Sammlung der in Elsaß-Lothringen geltenden Gesetze: Abteilung 2, Band 1 Gesetze aus der Zeit von 1896 bis 1900 [Reprint 2020 ed.] 9783112383629, 9783112383612


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Sammlung der in Elsaß-Lothringen geltenden Gesetze: Abteilung 2, Band 1 Gesetze aus der Zeit von 1896 bis 1900 [Reprint 2020 ed.]
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Sammlung der in Elsaß-Lothringen geltenden

Gesetze. Zweite Abteilung.

Sammlung der in Clsaß-Lothringen geltenden Gesetze. (Möller'sche Sammlung.)

Auf Beranlaffung des Kaiserlichen Ministeriums für Elsaß-Lothringen bearbeitet und herausgegeben von

O. Grünewald, Ministerialrat; Dr. G. Laucher, Ministerialrat;

F. Nelken, Ministerialrat; Dr. Ä. Ztieve, Regierungsrat im Ministerium;

3. Ztiidel, Regierungsrat im Ministerium.

Zweite Abteilung. Erster Band.

Gesetze aus der Zelt von ±896 ois i9üu.

Straßburg.

Verlag von Karl I. Trübner.

1914.

Alle Rechte Vorbehalten.

Druck von M. DuMont Schauberg, Straßburg.

Vorwort. Die „Sammlung der in Elsaß-Lothringen geltenden Gesetze",

die seinerzeit auf

Anregung des Oberpräsidenten von Elsaß-Lothringen von Möller herausgegeben (Möller'sche Sammlung), ist nur bis zum Jahre 1895 fortgeführt worden.

einer

weiteren Fortsetzung des Werkes wird schon seit Jahren

sowie in der Rechtspflege als

im

wurde

Das Fehlen

öffentlichen Leben

Ebenso stark ist das Bedürfnis

eine Lücke empfunden.

hervorgetreten nach einer Sichtung der in den ersten Bänden enthaltenen Gesetze, welche

durch die tiefgreifenden Umwälzungen in der neueren Gesetzgebung des Reiches und des

Mit Rücksicht auf diese

Landes zum Teil beseitigt, zum Teil abgeändert worden sind.

Sachlage erfolgt auf Veranlassung des Ministeriums für Elsaß-Lothringen eine Neube­

arbeitung und Fortsetzung des Werkes.

Die den Gesetzesstoff der Jahre 1896 bis 1910

umfassende Fortsetzung erscheint in drei Bänden, die als

„Sammlung der in Elsaß-

Lothringen geltenden Gesetze, zweite Abteilung, Band

1 bis

Neubearbeitung der bisherigen sechs Bände wird als

„erste Abteilung, zweite Auflage"

derselben Sammlung

bezeichnet

werden

und

in

vier

3"

Bänden

bezeichnet sind. erscheinen,

von

Die denen

Band 1 die Verfassungen des Reichs und des Landes sowie die großen Gesetzbücher nebst den zugehörigen Einführungs-

und Ausführungsgesetzen,

Band

2

die

noch

in

Geltung stehenden französischen Gesetze im Urtext nebst deutscher Übersetzung, Band 3 und 4

die noch in Kraft befindlichen deutschen Einzelgesetze aus der Zeit bis Ende 1895 um­

fassen werden.

Dem Werke soll nach dessen Abschluß ein ausführliches nach Materien

geordnetes Sachregister sowie ein alphabetisches Register beigefügt werden. der Bearbeitung wird

sich

das

Werk,

namentlich

auch

hinsichtlich

der

Anmerkungen, dem erprobten Vorgang der älteren Möller'schen Sammlung

April 1914.

In der Art erläuternden anschließen.

Berichtigung. S. 294:

In Ziffer 5 der Verfügung vom 9. Juni 1898 hat Satz 3 durch § 5 der Verfügung

des Ministeriums vom 20. März 1913 (Zentr - u. Bez.A.Bl. S. 181) nachstehende Fassung erhalten:

^Hierfür ist in den AmtSgefängntffen eine Vergütung von 1 Mk., in den Beztrksgefängniffen

und der Strafanstalt für Frauen eine solche von 80 Pfg. zu entrichten."

Gesetze aus den Iahm 1896-1900.

Gesetze aus den Jahre« 1896-1900.

1896. 6. Januar 1896. Verordnung des Statthalters, betreffen- -te Bildung zweier landwirtschaft­ licher Rreisoereine im Kreise Labern?) Zentr.- u. Bez.A.Bl. S. 3. 1) Erlassen auf Grund des § 1 Abs. 3 der Kaiser­ lichen Berordnuna, betreffend die landwirtschastlichen Vereine und den Landwirtschastsrat vom 6. November 1895 (Gesetzbl. f. Els.-Lothr. S. 111), in Abweichung von § 1, Abs. 1 a. a. O., wonach für jeden Kreis nur ein landwirtschaftlicher Kreisverein einzurichten ist. Nach der Verordnung besteht der Verein Zabern I aus den Kantonen Zabern, Buchsweiler, Lützelstein und Maursmünster, Zabern II aus den Kantonen Dru-

lingen und Saarunion. Zu vgl. auch Verordnung des Ministeriums vom 2. Februar 1910 (Zentr.- u. Bez.A.Bl. S. 61), wonach für den landwirtschaft­ lichen Kreisverein Zabern n als Ort für die Vor­ nahme der Wahlen durch den Verein Saarunion bestimmt worden ist. Ferner u. a. Verordnung des Ministeriums, betreffend die Untersuchung von Zucht­ stieren, vom 24. Dezember 1897 (Zentr.- u. Bez.A.Bl. 1898 S. 3), § 5.

13. Januar 1896. Kaiserliche Verordnung, betreffend die Aufhebung des Gesetzes über die Ernennung und die Besoldung der Bürgermeister und Beigeordneten vom 4. Juli 1887. Gesetzbl. f. Els.-Lothr. S. 2.

Das Gesetz vom 18. Mai 1895 (Gesetzbl. S. 57), betreffend die Aufhebung des Gesetzes über die Ernennung und die Besoldung der

Bürgermeister und Beigeordneten vom 4. Juli 1887, tritt mit dem 1. April 1896 in Kraft,

18. Januar 1896. Verordnung des Ministeriums, betreffend die Lachsfischerei. Zentr.- u. Bez.A.Bl. S. 25. Auf Grund des § 31 des Gesetzes, betreffend die Fischerei, vom 2. Juli 1891 wird verordnet, was folgt: Art. 1. Die Anwendung der Garnfalle beim Lachsfang im Rhein und dessen Zuflüssen auf

der Strecke von Basel abwärts ist nur in der Zeit vom 15. November bis 31. Januar ein­ schließlich gestattet. Art. 2. Gegenwärtige Verordnung tritt mit dem 1. Februar l. Js. in Kraft.

4

1896 (4. Februar).

