistigen Fähigkeiten des Erblassers die Testierfähigkeit aus. Vielmehr muss der Beweis erbracht werden, dass sich der Erblasser aufgrund einer bleibenden oder vorübergehenden Krankheit oder aus einem anderen Grund zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments seiner Handlungen absolut nicht bewusst war oder zu einem selbstbestimmten Handeln unfähig war.163 Bloße körperliche Gebrechen, die so weit gehen Dazu Kössinger, Testierfähigkeit § 7 Rn. 8. BayObLG 7.9.2004, NJOZ 2005, 1070, 1071 f. (mittelgradige vaskuläre Demenz der Erblasserin): „Das Gesetz verbindet danach nicht mit jeder Geisteskrankheit oder -schwäche die Testierunfähigkeit, sondern sieht die Fähigkeit des Erblassers, die Bedeutung der letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Entscheidung von normalen Erwägungen leiten zu lassen, als maßgebend an. Eine geistige Erkrankung des Erblassers steht der Gültigkeit seiner letztwilligen Verfügung nicht entgegen, wenn diese von der Erkrankung nicht beeinflusst ist.“ Zuletzt zu den Anforderungen an die Feststellung einer Testierunfähigkeit wegen vaskulärer Demenz vgl. OLG Düsseldorf, 15.6.2015, FamRZ 2015, 2088. 160 BGer 25.3.2009, 5A.12/2009 E. 2.2 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung. Zur Urteilsfähigkeit im „Greisenalter“ auch Basler Kommentar/Bigler-Eggenberger, Bd. I Art. 16 ZGB Rn. 22. 161 Vgl. etwa Cass. civ. 1ère 25.3.2009, n° 08-11.237, unveröffentlicht: demnach genügte es zum Beweis der Testierunfähigkeit nicht, dass die Erblasserin wenige Tage vor ihrem Tod in altersschwachem Zustand im Altersheim testiert hatte. In jüngerer Zeit etwa Cour d’appel de Bastia 1.2.2012, n° 10/66, unveröffentlicht: „Attendu que le premier juge a à juste raison estimé que l’insanité d’esprit de Joseph X […] n’était pas caractérisée lorsqu’il a testé, malgré la maladie d’Alzheimer dont il avait commencé à souffrir mais qui ne l’avait jamais conduit à cesser d’utiliser son véhicule automobile ni à être hospitalisé dans un établissement psychiatrique ou de santé spécialisé dans le traitement de cette maladie.“ Vgl. auch die Hinweise bei Henry, Méga Code Civil, Art. 901 Rn. 101. 162 Zuletzt Cass. 15.4.2001, Nr. 9081, Zacchia 2011, 1, 146; Cass. 18.4.2005, Nr. 8079, Riv.not. 2006, 2, 559; Cass. 24.10.1998, Nr. 10571, Riv.not. 1099, 1033. 163 Für die Testierunfähigkeit verlangt Trib. Milano 25.11.2010, Giur.merito 2011, 5, 1258 eine gesundheitliche Verfassung, die eine bewusste und freie Selbstbestimmung absolut ausschließt, wobei es nicht genügt, dass der normale Willensbildungs- und Willensäußerungsprozess aufgrund des Alters oder schiere Krankheit verändert oder gestört ist: „uno stato psicofisico tale da sopprimere in modo assoluto l’attitudine a determinarsi coscientemente e liberamente non essendo sufficiente che il normale processo di formazio159
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können, dass der Erblasser nicht einmal mehr zur Unterzeichnung eines notariellen Testaments in der Lage ist, berühren die Testierfähigkeit grundsätzlich nicht.164 Spanische Gerichte lassen bloße alterstypische Beeinträchtigungen der Denkfähigkeit (insbesondere die Beeinträchtigung der Merkfähigkeit, beginnende Demenz)165 ebenfalls nicht genügen, um die Testierfähigkeit des Erblassers auszuschließen.166 Mag der Banks v. Goodfellow-Test zur Feststellung der Testierfähigkeit auch streng erscheinen, die englische Rechtsprechung verlangt dennoch nicht volle geistige Gesundheit. Durch das Alter auftretende leichtere geistige Beeinträchtigungen schließen die Testierfähigkeit des Erblassers jedenfalls noch nicht aus.167 In Bezug auf alterstypische Gebrechlichkeiten zeigt sich somit eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen den untersuchten Rechtsordnungen. Alterserscheinungen, wie Vergesslichkeit, beschränktes Erinnerungsvermögen, Beeinträchtigungen des Orientierungssinns etc., können für sich allein die Vermutung der Testierfähigkeit noch nicht umstoßen. Es hängt aber vom Grad dieser Alterserscheinungen ab, ob sie noch als bloße alterstypische Abnahme der geistigen Fähigkeiten gelten können oder, je nach Rechtsordnung, bereits die Testierfähigkeit ausschließen. Die erwähnte grundsätzliche Übereinstimmung zwischen den betrachteten Rechtsordnungen besteht daher nur insofern, als nicht jede altersbedingte Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten zum Ausschluss der Testierfähigkeit führt. Volle Besonnenheit oder volle geistige Gesundheit werden mithin, trotz des Gesetzeswortlauts in einzelnen Rechtsordnungen, grundsätzlich nicht gefordert. Damit wird freilich auch dem Umne ed estrinsecazione della volontà sia in qualche modo alterato o turbato per ragioni di età o per grave malattia.“ 164 So zuletzt Cass. 25.3.2011, Nr. 6978, Nuova giur.civ.comm. 2011, I, 1030: Der Erblasser war in einem Pflegeheim in der Abteilung schwerer Pflegefälle untergebracht, hat sich von Zeit zu Zeit auf den Boden geworfen und geschrien und war aufgrund seiner körperlichen Schwäche bei der Errichtung des Testaments vor einem Notar, der eigens in das Pflegeheim gerufen worden war, nicht mehr in der Lage, das Testament zu unterzeichnen. Der Sachverständige, der erst im Zuge des Verfahrens mit dem Fall bekannt gemacht wurde, konnte neben der körperlichen Krankheit keine Beeinträchtigungen der Selbstbestimmungsfähigkeit feststellen. Die Corte di Cassazione erachtete die Wertung des Berufungsgerichts zwar als fragwürdig, aber nicht als offensichtlich unlogisch. Das Testament wurde schließlich in seiner Gültigkeit bestätigt. 165 STS 26.4.1995 [RJ 1995/3256]. 166 STS 25.10.1928 [JC 185, Nr. 132, 532 ff.] (der Erblasser war geschwächt, melancholisch und körperlich gebrechlich); STS 27.1.1998 [RJ 1998/394] (die Erblasserin hatte in bestimmten Momenten ihren Vater und ihre Mutter erwähnt und war in einem Anfangsstadium seniler Demenz); STS 12.5.1998 [RJ 1998/3570] (Erblasserin, die in hohem Alter testierte und zweieinhalb Jahre danach wegen Altersdemenz für geschäftsunfähig erklärt wurde und bald darauf verstarb). Vgl. Rodríguez Guitián, Capacidad 32 ff.; Medina Alcoz, RDP 2011, 80 ff. 167 MacClintock v. Calderwood [2005] EWHC 836 (Ch); Ewing v. Bennett [2001] WTLR 249.
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stand Rechnung getragen, dass Testamente häufig gerade von Personen errichtet werden, die sich bereits in fortgeschrittenem Alter befinden und entsprechende altersbedingte Beeinträchtigungen der geistigen Gesundheit daher regelmäßig vorkommen. Es soll also vermieden werden, dass die Gültigkeit von Testamenten dieser Erblasser in fortgeschrittenem Alter wegen alterstypischer Krankheiten generell in Frage gestellt wird. ee) Demenz und lichte Augenblicke Wie gravierend altersbedingte Beeinträchtigungen der geistigen Gesundheit sein müssen, bis sie die Testierfähigkeit ausschließen, lässt sich aus der Rechtsprechung zur Errichtung von Testamenten durch Demenzkranke ersehen. Die meisten Fälle von Testierunfähigkeit sind nämlich auf ein Demenzsyndrom zurückzuführen.168 Nach den international anerkannten Kriterien zur Einordnung von Krankheiten der WHO169 ist Demenz ein Syndrom, das aufgrund einer in aller Regel chronisch-progredienten organischen Gehirnkrankheit170 auftritt und somit unterschiedliche Schweregrade171 durchläuft. Dabei kommt es zu Störungen mehrerer erworbener höherer Gehirnleistungen, insbesondere des Erinnerungsvermögens, des Denkvermögens, des Orientierungssinns, des Verstandes, der Rechenfähigkeit, der Lernfähigkeit, der Sprachfähigkeit und des Urteilsvermögens. Das Bewusstsein ist von der Demenzkrankheit nicht betroffen, kann aber etwa durch ein dazukommendes Delirium172, durch Halluzinationen und Depressionen beeinträchtigt sein. Mit der Störung der kognitiWetterling, ErbR 2010, 347. Zuletzt zu Demenz und Testierfähigkeit Schmoeckel, NJW 2016, 433. 169 ICD-10, Chapter V, F00-F03: abrufbar unter . Zu dieser Klassifikation vgl. Cording, ZEV 2010, 116. 170 Hauptursache für Demenz ist mit ca. 60 % die Alzheimer Krankheit. Weitere 20 % der Demenzen sind durch Gefäßstörungen im Gehirn verursacht (vaskuläre Demenz). Die restlichen Fälle von Demenz können aufgrund einer Vielzahl unterschiedlicher Krankheiten auftreten, die in ihrem Verlauf auf das Gehirn übergreifen (etwa Parkinson, CreutzfeldJakob, HIV etc.). Wetterling, ErbR 2010, 347. 171 Diese Schweregrade werden durch unterschiedliche Verfahren ermittelt, in der Forschung insbesondere durch das sogenannte Clinical Dementia Rating (CDR). Eine Demenz von CDR 0,5–1 ist schwach, während sie bei CDR 2 mittelgradig und bei CDR 3 schwer ist. Der Wert wird durch ein Interview sowohl des Betroffenen als auch einer Kontrollperson erhoben. Dabei werden kognitive Funktionen (Merkfähigkeit, Orientierungsfähigkeit, Urteilsvermögen und Problemlösungsfähigkeit) und funktionale Fähigkeiten (soziale Fähigkeiten, Hausarbeit und Freizeitgestaltung sowie persönliche Pflege) überprüft. Vgl. Morris, Neurology 43 (1993) 2412 ff. Zuletzt Cedarbaum/Jaros/Hernandez et al., Alzheimer’s & Dementia 9 (2012) 1 ff. 172 Delirien sind, im Gegensatz zur Demenz, zeitlich begrenzte globale Hirnfunktionsstörungen, die mit erheblichen Bewusstseinsstörungen einhergehen. Wetterling, Auffälligkeiten 37. 168
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ven Funktionen geht in aller Regel eine Abnahme der Affektkontrolle, des Sozialverhaltens und des Antriebs einher. Die typischen Symptome der Demenz sind, abhängig von ihrem Schweregrad, dazu geeignet, eine selbstbestimmte Willensbildung wesentlich zu beeinträchtigen bzw. gänzlich auszuschließen.173 Die deutsche Rechtsprechung ist allerdings sehr zurückhaltend, was die Annahme einer Testierunfähigkeit aufgrund eines bestimmten Schweregrads einer diagnostizierten Demenz betrifft.174 Auch eine mittelschwere und von Wahnvorstellungen begleitete Demenz des Erblassers soll grundsätzlich nicht ausreichen, um die Testierfähigkeit auszuschließen.175 Solange die medizinische Möglichkeit von Fluktuationen der Gedächtnisleistungen (luzide Intervalle)176 beim Erblasser nicht 173 Zu den Auswirkungen im Einzelnen Cording, ZEV 2010, 117 ff.; Wetterling, Auffälligkeiten 33 ff. 174 Vgl. für einen Fall, in dem eindeutig Testierunfähigkeit wegen Demenz (Alzheimer) festgestellt wurde: OLG München 22.10.2014, FamRZ 2015, 689. Dagegen vermittelt etwa Schmoeckel, NJW 2016, 433 ff. den Eindruck, es würde zu leichtfertig (und in blindem Vertrauen auf die Psychiatrie) auf Testierunfähigkeit erkannt. 175 OLG Jena 4.5.2005, NJW-RR 2005, 1247, 1248. Hierbei handelt es sich allerdings bloß um ein obiter dictum in einem Fall, in dem der Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht ermittelt werden konnte und trotz der Zweifel (!) letztlich auf Testierunfähigkeit erkannt wurde. „Dabei besteht zwar weitgehend Einigkeit, dass allein vom Vorliegen einer Demenzerkrankung mittleren Grades selbst dann, wenn sie mit einem paranoid-halluzinatorischen Syndrom mit zeitweiligen Wahnvorstellungen und/oder Phasen von Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit einhergeht, nicht ohne weiteres auf eine Testierunfähigkeit geschlossen werden kann (vgl. Hagena, in: Münchener Kommentar, 4. Aufl., § 2229 Rdnr. 18 m. Rspr.-Nachw.). Danach verbietet sich indes lediglich die schematische Annahme, dass ein solcherart erkrankter Erblasser, bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt, daran gehindert ist, ein wirksames Testament zu errichten. Liegen keine besonderen Beweisquellen, etwa einzelfallbezogene medizinische Erkenntnisse des Sachverständigen, vor, so wird das Gericht trotz nachgewiesener zeitweiliger Wahnzustände des Dementen eine Testierunfähigkeit nicht mit der erforderlichen tatrichterlichen Überzeugung feststellen können, wenn ein Anhalt für eine Bewusstseinstrübung gerade in dem (feststehenden) Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht ersichtlich ist.“ Vgl. dazu auch Palandt/Edenhofer, § 2229 BGB Rn. 9, der diese Entscheidung dahingehend versteht, dass bei mittelgradiger Altersdemenz mit Wahnvorstellungen grundsätzlich Testierunfähigkeit vorliegt. Wenn aber der Errichtungszeitpunkt unbekannt bleibt und der Zeitraum nicht eingegrenzt werden kann, dürfe aus dieser Diagnose nicht auf Testierunfähigkeit geschlossen werden. Genau dies hat das OLG Jena aber letztlich gemacht. 176 Starke Schwankungen der kognitiven Fähigkeiten treten vor allem bei der insgesamt eher seltenen Lewy-body-Demenz auf. Bei den häufigen Formen der Demenz (etwa durch Alzheimer-Krankheit) sind diese Schwankungen noch nicht hinreichend untersucht. Vgl. zuletzt aber Escandon/Al-Hamadi/Galvin, Neurology 74 (2010) 210 ff. In dieser Studie konnte ein statistischer Zusammenhang zwischen Fluktuationen der kognitiven Fähigkeiten und der Alzheimer-Krankheit festgestellt werden, wobei gleichzeitig auch festgestellt wurde, dass das Vorhandensein dieser Fluktuationen mit einer meist bereits fortgeschrittenen Demenz (einem höheren Clinical Dementia Rating) zusammenhängt.
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mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, ist nämlich zu beweisen, dass sich der Erblasser gerade zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in einem testierunfähigen Zustand befand.177 Die neurologische Forschung schließt indes bei irreversibel fortschreitenden Demenzkrankheiten die Wiedererlangung der Urteils- und Einsichtsfähigkeit aus und äußert sich daher kritisch zur Rechtsprechung „lichter Augenblicke“.178 Vor diesem Hintergrund haben Gerichte vereinzelt anerkannt, dass Testierfähigkeit etwa auch dann fehlt, wenn der Erblasser trotz seiner Demenzerkrankung zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch so klar war, dass er ein einfaches Gespräch führen, Brettspiele spielen und in der Zeitung lesen konnte.179 Andererseits wurde festgehalten, dass für die Annahme der Testierunfähigkeit bereits „hohe Wahrscheinlichkeit“ genüge,180 dass der Erblasser nicht mehr fähig war, die „Bedeutung der letztwilligen 177 OLG München 29.4.2009, BeckRS 2009, 11374: „Im Wege des Anscheinsbeweises kann zwar ausnahmsweise von der Testierunfähigkeit dann ausgegangen werden, wenn diese zwar für einen vor und für einen danach liegenden Zeitpunkt, nicht jedoch für die Testamentserrichtung festgestellt werden kann ([OLG Karlsruhe 14.12.1981, OLGZ 1982, 280; BayObLG 16.3.1990, FamRZ 1990, 801, 803; OLG Köln 26.8.1991, NJW-RR 1991, 1412]). Kann jedoch die Möglichkeit eines lichten Augenblicks des Erblassers nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, so scheidet ein derartiger Anscheinsbeweis wieder aus ([BayObLG 28.12.1993, ZEV 1994, 303] m. Anm. Jerschke).“ Im zugrunde liegenden Fall war lediglich behauptet worden, dass der Erblasser testierunfähig war, während der Hausarzt und der beurkundende Notar das Gegenteil aussagten. Es fehlte damit bereits an einem Indiz, das die Anordnung eines Sachverständigengutachtens gerechtfertigt hätte. Ein luzides Intervall bei chronisch-progredienter Demenz schließt OLG München 1.7.2013, ZEV 2013, 504 aufgrund des Sachverständigengutachtens gänzlich aus. Nach BayObLG 28.12.1993, ZEV 1994, 303 genügt es nicht, dass ein lichter Augenblick nicht auszuschließen ist. Vielmehr trägt derjenige, der aus dem Testament Rechte geltend macht, die Feststellungslast für die ernsthafte Möglichkeit eines lichten Augenblicks. Zu Anscheinsbeweis und Erschütterung aufgrund der Möglichkeit lichter Augenblicke auch MüKo BGB/ Hagena, § 2229 Rn. 62. 178 Eine spontane Besserung des Krankheitsbildes sei zur Wiedererlangung des Urteilsvermögens nicht hinreichend. Die Wiedergewinnung der Urteilsfähigkeit setze nämlich eine selbstkritische Auseinandersetzung und eine rückblickende Distanzierung von den Krankheitssymptomen voraus, wofür nicht nur einzelne Stunden oder Tage, sondern in der Regel mindestens mehrere Wochen erforderlich seien. Cording, ZEV 2010, 120. Kritisch auch Wetterling, Auffälligkeiten 40 f.: Wegen der Störung der Erlebniskontinuität sei auch in den klaren Phasen keine freie Willensbildung möglich. 179 OLG München 14.8.2007, BWNotZ 2007, 170, 172 = FGPrax 2007, 274: „Testierunfähigkeit kann auch dann vorliegen, wenn noch einzelne rudimentär vorhandene intellektuelle Fähigkeiten erhalten sind.“ Ebenso erschüttert die Fähigkeit zur Eingabe der Geheimzahl beim Bankautomaten die Annahme einer Testierunfähigkeit aufgrund der diagnostizierten Demenz nicht. BayObLG 9.3.2005, NJW-RR 2005, 1025, 1027. Kritisch dazu und für eine rigoros autonom-juristische Beurteilung der Testierfähigkeit zuletzt Schmoeckel, NJW 2016, 434. 180 BayObLG 9.3.2005, NJW-RR 2005, 1025, 1027.
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Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Entscheidung von normalen Erwägungen leiten zu lassen.“181 Nicht erforderlich sei, dass zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung ein lichter Augenblick mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ausgeschlossen werden könne.182 Für die Feststellung der Testierunfähigkeit Demenzkranker in Österreich ist zu beweisen, dass die Demenz zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits so weit fortgeschritten war, dass eine freie Willensbildung nicht mehr möglich war, der Erblasser also weder den Inhalt seines Testamentes noch dessen Tragweite ermessen konnte. Testierunfähig ist somit der Erblasser, dem „nicht mehr bewusst“ war, dass er „ein Testament errichtet [hat] und welchen Inhalt dieses hat“.183 Dies kann etwa bei einer fortgeschrittenen Zerebralsklerose der Fall sein.184 Gemäß § 567 ABGB besteht zwar die Möglichkeit zu beweisen, dass der Erblasser trotz der geistigen Krankheit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bei „voller Besonnenheit“ war. Dies muss indes von demjenigen, der Rechte aus dem Testament ableitet, mit zuverlässigen Beweisen, etwa einem Sachverständigengutachten, außer Zweifel gestellt werden185 und gelingt daher gerade bei chronisch-progredienten Demenzen in aller Regel nicht.186 In der Schweiz gilt die Testierfähigkeitsvermutung dann als überwunden, wenn sich der Erblasser zur Zeit der Testamentserrichtung in einem „dauernden Zustand alters- und krankheitsbedingten geistigen Abbaus“ befand.187 Nach in der Rechtsprechung vertretener Ansicht ist dies besonders bei altersdementen Menschen regelmäßig der Fall. So zum Beispiel in einem Fall einer fortgeschrittenen Alzheimer-Demenz188 oder bei schwerer Demenz.189 Dabei BayObLG 7.9.2004, NJOZ 2005, 1070, 1072. BayObLG 9.3.2005, NJW-RR 2005, 1025, 1027. 183 OGH 26.1.1978, 7Ob733/77 (SZ 51/8). 184 OGH 26.1.1978, 7Ob733/77 (SZ 51/8). Die Erblasserin litt an fortgeschrittener Zerebralklerose (vaskulärer Demenz), aufgrund derer sie Inhalt und Tragweite ihres eigenhändigen Testaments nicht mehr ermessen konnte. Das Berufungsgericht stellte fest, dass der Krankheitsverlauf bereits so weit fortgeschritten war, dass lichte Augenblicke praktisch auszuschließen waren. 185 „Hat aber der Kläger im Erbrechtsprozeß eine die Testierfähigkeit ausschließende geistige Erkrankung des Erblassers bewiesen, so obliegt es nunmehr dem beklagten Testamentserben, nach § 567 ABGB den Gegenbeweis zu erbringen, daß das Testament vom Erblasser während eines lichten Augenblickes errichtet worden ist.“ Vgl. OGH 26.1.1978, 7Ob733/77 (SZ 51/8); OGH 25.3.2003 1Ob51/03m (EFSlg 104.618). Dazu Klang/Weiß, § 567 ABGB 206; Kralik, Erbrecht 96; Eccher, Erbrecht Rn. 4/22. 186 Der Abbau der Gedächtnisleistungen ist irreversibel. Vorübergehende Besserungen, etwa der Ausdrucksfähigkeit, können sich in einzelnen Fällen durch eine bessere Hirndurchblutung ergeben, stellen die Gedächtnisleistungen („Intelligenzabbau“) aber nicht wieder her. OGH 7.7.2008, 6Ob286/07p (EF-Z 2008, 189). 187 BGer 16.3.2009, 5A.748/2008, E. 5.2. 188 BGer 19.1.2009, 5A.723/2008 E. 3.1. 181 182
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ist zu berücksichtigen, dass sich auch die Schweizer Rechtsprechung bei der Feststellung von Testierunfähigkeit in Zurückhaltung übt, um das Testament möglichst nicht an den Klippen der Urteilsfähigkeit scheitern zu lassen.190 Stellt das Gericht indes eine solche schwere Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten des Erblassers fest, dann tragen diejenigen, die Rechte aus dem Testament ableiten, die Beweislast dafür, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung urteilsfähig und somit testierfähig war. Dieser Beweis ist mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ zu erbringen191 und gelingt zumindest bei fortschreitenden Demenzkrankheiten in aller Regel nicht. Nach französischer Rechtsprechung ist ein Testament wegen Testierunfähigkeit anfechtbar (relative Nichtigkeit),192 wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung unter chronischer Demenz oder Geistesschwäche litt, es sei denn der Begünstigte kann beweisen, dass der Erblasser in einem lichten Zeitraum testiert hat.193 Die Erklärung im Testament, mag sie auch von einem Notar stammen, dass der Erblasser bei körperlicher und geistiger Gesundheit testiert habe, genügt jedenfalls nicht, um einen lichten Augenblick zu beweisen.194 Die Diagnose einer Alzheimer Krankheit in der Zeit vor und nach der Testamentserrichtung genügt für sich genommen auch nicht, um Testierunfähigkeit festzustellen.195 Der geistige Zustand muss sich infolge der BGer 2.7.2007, 5C.282/2006, E. 3.1; BGer 6.10.2004, 5C.32/2004, E. 4.3.3. BGer 23.5.1991, BGE 117 II 231, E. 2b: „Dans l’intérêt du maintien du testament la preuve de l’absence de discernement doit être appréciée avec rigueur.“ Dazu auch AebiMüller, successio 2012, 15. 191 BGer 6.10.2004, 5C.32/2004, E. 3.2 ff. mit Verweis auf BGer 29.1.2004, BGE 130 III 321 E. 3.2: „Ein Beweis gilt als erbracht, wenn das Gericht nach objektiven Gesichtspunkten von der Richtigkeit einer Sachbehauptung überzeugt ist. Absolute Gewissheit kann dabei nicht verlangt werden. Es genügt, wenn das Gericht am Vorliegen der behaupteten Tatsache keine ernsthaften Zweifel mehr hat oder allenfalls verbleibende Zweifel als leicht erscheinen. Ausnahmen von diesem Regelbeweismass, in denen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit als ausreichend betrachtet wird, ergeben sich einerseits aus dem Gesetz selbst und sind andererseits durch Rechtsprechung und Lehre herausgearbeitet worden.“ 192 Jubault, Les successions 461. 193 So die ständige Rechtsprechung. Malaurie/Aynès, Les successions 162 f. Vgl. Cass. civ. 11.6.1980, Bull. civ. I, n° 184; Cass. civ. 1ère 6.1.2010, n° 08-20.646, unveröffentlicht: „le testament est nul pour insanité d’esprit lorsque le testateur se trouve dans un état habituel de démence ou de faiblesse mentale à l’époque où le testament a été rédigé, sauf au bénéficiaire de la libéralité à établir que le rédacteur du testament était dans un intervalle de lucidité au moment de la confection de l’acte“. Ebenso Cass. civ. 1ère 30.9.2009, 07-21.156, unveröffentlicht: „si la démence habituelle du testateur est prouvée, le testament doit être annulé, sauf à établir que le rédacteur était exceptionnellement dans un intervalle de lucidité.“ 194 Cass. civ. 1ère 2.12.1992, n° 91-11.065, unveröffentlicht: „les seules mentions du testament sur son état mental ne suffisaient pas, à défaut d’autres éléments justificatifs, à prouver qu’elle ait, signé dans un intervalle de lucidité, cet acte“. 195 Cour d’appel de Bastia 1.2.2012, n° 10/66, unveröffentlicht: Der Erblasser war zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zwar bereits erkrankt, lenkte aber noch sein Auto und 189 190
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Krankheit so weit verschlechtert haben, dass der Erblasser zu einer klaren Willensäußerung nicht mehr fähig war.196 Wie weit diese Zurückhaltung bei der Feststellung von Testierunfähigkeit reicht, zeigt der Fall einer Alzheimerpatientin, die sechs Monate, drei Monate und einen Monat nach der Testamentserrichtung ärztlich untersucht worden war. Obwohl die ärztlichen Befunde eindeutig auf wesentliche Beeinträchtigungen der kognitiven Fähigkeiten hinwiesen, bejahte das Gericht zweiter Instanz die Testierfähigkeit, da die Ärzte in ihren Gutachten bloß eine curatelle und nicht die umfassendere Schutzmaßnahme tutelle gefordert hätten und im Übrigen sich die gesundheitliche Situation der Erblasserin in der Zeit der Testamentserrichtung verbessert habe. Die Cour de Cassation hob diese Entscheidung aber auf. Die Empfehlung für eine curatelle sei keine Bestätigung der Testierfähigkeit und im Übrigen sei die behauptete Verbesserung der gesundheitlichen Verfassung zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung den ärztlichen Stellungnahmen nicht zu entnehmen gewesen.197 In einem anderen Fall wurde dagegen eine Entscheidung eines Gerichts bestätigt, das die Testierunfähigkeit aus der Diagnose einer schweren Alzheimer-Demenz zwei Jahre nach Errichtung des Testaments abgeleitet hatte. Diese Krankheit sei fortschreitend und habe bereits zwei Jahre vor der Diagnose die geistige Gesundheit des Erblassers so beeinträchtigt, dass er mit Sicherheit nicht mehr zu einer klaren Willensbildung fähig war. Nach italienischer Rechtsprechung führt eine Demenz dann zur Testierunfähigkeit, wenn sich der Erblasser seiner Handlungen nicht mehr bewusst ist und nicht mehr selbstbestimmt handeln kann.198 Allerdings hält sich die italienische Rechtsprechung bei der Feststellung von Testierunfähigkeit sehr zurück, sodass der Anfechtung auch in Fällen offensichtlicher Zweifel an der Testierfähigkeit häufig nicht stattgegeben wird. So etwa in einem Fall eines im Krankenbett testierenden Erblassers, der aufgrund seiner körperlichen Verfassung nicht einmal mehr in der Lage war, das von einem Notar aufgenommene Testament zu unterzeichnen.199 Auch das eigenhändige Testament war noch nicht in eine Krankenanstalt eingewiesen worden. Daraus leitete das Gericht ab, dass der Erblasser zum gegebenen Zeitpunkt noch testierfähig war. 196 Cass. civ. 29.6.2011, Bull. civ. I, Nr. 139; Cass. civ. 25.3.2009, 08.11-237, unveröffentlicht: „volonté libre et consciente“. Insofern etwas überzeichnet („zur geringsten Willensäußerung unfähig“): Cass. civ. 3ème 20.9.2011, 10-20.132, unveröffentlicht: „un acte ne peut être annulé pour insanité d’esprit que si la partie qui se prévaut de cette cause de nullité démontre qu’au moment de la signature de l’acte, elle était atteinte d’un trouble mental d’une gravité suffisante l’ayant empêchée d’exprimer la moindre volonté“. In diesem Fall ging es um einen Kaufvertrag. Der Betroffene hatte auch ein Testament errichtet, dessen Gültigkeit aber nicht in Frage gestellt worden war. 197 Cass. civ. 21.1.2010, Bull. civ. II, n° 16. 198 So die ständige Rechtsprechung. Vgl. etwa Cass. 3.3.2010, Nr. 5091, Foro it. 2010, I, 3450.
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eines Erblassers, der durch ein Verhalten auffiel, das auf geistige Verwirrtheit hindeutete,200 wurde für gültig befunden. Die Testierfähigkeit sah man aufgrund der klaren Formulierung der testamentarischen Anordnungen sowie aufgrund des einem Notar gegenüber geäußerten Testierwunsches201 als bestätigt an.202 Dagegen bestätigten die Gerichte die Testierunfähigkeit des an einer Alzheimer-Demenz leidenden Erblassers in einem Fall, in dem auch Teile des eigenhändigen Testaments nicht vom Erblasser stammten und somit auch schon diesbezüglich an der Gültigkeit des Testaments Zweifel bestanden.203 Solange der Demenzkranke noch bewusst einen Willen äußern kann (ohne dass er sich der Tragweite, der Bedeutung und der Folgen seiner Verfügungen bewusst sein muss), ist er nach italienischer Rechtsprechung testierfähig. Die geringen Anforderungen an die geistige Gesundheit führen in der Praxis dazu, dass Anfechtungen wegen Testierunfähigkeit nur in besonders klaren Fällen Aussicht auf Erfolg haben. Wenn feststeht, dass sich der Erblasser in der Zeit vor und nach der Testamentserrichtung aufgrund einer dauerhaften geistigen Beeinträchtigung in einem testierunfähigen Zustand befand, dann obliegt es dem testamentarisch Begünstigten den Beweis eines lichten Augenblicks zu erbringen.204 Aufgrund der Eingrenzung der Fälle von Testierunfähigkeit auf besonders schwere Fälle, handelt es sich beim Beweis eines lichten Augenblicks zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments lediglich um eine theoretische Möglichkeit, denn dieser Beweis kann in aller Regel nicht erbracht werden. Nach ständiger spanischer Rechtsprechung wird danach unterschieden, ob die diagnostizierte Demenz noch eine selbstbestimmte Entscheidung zulässt oder bereits so weit fortgeschritten ist, dass ein auch vorübergehendes Wiedererlangen der geistigen Fähigkeiten praktisch unmöglich ist. Solange der Erblasser trotz der Demenz noch eine selbstbestimmte Entscheidung treffen kann, wird seine Testierfähigkeit vermutet.205 Es ist mithin zu beweisen, dass dem Erblasser genau zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung (Art. 666 span. C. civ.) die erforderlichen geistigen Fähigkeiten fehlten. Ist die Demenz da199 So zuletzt Cass. 25.3.2011, Nr. 6978, Nuova giur.civ.comm. 2011, I, 1030 dazu oben Fn. 164. 200 Der Erblasser fand nicht mehr alleine nach Hause, urinierte vom Balkon, grüßte seine nächsten Verwandten und Bekannten nicht mehr und vergaß Mieteinnahmen einzufordern. 201 Der Notar war beim Erblasser zwei Mal auf dessen Verlangen erschienen, hatte aber jedes Mal die Errichtung eines Testaments wegen mangelnder Testierfähigkeit abgelehnt und weigerte sich ein drittes Mal zu erscheinen, sodass der Erblasser schließlich ein eigenhändiges Testament anfertigte. 202 Cass. 11.6.2009, Nr. 13630, Riv. not. 2010, 2, 499 203 Cass. 12.9.2011, Nr. 18675, unveröffentlicht 204 So die ständige Rechtsprechung. Vgl. z. B. Cass. 3.3.2010, Nr. 5091, Foro it. 2010, I, 3450; Cass. 29.1.2007, Nr. 1770, Guida al diritto 2007, 16, 89; Cass. 18.4.2005, Nr. 8079, in Riv.not. 2006, 559. 205 Vgl. z. B. STS 12.5.1998 [RJ 1998/3570].
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gegen bereits so weit fortgeschritten, dass kaum eine Möglichkeit der Wiedererlangung der geistigen Fähigkeiten bestand (insbesondere bei fortschreitenden Demenzkrankheiten), geht die Rechtsprechung von Testierunfähigkeit aus.206 Der Gegenbeweis eines lichten Augenblicks spielt in diesen Fällen keine Rolle mehr.207 Nach dem Banks v. Goodfellow-Test208 im englischen Recht müssen die geistigen Fähigkeiten so weit reduziert sein, dass dem Erblasser die Bedeutung eines Testaments und seine allgemeinen Wirkungen nicht mehr bewusst sind, dass er den Umfang seines Vermögens nicht ermessen kann, den Inhalt und die Wirkungen seiner Verfügungen nicht mehr versteht sowie seine Zuneigungen und sein Rechtsgefühl aufgrund seines geistigen Zustands beeinträchtigt sind. Solange die Demenz diese Fähigkeiten großteils intakt lässt, hat sie keine Auswirkungen auf die Testierfähigkeit des Erblassers. Erblasser mit leichter Demenz werden daher regelmäßig als testierfähig angesehen.209 So etwa in einem Fall einer Erblasserin, bei der im Jahr 2001 die AlzheimerKrankheit festgestellt wurde und die auf Drängen ihrer Tochter im Jahr 2003 ihr ursprüngliches Testament widerrief und zugunsten ihrer Tochter (die den Testamentsentwurf verfasst hatte) neu testierte.210 ff) Ergebnis In keiner der hier betrachteten Rechtsordnungen ist für die Testierfähigkeit vollständige geistige Gesundheit erforderlich. Alterstypische Beeinträchtigungen der geistigen Fähigkeiten sowie leichte bis mittelgradige Demenzkrankheiten beeinträchtigen daher in aller Regel die Fähigkeit zur Errichtung eines Testaments nicht. Von zentraler Bedeutung ist aber in allen Rechtsordnungen die Fähigkeit zur freien und selbstbestimmten Willensbildung. Solange sich die geistige Beeinträchtigung nicht störend auf die selbstbestimmte Willensbildung des Erblassers auswirkt, bleibt die Vermutung der Testierfähigkeit des Erblassers aufrecht. Ab wann die selbstbestimmte Willensbildung durch die geistige Beeinträchtigung gestört ist, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei stellen Gerichte nicht bloß auf die medizinisch feststellbare geistige Gesundheit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, sondern STS 19.9.1998 [RJ 1998/6399]. Dagegen ist der lichte Augenblick in Fällen gerichtlich für geschäftsunfähig, aber nicht für testierunfähig erklärter Erblasser relevant. Denn für diese fordert Art. 665 span. C. civ., dass der beurkundende Notar zwei ärztliche Gutachten zur Testierfähigkeit einholt, bevor er das Testament beurkundet. Ob ein lichter Augenblick vorliegt, wird somit ex ante ermittelt. 208 Banks v. Goodfellow [1870] L.R. 5 Q.B. 549, 565. 209 Carr et al. v. Beaven et al. [2008] EWHC 2582 (Ch). 210 Scammell v. Farmer [2008] EWHC 1100 (Ch). 206 207
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hilfsweise zur Bestätigung oder Widerlegung der Testierfähigkeit auch auf die „Üblichkeit“ oder „Nachvollziehbarkeit“ der Verfügungen ab. Der Vergleich der Testierfähigkeit Demenzkranker zeigt, dass an die Fähigkeit zur selbstbestimmten Willensäußerung relativ geringe Anforderungen gestellt werden. Mögen das Erinnerungsvermögen und das Realitätsbewusstsein auch bereits eingeschränkt sein, so bleibt die Testierfähigkeitsvermutung doch grundsätzlich aufrecht. Es ist in jedem einzelnen Fall ein kausaler Zusammenhang zwischen der geistigen Beeinträchtigung und der Willensbildung nachzuweisen. Das Urteil darüber, ob dieser Zusammenhang zwischen medizinisch festgestellter geistiger Beeinträchtigung und letztwilliger Verfügung bestand, behält sich regelmäßig das Gericht als rechtliche Beurteilung vor. Dabei wenden Gerichte in allen hier berücksichtigten Rechtsordnungen äußerste Zurückhaltung an, um im Sinne des favor testamenti, nicht zuletzt zur Eindämmung der Zahl solcher Verfahren, nur dann auf Testierunfähigkeit zu erkennen, wenn der gesundheitliche Zustand des Erblassers im Zeitraum der Testamentserrichtung keinen anderen Schluss zulässt. Dies geschieht freilich auch unter Inkaufnahme der Geltungserhaltung einer wohl nicht unbeträchtlichen Zahl von Testamenten, bei denen der Erblasser zu einer selbstbestimmten Willensbildung nicht mehr in der Lage war. 4. Fähigkeit zur selbstbestimmten Willensbildung Die vorangehende Untersuchung der Mindestvoraussetzungen der Testierfähigkeit hat gezeigt, dass der Erblasser für die Errichtung eines gültigen Testaments grundsätzlich – mag die Rechtsprechung mit den inhaltlichen Anforderungen an diese Voraussetzung auch sehr großzügig verfahren – zu einer selbstbestimmten Willensbildung in der Lage sein muss. Damit ist auch gemeint, dass der Erblasser noch über hinreichend Willenskraft verfügen muss, um äußeren Einflüssen nicht widerstandslos nachzugeben. In diesem Sinne fordert etwa die ständige deutsche Rechtsprechung, dass der Erblasser noch fähig sein müsse, seinen Willen frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu bilden.211 Hierbei geht es darum, dass der Erblasser über hinreichende geistige Fähigkeiten verfügt, um aufgrund der ihm vorliegenden Informationen unabhängig von Dritten selbständig zu einer Entscheidung zu gelangen.212 211 BGH 29.1.1958, FamRZ 1958, 127, 128; BayObLG 2.8.1984, FamRZ 1985, 314, 315; OLG Frankfurt a.M. 5.9.1995, BeckRS 06596 = FamRZ 1996, 635; OLG Frankfurt a.M. 22.12.1997, NJW-RR 1998, 870 = FGPrax 1998, 62; OLG Hamm OLGZ 1989, 273. 212 Vgl. etwa Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rn. 26: „Die freie Willensbestimmung des Erblassers setzt voraus, daß er in der Lage ist, trotz verschiedener Vorstellungen und Empfindungen und unabhängig von Einflüssen Dritter, die bestimmend auf seinen Willen wirken, eine vernünftige Überlegung und freie Selbstentschließung darüber zu treffen, was im gegebenen Fall als das Richtige zu tun ist.“
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a) Voraussetzungen einer selbstbestimmten Willensbildung Was es im Detail bedeutet, einen Willen selbstbestimmt bilden zu können, hat Tilmann Wetterling in seinem anschaulichen Modell zur Willensbildung herausgearbeitet.213 Demnach muss der Erblasser Informationen aus seiner Umwelt aufnehmen (Auffassung) und verarbeiten können (Verarbeitung), um mehrere mögliche Handlungsalternativen zu erkennen (Fähigkeit zur Urteilsbildung), aus denen er schließlich durch wertende Gegenüberstellung eine Alternative auswählt und so zu einem Willensentschluss gelangt (Entscheidungsfähigkeit). Dabei geht es nicht um die Frage, ob der Erblasser diese Schritte tatsächlich durchlaufen hat, sondern lediglich darum, ob er ungeachtet seiner geistigen Defizite noch in der Lage war, auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu treffen. Dieses Modell, das nicht in erster Linie auf die geistige Gesundheit, sondern auf die Entscheidungsfähigkeit des Erblassers abstellt, hat sich für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit im englischen Recht der Handlungsfähigkeit im Rahmen des Mental Capacity Act 2005 durchgesetzt.214 Auch nach der deutschen Rechtsprechung kommt es wesentlich auf die freie Entscheidungsfähigkeit an.215 Der Erblasser gilt solange als testierfähig, als er „fähig ist, sich die Gründe für und wider seine Entscheidung zu vergegenwärtigen und sie gegeneinander abzuwägen, sich also selbstständig und aus eigener Kraft ein Urteil zu bilden. Dies setzt voraus, dass es ihm bei der Testamentserrichtung möglich ist, sich an Sachverhalte und Ereignisse zu erinnern, Informationen aufzunehmen, Zusammenhänge zu erfassen und Abwägungen vorzunehmen.“216
Ebenso verhält es sich im österreichischen Recht, wo nach ständiger Rechtsprechung dem Erblasser auch dann die Testierfähigkeit fehlt, wenn er zwar ein Testament errichten will und auch versteht, welche Wirkungen damit verbunden sind, gleichzeitig aber die Freiheit seiner Willensbildung aufgrund einer geistigen Beeinträchtigung aufgehoben ist.217 Es kommt also letztlich Wetterling, Organische 539; ders., Auffälligkeiten 33. Vgl. oben § 4 I.3.b)bb)vii). 215 Besonders deutlich brachte dies die Rechtsprechung mit Bezug auf die Geschäftsfähigkeit von Personen mit geistigen Beeinträchtigungen zum Ausdruck: „Nach § 104 Nr. 2 BGB sind für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit nicht so sehr die Fähigkeiten des Verstandes ausschlaggebend als die Freiheit des Willensentschlusses. Es kommt darauf an, ob eine freie Entscheidung auf Grund einer Abwägung des Für und Wider einer sachlichen Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist […] ([RG 19.1.1922, RGZ 103, 399; RG 6.10.1930, RGZ 130, 69]).“ BGH 19.6.1970, NJW 1970, 1680, 1681. 216 OLG München 14.8.2007, BWNotZ 2007, 170, 172 = FGPrax 2007, 274. Demnach genügt es für die Testierfähigkeit nicht, wenn der Erblasser noch dazu fähig ist „die eigenen Bezugspersonen zu erkennen, einfache Sachverhalte zu erfassen oder überhaupt einen Wunsch zu äußern“. 217 OGH 27.9.1988, 2Ob609/87 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung; zuletzt OGH 25.3.2003, 1Ob51/03m. 213 214
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darauf an, dass der Erblasser Entscheidungen frei von Einflüssen durch geistige Störungen treffen kann. b) Abgrenzung zur Fremdbestimmung Das Erfordernis der selbstbestimmten Willensbildungsfähigkeit bedeutet freilich nicht, dass der Erblasser auch tatsächlich selbstbestimmt testiert haben muss.218 Es ist nämlich zu unterscheiden, ob der Erblasser aufgrund seiner geistigen Gesundheit noch zu einer selbstbestimmten Entscheidung in der Lage war, seine Selbstbestimmung aber durch Einflussnahme Dritter ausgeschaltet wurde, oder ob der Erblasser aufgrund einer geistigen Krankheit gar nicht mehr selbstbestimmt entscheiden konnte. Wenn der Erblasser geistig bereits so geschwächt war, dass er keine selbständige Entscheidung mehr treffen konnte, dann – und nur dann – liegt ein Fall von Testierunfähigkeit vor. War der Erblasser dagegen aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten zwar noch zu einer selbstbestimmten Entscheidung fähig, konnte diese Selbstbestimmung aber aufgrund von Gewalteinwirkung, Drohung oder Ausnützung einer Abhängigkeitssituation faktisch nicht mehr ausüben, dann liegt nicht ein Fall von Testierunfähigkeit,219 sondern entweder überhaupt keine oder eine mangelhaft zustande gekommene und damit gemäß § 2078 BGB anfechtbare Willenserklärung vor. Nach deutschem Recht fehlt es an einer Willenserklärung, wenn es aufgrund physischer Gewalt bereits an einem Erklärungswillen des Erblassers mangelte (vis absoluta). Ist die letztwillige Verfügung durch Drohung erzwungen worden, dann ist sie gemäß § 2078 Abs. 2 BGB anfechtbar. Bei Ausnützung einer Abhängigkeitslage und damit einer Einflussnahme unterhalb der Drohung könnte Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 138 BGB vorliegen.220 Die Frage der Testierfähigkeit ist in all diesen Fällen der Fremdbestimmung, die nicht auf einer geistigen Insuffizienz des Erblassers beruhen, aber nicht betroffen.221
Insofern missverständlich Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rn. 13; MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 24. 219 OGHbrZ 12.5.1949, NJW 1949, 544, 545: Die Testierfähigkeit ist nämlich „keine Qualifikation der einzelnen Willenserklärung, sondern eine solche des Erblassers.“ 220 Dazu oben § 3 II.1.b). 221 Insofern ist es unzutreffend, im Falle von „Gewalteinwirkung, Drohung oder sonstiger unzulässiger Beeinflussungsmethoden, die dem Erblasser keinen Raum für eine eigenständige Abwägung oder Entscheidung lassen“ Testierunfähigkeit anzunehmen, „weil dem Erblasser dann die erforderliche Einsichts- und Handlungsfähigkeit fehlt.“ So aber Soergel/ Mayer, § 2229 BGB Rn. 13 f.; MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 28. 218
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c) Willensschwäche in der Rechtsprechung Ob Personen überhaupt noch selbstbestimmt Entscheidungen treffen können, ist eine Frage, die von den Gerichten in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen ist. Willensschwäche und leichte Beeinflussbarkeit sollen nach deutschem Recht Testierfähigkeit aber noch nicht ausschließen.222 Dies geht so weit, dass die Testierfähigkeit sogar in einem Fall bekräftigt wurde, in dem die körperlich sehr geschwächte Erblasserin zur selbständigen Willensbildung nicht mehr in der Lage war, ja nicht einmal mehr den Inhalt des Testaments mitteilen konnte. Der Notar verließ sich bei der Niederschrift des Testaments daher auf schriftliche Unterlagen und Entwürfe Dritter und verlas dieses Testament in Anwesenheit der Erblasserin, die auf Nachfrage wiederholt bejahte. Das Gericht wollte trotz erheblicher Bedenken223 weder einen Formmangel noch Testierunfähigkeit feststellen. Die Testierfähigkeit sei erst dann ausgeschlossen, wenn der vom Dritten ausgehende Einfluss beim Erblasser zu einer nur scheinbaren Willensbildung geführt hätte.224 Über einen ähnlich schweren Fall körperlicher Beeinträchtigungen hatte auch die französische Rechtsprechung zu entscheiden. Die Erblasserin war aufgrund einer Vielzahl altersbedingter körperlicher Leiden im Krankenhaus stationär aufgenommen und konnte sich nicht mehr klar mitteilen. Das errichtete eigenhändige Testament war wohl unter Führung der Hand der Erblasserin zustande gekommen. Während das Berufungsgericht das Testament wegen Testierunfähigkeit für unwirksam erklärte, hob die Cour de Cassation diese Entscheidung wieder auf. Der Beweis der Testierunfähigkeit sei nicht erbracht worden und unzulässigerweise Testierunfähigkeit für den Zeitpunkt der Testamentserrichtung vermutet worden. Für die Beurteilung der Testierunfähigkeit seien im Übrigen alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen gewesen, insbesondere, dass die Erblasserin bereits davor zugunsten ihrer Schwester verfügt hatte und dass sie das dieser vermachte Haus nach der Testamentserrichtung vom Verkauf zurückgezogen hatte.225 222 OGHbrZ 12.5.1949, NJW 1949, 544, 545. mit Verweisen auf die frühere Rechtsprechung des RG. Vgl. heute z. B. Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rn. 25, OLG Hamm 8.12.1992, FamRZ 1993, 823. 223 „Daß ein solches Vorgehen [des Notars], namentlich bei starkem Kräfteverfall der Erblasserin, nicht geeignet war, eine verläßliche Ermittlung und Festlegung des wirklichen Willens der Erblasserin zu garantieren, kann nicht bezweifelt werden. Gleichwohl ist daran festzuhalten, daß dem Formerfordernis der Testamentserrichtung nach § 11 des TestG auch durch Verlesen des Testamentsentwurfes und Jasagen der Erblasserin zu den Bestimmungen dieses Entwurfes genügt werden konnte.“ OGHbrZ 12.5.1949, NJW 1949, 544, 545. 224 OGHbrZ 12.5.1949, NJW 1949, 544, 545. Nur implizit wird dies für den entschiedenen Fall verneint. An der inneren Stimmigkeit dieser auch heute noch zitierten Entscheidung lässt sich jedenfalls zweifeln. 225 Cass. civ. 1ère 25.3.2009, n° 08-11.237, unveröffentlicht: „pour apprécier si un testament dont la nullité est demandée est l’expression de la volonté propre du testateur, les
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Nach Schweizer Rechtsprechung muss der Erblasser in der Lage sein „fremder Einflussnahme in normalem Maße Widerstand zu leisten.“226 Nicht jede Willensschwäche des Erblassers schließt daher die Testierfähigkeit aus. Sie darf aber jedenfalls nicht so weit gehen, dass seine Entscheidungen bezogen auf seine Persönlichkeit nicht mehr adäquat erscheinen,227 der Erblasser letztlich also einen Willen äußert, der nicht mehr „zu ihm passt“.228 Die Schweizer Rechtsprechung stellt somit primär auf den Inhalt des Testaments ab, um daraus abzuleiten, ob der Erblasser dem Willen eines Dritten erlegen ist oder noch selbstbestimmt gehandelt hat und damit testierfähig war. Damit läuft man freilich Gefahr, dass von außen nicht nachvollziehbare, vom Erblasser gefühlsmäßig aber gewünschte Entscheidungen229 generell in Verdacht geraten, nicht selbstbestimmt zustande gekommen zu sein.230 Diese Inhaltskontrolle und Abstimmung auf die vermeintliche Persönlichkeit des Erblassers ist vor allem deshalb sehr problematisch,231 weil sie die Grenzen zwischen mangelnder Testierfähigkeit und Anfechtung wegen Willensmängeln auflöst. In einem vom Bundesgericht im Jahr 2009 entschiedenen Fall232 ging es um das Testament eines über 80-jährigen Erblassers zugunsten seiner 40 Jahjuges du fond doivent prendre en considération l’ensemble des circonstances de fait, y compris celles antérieures et/ou postérieures à la rédaction du testament litigieux“. 226 BGer 16.3.2009, 5A.748/2008, E. 3.1. 227 Dazu Basler Kommentar/Bigler-Eggenberger, Bd. I Art. 16 ZGB Rn. 12 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung. 228 Aebi-Müller, successio 2012, 9 spricht von einer Situation, in der „der fremde Willenseinfluss besonders dominant wird und das Verhalten daher nicht mehr persönlichkeitsadäquat erscheint, selbst wenn es an sich vernünftig ist.“ 229 Die Rechtsprechung spricht von „Kurswechseltestamenten“, wenn der Erblasser noch kurz vor seinem Tod all seine vorherigen Verfügungen aufgibt und neu verfügt. Ist dieser Kurswechsel aufgrund der sozialen Beziehungen und Lebensverhältnisse des Erblassers nicht nachvollziehbar, entsteht der Verdacht für Testierunfähigkeit. Vgl. dazu Basler Kommentar/Breitschmid, Bd. II Art. 467/468 ZGB Rn. 17. 230 So hat etwa eine Erblasserin in einem früheren Testament Vermächtnisse für ihr Seelenheil ausgesetzt und später unter Widerruf ihrer früheren letztwilligen Verfügungen nur mehr eine Erbeinsetzung vorgenommen. Dies erschien dem Bundesgericht per se als sehr verdächtig und jedenfalls ein Indiz für eine mögliche Testierunfähigkeit. BGer 16.12.1997, BGE 124 III 5, E. 4.c).cc).: „Dass Maria X. im Alter von 86 Jahren ihre frühere Anweisung zum eigenen ‚Seelenheil‘ widerrief, muss als sehr ungewöhnlich gewertet werden; nach der allgemeinen Erfahrung ist ein solches Verhalten nicht nachvollziehbar und entspricht entgegen der Auffassung der Vorinstanz keineswegs ‚dem normalen Gedankenablauf eines normalverständigen Menschen‘. Der mit dem umstrittenen Testament verbundene Widerruf früherer gemeinnütziger Vergabungen sowie der zugunsten ihres Seelenheils getroffenen Auflagen sind Umstände, denen entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts bei der Beurteilung der Testierfähigkeit durchaus Gewicht zukommt.“ 231 Kritisch zurecht auch Wolf/Setz, Handlungsfähigkeit 40. Auch eine urteilsfähige Person könne einmal einen „unvernünftigen Entscheid“ treffen. 232 BGer 16.3.2009, 5A.748/2008.
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re jüngeren Lebensgefährtin, die er über eine Kontaktanzeige kennengelernt hatte. Während der fünf Jahre ihres eheähnlichen Zusammenlebens hatte der Erblasser mehrere Testamente errichtet und seine Verfügungen zugunsten der Lebensgefährtin ständig ausgeweitet. Nach Ansicht der Beschwerdegegner war der Erblasser in seiner Entscheidung unfrei gewesen, weil er nur deshalb so verfügt habe, um zu vermeiden, dass er in ein Heim umziehen müsse. Darauf antwortete das Bundesgericht, dass es keine übermäßige Abhängigkeit bedeute, wenn ältere Menschen in einer mehrjährigen Beziehung ausharren müssten, weil sie befürchteten, in ihrem fortgeschrittenen Alter keinen oder nur mehr schwer einen neuen Partner zu finden. Die Widerstandskraft sei auch nicht schon deshalb zu verneinen, weil es auch im Alter Lebenssituationen geben könne, in denen kein oder nur mehr ein beschränkter Handlungsspielraum bestehe und man folglich für das, was man bekommen wolle, bezahlen müsse, was gefordert werde.233 Im Übrigen sei sein Testierverhalten seiner Lebenssituation durchaus angemessen gewesen.234 d) Ergebnis Aus den vorangehenden Beispielen geht deutlich hervor, dass Willensschwäche häufig nicht auf geistigen Insuffizienzen, sondern auf körperlichen Gebrechlichkeiten beruht. Wer aufgrund seiner labilen körperlichen Verfassung pflegebedürftig ist und sich daher in Abhängigkeit begeben muss, wird sich häufig einem nachdrücklich geäußerten Wunsch der einzigen oder wichtigsten Bezugsperson nicht entziehen können. Zwischen Pflegendem und Gepflegtem besteht nämlich in aller Regel ein Machtgefälle mit einem Gefühl des Angewiesen- oder Ausgeliefertseins, das die Widerstands- und Willenskraft des Gepflegten schwächt. Dadurch mögen zwar Zweifel an der Freiheit der Willensbildung des Erblassers aufkommen, gleichwohl ist es unzulässig in diesen Fällen von Testierunfähigkeit zu sprechen.235 Ob die äußeren Umstände eine selbstbestimmte Willensbildung im Einzelfall verhindert haben, ist nämlich nicht Teil der Testierfähigkeitsprüfung, sondern erhält allenfalls im Rahmen der Anfechtung der Willenserklärung wegen Willensmängeln Bedeutung. Im deutschen Recht wird dies besonders dadurch deutlich, dass Testierunfähigkeit stets kausal auf einer geistigen Insuffizienz (krankhafte Störung der
BGer 16.3.2009, 5A.748/2008, E. 4.5. BGer 16.3.2009, 5A.748/2008, E. 4.4.3: „Die neu eingegangene Partnerschaft ist ein ausreichender Grund dafür, eine Nachlassplanung zu überdenken, die unter anderen Lebensbedingungen gestanden und deren Grundlage mit dem Tod der Ehefrau weggefallen sein dürfte.“ 235 In diese Richtung allerdings Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rn. 13; MüKo BGB/ Hagena, § 2229 Rn. 23. In der Schweiz etwa Aebi-Müller, successio 2012, 9. 233 234
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Geistestätigkeit, Geistesschwäche, Bewusstseinsstörung) beruhen muss.236 Allein aufgrund der Pflegebedürftigkeit oder Abhängigkeit des Erblassers kann natürlich noch nicht auf eine geistige Insuffizienz geschlossen werden, sodass zumindest nach dem Wortlaut des § 2229 Abs. 4 BGB bei rein körperlich bedingter Willensschwäche nicht Testierunfähigkeit angenommen werden darf. Erst wenn die körperlichen Beeinträchtigungen so weit gehen, dass sie etwa das Bewusstsein stören oder auf den Geist übergreifen, kann Testierunfähigkeit vorliegen. Im Ergebnis zeigt sich also, dass die Testierfähigkeit durch körperlich bedingte Willensschwäche allein nicht aufgehoben wird. Willensschwäche wird für die Frage der Testierfähigkeit erst dann relevant, wenn sie auf einer geistigen Beeinträchtigung beruht, der Erblasser somit geistig nicht mehr zu einer selbstbestimmten Willensbildung fähig ist. So verhielt es sich zum Beispiel in einem dem österreichischen OGH vorgelegten Fall, in dem die Willensschwäche auf eine hirnorganisch bedingte Geisteskrankheit (Psychose mit paranoider Symptomatik) zurückzuführen war. Die Erblasserin konnte aufgrund dieses geistigen Zustands am Tag der letztwilligen Verfügung den Vorschlägen von Vertrauten auf testamentarische Erbeinsetzung „keinen Widerstand mehr entgegensetzen, weil ihr jeglicher kritische Widerstand fehlte.“237 Eine für die Testierfähigkeit erforderliche freie Willensbildung konnte damit nicht stattfinden, weshalb Testierunfähigkeit festgestellt wurde. Wenn dagegen bei hinreichender geistiger Gesundheit aufgrund von äußeren Einflüssen die Frage der Selbstbestimmung des Erblassers aufgeworfen wird, dann steht nicht die Testierfähigkeit, sondern die Mangelfreiheit der erblasserischen Willensbildung in Frage. So wäre etwa Drohung oder Täuschung (Motivirrtum) denkbar, die zur Anfechtbarkeit der Verfügung führen. Erblassern, die lediglich aus körperlicher Schwäche ihren Willen nicht gegen fremden Einfluss durchsetzen können, darf nicht auch noch die Testierfähigkeit abgesprochen werden. Vielmehr bedürfen sie angemessener lebzeitiger (ex ante-)Schutzmechanismen, die sicherstellen, dass sie bei der Errichtung ihres Testaments ihren freien Willen äußern können.238 5. Relative Testierfähigkeit a) Begriff Unter relativer Testierfähigkeit versteht man die Abstufung der Anforderungen an die geistige Gesundheit des Erblassers entsprechend der höheren oder geringeren Komplexität des Inhalts seines Testaments. Zu unterscheiden ist 236 Diesen notwendigen Kausalzusammenhang berücksichtigen Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rn. 13; MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 23 nicht hinreichend. 237 OGH 7.6.2005, 5Ob113/05m. 238 Welche Vorkehrungen damit gemeint sind, wird unten unter § 6 zu behandeln sein.
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die relative Testierfähigkeit von der partiellen Testierfähigkeit. Letztere betrifft den Fall, dass der Erblasser aufgrund einer geistigen Störung in einem beschränkten Bereich nicht testierfähig ist.239 b) Rechtslage im Rechtsvergleich Nach Schweizer Recht ist die Urteilsfähigkeit als Voraussetzung der Geschäftsund Testierfähigkeit stets mit Bezug auf das konkrete Geschäft zu ermitteln.240 In der Rechtsprechung herrscht zwar Uneinigkeit darüber, ob eine letztwillige Verfügung grundsätzlich als besonders anspruchsvoll anzusehen ist. 241 Dagegen ist aber allgemein anerkannt, dass die Testierfähigkeit stets „nach Schwierigkeit und Tragweite“242 des betreffenden Testaments zu beurteilen ist.243 Auch das österreichische Recht geht von einer in Bezug auf die konkrete letztwillige Verfügung zu beurteilenden Testierfähigkeit aus. 244 Dies scheint aufDazu sogleich, unten § 4 I.6. Basler Kommentar/Bigler-Eggenberger, Bd. I Art. 16 ZGB Rn. 34 ff. 241 BGer 16.12.1997, BGE 124 III 5. A. A. dagegen BGer 25.3.2009, 5A.12/2009 E. 5.2.: „Dem Obergericht ist indessen beizupflichten, dass Verfügungen von Todes wegen nicht generell anspruchsvoll sind und stets hohe Anforderungen an die Urteilsfähigkeit stellen. Als anspruchsvoll kann eine letztwillige Verfügung nach der Rechtsprechung dann erscheinen, wenn sie auf komplexen Entscheidungsgrundlagen beruht und schwierig zu beurteilende Auswirkungen hat (BGer 17.1.2005, 5C.193/2004 E. 2.3.1, in: ZBGR 87/2006 S. 110).“ 242 BGer 16.12.1997, BGE 124 III 5: „Die Urteilsfähigkeit ist aber auch relativ zu verstehen; sie ist nicht abstrakt festzustellen, sondern in bezug auf eine bestimmte Handlung je nach deren Schwierigkeit und Tragweite zu beurteilen. Es ist daher denkbar, dass eine Person trotz allgemeiner Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit zwar gewisse Alltagsgeschäfte noch zu besorgen vermag und diesbezüglich urteilsfähig ist, während ihr für anspruchsvollere Geschäfte die Urteilsfähigkeit abzusprechen ist (BGE 117 II 231 E. 2a S. 232 f. m.w.H.; BUCHER, aaO, N. 87 ff. zu Art. 16 ZGB). Im Unterschied zu alltäglichen Geschäften und Besorgungen zählt die Errichtung eines Testamentes zu den eher anspruchsvolleren Geschäften; dies trifft insbesondere dann zu, wenn komplizierte Verfügungen getroffen werden.“ 243 Grundlegend dazu BGer 23.5.1991, BGE 117 II 231. Vgl. dazu auch Aebi-Müller, successio 2012, 13 ff. Die Relativität der Testierfähigkeit wird in der Schweiz sowohl zeitlich (Testierfähigkeit muss im Zeitpunkt der Errichtung vorliegen) als auch sachlich (Testierfähigkeit muss hinsichtlich der konkreten Anordnungen vorliegen) verstanden. 244 Inzwischen ist die Frage eindeutig zugunsten eines relativen Verständnisses der Testierfähigkeit geklärt: § 566 ABGB n. F. Dazu Christandl/Nemeth, NZ 2016, 8 f. Aber auch nach bisheriger österreichischer Rechtsprechung geht es bei der Beurteilung der Testierfähigkeit stets um die Frage, ob die geistige Beeinträchtigung gerade den Inhalt der letztwilligen Verfügung beeinflusst hat und damit stets um eine Beurteilung unter Berücksichtigung des konkreten Testaments. Vgl. OGH 7.6.2005, 5Ob113/05m: „Damit liegen exakt jene Voraussetzungen vor, deren Nachweis die höchstgerichtliche Rechtsprechung bei geistigen Erkrankungen für die fehlende Testierfähigkeit fordert, nämlich dass die geistige Beeinträchtigung den Inhalt der letztwilligen Erklärung beeinflusst und für die Willensbil239 240
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grund der auch relativ verstandenen Geschäftsfähigkeit245 so selbstverständlich, dass es (im Gegensatz zur Schweiz) in der Literatur und in der Rechtsprechung kaum thematisiert wird.246 Auch in Frankreich,247 Italien,248 Spanien 249 und England250 wird die Testierfähigkeit und damit die erforderliche geistige Gesundheit stets mit Bezug auf das konkrete Testament festgestellt. Die ständige deutsche Rechtsprechung251 und die traditionelle deutsche Lehre252 lehnen dagegen ein relatives Verständnis der Testierfähigkeit ab. dung bei der Testamentserrichtung von wesentlicher Bedeutung war (SZ 63/116 mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung; RIS-Justiz RS0012424).“ Dagegen meinen Weiß/ Ferrari, in: Susanne Ferrari/Gundula Maria Likar-Peer, Erbrecht 145, es sei fraglich, ob im österreichischen Recht eine relative Testierfähigkeit anerkannt sei. 245 Bei geringeren geistigen Beeinträchtigungen ist stets zu fragen, „ob für das konkrete Geschäft ausreichende Einsichtsfähigkeit vorhanden war.“ Bydlinski, Bürgerliches Recht 2/28. Für ein relatives Verständnis der Geschäftsfähigkeit (als partielle Geschäftsfähigkeit bezeichnet): OGH 29.4.2003, 5Ob278/02x: „Geschäftsunfähig im Sinne der genannten Gesetzesstelle sind aber nicht nur jene Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben und somit vollkommen unfähig sind, die Bedeutung rechtsgeschäftlicher Handlungen zu erkennen, sondern auch solche, die aufgrund Geisteskrankheit oder -schwäche unfähig sind, die Tragweite eines bestimmten Geschäftes einzusehen (SZ 63/35; ausführlich JBl 1977, 537; SZ 55/166; NZ 1987, 14 ua; zuletzt 8Ob165/00y mwN).“ 246 Vgl. aber Kralik, Das Erbrecht 96; Welser, NZ 1987, 169, Text bei Fn. 15. 247 Vgl. z. B.: „qu’aucune circonstance ne permettait de dire que la disposition claire et précise que le testateur avait eu la force de dicter au notaire n’était pas l’expression d’une volonté libre“ Cass. civ. 22.12.1971, Bull. civ. 1971, I, n° 329. 248 Zur Bedeutung von Inhalt und Form des Testaments bei der Beurteilung der Testierfähigkeit in der italienischen Rechtsprechung vgl. Venturelli, Capacità 121 f. 249 Vgl. dazu Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/Rodríguez Guitián, Art. 663 Código civ. Bd. II 270 mit Verweis auf STS 19.9.1998 (RJ 1998/6399). 250 Singellos v. Singellos [2010] EWHC 2353 (Ch) 147: „The test is issue-specific, in that the degree of understanding required depends on the nature and complexity of the transaction in question. The more complex the transaction and/or the more extensive the nature of the disposition, the greater the degree of understanding which is required.“ Vgl. auch Sharp v. Adam [2005] EWHC 1806 (Ch), 209; Brown v. Deacy [2002] WTLR 781, 16. 251 OGHbrZ 12.5.1949, NJW 1949, 544: „Dagegen gibt es keine nach dem Grade der Schwierigkeit abgestufte Geschäftsfähigkeit auf demselben Lebensgebiet, insbesondere keine demgemäß abgestufte Testierfähigkeit. Diese Fähigkeit ist keine Qualifikation der einzelnen Willenserklärung, sondern eine solche des Erblassers.“ OLG München 14.8.2007, DNotZ 2008, 296, 297 = BWNotZ 2007, 170, 172 = FGPrax 2007, 274. Der BGH hat sich hinsichtlich einer „relativen Testierfähigkeit“ nie geäußert. Eine relative Geschäftsfähigkeit bei lebzeitigen Geschäften hat er dagegen stets abgelehnt. So besonders BGH 14.7.1953, NJW 1953, 1342: „Die Entsch. des [RG 21.3.1938, JW 1938, 1590], die in vorsichtiger Form ausspricht, daß eine auf nicht alltägliche Geschäfte beschränkte Geschäftsunfähigkeit anerkannt werden könne, ist vereinzelt geblieben, und der Senat vermag ihr nicht zu folgen. Zutreffend weist das BerUrt. darauf hin, daß der von der Rev. vertretene Standpunkt eine große Rechtsunsicherheit zur Folge haben müsse; wenn die Geschäftsfähigkeit einer Person je nach der Schwierigkeit des von ihm vorgenommenen Geschäftes beurteilt werden müßte, wäre jede klare Abgrenzung unmöglich und in zahlreichen Fällen die Entsch. über die Gül-
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Wie bei der Geschäftsfähigkeit soll es demnach auch bei der Testierfähigkeit keine nach Schwierigkeitsgraden abgestufte Testierfähigkeit geben. Als Begründung wird stets angegeben, dass eine relative Testierfähigkeit zu Rechtsunsicherheit führe und im Übrigen auch Anlass für erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen schwierigen und leichten Geschäften gebe.253 Beide Argumente können nicht überzeugen, weshalb zuletzt auch immer mehr Autoren für die Anerkennung einer relativen Testierfähigkeit plädieren.254 Auf die Rechtssicherheit kann es in einem Rechtsbereich, in welchem dem Vertrauensschutz keine Bedeutung zukommt, weil niemand auf die Gültigkeit eines Testaments vertrauen darf, nicht ankommen. Auch das Argument der Abgrenzungsschwierigkeiten überzeugt nicht, denn es geht nicht darum, den Schwierigkeitsgrad des Testaments zu ermitteln, sondern darum, ob das konkrete Testament vom Erblasser in seiner Tragweite verstanden wurde und somit Ergebnis eines selbstbestimmten Willensbildungsprozesses sein konnte. Bereits Flume wies darauf hin, dass die Feststellung der Testierfähigkeit gerade leichter falle, wenn dabei die Frage beantwortet werden kann, ob der Erblasser zur Errichtung eines bestimmten Testaments „geistigwillensmäßig“ in der Lage war.255 Das Wortlautargument, wonach § 2229 Abs. 4 BGB von „einer“ und nicht von „der“ vom Erblasser abgegebenen Willenserklärung spricht, mag vielleicht (jedenfalls nicht notwendig) in die Richtung weisen, dass es nicht um das konkrete Testament, sondern um Einsichts- und Handlungsfähigkeit hinsichtlich eines Testaments im Allgemeinen geht. Ein solcher Maßstab erweist sich indes als impraktikabel, denn die Testierfähigkeit kann nicht abstrakt und damit unabhängig vom Einzelfall geprüft tigkeit einer Erklärung davon abhängig, welches Maß von Schwierigkeiten dem einzelnen Geschäft beigemessen und welches Maß von Einsicht dem Erklärenden zugebilligt werden will.“ Vgl. auch BGH 19.6.1970, NJW 1970, 1680: „Eine allgemein auf besonders schwierige Rechtsgeschäfte beschränkte Geschäftsunfähigkeit kann daher grundsätzlich nicht anerkannt werden. Eine Person, die in der Lage ist ihren Willen frei zu bestimmen, deren intellektuelle Fähigkeiten aber nicht ausreichen, um bestimmte schwierige rechtliche Beziehungen verstandesmäßig zu erfassen, ist deswegen noch nicht geschäftsunfähig. Es muß ihr vielmehr überlassen bleiben, auf welche Weise sie mit besonderen Lagen fertig werden will. Wenn sie sich dem Rat einer dritten Person fügt, so ist dies auf Grund einer vernünftigen freien Willensentschließung geschehen, sie steht dann auch insoweit nicht unter einem ihre eigene Willensfreiheit ausschließenden Einfluß eines anderen.“ 252 Palandt/Edenhofer, § 2229 BGB Rn. 1; Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rn. 3, zuletzt Muscheler, Erbrecht Bd. 1 856. 253 Zuletzt Muscheler, Erbrecht Bd. 1 856. 254 Vgl. Flume, Allgemeiner Teil 188; Reimann/Bengel/Mayer6/Voit, § 2229 BGB Rn. 12; MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 15; zuletzt unter Aufgabe seiner vorherigen gegenteiligen Meinung Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rn. 19; Schmoeckel, NJW 2016, 433, 435. Für ein relatives Verständnis nicht nur der Testier- sondern auch der Geschäftsfähigkeit nach österreichischem und Schweizer Vorbild vgl. Spickhoff, AcP 208 (2008) 383 f. 255 Flume, Allgemeiner Teil 189.
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werden. Diese Grenze der Praktikabilität muss auch die Rechtsprechung zur Kenntnis nehmen, weshalb die Diskussion um die relative Testierfähigkeit im deutschen Recht letztlich theoretischer Natur ist. Vor allem die mantraartig in derselben Formulierung wiederholte Ablehnung des Konzepts einer „relativen Testierfähigkeit“ in der Rechtsprechung darf nicht überbewertet werden. Wenn nämlich die Rechtsprechung darauf abstellt, dass der Erblasser sich der Folgen seiner Erklärung für die Betroffenen im Klaren sein muss,256 nimmt sie offenkundig auf die konkrete Verfügung Bezug und geht somit bereits jetzt implizit von einem relativen Verständnis der Testierfähigkeit aus.257 c) Schwierigkeitsgrad der Verfügung und rechtliche Komplexität Bei der Feststellung der relativen Testierfähigkeit ist jedoch darauf zu achten, dass der Schwierigkeitsgrad des Testaments nicht mit seiner rechtlichen Komplexität verwechselt wird.258 Es kann durchaus sein, dass der Erblasser einfache Wünsche äußern kann, zu deren rechtlicher Umsetzung es allerdings komplexer juristischer Konstruktionen bedarf. So war es etwa in einem vom Schweizer Bundesgericht entschiedenen Fall, in dem der Erblasser seine Lebensgefährtin für die geleisteten Dienste unter Wahrung der Pflichtteilsansprüche der Nachkommen so umfangreich wie möglich begünstigen und sicherstellen wollte, dass sie weiterhin im Haus bleiben konnte.259 Ähnlich verhält es sich auch in dem in der Praxis häufig vorkommenden Fall, dass die betagten Erblasser wünschen, dass der länger lebende Ehepartner versorgt wird, die Kinder aus erster Ehe dagegen erst danach zum Zuge kommen sollen und der Notar daraufhin ein Berliner Testament mit Pflichtteilsstrafklausel aufsetzt, das die Erblasser als gemeinschaftliches Testament unterzeichnen. 256 Nach der Rechtsprechung muss der Erblasser „in der Lage sein, sich ein klares Urteil zu bilden, welche Tragweite seine Anordnungen haben, insbesondere welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausüben. Das gilt auch für die Gründe, welche für und gegen die sittliche Berechtigung der Anordnungen sprechen.“ So z. B. OLG Frankfurt a.M. 13.3.2003, NJOZ 2003, 1956. 257 Darauf weist auch Reimann/Bengel/Mayer6/Voit, § 2229 BGB Rn. 12 hin. Ebenso MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 15. Diese Rechtswirklichkeit berücksichtigt Spickhoff, AcP 208 (2008) 383 f. für den Bereich der Testierfähigkeit zu wenig. 258 So aber MüKo BGB/Baumann, § 2229 Rn. 19. 259 BGer 25.3.2009, 5A.12/2009 E. 5.3: „Die letztwillige Verfügung hat auf einfachen Wünschen und Vorstellungen beruht. Der Erblasser wollte seine Lebenspartnerin für die geleisteten Dienste in bar entschädigen, im grösstmöglichen Umfang erbrechtlich begünstigen und ihr dabei einen Verbleib im bisher bewohnten Haus ermöglichen, und zwar alles unter Wahrung der Pflichtteilsrechte der Nachkommen (E. 5.1 soeben). Schwierig daran war allenfalls die rechtstechnische Umsetzung des letzten Willens in Anbetracht der grossen Pflichtteilsansprüche (vgl. Art. 457 Abs. 2 i. V. m. Art. 471 Ziff. 1 ZGB) und des zur Hauptsache aus der Liegenschaft bestehenden Nachlassvermögens. Der Erblasser hat damit einen Notar als Fachmann betraut und brauchte sich darum auch nicht selber in allen Einzelheiten zu kümmern. Es hat genügt, dass er sich des konkreten Inhalts der Verfügung bewusst war.“
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Mag der Erblasser die vom Notar gewählte, juristisch durchaus komplexe Konstruktion auch nicht mehr durchschauen, so ist diese Verfügung dennoch vom Willen des Erblassers getragen und somit selbstbestimmt zustande gekommen. Letztlich geht es nämlich um die Frage, inwieweit der einem Testament zugrunde liegende Gestaltungswunsch vom Erblasser noch Ergebnis eines selbstbestimmten Willensbildungsprozesses sein konnte. So kann etwa eine Vielzahl gleichzeitiger, bedingter Anordnungen mit Erbeinsetzungen und Vermächtnissen zugunsten zahlreicher Begünstigter für einen Erblasser mit altersbedingt beschränkten geistigen Fähigkeiten kaum noch überschaubar sein, vor allem wenn diese Anordnungen nicht auf einen einheitlichen, einfach formulierbaren Wunsch reduziert werden können. Völlig unbeachtlich für die Beurteilung des Schwierigkeitsgrads des Testaments und der damit verbundenen relativen Testierfähigkeit sind jedenfalls der Umfang und die Zusammensetzung des Vermögens.260 Mag das Vermögen auch aus vielen unterschiedlichen Vermögensbestandteilen zusammengesetzt sein (etwa Unternehmensanteilen, Immobilien, Wertpapieren etc.), so sagt dies noch nichts darüber aus, ob der dem Testament zugrunde liegende Wunsch und die damit verbundenen Wirkungen einfach oder komplex waren und damit nicht mehr auf den Willen des Erblassers zurückgeführt werden können. Der Wunsch des Erblassers, alles seiner Lebensgefährtin und danach seinen Kindern zu vererben, ist durchaus einfach und bleibt einfach, ganz unabhängig davon, wie komplex oder umfangreich die Vermögensverhältnisse des Erblassers auch sein mögen. Schließlich darf das Konzept der relativen Testierfähigkeit auch nicht mit den Anfechtungsgründen vermengt werden. Wer aufgrund der Beratung interessierter Dritter (etwa der Verwandten) der Meinung ist, ein Testament entsprechend seinen Wünschen zu errichten und anstatt dessen ein Testament nach den Wünschen des Dritten errichtet,261 wurde getäuscht. Das Testament ist mithin wegen Irrtums anfechtbar (§ 2078 BGB). Immerhin wollte der ErbSo auch BGer 17.1.2005, 5C.193/2004: „Die vom Kläger angesprochene vielschichtige Zusammensetzung des Nachlasses ändert nichts am einfachen Inhalt der erbrechtlichen Anordnung. Die Argumentation der Vorinstanz, von der Komplexität des Nachlassvermögens könne nicht auf die Kompliziertheit des Verfügungsinhaltes geschlossen werden, ist nicht zu beanstanden.“ Ebenso die österreichische Rechtsprechung OGH 4.7.1979, 3Ob547/79 (SZ 52/111): „Für die Erfassung der Bedeutung der letztwilligen Erklärung kann es keine Rolle spielen, ob die Erblasserin dabei über ein geringes oder beträchtliches Vermögen verfügte. Es können daher nicht, wie der Kläger meint, an die Testierfähigkeit je nach der Größe des Vermögens verschiedene Anforderungen gestellt werden.“ Nicht überzeugend dagegen für eine Berücksichtigung des Vermögensumfangs Aebi-Müller, successio 2012, 14; Kralik, Erbrecht (1983) 96 (Fn. 6). Auch in der englischen Rechtsprechung wird vereinzelt für die Komplexität der Verfügung auf die Komplexität der Vermögensverhältnisse Bezug genommen: Sharp v. Adam [2005] EWHC 1806 (Ch), 209. Auf den Umfang des Vermögens will auch Schmidt, RabelsZ 76 (2012) 1032 abstellen. 261 Vgl. für dieses Beispiel Spickhoff, AcP 208 (2008) 384. 260
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lasser das Testament, er hat sich über den Inhalt seiner Willenserklärung aber geirrt. Testierunfähigkeit ist in diesem Fall nicht anzunehmen, es sei denn, der dem fremdbestimmten Testament zugrundeliegende Wille konnte aufgrund der geistigen Verfassung des Erblassers nicht einmal Ergebnis eines selbstbestimmten Willensbildungsprozesses des Erblassers sein. d) Ergebnis Im Ergebnis zeigt sich, dass alle hier betrachteten ausländischen Rechtsordnungen von einem relativen Verständnis der Testierfähigkeit ausgehen. Dies gilt entgegen den ständig wiederholten gegenteiligen Bekundungen deutscher Gerichte auch für das deutsche Recht. Testierfähigkeit kann gar nicht anders verstanden werden als die Fähigkeit des Erblassers zur selbstbestimmten Bildung des im konkreten Testament enthaltenen Willens. Im Ergebnis ist nämlich bei der Beurteilung der Testierfähigkeit als Fähigkeit zur selbstbestimmten Willensbildung entscheidend, dass nur das selbstbestimmt zustande gekommene Testament überhaupt rechtliche Geltung beanspruchen kann. Auf einen Verkehrs- oder Vertrauensschutz kommt es im Testamentsrecht nicht an. Die Anerkennung einer relativen Testierfähigkeit erweist sich vor diesem Hintergrund als geradezu zwingend. 6. Partielle Testierfähigkeit a) Keine partielle Testierfähigkeit im deutschen Recht Nach deutschem Recht kann die Geschäftsunfähigkeit auch auf einen bestimmten, abgrenzbaren Bereich von Rechtshandlungen beschränkt sein.262 So kann etwa Querulantenwahn zum Ausschluss der Prozessfähigkeit führen.263 Man spricht in diesen Fällen von partieller Geschäftsfähigkeit.264
BVerfG 18.12.2002, NJW 2003, 1382 (zur partiellen Geschäftsfähigkeit bei Eheschließung) mit umfangreichen Nachweisen auf Rechtsprechung und Literatur: „Gemäß § 104 Nr. 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur kann die Geschäftsfähigkeit auch nur für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten ausgeschlossen sein.“ Zur partiellen Geschäftsfähigkeit vgl. im Überblick Staudinger/Knothe, § 104 BGB Rn. 14; grundlegend Gebauer, AcP 154 (1954) 332 ff. 263 Vgl. z. B. VGH Kassel 1.6.1967, NJW 1968, 70: „Wer nicht an einer gesteigerten rechthaberischen Verbohrtheit, die sich noch im Rahmen der Gesundheit hält, sondern an einem krankhaften Querulantenwahn leidet, ist in diesem Bereich partiell geschäftsunfähig und damit auch partiell prozeßunfähig.“ Prozessunfähigkeit wurde auch für die Prozessführung in Ehesachen für einen Fall krankhafter Eifersucht festgestellt BGH 24.9.1955, NJW 1955, 1714 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts. 264 Vgl. z. B. Palandt/Ellenberger, § 104 BGB Rn. 6. 262
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Im Recht der Testierfähigkeit konnte sich indes eine auf bestimmte Angelegenheiten beschränkte Handlungsunfähigkeit bisher nicht durchsetzen, obwohl auch bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen auf bestimmte Personen oder Bereiche beschränkte Wahnvorstellungen relevant sein können. Ein Wahn äußert sich stets als inhaltliche Denkstörung, die sich auf die Urteilsfähigkeit und den Willensbildungsprozess des Erblassers auswirkt. Dabei bezieht sich die Störung der Willensbildung in aller Regel auf einen genau abgrenzbaren Lebensbereich (meist eine bestimmte Person oder Sache), während die Willensbildung außerhalb dieses Bereichs nicht unmittelbar betroffen ist und weitgehend frei erfolgen kann.265 Gerade Personen mit Demenzerkrankungen leiden sehr häufig an Wahnvorstellungen, weshalb Testatoren in hohem Alter mit erhöhter Wahrscheinlichkeit davon betroffen sind und die Anerkennung einer partiellen Testierfähigkeit somit naheläge. Die herrschende Rechtsprechung und Lehre lehnen eine partielle Testierfähigkeit jedoch mit der Begründung ab,266 die Testierfähigkeit könne „nur in vollem Umfang entweder gegeben oder ausgeschlossen sein.“267 Aus diesem Grund kann der Erblasser hinsichtlich verschiedener, voneinander unabhängiger Verfügungen in einem Testament nicht gleichzeitig testierfähig und testierunfähig sein. b) Kritik Damit weicht die Rechtsprechung nicht bloß vom Geschäftsfähigkeitsrecht ab,268 sondern begibt sich auch in einen auffälligen Widerspruch zu jener Position der ständigen Rechtsprechung, wonach Geistesstörungen nur dann zur Testierunfähigkeit führen, wenn sie die letztwilligen Verfügungen beeinflusst Wetterling, Auffälligkeiten 38 f. BayObLG 31.1.1991, NJW 1992, 248, 249 unter Aufgabe von BayObLG 22.10.1984, FamRZ 1985, 539; Palandt/Edenhofer, § 2229 BGB Rn. 1; Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rn. 18; Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rn. 12. 267 BayObLG 31.1.1991, NJW 1992, 248, 249: „Wirken sich krankhafte Geistesstörungen nur in einzelnen Lebensbereichen aus, kann die Testierfähigkeit bei der Testamentserrichtung nur ganz, nicht aber teilweise (partiell) fehlen.“ 268 So auch Muscheler, Erbrecht Bd. 1 855. A. A. dagegen Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rn. 12, der meint, dass die Nichtanerkennung einer partiellen Testierfähigkeit keinen weiteren Unterschied zwischen Geschäfts- und Testierfähigkeit darstelle: „Denn der Begriff der partiellen Geschäftsunfähigkeit meint nicht, dass eine (nur) partielle Störung der Geistestätigkeit vorliegt, sondern betrachtet nur die Rechtsfolgen, dass sich die Störung hier nur sektoriell auf eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften auswirkt: Dagegen kann der ohnehin eng abgegrenzte Geschäftsbereich ‚Fähigkeit ein Testament zu errichten’ – bejaht man die Testierfähigkeit im konkreten Fall – insoweit nicht weiter eingeschränkt werden.“ Diese Differenzierung überzeugt nicht, denn auch bei der partiellen Testierfähigkeit geht es nur darum, anzuerkennen, dass sich die Störung auf eine bestimmte Art von Verfügungen auswirkt und diese somit wegen Testierunfähigkeit ungültig sind, während andere Verfügungen aufrecht bleiben, weil sie durch die Geisteskrankheit nicht beeinflusst wurden. 265 266
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haben.269 Testierunfähig ist nämlich nur derjenige, dessen Willensbildung nicht „frei von krankheitsbedingten Störungen zustande kommt“.270 Wenn dem so ist, dann muss ein Erblasser, der an paranoiden Wahnsyndromen leidet, zugleich testierfähig und testierunfähig sein können.271 Denn alle Verfügungen, die er unbeeinflusst von seinem Wahn272 errichtet, müssten gültig sein, während die restlichen durch die Geisteskrankheit beeinflussten Verfügungen wegen Testierunfähigkeit (unfreier Willensbildung) nichtig sein müssten. Dem wird in aller Regel entgegen gehalten, dass die Verfügungen in einem Testament als Einheit zu verstehen sind, sodass sich die gestörte Willensbildung hinsichtlich einer einzelnen Verfügung stets auch auf das gesamte Testament und somit auf alle Verfügungen auswirkt. Dem im Erbrecht geltenden Grundsatz der Selbständigkeit einzelner Verfügungen im Testament folgend (§§ 2085, 2161, 2192 i. V. m. § 2161 BGB), kann es aber durchaus testamentarische Verfügungen geben, die mit den von der Geisteskrankheit beeinflussten Verfügungen nicht zusammenhängen und somit von der geistigen Störung nicht betroffen sind. Sie dürften daher nicht der Nichtigkeit wegen Testierfähigkeit anheimfallen. 273 Man denke etwa an den Fall, dass der Erblasser stets
269 Es muss mithin ein Zusammenhang zwischen Geistesstörung und letztwilligem Verfügungsverhalten bestehen. Vgl. MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 21: „Immer kommt es darauf an, ob durch die krankhafte Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung die freie Willensbildung des Erblassers in der konkreten Situation ausgeschlossen war. Eine geistige Erkrankung ist deshalb unerheblich, wenn sie mit der letztwilligen Verfügung nicht in Verbindung steht und sie daher nicht beeinflusst.“ In der Rechtsprechung BayObLG 14.9.2001, ZEV 2002, 234, 235, BayObLG 7.9.2004, NJOZ 2005, 1070, 1072: „Eine geistige Erkrankung des Erblassers steht der Gültigkeit seiner letztwilligen Verfügung nicht entgegen, wenn diese von der Erkrankung nicht beeinflusst ist (vgl. BayObLG 14.9.2001, FamRZ 2002, 1066, 1067 = NJOZ 2001, 2138).“ In diesem Sinne auch die englische Rechtsprechung in Banks v. Goodfellow [1870] L.R. 5 Q.B. 549, 571: „in such a case, that the existence of a delusion, compatible with the retention of the general powers and faculties of the mind, will not be sufficient to overthrow the will, unless it were such as was calculated to influence the testator in making it.“ 270 BayObLG 21.7.1999, BayObLGZ 1999, 205, 211 = FamRZ 2000, 701. 271 So folgerichtig auch die Position von Kralik, Erbrecht 96 für das österreichische Recht. 272 Gerade bei Wahnsyndromen ist es möglich, dass der Betroffene nur in einem klar abgrenzbaren Bereich (etwa hinsichtlich einer bestimmten Person) von seinem Wahn beeinflusst wird, sonst aber frei entscheiden kann. Dazu BayObLG 21.7.1999, BayObLGZ 1999, 205, 209= FamRZ 2000, 701: „Wahnsyndrome können, wie die Sachverständige ausführte, mit einer weitgehend erhaltenen ‚Normalität‘ im übrigen koexistieren. Eine von einem derartigen Wahnsyndrom besessene Person kann in Bereichen, die mit diesem Syndrom nicht zusammenhängen, durchaus normal und vernünftig handeln und denken.“ Zu Wahnsyndromen bei Demenz vgl. Wetterling, Auffälligkeiten 38. 273 Für eine Differenzierung in diesem Sinne Reimann/Bengel/Mayer6/Voit, § 2229 BGB Rn. 16; ihm folgend: MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 16. Zuletzt auch Muscheler, Erb-
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zugunsten einer bestimmten Wohltätigkeitsorganisation ein Vermächtnis anordnen wollte und dies in seinem Testament auch gemacht hat, allerdings im selben Testament aufgrund eines Eifersuchtswahns auch seine Frau enterbt hat. Es erschiene zumindest fragwürdig, wenn in diesem Fall klar trennbarer Verfügungen das gesamte Testament und somit auch das Vermächtnis beseitigt würden. Dagegen ist die Erbeinsetzung, die aufgrund einer Enterbung wegen Wahnvorstellungen erfolgt, mittelbar von der geistigen Krankheit beeinflusst worden, sodass sowohl Enterbung als auch Erbeinsetzung wegen Testierunfähigkeit nichtig sein müssen.274 c) Österreich und Italien Die „Alles oder Nichts“-Lösung der deutschen Rechtsprechung wird auch in Österreich vertreten. Die österreichische Rechtsprechung erachtet es für die Beurteilung der Testierfähigkeit letztlich als entscheidend, dass der Erblasser „hinsichtlich aller seiner erbrechtlich relevanten Anordnungen in seiner Willensbildung frei gewesen“ ist.275 Fehlt ihm hinsichtlich einer Anordnung die Freiheit der Willensbildung, dann fällt das gesamte Testament wegen Testierunfähigkeit.276 Dabei geht die Rechtsprechung offenbar von einem unauflöslichen inneren Zusammenhang zwischen Einzelverfügungen im Testament aus.277 Im Anlassfall bildete sich der Erblasser ein, sein von ihm enterbter Sohn trachte ihm nach seinem Leben, weshalb er ihn enterbte und stattdessen seine Lebensgefährtin zur Alleinerbin einsetzte. Letztlich komme es nur darauf an, „ob die Krankheit des Erblassers, z. B. die bei ihm festgestellten Wahnvorstellungen, auf seine Willensbildung bei der Testamentserrichtung von Einfluss waren oder nicht“. Wenn die Krankheit die freie Willensbildung des Erblassers nicht gestört habe, dann sei das Testament gültig. Wenn die Geistesstörung aber bei der Errichtung des Testaments relevant geworden sei, dann sei das gesamte Testament ungültig. Das Testament stelle sich nämlich „notwendig als einheitlicher Willensakt“ dar, dessen einzelne Verfügungen voneinander abhängig seien. Daher gelte: „fehlt die freie Willensbildung hinsichtlich einzelner erbrechtlich erheblicher Anordnungen, so beruht der recht Bd. 1 854 ff.; diesem folgend für Fälle, in denen der Erblasser „personen- oder sachbezogen geistesgestört“ ist: Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rn. 18. 274 So etwa BayObLG, wo aufgrund der Wahnvorstellungen gegenüber der Schwägerin die Söhne des Gemeindepfarres zu Erben eingesetzt wurden: BayObLG 21.7.1999, BayObLGZ 1999, 205 = FamRZ 2000, 701. 275 OGH 27.9.1988, 2Ob609/87. 276 Jüngst a. A. Koziol/Bollenberger/Bydlinski/Apathy, § 566 ABGB Rn. 3. 277 Für eine Aufspaltung in Einzelverfügungen dagegen Kralik, Erbrecht 96. Nach Welser, NZ 1987, 169 (bei Fn. 18) kommt es entscheidend darauf an, dass „Willenserklärungen, die sachlich-gegenständlich eine Einheit bilden, gemeinsam geprüft werden.“ Einer Aufspaltung in Einzelverfügungen steht seine Haltung mithin nicht entgegen. Dem folgend auch Eccher, Erbrecht Rn. 4/21.
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Testierakt insgesamt nicht auf freier Willensbildung. Das Testament ist daher mangels Testierfähigkeit ungültig.“278 Im italienischen Recht will die Lehre (jüngere Rechtsprechung liegt zu dieser Frage nicht vor) eine partielle Testierunfähigkeit dann anerkennen, wenn sich die Wahnvorstellung auf genau abgrenzbare Bereiche erstreckt hat. Es soll bezogen auf die von den Wahnvorstellungen betroffenen Verfügungen gemäß Art. 1419 ital. C. civ. Teilnichtigkeit des Testaments eintreten.279 Bei der Beurteilung der Testierfähigkeit sind jedenfalls auch der Inhalt der letztwilligen Verfügung, die Ernsthaftigkeit, die Üblichkeit, die innere Kohärenz, die Gefühle sowie die vom Erblasser verfolgten Ziele zu berücksichtigen.280 d) Ergebnis Anders als die immer lauter werdenden Stimmen in der Lehre, erkennt die deutsche Rechtsprechung eine Teiltestierfähigkeit nicht an. Wie gezeigt wurde, kann diese ablehnende Haltung der Rechtsprechung nicht damit begründet werden, dass die Testierfähigkeit unteilbar wäre und daher nur ganz gegeben oder überhaupt fehlen könne. Die Rechtsprechung macht nämlich durchwegs die Feststellung der Testierunfähigkeit nicht bloß vom Vorhandensein einer medizinisch feststellbaren geistigen Störung, sondern insbesondere davon abhängig, ob das Testament von der geistigen Beeinträchtigung beeinflusst wurde, ob die Verfügung also in den von der geistigen Störung betroffenen Bereich fällt. Da ein Testament aber nicht als Einzelverfügung, sondern als Rechtsgeschäft verstanden werden muss, das eine Vielzahl von Verfügungen in sich vereint, dürfte in konsequenter Fortführung der Rechtsprechung nur hinsichtlich jener Verfügungen Testierunfähigkeit festgestellt werden, die unmittelbar oder mittelbar von der geistigen Beeinträchtigung beeinflusst wurden. Dem widersetzen sich die Gerichte aber, was freilich zu der durchaus widersprüchlichen Rechtsprechung führt, dass die Ungültigkeit einer Verfügung letztlich nicht mehr davon abhängt, ob sie selbst durch den Einfluss der Geisteskrankheit entstanden ist, oder in den von dieser berührten Bereich fällt, sondern allein davon, ob sie in einem Testament enthalten ist, in dem auch nur eine, völlig selbständige Verfügung eindeutig den geistigen Störungen (etwa monothematischen Wahnvorstellungen) des Erblassers entspringt. Damit vermeidet die Rechtsprechung freilich die im Einzelfall schwierige 278 OGH 27.9.1988, 2Ob609/87. In diesem Sinne auch OGH 27.6.1991, 3Ob539/90: „nicht die Ausschließlichkeit der Wahnidee, sondern ihr zu vermutender Einfluß auf die Testierhandlung“ ist maßgebend. „Kriterium dieser Beurteilung ist, ob der Erblasser ohne die Wahnidee zur gleichen oder zu einer anderen letztwilligen Verfügung gekommen wäre.“ 279 Dazu Cicu, Testamento 111; im Überblick mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung Venturelli, Capacità 125. 280 Cass. 5.1.2011, Nr. 230, Giust. civ. mass. 2011, 21; Cass. 22.5.1995, Nr. 5620, Giust. civ. mass. 1995, 1046.
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Frage, inwiefern Einzelverfügungen von der geistigen Krankheit des Erblassers betroffen sind oder unabhängig von dieser angeordnet wurden. Bestehen im Einzelfall aber keine Zweifel daran, dass eine Verfügung selbstbestimmt zustande gekommen ist, etwa weil sie in keinerlei Zusammenhang mit dem Wahn des Erblassers steht oder auch aus früheren Testamenten fortgeführt wurde, dann kann die Ablehnung einer partiellen Testierfähigkeit nicht überzeugen, denn sie verweigert einem selbstbestimmt gebildeten Willen seine Durchsetzung. Im Ergebnis ist somit dafür zu plädieren, dass die ständige Rechtsprechung, nach der die geistige Störung nur dann die Testierfähigkeit des Erblassers ausschließt, wenn diese sich auch auf den Inhalt des Testaments niedergeschlagen hat, konsequent durchzuführen ist. Nur jene Verfügungen, die in den von der geistigen Krankheit betroffenen Bereich fallen, sind demnach zu beseitigen, während Verfügungen, die von den Wahnvorstellungen eindeutig nicht beeinträchtigt wurden, zum Schutz des selbstbestimmten Willens des Erblassers aufrecht zu erhalten sind. 7. Testierfähigkeit und Erwachsenenschutz Es entspricht inzwischen einem in vielen europäischen Rechtsordnungen etablierten Standard, dass Personen, die aufgrund gesundheitlicher Gebrechen in ihrer Selbständigkeit beeinträchtigt sind, nicht mehr nach dem Vorbild der Vormundschaft für Minderjährige schlechthin entmündigt und damit für geschäftsunfähig erklärt werden.281 Moderne Schutzmaßnahmen für Erwachsene folgen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität, unterstützen den Einzelnen also in seiner Selbstbestimmungsfähigkeit und beschränken die Geschäftsfähigkeit nur dort, wo dies aufgrund der Bedürfnisse des Erwachsenen, somit in seinem Interesse erforderlich ist.282 Dies gilt freilich auch für die Frage der Testierfähigkeit als Ausdruck der rechtlichen Selbstbestimmungsfähigkeit des Erblassers. Aus einem Rechtsvergleich ergeben sich vier unterschiedliche Regelungsmodelle hinsichtlich der Wirkungen von Erwachsenenschutzmaßnahmen auf die Testierfähigkeit. Einzelne Rechtsordnungen folgen nach wie vor dem traditionellen Entmündigungssystem und entziehen dem Betroffenen daher stets mit Anordnung der Vormundschaft auch die Testierfähigkeit (a). Die restlichen Rechtsordnungen entziehen dem Erblasser die Testierfähigkeit nur, wenn dies im Einzelfall angemessen bzw. erforderlich erscheint (b) oder
Zur Entwicklung des Erwachsenenschutzrechts im Rechtsvergleich siehe Röthel, Betreuung 200; Siehr, Erwachsenenschutz 448. 282 Der Schutz des Wohlergehens und das Interesse des Erwachsenen stehen somit im Vordergrund. Vgl. in diesem Zusammenhang die Empfehlung Nr. R(99)4 des Europarats zum Schutz schutzbedürftiger Erwachsener. Dazu Siehr, Erwachsenenschutz 448. 281
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beschränken stets oder bloß im Einzelfall die Formwahlfreiheit des Erblassers (c) bzw. lassen die Testierfähigkeit unberührt (d). a) Ausschluss der Testierfähigkeit bzw. Ermächtigung im Einzelfall Nach dem althergebrachten Modell der Vormundschaft entzog man dem Entmündigten mit der Geschäftsfähigkeit auch seine Testierfähigkeit (vgl. etwa § 2229 Abs. 3 a. F. BGB: „Wer entmündigt ist, kann ein Testament nicht errichten. Die Unfähigkeit tritt schon mit der Stellung des Antrags ein, auf Grund dessen die Entmündigung ausgesprochen wird“). Eine Ausnahme machte das deutsche Recht nur hinsichtlich des Widerrufs eines Testaments. Widerrufsfähig war nämlich auch ein entmündigter Erblasser in Bezug auf ein vor der Entmündigung von ihm gültig errichtetes Testament (§ 2253 Abs. 2 a. F. BGB), sofern die Entmündigung nicht wegen Geisteskrankheit,283 sondern wegen Verschwendung, Trunksucht oder Rauschgiftsucht ausgesprochen worden war.284 Rechtsordnungen, die nach wie vor dem Entmündigungsmodell folgen oder dieses parallel zu flexibleren Schutzinstrumenten beibehalten haben,285 sehen weiterhin den Entzug der Testierfähigkeit als rechtliche Folge der Entmündigung wegen Geisteskrankheit vor. So etwa Portugal286 oder Italien.287 Auch in Frankreich wird dem Erblasser durch die Anordnung der Vormundschaft (tutelle) die Testierfähigkeit entzogen. Dieser Ausschluss ist allerdings
283 Insofern wurde auch für die Widerrufsfähigkeit an den Mindestvoraussetzungen der Testierfähigkeit gemäß § 2229 Abs. 4 (Fähigkeit die Bedeutung der eigenen Verfügungen einzusehen und danach zu handeln) festgehalten. 284 Dazu MüKo BGB/Hagena, § 2253 BGB Rn. 8. 285 So etwa das italienische Recht, das neben der klassischen Entmündigung (interdizione) und Teilentmündigung (inabilitazione) (Artt. 414 ff. ital. C. civ.) seit dem Jahr 2005 die sog. amministrazione di sostegno (Artt. 404 ff. ital. C. civ.) kennt. Vgl. dazu Christandl, Personenrecht 71 ff. Auch im französischen Recht besteht neben der Vormundschaft (tutelle) die Möglichkeit weniger einschneidende Schutzinstrumente anzuordnen, nämlich die curatelle (Pfelgschaft) sowie die temporäre Schutzmaßnahme der sauvegarde de justice (Art. 435 ital. C. civ.), die sich beide auf die Testierfähigkeit nicht auswirken. 286 Die Entmündigung wegen Geisteskrankheit (anomalia psíquica) macht die entmündigte Person gemäß Art. 2189 b) span. C. civ. ipso iure testierunfähig. Wegen Taubstummheit oder Blindheit Entmündigten (Art. 138 Abs. 1 span. C. civ.) wird die Testierfähigkeit dagegen nicht entzogen. 287 Nach italienischem Recht sind voll Entmündigte stets auch testierunfähig (Art. 591 Nr. 2 ital. C. civ.), wobei eine volle Entmündigung nur bei einer sehr schweren Geisteskrankheit zulässig ist. Strittig ist, ob das Vormundschaftsgericht gemäß Art. 427 Abs. 1 ital. C. civ. die Testierfähigkeit von den Entmündigungsfolgen ausnehmen kann. In diesem Sinne etwa Venturelli, Capacità 97 ff. mit einer ausführlichen Darstellung des Meinungsstands.
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nach der jüngsten Gesetzesrevision288 flexibel gestaltet worden, denn der Erblasser kann trotz Entmündigung weiterhin gültig testieren, sofern das Gericht oder der Familienrat ihn dazu eigens ermächtigen (Art. 476 Abs. 2 franz. C. civ.).289 Das Testament muss er in diesem Fall aber persönlich (keine Vertretung) und selbständig, d. h. ohne den Beistand des Vormunds errichten.290 Die Fähigkeit zum Widerruf eines vor Entmündigung gültig errichteten Testaments bleibt dem Entmündigten (wie nach § 2253 Abs. 2 a. F. BGB) dagegen auch ohne gesonderte Ermächtigung durch das Gericht oder den Familienrat jedenfalls erhalten (Art. 476 Abs. 3 franz. C. civ.).291 b) Ausschluss der Testierfähigkeit im Einzelfall In Spanien wird dem Erblasser durch die Anordnung einer Schutzmaßnahme nur dann die Testierfähigkeit entzogen, wenn dies im gerichtlichen Beschluss ausdrücklich angeordnet wird (Art. 665 span. C. civ.).292 Für den Testierunfähigen kann der pflichtteilsberechtigte Vorfahre (in der Regel die Eltern des unverheirateten Kindes) testieren (Art. 776 span. C. civ.), sofern der Unmündige ihn beerbt.293 Im Rahmen des im Jahr 2004 in Italien eingeführten flexiblen Erwachsenenschutzinstruments (amministrazione di sostegno) bleibt die Testierfähig288 Vor dem 1.1.2007 hatte die Rechtsprechung Art. 501 franz. C. civ. dahingehend ausgelegt, dass das Vormundschaftsgericht den Entmündigten ausnahmsweise zur Errichtung eines Testaments ermächtigen kann. Kritisch dazu Gridel, L’acte. 289 Dabei handelt es sich um eine allgemein gehaltene Genehmigung, die nicht auf einen bestimmten Inhalt des Testaments Bezug nimmt. Vgl. dazu Bahurel, Volontés 36–38. 290 Dies ist die Rechtslage seit 1.1.2009 (Loi n° 2007-308 portant réforme de la protection juridique des majeurs, J.O. Nr. 56 vom 7.3.2007, S. 4325), während zwischen dem 1.1.2007 und dem 31.12.2008 (Loi n° 2006-728 portant réforme des successions et des libéralités, J.O. Nr. 145 vom 24.6.2006, S. 9513) die Regel galt, dass der entmündigte Erblasser nur nach Ermächtigung durch das Gericht oder den Familienrat und nur mit dem Beistand seines Vormunds gültig testieren konnte (Art. 504 a. F. franz. C. civ.). Eine nähere Begründung für das Auflassen dieses Beistandserfordernisses geht aus den Gesetzesmaterialien nicht hervor, hängt aber mit der Wahrung der formellen Höchstpersönlichkeit des Testierakts zusammen. 291 Für eine ausführliche Kritik an dieser Bestimmung, die den Erblasser anfällig für unzulässigen Druck mache und im Übrigen einen Widerspruch im Gesetz darstelle, denn Errichtung und Widerruf eines Testaments müssten jedenfalls gleich behandelt werden: Bahurel, Volontés 47 ff. 292 Domínguez Luelmo, Testamento 397. 293 Zuletzt STS 7.11.2008 [RJ 2008/7257]. Dazu Domínguez Luelmo Comentarios/Cámara Lapuente, Art. 776 Código civ. 885. Vgl. auch die in ihrer Formulierung eindeutige Vorschrift im katalanischen Erbrecht: Art. 425-10 Ley 10/2008, de 10 de julio, del libro cuarto del Código civil de Cataluña, relativo a las sucesiones. Die Verfügungsberechtigung des Elternteils (sustitución ejemplar) bezieht sich nicht bloß auf den dem Testierunfähigen vermachten Erbteil, sondern auf das gesamte Vermögen desselben.