4. Februar 1896.

Sreundfchasts-, Handels-, Schiffahrts- und Ronsularoertrag zwischen Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser, König von Preußen usw., im Namen des

Deutschen Reichs, und der Republik Nicaragua. Reichsgesetzbl. 1897 Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen usw., im Namen des Deutschen Reichs einerseits, und die Republik Nicaragua andererseits, von dem Wunsche geleitet, Ihre Beziehungen und Interessen gegenseitig zu för­ dern und zu befestigen, haben beschlossen, einen Freundschafts-, Handels-, Schiffahrts- und Konsularvertrag abzuschließen. Zu diesem Ende haben Sie zu Ihren Bevoll­ mächtigten ernannt, nämlich: .... welche, nach gegenseitiger Mittheilung ihrer Vollmachten, über nachstehende Artikel sich ge­ einigt haben: Art. 1. Es soll Friede und immerwährende Freundschaft sein zwischen den Staaten des Deutschen Reichs einerseits und dem Freistaate Nicaragua andererseits, sowie zwischen den beiderseitigen Angehörigen, ohne Unterschied der Personen und der Orte. A r 1. 2. Es soll gegenseitig vollständige Frei­ heit des Handels bestehen zwischen allen Ge­ bieten der deutschen Staaten und allen Ge­ bieten des Freistaats Nicaragua. Die Angehörigen der beiden Hohen vertra­ genden Theile können frei und in voller Sicher­ heit mit ihren Schiffen und Ladungen in alle diejenigen Plätze, Häfen und Flüsse Deutsch­ lands und Nicaraguas einlaufen, welche für die Schiffahrt und den Handel irgendeiner anderen Nation oder eines anderen Staates jetzt geöffnet sind oder in Zukunft geöffnet sein werden. Die Deutschen in Nicaragua und die Nicara­ guaner in Deutschland werden in dieser Be­ ziehung die nämliche Freiheit und Sicherheit genießen, wie die Landesangehörigen. Art. 3. Die Angehörigen eines jeden der beiden Hohen vertragenden Theile können gegen­ seitig mit voller Freiheit jeden Theil der betref­ fenden Gebiete betreten, daselbst ihren Wohn­ sitz nehmen, reisen, Groß- und Kleinhandel treiben, Grundstücke, Magazine und Läden, deren sie bedürfen mögen, kaufen, miethen und innehaben, Waaren und edle Metalle, in Barren oder gemünzt, verführen, Konsignationen aus dem Jnlande wie aus fremden Ländern an­ nehmen, ohne daß sie in irgend einem Falle an­ deren allgemeinen oder lokalen Beiträgen, Auf­ lagen oder Verpflichtungen, welcher Art diese auch sein mögen, unterworfen werden können,

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ass solchen, die den Landesangehörigen aufer­ legt werden oder bereits auferlegt sind. Es soll ihnen vollkommen freistehen, ihre Ge­ schäfte selbst zu führen, bei den Zollbehörden ihre eigenen Deklarationen einzureichen oder sich hierbei nach Belieben von Anderen unter­ stützen oder vertreten zu lassen, sei es unter dem Namen von Bevollmächtigten, Faktoren, Agenten, Konsignatären, Dolmetschern oder unter anderem Namen. Dasselbe gilt beim Kaufe und Verkaufe von Gütern, Effekten und Waaren, beim Laden, Löschen und Ab­ fertigen ihrer Schiffe. Sie sind ferner berechtigt, Aufträge auszu­ führen, welche ihnen von Landsleuten, Don Fremden oder von Inländern anvertraut werden, sei es als Bevollmächtigte, Faktoren, Agenten, Konsignatäre oder Dolmetscher oder in einer anderen Eigenschaft; und in keinem Falle unterliegen sie dafür anderen Beiträgen oder Auflagen als solchen, welchen die Landes­ angehörigen unterworfen sind oder sein werden. Gleiche Freiheit genießen sie bei allen ihren Käufen und Verkäufen hinsichtlich der Fest­ stellung des Preises jeder Art von Effekten, Waaren oder Gegenständen, mögen sie dieselben eingeführt oder für die Ausfuhr bestimmt haben. Es versteht sich jedoch, daß sie in allen diesenFällen sich nach den Gesetzen und Verordnungen des Landes zu richten haben. Art. 4. Jeder der beiden Hohen ver­ tragenden Theile verpflichtet sich, im eigenen Staate keine Monopole, Entschädigungen oder eigentliche Vorrechte zum Nachtheile des Handels, der Flagge und der Angehörigen des anderen Staates zu bewilligen. Die Bestimmungen dieses Artikels beziehen sich weder auf Gegenstände, deren Handel den respektiven Regierungen Vorbehalten ist, noch auf Erfindungspatente, deren Einführung und Anwendung, noch auf Vorrechte, welche auf Grund lästiger Verträge zugestanden sind. Art. 5. Den Angehörigen des einen und des anderen der vertragenden Theile soll in beiden Ländern vollständiger und immer­ währender Schutz ihrer Person und ihres Eigenthums zu Theil werden. Sie sollen freien Zutritt zu allen Gerichtshöfen behufs Ver­ folgung und Vertheidigung ihrer Rechte haben.

Zu diesem Zwecke können sie unter allen Um­ ständen Advokaten, Sachwalter und Agenten jeder Art verwenden, welche sie nach ihrem Ermessen dazu bestimmen. Auch sollen sie die Befugnis haben, bei den Beschlüssen und Uriheilssprüchen der Gerichts­ höfe in den Sachen, bei denen sie betheiligt sind, zugegen zu sein, sowie bei den Zeugen­ vernehmungen und Aussagen, welche statt» finden könnten bei Gelegenheit des Prozeß­ verfahrens, so oft die Gesetze des betreffenden Landes die Öffentlichkeit dieser Handlungen gestatten. Sie werden im Uebrigen in dieser Beziehung die nämlichen Rechte und Vortheile genießen wie die Landesangehörigen, und denselben Bedingungen unterworfen sein, die den letz­ teren auferlegt sind oder sein werden.

Art. 6. Die Deutschen in Nicaragua und die Nicaraguaner in Deutschland sollen befreit sein sowohl von allen persönlichen Diensten im Heere und in der Marine, in der Land­ wehr, Bürgerwehr oder Miliz, als auch von der Verpflichtung, politische, administrative und richterliche Aemter und Obliegenheiten zu über­ nehmen, sowie von allen außerordentlichen Kriegskontributionen, gezwungenen Anleihen, militärischen Requisitionen oder Dienst­ leistungen, welcher Art sie auch sein mögen. Ueberdies können sie in allen Fällen rücksicht­ lich ihres beweglichen und unbeweglichen Ver­ mögens keinen anderen Lasten, Abgaben und Auflagen unterworfen werden, als denen, welche von den Landesangehörigen oder von den Angehörigen der meistbegünstigten Nation verlangt werden. Art. 7. Die Schiffe, Ladungen, Waren und Effekten von Angehörigen des einen und des anderen Landes können beiderseitig weder einem Beschlagnahmeverfahren unterworfen, noch zum Zwecke irgend welcher militärischen Expedition oder einer öffentlichen Verwendung zurückgehalten werden, ohne daß vorher durch die Betheiligten selbst oder durch von ihnen ernannte Sachverständige eine billige Ver­ gütung festgestellt worden ist, welche in jedem Falle hinreicht zur Deckung aller Nachtheile, Verluste, Verzögerungen und Schäden, welche ihnen durch den Dienst, dem sie unterworfen wurden, entstanden sind oder entstehen könnten. Art. 8. Die Deutschen, welche sich in Nica­ ragua, und die Nicaraguaner, welche sich in Deutschland aufhalten, genießen die voll­ ständigste Kultus- und Gewissensfreiheit, und es werden die betreffenden Regierungen nicht zugeben, daß sie belästigt, beunruhigt oder ge­ stört werden wegen ihres religiösen Glaubens

oder wegen der Ausübung ihres Gottesdienstes, welchen sie in Privathäusern, Kapellen, Kirchen oder sonstigen für gottesdienstliche Zwecke be­ stimmten Orten, unter Beobachtung der kirch­ lichen Schicklichkeit und der den Gesetzen, Sitten und Gebräuchen des Landes gebührenden Ach­ tung ausüben. Auch sollen die Deutschen und die Nicara­ guaner die Befugniß haben, ihre Landsleute, welche in Nicaragua oder in Deutschland mit Tode abgehen, an passenden und angemessenen Orten, welche sie selbst mit besonderer Er­ mächtigung der Obrigkeit dazu bestimmen und einrichten, oder an den bereits bestehenden und eingerichteten Begräbnißorten, unter welchen die Verwandten und Freunde des Verstorbenen wählen dürfen, zu bestatten, und sollen die ihren kirchlichen Gebräuchen entsprechenden Begräbnißfeierlichkeiten in keiner Art gestört, noch die Gräber aus irgend welchem Grunde be­ schädigt oder zerstört werden. Art. 9. Die Angehörigen eines jeden der vertragenden Theile sollen das Recht haben, in den betreffenden Gebieten des anderen jede Art beweglichen und unbeweglichen Vermögens zu erwerben und zu besitzen, dasselbe mit aller Freiheit auszubeuten und darüber nach ihrem Belieben durch Verkauf, Schenkung, Tausch, Testament oder auf irgend welche andere Weise zu verfügen. Desgleichen können die An­ gehörigen des einen Landes, welche Güter, die in dem anderen Lande liegen, erben, un­ behindert in diejenigen Theile der gedachten Güter, die ihnen ab intestato oder durch Testa­ ment zufallen, succediren und darüber nach Belieben verfügen, vorbehaltlich der Bezahlung der Abgaben vom Verkaufe, von der Erbschaft oder anderer Art, wie sie die Angehörigen des Landes in gleichen Fällen zu erlegen haben. Von dem Vermögen, welches unter irgend einem Rechtstitel von einem Deutschen in Nicaragua oder von einem Nicaraguaner in Deutschland erworben ist und aus dem Lande geführt wird, darf weder in dem einen, noch in dem anderen Lande die unter dem Namen

jus detractus, gabella hereditaria, census emigrationis bekannte, noch irgend eine andere Abgabe erhoben werden, welcher die An­ gehörigen des Landes nicht unterworfen sind oder sein werden.

Art. 10. § 1. Die beiden Hohen kontrahirenden Theile, von dem Wunsche beseel^ etwaige Schwierigkeiten in betreff der Natio­ nalität zu vermeiden, kommen dahin überein,, daß als Nicaraguaner in Deutschland und als Deutsche in Nicaragua diejenigen anzusehen sind, welche, nachdem sie sich in die Staaten.

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des anderen Theiles begeben haben, um daselbst zu leben, sich die Nationalität ihres Heimathlandes in Gemäßheit der Gesetze desselben be­ wahrt haben. § 2. Außerdem sind sie übereingekommen, daß die in Deutschland geborenen ehelichen Kinder eines nicaraguanischen Vaters als Nicaraguaner, die in Nicaragua geborenen ehelichen Kinder eines Deutschen als Deutsche gelten sollen. § 3. Dessenungeachtet müssen die Söhne, sobald sie nach den vaterländischen Gesetzen die Großjährigkeit erlangen, durch seitens der im Lande beglaubigten diplomatischen Agenten legalisirte Urkunden, vor der hierzu von der betreffenden Regierung bestimmten Behörde nachweisen, daß sie die auf den Militärdienst ihrer Nation bezüglichen Gesetze genau erfüllt haben oder zu erfüllen im Begriffe stehen.

Im Falle, daß sie dieser Bestimmung inner­ halb der zwölf auf den Tag der Erlangung der Großjährigkeit folgenden Monate nicht nachkommen sollten, können sie als Bürger des Landes ihrer Geburt angesehen werden. § 4. Die Nachkommen derjenigen Indi­ viduen, welche die Nationalität ihres Vaters auf Grund des § 3 bewahrt haben, können als Bürger desjenigen Landes betrachtet werden, in welchem sie geboren sind. Art. 11. Wenn (was Gott verhüten wolle) der Friede zwischen den beiden Hohen kontrahirenden Theilen gestört werden sollte, so soll den Angehörigen des einen Staates, welche zu der Zeit in dem Gebiete des anderen sich befinden, der Aufenthalt daselbst und der Be­ trieb ihres Berufs oder Gewerbes gestattet bleiben, ohne daß sie auf irgend welche Art, insbesondere durch außerordentliche Steuern, Leistungen oder Kontributionen, welche nicht zugleich alle Angehörigen des Landes treffen, belästigt werden, und der volle Genuß ihrer Freiheit und ihrer Güter soll ihnen gelassen werden, solange sie sich keiner Verletzung der Landesgesetze schuldig machen. Wenn dieselben aber vorziehen sollten, während des Kriegszustandes das Land zu verlassen, so soll ihnen das gleichfalls gestattet fein, und sie sollen demgemäß ungehindert ihre Geschäfte ordnen, über ihr Eigenthum verfügen und den Erlös ohne Abzug mitführen können. In diesem Falle wird ihnen ein Geleitsbrief ertheilt werden, um sich in einem Hafen, den sie nach ihrer Wahl selbst bezeichnen mögen, einzuschiffen, vorausgesetzt, daß derselbe vom Feinde weder besetzt noch blokirt ist, noch ihre eigene Sicherheit oder die des Staates die Ab­ reise über diesen Hafen verbietet, in welchem

Falle dieselbe stattfinden wird, wie und wo es geschehen kann. Art. 12. In dem Falle eines Krieges oder eines Zerwürfnisses zwischen. beiden Ländern werden das bewegliche und unbewegliche Eigen­ thum, die Kredite und Forderungen der be­ treffenden Staatsangehörigen, welcher Art sie auch seien, weder einer Beschlagnahme, noch einer Sequestration, noch anderen Lasten oder Auflagen unterworfen werden, als denjenigen, welche von allen Angehörigen des Landes er­ hoben werden.

Art. 13. Die deutschen Kaufleute in Nica­ ragua und die nicaraguanischen Kaufleute in Deutschland werden bei ihrem Handel alle Rechte, Freiheiten und Zollbefreiungen ge­ nießen, welche den Angehörigen der meist­ begünstigten Nation gewährt sind oder in Zu­ kunft gewährt werden. In Folge dessen können in Deutschland auf die Erzeugnisse des Bodens und Gewerbefleißes von Nicaragua und in Nicaragua auf die Er­ zeugnisse des deutschen Bodens und Gewerbe­ fleißes keine anderen oder höheren Eingangs­ abgaben gelegt werden, als diejenigen, denen die nämlichen Erzeugnisse der meistbegünstigten Nation unterworfen sind oder unterliegen werden. Derselbe Grundsatz soll für die Aus­ fuhr gelten. Kein Verbot und keine Be­ schränkung der Einfuhr oder Ausfuhr irgend eines Artikels soll in dem gegenseitigen Handel der beiden Länder Anwendung finden, wenn Dieselben sich nicht gleichmäßig auf alle anderen Nationen erstrecken, und die Förmlichkeiten, welche zum Beweise des Ursprunges und der Herkunft der in eines der beiden Länder ein­ geführten Waaren verlangt werden mögen,' sollen gleichfalls gemeinsam sein für alle an­ deren Nationen. Art. 14. Die Schiffe eines jeden der beiden Theile, welche in die Häfen des anderen ein­ laufen oder von denselben ausgehen, werden keinen anderen oder höheren Abgaben an Tonnen-, Leucht-, Hafen-, Lotsen-, Quaran­ täne- und anderen den Schiffskörper be­ treffenden Gebühren unterworfen sein, als denjenigen, welchen beziehentlich die Schiffe des eigenen Landes unterworfen sind oder sein

werden. Die Tonnengelder und andere Abgaben, welche im Verhältnisse der Tragfähigkeit der Schiffe erhoben werden, werden in Nicaragua von deutschen Schiffen nach Maßgabe des deutschen Schiffsregisters berechnet, und um­ gekehrt. Art. 15. Gegenstände aller Art, welche in die Häfen des einen der beiden Länder unter