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keit des Betreuten grundsätzlich unberührt. Allerdings kann das Gericht im Bestellungsbeschluss dem Betroffenen die Fähigkeit zur Errichtung eines gültigen Testaments ausdrücklich entziehen (Art. 411 Abs. 4 ital. C. civ.).294 c) Beschränkung der Formwahlfreiheit (Testierfreiheit) Nach österreichischem Recht wurde bis zum Inkrafttreten des FamErbRÄG 2004 (1.1.2005) dem unter Sachwalterschaft stehenden Erblasser die Testierfähigkeit zwar nicht entzogen; mit der Anordnung einer Sachwalterschaft ging allerdings automatisch eine Beschränkung der Formwahlfreiheit einher. Der unter Sachwalterschaft stehende Erblasser konnte daher stets nur mündlich vor Gericht oder mündlich notariell testieren (§ 568 a. F. ABGB),295 wobei das Gericht bzw. der Notar296 sich „durch eine angemessen Erforschung zu überzeugen suchen, dass die Erklärung des letzten Willens frei und mit Überlegung geschehe.“ Seit der Gesetzesänderung im Jahr 2004 bedarf es für die Formwahlfreiheitsbeschränkung einer ausdrücklichen gerichtlichen Anordnung. Fehlt eine solche, stehen auch dem Besachwalteten alle Testamentsformen zur Verfügung. Unabhängig von einer Beschränkung der Formwahlfreiheit kann der besachwaltete Erblasser bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen gemäß § 597 ABGB ein Nottestament errichten. Durch das Erbrechtsänderungsgesetz (ErbRÄG) 2015 wurde § 568 indes mit der Begründung gestrichen, diese Vorschrift diskriminiere im Lichte der UN-BRK Personen unter Sachwalterschaft im Vergleich zu anderen Personen, bei denen etwa aufgrund einer Vorsorgevollmacht keine Sachwalterschaft angeordnet worden sei.297 Das spanische Recht erlaubt einen ausdrücklichen Ausschluss der Testierfähigkeit für den Fall der Anordnung einer Erwachsenenschutzmaßnahme. Fehlt eine solche ausdrückliche Entziehung, bleibt die Testierfähigkeit des Betroffenen erhalten. Der Betroffene (incapacitado) kann in diesem Fall aber ausschließlich öffentlich testieren und dies auch nur dann, wenn zwei vom 294 Vgl. z. B. Trib. Varese 19 ottobre 2011, g.t. G. Buffone, unveröffentlicht; dazu im Überblick: Bonilini, Capacità 157 ff. Bei der Entziehung der Testierfähigkeit sei vom Vormundschaftsgericht zu prüfen, ob der Betroffene a) in einem Zustand geschwächter geistiger Gesundheit sei, der ihn besonders anfällig für Täuschungen macht; b) er den Zweck einer letztwilligen Verfügung versteht; c) ob er anfällig für Fremdbestimmung ist. Trib. Vercelli 3.9.2015, unveröffentlicht. 295 Weiß/Ferrari, in Susanne Ferrari/Gundula Maria Likar-Peer, Erbrecht 146. 296 Obwohl § 568 ABGB die Pflicht bloß dem Gericht auferlegt und § 70 NO nur auf § 569 ABGB Bezug nimmt, gehen Rechtsprechung und Lehre davon aus, dass diese Pflicht auch den Notar trifft. Vgl. Spitzer, NZ 2003, 354; Schwimann/Eccher, § 568 ABGB Rn. 6; OGH 24.1.2008, 6Ob282/07z, NZ 2008, 246. 297 Erläuterungen zur Regierungsvorlage 688 BlgNR 25. GP, 8. In diesem Sinne auch Voithofer/Ganner, iFamZ 2015, 58; Schauer/Motal, JEV 2015, 45 f. Dagegen kritisch Gruber/Palma, NZ 2015, 92 f.; zuletzt Christandl/Nemeth, NZ 2016, 9 ff.
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Notar bestellte medizinische Sachverständige festgestellt und bestätigt haben, dass der Erblasser über die erforderlichen geistigen Fähigkeiten zur Errichtung eines Testaments verfügt (Art. 665 span. C. civ.).298 d) Keine Auswirkungen auf die Testierfähigkeit Im deutschen Recht hat die Anordnung der Betreuung grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit.299 Nur ausnahmsweise („erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen“) kann gemäß § 1903 BGB ein Einwilligungsvorbehalt für eine Willenserklärung im Rahmen des Aufgabenkreises des Betreuers angeordnet werden, sodass der Betreute hinsichtlich dieser Rechtshandlungen der vorherigen Zustimmung seines Betreuers bedarf. Indes kann ein Rechtsgeschäft trotz Einwilligung des Betreuers jedenfalls nur dann wirksam zustande kommen, wenn der Betreute zum Zeitpunkt seiner Vornahme geschäftsfähig war.300 Hinsichtlich der Testierfähigkeit ist die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gemäß § 1903 Abs. 2 BGB unzulässig. Entsprechend bleibt nach deutschem Recht die Fähigkeit zur Errichtung einer Verfügung von Todes wegen von der Anordnung einer Betreuung stets unberührt und unterliegt lediglich den allgemeinen Voraussetzungen (insbesondere der Einsichts- und Handlungsfähigkeit) des § 2229 BGB. Nach englischem Recht kann der Court of Protection für den Fall, dass eine Person aufgrund ihrer geistigen Verfassung zur Vornahme einer bestimmten Handlung auch mit entsprechender Unterstützung nicht mehr fähig ist und sie im Vorhinein keine Vorsorgevollmacht (lasting power of attorney) erteilt hat, einen Vertreter (deputy) ernennen, der in den gerichtlich festgelegten Bereichen für den Betroffenen handelt (Mental Capacity Act 2005 s. 16). Für die Errichtung eines Testaments kann weder ein durch den Betroffenen selbst Bevollmächtigter den Erblasser vertreten noch ein gerichtlich ernannter Vertreter, denn Wills Act 1837 s. 9(a) verlangt, dass das Testament vom Erblasser selbst oder von jemandem nach Anweisung des Erblassers unterzeichnet wird. Fehlt dem Erblasser die Testierfähigkeit nach den Maßstäben des Banks v. Goodfellow-Test,301 kann das Gericht ausnahmsweise die Errichtung eines Testaments für den Erblasser anordnen (Mental Capacity Act 2005 s. 18(1) (i)). Diese Möglichkeit einen sog. statutory will zu errichten gibt es in England bereits seit 1970.302 Domínguez Luelmo, Testamento 397. Dazu Schlüter/Röthel, Erbrecht 70. 300 Vgl. MüKo BGB/Schwab, § 1903 Rn. 57. 301 (1870) L.R. 5 Q.B. 549, 567. 302 Das gerichtliche Testament wurde mit s. 17 des Adminstration of Justice Act 1969 eingeführt und war vor Inkrafttreten des Mental Capacity Act 2005 im Mental Health Act 1983 geregelt. Zum statutory will vgl. Kerridge, Succession 5-09 ff. Vgl. dazu auch unten, § 4 III.3.c). 298 299
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8. Überprüfung der Testierfähigkeit bei Testamentserrichtung In aller Regel wird die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers erst nach Eröffnung der Erbschaft aufgeworfen, weil die gesetzlichen Erben dem (unerwünschten) Testament die Wirkung entziehen möchten. In diesem Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern Rechtsordnungen bereits zu Lebzeiten des Erblassers und vor Errichtung des Testaments eine Pflicht Dritter zur Feststellung der für die Testierfähigkeit erforderlichen geistigen Fähigkeiten vorsehen. Eine solche lebzeitige Feststellung erleichtert als Verfahren der Beweissicherung dem posthum herangezogenen medizinischen Sachverständigen die Beurteilung, weil er sie auf eine Untersuchung und Befragung des Betroffenen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung stützen kann und erhöht für den Erblasser die Sicherheit, dass das Testament einer späteren Anfechtung wegen Testierunfähigkeit standhalten kann. a) Die Feststellungspflichten des Notars In Rechtsordnungen, in denen ein Testament vor einem Notar errichtet werden kann, stellt sich die Frage, inwiefern den Notar bei der Beurkundung des Testaments eine Pflicht zur Überprüfung der Testierfähigkeit des Erblassers trifft. aa) Deutschland Gemäß § 28 BeurkG soll der Notar303 bei erbrechtlichen Verfügungen stets „seine Wahrnehmungen über die erforderliche Geschäftsfähigkeit des Erblassers in der Niederschrift vermerken.“ Dies gilt, im Gegensatz zu lebzeitigen Rechtsgeschäften (§ 11 BeurkG), unabhängig davon, ob er einen Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers hegt oder nicht. Wenn der Notar in Anbetracht des Zustands des Erblassers von seiner Testierunfähigkeit bzw. Geschäftsunfähigkeit überzeugt ist, soll er die Beurkundung der erbrechtlichen Verfügung ablehnen (§ 11 Abs. 1 BeurkG). Dabei handelt es sich um Ordnungsvorschriften (Sollvorschriften), deren Nichtbeachtung sich zwar nicht auf die Gültigkeit des Testaments auswirkt, sehr wohl aber als Amtspflichtverletzung sanktioniert werden kann.304 In einem Fall einer schwer demenzkranken, verwitweten und kinderlosen Frau, die für jedermann erkennbar an Neben dem Notar richtet sich die Vorschrift des § 28 BeurkG auch an andere Urkundspersonen, also auch an den Bürgermeister, die drei Zeugen bei Nottestamenten (§§ 2249–2251 BGB, oder an die Konsularbeamten beim Konsulartestament (§ 10 Abs. 3 und 11 KonsG). Vgl. MüKo BGB/Hagena, § 28 BeurkG Rn. 2. 304 BayObLG 2.7.1992, DNotZ 1993, 471, 473: „Die Tatsache, dass § 11 BeurkG nur Sollvorschriften enthält, ändert nichts daran, dass für die Beurkundungsperson eine unbedingte Amtspflicht begründet wird, so zu verfahren, und keine Möglichkeit eröffnet ist, nach eigenem Ermessen davon abzuweichen. Sollvorschriften unterscheiden sich von Mussvorschriften nur dadurch, dass von ihrer Beachtung nicht die Wirksamkeit der Beurkundung abhängt […].“ 303
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gravierenden demenzbedingten Einschränkungen litt, hatte der Notar seine Feststellungspflicht nicht erfüllt und trotz der offensichtlichen Einschränkungen beurkundet, dass „eine ausführliche Sacherörterung“ ergeben habe, dass „die Erschienene zur Überzeugung des beurkundenden Notars zweifelsfrei“ geschäfts- und testierfähig sei. Die unterlassene pflichtgemäße Feststellung wurde als Amtspflichtverletzung gewertet und mit einer Disziplinarstrafe geahndet.305 Der Notar versuchte sich zwar damit zu verteidigen, dass er als medizinischer Laie die Testierunfähigkeit der Erblasserin nicht erkennen konnte. Aufgrund der Eindeutigkeit des Falls blieb diese Verteidigung aber letztlich erfolglos.306 Die Feststellungspflichten des Notars nach dem BeurkG erfüllen in erster Linie Beweissicherungsfunktion im Hinblick auf ein mögliches Bestreiten der Testierfähigkeit nach dem Tod des Erblassers.307 Sie sollen also gewährleisten, dass der geistige Zustand des Erblassers von einem unabhängigen Dritten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung eingeschätzt und dokumentiert wird. Fraglich ist freilich, wie weit diese Feststellungspflichten des Notars gehen. Grundsätzlich darf der Notar von der Testierfähigkeit des Erblassers ausgehen und ist daher zu keinen weiteren Nachforschungen verpflichtet.308 Bei Zweifeln, die etwa dadurch begründet sein können, dass der Erblasser sich zeitlich und örtlich nicht mehr orientieren kann, das Testament in seinen Wirkungen nicht versteht oder für Informationen nicht mehr aufnahmefähig ist, hat der Notar allerdings die nach seinem „pflichtgemäßen Ermessen“ erforderlichen Nachforschungen anzustellen. Die bedeutendste Erkenntnisquelle ist dabei das persönliche Gespräch mit einer eingehenden Unterhaltung über den Gegenstand der Beurkundung.309 Zur Durchführung medizinischer Tests ist der Notar dagegen nicht verpflichtet.310 OLG Celle 9.11.2007, MittBayNot 2008, 492ff. „Tatsächlich war Frau F., wie sich aus übereinstimmenden Feststellungen von Ärzten, Betreuern, Richtern und Sachbearbeitern von Behörden ergibt, im fraglichen Zeitraum September/Oktober 2002 weder geschäfts- noch testierfähig, was auch für den Notar als medizinischen Laien bei hinreichend sorgfältiger Prüfung vor und während des Beurkundungshauptverfahrens ohne weiteres festzustellen gewesen wäre. Es liegt außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass nur diesen Personen, nicht aber dem Notar die erheblichen demenzbedingten Einschränkungen von Frau F. aufgefallen sind.“ OLG Celle 9.11.2007, MittBayNot 2008, 492, 494. 307 MüKo BGB/Hagena, § 28 BeurkG Rn. 1; Bengel, § 28 BeurkG Rn. 1. 308 OLG Celle 9.11.2007, MittBayNot 2008, 492, 493 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. Vgl. auch Winkler, MittBayNot 2008, 495; Lichtenwimmer, Geschäftsund Testierfähigkeit 50. 309 Ausführlich zu den Anforderungen an ein solches Gespräch Lichtenwimmer, Geschäfts- und Testierfähigkeit 51 ff. OLG Celle 9.11.2007, MittBayNot 2008, 492, 493 f.: „Die erforderlichen Feststellungen seitens des Notars sind hierbei nicht in erster Linie bei der Begrüßung oder dem einleitenden Gespräch, sondern im Rahmen des Beurkundungshauptverfahrens zu treffen, weil der Notar beim Vorlesen und Erörtern im Rahmen seiner 305 306
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Werden die Zweifel an der Testier- oder Geschäftsfähigkeit durch schwere körperliche oder psychische Krankheit des Erblassers geweckt, wird dem Notar empfohlen, eine sachkundige Person (also regelmäßig den behandelnden Arzt oder das Pflegepersonal) zu Rate zu ziehen.311 Nur wenn sich der Notar eindeutig überzeugt, dass dem Erblasser die Testierfähigkeit oder Geschäftsfähigkeit gänzlich fehlt (etwa weil eine Kommunikation mit dem Erblasser nicht mehr möglich ist312), hat er gemäß § 11 BeurkG die Beurkundung zu verweigern. Verbleiben Zweifel, ist er lediglich verpflichtet, seine Beobachtungen zur geistigen Verfassung des Erblassers in der Niederschrift festzuhalten.313 Über das Vorliegen der Testierfähigkeit entscheidet nämlich nicht der Notar,314 sondern stets das Gericht. bb) Österreich Der österreichische Notar ist gemäß § 52 NO zur Prüfung der Geschäfts- und Testierfähigkeit des Erblassers stets315 und unabhängig davon verpflichtet, ob er daran Zweifel hegt.316 Die Einschränkung „nach Möglichkeit“ wird dahingehend verstanden, dass der Notar lediglich zu einer seinen Möglichkeiten entsprechenden Prüfung verpflichtet ist. Dies bedeutet, dass er als mediziniBelehrungen nach § 17 BeurkG die Verständnisfähigkeit des Erblassers am besten einschätzen kann.“ 310 Cording/Foerster, DNotZ 2006, 329; Müller, DNotZ 2006, 325; Winkler, MittBayNot 2008, 495. Vgl. dagegen den Vorschlag von Stoppe/Lichtenwimmer, DNotZ 2005, 813. Zuletzt aber relativierend im Sinne, dass es für den Notar ein Gewinn sein könne, über die unterschiedlichen Tests Bescheid zu wissen und sie zur Feststellung der Testier- bzw. Geschäftsfähigkeit zu verwenden Lichtenwimmer, Geschäfts- und Testierfähigkeit 54 f. Dass bei Anwendung von medizinischen Schnelltests durch den Notar „ein enormes Haftungsrisiko“ für den Notar entstünde, das „möglicherweise durch die Haftpflichtversicherung des Notars nicht abgedeckt ist“ (Lerch, § 28 BeurkG Rn. 3) ist freilich nicht plausibel, denn die Feststellungen des Notars entscheiden – gleich auf welche Weise sie vorgenommen wurden – niemals letztgültig über das Bestehen oder Nichtbestehen der Testierfähigkeit, sondern sind nur Anlass für entsprechende Anmerkungen in der Niederschrift. 311 OLG Celle 9.11.2007, MittBayNot 2008, 492, 494: „Insbesondere bei alten oder schwer kranken Personen wird der Notar deshalb erreichbare Feststellungen sachverständiger Dritter einzuholen haben.“ 312 Lichtenwimmer, Geschäfts- und Testierfähigkeit 51. 313 OLG Celle 9.11.2007, MittBayNot 2008, 492, 494: „Auf dieser Grundlage hat der Notar […] fahrlässig gegen seine Amtspflichten verstoßen, weil er die Beurkundungen wegen erkennbarer Geschäfts- und Testierfähigkeit der Beteiligten F. hätte ablehnen, jedenfalls aber Zweifel in der Niederschrift vermerken müssen.“ 314 Daher sollte sich der Notar in Zweifelsfällen nicht zur rechtlichen Beurteilung der Testierfähigkeit äußern. Vgl. Lichtenwimmer, Geschäfts- und Testierfähigkeit 51. 315 § 52 NO: „Der Notar ist verpflichtet, bei Aufnahme eines Notariatsaktes die persönliche Fähigkeit und Berechtigung jeder Partei zum Abschlusse des Geschäftes nach Möglichkeit zu erforschen […]“. 316 OGH 13.12.1988, 4Ob631/88, SZ 61/269.
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scher Laie keine eingehende Untersuchung vornehmen und auch keine Sachverständigen beiziehen muss. Geboten ist vielmehr nur eine „nicht kostenaufwändige Erhebung“.317 Zu der ihm möglichen Prüfung gehört nach der Rechtsprechung jedenfalls ein „kurzes Gespräch“ mit der Partei.318 Dabei ist davon auszugehen, dass eine bloße Begrüßung und ein Austausch über Belangloses nicht genügt. Vielmehr muss dieses Gespräch die Verfügung von Todes wegen, ihren Inhalt und ihre Wirkungen zum Gegenstand haben. Diesbezüglich weist die Rechtsprechung darauf hin, dass es dem Notar obliegt, gemäß § 52 NO „die Parteien über den Sinn und die Folgen“ der letztwilligen Verfügung zu belehren und sich von „ihrem ernstlichen und wahren Willen zu überzeugen, ihre Erklärung mit voller Klarheit und Bestimmtheit schriftlich aufzunehmen und nach geschehener Vorlesung des Aktes durch persönliches Befragen der Parteien sich zu vergewissern, dass derselbe ihrem Willen entsprechend sei“.319
Bei Personen unter Sachwalterschaft, deren Formwahlfreiheit gemäß § 568 ABGB auf das mündliche gerichtliche oder notarielle Testament beschränkt wurde, hat das Gericht bzw. der Notar besondere Nachforschungen hinsichtlich der Freiheit und Zurechenbarkeit des Willens des Erblassers anzustellen. Das Ergebnis dieser Nachforschungen ist dem Protokoll der Erklärungen des Erblassers „beizurücken“ und ist Voraussetzung für die formelle Gültigkeit der letztwilligen Verfügung.320 Die Verletzung dieser verstärkten Nachforschungspflicht bei Personen unter Sachwalterschaft bewirkt die Ungültigkeit der Verfügung wegen Formmangels321 und kann daher eine Haftung gegenüber dem ungültig eingesetzten Begünstigten begründen.322 Überzeugt sich der Notar, dass der Erblasser nicht testierfähig ist, hat er gemäß § 34 Abs. 2 NO die Errichtung der letztwilligen Verfügung zu verweigern. Ihn trifft also wie den deutschen Notar gemäß § 11 Abs. 1 BeurkG die Pflicht zur Ablehnung der Beurkundung bei nicht testierfähigen Erblassern.323
OGH 14.7.2005, 6Ob129/05x. OGH 13.12.1988, 4Ob631/88, SZ 61/269; OGH 14.7.2005, 6Ob129/05x: „Den Urkundspersonen (Richtern; Notaren), die über keine medizinischen Fachkenntnisse verfügen, obliegt nur eine nicht kostenaufwändige Erhebung. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch die Urkundsperson ist entbehrlich.“ 319 OGH 14.7.2005, 6Ob129/05x. 320 Zur Nachforschungspflicht: Schwimann/Eccher, § 568 ABGB Rn. 7, insb. OGH 24.1.2008, 6Ob282/07z, NZ 2008, 246. Die spätere Beirückung genügt den strengen Anforderungen nicht. 321 So die herrschende Meinung, vgl. OGH 29.4.2003, 4Ob69/03f. 322 OGH 28.4.1998, 1Ob373/97 b, NZ 1999, 25 (Amtshaftung des Gerichts, das keine Anmerkungen zum Ergebnis der Nachforschung über die Testierfähigkeit protokolliert). 323 Die verbreitete Ansicht, der Notar dürfe die Beurkundung nicht verweigern, gilt allein für den Fall, dass der Notar Zweifel an der Testierfähigkeit hegt. Wenn der Notar 317 318
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Verbleiben aber Zweifel, dann ist ihm zwar zuzumuten, dass er bei Kranken oder Bettlägerigen den behandelnden Arzt324 oder das Pflegepersonal befragt, weitere Nachforschungen muss er aber nicht anstellen und hat daher, auch wenn Zweifel bleiben, die Beurkundung vorzunehmen. Ein Vermerk über die Zweifel ist zwar gesetzlich nicht ausdrücklich vorgeschrieben, muss aber aufgrund der Beweissicherungsfunktion der Feststellungspflicht des Notars vorgenommen werden.325 Ein Verstoß gegen § 52 NO wirkt sich auf die Gültigkeit des Akts nicht negativ aus. Die mangelnde Prüfung der Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit kann allerdings Disziplinarmaßnahmen gegen den beurkundenden Notar nach sich ziehen.326 Die Gerichte erweisen sich diesbezüglich aber als insgesamt sehr nachsichtig. Bei einem Erblasser, der unter Sachwalterschaft steht, muss der Notar in das psychiatrische Gutachten der Akte der Sachwalterschaft nicht Einsicht nehmen,327 obwohl eine solche Einsichtnahme durchaus einfach zu bewerkstelligen wäre und dem Notar unzweifelhaft Anlass geben würde, sich genauer über das Vorliegen der Testierfähigkeit zu vergewissern. Die Feststellungspflicht des Notars ist daher auch in solchen Fällen, in denen von vornherein größere Zweifel bestehen, bereits dann erfüllt, wenn er sich „einen persönlichen Eindruck nach durchgeführter Befragung und Belehrung“ verschafft.328 Wenn der österreichische Notar auch zur Testier- bzw. Geschäftsfähigkeit Stellung nehmen muss, sind seine diesbezüglichen Feststellungen nicht bindend. Es ist letztlich dem Nachlassgericht vorbehalten, über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der erforderlichen Fähigkeit des Erblassers zu entscheiden. cc) Schweiz Bei der Beurkundung einer Verfügung von Todes wegen ist der Notar329 jedenfalls verpflichtet die Urteilsfähigkeit des Erblassers zu überprüfen.330 Dabei
dagegen zweifelsfrei überzeugt ist, dass der Erblasser testierunfähig ist, darf er schon gemäß § 34 Abs. 2 NO nicht beurkunden. 324 So Wagner/Knechtel, § 34 NO Rn. 8. 325 OGH 14.7.2005, 6Ob129/05x: „Die Niederschrift der persönlichen Überzeugung („Beirückung“) dient der Beweissicherung. […] Auftretende Zweifel an der Testierfähigkeit sind freilich anzumerken.“ 326 Wagner/Knechtel, § 52 NO Rn. 1. 327 OGH 14.7.2005, 6Ob129/05x. Eine Einsicht in das Sachverständigengutachten gäbe auch lediglich Aufschluss über die Geschäftsfähigkeit, nicht aber über die Testierfähigkeit. 328 OGH 14.7.2005, 6Ob129/05x. 329 In der Schweiz unterliegt das Notariat bundesrechtlichen und kantonalrechtlichen Regelungen, wobei die bundesrechtlichen, weitgehend ungeschriebenen Regeln, die Mindestanforderungen an die öffentliche Beurkundung enthalten und das Bundesrecht die kantonalen Regeln verdrängt. Gleichlautende kantonale Regeln sowie – innerhalb be-
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darf er grundsätzlich von der Urteilsfähigkeit ausgehen und ist nur bei begründetem Anlass für Zweifel verpflichtet, weitere Nachforschungen, besonders durch das persönliche Gespräch anzustellen,331 das ohne die Anwesenheit von Begleitpersonen zu erfolgen hat, um eine mögliche Beeinflussung zu vermeiden.332 Die Zürcher NotariatsVO empfiehlt, bei Zweifeln über die Urteilsfähigkeit einen Arzt als Beurkundungszeugen beizuziehen.333 Verbleiben Zweifel, dann sind die Bedenken in der Urkunde festzuhalten (§ 20 Abs. 2 Zürcher NotariatsVO). Das Luzerner BeurkundungsG dagegen verbietet bei verbleibenden Zweifeln eine Beurkundung (§ 20 Abs. 3 d).334 Da es dem Sinn einer öffentlichen Urkunde entspricht, eine klare Rechtslage zu schaffen, soll im Übrigen von einer Niederschrift über die Zweifel des Notars abgesehen werden.335 Überzeugt sich der Notar im Gespräch mit dem Erblasser, dass diesem die Urteilsfähigkeit fehlt, muss er die Beurkundung verweigern, weil er kein offensichtlich unwirksames Rechtsgeschäft beurkunden darf.336 dd) Frankreich Nach traditioneller Ansicht ist der französische Notar gesetzlich nicht zur Überprüfung der Testierfähigkeit des Erblassers verpflichtet.337 Gemäß Art. 5 Décret n°71-941 vom 26.11.1971 über notarielle Urkunden muss der Notar stimmter Grenzen strengere kantonale Regeln gehen dem Bundesrecht vor. Vgl. dazu ausführlich Christian Brückner, Schweizerisches Beurkundungsrecht (1993) 11 ff. 330 Zu den Pflichten des Notars bei der Feststellung der Urteilsfähigkeit vgl. ausführlich Wolf/Setz, Handlungsfähigkeit 54–64. 331 Brückner, Beurkundungsrecht 298 f. 332 Wolf/Setz, Handlungsfähigkeit 58. Die Autoren plädieren neben einem ausführlichen Gespräch über Inhalte und Beweggründe der Verfügung auch für die Durchführung eines Screening Tests durch eine Fachperson. Ferner schlagen sie vor, ärztliche Gutachten einzuholen sowie als Zeugen behandelnde Ärzte oder Krankenschwestern heranzuziehen. Vgl. auch Wolf/Genna, Erbrecht 185 f. 333 § 133 Abs. 2 Zürcher NotariatsVO. Wenn dies nicht möglich ist, muss der Notar aufgrund seines Eindrucks entscheiden, ob er den Erblasser für testierfähig erachtet. Brückner, Beurkundungsrecht 672. 334 Kritisch, weil diese Regelung eine übermäßige und damit bundesrechtswidrige Erschwerung des Zugangs zu öffentlichen Urkunden darstelle, Brückner, Beurkundungsrecht 300. 335 So Brückner, Beurkundungsrecht 300. Damit wird freilich die bedeutende Beweissicherungsfunktion der Aufzeichnungen des Notars nicht hinreichend gewürdigt. 336 Vgl. § 20 Abs. 1 Zürcher NotariatsVO; Brückner, Beurkundungsrecht 264. 337 So heißt es etwa in einer frühen Entscheidung Cass. civ. 27.2.1821 (Dalloz jurispr. gén., V° Dispositions entre vifs et testamentaires, n° 209), dass die Feststellung des Notars, der Erblasser sei bei geistiger Gesundheit gewesen, den Gegenbeweis nicht ausschließe, weil diese Feststellung bloß die Meinung des Notars wiedergebe zu deren Äußerung dieser gesetzlich nicht verpflichtet sei („cette énonciation n’exprimant que l’opinion du notaire sur un état mental que la loi ne l’a pas chargé de constater“). So auch Cass. civ. 20.3.1973, Bull. civ. I, n° 110, 99.
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nämlich bloß die Identität, den Status und den Wohnsitz der Parteien feststellen. Zuletzt deutet sich in der Rechtsprechung diesbezüglich allerdings ein Wandel an. Da der beurkundende Notar dafür zu sorgen hat, dass die von ihm errichtete Urkunde gültig zustande kommt, wurde die notarielle Feststellungspflicht dahingehend ausgeweitet, dass der Notar auch zur Feststellung der Geschäftsfähigkeit,338 bei der Errichtung eines Testaments mithin der Testierfähigkeit, verpflichtet ist. In einem Fall, in dem der Notar den Erblasser nicht kannte und bereits ein Notar die Beurkundung wegen Testierunfähigkeit abgelehnt hatte, erkannte das Berufungsgericht Bordeaux auf Berufshaftung des Notars. Dieser hätte zur Sicherung der Wirksamkeit des von ihm beurkundeten Testaments die Testierfähigkeit überprüfen müssen und, da er den Erblasser nicht kannte, vor der Beurkundung den Rat von Ärzten einholen müssen.339 Diese Entscheidung, die dem Notar sogar die Pflicht zur Heranziehung von Sachverständigen auferlegt, ist bisher indes isoliert geblieben. Bei offensichtlicher und eindeutiger Testierunfähigkeit ist auch der französische Notar verpflichtet, die Beurkundung zu verweigern, weil er anderenfalls eine eindeutig unwirksame Urkunde errichten würde.340 Im Zweifel darf er die Beurkundung nicht verweigern, soll aber nach verbreiteter Ansicht den Rat von Sachverständigen (Arzt, Pflegepersonal) einholen.341 Die Feststellungen des Notars hinsichtlich der geistigen Verfassung des Erblassers binden das Gericht jedenfalls nicht und sind nicht vom öffentlichen Glauben der Urkunde umfasst.342 Der an einer Beseitigung des Testaments interessierten Partei steht es somit frei, den Beweis der Testierunfähigkeit anzutreten.343 ee) Italien Wie das französische Recht verfügt auch das italienische Recht über keine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, die den Notar zur Überprüfung der Testierfähigkeit des Erblassers verpflichtet.344 Bis in die 1990er Jahre wurde die Pflicht zur Verweigerung der Beurkundung ungültiger Rechtsakte gemäß 338 Cass. civ. 8.1.2009, Bull. civ. I, n°1: „le notaire chargé de la rédaction d’un acte doit s’assurer de la validité et de l’efficacité dudit acte; qu’il a l’obligation, conformément à l’article 5 du décret n° 71-941 du 26 novembre 1971 relatif aux actes établis par les notaires, de vérifier l’identité, l’état et le domicile des parties à l’acte, ce qui inclut l’obligation de s’assurer de la capacité de chacune d’entre elles à contracter; qu’il n’est toutefois tenu que d’une obligation de moyen et une faute doit être caractérisée à son encontre“. Cass. civ. 1ère 12.7.2012, n° 11-14.265, unveröffentlicht. 339 Cour d’appel Bordeaux 23.3.2010, n° 08/01716. 340 Gagneraux, Commentaire 159; Poulpiquet, Responsabilité 11.22. 341 Poulpiquet, Responsabilité 32.54. 342 Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions Rn 279. 343 Ständige Rechtsprechung. Cass. civ. 25.5.1987, Bull. civ. I, n° 171; Cass. civ. 1ère 14.11.2000, JCP 2001, 1612. Dazu Malaurie/Aynès, Les successions 163. 344 Vgl. Leo, Riv.not. 1999, II, 1040; del Re, Resp.civ.prev. 2008, 895.
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Art. 28 legge notarile aber auch auf anfechtbare Rechtsgeschäfte ausgedehnt.345 Damit war der Notar indirekt verpflichtet sich über das Vorliegen der Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsakts und damit auch der Testierfähigkeit des Erblassers zu vergewissern. Nach dem Rechtsprechungswandel der späten 1990er Jahre,346 zählen anfechtbare Rechtsgeschäfte nicht mehr zu den vom Beurkundungsverbot des Art. 28 legge notarile umfassten Rechtsgeschäften. Der Notar ist damit bloß gemäß Art. 47 Abs. 2 legge notarile verpflichtet, den Willen der Partei zu erforschen („indaga la volontá delle parti“). Nachforschungen hinsichtlich der Testierfähigkeit hat er dabei nicht anzustellen, sodass er lediglich bei eindeutigen und offensichtlichen Fällen von Testierunfähigkeit die Beurkundung wegen mangelnder Feststellbarkeit eines zu beurkundenden Willens verweigern wird, während er in allen Zweifelsfällen die Beurkundung vornimmt. 347 Die Feststellung des Notars im Testament, der Erblasser sei bei voller Geisteskraft gewesen, steht einem Gegenbeweis nicht entgegen. Allerdings entfaltet die Feststellung des Notars auch in sehr verdächtigen Fällen von zweifelhafter Testierfähigkeit eine faktische Beweiskraft, die nur schwer zu überwinden ist. So etwa in einem Fall, in dem der Erblasser das öffentliche Testament nicht mehr unterschreiben konnte, weil er – wie der Notar in der Niederschrift festhielt – sich in einem Zustand der Mattigkeit und Ermüdung befand.348 Das Gericht argumentierte, die Müdigkeit und Mattigkeit könne auch physische Gründe haben und der Notar habe keine Zeichen einer geistigen Unzurechnungsfähigkeit beim Erblasser festgestellt. Dagegen hat ein Gericht das von einem Notar am Sterbebett des Erblassers beurkundete Testament wegen Testierunfähigkeit aufgehoben. Der Testamentserbe machte Schadensersatz für die Verfahrenskosten geltend, zu deren Leistung er aufgrund der erfolgreichen Anfechtung durch die gesetzlichen Erben verurteilt worden war. Die Klage wurde allerdings mit der Begründung abgewiesen, dass dem Notar trotz der ex post gutachterlich festgestellten Testierunfähigkeit keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei und daher eine Haftung wegen fehlerhafter Berufsausübung ausscheide. Der Notar sei zu keinen Nachforschungen verpflichtet und dürfe sich darauf beschränken, sich mit dem ihm in der Situation zur Verfügung stehenden Mitteln einen
Cass. 18.2.1969, Nr. 562, Giust. civ. 1969, II, 810; Cass. 10.11.1992, Nr. 12081, Giust. civ. mass., 1992. 346 Cass. 11.11.1997, Nr. 11128, Riv.not. 1998, 493 ff.; Cass. 19.2.1998, n. 1766, Riv.not. 1998, 704 ff. 347 Dazu Cinque, Nuova giur.civ.comm. 2011, I 1034: „in dubio per la non-incapacità“. Aus diesem Grund lehnt dieselbe Autorin das notarielle Testament als Schutzform ab: dies., Dir.succ.fam. 2015, 371 f., was freilich insofern problematisch ist, als die Frage der Testierfähigkeit mit der Frage der Fremdbestimmung vermischt wird. Zur Abgrenzung von Testierfähigkeit und Fremdbestimmung oben § 4 I.4.b). 348 Cass. 25.3.2011, Nr. 6978, Nuova giur.civ.comm. 2011, I, 1030. 345
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Eindruck von der Geistesverfassung des Erblassers zu verschaffen.349 Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, wenn die Rechtsprechung der Tatsache, dass an der Errichtung des Testaments ein Notar beteiligt war, für die Frage der Testierfähigkeit keine rechtliche Bedeutung beimisst.350 ff) Spanien Der spanische Notar ist im Gegensatz zum französischen und italienischen Recht gemäß Art. 685 span. C. civ.351 dazu verpflichtet, sich über die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments zu vergewissern. Fehlt in der Urkunde eine diesbezügliche Feststellung (Art. 696 span. C. civ.), ist das Testament wegen Formfehlers ungültig.352 Bei der Beurteilung der Testierfähigkeit kann der Notar medizinische Sachverständige heranziehen.353 Zu Nachforschungen ist er aber nicht verpflichtet,354 weshalb er die Beurkundung nicht von zusätzlichen Ermittlungen abhängig machen darf. In erster Linie kommt es nämlich auf den subjektiven Eindruck des Notars an.355 Verbleiben dem Notar aber Zweifel, soll er nach der allgemeinen Testierfähigkeitsvermutung diese als gegeben annehmen.356 Die Feststellungen des Notars entfalten eine besonders starke Indizwirkung,357 weshalb die Anforderungen an den Beweis der Testierunfähigkeit im Falle eines notariellen Testaments sehr hoch, aber nicht unüberwindlich sind.358 349 Trib. Voghera 17.11.2007, Nr. 440, Resp.civ.prev. 2008, 887 ff. mit Anmerkung von del Re, Resp.civ.prev. 2008, 890 ff. 350 Zuletzt Cass. 30.1.2013, Nr. 2212: „Correttamente poi la Corte territoriale ha considerato di per sé irrilevante il fatto che il testamento pubblico viene redatto da un pubblico ufficiale al fine di ritenere che il disponente per tale ragione sia nel possesso delle sue facoltà mentali (vedi al riguardo [Cass. 18.8.1981 Nr. 4939, Giust. civ. mass. 1981, unveröffentlicht]) […].“ 351 Ebenso Artt. 145, 167 der Notariatsordnung (Reglamento notarial). 352 STS 18.11.1915 (JC 134/87, 522 ff.); Domínguez Luelmo Comentarios/de Zulueta Sagarra, Art. 696 Código civ. 818. Diese Pflicht ergibt sich auch aus Art. 156 n. 8 Reglamento Notarial. Dazu auch Roca Ferrer, Sucesión testada 63. 353 Vgl. z. B. STS 27.6.2005 (RJ 2005/9688). Diese Möglichkeit sieht Art. 421-9.1 kat. C. civ. ausdrücklich vor. 354 Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/Rives Martínez, Art. 685 Código civ. Bd. II 361; Domínguez Luelmo Comentarios/de Zulueta Sagarra, Art. 685 Código civ. 805; Ministerio de Justicia/Blanquer Uberos, Art. 695 Código civ 1758; Ministerio de Justicia/Torres García, Art. 685 Código civ. 1727. 355 Bei der Feststellung des Notars handelt es sich um eine „apreciación puramente subjetiva“. STS 12.5.1998 [RJ 1998/3570]. 356 Roca Ferrer, Sucesión testada 65. 357 Ständige Rechtsprechung: „la aseveración notarial respecto de la capacidad de testamentificación del otorgante, puesta de relieve en el caso de autos, adquiere, dada la seriedad y prestigio de la institución notarial, una especial relevancia de certidumbre, constituyendo una enérgica presunción ‘iuris tantum’ de aptitud que sólo puede destruirse
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Bei gerichtlich für geschäftsunfähig erklärten Personen (incapacitados) ist der Notar gemäß Art. 665 span. C. civ. zur Herbeiziehung zweier medizinischer Sachverständiger verpflichtet. Diese erforschen die geistige Verfassung des Erblassers und bestätigen dies durch ihre Unterschrift im Testament. Bei negativem Ergebnis der medizinischen Untersuchung, darf der Notar die Beurkundung verweigern, ist dazu aber nicht verpflichtet, wenn er von einem lucidum intervallum ausgeht, denn die Feststellung der ärztlichen Sachverständigen schließt den posthumen Beweis der Testierfähigkeit nicht aus.359 b) Die Golden Rule im englischen Recht In der englischen Rechtsprechung zur Testierfähigkeit entwickelte Templeman J 1975 den später als Golden Rule bezeichneten Grundsatz, wonach der bei der Errichtung beteiligte Anwalt (solicitor) bei einem im fortgeschrittenen Alter befindlichen (aged testator) oder schwer kranken Erblasser ärztlichen Rat herbeiziehen sollte. Der Arzt sollte aufgrund einer genau dokumentierten Untersuchung des Erblassers und der daraus folgenden Befunde bezeugen und bestätigen, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war.360 Zuletzt wurde dieser Grundsatz in der Entscheidung In Re Key bekräftigt: „The substance of the golden rule is that when a solicitor is instructed to prepare a will for an aged testator, or for one who has been seriously ill, he should arrange for a medical practitioner first to satisfy himself as to the capacity and understanding of the testator, and to make a contemporaneous record of his examination and finding.“361
mediante una evidente y completa prueba en contrario“. Vgl. z. B. STS 23.3.1944 [RJ 1944/317]; STS 10.4.1987 [RJ 1987/2549]; STS 27.6.2005 [RJ 2005/9688]; STS 27.11.1995[RJ 1995/8717]. Kritisch dazu, weil die Feststellungen des Notars letztlich nur auf seinen persönlichen Eindrücken beruhen, vgl.: Guitián, La Capacidad de testar 18, die daher de lege lata eine Haftung des Notars für fahrlässiges Verhalten im Zusammenhang mit dieser Feststellung fordert. 358 Vgl. z. B. STS 7.10.1982 [RJ 1982/5545]; STS 10.4.1987[RJ 1987/2549]; STS 4.10.1998 [RJ 1998/3230]. So wurde etwa das Testament einer Frau aufgehoben, deren oberflächliches Erscheinen beim Notar keine Zweifel über ihre Testierfähigkeit geweckt hatte: AP Madrid 23.7.2011 [AC 2011/2109]. Ebenso in einem Fall einer stark dementen Erblasserin, wobei sich der Notar nicht mehr erinnern konnte, ob er die Erblasserin überhaupt zu ihrer Gesundheit befragt hatte. AP Barcelona 19.12.2007 [AC 2008/481]. 359 Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/Rodríguez Guitián, Art. 665 Código civ. Bd. II 281; Domínguez Luelmo Comentarios/Vicente Domingo, Art. 665 Código civ. 784; Ministerio de Justicia/Puig Ferriol, Art. 665 Código civ. 1674 f. 360 Kenward v. Adams [1975] The Times 29 November 1975; Re Simpson (1977) 121 S.J. 224. Später bestätigt in Buckenham v. Dickinson [2000] WTLR 1083, Hoff v. Atherton [2005] WTLR 99, Cattermole v. Prisk [2006] 1 FLR 693; Scammell v. Farmer [2008] WTLR 1261. 361 In Re Key [2010] 1 WLR 2020, 2022 f.
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Zweiter Teil – Schutz der Selbstbestimmung im Erbrecht
Die Befolgung der Golden Rule schließt indes nicht aus, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung dennoch testierunfähig war.362 Die Verletzung dieser Regel bedeutet auch nicht notwendig, dass der Erblasser als testierunfähig anzusehen ist.363 Sie erfüllt lediglich den Zweck, einem späteren Rechtsstreit zuvorzukommen bzw. die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Rechtsstreit zu reduzieren.364 Insofern handelt es sich um eine Regel „guter Praxis“.365 Die Feststellung der Testierfähigkeit durch einen medizinischen Sachverständigen begründet jedenfalls eine besonders robuste Vermutung, die nur durch sehr überzeugende Beweise überwunden werden kann. 366 Im Übrigen kann der Anwalt bei fahrlässiger Nichtbefolgung dieser Regel guter Praxis (also etwa bei offensichtlichen Anzeichen einer Testierunfähigkeit) den Begünstigten aus dem Testament für die Kosten des Gerichtsverfahrens zur Feststellung der Testierunfähigkeit haften.367 Eine generelle Pflicht des Anwalts zur Heranziehung eines ärztlichen Sachverständigen besteht jedenfalls nicht. Nach dem Standesrecht ist der solicitor auch bloß dazu verpflichtet, bei der Annahme von Anweisungen und während des Mandats die geistige Gesundheit oder andere Schwächen des Mandanten, insbesondere seine Geschäftsunfähigkeit oder eine Zwangssituation, angemessen zu berücksichtigen („having proper regard to“).368 Im Übrigen darf eine Untersuchung auch nicht gegen den Willen des Erblassers angeordnet werden369 und der Zweifel an der Testierfähigkeit muss dem Anwalt 362 In Re Key [2010] 1 WLR 2020, 2023. So wurde etwa im Fall Sharp v. Adam [2006] EWCA Civ 449 die Golden Rule von der Anwältin detailliert befolgt. Dennoch befand das Gericht den Erblasser für testierunfähig (Abs. 27). 363 Allen v. Emery [2005] EWHC 2389 (Ch): „25. It is undoubtedly a desirable precaution, and one which can save a deal of trouble in the future, for a solicitor to observe the golden rule where there is the possibility of dispute as to testamentary capacity. Failure to do so, however, is not in my judgment determinative.“ 364 In Re Key [2010] 1 WLR 2020, 2023. 365 Sharp v. Adam [2006] EWCA Civ 449. 366 Sharp v. Adam [2006] EWCA Civ 449. 367 Holbech, TELTJ 2012, 13. 368 SRA (Solicitors Regulation Authority) Code of Conduct 2011, IB(1.6), abrufbar unter: . 369 Wharton v. Bancroft & others [2011] EWHC 3250 (Ch) in einem Fall, in dem der Anwalt das Testament eines im Sterbebett liegenden Erblassers zugunsten seiner kurz darauf geehelichten Frau und 32 Jahre währenden Partnerin anfertigte: „I consider the criticism of Mr Bancroft for a failure to follow ‘the golden rule’ to be misplaced. His job was to take the will of a dying man. A solicitor so placed cannot simply conjure up a medical attendant. He must obtain his client’s consent to the attendance of and examination by a doctor.“ Auch Charles Holbech, TELTJ 2012, 12 f. In Re Simpson (1977) 121 S.J. 224. In Kenward v. Adams [1975] The Times 29 November 1975 hatte das Gericht allerdings dagegen noch darauf hingewiesen, dass eine ärztliche Meinung jedenfalls einzuholen sei, auch wenn dies gegenüber dem Erblasser taktlos erscheine: „In the case of an aged testator or a testator who has suffered a serious illness, there is one golden rule which should al-
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auffallen. Dies bedeutet, dass nur in sehr eindeutigen Fällen, in denen auch bei einem medizinischen Laien, der den Erblasser persönlich nicht kennt, Zweifel entstehen müssen, die goldene Regel überhaupt erst zur Anwendung gelangt.370 Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Rechtsprechung auf diese anwaltliche Vorsichtsmaßnahme nur in Fällen besonders gravierend beeinträchtigter Erblasser hingewiesen hat.371 c) Zwischenergebnis Grundsätzlich gilt in allen betrachteten Rechtsordnungen die Vermutung der Testierfähigkeit. Urkundspersonen dürfen daher stets davon ausgehen, dass eine Person im testierfähigen Alter auch hinsichtlich ihrer geistigen Fähigkeiten testierfähig ist. Zur Beweissicherung wird Urkundspersonen gleichwohl vom Gesetz oder von der Rechtsprechung die Verpflichtung auferlegt, die Testierfähigkeit des Erblassers zu überprüfen. Im spanischen Recht ist diese Pflicht zumindest formal besonders streng, denn die fehlende Feststellung der Testierfähigkeit in der Urkunde führt zur Ungültigkeit des gesamten Testaments (Formfehler). In Österreich gilt diese Formungültigkeit beschränkt auf Testamente einer Person unter Sachwalterschaft, deren Formwahlfreiheit bei letztwilligen Verfügungen eingeschränkt wurde. In den übrigen hier untersuchten Rechtsordnungen wirkt sich die mangelnde Feststellung zwar nicht auf die Gültigkeit des Testaments aus, kann aber disziplinarrechtliche und haftungsrechtliche Folgen für die Urkundsperson oder den bei der Errichtung beteiligten solicitor nach sich ziehen. Das Urteil der Urkundsperson darf sich in aller Regel auf den persönlichen Eindruck beschränken. Zu Nachforschungen ist der Beurkundende grundsätzlich nicht verpflichtet, weshalb er auch keinen Arzt hinzuziehen muss. Allerdings wird der Urkundsperson bei offenkundigen Zweifeln in Deutschland, der Schweiz und Frankreich empfohlen, einen medizinischen Sachverständigen herbeizuziehen. In England hat der solicitor bei aufgrund des Alters oder der Geistesverfassung besonders auffälligen Erblassern einen Arzt beizuziehen, um einer möglichen Berufshaftung zu entgehen. In Spanien besteht bei Personen, deren Geschäftsfähigkeit eingeschränkt wurde, die grundsätzliche Pflicht der Hinzuziehung zweier medizinischer Sachverständiger, damit das ways be observed, however straightforward matters may appear, and however difficult or tactless it may be to suggest that precautions be taken: the making of a will by such a testator ought to be witnessed or approved by a medical practitioner who satisfies himself of the capacity and understanding of the testator, and records and preserves his examination and finding.“ 370 Die Formulierungen „aged testator“ und „seriously ill testator“ sind dagegen nicht geeignet, den Kreis jener Erblasser einzuschränken, für die eine medizinische Begutachtung erforderlich ist. 371 Kerridge, C.L.J. 59 (2000) 313, der darauf hinweist, dass die Praxis mithin zeigt, wie wenig Schutz dem Erblasser in anderen, weniger schwerwiegenden Fällen gewährt wird.
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Testament überhaupt gültig errichtet werden kann. Die letzte Entscheidung über die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung fällt aber niemals die Urkundsperson oder der medizinische Sachverständige bei der Errichtung, sondern in allen Rechtsordnungen das Gericht im Falle einer Anfechtung des Testaments. Darin zeigt sich, dass die Feststellungen zu Lebzeiten des Erblassers lediglich Beweissicherungsfunktion haben, eine endgültige Entscheidung über die Testierfähigkeit aber nicht vorwegnehmen. Im Übrigen dient die Feststellung in Rechtsordnungen mit Notariat auch dazu, möglichst zu verhindern, dass eine unwirksame Urkunde errichtet wird. In diesem Zusammenhang steht das in allen Rechtsordnungen mit Notariat existierende Recht des Notars zur Verweigerung der Beurkundung eines Testaments bei geistig nicht zurechnungsfähigen Erblassern. 9. Rechtsfolgen der Testierunfähigkeit Wenn nach dem Tod des Erblassers festgestellt wird, dass dieser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht testierfähig war, hat dies grundsätzlich die Beseitigung des Testaments zur Folge. Dies kann entweder durch ein Feststellungsurteil geschehen, wenn das von einem Testierunfähigen errichtete Testament als von Anfang an nichtig angesehen wird, oder durch ein Gestaltungsurteil, wenn das Testament wegen Testierunfähigkeit lediglich anfechtbar ist. a) Unheilbare Nichtigkeit Nach deutschem Recht ist das Testament eines Testierunfähigen unheilbar nichtig.372 Dies folgt einerseits aus § 2229 BGB („kann ein Testament nicht errichten“) und andererseits ganz allgemein aus § 105 BGB, wonach Rechtsgeschäfte Geschäftsunfähiger und damit auch Testierunfähiger nichtig sind. Die Nichtigkeit ist unheilbar, eine Bestätigung des nichtigen Geschäfts im Sinne einer Neuvornahme gemäß § 141 BGB ist lediglich durch den Erblasser zu Lebzeiten zulässig, sofern er zu dem besagten Zeitpunkt die Testierfähigkeit wiedererlangt hat. Die Nichtigkeit des Testaments ist im Erbscheinverfahren nach der im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Amtsermittlungspflicht von Amtswegen zu erheben, sofern offenkundige Zweifel an der Testierfähigkeit auftauchen.373 Kann das Gericht die Frage nicht abschließend klären, liegt die Feststellungslast auf der Seite desjenigen, der sich auf Testierunfähigkeit beruft bzw. bei demjenigen, der sich auf einen lichten Augenblick eines im Übrigen testierunfähigen Erblassers beruft.374 372 373 374
Lange/Kuchinke, Erbrecht 821. Dazu im Einzelnen MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 53 ff. Dazu MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 57.
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Verbleiben weiterhin Zweifel an der Testierunfähigkeit, so bleibt die Vermutung der Testierfähigkeit aufrecht.375 Wurde Testierunfähigkeit festgestellt, gilt das Testament als von Beginn an nichtig und damit als ex tunc unwirksam. Die Geltendmachung der Nichtigkeit wegen Testierunfähigkeit unterliegt nach den allgemeinen Grundsätzen der Nichtigkeit keiner zeitlichen Beschränkung. In Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung geht die herrschende Lehre auch in Spanien von einer absoluten Nichtigkeit der Verfügung bei mangelnder Testierfähigkeit aus, die keiner Verjährungsfrist unterworfen ist.376 Bei der Geltendmachung der Nichtigkeit handelt es sich mithin um eine Feststellungsklage. b) Anfechtbarkeit Die meisten Rechtsordnungen sehen im Gegensatz zum deutschen und spanischen Recht keine absolute und unheilbare Nichtigkeit, sondern bloß Anfechtbarkeit als Rechtsfolge mangelnder Testierfähigkeit vor. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob die Testierunfähigkeit auf mangelnde Erreichung des Mindestalters oder fehlende geistige Gesundheit zurückzuführen ist. Im österreichischen Recht hat sich mangels einer ausdrücklichen Regelung die Meinung durchgesetzt, dass ein von einem Testierunfähigen errichtetes Testament nicht nichtig, 377 sondern bloß anfechtbar ist und der entsprechende Anspruch daher der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 1487 ABGB unterliegt.378 In der Schweiz ordnet Art. 519 ZGB an, dass eine Verfügung von Todes wegen nicht von Amtswegen, sondern auf Parteiantrag für ungültig erklärt wird, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung nicht verfügungsfähig war.379 Die Klage verjährt binnen einem Jahr ab Kenntnis des Mangels bzw. maximal nach 10 Jahren ab Eröffnung der Erbschaft.380 Gegenüber dem Bösgläubigen verjährt die Klage erst nach 30 Jahren, die Ein-
Zuletzt OLG München 31.10.2014, NJW-Spezial 2014, 712. Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/Rodríguez Guitián, Art. 662 Código civ. Bd. II 263; Ministerio de Justicia/Puig Ferriol, Art. 662 Código civ. 1670; Díez-Picazo/ Gullón, Sistema Bd. IV 324; Pena Lopez, Testamento 254. In der Minderheit blieb dagegen die Meinung von Lacruz Berdejo/de Asís Sancho Rebullida/Luna Serrano, Elementos Bd. V 238 f. bei nicht wesentlichen Mängeln der Testierfähigkeit lediglich eine der Verjährung unterworfene Anfechtbarkeit eintreten zu lassen. 377 In diesem Sinne dagegen Kralik, Erbrecht 101; Rummel/Welser, § 569 ABGB Rn. 1. 378 OGH 29.1.1980, 4Ob602/79, (SZ 53/10); Schwimann/Eccher, § 565 ABGB Rn. 14. Eine eingehende Auseinandersetzung mit dieser Frage fehlt. 379 Basler Kommentar/Breitschmid, Bd. II Art. 467/468 ZGB Rn. 19. 380 Nach unbestrittener Auffassung handelt es sich hierbei entgegen der Bezeichnung im Gesetz nicht um eine Verjährungsfrist, sondern um eine Verwirkungsfrist. Dazu Wolf/ Genna, Erbrecht 435 ff. 375 376
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Zweiter Teil – Schutz der Selbstbestimmung im Erbrecht
wendung der Ungültigkeit wegen mangelnder Verfügungsfähigkeit verjährt nicht (Art. 521 ZGB). Das französische Recht ordnet zwar Nichtigkeit bei mangelnder Testierfähigkeit an. Dabei handelt es sich aber um keine absolute Nichtigkeit, sondern um eine sogenannte „nullité relative“381 und damit nach zuletzt gefestigter Rechtsprechung um einen binnen 5 Jahren verjährenden382 Anfechtungsanspruch. Das italienische Recht ordnet ausdrücklich383 Anfechtbarkeit an (Art. 591 Abs. 3 ital. C. civ.) und unterwirft die Anfechtungsklage einer 5-jährigen Verjährungsfrist ab Ausführung der angefochtenen Verfügungen. Im englischen Recht ist das von einem Testierunfähigen errichtete Testament jedenfalls ungültig.384 Dabei handelt es sich aber nicht um eine absolute, unverjährbare Nichtigkeit. Die Anfechtung wegen Testierunfähigkeit kann vielmehr nur binnen einer Frist von 12 Jahren ab dem Tod des Erblassers (Limitation Act 1980 s. 22) geltend gemacht werden. c) Heilung War der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig, so ist der daraus entstehende Mangel nach dem Tod des Erblassers nicht heilbar, denn nur der Erblasser selbst hätte bei Wiedererlangung der Testierfähigkeit noch zu Lebzeiten diesen Mangel beseitigen können.385 Die Unheilbarkeit des Testierfähigkeitsmangels gilt nicht bloß in jenen Rechtsordnungen, in denen als Folge mangelnder Testierfähigkeit absolute Nichtigkeit angeordnet ist, somit im deutschen und im spanischen Recht, sondern auch in Rechtsordnungen, die lediglich eine relative Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit vorsehen, wie etwa Österreich, die Schweiz, Frankreich und Italien. Das Verstreichen der Malaurie/Aynès, Les successions 165. Cass. 11.1.2005, Bull. civ. I n° 23, D. 2005.1207. Die Anfechtung ist somit der Verjährungsfrist gemäß Art. 1304 franz. C. civ. unterworfen. Davor war vor allem in der Lehre die Meinung vertreten worden, Art. 1304 franz. C. civ. sei nur auf Verträge anwendbar, weshalb für die Anfechtung des Testaments wegen Testierunfähigkeit die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren gelte. Mit der Erstreckung des Art. 1304 franz. C. civ. auf Testamente wurde erreicht, dass nunmehr die Anfechtung von Schenkungen und die Anfechtung von Testamenten wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit bzw. Testierfähigkeit derselben Verjährungsfrist unterliegen. Dazu Cour de Cassation, Rapport annuel 2005 217 f. 383 Damit wurde dem Meinungsstreit unter dem vorangehenden Codice civile aus 1865, der die Frage nicht eindeutig löste, ein Ende gesetzt. Vgl. dazu kritisch und mit einem Überblick zur Gesetzgebungsgeschichte des Art. 591 Abs. 3 ital. C. civ.: Gangi, Successione testamentaria 95 ff. 384 Kerridge, Succession 5-08: „wholly invalid“. 385 So etwa im deutschen Recht durch Neuvornahme gemäß § 141 Abs. 1 BGB, wobei allerdings eine Bestätigung eines formell gültigen Testaments, etwa durch eine zweite Unterschrift beim eigenhändigen Testament, erforderlich ist. Bei notarieller Neubeurkundung kann auch bloß auf die frühere Urkunde verwiesen werden (§ 13a BeurkG). Dazu Sieghörtner, Grundlagen 378. 381 382
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Anfechtungsfrist in diesen Rechtsordnungen führt nämlich lediglich dazu, dass das Testament nicht mehr wegen Testierunfähigkeit angegriffen werden kann. Dadurch wird der Mangel der Testierfähigkeit aber nicht beseitigt. Dies zeigt sich in der Schweiz etwa daran, dass die Einwendung der Testierunfähigkeit grundsätzlich keiner Befristung unterliegt (Art. 521 Abs. 3 ZGB).386 Die Verjährung der Klage versperrt nur die gerichtliche Geltendmachung des Ungültigkeitsgrundes, kann ihn aber nicht beheben. Daran ändert auch eine Bestimmung wie im französischen (Art. 1340 franz. C. civ.) oder italienischen Recht (Art. 590 ital. C. civ.) nichts. Darin wird bestimmt, dass die Nichtigkeit einer unentgeltlichen bzw. testamentarischen Verfügung nicht geltend machen werden darf, wer in Kenntnis des Ungültigkeitsgrunds diese Verfügung nach dem Tod des Erblassers bestätigt oder freiwillig ausführt. Nach herrschender Ansicht umfasst diese Vorschrift auch Anfechtungsgründe, bewirkt aber lediglich einen impliziten Verzicht auf die Nichtigkeitsklage bzw. die Anfechtungsklage des Bestätigenden oder freiwillig Ausführenden, sodass etwa ein Dritter sich weiterhin mit Wirkung für alle auf den Mangel berufen und das Testament für nichtig erklären lassen oder anfechten kann.387 d) Zwischenergebnis Bis auf Deutschland und Spanien, die eine absolute und unverjährbare Nichtigkeit des Testaments bei Testierunfähigkeit vorsehen, gehen die übrigen hier betrachteten Rechtsordnungen von einer Anfechtbarkeit des Testaments aus, deren Durchsetzung einer bestimmten Anfechtungsfrist unterworfen ist. Mit Ablauf dieser Frist wird der Mangel des Testaments zwar nicht geheilt, er kann allerdings auch nicht mehr im Klageweg durchgesetzt werden. Diese Rechtsordnungen nehmen somit offensichtlich zugunsten der Rechtssicherheit388 hin, dass auch ein nicht selbstbestimmt zustande gekommenes Testament Grundlage der Erbfolge werden kann. 10. Ergebnisse a) Testierfähigkeit als Selbstbestimmungsfähigkeit Der rechtshistorische Überblick hat gezeigt, dass in allen berücksichtigten Entwicklungsstufen des Rechts von der griechischen und römischen Antike bis hinauf zum ius comune sowie in der Entwicklung der germanischen RechWolf/Genna, Erbrecht 438. Somit gilt: „l’exécution volontaire d’un testament nul, qui en constitue une confirmation implicite, ne fait pas obstacle à l’action en nullité des autres personnes intéressées à invoquer le vice en cause“ Cass. civ., 1ère ch., 26.10.2011, 10-23.153, unveröffentlicht. Für Italien vgl. Franzoni, Conferma 1617. 388 Darauf weist etwa die italienische Lehre hin: Gabrielli Commentario/Gambini, Art. 591 ital. C. civ. 230. 386 387
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te dem Erblasser stets nur unter der Voraussetzung Testierfähigkeit eingeräumt wurde, dass er auch für sich selbstbestimmt und selbstverantwortet Entscheidungen treffen konnte. Dies wurde durch die universellen Erfordernisse der Abwesenheit einer Geisteskrankheit und der Erreichung eines bestimmten Mindestalters (Mündigkeit) gesichert. In den germanischen Rechten wurde die Selbstbestimmungsfähigkeit noch zusätzlich dadurch gemessen, dass nur körperlich kräftige und gesunde Erblasser Verfügungen von Todes wegen errichten konnten. Damit trug man freilich dem Umstand Rechnung, dass die Feststellung körperlicher Fähigkeiten im Gegensatz zur Ermittlung geistiger Fähigkeiten objektivierbar ist und somit aus praktischer Perspektive leichter gelingt. b) Geschäftsfähigkeit und Testierfähigkeit Sowohl die allgemeine Geschäftsfähigkeit als auch die Testierfähigkeit gehen von der Fähigkeit zur selbstbestimmten Willensbildung aus. Insofern beruhen Geschäfts- und Testierfähigkeit auf dem einheitlichen Gedanken, wonach grundsätzlich nur jene Handlungen Rechtsgeltung erlangen sollen, die von einer selbstbestimmungsfähigen Person gesetzt wurden,389 denn nur dann können dem Einzelnen seine Handlungen auch rechtlich zugerechnet und er dafür verantwortlich gemacht werden.390 Die Testierfähigkeit ist angesichts dieser gemeinsamen Grundlage als eine besondere Geschäftsfähigkeit für den Bereich der letztwilligen Verfügungen zu verstehen. Bei den Regeln über die allgemeine Geschäftsfähigkeit steht nach verbreiteter Ansicht der Schutz des Verfügenden vor den vermögensrechtlichen Folgen jener Rechtsgeschäfte, die er ohne die erforderliche Selbstbestimmungsfähigkeit vorgenommen hat, im Vordergrund.391 Im Gegensatz dazu, BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853, 1854. Schmidt, RabelsZ 76 (2012) 1028 f. Diese gemeinsame Grundlage von Geschäfts- und Testierfähigkeit berücksichtigen Grunsky, Testierfähigkeit 10 ff. und diesem folgend Kroppenberg, Testierfähigkeit 204 zu wenig. 390 Zur Selbstverantwortung in der lebzeitigen Privatautonomie und der Privatautonomie von Todes wegen vgl. oben, § 2 II.4.b)bb). 391 Vgl. dazu MüKo BGB/Schmitt, Vor § 104 Rn. 2: „Die gesetzliche Regelung der Geschäftsfähigkeit in den §§ 104 bis 113 dient in erster Linie dem Schutz des noch nicht oder nur beschränkt Geschäftsfähigen vor den (möglicherweise) nachteiligen Folgen von Willenserklärungen, deren Auswirkungen er infolge mangelnden Alters und damit mangelnder Erfahrung oder krankhafter Störung der Geistestätigkeit (noch) nicht hinreichend zu erfassen vermag. Weil Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige aus diesen Gründen nicht zur eigenverantwortlichen Willensbildung in der Lage sind und nicht die Fähigkeit besitzen, für ihre eigene Person zu sorgen und die Folgen ihres Verhaltens zu übersehen, versagt der Gesetzgeber ihren Rechtsgeschäften die (volle) rechtliche Anerkennung.“ Vgl. auch Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil § 25 Rn. 1; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil § 34 Rn. 8; Schulze/Dörner, Vor § 104–113 BGB Rn. 1; Zweigert/Kötz, Einführung 341: „Diesen Regeln liegt in erster Linie ein Schutzzweck zugrunde: Wer seine geistigen Kräfte nicht 389
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bezweckt die Regelung der Testierfähigkeit nicht den Schutz des Verfügenden vor sich selbst oder vor anderen.392 Eines Vermögensschutzes wie bei lebzeitigen Geschäften bedarf der letztwillig Verfügende auch nicht, denn seine Verfügung bindet ihn nicht und hat zu seinen Lebzeiten keine Auswirkungen auf sein Vermögen.393 Die Regelung über die Testierfähigkeit kann daher im Gegensatz zur allgemeinen Geschäftsfähigkeit nicht als Bestimmung mit unmittelbarem Schutzzweck394 begriffen werden,395 sondern ausschließlich als Mindestanforderung an selbstbestimmtes und selbstverantwortetes, somit rechtlich gültiges Testieren. Ein Testament, das als Willenserklärung des Erblassers von der Rechtsordnung anerkannt werden soll, kann nur dann Geltung beanspruchen, wenn es gewollt ist. Insofern drängt sich die Voraussetzung der Testierfähigkeit als Voraussetzung gültigen Testierens auf. Es kann nämlich für die rechtliche Geltungskraft eines Testaments schlicht kein anderer Grund angeführt werden, als jener, dass das Testament oder noch nicht in vollem Umfange besitzt, soll nicht durch rechtsgeschäftliche Erklärungen, vor allem also durch den Abschluß von Verträgen sich selbst einen Nachteil zufügen können.“ Vgl. auch von Tuhr, Allgemeiner Teil Bd. II/1 338: „Der Minderjährige soll im rechtsgeschäftlichen Verkehr durch seinen gesetzlichen Vertreter vor Schaden bewahrt werden.“ Zuletzt Schmoeckel, NJW 2016, 433, 434. 392 Kritisch in diesem Sinne auch Busch, ErbR 2014, 91–92, der allerdings den Schutz der Dritten (gestzlichen Erben) in den Vordergrund rückt. 393 Anders verhält es sich freilich bei Erbverträgen. Bei diesen ist nicht Testierfähigkeit, sondern Geschäftsfähigkeit erforderlich (§ 2275 BGB mit Verweis auf §§ 104, 105 BGB), denn es kommt wie bei lebzeitigen Geschäften eine lebzeitige (wenn auch schwächer ausgeprägte) rechtliche Bindung des Erblassers zustande. Die Entscheidung des Gesetzgebers, auf den allgemeinen Teil zu verweisen, ist insofern konsequent, wenn sie auch zugegebenermaßen Verwirrung hinsichtlich des Verhältnisses von Geschäfts- und Testierfähigkeit stiftet, denn sie lasse vermuten, dass die Anforderungen an die Geschäftsfähigkeit höher ausfallen, als jene an die Testierfähigkeit. Schmidt, RabelsZ 76 (2012) 1028. Angesichts der gemeinsamen Geltungsgrundlage von lebzeitigen und erbrechtlichen Rechtsgeschäften kann dieser Schluss freilich nicht hingenommen werden. A. A. Grunsky, Testierfähigkeit 22 „mehr an Überlegungsreife“. Ihm folgend Kroppenberg, Testierfähigkeit 206. 394 Wenn man der Testierfähigkeit als Testiervoraussetzung dennoch einen Schutzzweck zuweisen möchte, dann ginge es wie bei der Anfechtung letztwilliger Verfügungen nicht um den Schutz des Erblassers selbst, sondern um den mittelbaren Schutz jener, die aufgrund eines nicht hinreichend legitimierten Berufungsgrundes, nämlich das Testament eines Testierunfähigen, nicht zum Zuge kämen. Dies sind in aller Regel die gesetzlichen Erben, die somit über die Testierfähigkeit mittelbar in ihrem Anspruch als gesetzliche Erben geschützt würden. Laimer, RabelsZ 77 (2013) 559. A. A. Grunsky, Testierfähigkeit 14; Schmidt, RabelsZ 76 (2012) 1029 Fn. 34. 395 A. A. Laimer, RabelsZ 77 (2013) 558 f.: „Zentrale Stellung hat hier folglich die Sicherung der Testierfreiheit und somit das Interesse des Testierenden an einer wahrhaftig selbstbestimmten – in den Grenzen des zwingenden Rechts gefällten – Entscheidung.“ In Italien wird ebenso die Meinung vertreten, das Problem der Fremdbestimmung könne über eine Verschärfung der Testierfähigkeitsvoraussetzungen gelöst werden: Cinque, Dir.succ. fam. 2015, 375 ff.; Patti, Riv.dir.civ. 2014, 1010 f.
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deshalb gilt, weil es Ausdruck des auch nach dem Tod zu respektierenden Willens des Erblassers ist. Die Rechtsordnung stellt folgerichtig an den Erblasser die Anforderung, dass er zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu einer selbstbestimmten Willensäußerung in der Lage war. Aus der Feststellung, dass die Regelung der Testierfähigkeit im Gegensatz zur Regelung der Geschäftsfähigkeit keinen unmittelbaren Schutzzweck verfolgt, lässt sich allerdings nicht folgern, dass die Anforderungen an die Testierfähigkeit geringer ausfallen müssen (bloßer „natürlicher Rechtsfolgenwille“).396 Auch umgekehrt lässt sich aus der Feststellung, dass von der Voraussetzung der Testierfähigkeit auch Dritte mit Erbaussichten profitieren, nicht ableiten, dass an die Testierfähigkeit höhere Anforderungen zu stellen wären.397 Sowohl lebzeitige als auch letztwillige Rechtsgeschäfte verlangen dasselbe Maß an Selbstbestimmungsfähigkeit, denn sie können von der Rechtsordnung nur dann anerkannt werden, wenn der Verfügende für ihre Folgen verantwortlich gemacht werden kann. Kann er aufgrund seiner geistigen Reife für seine Handlungen verantwortlich gemacht werden, ist er gleichzeitig voll geschäftsfähig und testierfähig und bedarf daher auch keines weiteren Schutzes mehr. Der spezifische Schutzzweck der Geschäftsfähigkeit rechtfertigt daher keine unterschiedliche Ausgestaltung der Voraussetzungen von Geschäfts- und Testierfähigkeit, 398 auch nicht hinsichtlich des Mindestalters.399 Mithin bedarf es für die Testierfähigkeit auch keiner spezifisch erbrechtlichen ratio.400 396 So mit verfassungsrechtlicher Argumentation aber Grunsky, Testierfähigkeit 22 ff. Zurecht kritisch Schmidt, RabelsZ 76 (2012) 1028 f., dem durchaus beizupflichten ist, dass es auch bei der Geschäftsfähigkeit im Wesentlichen um die „Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie“ geht, der aber den Schutzgedanken des Geschäftsfähigkeitsrechts zu sehr in den Hintergrund stellt und gleichzeitig auch der Testierfähigkeit Schutzfunktion zuweist, wenn er sie mit der Gefahr von Fremdbestimmung in Verbindung bringt. 397 So aber Busch, ErbR 2014, 92. 398 A. A. Grunsky, Testierfähigkeit 22; Kroppenberg, Testierfähigkeit 206. 399 A. A. Schmidt, RabelsZ 76 (2012) 1041, der aufgrund der möglichen wirtschaftlichen Nachteile bei lebzeitigen Rechtsgeschäften und der Vertretungsmöglichkeit eine unterschiedliche Gestaltung der Mindestvoraussetzungen für volle Geschäftsfähigkeit und Testierfähigkeit als (wenn auch nicht zwingend) gerechtfertigt ansieht. Ebenso zuletzt Kroppenberg, Testierfähigkeit 204, wenn sie die geringere Altersgrenze bei der Testierfähigkeit mit dem geringeren Schutzbedürfnis des Erblassers rechtfertigt, gleichzeitig mit Grunsky aber hervorhebt, dass die Testierfähigkeit gerade keinen Schutzzweck verfolge. 400 So aber Kroppenberg, Testierfähigkeit 206 f., die meint, dass aufgrund des mangelnden Schutzzwecks der Testierfähigkeit eine spezifisch erbrechtliche Begründung gefunden werden müsse. Diese erkennt sie im erbrechtlichen Vonselbsterwerb, für den eine von einem Testierunfähigen stammende Erklärung keine „verlässliche Grundlage“ biete. Die „Berufungsordnung kraft Rechtsgeschäfts“ müsse vielmehr aus einem „qualitätsvoll erklärten erbrechtlichen Begründungswillen des Erblassers“ bestehen, „der zugleich Ausdruck seiner Privatautonomie von Todes wegen“ sei. Damit ist letztlich nichts anderes gesagt, als dass eine letztwillige Verfügung nur dann anerkannt werden kann, wenn sie von einer selbstbestimmungsfähigen Person stammt. Einer spezifisch erbrechtlichen Begrün-
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c) Mindestanforderungen: Mindestalter Was unter einer „selbstbestimmten Willensäußerung“ als Minimalanforderung an gültiges Testieren zu verstehen ist, wird in den verschiedenen Rechtsordnungen uneinheitlich beurteilt. Das gilt zunächst für das Mindestalter, das in vielen Rechtsordnungen, auch in Deutschland, unter jenem der vollen Geschäftsfähigkeit angesetzt wird. Begründet wird dies vielfach damit, dass sich der minderjährige Erblasser bei letztwilligen Verfügungen nicht durch seine gesetzlichen Vertreter vertreten lassen kann und er darüber hinaus keine Verfügungen mit nachteiligen Folgen für sein Vermögen treffen kann.401 Beide Argumente berücksichtigen indes nicht hinreichend, dass der einzige Geltungsgrund letztwilliger Verfügungen eine selbstbestimmte und selbstverantwortete Entscheidung des Erblassers voraussetzt und die selbstbestimmte Entscheidungsfähigkeit eine Frage der geistigen Reife ist, die unabhängig davon zu beurteilen ist, ob dem Verfügenden ein wirtschaftlicher Nachteil droht oder ob er in dem betreffenden Rechtsgeschäft vertreten werden kann. Wenn für lebzeitige Geschäfte volle geistige Reife erst mit 18 angenommen wird, weil der Verfügende ab diesem Zeitpunkt typischerweise volle Verantwortung für sein Handeln übernehmen kann, muss diese Altersgrenze folgerichtig auch für die Testierfähigkeit gelten, denn auch für sie ist gefordert, dass der Erblasser imstande ist, für seine Entscheidung volle Verantwortung übernehmen zu können. d) Mindestanforderungen: Geistige Gesundheit Hinsichtlich der Mindestanforderungen an die geistige Gesundheit des Erblassers lässt sich festhalten, dass in allen betrachteten Rechtsordnungen ab Erreichung eines bestimmten Mindestalters die erforderliche geistige Fähigkeit zur selbstbestimmten Errichtung eines Testaments vermutet wird. Einheitlich beurteilt wird auch, dass alterstypische geistige und körperliche Gebrechlichkeiten für sich allein nicht genügen, um die Testierfähigkeitsvermutung umzukehren. Vielmehr muss bewiesen werden, dass die altersbedingten Beeinträchtigungen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits ein so gravierendes Ausmaß erreicht haben, dass ein selbstbestimmtes Testieren nicht mehr möglich war. Aufgrund der Testierfähigkeitsvermutung ist zu beweisen, dass der Erblasser nicht über die erforderliche geistige Klarheit verfügte, die für eine selbstbestimmte Testamentserrichtung erforderlich gewesen wäre. Da das wegen Testierunfähigkeit angegriffene Testament nicht dung der Testierfähigkeit über den Vonselbsterwerb bedarf es hierfür nicht. Ganz im Gegenteil. Sie verstellt nur den Blick darauf, dass Geschäftsfähigkeit und Testierfähigkeit beide über ihren Gehalt als Selbstbestimmungsfähigkeit die Funktionsvoraussetzung rechtsgeschäftlicher Selbstgestaltung garantieren. 401 So zuletzt auch Schmidt, RabelsZ 76 (2012) 1041.
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wiederholt werden kann, stellen Gerichte an diesen Beweis der Testierunfähigkeit sehr hohe Anforderungen, sodass nur in rückblickend eindeutigen und damit in aller Regel sehr schweren Fällen Testierunfähigkeit festgestellt wird. Damit nimmt man freilich in Kauf, dass in einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Fällen die Fähigkeit des Erblassers zu selbstbestimmtem Testieren zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht gesichert ist. Die Mindestanforderungen an die geistige Gesundheit sind als Fähigkeit zur selbstbestimmten Entscheidung zu definieren. Der Erblasser muss Informationen aus seiner Umwelt aufnehmen (Auffassung) und verarbeiten können (Verarbeitung), um mehrere mögliche Handlungsalternativen zu erkennen (Fähigkeit zur Urteilsbildung) aus denen er schließlich durch wertende Gegenüberstellung eine Alternative auswählt und so zu einem Willensentschluss gelangt (Entscheidungsfähigkeit). Bei der Beurteilung dieser Fähigkeit geht es nicht darum, ob diese Schritte für die Verfügung durchlaufen wurden, sondern ob der Erblasser trotz seiner geistigen Defizite noch in der Lage war, auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu treffen. e) Anerkennung relativer und partieller Testierfähigkeit Wer Selbstbestimmung als Geltungsgrundlage des Testaments ernst nimmt, muss jene Verfügungen anerkennen, die sich auf einen selbstbestimmt geäußerten Willen stützen können. Dies bedeutet, dass nicht starr darauf abgestellt werden darf, ob der Erblasser zur selbstbestimmten Vornahme irgendeiner erbrechtlichen Verfügung noch in der Lage war. Vielmehr geht es darum, dass der Erblasser die konkrete Verfügung selbstbestimmt vornehmen konnte. Dies erscheint als Selbstverständlichkeit, bedeutet aber, dass die Testierfähigkeit als relative Testierfähigkeit anzuerkennen ist und damit abhängig von der geistigen Gesundheit und der inhaltlichen Komplexität der letztwilligen Verfügung beurteilt werden muss. Für die Testierfähigkeit reicht es somit nicht, wenn der Erblasser noch zu einer sehr einfachen letztwilligen Verfügung fähig war. Es ist auch nicht erforderlich, dass er noch eine schwierige Verfügung errichten konnte. Vielmehr geht es darum, ob er die von ihm hinterlassene Verfügung selbstbestimmt errichten konnte. Die Rechtsprechungspraxis in Deutschland scheint trotz gegenteiliger Bekenntnisse diesem relativen Verständnis der Testierfähigkeit ebenso zu folgen, wie die ausländische Rechtsprechung in den weiteren oben betrachteten Rechtsordnungen. Soweit sich aus den Besonderheiten einer bestimmten geistigen Krankheit (z. B. Wahnvorstellungen) eine Unfähigkeit zur selbstbestimmten Entscheidung nur in Bezug auf bestimmte Personen oder auf bestimmte Lebensbereiche beweisen lässt, sollten auch nur Verfügungen in diesen Bereichen wegen Testierunfähigkeit ungültig sein. Durch die Anerkennung dieser partiellen Testierfähigkeit wird wiederum der Grundsatz gewahrt, dass letztwillige Verfügungen grundsätzlich dann gelten sollen, wenn sie selbstbestimmt zustande
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kommen konnten und zwar unabhängig davon, ob im selben Testament noch weitere Verfügungen enthalten sind, die aufgrund der bereichsspezifischen geistigen Beeinträchtigung nicht selbstbestimmt errichtet wurden. f)
Erwachsenenschutzmaßnahmen und Testierfähigkeit
Das Bestehen einer Erwachsenenschutzmaßnahme genügt nach modernem Rechtsverständnis nicht, um die Testierfähigkeitsvermutung umzukehren oder die Testierfähigkeit gar auszuschließen. Nur in jenen Rechtsordnungen, in denen sich die Entmündigung gehalten hat, geht mit der Ernennung eines Vormunds automatisch der vollständige Verlust sowohl der Geschäftsfähigkeit als auch der Testierfähigkeit einher, es sei denn, diese Folge kann, wie in Frankreich, im Einzelfall ausgeschlossen werden. Andere Rechtsordnungen können dem Erblasser die Testierfähigkeit mit der Anordnung einer Erwachsenenschutzmaßnahme im Einzelfall entziehen, wenn dies aufgrund der konkreten Umstände erforderlich erscheint. Wieder andere Rechtsordnungen schränken mit der Anordnung einer Erwachsenenschutzmaßnahme automatisch oder im Einzelfall die Formwahlfreiheit des Erblassers auf öffentliche Testamentsformen ein und verpflichten die Urkundsperson, medizinische Sachverständige zur Überprüfung der geistigen Gesundheit des Erblassers herbeizuziehen (Spanien). In Deutschland bleibt die Testierfähigkeit von der Anordnung einer Betreuung stets unberührt, und zwar selbst dann, wenn sie mit Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB angeordnet ist. Dies wird damit begründet, dass es für die Anordnung der Betreuung in erster Linie nicht auf die geistigen Fähigkeiten bzw. auf die Geschäftsfähigkeit, sondern zu allererst auf die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen ankommt. 402 Diese Schutzbedürftigkeit des Betreuten besteht für die Errichtung eines Testaments niemals, weil er sich durch die Errichtung eines Testaments nicht selbst schädigen kann, somit eine Gefährdung für seine Person bzw. für das Vermögen nicht entsteht. Daher bleibt die Betreuung gegenüber der Testierfähigkeit stets neutral, während im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit in schwerwiegenden Fällen durch Einwilligungsvorbehalt eingegriffen werden kann. g) Überprüfung der Testierfähigkeit zu Lebzeiten Wenn den an der Testamentserrichtung beteiligten Urkundspersonen oder Beratern Prüfpflichten auferlegt werden, wird die Testierfähigkeit zur lebzeitigen Voraussetzung der Testamentserrichtung. Rechtsordnungsübergreifend müssen Notare nämlich zur Vermeidung unwirksamer Urkunden die Errichtung eines öffentlichen Testaments dann verweigern, wenn durch sie eine OLG Hamm 20.5.2003, FamRZ 2004, 659, 660; MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 11. 402
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offenkundig geistig unzurechnungsfähige Person ein Testament errichten würde. Am effektivsten wirkt diese Prüfpflicht dort, wo die juristisch ausgebildete Urkundsperson medizinische Sachverständige zurate ziehen muss, wie dies nach spanischem Recht bei Personen der Fall ist, die gerichtlich für geschäftsunfähig erklärt wurden. Auch der bei der Testamentserrichtung beratende solicitor ist bei problematischen Fällen aufgrund ständiger Rechtsprechung dazu angehalten, einen ärztlichen Sachverständigen zurate zu ziehen. Zumeist kommt es bei der Prüfpflicht aber lediglich auf das subjektive Urteil der Urkundsperson selbst an. Somit handelt es sich bei der Feststellung der Testierfähigkeit in der Praxis meist bloß um floskelhafte, auf oberflächlichen Eindrücken beruhende Feststellungen medizinischer Laien, die in einem späteren Prozess in die Irre führen. Bei verdeckten Krankheitsbildern, die gerade bei Demenzkranken sehr häufig sind, lassen diese Feststellungen nämlich keine zuverlässigen Schlussfolgerungen über die Testierfähigkeit des Erblassers zu. Dadurch wird die Prüfpflicht von Urkundspersonen in den meisten Fällen auf ein bloßes Formalerfordernis403 reduziert. Für eine effektive Prüfung der Testierfähigkeit wirkt es weiter erschwerend, dass Urkundspersonen lediglich zwischen Vornahme und Verweigerung der Beurkundung entscheiden können und bei einer Verweigerung dem Erblasser die Möglichkeit zur Errichtung eines Testaments meistens gänzlich entziehen: so etwa dem Erblasser im Sterbebett oder dem körperlich schon sehr schwachen Erblasser, der ein eigenhändiges Testament nicht mehr errichten kann. Um diese Konsequenz zu vermeiden, berufen sich Notare auch bei großen Zweifeln auf die Testierfähigkeitsvermutung und verweigern die Beurkundung nur in schweren, ganz offenkundigen Fällen von Testierunfähigkeit. Damit erweisen sich die Prüfpflichten letztlich für den Schutz der Testierfreiheit als ungeeignet. h) Rechtsfolgen der Testierunfähigkeit Wenn die Testierfähigkeit als Selbstbestimmungsfähigkeit Geltungsvoraussetzung einer gültigen letztwilligen Verfügung ist, dann muss eine Verfügung eines nicht Testierfähigen ungültig sein. Nach deutschem und spanischem Recht wird konsequent Nichtigkeit angeordnet. Alle anderen hier betrachteten Rechtsordnungen lassen dagegen lediglich Anfechtbarkeit eintreten, die einer Verjährungsfrist unterworfen ist. Daraus darf nicht der vorschnelle Schluss gezogen werden, dass in diesen Rechtsordnungen Selbstbestimmungsfähigkeit nicht Geltungsvoraussetzung letztwilliger Verfügungen wäre. Vielmehr 403 Im österreichischen Recht gehört die Prüfung und Feststellung der Testierfähigkeit zu den formellen Gültigkeitserfordernissen von Testamtenten Minderjähriger sowie von Personen, denen ein Sachwalter beigestellt wurde und für die gemäß § 568 ABGB eine Beschränkung auf das mündliche öffentliche Testament angeordnet wurde. Dazu OGH 29.4.2003, 4Ob69/03f. Fehlt die Prüfung und Feststellung der Testierfähigkeit, ist das Testament wegen Formmangels nichtig.
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findet eine Abwägung mit dem konkurrierenden Interesse nach Rechtssicherheit statt. Ein Testament soll nach Ablauf einer bestimmten Frist zum Schutz des Verkehrs auch wegen Testierunfähigkeit nicht mehr beseitigt werden können. Dagegen verjährt die Einwendung der Testierunfähigkeit nicht, was verdeutlicht, dass keine Heilung des Mangels eintritt, sondern dieser bloß zum Schutz der Rechtssicherheit gerichtlich nicht mehr im Klageweg gegen das Testament durchgesetzt werden kann. i)
Schutz des Erblassers durch Regeln der Testierfähigkeit?
Als stets vermutete Gültigkeitsvoraussetzung einer letztwilligen Verfügung ist die Testierfähigkeit weder dazu bestimmt, selbstbestimmtes Testieren von vornherein zu sichern, noch dazu geeignet, nicht selbstbestimmt zustande gekommene Testamente zuverlässig zu verhindern. Vielmehr erlaubt sie ex post ein Testament zu beseitigen, das nachweislich aufgrund mangelnder Selbstbestimmungsfähigkeit nicht selbstbestimmt zustande gekommen ist und somit keine rechtliche Geltung beanspruchen darf. Selbst in jenen Rechtsordnungen, die Testierunfähigkeit mit Nichtigkeit sanktionieren, geschieht dies aufgrund der schwierigen Beweislage nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag derjenigen (meist gesetzlichen Erben), die an der Beseitigung des Testaments ein Interesse haben. Sind keine gesetzlichen Erben bzw. keine Erben eines widerrufenen Testaments vorhanden, die sich gegen das Testament wenden wollen, dann bleibt die Testierunfähigkeit unentdeckt. Das Testament entfaltet somit dauerhaft Wirkungen, obwohl der Erblasser zu einer selbstbestimmten Entscheidung gar nicht fähig war. Es zeigt sich somit, dass Testierfähigkeit als Geltungsvoraussetzung selbstbestimmtes Testieren strukturell nicht sichern kann. Insofern unterscheidet sich die Testierfähigkeit von der Geschäftsfähigkeit. Während die Geschäftsfähigkeitsregelung bei lebzeitigen Geschäften demjenigen, der ohne hinreichende Selbstbestimmung eine rechtliche Verpflichtung eingegangen ist, dazu verhilft, sich aus dieser Verpflichtung zu befreien, kann dem Erblasser die Testierfähigkeit nicht als Schutzinstrument seiner Selbstbestimmung zugutekommen. Die Testierfähigkeit ist mithin nicht der geeignete Ansatzpunkt, um den Erblasser vor Fremdbestimmung zu schützen. Entsprechende Reformvorschläge, die zum vermeintlichen Schutz des Erblassers Änderungen der Regeln der Testierfähigkeit fordern, übertragen unzulässigerweise die Schutzfunktion der Geschäftsfähigkeitsregeln auf die Testierfähigkeit404 und müssen folglich scheitern. Sie greifen nämlich in die Testierfreiheit ein, ohne den Erblasser dadurch in seiner Selbstbestimmungsfähigkeit unterstützen zu können. Dies gilt besonders für den in der Literatur vorgebrachten Vorschlag, zum Schutz alternder Erblasser ab einem bestimmten Alter (etwa ab 70 oder Auch in diesem Kontext passt die Kritik von Kroppenberg, Privatautonomie zur Verlebzeitigung erbrechtlicher Rechtsinistute. 404
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80)405 die Testierfähigkeitsvermutung umzukehren, sodass gerade für jenen Teil der Bevölkerung, der naturgemäß das größte Bedürfnis zum Testieren hat, Testierunfähigkeit vermutet würde. Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf der Gesetzgeber durch Anforderungen an den Testierakt „das in der Testierfreiheit enthaltene Selbstbestimmungsprinzip zwar konkretisieren, nicht aber unverhältnismäßig beschränken.“ Eine solche unverhältnismäßige Beschränkung liegt vor, „wenn eine vom Gesetzgeber gewählte Maßnahme ‚schlechthin ungeeignet‘ (BVerfGE 47, 109, 117 = NJW1978, 933), ‚eindeutig‘ nicht erforderlich (BVerfGE 53, 135, 145 = NJW 1980, 1565) oder auch bei Anerkennung eines Bewertungsspielraums unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 77, 84, 111f. = NJW 1988, 1195).“406
Durch die Umkehrung der Testierfähigkeitsvermutung wäre der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, weil die Maßnahme „schlechthin ungeeignet“ wäre, um das Ziel des Schutzes der Selbstbestimmung des Erblassers zu erreichen. Die Testierfreiheit des Erblassers würde nämlich ganz unabhängig vom Gesundheitszustand ab einem bestimmten willkürlich gewählten und durch empirische Erkenntnisse nicht begründbaren Alter407 eingeschränkt. Ein Testament dieses Erblassers könnte folglich nur dann wirksam werden, wenn nach seinem Tod der Beweis erbracht würde, dass er zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch testierfähig war. Zur Beweissicherung könnte der Erblasser zwar selbst beitragen, indem er bei der Errichtung seines Testaments einen medizinischen Sachverständigen hinzuzieht. Dieser zusätzliche Aufwand für den Erblasser würde ihm aber die Ausübung seiner Testierfreiheit erschweren und ihm keinen zusätzlichen Schutz bieten, denn trotz ärztlich attestierter Selbstbestimmungsfähigkeit, die für das Nachlassgericht ohnehin nicht bindend wäre, würde die Gefahr unzulässiger Fremdbestimmung fortbestehen. Die Umkehr der Beweislast ist somit als Maßnahme zum Schutz des alternden Erblassers „schlechthin ungeeignet“. Eine entsprechende Regelung wäre folglich im deutschen Recht verfassungsrechtlich nicht haltbar.408 Die Umkehr der Testierfähigkeitsvermutung könnte auch an Kriterien anknüpfen, die nicht vom Alter abhängen. So wäre etwa denkbar, dass mit der Sonnekus, Ageing Testator 90: „it is presumed that the testator who is 70 years or older is no longer capable of appreciating the nature and effect of his act unless otherwise proven“; zuletzt jedoch für eine Altersgrenze bei 80 ders., Privaatoutonomie 1332. 406 BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853. 407 Auch unter den über 70- bzw. über 80-jährigen Personen ist die Mehrheit immer noch geistig gesund, wenn auch in diesen Altersgruppen die Wahrscheinlichkeit für eine alterstypische geistige Erkrankung steigt. Dazu kritisch auch Röthel, Gutachten 68. DJT A85. 408 Verfassungsrechtliche Bedenken äußert auch Cinque, Dir.succ.fam. 2015, 370 Fn. 37 für das italienische Recht. 405
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Anordnung einer Erwachsenenschutzmaßnahme, etwa der Betreuung, die Testierfähigkeitsvermutung umgekehrt würde. An zusätzlichem Schutz für den Erblasser wäre damit freilich nichts gewonnen, weil die Selbstbestimmungsfähigkeit des Erblassers dadurch nicht gestärkt oder vor Dritten geschützt würde, sondern ihm vielmehr die Fähigkeit zur selbstbestimmten Testamentserrichtung durch Vermutung von vornherein abgesprochen würde. Dies wäre schon deshalb unverhältnismäßig, weil diese Vermutungsumkehr ganz unabhängig vom Grund der Anordnung der Betreuung eintreten würde. Zudem könnte auch nicht gerechtfertigt werden, weshalb zum Schutz des Betreuten zwar seine Testierfähigkeit, nicht aber seine Geschäftsfähigkeit betroffen sein soll. Ein automatischer Eingriff in die Testierfähigkeit widerspräche schließlich der gesetzgeberischen Entscheidung, mit der Anordnung einer Erwachsenenschutzmaßnahme keine Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Betroffenen zu verbinden.409 Im Übrigen stünde eine solche Regelung im Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention,410 die in Art. 12 Abs. 2 vorsieht, dass die Vertragsstaaten anerkennen, dass Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen. Schließlich ist zu bedenken, dass die Umkehr der Testierfähigkeitsvermutung in den betrachteten Rechtsordnungen und auch in Deutschland ohnehin schon nach geltendem Recht immer dann eintritt, wenn aufgrund der geistigen Verfassung des Erblassers davon auszugehen ist, dass der Erblasser nicht nur in der Zeit vor und nach der Testamentserrichtung, sondern auch zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung unfähig war,411 eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Wird etwa infolge einer schweren Demenzkrankheit eine Betreuung angeordnet, dann muss gleichzeitig davon ausgegangen werden, dass der Erblasser auch nicht mehr zur Errichtung eines Testaments fähig war, es sei denn die testamentarischen Begünstigten beweisen, dass der Erblasser während eines lichten Augenblicks (lucidum intervallum) verfügt
Röthel, Gutachten 68. DJT A84. BGBl. 2008 II S. 1419, 1420. 411 BGH 23.11.2011, ZEV 2012, 100, 101: „Ist allerdings Testierunfähigkeit vor und nach Testamentserrichtung gegeben, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für Testierunfähigkeit auch im Zeitpunkt der Testamentserrichtung (BayObLG 22.11.2001, [BeckRS 2001, 16025]; Hagena, § 2229 Rn. 62; Mayer, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2229 Rn. 35; Baumann, § 2229 Rn. 52, 54). Liegen diese Voraussetzungen vor, so muss der durch das Testament Begünstigte Umstände darlegen und beweisen, durch die der Beweis des ersten Anscheins erschüttert wird. Dazu genügt der Nachweis einer ernsthaften Möglichkeit einer vorübergehenden Besserung des Gesundheitszustands des Erblassers, sog. lichtes Intervall, bei Errichtung des Testaments.“ 409 410
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hat.412 Eine verallgemeinerte Anwendung dieser Beweislastumkehr auf alle Personen, die unter Betreuung stehen, wäre unabhängig von der Berücksichtigung des Einzelfalls unverhältnismäßig und daher im Sinne einer möglichst weitgehenden Aufrechterhaltung der Selbstbestimmung des Betreuten (§ 1896 Abs. 2 BGB) nicht zu rechtfertigen. Eine lebzeitige Überprüfung der Testierfähigkeit durch den beurkundenden Notar oder durch eigens hierfür hinzugezogene medizinische Sachverständige dient nicht dem Schutz des Erblassers, denn dieser wird dadurch nicht in seiner selbstbestimmten Willensäußerung unterstützt und die Überprüfung kann nicht zuverlässig ausschließen, dass ein fremdbestimmtes Testament errichtet wird. Im Übrigen werden durch diese Überprüfungspflichten, zumal wenn ärztliche Untersuchungen gefordert werden (wie etwa in Spanien), zusätzliche Hürden in den Testierakt eingeführt, welche die Ausübung der Testierfreiheit behindern bzw. wesentlich erschweren können, ohne dass damit ein Nutzen für die Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers einherginge. j)
Ergebnis
Testierfähigkeit setzt Selbstbestimmungsfähigkeit voraus. Wer als Erblasser selbstbestimmungsfähig ist, kann auch ein rechtlich gültiges Testament errichten. Fehlt die Selbstbestimmungsfähigkeit, ist die letztwillige Verfügung zu beseitigen, denn es mangelt ihr an einem wesentlichen Geltungsgrund. Die letztwillige Verfügung kann nämlich überhaupt nur dann Geltung beanspruchen, wenn sie Ergebnis der Entscheidung eines selbstbestimmungsfähigen Erblassers ist. Eine besonders großzügige Rechtsprechung, die selbst dann noch Testierfähigkeit vermutet, wenn diese nicht „völlig ausgeschlossen“ ist, nimmt in Kauf, dass Testamente Wirkungen entfalten, die aus rechtlicher Sicht keine Geltung beanspruchen dürfen, weil sie keinem selbstbestimmt gebildeten Willen des Erblassers entspringen. Eine strengere Rechtsprechung zur Sicherstellung der Selbstbestimmungsfähigkeit des Erblassers wäre daher jedenfalls erforderlich. Der im Erbrecht durch die Testierfähigkeit als Funktionsvoraussetzung erbrechtlicher Privatautonomie verankerte Gedanke der Selbstbestimmungsfähigkeit ist zur Durchsetzung des Willens des Erblassers konsequent durchzuführen. Dies bedeutet, dass bei der Überprüfung der Testierfähigkeit allein darauf abzustellen ist, ob die konkrete letztwillige Verfügung Ergebnis der Entscheidung eines selbstbestimmungsfähigen Erblassers ist. Fälle relativer und partieller Testierfähigkeit sind somit durchwegs anzuerkennen, denn nur so kann die Willenserklärung auch des eingeschränkt selbstbestimmungsfähi412 Aus jüngerer wissenschaftlicher Sicht wird die medizinische Möglichkeit von lichten Augenblicken bei bestimmten Krankheitsbildern (etwa Demenz) freilich ausgeschlossen. Dazu oben Fn. 178.
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gen Erblassers die ihr verfassungsrechtlich gebührende rechtliche Anerkennung erhalten. Gesetzgeberische Eingriffe in die Regelung der Testierfähigkeit zum Schutz der Selbstbestimmung des Erblassers vor Fremdbestimmung sind nicht zielführend.413 Bei der Testierfähigkeit geht es nämlich nicht um die Frage, ob der Erblasser selbstbestimmt verfügt hat, sondern darum, ob er aufgrund seines geistigen Gesundheitszustands dazu fähig war, eine selbstbestimmte Verfügung zu treffen. Reformvorschläge in Bezug auf die Testierfähigkeit zum besseren Schutz alternder Erblasser laufen stets auf eine Verschärfung der Anforderungen an die Testierfähigkeit hinaus und entziehen dem Erblasser die Testierfähigkeit bzw. sprechen sie ihm vermutungsweise ab. Auf diese Weise wird die Gefahr von Fremdbestimmung zwar gebannt; dies wird aber dadurch erkauft, dass dem Erblasser die Testierfreiheit entzogen wird. Lebzeitige Überprüfungen der Testierfähigkeit, besonders wenn sie durch medizinische Sachverständige durchzuführen sind, erschweren die Ausübung der Testierfreiheit, ohne dem Erblasser lebzeitig zusätzlichen Schutz vor Fremdbestimmung zu bieten. II. Form Nun ist der Frage nachzugehen, inwieweit der Formzwang als weitere Gültigkeitsvoraussetzung wirksamen Testierens dem Erblasser Schutz vor Fremdbestimmung bieten kann. Hierfür ist zunächst zu definieren, was unter Form zu verstehen ist. Sodann sind die historischen Ursprünge des Formzwangs im Testamentsrecht zu ergründen, um zu zeigen wie die schon früh aufkommende Funktionalisierung der Form zur Lockerung der Formvorschriften beigetragen hat. Sodann soll geprüft werden, inwiefern den Formvorschriften auch die Funktion des Schutzes des Erblassers vor unzulässiger Beeinflussung zukommen kann. Zu untersuchen ist schließlich inwiefern die eigenhändige, die öffentliche und die gemeinschaftliche Errichtungsform mit ihren jeweiligen Besonderheiten dieser Schutzfunktion gerecht werden können. 1. Formzwang im Testamentsrecht. Funktionalisierung und Liberalisierung Ein rechtsordnungsübergreifendes Wesensmerkmal414 erbrechtlicher Verfügungen ist ihre besondere Formbedürftigkeit.415 Erbrechtliche RechtsgeschäfInsofern verwundert es nicht, dass Kroppenberg, Testierfähigkeit 199 ff. keine de lege ferenda Vorschläge zur Testierfähigkeit macht. 414 Dies gilt jedenfalls für westliche Rechtsordnungen. Dagegen herrscht in islamisch geprägten Rechtsordnungen der Grundsatz der Formfreiheit vor. Dazu Yassari, Testamentary Formalities 296 ff. 415 Ausgenommen sind im Wesentlichen nur die in einzelnen Rechtsordnungen anerkannten formlos gültigen Soldatentestamente. Vgl. Reid/de Waal/Zimmermann, Testamen413
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te sind grundsätzlich nur dann gültig, wenn der Erblasser sie in einer bestimmten, gesetzlich vorgeschriebenen Form errichtet hat. Darin unterscheiden sie sich im geltenden Recht von lebzeitigen Geschäften, für die der Grundsatz der Formfreiheit gilt, sodass nur ausnahmsweise ein Formzwang vorgesehen ist (§ 125 BGB). a) Begriff der Form Form ist die äußere Erscheinung eines Willensakts. Entsprechend sind alle Vorschriften, die besondere, zwingende416 Anforderungen an die äußere Erscheinung der Willenserklärung stellen, als Formvorschriften zu qualifizieren. Die Frage der Abgrenzung zwischen Formvorschriften und materiellrechtlichen Vorschriften im Erbrecht stellt sich traditionell im Bereich des internationalen Privatrechts, weil für Formfragen dort mehrere Alternativanknüpfungen vorgesehen sind. Gemäß Art. 26 Abs. 3 EGBGB und Art. 5 Haager TestamentsformÜK417 zählen zur Form auch jene Vorschriften, welche die zulässigen Formen mit Bezug auf Alter, Staatsangehörigkeit oder anderer persönlicher Eigenschaften des Erblassers beschränken. Ferner werden auch die qualitativen Anforderungen an die Zeugen der Form zugerechnet. Dagegen zählt die Frage der Testierfähigkeit nicht zur Form, denn sie ist als materielle Voraussetzung der Ausübung der Testierfreiheit der Frage der Formgültigkeit vorgelagert. Nur bei demjenigen, der ein Testament errichten kann (somit testierfähig ist), kann sich überhaupt erst die Frage danach stellen, in welcher Form er diese Fähigkeit auszuüben hat. b) Historische Entwicklung im Überblick Der Formzwang erbrechtlicher Rechtsgeschäfte lässt sich bis in die frühesten Entwicklungsstufen des römischen Testamentsrechts zurückverfolgen. 418 Allerdings handelte es sich bei der Form in frühester Zeit um eine Wirkform. 419 tary Formalities 453 f. Im deutschen Recht ist ferner auch die Benennung des Hoferben formlos gültig (§ 6 Abs. 1 HöfeO). 416 Zum Wesenselement der Unfreiheit und des Zwangs bei Formvorschriften Jhering, Geist Bd. 2/2 475. 417 Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 (BGBl. 1965 II 11). 418 Vgl. Kaser, Römisches Privatrecht (1955) Bd. 1 570: „Das Testament gehört seit alters und zu allen Zeiten zu den Geschäften, die am strengsten an äußere und innere Formregeln gebunden sind.“ Zuletzt zu den Testamentsformen im römischen Recht Rüfner, Roman 1 ff. Dagegen scheint das Testament im antiken Athen auch in seinen Ursprüngen nicht formgebunden gewesen zu sein. In diesem Sinne Harrison, The Law Bd. 1 153; Beauchet, Histoire 656 f.; Karabélias, L’acte 97 ff. 419 Zu diesem Konzept vgl. Dulckeit, Rechtsgeschäft Bd. 1 161 f. Unter Berufung auf Dulckeit vgl. Flume, Allgemeiner Teil 244; Gschnitzer, Formloser letzter Wille 685; Zimmermann, Obligations 82 ff.; Kötz, Formerfordernisse 616.
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Die Form war somit ursprünglich nicht Geltungsvoraussetzung einer Willenserklärung, sondern Geltungsgrund selbst. Das Testament galt mithin, weil es in einer bestimmten Form errichtet worden war, denn die Form als rituelle Handlung verlieh dem Erblasserwillen erst seine rechtliche Verbindlichkeit. Diesbezüglich ist auch vom „Zauber“ der Form420 die Rede, der die sinnlich nicht wahrnehmbare und somit „übersinnliche“ rechtliche Verbindlichkeit des Willensakts gleichsam als Wirkung des magischen Akts begründete. Bereits in der vorklassischen Zeit wurde diese archaische Vorstellung der Form als konstituierendes Element des Testaments zumindest hinsichtlich der inneren Form durch den Willen des Erblassers als primärer Geltungsgrund teilweise aufgegeben.421 Mittels einer am Willen des Erblassers orientierten Auslegung konnte somit auch vom typischen Erklärungswert der verwendeten Formeln abgewichen werden.422 Der äußere Formalismus beherrschte dagegen in abgeschwächter Weise423 weiterhin das Testamentsrecht,424 sodass Formverletzungen auch dann das Testament ungültig machten, wenn der Wille des Erblassers unzweifelhaft feststand.425 Zu berücksichtigen ist indes, dass sich bereits im klassischen römischen Recht parallel zum Testament die ursprünglich nicht klagbare erbrechtliche Anordnung in Form einer Bitte des Erblassers im Vertrauen auf deren Erfüllung (fideicommissum) entwickelte. Später näherte sich das Fideikommiss immer weiter dem Vermächtnisrecht an, wurde klagbar und konnte sich in Form des schließlich anerkannten Erbschaftsfideikommisses (fideicomissum hereditatis) auch auf die gesamte Erbschaft beziehen. Für die Errichtung
420 Insofern Dulckeit, Rechtsgeschäft 163: „Nicht weil die Person es will und diesen ihren Willen kundtut, tritt die Rechtswirkung ein, sondern weil die seit alters her überlieferten und ‚erprobten’ Zauberhandlungen und magischen Formeln diese Änderung unmittelbar hervorbringen.“ Zu dieser kultischen, von praktischen Funktionen losgelösten Bedeutung der Form vgl. grundlegend Jhering, Geist Bd. 2/2 518 ff. Zur Lockerung der Form im ius commune besonders unter dem Einfluss des Kirchenrechts Jansen, Europe 35 ff. 421 Dulckeit, ZRG RA 70 (1953) 193; Kaser, Römisches Privatrecht Bd. 1 (1955) 570; Kaser, Römisches Privatrecht Bd. 1 239 ff. 422 Kaser, Römisches Privatrecht Bd. 1 239 ff. Zu dieser Entwicklung ausführlich Dulckeit, ZRG RA 70 (1953) 193 ff. 423 Zur kontinuierlichen Reduktion der Formanforderungen bis hin zum Verzicht auf den Manzipationsakt vgl. Kaser, Römisches Privatrecht Bd. 1 378 f. 424 Vom Formzwang ausgenommen war seit Caesar das Soldatentestament, das formlos gültig war und somit in jeder beliebigen Form errichtet werden konnte. Damit sollte wohl vor allem jenen Soldaten entgegen gekommen werden, denen als Nichtrömern die römischen Testamentsformen nicht geläufig waren. Kaser, Römisches Privatrecht Bd. 1 681. 425 Kaser, Römisches Privatrecht Bd. 1 685.