der Flagge des anderen eingeführt werden, sollen, welches auch ihr Ursprung sein, und aus welchem Lande auch die Einfuhr erfolgen möge, keine anderen oder höheren Eingangs­ abgaben entrichten, und keinen anderen Lasten unterworfen sein, als wenn sie unter der Nationalflagge eingeführt würden. Desgleichen sollen Gegenstände aller Art, welche aus einem der beiden Länder unter der Flagge des anderen, nach welchem Lande es auch sein möge, ausgeführt werden, keinen anderen Abgaben oder Förmlichkeiten unter­ worfen sein, als wenn sie unter der National­ flagge ausgeführt würden. Art. 16. Die deutschen Schiffe in Nica­

ragua und die nicaraguanischen Schiffe in Deutschland können einen Theil ihrer aus dem Auslande kommenden Ladung in dem einen Hafen und den Rest dieser Ladung in einem oder mehreren anderen Häfen desselben Landes entlöschen, und nicht minder können sie ihre Rückfracht theilweise in verschiedenen Häfen des gedachten Landes einnehmen, ohne in jedem Hafen andere oder höhere Abgaben zu ent­ richten, als diejenigen, welche unter ähnlichen Umständen die Schiffe des eigenen Landes entrichten oder zu entrichten haben werden. Bezüglich der Küstenfrachtfahrt werden die beiderseitigen Angehörigen behandelt werden wie die Angehöriger^ der meistbegünstigten Nation. Art. 17. Schiffe im Besitze von Angehörigen des einen der beiden Hohen vertragenden Theile, welche an den Küsten des anderen Schiffbruch leiden oder stranden sollten, oder, welche in­ folge von Seenot oder erlittener Haverei in die Häfen des anderen Theiles einlaufen oder dessen Küsten berühren, sind keinerlei Schiff­ fahrtsabgaben, welcher Art oder welches Namens, unterworfen, mit Ausnahme der­ jenigen, welchen in ähnlichen Umständen die Nationalschiffe unterliegen oder unterworfen sein werden.

Ueberdies ist es ihnen gestaltet, auf andere Schiffe überzuladen oder ihre ganze Ladung oder einen Theil derselben, um das Verderben der Waren zu verhüten, am Lande und in Magazinen unterzubringen, ohne dafür andere Gebühren zu entrichten, als die Entlöschungskcsten und die auf die Miete öffentlicher Magazine und den Gebrauch öffentlicher Schiffswerfte zum Zwecke der Unterbringung der Waaren und Ausbesserung des Schiffes bezüglichen. Zu diesem Zwecke, sowie um sich mit Lebens­ mitteln zu versorgen und sich in den Stand zu bringen, ihre Reise unbehindert fortzusetzen,

soll ihnen jede Art von Erleichterung und Schutz gewährt werden. Art. 18. Als deutsche Schiffe werden in Nicaragua, und als nicaraguanische Schiffe werden in Deutschland alle diejenigen erachtet werden, welche unter der betreffenden Flagge fahren und mit solchen Schiffspapieren Und Urkunden versehen sind, wie sie die Gesetze der beiden Länder erfordern, um die Natio­ nalität der Handelsschiffe nachzuweisen.

Art. 19. Schiffe, Waren und andere den betreffenden Staatsangehörigen eigenthümliche Gegenstände, welche innerhalb der Gerichts­ barkeit des einen der beiden vertragenden Theile oder auf hoher See von Piraten geraubt und nach den Häfen, Flüssen, Rheden oder Buchten im Gebiete des anderen Theiles gebracht oder daselbst angetroffen werden, sollen ihren Eigen­ thümern gegen Erstattung der Kosten der Wiedererlangung, wenn solche entstanden und von den kompetenten Behörden zuvor festgestellt sind, zurückgegeben werden, sobald das Eigenthumsrecht vor diesen Behörden nach­ gewiesen sein wird, auf eine Reklamation hin, welche innerhalb einer Frist von zwei Jahren von den Betheiligten oder deren Bevollmäch­ tigten oder von den Vertretern der betreffenden Regierungen angebracht werden muß. Art. 20. Die Kriegsschiffe des einen der beiden vertragenden Theile können in alle Häfen des anderen, welche der meistbegünstigten Nation geöffnet sind, einlaufen, daselbst ver­ weilen, Bedarf einnehmen und Ausbesserungen vornehmen; sie sind daselbst den nämlichen Vorschriften unterworfen und genießen die­ selben Vortheile, als die Kriegsschiffe der meist­ begünstigten Nation. Art. 21. Jeder der beiden Hohen ver­ tragenden Theile kann in den Gebieten des anderen Konsuln ernennen; diese Agenten werden jedoch nicht eher in die Ausübung ihrer Verrichtungen eintreten, noch der mit ihrem Amte verbundenen Rechte, Vorrechte und Freiheiten theilhaftig werden, bis sie das Exequatur der Territorial-Regierung erhalten haben, welche letztere sich vorbehält, die Aufent­ haltsorte zu bestimmen, an denen sie Konsuln zulassen will. Es versteht sich, daß in dieser Beziehung die Regierungen sich gegenseitig keine anderen Beschränkungen auferlegen werden, als diejenigen, die in ihrem Lande allen Nationen gemeinsam sind. Art. 22. Die Generalkonsuln, Konsuln, Vizekonsuln und Konsularagenten, sowie die ihrer Mission beigegebenen Konsulareleven, Kanzler und Sekretäre werden in beiden Ländern alle Vorrechte, Befreiungen und Frei-

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heilen genießen, welche an dem Orte ihres Aufenthaltes den Agenten desselben Ranges der meistbegünstigten Nation bewilligt werden mögen. Die Berufskonsuln (consules missi) sollen, sofern sie Angehörige desjenigen vertragenden Theiles sind, welcher sie ernannt hat, von Militäreinquartirung befreit sein, sowie von direkten, Personal-, Mobiliar- oder Luxus­ steuern, mögen solche vom Staate oder der Kommune auferlegt sein. Sollten jedoch die genannten Beamten Kauf­ leute sein oder ein Gewerbe betreiben oder un­ bewegliches Eigenthum besitzen, so werden sie in Beziehung auf die Lasten und Abgaben von solchem Gewerbe oder Eigentume wie die An­ gehörigen ihres Landes angesehen. Die Berufskonsuln (consules missi) sollen, sofern sie Angehörige desjenigen vertragenden Theiles sind, welcher sie ernannt hat, der per­ sönlichen Immunität genießen und nur wegen schwerer strafbarer Handlungen festgenommen oder verhaftet werden. Was die Konsuln an­ langt, welche Angehörige des Landes sind, in dem sie ihren Sitz haben, oder welche Handel treiben, so versteht sich die persönliche Im­ munität nur von Schulden und anderen Ver­ bindlichkeiten, welche nicht herrühren aus den Handelsgeschäften, die sie selbst oder durch ihre Untergebenen betreiben. Die gedachten Agenten können über dem äußeren Eingang ihrer Wohnung ein Schild mit dem Wappen ihres Landes und der In­ schrift: Konsulat von............... anbringen, und ebenso können sie die Flagge ihres Landes an dem Konsulatsgebäude aufziehen. Diese äußeren Abzeichen werden jedoch niemals an­ gesehen werden als ein Recht gebend auf Ge­ währung des Asyls. Im Falle des Todes, der Behinderung oder der Abwesenheit der Generalkonsuln, Konsuln, Bicekonsuln und Konsularagenten werden die Konsulareleven, Kanzler und Sekretäre von Rechtswegen zur einstweiligen Besorgung der Konsulargeschäfte zugelassen werden.