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eines Fideikommisses war aufgrund seines unverbindlichen Ursprungs keine Form vorgesehen.426 Es genügte auch bloßes Nicken.427 Diese Entwicklung beförderte wohl, dass auch im Testamentsrecht die Form im Laufe der Zeit als Geltungsgrund des Testaments abgelöst wurde und zur Geltungsvoraussetzung wurde. Das Testament galt somit, weil und insofern es gewollt war, unter der Voraussetzung, dass die hierfür erforderliche äußere Form eingehalten wurde. Der Wandel der Form vom Geltungsgrund hin zum Attribut eines selbständig gedachten Willensaktes bewirkte nicht bloß ihre Transformation in eine Geltungsvoraussetzung, sondern insbesondere auch ihre Funktionalisierung.428 Die Form ist als Geltungsvoraussetzung nämlich nicht weiter Selbstzweck, sondern steht fortan im Dienste des Willensaktes. In der Rechtsentwicklung bis auf den heutigen Tag führte diese Transformation dazu, dass Formvorschriften, die der Verwirklichung des Willens des Erblassers im Wege stehen, ohne gleichzeitig für die Sicherung des Willensakts erforderlich zu sein, schrittweise aufgegeben wurden.429 Diese Entwicklung verlief indes nicht linear, denn wiederholte, auch durch lokale Gebräuche beeinflusste Rückfälle in einen atavistischen äußeren Formalismus prägten das Recht der Testamentsformen über viele Jahrhunderte.430 c) Liberalisierung zugunsten des Erblasserwillens Eine deutliche Lockerung der Formvorschriften im modernen Testamentsrecht lässt sich in vielen Rechtsordnungen erst im 20. Jahrhundert verzeichnen.431 In Deutschland wurden mit dem Testamentsgesetz von 1938 die
Zur Lockerung des Formzwangs durch Fideikommiss, Kodizill und Prätortestament im römischen Recht vgl. Humbert, L’acte 160 ff. 427 Vgl. dazu Rüfner, Roman 12 f.; Kaser, Römisches Privatrecht Bd. 1 757 ff. 428 Zu diesem Vorgang vgl. Flume, Allgemeiner Teil 245 („Mediatisierung der Form“). Kipp/Coing, Erbrecht 129: „Formvorschriften im modernen Recht gründen sich in der Regel auf Zweckmäßigkeitserwägungen.“ 429 Zu dieser Tendenz („flight from formalities“) ausführlich Reid/de Waal/Zimmermann, Testamentary Formalities 462 ff. Nach diesen Autoren steht bei dieser Tendenz der Wunsch im Mittelpunkt, dem Willen des Erblassers Wirkung zu verleihen. Dies mag zwar zutreffen, im Wesentlichen ist der Abbau der Formvorschriften aber eine unvermeidliche Konsequenz der Mediatisierung der Form. 430 Für eine Rekonstruktion dieser verworrenen Entwicklung bis in das 19. Jahrhundert vgl. Jansen, Europe 27 ff. Dabei spielte gerade das Kirchenrecht eine wesentliche Rolle bei der Lockerung der Formvorschriften, denn es lag im eigenen Interesse der Kirche, Verfügungen zugunsten der Kirche nicht an der Form scheitern zu lassen. Dazu, ebd. 32. 431 Vgl. dazu Zimmermann, RabelsZ 76 (2012) 497 ff. In Frankreich spricht man diesbezüglich von einer „désolennisation du testament“. Vgl. Malaurie/Aynès, Les successions 257. 426
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Formvorschriften für das eigenhändige Testament abgemildert,432 indem das Datum, die Ortsangabe und die vollständige Unterschrift mit Vor- und Nachnamen für die Gültigkeit des Testaments nicht mehr zwingend vorgeschrieben wurden (§ 2247 Abs. 3, 5 BGB).433 Damit beseitigte man Härten zulasten der Verwirklichung des Erblasserwillens, die aus einer strikten Anwendung der gesetzlich vorgesehenen Formvorschriften entstanden waren.434 So konnte es nicht mehr vorkommen, dass ein Testament allein deshalb für ungültig erklärt wurde, weil es vom Erblasser nicht korrekt oder präzise datiert, nicht mit vollständigem Namen unterzeichnet oder der Ort auf dem eigenhändigen Testament vorgedruckt war.435 Auch die Formvorschriften für das notarielle und das 1969 abgeschaffte gerichtliche Testament erfuhren eine Lockerung. Insbesondere wurde der Zeugenzwang für den Regelfall abgeschafft und auf besondere Fälle tauber, stummer, blinder oder sonst am Sprechen verhinderter Erblasser eingeschränkt. Begründet wurde dies vor allem damit, dass die Zeugen nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet seien und daher eine Geheimhaltung nicht sichergestellt sei. Ortsangabe und Datum verloren ihre Bedeutung als Gültigkeitsvoraussetzungen auch für das öffentliche Testament.436 Durch diese Maßnahmen konnten die in Lehre und Rechtsprechung am heftigsten diskutierten Fälle von Nichtigkeit wegen Formmangels weitgehend beseitigt werden, sodass im Ergebnis dem Willen des Erblassers breitere Geltung verschafft wurde. Noch weiter gingen jene Rechtsordnungen, welche die Formvorschriften für Testamente weitgehend in das Ermessen der Gerichte stellten.437 Den ersten Schritt in diese Richtung vollzog 1965 das israelische Erbrechtsgesetz, das mit s. 25 ein formnichtiges Testament auch dann gelten ließ, wenn nach 432 Zu den Diskussionen und Beweggründen im Erbrechtsausschuss vgl. Lange, Denkschrift 54 ff. 433 Dazu Zimmermann, Germany 194 ff. 434 Dazu Vogels, DJ 1938, 1269: „Die Vorschrift [wonach Datum und Ortsangabe eigenhändig verfasst sein müssen] sieht harmlos aus, hat sich aber doch wegen ihrer übertriebenen Formstrenge in vielen Fällen als verhängnisvoll erwiesen.“ 435 Hosemann, RNotZ 2010, 525 f.; Zimmermann, Germany 188 f. 436 Vogels, DJ 1938, 1270 f. 437 Kritisch gegen diese Tendenz, die „nach kurzer Zeit zu unübersehbarer Kasuistik, Unsicherheit und Willkür“ führe, Kipp/Coing, Erbrecht 129 ff. Dabei berufen sie sich auf Jhering, Geist Bd. 2/2 475 f.: „Der Zweck, den das Gesetz im Auge hatte, kann ein mannigfaltiger sein, z. B. Sicherstellung des Beweises, Ausschließung von Übereilungen, Übervortheilungen u.s.w. Ob dieser Zweck durch die Form wirklich erreicht wird, ob er auch auf andere Weise erreichbar ist, und ob die Partei ihn auf andere Weise wirklich erreicht hat, releviert nichts; der Gesetzgeber hat einmal die Sorge für die Erreichung dieses Zwecks nicht der Einsicht und dem freien Entschluss der Partei überlassen wollen, sondern er hat die Sache selber in die Hand genommen und den ihm gut erscheinenden Weg zur Erreichung desselben zum ausschließlichen, nothwendigen erhoben.“ Weniger kritisch dagegen Lange/Kuchinke, Erbrecht 336 f.
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vollständiger Überzeugung des Gerichts gänzlich außer Zweifel438 stand, dass das Testament den wahren und freien Wunsch des Erblassers enthielt. Im Jahr 2004 wurde diese wohl allzu liberale Bestimmung wieder dahingehend eingeschränkt, dass bestimmte wesentliche Formvorschriften439 jedenfalls eingehalten werden müssen.440 In Australien441 und in Neuseeland folgte der Gesetzgeber dem israelischen Modell, sodass Gerichte bei Formfehlern von Fall zu Fall entscheiden dürfen, ob das (auch bloß digitale)442 Schriftstück dem Willen des Erblassers entspricht und somit trotz der mangelhaften Form Geltung erlangt. Auch in einer Vielzahl von Bundesstaaten der USA443 und in Südafrika444 hat der Gesetzge-
438 Nach Ansicht der herrschenden Rechtsprechung ist an diesen vom testamentarisch Begünstigten zu erbringenden Beweis ein strengeres Maß anzusetzen als im Strafrecht. Es dürfen nicht bloß keine vernünftigen Zweifel, sondern überhaupt keine Zweifel daran bestehen, dass der Erblasser das Testament mit diesem Inhalt gewollt hat. Zurecht kritisch dazu Menashe, Isr. L. Rev. 40 (2007) 127 ff. 439 Vgl. S. 25(2). So muss etwa bei einem eigenhändigen Testament, das gesamte Testament eigenhändig verfasst sein. Bei einem Zeugentestament muss der letzte Wille des Erblassers niedergeschrieben sein und bei der Errichtung müssen zwei Zeugen anwesend sein. Für den Gesetzestext in englischer Übersetzung vgl Menashe, Isr. L. Rev. 40 (2007) 125. 440 Vgl. dazu auch Flaks, Est.Plan.&Cmty.Prop.L.J. 27 (2010–2011), 32 ff.; zu den Gründen der Reform, ebd., 43 ff. 441 Von den acht territorialen Erbrechten in Australien, führte South Australia 1975 zuerst diese Lockerung der Formvorschriften durch eine Ermessensentscheidung der Gerichte ein. Inzwischen ist diese Vorschrift überall in Australien bis auf das Australian Capital Territory eingeführt worden. Vgl. Wills Act 1936 s. 12(2), in der Fassung des Wills Amendment Act Nr. 2 1975 (SA). Dazu Peart, Australia 340 f. 442 Es genügen eine Computerdatei, ein elektronischer Datenträger, eine Photographie, eine Textnachricht auf dem Mobiltelefon, eine E-Mail, aber auch Video- und Audioaufzeichnungen. Audio- und Videoaufzeichnungen genügen demgegenüber in Neuseeland nicht. Peart, Australia 351. 443 In den USA folgten viele bundesstaatliche Gesetzgeber den Empfehlungen im UPC § 2-503 sowie dem zuletzt angepassten Restatement (Third) of Property: Wills and Other Donative Transfers (Nr. 43) § 3.3. Dort, wo der Gesetzgeber nicht eingegriffen hat, haben die Gerichte die strenge Einhaltung der Formvorschriften zugunsten der Durchsetzung des Willens des Erblassers aufgegeben. In Kalifornien hat der Gesetzgeber 2008 nach dem Vorbild des UPC § 6110(c)2 Cal. Prob. Code eingeführt, wonach ein vom Erblasser unterschriebenes Schriftstück auch dann als Testament gelten kann, wenn es nicht nach Vorschrift bezeugt wurde (zwei Zeugen, die als solche das Testament unterzeichnen). Die Zeugen können auch ganz fehlen, sodass nunmehr neben dem eigenhändigen auch ein fremdhändiges unbezeugtes, vom Erblasser aber jedenfalls unterzeichnetes Testament Gültigkeit erlangen kann. Vgl. dazu Langbein, Probate & Property 2004, 28; Langbein/ Waggoner, Michigan Law Working Paper 207 (2010) 2; grundlegend Langbein, Harv. L. Rev. 88 (1975) 489 ff. Zuletzt mit einer empirischen Untersuchung Horton, UCLA L. Rev. 62 (2015) 1094–1155.
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ber die Gerichte ermächtigt bei Formfehlern von einer strikten Anwendung der Formvorschriften abzusehen und für die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung in erster Linie auf den Willen des Erblassers abzustellen. In den USA hatten Gerichte bereits in den 1930er Jahren begonnen über den Grundsatz der „substantial compliance“ von den strengen gesetzlichen Formvorschriften im Einzelnen abzusehen.445 Der schottische Gesetzgeber löste sich mit der Erbrechtsreform des Jahres 1995 am deutlichsten vom traditionellen Formzwang, indem alle früheren Formvorschriften aufgegeben wurden und als Testament nunmehr jedes unterschriebene (nicht digitale) Schriftstück anerkannt wird.446 Die Unterschrift eines Zeugen, der gleichzeitig auch Begünstigter sein kann, verleiht dem Schriftstück Beweiskraft hinsichtlich seiner Authentizität, ist für seine Gültigkeit aber nicht erforderlich.447 d) Grundformen im modernen Recht Im Rechtsvergleich448 lassen sich als Grundformen im Wesentlichen private und öffentliche Testamente unterscheiden. Diese zerfallen weiter in ordentliche und außerordentliche Formen. Private Testamente zeichnen sich dadurch aus, dass sie vom Erblasser im Privaten errichtet werden. Als solche sind sie entweder vom Erblasser eigenhändig niedergeschrieben und unterzeichnet (holographes Testament) oder fremdhändige (allographes Testament), vom Erblasser unterzeichnete, aber nicht selbst verfasste Schriftstücke. In einzelnen Rechtsordnungen kann die Testamentserrichtung auch mündlich erfolgen.449 Eigenhändige und fremdhändige Testamente können als Zeugentestamente ausgestaltet sein, mündliche Testamente sind in aller Regel Zeugentestamente. Dies bedeutet, dass ihre Gültigkeit davon abhängt, ob eine je nach Rechtsordnung variierende Zahl von Zeugen den Errichtungsakt bezeugt (attestiert) hat.
Mit dem 1992 Amendment Act wurde der südafrikanische Wills Act durch s. 2(3) ergänzt, wonach ein Dokument auch dann als Testament anzuerkennen ist, wenn feststeht, dass es den Willen des Erblassers wiedergibt. Dazu de Waal, Testamentary Formalities 395 ff. 445 Vgl. z. B. Robertson v. Robertson, 24 S.W.2d 282 (Kentucky Court of Appeals, 1930); In Re Bragg’s Estate 76 P.2d 57 (Supreme Court of Montana, 1938); Ball v. Miller, 214 S.W.2d 446 (Tennessee Court of Appeals, 1948). Vgl. Miller, ICLQ 36 (1987) 559 ff. 446 Dazu im Einzelnen Reid, Scotland 421 ff. Requirement of Writing (Scotland) Act 1995 ss. 1(2)(c), 2 (1). 447 Reid, Scotland 424 ff. 448 Vgl. die Ergebnisse bei Reid/de Waal/Zimmermann, Testamentary Formalities 437 ff. 449 So etwa in Österreich, wo bis zur Erbrechtsnovelle 2004 das mündliche Testament als ordentliche Testamentsform anerkannt war. 444
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Öffentliche Testamente erhalten ihre Bezeichnung daher, dass eine öffentliche Urkundsperson (Notar, Gericht) an ihrer Errichtung beteiligt ist. Je nach Art der Beteiligung ist zwischen dem vom Amtsträger auf schriftliche oder mündliche Anweisung des Erblassers verfassten Testament und dem vom Erblasser in verschlossener Form an den Amtsträger übergebenen Testament zu unterscheiden. In letzterem Fall errichtet der Amtsträger lediglich ein Tatsachenprotokoll über die Übergabe der verschlossenen Schrift und die Erklärung des Erblassers, dass es sich dabei um sein Testament handelt. Die weitere Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Testamenten stellt darauf ab, ob eine private oder öffentliche Testamentsform allen Erblassern im Regelfall zur Verfügung steht oder ob sie nur einem bestimmten Personenkreis (z. B. Seetestament, Soldatentestament) zugänglich oder nur unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. Notlage) gewählt werden kann. Außerordentliche Testamentsformen genießen im Gegensatz zu den ordentlichen Testamentsformen aufgrund der besonderen tatsächlichen Voraussetzungen gewisse Formerleichterungen und sind daher häufig von zeitlich begrenzter Gültigkeit. Dem deutschen Recht sind all diese Testamentsformen bekannt. Dabei kommt aufgrund seiner Einfachheit und Kostengünstigkeit dem eigenhändigen Testament (§ 2247 BGB) die größte praktische Bedeutung450 zu. Das notarielle Testament (§ 2232 BGB) genießt dagegen geringere Verbreitung, was vor allem daran liegt, dass es für den Erblasser aufgrund der erforderlichen Einbeziehung eines Notars umständlicher und vor allem nicht kostenlos451 ist. Unter den notariellen Testamenten wird der weit größere Anteil offen errichtet, während die Errichtung eines geringeren Teils der öffentlichen Testamente durch Übergabe einer verschlossenen Schrift erfolgt. Außerordentliche Testamente (öffentlich: Bürgermeistertestament § 2249 BGB; privat: Dreizeugentestament § 2250 BGB, Seetestament § 2251 BGB) haben eher geringe praktische Bedeutung und sind, sofern sie verwendet werden, häufig der Gefahr von Formfehlern ausgesetzt.452 Im Übrigen unterliegen sie einer dreimonatigen GültigVgl. für eine Zusammenstellung der bisher erhobenen empirischen Daten, die für das eigenhändige Testament einen Anteil zwischen 40 und 65 % ergeben, Zimmermann, Germany 204. 451 Das öffentliche Testament ist für den Erblasser nicht kostenlos, für die Erben ist es aber in aller Regel kostengünstiger, weil durch die öffentliche Beurkundung des letzten Willens ein Erbschein für die Übertragung von unbeweglichen Sachen nicht beantragt werden muss. Dazu Götte/Sikora, Notarskosten 95 ff. 452 Zimmermann, Germany 217. Bestätigt wird dies durch die Entscheidungen zu § 2250 BGB im letzten Jahrzehnt: OLG München 14.7.2009, NJW 2010, 684 (fehlende Notlage); LG Nürnberg-Fürth 12.8.2008, JuS 2009, 867 (Testament nicht vorgelesen); AG Schwabach 2.6.2008, BeckRS 2009, 17624 (fehlende Niederschrift zu Lebzeiten des Erblassers); OLG Stuttgart 5.12.2003, BWNotZ 2005, 17 (fehlender dritter Zeuge). Für gültig erkannt wurden in diesem Zeitraum die Nottestamente in OLG Düsseldorf 15.12.2000 ZEV 450
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keitsfrist (§ 2252 Abs. 1 BGB), wenn seit der Errichtung drei Monate verstrichen sind und der Erblasser noch nicht verstorben ist. Solange der Erblasser verhindert ist, ein notarielles Testament zu errichten, bleiben Beginn und Lauf dieser Dreimonatsfrist aber jedenfalls gehemmt. 2. Funktionen des testamentarischen Formzwangs Der testamentarische Formalismus ist in vielen seiner Besonderheiten und inneren Widersprüche ein rechtshistorisches und rechtspolitisches Zufallsprodukt.453 Einheitliche praktische Zwecke können ihm aufgrund der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der tradierten und parallel zulässigen Testamentsformen nur bedingt unterstellt werden.454 In der Diskussion über den Zweck der Form im Testamentsrecht werden häufig die aus dem Recht der lebzeitigen Verfügungen bekannten Formfunktionen übernommen.455 Angesichts der Besonderheiten und der Vielzahl an unterschiedlichen Formen letztwilliger Verfügungen kann dies freilich nur bedingt gelingen. a) Warnfunktion Vielfach wird die Auffassung vertreten, der testamentarische Formzwang solle den Erblasser vor übereilten und unbedachten Handlungen warnen oder gar schützen (Warnfunktion)456. Dabei stellt sich freilich die Frage, weshalb der Erblasser vor einer Rechtshandlung gewarnt oder geschützt werden sollte, die ihn weder bindet, noch zu seinen Lebzeiten vermögensrechtlich berührt. Einen Übereilungsschutz wie bei lebzeitigen Geschäften, die mit vermögens-
2001, 319; LG Freiburg 19.3.2003, BWNotZ 2004, 42; OLG München 12.5.2015, NJWRR 2015, 1034. 453 Vgl. Zimmermann, RabelsZ 76 (2012) 505 ff. (Testamentsformen als Produkt der gesetzgeberischen Willkür). 454 Es handelt sich insofern mit Jhering um „historisch gewachsene Formen“, die nicht in erster Linie einem praktischen Zweck dienten, sondern auch andere Entstehungsgründe haben. Jhering, Geist Bd. 2/2 504 f. 455 Vgl. z. B. Reimann/Bengel/Mayer6/Voit, 29 f. So auch Breitschmid, Formvorschriften 87 ff., der von den Formfunktionen bei lebzeitigen Rechtsgeschäften ausgeht und diese dann hinsichtlich erbrechtlicher Verfügungen einschränkt. 456 Vgl. z. B. Staudinger/Baumann, § 2231 BGB Rn. 18; MüKo BGB/Hagena, § 2231 Rn. 1; Lübtow, Erbrecht Bd. 1 116, wonach die Form die Funktion einer „juristischen Willenshemmung“ erfüllt, um „voreiligen und unüberlegten Entschlüssen entgegenzutreten.“ Differenzierend Soergel/Mayer, Vor § 2229 BGB Rn. 2. Zur Warnfunktion vgl. auch Mommsen, Entwurf 183. Für das US-amerikanische Recht Gulliver/Tilson, Yale L.J. 51 (1941) 5: „precludes the possibility that the testator was acting in a casual or haphazard fashion“; John H. Langbein, Harv. L. Rev. 88 (1975) 494 ff.: Formalities „caution the testator, and they show the court that he was cautioned.“
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rechtlichen Risiken verbunden sind, braucht der Erblasser bei widerruflichen letztwilligen Verfügungen offenkundig nicht.457 Wenn man ausschließt, dass der Formzwang die gesetzlichen Erben vor einer leichtsinnigen bzw. übereilten Entscheidung des Erblassers schützen soll,458 weil für einen solchen zusätzlichen Schutz der gesetzlichen Erben neben dem Pflichtteilsrecht kein Platz ist,459 dann lässt sich die Warnfunktion im Testamentsrecht nur so verstehen, dass sie den Erblasser auf die besondere Verantwortung460 aufmerksam macht, die er mit der Errichtung eines Testaments übernimmt.461 Beim Testament ist diese Warnung auch deshalb erforderlich, weil es im Gegensatz zu lebzeitigen Rechtsgeschäften keine unmittelbaren Rechtsfolgen für den Erblasser erzeugt (mangelnde Signalwirkung).462 Die Form hält somit als Errichtungshürde zur Reflexion an463 und Kritisch daher auch Kroppenberg, Privatautonomie 315; Muscheler, Erbrecht Bd. 1 876; ebenso bereits Breitschmid, Formvorschriften 89. 458 Begründet wurde dies in aller Regel mit dem Vorrang des gesetzlichen Erbrechts als dem „wünschenswertheren“ Erbrecht: Vgl. Binding, AcP 58 (1875) 198. In diese Richtung eines Schutzes der gesetzlichen Erben auch Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rn. 95, wonach die Form den Erblasser selbst und die von den „negativen Wirkungen betroffenen gesetzlichen oder anderweitig formwirksam eingesetzten Erben vor den Rechtsfolgen unbedachter spontaner Äußerungen oder Vorüberlegungen bewahren und schützen soll“. Ein solcher in der Familienbindung des Nachlasses wurzelnder Gedanke, wonach die gesetzlichen Erben einen Anspruch auf eine möglichst gut durchdachte und überlegte Verfügung hätten, lässt sich dem Erbrecht nicht entnehmen. Die Testierfreiheit ist außerhalb des Pflichtteilsrechts und der Schranken der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit keinen weiteren familiären Bindungen unterworfen. Die gesetzlichen Erben bedürfen daher auch keines Schutzes durch die Form. Formwirksam eingesetzte Erben genießen aufgrund der jederzeitigen Widerruflichkeit der Verfügung keinen Vertrauensschutz. Ihrem Schutz kann die Form somit auch nicht dienen. 459 Breitschmid, Formvorschriften 89: „Klar ist jedoch festzuhalten, dass der Schutz der finanziellen Ansprüche der gesetzlichen Erben im Pflichtteilsrecht liegt; gehört der gesetzlich Erbberechtigte nicht zum engeren Kreis der Pflichtteilsgeschützten, erübrigt es sich, seine finanziellen Interessen zu würdigen, weil sie das Gesetz als nicht schutzwürdig qualifiziert gegenüber einer anderslautenden Willensäußerung des Erblassers.“ Der gesetzliche Erbe bedürfe einzig der Garantie, dass sein gesetzlicher Anspruch nur durch eine Willenserklärung des Erblassers beeinträchtigt werden könne. Schilcher, JBl 1977, 60 f. sieht in den Formvorschriften dagegen eine Hürde zum Schutz der gesetzlichen Erben. Kralik, Erbrecht 127 (Fn. 7) weist freilich darauf hin, dass die Formvorschriften auch für den Widerruf gelten und somit im Widerspruch zu dieser Funktion stünden. Kritisch zu dieser Schutzfunktion der Form zugunsten der gesetzlichen Erben auch Liserre, Formalismo 109 ff. 460 BGH 8.11.1954, NJW 1955, 100. Zur Selbstverantwortung im Zusammenhang mit der Selbstbestimmung bei erbrechtlichen Verfügungen vgl. bereits oben, § 2 II.4.b). 461 So auch der BGH 9.4.1981, NJW 1981, 1737, 1738: „Alle diese Formzwecke sollen in ihrer Gesamtheit dazu beitragen, verantwortliches Testieren zu fördern […].“ 462 „Because the testator does not part with the least incident of ownership when he makes a will, and does not experience the ‘wrench of delivery’ required for inter vivos 457
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mahnt zu reiflicher Überlegung. Sie ist aber nicht dazu geeignet, zu gewährleisten, dass jedenfalls nur ein gut überlegtes Testament zustande kommt.464 Die Warnfunktion kann von den verschiedenen Testamentsformen auch nicht in gleichem Maß erfüllt werden. Vor allem die Formalitäten des handschriftlichen Testaments stellen in aller Regel keine beachtliche Errichtungshürde dar. Es kann unter dem Eindruck einer emotional tief erschütternden Erfahrung ohne weitere „Abkühlungsphase“ mit einfachsten Mitteln errichtet werden. Es genügt ein eigenhändiger, auch unüberlegter Federstrich, sodass für eine Warn- oder Mahnfunktion kein Raum bleibt. Dagegen ist das offene notarielle Testament im Idealfall am ehesten geeignet, den Erblasser vor einer unüberlegten, emotionalen Entscheidung zu mahnen. Der zeitliche Abstand von momentanen Gemütsbewegungen, die Teilnahme des Notars am Errichtungsakt und die notarielle Beratung geben dem Erblasser hinreichend Gelegenheit sich der Bedeutung seiner Willenserklärung bewusst zu werden und eine wohl überlegte Entscheidung zu treffen. b) Rechtsklarheitsfunktion Nach verbreiteter Ansicht soll die Form den Erblasser auch zur „gedanklichinhaltlichen Präzisierung“ seines letzten Willens drängen und könne somit dazu beitragen, eine möglichst eindeutige und widerspruchsfreie Willenserklärung des Erblassers herbeizuführen.465 Sie führe darüber hinaus auch zu einer gewissen Standardisierung von Aufbau, Sprache und Inhalt der Testamente und mache sie somit vor Gericht leichter handhabbar466 bzw. trage überhaupt dazu bei, gerichtliche Auseinan-
gifts, the danger exists that he may make seeming testamentary dispositions inconsiderately, without adequate forethought and finality of intention.“ Langbein, Harv. L. Rev. (1975) 495. Auf diesen Zusammenhang weist auch Kralik, Erbrecht 127 hin: „Die Feierlichkeit und Umständlichkeit der Form zwingen zur Überlegung und Besonnenheit und hindern leichtfertige und vorschnell getroffene Verfügungen; eine Gefahr, die bei Erklärungen des letzten Willens deshalb besonders groß ist, weil die Wirkung erst nach dem Tod des Erblassers eintritt und ihn selbst daher nicht mehr belastet.“ 463 Zur Förderung verantwortlichen Testierens im Interesse Dritter als Formzweck vgl. Soergel/Mayer, Vor § 2229 BGB Rn. 2. Im Ergebnis auch Staudinger/Baumann, § 2231 BGB Rn. 19. In den USA „ritual function“: Nelson/Starck, Pepp. L. Rev. 6 (1978–1979) 331–351, 348 ff. 464 Der Formzwang kann den Erblasser nur zu einer möglichst überlegten Verfügung anhalten. Leipold, Erbrecht Rn. 290. 465 BGH 9.4.1981, NJW 1981, 1737, 1738: „Die einzuhaltenden Förmlichkeiten sollen den Erblasser dazu veranlassen, sich selbst klar darüber zu werden, welchen Inhalt seine Verfügung von Todes wegen haben soll, und seinen Willen möglichst deutlich zum Ausdruck zu bringen.“ 466 Vgl. dazu die „channeling function“ bei Langbein, Harv. L. Rev. 88 (1975) 493 f.
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dersetzungen zu vermeiden.467 Allerdings sind auslegungsbedürftige und in sich widersprüchliche formgültige Verfügungen keine Seltenheit, weshalb die Form offenkundig lediglich klarere Verfügungen fördern, diese aber nicht garantieren kann. Wie der Warnfunktion werden auch der Rechtsklarheitsfunktion die unterschiedlichen Testamentsformen in ganz unterschiedlichem Maß gerecht. Während das offene notarielle Testament durch die Beratung und Beurkundung durch den Notar am ehesten zu klaren und widerspruchsfreien Verfügungen führt, bestehen hinsichtlich des eigenhändigen Testaments große Zweifel. Die Vielzahl an Auslegungsfragen gerade bei eigenhändigen Testamenten zeigt, dass das Erfordernis der Handschriftlichkeit allein keine Rechtsklarheit herstellen kann. Zur Rechtsklarheitsfunktion gehört auch die der Form zugeschriebene Unterscheidbarkeit zwischen rein vorbereitender Handlung und endgültigem Rechtsgeschäft.468 Dieser Funktion wird wiederum das öffentliche notarielle Testament besser gerecht, als das eigenhändige Testament, denn es kann durchaus ein förmlich nicht vollständiges eigenhändiges Testament (etwa bei Selbstbenennung im Einleitungssatz und ohne Unterzeichnung) als endgültiges Testament gemeint sein und dennoch an der Form scheitern.469 Demgegenüber kann ein zwar förmlich vollständiges eigenhändiges Testament (z. B. der Entwurf für das notarielle Testament) als solches noch nicht abschließend gewollt sein. Die Erfüllung der Formvoraussetzungen erlaubt somit zwar den abstrakten Schluss einer abschließenden Verfügung, stellt diesen materiell aber gerade beim eigenhändigen Testament nicht in jedem Fall sicher. c) Beweisfunktion Der testamentarische Formzwang dient vor allem dem Beweis des letzten Willens des Erblassers,470 der zum Zeitpunkt der Wirksamkeit seiner letztwilBahurel, Volontés 343, der allerdings zu wenig auf die Unterschiedlichkeit der Formen diesbezüglich eingeht: „C’est, à notre sens, la justification principale et essentielle du formalisme testamentaire: orienter les testateurs vers des formes testamentaires efficaces, pour couper court à tout contentieux. En un mot, le formalisme légal canalise le testateur pour que ses volontés atteignent pleinement leur but“. 468 Kipp/Coing, Erbrecht 127; Lübtwo, Erbrecht Bd. 1 116; Lange/Kuchinke, Erbrecht 333. 469 Zur Selbstbenennung im Einleitungssatz, die eine Unterschrift nicht ersetzt, Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rn. 98; in der Rechtsprechung OLG Hamm 14.3.1986, FamRZ 1986, 728; OLG Hamm 27.6.2000, FamRZ 2002, 642. 470 Staudinger/Baumann, § 2231 BGB Rn. 19 nennt folgende Funktionen: Schutz- und Warnfunktion, Identitätsfunktion, Fälschungsschutzfunktion, Kundbarmachungs- und Beweissicherungsfunktion sowie eine Rechtssicherheitsfunktion oder perfizierende Funktion. Die Beweisfunktion stellt Muscheler, Erbrecht Bd. 1 875 in den Vordergrund. So auch Langbein, Harv. L. Rev. 88 (1975) 492: „The primary purpose of the Wills Act has 467
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ligen Verfügung nicht mehr am Leben ist. Daher bedarf es einer sicheren Grundlage, die verlässlich Auskunft über den Willen des Erblassers gibt. Die Schriftform, darunter besonders die öffentliche Urkunde (§ 415 ZPO), erfüllt diesen Beweiszweck am besten. Bloß mündliche oder gar konkludente Willensäußerungen lassen sich dagegen nur mittelbar beweisen, sodass keine Sicherheit darüber hergestellt werden kann, ob die behauptete Willensäußerung auch tatsächlich erfolgt ist und ob der Erblasser seine Erklärung mit Verfügungsabsicht abgegeben hat.471 Durch den mittelbaren Beweis über Zeugen kommt der letzte Wille des Erblassers auch nicht rein, sondern bereits als Ergebnis einer notwendig subjektiven,472 wenn auch durch mehrere Zeugen tendenziell objektivierten Interpretation der Aussage des Erblassers zur Geltung. Es zeigt sich somit auch in Bezug auf die Beweisfunktion, dass die unterschiedlichen Testamentsformen diesen Formzweck nicht in derselben Weise erfüllen können. d) Fälschungs- und Unterdrückungsschutz Schließlich soll die Förmlichkeit des Testaments nach hergebrachter Ansicht auch dem Schutz des Testaments vor Unterdrückung und Fälschung dienen und insofern eine Authentizitätsgewähr leisten.473 Die eigenhändige Errichtung und die Unterschrift gewähre die Echtheit des Privattestaments, während beim öffentlichen Testament die Identitätsfeststellung durch den Notar erfolge. Dagegen schützt die eigenhändige Errichtung eines Privattestaments selbstverständlich nicht vor Unterdrückung. Ganz im Gegenteil stellt es eine der größten Schwächen des Privattestaments dar, dass es vom Finder zerstört oder unterdrückt werden kann, ohne dass dies auffallen muss.474 Diese Gefahr always been to provide the court with reliable evidence of testamentary intent and of the terms of the will; virtually all the formalities serve as ‘probative safeguards’.“ Vgl. auch Nelson/Starck, Pepp. L. Rev. 6 (1978–1979) 351 f. 471 Insofern sollen Förmlichkeiten „die Ernstlichkeit des Testierwillens“ gewährleisten, „da erfahrungsgemäß ältere Leute oft viel über ihren Nachlass reden, ohne deshalb gleich darüber verfügen zu wollen.“ Kralik, Erbrecht 127. 472 Kipp/Coing, Erbrecht 126 weisen darauf hin, dass es gerade „in den Fragen der Erbfolge regelmäßig keine uninteressierten Zeugen“ gebe. Es liege daher in der Natur der Sache, dass die Zeugen nur diejenigen Äußerungen des Erblassers behielten, die für sie von Vorteil seien. Diese Gefahr wird allerdings dadurch entschärft, dass etwa beim Nottestament vor drei Zeugen gemäß § 2250 Abs. 3 die Bestimmungen § 6 Abs. 1, Nr. 1–3 sowie §§ 7, 26 Abs. 2 Nr. 2–5 und § 27 BeurkG anwendbar sind. Beim Testament behinderter Personen sieht § 26 BeurkG entsprechende Schranken der Zeugnisfähigkeit vor. 473 Lübtow, Erbrecht Bd. 1 116; Kipp/Coing, Erbrecht 129; Lange/Kuchinke, Erbrecht 333. 474 „Die Dunkelziffer beeinflusster, verfälschter und unterdrückter Privattestamente ist objektiv nicht feststellbar, dürfte aber deutlich in einem Bereich rechtlicher Relevanz liegen.“ Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rn. 11; Leipold, Erbrecht Rn. 305; Olzen, Erbrecht Rn. 287.
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wird allein dadurch etwas gemildert, dass der Erblasser auf Wunsch das eigenhändige Testament bei Gericht in Verwahrung geben kann (§ 2247 BGB). 3. Schutz vor Fremdbestimmung durch Form in der Diskussion In der Literatur und Rechtsprechung einzelner Rechtsordnungen wird darauf hingewiesen, dass die Testamentsformen auch die Funktion erfüllen, den Erblasser vor äußeren Einflüssen zu schützen.475 In der österreichischen Lehre wurde etwa die Auffassung vertreten, dass die Formpflicht auch „einen gewissen Schutz gegen Zwang und Beeinflussung“ biete, weil dem Erblasser eine formelle Erklärung schwerer zu entringen sei, als eine formlose.476 Ähnliche Begründungsansätze finden sich auch in der italienischen477 sowie in der französischen478 Lehre. Die englische Literatur weist ebenfalls auf diese Schutzfunktion hin. 479 In den USA hat vor allem die Rechtsprechung der Schutzfunktion der Form (protective function) besondere Bedeutung zugemessen. Dort wird die Bezeugung (attestation) der Errichtung eines Testaments durch unbeteiligte Dritte in Anwesenheit des Erblassers vielfach als Formerfordernis zum Schutz des Willens des Erblassers vor äußerem Druck interpretiert.480 Zuletzt für das deutsche Recht: Röthel, Form 57. Kralik, Erbrecht 127; Klang/Weiß, § 577 ABGB 299: „ein Hilfsmittel zur Hintanhaltung von Willensbeeinflussung durch Zwang, Betrug oder Irrtum“. Dagegen wird dem testamentarischen Formzwang in aktuellen Abhandlungen nur noch eine Warnfunktion und eine Beweisfunktion zugeschrieben. Vgl. Welser/Zöchling-Jud, Grundriss Bd. 2 Rn. 2090; Eccher, Erbrecht Rn. 4/34; Weiß/Ferrari, in Susanne Ferrari/Gundula Maria Likar-Peer, Erbrecht 114, 151. 477 Gangi, Successione testamentaria 101: „per garantire anche la libertà della determinazione della sua volontà, impedendo illecite pressioni o influenze altrui“. 478 Leveneur/Leveneur, Successions 284: „Les formes du testament ne tendent donc pas principalement à défendre les proches, dont il ne compromet pas la réserve, mais à protéger la liberté du testateur contre les pressions qu’il peut subir, d’autant plus redoutables qu’elles risquent de se produire à un moment où il est affaibli par l’âge ou la maladie: il faut assurer la conformité des dernières dispostions du de cujus et de sa volonté réelle.“ In Bezug auf das öffentliche Testament: Bahurel, Volontés 347. 479 Kerridge, Succession 4-01. 480 In Re Kimmel’s Estate 278 Pa. 435, 439: „protecting the testator against imposition at the time of execution.“ Zum Erfordernis der Bezeugung der Errichtung zu Lebzeiten des Erblassers: In Re Estate of Flicker, 339 N.W.2d 914, 915 (1983); In Re Estate of Sauressig, 136 P.3d 201, 208 (2006); Scalise, United States 362: „Third, will formalities (for example, the witness requirement) serve a protective function and guard the testator against coercion or undue influence at the time of the execution of the will.“ Sehr kritisch in Bezug auf die Schutzfunktion Gulliver/Tilson, Yale L.J. 51 (1941) 9; Langbein, Harv. L. Rev. 88 (1975) 496, mit der Begründung Erblasser dürften nicht klischeehaft als „schwache Menschen“ dargestellt werden. Als Eigentümer des zu vererbenden Vermögens seien sie die herrschenden Mitglieder unserer Gesellschaft: „In spite of the benevolent paternalism expressed in some of the decisions interpreting these requirements, the makers of wills are not a feeble or oppressed group of people needing unusual protection as a class; on the contrary, as 475 476
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a) … in den Vorarbeiten zum BGB In den Motiven zum ersten Entwurf des BGB wird die Schutzfunktion des testamentarischen Formzwangs in den Vordergrund gestellt. Allerdings trifft die Sorge der ersten Gesetzgebungskommission in erster Linie nicht den schutzbedürftigen Erblasser, sondern vielmehr „die Familie des Verfügenden, das Interesse Dritter und den Verkehr im Allgemeinen“, die vom Testament betroffen seien. Aus dieser Betroffenheit ergebe sich „von selbst“ die „Nothwendigkeit formaler Schutzmittel.“481 Diese Fokussierung des Schutzgedankens auf Dritte, insbesondere auf die Familie, erweist sich für die damals herrschende Anschauung als durchaus charakteristisch. Nicht zuletzt unter dem Einfluss Hegels482 wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert die Unterscheidung zwischen dem vermeintlich liberalistischen, von der Willkür und Selbstherrlichkeit des Erblassers beherrschten römischen Erbrecht einerseits und dem „germanisch“ geprägten Familienerbrecht andererseits besonders betont.483 Vornehmlicher Zweck der testamentarischen Formvorschriften sei es, den „Inhalt des Aktes sicherzustellen“ und gleichzeitig weitgehend Formfehlern vorzubeugen. Zugleich wurde aber hervorgehoben, es müsse auch darauf geachtet werden, „möglichst eine Gefährdung der Sicherheit zu verhüten, also zu sorgen, dass der Akt selbst gesichert wird und dass dem Verfügenden ermöglicht wird, unbeeinflusst von der Einwirkung Betheiligter seinen Willen zu erklären.“484 Dieser Gedanke des Schutzes des Erblassers vor fremder Einflussnahme war auch einer der primären Gründe, weshalb die Einführung eines Privattestaments in den Vorarbeiten zum BGB gänzlich abgelehnt wurde. Es fehle nicht nur „an jeder Sicherheit für die Aufbewahrung der Urkunde“, sondern es mangle auch an hinreichender Rechtskenntnis, um Formmängel zu verthe owners of property, earned or inherited, they are likely tob e among the more capable and dominant members of our society.“ Dagegen zu Recht Reid, Scotland 429: „Today, as in the seventeenth century, wills continue to be made by the old, the sick and the enfeebled, who are or may be vulnerable to pressure, or even the fraud of relatives, friends, and carers. Increasing longevity seems likely to increase the problem.“ Allerdings räumt er ein, dass allein die Anwesenheit von Zeugen dieses Problem nicht lösen kann: „Yet if the problem of fraud remains, it seems doubtful that attestation provides much in the way of a solution.“ 481 Mugdan V 135 (Motive V S. 257). 482 Hegel, Grundlinien § 180. 483 Im Zusammenhang mit der Form weist Binding, AcP 58 (1875) 195 ff. auf diese „Verschiedenheit unseres deutschen Erbrechts zu dem römischen in seiner ganzen Grundauffassung“ hin. Zu dieser „ungeschichtlichen Entgegensetzung“ grundlegend Wieacker, Hausgenossenschaft 3 ff. 484 Mugdan V 136 (Motive V S. 257); Mugdan V 870 (Denkschrift V S. 278): „Endlich handelt es sich darum, einer Beeinflussung des Willens des Erblassers durch andere Personen thunlichst vorzubeugen. Der Entwurf lehnt demgemäß das Privattestament als ordentliche Testamentsform ab.“
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meiden. Vor allem aber ermangle das Privattestament, sei es nun als eigenhändiges oder als fremdhändiges Testament errichtet, des „Schutzes, dass der Wille frei und unbeeinflusst“485 zustande komme. Diese Bedenken schob schließlich die Reichstagskommission beiseite, indem sie das eigenhändige Testament auf Betreiben der Vertreter Badens, der bayerischen Pfalz und einiger linksrheinischer Gebiete, die unter dem Einfluss des französischen Code civil standen, doch noch als ordentliche Testamentsform in das BGB aufnahm.486 In der Denkschrift des Reichsjustizamtes zum Bundesratsentwurf des BGB wurde auch in Bezug auf testierfähige Minderjährige die Schutzfunktion der Form hervorgehoben. Die Beschränkung der Form für testierfähige Minderjährige und Leseunfähige auf eine mündliche Erklärung vor einem Gericht oder einem Notar diene dem Schutz „gegen unbefugte Einwirkungen Anderer“.487 b) … in den Vorarbeiten zum Testamentsgesetz Im Zuge der Reform des Testamentsrechts durch das Testamentsgesetz wurde noch einmal die Grundsatzfrage aufgeworfen, ob das handschriftliche Testament angesichts der vielen bereits bekannten Bedenken488 beibehalten werden solle. Nach einem anfänglich ablehnenden Votum, äußerte sich der Erbrechtsausschuss schließlich doch zugunsten der Beibehaltung der eigenhändigen Testamentsform,489 insbesondere aufgrund ihrer großen Verbreitung und
485 Mugdan V 136 (Motive V S. 258); ebenso Mugdan V 697 (Protokolle S. 7170): „Auch die Selbständigkeit des Willens sei bei dem holographischen Testamente keineswegs verbürgt. Bei der leichten Form des Testirens liege vielmehr vielfach der Versuch nahe, den Erblasser in irgend einer Richtung zu beeinflussen. Möglich sei freilich, daß der Erblasser später wieder, wenn die Beeinflussung aufgehört habe, anders testire, aber das sei doch eine recht mißliche Aushülfe.“ Mugdan V 869 (Denkschrift V S. 278): „Endlich handelt es sich darum einer Beeinflussung des Erblassers durch andere Personen thunlichst vorzubeugen. Der Entwurf lehnt demgemäß das Privattestament als ordentliche Testamentsform ab.“ 486 Zu dieser abrupten Kehrtwende im Gesetzwerdungsprozess vgl. eingehend Hosemann, RNotZ 2010, 524 ff. 487 Mugdan V 870 (Denkschrift V S. 279). 488 Dazu zählten die Gefahr der Unterdrückung und Verfälschung, Unsicherheit der Rechtslage wegen späten Auftauchens des nicht hinterlegten eigenhändigen Testaments, Gefahr der Nichtigkeit wegen Formmangels, Schwierigkeit der Abgrenzung von bloßen Entwürfen und Aufzeichnungen, Gefahr der rechtlichen Unklarheit und dadurch Anstieg der Rechtsstreitigkeiten, Gefahr des pflichtwidrigen und gemeinschaftswidrigen Testaments, Gefahr der Beeinflussung des willensschwachen Erblassers, Verletzung der Würde des Rechts und Gerichts durch „flüchtiges“ Testieren auf „abgerissenen Papierstücken, in Schmierbüchern, auf der Rückseite von Rechnungen, Drucksachen usw.“. Vgl. dazu Lange, Denkschrift 42 ff. 489 Lange, Denkschrift 53. Vgl. dazu eingehend Zimmermann, Germany 193 f.
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damit ihrer „Volkstümlichkeit“.490 Die Bedenken, dass ein „ Erblasser gegen seinen wahren inneren Willen zu einer pflichtwidrigen Verfügung bestimmt“ werden könnte, wurden von fast allen Mitgliedern des Erbrechtsausschusses geteilt.491 Gegen das Argument der „Volkstümlichkeit“ des eigenhändigen Testierens konnten diese Bedenken aber nicht durchdringen, weshalb es schließlich doch beibehalten wurde. c) … in der aktuellen deutschen Diskussion über Testamentsformen In der aktuellen Diskussion über Testamentsformen wird besonders am eigenhändigen Testament Kritik492 geäußert, weil bei dieser Testamentsform oft die inhaltliche Urheberschaft zweifelhaft sei und besonders ältere Menschen der Gefahr der Beeinflussung durch Dritte ausgesetzt seien.493 Die vom Gesetzgeber vorgesehene Hinterlegungsmöglichkeit gemäß § 2247 BGB könne die Gefahr der Fremdbestimmung des eigenhändig Testierenden nicht mildern, da auch ein fremdbestimmt zustande gekommenes eigenhändiges Testament hinterlegt werden könne und bei der Hinterlegung die Beteiligung des Erblassers nicht erforderlich sei.494 Dagegen gewähre die rechtliche Beratung durch den Notar beim öffentlichen Testament die „Klärung des Willens“ des Erblassers495 und gewährleiste, dass der „Testierende seinen letzten Willen selbständig, also frei von der Einflussnahme Dritter“496 bilde. Der Notar habe nämlich gemäß § 17 Abs. 2 a BeurkG das Beurkundungsverfahren so zu gestalten, „dass eine unzulässige Beeinflussung Dritter auf den letzten Willen des Erblassers ausgeschlossen“497 sei. Zuletzt wurde vorgeschlagen, eine Altersgrenze zu bestimmen, ab welcher Erblasser nur noch notariell testieren dürfen.498 Dieser uneingeschränkte Optimismus gegenüber dem öffentlichen Testament ist freilich
490 Lange, Denkschrift 50, 51: „Nachdem sich das handschriftliche Testament im Volke durchgesetzt hat, wird seine Abschaffung als eine Entrechtung betrachtet werden.“ Dazu ausführlich Hosemann, RNotZ 2010, 528. 491 Schubert, Erbrechtsausschuss 2. 492 Diese Kritik stammt in erster Linie von Notaren. Darauf weist Zimmermann, Germany 204 hin: Staudinger/Baumann, § 2231 BGB Rn. 17; § 2247 BGB Rn. 11; MüKo BGB/Hagena, § 2247 Rn. 2; Soergel/Mayer, § 2231 BGB Rn. 9; Sieghörtner, Grundlagen 406. 493 Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rn. 11. 494 Staudinger/Baumann, § 2248 BGB Rn. 6. 495 Lange/Kuchinke, Erbrecht 333. 496 Obergfell, Testament 420, 461. 497 Soergel/Mayer, § 2231 BGB Rn. 7. 498 Busch, ErbR 2014, 93. Zu diesem Vorschlag näher unten § 6 II.4.a)aa).
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angesichts nicht weniger aus der Rechtsprechung bekannter Fälle499 von Fremdbestimmung bei notariellen Testamenten nicht berechtigt.500 Auch bei eigenhändigen gemeinschaftlichen Testamenten wird die Gefahr der Fremdbestimmung unterstrichen: Die Hauptgefahr dieser Testierform liege darin, dass „der zielbewusste Ehegatte dem anderen seinen eigennützigen letzten Willen als gemeinsamen aufnötigt und dessen Liebe, Harmlosigkeit oder Friedensbedürfnis“501 ausnütze. Dadurch, dass die Niederschrift des Testaments auch bloß durch einen Ehegatten erfolgen könne, sei die „Dominanz eines der beiden Ehegatten“ anerkannt und gebilligt worden. Dem anderen Ehepartner bleibe damit nur noch die Annahme des fremden Willens.502 Eine gewisse Sicherung dagegen könnte die öffentliche Beurkundung gewähren.503 Dabei wird freilich außer Acht gelassen, dass auch vor dem Notar die psychologische Drucksituation des dominanten Ehepartners fortbesteht und insofern sich an der grundsätzlichen Gefahr der Fremdbestimmung beim gemeinschaftlichen Testament durch die öffentliche Beurkundungsform nicht viel ändert. Die Gefahr der Fremdbestimmung (Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments aufgrund des Willens eines Ehepartners) besteht insofern unabhängig von der gewählten Testamentsform. Dies ist einer der Gründe, weshalb viele Rechtsordnungen gemeinsames Testieren ganz grundsätzlich verbieten.504 4. Schutz vor Fremdbestimmung durch Beschränkung der Formwahlfreiheit a) Minderjährige Im Zusammenhang mit der Beschränkung der Formwahlfreiheit für Minderjährige gemäß § 2233 Abs. 1 BGB war die Schutzfunktion als ratio der Beschränkung ausschlaggebend. Wie erwähnt, sollte der Minderjährige durch Einschränkung der Formwahlfreiheit vor „unbefugten Einwirkungen“505 Drit-
BGH 13.4.2011, NJW 2011, 2135 (hochbetagte, demente Erblasserin testiert in Anwesenheit des begünstigten Vorsorgebevollmächtigten vor einem Notar); BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369, 2371 (notarielles Testament zugunsten der nicht näher bekannten Tochter samt Schwiegersohn des Lebensgefährten und Betreuers). 500 Vgl. dazu unten § 4 II.6. zum öffentlichen Testament. 501 Lange/Kuchinke, Erbrecht 420. 502 Lange/Kuchinke, Erbrecht 420. Kritisch auch Röthel, Gutachten 68. DJT A71: „höheres Risiko emotional ‚abegpresster’ Anschlusserklärungen“. 503 Lange/Kuchinke, Erbrecht 420. 504 So z. B. in Frankreich (Art. 968 franz. C. civ.) oder in Italien (Art. 459 ital. C. civ.). Im Schweizer Recht sind gemeinschaftliche Testamente nicht anerkannt, aber auch nicht grundsätzlich verboten. In Ermangelung einer besonderen Vorschrift sind sie aber aufgrund von Formmängeln häufig ungültig und müssen jedenfalls widerruflich sein. Vgl. Wolf/ Genna, Erbrecht 177 ff. 505 Mugdan V 870 (Denkschrift V S. 279). 499
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ter geschützt werden.506 Das eigenhändige Testament sollte vom Minderjährigen schon deshalb nicht errichtet werden, weil „sich die der Zulassung dieser Testamentsform entgegenstehenden Bedenken noch erheblich verstärken“ würden.507 Erst im Zuge der Diskussion des Erbrechtsausschusses für ein Testamentsgesetz wurde die Formbeschränkung beim Minderjährigen auch damit zu begründen versucht, dass der Notar als „gereifte Persönlichkeit“ darüber wache, dass keine „unreifen und damit pflichtwidrigen Verfügungen“ errichtet würden.508 Ähnliche Beschränkungen der Formwahlfreiheit finden sich auch in Österreich. Dort kann der 14–18-jährige Minderjährige nur mündlich mittels eines gerichtlichen oder eines notariellen Testaments über seinen Nachlass verfügen (§ 569 ABGB). Zunächst stand mündigen Minderjährigen nach dem Vorbild des Allgemeinen Preußischen Landrechts (ALR I, 12, §§ 16, 17) nur die Errichtung eines mündlichen Testaments vor Gericht offen, das sich „durch eine angemessene Befragung“ davon überzeugen musste, dass die Willenserklärung „frei und mit Überlegung“ geschehe.509 Mit Einführung des § 70 NO im Jahr 1871 wurden gerichtliche Testamente notariellen Testamenten (vor zwei Notaren oder mit zwei Zeugen) gleichgestellt, sodass dem Minderjährigen auch die Errichtung eines mündlichen notariellen Testaments gestattet wurde.510 Durch diese Beschränkung der Form sollte vor allem besonnenes und verantwortungsvolles Testieren gewährleistet und somit sichergestellt werden, dass der erklärte letzte Wille des Minderjährigen nicht „aus jugendlicher Hitze“ oder „aus fremder Einsprechung“511 herrühre. Neben dem Schutz der gesetzlichen Erben vor leichtfertigem Testieren, ging es dem Gesetzgeber also vor allem um den Schutz des minderjährigen Erblassers vor Fremdbestimmung.512 Minderjährige können, „um unzulässige Beeinflussung auszuschalten“, nur durch öffentliches Testament und nicht eigenhändig testieren. Kipp/Coing, Erbrecht 126. 507 Jakobs/Schubert, Teilbd. 2 1588. 508 Lange, Denkschrift 32. 509 § 569 a. F. ABGB: „Unmündige sind zu testieren unfähig. Minderjährige, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, können nur mündlich vor Gericht testieren. Das Gericht muss durch eine angemessene Befragung sich zu überzeugen suchen, dass die Erklärung des letzten Willens frei und mit Überlegung geschehe. Die Erklärung muss in ein Protokoll aufgenommen, und dasjenige, was sich aus der Erforschung ergeben hat, beigerückt werden. Nach zurückgelegtem achtzehntem Jahre kann ohne weitere Einschränkung ein letzter Wille erkläret werden.“ 510 Vgl. z. B. Klang/Weiß, § 569 ABGB 277. 511 Vgl. z. B. Zeiller, Commentar Bd. 2/2 § 569 ABGB 443. 512 „Es sei auch bedenklich Minderjährigen vor zurückgelegtem zwanzigsten Jahre, weil sie so sehr fremdem Einflusse unterworfen sind, das Recht zu testiren unbedingt einzuräumen“ Ofner, Ur-Entwurf Bd. 1 340. Dazu Barta, JBl 1969, 325. Zeiller, Commentar Bd. 2/2 § 569 ABGB 441: „Der aufkeimende Jüngling ist geneigt, seine Gespielen, und jene, die seine Begierden unterstützen, oder die Schwächen seines Herzens zu benützen 506
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Wie in Österreich, erlaubt auch das spanische Recht einem Minderjährigen bereits mit Vollendung des 14. Lebensjahres die Errichtung eines Testaments, wobei allerdings die Errichtung eines eigenhändigen Testaments erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres (Art. 688 span. C. civ.) gestattet wird.513 Der minderjährige Erblasser kann daher nur ein öffentliches, offenes oder geschlossenes Testament errichten. Dies wurde ursprünglich ebenfalls damit begründet, dass gerade bei Jugendlichen besonders darauf zu achten sei, dass ihr letzter Wille selbstbestimmt und authentisch zustande komme.514 Das eigenhändige Testament berge die Gefahr der Beeinflussung in sich, vor der sich der Minderjährige noch nicht hinreichend zu schützen wisse.515 In der aktuellen Diskussion wird diese Formwahlbeschränkung nach wie vor damit begründet, dass durch sie den Gefahren der Einflussnahme auf den Willen des Erblassers, der Täuschung und der Fälschung vorgebeugt werden solle.516 Die besonderen Gefahren, die mit der Errichtung eines ebenfalls zulässigen notariellen verschlossenen Testaments einhergehen, wurden bei dieser Diskussion überraschenderweise stets ausgeblendet.
wissen, Würdigeren, mit denen ihn die Bande der Natur und der Dankbarkeit verbinden, vorzuziehen, und eine Anordnung über seine Verlassenschaft zu treffen, die er mit voller Besonnenheit nicht getroffen haben würde.“ 513 Dagegen lässt das katalonische Zivilgesetzbuch (Art. 421.17 Abs. 1 kat. C. civ.) das eigenhändige Testament auch bei emanzipierten Minderjährigen zu. 514 So etwa in der Begründung zum Código civil aus 1889, Real Orden de 29 Julio de 1889: „Algunas otras pequeñas variaciones ha introducido también la Sección en el capítulo de los testamentos, encaminadas todas a determinar mejor las condiciones necesarias para asegurar su autenticidad y alejar el peligro de las falsedades. Con esta mira, y aceptando indicaciones hechas en las Cortes, ha restringido la facultad de hacer testamento ológrafo, concediéndola tan sólo a los mayores de edad, aunque baste la de catorce años para testar en otra forma.“ 515 Manresa y Navarro, Comentarios Bd. V/II Art. 662 y 663 C. civ. 359: „Dícese que en tan temprana edad no tiene el menor del discernimiento preciso para apreciar y aquilatar las afecciones que le ligan a la vida y los fines a que obedece la testamentifacción activa, ni la libertad necesaria para liberarse de las sugestiones a que se halla expuesto; pero el legislador, a la vez, ha adoptado las precauciones convenientes, las solemnidades y garantías más eficaces que hacen alejar el temor de tales inconvenientes, hasta el punto de que para el testamento ológrafo, único en que podrían surgir esos peligros, ha consignado un principio distinto, exigiendo la mayor edad para poder testar en dicha forma, como previene el art. 688.“ 516 Pena Lopez, Testamento 271: „La razón de esta mayor exigencia en términos de edad – y, en defintiva, de madurez – se encuentra en el incremento de posibilidades de captación, fraude o suplantación de voluntad que se produce con el empleo de la forma ológrafa.“
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b) Volljährige Das deutsche Recht kennt eine Formwahlbeschränkung bei Volljährigen lediglich, wenn der Erblasser nach seinen Angaben oder nach der Überzeugung des Notars nicht im Stande ist, Geschriebenes zu lesen (§ 2233 Abs. 2 BGB). Leseunfähigkeit bedeutet dabei, dass der Erblasser aus welchem Grund auch immer (Blindheit, Schwachsichtigkeit, Analphabetismus, mangelnde Sprachkenntnis) unfähig ist, den Inhalt der Schrift zu ermitteln. 517 Ihren Grund findet diese Vorschrift darin, dass die Schwäche von Leseunfähigen vonseiten Dritter dazu ausgenützt werden könnte, um dem Erblasser bei der Errichtung eines öffentlichen Testaments durch Übergabe einer verschlossenen Schrift eine Verfügung unterzuschieben, die gar nicht dem Willen des Erblassers entspricht.518 Ein eigenhändiges Testament käme für diese Erblasser ohnehin nicht in Frage, denn wer nicht lesefähig ist, kann sein Testament in aller Regel auch nicht handschriftlich errichten. In Österreich haben die Formwahlbeschränkungen für Erwachsene einen weit größeren Anwendungsbereich. Zunächst wurden nach der Einführung der Entmündigungsordnung 1916519 beschränkt Entmündigte minderjährigen Testierfähigen gleichgestellt (§ 4 Abs. 2 EntmO), sodass diese denselben Formwahlbeschränkungen bei der Errichtung eines Testaments unterlagen wie Minderjährige.520 Nach Aufhebung der Entmündigungsordnung durch das Sachwalterschaftsgesetz im Jahr 1983,521 führte der österreichische Gesetzgeber die Formwahlbeschränkungen bei beschränkt Entmündigten für unter Sachwalterschaft stehende Personen weiter.522 Der mit dem Sachwalterschaftsgesetz neu gefasste § 568 ABGB nannte daher das mündliche gerichtliche und ausdrücklich auch das mündliche notarielle Testament als allein zulässige Testierformen für Personen unter Sachwalterschaft.523 Diese dem MüKo BGB/Hagena, § 2233 Rn. 10 f. MüKo BGB/Hagena, § 2233 Rn. 2. Vgl. auch Mugdan V 870 (Denkschrift V S. 279): „Er wird auf diese Art gegen unbefugte Einwirkungen Anderer geschützt.“ 519 Kaiserliche Verordnung vom 28.6.1916 über die Entmündigung, RGBl. 1.7.1916, Nr. 207. Nach langer Vorarbeit wurde die Entmündigungsordnung 1916 schließlich mit kaiserlicher Notverordnung in Kraft gesetzt. Zur Entwicklung des Erwachsenenschutzrechts ausführlich Ganner, Entwicklung 357 ff.; zur Entmündigungsordnung: ebd., 360 ff. 520 Allerdings beharrte die Rechtsprechung gegen die herrschende Lehre darauf, dass beschränkt Entmündigte ausschließlich vor Gericht und nicht auch vor einem Notar ein Testament errichten durften. Dazu und zum Streit in der Lehre Barta, JBl 1969, 325 ff. 521 Bundesgesetz über die Sachwalterschaft für behinderte Personen vom 2.2.1983, BGBl. Nr. 136/1983, in Kraft seit 1.7.1984. 522 Vgl. Schauer, NZ 1983, 49. 523 Für Minderjährige wurde ebenfalls das mündliche notarielle Testament als zulässige Testamentsform in § 569 ABGB aufgenommen, obwohl damit die Rechtslage nicht verändert wurde. Das notarielle Testament war nämlich bereits davor aufgrund von § 70 NO dem gerichtlichen gleichgestellt gewesen. Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats Nr. 742, 15. Gesetzgebungsperiode, 20.5.1981, Erläuterungen zur Regie517 518
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Entmündigungsrecht entnommene schematische Lösung einer allgemeinen Beschränkung der Formwahlfreiheit wollte freilich für die auf den Einzelfall anzupassende Schutzmaßnahme der Sachwalterschaft nicht recht passen. Daher sah die Regierungsvorlage524 noch eine flexible Lösung vor, indem das Pflegschaftsgericht ermächtigt werden sollte, die Beschränkungen der Formwahlfreiheit von Fall zu Fall zu beseitigen.525 Der Justizausschuss wollte diesem Ansatz jedoch nicht folgen, weil daraus zu große Unsicherheiten über die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung wegen Testierunfähigkeit erzeugt worden wären.526 Die Anordnung der Formwahlbeschränkung sollte nämlich nach der Regierungsvorlage allein dem Zweck dienen, die Testierfähigkeit des Betroffenen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung möglichst eindeutig festzustellen, um spätere gerichtliche Auseinandersetzungen von vornherein zu vermeiden.527 Die Sorge um den Schutz des Erblassers vor äußeren Einflüssen, die nach den Vorarbeiten zum ABGB als Begründung für die Beschränkung der Formwahlfreiheit bei Minderjährigen angegeben worden war, war für den Gesetzgeber des Jahres 1983 offenbar nicht mehr ausschlaggebend. Dies verwundert besonders deshalb, weil einerseits die Sachwalterschaft als ein Schutzinstrument geistig Behinderter sowie psychisch Kranker (und nicht ihrer gesetzlichen Erben oder etwaiger Dritter) entwickelt wurde, und weil andererseits gerade bei diesen nicht voll selbständigen Personen in aller Regel eine Abhängigkeitssituation zum sozialen Umfeld vorliegt, die eine unzulässige Einflussnahme auf den Willen wahrscheinlicher macht. Entsprechende Vorkehrungen zur Sicherung der Freiheit des Willens der unter Sachwalterschaft stehenden Person wären daher durchaus gerechtfertigt. Die Kritik an der schematischen Lösung der allgemeinen Beschränkung der Formwahlfreiheit versiegte nicht.528 Dies veranlasste den österreichischen Gesetzgeber schließlich im Jahr 2004 § 568 ABGB dahingehend abzuändern, dass die Formwahlbeschränkung nunmehr nur noch dann erfolgt, wenn sie rungsvorlage, 21. Zu den rein systematischen Gründen dieser Anpassung Schauer, NZ 1983, 53. 524 Erläuterungen zur Regierungsvorlage 742 BlgNR 15. GP, 21: „Überhaupt entspräche eine generalisierende Lösung nicht der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzesentwurfs, auf die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse des psychisch Behinderten Bedacht zu nehmen.“ 525 § 568 ABGB hätte daher lauten sollen: „Personen, denen ein Sachwalter nach § 273 bestellt ist, können nur mündlich vor Gericht oder mündlich notariell testieren, außer das Pflegschaftsgericht hat die unbeschränkte Testierfähigkeit zuerkannt.“ 526 Dazu Schauer, NZ 1983, 53. 527 „Diese Formvorschrift gewährleistet, dass eine letztwillige Erklärung nur mit einem psychisch Behinderten aufgenommen wird, der sich im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes nicht in einem die Testierfähigkeit ausschließenden Geisteszustand im Sinn des § 566 ABGB befindet.“ Erläuterungen zur Regierungsvorlage 742 BlgNR 15. GP, 21. 528 Vgl. etwa Spitzer, NZ 2003, 354: „Der Gesetzgeber sollte diese starre Regelung aufgeben.“
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vom Pflegschaftsgericht ausdrücklich angeordnet wird.529 Bei Testamentserrichtung muss das Gericht bzw. der Notar versuchen, „sich durch eine angemessene Erforschung zu überzeugen, dass die Erklärung des letzten Willens frei und mit Überlegung geschehe.“ Über das Ergebnis dieser Erforschung ist im Protokoll, das die letztwillige Verfügung enthält, ein entsprechender Vermerk aufzunehmen (sog. Beirückung). Diese Erforschungspflicht des Gerichts bzw. des Notars ist der ursprünglichen Fassung des § 569 ABGB zum Minderjährigentestament entnommen und zeigt, dass nach wie vor die Sorge um die Freiheit der Willensäußerung des Erblassers im Mittelpunkt steht. Obgleich der Gedanke des Schutzes des Erblassers vor unzulässigen äußeren Einflüssen im Zuge der Einführung der Sachwalterschaft unerwähnt blieb, bleibt er durch die Fokussierung der Erforschungspflicht auf die Freiheit des Willens des Erblassers offenkundig als Normzweck enthalten. Die vom Pflegschaftsgericht angeordnete Beschränkung der Formwahlfreiheit gemäß § 568 ABGB dient daher neben der Überprüfung der Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung vor allem der Sicherstellung der Willensfreiheit des Erblassers. Mit dem Erbrechtsänderungsgesetz 2015 wurde § 568 ABGB allerdings mit Wirkung ab 1.1.2017 gestrichen.530 Eine weitere Formwahlbeschränkung ergibt sich im österreichischen Recht aus den einzelnen Landesheimgesetzen zulasten von Personen, die in Pflegeheimen untergebracht sind. Diese enthalten zum Großteil Bestimmungen über das Verbot der Geschenkannahme durch den Heimträger bzw. seine Bediensteten und führen somit als Verbotsgesetze im Sinne von § 879 Abs. 1 ABGB zur Unwirksamkeit der entsprechenden Verfügungen. Von diesem Verbot nimmt zum Beispiel das Tiroler Heimgesetz neben geringfügigen Zuwendungen auch jene Zuwendungen für wohltätige oder gemeinnützige Zwecke aus, die mit Notariatsakt erfolgen bzw. mündlich vor Gericht vorgenommen werden („Testierung vor Gericht“).531 Wer also in einem Heim untergebracht ist und eine letztwillige Verfügung für wohltätige oder gemeinnützige Zwecke
529 Art. I, Z. 27 Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2005, BGBl I Nr. 58/2004. Begründet wurde diese Änderung damit, dass Personen unter Sachwalterschaft die Errichtung eines Testaments „erleichtert“ werden sollte. Erläuterungen zur Regierungsvorlage 471 BlgNR 22. GP, 11. 530 Vgl. dazu oben Fn. 297. 531 § 12 Gesetz vom 1. Februar 2005 über Heime für hilfs-, betreuungs- oder pflegebedürftige, insbesondere ältere, Menschen (Tiroler Heimgesetz 2005 – LGBl. Nr. 23/2005). Das Wiener Wohn- und Pflegegesetz (WWPG – LGBl. Nr. 2005/15), enthält eine inhaltlich identische Bestimmung. Abweichend davon, schränkt § 11 des Vorarlberger Pflegeheimgesetzes (LGBl. Nr. 16/2002) die zulässigen Verfügungen formal auf notarielle Urkunden ein, verlangt aber nicht, dass die Zuwendung einem gemeinnützigen oder wohltätigen Zweck dienen muss.
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zugunsten des Heimes532 errichten möchte, ist insofern zu seinem eigenen Schutz vor Fremdbeeinflussung in seiner Formwahlfreiheit beschränkt.533 Im spanischen Recht wird geschäftsunfähigen Erwachsenen (incapacitados) die Testierfähigkeit vollständig entzogen, wenn das Gericht dies ausdrücklich anordnet (Art. 665 span. C. civ.). Fehlt ein ausdrücklicher Entzug der Testierfähigkeit, dann wird der Betroffene hinsichtlich der Errichtung eines Testaments in lichten Augenblicken in seiner Formwahlfreiheit beschränkt.534 Ihm steht grundsätzlich nur das offene notarielle Testament zur Verfügung,535 wobei der Notar zwei medizinische Sachverständige zur Feststellung der Testierfähigkeit heranzuziehen hat. Im Zuge der Reform des französischen Erbrechts des Jahres 2006536 fügte die Gesetzgebungskommission der Assemblée nationale537 auf Druck der Elternverbände von Personen unter Vormundschaft538 die Bestimmung ein, wonach bei vorheriger Genehmigung durch den Familienrat Personen unter Vormundschaft die Möglichkeit zur Errichtung eines Testaments eingeräumt wurde. Die ursprüngliche Fassung wollte allerdings zum Schutz des Erblassers vor Druck lediglich die notarielle Errichtungsform zulassen.539 Dagegen wandte sich das Justizministerium mit der Begründung, die Gefahr der Beein-
532 Aufgrund der Zweckbindung („wohltätige und gemeinnützige Zwecke“) der Verfügung, sind Verfügungen zugunsten von Einzelpersonen (Bediensteten des Heimträgers) wohl gänzlich ausgeschlossen. 533 Im Gegensatz zur relativ umfangreichen Besprechung in Rechtsprechung und Lehre von § 14 HeimG und den entsprechenden Bestimmungen in der Gesetzgebung der Bundesländer in Deutschland, wurde diesen Verfügungsverboten in den Heimgesetzen der österreichischen Bundesländer weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung Aufmerksamkeit geschenkt. Dazu Christandl, JBl 2013, 681 ff. 534 Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/Rodríguez Guitián, Art. 665 Código civ. Bd. II 279. 535 So ausdrücklich Art. 421.9 Abs. 2 des kat. C. civ. Im gemeinspanischen Recht besteht dagegen keine Einigkeit darüber, ob das notarielle Testament während lichter Augenblicke auch mittels Überreichung einer verschlossenen Schrift (testamento cerrado) errichtet werden kann. Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/Rodríguez Guitián, Art. 665 Código civ. Bd. II 279. 536 Loi n° 2006-728 portant réforme des successions et des libéralités, J.O. Nr. 145 vom 24.6.2006, S. 9513. 537 Sénat, Sesssion ordinaire de 2005–2006, Nr. 343, , 319. 538 Huyghe, Assemblée nationale, Compte rendu intégrale, troisième séance du mardi 21 février 2006 – 146e séance de la session ordinaire 2005–2006, . 539 Sénat, Sesssion ordinaire de 2005–2006, Nr. 343, , 319.
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flussung bestehe zwar, es müsse aber auf den Familienrat vertraut werden, und der Notar könne ohnehin keine Gewissenserforschung vornehmen.540 c) Ergebnis Eine Beschränkung der Formwahlfreiheit zum Schutz vor Fremdbestimmung erfolgt immer, wenn auch nicht ausschließlich, zulasten der privatschriftlichen Testamente, wobei vor allem das eigenhändige Testament als für die Wahrung der Willensfreiheit des Erblassers besonders gefährlich angesehen wird. Ausgeschlossen werden aber auch öffentliche Testamente, sofern sie nicht sicherstellen, dass die Amtsperson Kenntnis vom Inhalt der Verfügung erlangt und den Erblasser somit nicht bereits während der Errichtung über den Inhalt aufklären und vor Fremdbestimmung schützen kann. Daher muss etwa sowohl in Deutschland als auch in Österreich der Minderjährige durch Erklärung vor dem Notar541 testieren, während die Übergabe einer verschlossenen Schrift unzulässig ist. Dasselbe gilt für Leseunfähige gemäß § 2233 Abs. 2 BGB. In Österreich ist eine entsprechende Formwahlbeschränkung für die unter Sachwalterschaft stehende Person vorgesehen, sofern das Gericht eine Beschränkung der Formwahlfreiheit angeordnet hat. In Spanien hat der Entzug der Geschäftsfähigkeit durch Anordnung einer Erwachsenenschutzmaßnahme nur ausnahmsweise bei ausdrücklicher Anordnung den Verlust der Testierfähigkeit zur Folge. Fehlt ein solcher ausdrücklicher Ausschluss, kann der Betroffene in lichten Augenblicken weiterhin frei testieren. Allerdings ist er dabei ebenfalls auf das offene notarielle Testament verwiesen. Eine ähnliche Beschränkung auf die notarielle Form zum Schutz des Erblassers wurde im Zuge der französischen Erbrechtsreform des Jahres 2006 diskutiert, schließlich aber mit der etwas schwachen Begründung abgelehnt, dass der Notar ohnehin keine „Gewissenserforschung“ vornehmen könne. Im Ergebnis zeigt sich, dass jene Rechtsordnungen, die zum Schutz der Willensfreiheit des Erblassers in die Formwahlfreiheit eingreifen, in aller Regel eine deutliche Präferenz für das offene öffentliche Testament zeigen. 5. Schutz vor Fremdbestimmung bei Privattestamenten Im Folgenden ist nun zu erörtern, inwiefern trotz des vorangehenden Befunds auch private Testierformen zum Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung beitragen können.
Sénat, Sesssion ordinaire de 2005–2006, Nr. 343, , 320: „Certes, le risque de manipulation existe, mais il faut faire confiance au conseil de famille, comme nous y invite le droit. En aucun cas un professionnel qui authentifie les actes n’a pour mission de vérifier les arrière-pensées.“ 541 In Österreich kann der Minderjährige auch mündlich vor Gericht testieren. 540
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Zu den Privattestamenten zählen all jene Errichtungsformen, an denen kein öffentlicher Amtsträger beteiligt ist. Somit ist das vor allem in den Rechtsordnungen des civil law bekannte eigenhändige Testament542 als ordentliche Testamentsform zu den Privattestamenten zu zählen. In den Rechtsordnungen des common law ist aufgrund des English Wills Act of 1837 das Zeugentestament die am meisten verbreitete Testamentsform. Mit ihren Wurzeln im römischen Recht, ist sie auch die älteste private Testamentsform.543 Auf dem Kontinent ist das Zeugentestament als ordentliches Privattestament indes weitgehend verschwunden, nicht zuletzt aufgrund seiner Anfälligkeit für Formfehler und aufgrund der Gefährdung der Willensfreiheit des Erblassers.544 Einzig das österreichische Recht kennt noch das fremdhändige Testament als ordentliches privates Zeugentestament (§ 579 ABGB). Dagegen wurde das mündliche Testament vor drei Zeugen des österreichischen Rechts im Jahr 2004 mit dem Familien- und Erbrechtsänderungsgesetz als ordentliche Testamentsform wegen seiner Fälschungsanfälligkeit abgeschafft. Im deutschen Recht kann nur das eigenhändige gemeinschaftliche Testament als fremdhändiges Privattestament ohne Zeugenpflicht (§ 2267 BGB) qualifiziert werden.545 Gehalten hat sich dagegen das private Zeugentestament auf dem Kontinent noch als außerordentliche Testamentsform für Erblasser in besonderen Situationen. So etwa im Falle des Dreizeugentestaments des deutschen Rechts für Fälle der Absperrung oder bei naher Todesgefahr (§ 2250 BGB) bzw. des mündlichen oder schriftlichen Nottestaments nach österreichischem Recht (§ 597 ABGB). Charakteristisch für das Privattestament ist somit die Abwesenheit einer Amtsperson und anstatt dessen entweder die vollständige Handschriftlichkeit beim eigenhändigen Testament oder die Beteiligung von Zeugen beim fremdhändigen Testament. a) Eigenhändigkeit Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die eigenhändige Testamentsform nach der Entscheidung der ersten und zweiten Gesetzgebungskommission im Zuge der Vorarbeiten zum BGB auch deshalb abgelehnt wurde, weil die Befürchtung bestand, dass diese Form des Testierens „im stillen Kämmerlein“
Reid/de Waal/Zimmermann, Testamentary Formalities 441. Reid/de Waal/Zimmermann, Testamentary Formalities 444. 544 Mugdan V 870 (Denkschrift V S. 279): „Das schriftliche, unter Zuziehung von Zeugen zu errichtende Privattestament des gemeinen Rechtes, welches gleichfalls in neuere Gesetze (sächs. GB §§ 2100 ff., lüb G. v. 9. Dez. 1865 Art. 7) übergegangen ist, giebt leicht zu Formfehlern Anlaß und bietet auch keinen ausreichenden Schutz gegen etwaige Beeinflussungen.“ 545 Dazu unten ausführlich § 4 II.7. 542 543
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keinen hinreichenden Schutz vor Beeinflussung und Druckausübung biete.546 Diese Bedenken begleiten das eigenhändige Testament bis in die heutige Zeit.547 Die diesbezüglichen Schwächen der eigenhändigen Testamentsform sind in den Rechtsordnungen, in denen es anerkannt ist, gut bekannt.548 In der Tat besteht bei der Errichtung eines Testaments ohne Mitwirkung eines neutralen Dritten die Gefahr, dass der Erblasser durch anwesende Begünstigte zu einer Willensäußerung gedrängt wird, die nicht Ergebnis einer selbstbestimmten Willensbildung ist. Die formale Schlichtheit des eigenhändigen Testaments wird somit auch um den Preis erkauft, dass auf eine Sicherung der selbstbestimmten Willensbildung verzichtet werden muss. Die Formvorschriften des eigenhändigen Testaments sind nämlich nicht geeignet, den Erblasser vor unzulässiger Einflussnahme zu schützen. Die Eigenhändigkeit sichert allein die Authentizität der Willenserklärung, d. h. sie beweist, dass die schriftliche Erklärung vom Erblasser selbst stammt.549 Dass die Erklärung auch inhaltlich seinem freien Willen entspricht, kann durch die Eigenhändigkeit selbstverständlich nicht sichergestellt werden.550 Denn auch eine eigenhändige schriftliche Erklärung kann dem 546 Mugdan V 136 (Motive V S. 258); ebenso V 697 (Protokolle S. 7170); V 870 (Denkschrift V S. 279). 547 Vgl. oben § 4 II.3. sowie zum Ganzen ausführlich Hosemann, RNotZ 2010, 520 ff. 548 Vgl. z. B. in Frankreich: Jubault, Les successions 509: „La forme olographe n’a en effet pas que des avantages. Le testateur livré à lui-même peut user d’une rédaction ambiguë ou confuse, source de fréquents litiges. Les risques de captation d’héritage (testament obtenu par ruse) ne sont pas nuls.“ In Spanien: Pena Lopez, Testamento 270: „En este mismo sentido, puede apreciarse la considerable frecuencia con la que se emiten resoluciones jurisprudenciales sobre captación de voluntad en materia de testamento ológrafo.“ In Italien: Bonilini, Riforma 743: „Quanto alle forme testamentarie, sarebbe forse opportuno precludere, in dati casi, il testamento olografo. L’agevole, domestica, figura del testamento olografo, infatti, spesso si presta a falsificazioni o ad alterazioni, sovente, di non facile accertamento, sicché gioverebbe un ripensamento e, forse, anche la scelta normativa di precluderla, o scoraggiarla, là dove la persona sia in età avanzata, o nel caso in cui la fermezza della sua volontà, o la pienezza delle sue capacità intellettive, sia, quanto meno, dubbia.“ In der Schweiz: „So besteht [beim eigenhändigen Testament] weniger Garantie gegen unzulässige Beeinflussung des erblasserischen Willens als beim öffentlichen Testament […]“. Zürcher Kommentar/Escher Art. 505 ZGB Rn. 3. 549 Grundmann, AcP 187 (1987) 450 f. OLG München 25.10.2005, ZEV 2006, 33, 34: „Dieses Formerfordernis ist unerlässlich, um die Echtheit des Testaments auf Grund der individuellen Merkmale, die die Handschrift eines jeden Menschen aufweist, überprüfen zu können.“ Breitschmid, Formvorschriften 104: „Die Eigenhändigkeit aller Bestandteile der Verfügung […] wird vom Gesetz vor allem deshalb verlangt, weil sich aufgrund eines handgeschriebenen Texts in der Regel zuverlässig beurteilen lässt, ob die Verfügung vom Erblasser stammt oder gefälscht ist (Persönlichkeitstypisierung, Authentizität).“ 550 Dagegen sieht Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rn. 37 neben der Echtheit der Erklärung auch die Selbständigkeit des Willens des Erblassers durch die Eigenhändigkeit gesichert.
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Erblasser unter entsprechendem Druck entrungen werden. Hinzu kommt, dass es die Privatheit des eigenhändigen Testaments Dritten wesentlich erleichtert, den Erblasser abgeschirmt von äußerer Kontrolle zu einem bestimmten Willen zu drängen.551 Dass in einzelnen Rechtsordnungen, wie etwa in Deutschland, Österreich und Spanien bei Minderjährigen bzw. bei Personen unter Erwachsenenschutz gerade das eigenhändige Testament ausgeschlossen wird,552 bestätigt das Gefährdungspotential bei dieser Testierform. Die eigenhändige Testamentsform schafft daher nicht die Bedingungen für die Möglichkeit einer unbeeinflussten und freien Willensäußerung des Erblassers. Daran ändert auch ein allfälliger Hinterlegungszwang eigenhändiger Testamente, wie er im Zuge der Beratungen für das Schweizer ZGB diskutiert und schließlich abgelehnt wurde,553 nichts.554 Denn die amtliche Hinterlegung dient vielmehr dem Schutz des Testaments vor späterer Verfälschung durch Dritte (Durchstreichen, Ergänzung von Zahlen etc.), Beschädigung, Zerstörung oder Unterdrückung und gewährleistet, dass es im Erbfall auch gefunden werden kann.555 Einer Sicherung der Selbstbestimmung des Erblassers zum Errichtungszeitpunkt kann diese Hinterlegung nach bereits erfolgter Errichtung nicht dienen. b) Beteiligung von Zeugen Das deutsche Recht kennt das privatschriftliche Zeugentestament ausschließlich als außerordentliches Testament (Nottestament vor drei Zeugen, § 2250 BGB). Dagegen erkennt das österreichische Recht neben dem außerordentlichen mündlichen Zeugentestament (§ 597 ABGB) das privatschriftliche Zeugentestament als ordentliche Testamentsform an (§ 579 ABGB). Im angloamerikanischen Recht stellt das privatschriftliche Zeugentestament (attested will) die weitgehend einzige anerkannte Testamentsform dar.556 551 Lange, Denkschrift 46: „Das handgeschriebene Testament eröffnet so infolge seiner Heimlichkeit einmal die Möglichkeit, dass ein willensschwacher Erblasser gegen seinen wahren inneren Willen zu einer pflichtwidrigen Verfügung bestimmt wird“. 552 Vgl. dazu unten § 4 II.4. 553 Dazu Zürcher Kommentar/Escher Art. 505 Rn. 27; Breitschmid, Formvorschriften 33. 554 Breitschmid, Formvorschriften 509: „auch die persönlich hinterlegte Verfügung kann aus Drittbeeinflussung resultieren“. Dasselbe gilt freilich auch für die optionale Hinterlegung, wie sie nun in Art. 505 Abs. 2 Schweizer ZGB bzw. in § 2248 BGB für das eigenhändige Testament vorgesehen ist. Staudinger/Baumann, § 2248 BGB Rn. 6: „Die optionale Hinterlegung des eigenhändigen Testaments kann den Schutz eigenhändig Testierender vor Fremdeinwirkungen nicht erfüllen.“ 555 MüKo BGB/Hagena, § 2248 Rn. 1. 556 Reid/de Waal/Zimmermann, Testamentary Formalities 446: „But the stronghold of the (written) witnessed will is now the common law world where it is typically the only will-type available“. Vgl. auch für die USA Nelson/Starck, Pepp. L. Rev. 6 (1978–1979) 345 ff.
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Das private Zeugentestament setzt in aller Regel Schriftlichkeit (eigenoder fremdhändig), die Unterschrift des Erblassers oder einer von ihm beauftragten Person557 sowie die Bezeugung durch Zeugen voraus. Vom eigenhändigen Testament unterscheidet sich das schriftliche Zeugentestament im Wesentlichen darin, dass es der Erblasser nicht selbst niederschreiben muss, dafür aber Zeugen anwesend sein müssen. Während die Handschriftlichkeit beim eigenhändigen Testament für die Authentizität der Verfügung bürgt, fällt diese Funktion beim privatschriftlichen Zeugentestament den Zeugen zu. Sie haben durch ihre Unterschrift zu bezeugen, dass das Schriftstück oder die Unterschrift auf dem Schriftstück vom Erblasser stammt. Hier ist nun die Frage zu behandeln, inwiefern die Beteiligung von Zeugen die freie Willensbildung des Erblassers während des Errichtungsakts sichern kann. Um diese Frage zu beantworten, muss nach der Art der Beteiligung der Zeugen am Errichtungsakt unterschieden werden. aa) Zeugen als Urkundspersonen Bei der außerordentlichen Testierform des Dreizeugentestaments (§ 2250 Abs. 2 BGB) übernehmen die Zeugen die Funktion des Notars,558 sodass auf sie die Vorschriften über die Errichtung einer notariellen Urkunde des BeurkG anzuwenden sind (§ 2250 Abs. 3 BGB). Die Zeugen, die im Bewusstsein ihrer Zeugenfunktion teilnehmen müssen,559 haben daher während des gesamten Errichtungsakts gleichzeitig anwesend zu sein, den mündlich erklärten letzten Willen des Erblassers anzuhören und niederzuschreiben,560
557 Im englischen Recht: Wills Act 1837 s. 9: „No will shall be valid unless – (a) it is in writing, and signed by the testator, or by some other person in his presence and by his direction“; für das US-amerikanische Recht im Überblick: Scalise, United States 362 f.; 558 BGH 1.6.1970, NJW 1970, 1601, 1602: „übernehmen die Beurkundungsfunktion des Richters, Notars oder Bürgermeisters, vor denen in der Regel Testamente errichtet werden“. Lange, Erbrecht (96: „Zeugen sollen faktisch an die Stelle des Notars treten“. Sie üben aber keine hoheitlichen Funktionen aus, weshalb das Dreizeugentestament keine öffentliche Testamentsform darstellt. Staudinger/Baumann, § 2250 BGB Rn. 40. 559 BGH 24.11.1971, NJW 1972, 202, 203: „Nur Personen, die im Bewußtsein der gemeinschaftlichen Verantwortung an dem Errichtungsakt teilnehmen und dabei mitwirken, können als Zeugen im Sinne des Gesetzes in Betracht kommen.“ Eine zufällige Anwesenheit genügt somit nicht. 560 Die Rechtsprechung weicht von den strengen Beurkundungsvorschriften dann ab, wenn trotz feststellbarer Formfehler garantiert ist, dass der letzte Wille des Erblassers zuverlässig wiedergegeben wird. So muss etwa ein schriftlicher Entwurf als Grundlage des Dreizeugentestaments nicht ein zweites Mal abgeschrieben bzw. vom Erblasser genehmigt und unterschrieben werden. Damit wird auch von der Erforderlichkeit einer mündlichen Erklärung in Anwesenheit aller Zeugen teilweise abgewichen. Vgl. mit Hinweisen auf die Rechtsprechung Staudinger/Baumann, § 2250 BGB Rn. 26, 28.
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diesen dem Erblasser vorzulesen, vom Erblasser durch dessen Unterschrift genehmigen zu lassen und schließlich selbst als Zeugen zu unterschreiben.561 Für die Zeugen gelten die Ausschließungsgründe 1–3 des § 6 BeurkG. Mithin dürfen Ehepartner, Lebenspartner und Verwandte des Erblassers in gerader Linie nicht als Zeugen fungieren. Ist auch nur ein Zeuge nach dieser Bestimmung von einem Ausschlussgrund betroffen, ist das gesamte Testament nichtig (§ 6 Abs. 1 BeurkG). Es gilt darüber hinaus das Verbot der Vorteilsannahme durch die beurkundenden Zeugen (§ 7 BeurkG). Daher dürfen die Zeugen, ihre Ehepartner oder Lebenspartner, Verwandte in gerader Linie oder Verschwägerte und in der Seitenlinie Verwandte bis zum dritten Grad bzw. Verschwägerte bis zum zweiten Grad nicht begünstigt werden. Ein Verstoß gegen dieses Testierverbot hat die Unwirksamkeit nicht des gesamten Testaments, sondern der betroffenen Einzelverfügung zur Folge. Die Zeugen sollten auch nicht minderjährig, geisteskrank oder geistesschwach, hör-, sprach-, seh- oder schreibunfähig (§ 26 Abs. 2 Nr. 2–5 BeurkG) sein. Ein Verstoß gegen diese Sollvorschrift hat indes nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht die Unwirksamkeit der Verfügung zur Folge.562 Dies ist insofern widersprüchlich, als die drei Zeugen einerseits den Notar in seiner Beurkundungsfunktion ersetzen und andererseits vom Gesetz nicht einmal zwingend verlangt wird, dass sie körperlich und geistig in der Lage sind, diese Beurkundungsfunktion zu erfüllen. Zurecht wird daher vorgeschlagen, die Sollvorschrift des § 26 Abs. 2 BeurkG im Wege der teleologischen Reduktion für Zeugen des Dreizeugentestaments als zwingende Vorschrift auszulegen.563 Wenn der Erblasser nicht lesefähig564 ist, übernehmen die Zeugen auch beim ordentlichen fremdhändigen Testament des österreichischen Rechts eine Art Beurkundungsfunktion (§ 581 ABGB). Ein Zeuge, der nicht gleichzeitig der Schreiber des Testaments sein darf, muss dem Erblasser in Gegenwart der anderen zwei Zeugen das Testament vorlesen. Die Zeugen müssen vor, während oder nach der Verlesung in den Text Einsicht nehmen565 und garantieren damit die Übereinstimmung der Urkunde mit dem verlesenen Text. Schließ561 Grundsätzlich haben alle drei Zeugen zu unterschreiben (§ 2050 Abs. 3, S. 2 BGB i. V. m. § 13 Abs. 1 BeurkG). Sofern davon auszugehen ist, dass das Testament zuverlässig den Willen des Erblassers wiedergibt, soll aber das Fehlen einer Zeugenunterschrift oder sogar aller Zeugenunterschriften ein unschädlicher Formfehler im Sinne von § 2250 Abs. 3 i. V. m. § 2249 Abs. 6 BGB sein. Vgl. KG 4.4.1966, NJW 1966, 1661; BGH 24.11.1971, NJW 1972, 202; BayObLG 20.7.1979, BayObLGZ 1979, 232, 241; offen gelassen durch BGH 18.9.1991, NJW 1991, 3210, 3211. 562 OLG Hamm 1.7.1991, OLGZ 1992, 29, 34. 563 So Soergel/Mayer, § 2250 BGB Rn. 8; MüKo BGB/Baumann, § 2250 Rn. 35; unkritisch dagegen MüKo BGB/Hagena, § 2250 Rn. 12. 564 Der Grund der Leseunfähigkeit ist dabei unbeachtlich und kann auf Analphabetismus beruhen oder auch durch geschwächte Sehkraft, Sehbehinderungen oder Krankheit bedingt sein. Rummel/Welser, § 581 ABGB Rn. 1. 565 Kralik, Erbrecht 136.
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lich muss der Erblasser bekräftigen, dass es sich beim verlesenen Text um sein Testament handelt. Die Zeugen wachen mithin darüber, dass das vorbereitete und eventuell vom Erblasser bereits unterzeichnete fremdhändig erstellte Schriftstück den letzten Willen des Erblassers enthält. bb) Bezeugung des Testamentsinhalts Bei unmittelbarer Lebensgefahr oder Gefahr des Verlusts der Testierfähigkeit sieht das österreichische Recht die Möglichkeit eines mündlichen Nottestaments vor (§ 597 ABGB). Dieses kommt im Gegensatz zum deutschen Dreizeugentestament ohne Niederschrift des letzten Willens aus. Die zwei Zeugen müssen sich lediglich ihrer Zeugeneigenschaft bewusst sein und während der mündlichen Erklärung des letzten Willens gleichzeitig anwesend sein. Später haben sie das Testament durch übereinstimmende Aussagen zu bestätigen. Weichen ihre Aussagen voneinander ab, ist das Testament ungültig (§ 597 Abs. 2 ABGB). Die Zeugen übernehmen somit Beweisfunktion hinsichtlich der Identität des Erblassers und des Testamentsinhalts.566 Um diese Funktion erfüllen zu können, müssen sie zeugnisfähig sein. Dies setzt gemäß § 591 ABGB notwendig (im Gegensatz zum deutschen Dreizeugentestament) Volljährigkeit und hinreichende geistige Gesundheit voraus. Ebenso müssen sie die Sprache des Erblassers verstehen. Als Zeugen ausgeschlossen sind aufgrund absolut vermuteter Befangenheit Erben und Vermächtnisnehmer sowie deren Ehepartner, Eltern, Kinder, Geschwister, Verschwägerte sowie im selben Haushalt wohnende entlohnte Angestellte (§ 594 ABGB). Dieselbe absolute Vermutung der Befangenheit gilt für den im Testament bedachten Schreiber sowie dessen Ehepartner, Eltern, Kinder, Geschwister, Verschwägerte und im Haushalt wohnende entlohnte Angestellte (§ 595 ABGB). Bei Verletzung dieser Zeugnisverbote wird den entsprechenden Verfügungen zugunsten der Zeugen die Wirksamkeit entzogen, während das Testament im Übrigen aufrecht bleibt (Teilnichtigkeit).567 cc) Bezeugung der Echtheit des Testaments Beim (ordentlichen) fremdhändigen Testament des österreichischen Rechts (§ 579 ABGB) beschränkt sich die Funktion der Zeugen darauf, die Authentizität des Testaments zu bezeugen. Die Zeugen müssen nämlich den Testamentsinhalt gar nicht kennen. Das Testament kann bereits niedergeschrieben und vom Erblasser unterzeichnet sein, während die Anwesenheit der Zeugen lediglich während der sogenannten nuncupatio erforderlich ist. Der Erblasser muss vor drei Zeugen, wovon mindestens zwei gleichzeitig anwesend sein müssen, erklären, dass das Schriftstück seinen letzten Willen enthält. Sodann 566 567
Eccher, Erbrecht Rn. 4/49. Eccher, Erbrecht Rn. 4/58.
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unterzeichnen die Zeugen das Testament und bestätigen damit einerseits die Identität des Erblassers und andererseits die Authentizität des Schriftstücks als Testament des Erblassers. Den Inhalt des Testaments bezeugen sie nicht. In einzelnen Staaten der USA muss das private Zeugentestament ebenfalls in Anwesenheit der Zeugen vom Erblasser als sein Testament bezeichnet werden.568 Auch hier müssen die Zeugen keine Kenntnis vom Inhalt der Verfügung nehmen. dd) Bezeugung der Authentizität der Unterschrift Das im common law verbreitete Zeugentestament (attested will) beschränkt die Funktion der Zeugen auf die Bestätigung der Echtheit der Unterschrift. Nach englischem Recht, kann diese Bestätigung entweder durch gleichzeitige Anwesenheit von mindestens zwei Zeugen während der Unterschriftsleistung oder zu einem späteren Zeitpunkt durch Anerkennung der Unterschrift des Erblassers bei gleichzeitiger Anwesenheit von mindestens zwei Zeugen erfolgen.569 Unterschreibt der Erblasser in Anwesenheit beider Zeugen, genügt es, wenn die Zeugen bis zum Abschluss der Unterschrift anwesend sind und wahrnehmen, dass der Erblasser schreibt. Die Unterschrift selbst brauchen sie erstaunlicherweise nicht zu sehen.570 Wurde das Testament bereits unterzeichnet, müssen die Erblasser die Unterschrift des Erblassers sehen571 und der Erblasser muss ihnen gleichzeitig mit Worten oder Handlungen zu verstehen geben, dass es sich um seine Unterschrift handelt (acknowledgment). Dabei genügt es, dass der Erblasser die Zeugen auffordert, das Schriftstück als Zeugen zu unterzeichnen, ohne ihnen mitzuteilen, dass es sich um sein Testament handelt.572 Während kein Mindestalter für Zeugen vorgesehen ist, müssen Zeugen nach der Rechtsprechung zumindest sehfähig und geistig zurechnungsfähig sein.573 Als Zeugen ausgeschlossen sind im Testament Begünstigte und deren Ehepartner. Andere Verwandte oder Verschwägerte sind – im Gegensatz zum deutschen und österreichischen Recht – von diesem
So etwa in Arkansas (Arkansas Code § 28-25-103), California (Prob. Code § 6110 (c) (2) (B)), Indiana (Indiana Code § 29-1-5-3 (b)); New York (Estate, Powers and Trusts Code § 3-2-1 (a) (3)), Oklahoma (Oklahoma Statutes title 84 § 55 (3)); Tennessee Code (§ 32-1-104 (1)). Vgl. Scalise., United States 367, der darauf hinweist, dass es nach der Rechtsprechung bei dieser Erklärung vor den Zeugen lediglich darum geht, dass der Erblasser sich bewusst ist, dass es sich um sein Testament handelt. 569 Kerridge, Succession 4-09. 570 Smith v. Smith [1866] L.R. 1 P.&D. 143; Kerridge, Succession 4–10. 571 Hudson v. Parker [1844] 1 Rob. Ecc. 14; In Re Goffman [1969] 2 All ER 108. 572 In the Estate of Benjamin [1934] All ER 359; Roger Kerridge, The Law of Succession, 12. A. (2009) 4–11. 573 Hudson v. Parker [1844] 1 Rob. Ecc. 14, 24; Roger Kerridge, The Law of Succession, 12. A. (2009) 4–12. 568
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Zeugnisverbot nicht betroffen. Ein Verstoß gegen das Zeugnisverbot bewirkt Teilnichtigkeit.574 In den USA gibt es zwar keine einheitliche Regelung darüber, was Gegenstand der Bezeugung sein muss. Während einzelne Staaten verlangen, dass die Zeugen während des Unterschreibens anwesend sind, und damit die Unterschriftleistung bezeugen, genügt es für andere Staaten, dass der Erblasser die Unterschrift in Anwesenheit von Zeugen als seine anerkennt.575 c) Fazit Das eigenhändige Testament bietet dem Erblasser aufgrund seiner Formerleichterungen geringe Garantien für ein möglichst selbstbestimmtes Testieren. Die mangelnde Mitwirkung eines neutralen Dritten, der den Erblasser in seiner Selbstbestimmungsfreiheit vor offenkundiger Einflussnahme durch interessierte Dritte schützen könnte, macht diese Testierform für schwache und für Beeinflussung anfällige Erblasser gefährlich. Größte Freiheit in der Form kann somit für den Erblasser größte Unfreiheit bedeuten. Der eigenhändigen Testamentsform wohnt indes insofern eine mittelbare Schutzfunktion vor äußerer Einflussnahme inne, als gerade schwache und somit häufig für Beeinflussung gefährdete Erblasser meist nicht mehr zur handschriftlichen Niederschrift in der Lage sind576 und somit Fremdbestimmung in vielen Fällen aufgrund der formimmanenten körperlichen Anforderungen des Testierakts faktisch ausgeschlossen bleibt. Dagegen ist die Frage des Schutzes des Erblassers vor Fremdbestimmung durch Form im Hinblick auf private Zeugentestamente differenziert zu beantworten. Sofern die Zeugen Beurkundungsfunktion erfüllen, indem sie während des gesamten Errichtungsakts anwesend sind, tragen sie nicht nur zur Sicherung der formalen Echtheit des Testaments, sondern auch der materiellen Echtheit bei. Sie sichern also nicht nur, dass das Testament vom Erblasser stammt, sondern dass er es auch inhaltlich frei von äußeren Einflüssen errichtet und damit gewollt hat. Dabei ist allerdings notwendig, dass einerseits sichergestellt ist, dass die Zeugen nicht befangen und somit neutral sind. Nur Zeugen, die weder unmittelbar noch mittelbar am Inhalt des in ihrer Gegenwart errichteten Testaments interessiert sind, können die Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers stützen. Andererseits muss sichergestellt sein, dass die Zeugen jene geistigen und körperlichen Mindestanforderungen Roger Kerridge, The Law of Succession, 12. A. (2009) 14-03. Scalise, United States 366. 576 Diesbezüglich wurde auch angemerkt, dass gerade in einer Zeit, in der man Geschäftskorrespondenz nicht mehr handschriftlich erledigt, die eigenhändige Niederschrift des letzten Willens für viele Erblasser schon deshalb eine Hürde darstelle, weil sie es kaum noch gewohnt seien, einen Text selbst niederzuschreiben. Zimmermann, RablesZ 76 (2012) 505 f. 574 575
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erfüllen, die zur Beurkundung erforderlich sind. Gerade an der letzten Voraussetzung kann es beim Dreizeugentestament des deutschen Rechts mangeln, denn § 26 Abs. 2 BeurkG ist lediglich als Sollvorschrift formuliert. Besteht die Funktion der Zeugen darin, den Inhalt eines mündlichen Testaments zu beweisen, dann übernehmen sie bloß Beweissicherungsfunktion und nehmen damit nicht aktiv am Errichtungsakt teil.577 Ihre Anwesenheit während der Errichtung und ihre Neutralität können aber dennoch die Bedingungen dafür schaffen, dass der Erblasser seinen Willen frei von äußerem Druck erklären kann. Besteht die Zeugenfunktion lediglich darin zu bestätigen, dass der Erblasser in Gegenwart der Zeugen das Schriftstück als sein Testament bezeichnet hat, ist ein Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung wenn überhaupt nur sehr beschränkt gewährleistet. Die Zeugen können zwar bestätigen, dass der Erblasser frei vom Einfluss Dritter erklärt hat und dass es sich bei dem Schriftstück um sein Testament handelt; ob das Schriftstück aber tatsächlich den vom Erblasser gemeinten letzten Willen enthält, und ob dieser selbstbestimmt zustande gekommen ist, können die Zeugen nicht feststellen, denn ihre Anwesenheit während der Errichtung ist nicht gefordert. Beschränkt sich die Tätigkeit der Zeugen darauf, die Echtheit der Unterschrift zu bezeugen, dann geht von ihrer Anwesenheit die geringste Schutzwirkung aus. Die Zeugen bestätigen nämlich nicht, dass es sich um das Testament des Erblassers handelt bzw. dass der Inhalt des Schriftstücks dem Willen des Erblassers entspricht, sondern lediglich, dass die Unterschrift echt ist und somit von der Person stammt, die behauptet, ihr Urheber zu sein. Insofern trifft die Feststellung zu, dass die Beteiligung von Zeugen, sofern ihre Aufgabe darauf beschränkt ist, die Echtheit der Unterschrift des Erblassers zu bezeugen, keinen effektiven Schutz vor Fremdbestimmung bieten kann.578 6. Schutz vor Fremdbestimmung bei öffentlichen Testamentsformen Öffentliche Testamente unterscheiden sich von Privattestamenten darin, dass an ihrer Errichtung stets eine Urkundsperson beteiligt ist. Wie bei der Beteiligung von Zeugen an privaten Zeugentestamenten ist aber auch bei der Beteiligung von Urkundspersonen darauf abzustellen, welche Funktion sie im Errichtungsvorgang übernehmen. Davon hängt ab, ob und inwiefern ihre Beteiligung dem Erblasser Schutz vor Fremdbestimmung bieten kann. Zu den öffentlichen Testamenten zählen in erster Linie die notariellen Testamente, mögen sie mündlich vor einem Notar erklärt oder durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift errichtet werden. Ferner zählen die gerichtlichen Testamente dazu. Diese wurden im deutschen Recht mit dem 577 „Sie nehmen die mündliche Erklärung auf, wie das Papier eine schriftliche.“ Klang/Weiß, § 585, 586 ABGB 324. 578 Gulliver/Tilson, Yale L.J. 51 (1941) 9; Langbein, Harv.L. Rev. 88 (1975) 496.
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BeurkG mit Wirkung ab dem 1.1.1970 beseitigt, während sie im österreichischen Recht trotz ihrer geringen praktischen Relevanz weiterhin vorgesehen sind (§§ 587–590 ABGB). Die vom französischen Recht beeinflussten romanischen Rechtsordnungen kennen lediglich notarielle offene Testamente579 oder notarielle geheime Testamente durch Übergabe einer verschlossenen Schrift.580 Öffentliche Testamentsformen sind auch als außerordentliche Testamente vorgesehen.581 Zu den öffentlichen Testamentsformen ist schließlich auch das internationale Testament nach dem Washingtoner Übereinkommen vom 26.10.1973 zu zählen, das allerdings nur von wenigen Staaten, darunter Kanada, Frankreich, Italien, Portugal und Belgien, ratifiziert wurde.582 Als Mischform zwischen dem Zeugentestament des common law und dem notariellen Testament des civil law hat es indes in keinem dieser Länder praktische Bedeutung erlangt,583 weshalb es hier nicht weiter besprochen wird. Charakteristisch für öffentliche Testamente ist die Beteiligung einer Urkundsperson am Errichtungsvorgang. Daneben gilt in vielen Rechtsordnungen im Gegensatz zum deutschen Recht auch Zeugenpflicht, sodass bei der Errichtung neben der Urkundsperson auch Zeugen heranzuziehen sind. Wie oben gezeigt,584 lässt sich immer dann eine deutliche Präferenz für öffentliche Testamentsformen feststellen, wenn aufgrund bestimmter subjektiver Umstände auf der Seite des Erblassers (Minderjährigkeit oder Erwachsenenschutz) der Erblasser einer besonderen Gefahr für äußere Einflussnahme ausgesetzt ist. So entspricht es auch der herrschenden Auffassung im deutschen Recht, dass das Beurkundungsverfahren vor einem Notar dem Erblasser den bestmöglichen Schutz vor fremder Einflussnahme auf seinen Willen bietet.585 Ob 579 Frankreich: testament authentique (Artt. 971–975 C. civ.); Italien: testamento pubblico (Art. 603 C. civ.); Spanien: testamento abierto (Art. 694 C. civ.). 580 Frankreich: testament mystique (Art. 978 C. civ.); Italien: testamento segreto (Art. 604 C. civ.); Spanien: testamento cerrado (Artt. 706–715 C. civ.). 581 Vgl. etwa im deutschen Recht das Nottestament vor dem Bürgermeister (§ 2249 BGB). Das italienische Recht kennt z. B. bei Unmöglichkeit der Errichtung eines ordentlichen Testaments wegen Absperrung aufgrund einer ansteckenden Krankheit, wegen eines öffentlichen Unglücks oder eines Unfalls neben dem Nottestament vor dem Bürgermeister auch das Nottestament vor dem Friedensrichter sowie vor einem Geistlichen (Art. 609 C. civ.), auf See das Testament vor dem Schiffskapitän (Art. 610 C. civ.), in der Luft das Testament vor dem Flugzeugkapitän (Art. 611 C. civ.) sowie im Krieg das Testament des Armeeangehörigen vor einem Heeresoffizier, einem Offizier des Roten Kreuzes oder einem Militärkaplan (Art. 617 C. civ.). 582 Für einen aktuellen Stand der Ratifikationen vgl. . 583 Ausführlich zu den Gründen des Scheiterns dieser Testamentsform Zimmermann, RabelsZ 76 (2012) 502 f.; Reid/de Waal/Zimmermann, Testamentary Formalities 451. 584 § 4 II.4.c). 585 In diesem Sinne z. B. Obergfell, Testament 461.
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dieser Befund gerade für das deutsche Recht sachlich gerechtfertigt ist, erscheint bei einer nüchternen Analyse der Formvorschriften für öffentliche Testamentsformen indes fraglich. Zweifel drängen sich insbesondere in Anbetracht der vom BVerfG586 angestoßenen, jedoch überschießend umgesetzten Reform der Formvorschriften587 für notarielle Testamente auf. a) Deutsches Recht aa) Beteiligung des Notars Der Notar erfüllt als staatlich eingesetzter und von der Justizverwaltung überwachter Träger eines öffentlichen Amtes die Funktion eines neutralen Garanten, der dem Erblasser bei der Errichtung seines Testaments prüfend, beratend und formulierend zur Seite steht. Gemäß § 17 BeurkG soll der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtlichen Konsequenzen belehren und ihre Erklärungen mit klaren und eindeutigen Worten in der Niederschrift dokumentieren. Der Notar ist zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit (§ 14 Abs. 3 BNotO) sowie zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 18 Abs. 1 BNotO). Seine Amtstätigkeit hat er folglich zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten zur Gesetzestreue, Neutralität und Verschwiegenheit nicht vereinbar wäre. Daher soll er die Mitwirkungsverbote des § 3 BeurkG beachten. Aber auch dann, „wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden“, hat er seine Mitwirkung zu verweigern (§ 14 Abs. 2 BNotO, § 14 BeurkG). Ferner muss er dafür sorgen, dass Irrtümer und Zweifel vermieden werden und dass ungewandte und unerfahrene Beteiligte nicht übervorteilt werden (§ 17 Abs. 1 S. 2 BeurkG). Damit kommt dem Notar auch eine Schutzfunktion in Bezug auf „schwache“ Beteiligte am Beurkundungsverfahren zu. Hierzu zählen auch „schwache Erblasser“, deren selbstbestimmte Willensbildung durch Dritte gefährdet ist. Der Notar erfüllt diese Schutzfunktion, indem er das Beurkundungsverfahren so gestaltet, dass die Einhaltung der Ermittlungs-, Prüfungs- und Belehrungspflicht (§ 17 Abs. 1 BeurkG) sowie die Pflicht zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit und des wahren Willens der Beteiligten (§ 17 Abs. 2 BeurkG) gesichert ist (§ 17 Abs. 2a BeurkG). Wenn es im Erbrecht besonders auf die Echtheit und Authentizität der Willenserklärung ankommt588 und der Notar sich über den wahren Willen des BVerfG 19.1.1999, BVerfGE 99, 341, 350. Kritisch: Reimann, FamRZ 2002, 1384: „Statt eine Sondervorschrift für einen Sonderfall (Mehrfachbehinderung) zu schaffen, hat der Gesetzgeber eine denkbare Lösung für den Sonderfall zur Regel für den Normalfall gemacht. Daß diese Art von Gesetzgebung mehr Probleme schafft als löst, liegt auf der Hand.“ Kritisch auch Soergel/Mayer, § 2232 BGB Rn. 10; Muscheler, Erbrecht Bd. 1 886. 588 BVerfG 19.1.1999, BVerfGE 99, 341, 355. 586 587
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Erblassers vergewissern muss (§ 17 Abs. 2 BeurkG), dann ist das Beurkundungsverfahren auch möglichst so zu gestalten, dass die Willenserklärung dem wahren Willen des Erblassers entsprechen kann (§ 17 Abs. 2a BeurkG). Somit kann es erforderlich sein, älteren Testierenden nach einer ausführlichen Besprechung noch einmal Bedenkzeit einzuräumen.589 Von besonderer Bedeutung für die Willensfreiheit ist aber, dass der Notar dafür sorgt, dass es zu keiner unzulässigen Beeinflussung auf den Willen des Erblassers kommt.590 Dies schließt mit ein, dass der Notar sicherzustellen hat, dass während des Beurkundungsverfahrens keine interessierten Dritten zugegen sind, denn diese können allein durch ihre Präsenz Druck auf den Erblasser ausüben und so die Erklärung des wahren Willens beeinträchtigen oder verhindern.591 bb) Zeugen Im Zuge der Beratungen über das Testamentsgesetz hatte sich der Erbrechtsausschuss einstimmig gegen den Zwang zur Hinzuziehung von Zeugen bei der Testamentserrichtung ausgesprochen. Zeugen seien weder als Gedächtniszeugen einsetzbar, denn im seltenen Falle des Verlusts eines öffentlichen Testaments, könnte man auf ihre Erinnerung ohnehin nicht bauen. Sie seien aber auch nicht geeignet, den Erblasser gegen Einflüsse durch den Beurkundenden zu schützen. Als Sachkundige hinsichtlich der Testierfähigkeit seien sie nicht erforderlich, weil der Beurkundende selbst diesbezügliche Feststellungen treffen müsse. Als Errichtungsgehilfen seien sie eher unwillkommen, weil sie „selbst wenn sie nicht bedacht werden können“ dennoch in der Lage sind „den Willen des Erblassers in eine ihnen erwünschte Richtung zu lenken“. Als Zeugen überwachen sie nämlich die Testamentserrichtung und könnten so den Erblasser beeinflussen. Im Übrigen seien sie als reine Solennitätszeugen überflüssig und meist den Erblassern unwillkommen, weil er vor Fremden, nicht zur Verschwiegenheit Verpflichteten, „seine oft sorgfältig gehüteten Familien- und wirtschaftlichen Verhältnisse“ offenbaren müsse.592 Mit dem Testamentsgesetz des Jahres 1938 wurde somit die noch im BGB (§ 2233 a. F.) vorgesehene Pflicht zur Heranziehung eines weiteren Notars beim notariellen Testament bzw. eines Gerichtsschreibers beim gerichtlichen Testament oder alternativ von zwei Zeugen beseitigt und auf Fälle Soergel/Mayer, § 17 BeurkG Rn. 36. Soergel/Mayer, § 2231 BGB Rn. 7. 591 Soergel/Mayer, § 17 BeurkG Rn. 36. Vgl. auch MüKo BGB/Hagena, § 2229 Rn. 28. „Wenn der Eindruck besteht, dass die Erklärung des Erblassers das von einem Dritten Vorgegebene nur mechanisch wiedergibt oder Anhaltspunkte für eine Gestaltung des Testamentsinhalts durch Dritte gegen den Willen des Erblassers vorliegen, empfiehlt es sich, etwa einflussnehmende Personen, eventuell nur vorübergehend, von der Beurkundungsverhandlung auszuschließen, um sicherzustellen, dass nur das vom Erblasser selbst Gewollte Eingang in sein Testament findet.“ 592 Lange, Denkschrift 62 ff. 589 590
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beschränkt, in denen der Erblasser hör-, seh- oder sprachbehindert ist oder selbst die Heranziehung weiterer Personen wünscht bzw. ihr nicht widerspricht (§ 6 TestG). Nunmehr gilt gemäß § 22 BeurkG, dass bei hör-, sprachoder sehbehinderten Erblassern grundsätzlich nur mehr ein Zeuge oder ein zweiter Notar hinzugezogen werden soll, es sei denn alle Beteiligten verzichten darauf. Bei hör- und sprachbehinderten Erblassern soll ein Gebärdendolmetscher beigezogen werden. Da es sich um eine Sollvorschrift handelt, berührt eine fehlerhafte oder unterlassene Beiziehung dieser Personen die Gültigkeit der Beurkundung nicht.593 Der Zeugenzwang für die Gültigkeit eines öffentlichen Testaments ist somit im deutschen Recht grundsätzlich beseitigt worden. Er verbleibt nur noch ausnahmsweise in jenen Fällen, in denen der Erblasser schreibunfähig ist (§ 25 BeurkG). In diesem Fall muss beim Vorlesen und bei der Genehmigung unverzichtbar ein Zeuge oder ein zweiter Notar zugegen sein. cc) Mündlichkeit der Errichtung Nach der ursprünglichen Fassung des § 2232 BGB musste bei der Errichtung eines notariellen Testaments gegenüber dem Notar jedenfalls eine mündliche Erklärung abgegeben werden. Dies galt selbstverständlich für den Fall, dass der Erblasser dem Notar gegenüber seinen letzten Willen erklärte. Einer mündlichen Erklärung bedurfte es aber auch dann, wenn der Erblasser dem Notar eine offene oder verschlossene Schrift überreichte. Dabei musste der Erblasser nämlich zumindest mündlich594 erklären, dass es sich bei der Schrift um seinen letzten Willen handelte (sog. Testiererklärung). Zweck dieses Mündlichkeitsgrundsatzes war es jedenfalls sicherzustellen, dass der Testamentsinhalt dem letzten Willen des Erblassers entsprach.595 Angesichts der Vielzahl gebrechlicher Erblasser, die zu einer zusammenhängenden Rede nicht mehr fähig sind, senkte die Rechtsprechung die Anforderungen an die-
Soergel/Mayer, § 22 BeurkG Rn. 19. Das Mündlichkeitserfordernis dieser Erklärung bei Übergabe einer Schrift konnte zwar nicht aus dem mit dem BeurkG (28.8.1969, BGBl. I, 1513, 1522) neu gefassten § 2232 BGB abgeleitet werden, denn diese Bestimmung sprach, entgegen dem ursprünglichen § 2238 a. F. BGB, lediglich von „Erklärung“. Dagegen folgte die Mündlichkeit nach herrschender Meinung e contrario aus § 31 a. F. BeurkG. Nach dieser Bestimmung hatte der sprachunfähige Erblasser die Erklärung, wonach es sich bei der übergebenen Schrift um seinen letzten Willen handelte, eigenhändig schriftlich auf der Niederschrift oder einem gesonderten Blatt abzugeben. Vgl. MüKo BGB/Hagena, § 2232 Rn. 21; Soergel/Mayer, § 2232, Rn. 18. 595 Entsprechend sollten schreibunfähige Stumme nicht testieren können, denn ihr Wille lasse sich nicht einmal durch einen Dolmetscher „mit Zuverlässigkeit ermitteln“. Mugdan V 132 (Motive V S. 251). 593 594
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ses Mündlichkeitserfordernis indes kontinuierlich ab.596 So hinderte undeutliches Sprechen die Testamentserrichtung nicht, solange der Erblasser sich noch verständlich machen konnte.597 Schließlich genügte es, wenn der Erblasser noch dazu im Stande war, den ihm verlesenen, von einem Dritten stammenden Entwurf durch ein „Schluss-Ja“ oder allenfalls durch abschnittsweise Bejahung zu bestätigen.598 Dabei war sich die Rechtsprechung durchaus bewusst, dass durch diese großzügige Auslegung des Mündlichkeitserfordernisses die Grenze dessen erreicht (oder wohl schon deutlich überschritten) war, „was aus Gründen der Klarheit und Sicherheit im Rechtsleben in Kauf genommen werden“599 konnte. In Bezug auf schreibunfähige Stumme, die geistig zu einer eigenverantwortlichen letztwilligen Erklärung fähig sind, erklärte das BVerfG das Mündlichkeitserfordernis der §§ 2232, 2233 BGB sowie § 31 BeurkG allerdings insoweit für verfassungswidrig, als es diese Personen gegen Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs.1 S. 2 GG allein deshalb von der Testiermöglichkeit ausschließe, weil sie aus körperlichen Gründen nur über beschränkte Verständigungsmöglichkeiten verfügten.600 Da diese Personen notariell beurkundete lebzeitige Rechtsgeschäfte durch Hinzuziehung einer Vertrauensperson gemäß § 24 BeurkG vornehmen können, verstoße ein gänzlicher Ausschluss der Insofern spricht BGH 4.4.1962, NJW 1962, 1149, 1150 „angesichts der körperlichen Hinfälligkeit vieler Testierwilliger“ von einem „unabweisbaren Bedürfnis. 597 „Unartikuliertes Lallen“, das nicht mehr verstanden werden kann, genügte dem Mündlichkeitserfordernis dagegen nicht. OLG Köln 20.8.1957, MDR 1957, 740; OLG Hamm 26.2.2002, ZEV 2002, 458. 598 Soergel/Mayer, § 2232, Rn. 8. In der Rechtsprechung OGHbrZ 12.5.1949, NJW 1949, 544, 545; BGH 21.5.1951, BGHZ 2, 172, 175 unter Bestätigung von RGZ 161, 378; KG 23.5.1960, DNotZ 1960, 485; BGH 4.4.1962, NJW 1962, 1149; BayObLG 21.10.1999, NJW-RR 2000, 456; OLG Hamm 26.2.2002, ZEV 2002, 458. Vgl. auch RG 25.9.1924, JW 1925, 357 in Bezug auf einen Erblasser, der infolge eines Schlaganfalls nicht mehr sprechen konnte und rechtsseitig gelähmt war. Der Notar hielt zunächst im Protokollentwurf fest, dass der Erblasser am Sprechen verhindert sei, revidierte diese Meinung jedoch als sich herausstellte, dass der Erblasser mit der linken Hand nicht schreiben konnte und somit den Zusatz „Dies ist mein Testament“ nicht auf die offene Schrift setzten konnte. Daraufhin hat der Notar dem Erblasser jedes einzelne Wort vorgesprochen, wobei der Erblasser „Laute hervorgebracht“ habe, „die allerdings die Worte, die er aussprechen wollte, nicht mit solcher Deutlichkeit zur Darstellung gebracht hätten, wie dies einem Menschen möglich sei, der sich im ungestörten Besitze seines Sprechorgans befinde.“ Das RG erkannte in dieser Errichtungsform keinen Mangel. „Die Selbständigkeit der vom Erblasser abzugebenden mündlichen Erklärung wird durch ein derartiges, von dem Notar im vorliegenden Falle eingeschlagenens Verfahren nicht beeinträchtigt. Auch durch das Nachsprechen der Worte wird, wie durch die Antwort ‚Ja‘ auf eine entsprechende Frage, ein auf eigenem Willensentschlusse beruhendes Bekenntnis zum Inhalte der Schrift als letztem Willen kundgegeben.“ RG 25.9.1924, JW 1925, 357, 358 f. 599 BayObLG 25.10.1968, BayObLGZ 1968, 268, 273. 600 BVerfG 19.1.1999, BVerfGE 99, 341, 353. 596
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Möglichkeit einer Testamentserrichtung für schreibunfähige Stumme gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, das Benachteiligungsverbot für Behinderte und die Erbrechtsgarantie. Da es durchaus stumme Schreibunfähige gebe, die hinreichende geistige Fähigkeiten zur selbstbestimmten Errichtung eines Testaments hätten, sei der gänzliche Ausschluss der Testiermöglichkeit „zum Schutz vor fremdbestimmten oder unverantwortlichen Rechtsgeschäften“ nicht erforderlich.601 Als milderes Mittel zur Sicherung des letzten Willens sei etwa an eine Hinzuziehung „weiterer neutraler Dritter“ wie in § 24 BeurkG für lebzeitige Rechtsgeschäfte zu denken. Der Gesetzgeber sah sich somit veranlasst das Gesetz entsprechend dieser Vorgaben anzupassen und beabsichtigte dies zunächst durch eine sogenannte „kleine Lösung“ zu bewerkstelligen, die für Mehrfachbehinderte das Mündlichkeitserfordernis beseitigt hätte.602 Schließlich deutete man das Mündlichkeitserfordernis aber als Formerfordernis, das von Anfang an dem alleinigen Zweck gedient hatte, Personen mit Mehrfachbehinderungen von der Testiermöglichkeit auszuschließen,603 sodass es insgesamt aufgegeben wurde. Für die Errichtung eines notariellen Testaments ist daher seit der Gesetzesänderung im Jahr 2002604 keine mündliche Erklärung mehr erforderlich. Angesichts der sehr extensiven Auslegung des Mündlichkeitserfordnernisses durch die Rechtsprechung, ist damit zwar keine wesentliche Rechtsänderung verbunden. Gemäß der Neufassung des § 2232 BGB genügt jedoch nun nach dem Gesetzeswortlaut jede Art der Erklärung des letzten Willens gegenüber dem Notar, mag sie „konkludent, durch Gebärden, Zeichen oder auf andere Weise zum Ausdruck gebracht werden“.605 Kopfschütteln, Kopfnicken oder gar ein Wimpernschlag können daher genügen, um ein notarielles Testament zu errichten. Die Folgen dieser Absenkung der Formanforderungen an die Errichtung des öffentlichen Testaments zeigen sich besonders drastisch beim öffentliBVerfG 19.1.1999, BVerfGE 99, 341, 354. Entsprechend wäre folgender vierter Absatz in § 2233 BGB eingefügt worden: „Vermag der Erblasser weder Geschriebenes zu lesen noch hinreichend zu sprechen, so kann er das Testament zur Niederschrift des Notars errichten, indem er vor dem Notar seinen letzten Willen zum Ausdruck bringt.“ BMJ, Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht, . 603 So BT-Drucks. 14/9266, 49. Dabei wird freilich verkannt, dass es dem historischen Gesetzgeber in erster Linie darum ging, dass der letzte Wille des Erblassers mit „Zuverlässigkeit“ ermittelt werden konnte. Hierfür sah er bei „Taubstummen, welche weder lesen noch schreiben gelernt haben“ keine Gewähr. 604 Art. 24 Nr. 23 ff. Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte an Oberlandesgerichten (OLGVertrÄndG) 23.7.2002, BGBl. 2002, I, S. 2858 f. Zu den erbrechtlichen Änderungen im Überblick Reimann, FamRZ 2002, 1383 ff. 605 BT-Drucks. 14/9266, 51. 601 602
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chen Testament durch Übergabe einer verschlossenen Schrift.606 Dabei wird nämlich weder gefordert, dass der Erblasser die Schrift verfasst oder unterschrieben hat, noch dass er den Inhalt des Umschlags tatsächlich kennt,607 noch dass er den Umschlag aktiv übergibt.608 Nach verbreiteter Ansicht genügt es, wenn der Notar die Schrift „vom Nachtkasten des Erblassers mit dessen Zustimmung wegnimmt“ oder von einer Krankenschwester überreicht bekommt609 und sich vom Erblasser auf irgendeine verständliche Weise bestätigen lässt, dass es sich um seinen letzten Willen handelt.610 Wenn der Erblasser nach eigenen Angaben oder nach Auffassung des Notars nicht hinreichend sprechen kann und auch eine schriftliche Verständigung nicht möglich ist, muss der Notar gemäß dem nun auch auf letztwillige Verfügungen anwendbaren § 24 BeurkG eine Verständigungsperson beiziehen. Während ursprünglich die beigezogene Person in einem Vertrauensverhältnis zum Beteiligten stehen musste (Vertrauensperson), kommt es seit der Gesetzesänderung des Jahres 2002611 nur noch darauf an, dass sie eine Verständigung zwischen dem Notar und dem Erblasser herstellen kann, sodass grundsätzlich auch fremde Personen diese Funktion erfüllen können. Dabei ist darauf zu achten, dass der Erblasser mit der Verständigungsperson einverstanden ist, mag dies auch im Einzelfall nur schwer feststellbar sein. Zum Schutz des Erblassers darf die Verständigungsperson aus der Willenserklärung des Erblassers keinen Vorteil ziehen. Entsprechende Verfügungen sind Von dieser Testierform sind nur Leseunfähige (§ 2233 Abs. 2 BGB) und Minderjährige (§ 2233 Abs. 1 BGB) ausgeschlossen, nicht jedoch an schweren körperlichen Gebrechen leidende Erblasser, die zur selbständigen Errichtung eines eigenhändigen Testaments nicht mehr in der Lage wären. Vgl. dazu das Beispiel eines 95-Jährigen, durch mehrere langwierige Krankheiten sehr geschwächten Erblassers bei Muscheler, Erbrecht Bd. 1 857. 607 Strittig, er muss lediglich die Möglichkeit haben, den Inhalt der Schrift zu verstehen (arg ex § 2233 Abs. 2 BGB). Lübtow, Erbrecht Bd. 1 187; Lange/Kuchinke, Erbrecht 363; Soergel/Mayer, § 2232 BGB Rn. 17; Obergfell, Testament 436. A. A. MüKo BGB/Hagena, § 2232 Rn. 30, der zwar Kenntnis verlangt, aber für den Notar keine Verpflichtung zur Überprüfung der Kenntnis erkennt und es auch genügen lässt, wenn der Erblasser den Inhalt vergessen hat. Nach Muscheler, Erbrecht Bd. 1 887 f. muss der Erblasser zumindest einmal Kenntnis vom Inhalt der Schrift gehabt haben, weil er sonst seine Erbfolge dem Zufall überlasse. Kenntnis verlangen auch Staudinger/Baumann, § 2232 BGB Rn. 44; Olzen, Erbrecht Rn. 273; Palandt/Edenhofer, § 2232 BGB Rn. 3; Brox/Walker, Erbrecht Rn. 103, der aber auch darauf hinweist, dass man im Regelfall von der Kenntnis ausgehen müsse und nur bei erfolgreichem Beweis des Gegenteils das Testament ungültig sei. 608 Soergel/Mayer, § 2232 BGB Rn. 19; Reimann/Bengel/Mayer6/Voit, § 2232 Rn. 20. 609 Lange/Kuchinke, Erbrecht 363; MüKo BGB/Hagena, § 2232 BGB Rn. 26. 610 Dabei genügt es sogar, wenn der Erblasser dem Notar eine nicht notwendig eigenhändige schriftliche Erklärung persönlich überreicht, worin festgehalten wird, dass die übergebene Schrift seinen letzten Willen enthält. Eine entsprechende Erklärung könnte auch auf dem Umschlag selbst vermerkt sein. MüKo BGB/Hagena, § 2232 BGB Rn. 24. 611 BT-Drucks. 14/9266, 51. 606
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unwirksam (§ 24 Abs. 2 BeurkG). Dieses Testierverbot erstreckt sich allerdings nicht auf Angehörige der Verständigungsperson.612 Bei hör-, sprech- und sehunfähigen Personen soll darüber hinaus ein zweiter Notar bzw. ein Zeuge hinzugezogen werden, sofern nicht alle Beteiligten darauf verzichten. Auch die Hinzuziehung eines Gebärdendolmetschers kann bei Hör- und Sprachbehinderten vom Beteiligten verlangt werden (§ 22 BeurkG). Für diesen gelten aber überraschenderweise im Gegensatz zum Fremdsprachendolmetscher gemäß § 16 Abs. 3 BeurkG die Ausschließungs- und Verbotsgründe der §§ 6, 7, 26 und 27 BeurkG nicht.613 dd) Schutz durch notarielle Testamente? Ein Blick in die Praxis Die Formvorschriften des öffentlichen Testaments scheinen durch die Mitwirkung eines neutralen Garanten in Person des Notars auf den ersten Blick sicherzustellen, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung bei der selbstbestimmten Äußerung seines Willens geschützt werden kann. Dieser Eindruck steht indes in offenkundigem Widerspruch zur Tatsache, dass gerade notarielle Testamente immer wieder Anlass dafür geben, die freie und selbstbestimmte Errichtung letztwilliger Verfügungen gerichtlich zu bestreiten. So etwa in einem vom OLG Braunschweig entschiedenen Fall einer in hohem Alter stehenden, an seniler Demenz leidenden und stationär behandelten Frau, die keine engeren Verwandten hatte. Ihr erst seit einem Monat ernannter Betreuer brachte sie zu einem Notar, wo sie den Betreuer, dessen Frau und dessen Sohn als Erben einsetzte und Vermächtnisse zugunsten des SOS-Kinderdorfs sowie des ihr unbekannten Fördervereins des Lions-Club aussetzte. Das Gericht stellte fest, der Betreuer habe „seine ihm gerichtlich verliehene Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf den Betreuten dazu genutzt, gezielt darauf hinzuwirken, dass der infolge seiner geistigen Behinderung leicht beeinflussbare Betreute ohne reifliche Überlegung über erhebliche Vermögenswerte zugunsten des Betreuers durch ein Testament vor einem Notar verfügt, der nicht von dem Betreuten als sein Berater hinzugezogen ist, sondern von dem begünstigten Betreuer.“614
Ähnlich problematisch ist auch der Fall eines Betreuers, der gleichzeitig der Lebensgefährte der demenzkranken und verwitweten Erblasserin war. Aus Angst, nicht mehr betreut und in ein Heim eingewiesen zu werden, setzte sie 612 Kritisch Soergel/Mayer, § 24 BeurkG Rn. 11: „Angesichts der besonderen Bedeutung der Verständigungsperson und der Gefahren unzulässiger Beeinflussung des Behinderten ist de lege ferenda jedoch eine Ausweitung der Ausschließungsgründe zu fordern.“ 613 Kritisch Soergel/Mayer, § 22 BeurkG Rn. 13. 614 OLG Braunschweig 4.11.1999, ZEV 2000, 448 = FamRZ 2000, 1189 = BeckRS 1999, 30843645. Die Erblasserin wurde vom Gericht für testierunfähig erklärt. Selbst bei Testierfähigkeit wäre die Verfügung wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig gewesen.
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vor einem Notar und in Anwesenheit ihres Betreuers die ihr nicht weiter bekannte Tochter ihres Betreuers und deren Ehemann als Erben ein.615 In einem anderen Fall wurde ein Berufsbetreuer wegen Eignungsmangels entlassen, weil er eigenmächtig eine nicht beabsichtigte Testamentserrichtung seiner Betreuten veranlasst hatte. Er hatte den Notar ausgewählt und ihn zur Testamentserrichtung in die Wohnung seiner durch Demenz völlig verwirrten Betreuten bestellt. Während der Testamentserrichtung war der Betreuer in der Wohnung anwesend und teilte dem beurkundenden Notar mit, dass die Betreute ihn zum Erben einsetzen wollte.616 In einem anderen Fall ist es dem Betreiber einer ambulanten Seniorenbetreuung gelungen, betreute und testierunfähige Senioren dazu zu veranlassen, einen oder mehrere Berufsbetreuer durch letztwillige Verfügungen als Erben oder Vermächtnisnehmer einzusetzen und an diesen Vorgängen auch einen Notar zu beteiligen. 617 Ein weiterer Fall betrifft eine fast 83-jährige alleinstehende und demenzkranke sehr vermögende Frau, für die ein Notar zunächst eine Vorsorgevollmacht zugunsten einer familienfremden Pflegekraft und daraufhin ein Testament zugunsten derselben beurkundet hat, obwohl die Erblasserin zum Errichtungszeitpunkt nicht einmal mehr in der Lage war, über ihre persönlichen Daten (Geburtsdatum, Alter, Bundesland) Auskunft zu geben. Der Notar hatte in diesem Fall ihre Testierfähigkeit außer Zweifel gestellt und ein Testament beurkundet, das in seinen wesentlichen Teilen von der begünstigten Pflegekraft inhaltlich vorgegeben war. Nach Ansicht des OLG Celle hätte der Notar bei Anwendung ordentlicher Sorgfalt erkennen müssen, dass die Erblasserin aufgrund ihrer fortgeschrittenen Demenzkrankheit zu einer selbstbestimmten Willensäußerung nicht mehr in der Lage war. Den Inhalt der letztwilligen Verfügung, die in Anwesenheit der Pflegekraft beurkundet wurde, besprach der Notar mit der Erblasserin nicht.618 Ebenfalls von einem Notar wurde das Testament eines alleinstehenden Mannes ohne Verwandte beurkundet, der über ein großes Immobilienvermögen verfügte und als Alleinerbin eine zeitweise für ihn tätige Pflegerin einsetzte. Der Notar hielt in der Niederschrift fest, dass er sich von der Testierfähigkeit des Erblassers überzeugt hatte, obwohl aufgrund eines ärztlichen Gutachtens bereits ein Jahr vor Beurkundung des Testaments eine fortgeschrittene Demenz festgestellt worden war.619 Schließlich sei noch der Fall einer ebenfalls demenzkranken Erblasserin erwähnt, die ihre Vorsorgebevollmächtigten mit notariellem Testament zu ihren Alleinerben eingesetzt hatte, obwohl sie – wie später festgestellt wurde – bereits vor Erteilung BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369. OLG Frankfurt a.M. 22.12.2008, FamRZ 2009, 1245. 617 OLG Celle 13.2.2013, ZEV 2013, 344. 618 OLG Celle 9.11.2007, MittBayNot 2008, 492. Der Notar wurde in diesem Fall disziplinarrechtlich wegen Verstoßes gegen §§ 11, 28 BeurkG belangt. 619 OLG Düsseldorf 7.9.2012, ErbR 2012, 345. 615 616
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der notariellen Vorsorgevollmacht geschäftsunfähig gewesen war.620 Die Liste von ähnlich gelagerten Fällen ließe sich weiter fortsetzen und scheint gerade in jüngster Zeit zuzunehmen.621 ee) Fazit Notare haben gemäß § 17 BeurkG als neutrale Garanten des Beurkundungsvorgangs sicherzustellen, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung seinen Willen frei von äußerem Druck äußern kann (§ 17 Abs. 2 lit. a BeurkG). Der Notar schuldet dem Erblasser nicht nur ein formwirksames Testament, sondern aufgrund seiner Prüfungs- und Belehrungspflichten auch ein wirksames Testament, das dem „wahren Willen“ des Erblassers entspricht.622 Die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Pflicht zur Verschwiegenheit des Notars sichert dem Erblasser größtmögliche Freiheit von äußeren Einflüssen zu. Zur Absicherung dieser Freiheit trägt ferner bei, dass Zeugen am Beurkundungsvorgang nur auf Wunsch des Erblassers beteiligt werden. Ihre Anwesenheit kann nämlich die freie Willensbildung des Erblassers stören, schon weil sie anders als der Notar nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet werden können. Die geschilderten Fälle aus der Praxis zeigen allerdings, dass Notare allzu oft jeder offenkundigen Gefährdung der Selbstbestimmung des Erblassers zum Trotz Testamente beurkunden. Dies geschieht – so muss hier nachdrücklich erwähnt werden – nicht etwa aus Sorglosigkeit, sondern vielfach weil das geltende Form- und Beurkundungsrecht den Notaren meist keine andere Wahl lässt. Dies liegt einerseits daran, dass der Notar zum Schutz der verfassungsmäßig geschützten Testierfreiheit623 nur dann die Beurkundung einer letztwilligen Verfügung gemäß § 11 Abs. 1 BeurkG i. V. m. § 28 BeurkG verweigern darf, wenn er sich restlos davon überzeugt hat, „dass jeder vernünftige Zweifel daran, dass der Beteiligte geschäfts- oder testierunfähig ist, schlechthin
OLG Naumburg 7.2.2012, FamRZ 2013, 245. Für einen ähnlichen Fall, in dem allerdings Testierfähigkeit festgestellt wurde vgl. OLG Hamm 12.12.2013, BeckRS 2016, 01336. 621 Vgl. zuletzt die unter sehr problematischen Umständen errichteten notariellen Testamente, z. B. KG 11.11.2014, NJW-RR 2015, 456; OLG Hamm 1.8.2014, NJW-Spezial 2015, 40; BGH 16.12.2015, MDR 2016, 332 (dieser Entscheidung liegt ein Fall zugrunde, in dem der Erblasser zugunsten der Vorsorgebevollmächtigten notariell testiert hat. Der Erblasser selbst gibt an, „er habe beim Notar nicht verstanden, was er unterzeichnet habe. Der Notar und die Bevollmächtigten hätten ihm jedoch gesagt, er müsse unterschreiben, obwohl er erklärt habe, dass er keinerlei Erben bestimmt habe und nur die Familie, nicht jedoch Fremde erben sollten.“ 622 Soergel/Mayer, § 17 BeurkG Rn. 1. 623 Soergel/Mayer, § 28 BeurkG Rn. 5. 620
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ausgeschlossen erscheint.“624 Bloße Zweifel hat er durch geeignete Aufklärungsmaßnahmen (etwa die Befragung des behandelnden Arztes) auszuräumen. Fortbestehende Zweifel genügen jedenfalls nach einhelliger Auffassung nicht, um die Beurkundung zu verweigern. Diese hat er vielmehr im Testament zu dokumentieren (§ 28 BeurkG).625 Vielfach wird die Auffassung vertreten, dass eine ungerechtfertigte Verweigerung der Beurkundung den Notar gerade dann, wenn eine spätere Testamentserrichtung faktisch (Todesnähe oder Verschlechterung des Gesundheitszustands) nicht mehr möglich ist, auch einem gewissen Haftungsrisiko aussetzen könnte.626 Andererseits drängt auch die Rechtsprechung den Notar zur Beurkundung von Testamenten in äußerst zweifelhaften Fällen, in denen aufgrund der äußeren Umstände größte Gefahr für eine unzulässige Beeinflussung des Erblassers besteht. Die Unfähigkeit zu einer zusammenhängenden Rede hindert nämlich nach ständiger Rechtsprechung die Errichtung eines Testaments nicht. Auch die Vorlage der Verfügung muss nach ständiger Rechtsprechung nicht notwendig vom Erblasser vorbereitet worden sein, sondern kann von einem beliebigen Dritten oder vom Notar stammen.627 Daher genügt es,628 wenn der Erblasser sich den ihm vom Notar vorgelesenen (von Dritten verfassten) Text noch mit einem, wenn auch bloß gehauchten „Ja“ zu eigen machen kann. Auf die anschließend erforderliche Unterschrift kann bei Hinzuziehung eines Zeugen oder weiteren Notars verzichtet werden (§ 25 BeurkG). So kann es vorkommen, dass dem Notar von den interessierten Nahestehenden des Erblassers ein zu beurkundender schriftlicher oder mündlicher Entwurf präsentiert wird, den der Erblasser sodann in ihrer Gegenwart dem Notar und einem zweiten Notar bzw. einem Zeugen für die mangelnde Unterschrift gegenüber „abnickt“. Überprüfungen des wahren Willens des Erblassers, wie sie eigentlich nach § 17 BeurkG durch gezieltes Nachfragen statt-
MüKo BGB/Hagena, § 28 BeurkG Rn. 19. Vgl. dazu ausführlich oben, § 4 I.8.a)aa). 626 BeckOK BGB/Litzenburger, § 11 BeurkG Rn. 5. Ob diese Gefahr freilich tatsächlich besteht, hängt davon ab, ob ex post trotz der Überzeugung des Notars, er habe es mit einer testierunfähigen Person zu tun gehabt, festgestellt wird, dass der Erblasser noch testierfähig war und darüber hinaus der letzte Wille, der beurkundet worden wäre, feststeht (z. B. bei Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift, die der Erblasser als seinen letzten Willen erklärt). Der Hinweis auf das Haftungsrisiko, für den Fall, dass der Notar die Beurkundung ablehnt, wurde in der aktuellen Fassung des Kommentars gestrichen. Kritisch zur vormaligen Empfehlung Litzenburgers: Huber/Schmieder/Dengler, BWNotZ 2012, 151 Fn. 5. 627 BGH 4.4.1962, NJW 1962, 1149, 1150; MüKo BGB/Hagena, § 2232 Rn. 7. 628 RG 22.3.1906, RGZ 63, 86; RG 16.10.1939, RGZ 161, 378; OGHbrZ 12.5.1949, NJW 1949, 544, 545; OGHBrZ 12.5.1949, NJW 1949, 544; BGH 21.5.1951, BGHZ 2, 172; BGH 4.4.1962, NJW 1962, 1149 = BGHZ 37, 79; KG 23.5.1960, DNotZ 1960, 485; BayObLG 21.10.1999, NJW-RR 2000, 456; OLG Hamm 8.10.1993, NJW-RR 1994, 593. 624 625
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finden sollten,629 müssen häufig schon deshalb entfallen, weil aufgrund der körperlichen Verfassung besondere Eile geboten ist oder der Erblasser zu einer wirklichen Kommunikation (auch über eine Verständigungsperson) nicht mehr fähig ist. Die Gerichte erkannten freilich, dass diese großzügige Rechtsprechung „bis an die Grenze dessen geht, was im Interesse einer zuverlässigen Erfassung des Erblasserwillens vertretbar“ ist. Sie entspreche „aber angesichts der körperlichen Hinfälligkeit vieler Testierwilliger einem unabweisbaren Bedürfnis.“630 Seit der Gesetzreform 2002 bedarf es nicht einmal mehr eines gehauchten „Ja“ zur Bestätigung des fremd verfassten und dem Erblasser vorgelesenen Testamentsentwurfs. Unabhängig von Sprach- oder Hörbehinderungen, kann die Bestätigung von einem Erblasser in jeder erdenklichen nonverbalen Form erfolgen. Ein Nicken, ein Wimpernschlag oder eine Handbewegung genügen, damit der Notar im Namen des Erblassers ein Testament beurkunden kann. Das sog. Trappisten-Testament des Erblassers, der zwar sprechen kann, aber nicht sprechen darf, kann der Notar nicht verhindern.631 In Fällen, in denen der Erblasser zu keiner zusammenhängenden Rede mehr fähig ist, wird von der Praxis zur Vermeidung einer allfälligen Anfechtung des Testaments wegen § 2078 Abs. 1 BGB sogar empfohlen,632 das notarielle Testament durch Übergabe einer verschlossenen Schrift zu errichten. Prüfungs- und Belehrungspflichten hinsichtlich des Inhalts treffen den Notar bei dieser Errichtungsform nicht,633 sodass dieser sich im Austausch mit dem Erblasser lediglich darüber vergewissern muss, ob der Umschlag den letzten Willen des Erblassers enthält. Wird dies in verbaler oder nonverbaler Form vom Erblasser bejaht, so ist das Testament zu übernehmen und ist damit formgültig zustande gekommen. Vor diesem Hintergrund darf es nicht verwundern, dass sich die Fälle offenkundiger Fremdbestimmung gerade in der notariellen Praxis häufen. Wer als Erblasser nicht mehr zusammenhängend kommunizieren kann, ist nicht im Stande mitzuteilen, ob er das ihm Verlesene noch versteht. Seine Bejahung ist insofern nur der Form nach eine Bestätigung des verlesenen Testamentsinhalts. Eine materielle Entsprechung zwischen Willen und Inhalt Zweifel, ob der aus fremder Hand oder fremdem Mund stammende Testamentsentwurf dem „wahren Willen“ des Erblassers entspricht, sind jedenfalls angebracht und würden daher gemäß § 17 Abs. 2 S 1 BeurkG eine Erörterung mit dem Beteiligten erfordern. Vgl. dazu auch Soergel/Mayer, § 17 BeurkG Rn. 6. 630 BGH 4.4.1962, NJW 1962, 1149, 1150. 631 Soergel/Mayer, § 2232 Rn. 11. 632 Otto, Gestaltung XI. 12. Rn 2. 633 Ein Verweis auf § 17 BeurkG für die Übergabe einer verschlossenen Schrift fehlt in § 30 BeurkG. Dazu Soergel/Mayer, § 30 BeurkG Rn. 6. Dennoch kann der Notar den Erblasser über den Inhalt befragen und ihn entsprechend belehren. 629
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des verlesenen Entwurfs kann dadurch nicht gesichert werden.634 Dies nimmt man in Kauf und verweist allfällige Zweifel an einer Übereinstimmung zwischen Willen und Testamentsinhalt auf die Anfechtungsmöglichkeit gemäß § 2078 BGB.635 Eine materielle Entsprechung zwischen Willen und Inhalt wird zusätzlich dadurch erschwert, dass der Entwurf häufig aus der Feder oder dem Munde jener stammt, die selbst begünstigt werden sollen und der Notar in aller Regel nicht dafür sorgt, dass diese Personen während des Beurkundungsvorgangs den Raum verlassen. Eine entsprechende Verpflichtung dafür zu sorgen, dass interessierte, nicht mitwirkende Dritte während des Beurkundungsvorgangs nicht anwesend sind, ließe sich zwar aus § 17 Abs. 2a BeurkG herleiten,636 ergibt sich daraus aber nicht eindeutig und wird somit in der Praxis wohl nur in den wenigsten Fällen erfüllt. Ist der Erblasser hör- oder sprachbehindert und gleichzeitig schreibunfähig, so hat der Notar dies in der Niederschrift zu vermerken und zur Verständigung einen Dritten heranzuziehen. Dieser Dritte, der zwischen dem Notar und dem Erblasser eine Kommunikation zur Ermittlung des letzten Willens herstellen soll, darf zwar selbst nicht begünstigt werden (§ 24 Abs. 2 BeurkG), kann aber dafür sorgen, dass seine nächsten Angehörigen bedacht werden, ohne dass der Notar eine entsprechende Beeinflussung des Erblassers feststellen könnte.637 Für den fakultativ hinzuziehenden Gebärdensprachdolmetscher gemäß § 22 BeurkG bestehen solche Ausschlussgründe überhaupt nicht, womit auch hier der Erblasser der Gefahr der Fremdbestimmung ausgesetzt ist. Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass der Notar durch das von Rechtsprechung und Gesetz betriebene Absenken der Anforderungen an den Testierakt nicht dafür sorgen kann, dass der Erblasser seinen letzten Willen unbeeinflusst von Dritten und damit selbstbestimmt äußern kann. Bei der Errichtung des Testaments durch Übergabe einer offenen Schrift oder Erklärung treffen ihn Prüfungs-, Beratungs-, und Belehrungspflichten (§ 17 BeurkG), die dazu beitragen können, den wahren Willen des Erblassers festzustellen, sofern eine verbale oder nonverbale Kommunikation schriftlich oder über eine Verständigungsperson überhaupt noch möglich ist. Wie gesehen, fordert die Rechtsprechung allerdings nicht, dass der Erblasser noch zu einer zusamInsofern a. A. Reimann/Bengel/Mayer6/Voit, § 2232 S. 599, der meint, dass ein „erfahrener Notar“ die Fragen so formulieren könne, dass „der Erblasser durch Zustimmung und Ablehnung seinen Willen volständig selbstbestimmt erklären kann“. 635 BGH 4.4.1962, NJW 1962, 1149, 1150. 636 Vgl. dazu oben Fn. 591. 637 „Auch die Gefahr einer unzulässigen Beeinflussung ist hier besonders groß und kann vom Notar oftmals nicht erkannt werden, da er den Kommunikationsvorgang nicht im üblichen Sinn überwachen und gerade bei Eilbedürftigkeit der Beurkundung derartige ‚Verständigungserklärungen‘ aus Haftungsgründen nicht zurückweisen kann.“ Soergel/ Mayer, § 24 BeurkG Rn. 7. 634
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menhängenden Kommunikation in der Lage ist, weshalb sich auch hier dem Notar größte Schwierigkeiten bei der Sicherung des wahren Willens des Erblassers stellen. Vollends unmöglich ist eine solche bei der Errichtung eines öffentlichen Testaments durch Übergabe einer verschlossenen Schrift. Dass also die Beurkundung vor einem Notar bestmöglichen Schutz vor fremder Einflussnahme biete, kann angesichts der geringen Anforderungen, die Gesetz und Rechtsprechung an die Willensäußerung des Erblassers bei der Errichtung eines öffentlichen Testaments stellen, bei genauer Analyse der Rechtslage nicht bestätigt werden. Dabei erscheint es geradezu paradox, dass die Absenkung der Anforderungen an den Testierakt sowohl vom Gesetzgeber als auch von der Rechtsprechung mit dem Schutz der Testierfreiheit des Erblassers begründet wurde. Welches Bedürfnis eine Person, die zu einer zusammenhängenden verbalen oder nonverbalen Kommunikation und damit zu einer selbständigen, nach außen erkennbaren Willensbildung nicht mehr in der Lage ist, überhaupt noch nach der Errichtung eines Testaments haben kann, wurde dabei nicht weiter hinterfragt. Bei näherer Betrachtung der kontinuierlichen Zurücknahme der Anforderungen an den Testierakt drängt sich der Eindruck auf, dass dem Testament ein unbedingter Vorrang eingeräumt wird und damit bewusst Abstriche in Bezug auf die Authentizität in Kauf genommen wurden. Im Ergebnis scheint es also so, dass beim eigenhändigen Testament, das vom Erblasser selbst verfasst und unterschrieben werden muss, allein aufgrund dieser Anforderungen ein höherer faktischer Schutz vor Fremdbestimmung besteht, als etwa beim notariellen Testament durch Übergabe einer verschlossenen Schrift. Vielleicht liegt es also unter anderem auch an diesem Umstand, dass wegen möglicher Fremdbestimmung verdächtige Testamente in der Rechtsprechungspraxis in aller Regel notariell beurkundet wurden. Dabei ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber und mit ihm die Rechtsprechung zu dieser kontinuierlichen Herabsetzung der Anforderungen an den Testierakt nicht verfassungsrechtlich gedrängt wurden, denn das BVerfG hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass „nur selbstbestimmte und selbstverantwortete letztwillige Erklärungen von der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Testierfreiheit geschützt werden.“638 Es ist Aufgabe des Gesetzgebers festzulegen, welche Anforderungen im Einzelnen an den Testierakt gestellt werden: „Bei der Konkretisierung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Testierfreiheit kann der Gesetzgeber auch die Einhaltung bestimmter Formen letztwilliger Verfügungen zwingend vorschreiben. Dabei kann er für unterschiedliche Situationen und Personengruppen jeweils eigene Testamentsformen schaffen. Es bleibt auch seiner Wahl überlassen, ob er die Fälle mangelnder Selbstbestimmungsfähigkeit unmittelbar durch Vorschriften über die Testierfähigkeit oder mittelbar durch die Einführung zwingender Formvorschriften regelt.“639 638
BVerfG 19.1.1999, BVerfGE 99, 341, 351.
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b) Rechtsvergleich Im Folgenden ist nun aus rechtsvergleichender Perspektive zu untersuchen, ob die Anforderungen an die öffentliche Errichtungsform von Testamenten in Deutschland hinter vergleichbaren Errichtungsformen anderer europäischer Rechtsordnungen zurückbleiben und ob letztere durch strengere Anforderungen besser geeignet sind, den Erblasser bei der Errichtung vor Fremdbestimmung zu schützen. aa) Anforderungen an die Willenserklärung des Erblassers Wie gesehen, genügt es für die Errichtung eines gültigen öffentlichen Testaments nach deutschem Recht, wenn der Erblasser den ihm vom Notar vorgelesenen, von einem Dritten vorformulierten Testamentsentwurf durch Zeichen, Gesten oder mündlich durch ein einfaches „Ja“ bestätigt. Diesbezüglich zeigen sich erhebliche Unterschiede zu den Formvorschriften anderer kontinentaleuropäischer Rechtsordnungen. Bereits im gemeinrechtlichen Schrifttum herrschte die Ansicht vor, dass ein bloß auf Fragen hin erklärter letzter Wille nicht ausreiche, um ein gültiges Testament zu errichten. Ließe man dies zu, würde man „Erbschleichereyen und Testamentsfälschungen Thür und Thor“ öffnen.640 Nach österreichischem Recht muss der letzte Wille des Erblassers „genetisch“ aus seinem eigenen Willen hervorgehen und somit auf seinen „eigenen bei ihm entstandenen Absichten und Zielsetzungen“ beruhen und diese zum Ausdruck bringen. Eignet sich der Erblasser lediglich fremde Willensinhalte an, dann kann daraus kein gültiges Testament hervorgehen.641 Bereits das aus der Feder Karl Anton von Martinis stammende Westgalizische Gesetzbuch aus dem Jahr 1797, das als Vorläufer des 15 Jahre später in Kraft getretenen ABGB (1812) gilt,642 ordnete in Teil II § 359 an: „Wer die an ihn gestellte Frage, ob er diese oder jene Person zum Erben einsetzen wolle, lediglich bejaht, ist deswegen allein noch kein ernstlicher Testator.“643 Diesen Grundsatz übernahm Franz von Zeiller in § 565 ABGB, wonach der Wille des Erblassers „nicht durch bloße Bejahung eines ihm gemachten Vorschlages“ erklärt werden darf. Dazu bemerkte Zeiller, dass der Erblasser, der „einen vorBVerfG 19.1.1999, BVerfGE 99, 341, 352. Glück, Pandecten Bd. 34/1 24. 641 Klang/Weiß, § 564, 565 ABGB 254. 642 Dazu ausführlich Barta, Karl Anton von Martini 81 ff. 643 Eine entsprechende Vorschrift enthielt auch bereits der nie in Kraft getretene, weil von Kaiserin Maria Theresia auf Empfehlung des Staatsrats für misslungen erachtete Codex Theresianus aus 1766: „[2, 12, § 4] 93. Zweitens, muß die Erbseinsetzung freiwillig geschehen, und von des Erblassers eigenen freien und ungezwungenen Willen herrühren; woferne aber Jemand auf Befragen, ob er diesen oder jenen zum Erben haben wolle, solches bloß bejahet, ist es keine Erbseinsetzung.“ 639 640
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läufig schon entworfenen und abgelesenen Aufsatz bloß mit Kopfnicken oder einer kurzen Bejahung billiget“ im Zweifel lässt, ob er den Aufsatz gehört und richtig verstanden hat. Es bedürfe daher einer ausdrücklichen Bestätigung, dass es sich um seinen letzten Willen handle.644 Dabei handelt es sich nach herrschender Meinung um eine allgemeine Anforderung an die Willenserklärung, die für alle Formen letztwilliger Verfügungen gilt.645 Zweck dieser Bestimmung ist die Vermeidung „suggestiver Willensbeeinflussung“. Es soll mithin sichergestellt werden, dass der Erblasser sich nicht bloß einen fremden Willen zu eigen macht, sondern dass der fremd formulierte Wille, seinem eigenen Willen entspringt und er somit selbstbestimmt testiert. Diese Anforderung an den letzten Willen ist z. B. erfüllt, wenn der Erblasser gegenüber dem Notar zum Ausdruck bringt, dass der Inhalt des neu verfassten Testaments seinen Willen enthalte und er dieses verstanden habe und er nach Verlesung des Testaments noch einmal erklärt, dass das Testament so sei, wie er es sich vorgestellt habe.646 Dagegen genügt eine bloße Bejahung immer dann, wenn der fremdverfasste, verlesene Entwurf auf einem Vorschlag des Erblassers beruht.647 Daraus ist zu schließen, dass nach österreichischem Recht ein gültiges Testament nicht zustande kommt, wenn der Inhalt des vorgelesenen und vom Erblasser bejahten Testaments nicht mindestens auf seine Aufforderung und seinen Vorschlag zurückzuführen ist. Die Gefahr der Fremdbestimmung des Erblassers soll dadurch eingeschränkt werden, was freilich nur beschränkt gelingen kann. Noch strengere Anforderungen an die Erklärung des Erblassers stellt das französische Recht. Die Errichtung eines öffentlichen Testaments in Frankreich (testament authentique) erfordert nämlich die ausdrückliche mündliche Erklärung des letzten Willens gegenüber dem Notar durch den Erblasser. Dabei kommt es wesentlich darauf an, dass der Inhalt des Testaments dem Notar vom Erblasser persönlich diktiert wird (Art. 972 franz. C. civ.) und nicht als bereits vorbereitete Urkunde dem Erblasser zur Bekräftigung vorgelegt wird.648 Es ist daher nicht zulässig, dass der Notar den bereits vorbereiteten Entwurf zum Errichtungstermin in das Haus des Erblassers mitbringt und dort Zeiller, Commentar Bd. 2/2 § 565 ABGB 436. OGH 2.2.1966, 6Ob16/66 (SZ 39/20); OGH 30.11.1983, 1Ob749/83 (SZ 56/180); OGH 17.11.2004, 9Ob124/04g; Klang/Weiß, § 564, 565 ABGB 258; Rummel/Welser, § 565 ABGB Rn. 8; Schwimann/Eccher, § 565 ABGB Rn. 2; Koziol/Bollenberger/ Bydlinski/Apathy, § 565 ABGB Rn. 1; ABGB-ON/Knechtel § 565 ABGB Rn. 4. Für öffentliche Testamente OGH 26.2. 1958, 7Ob10/58. 646 OGH 17.11.2004, 9Ob124/04g. 647 OGH 2.2.1966, 6Ob16/66 (SZ 39/20); OGH 30.11.1983, 1Ob749/83 (SZ 56/180); OGH 17.11.2004, 9Ob124/04g. 648 Cass. civ. 1.2.2012, Bull. civ. I, n° 24; Cass. civ. 19.12.2012, 1re, n° 11-26.340, unveröffentlicht; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions Rn 433. 644 645
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die Verfügungen nur noch vorliest und sich vom Erblasser mündlich wiederholen lässt.649 Auch ein Befragen genügt nicht.650 Vielmehr wird verlangt, dass der Erblasser seinen letzten Willen in Anwesenheit von zwei Zeugen oder einem zweiten Notar spontan und somit frei von äußeren Einflüssen mündlich erklärt651 und der vom Notar schriftlich festgehaltene Wille dem Erblasser in Anwesenheit der Zeugen bzw. des zweiten Notars vorgelesen wird.652 Aus diesem Grund lässt man die Behauptung, der Erblasser sei bei der Errichtung eines notariellen Testaments beeinflusst worden, von vornherein nicht gelten.653 Äußerst problematisch ist jedoch, dass aufgrund dieser strengen Anforderungen an die Erklärung, sprechunfähige und gehörlose Personen kein notarielles Testament errichten konnten.654 Der Ausschluss dieser Personen vom 649 Cass. civ. 29.6.2011, Bull. civ. I, Nr. 139: „qu’au cas présent, la cour d’appel a constaté qu’il n’était pas contesté que le notaire s’était rendu au domicile de la testatrice pour recevoir son testament en présence de deux témoins, sans avoir apporté d’ordinateur et d’imprimante, mais muni d’un projet dactylographié (arrêt attaqué, p. 5, § 4); que le testament ayant été rédigé avant qu’il ne soit procédé à sa lecture en présence des témoins instrumentaires, il aurait dû en être déduit qu’en l’absence des témoins lors de la dictée et de la rédaction du testament, les formalités légales n’avaient pas été respectées.“ 650 Vgl. bereits Toullier/Duvergier, Le droit Bd. 5 116 (Rn. 410): „Dicter dans la langue de la jurisprudence, et suivant la définition donnée par l’exact et savant Merlin, c’est prononcer mot à mot ce qu’on destine à être en même temps écrit par un autre. Il suit de cette définition qu’on ne peut tester par signes ni à l’interrogat d’autrui.“ 651 Diese ausdrückliche mündliche Erklärung des Erblassers verlangte bereits Art. 5 Ordonnance von Daguesseau aus 1735. Dazu Aymarb, Explication 13, 14: „celui qui ne declare pas lui-même mot à mot sa volonté, et qui ne fait autre chose que répondre aux différentes demandes qui lui ont été faites, ne dispose pas en effet lui-même, c’est l’ouvrage d’autrui, c’est une disposition suggerée. Si talis est testator, qui neque articulate loqui potest, mortuo similis est, et falsitas commititur.“ Dies geht auf die justinianische Gesetzgebung (C. 6.23.29.2) zurück. 652 Cass. civ. 29.6.2011, Bull. civ. I, Nr. 139: „la dictée du testament reçu par un notaire doit, à peine de nullité de l’acte, se dérouler en présence des témoins instrumentaires, ainsi qu’il ressort de la combinaison des articles 971 et 972 du Code civil, cette assistance effective des témoins à l’ensemble des opérations, du début de la dictée à la clôture du testament, étant le seul moyen de mettre les témoins en mesure d’attester la sincérité et la spontanéité des déclarations du testateur; qu’au cas présent, il ressortait des sommations interpellatives des 9 et 11 mars 2006 que le testament du 11 janvier 2006 n’avait pas été dicté par la testatrice ni rédigé en présence des témoins instrumentaires; qu’il ressortait également des attestations de 2007 des témoins que ceux-ci n’avaient assisté le notaire qu’au moment de la lecture du testament du 11 janvier 2006; qu’il résultait de ces éléments que les formalités énoncées aux articles 971 et 972 du Code civil n’avaient pas été respectées.“ 653 Bahurel, Volontés 346. 654 Das notarielle Testament eines Erblassers, der aufgrund einer halbseitigen Lähmung und weiterer Folgeerscheinungen eines Hirnschlags nur noch vier Worte sprechen und sich mit Mimik verständigen konnte, wurde daher für nichtig erklärt. Er konnte es auf keinen Fall diktiert haben. Cass. civ. 4.6.2007, Bull. civ. I, n° 227. Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions Rn 430.
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öffentlichen Testament ist zurecht auf viel Kritik gestoßen655 und hat Anlass zu mehreren Reformvorschlägen gegeben, die für Sprechunfähige eine besondere, rein schriftliche Form vorgesehen hätten. Diese Gesetzesvorschläge haben imJahr 2015 zu einer Anpassung des Art. 972 franz. C. civ. geführt. Nach herrschender Lehre soll es auch in Italien nicht genügen, wenn der Erblasser seinen Willen nicht mündlich und spontan zum Ausdruck bringt, sondern durch ein einsilbiges Bejahen den bereits vorbereiteten Entwurf in Anwesenheit des Notars und der zwei Zeugen lediglich bekräftigt.656 Gemäß Art. 603 ital. C. civ. hat der Erblasser dem Notar seinen letzten Willen zu erklären.657 Daraus wird der (meist historisch begründete,658 aber vom Wortlaut her nicht zwingende) Schluss gezogen, dass dies mündlich659 und spontan zu geschehen habe. Reines Bejahen von Fragen, Zeichen oder andere Gesten genügen demnach nicht (non digitibus et motis aut per interrogationem).660 Zulässig soll aber jedenfalls sein, dass der Erblasser einen vom ihm selbst, vom Notar oder von einem Dritten bereits vorbereiteten Entwurf dem Notar vorliest oder als Vorlage für seine Erklärung verwendet.661 Für gehörlose und sprachunfähige Personen enthalten Artt. 56 f. der Notariatsordnung („Legge notarile“, L. 16.2.1913, Nr. 89 i.g.F.) Sondervorschriften, die diesen mithilfe eines Dolmetschers die Errichtung eines öffentlichen Testaments ermöglichen. In jedem Fall hat der Notar dafür zu sorgen, dass der Erblasser seinen letzten Willen spontan und unbeeinflusst von Dritten äußern kann. Daraus entspringt auch seine in der Lehre formulierte Pflicht, Dritte zu entfernen, die an der Errichtung des Testaments nicht mitwirken.662 Der spanische Gesetzgeber stellt in Art. 695 span. C. civ. ausdrücklich fest, dass die Erklärung des letzten Willens des Erblassers gegenüber dem Notar Vgl. z. B. Leroyer, Successions 190. Triola, Testamento 167; Bonilini, Manuale 346; Azzariti, Successioni 443; Messineo, Manuale 131. Diese Auslegung findet sich bereits unter dem vorhergehenden Codice civile aus 1865: Buniva, Delle successioni 249. 657 Bereits das erste italienische Gesetzbuch aus 1865 hatte abweichend vom französischen Vorbild nicht den Begriff „diktieren“, sondern „erklären“ verwendet. Damit sollte außer Zweifel gestellt werden, dass auch ein Erblasser testieren könne, der aufgrund seines Analphabetismus zu einem Diktat im engeren Sinne nicht in der Lage war. Buniva, Delle successioni 249. 658 Das öffentliche Testament wird auf das testamentum per aes et libram des römischen Rechts zurückgeführt, bei dem der Erblasser seinen Willen mündlich zu erklären hatte (nuncupatio, dazu Kaser, Römisches Privatrecht Bd. 1 679). Dieses Erfordernis hat sich über das französische Recht bis in das heutige italienische Recht gehalten. Vgl. Cass. 18.1.1929, Foro it., I, 1929, 310. Vgl. auch Azzariti, Successioni 443. 659 A. A. wohl nur Santarcangelo, La forma 246, der entsprechend dem Wortlaut („erklären“) jede Form der Kommunikation zulassen will. 660 Azzariti, Successioni 443. 661 Cass. 13.4.1960, Nr. 569 Giust. civ. 1960, I, 1997. 662 Santarcangelo, La forma 246. 655 656
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mündlich oder schriftlich zu erfolgen hat. Wird der letzte Wille dem Notar mündlich mitgeteilt, so muss der Erblasser eine spontane Erklärung abgeben. Nicht zulässig ist, dass der Notar versucht, durch Befragung des Erblassers den Inhalt des Testaments zu ermitteln.663 Eine schriftliche Erklärung kann dem Notar auch von Dritten übergeben werden, woraufhin der Notar das Testament niederschreibt und dieses sodann dem Erblasser vorliest oder von diesem selbst lesen lässt. Daraufhin muss der Erblasser auf Nachfrage eindeutig zum Ausdruck bringen, dass das Testament seinen letzten Willen enthält. Die ebenfalls anzubringende Unterschrift des Erblassers ersetzt diese Erklärung nicht.664 Die Anforderungen an diese Bekräftigung durch den Erblasser wurden von der Rechtsprechung dahingehend gelockert, dass auch Zeichen und Gesten und jede andere Willensäußerung genügen, sofern sie nur eindeutig zum Ausdruck bringen, dass der Erblasser mit dem zu beurkundenden Testament einverstanden ist.665 Hat der Notar das Testament aufgrund einer schriftlichen Erklärung des Erblassers oder eines Dritten im Namen des Erblassers angefertigt, muss er sich vor der Bekräftigung angemessen davon überzeugen, dass der Inhalt des Testaments auch dem Willen des Erblassers entspricht.666 Das Schweizer Recht sieht für die Errichtung eines öffentlichen Testaments zwei unterschiedliche Beurkundungsformen vor.667 Beim sogenannten Selbstlesungsverfahren (Artt. 500 f. ZGB) teilt der Erblasser dem Notar in beliebiger Form668 seinen Willen mit, woraufhin der Notar dem Erblasser die Urkunde zum Lesen übergibt und überwacht, dass dieser sie „ernstlich“ liest. Sobald der Erblasser die Urkunde gelesen hat, unterzeichnet er sie. Daraufhin unterzeichnet und datiert der Notar die Urkunde. Um der Urkunde die Wirkung einer letztwilligen Verfügung zu verleihen, muss der Erblasser nun in Gegenwart von zwei Zeugen und der Urkundsperson erklären, dass „er die Urkunde gelesen hat und sie seine letztwillige Verfügung enthält“. Diese Erklärung scheint auch durch bloße Bejahung einer entsprechenden Frage erfolgen zu können.669 Die Zeugen bestätigen sodann mit ihrer Unterschrift, dass der Erblasser diese Erklärung abgegeben hat und dass er nach ihrer
663 Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/Rivas Martínez, Art. 695 Código civ. Bd. II 422; Domínguez Luelmo Comentarios/de Zulueta Sagarra, Art. 695 Código civ. 817. 664 Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/Rivas Martínez, Art. 695 Código civ. Bd. II 428 f. 665 Vgl. zuletzt STS 21.3.2006 [RJ 2006/1590]. 666 Domínguez Luelmo Comentarios/de Zulueta Sagarra, Art. 695 Código civ. 817. 667 Dazu ausführlich Wolf/Genna, Erbrecht 222 ff. 668 Berner Kommentar/Weimar, Art. 500 ZGB 516. 669 Eine schriftliche Erklärung bzw. eine Erklärung durch Zeichen ist nach Zürcher Kommentar/Escher Art. 501 Rn. 4 zuzulassen. Es müssen allerdings immer auch die Zeugen von dieser Erklärung Kenntnis nehmen.
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Wahrnehmung verfügungsfähig war. Damit ist der Beurkundungsvorgang abgeschlossen. Die zweite Beurkundungsform ist das sogenannte Vorlesungsverfahren (Art. 502 ZGB). Wenn der Erblasser die Urkunde nicht selbst lesen und unterschreiben kann oder will,670 dann muss sie der Notar in Gegenwart von zwei Zeugen dem Erblasser vorlesen. Dieser erklärt daraufhin, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält. Das Testament braucht er nicht zu unterschreiben. Die Zeugen bestätigen sodann durch ihre Unterschrift, dass der Erblasser nach ihrer Wahrnehmung verfügungsfähig war, dass die Urkunde in ihrer Gegenwart dem Erblasser vorgelesen wurde und dass der Erblasser erklärt hat, dass es sich um seine Verfügung handelt. Schließlich wird die Urkunde datiert und vom Notar unterschrieben. Diese Beurkundungsform ermöglicht vor allem Blinden sowie Lese- und Schreibunkundigen die Errichtung eines öffentlichen Testaments. Empfohlen wird das öffentliche Testament in der Schweiz besonders Personen, die wegen Krankheit, Blindheit, Altersschwäche oder Schreibunfähigkeit ein eigenhändiges Testament nicht mehr errichten können.671 Der Erblasser kann sich bei dieser Testamentsform nämlich darauf beschränken, seinen Willen dem Notar zu erklären und schließlich zu bestätigen, dass die Urkunde seinen Willen enthält, ohne dass er hierfür (unter)schreiben muss. bb) Zeugen Ausgehend vom römischen testamentum per aes et libram hat sich in fast allen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen die Zeugenpflicht bei öffentlichen Testamenten erhalten. Den Zeugen werden bei der Errichtung öffentlicher Testamente unterschiedliche Funktionen zugesprochen. In Frankreich ist ihre Anwesenheit während des gesamten Errichtungsvorgangs erforderlich, insbesondere bei der Erklärung des letzten Willens gegenüber dem Notar. Sie können indes auch durch einen zweiten Notar ersetzt werden (Art. 971 franz. C. civ.). Dabei sind die Zeugen vor allem Solennitätszeugen. Ihnen wird aber auch die Funktion zugeschrieben darüber zu wachen, dass der in ihrer Anwesenheit erklärte Wille vom Notar richtig niedergeschrieben wird. Insofern kommt ihnen in Bezug auf den Errichtungsvorgang auch eine Kontrollfunktion zu. 672 Auch in Italien wird den Zeugen diese Kontrollfunktion zugeschrieben. Sie sollen besonders dafür sorgen, dass der Notar den Willen des Erblassers wiedergibt.673 In der Schweiz müssen Zeugen bestätigen, dass der Erblasser nach ihrer Wahr670 Einer besonderen Rechtfertigung bedarf er hierfür nicht. Diese Beurkundungsform steht somit allen Erblassern offen. BGer 26.9.1940, BGE 66 II 99, 102; Zürcher Kommentar/Escher Art. 501 Rn. 2; Berner Kommentar/Weimar, Art. 502 ZGB 527. 671 Wolf/Genna, Erbrecht (2012) 204. 672 Pintens, France and Belgium 62. 673 Santarcangelo, La forma 254.
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nehmung verfügungsfähig war und dass er erklärt hat, dass das von ihm gelesene oder ihm vorgelesene Testament seinen Willen enthält.674 Für all diese Aufgaben bedarf es freilich keiner Zeugen. Denn weder können sie überwachen, dass der Wille des Erblassers vom Notar korrekt niedergeschrieben wird, noch können sie sich, wie etwa in der Schweiz verlangt wird, ein Bild von den erforderlichen Voraussetzungen der Testierfähigkeit machen, um diese zu bestätigen. In vielen Rechtsordnungen wird den Zeugen daher keine besondere Funktion zugeschrieben. Sie haben vielmehr als Atavismus im Recht der Testamentsformen den Lauf der Zeit überdauert. Konsequent hat daher der deutsche Gesetzgeber mit dem Testamentsgesetz im Jahr 1938 und zuletzt 1991675 der spanische Gesetzgeber die Zeugenpflicht beseitigt.676 Zeugen stören die Vertraulichkeit des Testierens, und ihre zwingende Anwesenheit erschwert den Errichtungsakt ohne ihn gerade in Anwesenheit eines Notars sicherer zu machen. Wenn bereits der Notar als neutraler Garant für den Schutz und die Sicherung der Willensfreiheit des Erblassers eintritt, ist die Anwesenheit von Zeugen zum Schutz des Erblassers ebenso wie für den Beweis des Testierakts überflüssig. cc) Übergabe einer verschlossenen Schrift In den meisten untersuchten Rechtsordnungen gibt es neben der offenen notariellen Testierform auch die Möglichkeit, ein Testament durch Überreichung einer verschlossenen, dem Notar somit nicht bekannten Schrift zu errichten. Gerade bei dieser Testamentsform, die eine Zwischenform des privaten und des öffentlichen Testaments darstellt, werden nach deutschem Recht die geringsten Formanforderungen gestellt, denn die im verschlossenen Umschlag enthaltene Schrift muss weder vom Erblasser verfasst noch von diesem durch Unterschrift bekräftigt worden sein. Es genügt vielmehr die Erklärung des Erblassers gegenüber dem Notar, dass es sich bei der verschlossenen Schrift um sein Testament handle. Wie erwähnt kann diese Erklärung auch durch bloße Gesten erfolgen. Dagegen verlangen alle hier berücksichtigten ausländischen Rechtsordnungen notwendig zumindest eine Unterschrift des Erblassers auf dem verschlossenen Schriftstück. Während nach österreichischem und französischem Recht eine einzige Unterschrift unter der verschlossenen Schrift genügt (§ 587 ABGB; Art. 976 Abs. 2 franz. C. civ.), unterscheidet das italienische Recht zwischen eigenhändig verfassten und fremdhändig oder mechanisch verfassten verschlossenen Testamenten. Während bei eigenhän-
Wolf/Genna, Erbrecht 225. Ley 30/1991, de 20 diciembre, de modificación del Código Civil en materia de testamentos. 676 Damit sollte mehr Diskretion für einen so persönlichen Akt wie die Errichtung des Testaments geschaffen werden. Cámara Lapuente, Spain 87. 674 675
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dig verfassten verschlossenen Schriften ebenfalls nur eine Unterschrift am Ende ausreicht, bedarf es für nicht eigenhändig und somit von Dritten oder maschinenschriftlich verfasste Schriftstücke einer Unterschrift auf jeder halben Seite. Ausgeschlossen von dieser Errichtungsform sind nach italienischem und französischem Recht Leseunfähige, denn bei ihnen ist nicht sichergestellt, dass sie Kenntnis des Inhalts des Testaments erlangen können (Art. 978 franz. C. civ.; Art. 604 Abs. 3 ital. C. civ.). In Deutschland dürfen minderjährige Testierfähige sich dieser Errichtungsform nicht bedienen, weil der Notar dabei die Willenserklärung nicht überwachen und den Minderjährigen nicht beraten kann (§ 2233 Abs. 1 BGB). Leseunfähigkeit hindert ebenfalls die Errichtung eines notariellen Testaments durch Überreichung einer verschlossenen (und offenen) Schrift. In Frankreich und Italien hat diese hybride Testamentsform in der Praxis keine große Bedeutung677 erlangt und auch in anderen Ländern findet sie kaum Anwendung.678 Der Grund hierfür wurde treffend damit auf den Punkt gebracht, dass die Übergabe einer verschlossenen Schrift die Nachteile der öffentlichen und der privaten Testamentsformen in sich vereine.679 Das mag zwar etwas überzeichnet sein, denn im Gegensatz zum eigenhändigen Testament, hat das verschlossene Testament immerhin den Vorteil, dass es vom Notar angenommen und aufbewahrt wird, und im Gegensatz zum öffentlichen Testament, stellt es sicher, dass weder der Notar noch die Zeugen Kenntnis vom Inhalt des Testaments erlangen können. Es trifft aber durchaus zu, dass derjenige, der sein Testament mithilfe eines Notars errichten möchte, dies in aller Regel auch mit dessen Beratung machen will und daher offen testiert. Will er seinen letzten Willen dagegen geheim halten, dann wird er ein eigenhändiges Testament errichten und kann es dann zur Sicherheit immer noch in amtliche oder notarielle Verwahrung geben. 680 Ein spezifischer Bedarf für die Errichtung eines verschlossenen Testaments besteht daher wohl tatsächlich nicht.681 Das Schweizer Recht kennt denn auch diese Testamentsform überhaupt nicht, ohne dass dies in der Praxis als ein Mangel empfunden würde. 677 Für Frankreich: Jubault, Les successions 512; Malaurie/Aynès, Les successions 269; für Italien: Andrea Genovese, Testamento segreto 1368; Triola, Testamento 213. 678 Reid/de Waal/Zimmermann, Testamentary Formalities 450. 679 Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions Rn. 440; Leroyer, Successions 193; Reid/de Waal/Zimmermann, Testamentary Formalities 450. 680 Deutschland: § 2248 BGB; Österreich: 104 Notariatsordnung; Schweiz: Art. 505 Abs. 2 ZGB; Frankreich: Art. 1 Notariatsordnung (Ordonnance n° 45-2590 du 2 novembre 1945 relative au statut du notariat); Italien: Art. 1, Nr. 1 Regio decreto legislativo 14 luglio 1937 (Anwesenheit von Zeugen ist bei der Verwahrung von Privaturkunden erforderlich); Spanien: Artt. 216 f. Reglamento notarial (Decreto 2 junio 1944, por el que se aprueba con carácter definitivo el Reglamento de la organización y régimen del Notariado). 681 Dagegen meint Jubault, Les successions 512, dass das geheime Testament des französischen Rechts gerade jenen zugutekommen könnte, die zwar noch im Besitz ihrer geistigen Kräfte seien, ihr Testament aber nicht mehr eigenhändig niederschreiben oder münd-
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dd) Fazit Das deutsche Recht stellt an die Form des notariellen Testaments die durchwegs geringsten Anforderungen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Willenserklärung des Erblassers. Die deutschen Gerichte hatten schon sehr lange vor der Gesetzesänderung im Jahr 2002 auf die Fähigkeit des Erblassers zu einer „zusammenhängenden Rede“ verzichtet. Daher sind nach deutschem Recht Testamente auch dann noch zu beurkunden, wenn sie von Dritten verfasst wurden und der Erblasser sie nur noch gehaucht bejahen kann, seinen Willen nur durch Beantwortung von Fragen mitteilen oder – seit 2002 – seine Zustimmung zum von Dritten vorgefertigten Text überhaupt nur noch durch Mimik oder Gestik bekunden kann. Durch dieses kontinuierliche Absenken der Anforderungen an die Förmlichkeit der Erklärung des Erblasserwillens erweist sich die Sicherung der selbstbestimmten Willensäußerung des Erblassers im Rahmen der öffentlichen Testamentsform als praktisch unmöglich. Sehr weit geht auch das spanische Recht, das gemäß Art. 695 span. C. civ. beim notariellen Testament ebenso eine schriftliche Erklärung des Erblassers zulässt und sich nach der Rechtsprechung für die Erklärung auch mit einer eindeutig zustimmenden Geste begnügt, mögen den Notar auch besondere Pflichten treffen, die Authentizität des Entwurfs zu überprüfen. Im Schweizer Recht gibt es im Vorverfahren für die Erklärung des letzten Willens gegenüber dem Notar keine Formvorschriften, sodass etwa auch ein von einem interessierten Dritten verfasster Entwurf dem Notar als letzter Wille des Erblassers übergeben werden kann. Im Selbstlesungsverfahren prüft dann der Notar, ob der Erblasser die Urkunde liest und befragt ihn, ob er sie verstanden hat und ob sie seinen letzten Willen enthält. Beim Vorlesungsverfahren wird dem Erblasser das Testament vorgelesen und dieser hat zu bestätigen, dass es sich um seinen letzten Willen handelt. Auch diese Vorschriften sichern nur sehr beschränkt die selbstbestimmte Willenserklärung des Erblassers, denn dieser kann die jeweiligen Fragen (Haben Sie verstanden? Ist das Ihre Verfügung?) auch bloß bejahen, ohne jemals seinen letzten Willen zusammenhängend erklären zu müssen. Im Gegensatz dazu fällt besonders die strenge französische Regelung auf. Aus Sorge darüber, dass der Erblasser von Dritten in seinem Willen beeinflusst wird, sind weder Schriften noch Fragen zur Ermittlung des letzten Willens des Erblassers beim notariellen Testament zulässig. Der Erblasser hat dem Notar seinen letzten Willen zu diktieren. Wenn auch für sprachunfähige Personen unbedingt ein Alternativverfahren in Art. 972 franz. C. civ. zu schaffen war, wird doch durch diese strenge Formvorschrift sichergestellt, lich diktieren können. Am testament mystique wurde jedoch festgehalten: Carbonnier/ Catala/de Saint-Affrique/Morin, Liberalités 59 f. (ohne weitere Begründung). Dem folgte der Gesetzgeber bei der Reform im Jahr 2006: Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions Rn. 440.
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dass der Erblasser selbst den Inhalt des Testaments bestimmt. Damit ist Fremdbestimmung zwar auch nicht gänzlich ausgeschlossen, ihre Verwirklichung ist aber im Vergleich zum deutschen Recht wesentlich erschwert, denn eine Bejahung oder eine zustimmende Geste sind leichter zu erringen, als eine in sich geschlossene Willensbekundung des Erblassers. Auch im italienischen Recht wird eine mündliche Erklärung des Erblassers gefordert, die über eine bloße Bejahung hinausgehen muss. Der Erblasser muss dem Notar persönlich und mündlich erklären, welche Anordnungen in sein Testament aufgenommen werden sollen. Einen schriftlichen Entwurf kann der Erblasser zwar verwenden, er muss ihn aber mündlich vorlesen. Das österreichische Recht lässt für alle Testamentsformen ein „bloßes Bejahen“ als Erklärung des Erblassers nicht genügen (§ 565 ABGB). Dabei ist das österreichische aber nicht so streng wie das französische Recht, sodass lediglich eine beschränkte Wirksamkeit gegen Fremdbestimmung besteht. Der Erblasser muss nämlich den Testamentsinhalt nicht vollinhaltlich wiedergeben. Vielmehr genügt es, wenn er erklärt, dass er den verlesenen Text verstanden hat und dass es sich um seinen letzten Willen handelt. Wird ihm sein eigener Testamentsentwurf vorgelesen, genügt sogar eine bloße Bejahung. Die Anwesenheit von Zeugen verbessert bei einem notariellen Testament den Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung nicht, denn es ist Aufgabe des Notars, die Willensfreiheit des Erblassers vor äußeren Einflüssen zu sichern. Die Zeugen können diese Aufgabe nicht erfüllen. Dass Deutschland und Spanien auf die Zeugenpflicht verzichtet haben, bedeutet daher keinen geringeren Schutz vor Fremdbestimmung. Dessen ungeachtet halten die meisten hier betrachteten Rechtsordnungen am Zeugenerfordernis fest. Für altersbedingt geschwächte Erblasser, die leicht Opfer von Fremdbestimmung werden können, birgt das verschlossene Testament besondere Gefahren in sich. Dies gilt vor allem in Deutschland, weil hier auch eine Schrift zum Testament erklärt werden kann, die der Erblasser nicht selbst verfasst, die er nicht unterschrieben und die er möglicherweise auch noch nie gesehen hat. Dagegen fordern alle hier betrachteten Rechtsordnungen, die eine Testamentserrichtung durch Übergabe einer verschlossenen Schrift kennen, eine Bekräftigung der Schrift durch zumindest eine Unterschrift des Erblassers. Damit wird die Gefahr der Unterschiebung eines fremden Testaments im Gegensatz zum deutschen Recht bereits durch die Formvorschriften erheblich eingeschränkt. c) Ergebnis Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die Anwesenheit eines Notars, seine Unabhängigkeit und seine Prüf- und Beratungspflichten grundsätzlich dazu geeignet wären, den Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung vor dem Einfluss durch Dritte zu schützen. Die geringen gesetzli-
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chen Anforderungen an die Form der Erklärung des letzten Willens und die offenkundige Absicht von Gesetzgeber und Rechtsprechung, die Errichtung eines Testaments auch dann noch zu ermöglichen, wenn der Erblasser selbst zu einer zusammenhängenden Mitteilung seines Willens nicht mehr in der Lage ist, verhindern allerdings, dass diese Schutzfunktion erfüllt werden kann. Ausdrückliche Vorschriften über das Verbot der Anwesenheit interessierter Dritter während der Errichtung des Testaments gibt es weder in Deutschland noch in einer anderen Rechtsordnung. In der Lehre wird allerdings darauf hingewiesen, dass durch die Anwesenheit Dritter, nicht am Errichtungsakt mitwirkender Personen, auf den Erblasser unzulässiger Druck ausgeübt werden kann und diese daher zur Sicherung der Spontanität und Freiheit des Erblasserwillens während der Errichtung aus dem Raum zu weisen sind. Von zentraler Bedeutung ist die selbstbestimmte Erklärung des Erblasserwillens, die nur dann gewährleistet ist, wenn der Erblasser seinen Willen frei von äußeren Einflüssen selbst umfänglich erklärt. Die Anwesenheit von Zeugen kann diesbezüglich sogar kontraproduktiv wirken, weil mit ihnen Dritte am Errichtungsvorgang beteiligt werden, die für den Notar unerkennbar (psychischen) Druck auf den Erblasser ausüben können. Die Ermittlung des Erblasserwillens durch Befragung des Erblassers und bloßes Bejahen genügt nicht. Insofern ist der Mehrheit der untersuchten Rechtsordnungen zu folgen, die zur Sicherung des Erblasserwillens mehr verlangen als die bloße Bejahung, denn eine zustimmende Geste (sei sie ein Wort oder ein Verhalten) sagt zu wenig darüber aus, ob der Erblasser das ihm Vorgelesene oder Vorgetragene wirklich verstanden hat und ob er tatsächlich die Gesamtheit des ihm Verlesenen will oder nur einen Teil davon. Zur Sicherstellung einer möglichst selbstbestimmten Willensäußerung ist daher die französische Lösung am besten geeignet, da der Erblasser seinen Willen stets selbst zu formulieren hat und er somit von ihm selbst gebildet werden muss. Problematisch an dieser Lösung ist lediglich, dass das französische Recht für alle Fälle von Behinderungen oder Unkundigkeiten (Lese-/Schreibunkundigkeit), die gerade mit steigendem Alter und damit wachsendem Testierbedarf zunehmen, bis dato keine alternativen Kommunikationsformen anerkennt. Auf die Testamentserrichtung durch Übergabe einer verschlossenen Schrift sollte aufgrund der hohen Gefährdung des Erblasserwillens bei dieser Errichtungsform und aufgrund der gleichzeitig geringen praktischen Bedeutung in jedem Fall ganz verzichtet werden. Will man diese Errichtungsform dennoch beibehalten, wäre zumindest eine Bestätigung der Authentizität (Unterschrift) unter dem verschlossenen Testamentstext zu fordern. 7. Schutz vor Fremdbestimmung bei gemeinschaftlichen Testamenten Die gegenüber dem gemeinschaftlichen Testament geäußerten Bedenken im Hinblick auf die Selbstbestimmtheit der Willensäußerung der Erblasser sind
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ein seit Langem bekannter Gemeinplatz. In der Lehre wurde darauf hingewiesen, dass gerade bei einem gemeinschaftlichen eigenhändigen Testament „der zielbewusste Ehegatte dem anderen seinen eigennützigen letzten Willen als gemeinsamen“ aufnötigen und „dessen Liebe, Harmlosigkeit oder Friedensbedürfnis“ ausnützen könne.682 Bedenken in diese Richtung hatten schon die Erste683 und die Zweite684 Kommission während der Vorarbeiten zum BGB geäußert. Die in Frankreich in den späten 1970er Jahren aufgekommene Forderung nach Zulassung des gemeinschaftlichen Testaments wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass zum Schutz der Testierfreiheit des Erblassers das Verbot gemeinschaftlicher Testamente aufrecht bleiben müsse. Die Testierfreiheit würde beeinträchtigt, wenn der Erblasser durch gemeinsames Testieren der Beeinflussung des Mittestators ausgesetzt wäre. Letztwillige Verfügungen müssten frei von jedem auch nur psychischen Druck errichtet werden und müssten daher bis zum Tod frei widerruflich bleiben. Dies sei beim gemeinschaftlichen Testament nicht gewährleistet.685 Zu untersuchen ist somit die Frage, ob die für das gemeinschaftliche Testament vorgesehene Form geeignet ist, diese dem gemeinschaftlichen Testament inhärente Gefahr der Fremdbestimmung zu beschränken bzw. ob Formvorschriften bei dieser Errichtungsform überhaupt dazu beitragen können, die Willensfreiheit der gemeinschaftlich testierenden Erblasser zu sichern.
Lange/Kuchinke, Erbrecht 420. Mugdan V 133 (Motive V S. 253): „Nicht selten besteht eine erhebliche Schwierigkeit, den wirklichen Willen der Verfügenden zu ermitteln.“ 684 Mugdan V 721 (Protokolle V S. 7342): „Im Übrigen lasse sich nicht verkennen, daß für die Echtheit und Ernstlichkeit des Willens desjenigen Theiles, welcher nur die Bestätigung beifüge, nicht völlig Garantie geboten sei, was um so mehr Bedenken hervorrufen müsse, als gerade die Frau regelmäßig der Theil sein werde, welcher lediglich bestätige, die Gefahr also naheliege, daß die Frau nicht genügend vor dem Übergewichte des Mannes geschützt sei.“ 685 Beantwortung einer Anfrage im Senat, abgedruckt in Journal officiel Nr. 113 S. (Débats paralmentaires Sénat) vom 14.12.1979, 5424: „Les dispositions de dernière volonté doivent être prises hors de toute contrainte, même morale, et demeurer libres jusqu’au décès. C’est pourquoi le testament est un acte personnel, unilatéral et essentiellement révocable. On considère traditionnellement que ces caractères, qui conduisent à nuancer toute référence comparative à la donation, commandent la prohibition des testaments conjonctifs. Cette interdiction tend à préserver la liberté des testateurs, qui serait compromise si ceux-ci pouvaient être exposés à l’influence d’une personne avec laquelle ils rédigeraient conjointement leur testament.“ Eine ähnlich Anfrage in der Nationalversammlung wurde einige Jahre später mit Verweis auf diese Begründung ebenso abgelehnt. Journal officiel Nr. 17 A.N. (Q) (Débats parlamentaires Assemblée Nationale) vom 25.4.1983, 1921. Zum Verbot von gemeinschaftlichen Testamenten im französischen Recht unter Hinweis auf die Wahrung der Testierfreiheit Malaurie/Aynès, Les successions Rn. 472; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions Rn. 412. 682 683
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a) Das gemeinschaftliche Testament Als gemeinschaftliches Testament werden Testamente mehrerer Personen bezeichnet, die gemeinsam letztwillige Verfügungen getroffen haben. Die im spätmittelalterlichen Recht entstehende Praxis unter Ehegatten, über ihr Vermögen auf den Todesfall gemeinsam zu verfügen, wurde von der gemeinrechtlichen Lehre als mit dem tradierten römischen Recht vereinbar anerkannt686 und setzte sich damit in einer Reihe (vor allem germanisch geprägter) Rechtsordnungen687 durch, wo sie sich bis in die heutige Zeit durch hält. Die Zulässigkeit der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments war allerdings über lange Zeit lediglich ein Formprivileg.688 Gemeinschaftlich zu testieren bedeutete nämlich im Wesentlichen nur, dass von den Formvorschriften Abstriche gemacht wurden, sodass im Rahmen einer Verhandlung mehrere Testamente parallel errichtet werden konnten, ohne dass für jedes einzelne davon ein eigener Errichtungsakt erforderlich war. Dagegen war jeder Erblasser unabhängig vom anderen berechtigt, seine Verfügungen jederzeit zu widerrufen. Für wechselseitige Verfügungen setzte sich erst später eine gewisse lebzeitige Bindung gemeinschaftlicher Testamente nach dem Tod eines der Erblasser durch, womit gemeinschaftliche Testamente in die Nähe der Erbverträge gerückt wurden (§ 2271 BGB).689 Die Vorteile gemeinsamen Testierens bestehen heute einerseits in der erleichterten Form und andererseits in der beschränkten lebzeitigen Bindung, die ein gemeinschaftliches Testament entfalten kann. Gemeinschaftliche Testamente werfen eine Vielzahl von Auslegungsfragen auf.690 Auch deshalb sprach sich die Erste Kommission im Rahmen der Kipp/Coing, Erbrecht 215. Für einen Überblick vgl. Röthel, Gutachten 68. DJT A68. Nicht zulässig ist das gemeinschaftliche Testament im romanischen Rechtskreis (vgl. etwa Frankreich: Art. 968 C. civ.; Italien: Art. 589 C. civ.). Ausnahmen hiervon bilden lediglich einzelne, von germanischen Rechtstraditionen beeinflusste Foralrechtsordnungen Nordspaniens: Galizien (Ley 2/2006, de 14 de junio, de derecho civil de Galicia, Artt. 187–195); Aragonien (Decreto Legislativo 1/2011, de 22 de marzo, del Gobierno de Aragón, por el que se aprueba, con el título de „Código del Derecho Foral de Aragón“, el Texto Refundido de las Leyes civiles aragonesas, Art. 406 Abs. 3 ff.); Baskenland (Ley 3/1992, de 1 de julio, del Parlamento Vasco, del Derecho Civil Foral del País Vasco, Artt. 49–52, Artt. 172–178); Navarra (Ley 1/1973, de 1 de marzo, por la que se aprueba la Compilación del Derecho Civil Foral de Navarra, Artt. 199 ff.). 688 Kipp/Coing, Erbrecht 216. 689 Kipp/Coing, Erbrecht 215. Daher auch die Kritik der Ersten Kommission während der Vorarbeiten zum BGB, wonach das gemeinschaftliche Testament „eine unklare Mitte zwischen Erbvertrag und Testament“ halte. Mugdan V 133 (Motive V S. 253). Die Rechtsentwicklung, die solche Testamente begünstigt habe, könne nur als „eine abwegige bezeichnet werden“. Mugdan V 135 (Motive V S. 256 f.) 690 Zu diesen im Einzelnen vgl. Muscheler, Erbrecht Bd. 1 1048 ff. Vgl. bereits Mugdan V 871 (Denkschrift S. 281): „Erfahrungsgemäß sind gemeinschaftliche Testamente die 686 687
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Vorarbeiten zum BGB gegen eine Aufnahme dieser Testierform in das BGB aus.691 „Die Gewohnheit in weiten Kreisen“692 solche Testamente zu errichten, bewog die Zweite Kommission schließlich aber doch, das gemeinschaftliche Testament zuzulassen. Sie beschränkte es aber immerhin auf einhelligem Antrag wie im österreichischen Recht (§§ 583, 1248 ABGB) auf Ehegatten.693 Heute ist es in Österreich neben Ehegatten auch Lebenspartnern im Rahmen der Lebenspartnerschaft zugänglich (§ 10 Abs. 4 S. 1 LPartG, vgl. nunmehr § 586 Abs. 2 ABGB, neue Fassung ab 1.1.2017). Das gemeinschaftliche Testament ist nach geltendem Recht nicht notwendig in einer Urkunde enthalten.694 Vielmehr kommt es darauf an, dass die Erblasser aufgrund eines gemeinsamen, aus den Verfügungen erkennbaren Entschlusses gehandelt haben.695 Dabei können sie auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlicher Form verfügt haben.696 Für die hier zu behandelnde Problematik der Gefahr der Willensbeeinflussung bei gemeinschaftlichen Testamenten durch einen Ehegatten ist jedoch vor allem das praktisch bedeutendste, mittels einer einheitlichen Urkunde von beiden Ehegatten errichtete gemeinschaftliche Testament zu behandeln. b) Formerleichterungen beim gemeinschaftlichen eigenhändigen Testament Im Gegensatz zum Erbvertrag, der zwingend notariell zu beurkunden ist (§ 2276 BGB), steht den Erblassern für das gemeinschaftliche Testament jede ordentliche und außerordentliche Testamentsform zur Wahl. Daraus folgt insbesondere, dass das gemeinschaftliche Testament auch in der Form eines eigenhändigen Testaments errichtet werden kann, was unter dem Aspekt der Gefahr der unzulässigen Beeinflussung und der Ausübung von Druck auf einen der beiden Erblasser sich besonders problematisch erweist. Die Zweite Kommission nahm diese Gefahr jedoch bewusst in Kauf und sah allein darin keinen „zwingenden Grund“, das eigenhändige Testament, wenn man es überhaupt Quelle häufiger Rechtsstreitigkeiten; ihre Zulassung ist daher nur insoweit gerechtfertigt, als sie durch ein unabweisbares Bedürfnis gefordert wird. Ein solches Bedürfnis besteht, wie namentlich die Entwickelung in den Gebieten des gemeinen Rechtes zeigt, für Ehegatten.“ 691 Mugdan V 135 (Motive V S. 257): „Abgesehen davon, dass sie von jeher eine Quelle von Rechtsstreitigkeiten gebildet haben, ist vielfach schon der Umstand daß die Verfügungen des überlebenden Gatten der Öffentlichkeit nicht enzogen werden konnten als ein Übel empfunden worden. Aufgabe einer neuen Gesetzgebung ist es, die Betretung des rechten Weges anzubahnen“. 692 Mugdan V 719 (Protokolle V S. 7338). 693 Dagegen war in der gemeinrechtlichen Lehre eine solche subjektive Beschränkung des gemeinschaftlichen Testaments noch nicht vertreten worden. Windscheid, Pandektenrecht Bd. 3 114 f. 694 Brox/Walker, Erbrecht Rn. 176 (S. 106 f.); Lange/Kuchinke, Erbrecht 428 f. 695 Muscheler, Erbrecht Bd. 1 1059. 696 Brox/Walker, Erbrecht Rn. 176 (S. 107).
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zulassen wollte, als Errichtungsform für das gemeinschaftliche Testament auszuschließen.697 Entgegen einer verbreiteten Meinung war es daher kein Versehen,698 als mit der Aufnahme des eigenhändigen Testaments durch den Reichstag diese Form auch auf das gemeinschaftliche Testament erstreckt wurde. Die Formerleichterungen für das eigenhändige gemeinschaftliche Testament bestehen gemäß § 2267 BGB darin, dass ein Ehepartner das Testament nach den Vorschriften des § 2247 BGB wie sein eigenes Testament errichten kann. Der zweite Erblasser muss das Testament weder noch einmal schreiben, noch die eigenen Verfügungen schriftlich wiederholen.699 Es genügt, wenn er das vom anderen Ehepartner handgeschriebene und unterschriebene Testament mit Orts- und Zeitangabe versieht und schließlich mitunterschreibt. Für den zweiten Erblasser handelt es sich bei dem nach § 2267 BGB errichteten Testament um ein für einseitige Testamente unzulässiges fremdhändiges Privattestament, für dessen Errichtung überdies keine Zeugenpflicht besteht, wie sie sonst bei fremdhändigen Privattestamenten in anderen Rechtsordnungen üblich ist. Die ursprüngliche Fassung des § 2267 BGB sah vor, dass der zweite Erblasser, neben der Unterschrift und der Orts- und Zeitangabe, auch handschriftlich bestätigen musste, dass das Testament als sein Testament gelten solle. Da in der Praxis eigenhändiger gemeinschaftlicher Testamente diese Zusatzerklärung häufig gefehlt hatte, entschied der Erbrechtsausschuss, dieses Zusatzerfordernis im Zuge des Abbaus der testamentarischen Formvorschriften zu streichen.700 Damit wurde die Hoffnung verbunden, dass künftige gemeinschaftliche Testamente nicht mehr an „belanglosen Formvorschriften“ scheitern würden.701 Ob es sich bei dieser Zusatzerklärung aber tatsächlich um eine „belanglose Formvorschrift“ handelte, ist ernsthaft zu bezweifeln. Denn damit war doch zumindest sichergestellt, dass der mitunterschreibende Erblasser über seine Unterschrift hinaus auch durch eine entsprechende eigene Erklärung zum Ausdruck brachte, dass er sich den Inhalt des vom anderen Ehegatten verfassten Testaments zu eigen machen wollte, mögen auch die Bedenken, über die „Echtheit und Ernstlichkeit des Willens desjenigen Theiles, welcher nur die Bestätigung beifüge“702 dennoch Mugdan V 721 (Protokolle V S. 7342). So aber Kipp/Coing, Erbrecht 216; Muscheler, Erbrecht Bd. 1 1047. 699 Die zweite Kommission bemerkte zu einem entsprechenden Antrag, dass das eigenhändige Testament von jedem Ehegatten vollständig geschrieben sein müsse, dass dies nicht gebilligt werden könne, „da bei Annahme dieses Vorschlages nicht ein sondern zwei Testamente vorlägen.“ Mugdan V 720 (Protokolle V S. 7342). 700 Lange, Denkschrift 60: „Vor allem aber muss die verfehlte Vorschrift des § 2267 geändert werden. Hier soll, wie der Erbrechtsausschuss einstimmig beschlossen hat, die einfache Unterschrift des anderen Ehegatten genügen, wenn sich die Gegenseitigkeit aus dem Inhalte der Verfügung ergibt.“ 701 Vogels, DJ 1938, 1270. 702 Mugdan V 721 (Protokolle V S. 7342). 697 698
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aufrecht geblieben sein. Mit dem TestG wurde diese Bestätigung aber aufgegeben, sodass nun allein die Unterschrift die „Miturheberschaft“ am Testament anzeigt. Denkbar ist somit auch, dass ein Ehepartner (unter Druck) eine Blankounterschrift an das Ende eines Blattes Papier setzt und den anderen entsprechend verfügen lässt. Mag auch nach einhelliger Ansicht ein solches Testament nicht formgültig zustande gekommen sein, weil die zweite Unterschrift zeitlich der Niederschrift des Testamentstextes folgen muss,703 lässt sich in der Praxis die tatsächliche Vermutung für ein formgültiges Zustandekommen nur bei begründetem Verdacht entkräften. Eine bloße Behauptung genügt jedenfalls nicht.704 Die Formerleichterung des § 2267 BGB gilt sogar dann, wenn es sich beim gemeinschaftlichen Testament lediglich um ein gleichzeitiges Testament (testamentum mere simultaneum) handelt, ohne dass eine Gegenseitigkeit oder Wechselbezüglichkeit erforderlich wäre.705 Es kann also jeder Ehegatte jeweils eine bestimmte Person zum Universalerben einsetzen. Für das gemeinschaftliche Testament genügt, wenn die Ehepartner gemeinsam testieren wollen (sog. Testiergemeinschaft). Damit kann der dominante Ehepartner grundsätzlich für den anderen testieren und ihm auf diese Weise faktisch seine Testierfreiheit entziehen. c) Zwischenergebnis Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass die Entscheidung für ein gemeinschaftliches Testament im deutschen Schrifttum wiederholt als rechtspolitisch verfehlt bewertet wurde.706 Dies ist nicht nur mit der Vielzahl von Streitfragen zu begründen, die das gemeinschaftliche Testament unvermeidlich aufwirft, sondern vor allem damit, dass es eine besondere Gefahr für die Willensfreiheit der beteiligten Erblasser darstellt. Die FormerleichterunOLG Hamm 19.10.1992, NJW-RR 1993, 269. OLG Hamm 19.10.1992, NJW-RR 1993, 269, 270: „Würde man es zulassen, dass die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen eigenhändigen Ehegattentestamentes allein durch die unbewiesene Behauptung, der mitunterzeichnete Ehegatte habe lediglich eine Blankounterschrift geleistet, mit Erfolg in Zweifel gezogen werden könnte, würde auf diese Weise die dem Ehegatten in § 2267 S. 1 BGB gewährte Formerleichterung praktisch entwertet.“ 705 Brox/Walker, Erbrecht Rn. 186 (S. 111); Staudinger/Kanzleiter, Vorbem. zu §§ 2265 ff. BGB Rn. 36. 706 Muscheler, Erbrecht Bd. 1 1047 „rechtspolitisch […] zu verwerfen“); kritisch auch Lange/Kuchinke, Erbrecht 419 f.; Staudinger/Kanzleiter, Vorbem. zu §§ 2265 ff. BGB Rn. 54 („Der Schaden dieses Rechtsinistuts scheint insgesamt größer als sein Nutzen“); Anne Röthel, Ist unser Erbrecht noch zeitgemäß? in Verhandlungen des 68. Deutschen Juristentages, Gutachten A1 (2010) A71 (für die gänzliche Abschaffung). Für eine Abschaffung dieser „abwegigen Rechtsentwicklung“ auch schon die erste BGB-Kommission Mugdan V 135 (Motive V S. 256 f.). 703 704
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gen für das eigenhändige gemeinschaftliche Testament gemäß § 2267 BGB verschärfen diese Gefahr.707 Von einem Schutz durch Form beim deutschen gemeinschaftlichen eigenhändigen Testament kann daher keine Rede sein. Wenn indes aufgrund der großen Popularität des gemeinschaftlichen Testaments in Deutschland schon nicht an eine Abschaffung dieser Testamentsform zu denken ist, müsste doch mindestens durchgesetzt werden, dass zum Schutz der Willensfreiheit der beteiligten Erblasser die eigenhändige Form für das gemeinschaftliche Testament aufgegeben wird.708 Die Gefahren für die selbstbestimmte Willensbildung, die mit dieser Formerleichterung für den schwächeren Teil der Ehepartner einhergehen, sind – neben der bei dieser Form mangelnden Beratung über mögliche lebzeitige Bindungswirkungen wechselbezüglicher Verfügungen – Grund genug, um sich zumindest von diesem Formprivileg zu trennen. d) Schutz durch Form? Ein Blick über Deutschland hinaus zeigt, dass in einzelnen Rechtsordnungen, in denen das gemeinschaftliche Testament zulässig ist, versucht wurde, über Eingriffe in die Formvorschriften einen besseren Schutz der Selbstbestimmungsfreiheit der beteiligten Erblasser zu erreichen. Im österreichischen Recht ist kein Formprivileg wie in § 2267 BGB für gemeinschaftliche Testamente vorgesehen, sodass die eigenhändige Form von vornherein ausscheidet, weil die nach österreichischem Recht für ein gemeinschaftliches Testament erforderliche Gemeinsamkeit des Textes nicht erfüllt werden kann. Der von einem Ehegatten eigenhändig verfasste und von beiden Ehegatten unterschriebene Text ist daher für denjenigen ungültig, der lediglich unterschrieben hat.709 Die eigenhändige Testamentsform ist auch für die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in den Foralrechtsgebieten Nordspaniens ausgeschlossen. So verbietet etwa Navarra das eigenhändige Testament ausdrücklich als Errichtungsform für gemeinschaftliche Testamente und fordert die öffentliche Errichtungsform.710 Im Großteil des Gebiets des Baskenlands wird 707 Vgl. etwa zuletzt den Fall einer schwerkranken Erblasserin, die in einem eigenhändigen gemeinschaftlichen Testament ihren Ehemann aus zweiter Ehe unter Übergehung ihrer Kinder aus erster Ehe als Alleinerben eingesetzt haben soll. Weil Zweifel an der Echtheit der Unterschrift der Erblasserin verblieben, wurde das Testament nicht als gültig anerkannt. OLG Düsseldorf 17.11.2014, FamRZ 2015, 874. 708 Für eine Abschaffung der eigenhändigen Testierform beim gemeinschaftlichen Testament Staudinger/Kanzleiter, Vorbem. zu §§ 2265 ff. BGB Rn. 54; Röthel, Gutachten 68. DJT A71; gegen das Formprivileg auch Muscheler, Erbrecht Bd. 1 1047. 709 Winfried Kralik, Erbrecht (1982) 142; Eccher, Erbrecht Rn. 4/53; OGH 21.11.1928, 2Ob1029/28; OGH 29.3.2006, 7Ob292/05z 2. 710 Art. 199 Abs. 2 Ley 1/1973, de 1 de marzo, por la que se aprueba la Compilación del Derecho Civil Foral de Navarra.
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ebenfalls ein notarielles Testament verlangt, womit indes auch das verschlossene Testament gemeint ist.711 Die strengsten Formvorschriften gelten im baskischen Teilgebiet Gipuzkoa sowie in Galizien, wo das gemeinschaftliche Testament erst seit 1995 bzw. seit 2006 erlaubt ist. Dort kann ein gemeinschaftliches Testament ausschließlich offen notariell errichtet werden.712 Dieser Errichtungsform unterliegt auch der Widerruf durch einen der Ehegatten, der erst mit Mitteilung an den anderen Ehegatten wirksam wird.713 In Aragonien lässt man zwar das eigenhändige Testament als Errichtungsform für das gemeinschaftliche Testament zu, verlangt aber wie in der ursprünglichen Fassung des § 2267 BGB neben der Unterschrift des zweiten Ehegatten auch seine Erklärung, dass das vom anderen handgeschriebene Testament auch als seines gelten soll. Darüber hinaus wird verlangt, dass der Erblasser, der das Testament nicht selbst geschrieben hat, auf jeder Seite und am Ende des Testaments unterschreibt.714 Besondere Vorschriften gelten auch für die Errichtung eines verschlossenen gemeinschaftlichen Testaments. Ist dieses von einem Erblasser eigenhändig verfasst, dann hat der andere Erblasser es auf jeder Seite und am Ende zu unterschreiben. Das verschlossene Testament übergeben die Erblasser sodann dem Notar mit der ausdrücklichen Erklärung, dass es sich um ihr gemeinschaftliches Testament handelt und in welcher Form sie es errichtet haben.715 Aus diesen Vorschriften wird klar, dass in den hier besprochenen Foralrechtsordnungen durch Formwahlbeschränkungen (kein eigenhändiges Testament, nur notarielles bzw. nur ein offenes notarielles Testament) bzw. durch besondere Formanforderungen (Unterschrift auf jeder Seite und am Ende des eigenhändigen Testaments eines der zwei Erblasser) der Versuch unternommen wurde, der in der spanischen Literatur viel thematisierten Gefahr der Fremdbestimmung beim gemeinschaftlichen Testieren716 entgegenzuwirken.
711 Art. 49 Abs. 2 Ley 3/1992, de 1 de julio, del Parlamento Vasco, del Derecho Civil Foral del País Vasco. Dazu auch Gil Rodríguez, Testamento mancomunado 1212. 712 Art. 189 Ley 2/2006, de 14 de junio, de derecho civil de Galicia; Gipuzkoa: Art. 173 Ley 3/1992, de 1 de julio, del Parlamento Vasco, del Derecho Civil Foral del País Vasco. 713 Art. 192 Abs. 1 Ley 2/2006, de 14 de junio, de derecho civil de Galicia; Gipuzkoa: Art. 175 Abs. 2 Ley 3/1992, de 1 de julio, del Parlamento Vasco, del Derecho Civil Foral del País Vasco. 714 Art. 411 Abs. 1 Código del Derecho Foral de Aragón: „El testamento ológrafo mancomunado basta que esté escrito todo él por uno de los testadores, con expresión del año, mes y día, y que el otro declare también por escrito de su puño y letra, antes de las firmas de ambos, que valga igualmente como testamento suyo y firme en todas sus hojas y al pie del mismo.“ 715 Art. 410 Código del Derecho Foral de Aragón. 716 Für einen Überblick vgl. Castiella Rodríguez, RJN 15 (1993) 37 f. Im gemeinspanischen Recht ist das gemeinschaftliche Testament nach der romanistischen Tradition verboten (Art. 669 span. C.civ.).