Art. 23. Die Archive und im allgemeinen alle Papiere der betreffenden Konsulatskanz­ leien sind unverletzlich und können unter keinem Borwand und in keinem Falle von Seiten der Landesbehörde weggenommen oder durchsucht werden.

Art. 24. Die betreffenden Generalkonsuln und Konsuln haben die Befugniß, Bizekonsuln und Konsularagenten in den verschiedenen Städten, Häfen oder Orten ihres Konsular­ bezirkes einzusetzen, wenn das Interesse des ihnen anvertrauten Amtes dies erheischt; es

versteht sich jedoch mit dem Vorbehalte der Ge­ nehmigung und der Ertheilung des „Exequatur" seitens der Regierung des Landes. Solche Agenten können sowohl aus der Zahl der beiderseitigen Angehörigen, als der Fremden ernannt werden. Art. 25. Die betreffenden Generalkonsuln, Konsuln, Vizekonsuln oder Konsularagenten können bei Todesfällen ihrer Landsleute, wenn solche ohne Hinterlassung eines Testaments oder ohne Namhaftmachung von Testaments­ vollstreckern verstorben sind: 1. von Amtswegen oder auf Antrag der betheiligten Parteien das bewegliche Ver­ mögen und die Papiere des Verstorbenen unter Siegel legen, indem sie von der be­ vorstehenden Handlung der zuständigen Ortsbehörde Nachricht geben, damit diese in Ausübung ihrer Gerichtsbarkeit der­ selben beiwohne, und, wenn sie es für passend hält, ihre Siegel mit den von dem Konsul angelegten kreuze. Diese doppelten Siegel können nur im beiderseitigen Einverständniß abgenommen

werden; 2. ein Berzeichniß des Nachlasses aufnehmen, und zwar in Gegenwart der zuständigen Behörde, wenn diese glaubt, zugegen sein zu sollen; 3. zum Verkaufe der zum Nachlasse ge­ hörigen beweglichen Gegenstände nach den Gesetzen des Landes verschreiten, sobald dieselben mit der Zeit sich verschlechtern würden oder der Konsul den Verkauf im Interesse der Erben des Verstorbenen für nützlich erachtet; 4. persönlich den Nachlaß verwalten oder liquidiren, oder unter ihrer eigenen Ver­ antwortlichkeit einen oder mehrere Bevoll­ mächtigte für die Verwaltung und Liquidirung des Nachlasses ernennen. Die Konsuln sind jedoch verpflichtet, den Tod ihrer Landsleute in einer der Zeitungen anzukündigen, welche innerhalb ihres Distrikts erscheinen, und sie dürfen den Nachlaß oder den Erlös für denselben den gesetzlichen Erben oder deren Bevollmächtigten nicht früher ausantworten, als bis allen Verbindlichkeiten, welche der Verstorbene im Lande eingegangen sein könnte, Genüge geschehen oder ein Jahr seit dem Tage der Bekanntmachung des Todes­ falls verflossen ist, ohne daß ein Anspruch an den Nachlaß geltend gemacht wurde. Wenn an dem Wohnorte des Verstorbenen kein Konsul vorhanden ist, so sollen die zu­ ständigen Behörden selbst diejenigen geeigneten Maßregeln treffen, welche im gleichen Falle

hinsichtlich des Vermögens der Angehörigen des Landes getroffen werden würden, und haben sie dem nächsten Konsul oder Konsular­ agenten so bald als möglich von dem Todesfälle Nachricht zu geben, und es werden die Amts­ handlungen von dem Konsul oder Konsular­ agenten von dem Augenblick an weilergeführt werden, wo er sich entweder selbst oder in der Person eines Beauftragten am Orte einfindet. Die Generalkonsuln, Konsuln, Vizekonsuln und Konsularagenten werden als Vormünder der Waisen und Minderjährigen ihres Landes angesehen werden, und auf Grund dessen können sie alle Sicherungsmatzregeln ergreifen, welche deren persönliches Wohl und die Sorge für deren Vermögen erheischt; sie können letzteres verwalten und allen Obliegenheiten eines Vormundes sich unterziehen, unter der Verantwortlichkeit, welche die Gesetze ihres Landes bestimmen.

Art. 26. Den beiderseitigen General­ konsuln, Konsuln, Bizekonsuln oder Konsular­ agenten steht ausschlietzlich die Aufrechterhal­ tung der inneren Ordnung an Bord der Handelsschiffe ihrer Nation zu. Sie allein haben demgemäß Streitigkeiten jeder Art zwischen den Schisfsführern und der Schiffs­ mannschaft zu schlichten, insbesondere auch Streitigkeiten, welche sich auf die Heuer und die Erfüllung sonstiger Verträge beziehen. Die Lokalbehörden dürfen nur dann einschreiten, wenn die vorkommenden Unordnungen derart sind, daß die Ruhe und öffentliche Ordnung am Lande oder im Hafen dadurch gestört wird, oder wenn ein Landesangehöriger oder eine nicht zur Schiffsmannschaft gehörige Person betheiligt ist. In allen anderen Fällen haben die ge­ dachten Behörden sich darauf zu beschränken, der Konsulatsbehörde auf Verlangen Beistand zu leisten, wenn die letztere zur Verhaftung einer in die Musterrolle eingetragenen Person schreiten zu müssen glaubt, um dieselbe in vor­ läufigem Gewahrsam zu halten und demnächst an Bord zurückzuführen. In Allem, was die Hafenpolizei, das Laden und Ausladen der Schiffe, die Sicherheit der Waaren, Güter und Effekten betrifft, sind die Angehörigen der beiden Länder den Gesetzen und Einrichtungen des betreffenden Gebiets gegenseitig unterworfen.

Art. 27. Die betreffenden Generalkonsuln, Konsuln, Vizekonsuln oder Konsularagenten können diejenigen Seeleute, welche von Schiffen ihres Landes entwichen sind, verhaften und an Bord oder in ihre Heimath zurücksenden lassen. Zu diesem Zwecke haben sie sich schriftlich an

die zuständige Ortsbehörde zu wenden und durch Vorlegung des Schiffsregisters oder der Musterrolle oder einer beglaubigten Abschrift dieser Urkunden nachzuweisen, daß die reklamirten Leute wirklich zur Schiffsmannschaft gehört haben. Auf einen in dieser Art be­ gründeten Antrag darf die Auslieferung nicht verweigert werden, auch soll jede Hilfe und jeder Beistand zur Aufsuchung, Ergreifung und Verhaftung solcher Entwichenen gewährt, und sollen dieselben auf den Antrag und auf Kosten der gedachten Agenten in die Gefängnisse ab­ geführt und daselbst in Gewahrsam ge­ halten werden, bis diese Agenten eine Ge­ legenheit zur Wiedereinlieferung oder Heim­ sendung finden. Wenn sich jedoch eine solche Gelegenheit innerhalb dreier Monate, vom Tage der Festnahme an gerechnet, nicht bietet, so werden die Verhafteten in Freiheit gesetzt und können aus demselben Grunde nicht wieder verhaftet werden. Die Hohen vertragenden Theile sind darüber einverstanden, daß Seeleute und andere Per­ sonen der Schiffsmannschaft, welche Ange­ hörige des Landes sind, in welchem die Ent­ weichung stattfindet, von den Bestimmungen dieses Artikels ausgenommen sein sollen.