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Kann die Form aber tatsächlich Schutz vor Fremdbestimmung gewähren? Es ist durchaus einzuräumen, dass die möglichst selbstbestimmte Willensäußerung beider Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung durch ein offenes notarielles Testament am ehesten gesichert ist. Allerdings kann die Gefährdung für die Willensfreiheit der gemeinsam testierenden Erblasser nicht gänzlich durch Formvorschriften beseitigt werden. Dies hängt damit zusammen, dass allein die Tatsache des gleichzeitigen Testierens, in Anwesenheit des jeweils anderen, dazu führt, dass ein möglicherweise bestehender psychischer Druck zwischen den Erblassern wirksam werden und damit die Willensfreiheit eines der Ehepartner beeinträchtigen oder gar ausschließen kann. Von außen ist diese Dynamik zwischen den Erblassern nicht notwendig erkennbar, sodass auch die Mitwirkung eines Notars am Errichtungsakt diese Gefährdung nicht beseitigen kann. e) Fazit Der Struktur des gemeinschaftlichen Testaments als Verfügungsakt, der auf einer gemeinsamen Willensbildung beruht, ist die Gefahr der Fremdbestimmung immanent. Strengere Formvorschriften können diese strukturell bedingte Schwäche wohl mildern, jedoch nicht beseitigen. 8. Anforderungen an die Form zum Schutz vor Fremdbestimmung Keine der in den untersuchten Rechtsordnungen vorgesehenen Testamentsformen scheint aufgrund der dargestellten Defizite geeignet, den Erblasser effektiv vor unzulässiger Beeinflussung bei der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung zu schützen. Aus der vorangehenden Untersuchung lassen sich indes Erkenntnisse darüber gewinnen, welchen Anforderungen die Form zu genügen hat, um dem Erblasser einen möglichst wirksamen Schutz vor Fremdbestimmung zu gewähren. Diese Anforderungen sind: a) Mitwirkung eines neutralen Garanten, b) offene Willenserklärung und c) Vertraulichkeit. a) Mitwirkung eines neutralen Garanten Der durch die Möglichkeit von Fremdbestimmung gefährdete Erblasser soll möglichst in einem Umfeld testieren können, das seine Schwäche kompensiert bzw. von vornherein offene Einflussnahme auf den Erblasser verhindern kann. Hierfür scheint es erforderlich, dass der Erblasser durch die Mitwirkung eines neutralen Dritten am Errichtungsakt geschützt wird. Als neutraler Garant zum Schutz des Verfügenden kommt natürlich der Notar in Frage, denn er ist zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit (§ 14 Abs. 3 BNotO) sowie zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 18 Abs. 1 BNotO) und hat dafür zu sorgen, dass ungewandte und unerfahrene Beteiligte nicht übervorteilt werden. Durch seine Willenserforschungs- und seine Beratungspflicht beim
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offenen Testament kann er auch am besten sicherstellen, dass das Testament dem tatsächlichen Willen des als testierfähig erkannten Erblassers entspricht. b) Offene Willenserklärung Damit der neutrale Garant seine Funktion erfüllen kann, muss bei gefährdeten Erblassern sichergestellt sein, dass der gesamte Errichtungsakt in seiner Anwesenheit erfolgt. Dies bedeutet, dass es nicht genügt, wenn der Notar ein bereits verfasstes und in einem Umschlag verschlossenes Testament übernimmt und bestätigt, dass der Erblasser es als sein Testament erklärt. Ebenso genügt es nicht, wenn ein vorbereiteter Text als offene Schrift mit der Erklärung an den Notar übergeben wird, es handle sich um den letzten Willen. Es ist vielmehr zum Schutz der Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers erforderlich, dass der Erblasser dem Notar seinen letzten Willen offen erklärt, wobei hier im Gegensatz zum geltenden Recht auf die Mündlichkeit nur ausnahmsweise dann verzichtet werden sollte, wenn der Erblasser zu einer mündlichen Verständigung nicht (mehr) in der Lage ist. 717 Eine objektiv nachvollziehbare Verständigung zwischen Notar und Erblasser über den Inhalt des Testaments, mag sie auch durch eine Verständigungsperson oder einen Gebärdensprachdolmetscher hergestellt werden, muss aber jedenfalls noch möglich sein. Das Erfordernis einer offenen Willenserklärung bedeutet darüber hinaus, dass im Gegensatz zum geltenden deutschen Recht und ähnlich dem österreichischen und dem französischen Recht die Erklärung des Erblassers nicht bloß in der reinen Bejahung von Fragen bestehen darf.718 Vielmehr soll der Erblasser noch selbständig in der Lage sein, mit seinen ihm zur Verfügung stehenden Kommunikationsformen dem Notar mitzuteilen, wie sein Vermögen nach seinem Tod zu verteilen ist.719 Daraus folgt, dass ein bereits schriftlich von dritter Seite vorbereitetes Testament mit dem Erblasser noch einmal inhaltlich zu beraten ist und somit gemäß § 17 Abs. 1 BeurkG eine Willenserforschung stattzufinden hat. Ein einfaches Bejahen von Fragen oder vorgelesener Textabschnitte durch Worte, Schrift oder Zeichen erfüllt diese Voraussetzung nicht, denn die Bejahung lässt keine Sicherheit darüber zu, ob der Erblasser die Frage bzw. den verlesenen Text richtig und vollständig verstanden hat und ob er weiß, welche Tragweite er hat. Insofern wäre eine strengere Anwendung des geltenden Beurkundungsrechts erforderlich. Die dem Notar aufgetragene Willenserforschung muss zum Schutz des gefährdeten ErblasIn diesem Sinne kritisch hinsichtlich der „großen Lösung“, die im Zuge der durch das BVerfG angestoßenen Reform gewählt wurde, auch Reimann, FamRZ 2002, 1384; Soergel/Mayer, § 2232 Rn. 10; Muscheler, Erbrecht Bd. 1 886. 718 Vgl. § 565 ABGB; Rechtsprechung zu Art. 972 franz. C. civ., vgl. oben § 4 II.6.b)aa). 719 Zu Schwierigkeitsgrad und rechtlicher Komplexität der letztwilligen Verfügung vgl. oben § 4 I.5.c). 717
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sers ernsthaft betrieben werden, indem der Erblasser dem Notar spontan seinen Willen erklärt, ohne hierfür durch geschlossene Fragen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten in eine bestimmte Richtung gelenkt zu werden. Aufgrund eines „unabweisbaren Bedürfnisses“ „angesichts der körperlichen Hinfälligkeit vieler Testierwilliger“720 auch die bloße Bejahung oder Bekräftigung durch Schrift oder Zeichen als hinreichenden Willensakt zuzulassen, entspringt einer irrigen Vorstellung dessen, was als schutzwürdiges Bedürfnis verletzlicher Erblasser anzuerkennen ist. Erblasser haben einen Anspruch darauf, dass die Rechtsordnung dafür sorgt, dass ihr selbstbestimmt gebildeter Wille und nicht der Wille eines Dritten zur Geltung kommt. Aus diesem Grund muss die Willenserklärung des Erblassers dem Notar gegenüber inhaltlich vollständig mitgeteilt werden. Wenn der Erblasser zu einer selbständigen Mitteilung nicht mehr in der Lage ist, kann auch nicht mehr gesichert werden, dass er das ihm verlesene Testament noch nachvollziehen kann. Da zur Kenntnis zu nehmen ist, dass ein Testament rechtlich nur dann anerkannt werden kann, wenn es noch dem Erblasser persönlich zuzurechnen ist, muss in diesen Fällen die Testamentserrichtung versperrt sein. Ein Testament, das der Erblasser inhaltlich nicht mehr nachvollziehen kann, ist das Testament eines Dritten und somit zwangsläufig das rechtlich nicht schutzwürdige Ergebnis von Fremdbestimmung.721 Im Sinne des Schutzes der Selbstbestimmung des Erblassers sollte daher die Beurkundung von Testamenten solcher Personen, die zur Mitteilung des Inhalts ihres letzten Willens nicht mehr (auch nicht über einen Gebärdendolmetscher oder eine Verständigungsperson) in der Lage sind, vermieden werden. Die Befürchtung, dass durch diese Verweigerung der Beurkundung in die verfassungsmäßig geschützten Rechte des Erblassers, insbesondere in seine Testierfreiheit eingegriffen würde, besteht nicht, denn es sind „nur selbstbestimmte und selbstverantwortete letztwillige Erklärungen von der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Testierfreiheit geschützt.“722 c) Vertraulichkeit Vertraulichkeit ist eine weitere Grundvoraussetzung für eine möglichst freie, selbstbestimmte letztwillige Verfügung. Wer weiß oder jedenfalls befürchten muss, dass der Inhalt seiner letztwilligen Verfügung nicht vertraulich behandelt wird und damit auch jenen Personen zur Kenntnis kommen kann, von denen der Erblasser in irgendeiner Weise abhängt, ist möglicherweise an der BGH 4.4.1962, NJW 1962, 1149, 1150. Aymarb, Explication 13, 14: „celui qui ne declare pas lui-même mot à mot sa volonté, et qui ne fait autre chose que répondre aux différentes demandes qui lui ont été faites, ne dispose pas en effet lui-même, c’est l’ouvrage d’autrui, c’est une disposition suggerée. Si talis est testator, qui neque articulate loqui potest, mortuo similis est, et falsitas commititur.“ 722 BVerfG 19.1.1999, BVerfGE 99, 341, 351. 720 721
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freien Äußerung seines erblasserischen Willens gehindert. Er muss nämlich damit rechnen, dass ihn bei Verfügungen, die nicht der Erwartungshaltung dieser Personen entsprechen, noch zu seinen Lebzeiten unerwünschte Konsequenzen treffen können. Die Sicherstellung der Vertraulichkeit ist daher eine zentrale Anforderung an eine Form, die eine möglichst selbstbestimmte Erklärung des Erblassers sicherstellen soll. Insofern war es eine richtige Entscheidung des deutschen Gesetzgebers und in jüngerer Zeit auch des spanischen Gesetzgebers, den Zeugenzwang aufzugeben, denn Zeugen gefährden aufgrund ihrer mangelnden Verschwiegenheitspflicht die Vertraulichkeit der Willenserklärung des Erblassers und damit seine Willensfreiheit. Diese Gefahr wurde im Zuge der Beratungen des Erbrechtsausschusses für das Testamentsgesetz ebenso klar erkannt723 wie bei der spanischen Erbrechtsreform Anfang der 1990er Jahre.724 Darüber hinaus müsste aber auch gesichert sein, dass während der Errichtung keine Personen anwesend sind, die aufgrund möglicher unmittelbarer oder mittelbarer eigener Interessen auf den Erblasser Druck ausüben können. Die Ausschließungsgründe gemäß §§ 6, 7, 26 und 27 BeurkG tragen dazu bei, dass unmittelbar an der Errichtung Mitwirkende keine mittelbaren oder unmittelbaren Interessen am Inhalt der Verfügung des Erblassers haben. Allerdings gelten diese Ausschließungsgründe nur für den Notar und als bloße Sollvorschrift für Zeugen und den zweiten Notar. Für Gebärdensprachdolmetscher gelten diese Ausschließungsgründe gemäß § 22 BeurkG überhaupt nicht und für Verständigungspersonen gemäß § 24 BeurkG ist lediglich die Unwirksamkeit unmittelbarer Zuwendungen, nicht jedoch von Zuwendungen an nahestehende Verwandte vorgesehen (§ 24 Abs. 2 BeurkG). Als Hilfspersonen des Notars sollten all diese am Errichtungsakt Mitwirkenden denselben zwingenden Ausschließungsgründen sowie derselben Verschwiegenheitspflicht unterliegen wie der Notar selbst, um eine mögliche Gefahr der Fremdbestimmung von vornherein zu minimieren. Andererseits müsste das Gesetz auch deutlich in Bezug auf sonstige Anwesende während des Errichtungsakts Stellung nehmen, die nicht an der Errichtung mitwirken, sondern dieser nur beiwohnen. Die geschilderten Fälle aus der Rechtsprechung zeigen, dass häufig während des Errichtungsakts gerade jene Personen anwesend sind, die im Testament begünstigt werden. Deren Anwesenheit nimmt der Errichtung die notwendige Vertraulichkeit und gefährdet daher das selbstbestimmte Zustandekommen des Testaments. Entsprechend sollte der Notar im Sinne von § 17 BeurkG dafür sorgen, dass während des Errichtungsvorgangs grundsätzlich keine Personen anwesend sind, die nicht an der Errichtung selbst mitwirken.
723 724
Lange, Denkschrift 62 ff. Cámara Lapuente, Spain 87.
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III. Höchstpersönliche Errichtung erbrechtlicher Verfügungen Als dritte Testiervoraussetzung neben der Testierfähigkeit und der Testierform ist nun das Erfordernis der formellen Höchstpersönlichkeit zu untersuchen, das im deutschen Recht und in vielen kontinentalen Rechtsordnungen725 zu den Fundamentalprinzipien des Rechts letztwilliger Verfügungen zählt. Gemäß § 2064 BGB kann der Erblasser ein Testament nur persönlich errichten. Anders als im Recht der lebzeitigen Verfügungen ist somit die Stellvertretung bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen grundsätzlich ausgeschlossen. Zu unterscheiden ist der Grundsatz der formellen Höchstpersönlichkeit vom Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit (§ 2065 BGB), wonach der Erblasser die Bestimmung des Inhalts des Testaments nicht an Dritte delegieren darf.726 Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Erblassers vor Fremdbestimmung durch Testiervoraussetzungen ist die Diskussion des Grundsatzes der Höchstpersönlichkeit vorliegend auf die formelle Höchstpersönlichkeit zu beschränken. Zur Sicherung der erblasserischen Selbstbestimmung kommt es nämlich nur darauf an, dass der Erblasser frei von äußerem Druck seinen Willen persönlich erklärt hat. Ob er dabei seinen Willen inhaltlich vollständig ausformuliert oder diese Aufgabe einem Dritten überlässt, bleibt für die Frage der Selbstbestimmung zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung unerheblich. Wesentlich ist, dass er sich für eine dieser Möglichkeiten frei entschieden hat und somit im Zusammenhang mit dieser Erklärung vor Fremdbestimmung geschützt wird. Der Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit ist mit dem Topos des Schutzes vor Fremdbestimmung nicht zu erklären,727 denn er stellt ganz im Gegenteil eine Einschränkung der in der Privatautonomie enthaltenen alternativen Möglichkeiten der Willensbildung dar.728 Im Folgenden ist zunächst auf die historischen Wurzeln des Grundsatzes der formellen Höchstpersönlichkeit einzugehen. Daraufhin ist zu untersuchen, wie dieser Grundsatz in der Literatur zu begründen versucht wurde, um sodann zu ermitteln, inwiefern er als weitere Testiervoraussetzung dazu beitra-
725 Im englischen Recht scheint der Einfluss des kanonischen Rechts die Ausformung einer strengen formellen Höchstpersönlichkeit verhindert zu haben: Barton, Roman Law 91; vgl. zum englischen Recht ausführlich mit Hinweisen auf die Rechtsprechung Williams on Wills. First Suppl. 9 f. 726 Dazu Zimmermann, „Quos Titius voluerit“ 23 ff.; Kleinschmidt, Delegation 309 f. 727 Vgl. in diesem Sinne jedoch Mugdan V 522 (Protokolle S. 6606): „Endlich aber sei eine Verfügung, bei der ein Anderer bestimmen solle, ob sie gelten solle oder nicht, auch gefährlich, da sie der Erbschleicherei Vorschub leisten werde, und könne daher nicht zugelassen werden.“ Zur Erreichung dieses Zwecks ist § 2065 BGB jedoch aus den oben genannten Gründen ungeeignet. Vgl. dazu auch Kleinschmidt, Bestimmtheit 201. 728 Vgl. dazu ausführlich Kleinschmidt, Delegation 111 ff. sowie bereits oben, § 2 II.5.a)aa).
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gen kann, die Selbstbestimmung des Erblassers vor unzulässiger Einflussnahme zu schützen. 1. Formelle Höchstpersönlichkeit: Eine historische Spurensuche a) Vorgeschichte im römischen Recht Die formelle Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung ergibt sich im klassischen römischen Recht bereits aus dem Umstand, dass den Römern eine direkte Stellvertretung im modernen Sinn unbekannt war.729 Dies hängt freilich mit dem auf die Person des Handelnden zugespitzten Formalismus des römischen Rechts zusammen.730 Nach den Vorstellungen der älteren Zeit konnte nur die Form als rituelle Handlung den Zauber der Rechtswirkungen erzeugen.731 Der von den Rechtswirkungen Betroffene musste folglich selbst an diesem Ritual teilnehmen. Für das Testament bedeutete dies, dass nur der Erblasser selbst durch die symbolische Übergabe seines Vermögens (familia pecuniaque) an den familiae emptor und durch seine mündliche Testiererklärung (nuncupatio) seiner letztwilligen Verfügung rechtliche Wirkung verleihen konnte. Auch die hierfür erforderliche Formel war auf den Erblasser persönlich zugeschnitten, sodass nicht denkbar war, dass jemand an seiner Stelle testierte: haec ita ut in his tabulis cerisque scripta sunt, ita do ita lego ita testor, itaque vos Quirites testimonium mihi perhibetote.732 Das klassische römische Recht kannte indes einen Fall eines für einen Dritten errichteten Testaments.733 Der Vater, der seinen unmündigen Sohn als Erben in seinem Testament einsetzte, konnte für den Fall, dass dieser noch als Unmündiger sterben würde, auch für seinen Sohn einen Erben einsetzen (Pupillarsubstitution), um auf diese Weise die gesetzliche Erbfolge auszuschalten. Vermutlich sollte damit die Erbenmehrheit vermieden werden.734 Nicht unwahrscheinlich erscheint aber auch, dass damit ein Schutz des unmündigen Erben beabsichtigt war, denn durch die testamentarische Erbfolge konnte verborgen bleiben, wer Erbe war, sodass für niemandem Anlass bestand, dem Unmündigen nach seinem Leben zu trachten. Dass dieser Gedanke eine Rolle spielte, ergibt sich aus den Anmerkungen des Gaius zu den Formvorschriften für die Pupillarsubstitution.735 Das für den unmündigen Sohn errichtete Testament war entweder in einer eigenen Urkunde oder in einem eigens ver729 Kaser, Römisches Privatrecht II 260. Anerkannt wurde lediglich eine Art der direkten Stellvertretung des Gewalthabers durch Sklaven bzw. Hauskinder. Über die Gründe, die besonders im Formalismus zu finden seien, vgl. Mitteis, Stellvertretung 13 ff. 730 Zimmermann, Obligations 48; Kipp/Coing, Erbrecht 121. 731 Dazu bereits oben § 4 II.1.b). 732 Gai. 2, 108. 733 Kaser, Römisches Privatrecht II 689. 734 Kaser, Römisches Privatrecht II 689. 735 Gai. 2, 181: „ne post obitum parentis periculo insidiarum subiectus videatur pupillus“.
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schlossenen Teil des Testaments des Vaters enthalten und wurde erst dann eröffnet, wenn der unmündige Sohn nach dem Tod seines Vaters noch als Unmündiger verstarb.736 Nach den überlieferten Formeln für die Pupillarsubstitution wurde der Substitut jedoch nicht Erbe des verstorbenen Sohnes, sondern lediglich Ersatzerbe des Vaters, sodass zumindest in der Formel der Grundsatz der formellen Höchstpersönlichkeit gewahrt blieb. Bereits die klassischen Juristen sahen im Substituten aber sowohl den Erben des Erblassers als auch den Erben des unmündig verstorbenen Sohnes.737 b) Gemeines und kanonisches Recht Die Frage, ob ein Testament auch durch einen Dritten errichtet werden kann, stellte sich erst mit der allmählichen Anerkennung der Stellvertretung im gemeinen Recht.738 Gelegenheit zu einer klaren Stellungnahme und damit zur Ausformung der Regel der formellen Höchstpersönlichkeit bot das kanonische Recht.739 Die Dekretalensammlung Gregors IX. scheint nämlich in Buch III, Titel 26, Kapitel 13740 die Errichtung eines Testaments durch Dritte zuzulassen. Dort heißt es, dass derjenige, der die Verfügung über seinen Nachlass in die Hände eines anderen legt, nicht als ohne Testament verstorben anzusehen ist: dicimus, quod qui extremam voluntatem in alterius dispositionem commitit non videtur decedere intestatus. Daraus folgerte man etwas übereilt, dass nach kanonischem Recht die Errichtung eines Testaments auch an Dritte delegiert werden könne.741 Bei näherer Untersuchung der Entstehungsgeschichte742 dieser kirchenrechtlichen Bestimmung wird indes schnell klar, dass mit ihr niemals beabsichtigt war, von der gemeinrechtlichen Lehre der Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung abzuweichen. Sie entstammt einer Dekretale des Paps736 Gai. 2, 181: „illam autem substitutionem, per quam, etiamsi heres extiterit pupillus et intra pubertatem decesserit, substitutum vocamus, separatim in inferioribus tabulis scribimus easque tabulas proprio lino propriaque cera consignamus et in prioribus tabulis cavemus, ne inferiores tabulae vivo filio et adhuc inpubere aperiantur“. 737 Kaser, Römisches Privatrecht II 690. 738 Vgl. dazu Coing, Europäisches Privatrecht I 423 ff.; Zimmermann, Obligations 54 ff.; Rüfner, Handeln 109 f. 739 Kipp/Coing, Erbrecht 122. 740 Abgedruckt in Richter/Friedberg, Corpus Iuris Canonici 2 542. 741 Dabei wurde allerdings nicht zwischen formeller und materieller Höchstpersönlichkeit unterschieden. Bei näherer Betrachtung scheint allein der Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit berührt. Vom kanonischen Recht beeinflusst, findet man auch in deutschen Rechtsgebieten das sog. testamentum in dispositione alterius bzw. das testamentum per amicum, mit dem der Erblasser die Verteilung seines Vermögens in das freie Ermessen des Testamentsvollstreckers stellen konnte. Erwähnt bei Floßmann, Privatrechtsgeschichte 345; Lentze, ZRG GA 69 (1952) 110; für England Barton, Roman Law 91. 742 Dazu ausführlich: Glück, Pandecten Bd. 34/1 3 ff.
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tes Innozenz III., der darin für den Bischof von Auxerre eine rechtliche Streitfrage zu entscheiden hatte.743 Der Bischof war vom Papst mit einem „Spolienrecht“ ausgestattet worden, wonach ihm die Nachlässe aller ohne Testament verstorbener Geistlicher seiner Diözese zufielen. In diesem Zusammenhang entstand nun die Rechtsfrage, ob auch jene Geistlichen als „ohne Testament verstorben“ anzusehen waren, die nach damaligem Brauch einen Treuhänder (manufidelis) ernannt und diesem aufgetragen hatten, den Nachlass getreu den Anweisungen oder der Sitte zu verteilen. Diese Treuhandkonstruktion hatte sich bei Geistlichen vor allem deshalb durchgesetzt, weil durch den Treuhänder die häufig vorkommende Plünderung des Vermögens verstorbener Geistlicher744 vermieden werden konnte. Papst Innozenz III. beantwortete die Anfrage des Bischofs von Auxerre damit, dass ein Geistlicher, der einen Treuhänder zur Verteilung seines Nachlasses ernannt hatte, für die Ausübung des Spolienrechts nicht als „intestatus“ anzusehen sei. Folglich fielen dem Bischof nur jene Nachlässe zu, über die weder testamentarisch noch treuhänderisch verfügt worden war. Verdunkelt wurde die Bedeutung der Dekretale von Papst Innozenz III. freilich dadurch, dass daraus für die spätere Dekretalensammlung Gregors IX. die aus dem Zusammenhang gerissene, irreführende und verfälschte Regel abgeleitet wurde, wonach derjenige, der seinen letzten Willen der Verfügung eines Dritten anheimstellt, „ein Testament habe“ und für fromme Zwecke testiere.745 Für die Ausformung der Regel der formellen Höchstpersönlichkeit im gemeinen Recht praktisch viel bedeutsamer war aber die im usus modernus aufkommende Praxis, das Testament nicht selbst, sondern von einem Dritten (meist einem Anwalt oder Notar) bei Gericht hinterlegen zu lassen.746 Die Hinterlegung bei Gericht stellte beim öffentlichen Testament des gemeinen Rechts (testamentum iudici oblatum) zwar keine Gültigkeitsvoraussetzung dar. Beim gemeinrechtlichen verschlossenen Testament musste indes dem Gericht gegenüber eine Testamentserklärung abgegeben werden, die mit gerichtlichem Protokoll festzuhalten war.747 Es stellte sich somit die Frage, ob diese Erklärung bei Gericht als Teil des Errichtungsakts auch durch einen Stellvertreter
Glück, Pandecten Bd. 34/1 6. Glück, Pandecten Bd. 34/1 6, wo das Sprichwort „Pfaffenguth, Raffenguth, Teubel halt den Sack uf“ zitiert wird, das auf die Plünderung von Nachlässen Geistlicher hinweise. Vgl. auch Roßhirt, Testamentsexecutoren 222, der darauf hinweist, dass die Nachlasgegenstände Geistlicher, die ohne Testament verstarben, als herrenlose Sachen angesehen wurden. 745 „Tenet testamentum, si quis extremam voluntatem suam alterius dispositioni commitit, et dicitur testatus ad pias causas.“ Richter/Friedberg, Corpus Iuris Canonici 2 542. 746 Immel, Öffentliches Testament 227, der diese Praxis bis in das 16. Jahrhundert zurückverfolgt. 747 Windscheid, Pandektenrecht Bd. 3 45 f. 743 744
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abgegeben werden konnte. Darüber entzweiten sich die Geister.748 Ein prominenter Befürworter der Praxis, sich bei der Testamentserklärung vor Gericht eines Stellvertreters zu bedienen, war Samuel Stryk in seiner viel beachteten 1684 vorgelegten Dissertation.749 Auch Thibaut bejahte die Möglichkeit sich bei der Errichtung eines öffentlichen Testaments für die Übergabe eines Stellvertreters zu bedienen.750 Dagegen blieb die herrschende Lehre mit Windscheid der strengen gemeinrechtlichen Tradition verpflichtet und lehnte für die Testamentserrichtung jegliche Vertretung ab.751 Insbesondere fürchtete man, dass der Vertreter bei der Übergabe seine Stellung ausnützen und das Testament fälschen oder vertauschen könnte, ohne dass dies entdeckt werden könnte.752 Die Frage blieb indes stets umstritten,753 soweit sie nicht in den einzelnen Landesrechten durch eine klare Regel entschieden wurde.754 c) Eingang in die Kodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts Der schwelende gemeinrechtliche Rechtsstreit über die Zulässigkeit der Stellvertretung bei der Testamentserrichtung führte dazu, dass die Frage in den großen Kodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts durch eine ausdrückliche Vorschrift gelöst wurde. Das ALR normierte in I, 12, §§ 66–71, dass das Testament dem Gericht vom Erblasser persönlich zu übergeben oder zu diktieren sei. Eines Stellvertreters dürfe er sich hierfür nicht bedienen. Auch das österreichische ABGB enthält eine ausdrückliche Vorschrift in diesem Sinne. § 587 Abs. 1 S. 2 ABGB sieht für den Fall der Errichtung eines geschriebenen gerichtlichen Testaments vor, dass der Erblasser es persönlich bei Gericht übergibt und räumt damit jeden Zweifel über die Zulässigkeit einer Stellvertretung aus. Der Erblasser müsse sein Testament selbst dem
748 Für einen Überblick über die unterschiedlichen Meinungen und einen Beitrag zur lebhaft geführten Diskussion im 19. Jahrhundert vgl. Guyet, AcP 13 (1830) 254. Aus rechtshistorischer Perspektive: Immel, Öffentliches Testament 231 ff. 749 Stryk, De testamento 26. 750 Thibaut, System Bd. 2 128, der allerdings eine öffentlich beglaubigte Spezialvollmacht verlangt. 751 Windscheid, Pandektenrecht Bd. 3 46: „Abgabe der Erklärung durch einen Bevollmächtigten ist hier in gleicher Weise unzulässig, wie bei der Testamentserrichtung überhaupt“. Ebenso mit ausführlicher Begründung gestützt auf Ulpian, D 1,7,25 Guyet, AcP 13 (1830) 280. Guyet begründet diese strenge Auslegung auch damit, dass der Ausschluss der Stellvertretung aufgrund der „Gefährlichkeit und Unsicherheit“ dieser Rechtsgeschäfte geboten sei, ebd., 278. 752 Guyet, AcP 13 (1830) 271 f. 753 Immel, Öffentliches Testament 240 und war daher ein Quell der Rechtsunsicherheit. 754 Für eine Aufzählung der Landesgesetze mit einem Verbot der Stellvertretung bei der Testamentserrichtung vgl. Guyet, AcP 13 (1830) 282.
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Gericht erklären, denn nur so könne gesichert werden, dass die Urkunde „seinem Willen gemäß“ sei und nicht vertauscht oder verfälscht würde.755 Dagegen findet der Grundsatz der formellen Höchstpersönlichkeit im französischen Code civil keinen ausdrücklichen Niederschlag.756 Hierfür gab es in Frankreich wohl keinen Bedarf, weil aufgrund der Formvorschriften des Code civil nicht strittig sein konnte, dass ein Testament ausschließlich vom Erblasser selbst errichtet werden darf.757 Heute ergibt sich dieser Grundsatz im französischen Recht auch ausdrücklich aus dem Verbot der Stellvertretung bei der Testamentserrichtung durch Volljährige unter Erwachsenenschutz.758 Die italienische Kodifikation aus 1865 enthielt ebenso wie der geltende Codice civile aus 1942 ebenso kein ausdrückliches Stellvertretungsverbot. Allerdings wurde – wie in Frankreich – nie in Zweifel gezogen, dass schon aufgrund der Formvorschriften im Testamentsrecht eine Stellvertretung unzulässig ist.759 Wie das französische Recht, kennt auch das italienische Recht keine Ausnahmen von diesem Grundsatz.760 Der spanische Código civil aus 1889 ordnet dagegen die formelle Höchstpersönlichkeit ausdrücklich an, indem die Errichtung durch einen Stellvertreter ausgeschlossen wird (Art. 670 Abs. 1). Dies erklärt sich dadurch, dass das bis dahin in einzelnen spanischen Regionen zulässige testamento por comisario wegen der dieser Testamentsform inhärenten Missbrauchsgefahr beseitigt werden sollte.761 Allerdings kennt das gemeinspanische Recht nach dem Vorbild des römischen Rechts nach wie vor die Pupillarsubstitution (Art. 776 span. C. civ.) und macht somit in diesen Fällen eine Ausnahme vom Stellvertretungsverbot.762 Das testamento por comisario ist heute im baskischen Foralrecht noch ausdrücklich anerkannt, allerdings muss der Erblasser den Dritten, der den Inhalt der Verfügung bestimmt, mit notariellem Testament ernennen, sodass auch hier die formelle Höchstpersönlichkeit der Testa-
Zeiller, Commentar Bd. 2/2 § 587 ABGB 470. Implizit wird sie aber aus den Formvorschriften Art. 970, 972 franz. C. civ. hergeleitet, wonach der Erblasser das Testament eigenhändig zu verfassen bzw. selbst zu diktieren hat. 757 Toullier/Duvergier, Le droit Bd. 5 189 (Rn. 347). 758 Während bei der Schenkung die Stellvertretung erlaubt ist, wird sie für das Testament ausdrücklich untersagt: Art. 476 Abs. 2 C. civ. 759 Delle Monache, Testamento 73. 760 Gangi, Successione testamentaria 50. 761 Manresa y Navarro, Comentarios Bd. V/II Art. 670 Código civ. 428. 762 Dies ist allerdings strittig, weil ein Teil der Lehre Art. 776 Código civ. nicht als Verfügungsmöglichkeit über das gesamte Vermögen des Unmündigen, sondern lediglich als fideikommissarische Anordnung hinsichtlich des Nachlasses des Erblassers interpretiert. Dagegen allerdings die jüngste Rechtsprechung des obersten spanischen Zivilgerichts: STS 14.4.2011 (RJ 2753\2011). Zum Ganzen vgl. Domínguez Luelmo Comentarios/Cámara Lapuente, Art. 776 Código civ. 755 756
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mentserrichtung gewahrt bleibt und es sich lediglich um eine Ausnahme vom Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit handelt.763 d) Entstehungsgeschichte des § 2064 BGB § 2064 BGB wurde als „letzte gesetzgeberische Reaktion“764 auf den gemeinrechtlichen Lehrstreit über die Zulässigkeit der Vertretung bei der Testamentserrichtung in den Entwurf des BGB aufgenommen.765 Der im 19. Jahrhundert herrschenden Ansicht, wonach bei der Testamentserrichtung eine gesetzliche oder gewillkürte Vertretung weder in der Erklärung noch im Willen zulässig sei,766 folgten somit auch die Verfasser des BGB.767 Dabei weist bereits die Erste Kommission darauf hin, dass hinsichtlich der Erklärung von einer Vertretung im rechtlichen Sinne nicht die Rede sein könne, weshalb nicht allein die Vertretung ausgeschlossen wurde, sondern insgesamt jede Art der Hinzuziehung einer Mittelsperson bei der Errichtung. Dies wurde gesetzgeberisch damit erreicht, dass die Errichtung ausdrücklich dem „ Erblasser persönlich“ vorbehalten wurde. Somit war offenkundig, dass das Testament als höchstpersönliches Rechtsgeschäft unmittelbar vom Erblasser selbst vorzunehmen ist. Der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit des Errichtungsakts war zu keinem Zeitpunkt umstritten,768 sodass von einer näheren sachlichen Begründung abgesehen wurde. Im Wesentlichen sollte nur ein inzwischen allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz festgeschrieben werden. Die Grenzen des Grundsatzes der Höchstpersönlichkeit des Errichtungsakts wollten die Redaktoren anders als im ALR nicht eigens festlegen. Die Vorschrift wurde nämlich als Formvorschrift erkannt,769 sodass überall dort, wo die Formvorschriften die Mitwirkung Dritter erlaubt, eine höchstpersönliche Vornahme nicht zwingend ist. Entsprechend ist den Formvorschriften zu entnehmen, inwieweit sich der Erblasser bei der Errichtung des Testaments der Hilfe/Unterstützung Dritter bedienen darf. Außerhalb des Testamentsrechts wurde der Grundsatz der formellen Höchstpersönlichkeit auch für die Errichtung des Erbvertrags übernommen (§ 2274 763 Vgl. Art. 33 Ley 3/1992, de 1 de julio, del Parlamento Vasco, del Derecho Civil Foral del País Vasco. 764 Immel, Öffentliches Testament 224. 765 Zunächst in § 165 des Teilentwurfs, im ersten Entwurf (Entwurf I) als § 1911, im zweiten Entwurf (Entwurf II) als § 1937 und schließlich in der Reichtagsvorlage (Entwurf III) als § 2039. Vgl. im Überblick Jakobs/Schubert, Teilbd. 1 825 f. 766 Immel, Öffentliches Testament 224, Fn. 9. 767 Mugdan V 130 (Motive V S. 247); Mugdan V 868 (Denkschrift V S. 277): „im Einklange mit dem geltenden Recht“. 768 Gegen die Vorschrift „sei sachlich nichts zu erinnern“. Jakobs/Schubert, Teilbd. 1 825. 769 Mugdan V 130 (Motive V S. 247).
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BGB). Auch hier folgte man dem „geltenden Recht“ und sah angesichts der formellen Höchstpersönlichhkeit im Testamentsrecht keinen Bedarf für eine weitergehende Begründung.770 2. Begründungsansätze Während der BGB-Gesetzgeber den Grundsatz der persönlichen Errichtung als nicht weiter begründungsbedürftig ansah, wurde im Schrifttum versucht, mit verschiedenen Erklärungsansätzen den Normzweck des § 2064 BGB zu erhellen. a) Bedeutung für die nächsten Angehörigen Nach einer verbreiteten Ansicht, sind die Wirkungen letztwilliger Verfügungen für die nächsten Angehörigen des Erblassers „nur dann erträglich, wenn sie vom Erblasser selbst stammen.“771 Bei erbrechtlichen Verfügungen gehe es zwar in erster Linie um vermögensrechtliche Wirkungen, mittelbar würden mit einem Testament aber auch „persönlich-familiäre Beziehungen“ beeinflusst.772 Das Erfordernis der persönlichen Errichtung wird somit mit der „großen Bedeutung“ zu erklären versucht, die ein Testament für die Angehörigen des Erblassers haben könne. Diese Begründung vermag freilich nur beschränkt zu überzeugen773 und zwar bloß dann, wenn der Erblasser eng mit ihm verbundene Angehörige774 hinterlässt. Diese werden sich mit einem vom Erblasser persönlich errichteten Testament eher abfinden, als mit einem Testament, das ein Vertreter des Erblassers für diesen errichtet hat. Die formelle Höchstpersönlichkeit fördert insofern in Bezug auf engste Hinterbliebene den Rechtsfrieden. Wenn dagegen nur entfernt Verwandte den Erblasser überleben, dann überzeugt diese Begründung weit weniger. Denn es mangelt in diesen Fällen in aller Regel an einer natürlichen Nähebeziehung zwischen dem Erblasser und den gesetzlichen Erben, die eine durch die persönliche Errichtung verstärkte Legitimation der testamentarischen, vom gesetzlichen Erbrecht abweichenden Anordnung zur Befriedung der nicht berücksichtigten Prätendenten erfordern würde.
Mugdan V 166 (Motive V S. 314). Kipp/Coing, Erbrecht 122. 772 MüKo BGB/Leipold, § 2064 Rn. 1; Staudinger/Otte, § 2064 BGB Rn. 4. Zuletzt Schlüter/Röthel, Erbrecht 72. 773 Die Kritik von Goebel, Testierfreiheit 287 ff. läuft dagegen weitgehend ins Leere, weil sie das Argument der „großen Bedeutung der Testierfreiheit“ nicht vollständig erfasst, insbesondere die Rückbindung an die familiär-persönlichen Beziehungen nicht berücksichtigt. 774 Dies sind regelmäßig Ehepartner, Kinder, Eltern und Geschwister. 770 771
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b) Sicherung der freien Willensentscheidung Die formelle Höchstpersönlichkeit wurde auch damit zu begründen versucht, dass sie die freie Willensentscheidung des Erblassers sichere.775 Dieser Begründungsansatz ist freilich problematisch, weil er unterstellt, dass eine freie Willensentscheidung im Rahmen der Stellvertretung nicht möglich oder jedenfalls gefährdet sei. Wäre dies so, dann müsste mit derselben Begründung auch die Stellvertretung bei lebzeitigen Rechtsgeschäften ausgeschlossen sein. Wer sich für den Abschluss eines Rechtsgeschäfts kraft einer Vollmacht vertreten lässt, gefährdet dadurch aber bekanntlich nicht seine freie Willensentscheidung, sondern erweitert ganz im Gegenteil seine privatautonomen Handlungsmöglichkeiten.776 Das Stellvertretungsverbot im Testamentsrecht kann daher mit der Sicherung der freien Willensbildung des Erblassers nicht begründet werden. c) Erfordernis eines persönlichen Bekenntnisses Von anderer Seite wurde die formelle Höchstpersönlichkeit des § 2064 BGB damit begründet, dass sie der „zuverlässigen Wiedergabe der persönlichen Willensentscheidung“777 diene. Der Erblasser müsse sich nämlich persönlich zu seiner Willenserklärung bekennen.778 An dieser Argumentation ist freilich problematisch, dass sie zirkulär779 ist und somit das Stellvertretungsverbot nicht zu begründen vermag. Auf die Frage, weshalb ein persönliches Bekenntnis bzw. eine persönliche Willensentscheidung bei der Testamentserrichtung wesentlich sein soll, gibt dieser Begründungsversuch nämlich keine Antwort. d) Gefahr unlauterer Machenschaften Ein weiterer wiederkehrender Begründungstopos versucht die formelle Höchstpersönlichkeit darauf zurückzuführen, dass sie den Erblasser vor unlauteren Machenschaften schütze.780 Im Rahmen der Stellvertretung könne ein Dritter „Macht ohne Verantwortung“ ausüben, „die bei einem plötzlichen Tod des Erblassers unkorrigierbar“ würde.781 Gemeint ist damit wohl vor allem, dass Stellvertreter sich selbst begünstigen und sich damit aus dem Lange/Kuchinke, Erbrecht 345. Vgl. nur Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil 587. 777 Schlüter, Erbrecht 55. 778 Lange/Kuchinke, Erbrecht 345. 779 So bereits Goebel, Testierfreiheit 287 ff. 780 Lange/Kuchinke, Erbrecht 345; Staudinger/Otte, § 2064 BGB Rn. 4; Schlüter, Erbrecht 55; Kipp/Coing, Erbrecht 122: „Die Gefahr einer Abweichung des Vertreters vom Willen des Erblassers ist zu groß.“ 781 Staudinger/Otte, § 2064 BGB Rn. 4. 775 776
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Nachlass persönlich bereichern könnten.782 Schlüssig ist diese Begründung indes nicht. Denn einerseits zielt sie nicht in erster Linie auf die formelle, sondern auf die materielle Höchstpersönlichkeit, und andererseits würden die Schutzvorkehrungen der Stellvertretung bei Rechtsgeschäften unter Lebenden wohl auch beim Stellvertretertestament Anwendung finden. Das Insichverbot würde folglich auch die Selbstbegünstigung des Vertreters unterbinden. Immerhin besteht der Normzweck des Insichverbots in der Vermeidung eines evidenten Konflikts zwischen den Eigeninteressen des Vertreters und den Interessen des Vertretenen.783 Rechtsfolge wäre in diesen Fällen gemäß § 180 BGB Nichtigkeit wegen Überschreitung der Vertretungsmacht. Wenn es dagegen darum geht, dass der Vertreter nicht sich selbst, sondern Dritte begünstigen könnte, die der Erblasser vermeintlich nicht einsetzen wollte, dann krankt diese Argumentation schon daran, dass sie einen hypothetischen, nicht ermittelbaren Willen des Erblassers als bekannt voraussetzt. Sie verkennt darüber hinaus, dass der Erblasser bewusst und frei entschieden hat (dies wären immerhin die Voraussetzungen einer gültigen Vollmachtserteilung), die Willensbildung einem Vertreter zu überantworten und dass er dabei auch die Person des Vertreters frei gewählt hat. e) Verantwortungsübernahme Die Testierfreiheit ist als Teilbereich der Privatautonomie eine Freiheit ohne rechtliche Bindung. Mit der formellen Höchstpersönlichkeit wird der Erblasser daher zumindest so weit in die Pflicht genommen, als er selbst die unmittelbare Verantwortung für seine letztwillige Verfügung übernehmen muss. Er kann daher diesen Akt, den er vor sich und seinem Gewissen zu verantworten hat, nicht an Dritte delegieren. Dies ist die Begründung der testamentsrechtlichen Höchstpersönlichkeit in der Rechtsprechung des BGH.784 Dabei geht es vor allem darum, dass die gesetzliche Erbfolge durch ein Testament ausgeschaltet werden kann, sodass die Wirkungen zu berücksichtigen sind, die sich aus dem Testament für die gesetzlichen Erben ergeben. Da nur der Erblasser in einem persönlichen Verhältnis zu seinen gesetzlichen Erben stehen kann, das ihm erlaubt, die Verdienstlichkeit derselben einzuschätzen, soll die Testamentserrichtung ihm vorbehalten bleiben und somit nur er die gesetzliche Erbfolge außer Kraft setzen dürfen. Im Wesentlichen entspricht dieser BeSchlüter, Erbrecht 55. Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil 587. 784 BGH 8.11.1954, NJW 1955, 100: „In den §§ 2064, 2065 BGB bekennt das Gesetz sich zu dem Grundsatz, daß der Erblasser allein vor seinem Gewissen die Verantwortung dafür übernehmen muß, wenn er die Erbfolge anders regelt, als das Gesetz sie vorgesehen hat. Aus diesem Grunde kann er eine letztw. Vfg. nur persönlich errichten. Er kann sich danach weder im Willen noch bei Abgabe seiner Willenserklärung von einem anderen vertreten lassen.“ 782 783
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gründungsansatz jenem, der mit „der großen Bedeutung für die nächsten Angehörigen“ argumentiert.785 Diese Begründung überzeugt, wie bereits erwähnt, wenn es sich um eng verwandte gesetzliche Erben handelt und verliert an Überzeugungskraft, je weiter sich der Kreis der gesetzlichen Erben von jenem der engsten Familienangehörigen (Ehepartner, Kinder, Eltern) entfernt. Insgesamt an Überzeugungskraft gewinnen könnte dieses Argument der Verantwortungsübernahme, wenn es von der gesetzlichen Erbfolge losgelöst und auf das soziale Umfeld des Erblassers bezogen würde, in das der Erblasser eingebettet ist. Ob er überhaupt aus diesem sozialen Umfeld jemanden begünstigt und wem gegenüber er sich verantwortlich fühlt, kann nur der Erblasser entscheiden, denn nur er kann die persönlichen Beziehungen einschätzen, die er zu den in Frage kommenden Personen aus seinem Umfeld unterhält. Daraus ergibt sich in erster Linie eine Begründung für die formelle Höchstpersönlichkeit. Er soll sein Testament selbst errichten müssen. Wenn er aber die zu Begünstigenden nicht persönlich festlegen will, weil er überzeugt ist, dass es eine besonders verantwortungsvolle Entscheidung ist, die ein Dritter für ihn besser treffen kann, dann muss er aufgrund des Verantwortungsgedankens immerhin ein Testament errichten, das den Dritten zur Vermögensverteilung ermächtigt. Der Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit lässt sich dagegen mit dem Verantwortungsgedanken nicht schlüssig begründen,786 weil Verantwortung auch derjenige übernimmt, der in seinem Testament einem Dritten die Entscheidungsbefugnis überträgt. Damit übernimmt er nämlich auch die moralische Verantwortung für die Entscheidung des Dritten. f)
Todesverarbeitung
Zuletzt wurde als weitere Argumentationslinie ins Feld geführt, dass die formelle Höchstpersönlichkeit im Testamentsrecht überhaupt nur damit schlüssig begründet werden könne, dass die Testamentserrichtung als Todesverarbeitung notwendig stellvertretungsfeindlich sei. Es wäre nämlich „ausnahmslos ein Unding, seinen eigenen Tod durch Dritte stellvertretend verarbeiten zu lassen.“787 Mag dieser Begründungsansatz auch innovativ sein und auf den ersten Blick plausibel erscheinen, so kann er einer näheren Prüfung nicht standhalten. Das liegt bereits daran, dass Todesverarbeitung auch ohne formelle Höchstpersönlichkeit möglich ist. Wer einem Dritten die Vollmacht zur Errichtung eines Testaments erteilt, wird sich allein durch diese Handlung bereits mit seiner Endlichkeit auseinandersetzen müssen. Weshalb es nun nicht möglich sein sollte, über eine Vollmachtserteilung seinen Tod zu verarVgl. oben, § 4 III.2.a). Kritisch mit weiteren Argumenten auch Goebel, Testierfreiheit 296 ff. Ebenso kritisch zuletzt Kleinschmidt, Delegation 356 ff. 787 Goebel, Testierfreiheit 293. 785 786
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beiten, kann allein mit dem Topos der Todesverarbeitung nicht erklärt werden.788 Und selbst wenn man, mit welcher Begründung auch immer, annehmen wollte, dass für eine ernsthafte Todesverarbeitung die Testamentsformen erforderlich wären, müsste erklärt werden, wie eine solche etwa beim notariellen Testament durch Übergabe einer (offenen oder verschlossenen) Schrift erfolgen sollte. Bei diesem kann sich die Beteiligung des Erblassers nämlich auch auf ein Kopfnicken oder ein Augenblinzeln reduzieren,789 sodass für die Erfüllung solcher transzendentalen Zwecke wie der Todesverarbeitung kein vernünftiger Raum bleibt.790 g) Fazit Alle vorgebrachten Begründungsversuche kranken letztlich an einer unvollständigen Erfassung des Gebots der formellen Höchstpersönlichkeit. Dies liegt in erster Linie daran, dass bei der Begründung die historischen Wurzeln dieser Regel ausgeblendet werden und versucht wird, § 2064 BGB mit einer besonderen Funktion aufzuladen. Damit soll nicht gesagt sein, dass alle Begründungsversuche scheitern müssen. Gerade der Verantwortungsgedanke scheint in Bezug auf die nächsten Verwandten eine plausible Begründung dafür, dass der Erblasser sein Testament formell selbst zu errichten hat und dies nicht an Dritte delegieren darf. Bei Erblassern ohne engere Angehörige stößt dieser Begründungsansatz indes an seine Grenzen. Die formelle Höchstpersönlichkeit wurzelt in der strengen Förmlichkeit des Manzipationstestaments des klassischen römischen Rechts und hat sich über das gemeine Recht bis in die Kodifikationen des 19. Jahrhunderts erhalten. § 2064 BGB ist insofern ein Rudiment des römischen Formalismus, über dessen Beibehaltung bereits während des Lehrstreits im usus modernus diskutiert wurde. Dort fürchtete man vor allem, dass der Vertreter seine Stellung missbrauchen könnte, indem er das ihm vom Erblasser überreichte Testament vor Übergabe an das Gericht fälschen oder austauschen könnte. Dem BGBGesetzgeber war offenkundig daran gelegen, in diesem bis in das 19. Jahrhundert schwelenden Lehrstreit eindeutig Position zu beziehen und sich der herrschenden, dem römischen Recht folgenden Ansicht anzuschließen, dass die Errichtung eines Testaments ausschließlich dem Erblasser persönlich vor788 Bezeichnend ist insofern, dass bei diesem Argument für die formelle Höchstpersönlichkeit eine Einbeziehung der testamentarischen Formvorschriften im Wertungsabgleich gänzlich ausgespart wurde. Goebel, Testierfreiheit 262 ff. 789 Vgl. oben § 4 II.6.a)cc). 790 Man stelle sich den bereits im Sterben liegenden Erblasser vor, dessen Testament inhaltlich von Dritten vorbereitet wurde und der in Anwesenheit eines Notars und eines Zeugen nur noch in der Lage ist, die Frage, ob es sich hierbei um sein Testament handle, durch Nicken zu bestätigen. Die Unterschrift des Schreibzeugen ersetzt gemäß § 25 BeurkG die Unterschrift des schreibunfähigen Erblassers.
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behalten ist. Dabei erkannte man freilich, dass dieser Grundsatz nur so weit gelten kann, als die Formvorschriften nicht die Mitwirkung Dritter bei der Errichtung des Testaments zulassen oder gar vorschreiben. Das ALR I, 12, §§ 68–70 hatte sich noch bemüht festzuhalten, welcher Teil der Errichtungshandlungen abweichend vom Grundsatz der formellen Höchstpersönlichkeit von Dritten vorgenommen werden darf. Einen Bedarf für die Regelung solcher Ausnahmen sah der BGB Gesetzgeber zurecht nicht, denn „welche Handlungen für die Errichtung wesentlich und damit vom Erblasser persönlich vorzunehmen sind“ ergibt sich zwanglos aus den Formvorschriften.791 Folgerichtig wurde § 2064 BGB in den Motiven als eine Formvorschrift792 qualifiziert. Daraus ergibt sich, dass überall dort, wo nach den Formvorschriften der Erblasser zu handeln hat, eine Vertretung unzulässig ist. Die praktische Bedeutung des Grundsatzes der formellen Höchstpersönlichkeit ergibt sich somit aus den einzelnen Formvorschriften und erstreckt sich von der vollständigen eigenhändigen Errichtung beim handschriftlichen Testament bis zur Errichtung eines öffentlichen Testaments durch Übergabe einer verschlossenen Schrift, bei der die persönliche Beteiligung des Erblassers sich darauf beschränken kann, dem Notar gegenüber durch Gesten anzuzeigen, dass das von fremder Hand verfasste verschlossene Testament seinen letzten Willen enthält. Dies bedeutet, dass der Wille des Erblassers vor einer unzulässigen Einflussnahme Dritter stets nur so weit geschützt ist, als ein solcher Schutz der gewählten Errichtungsform entspricht. Ein darüber hinaus gehender Schutz des Erblassers vor unzulässiger Beeinflussung seiner Willensfreiheit ergibt sich aus dem Grundsatz der formellen Höchstpersönlichkeit nicht.793 Der Grundsatz der formellen Höchstpersönlichkeit (§ 2064 BGB) hat somit keine von den Formvorschriften losgelöste, eigenständige Bedeutung. Er unterstreicht lediglich die Verbindlichkeit der Formvorschriften, indem dort, wo im Rahmen der Formvorschriften der Erblasser erwähnt wird, er auch selbst handeln muss und sich nicht vertreten lassen darf. Damit bleiben die Formvorschriften des Testaments für den Erblasser selbst dann bindend, wenn die materielle Höchstpersönlichkeit durchbrochen wird. So etwa, wenn der Erblasser bei der Aussetzung eines Vermächtnisses die Wahl des Begünstigten aus einem bestimmten Personenkreis gemäß § 2151 BGB einem Dritten überlässt.
Mugdan V 130 (Motive V S. 247). Mugdan V 130 (Motive V S. 247). Vor allem der historische Zusammenhang, der diese Qualifikation der formellen Höchstpersönlichkeit als Formvorschrift aufdrängt, wird von Windel, Modi 235 (Fn. 148) ausgeblendet. 793 Vor „inhaltlicher Einflussnahme“ schützt § 2064 BGB den Erblasser nicht. Staudinger/Otte, § 2064 BGB Rn. 8. 791 792
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3. Durchbrechung der formellen Höchstpersönlichkeit Wenn das Gebot formeller Höchstpersönlichkeit keinen über die Form hinausreichenden Schutz des Erblassers vor fremder Einflussnahme zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bietet, kann man fragen, ob dieses Gebot vielleicht im Gegenteil einen effektiveren Schutz des freien Willens des Erblassers verhindert. Aufgrund der Unzulässigkeit jeder Art von Vertretung des Erblassers sind nämlich all jene Personen von der Errichtung eines Testaments ausgeschlossen, die dazu allein nicht mehr in der Lage sind. Im Übrigen darf der Erblasser bei der Testamentserrichtung auch nicht von Dritten unterstützt werden, soweit die Unterstützung über ein mit den Formvorschriften vereinbares Maß hinausgeht. So darf etwa bei der Errichtung eines notariellen Testaments der Entwurf des Testaments vollständig von einem Dritten verfasst sein. Der Erblasser muss sich aber selbständig diesen Entwurf zu eigen machen, damit daraus ein gültiges Testament entstehen kann.794 a) Beistand bei der Willenserklärung Nach der bis zum 31.12.2006 geltenden Rechtslage in Frankreich konnten Personen unter Vormundschaft kein gültiges Testament errichten (Art. 504 a. F. franz. C. civ.).795 Das Gesetz vom 3.1.1968796 hatte die Möglichkeit der Anerkennung eines lucidum intervallum bei unter Vormundschaft stehenden Personen ausgeschlossen, sodass deren Testament jedenfalls nichtig war. In Einzelfällen hatten die Gerichte aber Ausnahmen gewährt und auf Antrag des Entmündigten dessen Testierfähigkeit (Art. 501 a. F. franz. C. civ.) wiederhergestellt, sodass dieser trotz Vormundschaft testieren konnte.797 Mit der Reform des Jahres 2006798 wurde die strenge Nichtigkeitsanordnung dahingehend gelockert, dass der Familienrat den Erwachsenen unter Vormundschaft zur Errichtung eines Testaments ermächtigen konnte (Art. 504 a. F. franz. C. civ.). Allerdings war für die Errichtung eines Testaments der Beistand des Vormunds erforderlich. Damit stärkte der Gesetzgeber zwar die Testierfreiheit des unter Vormundschaft stehenden Erblassers, gleichzeitig durchbrach er aber auch den Grundsatz der formellen Höchstper794 Dass dieser Beitrag sich freilich auch auf eine Geste bschränken kann, wurde bereits mehrfach erwähnt. Vgl. insbesondere oben, § 4 II.6.a)cc). 795 Jubault, Les successions 466. 796 Loi n° 68-5 du 3 janvier 1968 portant réforme du droit des incapables majeurs, J.O. vom 4.1.1968, S. 114 ff. 797 Cass. 1ere civ. 29.5.2001, 99-17.478, D. 2002, 2167, Anm J.-J. Lemouland (kritisch wegen der ausdrücklichen Nichtigkeitsanordnung). Die Möglichkeit der Wiederherstellung der Testierfähigkeit eines Entmündigten wurde allerdings nicht einhellig bejaht. Vgl. dazu auch oben Fn. 288. 798 Loi n° 2006-728 portant réforme des successions et des libéralités, J.O. Nr. 145 vom 24.6.2006, S. 9513, in Kraft getreten mit 1.1.2007.
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sönlichkeit,799 was in der Lehre als Angriff („injure“) auf den im französischen Recht tief verwurzelten höchstpersönlichen Charakter des Testaments abgelehnt wurde.800 Im Zuge der unmittelbar darauf folgenden Erbrechtsreform des Jahres 2007801 wurde daher die Regelung der Testierfreiheit des entmündigten Erblassers weiter gelockert, sodass er seit dem Inkrafttreten dieser neuerlichen Reform mit 1.1.2009 nach Ermächtigung entweder durch den Familienrat oder das Vormundschaftsgericht sein Testament allein errichten kann. Der Beistand oder die Vertretung durch seinen Vormund bei der Errichtung des Testaments ist nunmehr, dem Grundsatz der formellen Höchstpersönlichkeit folgend und um jeden Zweifel zu vermeiden, ausdrücklich untersagt.802 b) Widerruf des Testaments durch Dritte „im Interesse des Erblassers“ Dagegen bedarf es für den Widerruf des Testaments durch den entmündigten Erblasser schon seit der Reform des Jahres 2006 weder einer Ermächtigung noch des Beistands durch den Vormund (Art. 504 Abs. 1 S. 2 a. F. franz. C. civ., Art. 476 Abs. 3 franz. C. civ.). Dies deutet darauf hin, dass sich der Gesetzgeber bei der Beschränkung der Testierfreiheit des entmündigten Erblassers nicht so sehr um dessen freien Willen gesorgt hat,803 denn der Erblasser kann auch zum Widerruf durch unzulässige Einflussnahme gedrängt werden. Vielmehr scheint es ihm bei der Beschränkung der Testierfreiheit des entmündigten Erblassers wohl darum gegangen zu sein, die gesetzlichen Erben vor einer Verfügung zu schützen, die der Erblasser nicht selbstbestimmt errichtet hat. Wird nämlich ein Testament widerrufen, kommt die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung, sodass den gesetzlichen Erben aus dem Widerruf kein Nachteil erwachsen kann und somit von einer Beschränkung der Widerrufsfreiheit abgesehen wird. Der Eindruck, dass der Gesetzgeber in erster Linie den Schutz der Angehörigen des verletzlichen Erblassers bezweckt,804 wird durch Art. 476 Abs. 4 franz. C. civ. noch weiter verstärkt. Dort ist nämlich vorgesehen, dass das Testament des Bahurel, Volontés 34 f. Peterka, Dr. famille 2007, Nr. 5, 30. Zur Unvereinbarkeit mit einem Beistand auch Crémont/Lenouvel/Loustalet, LPA 2006, Nr. 94, 53; Fulchiron/Caron Déglise, RLDC 2010,Suppl. au n° 73, 15. 801 Loi n° 2007-308 portant réforme de la protection juridique des majeurs, J.O. Nr. 56 vom 7.3.2007, S. 4325. 802 Art. 476 Abs. 2 franz. C. civ.: „Elle ne peut faire seule son testament après l’ouverture de la tutelle qu’avec l’autorisation du juge ou du conseil de famille s’il a été constitué, à peine de nullité de l’acte. Le tuteur ne peut ni l’assister ni la représenter à cette occasion.“ 803 Über die tatsächlichen Gründe für diese Vorschriften lässt sich den verfügbaren Gesetzesmaterialien keine nähere Auskunft entnehmen. 804 Dieser Zweck ist auch im französischen Schrifttum nicht unbekannt: FossaertRequillart/Mathieu, RLDC 2010, Suppl. au n° 73, 45. 799 800
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später entmündigten Erblassers seine Gültigkeit verliert, wenn der Grund, der den Erblasser zu einer bestimmten Verfügung veranlasst hat, nachträglich weggefallen ist. Ändern sich mithin nach dem hier auf das Testamentsrecht erweiterten Grundsatz rebus sic stantibus die Lebensumstände, was in Anbetracht der mit der Entmündigung eintretenden Lebensveränderungen wohl nicht selten der Fall sein wird, dann kann das Gericht ein gültig errichtetes Testament für verfallen erklären (caducité),805 um damit den Weg zur gesetzlichen Erbfolge freizugeben. Ob dies dem Willen des Erblassers entspricht, ist nicht feststellbar, sodass sich das Gericht an die Stelle des Erblassers stellt und das Testament durch Fremdbestimmung beseitigt. c) Vertretung des Erblassers: statutory wills Noch weiter geht seit geraumer Zeit das englische Recht bei Personen, die aufgrund ihrer beeinträchtigten geistigen Gesundheit kein Testament mehr errichten können, mithin testierunfähig sind. Mit s. 102a des Mental Health Act 1959 waren dem Court of Protection weitreichende Befugnisse zur Verwaltung des Vermögens geistig kranker Personen (mentally disordered person) eingeräumt worden. S. 103(1) ermächtigte das Gericht für den Unterhalt des geistig Kranken und seiner Familie Vermögensgegenstände zu veräußern, Vergleiche zu schließen und sogar Schenkungen vorzunehmen.806 Dagegen konnte das Gericht für den geistig kranken Patienten kein Testament errichten. Erst 1970 wurde dies mit s. 17 des Administration of Justice Act 1969 möglich. Seither ist das Court of Protection in England und Wales ermächtigt, für Testierunfähige ein Testament zu errichten. Diese Testamentsform wird seither als statutory will 807 bezeichnet. Die Befugnis zur Errichtung eines statutory will wurde auch in den späteren Mental Health Act 1983 sowie den zuletzt am 1.10.2007 in Kraft getretenen Mental Capacity Act 2005 übernommen. Dort heißt es in s. 18(1)(i), dass für den geistig kranken Erblasser ein Testament errichtet werden kann. Allerdings muss dieser mindestens 18 Jahre alt sein (s. 18(2)) und darf nach Überzeugung des Gerichts (zu belegen etwa durch medizinische Gutachten) zu einer selbständigen Testamentserrichtung nicht imstande sein. 808 Das auf diese Weise für den Erblasser errichtete Testament kann alle Verfügungen enthalten, die auch ein vom Erblasser selbst errichtetes Testament enthalten kann.809
Dazu Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions Rn. 459. Williams on Wills. First Suppl. 23. 807 Passender wäre wohl die Bezeichnung judicial will. Williams on Wills. First Suppl. 24. 808 Gemäß Mental Capacity Act 2005 s. 1(2) liegt diese Voraussetzung vor, „if at the material time he is unable to make a decision for himself in relation to the matter because of an impairment of, or a disturbance in the functioning of, the mind or brain.“ 805 806
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Gemäß Mental Capacity Act 2005 s. 16 erfolgt die Errichtung eines statutory will nach der inhaltlich vorgegebenen Anordnung des Gerichts durch eine hierfür vom Gericht ermächtigte Person.810 Die von der ermächtigten Person („authorized person“) einzuhaltenden Förmlichkeiten ergeben sich aus Schedule 2, 1-4 des Mental Capacity Act 2005. Entsprechend muss das Testament die Erklärung enthalten, dass es im Namen des Erblassers unterzeichnet wurde. Dabei ist das Testament zunächst mit dem Namen des Erblassers und sodann mit der Unterschrift des zur Errichtung Ermächtigten in Anwesenheit von zwei oder mehr Zeugen zu versehen, die ebenfalls unterschreiben. Das Testament ist schließlich vom Court of Protection zu versiegeln811 und ist damit für alle Zwecke einem Testament, das der Erblasser selbst errichtet hat, gleichgestellt.812 Dies gilt allerdings nur bei reinen Inlandssachverhalten. In Bezug auf unbewegliche Nachlassgegenstände ist es nur wirksam813, wenn diese in England oder Wales belegen sind. Bei sonstigen Vermögensgegenständen entfaltet diese Testamentsform nur dann Wirkungen, wenn der Erblasser seinen Wohnsitz in England oder Wales hat und seine Testierfähigkeit nach englischem Recht814 zu beurteilen ist.815
809 Mental Capacity Act 2005 Schedule 2, 2: „The will may make any provision (whether by disposing of property or exercising a power or otherwise) which could be made by a will executed by P if he had capacity to make it.“ 810 Damit ist die inhaltliche Ausgestaltung des Testaments stets dem Court of Protection vorbehalten. Eine Delegation an einen Vertreter ist gemäß Mental Capacity Act 2005 s. 20(3)(b) unzulässig. 811 Mental Capacity Act 2005 Schedule 2, 3(2): „Any will executed in pursuance of the order or direction (a) must state that it is signed by P acting by the authorised person, (b) must be signed by the authorised person with the name of P and his own name, in the presence of two or more witnesses present at the same time, (c) must be attested and subscribed by those witnesses in the presence of the authorised person, and (d) must be sealed with the official seal of the court.“ 812 Mental Capacity Act 2005 Schedule 2, 4(3): „The will has the same effect for all purposes as if (a) P had had the capacity to make a valid will, and (b) the will had been executed by him in the manner required by the 1837 Act.“ 813 Es geht bei diesen Vorschriften um eine Frage der Wirksamkeit und nicht um eine Frage der Zulässigkeit der Errichtung eines statutory will. Vgl. In Re P [2010] Ch 33, 42 f. 814 Als ausländisches Recht gilt dabei freilich schon das schottische oder nordirische Recht. Nicht wirksam wäre daher ein von einer ermächtigten Person errichtetes Testament im Namen eines an einer Geisteskrankheit leidenden Schotten. 815 Mental Capacity Act 2005 Schedule 2, 4(4): „But sub-paragraph (3) does not have effect in relation to the will (a) in so far as it disposes of immovable property outside England and Wales, or (b) in so far as it relates to wany other property or matter if, when the will is executed (i) P is domiciled outside England and Wales, and (ii) the condition in sub-paragraph (5) is met. (5) The condition is that, under the law of P’s domicile, any question of his testamentary capacity would fall to be determined in accordance with the law of a place outside England and Wales.“
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d) Richtlinien für die Errichtung eines statutory will Bei der Errichtung eines statutory will für einen geistig Kranken galten nach dem Mental Health Act 1959 und 1983 die vom Vice-Chancellor in Re D(J)816 festgelegten Richtlinien. Demnach sollte das Gericht bei der Errichtung des Testaments die Perspektive des testierunfähigen Erblassers einnehmen und sich somit in seine subjektive Lage versetzen. Es sollte annehmen, dass der Erblasser einen kurzen lichten Augenblick hat,817 währenddessen er sich seiner Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft ebenso bewusst ist wie der Tatsache, dass er nach dem lichten Augenblick wieder in die geistige Verwirrung zurückfallen werde.818 Darüber hinaus sollte das Gericht den Erblasser als Einzelperson und nicht als hypothetischen Standardpatienten im Auge haben.819 Zur Vermeidung offenkundig unwirksamer Verfügungen820 sollte das Gericht ferner annehmen, dass der Erblasser in seinem lichten Augenblick von einem Anwalt beraten werde, wobei er dem rechtlichen Rat nicht zwangsläufig folgen müsse.821 Schließlich sollte das Gericht nicht in eine Aufrechnung von gegenseitigen Forderungen und Erwartungen im Ver-
[1982] Ch 237, 243. „The first of the principles or factors which I think it is possible to discern is that it is to be assumed that the patient is having a brief lucid interval at the time when the will is made.“ In Re D(J) [1982] Ch 237, 243. 818 „The second is that during the lucid interval the patient has a full knowledge of the past, and a full realisation that as soon as the will is executed he or she will relapse into the actual mental state that previously existed, with the prognosis as it actually is.“ In Re D(J) [1982] Ch 237, 243. 819 „The third proposition is that it is the actual patient who has to be considered and not a hypothetical patient. One is not concerned with the patient on the Clapham omnibus.“ In Re D(J) [1982] Ch 237, 243. 820 Dadurch konnte der hypothetische Wille den rechtlichen Schranken und den berechtigten Forderungen naher Familienangehöriger im Sinne des Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975 angepasst werden. Indes musste auch ein statutory will die berechtigten Forderungen naher Angehöriger nicht zwangsläufig berücksichtigen, wenn feststand, dass der Erblasser trotz anwaltlicher Beratung diese Personen nicht begünstigt hätte. Auch gegen einen statutory will konnte im Wege des Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975 vorgegangen werden, mag es sich für den Court of Protection zur Vermeidung weiterer Gerichtsverfahren auch empfohlen haben, den berechtigten Forderungen naher Angehöriger im statutory will bereits Rechnung zu tragen. Dazu Williams on Wills. First Suppl. 26, Fn. 2. 821 „Fourth, I think that during the hypothetical lucid interval the patient is to be envisaged as being advised by competent solicitors. […] I do not, of course, say that one must treat the patient as being bound to accept the imaginary legal advice that is given to him: but the patient is to be treated as doing what he does either because of the advice or in spite of it, and not without having had it.“ In Re D(J) [1982] Ch 237, 244. 816 817
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wandtenkreis verfallen. Der Erblasser sei so zu denken, dass er die Ansprüche Dritter ihm gegenüber im Groben wahrnehme und demnach urteile.822 Von diesem subjektiven Ansatz entfernen sich die Vorgaben des Mental Capacity Act 2005 deutlich.823 Nach geltendem Recht hat das Gericht nicht zu ermitteln, was der Erblasser gemacht hätte, wenn er für einen kurzen Augenblick wieder zu Sinnen gekommen wäre, sondern es muss einen objektiven Maßstab anwenden, der sich am Wohl des Betroffenen (best interests approach) orientiert.824 Dies bedeutet in erster Linie, dass das Gericht nach Kräften zu versuchen hat, den testierunfähigen Erblasser am Errichtungsakt zu beteiligen.825 Trotz des objektiven Maßstabs muss es, soweit dies möglich ist, auch vergangene und gegenwärtige Wünsche und Gefühle des betroffenen Erblassers bei der Entscheidung berücksichtigen. Dabei spielen schriftliche Dokumente des Erblassers, insbesondere frühere Testamente,826 eine bedeutende Rolle. Auch die Überzeugungen und Werte des Erblassers, welche die Entscheidung beeinflussen würden, müssen berücksichtigt werden.827 Zur Ermittlung der Entscheidung im besten Interesse des Erblassers soll das Gericht auch Personen befragen, die hierfür vom Erblasser genannt wurden, Pflegepersonen, Vorsorgebevollmächtigte und vom Gericht ernannte Betreuer.828 Schließlich gehören nach Ansicht der Gerichte auch Überlegungen
822 „Fifth, in all normal cases the patient is to be envisaged as taking a broad brush to the claims on his bounty, rather than an accountant’s pen. There will be nothing like a balance sheet or profit and loss account.“ In Re D(J) [1982] Ch 237, 244. 823 Auf diesen Wandel weist besonders Re P (Statutory Will) [2010] Ch 33, 43 f. hin: „The 2005 Act marks a radical change in the treatment of persons lacking capacity. […] the overarching principle is that any decision made on behalf of P must be made in P’s best interests. This is not (necessarily) the same as inquiring what P would have decided if he or she had had capacity.“ In diese Richtung weisen auch schon die Gesetzesmaterialien: „Best interests is not a test of ‘substituted judgment’ (what the person would have wanted), but rather it requires a determination to be made by applying an objective test as to what would be in the person’s best interests.“ Explanatory Notes Mental Capacity Act 2005, Part I, Preliminary, s. 4, abrufbar unter . 824 Mental Capacity Act 2005 s. 1(5): „An act done, or decision made, under this Act for or on behalf of a person who lacks capacity must be done, or made, in his best interests.“ 825 Mental Capacity Act 2005 s. 4(4): „He must, so far as reasonably practicable, permit and encourage the person to participate, or to improve his ability to participate, as fully as possible in any act done for him and any decision affecting him.“ 826 Vgl. z. B. In Re M [2011] 1 WLR 344, 353. 827 Mental Capacity Act 2005 s. 4(6): „He must consider, so far as is reasonably ascertainable (a) the person’s past and present wishes and feelings (and, in particular, any relevant written statement made by him when he had capacity), (b) the beliefs and values that would be likely to influence his decision if he had capacity, and (c) the other factors that he would be likely to consider if he were able to do so.“ 828 Mental Capacity Act 2005 s. 4(7).
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darüber, wie der Erblasser nach seinem Tod erinnert wird, zu den Faktoren, die zu berücksichtigen sind. Das Testament soll nach einer Meinung damit möglichst so gestaltet werden, dass es aus der Sicht der nächsten Angehörigen als gerecht und richtig empfunden wird.829 Aus den unterschiedlichen Faktoren zur Feststellung des Wohls des Erblassers wird regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls ein Faktor als von zentraler Bedeutung („of magnetic importance“) hervorgehoben, der letztlich entscheidend für den Inhalt des statutory will ist.830 e) Voraussetzungen für die Errichtung eines statutory will Unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen neben der Testierunfähigkeit ein Antrag auf Errichtung eines statutory will überhaupt vom Gericht angenommen wird, geht aus dem Gesetz nicht ausdrücklich hervor. Diese Frage stellt sich aber besonders dann, wenn der inzwischen testierunfähige Erblasser über ein gültiges Testament verfügt. In der Rechtsprechung wurde darauf hingewiesen, dass das Gericht die Errichtung eines statutory will nur dann genehmigen kann, wenn entweder eine wesentliche Änderung der Umstände eingetreten ist (material change of circumstances) oder kein Testament errichtet wurde (vacuum). Wenn etwa wegen Verdachts der unzulässigen Beeinflussung oder der Testierfähigkeit Zweifel an der Gültigkeit des vom Erblasser selbst errichteten Testaments bestehen, kann das Gericht ebenfalls die Errichtung eines statutory will anordnen, muss dabei aber die Umstände für die Zweifel an der Gültigkeit des Testaments mitberücksichtigen. Schließlich geht es stets darum zu beurteilen, ob es im Interesse des inzwischen testierun829 In Re P [2010] Ch 33, 47: „Mr Boyle stressed the principle of adult autonomy; and said that P’s best interests would be served simply by giving effect to his wishes. That is, I think, part of the overall picture, and an important one at that. But what will live on after P’s death is his memory; and for many people it is in their best interests that they be remembered with affection by their family and as having done the ‘right thing’ by their will. In my judgment the decision-maker is entitled to take into account, in assessing what is in P’s best interests, how he will be remembered after his death.“ Ebenso In Re M [2011] 1 WLR 344, 353. Dabei trifft das freilich nicht bei allen Erblassern zu: „Similarly, I am not sure that the idea of being remembered with affection for having done the right thing is of any assistance in this case. JC has an appalling track record. He has spent his entire lifetime doing precisely ‘the wrong thing’ in his relationships with others, and his malevolence is such that he would probably relish the prospect of thwarting his children’s designs on his estate and would rejoice at being remembered by them with disaffection. In any event, it would be unrealistic to exepct him now to undergo some sort of Damscus Road experice simply because he lacks capacity.“ In Re JC [2012] WTLR 121, para. 54. Kritisch zu diesem Faktor, weil es sich um eine Entscheidung des Gerichts und nicht des Erblassers handelt, und niemals alle Angehörigen zufrieden sein werden: In Re G (TJ) [2010] EWHC 3005 (Fam), para. 53, 64; NT v. FS & Ors [2013] EWHC 684 (COP), para. 8.6. 830 In Re M [2011] 1 WLR 344, 351; In Re JC [2012] WTLR 121, para. 61; NT v. FS & Ors [2013] EWHC 684 (COP), para. 8.4.
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fähigen Erblassers ist, wenn sein früher errichtetes Testament beseitigt und durch ein vom Gericht für ihn errichtetes Testament ersetzt wird.831 Dies geht so weit, dass es auch genügt, wenn das Testament oder die vorangehenden Testamente zwischen den Prätendenten hinreichend umstritten und deren Gültigkeit anzuzweifeln ist, denn in diesen Fällen sei es jedenfalls im Interesse des Betroffenen, dass der Nachlass nicht durch absehbare Erbstreitigkeiten vor Gericht aufgebraucht und sein Andenken nicht durch einen verbitterten Erbstreit in der Familie getrübt werde.832 In der Praxisliteratur wird die Meinung vertreten, dass die Errichtung eines statutory will immer dann zu erwägen sei, wenn nach dem Grundsatz rebus sic stantibus wesentliche Änderungen im Leben des Betroffenen eingetreten sind. Als solche seien etwa eine Scheidung, Trennung, Geburt eines Kindes oder eine Krankheit anzusehen. Ebenso könnte es sich um wesentliche Änderungen in der finanziellen Situation des Erblassers, eines Begünstigten oder einer vom Erblasser wirtschaftlich abhängigen Person handeln.833 f)
Beispiele aus der Praxis
Der wohl meist zitierte Fall834 im Zusammenhang mit statutory wills ist jener einer 92-jährigen Heimbewohnerin, die aufgrund einer bereits fortgeschrittenen Demenz nicht mehr in der Lage war, ihre Angelegenheiten selbst zu erledigen. Im Juni 1979 zog sie in das Seniorenheim, im September errichtete sie trotz ihres sehr beeinträchtigten geistigen Gesundheitszustands ein Testament. Bis auf die Heimleiterin, die in diesem Testament ebenfalls begünstigt wurde, waren alle anderen testamentarisch Begünstigten mit der Erblasserin verwandt. Im Oktober 1979 heiratete sie allerdings den 44 Jahre jüngeren Altenpfleger und Heimbediensteten, sodass das zuvor errichtete Testament ex lege verfiel (Wills Act 1837 s. 18). Dadurch hätte der frisch vermählte Ehe831 In Re D [2010] EWHC 2159 (Ch), para. 16: „I therefore hold that the Court of Protection should not refrain, as a matter of principle, from directing the execution of a statutory will in any case where the validity of an earlier will is in dispute. However, the existence and nature of the dispute, and the ability of the Court of Protection to investigate the issues which underlie it, are clearly relevant factors to be taken into account when deciding whether, overall, it is in the protected person’s best interests to order the execution of a statutory will.“ 832 In Re D [2010] EWHC 2159 (Ch), para. 21: „I am satisfied that sufficient doubts have been raised as to the validity of each of those Wills to lead me to conclude, on the specific facts of this case, that the best interests of Mrs D dictate that I should, here and now, set to rest all concerns about her true testamentary wishes by ordering the execution of a statutory will, rather than leaving her estate to be eroded by the costs of litigation after her death, and her memory to be tainted by the bitterness of a contested probate dispute between her children (which may extend to members of the next generation).“ 833 Rees, Court of Protection Practice 20-036. 834 In Re Davey [1981] 1 WLR 164.
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gatte kraft des zur Anwendung gelangenden gesetzlichen Erbrechts ein gesetzliches Vermächtnis in Höhe von 55.000 Pfund sowie die Hälfte des verbleibenden Nachlasses erhalten. Dem kam das Court of Protection aber zuvor, indem es auf Antrag des Betreuers der Erblasserin einen statutory will errichten ließ, der inhaltlich dem im September errichteten Testament entsprach. Der Altenpfleger ging somit leer aus und wurde auf den, aufgrund seiner Position wenig aussichtsreichen Anspruch aus dem Inheritance (Provisions for Family and Dependants) Act 1975 verwiesen. Ein jüngerer Fall betraf eine Frau M in fortgeschrittenem Alter, die als kinderlose Witwe bei der Familie des Pflegers Z wohnte. Mit ihren Nachbarn PM stand sie in einem engen, freundschaftlichen Verhältnis. Frau M hatte ihr erstes Testament 1996 errichtet, in dem sie ihre Nachbarn PM mit einem Vermächtnis in Höhe von 20.000 Pfund bedachte, während der restliche Nachlass einschließlich ihres Hauses an sechs Wohltätigkeitsorganisationen gehen sollte. Ein zweites Testament errichtete Frau M im Jahr 2001. Nun bedachte sie ihre Nachbarn PM mit einem Anteil in Höhe von 5 % ihres Nachlasses und setzte darüber hinaus neun Wohltätigkeitsorganisationen als Begünstigte ein. In einem Kodizill aus dem Jahr 2003 änderte sie das Testament des Jahres 2001 dahingehend, dass die Nachbarn das Eigentum am Haus erhalten sollten. In der Zwischenzeit zog Frau M zu Z, der sie bei sich zu Hause pflegte. Dies führte 2004 zum vierten Testament, in dem sie alle vorhergehenden Anordnungen widerrief und Z als Alleinerben einsetzte. In den folgenden zwei Jahren ließ sich Z das gesamte Barvermögen von Frau M auszahlen, um es für eigene Zwecke zu verwenden. Die Behörden wurden auf die finanzielle Ausbeutung der Frau M durch Z aufmerksam und das Gericht ordnete daraufhin die Unterbringung der M in einem Pflegeheim an. Dem folgte der Antrag des vom Gericht ernannten rechtlichen Vertreters der M auf Errichtung eines statutory will. Aufgrund des Umzugs der M in ein Pflegeheim und des Verhaltens des Z nach 2004 sei davon auszugehen, dass Frau M den Z nicht mehr als Alleinerben einsetzen wolle. Er dürfe für sein eigennütziges und rücksichtsloses Verhalten nicht auch noch belohnt werden. Das Gericht kehrte daher im statutory will zum Testament aus 2001 zurück und hob angesichts des Kodizills aus 2003 den Erbteil der befreundeten Nachbarsfamilie von 5 % auf 10 % an. Der jüngste Fall betrifft einen 74-jährigen ehemaligen professionellen Rugbyspieler F, der an Alzheimer leidet und daher nicht testierfähig ist. Als Immobilieninvestor hat F ein stattliches Vermögen in Höhe von über drei Millionen Pfund angehäuft, sich allerdings nie um seine Nachlassgestaltung gekümmert. Er war nie verheiratet, hatte jedoch aus einer ersten mehrjährigen Liebesverbindung einen Sohn, zu dem er Kontakt pflegte. Die zweite Verbindung zu einer Frau namens N, in deren Haus er bis zuletzt wohnte, währte seit 28 Jahren. Aufgrund der gesetzlichen Erbfolge würde N leer ausgehen. Um die Frau an der Erbschaft zu beteiligen, beantragte der gerichtlich er-
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nannte Vertreter des F die Errichtung eines statutory will. Neben dem Sohn K, dessen Abstammung während des Verfahrens auf Antrag der Geschwister des F überprüft wurde, wurden auch die weiteren Familienmitglieder, die Mutter, drei Geschwister und der brudergleiche Onkel angehört. Die Familienmitglieder machten geltend, dass sie F bei der Renovierung und Verwaltung der Immobilien geholfen hatten, ohne jemals dafür finanziell entgolten worden zu sein. Aufgrund einer sehr ausführlichen Durchleuchtung der persönlichen Beziehungen des F entschied das Gericht schließlich, der Lebensgefährtin N einen Erbteil in Höhe von 35 % zuzusprechen. F, der schon lange im Haus der N wohne, habe eine große moralische Verpflichtung gegenüber N. Die Beziehung dauere bereits über 28 Jahre an und F habe nur in geringem Ausmaß zum Haushalt beigetragen, während N stets für den Unterhalt beider gesorgt habe. Seit 2006 habe sie sich als Hauptpflegerin für F aufgeopfert. Dem Sohn, dem F ebenfalls moralisch verpflichtet sei und der eine junge Familie habe, gebühre ein Anteil in Höhe von 43 %, während den Geschwistern und dem Onkel 22 % zustünden. Aus dem Barvermögen wurde zugunsten der 95-jährigen Mutter für deren Unterhalt und Pflege eine lebzeitige Schenkung von 50.000 Pfund angeordnet. g) Verfahrensaufwand und Kosten Die Errichtung eines statutory will scheint angesichts des Verfahrens- und Kostenaufwands überhaupt nur dann lohnend, wenn der zu erwartende Nachlass von beträchtlichem Umfang ist. Das Verfahren gestaltet sich deshalb als besonders aufwändig,835 weil beim Antrag dafür zu sorgen ist, dass all jene Personen über das Verfahren in Kenntnis gesetzt werden, die durch den Antrag direkt oder indirekt betroffen sind. Dazu zählen alle in einem bestehenden Testament Begünstigten, alle im vorgeschlagenen Testament Begünstigten sowie alle gesetzlichen Erben. Dies setzt voraus, dass eine umfangreiche Feststellung der Verwandten zu erfolgen hat. Ein Stammbaum der größeren Familie des Betroffenen mit Adressen und Kontaktinformationen ist ebenso beim Gericht einzureichen. Hinzu kommt, dass in jedem Einzelfall ein umfangreiches Beweisverfahren stattfinden muss, um die Familienverhältnisse und die persönlichen Beziehungen des Betroffenen einschätzen und entsprechend für ihn verfügen zu können. Die Kosten sind beträchtlich. Für ein sehr einfaches, nicht streitiges Verfahren ohne Verhandlungen vor Gericht werden Kosten in Höhe von 7.000–8.000 Pfund veranschlagt. 836 Bei komplexeren Fällen mit einer höheren Anzahl von möglichen Betroffenen können aufgrund der vielen involvierten Anwälte die Gesamtkosten auf über 100.000 Pfund 835 Zu den Verfahrensvorschriften im Einzelnen Court of Protection Rules 2007, Practice Direction 9F. 836 Bacon, Statutory wills.
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ansteigen.837 Sie lasten in aller Regel auf dem Nachlass, sodass bei geringen Nachlässen die Einleitung eines solchen Verfahrens von vornherein nicht in Frage kommt. h) Bewertung: Schutz der Selbstbestimmung des Erblassers? Die vom Willen des Erblassers nicht gedeckte Vertretung bei der Testamentserrichtung widerspricht dem Grundsatz der Selbstbestimmung. Es handelt sich beim statutory will um eine gesetzliche Vertretung des testierunfähigen Erblassers durch das Gericht bzw. eines vom Gericht dafür ermächtigten Vertreters, somit um ein Testament für eine Person, die zu einem selbstbestimmten Handeln nicht (mehr) in der Lage ist. Die Errichtung des statutory will ist damit Ergebnis eines gesetzlich vorgesehenen Falls der Fremdbestimmung entsprechend der gesetzlichen Vertretung Geschäftsunfähiger.838 Auch dort wird der Wille Dritter von Gesetzes wegen als Wille des Geschäftsunfähigen selbst angesehen. Im Rahmen des Mental Capacity Act 2005 wird zwar der Erblasser, soweit er noch einen eigenen Willen äußern kann, angehört, allerdings sind dieser Wille und seine anderweitig ermittelten Wünsche und Werte nur insofern zu berücksichtigen, als sie mit dem von außen bestimmten Wohl des Erblassers übereinstimmen. Aus alledem folgt, dass die Einräumung der Möglichkeit der Errichtung eines statutory will die Selbstbestimmung des Erblassers nicht schützen und nicht stärken kann. Vielmehr wird versucht, dem Einzelnen bei angenommener Unangemessenheit des bestehenden Testaments (etwa wegen Änderung der Umstände bzw. bei vermuteter Fremdbestimmung) oder bei Fehlen eines Testaments möglichst gerecht zu werden, indem ein Willen gebildet wird, der nach äußerer Beurteilung seinem Wohl (best interests of the patient) am besten entspricht. Wenn es sich beim statutory will somit offenkundig um einen Akt der gesetzlich vorgesehenen Fremdbestimmung handelt, so bleibt noch die Frage, ob nicht über diesen Akt der Fremdbestimmung mittelbar die Selbstbestimmung des Erblassers gestärkt werden kann, indem etwa ein vorangehendes fremdbestimmtes Testament beseitigt und durch ein vom Erblasser vermutlich gewolltes Testament ersetzt werden kann oder ein Testament errichtet wird in einem Fall, in dem die gesetzliche Erbfolge den Umständen im Einzelnen als unangemessen erachtet wird. Im oben zitierten Fall M, in dem die Erblasserin M ihren Pfleger Z zum Alleinerben einsetzte, obwohl sie wenige Jahre zuvor noch anders verfügt hatte, wurde durch das Instrument des statutory will ein früheres Testament wiederhergestellt, weil dieses nach Ansicht des Gerichts am ehesten ihrem Wohl entsprach. Nach dem Mental Capacity Act 2005 kommt es nämlich nicht mehr darauf an, was der Erblasser in einer selbstbestimmten Entschei837 838
Bacon, Statutory wills. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil § 49, Rz. 35.
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dung gewollt hätte, denn dieser hypothetische Wille lässt sich nicht ermitteln und ist daher stets Ergebnis einer Spekulation. Vielmehr geht es um den Willen, den er zu seinem Wohl und in seinem Interesse äußern hätte müssen. Damit wird ein Einfallstor für Wertungen darüber geöffnet, wie die „richtige“ Vermögensverteilung in der Situation des Erblassers aussehen würde. Diese „richtige“ Vermögensverteilung839 folgt angesichts der veröffentlichten Rechtsprechung des Court of Protection offensichtlich einem von traditionellen Vorstellungen geprägten Schema in dem Sinne, dass etwa Familienmitglieder vor Dritten zu berücksichtigen sind, dass nähere Angehörige entfernteren Angehörigen vorzuziehen sind und dass nicht rational nachvollziehbare Begünstigungen an Familienfremde oder die Bevorzugung einzelner gleichrangiger Familienangehöriger (z. B. Kinder) zu unterlassen sind, während Begünstigungen von Familienangehörigen, insbesondere Blutverwandten, sich aus sich heraus rechtfertigen. Diese Vorstellungen einer möglichst gleichen Behandlung gleichrangiger Familienangehöriger beherrschen die Errichtung eines statutory will, sodass der Erblasser ein auf seinen Einzelfall angepasstes „gesetzliches Erbrecht“ erhält. Von einem mittelbaren Schutz der Selbstbestimmung des Erblassers kann somit nicht die Rede sein. Es geht vor allem um die Herstellung einer für die betroffene Familie annehmbaren Regelung, die in der Lage ist, im behaupteten Interesse des Erblassers den Familienfrieden zu wahren. Ähnlich verhält es sich beim gerichtlichen Widerrufsrecht des Testaments eines entmündigten Testierunfähigen in Frankreich (Art. 476 Abs. 4 franz. C. civ.). Auch hier geht es nicht um den Schutz der Selbstbestimmung des Erblassers, dessen Willen nicht mehr festgestellt werden kann. Vielmehr soll ein von den gesetzlichen Erben und damit den Anfechtungsberechtigten nicht gutgeheißenes Testament beseitigt werden. Es zeigt sich daher, dass die Durchbrechung des Grundsatzes der formellen Höchstpersönlichkeit bei Erblassern, die nicht mehr testierfähig sind, nicht dazu geeignet ist, deren Selbstbestimmung zu stärken. Vielmehr soll dadurch eine von den nächsten Angehörigen als unangemessen erachtete Vermögensverteilung durch ein früheres Testament oder durch die gesetzliche Erbfolge beseitigt und durch eine ihren Ansprüchen besser entsprechende Verteilung ersetzt werden. Der dafür zu leistende Preis ist sehr hoch. Insbesondere bergen diese Ausnahmen vom Grundsatz der formellen Höchstpersönlichkeit die Gefahr, Testamente zu beseitigen, die nur von den Außenstehenden als überholt 839 Es geht offenkundig darum, was von der Familie als „richtig“ empfunden wird: In Re D [2010] EWHC 2159 (Ch), para. 22: „By ordering the execution of a statutory will in the agreed terms, Mrs D’s family will be able to remember her as having done the ‘right thing’ by her last will.“ In Re P [2010] Ch 33, 47: „But what will live on after P’s death is his memory; and for many people it is in their best interests that they be remembered with affection by their family and as having done ‘the right thing’ by their will.“
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Zweiter Teil – Schutz der Selbstbestimmung im Erbrecht
empfunden werden, sodass damit im Ergebnis Akte der Selbstbestimmung unterdrückt werden. Bei Personen, die kein Testament errichtet haben, wird jedenfalls die Freiheit der Entscheidung für die Errichtung eines Testaments verletzt. Dem Erblasser wird ein Testament aufgedrängt, ohne dass ermittelt werden könnte, ob er überhaupt letztwillig verfügen wollte. Schließlich scheinen auch die Signale, die von einer solchen Regelung ausgehen, sehr bedenklich. Bei umfangreichen Nachlässen, die die erheblichen Verfahrenskosten für die Beantragung eines statutory will decken können, kann nicht nur das gesetzliche Erbrecht, sondern auch ein gültig zustande gekommenes Testament des Erblassers beiseitegeschoben werden, während diese Möglichkeit bei kleinen Nachlässen aus Kostengründen nicht zur Verfügung steht.
§ 5 Schutz der Selbstbestimmung durch materielle Beschränkung der Testierfreiheit § 5 Schutz der Selbstbestimmung durch materielle Beschränkung
Der Erblasser kann grundsätzlich auch dadurch vor Fremdbestimmung geschützt werden, als seine Testierfreiheit in jenen Situationen inhaltlich beschränkt wird, in denen er einer besonderen Gefahr der äußeren Einflussnahme auf seinen freien Willen ausgesetzt ist. Unterschiedliche Ansatzpunkte sind hierfür denkbar. Diese gehen von einer bloßen Vermutung der Fremdbestimmung in typischerweise problematischen Konstellationen mit weiteren Vorkehrungen bis hin zu Testierverboten („relativen Erbunfähigkeiten“) zulasten bestimmter Berufsgruppen. Sie alle verbindet, dass sie die Unwirksamkeit der entsprechenden Verfügung des Erblassers zur Folge haben. Im Ergebnis führen sie daher immer, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, zu einer materiellen Einschränkung der Testierfreiheit des Erblassers. Im Folgenden sollen auf der Grundlage einer historisch-vergleichenden Untersuchung die entsprechenden Instrumentarien zum Schutz des Erblasserwillens vor Fremdbestimmung bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen und ihr Bestand im deutschen Recht diskutiert werden. Dabei ist zwischen rechtlichen Schutzvorkehrungen zu unterscheiden, die den Erblasser vor den Mitwirkenden an der Beurkundung seines Testaments bewahren sollen, und jenen, die den Erblasser ganz allgemein vor dem Einfluss jener in Schutz nehmen sollen, die aufgrund ihrer Stellung besonderen Druck auf den Erblasser ausüben können. Inwieweit solche, die Testierfreiheit materiell einschränkende Maßnahmen dazu beitragen können, den Erblasser in seiner Selbstbestimmungsfreiheit zu schützen, ist Untersuchungsgegenstand dieses Abschnitts.
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I.
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Schutz gegen an der Beurkundung Mitwirkende
Personen, die am Errichtungsakt entweder der Form wegen als Urkundspersonen oder zum Zwecke der Anfertigung (Schreiber) oder der Feststellung des letzten Willens (Dolmetscher, Übersetzer) beteiligt sind, befinden sich in einer besonders heiklen Position, da sie durch aktives Handeln, aber auch schon allein durch ihre Anwesenheit auf den Erblasser Druck ausüben und auf diese Weise den freien Willensbildungsprozess beeinträchtigen können. Im Folgenden soll unter Bezugnahme auf die wesentlichen Eckpunkte in der Rechtsentwicklung auf materielle Beschränkungen der Testierfreiheit hinsichtlich Mitwirkender eingegangen werden. 1. Römisches Recht a) Zeugen An der Testamentserrichtung beteiligte Personen konnten nach römischem Recht grundsätzlich nicht als Erben eingesetzt werden. Dies galt in erster Linie für die fünf Zeugen (testes)840 sowie für die zu bloßen Solennitätspersonen reduzierten Formpersonen des Manzipationstestaments, den Waaghalter (libripens) und den Erbnehmer (familiae emptor).841 Die Zeugnisfähigkeit wurde aus unterschiedlichen Gründen ausgeschlossen.842 Dabei wurde auf die Unparteilichkeit der Zeugen und des Waaghalters, der zu den Zeugen zählte,843 besonderer Wert gelegt. So kamen als Zeugen jene Personen nicht in Frage, die zur Familie des Erblassers844 oder des Erbnehmers gehörten. Damit sollte vermieden werden, dass es zu einer Bezeugung in eigenen Angelegenheiten kam.845 Das Manzipationstestament erfolgte nämlich der Tradition gemäß in Form einer (Schein-)Übergabe zwischen Erblasser und Erbnehmer, sodass Erben bzw. Vermächtnisnehmer Dritte in Bezug auf den Formakt waren und insofern unter rein formalen Gesichtspunkten nichts gegen ihre Beteiligung am Testierakt als Zeugen sprach. Daher erachtete noch Gaius die Erben und Vermächtnisnehmer sowie ihre Gewaltunterworfenen bzw. ihre Gewalthaber als fähige Zeugen. Er ergänzte diese Feststellung dennoch mit dem praktischen Hinweis darauf, dass von der Berufung solcher Personen als Zeugen tunlichst abzusehen sei,846 war doch zwischenzeitlich der Erbe immer
840 841 842 843 844 845 846
Biondi, Successione 60. Kaser, Römisches Privatrecht I § 161, III. Inst. 2, 10, 5–11; Biondi, Successione 59 f. Gai. 2, 107. Gai. 2, 105; Ulp D. 28, 1, 20, pr., 1; Inst. 2, 10, 9. Gai. 2, 105–106. Gai. 2, 108: „minime hoc iure uti debemus“.
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mehr an die Stelle des Erbnehmers getreten.847 Diesen praktischen Rat des Gaius wandelte schon Ulpian in ein Zeugnisverbot für Erben (deren Gewalthaber und Geschwister unter demselben Gewalthaber sowie Gewaltunterworfene) um.848 Mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz, dass Hauszughörige (domestici) in Angelegenheiten des Hauses keine verlässlichen Zeugen sind,849 übernahm auch Justinian dieses Zeugnisverbot für Erben und deren Gewaltverband.850 Dagegen sollten Vermächtnisnehmer und diejenigen, die im Testament zum Vormund ernannt worden waren, fähige Zeugen sein.851 Dasselbe galt für Fideikommissare. Bei Justinian wurde dies damit begründet, dass sie im Gegensatz zu den Erben nicht Rechtsnachfolger852 seien.853 Es drang also auch hier wieder die dem Manzipationsakt inhärente zweiseitige Struktur durch,854 in dem allerdings nun an die Stelle des Erbnehmers (familiae emptor) der Erbe getreten war.855 Daraus folgt, dass ein Zeugnisverbot nur für jene Personen und deren Gewaltunterworfene bzw. Gewalthaber bestand, die am Manzipationsakt als Rechtsnachfolger unmittelbar oder mittelbar beteiligt waren. Dies traf zwar für den Erben und dessen Gewaltverband, nicht aber für den Vermächtnisnehmer bzw. den Fideikommissar zu. Da aber auch der Vermächtnisnehmer ein Interesse am Testament hat, hatte Justinian schon in einer (nicht überlieferten) constitutio ausdrücklich festgehalten, dass der Vermächtnisnehmer, ungeachtet aller möglichen Bedenken, Testamentszeuge sein könne. Damit wurde freilich jeder (berechtigte) Zweifel in dieser Frage ausgeräumt.856 847 Eine Erklärung für diesen praktischen Rat wurde zuletzt darin erblickt, dass aufgrund des juristischen Meinungsstreits und der dadurch erzeugten Rechtsunsicherheit zu dieser Frage eine potentielle Ungültigkeit des Testaments nur so zu vermeiden war, dass Erben schlicht nicht als Zeugen berufen wurden. Terranova, Osservazioni 325. Zum Streit in dieser Frage: ebd., 315 f. 848 Ulp D. 28, 1, 20, pr. Trotz der in der Lehre vorherrschenden Ansicht, dieser Text sei Ergebnis einer Interpolation, spricht sich Terranova, Osservazioni 316 f. mit überzeugender Argumentation für die Authentizität dieser Quelle aus. 849 Pomp. D. 22.5.10: „Nullus idoneus testis in re sua intellegitur“; Gai. 2, 105: „itaque reprobatum est in ea re domesticum testimonium“; Inst. 2, 10, 9; C. 4, 20, 3: “Etiam iure civili domestici testimonii fides improbatur.” Biondi, Successione 60. 850 Inst. 2, 10, 10. 851 Ulp D. 28, 1, 20, pr. 852 Rechtsnachfolger waren nach justinianischem Verständnis ausschließlich Universalsukzessoren, während Einzelrechtsnachfolger – dazu gehörten Legatare und Fideikomißare – als „successores in rem“ bezeichnet wurden. Vgl. dazu Frese, ZRG RA 43 (1922) 478. 853 Inst. 2, 10, 11: „quia non iuris successores sunt“. 854 Dazu Terranova, Osservazioni 312 f. 855 Inst. 2, 10, 10: „quia totum hoc negotium quod agitur testamenti ordinandi gratia, creditur hodie inter heredem et testatorem agi“. 856 Inst. 2, 10, 11 („quadam nostra constitutione“). Terranova, Osservazioni 322.
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War ein untauglicher Zeuge am Testierakt beteiligt, führte dies nach ius civile aufgrund des dadurch begründeten Formmangels (non iure factum, ubi sollemnia iuris defuerunt)857 zur Nichtigkeit des gesamten Testaments.858 Der Prätor konnte diesem formungültigen Testament aber dennoch mittles Einweisung in die bonorum possessio secundum tabulas Wirkung verleihen, sofern mindestens sieben Zeugen das Testament unterschrieben hatten.859 b) Testamentsschreiber Nach dem SC Libonianum aus dem Jahr 16 n. Chr. war auch der Testamentsschreiber (testamentarius) vom Kreis der möglichen Begünstigten ausgeschlossen, wenn er gegen den Willen des Erblassers für sich, seine Gewaltunterworfenen oder seinen Gewalthaber eine Begünstigung in das Testament aufgenommen hat. Wegen Testamentsfälschung unterlag er einer Strafe nach der lex Cornelia de falsis und die entsprechende Verfügung (nicht das gesamte Testament) war nichtig,860 es sei denn der Testator genehmigte die Verfügung durch seine Unterschrift (subscriptio).861 Damit sollte gewährleistet werden, dass der Erblasser bei entsprechendem Willen auch den Testamentsschreiber begünstigen konnte. c) Zusammenfassung und Würdigung Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Freiheit des Erblasserwillens ergeben sich in Bezug auf die Beschränkungen bei Formpersonen durchaus widersprüchliche Hinweise aus der Quellenlage zum römischen Recht. Das Verbot des SC Libonianum diente offenkundig dem Schutz des Erblasserwillens vor Fremdbestimmung durch den Schreiber und sollte wohl auch durch die angedrohten Strafen der lex Cornelia de falsis möglichst abschreckend wirken. Dass der Erblasser durch seine eigene Unterschrift eine solche Verfügung zugunsten des Schreibers bestätigen konnte, zeigt zwar, dass dem Erblasserwillen möglichst zum Durchbruch verholfen werden sollte, vor der Gefahr einer Fremdbestimmung durch den Schreiber konnte der Erblasser aufgrund dieser Verbotsausnahme aber nur beschränkt geschützt werden. Als Zeugen ließ man zunächst sogar die Erben selbst zu, denn sie waren am Manzipationsakt nicht beteiligt und somit vom Verbot nullus testis in re sua nicht betroffen. Darüber entzündete sich indes bald ein Streit, weshalb Gaius den Ratschlag erteilte, Erben nicht als Zeugen zu berufen, bis schließlich die Zeugnisfähigkeit von Erben und Angehörigen ihres Gewaltverbandes 857 858 859 860 861
Pap. D. 28, 3, 1. Gai. 2, 118. Gai. 2, 119. Kaser, Römisches Privatrecht I § 160, III. Biondi, Successione 62; Kaser, Römisches Privatrecht I § 163, I, 3, Fn. 6. Callistratus D. 48, 10, 15, 2; Marcianus D. 48, 10, 1, 8; Biondi, Successione 62.
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gänzlich verneint wurde. Dagegen wurde die Zeugnisfähigkeit von Vermächtnisnehmern nie in Frage gestellt und bei Justinian damit begründet, dass sie im Gegensatz zu Erben nicht Rechtsnachfolger seien. Bei den Gründen der Zeugnisunfähigkeit aufgrund des Verbots nullus testis in re sua ging es also vor allem um die Frage, ob die in Frage kommende Person am Testamentsakt formell beteiligt war oder nicht, denn nur jemand, der nicht beteiligt ist, kann die dem Zeugen zukommende Kontrollfunktion ausüben.862 Diese Beteiligung wurde in späterer Zeit nur für den Erben als Rechtsnachfolger bejaht, niemals aber für den Vermächtnisnehmer, der immer nur in Abhängigkeit von der Erbeinsetzung erwerben konnte. Wäre also die Zeugnisunfähigkeit des römischen Rechts tatsächlich am Gedanken des Schutzes des Erblasserwillens vor Fremdbestimmung orientiert gewesen, dann hätten keine direkt oder indirekt am Testamentsinhalt interessierten Personen als Zeugen an der Errichtung beteiligt sein dürfen. Vermächtnisnehmer hätten daher ebenso wie Erben nicht zur Zeugenschaft zugelassen werden dürfen. Damit zeigt sich, dass dem Gedanken des Schutzes der erblasserischen Willensfreiheit zumindest in Bezug auf die Regeln der Zeugnisfähigkeit im römischen Recht keine (tragende) Bedeutung zukam. 2. Gemeines Recht a) Zeugen Wer als Zeuge fungieren kann, wurde auch im gemeinen Recht diskutiert. Dem spätrömischen Recht folgend wurden Erben samt der Mitglieder ihres Gewaltverbands von der Zeugenschaft ausgeschlossen. Dementsprechend bestimmte § 30 der Reichnotariatsordnung Maximilians I. aus 1512, dass „der eingesetzte Erbe und der mit demselben in eines anderen Gewalt ist“863 nicht zeugnisfähig ist. Im Hinblick auf Vermächtnisnehmer vollzog sich ein Wandel, der bereits durch die Glossatoren eingeleitet wurde, die dem Vermächtnisnehmer die Zeugenschaft wegen Befangenheit (nemo potest esse testis in causa sua) verweigerten.864 Dieser Standpunkt setzte sich gegen die römischen Quellen allmählich durch, denn nemo sibi possit in testamento quid adscribere, aut in eam causam testis esse ex qua sperat emolumentum.865 Das Zeugnisverbot für alle Begünstigte aus dem Testament wurde auch in lokalen Rechten übernommen. So bestimmte etwa Art. 289 der Nouvelle Coutûme de Paris, dass Zeugen neben anderen Eigenschaften, die sie mitbringen mussten, auch nicht Begünstigte nach dem von ihnen bezeugten Testament sein durfVgl. zu dieser Funktion der Zeugen mit umfangreichen Nachweisen Terranova, Ricerche 367. 863 Übertragen von Meyer, Notariatsordnungen 31. 864 Bartolus, Commentaria 209 (de testamentis ordinandis). 865 Voet, Commentarius II lib. XVIII, tit. 1, § 9. 862
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ten.866 Dieser Ausschluss von Vermächtnisnehmern von der Zeugenschaft fand sich in fast allen Coutumes des franzöischen Königreichs wieder867 und wurde später in Art. 43 der Ordonnance des Jahres 1735 verfestigt.868 Nur im Falle eines geheimen Testaments durch Übergabe einer verschlossenen Schrift (testament mystique) konnten Vermächtnisnehmer als Zeugen fungieren, waren sie doch über ihre Begünstigung in diesem Fall nicht unterrichtet.869 Gemäß Art. 42 der Ordonnance von 1735 waren darüber hinaus Schreibgehilfen und Hausbedienstete des Notars bzw. jeder anderen Urkundsperson von der Zeugenschaft ausgeschlossen.870 Das Bayerische Landrecht aus dem Jahr 1756 folgte dagegen weiterhin den römischen Quellen und schloss nur den Erben, nicht aber den Vermächtnisnehmer von der Zeugenfunktion aus (CMBC III 3 § 8). b) Urkundspersonen und Testamentsschreiber Das Testierverbot des Testamentsschreibers wurde entsprechend dem SC Libonianum auch im gemeinen Recht aufrechterhalten.871 In Frankreich schlug es sich etwa in dem Verbot gemäß Art. 27 Ordonnance d’Orleans und Art. 63 Ordonnance de Blois nieder, wonach Priester, deren Stellvertreter und Kirchenleute, die zur Beurkundung eines Testaments in Ermangelung eines 866 Du Moulin, Coutumes II 62: „Iceux témoins idoines, & suffisans mâles, & âgez de vingt ans accomplis, & non legataires“. Duplessis begründete diese Abwendung vom römischen Recht damit, dass unter der Coutume die Zeugen im Gegensatz zum römischen Recht stets über den Inhalt des Testamens unterrichtet waren und es daher ausgeschlossen werden musste, dass Vermächtnisnehmer bei einem Akt Zeugen sein konnten „où il va de son interest“. Duplessis/Berroyer/Laurière, Traitez 718. Dabei konnte allerdings auch im römischen Recht ein mündliches Testament vor Zeugen errichtet werden, mag dies auch im Laufe der Zeit immer weniger gebräuchlich gewesen sein. Ricard, dagegen, unternahm keinen Versuch die römische Regel zu rechtfertigen und bezeichnete sie schlicht als „notoirement injuste en cette occasion“. Ricard/Du Chemin, Traité Rn. 541. Eine wenig überzeugende Begründung fand Troplong unter Bezugnahme auf Hilliger, wonach das römische Recht durch diese unterschiedliche Behandlung von Vermächtnisnehmern, dem Erblasser die Möglichkeit geben wollte, den Zeugen durch Zuweisung von Vermächtnissen für ihren Dienst zu entschädigen und ihnen einen Anreiz zur späteren Zeugenaussage über den Testamentsinhalt zu geben. Ein Zeugnisverbot für Vermächtnisnehmer hätte also dem Erblasser ein wichtiges Instrument zur Vollstreckung seines letzten Willens genommen. Troplong, Des donations III Rn. 1598. 867 Für Nachweise vgl. Ricard/Du Chemin, Traité Rn. 542. 868 „Les heritiers instituez ou substituez ne pourront être rémoins en aucun cas; & à l’egard des Legataires Universels our Particuliers, ils ne pourron l’être que pour l’acte de suscription du testament Mystique dans les Pais où cette forme de tester est reçue“. 869 Aymarb, Explication 107. 870 Aymarb, Explication 105 f. mit Verweis auf Licinius D. 22, 5, 6: „Idonei non videntur esse testes, quibus imperari potest ut testes fiant.“ 871 Voet, Commentarius II lib. XVIII, tit. 1, § 9.
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Notars berechtigt waren, in diesem Testament nicht gleichzeitig Begünstigte sein durften.872 Auf die Notare erachtete man ohnehin das für Zeugen vorgesehene Testierverbot für anwendbar,873 mit der Folge, dass das gesamte Testament und nicht bloß die Selbstbegünstigung des Schreibers ungültig war.874 Die Reichsnotariatsordnung Maximilians I. aus dem Jahr 1512 enthielt kein ausdrückliches Verbot von Begünstigungen des Testamentsschreibers. Allerdings wird man annehmen dürfen, dass sich dieses Verbot bereits dem § 1 der Reichsnotariatsordnung entnehmen ließ. Darin wird der Notar verpflichtet, sein Amt getreu dem Amtseid aufrichtig und rechtschaffen, nach gemeinem Recht auszuüben. Einer ausdrücklichen Erwähnung des Testierverbots des Notars bedurfte es vor diesem Hintergrund wohl nicht. c) Zusammenfassung und Würdigung Die weitgehende Gleichbehandlung von Erben und Legataren in Bezug auf ihre Zeugnisunfähigkeit im gemeinen Recht zeigt, dass die Beteiligung von unmittelbar am Testamentsinhalt interessierten Personen vermieden werden sollte, denn „personne ne peut faire foi où il s’agit de son propre interêt.“875 Dies gilt in besonderem Maße für den Testamentsschreiber, der im Gegensatz zu den Zeugen, unmittelbar durch seine Feder den Inhalt des Testaments bestimmt. Vorherrschendes Ziel war es damit zu vermeiden, dass der Verdacht aufkommen könnte, der Testamentsschreiber hätte sich eigenmächtig begünstigt. Dies gilt umso mehr, wenn der Schreiber in der Person des Notars ein öffentliches Amt bekleidet. Es scheint also auch in der gemeinrechtlichen Periode noch in erster Linie darum gegangen zu sein, die Beweiskraft und den öffentlichen Glauben der Beurkundung vor einer Beeinträchtigung durch solche Umstände zu bewahren. Dieses Ziel ist zumindest in jenem Punkt konsequenter durchgeführt als im römischen Recht, als Erben und Vermächtnisnehmer in gleichem Maße von der Zeugenfunktion ausgeschlossen sind. Die im nachwirkenden Formalismus des Manzipationsakts verhaftete Unterscheidung von Erben und Vermächtnisnehmern hinsichtlich der Zeugnisfähigkeit, wurde im gemeinen Recht – wenn auch nicht überall – so doch weitgehend überwunden. Damit wurde erreicht, dass Personen, die ein Interesse an einem bestimmten Testamentsinhalt haben könnten, am Testierakt nicht beteiligt waren und somit nicht unmittelbar Einfluss auf die freie Willensbildung des Erblassers ausüben konnten. Eine wichtige Entwicklung unter dem Aspekt des Schutzes der erblasserischen Willensfreiheit stellte schließlich auch die Erklärung der Zeugnisunfähigkeit der Urkundsperson und ihrer Bediensteten und Weisungsabhängigen in der Ordonnance aus dem Jahr 1735 872 873 874 875
Ricard/Du Chemin, Traité Rn. 539. Ricard/Du Chemin, Traité Rn. 547. Ricard/Du Chemin, Traité Rn. 545. Ricard/Du Chemin, Traité Rn. 540.
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dar. Damit wurde nämlich sichergestellt, dass die Zeugen als unabhängige Mitwirkende am Errichtungsakt auch den Notar bzw. die Urkundsperson überwachen konnten. 3. Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert a) Zeugen Der Code civil nahm in Art. 975 eine umfassende Vorschrift mit Zeugnisverboten auf, die Artt. 42 und 43 der Ordonnance aus 1735 fortschrieb. Nach der noch heute geltenden Vorschrift, dürfen Begünstigte eines öffentlichen Testaments bzw. deren Verwandte und Ehepartner876 und Verschwägerte bis einschließlich zum vierten Grad nicht Zeugen des Testaments sein. Dasselbe Zeugnisverbot gilt für die Schreibgehilfen des Notars, die an der Errichtung beteiligt sind. Die gleichlautende Bestimmung wurde in Belgien damit begründet, dass ohne ein solches Verbot die Begünstigten Einfluss auf den Erblasser ausüben könnten und ihnen die Überlistung des Erblassers zu leicht fallen würde.877 Ein Verstoß führt daher beim notariellen Testament (testament authentique) zur Nichtigkeit des gesamten Testaments.878 Das ALR I, 12, § 119 aus 1792 erstreckte das Zeugnisverbot auf Erben und Vermächtnisnehmer aus dem zu bezeugenden Testament, während es in Bezug auf nächste Verwandte derselben schwieg.879 Dagegen erklärte der Urentwurf (1801–1810) für das österreichische ABGB neben dem Erben auch seinen Ehegatten, die Eltern, Kinder und Schwäger sowie die Hausbediensteten des Erben für zeugnisunfähig. Auch Vermächtnisnehmer waren zeugnisunfähig. Für sie galt allerdings nach dem Urentwurf weder die Erstreckung auf Verwandte und Verschwägerte, noch war für sie das Verbot absolut, weil der Erblasser die Zeugnisfähigkeit von Vermächtnisnehmern beseitigen konnte, indem er die Verfügung entweder eigenhändig schrieb oder durch zwei (andere) Zeugen beglaubigen ließ (II, 10, §§ 389, 390 Urentwurf).880 Bereits im Rahmen der Beratungen wurde diese ursprüngliche Unterscheidung zwischen Erben und Vermächtnisnehmern hinsichtlich der Zeugnisfähigkeit aufgehoben und durch eine einheitliche Regelung ersetzt,881 die in dieser Form 1812 Gesetz wurde und bis heute in Geltung ist. Gemäß § 594 ABGB Der Ehepartner ist nicht ausdrücklich erwähnt, zählt aber zu den „alliés“. CoinDelisle, Commentaire Art. 975 C. civ. 420. 877 Rogron, Les codes Art 975. 878 Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions Rn. 429. Troplong, Des donations III Rn. 1607: „car la forme des actes est indivisible et les nullités qui y touchent sont absolues“. 879 „Wer selbst in einem Testamente oder Codicille zum Erben eingesetzt, oder mit einem Vermächtnisse darin bedacht worden, der kann bey diesem Testamente oder Codicille als Zeuge nicht gebraucht werden.“ 880 Ofner, Ur-Entwurf I LXII. 881 Ofner, Ur-Entwurf I 358 f. 876
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sind weder Erbe noch Vermächtnisnehmer noch deren Gatte (Lebenspartner), Eltern, Kinder, Geschwister oder in demselben Grade verschwägerte Personen als Zeugen eines Testaments zugelassen.882 Ebenso ausgeschlossen sind die besoldeten Hausgenossen. Mit dem Erbrechtsänderungsgesetz 2015, das am 1.1.2017 in Kraft tritt, wurde die Zeugnisunfähigkeit neu geregelt. Die Zeugnisunfähigkeit umfasst nun gemäß § 588 ABGB auch den Lebensgefährten des Erben oder Vermächtnisnehmers sowie die Eltern, Kinder und Geschwister des Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten. Darüber hinaus gilt die Zeugnisunfähigkeit auch ganz allgemein für gesetzliche Vertreter, Vorsorgebevollmächtigte, vertretungsbefugte Organe, Gesellschafter, Machthaber und Dienstnehmer bedachter Personen oder rechtsfähiger Gesellschaften (§ 588 Abs. 2 ABGB). Der Erblasser kann all diese Fälle relativer Zeugnisunfähigkeit beseitigen, indem er die Verfügung zugunsten der Zeugen entweder eigenhändig verfasst oder von drei Zeugen bestätigen lässt, die im Testament nicht begünstigt werden. Hat der Erblasser die relative Zeugnisunfähigkeit dieser Personen nicht auf diese Weise beseitigt, dann ist nicht das gesamte Testament, sondern lediglich die Verfügung zugunsten des Zeugnisunfähigen unwirksam (arg ex § 594 ABGB „in Rücksicht des ihm zugedachten Nachlasses kein fähiger Zeuge“). Das Zeugnisverbot ist nach einer Meinung auf alle Testamentsformen anzuwenden, bei denen Zeugen zugegen sind, unabhängig davon, ob sie von ihrer Begünstigung Kenntnis erlangt haben oder nicht.883 Der italienische Codice civile aus 1865 qualifizierte die relative Zeugnisunfähigkeit als relative Erbunfähigkeit aus einem Testament (incapacità di ricevere per testamento) und belegte damit sowohl Erben als auch Vermächtnisnehmer (Art. 771). Darüber hinaus galt das Zeugnisverbot auch für vorgeschobene Personen, wobei als solche die Eltern, die Kinder und der Ehegatte des Erben bzw. Vermächtnisnehmers angesehen wurden (Art. 773). Eine Beseitigung dieser Zeugnisunfähigkeit aus einem öffentlichen offenen Testament (testamento pubblico) durch den Erblasser war nicht vorgesehen.884 Wie im österreichischen Recht und im Gegensatz zum französischen Recht 882 Eine relativierende Lösung, wonach Begünstigte bis zu einem Sechstel des Nachlasswerts auch Zeugen sein konnten, wurde abgelehnt. Ofner, Ur-Entwurf I 359. 883 Kralik, Erbrecht 145. Eine teleologische Reduktion dahingehend, dass die Zeugnisunfähigkeit nur dort zur Anwendung gelangen sollte, wo die Zeugen Kenntnis ihrer Begünstigung hatten, erschiene angebracht, denn nur dort bedarf es eines Schutzes des Erblassers. 884 Sie wurde auch für den Fall abgelehnt, dass die Verfügung den Formvoraussetzungen des eigenhändigen Testaments entsprach, es sei denn, es wurde ein separates eigenhändiges Testament errichtet. Die Gefahr der Unfreiheit der erblasserischen Willensäußerung sei nämlich bei Anwesenheit Begünstigter gegeben („dubbio che la presenza delle medesime abbia influito sulla volontà del disponente, rendendola meno libera o meno spontanea“). Vgl. Ricci, Corso III Rn. 131, 307 f.
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war aber bei einem Verstoß gegen dieses Verbot nicht das gesamte Testament, sondern lediglich die Verfügung zugunsten des zeugnisunfähigen Zeugen unwirksam (Art. 771). Die heutige italienische Regelung des Codice civile aus 1942 übernahm diese Vorschriften (Artt. 597, 599). Diesem als relative Erbunfähigkeit aus dem Testament formulierten Zeugnisverbot liegt nach einhelliger Meinung eine unwiderlegliche Vermutung zugrunde, dass die Willensäußerung hinsichtlich der Begünstigung der Zeugen oder vorgeschobenen Personen nicht spontan und frei erfolgte.885 Die spanische Regelung des Código civil aus 1889 blieb näher dem französischen Vorbild verbunden. Es erklärt somit Erben und Vermächtnisnehmer, ihre Ehepartner, Verwandte bis zum vierten Grad und Verschwägerte bis zum zweiten Grad in Bezug auf ein notarielles offenes Testament (testamento abierto) für zeugnisunfähig. Eine Ausnahme gibt es lediglich für geringfügige Zuwendungen beweglicher Sachen im Wege eines Vermächtnisses (Art. 682 Abs. 2 span. C. civ.). Mit dieser Ausnahme wurde ein in der französischen Literatur vor 1735 diskutierter886 und in Österreich verworfener887 Ausnahmefall der relativen Zeugnisunfähigkeit für geringfügige Zuwendungen in das Gesetz aufgenommen. Bei Verletzung der Vorschrift über die Zeugnisunfähigkeit tritt, wie in Frankreich und im Gegensatz zu Österreich und Italien, Unwirksamkeit des gesamten und nicht bloß eines Teils des Testaments888 ein. Schließlich sieht in England Section 15 des Wills Act 1837 vor, dass Zeugen und ihre Ehegatten (weitere Dritte sind nicht betroffen) keine unentgeltliche Zuwendung aus einem Testament erhalten können, in dem sie selbst als Zeugen fungierten. Entsprechende Begünstigungen sind nichtig.889 b) Testamentsschreiber und Notare Für den privaten Testamentsschreiber im geheimen Testament (testament mystique) sah der Code civil von Anfang an kein besonderes Testierverbot vor. Der Schreiber, so Troplong mit wenig überzeugender Begründung, könne ja niemals sicher sein, dass der verschlossene Umschlag auch das von ihm niedergeschriebene Testament enthalte, weshalb er keinen besonderen Anreiz habe, sich selbst in der Niederschrift zu begünstigen.890 Für den Notar sah Bonilini, Manuale 272. Ricard/Du Chemin, Traité Rn. 550. Art. 43 der Ordonnance aus 1735 hat keine solche Ausnahme für geringfügige Zuwendungen an Zeugen zugelassen. Vgl. Troplong, Des donations III Rn. 1599. 887 Vgl. oben Fn. 882. 888 Domínguez Luelmo Comentarios/de Zulueta Sagarra, Art. 682 Código civ. 889 Kerridge, Succession 14-03. 890 Troplong, Des donations III Rn. 1634 im Zusammenhang mit der Frage, ob der Testamentsschreiber auch Zeuge bei der Übergabe der verschlossenen Schrift sein könne, was Troplong ohne weiteres bejaht. 885 886
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Art. 8 der Notariatsordnung aus 1803891 dagegen vor, dass er keine Beurkundung eines Akts vornehmen darf, an dem seine Verwandten in gerader Linie und in der Seitenlinie bis zum Onkel bzw. Neffen beteiligt sind oder aus dem zugunsten dieser Personen ein Vorteil erwächst.892 Dasselbe Beurkundungsverbot ist nach wie vor in Kraft893 und gilt seit 1971 auch entsprechend in Bezug auf alle in einer Notarssozietät verbundenen Notare. Im Gegensatz zum französischen Recht, knüpft das österreichische ABGB am römischen Recht an und erklärt in § 595 (nunmehr § 591 ABGB) eine Begünstigung des Testamentsschreibers, dessen Ehegatten (eingetragenen Partner), Kinder, Eltern und Geschwister sowie entsprechend Verschwägerte894 für unwirksam, es sei denn, die Begünstigung wird vom Erblasser eigenhändig schriftlich oder von drei weiteren Zeugen bestätigt. Nach herrschender Ansicht ist ein gesonderter Hinweis oder eine gezielte Bestätigung der Begünstigung des Testamentsschreibers durch die Zeugen nicht erforderlich. Beim fremdhändigen Testament genügt also die Bezeugung des Testaments als solches durch die drei ohnehin erforderlichen Aktszeugen, sodass von § 595 zumindest für das allographe Testament kein zusätzlicher Schutz ausgeht. Dagegen ist die Begünstigung des Testamentsschreibers und seiner Verwandten im schriftlichen öffentlichen Testament unwirksam, wenn die entsprechende Verfügung nicht vom Erblasser eigenhändig verfasst oder das Testament nicht von drei Zeugen unterfertigt wurde. § 596 ABGB erstreckt die Anwendung des des § 594 ABGB auf Urkundspersonen, insbesondere den Notar und den Richter, die das öffentliche Testament beurkunden. Unwirksam ist daher eine Verfügung (nicht das gesamte Testament), die den Notar, seinen Gatten (eingetragenen Partner), die Kinder, Eltern oder entsprechend Verschwägerten sowie die besoldeten Hausgenossen des Notars begünstigt.895 Die Unwirksamkeit kann nur beseitigt werden, wenn die entsprechende Ver891 Loi contenant organisation du notariat (loi 25 ventôse an XI) vom 16.3.1803, Bulletin des Lois, 3è S, B. 258, n° 2440. 892 „Les notaires ne pourront recevoir des actes dans lesquels leurs parents ou alliés, en ligne directe à tous les degrés, et en collatérale jusqu’au degré d’oncle ou de neveu inclusivement, seraient parties, ou qui contiendraient quelque disposition en leur faveur.“ 893 Art. 2, Décret n°71-941 du 26 novembre 1971 relatif aux actes établis par les notaires. 894 Besoldete Hausgenossen sind im Gegensatz zur Vorschrift über die Zeugnisunfähigkeit von Begünstigten aus einem Testament und deren Verwandten und Hausbediensteten nicht erwähnt. Nach wohl hM handelt es sich hierbei um ein Redaktionsversehen, weil eine Gleichstellung von Zeugen und Testamentsschreiber beabsichtigt gewesen sei. Vgl. Schwimann/Eccher, § 595 ABGB Rn. 2. Anders Klang/Weiß, § 591–595 ABGB 342. 895 Nach § 33 NO wäre eine solche Verfügung zu seinem eigenen Vorteil ohnehin mit Solennitätsverlust und entsprechender Unwirksamkeit bedroht. Weiter gezogen ist der Kreis der mit dem Notar verbundenen Dritten, die nicht begünstigt werden dürfen. Bei Erfüllung aller Formvoraussetzungen für ein Privattestament könnte die Verfügung dennoch aufrecht bleiben.
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fügung zugunsten des Notars oder der ihm Nahestehenden handschriftlich verfasst wurde oder durch drei Zeugen, die nicht begünstigt sind, bestätigt wurde. Von der Errichtung eines Testaments ausgeschlossen ist der Notar auch, wenn er selbst daran beteiligt ist oder sein Ehegatte, seine in gerader Linie Verwandten oder Verschwägerten oder seine Seitenverwandten bis zum vierten Grad bzw. seine Seitenverschwägerten bis zum zweiten Grad (§ 33 NO) daran beteiligt sind. Durch diese Ausschlussgründe soll die Objektivität der Beurkundung gewahrt und die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Notars als Urkundsperson außer Zweifel gestellt werden.896 Freilich geht es mittelbar auch darum, dass der Notar seine besondere Position nicht im Sinne einer Beherrschung des Testierenden ausüben kann. Wie das österreichische Recht, und im Gegensatz zum französischen Recht, enthält auch das italienische Recht ein ausdrückliches Verbot der Begünstigung des Testamentsschreibers. Die Vorschrift des Art. 772 ital. C. civ. aus 1865 wurde in die Kodifikation des Jahres 1942 übernommen, wonach im geheimen Testament897 Verfügungen zugunsten des Testamentsschreibers, seines Ehegatten, seiner Eltern oder Kinder unwirksam sind, wenn der Erblasser diese Verfügungen nicht eigenhändig schriftlich im Testament oder im Übergabeprotokoll der verschlossenen Schrift bestätigt hat. Wurde das geheime Testament in einem offenen Umschlag übergeben, ist auch die Begünstigung des Notars unwirksam. Im Falle des offenen notariellen Testaments dürfen der Notar bzw. andere Urkundspersonen und deren Verwandte gemäß Art. 597 ital. C. civ. nicht begünstigt werden. Die entsprechenden Verfügungen sind zum Schutz der freien Bildung des Erblasserwillens unwirksam.898 Ein solches Testierverbot zulasten des beurkundenden Notars, anderer Urkundspersonen und deren Nahestehenden enthält auch Art. 754 span. C. civ., wobei diese Bestimmung nach wohl herrschender Ansicht nicht nur auf offene Testamente, sondern auch auf die Testamentserrichtung mittels Übergabe einer verschlossenen Schrift anzuwenden ist.899 Für den Testamentsschreiber beim geheimen Testament ist kein dem italienischen Recht entsprechendes Testierverbot vorgesehen.900 Im englischen Recht, wo nur das Privattestament und keine öffentliche Testamentsform bekannt ist, gilt für den Schreiber kein Testierverbot. Dies Wagner/Knechtel, § 33 NO Rn. 1. Nur dieses kann von einem Testamentsschreiber verfasst sein, der nicht auch gleichzeitig Urkundsperson ist. 898 Bonilini, Manuale 272. 899 Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/García Rubio, Art. 754 Código civ. Bd. II 624. Zu den Einschränkungen des Begünstigugnsverbots vgl. Art. 139 Abs. 4 Reglamento Notarial. 900 Anders für den Testamentsschreiber in Aragón (Art. 160 b, c Ley 1/1999, de 24 de febrero, de Sucesiones por Causa de Muerte) und Katalonien (Art. 412.5 b) kat. C. civ.). Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/García Rubio, Art. 754 Código civ. Bd. II 624. 896 897
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wurde in der Literatur zuletzt gerade im Hinblick auf die mögliche Beeinflussung des Erblassers durch draftsmen scharf kritisiert.901 c) Sonstige an der Beurkundung Mitwirkende Sofern der Erblasser nicht die Landessprache spricht oder nur durch Gebärdensprache kommuniziert, kann ein Dolmetscher hinzugezogen werden, der dem Notar und den Zeugen den vom Erblasser zum Ausdruck gebrachten Willen vermittelt. In Bezug auf diese Mitwirkenden stellt sich freilich die Frage, ob sie gleich den Zeugen und dem Notar ebenfalls von einem Testierverbot betroffen sind. In Frankreich kam diese Frage bisher nicht auf, da die Hinzuziehung eines Sprach- oder Gebärdendolmetschers bei der Errichtung eines notariellen Testaments unzulässig ist. Dies wird damit begründet, dass der Wille des Erblassers vom Notar und von den Zeugen unmittelbar aufgenommen werden müsse.902 Mit dieser Regelung wird freilich Personen, die eine fremde Sprache sprechen oder überhaupt nicht sprechen, hören und schreiben können, die Möglichkeit genommen, ein öffentliches Testament zu errichten. Um diesem Missstand zu begegnen, sind seit mehreren Jahren Reformbestrebungen im Gang. Demnach kann nunmehr bei fremdsprachigen Erblassern ein gerichtlich beeideter Dolmetscher herangezogen werden. Dasselbe gilt für Personen, die weder sprechen, hören, schreiben noch lesen können.903 Auf eine Erstreckung der Zeugnisverbotsgründe in Art. 975 franz. C. civ. auch auf Dolmetscher hat man im Gesetzgebungsverfahren allerdings mit der zweifelhaften Begründung verzichtet, es handle sich um „gerichtlich beeidete“ Dolmetscher, bei denen die Bedenken einer missbräuchlichen Ausübung ihrer Funktion nicht bestünden.904 Nach italienischem Recht ist die Heranziehung eines Sprachdolmetschers zulässig, wenn der Notar die entsprechende Fremdsprache nicht beherrscht. In diesem Fall müssen aber nach Art. 55 Legge notarile entweder ein anwesender Zeuge oder bei Schreib- und Leseunfähigkeit des Erblassers beide anwesenden Zeugen die Fremdsprache beherrschen. Die Beurkundung erfolgt sodann in italienischer Sprache, wobei eine Übersetzung in die Fremdsprache dem Testament anzuhängen ist. Wie die Zeugen und der Notar darf auch der Dolmetscher nicht aus dem Testament begünstigt werden, an dessen Errichtung er beteiligt ist (Art. 597 ital. C. civ.). Dasselbe Testierverbot gilt für GeKerridge, Draftsmen. Duranton, Cours Bd. 5 Rn. 80; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions Rn. 433. 903 Vgl. Art. 972 Abs. 5 und 6 franz.C. civ. 904 Vgl. dazu die Begründung im Abänderungsantrag. . Die ursprüngliche Vorlage hatte die Zeugnisunfähigkeitsgründe des Art. 975 franz. C. civ. auch auf den Dolmetscher erstreckt. 901 902
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bärdendolmetscher, die bei der Errichtung von öffentlichen Testamenten für leseunfähige Gehörlose oder lese- und schreibunfähige Sprechunfähige hinzugezogen werden (Artt. 56, 57 Legge notarile). Nach österreichischem Recht können bei der Errichtung eines öffentlichen notariellen Testaments sowohl Sprachdolmetscher als auch Gebärdendolmetscher herangezogen werden. Im Falle leseunfähiger Gehörloser oder hör- und sprechunfähiger Erblasser ist auch eine Vertrauensperson heranzuziehen. Diese Vertrauensperson (§ 72 i. V. m. §§ 60 Abs. 3 und 57 Abs. 3 NO) sowie die Sprach- und Gebärdendolmetscher müssen die Eigenschaften eines fähigen Aktszeugen besitzen (§ 63 Abs. 1 NO, § 61 Abs. 2 NO) und dürfen daher nach österreichischem Recht im betroffenen Testament nicht begünstigt werden (§ 57 Abs. 3 lit. b NO). Im spanischen Recht gelten die Testierverbote lediglich für den Notar und die Zeugen, nicht aber für andere Mitwirkende, wie etwa Sachverständige zur Feststellung der Testierfähigkeit oder Dolmetscher. Davon weichen nur die foralrechtlichen Vorschriften in Aragon und Katalonien ab.905 d) Zusammenfassung und Würdigung Aus dieser vergleichenden Übersicht wird deutlich, dass im modernen Recht die römische Unterscheidung zwischen Erben und Vermächtnisnehmern hinsichtlich der Zeugnisfähigkeit im Testament nicht überdauert hat. Unterschiede bestehen aber neben der Frage, welcher Angehörigenkreis mit dem Begünstigten vom Zeugnisverbot betroffen ist, insbesondere bezüglich der Wirkungen des Zeugnisverbots zulasten von Begünstigten und der Frage, inwieweit der Erblasser diese Zeugnisverbote beseitigen kann. Das französische und das spanische Recht sanktionieren die Teilnahme eines Begünstigten oder eines seiner nächsten Verwandten an der Testamentserrichtung mit der Nichtigkeit des gesamten Testaments, was angesichts der durch diese Vorschrift verfolgten Zwecke, insbesondere dem Schutz des Erblassers vor Einflussnahme durch Mitwirkende, deutlich zu weit geht, denn damit wird in aller Regel auch der frei gebildete, unbeeinflusste Wille des Erblassers beseitigt. Die im österreichischen Recht vorgenommene Beschränkung der Unwirksamkeit auf die Begünstigung des Mitwirkenden erscheint unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Erblassers angemessener und entspricht im Übrigen dem gemeinrechtlichen Grundsatz utile per inutile non vitiatur sowie darüber hinaus dem generellen favor testamenti aufgrund der Unwiederholbarkeit des Rechtsgeschäfts. Die diesbezügliche Abkehrung vom römischen Formalismus, der im französischen und spanischen Recht offenbar noch nachwirkt, ist daher ein wichtiger Fortschritt, der ausgehend vom österreichischen Recht, auch im italienischen Recht vollzogen wurde. Vor allem im italienischen Recht wird Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/García Rubio, Art. 754 Código civ. Bd. II 624: Aragón (Art. 160 b, c) und Katalonien (Art. 412.5 b). 905
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der Zweck dieser Zeugnisverbote vornehmlich im Schutz der freien und spontanen Willensbildung des Erblassers gesehen. Dass daneben auch andere Gesichtspunkte, insbesondere das Interesse an einer möglichst großen Vertrauenswürdigkeit (öffentlicher Glaube) öffentlicher Urkunden, wichtige Beweggründe für diese Zeugnisverbote sind, steht außer Frage. Nur nach österreichischem Recht kann der Erblasser die Zeugnisverbote beseitigen, indem er die Verfügung zugunsten eines Zeugen handschriftlich bestätigt oder von drei weiteren Zeugen unterfertigen lässt.906 Damit wird dem Erblasser zwar die Möglichkeit gegeben, seinen Willen jedenfalls durchzusetzen. Der Erblasser wird aber gleichzeitig auch der Gefahr ausgesetzt, diese Verfügung unter Druck handschriftlich bestätigen zu müssen. Im Sinne des Erblassers wäre es daher jedenfalls besser, wenn ein klares Verbot der Begünstigung von Mitwirkenden bestünde, sodass auch vom Erblasser im fremdhändigen Testament schon von vornherein nur Personen als Zeugen gewählt werden, die kein eigenes Interesse am Testamentsinhalt haben. Bei den in allen Rechtsordnungen geltenden Testierverboten von Notaren geht es in erster Linie um den Schutz des Berufsstands vor dem Verdacht, Notare würden sich unrechtmäßig dadurch bereichern, dass sie sich als Begünstigte in die von ihnen beurkundeten Testamente aufnehmen. Die Unparteilichkeit des Notars erfordert jedenfalls Distanz zum Inhalt der von ihm angefertigten Urkunden und diese kann nur gewahrt bleiben, wenn er in jeder Hinsicht Dritter ist, somit weder mit dem Erblasser in einem engeren Verhältnis steht, noch als Begünstigter eingesetzt wird. Indirekt ergibt sich dadurch freilich auch ein Schutz für den Erblasser vor Beherrschung durch die Urkundsperson. In Bezug auf bloße Testamentsschreiber, d. h. Privatpersonen, die im Auftrag des Erblassers das Testament niederschreiben (etwa Anwalt, Freund, Bekannter des Erblassers) gibt es aus rechtsvergleichender Perspektive keine einheitlichen Vorschriften. Während in Österreich und Italien der Testamentsschreiber grundsätzlich nicht begünstigt werden kann, es sei denn der Erblasser bestätigt die Begünstigung ausdrücklich, bestehen in Frankreich, Spanien und England keine entsprechenden Verbote. Das römische Verbot der Begünstigung des Testamentsschreibers scheint sich also in Frankreich und Spanien nur in Bezug auf den Notar erhalten zu haben, was freilich angesichts der beachtlichen Einflussmöglichkeiten des Schreibers auf den Inhalt des Testaments für Bedenken sorgen muss. Aber auch in Österreich und Italien wurde dieses Verbot nicht absolut ausgestaltet, denn es kann vom Erblasser beseitigt werden. Mit dieser Möglichkeit der Beseitigung des Testierver-
906 Dies soll auch nach neuem österreichischem Erbrecht (Erbrechtsänderungsgesetz 2015) gelten. Die Erläuterungen zur Reform weisen darauf hin, dass es sich hier um „Selbstverständliches“ handle. Erläuterungen zur Regierungsvorlage 688 BlgNR 25. GP, 11.
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bots setzt man den Erblasser freilich wieder einer Gefahr aus, die gerade durch das Testierverbot vermieden hätte werden sollen. Schließlich ist noch auf Sprach- und Gebärdendolmetscher und sonstige Vertrauenspersonen einzugehen. Auch sie haben durch ihre Funktion als Vermittler des Willens des Erblassers eine beherrschende Stellung, durch die sie auf den Erblasser Druck ausüben oder den Willen des Erblassers verfälschen können. Im französischen Recht war wohl nicht zuletzt aufgrund dieser Gefahren die Mitwirkung von Dolmetschern bis vor kurzem gänzlich untersagt. Dagegen lässt man in Spanien ihre Mitwirkung zu, ohne sie aber mit einem Testierverbot zu belegen. Nur das österreichische und das italienische Recht schließen sie als Mitwirkende an der Testamentserrichtung ausdrücklich vom Kreis jener Personen aus, die vom Erblasser begünstigt werden dürfen und unterbinden damit die offenkundige Gefahr einer Fremdbestimmung des Willens des Erblassers. 4. Deutsches Recht a)
Ausschließungsgründe in den Vorarbeiten zum BGB
Im Zuge der Vorarbeiten zum BGB wurde hervorgehoben, dass es „zur Wahrung der Integrität des Beamtenstandes“ und zur „Vermeidung einer Beeinflussung“ des Erblassers erforderlich sei, bestimmte Personen mit Rücksicht auf ihr Verhältnis zum Erblasser von der Mitwirkung bei der Errichtung auszuschließen.907 Dabei ging es erstens um das Verhältnis der Mitwirkenden (Richter, Notar, Zeugen, Gerichtsschreiber) zum Erblasser, zweitens um die Begünstigung der am Testament Mitwirkenden oder mit ihnen verbunden Personen und drittens um das Verhältnis des beurkundenden Richters oder Notars zu den übrigen Mitwirkenden. Unter all diesen Gesichtspunkten sollten Schranken eingeführt werden, um jeden Anschein mangelnder Objektivität des Beurkundenden oder der sonstigen am Errichtungsakt Mitwirkenden von vornherein auszuschließen. Daher beschloss die Erste Kommission, dass der Richter oder Notar sowie die Zeugen oder Urkundspersonen nicht an der Errichtung einer letztwilligen Verfügung mitwirken dürfen, wenn sie mit dem Erblasser verheiratet sind oder waren bzw. wenn sie mit dem Erblasser in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sind.908 Ein Verstoß gegen dieses Verbot sollte die Nichtigkeit des gesamten Testaments zur Folge haben. Darüber hinaus sollte der gemeinrechtlichen Tradition folgend auch sichergestellt werden, dass nicht der Anschein einer Beeinflussung dadurch entstehen könnte, dass ein Begünstigter an der Beurkundung mitwirkte. Dementsprechend wurden von der Mitwirkung an der Testamentserrichtung all 907 908
Mugdan V 139 (Motive V S. 264). Jakobs/Schubert, Teilbd. 2 1556.
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jene ausgeschlossen, die im Testament begünstigt werden. Der Begünstigung im Testament wurde ausdrücklich auch die Einsetzung als Testamentsvollstrecker gleichgestellt, denn der Testamentsvollstrecker habe Anspruch auf eine angemessene Vergütung, sodass ein „bedenklicher Anreiz“ bestehe „die Ernennung zum Testamentsvollstrecker im eigennützigen Interesse anzustreben“.909 Neben dem Begünstigten selbst waren, zur Vermeidung einer Umgehung des Verbots, auch der Ehegatte und ehemalige Ehegatte des Begünstigten, sowie dessen Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie und Seitenverwandte bzw. Seitenverschwägerte bis zum zweiten Grad vom Mitwirkungsverbot erfasst. Im Gegensatz zum Mitwirkungsverbot aufgrund einer Nähebeziehung zum Erblasser, hatte der Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot von Begünstigten und deren Verwandten nicht die Nichtigkeit der gesamten Verfügung, sondern lediglich die Nichtigkeit der sie begünstigenden Einzelverfügung zur Folge. Hinsichtlich des Verhältnisses der Mitwirkenden untereinander sah der Vorschlag der ersten Kommission vor, dass am Testament nicht mitwirken kann, wer mit dem verhandelnden Richter oder Notar verheiratet, verwandt oder verschwägert ist. Zeugen durften darüber hinaus nach dem ersten Entwurf auch nicht Gesinde oder Gehilfen im Dienste des verhandelnden Richters oder Notars sein.910 Die zweite Kommission übernahm mit wenigen redaktionellen Änderungen die Vorschläge der ersten Kommission, strich aber auf Antrag Bayerns die Einbeziehung des Testamentsvollstreckers in das Mitwirkungsverbot. Er galt somit nicht mehr als Begünstigter.911 Hinsichtlich des Verhältnisses der Mitwirkenden untereinander wurde lediglich die Vorschrift, dass Zeugen nicht in einem Dienstverhältnis zum Richter oder Notar stehen dürfen, in eine Sollvorschrift umgewandelt. Diese Vorschriften traten mit §§ 2234, 2235, 2336 und 2237 Nr. 4 BGB in Kraft. b) Weitere Entwicklung und BeurkG Im Zuge der Vorbereitungen des Testamentsgesetzes wurden die Vorschriften über die zwingenden Mitwirkungsverbote bei der Beurkundung nur insofern behandelt, als die Entscheidung der zweiten BGB-Kommission, die Ernennung zum Testamentsvollstrecker nicht einer Begünstigung im Testament gleichzustellen, rückgängig gemacht werden sollte.912 Es habe sich nämlich wiederholt gezeigt, dass Ernennungen dieser Art bedenklich seien, was besonders dann gelte, wenn im Testament eine Vergütung vorgeschlagen werde. 909 910 911 912
Jakobs/Schubert, Teilbd. 2 1556. Jakobs/Schubert, Teilbd. 2 1566. Jakobs/Schubert, Teilbd. 2 1559. Lange, Denkschrift 67.
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Bis auf diese Ergänzung zum Testamentsvollstrecker wurden die §§ 2234– 2337 BGB gleichlautend in §§ 7–10 TestG übernommen. Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 5.3.1953913 kehrten diese Bestimmungen wieder in das BGB zurück, bis sie schließlich 1970 im neuen BeurkG aufgingen. Allgemeine Mitwirkungsverbote aufgrund einer Nähebeziehung des Notars zum Erblasser ergeben sich nunmehr neben der allgemeinen Sollvorschrift des § 3 BeurkG (Verbot der Mitwirkung als Notar) in erster Linie aus der zwingenden Vorschrift des § 6 (Ausschlussgründe), bei deren Verstoß die gesamte Verfügung als öffentliche Urkunde unwirksam wird und lediglich noch als Privaturkunde Wirkung entfalten kann.914 Bei Nähebeziehungen zwischen den mitwirkenden Zeugen oder dem zweiten Notar zum verhandelnden Notar gelangt die Sollvorschrift des § 26 BeurkG zur Anwendung, die bei einem Verstoß freilich die Wirksamkeit der Beurkundung unberührt lässt. Das Verhältnis von Zeugen und zweitem Notar zum Verfügenden ist davon nicht betroffen und wird nicht geregelt. Hinsichtlich der Frage des Verbots der Begünstigung von Mitwirkenden erstreckt § 27 BeurkG die allgemeinen Mitwirkungsverbote bei Willenserklärungen auf Verfügungen von Todes wegen und stellt die Einsetzung zum Testamentsvollstrecker der Begünstigung gleich. Hinsichtlich der Wirkungen dieser Mitwirkungsverbote wegen Begünstigung ist danach zu unterscheiden, ob es sich um den beurkundenden Notar selbst, den Dolmetscher, die Vertrauensperson oder einen zweiten Notar oder Zeugen handelt. Die Begünstigung zugunsten des beurkundenden Notars selbst und seiner Verwandten915 oder dessen Einsetzung zum Testamentsvollstrecker führt gemäß § 27 i. V. m. § 7 BeurkG zur Unwirksamkeit der entsprechenden begünstigenden Verfügung. 916 Ebenfalls nichtig gemäß § 27 i. V. m. § 16 Abs. 3 S. 2 BeurkG ist die Begünstigung des Dolmetschers und seiner Verwandten. Für Gebärdensprachdolmetscher gemäß § 22 BeurkG, die nicht als Sprachdolmetscher im Sinne von § 16 Abs. 3 BeurkG zu qualifizieren sind, gelten diese BGBl. I 33. Soergel/Mayer, § 6 BeurkG Rn. 10. 915 Dazu zählen sein Ehegatte oder Lebenspartner sowie seine Verwandten und Verschwägerten in gerader Linie und seine Verwandten in der Seitenlinie bis zum dritten Grad bzw. seine Verschwägerten in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad. 916 Davon ist allerdings nicht der Fall erfasst, in dem der Notar in einem eigenen Beurkundungsvorgang mittels einer getrennt übergebenen verschlossenen Schrift zum Testamentsvollstrecker ernannt wird. OLG Bremen 10.3.2016, 5 W 40/15, juris; abweichend noch OLG Bremen 24.9.2015, MDR 2015, 1372. Diese großzügige Rechtsprechung, die im Verbot der Einsetzung des Notars zum Testamentsvollstrecker eine mögliche Kollision mit „den wohlverstandenen Interessen des Erblassers an der Bestellung des ihm vertrauten Notars zum Vollstrecker seines letzten Willens“ erkennt (in diesem Sinne auch BGH 18.12.1996, NJW 1997, 946, 947) verleitet freilich zu Umgehungen des Verbots. 913 914
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Ausschließungsgründe überhaupt nicht, will man sie nicht im Wege der Analogie auf sie erstrecken.917 Verfügungen zugunsten von Verständigungspersonen, die bei Beteiligung nicht hinreichend sprech- und hörfähiger, schreibunfähiger Personen gemäß § 24 BeurkG hinzuziehen sind, sind ebenfalls unwirksam, mag sich dieses Verbot auch nicht auf mittelbare Zuwendungen an nahestehende Personen erstrecken.918 Erforderlich ist jedenfalls, dass dieses Testierverbot von Verständigungspersonen selbst dann aufrecht bleibt, wenn nur eine einzige Person in der Lage ist, mit dem Erblasser zu kommunizieren. Diesbezüglich wurde nämlich gefordert, § 24 Abs. 2 BeurkG teleologisch zu reduzieren, um so das Testierverbot für diese Fälle auszuschließen. Dies sei verfassungsrechtlich geboten, weil gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen werde, „wenn man einen Behinderten a priori vor seiner Vertrauensperson schützt und dieser Schutz zugleich eine faktische Totalaufhebung der Privatautonomie bedeutet“919. Dem ist zu widersprechen.920 Von einer faktischen Totalaufhebung kann nicht die Rede sein, wenn der Erblasser noch zugunsten anderer testieren kann. Dagegen ist bei einem Eigeninteresse der Verständigungsperson die Gefahr einer Fremdbestimmung so groß, dass keine Ausnahme gemacht werden darf. Bei einer Begünstigung des zweiten Notars bzw. der Zeugen ist lediglich die Sollvorschrift des § 26 Abs. 1 Nr. 2 BeurkG anzuwenden. Die Begünstigung des zweiten Notars oder eines mitwirkenden Zeugen bleibt daher, anders als unter § 2235 a. F. BGB, für die entsprechenden Verfügungen ohne negative Wirkung.921 Der Testamentsschreiber, etwa bei Errichtung eines öffentlichen Testaments durch Übergabe einer Schrift (§ 2232), ist dagegen als nicht am Errichtungsakt Mitwirkender von diesen Vorschriften nicht betroffen. Er darf sich also ohne weiteres in einem Testament selbst begünstigen, sofern der Erblasser bei der Übergabe des offenen oder verschlossenen Schriftstücks erklärt, dass es seinen letzten Willen enthalte. Welch geringe Anforderungen das Gesetz an diese Erklärung stellt, wurde bereits erörtert.922
Im Interesse der Rechtssicherheit gegen eine analoge Anwendung: Soergel/Mayer, § 22 BeurkG Rn. 13. Dagegen meint BeckOK BGB/Litzenburger § 22 BeurkG, Rn. 9, dass der Notar im Rahmen seines Auswahlermessens dafür sorgen soll, dass Personen, die als Zeugen ausgeschlossen wären, auch nicht als Gebärdendolmetscher zugelassen werden. 918 Soergel/Mayer, § 24 BeurkG Rn. 11. 919 Neuner, NJW 2000, 1827 f. 920 Kritisch auch Soergel/Mayer, § 2233 BGB Rn. 10. 921 Einhellige Ansicht: Soergel/Mayer, § 27 BeurkG Rn. 6; aus der Rechtsprechung vgl. OLG Hamm 11.10.2012, DNotZ 2013, 233, 234. 922 Vgl. oben § 4 II.6.b)aa). 917
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c) Zusammenfassung und Würdigung Bereits in den Vorarbeiten zum BGB wurde deutlich gemacht, dass Testierverbote in Bezug auf Personen, die an der Testamentserrichtung mitwirken, unumgänglich sind. Besonders streng sind die Ausschließungsgründe beim beurkundenden Notar, womit wiederum in erster Linie der Berufsstand und die Tätigkeit des Notars vor Verdachtsmomenten unrechtmäßigen Verhaltens durch Einflussnahme auf den Erblasser geschützt werden sollen. Begünstigungen des Notars und seiner nahen Angehörigen führen daher aufgrund von § 27 i. V. m. § 7 BeurkG zur Unwirksamkeit der begünstigenden Verfügung, sodass für den Notar jeder Anreiz für eine solche Beurkundung zu seinen Gunsten entfällt. Im Gegensatz zum Notar kommt dem Testamentsschreiber im deutschen Recht keine eigenständige Bedeutung zu. Der Rechtsanwalt, der für den Erblasser die an den Notar zu übergebende Schrift vorbereitet, darf sich gleich selbst begünstigen (etwa zum Testamentsvollstrecker einsetzen), wie jeder andere mit der Niederschrift Betraute. Daraus ergibt sich eine bedenkliche Schutzlücke für den Erblasser, der dem Schreiber auf diese Weise ausgeliefert ist. Dies gilt besonders dann, wenn der Schreiber als Zeuge bei der Errichtung des öffentlichen Testaments durch Übergabe einer Schrift mitwirkt. Gemäß § 28 BeurkG kann der Erblasser nämlich die Zuziehung von bis zu zwei Zeugen oder einen zweiten Notar verlangen. Einer Begünstigung dieser Zeugen oder des zweiten Notars steht nur die Sollvorschrift des § 26 BeurkG entgegen, sodass hier die Gefahr der Einflussnahme auf die Willensfreiheit des Erblassers besteht. Es ist auf diese Weise nämlich möglich, dass jemand das Testament für den Erblasser niederschreibt und sich darin begünstigt, sich sodann mit dem Erblasser zum Notar begibt und dort als auf Wunsch des Erblassers herangezogener Zeuge fungiert, um sicherzustellen, dass der Erblasser auch ja erkläre, die übergebene Schrift enthalte seinen letzten Willen. Bei Übergabe einer verschlossenen Schrift wirkt nicht einmal die Sollvorschrift des § 26 BeurkG, weil der Notar vom Inhalt des Testaments keine Kenntnis erhält und ihn in diesem Fall auch keine Belehrungspflichten treffen.923 Weitere mögliche Mitwirkende wie Sprachdolmetscher und deren Verwandte sowie Verständigungspersonen können dagegen ausnahmslos nicht begünstigt werden. Dies gilt selbst dann, wenn nur noch eine Verständigungsperson zur Verfügung steht. Für den Fall der Verletzung dieses Mitwirkungsverbots tritt Unwirksamkeit der begünstigenden Verfügung ein. Diese Vorschriften tragen dem Umstand Rechnung, dass Dolmetscher und Verständigungspersonen als Mittler des Willens des Erblassers eine mächtige Position einnehmen, die sie ohne negativen Anreiz zu ihren Gunsten ausnützen könnten. Umso erstaunlicher ist vor diesem Hintergrund, dass für Gebärden923
Soergel/Mayer, § 30 BeurkG Rn. 7.
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dolmetscher, für die es im Übrigen kein genaues Anforderungsprofil gibt,924 die Ausschließungs- und Verbotsgründe von §§ 6, 7, 26, 27 BeurkG überhaupt nicht gelten. Auch Verwandte der Verständigungsperson können ohne weiteres begünstigt werden. Durch diese Lücken werden gerade jene Erblasser, die aufgrund ihrer beschränkten Kommunikationsfähigkeit und der dadurch bedingten Abhängigkeitslage für Fremdbestimmung sehr anfällig sind, einer großen Gefahr ausgesetzt. Die Möglichkeit bzw. (aufgrund der in diesen Fällen wohl immer anzunehmenden Schreibunfähigkeit) die Pflicht, gemäß § 25 BeurkG einen zweiten Notar oder einen Zeugen hinzuzuziehen, kann dieses Schutzdefizit nicht ausgleichen. II. Schutz gegen Dritte durch Testierverbote Neben der Beschränkung der materiellen Testierfreiheit in Bezug auf Personen, die am Testierakt mitwirken, gibt es auch Beschränkungen hinsichtlich anderer Personen, die mit dem Erblasser in einem bestimmten Verhältnis stehen, das eine Einflussnahme oder einen Druck auf den Willen des Erblassers besonders erleichtert. Die wohl am weitesten zurückreichenden Vorschriften in diesem Sinne entstammen dem Ancien Droit. Auf die historische Entwicklung wird im ersten Teil dieses Abschnitts einzugehen sein. In der Folge soll untersucht werden, in welcher Form sich diese Beschränkungen der materiellen Testierfreiheit im geltenden Recht erhalten haben und inwieweit sie in ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung tatsächlich zum Schutz der Testierfreiheit des Erblassers beitragen können. 1.
Testierverbote in der historischen Entwicklung
a) Entstehung im Ancien Droit Mit der Ordonnance de Villers-Cotterêts vom 25. August 1539 führte König Franz I. eine umfangreiche Rechts- und Verwaltungsreform in Frankreich durch und erhob dabei nicht nur Französisch zur ausschließlichen Amts- und Verwaltungssprache Frankreichs, sondern befasste sich in Art. 131 auch mit dem Schutz von Schenkern und Erblassern vor Beherrschung und Druck im Zusammenhang mit der Errichtung ihrer Verfügung. Dort ist vorgesehen, dass alle künftigen Schenkungen oder Testamente zugunsten der Vormünder, Pfleger, Aufseher, Zieheltern und anderer Verwalter der Verfügenden nichtig und unwirksam sind.925 Mit Erklärung vom Februar 1549 präzisierte Henri II. das Testierverbot dieser Vorschrift dahingehend, dass es für Begünstigungen Soergel/Mayer, § 22 BeurkG Rn. 13; Reimann/Bengel/Mayer/Bengel, § 22 BeurkG Rn. 19. 925 „Nous déclarons toutes dispositions d’entrevifs ou testamentaires qui seront ciaprès, faictes par les donateurs ou testateurs, au profit et utilité de leurs tuteurs, curateurs, gardiens, baillistes, et autres leurs administrateurs estre nulles et de nul effet et valeur.“ 924
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während der Zeit der Vormundschaft und Pflegschaft oder Verwaltung gelten sollte und auch Begünstigungen von vorgeschobenen Personen (personnes interposées) betroffen waren, durch die der Vormund, Pfleger oder Verwalter mittelbar begünstigt wird.926 In der Literatur wurde diese Vorschrift damit begründet, dass das Gesetz vermeiden wolle, dass der Erblasser oder Schenker in einer Abhängigkeitsposition zugunsten desjenigen verfüge, in dessen Abhängigkeit er stehe: „parce que la volonté libre qui est l’ame de la donation, n’est pas presumée se rencontrer à l’égard d’une personne, qui dispose, dans l’interest d’un autre, auquel il est soûmis.“ Gleichzeitig wollte man aus öffentlichem Interesse auch die Unannehmlichkeiten und Missstände vermeiden, die entstünden, wenn man Vormündern und anderen Verwaltern die Freiheit ließe, Schenkungen von ihren Schutzbefohlenen zu verlangen.927 Diese Vorschrift der Ordonnance wurde inhaltlich in Art. 276 der Coutume de Paris übernommen, wobei sie allerdings im Gegensatz zu ihren Vorgängern nun klar als Testierverbot formuliert war („ne peuvent donner ou tester“).928 Demnach konnten Minderjährige und andere Personen, die sich in der rechtlichen Gewalt eines anderen befanden, nicht direkt oder indirekt zugunsten ihres Vormunds, Pflegers, Erziehers oder anderer Verwalter während der Zeit der Verwaltung und bis zur Rechnungslegung verfügen. Ausgenommen waren nun aber im Gegensatz zur Ordonnance, die keine Ausnahmen kannte, Eltern, Großeltern und andere Vorfahren, die diese Funktionen ausübten und zum Zeitpunkt der Errichtung oder des Todes des Mündels nicht wiederverheiratet waren.929 Im Gegensatz zu den Mitwirkungsverboten der am Errichtungsakt beteiligten Zeugen und Urkundspersonen hatten die Testierverbote gegenüber Dritten in Bezug auf Vormund und Kurator keine unmittelbaren Vorläufer im klassischen römischen Recht, mögen auch mehrere französische Autoren versucht haben, an unterschiedlichen römischen Quellen anzuknüpfen, um diesen mit königlicher Ordonnance eingeführten Testierverboten größere Autorität zu verleihen.930 Dagegen wurden einzelne Erweiterungen dieser Ordonnance durch nachklassische Quellen gestützt.
Ricard, Traité I Rn. 447. Ricard, Traité I Rn. 447. 928 Darauf weist Coin-Delisle, Commentaire Art. 907 C. civ. 99 hin. 929 „Les mineurs, et autres personnes étant en puissance d’autrui, ne peuvent donner ou tester directement ou indirectement au profit de leurs tuteurs, curateurs, pédagogues, ou autres administrateurs pendant le tems de leur administration, et jusqu’à ce qu’ils aient rendu compte: Peuvent toutefois disposer au profit de leurs père, mère, ayeul, ou ayeule, ou autres ascendans, encore qu’ils soient de la qualité susdite; Pourvû que lors du testament et decez du testateur, lesdits père, mère, ou autres ascendans ne soient remariez.“ 930 Für eine ausführliche Diskussion dieser Frage, ob sich dieses Testierverbot aus dem römischen Recht herleiten lasse, vgl. Ricard, Traité I Rn. 449–458. 926 927
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b) Rechtsunsicherheit und persönlicher Anwendungsbereich In der Zeit nach Erlass der Ordonnance aus 1539 und der ergänzenden Erklärung aus 1549 wurde in einer Vielzahl von Entscheidungen die Frage erörtert, welche Personen unter die Bezeichnung „administrateur“ zu subsumieren waren und somit neben dem Vormund und Pfleger von diesem Testierverbot erfasst waren.931 Dabei bildete sich zwar ein Konsens darüber, dass als „administrateurs“ all jene Personen zu verstehen seien, die irgendeine Macht über die Person oder das Vermögen des Erblassers oder Schenkers ausübten.932 Wer aber im Einzelnen dazu zählen sollte, war strittig. Dies führte dazu, dass die Gerichte den persönlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift stetig ausdehnten.933 Neben dem ausdrücklich erwähnten Vormund und Pfleger, waren daher von diesem Testierverbot auch folgende Personen betroffen934: − Lehrer und Erzieher: Sie seien befugt über die Kinder volle Macht auszuüben
und sie auch unter ihre geistige Führung zu nehmen, weshalb sie vom Kreis der möglichen Begünstigten auszuschließen seien.935 Dies galt auch für Lehrherren gegenüber ihren Lehrlingen, da sie ein Züchtigungsrecht hätten,936 nicht aber für Hausherren gegenüber ihren Hausbediensteten.937 Letztere könnten sich nämlich jederzeit der Herrschaft ihrer Herren entziehen.938 − Internatsleiter sowie Orden oder Einrichtungen in Bezug auf Begünstigungen durch die minderjährigen939 Untergebrachten;940 Du Moulin, Coutumes II 29: „infinité d’Arrests“. Duplessis/Berroyer/Laurière, Traitez 631: „autres administrateurs, ce qui comprend absolument toutes personnes qui ont queleu’un sous leur conduite“; Ricard, Traité I Rn. 477: „il comprend toute sorte de personnes, qui ont quelque empire, ou autorité considerable sur la volonté & la liberté de ceux qui sont soumis à leur conduite, quoy que majeurs.“; Pothier, Oevures II 451. 933 Furgole, Questions q. 33, 1: „La prohibition faite par l’article CXXXI de l’ordonnance de 1539 […] a été si favorablement accueillie par les cours supérieures du royaume, qu’on ne voit guere de loi à laquelle on ait donné tant d’extension, & dont on ait fait l’application à tant de cas différents“. 934 Duplessis/Berroyer/Laurière, Traitez 632–635; Ricard, Traité I Rn. 481 ff.; Du Moulin, Coutumes Bd. II 28 ff. 935 Ricard, Traité I Rn. 481; Duplessis/Berroyer/Laurière, Traitez 632. 936 Pothier, Oevures II 454 („a cause du droit de correction qu’ils ont sur eux“). 937 Dazu ausführlich Furgole, Questions q. 34, 206 ff. 938 Ricard, Traité I Rn. 484: „les serviteurs parmi nous, ne sont soumis à leurs Maîtres, qu’autant de temps qu’il leur plaît: le pouvoir que ceux ausquels ils ont volontairement destiné leurs services ont sur eux, ne captive point leur liberté“. 939 Pothier, Oevures Bd. II (1777) 454. Erwachsene seien dagegen nicht betroffen, da die Heimleiter oder Vorsteher keine Macht über die Heimbewohner ausüben würden und die Heimbewohner auch jederzeit die Gemeinschaft verlassen könnten. Dennoch schritten die Gerichte ein, um Geschenke von Volljährigen herabzusetzen, wenn sie zu groß waren. 940 Duplessis/Berroyer/Laurière, Traitez 632 f. 931 932
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− Klöster in Bezug auf Begünstigungen durch Novizen;941 − Beichtväter und Seelsorger des Erblassers: Gerade bei Beichtvätern und Seel-
sorgern sei die Gefahr der Beherrschung des Erblassers am größten, weshalb diese mit einem Testierverbot belegt werden müssten. Untermauert wurde die Ausdehnung der Ordonnance auf Seelsorger und Beichtväter mit einer Stelle aus dem Codex Theodosianus (16, 2, 20), wonach Kirchenangehörige von Witwen, bei denen sie sich unter dem Vorwand eingeschlichen hatten, sie auf den rechten Weg zu bringen, keine unentgeltlichen Zuwendungen erhalten konnten.942 − Ärzte, Chirurgen und Apotheker während der letzten Krankheit des Erblassers. Das tiefe Misstrauen gegenüber Ärzten943 schien in spätantiken Quellen seine Rechtfertigung zu finden.944 − Rechtsanwälte, Rechtsbeistände, Prozessvertreter und Richter: Für sie wurde zwar ein Schenkungsverbot während der Prozessdauer bejaht, ein Testierverbot war jedoch strittig.945 Es fehle an einem Abhängigkeitsverhältnis, das die Gefahr der Beeinflussung des Erblassers begründe.946 − Schiffsoffiziere: Gemäß Buch III, Titel XI, Art. 3 der Ordonnance zum Seerecht aus 1681 wurde ein Testierverbot auch gegenüber den Schiffsoffizieren ausgesprochen. Dies wurde mit der „absoluten Macht“, die Offiziere auf einem Schiff haben und entsprechend mit der Befürchtung begründet, dass sie sich in Testamenten von Personen begünstigen lassen könnten, die auf dem 941 „[À] l’egard des Novices; lesquels dans la résolution qu’ils ont prise de sacrifier leurs volontés à l’obéissance de leurs Superieurs, ne seroient point capables de resister aux suggestions qui pourroient leur être faites dans les Monasteres oì ils ont destiné de faire profession, pour les obliger de disposer de leurs biens au profit de la maison, ou de quelque autre du même Ordre.“ Ricard, Traité I Rn. 486. Dieses Testierverbot in Bezug auf Klöster galt auch für testamentarische Zuwendungen, die noch vor Eintritt gemacht werden. ebd., Rn. 492. Vgl. dazu auch Art. 28 der Ordonnance de Blois aus 1579: Boutaric, Explication 46 ff. 942 „Il n’y a personne qui ne sçache combien leur pouvoir est plus grand que tout autre, sur les esprits de leurs Penitens, & conséquemment qu’il n’y a point de difficulté qu’ils doivent être compris sous les termes de nôtre Ordonnance […] il y a lieu d’interdire ceux qui sont soumis à leur administration spirituelle, de disposer en leur faveur, tant par donations entre-vifs que testamentaires.“ Ricard, Traité I Rn. 515. 943 Sehr misstrauisch gegenüber Ärzten, Chirurgen und Apothekern äußerte sich Ricard, Traité I Rn. 494 f.: „Leur autorité est d’autant plus à craindre, que la faiblesse de ceux ausquels ils ont affaire, est ordinairement reduite dans sa plus grande extrémité, lorsqu’ils ont besoin de leur secours: de sorte qu’il n’y a rien qu’ils n’exigent de leurs malades pour l’esperance qu’ils leur donneront de les guerir“. 944 Codex Theodosianus 13, 3, 8, 1. Entsprechende Sorgen wegen der möglichen Ausnützung der Abhängigkeitssituation des Patienen hatte schon Ulpian D. 50, 13, 3 geäußert. 945 Vgl. für die diesbezügliche uneinheitliche Rechtsprechung: Ricard, Traité I Rn. 511 ff. Die Frage wird sehr ausführlich diskutiert bei Jean Baptiste Furgole, Questions remarquables sur la matière des donations (1761) q. 32, 192 ff. 946 Duplessis/Berroyer/Laurière, Traitez 634; Ricard, Traité I Rn. 506 ff.
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Schiff versterben.947 Von diesem Verbot waren jedoch mit dem Erblasser verwandte Schiffsoffiziere ausgenommen.948 Neben diesen Personen waren auch jeweils deren nächste Angehörige vom Testierverbot betroffen, um zu vermeiden, dass Personen vorgeschoben werden und das Verbot somit umgangen werden konnte. Wer freilich im Einzelnen als eine „personne interposée“ zu qualifizieren war, war höchst umstritten und Gegenstand lebhafter Diskussion.949 Eine bedeutende Einschränkung dieses sehr weitreichenden Testierverbots findet sich erstmals in der Coutume de Paris, wonach es gegenüber Vater, Mutter, Großvater oder Großmutter und anderen Vorfahren keine Anwendung finden sollte, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments und des Todes nicht wieder verheiratet waren. Pothier erklärte diese Einschränkung der Vorschrift der Ordonnance aus 1539 mit einer Auslegung im „Geist der Ordonnance“950 und folgte damit Ricard, der hier ebenfalls keine Abweichung von der Ordonnance erkennen wollte, sondern lediglich eine Präzisierung ihres Inhalts.951 Die „piété paternelle“952 schließe nämlich jeden Verdacht der Willensbeeinflussung und der erpresserischen Erlangung von Schenkungen und erbrechtlichen Begünstigungen durch Eltern und andere Vorfahren aus.953 Bei Wiederverheiratung schwinde aber die väterliche Zuneigung, weshalb die
Ordonnance de la Marine du mois d’Août 1681 (1755) 313. Art. III: „Ne pourront les mêmes dispositions valoir au profit des Officiers du Vaisseau, s’ils ne sont parens du testateur.“ Ordonnance de la Marine du mois d’Août 1681 (1755) 313. 949 Ausführlich dazu: Furgole, Questions q. 35, 210 ff. 950 Pothier, Oevures II 451. 951 Dies hatte seinen Grund freilich in der Hierarchie der Rechtsquellen, denn eine Ordonnance ging allen Coutumes vor, sodass entgegenstehende Vorschriften in den Coutumes als gegenstandslos anzusehen waren. Die einzige Möglichkeit dieser Ausnahme für nichtverheiratete Vorfahren Geltung zu verleihen, bestand somit darin, der Ordonnance diesen Inhalt im Wege der „Auslegung“ zuzuschreiben: „puisque c’est une maxime constante parmi nous, que nous Coutumes ne peuvent pas déroger aux Ordonnances de cette qualité, et qu’au contrarire les Ordonnances dérogent aux Coutumes; de sorte que l’on a cru que l’on devoit regarder cet article, comme explicatif de l’Ordonnance; lequel en effet ne pourroit pas autrement avoir lieu, même dans la Coutume de Paris“. Ricard, Traité I Rn. 461. 952 Pothier, Oevures II 451. 953 Ricard begründet diese Ausnahme wie folgt: „on ne doit pas croire que celuy auquel la nature a donné tant de sentimens naturels, pour la conservation des enfans ausquels il a donné la vie, soit capable de concevoir des pensées, qui leur soient desavantageuses, & qu’il veüille même entreprendre de contraindre leur volonté pour s’attirer leurs biens dans un cas, que les Loix n’ont pas même voulu qu’il fût prévû. […] Et ainsi, l’on suppose que ces dispositions ont eté faites plutôt par un sentiment de piété, & d’affection legitime et naturelle, que par impression & par violence“, Ricard, Traité I Rn. 462. 947 948
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Ausnahme nur für nicht wiederverheiratete Vorfahren gelte.954 Mit dieser etwas seltsamen Begründung kann diese Vorschrift freilich nur bedingt erklärt werden. Offen bleibt, weshalb es für die Wiederverheiratung neben dem Errichtungszeitpunkt auch auf den Todeszeitpunkt ankam. Diesbezüglich war offenbar nicht die Sorge um die Willensbeeinflussung ausschlaggebend, sondern es sollte wohl vor allem vermieden werden, dass Vermögen über wiederverheiratete Vorfahren in andere Familien abfließen konnte. Ging etwa eine verwitwete Mutter, zu deren Gunsten ihr Sohn testiert hatte, eine neue Ehe ein, dann konnte diese Vorschrift verhindern, dass das väterliche Vermögen, das der verstorbene Minderjährige bereits geerbt hatte, über die Mutter in eine neue Familie gelangte.955 c) Code civil Die Unübersichtlichkeit der teilweise widersprüchlichen, von heterogenen Zielen geleiteten Rechtsprechung zu den Testierverboten der Ordonnance aus 1539 und deren Nachfolgeregelungen in den Coutumes erforderte eine Neuausrichtung956 im Code civil. aa) Vormund Übernommen wurde in Art. 907 Code civil das Testierverbot gegenüber dem Vormund wegen der Gefährdung der Willensfreiheit des Minderjährigen.957 Der minderjährige, mindestens 16-jährige Mündel darf demnach nicht zugunsten seines Vormunds verfügen: „ne pourra, même par testament, disposer au profit de son tuteur“. Nach dem Vorbild der Vorschrift in der Coutume de Paris wird das Testierverbot nicht auf die Minderjährigkeit beschränkt, sonRicard, Traité I Rn. 467: „Aussi l’experience fait connoître, que le second mariage d’un père, lui fait perdre ordinairement la pureté de l’affection qu’il avoit pour les enfans de son premier lit, & que la presence d’une seconde femme, lui fait tourner les principaux soins sur elle, ou sur leurs enfans communs, de sorte que l’on ne voit que trop souvent, qu’un père remarié a assez de dureté, pour s’étudier à dépouillier par toutes sortes de voyes, les enfans de son premier lit, dans le dessein de les faire passer à ceux de son second mariage“. Vgl. auch Joseph Pothier, Oevures II 452: „les seconds mariages ont coutume de diminuer l’affection parternelle“. 955 Diese Konstellation der Begünstigung der Mutter wird zwar bei der Begründung nicht erwähnt, weil dort nur auf den Vater abgestellt wird. In der Praxis scheint die Begünstigung der Mutter aber der Hauptfall gewesen zu sein. Dies ergibt sich aus den zu dieser Bestimmung zitierten Entscheidungen bei Ricard, Traité I Rn. 463. 956 Demolombe, Traité I Rn. 551. 957 „Cet empire est tel de la part d’un tuteur sur son mineur, et les abus seraient à cet égard si multipliés, qu’il a été nécessaire d’interdire au mineur émancipé la faculté de disposer, même par testament, au profit de son tuteur“. Rede von Félix-Julien-Jean Bigot de Préameneu vor der Nationalversammlung, abgedruckt in Recueil des lois composant le Code civil 3 (1804) 183. 954
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dern bleibt bis in die Zeit nach Erreichen der Volljährigkeit aufrecht, bis der Vormund die Abschlussrechnung legt. Damit sollte einerseits verhindert werden, dass der zwischenzeitlich Vollährige eine Verfügung zugunsten des Vormunds trifft, ohne über seine Vermögenssituation genau Bescheid zu wissen, und andererseits, dass der Vormund durch eine solche Verfügung faktisch von seiner Rechnungslegungspflicht befreit werden könnte.958 Vom Testierverbot ausgenommen wurden wiederum, mit Verweis auf die elterliche Zuneigung, die Fälle in denen Eltern und Vorfahren das Amt des Vormunds ausgeübt haben, allerdings nunmehr ohne danach zu unterscheiden, ob sie wiederverheiratet waren, denn für eine solche Differenzierung fand man keine Rechtfertigung mehr.959 Um Rechtsunsicherheit hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs zu vermeiden, wurde dieses Testierverbot auf den Vormund beschränkt. Die Einbeziehung von „administrateurs“, wie in den Vorschriften des Ancien Droit, vermied man. Auch Pfleger im Rahmen von Pflegschaften waren nun nicht mehr erfasst und eine Erweiterung des Begriffs Vormund auf andere Personen kam nicht mehr in Frage. Diese enge Eingrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs wurde angesichts der überbordenden Rechtsprechung in der Zeit vor dem Code civil als „infiniment sage“ bezeichnet.960 bb) Ärzte, Chirurgen und Apotheker Aus der umfangreichen Rechtsprechung des Ancien Droit übernahm der Gesetzgeber des Code civil lediglich das Testierverbot in Bezug auf Ärzte, Chirurgen und Apotheker, da sie zu viel Macht und Einfluss auf den Willen des Erblassers hätten.961 Wie bereits im Ancien Droit, wird dieses Verbot gemäß Art. 909 dahingehend eingeschränkt, dass es nur auf Ärzte, Chirurgen und Apotheker anzuwenden ist, die den Erblasser aufgrund der Krankheit behandelt haben, an der er verstorben ist. Der Arzt erhalte nämlich erst durch eine regelmäßige Behandlung des Erblassers eine besondere Macht über den Geist des Patienten.962 Unter den Begriff Arzt subsumierte man auch Wunderheiler
958 Rogron, Les codes Art 907 Cod. civ. 188. Kritisch dazu, dass der Volljährige den ehemaligen Vormund nicht testamentarisch von seiner Rechungslegungspflicht befreien kann: Duranton, Cours Bd. 4 Rn. 199. Dagegen heißt es in der Rede von Félix-Julien-Jean Bigot de Préameneu vor der Nationalversammlung: „l’experience a prouvé qu’il était nécessaire d’interdire au mineur devenu majeur, la faculté de renoncer a ce compte“. Recueil des lois composant le Code civil 3 (1804) 183. 959 Dufour, Code civil II Art. 907 129. 960 Coin-Delisle, Commentaire Art. 909 C. civ. Rn. 8, 100. 961 Rede von Félix-Julien-Jean Bigot de Préameneu vor der Nationalversammlung, Recueil des lois composant le Code civil 3 (1804) 183: „trop d’empire sur l’esprit de celui qui dispose et qui est atteint de la maladie dont il meurt“. 962 Demolombe, Traité I Rn 505.
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(„magnétiseur“) sowie andere Personen, die sich als Arzt ausgaben und den todkranken Erblasser „behandelten“.963 Das Testierverbot ist aufgehoben, wenn der Arzt, Chirurg oder Apotheker für die geleisteten Dienste mittels einer testamentarischen Verfügung belohnt werden soll. Ebenso aufgehoben ist das Testierverbot in Bezug auf Patienten, die in einem engen Verwandtschaftsverhältnis mit dem Arzt, Chirurgen oder Apotheker stehen. Dafür ist erforderlich, dass der begünstigte Arzt bis zum vierten Grad in der Seitenlinie mit dem Patienten verwandt ist und dass keine Erben in direkter Linie existieren, es sei denn der Arzt ist selbst einer dieser Erben. So kann etwa der Arzt als Erbe eingesetzt werden, wenn er gleichzeitig auch der Sohn des Erblassers ist, nicht aber wenn er der Bruder des Erblassers ist und der Erblasser noch einen Sohn hinterlässt, der Erbe in gerader Linie gewesen wäre. Dabei fällt freilich auf, dass diese Ausnahmeregelung für Familienangehörige 964 wiederum dem Ziel verpflichtet ist, das Vermögen möglichst der gesetzlichen Erbfolge gemäß 965 in der Familie zu halten,966 denn den missbräuchlichen Einfluss auf die Willensfreiheit des Erblassers kann das Verwandtschaftsverhältnis als Ausnahmegrund nicht ausschließen.967 cc) Priester Dasselbe Testierverbot wie bei Ärzten wurde auch für Priester (ministres de culte) übernommen, denen es untersagt wurde, vom Erblasser, den sie vor dem Sterben seelsorglich begleitet haben, eine Schenkung bzw. eine testamentarische Begünstigung anzunehmen. Damit wurde das im Ancien Droit aufgekommene Annahmeverbot zulasten von Kirchenangehörigen auch in
Dazu Demolombe, Traité I Rn. 512; 549. Dazu zählt weder der Ehegatte noch Verschwägerte, da diese mit dem Erblasser in keinem Verwandtschaftsverhältnis stehen (parenté). Gerade bei Ehegatten vermied die Rechtsprechung aber die Anwendung des Verbots, indem angenommen wurde, die Pflege des Erblassers sei nicht in der Funktion als Arzt, sondern als Ehegatte erbracht worden, sodass die Voraussetzungen gemäß Art. 909 nicht erfüllt waren. Vgl. dazu Leveneur/ Leveneur, Successions 568; Demolombe, Traité I Rn. 543. Zur Frage, ob auch der Arzt als Freund von diesem Verbot ausgenommen ist, weil er seine Dienste als Freund und nicht als Arzt erbringt, vgl. ebd., Rn. 847. Für einen Fall in jüngster Zeit, in dem der Arzt aufgrund des freundschaftlichen Verhältnisses nicht als „Behandler“ gewertet wurde, und die Verfügung somit gültig war, Cass. civ. 15.1.2014, n° 12-22950, Bull. civ. 2014, I, n° 2. 965 Mag der Arzt auch in der Seitenlinie mit dem Patienten verwandt sein, er kann nicht erben, wenn ein gesetzlicher Erbe in gerader Linie vorhanden ist. 966 Vgl. Troplong, Des donations II Rn. 641, der darauf hinweist, dass aus diesem Grund verschwägerte Ärzte nicht ausgenommen sind. 967 Insofern qualifizieren Leveneur/Leveneur, Successions 545 die Bestimmungen dieses Abschnitts (Artt. 901–912 franz. C. civ.) als Maßnahme zur Bekämpfung unentgeltlicher Veräußerung von Familienvermögen. 963 964
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den Code civil aufgenommen, wobei auch hier die Ausnahmen der Verwandtschaft und der Belohnung für geleistete Dienste galten. dd) Krankenhäuser, religiöse Orden Zulasten von Einrichtungen, die besonders häufig begünstigt wurden, führte der Code civil ebenfalls ein Testierverbot ein. Allerdings war dieses in Art. 910 Code civil anders formuliert als in Bezug auf Ärzte und Priester. Bei Krankenhäusern (hospices) und anderen öffentlichen Einrichtungen sollte eine unentgeltliche Zuwendung auch durch Testament nur dann wirksam sein, wenn diese obrigkeitlich genehmigt wurde. Inwiefern hier tatsächlich noch die Sorge um die Willensfreiheit des Erblassers eine Rolle spielte, lässt sich nicht feststellen. Jedenfalls ging es in diesem Zusammenhang in erster Linie um das öffentliche Interesse, Verfügungen zugunsten von Einrichtungen zurückzudrängen, um eine zu große Konzentration von Vermögen in toter Hand zu vermeiden.968 ee) Schiffsoffiziere Das aus der Seerechtsordonnance aus 1681 stammende Testierverbot zugunsten von Schiffsoffizieren wurde in Art. 997 a. F. Code civil übernommen. Darin hieß es, dass ein auf See errichtetes Testament keine Verfügung zugunsten der Schiffsoffiziere enthalten dürfe, es sei denn, diese seien Verwandte des Erblassers. Nach Troplong waren Schiffsoffiziere zurecht von diesem Verbot erfasst, weil die Umstände der Seefahrt ihnen eine Allmacht verleihen würden, gegenüber welcher der Gesetzgeber zurecht misstrauisch sei. Die Bestimmung verfolge daher den Zweck, die Einflussnahme auf den Willen des Erblassers durch diese Funktionsträger zu vermeiden.969 ff) Umgehungen und Rechtsfolgen Umgehungen dieser Testierverbote sollten dadurch erschwert werden, dass mit Art. 911 auch Begünstigungen an vorgeschobene Personen vom Verbot erfasst wurden, wobei bis zum Gegenbeweis die Vermutung eingeführt wurde, dass Zuwendungen an Eltern, Kinder, Nachkommen und den Ehegatten desjenigen, der mit einem Testierverbot belegt ist, ebenfalls nichtig sein sollen. Dasselbe sollte für indirekte Schenkungen gelten. Verstoße gegen die Testierverbote wurden daher generell mit Nichtigkeit der entsprechenden Verfügung sanktioniert.
968 Zu beiden Zielsetzungen in Bezug auf diese Vorschrift Demolombe, Traité I Rn. 592bis. 969 Troplong, Des donations III Rn. 1725.
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d) Bewertung In der frühen Entwicklung der Testierverbote im französischen Ancien Droit und in den Bestimmungen des Code civil zeigt sich eine stetige Ambivalenz zwischen einem erklärten Ziel, nämlich dem Schutz des Erblassers vor Beeinflussung durch Dritte, und einem latenten, nicht offen erklärten Ziel, die gesetzlichen Erben oder ganz allgemein die engsten Familienangehörigen des Erblassers vor einem Abfluss des erblasserischen Vermögens an Familienfremde zu schützen. Die großzügige Anwendung der Testierverbote im Ancien Droit und die Widersprüchlichkeit in der damaligen Rechtsprechung sind ebenso wie die Ausnahmebestimmungen zugunsten enger Angehörigen in der Coutume de Paris und im Code civil Indikatoren für die Instrumentalisierung dieser Vorschriften zum Schutz des Familienvermögens vor dem Zugriff Dritter. Das hehre Ziel des Schutzes erblasserischer Willensfreiheit scheint daher nicht selten bloß ein Vorwand, um Verfügungen zu beseitigen, durch die das Nachlassvermögen an Familienfremde abgeflossen wäre. Das Misstrauen gegenüber Ärzten und Seelsorgern, ebenso wie gegenüber familienfremden Vormündern, mag zwar nicht vollkommen unbegründet sein, denn das bestehende Abhängigkeitsverhältnis gegenüber diesen Personen erleichtert natürlich eine Einflussnahme auf den Willen des Erblassers. Genährt wurde dieses Misstrauen aber nicht bloß durch die Gefahr einer missbräuchlichen Ausnützung dieses Abhängigkeitsverhältnisses, sondern vor allem von der Befürchtung, der Erblasser könnte tatsächlich den freien Entschluss fassen, diesen Vertrauenspersonen einen Teil seines Nachlasses oder den gesamten Nachlass zuzuwenden. Gäbe es dann dieses Testierverbot nicht, wäre der Nachlass für die gesetzlichen Erben verloren. Diese Befürchtung kommt heute noch deutlich in der Ausnahmebestimmung in Art. 909 Code civil zum Ausdruck, wonach eine Begünstigung selbst an einen bis zum vierten Grad in der Seitenlinie verwandten Arzt vom Testierverbot erfasst ist, wenn es (gesetzliche) Erben in gerader Linie gibt. Auch aus der Gesetzessystematik lassen sich entsprechende Indizien für diese verdeckte Zielsetzung ableiten, denn die Art. 909 Code civil vorausgehende Bestimmung in Art. 908 sah ein Testierverbot gegenüber außerehelichen Kindern vor und stand damit eindeutig im Dienst des Schutzes der gesetzlichen Erben. Schließlich spielte bei einzelnen Testierverboten sicherlich auch ein allgemeines Interesse am Schutz des Berufsstands eine Rolle, denn Ärzte und Priester usw. sollen nicht in den Verdacht geraten, sich durch missbräuchliche Ausnützung ihres beruflichen Vertrauensverhältnisses zu bereichern bzw. es soll nicht der gesamte Berufsstand wegen Einzelner, die sich unter missbräuchlicher Ausnützung ihrer beruflichen Vertrauensstellung bereichern wollen, in Verruf geraten.
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2. Testierverbote in den romanischen Rechtsordnungen a) Der Einfluss auf die romanischen Rechtsordnungen: „relative Erbunfähigkeit“ Dem französischen Modell folgend, haben mehrere romanische Rechtsordnungen Testierverbote eingeführt, die allesamt damit begründet werden, dass der Erblasser vor einer absolut vermuteten Einflussnahme auf seinen Willen geschützt werden soll. Entsprechend der französischen Tradition970 ist es üblich, diese Testierverbote unreflektiert auch als Gründe „relativer Erbunfähigkeit“971 zu bezeichnen. Diese Bezeichnung ist in der Sache freilich unzutreffend, weil in die Erbfähigkeit als Teil der Rechtsfähigkeit des Begünstigten durch Testierverbote nicht eingegriffen wird. Dies zeigt sich etwa im französischen Recht schon allein daran, dass Ärzte zwar nicht aus einem Testament erwerben können, das während der letzten Krankheit errichtet wurde, sehr wohl aber aus einem Testament, das bereits davor errichtet wurde. Vielmehr handelt es sich hier um ein gesetzliches Verbot bestimmter Verfügungen, denen die Wirksamkeit versagt wird. Nach richtiger Ansicht972 darf daher entgegen der Terminologie der Gesetzgeber dogmatisch nicht von Unfähigkeit die Rede sein. Es handelt sich um einen klassischen Fall eines Verbotsgesetzes, das die Testierfreiheit des Erblassers hinsichtlich bestimmter Personen beschränkt, indem die entsprechenden Verfügungen wegen Gesetzeswidrigkeit für nichtig erklärt werden. Insofern kann man auch von ma-
Duplessis/Berroyer/Laurière, Traitez 630 ff.; Ricard, Traité I Rn. 4847 („espece d’incapacité“); Pothier, Oevures II 340: „incapacité relative à la personne du Testateur“. 971 Für Frankreich vgl. z. B. Malaurie/Aynès, Les successions Rn. 339 („incapacité relative de recevoir“). Für Italien (Artt. 596, 597, 598 ital. C. civ.: „incapacità di ricevere per testamento“) und Spanien (Artt. 752–754 Código civ.: „incapacidad relativa“), in Katalonien (Art. 412.5 kat. C. civ.: „inhabilidad para suceder“). In Italien hat die Lehre großen Aufwand betrieben, um gegen jede Offenkundigkeit die Qualifikation dieser Testierverbote als Unfähigkeitsgründe im Sinne der Terminologie des Gesetzes aufrechterhalten zu können. Vgl. für einen Überblick Sassi/Stefanelli, Incapacità 73 ff. 972 In Frankreich wurde besonders im Zusammenhang mit der kollisionsrechtlichen Qualifikation dieser „Unfähigkeitsgründe“ darauf hingewiesen, dass es sich um gesetzliche Verbote und nicht um Fragen der Erbfähigkeit handle. Gerade im internationalen Privatrecht kommt es nämlich für das anwendbare Recht darauf an, wie diese „Unfähigkeitsgründe“ qualifiziert werden. Batiffol/Lagarde, Traité II Rn. 487: „en réalité il s’agit à peine d’une incapacité, mais bien plutôt d’une règle prohibitive“. Vgl. auch, allerdings wenig konsequent, Maria, Incapacités 275: „Elles ne puenvent donc être considérées comme édictant de véritables incapacités.“ Kritisch für Italien: Coviello, Incapacità 65–67; Scognamiglio, Capacità 188; gegen die Qualifikation als Unfähigkeit schon Ricci, Corso III 293 f.; für Spanien: Domínguez Luelmo Comentarios/Espejo Lerdo de Tejada, Art. 752 Código civ. („No son supuestos de incapacidad, pues no estamos ante cualidades absolutas del favorecido, sino de prohibiciones legales de suceder.“). 970
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teriellen Beschränkungen der Testierfreiheit sprechen, weil durch sie die Inhaltsfreiheit des Erblassers eingeschränkt wird. b) Testierverbote im italienischen Recht Der italienische Gesetzgeber des Jahres 1865 entschied sich hinsichtlich der Testierverbote für einen vom französischen Gesetzgeber etwas abweichenden Weg. Hatte schon der Code civil das Ziel verfolgt, den Wildwuchs an Testierverboten, der sich im Ancien Droit gebildet hatte, auf ein Mindestmaß zu reduzieren, so wurde im italienischen Recht die Gruppe der betroffenen Personen, die nicht begünstigt werden durften, noch weiter eingegrenzt. Arzt und Priester fielen weg und es blieb ausschließlich das Testierverbot hinsichtlich des Vormunds bis zur Rechnungslegung erhalten (Art. 769 ital. C. civ. 1865). Der neue Codice civile aus 1942 übernahm diese Bestimmung in Art. 596, wobei nun ausdrücklich auch der Vertreter des Vormunds erwähnt wurde. Die Ausnahme für enge Verwandte (Vorfahren, Nachfahren, Geschwister und Ehegatte), die wegen der Ausübung des Amts als Vormund keinen Nachteil erleiden sollten, wurde unverändert in Art. 596 ital. C. civ. übernommen. Seit Einführung der Betreuung für hilfsbedürftige Erwachsene (amministrazione di sostegno) im Jahr 2004, wurde das Testierverbot auch auf den Betreuer (amministratore di sostegno) erweitert (Art. 411 Abs. 2), was insofern zu einem Wertungswiderspruch geführt hat, als der in vielerlei Hinsicht vergleichbare Beistand (curatore) im Rahmen der inabilitazione (einer Erwachsenenschutzform bei der für Geschäfte der außerordentlichen Verwaltung die Mitwirkung eines Beistands erforderlich ist) von diesem Testierverbot nach wie vor nicht betroffen ist. Auch für den Betreuer gilt die im Vergleich zum französischen Recht viel weiter gefasste973 Ausnahme der Verwandtschaft, weshalb Vorfahren, Nachfahren, Geschwister und Ehegatten als Betreuer von diesem Testierverbot nicht betroffen sind. Die Problematik dieser Ausnahmevorschrift zeigt sich in einer jüngeren Entscheidung des Tribunale di Roma.974 Dort hatte der Bruder und Betreuer des Betreuten bei Gericht den Antrag gestellt, den Betreuten zur Errichtung eines öffentlichen Testaments vor dem Notar zuzulassen, um darin den Betreuer und Bruder zu begünstigen. Das Gericht befragte daraufhin den Betreuten, ob er den Willen hege, ein Testament zugunsten eines seiner zwei Brüder zu errichten. Der an paranoider Schizophrenie erkrankte Betreute konnte sich bei der Befragung weder daran erinnern, dass er Vermögen hatte, noch dass er einen der Brüder zum Erben einsetzen wolle und gab an, dass er kein Interesse habe, ein Testament zu errichten. Der Antrag des Betreuers wurde folglich abgewiesen. Diese Entscheidung zeigt, dass auch von nächsten Verwandten Druck auf den Erblasser 973 Art. 907 Abs. 3 ital. C. civ. nimmt nur die Vorfahren vom Testierverbot aus, nicht jedoch Kinder, Geschwister und Ehegatten. 974 Trib. Roma 30.5.2012, Nuova giur.civ.comm. I, 2012, 1005.
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ausgeübt werden kann und es wird offenkundig, wie wenig die Ausnahmeregelung zugunsten nächster Verwandter im Zusammenhang mit dem Schutz des Erblasserwillens steht. Die Behauptung, die Ausnahme sei der Vermutung geschuldet, dass der Erblasser von seinen nächsten Verwandten nicht beeinflusst oder beherrscht werde,975 kann nicht überzeugen. Vielmehr zeigt sich in dieser Ausnahmebestimmung, dass mit dem Testierverbot der Abfluss von Familienvermögen an Dritte verhindert werden soll. Die Willensfreiheit des Erblassers als Schutzzweck dieser Vorschrift976 ist aufgrund dieser Ausnahme als bloßer Vorwand enttarnt, denn dieses Ziel kann gerade bei Verwandten nicht erreicht werden, bei denen es nicht nur angesichts dieser Entscheidung von ebensolcher Brisanz ist. Die Vorschrift des Art. 596 ital. C. civ. wurde stets sehr restriktiv ausgelegt. Auch der Gesetzgeber hat sich mit Erweiterungen dieses Testierverbots auf andere Personengruppen sehr zurückgehalten. Das Testierverbot gilt daher ausschließlich für den Vormund, den stellvertretenden Vormund sowie den Betreuer (amministratore di sostegno). Andere Personengruppen wie Pflegehelfer oder Heimpersonal sind, etwa im Gegensatz zum geltenden französischen Recht, nicht dazu gekommen. c) Testierverbote im spanischen Recht Der Código civil aus 1889 blieb im Vergleich zur italienischen Kodifikation näher am französischen Vorbild, indem nicht nur das Testierverbot in Bezug auf den Vormund übernommen wurde, sondern auch jenes für Priester, nicht jedoch jenes für den Arzt. Im Detail sind dennoch einige Abweichungen zu erkennen. So ist etwa beim Priester gemäß Art. 752 span. C. civ. erforderlich, dass er dem Erblasser während seiner letzten Krankheit die Beichte abgenommen hat und das Testierverbot erstreckt sich, neben den Verwandten bis zum vierten Grad, auch auf die Kirche, die Ordensgemeinschaft oder die Einrichtung, welcher der Priester angehört. Neben dem Vormund wurde das Testierverbot im Gegensatz zum französischen und italienischen Recht auch ausdrücklich auf den Kurator ausgedehnt. Für Verwandte des Vormunds bzw. Kurators gilt auch im spanischen Recht eine Ausnahme, wobei diese der 975 So die Begründung bereits im französischen Recht (vgl. etwa schon Ricard, Traité I Rn. 462; Troplong, Des donations II Rn. 619: „Les liens du sang et l’affection filiale font taire tous les doutes et expliquent suffissamment toutes les liberalités“), aber auch im italienschen Recht (Azzariti, Successioni 388: „la presunzione che l’incapace dispone a favore del tutore o del protutore pel vincolo di sangue e di affetto, che a lui lo lega, vince quella ch’egli abbia potuto, con l’autorità della sua funzione, esercitare pressioni sull’animo del disponente.“). 976 An dieser Zielrichtung der Bestimmung in Art. 596 ital. C. civ. scheint niemand Zweifel zu hegen. Vielmehr wird dieser überlieferte Topos unreflektiert immer wieder aufgenommen und wiederholt: zuletzt etwa Scognamiglio, Capacità 184: „dettato da ragioni evidenti di tutela della libera determinazione della volontà testamentaria“.
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italienischen Regelung des Codice civile aus 1865 folgt und entsprechend neben Vorfahren auch Nachfahren, Geschwister und den Ehegatten miteinschließt. Ob das allgemeine Begünstigungsverbot für Beamte gemäß Art. 54 der Ley 7/2007 vom 12. April auch auf testamentarische Verfügungen anwendbar ist, bleibt ungeklärt.977 Das katalanische Erbrecht ging in dieser Frage letzthin einen neuen Weg.978 d) Kontinuierliche Erweiterung der Testierverbote im französischen Recht Während in Italien und Spanien hinsichtlich des Adressatenkreises der Testierverbote Zurückhaltung geübt wurde, erweiterte der französische Gesetzgeber seit den 1970er Jahren des letzten Jahrhunderts kontinuierlich den persönlichen Anwendungsbereich der Testierverbote in Art. 909 franz. C. civ. aa) Heime und Betreuungspersonal Mit Gesetz vom 24. Dezember 1971 (Loi Nr. 71-1050) wurde der Code de la famille e de l’aide sociale durch die Vorschrift des Art. 209bis979 ergänzt. Darin wurde das Testierverbot des Art. 909 franz. C. civ. auf all jene natürlichen Personen erweitert, die Eigentümer, Verwalter oder Angestellte von Einrichtungen sind, die der entgeltlichen oder unentgeltlichen Unterbringung von Minderjährigen oder von Senioren, Kranken oder Behinderten dienen. Ausnahmen für diese Personen bestehen ausschließlich innerhalb der Schranken von Art. 909 und somit für Zuwendungen zur Belohnung von erbrachten Diensten und zugunsten von Verwandten bis zum vierten Grade unter Vorzug der Erben in gerader Linie. Art. 209bis wurde im Jahr 2000 aufgehoben und in Art. L331-4 Code de l’action sociale et des familles in derselben Fassung neu verlautbart. Mit Gesetz vom 5. März 2007 wurde diese Bestimmung weiter ergänzt.980 Seither 977 Vgl. Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/García Rubio, Art. 753 Código civ. Bd. II 622. 978 Vgl. dazu § 6 II.1. 979 „Les personnes physiques propriétaires, administrateurs ou employés des établissements visés aux articles 95 et 203 du présent code ne peuvent profiter des dispositions entre vifs ou testamentaires faites en leur faveur par des personnes hébergées dans le ou les établissements qu’elles exploitent ou dans lesquels elles sont employées que dans les conditions fixées à l’article 909 du code civil. L’article 911 dudit code est, en outre, applicable aux libéralités en cause.“ 980 Art. L331-4: „Les personnes physiques ou morales propriétaires, administrateurs ou employés des établissements, les bénévoles qui interviennent en leur sein et les associations auxquelles ces derniers adhèrent ne peuvent profiter des dispositions entre vifs ou testamentaires faites en leur faveur par des personnes hébergées dans le ou les établissements qu’elles exploitent ou dans lesquels elles sont employées que dans les conditions fixées à l’article 909 du code civil. L’article 911 dudit code est, en outre, applicable aux libéralités en cause.“
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sind neben den natürlichen Personen auch juristische Personen vom Testierverbot erfasst, sodass eine Zuwendung an das Heim ebenfalls darunter fällt. Darüber hinaus wurde das Testierverbot auch auf ehrenamtliche Helfer sowie ehrenamtliche Vereine, in denen diese tätig werden, erstreckt. Seit Einführung der Betreuung von Senioren in familienfremden Privathaushalten (accueil familial) im Jahr 1989981 gilt dieses Testierverbot innerhalb der Schranken von Art. 909 franz. C. civ. auch für jene Privatpersonen, die eine ältere Person bei sich zu Hause gegen Entgelt aufnehmen, um sie zu pflegen und zu betreuen. Ferner gilt es zur Vermeidung einer Umgehung der Vorschrift auch für den Ehepartner oder Partner sowie die Nachkommen in direkter Linie der aufnehmenden Person. Dieses Testierverbot wurde im Jahr 2000 mit Schaffung des Code de l’action sociale et des familles in Art. L443-6982 übernommen. bb) Krankenpfleger und gerichtliche Betreuer Mit Gesetz vom 5. März 2007 zur Reform des Erwachsenenschutzrechts983 fasste man Art. 909 erstmals seit Einführung des Code civil neu und erweiterte dessen persönlichen Anwendungsbereich. Nunmehr ist neben den Ausübenden aller unterschiedlichen medizinischen und pharmazeutischen Berufe auch das medizinische Hilfspersonal vom Testierverbot erfasst, sofern sie den Erblasser während seiner letzten Krankheit gepflegt oder betreut haben und die Verfügung während dieser Zeit errichtet wurde. Dabei ging man aber nicht so weit, wie es der Gesetzesvorschlag einer Wissenschaftlergruppe gefordert hatte. Demnach hätte das Verbot auf alle Personen ausgeweitet werden sollen, die den Erblasser während seiner letzten Krankheit beruflich und gegen Entgelt (à titre professionel) gepflegt, unterstützt oder untergebracht haben.984
Art. 13, Loi n° 89-475 du 10 juillet 1989 relative à l’accueil par des particuliers, à leur domicile, à titre onéreux, de personnes âgées ou handicapées adultes, J.O. vom 12.7.1989, S. 8761: „Le bénéficiaire de l’agrément, son conjoint ou concubin, ses descendants en ligne directe, ne peuvent profiter de dispositions entre vifs ou testamentaires en leur faveur par la ou les personnes qu’ils accueillent que dans les conditions fixées à l’article 909 du code civil. L’article 911 dudit code est applicable aux libéralités en cause.“ 982 In der Fassung vom 18. Januar 2002: „Le couple ou la personne accueillant familial et, s’il y a lieu, son conjoint, la personne avec laquelle elle a conclu un pacte civil de solidarité ou son concubin, ses ascendants ou descendants en ligne directe, ne peuvent profiter de dispositions entre vifs ou testamentaires en leur faveur par la ou les personnes qu’ils accueillent que dans les conditions fixées à l’article 909 du code civil. L’article 911 dudit code est applicable aux libéralités en cause.“ 983 Loi n° 2007-308 portant réforme de la protection juridique des majeurs, J.O. Nr. 56 vom 7.3.2007, S. 4325. Die Änderung trat mit 1.1.2009 in Kraft. 984 Carbonnier/Catala/de Saint-Affrique/Morin, Liberalités 27. 981
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Mit der Reform aus 2007 kamen ferner die gerichtlich beauftragten Betreuer für hilfsbedürftige Erwachsene sowie die Einrichtungen hinzu, in deren Namen diese Aufgaben erfüllt werden. Das Testierverbot gilt bei diesen Personen generell und unabhängig von der Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung. cc) Physiotherapeuten Für Physiotherapeuten wurde 2008985 eine eigene Bestimmung in den Code de la santé publique aufgenommen,986 wonach Angehörige dieser Berufsgruppe, die an der Behandlung der letzten Krankheit des Erblassers beteiligt sind, während dieser Krankheit vom Patienten nicht testamentarisch oder schenkungsweise begünstigt werden dürfen. Es gelten auch hier die Ausnahmen für Belohnungsschenkungen und für Verwandte gemäß Art. 909 franz. C. civ. dd) Reformbestrebungen: Erweiterung der Testierverbote Mit Gesetzesvorschlag vom 3. Juni 2014987 zur Anpassung der Gesellschaft an die Alterung wurde vonseiten der französischen Regierung ein weiterer Vorstoß unternommen, um das Testierverbot des Art. 909 franz. C. civ. weiter auszudehnen, sodass auch noch jene Personen von einer möglichen Begünstigung ausgeschlossen werden können, die nicht als medizinisches Personal, sondern etwa als Haushaltshilfe beim Erblasser tätig sind.988 In einem Art. 1, Décret n°2008-1135 du 3 novembre 2008. Art. R4321-97 Code de la santé publique: „Le masseur-kinésithérapeute qui a participé au traitement d’une personne pendant la maladie dont elle est décédée ne peut profiter des dispositions entre vifs et testamentaires faites en sa faveur par celle-ci pendant le cours de cette maladie que dans les cas et conditions prévus par l’article 909 du code civil. Il ne doit pas davantage abuser de son influence pour obtenir un mandat ou contracter à titre onéreux dans des conditions qui lui seraient anormalement favorables.“ 987 Projet de loi relatif à l’adaptation de la société au vieillissement (AFSX1404296L), . 988 Art. L. 116-4 C. fam.: „Les personnes physiques propriétaires, gestionnaires, administrateurs ou employés d’un établissement ou service soumis à autorisation ou à déclaration en application du présent code ou d’un service soumis à agrément ou à déclaration mentionné au 2° de l’article L. 7231-1 du code du travail, ainsi que les bénévoles ou les volontaires qui agissent en leur sein ou y exercent une responsabilité, ne peuvent profiter de dispositions à titre gratuit entre vifs ou testamentaires faites en leur faveur par les personnes prises en charge par l’établissement ou le service pendant la durée de cette prise en charge, sous réserve des exceptions prévues aux 1° et 2° de l’article 909 du code civil. L’article 911 du même code est applicable aux libéralités en cause. / L’interdiction prévue au premier alinéa du présent article est applicable au couple ou à l’accueillant familial soumis à un agrément en application de l’article L. 441-1 du présent code et à son conjoint, à la personne avec laquelle il a conclu un pacte civil de solidarité ou à son concubin, à ses ascendants ou descendants en ligne directe, ainsi qu’aux salariés mentionnés à l’article L. 7221-1 du code du travail accomplissant des services à la personne définis au 2° de 985 986
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Fall, in dem die Haushaltshilfe begünstigt worden war, hatte die Cour de Cassation989 festgestellt, dass Haushaltshilfen vom Testierverbot des Art. 909 franz. C. civ. nicht erfasst seien und dass ein vertragliches Begünstigungsverbot im Arbeitsvertrag der Haushaltshilfe nicht dieselben Wirkungen haben könne. Der Erblasser habe seine Familienangehörigen deshalb übergangen, weil sich diese um ihn nicht gekümmert hätten, während die Haushaltshilfe möglicherweise auch über Gebühr für den Erblasser da gewesen sei. Die Gesetzesänderung wurde im Dezember 2015 vom französischen Parlament beschlossen, sodass nun alle bisher verstreuten Testierverbote außerhalb des franz. C. civ. in einer Bestimmung zusammengefasst werden. Zuwendungen an Haushaltshilfen können nur mehr insofern wirksam werden, als sie an einen bis zum vierten Grad Verwandten oder für geleistete Dienste erbracht werden. Dasselbe Ziel verfolgte ein inzwischen verfallener Gesetzesvorschlag, der am 25. Februar 2014990 bei der Nationalversammlung eingebracht wurde und ausdrücklich dafür sorgen sollte, die Erben von sterbenskranken Personen zu schützen. In der Begründung dieses Vorschlags heißt es, dass gewisse Erben zugunsten von bestimmten Berufsträgern, die sich um den Erblasser gekümmert haben, vom Testament ausgeschlossen werden. Daher sei es das Ziel dieses Gesetzesvorschlags, jede Person, die von Berufs wegen und entgeltlich den Erblasser während seiner letzten Krankheit gepflegt, unterstützt und untergebracht hat, von Begünstigungen auszuschließen, um die direkten Erben zu schützen.991 Mag ein entsprechender Abänderungsantrag im Rahmen des Gesetzesverfahrens für das Gesetz über die Anpassung der Gesellschaft an die Alterung auch gescheitert sein,992 der Titel dieses Gesetzesvorschlags und seine Begründung zeigen dennoch deutlich auf, um wessen Schutz es im Wesentlichen geht. Nicht der Erblasser soll vor Fremdbestimmung geschützt werden, sondern die gesetzlichen Erben, die wegen einer Dienstperson übergangen oder in geringerem Ausmaß bedacht werden.
l’article L. 7231-1 du même code, s’agissant des dispositions à titre gratuit entre vifs ou testamentaires faites en leur faveur par les personnes qu’ils accueillent ou accompagnent pendant la durée de cet accueil ou de cet accompagnement.“ 989 Cass. civ. 1ère, 25.9.2013, n° 12-25160, Bull. civ. 2013, I, n° 193. 990 Proposition de loi visant à la protection des héritiers des personnes malades en fin de vie, Nr. 1827, . 991 „Malheureusement, on arrive parfois à des situations d’abus de confiance. Certains héritiers se voient écarter de testaments au profit des professionnels qui se sont occupés des personnes légataires. C’est pourquoi cette proposition de loi vise à exclure toute personne qui, à titre professionnel, aurait soigné, assisté ou hébergé une personne pendant la maladie dont elle meurt, afin de protéger ses héritiers directs.“ 992 Amendement Nr. AS75, .
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3. Testierverbote im deutschen Recht Das deutsche Recht kann, im Gegensatz zum französischen Recht, keine lange Tradition von Testierverboten zulasten bestimmter am Errichtungsakt nicht Mitwirkender vorweisen. Der Weg des französischen Rechts, bestimmte, aufgrund ihres Verhältnisses zum Erblasser verdächtige Personen vom Kreis der möglichen Begünstigten auszuschließen, war dem römischen Recht fremd und konnte somit auch nicht über das gemeine Recht Eingang in das BGB finden. Die Rechtsprechung hat daher in problematischen Fallsituationen einen Weg über die allgemeinen Nichtigkeitsgründe in § 134 und § 138 BGB gesucht, um suspekte letztwillige Verfügungen zu beseitigen. Gemäß § 134 BGB wird einer erbrechtlichen Verfügung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot die Wirksamkeit versagt. Nach herrschender Ansicht ist dies aufgrund von § 14 HeimG bei erbrechtlichen Verfügungen praktisch vor allem dann der Fall, wenn mit der Verfügung des Erblassers Heimträger bzw. deren Bedienstete über das reguläre Entgelt hinaus begünstigt werden, diese davon noch zu Lebzeiten des Erblassers Kenntnis erlangt haben993 und hierfür keine Ausnahmegenehmigung erteilt wurde. Auch Annahmeverbote aufgrund der besonderen dienstrechtlichen Stellung des Empfängers werden unter § 134 BGB diskutiert. Fehlt es dagegen an einem Anhaltspunkt für ein Verbotsgesetz, besteht besonders in der Lehre verbreitet die Tendenz, einen (zumindest in der Praxis meist aussichtslosen) Weg über § 138 BGB zu suchen, um Begünstigungen an „verdächtige Personen“ an einem Verstoß gegen die guten Sitten scheitern zu lassen.994 a)
Heimgesetzgebung (§ 14 HeimG)
§ 14 HeimG bzw. die seit der Föderalismusreform in allen Bundesländern995 eingeführten Parallelbestimmungen996 untersagen dem Heimträger und seinen 993 So die Rechtsprechung BGH 26.10.2011, NJW 2012, 155; BVerwG 26.1.1990, NJW 1990, 2268; BayObLG 28.6.1991, NJW 1992, 55; BayObLG 22.6.2004, BayObLGZ 2004, 162, 165; OLG Karlsruhe 9.12.2010, ZEV 2011, 424. 994 Vgl. z. B. Lange/Kuchinke, Erbrecht 824 (Betreuer); Röthel, Gutachten 68. DJT A86; dies., AcP 210 (2010) 62 ff. Für häusliche Pflegedienste zuletzt: Ludyga, NZS 2013, 206. 995 Baden-Württemberg: § 16 Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege und zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes vom 14.5.2014 (WTPG BW, GBl. BW 2014, 257); Bayern: Art. 8 Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG) vom 1.8.2008 (Bay GVBl. 2008, 346); Berlin: § 12 Wohnteilhabegesetz (WTG) vom 1.7.2010 (GVBl. Berlin 2010, 285); Brandenburg: § 14 Brandenburgisches Pflege- und Betreuungsgesetz (BbgPBWoG) vom 1.1.2010 (GVBl. Brandenburg I 2009, 298); Bremen: § 20 Gesetz zur Sicherstellung der Rechte von Menschen mit Unterstützungs-, Pflege- und Betreuungsbedarf in unterstützenden Wohnformen (BremWoBeG) vom 5.10.2010, (Brem.GBl. Nr. 44 vom 20.10.2010 S. 509); Hamburg: § 5a Hamburgisches Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz (HmbWBG) vom 1.1.2010 (Hamb. GVBl. I 2009, 494); Hessen: § 7 Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) vom 7. März 2012
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Beschäftigten sich von oder zugunsten von Bewohnern oder Bewerbern um einen Heimplatz Geld- oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen. Verstöße gegen dieses Begünstigungsverbot werden gemäß § 134 BGB mit Nichtigkeit sanktioniert, selbst wenn sich das Verbot lediglich gegen eine Seite und nicht gegen beide Seiten richtet.997 Dem Gesetzgeber ging es dabei vor allem darum, die Heimbewohner in Anlehnung an § 138 BGB vor Ausnutzung ihrer Notlage zu schützen. Sie sollten vom Zwang befreit werden, „für die Aufnahme in ein Heim und die ordnungsgemäße Betreuung zusätzlich zu dem Entgelt weitere Vermögensvorteile zu gewähren.“998 Im Zuge der ersten Änderung des Heimgesetzes wurde dieser Normzweck auf den Schutz der Testierfreiheit erweitert. Demnach sollte durch das Begünstigungsverbot im Sinne eines Testierverbots auch die Testierfreiheit des Erblassers gesichert werden.999 Da Zweifel erhoben wurden, ob diese Gründe einen Eingriff in die Testierfreiheit des Heimbewohners rechtfertigen können, hatte sich das BVerfG mit der Verfassungskonformität des heimrechtlichen Testierverbots zu befassen. Nach Ansicht des BVerfG handelt es sich jedoch um eine verhältnismäßige Einschränkung der Testierfreiheit. Das Testierverbot stelle ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Erreichung der Gemeinwohlziele und zum Schutz der Testierfreiheit des Erblassers dar.1000
(GVBl. 2012, 34, Gliederungs-Nr. 34–69); Mecklenburg-Vorpommern: § 6 Einrichtungsqualitätsgesetz (EQG M-V) vom 17.5.2010 (GVOBl. M-V 2010, 241); Niedersachsen: Verweis auf § 14 HeimG in § 1 Abs. 1 S. 3 Niedersächsisches Heimgesetz (NHeimG) vom 29.6.2011 (Nds. GVBl. 2011, 196); Nordrhein-Westfalen: § 10 Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) vom 10.12.2008 (GV. NRW. 2008, 738); Rheinland-Pfalz: § 11 Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) vom 1.1.2010 (GVBl. 2009, 399); Saarland: § 8 Landesheimgesetz Saarland (LHeimGS) vom 19.6.2009 (Abl SL 2009, 906); Sachsen: § 7 Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz vom 12. Juli 2012 (Sächs. GVBl. S. 397); SachsenAnhalt: § 15 Wohn- und Teilhabegesetz vom 17.2.2011 (GVBl. LSA S. 136); SchleswigHolstein: Selbstbestimmungsstärkungsgesetz (SbStG) vom 1.8.2009; Thüringen: § 12 Thüringer Wohn- und Teilhabegesetz (ThürWTG) vom 10.6.2014 (GVBl. Nr. 5 vom 23.6.2014 S. 161). 996 Vgl. allerdings § 10 WTG Nordrhein-Westfalen: § 10 WTG verbietet mit einzelnen, gesetzlich geregelten Ausnahmen Zuwendungen an Heimträger und Bedienstete, schafft aber anders als das HeimG des Bundes keine allgemeine Ausnahmegenehmigung nach dem Vorbild des § 14 Abs. 6 HeimG. Zur möglichen Verfassungswidrigkeit im Lichte der Entscheidung des BVerfG 3.7.1998, NJW 1998, 2964 vgl. Karl, ZEV 2009, 546. 997 BGH 9.2.1990, NJW 1990, 1604. 998 BT-Drucks. 7/180, 15. 999 BT-Drucks. 11/5120, 17. 1000 BVerfG 3.7.1998, NJW 1998, 2964.
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aa) Sachlicher Anwendungsbereich. Letztwillige Verfügungen und Kenntnis Das Begünstigungsverbot des Heimrechts war ursprünglich mit Blick auf zweiseitige Rechtsgeschäfte hin konstruiert, denn ein „sich versprechen lassen“ bzw. ein „sich gewähren lassen“ setzt die Einwilligung des Empfängers voraus. Von diesem Verbot sind daher in erster Linie Rechtsgeschäfte wie Schenkungsversprechen und Schenkungen betroffen. Darüber hinaus sind auch Erbverträge erfasst, denn auch der Vertragserbe lässt sich eine Leistung (z. B. Erbeinsetzung) versprechen. Bei testamentarischen Verfügungen bestanden zunächst Zweifel, denn ein „Versprechenlassen“ testamentarischer Zuwendungen ist rechtlich nicht möglich (§ 2302 BGB) und ein „Gewährenlassen“ setzt eine Einwilligung des Empfängers voraus, auf die es gerade bei letztwilligen Verfügungen aufgrund ihrer Einseitigkeit rechtlich nicht ankommt. Die Rechtsprechung hatte sich aber bald dahingehend gefestigt, dass letztwillige Verfügungen nur dann vom Verbot des HeimG erfasst sind, wenn der Heimträger oder die im Heim Beschäftigten von der Zuwendung zu Lebzeiten des Erblassers Kenntnis erlangt haben und sich somit die Begünstigung im Testament „gewähren lassen“.1001 „Stilles Testieren“ zugunsten des Heimträgers bzw. der Heimbediensteten ist somit zulässig,1002 wobei aber Kenntnis auch aus den Umständen abgleitet werden kann, wie etwa aus dem engen Vertrauensverhältnis zwischen der Heimbewohnerin und dem Pfleger 1003 und weiteren Indizien. Der Heimträger muss sich auch das Wissen von Personen zurechnen lassen, die den Heimbewohnern gegenüber als Ansprechpartner dienen (z. B. der Heimleiter oder das Pflegepersonal).1004 bb) Persönlicher Anwendungsbereich Das Begünstigungsverbot des Heimrechts richtet sich in erster Linie gegen den Heimträger und das Heimpersonal, wobei es bei den im Heim Beschäftigten nicht auf die Art des Beschäftigungsverhältnisses und die Art der Tätigkeit ankommt. Auch ehrenamtliche Helfer im Heim sind vom Begünstigungsverbot betroffen, ebenso wie Beschäftigte, die nicht in der Pflege oder Heimleitung tätig sind.1005 Um eine Umgehung des Verbots zu erschweren, 1001 KG Beschluss 29.10.1979 AR (B) 103/79 – 2 Ws (B) 121/79 (unveröffentlicht); OVG Berlin 28.3.1989, BeckRS 1989, 08036; BayObLG 28.6.1991, BayObLG 28.6.1991, BayObLGZ 1991, 256. In jüngerer Zeit: BGH 26.10.2011, NJW 2012, 155, wonach auch in Bezug auf Verfügungen seitens Dritter (Eltern und Kinder von Heimbewohnern) Kenntnis erforderlich ist. Vgl. auch OLG Stuttgart 21.3.2013, MittBayNot 2014, 353, 355. Anders noch OLG München 20.6.2006, NJW 2006, 2642. 1002 BVerfG 3.7.1998, NJW 1998, 2964, 2965. 1003 BayObLG 22.6.2004, NJW-RR 2004, 1591, 1592 f. 1004 BayObLG 24.11.1992, NJW 1993, 1144. 1005 Erbeinsetzung des Heimpförtners und dessen Ehefrau verbotswidrig: OLG Frankfurt a. M. 29.1.2001, NJW 2001, 1504 = ZEV 2001, 364.