Art. 28. Sofern keine Verabredungen zwischen den Rhedern, Befrachtern und Ver­ sicherern entgegenstehen, werden die Havereien, welche Schiffe der beiden Länder auf hoher See oder auf der Fahrt nach den betreffenden Häfen erlitten haben, von den Generalkonsuln, Konsuln und Vizekonsuln oder Konsularagenten ihres Landes geregelt, es sei denn, daß Ange­ hörige des Landes, in dem die gedachten Agenten ihren Sitz haben, an den Havereien betheiligt sind, in welchem Falle diese durch die Ortsbehörden geregelt werden sollen, dafern kein gütliches Abkommen zwischen den Parteien zu Stande kommt. Art. 29. Wenn ein Regierungsschiff oder das Schiff eines Angehörigen eines der Hohen vertragenden Theile an den Küsten des anderen Theiles Schiffbruch leidet oder strandet, so sollen die Ortsbehörden den Generalkonsul, Konsul, Vizekonsul oder Konsularagenten des Bezirkes oder, in dessen Ermangelung, den dem Orte des Unfalles nächsten Generalkonsul, Konsul, Vizekonsul oder Konsularagenten davon benachrichtigen. Alle Rettungsmaßregeln bezüglich der in den deutschen Territorialgewässern gescheiterten oder gestrandeten nicaraguanischen Schiffe sollen nach Maßgabe der Landesgesetze erfolgen, und um­ gekehrt sollen alle Rettungsmaßregeln in Bezug auf deutsche in Territorialgewässern von Nica-

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1896 (4. Februari — 5. Februar).

ragua gescheiterte oder gestrandete Schiffe in Gemäßheit der Gesetze des Landes erfolgen.

Die Konsulatsbehörden haben in beiden Ländern nur einzuschreiten, um die auf die Ausbesserung und Neuverproviantirung oder, eintretendenfalls, auf den Verkauf des an der Küste gestrandeten oder beschädigten Schiffes bezüglichen Maßregeln zu überwachen. Für die Intervention der Ortsbehörden sollen in allen diesen Fällen keinerlei Kosten erhoben werden, außer solchen, welche durch die Rettungsmaßregeln und durch die Erhaltung der geborgenen Gegenstände veranlaßt sind, oder welchen in ähnlichen Fällen die Schiffe des eigenen Landes unterworfen sind oder sein werden. Die Hohen vertragenden Theile sind außer­ dem darüber einverstanden, daß die geborgenen Waaren der Entrichtung einer Zollabgabe nicht unterworfen werden sollen, es sei denn, daß sie zum inneren Verbrauche zugelassen werden. Art. 30. Die beiden Hohen kontrahirenden Theile sind einverstanden, daß sie sich gegenseitig in Handels-, Schiffahrts- und Konsulatssachen ebenso viele Rechte und Privilegien zugestehen wollen, als der meistbegünstigten Nation ein­ geräumt sind oder in Zukunft eingeräumt werden mögen, und es werden unter Privi­ legien, Befreiungen, Rechten u. s. w. der „meist­ begünstigten Nation" diejenigen Privilegien, Befreiungen und Rechte usw. verstanden, welche durch irgend welchen Vertrag oder irgend welche Konvention, unter welchem Namen dieses auch sein möge — wie Meistbegünstigungs-, Friedens-, Freundschafts-, Handels-, Konsular-, Reciprozitätsvertrag, Tarifkonvention — einer anderen Nation gewährt worden sind oder gewährt werden sollten, welches auch immer die Ursachen solcher Privilegien, Be­ freiungen, Konzessionen oder Ermäßigungen in

den Zolltarifen u. s. w. u. s. w. sein sollten, und welches auch immer die von einem oder von beiden vertragschließenden Theilen zu dem Zwecke gewährten Konzessionen sein sollten, um diese Vertrags- oder Konventions-Abmachungen zu erhalten. Art. 31. Der gegenwärtige Vertrag soll von dem Tage des Austausches der Ratifika­ tionen an zehn Jahre in Geltung bleiben, und wenn weder der eine noch der andere der beiden Theile zwölf Monate vor Ablauf dieser Frist durch eine amtliche Erklärung seine Absicht ankündigt, die Wirksamkeit dieses Vertrags aufhören zu lassen, so wird derselbe für ein weiteres Jahr in Kraft bleiben und so fort bis zum Ablauf eines Jahres, nachdem die erwähnte amtliche Ankündigung stattgefunden haben wird. Art. 32. Es ist verabredet worden, daß die besonderen Vortheile, welche der Freistaat Nicaragua den übrigen vier mittelamerikani­ schen Freistaaten oder einem derselben ein­ geräumt hat oder künftig einräumen wird, deutscherseits auf Grund des in diesem Ver­ trage zugestandenen Meistbegünstigungsrechls nicht beansprucht werden können, solange jene Vortheile auch allen anderen dritten Staaten vorenthalten werden. Art. 33. Der gegenwärtige Vertrag, aus dreiunddreißig Artikeln bestehend, soll ratifi­ zirt und es sollen die Ratifikationen in Nica­ ragua oder in Guatemala ausgetauscht werden, innerhalb einer Frist von achtzehn Monaten oder früher, wenn dies möglich ist. Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und beziehentlich mit ihren Siegeln untersiegelt. So geschehen in der Stadt Managua in zwei Originalen am vierten Februar Eintausend achthundertsechsundneunzig.

Der vorstehende Vertrag ist ratifizirt worden und der Austausch der RatifikationsUrkunden hat am 7. April 1897 stattgefunden.

5. Februar 1896.

Allerhöchster Erlaß an den Kaiserlichen Statthalter, betreffen- Aussetzung der Sttafoollstreckung behufs eventueller Begnadigung?) Zentr.- u. Bez.A.Bl. S. 29. Auf Ihren Bericht vom 31. Januar dieses Jahres ermächtige Ich Sie, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, damit solchen zu Frei­ heitsstrafen verurtheilten Personen, deren Be­ gnadigung bei längerer guter Führung in Aus­ sicht genommen werden kann, Aussetzung der

Strafvollstreckung bewilligt wird, indem Ich in den dazu geeigneten Fällen demnächst Ihrem Berichte wegen Erlasses oder Milderung der 1) Wegen der Ausführungs-Vorschriften des Mini­ steriums zu diesem Erlaß s. die Bemerkung zur Ver­ fügung vom 16. Februar 1896.

Strafen entgegensetzen will. Bon dieser Er­ mächtigung soll jedoch vornehmlich nur zu Gunsten solcher erstmalig verurtheilten Personen Gebrauch gemacht werden, welche zur Zeit der

Lat das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet halten und gegen welche nicht auf eine längere als sechsmonatige Strafe erkannt ist. An Meinen Statthalter in Elsatz-Lothringen.

16. Februar 1896. Verfügung des Ministeriums, betreffen- Aussetzung -er Strafvollstreckung behufs eventueller vegnaüigung. 0 Samml. d. Justizverw. Bd. 21 S. 38. 1) Dgl. den Allerhöchsten Erlaß vom 5. Februar 1896. Eine die zahlreichen bisherigen Ausführungsvorschttften zu diesem Erlaß zusammenfaffende Ver­ fügung des Ministeriums über die bedingte Strafaus­ setzung ist in Vorbereitung.. Von einem Abdruck der obigen Verfügung wird daher hier abgesehen. Unter den zurzeit noch geltenden Vorschriften ist neben der

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obigen zu erwähnen namentlich die Verfügung vom 28. Januar 1903 (Samml. der Justizverw. Bd. 28 S. 15); f. ferner die Verfügungen vom 5. Mat 1899 (ebenda Bd. 24 S. 384), vom 11. November 1903 (ebenda Bd. 30 S. 599), vom 8. März 1907 (ebenda Bd. 30 S. 287), vom 14. Oktober 1907 (ebenda Bd. 30 S. 598).

Februar 1896.

polizeiverorünung des LezirKsprästdenten des Unter-Llsatz über die Ein­ führung des Schleppzwanges auf dem Stratzburger Ranalnetz. Zentr.- u. Bez.A.Bl. S. 32.

§ 1. Die innerhalb des Stratzburger Kanal­ netzes verkehrenden Rheinftachtschisfe sowie alle übrigen Fahrzeuge, welche die vorhandenen Drehbrücken nur im geöffneten Zustande durch­ fahren können, unterliegen dem Schleppzwange. § 2. Schisse der in § 1 bezeichneten Art müssen mindestens zwei Mann an Bord haben und unter Ausschlutz von menschlicher und thierischer Zugkraft mit genügender Maschinen­ kraft geschleppt werden. Die Schiffer haben sich dazu entweder ihrer eigenen oder der von der Stadt Straßburg gegen die vorgeschriebene Taxe zu stellenden Schleppkraft zu bedienen, die nach der Reihenfolge der Anmeldung beim Hafenmeister zu ihrer Verfügung gestellt wird. Ausnahmsweise kann in einzelnen Fällen von dem Wasserbauinspektor die Anwendung thieri­ scher Zugkraft für das Schleppen der in 8 1 bezeichneten Fahrzeuge zugelassen werden. § 3. Die Fahrgeschwindigkeit der betreffenden Schiffe und Fahrzeuge darf 6 Kilometer in der Stunde nicht überschreiten; sie kann je nach den Umständen von dem Wasserbauinspektor noch weiter herabgesetzt und mutz an den zu durchfahrenden Brücken sowie an der Militärbadeanstalt im Festungsgraben auf 3 Kilo­ meter vermindert werden. Beim Einfahren in Schleusen und beim Begegnen von kleineren tiefbeladenen Fahrzeugen ist die Fahrgeschwin­ digkeit so zu vermindern, datz die Schleusen

und die Fahrzeuge nicht beschädigt werden können. § 4. Die vom Rhein kommenden und nach Stratzburg bestimmten Schiffe und Fahrzeuge werden erst geschleust, wenn die vorgeschriebene Schleppkraft zur Stelle ist. Ebenso ist der Wärter der Drehbrücken befugt, jedem Fahr­ zeug, dessen Zugkraft den Vorschriften dieser Verordnung nicht entspricht, die Durchfahrt durch die Brücken zu verbieten. § 5. Vor der Einfahrt in die Strecke des Umleitungskanals zwischen der Ausladestelle am Metzgerthore und der Einfahrt in das Hafen­ becken längs der Rheinstraße und vor der Ein­ fahrt in die Brücken hat der Schiffsführer sich zu vergewissern, daß nicht ein die Durchfahrt hinderndes Fahrzeug ihm entgegenkommt. Ge­ gebenenfalls muß er vor dem Haltepfahl zur Seite die Vorbeifahrt des entgegenkommenden Fahrzeuges abwarten. Rheinschiffe, welche dieser Anordnung zuwider in die Strecke zwischen der Einfahrt zum Hafenbecken längs der Rheinstraße und dem Metzgerthor in der einen oder anderen Richtung eingefahren sind, wenn sich bereits ein in entgegengesetzter Rich­ tung fahrendes Kanalschiff darin befindet, sind ohne Verzug so weit zurück zu fahren, als für die ungehinderte Fahrt des Kanalschiffes

nötig ist. § 6. Es dürfen höchstens zwei Schiffe hinter-

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1896 (25. Februar — 4. März).

einander gekoppelt werden, und dies auch nur dann, wenn die Schleppkraft so grotz ist, daß die Fahrgeschwindigkeit nicht unter 3 Kilometer in der Stunde beträgt. Schiffe nebeneinander zu koppeln, ist verboten.

§ 7. Übertretungen der vorstehenden Be­ stimmungen werden nach § 366 Ziffer 10 des Strafgesetzes bestraft. § 8. Gegenwärtige Verordnung tritt mit dem 1. April 1896 in Kraft.

25. Februar 1896.

allerhöchste Verordnung, betreffend die Gerichtsbarkeit über die Einge­ borenen in den afrikanischen Schutzgebieten. Beilage z. Kolonialblatt v. 1. März.

Der Reichskanzler wird ermächtigt, bis auf weiteres die erforderlichen Anordnungen für die Regelung der Gerichtsbarkeit über die Ein­ geborenen der afrikanischen Schutzgebiete zu treffen. 1) Die obige Verordnung ist ersetzt worden durch die Kaiserliche Verordnung vom 3. Juni 1908, be­ treffend die Einrichtung der Verwaltung und die Eingeborenen-Rechtspflege in den afrikanischen und Süd­ seeschutzgebieten (Reichsgesetzbl. S. 397). Sie ist aber insofern noch von Bedeutung, als die auf Grund derselben ergangenen Vorschriften und Anordnungen bis auf weiteres in Geltung geblieben sind (§3 der

Verordnung vom 3. Juni 1908). Auf Grund obiger Verordnung sind insbesondere ergangen die Ver­ fügung des Reichskanzlers vom 27. Februar 1896,

betreffend die Gerichtsbarkeit über die Eingeborenen in den aftikanischen Schutzgebieten, die Verfügung des Reichskanzlers vom 22. April 1896 wegen Aus­ übung der Strafgerichtsbarkeit und der Disziplinar­ gewalt gegenüber den Eingeborenen in den deutschen Schutzgebieten von Ostafrika, Kamerun und Togo, sowie die Verfügung des Reichskanzlers vom 23. Juli 1903, betreffend Rechtsgeschäfte und Rechtsstreitigkeiten Nichteingeborener mit Eingeborenen im südwestasrika-

nischen Schutzgebiet.

4. März 1896.

vebanntmachung Oes Reichskanzlers, betreffend den Betrieb von Bäckereien und Ronditoreien. Reichsgesetzbl. S. 55. Auf Grund des § 120 e der Gewerbeordnung hat der Bundesrat nachstehende Vorschriften über den Betrieb von Bäckereien und Kon­ ditoreien erlassen': I. Der Betrieb von Bäckereien und solchen Konditoreien, in denen neben den Kon­ ditorwaaren auch Bäckerwaaren hergestellt werden, unterliegt, sofern in diesen Bäcke­ reien und Konditoreien zur Nachtzeit zwischen achteinhalb Uhr abends und fünfeinhalb Uhr morgens Gehülfen oder Lehrlinge beschäftigt werden, folgenden Beschränkungen: 1. Die Arbeitsschicht jedes Gehülfen darf die Dauer von zwölf Stunden oder, falls die Arbeit durch eine Pause von mindestens einer Stunde unterbrochen wird, einschließlich dieser Pause die Dauer von dreizehn Stunden nicht überschreiten. Die Zahl der Arbeits­ schichten darf für jeden Gehilfen wöchentlich nicht mehr als sieben betragen. Außerhalb der zulässigen Arbeits­

schichten dürfen die Gehülfen nur zu gelegentlichen Dienstleistungen und höchstens eine halbe Stunde lang bei der Herstellung des Borteigs (Hefestücks, Sauerteigs), im Übrigen aber nicht bei der Herstellung von Waaren verwendet werden. Erstreckt sich die Arbeitsschicht tatsächlich über eine kürzere als die im Absatz 1 be­ zeichnete Dauer, so dürfen die Ge­ hilfen während des an der zulässigen Dauer der Arbeitsschicht fehlenden Zeitraums auch mit anderen als gelegentlichen Dienstleistungen be­ schäftigt werden. Zwischen je zwei Arbeitsschichten muß den Gehilfen eine ununter­ brochene Ruhe von mindestens acht Stunden gewährt werden. 2. Auf die Beschäftigung von Lehrlingen finden die vorstehenden Bestimmungen mit der Maßgabe Anwendung, daß die zulässige Dauer der Arbeitsschicht im ersten Lehrjahre zwei Stunden, im