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hat die Rechtsprechung den persönlichen Anwendungsbereich auch auf jene Personen erstreckt, durch die der Verbotsadressat mittelbar begünstigt würde; so etwa auf den Ehegatten und die Kinder des Heimbediensteten oder den Geschäftsführer der Gesellschaft, die als Heimträger fungiert.1006 Wird eine Stiftung begünstigt, die das Pflegeheim einer GmbH als Heimträgerin vermietet hat, dann fällt dies nach früherer Rechtsprechung nicht unter das Verbot, denn dadurch werde der Heimträger nicht mittelbar begünstigt, und zwar nicht einmal dann, wenn der Geschäftsführer der GmbH im Vorstand der Stiftung sitze.1007 Nach jüngerer Rechtsprechung genügt es dagegen, „wenn die juristischen Personen derart miteinander verbunden sind, dass diese Verbindung für jeden Außenstehenden erkennbar ist und er davon ausgehen kann, dass die Zuwendung z. B. an die Stiftung, zumindest mittelbar auch der Arbeit der anderen juristischen Person, hier der gGmbH zugute kommt“.1008
Das heimrechtliche Testierverbot untersagt nicht nur Verfügungen seitens des Heimbewohners oder Heimbewerbers zugunsten des Heimträgers bzw. des Personals, sondern auch Verfügungen Dritter zugunsten von „Bewohnern und Bewerbern“. Diesbezüglich tritt freilich der Schutz der Testierfreiheit gänzlich zurück, sodass allein der Schutz des Heimfriedens1009 als Normzweck übrig bleibt. Dabei wird die Gefahr darin erblickt, dass der Träger eines Heims wegen einer testamentarischen Zuwendung den Heimbewohner bevorzugen und damit Neid, Missgunst und Verärgerung bei anderen Heimbewohnern auslösen könnte.1010 Fraglich ist freilich, ob dieses Ziel allein einen Eingriff in die grundrechtlich verankerte Erblasserfreiheit rechtfertigen kann.1011 cc) Heimsituation. Keine analoge Anwendung für ähnliche Abhängigkeitslagen Damit das heimrechtliche Testierverbot zur Anwendung gelangen kann, muss ein Zusammenhang mit einer gegenwärtigen oder künftigen1012 Heimsituation 1006 „Das Verbot des § 14 HeimG würde leer laufen, wenn der missbilligte Erfolg der Zuwendung an die in der Norm genannten Verbotsadressaten dadurch erreicht werden könnte, dass sie mittelbar oder indirekt über die Bedenkung ihnen nahe stehender Angehöriger begünstigt werden könnten.“ OLG Frankfurt a.M. 29.1.2001, NJW 2001, 1504; BayObLG 9.2.2000, NJW 2000, 1875; OLG Düsseldorf 18.7.1997, FamRZ 1998, 192. 1007 BayObLG 4.6.2003, DNotZ 2003, 873. 1008 VGH Würzburg 3.6.2008, MittBayNot 2010, 57. 1009 BT‐Drucks. 7/180, 12; BT-Drucks. 11/5120, 17 f. 1010 BGH 26.10.2011, DNotZ 2012, 211. 1011 Darüber hatte das BVerfG 3.7.1998, NJW 1998, 2964 nicht zu befinden, denn der Ausgangsfall betraf die Erbeinsetzung durch einen Pflegeheimbewohner. 1012 Es genügt, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung weder Bewerber noch Bewohner war, aber später in ein Heim zieht. Mit Einzug in das Heim ist die Verfügung vom heimrechtlichen Zuwendungsverbot betroffen. BGH 27.4.1995, NJW-RR
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gegeben sein. Eine Heimsituation liegt schon dann vor, wenn familienfremde Personen auf unbestimmte Zeit und gegen Entgelt in Privathaushalten zur Verpflegung, Betreuung und Pflege aufgenommen werden.1013 Eine analoge Anwendung des heimrechtlichen Testierverbots auf häusliche Pflegedienste1014 sowie Pflegedienste innerhalb der Familie oder des Freundeskreises1015 wurde von der Rechtsprechung indes stets abgelehnt. Auch eine Erstreckung auf das Verhältnis zwischen Betreuer und Betreutem scheiterte vor den Gerichten, denn einerseits mangele es an einer „generellen Rechtsähnlichkeit der Sachverhalte“ und andererseits binde der Gesetzesvorbehalt für die Einschränkung der Testierfreiheit auch die Gerichte. Ob Abhängigkeiten im Rahmen eines Betreuungsverhältnisses zu Einschränkungen der Testierfreiheit Anlass geben sollten, sei eine Entscheidung, die dem Gesetzgeber vorbehalten sei.1016 dd) Einschränkungen und Ausnahmen Das Testierverbot gilt grundsätzlich nicht für „geringwertige Aufmerksamkeiten“, wobei nach dem HeimG und den meisten Landesheimrechten freilich im Einzelnen unbestimmt bleibt, was darunter konkret zu verstehen ist. Lediglich zwei Landesheimrechte deckeln diese Zuwendungen mit einem Betrag von 100 Euro pro Bewohner und Jahr.1017 Ebenso unanwendbar ist das Testierverbot, wenn durch die Verfügung andere als die mit dem Bewohner vereinbarten Leistungen abgegolten werden. Fehlt es an einem Zusammenhang zwischen der Zuwendung und dem Heimvertrag, etwa weil bewiesen werden kann, dass die Zuwendung aufgrund familiärer oder besonderer freundschaftlicher Beziehungen erfolgt ist, dann ist das Testierverbot ebenso nicht anwendbar. Es gilt nämlich gemäß § 14 Abs. 5 HeimG und den landesrechtlichen Parallelvorschriften nur für Zuwendungen, die „für die Erfüllung der Pflichten aus dem Heimvertrag“ über das Entgelt hinaus gewährt oder
1995, 1272 (Schenkung durch eine Heimbewerberin); BayObLG 13.9.2000, ZEV 2001, 123 (Errichtung der Verfügung ein Tag vor Heimaufnahme). 1013 BayObLG 19.2.1999, NJW-RR 1999, 1454. § 1 Abs. 1 S. 1 HeimG stellt lediglich auf die dauerhafte Unterbringung ab und schreibt keine Mindestbewohnerzahl vor. Dazu auch BVerfG 21.4.1998, NJW 1998, 2965. 1014 OLG Düsseldorf 9.2.2001, FGPrax 2001, 122. Zuletzt zu „betreutem Wohnen“ gegen eine analoge Anwendung des Zuwendungsverbots im bayerischen PflegWoqG vgl. Ludyga, ZEV 2014, 183. 1015 LG Bonn 13.4.1999, NJW 1999, 2977 (Nachbarin, die den Erblasser pflegte und zur Erbin eingesetzt wurde). 1016 BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369 (Kind des Betreuers als Erbe). 1017 Mecklenburg-Vorpommern: § 6 Abs. 2 Nr. 2 EQG M-V; Thüringen: § 12 Abs. 4 ThürWTG. Zum Heimgesetz wurden in der Literatur unterschiedliche Grenzen vorgesehen, die von 25–250 Euro reichen. Dazu Dietz, MittBayNot 2007, 456.
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versprochen werden.1018 Die Rechtsprechung geht dabei von einer widerleglichen Vermutung aus, dass dieser Zusammenhang mit der Erfüllung des Heimvertrags besteht.1019 Das Testierverbot kann auch durch eine Ausnahmegenehmigung der Heimaufsichtsbehörde beseitigt werden. Diese Genehmigung darf gemäß § 14 HeimG freilich nur erteilt werden, wenn im Einzelfall der Schutz des Heimbewohners die Aufrechterhaltung des Verbots nicht erfordert. Das BVerfG hatte diesen Erlaubnisvorbehalt, der vor dem Zeitpunkt der Verfügung einzuholen ist, als wesentliche Voraussetzung für die Verhältnismäßigkeit der Einschränkung der Testierfreiheit bezeichnet und darin keine unzumutbare Erschwerung der Ausübung der Testierfreiheit erblickt.1020 Dem folgend haben mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen alle Bundesländer einen entsprechenden behördlichen Erlaubnisvorbehalt in das Landesheimrecht aufgenommen.1021 Offen bleibt freilich, wie mit dieser Genehmigung, die stets vor Errichtung der Verfügung zu erteilen ist, sichergestellt werden kann, dass der Erblasser zum späteren Errichtungszeitpunkt frei und unbeeinflusst seinen Willen äußert. In diesem Punkt zeigt sich ein gravierendes Defizit des Erlaubnisvorbehalts in Bezug auf die Erreichung des Schutzzwecks (Schutz der Testierfreiheit) der Norm. Im Übrigen stellt die Ausnahmegenehmigung auch nicht sicher, dass ein späterer Widerrufswunsch des Erblassers noch verwirklicht werden kann. b) Dienstrechtliche Geschenkannahmeverbote Beschäftigte des öffentlichen Dienstes müssen jeden Anschein vermeiden, bei der Ausübung ihres Amtes für persönliche Vorteile empfänglich zu sein. Daher enthalten das Bundesbeamtengesetz (§ 71 BBG), das Soldatengesetz (§ 19 SG), die Beamtengesetze der Bundesländer sowie die Tarifverträge für die Angestellten im öffentlichen Dienst (§ 10 BAT, § 12 MTArb) Geschenkannahmeverbote, aufgrund derer keine Geschenke oder sonstigen Vorteile in Bezug auf die dienstliche Tätigkeit gefordert oder angenommen wer-
Sieghörtner, Nichtigkeit 810. BGH 9.2.1990, NJW 1990, 1604: „Soll der Schutzzweck von § 14 II HeimG nicht weitgehend leerlaufen, muß für alle diese Verträge bis zum Beweis des Gegenteils vermutet werden, daß sich das Heimpersonal die entsprechenden Vermögensvorteile hat versprechen oder gewähren lassen unter Ausnutzung des durch den Heimaufenthalt begründeten Vertrauensverhältnisses im Zusammenhang mit den im Heim erbrachten oder zu erbringenden Leistungen.“ 1020 BVerfG 21.4.1998, NJW 1998, 2965. 1021 Zu verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die Regelung in NordrheinWestfalen: Karl, ZEV 2009, 546. 1018 1019
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den dürfen. Auch das Versprechenlassen solcher dienstbezogenen1022 Vorteile ist untersagt. Damit soll der Korruption entgegengewirkt und das Ansehen der öffentlichen Verwaltung gegen den Verdacht der Bestechlichkeit geschützt werden. Während die Annahme von Geldbeträgen in jedem Fall unzulässig ist, können andere Vorteile in Ausnahmefällen vom Dienstherrn genehmigt werden. Eine solche Genehmigung ist indes immer dann zu versagen,1023 wenn durch die Annahme des Vorteils die objektive Geschäftsführung des Beschäftigten beeinträchtigt werden oder bei Dritten der Eindruck entstehen könnte, dass die Dienste des Beschäftigten nicht unvoreingenommen oder käuflich sind. Unter das Vorteilsannahmeverbot für öffentliche Bedienstete fallen nach ständiger Rechtsprechung auch erbrechtliche Begünstigungen, wie Vermächtnisse oder Erbeinsetzungen.1024 Dies führt dazu, dass Beamte weder ein Vermächtnis noch eine Erbschaft annehmen dürfen, ohne vorher eine Genehmigung einzuholen. Verstoßen sie gegen dieses Verbot, haben sie mit schwerwiegenden dienstrechtlichen Konsequenzen zu rechnen.1025 Hier ist freilich der Frage nachzugehen, welche Folgen sich aus solchen dienstrechtlichen Verboten für die Wirksamkeit erbrechtlicher Verfügungen ergeben. Die Frage ist umstritten. Nach § 134 BGB könnten diese Geschenkannahmeverbote als Verbotsgesetz ausgelegt werden und folglich zur Nichtigkeit der entsprechenden Verfügungen im Testament führen. In der Lehre wird für eine Nichtigkeit der entsprechenden Verfügungen plädiert, denn gerade öffentliche Bedienstete im Alten- und Krankenpflegebereich erhielten sonst einen Anreiz für gröbsten Missbrauch ihrer Stellung durch Einflussnahme auf den Erblasser, indem sie die dienstrechtlichen Sanktionen der Erbschaftsannahme für eine entsprechend hohe Begünstigung („Millionenerbschaft“) in Kauf nähmen.1026 Diese Gefahr ist allerdings durch die in § 71 Abs. 2 BBG vorgesehene Herausgabepflicht verbotswidrig erlangter Vorteile gebannt. Mit dem BGH ist daher davon auszugehen, dass es bei einem Verstoß gegen die Vorteilsannahmeverbote nicht zur Nichtigkeit we1022 Eine Zuwendung aus freundschaftlichem oder familiärem Zusammenhang fällt daher nicht unter diese dienstrechtlichen Geschenkannahmeverbote. BayObLG 12.9.1995, NJW 1995, 3260. 1023 Rundschreiben BBG Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken, 1.1.2000. 1024 BVerwG 14.12.1995, NJW 1996, 2320 mit weiteren Hinweisen aus der Rechtsprechung; vgl. auch Rundschreiben BBG Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken, 1.1.2000. 1025 Für eine Auflistung der Rechtsfolgen eines Verstoßes auf dienstrechtlicher, zivilrechtlicher und strafrechtlicher Ebene: Rundschreiben BBG Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken, 1.1.2000. 1026 Stach, NJW 1988, 946. Für die Nichtigkeit der Verfügungen gemäß § 134 BGB zur wirksameren Bekämpfung von Korruption und zur Stärkung des Vertrauens in die öffentliche Verwaltung: Lange/Kuchinke, Erbrecht 824.
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gen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz gemäß § 134 BGB kommt.1027 Die dienstrechtlichen Vorteilsannahmeverbote zielen im Gegensatz zu § 14 HeimG ausschließlich auf den öffentlichen Bediensteten ab, ohne dabei den Schutz des Erblassers zu bezwecken.1028 Daher ist in diesen Fällen eine Beschränkung der Testierfreiheit des Erblassers über § 134 BGB nicht gerechtfertigt. Für das Geschenkannahmeverbot unter dem BBG ist dies nicht anders zu beurteilen.1029 c) Berufsordnungen: Ärzte Auch Berufsordnungen können Beschränkungen hinsichtlich der Annahme von Vorteilen vorsehen. Dabei soll in erster Linie sichergestellt werden, dass der Beruf unparteiisch ausgeübt wird und der Berufsstand nicht dadurch Schaden erleidet, dass das berufliche Vertrauensverhältnis zum Zweck der Bereicherung ausgenützt wird. Eine entsprechende Vorschrift enthält die Musterberufsordnung der Ärzte (§ 32), wonach es Ärzten nicht gestattet ist, von Patienten oder anderen, Geschenke oder Vorteile für sich oder Dritte zu fordern, anzunehmen oder sich oder Dritten versprechen zu lassen, wenn dadurch die ärztliche Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt wird. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung als Verbotsgesetz im Wege des § 134 BGB auf erbrechtliche Zuwendungen an Ärzte ist bisher nicht geklärt.1030 Es besteht zwar insofern Konsens, dass Bestimmungen einer Berufsordnung als Satzung einer Berufskammer öffentlichen Rechts ein Verbotsgesetz i. S. v. § 134 BGB darstellen können,1031 ob aber § 32 MBO über § 134 BGB auf die Gültigkeit erbrechtlicher Verfügungen von Patienten zugunsten des Arztes durchgreift, ist fraglich und wird wohl mehrheitlich abgelehnt.1032 Damit diese Vorschrift zur Anwendung kommen kann, muss durch eine solche Begünstigung „der Eindruck erweckt“ werden, „dass die Unabhängig-
BGH 14.12.1999, NJW 2000, 1188 in Bezug auf § 10 BAT. A. A. OLG Hamm 9.1.1998, NJW-RR 1999, 424 (Nichtigkeit einer gegen § 10 BAT angenommenen Schenkung). 1028 „Auf die Wahrung wirtschaftlicher Belange aus sozialen Gründen schützenswerter Dritter ist § 10 Abs. 1 BAT nicht gerichtet; er soll das maßgeblich durch das Verhalten ihrer Angestellten bedingte Erscheinungsbild und Ansehen öffentlicher Verwaltungen oder anderer Institutionen oder Unternehmen schützen, die Angestellte beschäftigen.“ BGH 14.12.1999, NJW 2000, 1188. 1029 A. A. Plantholz/Rochon, FamRZ 2001, 271. Für erbrechtliche Zuwendungen im Beamtenrecht ist die Frage in der Rechtsprechung nicht entschieden. 1030 Vgl. dazu Plantholz/Rochon, FamRZ 2001, 270. 1031 BGH 22.1.1986, NJW 1986, 2360. Dazu ausführlich Taupitz, JZ 1994, 221 ff. Vgl. auch MüKo BGB/Armbrüster, § 134 Rn. 30. 1032 Plantholz/Rochon, FamRZ 2001, 272; Kern, in: Kern/Laufs, Handbuch § 91, Rn. 22 (etwas widersprüchlich, weil die Gefahren einer Erbeinsetzung des Arztes erkannt werden, 1027
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keit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird“. Es müssen somit Tatsachen vorliegen, die beim objektiven Beobachter Zweifel erzeugen, ob der Arzt noch unabhängige Entscheidungen treffen kann. Dies wird gerade bei umfangreicheren Zuwendungen, die dem Arzt bekannt sind,1033 regelmäßig zu bezweifeln sein. In einem vom Ärztegerichtshof des Saarlandes entschiedenen Fall, in dem eine Patientin ihrem Arzt eine Schenkung in Höhe von 476.000 Euro gemacht hatte, wies das Gericht darauf hin, dass bei einem solchen Betrag der objektive Beobachter notwendig den Eindruck haben müsse, dass der Arzt in seiner aktuellen und künftigen Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sei.1034 Dieser Eindruck muss bei letztwilligen Verfügungen umso stärker sein, weil der Arzt dadurch in einen Interessenkonflikt gerät, der im Zusammenhang mit dem heimrechtlichen Testierverbot häufig angesprochen wurde1035 und darauf hinausläuft, dass der Verdacht entsteht, der Arzt würde nicht mehr alles unternehmen, um die Gesundheit des Patienten zu schützen, weil er von dessen Tod profitiert (votum captandae mortis). Vor diesem Hintergrund kann man argumentieren, dass der Schutzzweck des Verbots zwar in erster Linie den Berufsstand vor solchen Verdachtsmomenten schützt, mittelbar aber auch den Patienten in den Schutzbereich miteinschließt, weil der Arzt an seinem „vorzeitigen Tod“ kein Interesse haben soll. Um diesen Schutz wirksam werden zu lassen, bedarf es mehr als einer disziplinarrechtlichen Sanktion, weshalb die Nichtigkeitswirkung über § 134 BGB durchaus verhältnismäßig und angemessen erschiene. Ein in der Lehre häufig vorgenommener Verweis auf § 138 BGB1036 ist jedenfalls nicht geeignet, diesen Schutz zu gewährleisten.1037 eine erbrechtliche Begünstigung schließlich aber nicht einmal berufsrechtlich als bedenklich angesehen wird). 1033 Kenntnis ist auch hier für die „Annahme“ oder das „Versprechen lassen“ unabdingbare Voraussetzung, damit das Verbot überhaupt zur Anwendung gelangen kann. Ein „stilles Testament“ ist somit mangels Schutzbedarf von diesem Verbot gar nicht erfasst. 1034 ÄGH Saarland 25.8.2010, MedR 2011, 752, 754. 1035 „Nicht gänzlich ausschließen läßt sich ferner, daß ein unseriöser Heimträger im Falle einer Zuwendung, die erst mit dem Tod des Heimbewohners wirksam wird, am vorzeitigen Eintritt dieses Todes materiell interessiert sein kann; auch vor den damit möglicherweise verbundenen Risiken müssen Heimbewohner geschützt werden.“ BVerwG 26.1.1990, NJW 1990, 2268. Ebenso BVerwG 18.12.1987, NJW 1988, 984, 985; BayObLG 24.11.1992, DNotZ 1993, 453, 455. 1036 So Plantholz/Rochon, FamRZ 2001, 272; Kern, in Kern/Laufs (Hrsg.), Handbuch § 91, Rn. 23. 1037 Diesbezüglich kann auf die Ausführungen des BVerfG 3.7.1998, NJW 1998, 2964 verwiesen werden: „Zwar begründet auch § 138 BGB einen Schutz gegen Übervorteilung. Dieser Schutz greift aber nur ein, wenn eine tatsächliche Zwangslage besteht und wenn dies im nachfolgenden Prozeß nachgewiesen werden kann. Hingegen verhindert § 14 HeimG a. F. bereits die Ausübung offenen oder versteckten Drucks und entfaltet damit eine umfassendere Schutzwirkung (BGH 11.1.1996, ZEV 1996, 145 f.).“
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d) Beschränkung der Testierfreiheit über § 138 BGB aa) Sittenwidrigkeit wegen Missbrauchs einer Vertrauensstellung Wo kein Verbotsgesetz auszumachen ist, das über § 134 BGB zur Nichtigkeit führen könnte, wird besonders in der Lehre, zuweilen auch in der Rechtsprechung, auf die Sittenwidrigkeitsklausel gemäß § 138 Abs. 1 BGB verwiesen. Dadurch sollen letztwillige Verfügungen beseitigt werden können, die durch Missbrauch einer Vertrauensstellung zustande gekommen sind. Dies soll etwa dann der Fall sein, wenn aus „der persönlichen Bedrängnis eines anderen Menschen Kapital geschlagen wird“. 1038 Das Tatbestandsmerkmal der „Ausbeutung einer Zwangslage“ erhält somit auch im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB Bedeutung, 1039 insbesondere, wenn unabhängig vom Inhalt „eine Verpflichtung ohne hinreichende Entschließungsfreiheit unter Ausnützung einer emotionalen Zwangslage oder persönlichen Verstrickung“ erfolgt ist.1040 Im Zusammenhang mit erbrechtlichen Verfügungen kann berücksichtigt werden, dass der Erblasser sich den Wünschen des Dritten nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Zustand nicht entziehen konnte, dass der Dritte dies wusste oder wissen musste und die fehlende oder geschwächte Widerstandskraft (gesteigerte Beeinflussbarkeit) des Erblassers eigensüchtig ausgenutzt hat.1041 bb) Kein typisiertes Testierverbot nach § 138 BGB für Vertrauenspersonen Indes lassen sich aus § 138 BGB keine festen Testierverbote ableiten, da es stets auf die Umstände in jedem Einzelfall ankommt, ob die Verfügung in ihrer Gesamtheit gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ und damit gegen die „guten Sitten“ verstößt.1042 Der Standpunkt, dass Zuwendungen an eine Vertrauensperson immer nach § 138 Abs. 1 BGB fragwürdig seien und dies auch für testamentarische Zuwendungen an eine Vertrauensperson gelte, wenn diese auf die testamentarische Verfügung eingewirkt habe,1043 führt nicht weit, denn die bloße sittliche Fragwürdigkeit bleibt rechtlich unerheblich. Die ständige Rechtsprechung lehnt eine allgeMüKo BGB/Armbrüster§ 138 Rn. 95. Zu den dogmatischen Bedenken siehe oben § 3 II.1.b). 1040 BGH 22.1.1991, NJW 1991, 1046, 1047. Dagegen BayObLG 30.4.1985, FamRZ 1985, 1082, das davon ausgeht, dass „ein sittenwidriges Handeln Dritter allein keine Sittenwidrigkeit eines Testaments begründen“ kann. „Dieses ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, welches nur der Erblasser vornimmt und an dem kein Dritter beteiligt ist. Nach allgemeiner Auffassung kann ein Testament nur dann sittenwidrig und deshalb unwirksam sein, wenn und wie in der letztwilligen Verfügung selbst eine unredliche und deshalb verwerfliche Gesinnung des Erblassers zum Ausdruck kommt und wie sie eine Verwirklichung erstrebt.“ 1041 BGH 4.7.1990, FamRZ 1990, 1343, 1344. 1042 Lübtow, Erbrecht I 308. 1043 Flume, Allgemeiner Teil 372. 1038 1039
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meine Sittenwidrigkeit von testamentarischen Verfügungen zugunsten von Vertrauenspersonen zurecht ab. So ist etwa eine Zuwendung an den Betreuer im Betreuungsverhältnis nicht schlechthin sittenwidrig.1044 Vielmehr darf die Sittenwidrigkeit von letztwilligen Verfügungen nur ausnahmsweise angenommen werden, um die grundrechtlich gewährleistete Testierfreiheit nicht unverhältnismäßig zu beschränken.1045 Ein solches Verdikt käme nämlich einem gesetzlichen Testierverbot gleich, das nur dann zulässig ist, wenn es sich „auf eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder allgemeine Rechtsauffassung stützen kann.“1046 Eine solche ist gerade für den Betreuer im Betreuungsverhältnis nicht vorhanden. Ebenso fehlt es an einer entsprechenden Wertung in Bezug auf behandelnde Ärzte, ambulante Pflegeleistende, häusliches Pflegepersonal, Krankenhauspersonal, sonstige Gesundheitsberufe (z. B. Heilpraktiker, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Psychotherapeuten, etc.), Geistheiler, Lebensberater, Religionsdiener oder rechtsoder finanzberatende Berufe. cc) Rechtsprechung Entscheidungen, in denen auf Nichtigkeit testamentarischer Zuwendungen wegen sittenwidriger Einflussnahme auf den Willen des Erblassers befunden wurde, gibt es, soweit ersichtlich, nicht. 1047 Vereinzelte Versuche, eine letztwillige Verfügung wegen sittenwidriger Ausnützung eines Vertrauensver-
BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369, 2371. OLG Braunschweig 4.11.1999, ZEV 2000, 448 = FamRZ 2000, 1189. 1046 BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369, 2371. Insofern würde es sich indes nicht um einen Anwendungsfall von § 138 BGB, sondern um einen Fall der Gesetzeswidrigkeit gemäß § 134 BGB handeln. 1047 In einem jüngeren Fall, in dem der Rechtsanwalt mit einer unangemessen hohen Testamentsvollstreckungsvergütung bedacht wurde, erkannte das LG Köln auf Sittenwidrigkeit. Bei diesem Befund spielte aber die Tatsache, dass der Rechtsanwalt „in einem ganz besonderen Vertrauensverhältnis zur Erblasserin stand und einen großen Einfluss auf sie ausgeübt hat“ keine Rolle. LG Köln 14.5.2009, BeckRS 2010, 14385. Zurecht kritisch dazu Litzenburger, FD-ErbR 2010, 305675. In einer Entscheidung des OLG Karlsruhe 18.2.1999, NJW 2001, 2804 wurde eine lebzeitige Schenkung, nicht aber das Testament zugunsten des Hausarztes, wegen sittenwidriger Ausnützung eines Vertrauensverhältnisses für nichtig erklärt. Zuletzt wurde ein Testament (Nottestament) zugunsten des ehemaligen Hausarztes und Vorsorgebevollmächtigten trotz der damit einhergehenden Enterbung der Lebensgefährtin als nicht sittenwidrig erkannt. „Der Nichtigkeitsgrund der Sittenwidrigkeit kann nur zurückhaltend angewandt werden. Er berechtigt den Richter nicht, die Auswirkungen einer vom Erblasser getroffenen letztwilligen Verfügung an seinen eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen zu messen und den Willen des Erblassers danach zu korrigieren. Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit einer letztwilligen Verfügung kann daher nur in besonders hervorstechenden Ausnahmefällen angenommen werden“. OLG München 12.5.2015, NJW-RR 2015, 1034. 1044 1045
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hältnisses vor Gericht zu Fall zu bringen, sind bislang gescheitert.1048 Gegründet wird dies in aller Regel darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung nur in „besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen“1049 in die Testierfreiheit des Erblassers eingegriffen werden dürfe. Einen eklatanten Fall, in dem die Betreute in einem öffentlichen Testament über ihren beträchtlichen Nachlass zugunsten des Betreuers und dessen ihr unbekannte Familie verfügte, hatte das OLG Braunschweig zu entscheiden.1050 Die Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung ergab sich aber schon mit aller Klarheit aus der fehlenden Testierfähigkeit der Erblasserin zum Errichtungszeitpunkt, sodass die weiteren Feststellungen des Gerichts zur Sittenwidrigkeit der Verfügung nicht entscheidungsrelevant waren. Ein vom BGH entschiedener Fall betraf einen Erbvertrag zwischen einem geistig beschränkten Erblasser und seiner älteren Schwester. Dieser wurde für sittenwidrig erklärt, weil die Schwester die Pflege für das geistige und körperliche Wohl des Erblassers übernommen hatte und ihn unter Ausnutzung seiner leichten Beeinflussbarkeit veranlasst hatte, sie in dem Erbvertrag als Erbin einzusetzen.1051 Auch in diesem Fall war aber der Erblasser „an sich geistig beschränkt“, weshalb auch hier auf Testierunfähigkeit erkannt werden hätte können,1052 ohne in etwas fragwürdiger Weise § 138 BGB bemühen zu müssen.1053 Ein jüngerer Fall betrifft einen Hausarzt, der von zwei Schwestern zunächst in deren Testamenten als Nacherbe eingesetzt wurde und daraufhin wegen der zu erwartenden Erbschaftssteuer auf eine notariell beurkundete lebzeitige Übergabe drängte, die er mit der Übernahme von Reparaturkosten und der Betreuung als Privatarzt begleichen wollte. Die lebzeitige Übergabe wurde wegen des Missbrauchs des Vertrauensverhältnisses und des betrügerischen Verhaltens des Arztes für sittenwidrig und damit für nichtig erklärt.1054 In einem anderen Fall wurde ebenso ein notariell beurkundetes lebzeitiges Geschäft wegen sittenwidriger Ausnützung eines Vertrauensverhältnisses für nichtig erklärt. Die Geistheilerin, an die sich die Klägerin in einer schwieri-
1048 BayObLG 2.10.2002, DNotZ 2003, 439 (Begünstigung des Vorsorgebevollmächtigten); BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369 (Begünstigung des Kindes des Betreuers); BayObLG 30.4.1985, FamRZ 1985, 1082 (Begünstigung des Arztes und seiner Ehefrau). 1049 BGH 2.12.1998, NJW 1999, 566, 568. 1050 OLG Braunschweig 4.11.1999, ZEV 2000, 448 = FamRZ 2000, 1189. 1051 BGH 4.6.1951, BeckRS 1951, 31397613. 1052 Dies gilt natürlich besonders, wenn man mit Flume, Allgemeiner Teil 371 f., relative Testierunfähigkeit zulässt. 1053 Wenn es tatsächlich zutrifft, dass der Erblasser aufgrund seiner geistigen Beeinträchtigungen „völlig unter dem Einfluss“ seiner Schwester stand, ohne dass ihm selbst noch Entscheidungsfreiheit blieb, dann muss auf Testierunfähigkeit geschlossen werden. 1054 OLG Karlsruhe 18.2.1999, NJW 2001, 2804.
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gen persönlichen Situation gewandt hatte, suggerierte ihr, dass sie „Karmaschuld“ auf sich geladen habe und sich davon freikaufen müsse.1055 e) Gesetzliche Konkretisierung des § 138 BGB zum Schutz vor Fremdbestimmung Die ehemalige Vorschrift des § 48 Abs. 3 TestG, wonach Verfügungen unter Ausnützung der Todesnot1056 des Erblassers nichtig waren,1057 war ebenso wie § 14 HeimG1058 als gesetzliche Konkretisierung des Sittenwidrigkeitsverbots gemäß § 138 BGB konzipiert.1059 Im Gegensatz zu § 14 HeimG begründete sie aber kein Testierverbot zulasten bestimmter Funktions- oder Amtsträger. Dies ändert indes nichts daran, dass in der Gesetzesbegründung sehr wohl auf eine bestimmte Berufsgruppe abgezielt wurde. Es sei nämlich vorgekommen, dass „Religionsdiener in Verkennung ihrer wahren Pflichten auf einen Erblasser am Sterbebett unter Ausnutzung seiner Todesnot (z. B. unter Ausnutzung der Angst des Sterbenden vor Bestrafung im Jenseits) eingewirkt“ hätten, um Zuwendungen zugunsten kirchlicher Einrichtungen zu erlangen. Ein solches Verhalten könne nicht gebilligt werden.1060 Mit der Rückführung des Testamentsrechts in das BGB wurde diese Vorschrift ersatzlos gestrichen,1061 weil sie eine „ungerechtfertigte Verdächtigung der Religionsdiener“ darstelle.1062 Diese Begründung verwundert freilich angesichts der Tatsache, dass der Wortlaut der Vorschrift den persönlichen Anwendungsbereich auf keine bestimmte Berufsgruppe beschränkt. Durch die Streichung entstand aber auch keine Lücke, denn soweit in unrechtmäßiger Weise auf den Willen des Erblassers eingewirkt wird, kann mittels Anfechtung gemäß § 2078 BGB dasselbe Ergebnis erzielt werden, will man nicht annehmen, dass die „Ausnutzung der Todesnot“ als Eingriff in die WilOLG Saarbrücken 21.12.2006, BeckRS 2007, 01478. Nach verbreiteter Meinung handelte es sich hier um eine Vorschrift für Testamente auf dem Sterbebett, die aus „Furcht des Sterbenden vor dem Strafgericht Gottes, die Sorge um sein Seelenheil oder aus Angst vor dem Todeskampf ohne menschlichen Beistand“ errichtet werden. Lübtow, Erbrecht I 323. 1057 § 48 Abs. 3 TestG: „Eine Verfügung von Todes wegen ist nichtig, soweit ein anderer den Erblasser durch Ausnutzung seiner Todesnot zu ihrer Errichtung bestimmt hat.“ 1058 BT‐Drucks. 7/180, 15. 1059 BGH 1.2.1956, NJW 1956, 988: „Durch Ausnutzung seiner Todesnot ist der Erblasser zur Errichtung einer Verfügung von Todes wegen jedoch nur dann bestimmt worden, wenn die Art, in der auf ihn Einfluß genommen wurde, nach den gesamten Umständen sittlich anstößig ist.“ So auch Lübtow, Erbrecht I 323. 1060 Amtliche Begründung zum TestG, in DJ 1938, 1259. 1061 Dies bedauert Kempermann, Unlautere Ausnutzung 111 f., da „es wünschenswert gewesen wäre, wenn die Möglichkeit einer Anfechtung wegen Drohung mit dem Jenseits auf diese Weise mehr in das Bewußtsein der am Rechtsleben Beteiligten eingedrungen wäre.“ 1062 Verhandlungen des deutschen Bundestages, I. Wahlperiode 1949, Stenographische Berichte, 249. Sitzung am 4.2.1953, S. 11918. 1055 1056
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lensfreiheit unter der Schwelle der Täuschung oder Drohung liege.1063 Dies muss wohl nicht nur wegen mangelnder Anhaltspunkte im Wortlaut verneint werden,1064 sondern auch wegen des Wertungswiderspruchs im Hinblick auf die Rechtsfolgen, die bei schwereren Eingriffen in die Willensfreiheit des Erblassers milder ausfallen müssten (Anfechtbarkeit), als bei leichteren (Nichtigkeit). f)
Zusammenfassung und Befund
Dem deutschen Recht sind generelle Testierverbote zulasten bestimmter Berufsgruppen oder Vertrauenspersonen nach französischem Vorbild fremd. Aus einer ursprünglich auf lebzeitige Zuwendungen an Heimträger und Heimbedienstete zugeschnittenen Vorschrift entwickelte die Rechtsprechung indes ein heimrechtliches Testierverbot, das später sowohl vom Gesetzgeber als auch vom BVerfG bekräftigt wurde. Damit sollte die Willensfreiheit der Heimbewohner vor Fremdbestimmung im Heim geschützt werden. Eine analoge Anwendung dieses heimrechtlichen Testierverbots auf ähnliche Abhängigkeitslagen wurde von der Rechtsprechung indes stets abgelehnt. Dienstrechtliche Annahmeverbote greifen nicht auf die Wirksamkeit testamentarischer Verfügungen durch und standesrechtliche Vorschriften, die über § 134 BGB Testierverbote begründen könnten, sind unzureichend, weil ihre Wirkung auf testamentarische Verfügungen umstritten ist und sie im Übrigen nur bestimmte Berufsgruppen betreffen. Es zeigt sich somit hinsichtlich des Schutzes durch Testierverbote ein sehr fragmentarisches Bild im deutschen Recht. Testierverbote gibt es im Wesentlichen nur dann, wenn der Erblasser sich in einer Heimsituation befindet. Ähnliche Situationen, in denen eine zumindest ebenso große Abhängigkeit entstehen kann (z. B. Betreuung, Vorsorgebevollmächtigte, häusliche Pflege, alternative Heiler und Behandler aller Art) wie im Heim, finden keine entsprechende Berücksichtigung. Hinzu kommt, dass es neben der punktuellen Zielrichtung der heimrechtlichen Testierverbote selbst in der Heimsituation fraglich ist, ob das Testierverbot ausreichenden Schutz bieten kann. Das Heimverbot ist nämlich dann nicht anwendbar, wenn der Erblasser still testiert hat oder jedenfalls, wenn nicht bewiesen werden kann, dass die Begünstigten vor dem Erbfall von der Zuwen1063 In diese Richtung Röthel, Gutachten 68. DJT A82: „Seit der Abschaffung des Unwirksamkeitsgrundes der ‚Ausnutzung der Todesnot‘ (§ 48 Abs. 3 TestG) begegnet die ‚bloße‘ Beeinflussung des Erblassers, zumindest gemessen an der Praxis, keinen Bedenken.“ Ausführlich zum Verhältnis von § 48 Abs. 3 TestG zu § 2078 und § 138 BGB: Thielmann, Sittenwidrige Verfügungen 318 ff. 1064 BGH 28.3.1956, BeckRS 1956, 31385608: „Nach allgemeiner und zutreffender Ansicht ist eine Verfügung von Todes wegen nur auf Grund schwerwiegender Tatsachen nach § 48 Abs. 3 TestG nichtig.“
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dung gewusst haben oder aufgrund der Umstände wissen konnten. Abhängig von der Art und Weise des Zustandekommens des Testaments, kann sich die im Amtsweg zu ermittelnde Kenntnis auf der Seite der Begünstigten als so schwierig herausstellen, dass das Testierverbot nicht selten leer läuft. Darüber hinaus kann in fast allen Bundesländern mittels Genehmigung der Heimaufsichtsbehörde eine Ausnahme vom Testierverbot gewährt werden, wenn der Schutz der Bewohner die Aufrechterhaltung des Verbots nicht erfordert. Indes ist diese Ausnahmegenehmigung ein untaugliches Mittel, 1065 um sicherzustellen, dass der Erblasser bei der Errichtung selbstbestimmt verfügen konnte.1066 Es handelt sich nämlich um eine stets im Vorhinein einzuholende Genehmigung, die schon aufgrund dieses Umstands nicht sicherstellen kann, dass der Willensentschluss des Erblassers zum Errichtungszeitpunkt frei ist. Keinesfalls kann die Ausnahmegenehmigung sichern, dass Selbstbestimmung auch nach Errichtung eines Testaments ermöglicht wird, so etwa dann, wenn der Erblasser sein einmal errichtetes Testament widerrufen möchte. Vor der Gefahr der Beeinflussung bei der Errichtung und nach Errichtung eines Testaments kann die im Vorfeld zu erteilende behördliche Genehmigung daher nicht schützen. Zu diesen strukturellen Defiziten kommt hinzu, dass das heimrechtliche Testierverbot nunmehr in allen Bundesländern eine gesonderte Regelung erhalten hat, was dem Anliegen eines möglichst einheitlichen Schutzes des Erblassers vor Fremdbestimmung auf dem gesamten Bundesgebiet nicht gerecht werden kann. Der Befund fällt somit ernüchternd aus. Die strukturellen Defizite der gesetzlichen Testierverbote im deutschen Recht, d. h. der punktuelle persönliche Anwendungsbereich der Verbote, die Inadäquanz der bestehenden Ausnahmeregelungen sowie die landesrechtliche Fragmentierung der heimrechtlichen Testierverbote lassen die Erreichung des hehren Ziels, den Erblasser durch diese Verbote vor Fremdbestimmung zu schützen, unerreichbar erscheinen.
1065 A. A., indes ohne eingehende Begründung, das BVerfG, wonach es bei der von der Heimaufsichtsbehörde zu erteilenden Genehmigung auch um die Sicherung der „Freiwilligkeit des Testierentschlusses“ und um den Schutz des Heimbewohners gehe. BVerfG 3.7.1998, NJW 1998, 2964, 2965. 1066 Dies gilt selbst dann, wenn die Behörde so vorgeht, wie das BVerwG es fordert, d. h. wenn der Erblasser „von der Behörde über seine Motive befragt wird, bevor er dem Träger des Heims Vermögensvorteile verspricht oder gewährt. Durch eine solche Befragung, für die sich die Form eines persönlichen Gesprächs anbietet, erhält der Heimbewohner sowohl sichere Kenntnis von der bestehenden Rechtslage und damit von dem Schutz, den ihm das Gesetz durch Einschaltung der Behörde gewährt, als auch Gelegenheit, seine Zuwendungsabsicht rechtzeitig vor der Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung zu überdenken.“ BVerwG 18.12.1987 NJW 1988, 984, 985.
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Zweiter Teil – Schutz der Selbstbestimmung im Erbrecht
Die so zu Tage tretenden Schutzlücken vermag ein Verweis auf § 138 BGB nicht zu schließen. Dass bisher keine einzige veröffentlichte Entscheidung die Nichtigkeit einer testamentarischen Verfügung allein wegen Missbrauchs der Vertrauensposition durch Fremdbestimmung ausgesprochen hat,1067 steht nur symptomatisch dafür, dass dieser Weg die von vielen erhofften Schutzwirkungen nicht entfalten kann. Dies liegt insbesondere an der strukturellen Untauglichkeit dieses Instruments, Fremdbestimmung zu verhindern.1068 Das BVerfG hat unter Berufung auf den BGH1069 zurecht darauf hingewiesen, dass § 138 BGB stets ex post wirkt, weshalb der Schutz immer erst eingreift „wenn eine tatsächliche Zwangslage besteht und wenn dies im nachfolgenden Prozeß nachgewiesen werden kann.“ Zu diesem Zeitpunkt ist die Sicherung einer möglichst freien Willensäußerung des Erblassers nicht mehr möglich, weil der Erblasser nicht mehr am Leben ist und Fremdbestimmung bereits stattgefunden hat. An die Stelle einer selbstbestimmten Willensentscheidung tritt regelmäßig das gesetzliche Erbrecht.1070 Ferner ist zu bedenken, dass mit § 138 BGB gegenüber der Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung gemäß § 2078 BGB nichts gewonnen ist.1071 Die FestZuletzt wieder abl. OLG München 12.5.2015, NJW-RR 2015, 1034, 1037. BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853, 1854: „Nach Art. 14 Abs. I 2 GG ist es dem Gesetzgeber überlassen, Inhalt und Schranken des Erbrechts zu bestimmen. Erst durch die gesetzliche Ausgestaltung wird das Erbrecht des einzelnen klar umrissen und zu einem praktisch durchsetzbaren Recht. Die einfachrechtliche Ausgestaltung verschafft den notwendig abstrakten Grundprinzipien des Erbrechts konkrete Gestalt. Demzufolge ist es Sache des Gesetzgebers, das im Grundsatz der Testierfreiheit angelegte Selbstbestimmungsprinzip zu konkretisieren. Er muß festlegen, welche Anforderungen im einzelnen an die für eine eigenverantwortliche Testamentserrichtung erforderliche Einsichtsfähigkeit zu stellen sind und welches Maß an Handlungsfähigkeit für die Testamentserrichtung nötig ist.“ 1069 BGH 11.1.1996, ZEV 1996, 145. 1070 Dieses kann freilich zufällig mit dem tatsächlichen Willen des Erblassers übereinstimmen, sodass die Wirkung der Feststellung der Nichtigkeit gemäß § 138 BGB der Durchsetzung des wahren Willens des Erblassers dienen könnte. Ob dies allerdings im Einzelfall zutrifft, ist niemals mit Sicherheit zu beantworten, wenn eine erbrechtlich relevante (formgebundene) Willenserklärung fehlt. 1071 A. A. Röthel, AcP 210 (2010) 63, die meint, dass es Fälle geben könne, in denen „die Testierfähigkeit, die Anfechtung und die Erbunwürdigkeit ausnahmsweise nicht genügen, eine hinreichend selbstbestimmte Wahrnehmung der Testierfreiheit zu gewährleisten“. Darauf kann entgegnet werden, dass ein Missbrauch der Vertrauensstellung regelmäßig entweder einer Täuschung (z. B. durch Angsteinflößung, Ausnützung der Leichtgläubigkeit) oder einer Drohung entspringt. Im Verhältnis zwischen § 2078 BGB und § 138 BGB handelt es sich (wie im Verhältnis zwischen § 123 und § 138 BGB) bei der Anfechtung um eine lex specialis, die nur dann zurücktritt, wenn über die Anfechtungsgründe hinaus besondere Umstände hinzutreten, die eine Sittenwidrigkeit rechtfertigen. Vgl. Lübtow, Erbrecht I 323 f. Im Übrigen kann aufgrund der reinen ex post Wirkung des Sittenwidrigkeitsverdikts eine „hinreichend selbstbestimmte Wahrnehmung der Testierfreiheit“ ohnehin nicht sichergestellt werden. 1067 1068
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stellung der Nichtigkeit wegen § 138 BGB begegnet schließlich auch denselben Beweisschwierigkeiten wie die Anfechtung. III. Fazit: Inhaltliche Beschränkungen der Testierfreiheit zum Schutz des Erblassers? Angesichts des lückenhaften Schutzes der Willensfreiheit des Erblassers bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung, stellt sich die Frage, ob etwa nach dem Vorbild der jüngsten Vorstöße im französischen Recht1072 auch im deutschen Recht weitergehende Testierverbote einzuführen wären. Damit ist gleichzeitig die grundsätzlichere Frage aufgeworfen, ob eine materielle Beschränkung der Testierfreiheit in Form von Testierverboten überhaupt ein geeignetes Instrument darstellt, um die selbstbestimmte Wahrnehmung der Testierfreiheit zu sichern. 1. Grundwertung Das normative Leitbild, das dem Schutz der erblasserischen Willens- und Entscheidungsfreiheit zugrunde liegt, ergibt sich zum einen aus der grundgesetzlich verankerten Garantie der Testierfreiheit in Art. 14 Abs. 1 GG1073 und zum anderen dogmatisch aus der Erkenntnis, dass der einzige Geltungsgrund einer letztwilligen Verfügung in der Selbstbestimmung des Erblassers begründet liegt und somit ein Testament in Konkurrenz zum gesetzlichen Berufungsgrund überhaupt nur deshalb Geltung beanspruchen kann, weil es vom Erblasser gewollt ist.1074 Hieraus ergibt sich, dass die Sicherung der Möglichkeit zur selbstbestimmten Willensbildung des Erblassers in jedem Fall oberstes Gebot des Gesetzgebers sein muss. Darüber hinaus wird das normative Leitbild in Bezug auf schutzbedürftige Personen jüngst durch die von der Bundesrepublik ohne Vorbehalt unterzeichnete und ratifizierte1075 UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen geschärft, die aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung (Artt. 24–26 GG) auch bei der Auslegung und Ausgestaltung nationalen Rechts zu beachten ist. Gemäß Art. 1 Abs. 2 UNKonvention zählen zu den Menschen mit Behinderungen Personen, „die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“
Darunter fallen insbesondere auch Personen, die aufgrund ihres Alters körperlichen oder geistigen Einschränkungen unterliegen und daher auf die Un1072 1073 1074 1075
Vgl. dazu oben § 5 II.2.d). Vgl. dazu bereits oben § 2 II.2. Vgl. dazu oben, § 2 II.5. BGBl. 2008 II, 1419.
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terstützung, Pflege und Sorge Dritter angewiesen sind. Gemäß Art. 12 treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen „Zugang zu der Unterstützung zu verschaffen, die sie bei der Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit gegebenenfalls benötigen“. Daraus folgt, dass wirksame Sicherungen einzuführen sind, die gewährleisten müssen, „dass bei den Maßnahmen betreffend die Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit die Rechte, der Wille und die Präferenzen der betreffenden Person geachtet werden, es nicht zu Interessenkonflikten und missbräuchlicher Einflussnahme kommt, dass die Maßnahmen verhältnismäßig und auf die Umstände der Person zugeschnitten sind, dass sie von möglichst kurzer Dauer sind und dass sie einer regelmäßigen Überprüfung durch eine zuständige, unabhängige und unparteiische Behörde oder gerichtliche Stelle unterliegen.“
Die Vertragsstaaten sind im Rahmen dieser Vorgaben verpflichtet zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen das gleiche Recht wie andere haben, Eigentum zu besitzen oder zu erben sowie ihre finanziellen Angelegenheiten selbst zu regeln und dass ihnen nicht willkürlich das Eigentum entzogen wird. 2. Testierverbote in Bezug auf Mitwirkende Um eine selbstbestimmte Willensbildung zu ermöglichen, muss garantiert sein, dass die an der Willenserrichtung Beteiligten kein eigenes Interesse am Inhalt der Willenserklärung haben. Interessenkonflikte der Beteiligten gefährden die Willensfreiheit des Erblassers und sind daher von vornherein weitestgehend auszuschließen. Dies kann nur dadurch erfolgen, dass an der Errichtung der letztwilligen Verfügung Mitwirkende generell von Begünstigungen aus demselben Testament ausgeschlossen werden. Dies muss nicht nur für den Notar gelten, sondern auch für den im Einzelfall hinzugezogenen zweiten Notar bzw. die Zeugen sowie den Sprach- und Gebärdendolmetscher, die hinzugezogene Verständigungsperson und die diesen nahestehenden Personen. Ebenso von einer Begünstigung auszuschließen ist, wie bereits im römischen Recht, der private Testamentsschreiber (bei Errichtung eines öffentlichen Testaments durch Übergabe einer Schrift), denn auch bei ihm verwirklicht sich bei einer Begünstigung zu seinen Gunsten ein Interessenkonflikt, dem zum Schutz der Willensfreiheit des Erblassers zuvorzukommen ist. Das geltende Recht verfährt in Bezug auf diese Mitwirkenden nicht mit ausreichender Entschlossenheit und Konsequenz. Während der Notar, der Sprachdolmetscher und die Verständigungsperson nicht begünstigt werden dürfen, stellt das Testierverbot für den zweiten Notar bzw. den Zeugen lediglich eine für die Wirksamkeit der Verfügung unbedeutende Sollvorschrift dar. Der Gebärdendolmetscher ist erstaunlicherweise vom Testierverbot überhaupt nicht erfasst.1076 Ebenso unberücksichtigt von den Testierverboten bleiben der Testamentsschreiber und die der Verständigungsperson nahestehenden Personen.
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Die Verhältnismäßigkeit einer Beschränkung der Testierfreiheit des Erblassers hinsichtlich der an der Testamentserrichtung Mitwirkenden ist deshalb gewahrt, weil die Mitwirkenden stets so gewählt werden können, dass sie nicht gleichzeitig auch Begünstigte sind und weil eine selbstbestimmte Willenserrichtung nur dann möglich ist, wenn sie unter neutralen Rahmenbedingungen erfolgen kann. Dies ist dann der Fall, wenn alle an der Errichtung in jeglicher Form Mitwirkenden kein persönliches Interesse an einem bestimmten Inhalt der Willenserklärung haben. Mitwirkende sind daher ohne Ausnahme vom Kreis derjenigen auszuschließen, die durch das errichtete Testament einen Vorteil erlangen. 3. Testierverbote in Bezug auf Dritte Testierverbote in Bezug auf Dritte, nicht am Errichtungsakt mitwirkende Personen, die sich in einer besonderen Vertrauensstellung zum Erblasser befinden, lassen sich nicht so einfach rechtfertigen. Dies liegt daran, dass bei diesen Testierverboten das Ziel des Schutzes des Erblassers vor Fremdbestimmung meist nicht im Vordergrund steht. Besonders deutlich zeigt sich dies bei den heimrechtlichen Testierverboten, bei denen der Schutz der erblasserischen Willensfreiheit erst durch die Rechtsprechung als weiterer Normzweck ergänzt wurde und dann im Rahmen der ersten Änderung des HeimG auch vom Gesetzgeber in die Erläuterungen aufgenommen wurde. Bei genauerem Hinsehen wird offenkundig, dass die heimrechtlichen Testierverbote in erster Linie eine gewerberechtliche Wurzel haben. Sie sollen Heimträger und Heimbedienstete vom Verdacht der Bestechlichkeit und der finanziellen Ausbeutung ihrer Heimbewohner schützen und zielen somit in erster Linie darauf ab, das Vertrauen in die Institution Heim und ihre Bediensteten vor einer Beschädigung zu bewahren. Dies ist ein legitimes Ziel. Fraglich ist lediglich, ob dieses Ziel nicht auch mit milderen Mitteln erreicht werden könnte, zumal die Testierverbote in die Testierfreiheit der Heimbewohner eingreifen. An dieser Stelle wird stets das vom BVerfG bemühte Argument angeführt, es handele sich beim heimrechtlichen Testierverbot um ein verhältnismäßiges und erforderliches Mittel, um den Erblasser präventiv vor Fremdbestimmung bei der Errichtung seines Testaments zu schützen, gerade auch deshalb, weil sowohl stilles Testieren als auch Testieren unter Erlaubnisvorbehalt zulässig seien. Dass diese Ausnahmen den Schutz der erblasserischen Willensfreiheit in vielen Fällen konterkarieren, wurde bereits erwähnt. 1077 Hier geht es um die grundsätzlichere Frage, ob Testierverbote zulasten von Personen, die nicht an der Testamentserrichtung mitwirken, überhaupt zum Schutz der freien Willensbildung des Erblassers beitragen können. 1076 1077
Vgl. dazu oben, § 5 I.4. Vgl. dazu oben, § 5 II.3.f).
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Testierverbote schaffen gewiss einen ex ante-Schutz, weil sie Anreize zur Druckausübung auf den Erblasser von vornherein unterbinden. Wer sich in einer bestimmten beruflichen Vertrauensposition befindet, hat daher keine Aussicht auf eine gültige erbrechtliche Begünstigung und wird somit aller Voraussicht nach auch nicht versuchen, auf den Erblasser Druck auszuüben. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass hier der Schutz des Erblassers vor Druck sehr teuer erkauft wird, weil dem Erblasser seine entsprechende Testierfreiheit entzogen wird. Dies ist freilich das genaue Gegenteil dessen, was für den Schutz der Testierfreiheit unternommen werden müsste. Das Recht muss Rahmenbedingungen schaffen, die auch unter schwierigen äußeren Umständen (etwa in Abhängigkeitssituationen Pflegebedürftiger) sicherstellen, dass der Erblasser frei verfügen kann, ohne dass es, wie die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen es ausdrückt, zu „missbräuchlicher Einflussnahme und Interessenkonflikten“ kommt. Die Entziehung der Testierfreiheit in solchen schwierigen Situationen verhindert zwar Fremdbestimmung. Sie schließt damit aber auch Selbstbestimmung aus. Der Erblasser kann nämlich nicht einmal bei einem entsprechenden freien Willen ein Testament zugunsten des Heimträgers oder der Heimbediensteten errichten, es sei denn, er behält seine Entscheidung für sich (stilles Testament) oder holt eine behördliche Genehmigung ein. Aufgrund dieser Funktionsweise von Testierverboten (Schutz durch Entziehung von Testierfreiheit) zeigt sich, dass sie nur vordergründig dem Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung dienen sollen. Dahinter stehen andere Zwecke, die im deutschen Heimrecht besonders im Schutz des Heimgewerbes liegen. Im französischen Recht geht es dagegen in erster Linie um die Befürchtung, dass ein Dritter aufgrund seiner Vertrauens- und Machtstellung noch während der letzten Krankheit den Erblasser dazu veranlassen könnte, den gesetzlichen Erben den Nachlass zu entziehen. Dieser Gedanke, dass es vor allem um den Schutz der gesetzlichen Erben gehen könnte, ist zuletzt in Frankreich sehr deutlich formuliert worden1078 und findet jüngst auch in Deutschland vereinzelt Gehör.1079 Darüber hinaus werden freilich auch im französischen Recht andere Zwecke verfolgt. Hinsichtlich der Ärzte und des medizinischen Personals geht es auch darum zu vermeiden, dass zwischen dem Berufsethos und der Erlangung eines persönlichen Vorteils Konflikte entstehen könnten. Gerade medizinisches Personal, von dem der Erblasser abhängig ist, hat es in der Hand, den Zeitpunkt der Vorteilserlangung durch Entscheidungen in der medizinischen Behandlung zu beeinflussen. Dieser Gedanke spielte auch in der Rechtsprechung zur Erstreckung des
1078 Proposition de loi visant à la protection des héritiers des personnes malades en fin de vie, Nr. 1827, . 1079 Krug, FPR 2006, 154–157.
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heimrechtlichen Testierverbots auf Testamente eine bedeutende Rolle.1080 Hinzu kommt auch bei medizinischem Personal der gewerberechtliche Aspekt, denn die Heilberufe sollen aufgrund des erforderlichen Vertrauensverhältnisses zum Patienten nicht in Verdacht geraten, ihre Position für persönliche Vorteile auszunützen und zur Ausbeutung der Patienten zu missbrauchen. Im Falle des französischen Testierverbots zulasten von Seelsorgern geht es wohl nicht so sehr um das Vertrauen in den Berufsstand, als vielmehr um ein rechtspolitisches Ziel, Begünstigungen an die Kirche einzudämmen, vor allem dann, wenn sie dem Erblasser noch in den letzten Atemzügen durch jenseitsbezogene Versprechungen entlockt werden. Diese Zwecke mögen alle eine gewisse Berechtigung haben, sie rechtfertigen aber weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit einen Eingriff in die Testierfreiheit. Gerade der Schutz des Berufsstands vor Verdächtigungen kann auch durch standes- oder gewerberechtliche Vorschriften wirksam erreicht werden, ohne dass gleichzeitig in die Testierfreiheit des Erblassers eingegriffen werden müsste. 4. Ergebnis Im Ergebnis zeigt sich, dass hinsichtlich der Wirkung von Testierverboten danach zu unterscheiden ist, ob sie sich auf am Testierakt mitwirkende Personen beziehen oder auf Dritte. Bei Mitwirkenden stellen Testierverbote ein durchgreifendes und notwendiges Instrument dar, um Fremdbestimmung und Druckausübung bei der Willensbildung zu vermeiden. Gleichzeitig schränken sie die Testierfreiheit des Erblassers nicht ein. Wer einen Mitwirkenden einsetzen möchte, kann dies machen, wenn er diesen gegen jemanden austauscht, der kein Interesse am Inhalt des Testaments hat. Damit ist einerseits gesichert, dass das Testament ohne persönliches Interesse der Mitwirkenden zustande kommt, und andererseits wird dem Erblasser die Begünstigung bestimmter Personen nicht versperrt, weil (fast) immer die Möglichkeit besteht, die Mitwirkenden so auszuwählen, dass keiner von ihnen gleichzeitig Begünstigter ist. Kann dagegen nur noch eine Person die Gesten des Erblassers verstehen, ist es umso wichtiger, dass die Verständigungsperson (§ 24 BeurkG) selbst kein inhaltliches Interesse an dem von ihr vermittelten Testament hat und somit samt ihren nahestehenden Personen1081 vom Kreis der Begünstigten ausgeschlossen bleibt. Die Beschränkung der Testierfreiheit ist in diesem Fall, bei allen Härten, die damit verbunden sein könnten, unerlässlich. Dasselbe gilt für alle weiteren am Errichtungsakt
1080 BVerwG 26.1.1990, NJW 1990, 2268. Ebenso BVerwG 18.12.1987 NJW 1988, 984, 985; BayObLG 24.11.1992, DNotZ 1993, 453, 455. 1081 Insofern wäre § 24 BeurkG zu ergänzen. Siehe in diesem Sinne auch Soergel/ Mayer, § 24 BeurkG Rn. 11.
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mitwirkenden Personen, wie den zweiten Notar, den Zeugen, den Gebärdendolmetscher sowie den (privaten) Testamentsschreiber. In Bezug auf Dritte zeigt sich, dass Testierverbote zwar eine Reihe unterschiedlicher Zwecke erfüllen mögen, sie indes entgegen aller Vorwände nicht geeignet sind, die Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers vor unzulässiger Einflussnahme zu schützen. Sie versuchen nämlich Selbstbestimmung durch Entzug der Selbstbestimmungsfreiheit zu sichern. Dies ist ein Widerspruch in sich und muss daher scheitern. Wer zugunsten des Heimpersonals nicht mehr testieren kann, ist nicht in seiner Selbstbestimmungsfreiheit geschützt, sondern wird bevormundet, weil ihm unwiderleglich unterstellt wird, eine solche Entscheidung könne nicht auf freiem Willen beruhen. Dieser paternalistische Eingriff in die Testierfreiheit des Erblassers, der nicht dem Erblasser selbst, sondern in vielen Fällen seinen gesetzlichen Erben zugutekommt, ist abzulehnen. Testierfreiheit darf zum Schutz der Selbstbestimmung nicht ausgeschlossen werden. Vielmehr müssen in Übereinstimmung mit der UNKonvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit in ihrer Willensfreiheit gefährdete Personen in gleichem Maße selbstbestimmt testieren können.
§ 6 Maßnahmen zum Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung § 6 Maßnahmen zum Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung
Das geltende deutsche Recht verfügt wie alle weiteren hier untersuchten Rechtsordnungen über keine wirksamen rechtlichen Schutzmechanismen für eine möglichst selbstbestimmte Willensbildung des Erblassers bei der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung. Es soll daher in diesem abschließenden Abschnitt um die Frage gehen, wie ein solches Schutzinstrument gestaltet sein könnte, um den Erblasser vor Druckausübung zu schützen, ohne dabei zu sehr in seine Testierfreiheit einzugreifen. Dass bei der Einführung von Schutzvorschriften ein Eingriff in die Testierfreiheit unumgänglich ist, ergibt sich schon aus dem Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit. Es ist hier somit eine Lösung zu finden, die eine Balance zwischen Freiheit und Sicherheit schafft und damit gewährleistet, dass der Erblasser frei, selbstbestimmt und ohne äußeren Druck sein Testament errichten kann. Im Folgenden sollen nun im ersten Teil die Leitkriterien herausgearbeitet werden, die bei der Ausgestaltung eines Schutzmechanismus für die erblasserische Willensfreiheit zu berücksichtigen sind. Im zweiten Teil wird nach diesen Kriterien ein Vorschlag unterbreitet, um aufzuzeigen, wie ein solches Schutzinstrument in der konkreten Umsetzung aussehen könnte. Dieser Vorschlag soll als Ausgangspunkt für eine mit dieser Schrift anzustoßende Wei-
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terführung der Diskussion über den Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung verstanden werden. I.
Leitkriterien bei der Ausgestaltung eines rechtlichen Schutzinstruments
1. Selbstbestimmung ermöglichen Da eine letztwillige Verfügung sich schlicht auf keinen anderen rechtlich erheblichen Geltungsgrund stützen kann als auf den Willen des Erblassers, kommt es entscheidend darauf an, dass dieser Wille frei und selbstbestimmt zustande kommt. Es muss daher ein zentrales Anliegen des Rechts letztwilliger Verfügungen sein, die Möglichkeit zu einer freien und selbstbestimmten Willensbildung des Erblassers zu schaffen. Nur wenn der Erblasser vor äußerem Druck geschützt wird, kann sichergestellt werden, dass der Wille frei zustande gekommen ist und somit Ausdruck der erblasserischen Selbstbestimmung ist. Daraus folgt, dass ein Schutzinstrument nicht darin bestehen darf, dass dem für Fremdbestimmung gefährdeten Erblasser die Möglichkeit zur Selbstbestimmung gänzlich entzogen wird. Weder ein Eingriff in die Testierfähigkeit1082 noch die inhaltliche Beschränkung der Testierfreiheit mittels gesetzlicher Testierverbote gegenüber nicht am Testierakt mitwirkender Personen1083 sind daher geeignete Instrumente, um die selbstbestimmte Willensbildung des Erblassers zu sichern. Untauglich ist auch der Versuch, über eine Lockerung der formellen Höchstpersönlichkeit Selbstbestimmung zu stärken, indem etwa – wie im englischen statutory will – das Gericht zur Ersatzvornahme ermächtigt wird.1084 Dies führt zu gesetzlich ermächtigter Fremdbestimmung, die mit dem Geltungsgrund letztwilliger Verfügungen in Konflikt steht. Dagegen ist nach hier vertretener Ansicht die Form als weitere Testiervoraussetzung ein geeigneter Ansatzpunkt,1085 um Selbstbestimmung zu sichern. Durch sie können zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung äußere Bedingungen geschaffen werden, die es erlauben, dass der Erblasser frei von offenem äußerem Einfluss seinen letzten Willen bildet. Freilich werden Formvorschriften zum Schutz der Selbstbestimmung des Erblassers niemals verhindern können, dass möglicherweise schon vor der Errichtung des Testaments auf den Erblasser in unzulässiger Weise Druck ausgeübt wird und er in der Folge aufgrund des psychisch nachwirkenden Drucks entsprechend testiert. Diese Fälle sind vielmehr unvermeidlich und sie lassen sich darüber hinaus im Nachhinein auch niemals mit Sicherheit klären. Vgl. dazu oben § 4 I.10.i). Vgl. dazu oben § 5 III.4. 1084 Vgl. dazu oben § 4 III.3.h). 1085 Für einen Eingriff in die Formvorschriften zum Schutz des Erblassers vor unzulässiger Druckausübung auch Dauner-Lieb, DNotZ 2001, 465; ihr folgend Martiny, Gutachten 64. DJT A71. 1082 1083
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Insbesondere bleibt stets unklar, ob der Erblasser nicht auch von sich aus und aus anderen Gründen gewollt hat, wozu er aufgrund der Umstände vermutlich auch gedrängt wurde. Entscheidend für die Möglichkeit zur freien Willensäußerung sind nicht die möglichen Einflüsse auf den Erblasser vor der Testamentserrichtung, sondern die Umstände zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Zu diesem Zeitpunkt muss sichergestellt sein, dass der Erblasser seinen Willen frei äußern kann. Welche Motive ihn dabei leiten, darf keine Rolle spielen, es sei denn, es liegt ein Anfechtungsgrund gemäß § 2078 BGB vor. Als Voraussetzungen für eine Form, die dem Erblasser einen möglichst wirksamen Schutz vor Fremdbestimmung gewährt, wurden die Mitwirkung eines neutralen Garanten, die offene Willenserklärung durch den Erblasser und die Vertraulichkeit des Errichtungsakts formuliert.1086 Unter Vertraulichkeit fällt nicht nur die Verschwiegenheitspflicht der Mitwirkenden in Bezug auf den Testierakt, sondern auch die Abwesenheit von Personen, die ein unmittelbares oder mittelbares Interesse am Inhalt des Testaments haben.1087 In dieser Hinsicht können gesetzliche Testierverbote für Mitwirkende1088 und das notarielle Beurkundungsrecht für nicht mitwirkende Anwesende entsprechende Vorkehrungen treffen. 2. Formwahlfreiheit erhalten Da eine solche Schutzform nur dann erforderlich ist, wenn der Erblasser sich in einer für seine freie Willensbildung gefährlichen Lage befindet, erscheint es nicht angemessen, die Formwahlfreiheit im Testamentsrecht insgesamt zugunsten einer den Schutz des Erblassers am besten sichernden Form aufzugeben. Dies stünde nicht bloß im Widerspruch mit der hier geforderten und im Rechtsvergleich festzustellenden Tendenz zur Stärkung privatautonomer Gestaltung im Erbrecht,1089 sondern müsste auch als unverhältnismäßige Maßnahme abgelehnt werden, zumal eine solche zwingende Schutzform die Ausübung der Testierfreiheit in vielen Fällen ohne hinreichende Rechtfertigung erheblich erschweren würde. Außer in Fällen, in denen aufgrund der Verletzlichkeit des Erblassers eine Schutzform zur Sicherung der Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers bei der Errichtung erforderlich ist, muss daher jedenfalls auch eine Form zur Verfügung stehen, die geringere, jederzeit und an jedem Ort leicht erfüllbare Anforderungen an die Testamentserrichtung stellt. Insofern ist für Erblasser, bei denen keine Gefahr einer unzulässigen Willensbeeinflussung durch Dritte besteht, an der eigenhändigen
1086 1087 1088 1089
Vgl. dazu oben § 4 II.8. Vgl. dazu oben § 4 II.8.c). Vgl. dazu oben § 5 III.2. Braun, ZEuP 2012, 461–483.
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Testamentsform festzuhalten.1090 Testierfreiheit ernst zu nehmen, bedeutet auch, ihre Ausübung nicht ohne gerechtfertigten Grund zu erschweren. 3. Flexibilität zulassen Die Vorkehrungen zum Schutz des Erblassers dürfen nicht vollkommen starr ausgestaltet sein, denn dies führt im Einzelfall leicht zu unsachgemäßen Lösungen, die das Schutzziel der Maßnahmen konterkarieren. Ein allzu starres Schutzkorsett könnte nämlich Selbstbestimmung sogar verhindern, weshalb darauf zu achten ist, dass dem Erblasser durch entsprechende Hürden nicht faktisch die Möglichkeit zur selbstbestimmten Testamentserrichtung genommen wird. Wer zugunsten eines Heimbediensteten testieren möchte, soll dies unter gewissen Voraussetzungen dürfen. Ein absolutes Verbot würde dem Schutzgedanken nicht gerecht. Über Vermutungsregeln könnten auch besondere Umstände berücksichtigt werden, die im Einzelfall – trotz aller objektiv begründbaren Einwände – eine selbstbestimmte Entscheidung als gegeben erkennen lassen müssen. Ferner sollen die Schutzmechanismen nur dort in die Testierfreiheit eingreifen, wo eine besondere Gefährdungslage erkennbar ist. Wo dagegen eine solche Gefährdung objektiv nicht zu erwarten ist, muss von einem Schutz durch Einschränkung der Testierfreiheit abgesehen werden, denn ein solcher Eingriff entbehrt in diesen Fällen eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes. II. Formwahlbeschränkungen in Gefährdungslagen Als ein durchaus erfolgversprechender, im geltenden Recht bereits bekannter1091 Weg erweist sich bei Schutzvorkehrungen die Einschränkung der Formwahlfreiheit. Dadurch können nämlich äußere Bedingungen geschaffen werden, die eine Druckausübung auf den Willen des Erblassers erschweren bzw. unmöglich machen. Im Folgenden wird unter Bezugnahme auf die erwähnten Leitkriterien ein Modell diskutiert, das gerade unter schwierigen Umständen Muscheler weist darauf hin, dass aufgrund der Leichtigkeit und Bequemlichkeit sowie der Ortsunabhängigkeit der Errichtung eines eigenhändigen Testaments die Testierfreiheit „in praktischer Hinsicht umgesetzt“ und „für jedermann spürbar“ werde. Muscheler, Erbrecht Bd. 1 876. Für ein Festhalten am eigenhändigen Testament, trotz der offenkundigen Vorzüge des notariellen Testaments, vgl. für Frankreich Bahurel, Volontés 348. Einerseits widerspräche ein solches Verbot des eigenhändigen Testaments dem Zweck des Formalismus, der darin bestehe, den Willen des Erblassers wirksam werden zu lassen und ihn nicht zu verhindern. Andererseits würde ein solcher Vorschlag verkennen, dass im Testamentsrecht nicht Vernunft und Logik, sondern Gewohnheit und das Freiheitsgefühl der Bürger entscheidend seien. Im Übrigen sei das Verhältnis zwischen notariellem und eigenhändigem Testament so zu sehen, dass das eigenhändige Testament für den Großteil der Erblasser passe, während die öffentliche Testierform nur von jenen gewählt würde, die Zweifel an der Umsetzung ihres letzten Willens hätten und daher besonders sicher gehen möchten, dass ihr Testament wirksam werde. 1091 Vgl. dazu oben § 4 II.4. 1090
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ein gewisses Maß an Schutz gewähren könnte und damit dem Ziel der Stärkung der Selbstbestimmung von Erblassern in Abhängigkeitssituationen näher kommen könnte. Dabei werden als Ausgangspunkte zwei Modelle vorangestellt, die als Ergebnis jüngerer gesetzgeberischer Entscheidungen in Katalonien und Kalifornien zum Schutz verletzlicher Erblasser eingeführt wurden. 1.
Die inhabilidad sucesoria im katalanischen Erbrecht
Das katalanische Erbrecht enthält seit der Erbrechtsreform des Jahres 2008 eine neue Bestimmung (Art. 412-5 Abs. 2) in Bezug auf natürliche und juristische Personen und die bei diesen beschäftigten Pfleger. Demnach können Personen, die aufgrund einer vertraglichen Beziehung zugunsten des Erblassers Pflegeleistungen, Heimleistungen und ähnliche Leistungen erbringen, im Testament nicht begünstigt werden. Dieses Verbot gilt indes nicht, wenn das Testament offen vor einem Notar errichtet oder ein Erbvertrag geschlossen wurde.1092 Diese Vorschrift wurde in der für die Reform eingesetzten Expertengruppe sowie im katalanischen Parlament eingehend diskutiert und fand schließlich als parteiübergreifend getragene Abänderung zum ursprünglichen Reformvorschlag Eingang in das neue katalanische Erbrecht.1093 In der Präambel des neuen Gesetzes wird darauf hingewiesen, dass die Entscheidung gegen ein Testierverbot zulasten dieser Personen gefallen sei, weil eine solche strenge Regelung nicht zu einer gerechten Lösung beigetragen hätte. Um das Risiko der Fremdbestimmung dennoch zu mindern, sei es aber angemessen erschienen, in den vom Gesetz erfassten Fällen zumindest ein offenes notarielles Testament zu verlangen.1094 2. Kritik In der Diskussion wurde diese Vorschrift des katalanischen Erbrechts als lobenswerter, allerdings nicht vollends zufriedenstellender Regelungsversuch
1092 Art. 412-5 Abs. 2 kat. C. civ.: „Las personas físicas o jurídicas y los cuidadores que dependen de las mismas que hayan prestado servicios asistenciales, residenciales o de naturaleza análoga al causante, en virtud de una relación contractual, solo pueden ser favorecidos en la sucesión de este si es ordenada en testamento notarial abierto o en pacto sucesorio.“ 1093 Bulletí Oficial del Parlament de Catalunya, Nr. 280 vom 11.6.2008, 55. Vgl. dazu auch Vaquer Aloy, RJN 46 (2008) 85. 1094 „El libro cuarto no ha optado por inhabilitar a estas personas, entendiendo que una regla tan drástica podría dar lugar a situaciones injustas, pero, a fin de reducir el riesgo de captación de la voluntad, ha parecido oportuno exigir, en estos casos, que la disposición se realice en testamento notarial abierto.“
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zum Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung bewertet.1095 Vor allem wurde kritisiert, dass es sich trotz seiner systematischen Einordnung unter die Fälle der Erbunfähigkeit (inhabilidad sucesoria) um keinen Fall von Erbunfähigkeit handle. Diese Kritik ist natürlich berechtigt, denn die betroffenen Personen werden in ihrer Erbfähigkeit nicht beschränkt. Vielmehr handelt es sich um eine Beschränkung der Formwahlfreiheit des Erblassers, sofern er sich dazu entscheidet, seine Pfleger testamentarisch zu begünstigen. Damit legt die Bestimmung den Schutz der Willensfreiheit des Erblassers in die Hände des notwendig anwesenden Notars. Abgesehen von der unrichtigen rechtlichen Einordnung als Erbunfähigkeitsgrund1096 wurde kritisiert, dass die Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf vertragliche Pflege- und Heimdienstleister eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes entbehre. Dies lasse die Anwendung dieser Vorschrift bei öffentlichen Pflegedienstleistern sowie bei wohltätigen Pflegeeinrichtungen und freiwilligen Pflegehelfern zweifelhaft erscheinen, obwohl gerade in diesen unentgeltlichen Bereichen ein besonderer Bedarf für den Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung bestehe.1097 Vom persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeschlossen sind durch diese Beschränkung auf vertraglich gebundene Pflegedienstleister freilich alle Verwandten, Verschwägerten, Bekannten und Nachbarn, die auf den Erblasser ebenfalls Druck ausüben können,1098 ohne dass es hierfür gerade im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit des Erblassers auch im engsten Familienkreis eine Rechtfertigung gäbe. Darüber hinaus ist die Bestimmung insofern nicht flexibel, als sie in Bezug auf Pflegedienstleister stets und ausnahmslos die öffentliche Testamentsform verlangt, selbst wenn im Einzelfall zweifelsfrei feststeht, dass der Erblasser die Verfügung aus freiem Willen errichtet hat: so etwa, wenn der Pfleger bis zur Eröffnung des Testaments von der Begünstigung nachweislich keine Kenntnis hatte. Im Ergebnis zeigt sich, dass die katalanische Vorschrift zwar in die richtige Richtung weist, weil sie kein Testierverbot ausspricht, sondern durch Form die Selbstbestimmungsfreiheit vor äußerem Druck zu sichern versucht; der Regelung mangelt es aber an der erforderlichen Flexibilität und Zielsicherheit. Sie greift selbst dort in die Testierfreiheit ein, wo dies aufgrund der Umstände des Einzelfalls für den Schutz der Selbstbestimmung des Erblas1095
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Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/García Rubio, Art. 753 Código civ. Bd. II Vgl. dazu oben, § 5 II.2.a). Cañizares/de Pablo/Orduña Comentario/García Rubio, Art. 753 Código civ. Bd. II
1098 Allgemein zu dieser Frage: Röthel, AcP 210 (2010) 62: „Umgekehrt bliebe bei dieser berufsgruppenbezogenen Betrachtung außer Betracht, dass gerade die Familie, zumal unter den Anforderungen und Überforderungen dauernder Pflege am Lebensende, zu einem Ort machtvoller Beherrschung mutieren kann.“
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sers nicht erforderlich ist. Gleichzeitig hinterlässt sie große Schutzlücken in ihrem persönlichen Anwendungsbereich. Dies folgt nicht bloß aus dem Ausschluss von unentgeltlich Pflegenden, sondern auch daraus, dass andere Vertrauenspersonen (etwa der Betreuer, der Arzt oder andere Heilberufe im weitesten Sinne etc.), zu denen ähnliche Abhängigkeitslagen bestehen können, nicht erfasst sind. 3. Certificate of independent review im kalifornischen Recht Das Erbrecht Kaliforniens sieht bei Verfügungen zugunsten des Testamentsschreibers und familienfremder Pflegedienstleister einschließlich deren verwandtschaftlich oder geschäftlich nahestehenden Personen eine Vermutung für die Ausübung unzulässiger Beeinflussung (undue influence) vor (§ 21380 Cal. Prob. Code). Diese Vermutung kann entkräftet werden, wenn eindeutig und überzeugend bewiesen wird, dass keine unzulässige Beeinflussung stattgefunden hat. Bei Zuwendungen an den Testamentsschreiber und diesem verwandtschaftlich oder geschäftlich nahestehende Personen (§ 21380 b) Cal. Prob. Code) gilt die Vermutung absolut. Von dieser Vermutung sind laut § 21382 Cal. Prob. Code generell Verwandte und Verschwägerte des Erblassers bis zum vierten Grad, die als Testamentsschreiber oder Pflegedienstleister1099 fungieren, sowie Lebensgefährten ausgenommen. Ebenso unanwendbar ist die Vermutung bei Begünstigten in einem vom Betreuungsgericht genehmigten Testament bei Zuwendungen an öffentliche Körperschaften oder an steuerbefreite Einrichtungen sowie bei Zuwendungen bis zu einer Höhe von 5.000 US-Dollar bei Nachlässen mit einem Gesamtwert über 150.000 USDollar. Schließlich ist diese Vermutung auch dann ausgeschlossen, wenn das Testament außerhalb Kaliforniens errichtet wurde und der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seinen Wohnsitz nicht in Kalifornien hatte. Überall dort, wo die Vermutung unzulässiger Einflussnahme zur Anwendung gelangt, kann diese beseitigt werden, indem gemäß § 21384 Cal. Prob. Code ein neutraler Anwalt1100 (independent attorney) den Erblasser über die Dabei ist Pflegedienstleister gemäß § 21362(a) (care custodian) jeder, der Gesundheits- oder Sozialdienste zugunsten des Erblassers erbringt. Ausgenommen sind Personen, die unentgeltlich aufgrund von Freundschaft oder persönlicher Beziehungen erbracht werden, sofern diese Beziehungen mindestens 90 Tage vor der Diensterbringung entstanden und insgesamt mindestens sechs Monate vor dem Tod des Erblassers und jedenfalls vor Eintritt in ein Hospiz bestanden haben. Unentgeltliche Zuwendungen zählen dabei nicht als Entgelt. Als Gesundheits- und Sozialdienste sind all jene Dienste zu verstehen (§ 21362(b)), die ein „abhängiger Erwachsener“ aufgrund seiner Abhängigkeitssituation entgegennimmt. Dazu zählen die Verabreichung von Medizin, ärztliche Untersuchungen, Wundbehandlung, Körperpflege, Unterhaltung, Haushaltsführung, Einkaufen, Kochen und Unterstützung in Geldangelegenheiten. 1100 Handelt es sich um Begünstigungen eines Pflegedienstleisters, kann dies auch der Testamentsschreiber sein (§ 21384 c)). 1099
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Art und die Wirkungen der beabsichtigten Zuwendung informiert und ihm erklärt, welche Folgen diese Zuwendung für die Erben und andere zu einem früheren Zeitpunkt Begünstigte des Erblassers hat. Diese Aufklärung, die auch dazu dienen soll, herauszufinden, ob der Erblasser unzulässig beeinflusst wurde, muss in Abwesenheit der Erben bzw. im Testament Begünstigter erfolgen. Die Überprüfung des wahren Willens des Erblassers durch den unabhängigen und somit am Testamentsinhalt weder unmittelbar noch mittelbar interessierten Anwalt ist schriftlich in einem certificate of independent review festzuhalten. Mittels dieses förmlichen Mehraufwands kann somit die Vermutung unzulässiger Beeinflussung des Erblassers beseitigt werden. Daher kann auch in Bezug auf diese kalifornische Regelung zumindest funktional von einer Formwahlbeschränkung (durch erhöhte Formanforderungen) bei Begünstigungen bestimmter Vertrauenspersonen (Testamentsschreiber, Pflegedienstleister) gesprochen werden. 4. Kritik Die kalifornische Regelung ist hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs ähnlich lückenhaft wie die katalanische Schutzvorschrift. Dabei erweist sich bereits die Einschränkung auf Pflegedienstleister und Testamentsschreiber als willkürlich, denn sie unterstellt, dass gerade diese Personengruppen auf den Erblasser unzulässigen Einfluss ausüben. Dabei wird offenbar übersehen, dass eine Reihe weiterer Vertrauenspersonen den Erblasser abhängig machen und seine freie Willensbildung stören können. Ferner ist kritisch anzumerken, dass die Einschränkungen des persönlichen Anwendungsbereichs in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem behaupteten Schutzzweck der Vorschrift stehen. Durch die Ausnahme von Verwandten und Verschwägerten bis zum vierten Grad sowie des Lebensgefährten von der Vermutung wird auch in dieser Regelung der latente Zweck des Gesetzgebers sichtbar, das Familienvermögen zusammenzuhalten und die engsten Familienangehörigen als Erben vor einem Abfluss des Vermögens an Dritte zu schützen. Dem Ziel, den Erblasser möglichst vor Fremdbestimmung zu schützen, widerspricht diese Ausnahme, denn es bedarf keiner großen Vorstellungskraft, um zu erkennen, dass auch (und wohl gerade) aus dem Kreis der engsten Familienangehörigen Druck auf den Erblasser ausgeübt werden kann. Die Funktion des Testamentsschreibers bzw. des Pflegeleistenden wird häufig ein enger Verwandter übernehmen. Für ihn soll aber die Vermutung unzulässiger Einflussnahme auf den Erblasser gerade nicht gelten. Ebenso problematisch hinsichtlich der Erreichung des Normzwecks erweisen sich die weiteren Ausnahmen für Verfügungen bis zu einem Wert von 5.000 US-Dollar sowie für Verfügungen an öffentliche und steuerbegünstigte Einrichtungen. Weder die Höhe der Zuwendung noch die steuerliche Behandlung des Empfängers lassen einen Schluss darauf zu, ob Fremdbestimmung stattgefunden hat oder ausgeschlossen werden kann.
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Die Ausgestaltung der Schutzvorschrift über eine Vermutung ist zwar aufgrund der damit einhergehenden Flexibilität der Lösung insgesamt als positiv hervorzuheben. Indes bürdet diese Regelung dem Erblasser zu viele Förmlichkeiten auf. Der Weg zu einem weiteren Anwalt nach vollständiger Errichtung eines Testaments zur Einholung eines certificate of independent review, um die Vermutung unzulässiger Einflussnahme auszuschließen, erweist sich wohl häufig als eine als lästig empfundene Formalität, durch die der bereits geäußerte Wille des Erblasser noch einmal in Frage gestellt wird. Die Aufgabe dieses neutralen Anwalts, den Erblasser über die Folgen seiner Verfügungen aufzuklären, kann im Nachhinein auch den Eindruck erwecken, der Erblasser müsse seine Entscheidungen, aufgrund derer die engsten Familienangehörigen ausgeschlossen werden, besonders begründen und stellt somit die Testierfreiheit als Entscheidungsfreiheit des Erblassers in Frage. Will man dieses certificate of independent review nicht als reine Formalität ansehen, so kann sie leicht als eine für die Freiheit des Erblassers durchaus problematische, staatlich angeordnete Gewissenserforschung zum Schutz der engsten Verwandten verstanden werden. 5. Anforderungen und Ausgestaltung eines wirksamen Schutzinstruments a) Persönlicher Anwendungsbereich Der heikelste Punkt bei der Ausgestaltung einer Vorschrift zum Schutz der selbstbestimmten Willensbildung des Erblassers betrifft die Eingrenzung des Kreises jener Personen, hinsichtlich derer eine Beschränkung der Testierfreiheit, insbesondere der Formwahlfreiheit des Erblassers, gerechtfertigt erscheint. Dabei stellen sich vor allem die Fragen, welches Abgrenzungskriterium herangezogen werden soll und ob allenfalls Ausnahmen für bestimmte nahestehende Personen, insbesondere Verwandte oder auch für Freunde, gemacht werden sollen. Im Vergleich zur katalanischen und kalifornischen Vorschrift ist der persönliche Anwendungsbereich der Schutzbestimmung jedenfalls zu erweitern. Wenn man es nämlich mit dem Schutz des Erblassers vor Fremdbestimmung ernst meint, dann muss die Formwahlbeschränkung über vertragliche Pfleger hinaus auf alle Situationen erweitert werden, die geeignet sind, die freie Willensbildung des Erblassers zu gefährden. Die freie Willensbildung kann freilich nur geschützt werden, wenn der Erblasser noch testierfähig und damit zu einer freien Willensbildung überhaupt noch in der Lage ist. Das Vorliegen der Testierfähigkeit ist somit jedenfalls unabdingbare Voraussetzung für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung.
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aa) Keine Anknüpfung am Alter des Erblassers Zuletzt wurde vorgeschlagen, eine Formwahlbeschränkung zugunsten des öffentlichen Testaments einzuführen, die an einer bestimmten, nicht näher definierten und von „weiteren empirischen Untersuchungen“ abhängig gemachten Altersgrenze des Erblassers ansetzt. Da der Erblasser sich ein Urteil darüber zu bilden habe, welche Tragweite seine Anordnungen hätten und welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausüben, sei es „zwingend, ebenfalls [wie bei Minderjährigen] eine Altersgrenze zu bestimmen, ab der Testierende in hohem Alter ihre letztwillige Verfügung nur gegenüber dem Notar errichten können, ohne in ihrer Testierfreiheit in irgendeiner Weise beschränkt zu sein.“1101
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie der Schutz des Erblassers und der Erben sprächen dafür, den Erblasser in hohem Alter, ähnlich wie Minderjährige, auf ein öffentliches Testament zu verweisen.1102 Die Anknüpfung der Formwahlbeschränkung an eine Altersgrenze1103 ist indes schlechthin ungeeignet, den Erblasser1104 vor Fremdbestimmung wirksam zu schützen. Wer nämlich ein bestimmtes, auch hohes Alter erreicht hat, ist allein deshalb noch nicht schutzbedürftig. Daher stellt ein Eingriff in die Testierfreiheit,1105 der ausschließlich am Alter des Erblassers anknüpft, eine altersdiskriminierende Maßnahme dar, die sachlich nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass der Erblasser in seiner freien Willensbildung geschützt werden soll. Es ist nämlich nicht das Alter, das den Erblasser der Gefahr von Fremdbestimmung aussetzt, sondern eine bestimmte Abhängigkeitslage, in der er sich (auch unabhängig von seinem fortgeschrittenen Alter) befindet. Dass es in den allermeisten Fällen um Personen in hohem Alter geht, die der Gefahr von Fremdbestimmung ausgesetzt sind, darf nicht den Blick darauf verstellen, dass das Alter allein noch nichts darüber aussagt, ob eine Gefährdungslage für die selbstbestimmte Willensbildung des Erblassers besteht. An eine Altersgrenze kann daher, bei aller Rechtssicherheit, die dieses Kriterium auch mit sich bringen würde, nicht sachgerecht angeknüpft werden. Busch, ErbR 2014, 93 f. Busch, ErbR 2014, 93. 1103 Die Festsetzung dieser Altersgrenze, für die der Vorschlag auf „weitere empirische Untersuchungen“ verweist, ist freilich ein weiteres unlösbares Problem dieses Vorschlags. Jeder konkrete Vorschlag einer Altersgrenze muss willkürlich erscheinen und Widerspruch erzeugen. 1104 Für ein rechtlich schützwürdiges Interesse der gesetzlichen Erben oder Familienangehörigen, wie es der Vorschlag postuliert, gibt es außerhalb der Grenzen des Pflichtteilsrechts keinen Platz. Vgl. dazu oben § 2 II.4.a); § 2 II.5.c)ff). 1105 Der Vorschlag verkennt, dass auch die Beschränkung der Formwahlfreiheit, d. h. der Verweis auf das öffentliche Testament, einen Eingriff in die Testierfreiheit des Erblassers darstellt. Dazu bereits oben, § 4 I.3.a)aa). 1101 1102
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bb) Anknüpfung an eine Abhängigkeitslage des Erblassers Sachlich gerechtfertigt kann eine Formwahlbeschränkung nur dann sein, wenn der Erblasser sich tatsächlich in einer Situation befindet, die seine freie Willensbildung gefährdet. Abzustellen ist daher weder auf spezifische Eigenschaften oder Qualitäten des Erblassers noch auf spezifische Funktionen (etwa Berufszugehörigkeit) des Begünstigten, sondern auf das zwischen dem Erblasser und dem Begünstigten bestehende Verhältnis. Es muss daher darauf ankommen, ob zwischen Erblasser und Begünstigtem eine Abhängigkeitslage besteht, die geeignet ist, die freie Willensbildung des Erblassers zu gefährden. Zu denken ist dabei etwa an den Gepflegten in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen, an das Verhältnis zum Betreuer und den Vorsorgebevollmächtigten, darüber hinaus aber auch an jenes zum behandelnden Arzt und Ausübenden anderer Heilberufe im weitesten Sinne sowie an das Verhältnis zu geistlichen Begleitern, die den Erblasser unter Druck setzen und seine selbstbestimmte Willensbildung gefährden können. Um Schutzlücken möglichst zu vermeiden, ist hier für eine allein auf die Abhängigkeitslage zwischen Erblasser und Begünstigtem abstellende Generalklausel zu plädieren, die eine Konkretisierung der einzelnen Anwendungsfälle durch die Rechtsprechung erlaubt. Eine feste Begrenzung auf bestimmte Erblasser oder Begünstigte aus bestimmten Berufsgruppen ist nämlich unvermeidlich lückenhaft und notwendig diskriminierend.1106 Eine generalklauselartige Formulierung lässt zwar zunächst Unsicherheit darüber entstehen, was unter einem Abhängigkeitsverhältnis zu verstehen ist, das geeignet ist, die freie Willensbildung des Erblassers zu gefährden und welche Personengruppen daher vom persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst sind. Die flexible Gestaltung (dazu gleich unter b)) sollte die negativen Folgen einer solchen anfänglichen Rechtsunsicherheit aber weitgehend auffangen können. Im Übrigen kann überall dort, wo ein Zweifel besteht, schon allein der Zweifel die Formwahlbeschränkung berechtigt erscheinen lassen, sodass die Schutzwirkung einer entsprechenden Vorschrift mit Generalklausel am weitesten reicht und tendenziell alle problematischen Fälle zu erfassen vermag. So kann etwa die Abhängigkeitslage zu Wunderoder Geistheilern ebenso Berücksichtigung finden, wie zu Seelsorgern, Religionsgemeinschaften oder ähnlichen Vereinigungen, von denen entsprechender Druck ausgehen kann. Ferner müssen vom subjektiven Anwendungsbereich der Vorschrift auch Personen erfasst sein, die in einem besonderen Näheverhältnis (etwa Ehegat-
In Bezug auf einzelne Berufsgruppen entsteht ein Generalverdacht, der nicht zu rechtfertigen ist: Röthel, AcP 210 (2010) 62. 1106
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ten, Lebenspartner, Lebensgefährte, Verwandte in gerader Linie) zum Begünstigten stehen, um Umgehungsgeschäfte zu vermeiden.1107 cc) Kein grundsätzlicher Ausschluss für Ehepartner und sonstige Verwandte Der Ausschluss nächster Verwandter, wie dies etwa bei den Testierverboten im französischen Recht, bei der Vermutungsregel im kalifornischen Recht oder mittelbar aufgrund des erforderlichen Vertragsverhältnisses auch im katalanischen Recht erfolgt, mag zwar auf den ersten Blick einleuchten. Vom Standpunkt des Schutzes des Erblasserwillens aus kann ein solcher Ausschluss aber nicht überzeugen, denn auch oder gerade Ehegatten und Verwandte können auf den Erblasser unzulässigen Druck ausüben und nehmen ihm so seine Entscheidungsfreiheit. Dies erkennt der Gesetzgeber bei der Formwahlbeschränkung bei Minderjährigen gemäß § 2233 Abs. 1 BGB an und schafft daher keine Ausnahme für Eltern und andere Verwandte des minderjährigen Erblassers, mag diese mangelnde Ausnahme auch in dieser Konstellation zumindest teilweise durch das gesetzliche Erbrecht kompensiert sein. Dabei spricht freilich für eine Ausnahme zugunsten von Ehegatten und Verwandten die unbestreitbare Tatsache, dass einerseits meist Ehegatten und/oder Verwandte für den Erblasser sorgen und andererseits Erblasser häufig, ja wohl typischerweise, den Willen haben, den Ehegatten oder nächste Verwandte zu begünstigen. Dies trifft wohl umso mehr zu, wenn sie für den Erblasser gesorgt und ihn gepflegt haben. In diesen Fällen würde es wohl zumindest auf den ersten Blick dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden widersprechen, wenn dieser Wille an einer erschwerten Formvoraussetzung scheitern müsste, besonders dann, wenn das gesetzliche Erbrecht den pflegenden Angehörigen nicht oder nicht in demselben Ausmaß begünstigt. Bei allem Verständnis für diese Bedenken ist jedoch immer zu berücksichtigen, dass in Fällen, in denen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das zur Beeinträchtigung der freien Willensbildung des Erblassers geeignet ist, aufgrund der nicht eingehaltenen Form, Fremdbestimmung nicht ausgeschlossen werden kann und somit ernsthafte Zweifel an der selbstbestimmten Errichtung der letztwilligen Verfügung aufkommen müssen. Im Übrigen setzt man eine Regelung, die für nahe Verwandte eine Ausnahme schafft, dem nicht unbegründeten Verdacht aus, dass der eigentliche Schutzzweck nicht auf die Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers zielt, sondern auf die nächsten Verwandten, denen der Nachlass nicht zugunsten Dritter entzogen werden soll. Wann freilich ein solches Abhängigkeitsverhältnis zu Verwandten und Ehegatten besteht, ist sicherlich keine einfach zu lösende Frage. So denke man etwa an den vermutlich häufig vorkommenden Fall einer Ehefrau, die ihren 1107 Vgl. etwa die Fälle, in denen Angehörige des Betreuers einegesetzt wurden: BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369; ähnlich: OLG Braunschweig 4.11.1999, ZEV 2000, 448 = FamRZ 2000, 1189. Vgl. oben § 4 II.6.a)dd).
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Ehemann bei zunehmender Gebrechlichkeit pflegt und für ihn sorgt, ohne dass dieser seine Selbständigkeit vollkommen verloren hat. In diesem Fall besteht eine gewisse Abhängigkeit von den Diensten der Ehefrau, aber möglicherweise wird sie im Eheverhältnis gar nicht als solche empfunden. Unabhängig von diesen subjektiven Eindrücken, sollte jedoch auch hier ein objektiver Maßstab zur Anwendung gelangen. Wenn der Ehemann ohne die Unterstützung der Ehefrau nicht mehr selbständig für sich sorgen konnte, befindet er sich in einem Abhängigkeitsverhältnis, wodurch er für Fremdbestimmung anfällig wird, sodass die verschärfte Formpflicht bei letztwilligen Verfügungen angebracht erscheint. Die Praxis lehrt, dass gerade in Fällen schwerer Gebrechlichkeit die Errichtung eines eigenhändigen Testaments ohnehin nicht mehr in Frage kommt (z. B., weil der Erblasser keinen zusammenhängenden Text mehr handschriftlich anfertigen kann) und daher in vielen so gelagerten Fällen bereits heute die öffentliche Errichtungsform gewählt wird. Zum Schutz vor Fremdbestimmung des Erblassers ist bei Vorliegen eines entsprechenden Abhängigkeitsverhältnisses eine Erstreckung der öffentlichen Beurkundungspflicht 1108 auch auf nahe Angehörige sowie alle sonstigen freiwillig für den Erblasser sorgenden Verwandten unvermeidlich. Von der verschärften Formpflicht profitieren im Ergebnis freilich auch die begünstigten Ehepartner1109 und Verwandten,1110 denn sie sind damit von jedem Verdacht der unzulässigen Einflussnahme auf den Erblasserwillen befreit. Die verschärfte Formpflicht als Schutzform darf aber wiederum nicht starr ausgestaltet sein. Wenn nämlich im Einzelfall trotz Abhängigkeitsverhältnis und Nichteinhaltung der verschärften Formanforderung ausgeschlossen werden kann, dass der Erblasser seine letztwillige Verfügung frei und unbeeinflusst errichtet hat, darf diese nicht an der Form scheitern und ist somit als gültig anzuerkennen. dd) Kein Ausschluss für unentgeltliche Dienstleister Wer den Erblasser unentgeltlich pflegt, fällt nicht unter die katalanische Schutzvorschrift, da nur vertragliche Pflegedienstleister von einer Begünstigung ohne entsprechende Form ausgeschlossen sind. Auch nach kalifornischem Recht sollen unentgeltlich tätige Dienstleister von der Vermutung unzulässiger Beeinflussung nicht erfasst sein, sofern sie den Erblasser zumindest 90 1108 Zu den Anforderungen an die Form vgl. bereits oben § 4 II.8. sowie sogleich § 6 II.5.c). 1109 Dies gilt freilich besonders für Ehepartner aus einer zweiten Ehe, die sich hinsichtlich ihrer Begünstigung bestimmten Verdächtigungen vonseiten der Kinder aus erster Ehe ausgesetzt sehen könnten. 1110 Etwa einzelne Kinder, die von ihren Geschwistern nach dem Tod des Erblassers verdächtigt werden, die Pflege des Erblassers dazu missbraucht zu haben, um den Erblasser unzulässig bei seiner letztwilligen Verfügung zu beeinflussen.
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Tage vor Diensterbringung und insgesamt mindestens sechs Monate vor dessen Tod bzw. vor Eintritt in ein Hospiz kannten (§ 21362 Cal. Prob. Code). Wer aus Freundschaft oder Solidarität unentgeltlich Dienste zugunsten eines von diesen Diensten abhängigen Erblassers erbringt, muss wissen, dass er sich dadurch einen besonderen Zugang zu einem Erblasser verschafft, der aufgrund der Abhängigkeitssituation für Fremdbestimmung anfällig ist und daher eines besonderen Schutzes bedarf. Es sollte daher im Sinne des Schutzes des freien Willens des Erblassers auch für nicht verwandte unentgeltlich handelnde Dienstleister keine Ausnahmen von der verschärften Formpflicht geben. Dies mag zwar bei selbstlos handelnden, dem Erblasser freundschaftlich verbundenen Personen auf den ersten Blick unangemessen streng erscheinen. Durch die Einhaltung der verschärften Formpflicht wird aber nicht nur der Erblasser von einer stets in allen Vertrauensverhältnissen möglichen Fremdbestimmung geschützt, sondern es bleibt auch der begünstigten Vertrauensperson erspart, sich später mit dem Verdacht konfrontiert zu sehen, ihre Vertrauensstellung zu ihren eigenen Gunsten ausgenützt zu haben. Im Übrigen soll die verschärfte Formpflicht stets flexibel ausgestaltet sein, sodass die Vermutung von Fremdbestimmung nicht anwendbar ist, wenn auf andere Weise eindeutig festgestellt wird, dass auf den Erblasser kein unzulässiger Einfluss ausgeübt wurde. b) Flexibilisierung: Ausgestaltung als Vermutungsregel Die Vorschrift ist möglichst flexibel auszugestalten, denn eine testamentarische Verfügung kann nach dem Tod des Erblassers naturgemäß nicht wiederholt werden und ist somit im Sinne des favor testamenti nach Möglichkeit zu erhalten. Die Formwahlbeschränkung soll nur dann einer nicht in entsprechender Form errichteten testamentarischen Verfügung im Wege stehen, wenn feststeht, dass der Erblasser nicht frei und selbstbestimmt verfügt hat. Die Formwahlbeschränkung ist somit als Vermutungsregel auszuformulieren. Demnach gilt die Vermutung, dass eine testamentarische Verfügung zugunsten einer Person, von welcher der Erblasser so abhängt, dass seine selbstbestimmte Willensbildung gefährdet ist, selbstbestimmt zustande gekommen ist, wenn sie in der erforderlichen Form errichtet wurde. Mangelt es an dieser Form, so soll die gegenteilige Vermutung gelten, dass die entsprechende (und nur diese) Verfügung nicht selbstbestimmt zustande gekommen ist, es sei denn, es lässt sich anderweit feststellen, dass die erblasserische Entscheidung frei von Druck und Fremdbestimmung errichtet wurde. Dies kann über die Konstruktion eines relativen Formzwangs nach der Art des § 2249 Abs. 5 BGB (Zeit- und Ortsangabe im eigenhändigen Testament) umgesetzt werden. Wenn also glaubhaft gemacht werden kann, dass der Begünstigte von der letztwilligen Verfügung keine Kenntnis hatte oder wenn aufgrund der beson-
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deren Umstände des Einzelfalls keine Zweifel darüber bestehen können, dass der Wille selbstbestimmt und frei von Druck zustande gekommen ist, ist die Verfügung trotz Missachtung der verschärften Formpflicht gültig. c) Erforderliche Form An die erforderliche Schutzform sind strenge Anforderungen zu stellen, die im deutschen Testamentsformrecht und Beurkundungsrecht nur zum Teil erfüllt sind. Sie sollen den weiter oben formulierten Formvoraussetzungen entsprechen.1111 Bei gefährdeten Erblassern in Abhängigkeitslagen ist sicherzustellen, dass der gesamte Errichtungsakt in Anwesenheit eines neutralen Dritten erfolgt, der über die selbstbestimmte Willensbildung des Erblassers wacht. Diese Funktion kann nicht erfüllt werden, wenn der Notar ein bereits verfasstes und in einem Umschlag verschlossenes Testament entgegennimmt und sodann lediglich bestätigt, der Erblasser habe es (möglicherweise sogar in Anwesenheit des Testamentsschreibers) als sein Testament erklärt. Diese Funktion ist darüber hinaus selbst dann nicht erfüllt, wenn der Erblasser einen vorbereiteten Text mit der bloßen Erklärung übergibt, es handle sich um seinen letzten Willen. Daher ist in Anlehnung an die Formwahlbeschränkung für das Testament Minderjähriger (§ 2233 Abs. 1 BGB) bei Personen in Abhängigkeitslagen das offene notarielle Testament durch Erklärung unter Ausschluss anderer Errichtungsformen1112 vorzusehen. Im Gegensatz zum Minderjährigentestament sollte entsprechend der Formwahlbeschränkung bei Leseunfähigen (§ 2233 Abs. 2 BGB) auch die Errichtung eines öffentlichen Testaments durch Übergabe einer offenen Schrift ausgeschlossen sein, denn sie birgt gerade bei Erblassern in Abhängigkeitslagen, denen solche Testamente leicht aufgedrängt oder untergeschoben werden können, zu hohe Gefahren der Fremdbestimmung. Hinsichtlich der Erklärung gegenüber dem Notar sollte im Gegensatz zum geltenden Beurkundungsrecht auf die Mündlichkeit der Erklärung nur ausnahmsweise dann verzichtet werden, wenn der Erblasser zu einer mündlichen Verständigung nicht (mehr) in der Lage ist.1113 Ist eine solche mündliche Verständigung nicht möglich, dann muss zumindest eine objektiv nachvollziehbare Verständigung1114 zwischen Notar und Erblasser über den TestaVgl. dazu oben § 4 II.8. Unter den Voraussetzungen des § 2248 BGB wäre, wie bei Minderjährigen, ausschließlich das Nottestament vor dem Bürgermeister zulässig. Unzulässig wäre dagegen das Nottestament vor drei Zeugen gemäß § 2250 BGB. 1113 Vgl. in diesem Sinne auch Reimann, FamRZ 2002, 1384; Soergel/Mayer, § 2232 Rn. 10; Muscheler, Erbrecht Bd. 1 886; a. A. Rossak, ZEV 2002, 436. 1114 Ist die Verständigung zwischen Erblasser und Verständigungsperson nicht nachvollziehbar oder überprüfbar, dann ist eine freie Willensäußerung des Erblassers mangels 1111 1112
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mentsinhalt noch möglich sein, mag sie auch durch eine Verständigungsperson oder einen Gebärdensprachdolmetscher hergestellt werden. Die bloße Bejahung nach Befragung durch den Notar, mag sie auch von der Rechtsprechung als hinreichend anerkannt worden sein, ist jedenfalls nicht geeignet, eine selbstbestimmte Willensbildung sicherzustellen. 1115 Wer auf dem Sterbebett nur noch hauchend ein „Ja“ zu äußern vermag, bringt damit keinen selbstbestimmten Willen zum Ausdruck, denn bei einer dermaßen eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit des Erblassers bleibt zwangsläufig offen, ob der Erblasser dem verlesenen Testamentstext bzw. den Fragen überhaupt noch folgen konnte und somit auch inhaltlich zugestimmt hat. Testamente dieser Art, die dem nicht mehr kommunikationsfähigen Erblasser noch am Sterbebett entrungen werden, sollten aber in aller Regel bereits an der Voraussetzung der Testierfähigkeit scheitern, denn unter diesen Umständen steht schon die Selbstbestimmungsfähigkeit und damit die Möglichkeit zur Errichtung einer selbstbestimmten Willenserklärung in Frage. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass durch strengere, hier eingeforderte formelle Anforderungen an den Testierakt (offene Kommunikation des Testamentsinhalts an den Notar) Fälle von zweifelhafter Testierfähigkeit, in denen gemäß § 28 BeurkG der Notar nur einen Vermerk vorzunehmen hat, minimiert werden können. An der Verfassungskonformität1116 solcher strengerer Formanforderungen sollte schon deshalb nicht gezweifelt werden, weil „nur selbstbestimmte und selbstverantwortete letztwillige Erklärungen von der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Testierfreiheit geschützt“1117 werden. Schließlich ist Vertraulichkeit herzustellen. Dies bedeutet einerseits, dass keine Informationen über den Testamentsinhalt nach außen dringen dürfen. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass nicht bloß der Urkundsnotar kein persönliches Interesse am Inhalt des Testaments haben darf, sondern dass auch alle anderen an der Errichtung des Testaments Mitwirkenden, einschließlich jener Personen, die der Umgehung des Mitwirkungsverbots dienen könnten, testamentarisch nicht begünstigt sein dürfen. Diesbezüglich bestehen im deutschen Beurkundungsrecht bedeutende Defizite, die zum Schutz der freien Willensbildung des Erblassers zu beseitigen wären.1118
hinreichender Kommunikationsfähigkeit nicht mehr sicherzustellen. Der vermittelte Wille kann somit genausogut der Wille der Verständigungsperson sein, sodass in einer solchen Situation die Errichtung eines Testaments ausgeschlossen werden sollte. Zum geltenden Recht vgl. dagegen Soergel/Mayer, § 24 BeurkG Rn. 6 ff. sowie oben, § 4 II.6.a)ee). 1115 Zu dieser Problematik ausführlich oben, § 4 II.6. 1116 Vgl. dazu näher sogleich unten § 6 II.7. 1117 BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853. 1118 Vgl. dazu oben § 5 I.4.
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Im Übrigen ist dafür zu sorgen, dass während der Beurkundung außer den Mitwirkenden keine anderen Personen anwesend sind, insbesondere nicht solche, die an einem bestimmten Inhalt des Testaments ein Interesse haben könnten. Für den Erblasser müssen nämlich äußere Bedingungen geschaffen werden, unter denen er selbstbestimmt und ohne fremden Druck testieren kann. Dies ist nur möglich, wenn Personen, die auch nur ein mittelbares Interesse am Inhalt des Testaments haben können, dem Errichtungsakt gänzlich fernbleiben.1119 Dafür sollten Notare auch schon nach geltendem Recht (§ 17 BeurkG) im Sinne der Ermöglichung einer selbstbestimmten Testamentserrichtung sorgen.1120 Wie zahlreiche Fälle aus der Rechtsprechung zeigen, geschieht dies in der Praxis leider viel zu selten, denn zumeist werden die betroffenen Erblasser von der druckausübenden Person zum Notar gebracht, um dort in deren Anwesenheit ein Testament zu errichten.1121 Zusätzliche förmliche Anforderungen an den Errichtungsakt erscheinen angesichts der notariellen Beurkundung des letzten Willens zum Schutz des Erblassers nicht erforderlich. Insbesondere ist eine Videoaufzeichnung des Errichtungsakts, wie sie in manchen amerikanischen Bundesstaaten zu Beweiszwecken im Nachlassverfahren verwendbar ist,1122 abzulehnen.1123 Videoaufzeichnungen werden eingesetzt zum Beweis der ordnungsgemäßen Errichtung, des Willens des Erblassers, des geistigen Zustands und der Testierfähigkeit des Erblassers oder der Authentizität des Testaments. Indes kann gerade die freie und selbstbestimmte Willensbildung durch eine Videoaufzeichnung weder festgestellt noch gesichert werden, weshalb sie zum Schutz
1119 Diesem Umstand trägt das kalifornische Recht Rechnung, wenn es in § 21384 a) für das certificate of independent review fordert, dass es „out of the presence of any heir or proposed beneficiary“ anzufertigen ist. 1120 So auch Soergel/Mayer, § 17 BeurkG, Rn. 36 m. w. N. 1121 Vgl. zu einzelnen Fällen aus der Praxis oben § 4 II.6.a)dd). 1122 Einen Überblick dazu gibt Nunez, La. L. Rev. 97 (2007) 874–876. Eine Vorreiterrolle spielte diesbezüglich Indiana, das eine entsprechende gesetzliche Beweisregel eingeführt hat: Indiana Code 29-1-5-3.2 Videotape Sec. 3.2. “Subject to the applicable Indiana Rules of Trial Procedure, a videotape may be admissible as evidence of the following: (1) The proper execution of a will. (2) The intentions of a testator. (3) The mental state or capacity of a testator. (4) The authenticity of a will. (5) Matters that are determined by a court to be relevant to the probate of a will.” Zuletzt hat auch Louisiana eine ähnliche Bestimmung in das Verfahrensrecht aufgenommen (Art. 2904 Code of Civil Procedure). In anderen Bundesstaaten hat sich dagegen die Rechtsprechung für die Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen des Errichtungsvorgangs ausgesprochen. 1123 Ablehnend auch Röthel, Gutachten 68. DJT A65; Zimmermann, RabelsZ 76 (2012) 504, Fn. 217. Dagegen vorsichtig für einen möglichen Schritt des Gesetzgebers und nicht der Rechtsprechung in diese Richtung, „wenn nachträgliche Fälschungsmanipulationen ebenso zuverlässig ausgeschlossen sind wie bei eigenhändig verfassten Testamenten“: Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rn. 34.
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des Erblassers vor Fremdbestimmung jedenfalls ungeeignet ist.1124 Für die Einhaltung der erforderlichen Schutzvorkehrungen gegen Fremdbestimmung sorgt der Notar als unparteiischer Garant. Eine Videoaufzeichnung ist dafür nicht erforderlich. Im Übrigen wirft sie gravierende Probleme auf, weil sie die Vertraulichkeit des Testierakts in Gefahr bringt. 6. Ergebnis: De lege ferenda Vorschlag Vorgeschlagen wird somit eine Beschränkung der Formwahlfreiheit in Bezug auf letztwillige Verfügungen, durch die Personen begünstigt werden sollen, zu denen der Erblasser in einer Abhängigkeit steht, die seine freie Willensbildung gefährdet. Zu welchen Personen eine so qualifizierte Abhängigkeit besteht, ist einer abstrakten Definition nicht zugänglich, und muss daher im Einzelfall von den Gerichten konkretisiert werden. Sie besteht jedenfalls immer dann, wenn der Erblasser auf den Dritten in einer Weise angewiesen ist, dass er ohne dessen Hilfe und Unterstützung zu einer selbständigen Lebensführung nicht mehr in der Lage wäre. Es kann sich aber auch um eine Form der geistig-spirituellen Abhängigkeit handeln, welche die Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers gefährdet. Sofern zwischen dem Erblasser und dem Begünstigten ein solches Abhängigkeitsverhältnis bestanden hat, ist zum Schutz der Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers die öffentliche Errichtungsform zu wählen. Wurde diese Form nicht gewählt, tritt gemäß § 125 BGB wegen Formmangels Nichtigkeit der entsprechenden Verfügung (§ 2085 BGB) ein. Die Nichtigkeit kann nur ausgeschlossen werden, wenn die geforderte offene notarielle Form mit entsprechenden gesetzlichen Anpassungen im Beurkundungsrecht verwendet wurde. Insbesondere ist bei der Anpassung des Beurkundungsrechts dafür zu sorgen, dass der Mündlichkeit der Erklärung gegenüber dem Notar im Gegensatz zum geltenden Recht Vorrang eingeräumt wird und darüber hinaus dafür gesorgt wird, dass der Notar auf einer Mitteilung des Testamentsinhalts durch den Erblasser selbst (nach französischem Vorbild1125 unter Ausschluss der bloßen Beantwortung vorgegebener Fragen oder der bloßen Bejahung eines vorgegebenen, von Dritten vorbereiteten Testamentstexts) bestehen kann. Ferner ist dafür zu sorgen, dass volle Vertraulichkeit hergestellt ist und Unbeteiligte vom Errichtungsakt ausgeschlossen sind sowie ausnahmslos alle Mitwirkenden weder ein unmittelbares noch ein mittelbares Interesse am Inhalt der letztwilligen Verfügung haben.
1124 Kritisch auch Nunez, La. L. Rev. 97 (2007) 888 ff. mit Hinweis auf die Rechtsprechung, die für den Beweis der freien Willensbestimmung (Abwesenheit von undue influence) eine Videoaufzeichnung nicht genügen lässt. 1125 Vgl. oben § 4 II.6.b)aa).
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Zweiter Teil – Schutz der Selbstbestimmung im Erbrecht
Bei Nichteinhaltung der verschärften Formpflicht gilt die gemäß § 292 Abs. 1 ZPO widerlegliche Vermutung, dass die letztwillige Verfügung nicht selbstbestimmt errichtet wurde. Wenn dagegen aufgrund der vom Begünstigten darzulegenden Umstände außer Zweifel gestellt werden kann, dass die Verfügung frei von äußerem Druck und damit selbstbestimmt zustande gekommen ist, soll für die Gültigkeit der Verfügung von der verschärften Formpflicht abgesehen werden. So etwa dann, wenn aufgrund eindeutiger Sachlage feststeht, dass der Begünstigte von der Einsetzung im Testament zu Lebzeiten des Erblassers keine Kenntnis erlangt haben kann. Für die Zwecke der Formulierung dieser flexiblen Ausgestaltung der Vorschrift erscheint eine Anlehnung an § 2247 Abs. 5 BGB und die darin enthaltene Normierung der relativen Formerfordernisse beim eigenhändigen Testament (Orts- und Zeitangabe) opportun. Auch im vorliegenden Fall soll nämlich der Formmangel nicht zur Ungültigkeit der Verfügung führen, wenn der durch die Form zu sichernde Umstand anderweit festgestellt werden kann. Eine Erweiterung des subjektiven Anwendungsbereichs auf Personen, die dem Begünstigten in besonderer Weise nahestehen (nahe Angehörige: Ehegatte, Lebenspartner, Lebensgefährte, Verwandte in gerader Linie), ist zur Vermeidung von Umgehungsversuchen, wie sie etwa im Zusammenhang mit dem Testierverbot im HeimG vorgekommen sind,1126 zwar erforderlich, bedarf aber keiner ausdrücklichen Anordnung im Gesetz.1127 Die Instrumente der teleologischen Auslegung sowie die Analogiebildung können sicherstellen, dass der von der Vorschrift missbilligte Erfolg nicht mit an sich zulässigen Mitteln (etwa Einsetzung der Tochter des Betreuers1128) erreicht wird.1129 Eine entsprechende Umsetzung dieses Vorschlags hinsichtlich der Formwahlbeschränkung wäre systematisch als neuer Absatz 3 in § 2233 BGB einzufügen und könnte wie folgt lauten: Befindet sich der Erblasser in einer Abhängigkeitslage zum Begünstigten, die geeignet ist, seine freie Willensbildung zu gefährden, so kann er die entsprechende letztwillige Verfügung nur durch eine Erklärung gegenüber dem Notar errichten. Wird diese Form nicht beachtet, ist die letztwillige Verfügung nur dann als gültig anzusehen, wenn sich anderweit feststellen lässt, dass der Erblasser diese selbstbestimmt errichtet hat.
1126 Vgl. etwa in der Rsp für eine analoge Anwendung des § 14 HeimG auf die Ehegattin des Leiters des Seniorenwohnheims: BayObLG 9.2.2000, ZEV 2000, 283. 1127 Die Gesetzesumgehung bedarf keiner ausdrücklichen Regelung, sondern sie ist im Wege der Gesetzesauslegung zu unterbinden. MüKo BGB/Armbrüster, § 134 Rn. 12, 15; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil § 45 Rn. 27; bereits Flume, Allgemeiner Teil 305. 1128 BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369; ähnlich: OLG Braunschweig 4.11.1999, ZEV 2000, 448 = FamRZ 2000, 1189. 1129 Vgl zum Diskussionsstand MüKo BGB/Armbrüster, § 134 Rn. 11 ff.
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7. Verfassungskonformität Nunmehr ist noch darauf einzugehen, ob der eben dargestellte Regelungsvorschlag zum Schutz der erblasserischen Selbstbestimmung mit der grundrechtlich im Rahmen der Erbrechtsgarantie zugesicherten Testierfreiheit in Einklang steht. Das BVerfG hat hinsichtlich der Ausgestaltung der Erbrechtsgarantie klare Vorgaben formuliert, die in Bezug auf diesen Vorschlag zu überprüfen sind. Grundsätzlich gilt, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Erbrechts darauf zu achten hat, dass die verfassungsrechtlichen Garantien in ihrem Kern gewahrt bleiben.1130 Zu diesen Garantien zählen neben der Testierfreiheit, die als „Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen von Verfassungs wegen besonders ausgeprägten Schutz“1131 genießt, auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie der spezielle Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG. Daraus folgt, dass Personen aufgrund ihrer Behinderung nicht von der Ausübung der Testierfreiheit ausgeschlossen werden dürfen. Nach Ansicht des BVerfG ist dies der Fall, wenn Formvorschriften so gestaltet sind, dass Menschen mit bestimmten Behinderungen bzw. Einschränkungen kein Testament errichten können. So wurde der generelle Ausschluss schreib- und sprechunfähiger Personen von der Testiermöglichkeit als Verstoß gegen die Erbrechtsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 GG, den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und das Benachteiligungsverbot für Behinderte gewertet.1132 Darüber hinaus ist nunmehr das von Deutschland ratifizierte UN-Übereinkommen über den Schutz von Menschen mit Behinderung zu berücksichtigen, das die Staaten verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu setzen, um sicherzustellen, dass beim rechtsgeschäftlichen Tätigwerden von Menschen mit Behinderung „die Rechte, der Wille und die Präferenzen der betreffenden Person geachtet werden, es nicht zu Interessenkonflikten und missbräuchlicher Einflussnahme kommt, dass die Maßnahmen verhältnismäßig und auf die Umstände der Person zugeschnitten sind, dass sie von möglichst kurzer Dauer sind und dass sie einer regelmäßigen Überprüfung durch eine zuständige, unabhängige und unparteiische Behörde oder gerichtliche Stelle unterliegen.“
Daraus ergibt sich die Pflicht für den Gesetzgeber, die Handlungsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen soweit wie möglich zu erhalten und nur im Rahmen des Erforderlichen zum Schutz des Betroffenen einzuschränken. Schranken sollen damit nicht als Rechtsentziehung, sondern als stützende Maßnahme zur möglichst selbstbestimmten Rechtsausübung gestaltet sein. Der vorliegende Regelungsvorschlag orientiert sich an diesen Vorgaben. Er greift weder in die Testierfähigkeit noch in die materielle Testierfreiheit 1130 1131 1132
BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853, 1854. BVerfG 16.10.1984, NJW 1985, 1455. BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853, 1854.
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von Menschen in Abhängigkeitslagen ein. Vielmehr sollen durch ihn im Wege einer Formwahlbeschränkung die äußeren Rahmenbedingungen für eine möglichst selbstbestimmte Willenserklärung geschaffen werden. Sind diese Rahmenbedingungen nicht erfüllt, kann aufgrund der Abhängigkeit nicht von einer selbstbestimmten Entscheidung ausgegangen werden, sodass es am rechtlichen Geltungsgrund mangelt und Nichtigkeit eintritt. Das BVerfG hebt diesbezüglich hervor, dass der Gesetzgeber bei der Konkretisierung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Testierfreiheit auch „die Einhaltung bestimmter Formen letztwilliger Verfügungen zwingend vorschreiben“ kann, wobei er „für unterschiedliche Situationen und Personengruppen jeweils eigene Testamentsformen schaffen“ kann. Die Fälle mangelnder Selbstbestimmungsfähigkeit könne der Gesetzgeber „unmittelbar durch Vorschriften über die Testierfähigkeit oder mittelbar durch die Einführung zwingender Formvorschriften“ regeln. Der hier vorgelegte Regelungsvorschlag macht genau dies und versucht mittelbar über die Einschränkung der Formwahlfreiheit die Gefahr der Fremdbestimmung des Erblassers zu mindern. Durch die Ausgestaltung als Vermutungsregel können unsachgemäße Härten im Einzelfall vermieden werden, sodass trotz der Formwahlbeschränkung ein selbstbestimmt mittels anderer Form errichtetes Testament wirksam ist. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive lassen sich gegen eine solche Regelung daher wohl keine Einwände erheben. Diese würden im Übrigen erst dann durchgreifen, wenn nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die vom Gesetzgeber gewählte Maßnahme „schlechthin ungeeignet“, „eindeutig“ nicht erforderlich oder auch bei Anerkennung eines Bewertungsspielraums „unzumutbar“ wäre.1133 8. Kollisionsrechtliche Behandlung der Schutzvorschrift Ein Schwachpunkt dieses Regelungsvorschlags könnte schließlich darin bestehen, dass Formwahlbeschränkungen nach der Art, wie sie hier für Erblasser in Abhängigkeitslagen vorgeschlagen werden, kollisionsrechtlich als „zur Form gehörend“ zu qualifizieren sind. Fallen solche Beschränkungen nämlich gemäß Art. 5 Haager Testamentsformabkommen1134 unter die Form, könnte die Formwahlbeschränkung des Regelungsvorschlags relativ einfach dadurch umgangen werden, indem das Testament im Ausland nach den dort geltenden Formvorschriften errichtet wird. Dies setzt allerdings gemäß Art. 5 voraus, dass die Formwahlbeschränkung am Alter, der Staatsbürgerschaft oder an anderen persönlichen Eigenschaften des Erblassers anknüpft. Ob der vorliegende Regelungsvorschlag, der nicht auf eine allgemeine persönliche EigenStändige Rechtsprechung, vgl. BVerfG 19.1.1999, NJW 1999, 1853, 1854. Diese Bestimmung wird durch die gleichlautende Bestimmung in Art. 27 Abs. 3 der EU-ErbrechtsVO aufgrund des Vorbehalts für bestehende internationale Übereinkommen in Art. 75 Abs. 1 EU-ErbrechtsVO nicht verdrängt. 1133 1134
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schaft des Erblassers, sondern auf eine spezifische Lage zum Begünstigten abstellt, unter Art. 5 des Haager Übereinkommens fällt, darf zumindest bezweifelt werden. Verfolgt eine Vorschrift nämlich einen Sachzweck, wie den Schutz der freien Willensbildung, und knüpft sie nicht an eine sonstige allgemeine persönliche Eigenschaft des Erblassers an, so wird die Meinung vertreten, dass die Ortsform nicht genüge, weil die Vorschrift in diesem Fall kollisionsrechtlich nicht der Form zugehöre, sondern dem auf den Testamentsinhalt anzuwendenden Recht unterliege.1135 Es wäre somit denkbar, dass sich die hier vorgeschlagene Schutzvorschrift gegen das Formstatut durchsetzen könnte und somit dem Erbstatut unterläge, sodass der vorzusehende Schutzmechanismus auch bei internationalen Erbfällen, die dem deutschen Sachrecht unterliegen, wirksam werden und somit aufgrund der großzügigen Anknüpfungsregelung beim Formstatut nicht so leicht umgangen werden könnte.
Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht 1013. Richtet sich eine Vorschrift nicht gegen die Beurkundung, sondern gegen das Beurkundete, weil sie fremdbestimmte Verfügungen verhindern will, dann handle es sich um Sachvorschriften, nicht um Formvorschriften. Vgl. in diesem Sinne auch BeckOK GG/Lorenz, Art. 26 EGBGB Rn. 5, wonach zu fragen sei, ob die Vorschrift Zwecke verfolge, „die nach den Kategorien des deutschen Rechts materiellrechtlicher Art sind (zB Aufrechterhaltung der Testierfreiheit).“ Vgl. auch Staudinger/Dörner, Vor § 25 EGBGB Rn. 93. 1135
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I. – Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, wie das geltende Erbrecht dem Bedürfnis nach einer möglichst freien und damit selbstbestimmten Errichtung eines Testaments einer angesichts des demographischen Wandels stetig wachsenden Zahl sogenannter „verletzlicher Erblasser“ begegnet. Geistige und körperliche Gebrechen, die mit steigendem Alter zunehmen, Pflegebedürftigkeit und soziale Vereinsamung erhöhen die Gefahr, dass Erblasser bei der Errichtung ihrer letztwilligen Verfügung Opfer von Fremdbestimmung werden. Aus der Praxis wissen wir, dass gerade der Akt der Testamentserrichtung häufig auf den letzten Lebensabschnitt aufgeschoben wird. Es muss daher damit gerechnet werden, dass angesichts der steigenden Lebenserwartung auch die Zahl der Testierenden im „vierten Lebensalter“ (80 +) in den kommenden Jahren stark zunehmen wird. Die Rechtspraxis wird sich demzufolge immer häufiger mit Fällen konfrontiert sehen, in denen der Erblasser seine Selbständigkeit im Alltag bereits verloren hat und eine selbstbestimmte Willensäußerung nur noch mithilfe entsprechender Schutzmechanismen gewährleistet werden kann. Untersucht wurde daher, welche Instrumentarien das Erbrecht unterschiedlicher Rechtsordnungen bereitstellt, um der Gefahr von Fremdbestimmung im Zusammenhang mit der Errichtung von Testamenten wirksam entgegenzutreten und sicherzustellen, dass der Erblasser in Selbstbestimmung letztwillig verfügen kann. II. – Hierzu wurde zunächst die Frage erörtert, weshalb es bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen überhaupt auf die Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers ankommen soll. Nur wenn feststeht, dass ihr zentrale Bedeutung für die Geltung eines Testaments zukommt, kann Fremdbestimmung überhaupt problematisch sein. Die Arbeit hat gezeigt (§§ 1, 2), dass lebzeitige und erbrechtliche Privatautonomie zwar ihre gemeinsame Grundlage in der Selbstbestimmung finden, dass aber strukturelle Unterschiede eine verstärkte Willensherrschaft im Erbrecht begründen. Die verstärkte Willensherrschaft im Erbrecht ergibt sich in erster Linie aus der Tatsache, dass letztwillige Verfügungen weder Rechte noch Anwartschaften zugunsten der Bedachten begründen. Es handelt sich um einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärungen, sodass es nur auf den Willen des Erklärenden als einzigen Geltungsgrund ankommen kann. Man muss sogar so weit gehen, dass es nicht nur keines anderen Rechtfertigungsgrundes bedarf, sondern es überhaupt keinen
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anderen Rechtfertigungsgrund für die Geltung einer letztwilligen Verfügung gibt, als jenen, dass der Erblasser sie gewollt hat. Die verstärkte Willensherrschaft im Erbrecht unterstreicht die zentrale Bedeutung der Willkür des Einzelnen als einzigen Geltungsgrund erbrechtlicher Verfügungen. Nur ausnahmsweise wird etwa bei vertragsmäßigen Verfügungen in Erbverträgen und bei wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod eines der Ehegatten auch der Wille anderer berücksichtigt. III. – Vor diesem Hintergrund ist es unzweifelhaft Aufgabe des Erbrechts, die Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers zu sichern und den Erblasser vor Fremdbestimmung zu schützen. Allein die Definition dessen, was unter Fremdbestimmung zu verstehen ist, erweist sich indes als sehr schwierig. Der Prozess der Willensbildung vollzieht sich nämlich niemals völlig unabhängig von äußeren Einflüssen bzw. vom Verhalten und von Aussagen anderer, sondern ist vielmehr Ergebnis einer Vielzahl innerer und äußerer Faktoren. Im Ergebnis liegt Fremdbestimmung dann vor, wenn: a) die Einflussnahme des Dritten zur Störung des Willensbildungsprozesses des Erblassers geführt hat und für die erbrechtliche Verfügung kausal war, dieselbe Verfügung also nicht auch ohne das Zutun (Tun oder Unterlassen) des Dritten errichtet worden wäre; b) die Einflussnahme im fremden Interesse, d. h. nicht zur Förderung der Selbstbestimmung des Erblassers erfolgt ist; und c) die Einflussnahme bewusst und absichtlich, mithin vorsätzlich erfolgte. Fremdbestimmung ist demnach das Ergebnis vorsätzlicher äußerer, direkter oder indirekter Einwirkungen auf den Willensbildungsprozess des Erblassers im Interesse des Einwirkenden oder eines anderen Dritten. Phänomenologisch reicht diese Einflussnahme von der Ausübung von Zwang (vollständige Fremdbestimmung durch Überwältigung) über die Drohung, Ausnützung von Abhängigkeitslagen, Täuschung bis hin zu Schmeicheleien, Bitten, Forderungen und Widerspruch. Gerade bei dieser letzten Form der Einflussnahme erweisen sich die Grenzen zwischen Fremdbestimmung und zulässiger Einwirkung auf den Willen des Erblassers als fließend. IV. – Die Arbeit kommt zum Ergebnis, dass alle Schutzmechanismen, die Fremdbestimmung im Nachhinein zu beseitigen versuchen, unzureichend sind, um den Erblasser wirksam vor Fremdbestimmung zu schützen. Anfechtung wegen Drohung oder Täuschung, Nichtigkeit wegen Zwangs oder Sittenwidrigkeit und Erbunwürdigkeit greifen nämlich erst zu einem Zeitpunkt ein, zu dem der Erblasser nicht mehr am Leben ist, sodass dem Willen des Erblassers nicht mehr zur Durchsetzung verholfen werden kann. Auch mittelbar gehen von diesen Instrumentarien keine geeigneten negativen Anreize aus, die den Erblasser wirksam vor Fremdbestimmung schützen könnten. Problematisch sind diese ex post-Maßnahmen aber besonders deshalb, weil für ihre Anwendung die Feststellung von Fremdbestimmung im Nachhinein
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erforderlich ist und dies praktisch meist nur über Indizien möglich ist. Die Herleitung von Fremdbestimmung aus bestimmten Verhältnissen des Erblassers zum Erben (Vertrauensverhältnis) oder aus gewissen Umständen des Einzelfalls (z. B. Teilnahme des Erben am Akt der Testamentserrichtung) ist deshalb höchst problematisch, weil sie durch eine zu grobe Schematisierung die Testierfreiheit gefährdet und dem Erblasser in der ihm zuerkannten Einzelentscheidungsbefugnis nicht gerecht werden kann. Im misslichsten Fall führt sie dazu, dass ein selbstbestimmter Wille beseitigt wird. V. – Um den Erblasser wirksam vor Fremdbestimmung zu schützen, müssen die Voraussetzungen der gültigen Errichtung erbrechtlicher Verfügungen so gestaltet sein, dass die Gefahr unzulässiger Einflussnahme weitestgehend ex ante gebannt wird. Der zweite Teil dieser Arbeit befasst sich daher mit der Frage, welche Testiervoraussetzungen dem lebzeitigen Schutz der erblasserischen Entschließungsfreiheit dienen bzw. unter welchen Voraussetzungen die Ausgestaltung dieser Testiervoraussetzungen dem Schutz der erblasserischen Selbstbestimmung dienen kann. Untersucht wurden daher die Vorschriften über die Testierfähigkeit, die Form und die Höchstpersönlichkeit. VI. – Die Arbeit hat gezeigt, dass die Voraussetzung der Testierfähigkeit nicht der geeignete Ansatzpunkt ist, um den Erblasser vor Fremdbestimmung zu schützen. Bei der Testierfähigkeit geht es nämlich nicht um die Frage, ob der Erblasser selbstbestimmt verfügt hat, sondern darum, ob er aufgrund seines geistigen Gesundheitszustands eine selbstbestimmte Verfügung treffen konnte. Insofern unterscheidet sich die Testierfähigkeit teleologisch von der Geschäftsfähigkeit. Während die Geschäftsfähigkeitsregelung bei lebzeitigen Geschäften demjenigen, der ohne hinreichende Selbstbestimmung eine rechtliche Verpflichtung eingegangen ist, dazu verhilft, sich aus dieser Verpflichtung zu befreien, kann dem Erblasser die Testierfähigkeit nicht als Schutzinstrument seiner Selbstbestimmung zugutekommen. Reformvorschläge, die zum vermeintlichen Schutz des Erblassers Änderungen der Regeln der Testierfähigkeit fordern, übertragen unzulässig die Schutzfunktion der Geschäftsfähigkeitsregeln auf die Testierfähigkeit und müssen folglich scheitern. Sie greifen nämlich in die Regeln der Testierfreiheit ein, ohne den Erblasser dadurch in seiner Selbstbestimmungsfähigkeit unterstützen zu können. Auf diese Weise wird die Gefahr von Fremdbestimmung in bestimmten problematischen Situationen zwar gebannt. Dies wird aber dadurch erkauft, dass dem Erblasser die Testierfreiheit entzogen wird. Den Erblasser vor Fremdbestimmung zu schützen, bedeutet indes, ihn bei der Ausübung seiner Selbstbestimmungsfreiheit so zu unterstützen, dass er trotz der „schwierigen Umstände“ frei und unbeeinflusst seinen Willen äußern kann.
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VII. – Formvorschriften können den Erblasser in seiner Selbstbestimmungsfreiheit unterstützen. Allerdings sind die geltenden Formvorschriften sowie das Beurkundungsrecht sowohl im Hinblick auf Privattestamente als auch in Bezug auf öffentliche Testamente nicht geeignet, gerade verletzlichen Erblassern diesen Schutz zu bieten. Dem gemeinschaftlichen Testament ist die Gefahr der Fremdbestimmung immanent, weshalb es aufgegeben werden sollte. Die Untersuchung der Formvorschriften hat gezeigt, dass sich aus den Defiziten der gegenwärtigen Regelung Erkenntnisse darüber gewinnen lassen, welchen Anforderungen die Form zu genügen hat, um dem Erblasser einen möglichst wirksamen Schutz vor Fremdbestimmung zu gewähren. Diese Anforderungen sind: a) Mitwirkung eines neutralen Garanten, b) offene Willenserklärung und c) Vertraulichkeit. Dem verletzlichen Erblasser soll die Möglichkeit gegeben werden, in einem Umfeld zu testieren, das seine Schwäche kompensiert bzw. von vornherein offene Einflussnahme verhindern kann. Hierfür scheint es erforderlich, dass der Erblasser durch die Mitwirkung eines neutralen Dritten am Errichtungsakt geschützt wird. Diese Funktion kann im deutschen Recht am besten der Notar übernehmen. Darüber hinaus muss eine offene Willenserklärung sichergestellt sein. Der Erblasser muss seinen Testierwunsch somit in Anwesenheit des Notars vollständig und nicht durch bloße Bejahung einer überreichten offenen oder verschlossenen Schrift zum Ausdruck bringen, wobei zur Sicherung einer freien Willensäußerung der Mündlichkeit Vorrang einzuräumen wäre. Dagegen soll nur dann, wenn der Erblasser zu einer mündlichen Erklärung nicht mehr in der Lage ist, auf schriftliche Kommunikation, einen Gebärdendolmetscher oder eine Verständigungsperson ausgewichen werden, wobei aber auch im Falle der Verständigungsperson die Kommunikation noch objektiv nachvollziehbar bleiben muss. Wenn der Erblasser zur Mitteilung des Inhalts seines letzten Willens nicht mehr in der Lage ist, besteht kein Bedarf für einen Schutz der Testierfreiheit des Erblassers, denn in diesem Fall kann der Erblasser seine Selbstbestimmungsfreiheit nicht ausüben. Vertraulichkeit ist schließlich von zentraler Bedeutung für den Schutz der Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers. Ist Vertraulichkeit sichergestellt, kann der Erblasser frei verfügen, ohne negative Konsequenzen vonseiten jener Personen befürchten zu müssen, die ihn aufgrund seiner Verletzlichkeit unter Druck setzen können. Für alle am Errichtungsakt Mitwirkenden sollten daher dieselben Ausschließungsgründe und dieselbe Verschwiegenheitspflicht gelten, wie für den beurkundenden Notar selbst. Im Übrigen ist dafür zu sorgen, dass während des Errichtungsakts keine Personen anwesend sind, die nicht an der Errichtung selbst mitwirken. VIII. – Die formelle Höchstpersönlichkeit gemäß § 2064 BGB als weitere Testiervoraussetzung kann den Erblasser auch nicht vor Fremdbestimmung schützen. Da es sich bei § 2064 BGB um eine Formvorschrift handelt, welche die übrigen Formvorschriften unberührt lässt, ist der Wille des Erblassers vor
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einer unzulässigen Einflussnahme Dritter aufgrund des Prinzips der formellen Höchstpersönlichkeit stets nur so weit geschützt, als ein solcher Schutz der gewählten Errichtungsform entspricht. Ein darüber hinaus gehender Schutz des Erblassers vor unzulässiger Beeinflussung seiner Willensfreiheit ergibt sich aus dem Grundsatz der formellen Höchstpersönlichkeit nicht. Im Gegenzug muss ebenso festgehalten werden, dass das Prinzip der formellen Höchstpersönlichkeit auch keinen effektiveren Schutz der Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers verhindert. Die vom Willen des Erblassers nicht gedeckte Vertretung bei der Testamentserrichtung widerspricht nämlich dem Grundsatz der Selbstbestimmung, sodass etwa von einem statutory will im englischen Recht kein erhöhter Schutz der erblasserischen Selbstbestimmungsfreiheit zu erwarten ist. Ganz im Gegenteil erlauben diese statutory wills eine von den nächsten Angehörigen als unangemessen erachtete Vermögensverteilung durch ein früheres Testament oder durch die gesetzliche Erbfolge zu beseitigen und durch eine ihren Ansprüchen besser entsprechende Verteilung zu ersetzen. Dabei handelt es sich um einen Fall gesetzlich vorgesehener Fremdbestimmung. Im Übrigen besteht die Gefahr, dass Testamente beseitigt werden, die nur von den Außenstehenden als überholt empfunden werden, sodass damit im Ergebnis Akte der Selbstbestimmung unterdrückt werden. IX. – Der Erblasser kann grundsätzlich auch dadurch vor Fremdbestimmung geschützt werden, dass seine Testierfreiheit in jenen Situationen inhaltlich beschränkt wird, in denen er einer gesteigerten Gefahr der äußeren Einflussnahme auf seinen freien Willen ausgesetzt ist. Dies wird in aller Regel dadurch erreicht, dass zugunsten bestimmter Personen, die auf die freie Willensbildung des Erblassers in unzulässiger Weise einwirken könnten, nicht gültig verfügt werden kann. Davon betroffen sind einerseits die am Errichtungsakt mitwirkenden Personen. Andererseits betrifft es auch Personen, die am Errichtungsakt nicht mitwirken, von denen aber dennoch eine Gefahr der Einflussnahme auf die freie Willensbildung des Erblassers ausgeht. Die vorliegende Arbeit kommt zum Ergebnis, dass Testierverbote in Bezug auf Mitwirkende für den Schutz der Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers erforderlich sind, weil sie sicherstellen können, dass Interessenkonflikte der Beteiligten nicht die freie Willensbildung des Erblassers stören. Das deutsche Beurkundungsrecht erfüllt diese Forderung nur zum Teil, da es in Bezug auf Mitwirkende kein einheitliches Testierverbot ausspricht. Das Testierverbot für den zweiten Notar bzw. den Zeugen stellt lediglich eine für die Gültigkeit der Verfügung unerhebliche Sollvorschrift dar. Der Gebärdendolmetscher, der (private) Testamentsschreiber und die der Verständigungsperson nahestehenden Personen sind vom Testierverbot überhaupt nicht erfasst. Streng durchgeführte Testierverbote bei Mitwirkenden verhindern nicht Testierfreiheit, weil die Mitwirkenden immer so gewählt werden können, dass jene Personen, die begünstigt werden sollen, nicht an der Errichtung der letztwilligen Verfügung beteiligt sind.
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Bei Testierverboten zulasten von Personen, die nicht am Errichtungsakt mitwirken, steht das Ziel des Schutzes der Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers meist nicht im Vordergrund. Beim heimrechtlichen Testierverbot im deutschen Recht ging es daher ursprünglich in erster Linie um den Schutz des Heimgewerbes. Im französischen Recht, wo diese Testierverbote ihre Wurzel und die größte Bedeutung erlangt haben, steht vor allem die Sorge um den Erhalt des Familienvermögens in der Familie und damit unter den gesetzlichen Erben im Vordergrund, wobei aber auch bei gewissen Berufsgruppen (Ärzte, Apotheker, medizinisches Personal) der Schutz des Gewerbes vor einem schlechten Ruf eine wichtige Rolle spielt. Gerade die Ausübenden von Heilberufen sollen aufgrund des erforderlichen Vertrauensverhältnisses zum Patienten nicht in Verdacht geraten, ihre Position für persönliche Vorteile auszunützen und zur Ausbeutung der Patienten zu missbrauchen. Entgegen aller Behauptungen sind diese Testierverbote in Bezug auf Dritte nicht geeignet, die Willensfreiheit des Erblassers vor Fremdbestimmung zu schützen. Sie versuchen nämlich Selbstbestimmung durch Entzug der Selbstbestimmungsfreiheit zu sichern. Testierfreiheit darf zum Schutz der Selbstbestimmung jedoch nicht ausgeschlossen werden. Vielmehr müssen in Übereinstimmung mit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit in ihrer Willensfreiheit gefährdete Personen in gleichem Maße selbstbestimmt testieren können. X. – Die Arbeit hat gezeigt, dass das geltende deutsche Recht sowie alle weiteren hier untersuchten Rechtsordnungen keine wirksamen rechtlichen Schutzmechanismen für eine möglichst selbstbestimmte Willensbildung des Erblassers bei der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung bereithalten und daher für künftige Herausforderungen angesichts des demographischen Wandels nicht hinreichend gerüstet sind. Solche Schutzmechanismen müssten folgenden drei Kriterien genügen: Sie müssen erstens Selbstbestimmung ermöglichen und dürfen daher dem durch Fremdbestimmung gefährdeten Erblasser die Möglichkeit zur selbstbestimmten Willensbildung nicht entziehen. Weder ein Eingriff in die Testierfähigkeit noch die inhaltliche Beschränkung der Testierfreiheit mittels gesetzlicher Testierverbote gegenüber nicht am Testierakt mitwirkenden Personen sind daher geeignete Instrumente, um die selbstbestimmte Willensbildung des Erblassers zu sichern. Untauglich ist auch der Versuch, über eine Lockerung der formellen Höchstpersönlichkeit Selbstbestimmung zu stärken. Dagegen ist die Form ein geeigneter Ansatzpunkt, um Selbstbestimmung zu sichern. Durch eine Formwahlbeschränkung können zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung äußere Bedingungen geschaffen werden, die es erlauben, dass der Erblasser frei von offenem äußerem Einfluss seinen letzten Willen äußert. Die Voraussetzungen für eine Form, die dem Erblasser einen
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möglichst wirksamen Schutz seiner Selbstbestimmungsfreiheit gewährt, wurden bereits erwähnt. Zweitens ist darauf zu achten, dass Schutzmaßnahmen zugunsten verletzlicher Erblasser nicht dazu führen, dass alle Erblasser Beschränkungen ihrer Formwahlfreiheit unterliegen. Sie sollen vielmehr nur dort eingreifen, wo dies auch sachlich gerechtfertigt ist. Außer in Fällen, in denen aufgrund der Verletzlichkeit des Erblassers eine Schutzform erforderlich ist, muss daher für alle übrigen Erblasser jedenfalls auch eine Form zur Verfügung stehen, die geringere, jederzeit und an jedem Ort leicht erfüllbare Anforderungen an die Testamentserrichtung stellt. Das eigenhändige Testament als Testierform darf daher nicht aufgegeben werden. Drittens muss die Ausgestaltung der Schutzvorschrift flexibel erfolgen, denn ein allzu starres Schutzkorsett könnte die Ausübung der Selbstbestimmungsfreiheit des Erblassers sogar verhindern und damit das Ziel des Schutzes des Erblassers vor Fremdbestimmung konterkarieren. Wenn feststeht, dass der Erblasser trotz seiner Verletzlichkeit selbstbestimmt testiert hat, darf die Geltung seines selbstbestimmt geäußerten Willens nicht an der Nichteinhaltung der Schutzform scheitern. XI. – Als Maßnahme zum Schutz verletzlicher Erblasser vor Fremdbestimmung wird eine Formwahlbeschränkung bei letztwilligen Verfügungen vorgeschlagen, durch die Personen begünstigt werden sollen, zu denen der Erblasser in einer Abhängigkeit steht, die seine freie Willensbildung gefährdet. Abgestellt wird damit für den Schutz des Erblassers auf das Verhältnis, das zwischen ihm und dem Begünstigten besteht. Liegt ein Abhängigkeitsverhältnis vor, das die freie Willensbildung des Erblassers gefährdet, so ist zum Schutz des Erblassers die notarielle offene Errichtungsform durch Erklärung zu wählen, wobei diese Form den formulierten Anforderungen einer Schutzform zu genügen hat. Insbesondere ist bei der Anpassung des Beurkundungsrechts dafür zu sorgen, dass der Mündlichkeit der Erklärung gegenüber dem Notar im Gegensatz zum geltenden Recht Vorrang eingeräumt wird und darüber hinaus dafür gesorgt wird, dass der Notar auf einer Mitteilung des Testamentsinhalts durch den Erblasser selbst bestehen kann. Ferner ist dafür zu sorgen, dass Unbeteiligte vom Errichtungsakt ausgeschlossen sind und ausnahmslos alle Mitwirkenden weder ein unmittelbares noch ein mittelbares Interesse am Inhalt der letztwilligen Verfügung haben. Bei Nichteinhaltung der Schutzform in Abhängigkeitslagen gilt die widerlegliche Vermutung, dass die letztwillige Verfügung nicht selbstbestimmt errichtet wurde. Der Begünstigte hat somit darzulegen, dass der Erblasser trotz Nichteinhaltung der Schutzform selbstbestimmt testiert hat. Diese Lösung vermeidet eine unsachgemäße Anknüpfung an Altersgrenzen (etwa für die Testierfähigkeit oder die Formwahlbeschränkung) oder an bestimmte Berufsgruppen für den Schutz des verletzlichen Erblassers und entzieht Selbstbestimmungsfreiheit nicht, um
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den Erblasser vor Fremdbestimmung zu schützen. Sie ist aufgrund der Verbindung mit der Vermutungsregel zugunsten der Selbstbestimmung bei Einhaltung der Schutzform flexibel ausgestaltet und stellt sicher, dass die Geltung der letztwilligen Verfügung nicht an den Klippen der Form scheitert, wenn trotz Nichteinhaltung der Schutzform feststeht, dass der Erblasser selbstbestimmt verfügt hat.
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Rechtsprechungsverzeichnis Rechtsprechungsverzeichnis
Deutschland
BVerfG 16.10.1984, NJW 1985, 1455 ........................................................................... 395 BVerfG 13.5.1986, BVerfGE 72, 155 .............................................................................. 32 BVerfG 7.2.1990, BVerfGE 81, 242 ................................................................. 32, 34, 39 f. BVerfG 19.10.1993, BVerfGE 89, 214 ...................................................................... 32, 39 BVerfG 14.12.1994, NJW 1995, 2977 ............................................................................. 53 BVerfG 22.6.1995, BVerfGE 93, 165 .............................................................................. 79 BVerfG 21.4.1998, NJW 1998, 2965 .......................................................................... 359 f. BVerfG 3.7.1998, NJW 1998, 2964 .................................................. 15, 356–358, 363, 369 BVerfG 19.1.1999, BVerfGE 99, 341 = NJW 1999, 1853 .......... 57, 130, 143 f., 147, 149, 212, 220, 258, 261 f., 270 f., 291, 370, 391, 395 f. BVerfG 6.2.2001, BVerfGE 103, 89 .................................................................... 32, 34, 39 BVerfG 18.12.2002, NJW 2003, 1382 ........................................................................... 186 BVerfG 22.3.2004, NJW 2004, 2008 = DNotZ 2004, 754 ................................................ 75 BVerfG 14.10.2004, NJW 2004, 3407 ............................................................................. 21 BVerfG 19.4.2005, NJW 2005, 1561 ............................................................................... 53 BVerfG 25.3.2009, NJW-RR 2010, 156 ........................................................................... 53 BVerfG 6.7.2010, BVerfGE 126, 286 .............................................................................. 32 BVerfG 30.10.2010, NJW 2011, 366 ......................................................................... 53, 79 BVerfG 17.10.2014, BVerfGE 114, 1 .............................................................................. 39 BGH 21.5.1951, BGHZ 2, 172 ............................................................................... 261, 267 BGH 4.6.1951, LM Nr. 1 zu § 138 BGB = BeckRS 1951, 31397613............................................................... 90, 92 f., 98, 101, 366 BGH 14.7.1953, NJW 1953, 1342 ....................................................................... 151 f., 182 BGH 8.11.1954, NJW 1955, 100................................................................. 59, 61, 232, 302 BGH 24.9.1955, NJW 1955, 1714 .................................................................................. 186 BGH 1.2.1956, NJW 1956, 988 ..................................................................................... 367 BGH 28.3.1956, BeckRS 1956, 31385608 ............................................................... 91, 368 BGH 27.11.1957, BeckRS 1957, 31396358 ................................................................... 101 BGH 8.1.1958, NJW 1958, 498 ................................................................................. 42, 66 BGH 29.1.1958, FamRZ 1958, 127 ...................................................................60, 152, 174 BGH 1.7.1959, NJW 1959, 1822.................................................................................... 153 BGH 4.9.1959 – V ZR 146/58 (unveröffentlicht) ........................................................... 102 BGH 19.10.1960, NJW 1961, 261 .................................................................................. 151 BGH 4.4.1962, NJW 1962, 1149 = BGHZ 37, 79..................................... 261, 267-269, 291 BGH 4.7.1962, NJW 1962, 1913...................................................................................... 67 BGH 31.10.1962, NJW 1963, 246 .................................................................................. 112 BGH 14.1.1965, NJW 1965, 584.................................................................................... 112
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Rechtsprechungsverzeichnis
BGH 2.4.1965, BWNotZ 1965, 348 ................................................................................. 96 BGH 21.9.1967, NJW 1968, 642 ............................................................................. 93, 118 BGH 5.4.1968, BGHZ 50, 63 ........................................................................................ 102 BGH 3.11.1969, FamRZ 1970, 79 ................................................................................... 67 BGH 26.2.1970 – III ZR 218/67 (unveröffentlicht) ........................................................ 102 BGH 31.3.1970, NJW 1970, 1273 ................................................................................... 76 BGH 1.6.1970, NJW 1970, 1601 ................................................................................... 251 BGH 19.6.1970, NJW 1970, 1680 ..........................................................................175, 183 BGH 27.5.1971, WM 1971, 1153 .................................................................................. 113 BGH 24.11.1971, NJW 1972, 202 .............................................................................. 251 f. BGH 8.11.1977, NJW 1978, 1257 ................................................................................... 34 BGH 9.4.1981, NJW 1981, 1737 .......................................................................... 62, 232 f. BGH 23.9.1981, NJW 1982, 43 ....................................................................................... 23 BGH 6.5.1982, NJW 1982, 2301 ..................................................................................... 88 BGH 16.3.1983, FamRZ 1983, 898.................................................................................. 67 BGH 8.5.1985, NJW 1985, 2025 ................................................................................... 105 BGH 22.1.1986, NJW 1986, 2360 ................................................................................. 362 BGH 27.5.1987, NJW-RR 1987, 1412 ........................................................................... 113 BGH 14.12.1987, NJW 1988, 902 ................................................................................. 100 BGH 7.6.1988, NJW 1988, 2599 .................................................................... 88, 91 f., 100 BGH 8.2.1989, NJW 1989, 2885 ..................................................................................... 69 BGH 25.1.1990, NJW 1991, 287 ..................................................................................... 99 BGH 9.2.1990, NJW 1990, 1604 ............................................................................356, 360 BGH 14.2.1990, NJW-RR 1990, 515 ............................................................................. 118 BGH 4.7.1990, FamRZ 1990, 1343................................................................................ 364 BGH 22.1.1991, NJW 1991, 1046 .................................................................. 92, 98 f., 364 BGH 18.9.1991, NJW 1991, 3210 ................................................................................. 252 BGH 7.10.1992, NJW 1993, 256 ..................................................................................... 69 BGH 20.10.1993, NJW 1994, 248 ................................................................................... 75 BGH 15.12.1994, NJW 1995, 1484.................................................................................. 34 BGH 27.4.1995, NJW-RR 1995, 1272 ........................................................................... 358 BGH 26.9.1995, NJW 1995, 3315 ................................................................................. 100 BGH 22.11.1995, NJW-RR 1996, 1281 ........................................................................... 88 BGH 11.1.1996, ZEV 1996, 145. ............................................................................363, 370 BGH 18.12.1996, NJW 1997, 946 ................................................................................. 355 BGH 10.10.1997, NJW-RR 1998, 590 ............................................................................. 99 BGH 7.7.1998, NJW 1998, 3192 ..................................................................................... 34 BGH 2.12.1998, NJW 1999, 566 ............................................................................. 75, 366 BGH 14.12.1999, NJW 2000, 1188................................................................................ 362 BGH 14.5.2002, NJW 2002, 2228 ................................................................................. 116 BGH 4.7.2002, NJW 2002, 2774 .................................................................................. 99 f. BGH 17.1.2008, NJW 2008, 982 ................................................................................... 100 BGH 5.6.2008, NJW 2008, 2442 ..................................................................................... 34 BGH 3.2.2010, NJW 2010, 2202 ..................................................................................... 77 BGH 13.4.2011, NJW 2011, 2135 ........................................................................... 11, 240 BGH 20.7.2011, NJW 2012, 523 ..................................................................................... 77 BGH 26.10.2011, NJW 2012, 155 = DNotZ 2012, 211 ....................................... 355, 357 f. BGH 23.11.2011, ZEV 2012, 100 .................................................................................. 221 BGH 16.12.2015, MDR 2016, 332................................................................................. 266
Rechtsprechungsverzeichnis
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RG 27.10.1902, JW 1902, Beil. S. 286 ............................................................................. 91 RG 22.3.1906, RGZ 63, 86 ............................................................................................ 267 RG 11. 3.1909, RGZ 70, 391 ........................................................................................... 68 RG, 12.1.1911, RG Warn. 1911, Nr. 164 ....................................................................... 152 RG 19.1.1922, RGZ 103, 399 ........................................................................................ 175 RG 25.9.1924, JW 1925, 357 ......................................................................................... 261 RG 6.10.1930, RGZ 130, 69 .......................................................................................... 175 RG 21.3.1938, JW 1938, 1590 ....................................................................................... 182 RG 16.10.1939, RGZ 161, 378 ...................................................................................... 267 RG 17.2.1910, Recht 1910, Nr. 1395 ............................................................................... 96 OGHbrZ 12.5.1949, NJW 1949, 544 = OGHZ 2, 45..................... 152, 176 f., 182, 261, 267 OGHbrZ 13.4.1950, OGHZ 4, 66 ................................................................................... 152 BVerwG 18.12.1987, NJW 1988, 984 ............................................................. 363, 369, 375 BVerwG 26.1.1990, NJW 1990, 2268 ............................................................. 355, 363, 375 BVerwG 14.12.1995, NJW 1996, 2320 .......................................................................... 361 BayObLG 25.10.1968, BayObLGZ 1968, 268 ............................................................... 261 BayObLG 20.7.1979, BayObLGZ 1979, 232 ................................................................. 252 BayObLG 2.8.1984, FamRZ 1985, 314 .......................................................................... 174 BayObLG 22.10.1984, FamRZ 1985, 539 ...................................................................... 187 BayObLG 30.4.1985, FamRZ 1985, 1082 .............................................................. 364, 366 BayObLG 3.10.1989, FamRZ 1990, 211 ..................................................................... 112 f. BayObLG 16.3.1990, FamRZ 1990, 801 ........................................................................ 168 BayObLG 30.4.1990, FamRZ 1990, 1040 ...................................................................... 112 BayObLG 31.1.1991, NJW 1992, 248 ....................................................... 60, 150, 155, 187 BayObLG 28.6.1991, BayObLGZ 1991, 256 = NJW 1992, 55 ............................... 355, 357 BayObLG 2.7.1992, DNotZ 1993, 471........................................................................... 196 BayObLG 24.11.1992, DNotZ 1993, 453 = NJW 1993, 1144 .......................... 357, 363, 375 BayObLG 28.5.1993, FamRZ 1994, 593 .................................................................. 60, 150 BayObLG 28.12.1993, ZEV 1994, 303 .......................................................................... 168 BayObLG 12.9.1995, NJW 1995, 3260 .......................................................................... 361 BayObLG 6.3.1996, NJW-RR 1996, 1289 ..................................................................... 150 BayObLG 18.12.1997, NJW 1998, 2369 ....12, 92, 101, 116, 240, 265, 359, 365 f., 387, 394 BayObLG 19.2.1999, NJW-RR 1999, 1454 ................................................................... 359 BayObLG 21.7.1999, BayObLGZ 1999, 205 = FamRZ 2000, 701 .............................. 188 f. BayObLG 21.10.1999, NJW-RR 2000, 456 ........................................................... 261, 267 BayObLG 9.2.2000, ZEV 2000, 283 = NJW 2000, 1875 ........................................ 358, 394 BayObLG 19.4.2000, FamRZ 2001, 55 .......................................................................... 150 BayObLG 13.9.2000, ZEV 2001, 123 ............................................................................ 359 BayObLG 14.9.2001, FamRZ 2002, 1066 = NJOZ 2001, 2138 = ZEV 2002, 234............................................................................................................ 60, 188 BayObLG 24.10.2001, BayObLGZ 2001, 290 ................................................................. 60 BayObLG 22.11.2001, BeckRS 2001, 16025 ................................................................. 221 BayObLG 14.8.2002, FamRZ 2003, 708 = NJOZ 2002, 2399 ..................................... 112 f. BayObLG 2.10.2002, NJOZ 2003, 78 = DNotZ 2003, 439 ..................................... 150, 366 BayObLG 4.6.2003, DNotZ 2003, 873........................................................................... 358 BayObLG 22.6.2004, BayObLGZ 2004, 162 = NJW-RR 2004, 1591 ..................... 355, 357
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BayObLG 17.8.2004, BayObLGZ 2004, 237 ................................................................. 151 BayObLG 7.9.2004, NJOZ 2005, 1070 ........................................................... 164, 169, 188 BayObLG 9.3.2005, NJW-RR 2005, 1025 .......................................................... 151, 168 f. BayObLG 4.1.2006, ZEV 2006, 209 ........................................................................... 113 f. OLG Stuttgart 17.5.1956, Rpfleger 1956, 160 ................................................................ 109 OLG Köln 20.8.1957, MDR 1957, 740 .......................................................................... 261 KG 23.5.1960, DNotZ 1960, 485 ............................................................................261, 267 KG 4.4.1966, NJW 1966, 1661 ...................................................................................... 252 KG 29.10.1979, AR (B) 103/79 – 2 Ws (B) 121/79 (unveröffentlicht) ........................... 357 OLG Karlsruhe 14.12.1981, OLGZ 1982, 280 ............................................................... 168 OLG Hamm 14.3.1986, FamRZ 1986, 728 .................................................................... 234 OLG Hamm 6.10.1988, Rpfleger 1989, 23............................................................... 60, 150 OLG Hamm 13.3.1989, OLGZ 1989, 271 ................................................................ 60, 150 OLG Hamm 1.7.1991, OLGZ 1992, 29 .......................................................................... 252 OLG Köln 26.8.1991, NJW-RR 1991,1412 .................................................................... 168 OLG Hamm 19.10.1992, NJW-RR 1993, 269 ................................................................ 286 OLG Hamm 8.12.1992, FamRZ 1993, 823 .................................................................... 177 OLG Hamm 8.10.1993, NJW-RR 1994, 593 .................................................................. 267 OLG Köln 20.12.1993, NJW-RR 1994, 396 = ErbPrax 1994, 232 ..................... 60, 150, 152 OLG Frankfurt a.M. 5.9.1995, BeckRS 06596 = FamRZ 1996, 635 ................. 60, 150, 174 OLG Hamm 12.11.1996, FamRZ 1997, 1026........................................................... 60, 152 OLG München 5.6.1997, NJW 1997, 2331 ...................................................................... 69 OLG Düsseldorf 18.7.1997, FamRZ 1998, 192 .............................................................. 358 OLG Frankfurt a.M. 22.12.1997, NJW-RR 1998, 870 = FGPrax 1998, 62 ...............................................................................................150, 174 OLG Hamm 9.1.1998, NJW-RR 1999, 424 .................................................................... 362 OLG Brandenburg 20.8.1998, FamRZ 1999, 1461 ........................................................... 87 OLG Stuttgart 18.9.1998, NJW 1999, 1564 ................................................................... 119 OLG Karlsruhe 18.2.1999, NJW 2001, 2804............................................................... 365 f. KG 7.9.1999, NJW 2001, 903 ..................................................................... 91, 96, 112, 150 OLG Braunschweig 4.11.1999, ZEV 2000, 448 = FamRZ 2000, 1189 = BeckRS 1999, 30843645 .................92, 100, 264, 365 f., 387, 394 OLG Hamm 27.6.2000, FamRZ 2002, 642 .................................................................... 234 OLG Düsseldorf 15.12.2000, ZEV 2001, 319 ................................................................ 230 OLG Düsseldorf 9.2.2001, FGPrax 2001, 122 ................................................................ 359 OLG Frankfurt a.M. 29.1.2001, NJW 2001, 1504 = ZEV 2001, 364 ........................... 357 f. OLG Saarbrücken 2.5.2001, NJW-RR 2001, 1632 ........................................................... 88 OLG Hamm 26.2.2002, ZEV 2002, 458 ......................................................................... 261 OLG Frankfurt a.M. 13.3.2003, NJOZ 2003, 1956 ......................................................... 184 OLG Hamm 20.5.2003, FamRZ 2004, 659 .............................................................150, 217 OLG Stuttgart 5.12.2003, BWNotZ 2005, 17 ................................................................. 230 OLG Jena 4.5.2005, NJW-RR 2005, 1247 ..................................................................... 167 OLG München 25.10.2005, ZEV 2006, 33..................................................................... 249 OLG Hamm 10.1.2006, NJOZ 2006, 2666 ....................................................................... 73 OLG München 20.6.2006, NJW 2006, 2642 .................................................................. 357 OLG Celle 26.9.2006, ZEV 2007, 127 ........................................................................... 151 OLG Saarbrücken 21.12.2006, BeckRS 2007, 01478 ..................................................... 367
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OLG München 14.8.2007, BWNotZ 2007, 170 = NJW-RR 2008, 164 = ZEV 2008, 37 = DNotZ 2008, 29 ...................................... 150-152, 168, 175, 182 OLG Celle 9.11.2007, MittBayNot 2008, 492 ..................................................... 197 f., 265 OLG Frankfurt a.M. 22.12.2008, FamRZ 2009, 1245 ..................................................... 265 OLG München 29.4.2009, BeckRS 2009, 11374 ............................................................ 168 OLG München 14.7.2009, NJW 2010, 684 .................................................................... 230 OLG Karlsruhe 9.12.2010, ZEV 2011, 424 .................................................................... 355 OLG München 13.9.2011, BeckRS 2011, 22971 .............................................................. 14 OLG Naumburg 7.2.2012, FamRZ 2013, 245................................................................. 266 OLG Düsseldorf 7.9.2012, ErbR 2012, 345.................................................................... 265 OLG Hamm 11.10.2012, DNotZ 2013, 233.................................................................... 336 OLG Celle 13.2.2013, NStZ-RR 2013, 176 = ZEV 2013, 344 ................................ 119, 265 OLG Stuttgart 21.3.2013, MittBayNot 2014, 353 ........................................................... 357 OLG München 1.7.2013, ZEV 2013, 504 ....................................................................... 168 OLG Hamm 12.12.2013, BeckRS 2016, 01336 .............................................................. 266 OLG Hamm 1.8.2014, NJW-Spezial 2015, 40 ................................................................ 266 OLG München 22.10.2014, FamRZ 2015, 689 ............................................................... 167 OLG München 31.10.2014, NJW-Spezial 2014, 712 ...................................................... 209 KG 11.11.2014, NJW-RR 2015, 456 .............................................................................. 266 OLG Düsseldorf 17.11.2014, FamRZ 2015, 874 ............................................................ 287 OLG München 12.5.2015, ZErb 2015, 253 = NJW-RR 2015, 1034 ......... 231, 265, 365, 370 OLG Bamberg 22.5.2015, ZErb 2015, 314 ..................................................................... 106 OLG Düsseldorf, 15.6.2015, FamRZ 2015, 2088 ........................................................... 164 OLG Bremen 24.9.2015, MDR 2015, 1372 .................................................................... 335 OLG Bremen 10.3.2016, 5 W 40/15, juris ...................................................................... 335 OVG Berlin 28.3.1989, BeckRS 1989, 08036 ................................................................ 357 LG Bonn 13.4.1999, NJW 1999, 2977 ........................................................................... 359 LG Freiburg 19.3.2003, BWNotZ 2004, 42 .................................................................... 231 LG Nürnberg-Fürth 12.8.2008, JuS 2009, 867................................................................ 230 LG Köln 14.5.2009, BeckRS 2010, 14385 ..................................................................... 365 LG Frankfurt a.M. 29.9.2011, BeckRS 2011, 23586......................................................... 14 LG Weiden 14.10.2010, BeckRS 2011, 12329 ................................................................. 12 VGH Kassel 1.6.1967, NJW 1968, 70 ............................................................................ 186 VGH Würzburg 3.6.2008, MittBayNot 2010, 57 ............................................................ 358 AG Schwabach 2.6.2008, BeckRS 2009, 17624 ............................................................. 230 ÄGH Saarland 25.8.2010, MedR 2011, 752 ................................................................... 363
Frankreich Cass. civ. 27.2.1821, Dalloz jurispr. gén., V° Dispositions entre vifs et testamentaires, n° 209 ............................................................................................... 201 Cass. civ. 4.2.1941, DA 1941, 113 ................................................................................. 156 Cass. civ. 22.12.1971, Bull. civ. 1971, I, n° 329 ............................................................. 182 Cass. civ. 1ère 27.6.1972, D. 1973, 133 ............................................................................. 36
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Rechtsprechungsverzeichnis
Cass. civ. 20.3.1973, Bull. civ. I, n° 110, 99 .................................................................. 201 Cass. civ. 11.6.1980, Bull. civ. I, n° 184 ........................................................................ 170 Cass. civ. 25.5.1987, Bull. civ. I, n° 171 ........................................................................ 202 Cass. civ. 1ère 2.12.1992, n° 91-11.065, unveröffentlicht ................................................ 170 Cass. civ. 1ère 14.11.2000, JCP n 2001, 1612 ................................................................ 202 Cass. 11.1.2005, Bull. civ. I, n° 23, D. 2005.1207 .......................................................... 210 Cass. civ. 4.6.2007, Bull. civ. I, n° 227 .......................................................................... 273 Cass. civ. 8.1.2009, Bull. civ. I, n° 1 .............................................................................. 202 Cass. civ. 1ère 25.3.2009, n° 08-11.237, unveröffentlicht ................................. 164, 171, 177 Cass. civ., 1ère 30.9.2009, n° 07-21.156, unveröffentlicht .............................................. 170 Cass. civ. 1ère 6.1.2010, n° 08-20.646, unveröffentlicht .................................................. 170 Cass. civ. 21.1.2010, Bull. civ. II, n° 16 ......................................................................... 171 Cass. civ. 29.6.2011, Bull. civ. I, n° 139 .................................................................171, 273 Cass. civ. 3ème 20.9.2011, n° 10-20.132, unveröffentlicht ............................................... 171 Cass. civ. 1ère 26.10.2011, 10-23.153, unveröffentlicht .................................................. 211 Cass. civ. 1.2.2012, Bull. civ. I, n° 24 ............................................................................ 272 Cass. civ. 1ère 12.7.2012, n° 11-14.265, unveröffentlicht ................................................ 202 Cass. civ. 24.10.2012, n° 11-20442, Bull. civ. 2012, I, n° 209........................................ 121 Cass. civ. 1ère 19.12.2012, n° 11-26.340, unveröffentlicht .............................................. 272 Cass. civ. 25.9.2013, Bull. civ. 2013, I, n° 193 .............................................................. 354 Cass. civ. 15.1.2014, n° 12-22.950, Bull. civ. 2014, I, n° 2 ............................................ 345 Cass. crim. 15.11.2005, n° 04-86051 ............................................................................. 120 Cass. crim. 21.10.2008, Bull. crim. 2008, n° 210 ........................................................... 120 Cass. crim. 5.9.2012, n° 11-84483 ................................................................................. 121 Cour d’appel de Paris 17.4.2008 (Juris-Data n°361400) ................................................. 156 Cour d’appel de Rennes 6.5.2008, n° 06/04853.............................................................. 156 Cour d’appel de Dijon 13.11.2008, n° 08/00190 ............................................................ 156 Cour d’appel Bordeaux 23.3.2010, n° 08/01716 ............................................................. 202 Cour d’appel de Bastia 1.2.2012, n° 10/66 ...................................................... 156, 164, 170 Tribunal de Grande Instance de Paris 5.3.1997, Dr. famille 2000, comm. n°14, note Beigner ........................................................................................ 156
Grossbritannien Abbot v. Richardson [2006] WTLR 1567 ....................................................................... 159 Allen v. Emery [2005] EWHC 2389 ............................................................................... 206 Banks v. Goodfellow [1870] L.R. 5 Q.B. 549 .......................................... 158, 160, 173, 188 Battan Singh v. Amirchand [1948] A.C. 161 .................................................................. 159 Brown v. Deacy [2002] WTLR 781, 16 ...................................................................159, 182 Buckenham v. Dickinson [2000] WTLR 1083 ................................................................ 205 Carr et al. v. Beaven et al. [2008] EWHC 2582 (Ch) ..................................................... 173 Cattermole v. Prisk [2006] 1 FLR 693 ..................................................................... 94, 205 Ewing v. Bennett [2001] WTLR 249 .............................................................................. 165 Hall v. Hall [1865-69] L.R. 1 P.&D. 481 ......................................................................... 94 Hansen v. Barker-Benfield [2006] EWHC 1119 (Ch) ....................................................... 94 Hoff v. Atherton [2005] WTLR 99 ................................................................................. 205
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Hudson v. Parker [1844] 1 Rob. Ecc. 14 ........................................................................ 254 In Re D [2010] EWHC 2159 (Ch) .......................................................................... 313, 317 In Re D(J) [1982] Ch 237 ........................................................................................... 310 f. In Re Davey [1981] 1 WLR 164 ..................................................................................... 313 In Re G (TJ) [2010] EWHC 3005 (Fam) ........................................................................ 312 In Re Goffman [1969] 2 All ER 108 ............................................................................... 254 In Re JC [2012] WTLR 121 ........................................................................................... 312 In Re Key [2010] 1 WLR 2020 ............................................................................ 160, 205 f. In Re M [2011] 1 WLR 344 ........................................................................................ 311 f. In Re P [2010] Ch 33 ......................................................................................309, 312, 317 In Re Simpson [1977] 121 S.J. 224 ................................................................................. 206 Kenward v. Adams [1975] The Times 29 November 1975 ........................................... 205 f. MacClintock v. Calderwood [2005] EWHC 836 (Ch)..................................................... 165 NT v. FS & Ors [2013] EWHC 684 (COP) ..................................................................... 312 Parker v. Felgate [1883] LR 8 P.&D. 171...................................................................... 161 Perrins v. Holland and others [2011] Ch 270 CA .......................................................... 161 Scammell v. Farmer [2008] EWHC 1100 (Ch) ....................................................... 173, 205 Sharp v. Adam [2005] EWHC 1806 (Ch) ........................................................ 159, 182, 185 Sharp v. Adam [2006] EWCA Civ 449. .......................................................................... 206 Singellos v. Singellos [2010] EWHC 2353 (Ch) ..................................................... 159, 182 Smith v. Smith [1866] L.R. 1 P.&D. 143......................................................................... 254 Tchilingirian v. Ouzounian [2003] EWHC 1220 (Ch) .................................................... 159 Waters v. Waters [1848] 2 De G.&Sm. 591 .................................................................... 159 Wharton v. Bancroft & others [2011] EWHC 3250 (Ch) ................................................ 206
Italien Cass. 18.1.1929, o.Nr., Foro it., I, 1929, 310 .................................................................. 274 Cass. 13.4.1960, Nr. 569, Giust. civ. 1960, I, 1997 ........................................................ 274 Cass. 18.2.1969, Nr. 562, Giust. civ. 1969, II, 810 ......................................................... 203 Cass. 7.7.1978, Nr. 3411, Foro it. 1979, I, 130 ............................................................... 157 Cass. 18.8.1981 Nr. 4939, Giust. civ. mass. 1981 ........................................................... 204 Cass. 10.11.1992, Nr. 12081, Giust. civ. mass. 1992 ...................................................... 203 Cass. 22.5.1995, Nr. 5620, Giust. civ. mass. 1995, 1046 ........................................ 157, 190 Cass. 11.11.1997, Nr. 11128, Riv. not., 1998, 493 ......................................................... 203 Cass. 19.2.1998, Nr. 1766, Riv. not., 1998, 704 ............................................................. 203 Cass. 24.10.1998, Nr. 10571, Riv. not. 1099, 1033......................................................... 164 Cass. 30.1.2003, Nr. 1444, Giust. civ. mass. 2003, 230 .................................................. 157 Cass. 18.4.2005, Nr. 8079, Riv. not. 2006, 2, 559 .................................................. 164, 172 Cass. 29.1.2007, Nr. 1770, Guida al diritto 2007 ............................................................ 172 Cass. 11.6.2009, Nr. 13630, Riv. not. 2010,2,499 ........................................... 157, 162, 172 Cass. 3.3.2010, Nr. 5091, Foro it. 2010, I, 3450 .......................................................... 171 f. Cass. 15.4.2010, Nr. 9081, Zacchia 2011, 1, 145.................................................... 157, 162 Cass. 5.1.2011, Nr. 230, Giust. civ. mass. 2011, 1, 21 ............................................ 157, 190 Cass. 25.3.2011, Nr. 6978, Nuova giur.civ.comm. 2011, I, 1030 ..................... 165, 171, 203 Cass. 12.9.2011, Nr. 18675, unveröffentlicht ................................................................. 172 Cass. 30.1.2013, Nr. 2212, unveröffentlicht ................................................................... 204 Trib. Voghera 17.11.2007, Nr. 440, Resp.civ.prev. 2008, 887 ........................................ 204
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Trib. Milano 25.11.2010 n. 13603, Giur. merito 2011, 5, 1258....................................... 164 Trib. Roma 30.5.2012, Nuova giur.civ.comm. I, 2012, 1005 .......................................... 349 Trib. Vercelli 3.9.2015, unveröffentlicht. ....................................................................... 194
Österreich OGH 21.11.1928, 2 Ob 1029/28 .................................................................................... 287 OGH 21.9.1949, 2 Ob 41/49 (SZ 22/134) ..................................................................... 89 f. OGH 27.6.1956, 7 Ob 293/56, JBl 1957, 239 ..........................................................154, 162 OGH 26.2.1958, 7 Ob 10/58 .......................................................................................... 272 OGH 2.2.1966, 6 Ob16/66 (SZ 39/20) ........................................................................... 272 OGH 26.1.1978, 7 Ob 733/77 (SZ 51/8) ........................................................................ 169 OGH 4.7.1979, 3 Ob 547/79 (SZ 52/111) ...................................................................... 185 OGH 29.1.1980, 4 Ob 602/79, (SZ 53/10) ..................................................................... 209 OGH 30.11.1983, 1 Ob749/83 (SZ 56/180).................................................................... 272 OGH 1.4.1987, 3 Ob 653/86, JBl 1987, 655 ............................................................154, 162 OGH 14.6.1988, 4 Ob 562/88 ........................................................................................ 154 OGH 27.9.1988, 2 Ob 609/87 ......................................................................154, 175, 189 f. OGH 13.12.1988, 4 Ob631/88, (SZ 61/269)................................................................ 198 f. OGH 27.6.1991, 3 Ob 539/90 ........................................................................................ 190 OGH 28.8.1991, 9 Ob 710/91, NZ 1992, 294 ...................................................... 153 f., 162 OGH 28.4.1998, 1 Ob 373/97 b, NZ 1999, 25 ................................................................ 199 OGH 4.2.1999, 4 Ob 340/98y, NZ 2000, 215 ..........................................................154, 162 OGH 25.11.1999, 6 Ob 244/99x .............................................................................153, 162 OGH 31.1.2002, 6 Ob 317/01p ................................................................................... 153 f. OGH 25.3.2003, 1 Ob 51/03m ........................................................................ 154, 169, 175 OGH 29.4.2003, 4 Ob69/03f ...................................................................................199, 218 OGH 29.4.2003, 5 Ob 278/02x ...................................................................................... 182 OGH 14.10.2003, 1 Ob 28/03d ...............................................................................154, 163 OGH 17.11.2004, 9Ob124/04g ...................................................................................... 272 OGH 7.6.2005, 5 Ob 113/05m .................................................................................... 180 f. OGH 14.7.2005, 6 Ob 129/05x ................................................................................... 199 f. OGH 22.9.2005, 2 Ob 208/05k ................................................................................... 153 f. OGH 29.3.2006, 7 Ob 292/05z 2 ................................................................................... 287 OGH 24.1.2008, 6Ob282/07z, NZ 2008,246 ...........................................................194, 199 OGH 16.12.2008, 8 Ob 155/08i ..................................................................................... 154 OGH 17.12.2008, 3 Ob 245/08p .................................................................................... 153 OGH 23.2.2011, 3Ob 1/11k ........................................................................................... 154 OGH 11.5.2011, 3Ob 76/11i .......................................................................................... 154 OGH 17.1.2012, 4 Ob 198/11p ...................................................................................... 154
Schweiz BGer 26.9.1940, BGE 66 II 99 ...................................................................................... 276 BGer 23.5.1991, BGE 117 II 231 .................................................................... 155, 170, 181 BGer 16.12.1997, BGE 124 III 5 .................................................................... 155, 178, 181 BGer 29.1.2004, BGE 130 III 321 ................................................................................. 170 BGer 6.10.2004, 5C.32/2004 ......................................................................................... 170 BGer 17.1.2005, 5C.193/2004 ........................................................................ 155, 181, 185
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BGer 6.2.2006, BGE 132 III 305 ............................................................................... 13, 16 BGer 2.7.2007, 5C.282/2006 ......................................................................................... 170 BGer 19.1.2009, 5A.723/2008 ....................................................................................... 169 BGer 16.3.2009, 5A.748/2008 ............................................................................ 169, 178 f. BGer 25.3.2009, 5A.12/2009 ....................................................... 154 f., 162, 164, 181, 184
Spanien STS 18.11.1915 [JC 134/87, 522] .................................................................................. 204 STS 25.10.1928 [JC 185, Nr. 132, 532].......................................................................... 165 STS 23.3.1944 [RJ 1944/317] ........................................................................................ 205 STS 7.10.1982 [RJ 1982/5545] ...................................................................................... 205 STS 10.4.1987 [RJ 1987/2549] .............................................................................. 158, 205 STS 26.4.1995 RJ [1995/3256] ...................................................................................... 165 STS 27.11.1995 [RJ 1995/8717] ............................................................................ 158, 205 STS 27.1.1998 [RJ 1998/394] ................................................................................ 158, 165 STS 12.5.1998 [RJ 1998/3570] ....................................................... 158, 162, 165, 172, 204 STS 24.7.1998 [RJ 1998/5603] ...................................................................................... 158 STS 19.9.1998 [RJ 1998/6399] ....................................................................... 158, 173, 182 STS 4.10.1998 [RJ 1998/3230] ..................................................................................... 205 STS 27.6.2005 [RJ 2005/9688] ........................................................................... 158, 204 f. STS 7.11.2008 [RJ 2008/7257] ...................................................................................... 193 AP de las Islas Baleares 17.4.2001 [AC 2002\232] ........................................................ 158 AP Lugo 26.9.2001 [JUR 2001\318032] ........................................................................ 158 AP Barcelona 19.12.2007 [AC 2008/481] ...................................................................... 205 AP Madrid 23.7.2011 [AC 2011/2109] .......................................................................... 205
USA Ball v. Miller, 214 S.W.2d 446 (1948) ........................................................................... 229 Bernard v. Foley, 39 Cal. 4th 794 (2006) ......................................................................... 20 Brown v. Emerson, 170 S.W.2d 1019 (1943).................................................................. 125 Carpenter v. Horace Mann Life Ins. Co., 730 S.W.2d 502 (1987) .................................. 125 Conner v. Brown, 3 A.2d 64, 71 (1938)............................................................................ 95 In Re Bragg’s Estate 76 P.2d 57 (1938) ......................................................................... 229 In Re Estate of Flicker, 339 N.W.2d 914 (1983) ............................................................ 236 In Re Estate of Sauressig, 136 P.3d 201 (2006) .............................................................. 236 In Re Estate of West, 522 A.2d 1256 (1987) ..................................................................... 95 In Re Kimmel’s Estate 278 Pa. 435, 123 A. 405 (1924) .................................................. 236 In the Matter of the Trust and Estate of Melter, 167 Wn. App. 285 (2012) ......................................................................................................................... 94 Robertson v. Robertson, 24 S.W.2d 282 (1930) .............................................................. 229
Sachverzeichnis
Sachverzeichnis Sachverzeichnis [Einfache Zahlen bezeichnen Seitenzahlen, Hochzahlen stehen für Fußnoten] Adoption eines Hausfremden 46 Adoptionstestament siehe testamentum calatis comitiis Affatomie 46 Altersrecht 745 Alterstypische Krankheiten – Beeinträchtigung der Privatautonomie 9 – Demenz siehe dort – Multimorbidität 8 – Steigende Pflegebedürftigkeit 8 – Testamentserrichtung und 9 – Testierfähigkeit und 163 ff. – Zunahme von 7 ff. Alzheimer siehe Demenz amministrazione di sostegno 193 f., 349 Anerbe 49 f. Anfechtung wegen Willensmängeln – Abgrenzung zur Sittenwidrigkeit 99 f. – Auslegung und 68 – Beweisschwierigkeiten 112 – Drohung 89, 102, 113, 114 – Erweiterung der Anfechtungsgründe 124 – Familiäre Treuepflichten und 81237 – Irrtum 67 f., 93 f., 107 – kassatorische Wirkung 68, 104, 111 – Kausalität 112 ff. – Lebzeitige Anfechtung des Testaments 105313 – mittelbarer Schutz durch 110 ff. – Schutz vor Fremdbestimmung 110 ff. – Schutzzweck 105 ff. – Selbstbestimmung und 107 – Täuschung 102 – Teil- und Totalnichtigkeit 105 – Testierunfähigkeit 209 f.
– undue influence 125 – unmittelbarer Schutz durch 104 ff. – Verhinderung rechtswidriger Bereicherung 107 – Verwirklichung des wahren Willens 104309 – Willensdogma im Erbrecht und 67 f. Anfechtungsbefugnis 67 f. Ärzte siehe Berufsordnungen, Testierverbote Auslegung – erbrechtliche 68 f. – Mentalreservation und 71 f. – Vorrang vor Anfechtung 68 Ausnützung der Todesnot siehe Testamentsgesetz Banks v Goodfellow-Test siehe Testierfähigkeit Beeinflussung siehe Fremdbestimmung Beirückung 245 Berufsordnungen (Verbot der Vorteilsannahme) – Ärzte 362 f. Betreuung 195, 221 f. Betreuer – Einwirkung auf den Willen des Erblassers 11 f., 100, 264 f. – Untreue 119 Beurkundung (Testament) – Deutschland 333 ff. – gemeines Recht 322 ff. – Mitwirkung eines neutralen Garanten 289 f. – offene Willenserklärung 290 f. – römisches Recht 319 ff. – Schutz vor Mitwirkenden an der 319 ff.
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– Vertraulichkeit 291 f. Beurkundungsgesetz 335 certificate of independent review 383 f. clinical dementia rating 166171 Code de l’action sociale et des familles 18 Delirium 167 Demenz – England 173 – Frankreich 170 f. – Italien 171 f. – Krankheitsbild 166 f. – luzide Intervalle 167 ff. – Österreich 169 – Prognosen über Demenzerkrankungen 7 f. – Schweiz 169 f. – Schweregrade 166171 – Selbstbestimmungsfähigkeit 167 – Spanien 172 f. – statutory will und 313 f. – Testierfähigkeit und 167 ff. – Ursachen 166170 demographischer Wandel – Alterung der Gesellschaft 1 f. – Deutschland 1 – Österreich 2 – Erbrecht im 3 – Erbrechtsreform und 4 ff. – Faktoren 2 – Geburtenrate 2 – Gesetzesreformen und 4 ff. – Indikatoren 1 f. – Schrumpfung der Generationen 2 – soziale Sicherungssysteme 11 Diatheke 46, 48 Dienstrechtliches Geschenkannahmeverbot 360 ff. Dolmetscher 319, 330, 331 Drittwirkung 40 Drohung siehe Fremdbestimmung Druckausübung siehe Fremdbestimmung Ebenbürtigkeitsklausel 77 Ehe – Pluralisierung der Lebensformen 2 – Scheidungszahlen 2 eigenhändiges Testament
– Begriff 229 – Eigenhändigkeit 248 ff. – Fälschungs- und Unterdrückungsschutz beim 234, 249 f. – Gefahr der Fremdbestimmung 238 ff., 248 ff., 255 – Hinterlegung des 250, 278 – Praktische Bedeutung 230450 – Rechtsklarheitsfunktion der Form beim 234 – Volkstümlichkeit 239 – Warnfunktion der Form beim 233 Eigentum – Erbrecht und 51 ff. – Individualeigentum 51 – Individualisierung 47 f., 50 – kollektives 44 f., 50 – Privatautonomie und 51 f Einflussnahme siehe Fremdbestimmung Einsetzung von Vertrauenspersonen – Anwesenheit bei Errichtung 14 – Betreuer 12, 1686 – engste Familienangehörige 17 – Lebensgefährte 12 – Pflegepersonal 17, 18, 19, 1999, 20 – Rechtsanwalt 13 – Testierverbot bei siehe dort – Vorsorgebevollmächtigter 12 elder law siehe Altersrecht Empfangsbedürftigkeit 72 Entmündigung 192 f. Erben – Erwartungshaltung der 60 – Position zu Lebzeiten des Erblassers 72 f., 77 Erbenlaub 49 Erbenstellung 65 Erblasser – Machtausübung durch den 1581 – Schutz vor sich selbst 9 – Schutz vor unzulässiger Einflussnahme 9 – starker 11, 236480 – verletzlicher 9, 10 f., 111 Erblasserwillen – mutmaßlicher siehe dort Erbrecht – Beschränkung der Willensherrschaft im 73
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demographischer Wandel und 3, 4 Frühzeit 44 f. Eigentum und 51 ff. eigentumserweiternde Funktion 53 gesellschaftspolitische Bedeutung des 4 f. – gesellschaftspolitische Neutralität 5 – gesetzliches siehe dort – gesteigerte Willensherrschaft im 71 ff. 82 – kulturelle Prägung 26 f. – naturrechtliches Verständnis bei Locke 51123 – Privatautonomie im 41 ff. – Reformgründe – demographischer und gesellschaftlicher Wandel 4 ff. – demoskopische Erkenntnisse 428 – Reformen des – Deutschland 4 – Frankreich 426 – Katalonien 427 – Österreich 324 – Schottland 427 – Schweiz 323 – USA 427 – Rechtsvergleichung und 26 f. – soziale Ungleichheit und 5 – Vermögenskonzentration durch siehe Perpetuierungswirkung – Wertanschauungen im 4 f. Erbrechtsänderungsgesetz 2015 194 Erbrechtsgarantie 6, 53 f., 58 Erbrechtsreformen siehe Erbrecht Erbschaftssteuer 78 f. Erbschleicherei 95 f. Erbunwürdigkeit – Anfechtungsberechtigung 108 – Fremdbestimmung als Grund für 13, 102 f., 107 ff. – hypothetischer Erblasserwille 109 – mittelbarer Schutz durch 117 ff. – nemo ex suo delicto… 108 f. – Pflichtteilsentziehungsgründe und 109 – Schutzzweck 108 f. – Straffunktion 109 f. – Täuschung 93, 102 f. – unmittelbarer Schutz durch 107 ff. – Widerrechtliche Drohung 92, 102 f.
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Erbvertrag 23 f. – Anfechtung 105 – Auslegung und 68 f. – Doppelnatur 4261 – Errichtungsfähigkeit 138, 213393 – lebzeitige Bindungswirkung 4261, 66 f. – Nichtigkeit 104 – Schutz durch Anfechtung 122 f. – Sittenwidrigkeit 100 ff. Erwachsenenschutzrecht 18, 191 ff. Erwachsenenschutzreform (Frankreich) 18, 306 f. ex post-Schutzmechanismen 122, 124 ff. familiae emptor 47, 294, 319 Familienerbfolge 5, 51 – in der griechischen Antike 1582 – Pflichtteilsrecht und 74 Familiengut 44 ff. Form – außerordentliche Testamentsformen 230 f., 257581 – Begriff 224 – Beschränkung der Willensherrschaft durch 73 – Beweisfunktion 234 f. – cautionary function 62160 – channeling function 233 f. – eigenhändiges Testament siehe dort – Fälschungs- und Unterdrückungsschutz durch 235 – Formzwang 73, 223 f. – fremdhändiges Testament 229, 285 – Funktionen der 231 ff. – Geltungsgrund 225 – Geltungsvoraussetzung 226 – Grundformen 229 ff. – historische Entwicklung im Testamentsrecht 224 ff. – Lockerung des Formzwangs 226 ff. – Mitwirkung eines neutralen Garanten 289 f. – mündliches Testament 229 – notarielles Testament siehe dort – offene Willenserklärung 290 – öffentliches Testament 230 – ordentliche Testamentsformen 230 – privates Testament 229, 247 f. – Rechtsklarheitsfunktion 233 f.
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– relativer Formzwang 389 – Schutz der gesetzlichen Erben durch 232, 237 – Schutz vor Fremdbestimmung durch 236 ff. – bei Privattestamenten 247–256 – bei öffentlichen Testamenten 256– 281 – bei gemeinschaftlichen Testamenten 281–289 – Selbstverantwortung und 62 – Vertraulichkeit 291 f. – Warnfunktion 62160, 231 f. – Widerruf 307 f. – Wirkform 225 – Zeugentestament 229 formelle Höchstpersönlichkeit – Abgrenzung zur materiellen Höchstpersönlichkeit 293 – ALR 297 – Begründungsansätze 300 ff. – Definition 293 – Deutschland 299 f. – Durchbrechung der 306 ff. – Familieninteresse 300 – Formvorschrift 305 – Frankreich 193290, 306 f. – Gefahr unlauterer Machenschaften und 301 f. – gemeines und kanonisches Recht 295 ff. – Kodifikation 297 ff. – Österreich 297 f. – persönliches Bekenntnis und 301 – Römisches Recht 294 f. – Selbstbestimmung und 301 – Selbstverantwortung und 61, 302 f. – Spanien 193, 298 f. – testamento por comisario 298 – Willensdogma und 64 Formwahlfreiheit – Abhängigkeitslage 386 f. – Beschränkung ab einem bestimmten Alter 385 – Beschränkung bei gemeinschaftlichen Testamenten 287 f. – Kalifornien 382 f. – Katalonien 380 – Minderjährige 137, 139, 140, 14785, 154118, 194 f., 240 ff.
– privatschriftliche Testamente 247 – Sicherung der 378 f. – Volljährige 243 ff. Fremdbestimmung – Abhängigkeit 10, 13 f. – Androhung von Folgen im Jenseits 91, 96283 – Ausnützung von Abhängigkeitslagen 11, 90 ff. – äußere Einflüsse und 84 f. – Beeinträchtigung der Selbstentfaltungsfreiheit 23 – bei lebzeitigen Rechtsgeschäften im Alter 16 – Beispiele aus der Rechtsprechung 11 ff. – Bitten und Forderungen 94 f. – Definition 87 – Desinformation 86, 93 f. – Drohung 88 f. – Druckausübung 10, 86 – Eigen- oder Fremdinteresse des Dritten 85 f. – engster Familienkreis 118 – Erbschleicherei 95 f. – Folter 87, 97 – Formen der 87 ff. – Fremdinteresse 85 f. – Gefahren bei der post factum-Feststellung von 13 ff., 122, 126 – Gehirnwäsche 87 f., 97 f. – gerichtliche 308 ff. – gesetzliche Eingriffe zum Schutz vor 18 ff. – Hypnose 87 f., 97 f. – I-D-E-A-L-Modell 11, 90268 – Indizien für 14 – Inhalt der Verfügung und 14 – Isolation 10, 90 – Kausalität 85 – lebzeitige Rechtsgeschäfte und 22 f. – Legitimationsdefizit des Berufungsgrundes 1793, 25 – Manipulation 11, 85 – Mentalreservation 71 – Nichtigkeit wegen 97 ff. – Privattestamente und 247 ff. – rechtliche Beratung und 85 f., 185 f. – Risikofaktoren 10 – Schmeicheleien 94 ff.
Sachverzeichnis – Schutz der Testierfreiheit vor 15 ff. – Schutz durch Form vor 236 ff., 289 ff. – Schwierigkeiten bei der Ermittlung von 13 – statutory will zum Schutz vor 316 ff. – Täuschung 86, 93 f. – Vorsatz 86 f. – Wesensmerkmale 85 ff. – Widerspruch gegen des Willen des Erblassers 94 f. – Zwang 87 f., 97 f., 115, 176 gairethinx 46 gemeinschaftliches Testament – Auslegung und 68 f. – Definition 283 – Formprivileg 283, 284 f., 287 – Gefahr der Fremdbestimmung bei eigenhändigem 240, 281 f., 284, 286 f. – gleichzeitiges Testament 286 – historische Entwicklung 283 – lebzeitige Bindungswirkung 4261, 66 f., 283 – romanischer Rechtskreis und 283687 – Schutz der Testierfreiheit durch Anfechtung 123 f. – Schutz der Testierfreiheit durch Form 286 ff., 289 – subjektive Beschränkung 284 – Testiergemeinschaft 286 – Verbot von 240504 – Verschlossenes 288 – Vorteile 283 gens 45 Geschäftsfähigkeit siehe Testierfähigkeit Geschenkannahmeverbote 360 ff. gesellschaftlicher Wandel siehe Pluralisierung der Lebensformen Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts 4 gesetzliches Erbrecht – Entwicklung 51 – Wertanschauungen im 5 gesetzliches Verbot 75, 81 Grabbeigaben 45 Hauserben 49 Hausgenossen (besoldete) 326, 328894 Hausgewalt 45
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Haushaltshilfe 353 f. Hauskult siehe Totenkult. Heilung wegen mangelnder Testierfähigkeit 210 Heimgesetz (Begünstigungsverbot) 17, 75, 355 – analoge Anwendung 358 f. – Ausnahmegenehmigung 360 – Effektivität des Schutzes 368 f. – Geringfügigkeitsgrenze 359 – Gesetzesumgehung 357 f. – Gesetzliche Konkretisierung des § 138 BGB 367 – landesrechtliche Bestimmungen 355995 – Normzweck 356, 358, 373 – persönlicher Anwendungsbereich 357 – sachlicher Anwendungsbereich 357 – stilles Testieren 357 – Testierverbot 357 – verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Testierverbot 356 Heimlichkeit des Testierens 59 Heimpersonal siehe Heimgesetz Höchstpersönlichkeit – formelle siehe dort – materielle siehe dort t Hume’sches Gesetz 534 hypothetischer Erblasserwille siehe mutmaßlicher Erblasserwille I-D-E-A-L-Modell siehe Fremdbestimmung independent attorney 382 f. Individualeigentum siehe Eigentum inhabilidad successoria 380 ff. Komplexität der Verfügung siehe Testierfähigkeit, relative Lebensgemeinschaft siehe nichteheliche Lebensgemeinschaft lebzeitige Einzelverfügungen siehe Schenkungen auf den Todesfall lebzeitige Rechtsgeschäfte – strukturelle Unterschiede zu letztwilligen Rechtsgeschäften 22 f. letztwillige Verfügungen – Einseitigkeit 72 – Mentalreservation 70
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Schenkungsabsicht 72 f. Selbstbestimmung und 57 Sittenwidrigkeit 75 strukturelle Unterschiede zu lebzeitigen Rechtsgeschäften 22 f. – Unentgeltlichkeit 72 – Widerruflichkeit 42, 57 – Willensdogma 63 f., 72 – Wirkungen nach dem Tod 9, 23 luzide Intervalle 167 ff., 221, 306 mandataire judiciaire 18 Manzipationstestament siehe testamentum per aes et libram Materialisierung der Privatautonomie siehe Privatautonomie materielle Beschränkung der Testierfreiheit siehe Testierfreiheit materielle Höchstpersönlichkeit – Fremdbestimmung und 293 – Selbstbestimmung und 64 – Selbstverantwortung und 61 f., 302 – Statusorientierung und 65 f. – Vermächtnis und 66 Mental Capacity Act 2005 160 f., 175, 195, 308 f. Mentalreservation 70 f. Minderjährige – Beschränkung der Formwahlfreiheit 240 ff., 278 – Testierfähigkeit 136 ff. – Schutz durch Form 238 Mindestalter siehe Testierfähigkeit Mittelsmann 47 f., 52 Mitwirkungsverbote 335 Motivirrtum 3428, 68 mündliches Testament 248, 253 Multimorbidität siehe alterstypische Krankheiten mutmaßlicher Erblasserwillen – Erbunwürdigkeit 109 – Ermittlung durch Umfragen 428 – Orientierungsfunktion bei Erbrechtsreformen 428 natürliche und unnatürliche Verfügungen 125 ff. nichteheliche Lebensgemeinschaft – Erbrechtliche Berücksichtigung der 5 f.
– Österreich 539 – Erbschaftssteuer und 79229 – Pluralisierung der Lebensformen 2 – serielle Monogamie 2 Nichtigkeit – Begünstigung an der Testamentserrichtung Mitwirkender 331, 333 – Erweiterung der Nichtigkeitsgründe 124 – mangelnde Zurechenbarkeit 97 f. – mittelbarer Schutz durch 114 ff., 122 f. – relative 210 – Sittenwidrigkeit 98 f., 115 – Teilnichtigkeit 188 f., 253, 255 – Testierunfähigkeit 208 f. – unmittelbarer Schutz durch 103 f. – Zwang 87 f., 97 f., 115, 176 Notar – Feststellung der Testierfähigkeit durch den 196 ff. – Deutschland 196 ff. – Frankreich 201 f. – Italien 202 ff. – Österreich 198 ff. – Schweiz 200 f. – Spanien 204 f. – Haftung des 203, 267 – Mitwirkungsverbote 258 – neutraler Garant 258, 277 – Schutzfunktion für schwache Erblasser 258 f., 266, 269 f., 279 f. – Unparteilichkeit 258 – Verweigerung der Beurkundung 266 f. – Zweifel an der Testierfähigkeit 267 notarielles Testament – Anforderungen an die Willenserklärung 260 ff., 271 ff. – Ausschluss interessierter Dritter 259, 269, 274, 281, 290 – Bejahung 268 f., 271 ff., 275, 281, 290 – Beweisfunktion der Form beim 235 – Fälschungs- und Unterdrückungsschutz der Form beim 235 – Gebärdendolmetscher 260, 264, 330 f. – Hör-, Sprach- oder Sehbehinderung und 260, 264, 269, 330 – Mündlichkeitserfordernis 260 ff., 272 ff.
Sachverzeichnis – Rechtsklarheitsfunktion der Form beim 234 – Schutz vor Fremdbestimmung 239 f., 257 f., 264 ff., 269 f., 292 – Schreibunfähigkeit 260, 261 f., 276 – Übergabe einer verschlossenen Schrift 263, 270, 277 f., 280, 281, 290 – Verbreitung 230 – Warnfunktion der Form beim 233 Nottestament 253, 257581 nuncupatio 253 f., 260, 274658, 275, 294 öffentliche Bedienstete siehe Testierverbote oíkos 44 Patchwork-Familien siehe Pluralisierung der Lebensformen Perpetuierungswirkung 532 Pflegebedürftigkeit – Ausnützung der 91 – Risikofaktor für Fremdbestimmung 10 Pflichtteilsrecht – Beschränkung der Testierfreiheit 1582, 54132 – Beschränkung der Willensherrschaft durch das 74 – familiäre Treuepflichten und 81 – Pflichtteilsentziehungsgründe und Erbunwürdigkeit 109 – Schutz gegen Fremdbestimmung durch 74 f. – undue influence-Rechtsprechung 126 Pluralisierung der Lebensformen – partnerschaftliche Lebensformen 2 – nichteheliche Lebensgemeinschaft 2 – Lebensabschnittspartnerschaften 2 – Patchwork-Familien 2 – serielle Monogamie 2 – Singularisierung 3 Privatautonomie – Ausnützung einer Zwangslage 36 – Definition 32 f. – Drohung und Täuschung 35 – Druckausübung 36 – erbrechtliche 41 f., 51, 54 f., 82 – formale Selbstbestimmungsfreiheit als Grundlage 34, 36 – Generalklauseln 40
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Grundlage des Privatrechts 32 Materialisierung 36 ff., 39 f. Machtungleichgewicht 36 f. Persönlichkeitsentfaltung 55 Richtigkeitsgewähr 37 f. Selbstbindung 42 Täuschung durch Dritte 35 f. Testierfreiheit als Sonderform der 54 f., 82 – Untermaßverbot 39 – Vertragsfreiheit 33 f. – von Todes wegen 54 f. – Willensdogma in der erbrechtlichen 63 ff. – zwingendes Recht 40 Privaterbfolge 5 Pupillarsubstitution 294 f., 298
Realteilung siehe Zersplitterung des Familienvermögens Reformen des Erbrechts siehe Erbrecht Rechtssoziologie 743 Rechtstatsachen 6 Rechtsvergleichung – funktionale Methode 27 – kulturell geprägtes Recht und 27 Reichsnotariatsordnung 322, 324 relative Erbunfähigkeit siehe Testierverbot Sachsenspiegel 133 Sachwalterschaft 194, 199, 243 ff. sacra siehe Totenkult Salmann 47 Schenkungen auf den Todesfall – Entwicklung der Testierfreiheit 47 Schenkungsabsicht siehe letztwillige Verfügungen Schenkungsverbote – Frankreich 18 Seelteil 46 Selbstbestimmung – Bedingungen für 84243, 175 – Definition 29 f. – Drohung und 88 f. – Einsichtsfähigkeit als Voraussetzung 30 – Entscheidungsfähigkeit 175 – familiäre Treuepflichten und 81 – formale 83239
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– formelle Höchstpersönlichkeit und 301 – Geltungsgrund letztwilliger Verfügungen 23, 82 – Geschäftsfähigkeit 30 f. – Höchstpersönlichkeit und 64 – Irrtum und 86 – materiale 37, 83239, 116 – Menschenwürde und 32 – nach dem Tod 55 f. – Persönlichkeitsentfaltung 23, 55, 57 f., 82 – Privatrecht und 29 ff., 32 – Schrankentrias 32 – soziales Umfeld und 30 – statutory will und 316 ff. – Testierfähigkeit und 141 ff., 144, 147 f., 211 f. – Testierfreiheit und 42, 55, 57 ff., – Verfassung 31 f. – Willensherrschaft als Voraussetzung erbrechtlicher 72 – Zentralkategorie der menschlichen Zivilisation 31 – Zwang und 87 f. Selbstverantwortung 30, 56, 59 f., 63, 151, 212 serielle Monogamie siehe Pluralisierung der Lebensformen Sippe 44 f. Sittenwidrigkeit – Abgrenzung zur Anfechtung 99 f. – Ausnützung von Abhängigkeitslagen 17, 92, 98 ff., 176, 364 – Beschränkung der Willensherrschaft durch 75 f., 81 – Bürgschaftsrechtsprechung 116 – Erbvertrag 100 ff. – Kausalität 115 – mittelbarer Schutz 115 f. – strukturelles Ungleichgewicht 17 – Testament 100 f. – Testierfreiheit und 364 ff., 370 – widerlegliche Vermutung von 116 statutory will 195, 308 ff. Statusorientierung der Erbfolge 65 f. Stellvertretung siehe formelle Höchstpersönlichkeit solonische Gesetzgebung 49115 sui siehe Hauserben
Testament – Alter bei Errichtung siehe Testierverhalten – Beistand bei Errichtung 193 – Form siehe dort – fremdhändiges 229, 248, 253, 328 – gemeinschaftliches siehe dort – gerichtliches 256 f. – gesellschaftliche Bedeutung in Rom 50, 58148 – internationales 257 – notarielles siehe dort – öffentliches 230, 256 ff. – privates 229, 248 – rechtliche Komplexität 184 ff. – Sittenwidrigkeit siehe dort – Unentgeltlichkeit 72 – Widerruf durch Entmündigten 192 f. – Widerruflichkeit 40, 106 – Wille als Geltungsgrund 63 f., 72 testamentum per aes et libram 4793, 96, 48, 274658, 276 f., 319 f. testamentum calatis comitiis 46, 4793 testamentum in procinctu 4690 Testamentsgesetz – Abschaffung des Zeugenzwangs 259, 290 – Ausnützung der Todesnot 91273, 367 – familiäre Treuepflichten 79232 – handschriftliches Testament 238 f. – Lockerung der Formvorschriften 226 f., 285 – Testierfähigkeit 14579, 149 Testamentsschreiber 20, 253, 332, 372 – Deutschland 336, 337 – England 329 f. – Frankreich 327 f. – gemeines Recht 324 – Italien 329 – Kalifornien 382 f. – Österreich 328 f. – römisches Recht 321 – Spanien 329 Testamentsvollstreckung 24 Testierfähigkeit – Abgrenzung zu den Anfechtungsgründen 176, 178, 179 f. – Altersgrenze 143 f., 220
Sachverzeichnis – alterstypische Krankheiten und 163 ff., 173 f. – Anfechtbarkeit wegen mangelnder 209 f. – antikes griechisches Recht 131 – Banks v Goodfellow-Test 158 ff., 165, 173, 195 – „beschränkte“ 136 f. – Betreuung und 195 – Beweismaß bei Testierunfähigkeit 169 – Definition 60, 129 f. – Demenz und 166 ff. – Eheschließung 139, 148 – Einflüsse Dritter und 174, 176, 177 ff. – Entmündigung 192 f. – Erwachsenenschutz und 191 ff., 217 – „faktische“ 1304, 136 – favor testamenti 161 f., 174 – Feststellungspflichten des Notars 196 ff. – Gehirnentwicklung 146 – Geistesstörung siehe geistige Gesundheit – geistige Gesundheit 215 f. – Deutschland 148 ff. – England 158 ff. – Frankreich 156 – Italien 157 – Mindestanforderungen 161 ff. – Österreich 153 f. – Schweiz 154 f. – Spanien 157 f. – geistige Reife 146, 148, 154 – gemeines Recht 131 – germanische Rechte 133 f. – Geschäftsfähigkeit und 142 f., 147, 148, 149, 151, 182, 212 ff., 219 – golden rule 205 ff. – Höchstalter 220 – Komplexität der Vermögenszusammensetzung 185 – körperliche Tüchtigkeit 134 f., 212 – lebzeitige Feststellung der 196, 217 f., 222 – medizinische Sachverständige zur Feststellung der 201, 202, 204 ff. – Mindestalter 215 – Funktion 141 f.,
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– Minderjährigkeit 136 ff, 139, 140 f., 142 f. – Volljährigkeit 139 – Nichtigkeit wegen mangelnder 208 f. – partielle 181, 186 ff., 216 f. – Rechtsfolgen mangelnder 208 ff., 218 f. – relative 152, 155124, 180 ff., 216 f. – römisches Recht 131 f. – Schutz des Familieninteresses durch 14372, 151, 213394 – Schutz vor Fremdbestimmung 219, 377 – Selbstbestimmungsfähigkeit 144, 147 f., 149, 173 f., 174 ff., 211 f. – Selbstverantwortung 151, 212 – Ungewöhnliche Anordnungen 155123, 156, 157, 158 – Verlust vor Beurkundung 152 f., 161, 163 – Wahnvorstellungen 187 f. – Widerruf des Testaments und 192 f. – Willensschwäche 177 f. Testierfreiheit – Ausschluss zum Schutz der Familienerbfolge 1582, 77 f., 89259, 145 – Beschränkung(en) – durch das Dienstrecht 360 ff. – durch gesetzliches Verbot siehe Testierverbot – bei Minderjährigen 139 f. – in Rom 50119 – zum Schutz der gesetzlichen Erben 15, 77 f., 89259, 145 f. – durch Steuerrecht 78 f. – Derivat des Eigentumsrechts 52127 – Eigeninteresse des Erblassers 57 ff. – Eigentum und 52 – Entstehungsbedingungen 50 f. – Entwicklungsstufen 43 – familiäre Treuepflichten und 79 ff. – formale Beschränkung der 140, 144 – Fortsetzung der Eigentums-, Verpflichtungs- und Verfügungsfreiheit 43 – Freiheitsrecht 58149 – genossenschaftliche Phase 44 ff. – germanisches Recht und 49 – gesellschaftliche Erwartungen und 15 – gesetzliche Schranken 75 – grundrechtliche Schranken 76 ff., 83
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Sachverzeichnis
Grundwertung im Erbrecht 5 Hegel und 79231, 237 historische Entwicklung 43 ff. Individualeigentum und 51 Interesse der Familie 56 materielle Beschränkungen der 318 ff. Minderjährige und siehe dort negative 106 Persönlichkeitsentfaltung 55, 57 f. pflichtgebundenes Recht 56 Pflichtteilsrecht und 1582, 54132, 74 sachliche Beschränkungen der 140 Schranken und Verfassungsrecht 54 Schutz – durch ex-post-Maßnahmen 124 ff. – durch Form 19 – vor Fremdbestimmung 15 ff. – Selbstbestimmung und 42, 57 ff. – Selbstverantwortung 59 f. 82, 232 – Sittenwidrigkeit siehe dort – Sonderform der Privatautonomie 54, 57 – strafrechtlicher Schutz 119 ff. – vertragliche Beschränkung 66 f., 75 – Willensdogma 63 ff., 72 – Willensherrschaft 72, 82 Testierverbote – amministratore di sostegno 349 – Ancien Droit 338 ff. – Apotheker, Ärzte und Chirurgen 341, 344 f., 374 f. – Ärzte, Chirurgen und Apotheker 341, 344 f., 374 f. – Ausnahme für engste Verwandte 342, 345, 349 f., 350 f. – Beamte 351 – Begünstigte im Testament 334 – Belgien 19 – Betreuer 353 – BeurkG 334ff. – Chirurgen, Ärzte und Apotheker 341, 344 f., 374 f. – Deutschland 355, 369 – Diskussion in der Schweiz 1688 – Diskussion in Deutschland 1790, 355 – Erzieher und Lehrer 340 – Frankreich 18, 338 ff., 351 ff. – Fremdsprachendolmetscher 264, 330 f. – Gebärdendolmetscher 264, 269, 330 f., 337 f., 372
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gemeines Recht 322 ff. Haushaltshilfe 354 Heime und Betreuungspersonal 351 f. Heimgesetz siehe dort Heimrecht (Österreich) 245 f. Internatsleiter 340 Italien 349 f. Kalifornien 20 Katalonien 19 Klöster 241 Kodifikationen 325 ff. Krankenhäuser 346 Krankenpfleger 352 f., 374 f. Kurator 349, 350 Lehrer und Erzieher 340 Mitwirkende am Errichtungsakt 292, 319 ff., 372 f., 375 – Notar 335 f., 372 – öffentliche Bedienstete 360 ff. – Pfleger 340 – Physiotherapeuten 353 – Priester 341, 345 f., 350, 375 – Rechtsanwälte 341 – relative Erbunfähigkeit 348, 381 – religiöse Orden 340, 346 – Richter 341 – Schiffsoffiziere 342, 346 – Schutz der Testierfreiheit durch 371 ff., 373 ff. – Schutz der Vertrauenswürdigkeit eines Berufsstandes 347 – Schutz des Familieninteresses 347 – Schutz gegen Dritte und 338 ff., 373 ff., 376 – Spanien 350 f. – Testamentsschreiber siehe dort – Testamentsvollstrecker 334 f. – Umgehungen 346 – Verständigungsperson 263 f., 269, 336, 372 – Vertrauenspersonen 16 f. – Vormund 339 f., 343 f., 349, 350 – widerlegliche Vermutung von Sittenwidrigkeit und 117 – Zeugen siehe Zeugnisfähigkeit Testierverhalten – Alter bei Errichtung 8, 11 – Errichtung im vierten Lebensalter 8 f. – Initiative eines Dritten 14
Sachverzeichnis – – – –
Sozialadäquanz 15 „unerwartete“ Anordnungen 14, 125 ff. „ungerechte“ Entscheidungen 14 ungewöhnliche Anordnungen 125, 155123, 156 – „unnatürliche“ Anordnungen 14, 125 ff. Todesverarbeitung – Geltungsgrundlage der Testierfreiheit 851 – Testamentserrichtung und 8, 55139 Totenkult 45 f., 4793 Trappisten-Testament 268 Treuhandschenkung 47 f., 51, 52 tutelle 192 f. UN-Behindertenrechtskonvention 21 f., 371 f undue influence-Anfechtung 125 unentgeltliche Dienstleister 388 f. Verfügungsverhalten siehe Testierverhalten Vergabungen 48 f. verletzlicher Erblasser siehe Erblasser Verständigungsperson 263 Vertrauenspersonen siehe Einsetzung von Vertrauenspersonen Vervielfältigung der Lebensformen siehe Pluralisierung der Lebensformen Videotestament 392 f. viertes Lebensalter siehe Testierverhalten vis absoluta siehe Zwang Vorritt 13326 vulnerable testator siehe verletzlicher Erblasser Widerrechtlichkeit der Drohung 89 Willensherrschaft im Erbrecht 71 ff.
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Zersplitterung des Familienvermögens 47, 49 Zeugen – Abschaffung des Zeugenzwangs 227, 259, 277, 292 – Ausschließungsgründe 252 – bei öffentlichen Testamenten 257, 276 f. – Beurkundungsfunktion 251 ff. – Dreizeugentestament 251 f., 256 – Echtheitszeugen 253 f. – Hör-, Sprach- und Sehbehinderung des Erblassers 260 – Inhaltszeugen 253 – Kontrollfunktion gegenüber dem Notar 276 f. – Schreibunfähigkeit des Erblassers 260 – Schutz vor Fremdbestimmung durch 255 f., 280, 281 – Solennitätszeugen 276 – Testierverbot bezüglich 319 ff., 322 f., 325 ff. – Unterschriftszeugen 254 Zeugentestament 248, 250 ff. Zeugnisfähigkeit 252, 253, 254 – ALR 324 – Deutschland 336 – England 327 – Frankreich 325 – gemeines Recht 322 f. – Italien 326 f. – Österreich 325 f., 331 f. – Römisches Recht 319 ff. – Spanien 327 Zwang siehe Fremdbestimmung, Nichtigkeit zwingendes Recht als Schutzinstrument 40