zweiten Lehrjahre eine Stunde weni­ ger beträgt, als die für die Beschäfti­ gung von Gehülfen zulässige Dauer der Arbeitsschicht, und daß die nach Ziffer 1 Absatz 3 zu gewährende un­ unterbrochene Ruhezeit sich um eben diese Zeiträume verlängert. 3. über die unter den Ziffern 1 und 2 festgesetzte Dauer dürfen Gehülfen und Lehrlinge beschäftigt werden: a) an denjenigen Tagen, an welchen zur Befriedigung eines bei Festen oder sonstigen besonderen Ge­ legenheiten hervortretenden Be­ dürfnisses die untere Verwal­ tungsbehörde Ueberarbeit für zu­ lässig erklärt hat; b) außerdem an jährlich zwanzig der Bestimmung des Arbeitgebers überlassenen Tagen. Hierbei kommt jeder Tag in Anrech­ nung, an dem auch nur ein Ge­ hülfe oder Lehrling über die unter den Ziffern 1 und 2 festgesetzte Dauer beschäftigt worden ist. Auch an solchen Tagen, mit Ausnahme des Tages vor dem Weihnachts-, Oster- und Pfingst­ fest, muß zwischen den Arbeits­ schichten den Gehülfen eine un­ unterbrochene Ruhe von min­ destens acht Stunden, den Lehr­ lingen eine solche von mindestens zehn Stunden im ersten Lehr­ jahre, mindestens neun Stunden im zweiten Lehrjahre gewährt werden. Die untere Verwaltungs­ behörde darf die überarbeit (a) für höchstens zwanzig Tage im Jahre gestatten.

4. Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, daß an einer in die Augen fallenden Stelle der Betriebsstätte ausgehängt ist: a) eine mit dem polizeilichen Stem­ pel versehene Kalendertafel, auf der jeder Tag, an dem Ueber­ arbeit auf Grund der Bestim­ mung unter Ziffer 3 b statt­ gefunden hat, noch am Tage der Ueberarbeit mittels Durchlochung oder Durchstreichung mit Tinte kenntlich zu machen ist; b) eine Tafel, welche in deutlicher Schrift den Wortlaut dieser Be­ stimmungen (I bis V) wiedergibt.

5. An Sonn- und Festtagen darf die Be­ schäftigung von Gehülfen und Lehr­ lingen auf Grund des § 105 c der Gewerbeordnung und der in den §§ 105 e und 105 f a. a. O. vor­ gesehenen Ausnahmebewilligungen nur insoweit erfolgen, als dies mit den Bestimmungen unter den Ziffern 1 bis 3 vereinbar ist. In Betrieben, in denen den Ge­ hülfen und Lehrlingen für den Sonn­ tag eine mindestens vierundzwanzig­ stündige, spätestens am Sonnabend Abend um zehn Uhr beginnende Ruhe­ zeit gewährt wird, dürfen die an den zwei vorhergehenden Werktagen endi­ genden Schichten um je zwei Stunden über die unter den Ziffern 1 und 2 bestimmte Dauer hinaus verlängert werden. Jedoch muß auch dann zwischen je zwei Arbeitsschichten den Gehülfen eine ununterbrochene Ruhe­ zeit von mindestens acht Stunden, den Lehrlingen eine solche von mindestens zehn Stunden im ersten Lehrjahre, mindestens neun Stunden im zweiten Lehrjahre gelassen werden.

II. Als Gehülfen und Lehrlinge im Sinne der Bestimmungen unter I gellen solche Personen, welche unmittelbar bei der Her­ stellung von Waaren beschäftigt werden. Dabei gelten Personen unter sechzehn Jahren, welche die Ausbildung zum Ge­ hülfen nicht erreicht haben, auch dann als Lehrlinge, wenn ein Lehrvertrag nicht ab­ geschlossen ist. Die Bestimmungen über die Beschäfti­ gung von Gehülfen finden auch auf ge­ werbliche Arbeiter Anwendung, welche in Bäckereien und Konditoreien lediglich mit der Bedienung von Hülfsvorrichtungen (Kraftmaschinen, Beleuchtungsanlagen und dergleichen) beschäftigt werden.

III. Die Bestimmungen unter I finden keine Anwendung auf Gehülfen und Lehrlinge, die zur Nachtzeit überhaupt nicht oder doch nur mit der Herstellung oder Herrichtung leicht verderblicher Waaren, die unmittel­ bar vor dem Genuß hergestellt oder her­ gerichtet werden müssen (Eis, Cremes und dergleichen), beschäftigt werden. IV. Die Bestimmungen unter I finden ferner

keine Anwendung: 1. auf Betriebe, in denen regelmäßig nicht mehr als dreimal wöchentlich

gebacken wird;

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1896 (19. März — 25. März). 2. auf Betriebe, in denen eine Beschäfti­ gung von Gehülfen oder Lehrlingen zur Nachtzeit lediglich in einzelnen Fällen zur Befriedigung eines bei Festen oder sonstigen besonderen Ge­ legenheiten hervortretenden Bedürf­ nisses mit Genehmigung der unteren Verwaltungsbehörde stattfindet. Diese Genehmigung darf die untere Verwaltungsbehörde für höchstens zwanzig Nächte im Jahre ertheilen.

V. Die vorstehenden Bestimmungen treten am 1. Juli 1896 in Kraft. Während der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1896 darf Ueberarbeit auf Grund der Bestimmung unter I Ziffer 3 a für höchstens zehn Tage und Nachtarbeit auf Grund der Bestim­ mung unter IV Ziffer 2 für höchstens zehn Nächte gestattet werden, sowie über­ arbeit auf Grund der Bestimmung unter I Ziffer 3d an höchstens zehn Tagen statt­ finden.

19. März 1896. Verfügung des Ministeriums, betreffend die Erhebung der öffentlichen Mage bei Straftaten, die in Frankreich von einem Deutschen gegen einen Deutschen begangen find. Samml. d. Justizverw. Bd. 21 S. 86. Unter Bezugnahme auf die Verfügung vom 24. November 1894 (Slg. XIX S. 300) be­ nachrichtige ich Euer Hochwohlgeboren aus An­ laß eines Einzelfalles ergebenst, daß bei Ver­ brechen und Vergehen, die in Frankreich von einem Deutschen gegen einen Deutschen begangen sind, die Einholung der

Genehmigung des Ministeriums zur Erhebung der öffentlichen Klage nicht erforderlich und in Fällen dieser Art lediglich nach Maßgabe der Verfügung vom 18. August 1881 (Slg. VI S. 226) zu verfahren ist. Ich ersuche, hiervon den Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Amtsgerichten Kenntniß zu geben.

25. März 1896. vesttmmungen -es Ministeriums zur Ausführung der Gemeindeordnung. Zentr.- u. Bez.A.Bl. S. 45. Auf Grund des § 83 der Gemeindeordnung vom 6. Juni 1895 wird hierdurch folgendes bestimmt: Zu § 1 der Gemeindeordnung. Der Beschluß des Gemeinderaths eines Kreishauptortes, durch welchen die für Gemeinden von 25 000 und mehr Einwohnern erlasienen Bestimmungen der Gemeindeordnung angenommen werden, ist in doppelter Ausfertigung dem Kreis­ direktor einzureichen. Dem Beschluß ist eine Bescheinigung des Bürgermeisters darüber beizufügen, an welchem Tage die Berufung des Gemeinderaths erfolgt ist (§ 47 der G.O.) und wie viele Gemeinderathsmitglieder im Amt befindlich sind (§ 49 G.O.). Der Kreisdirektor hat sofort nach Eingang des Beschlusses zu prüfen, ob derselbe den gesetzlichen Bestimmungen gemäß gefaßt ist. Der Beschluß, welcher im übrigen einer Ge­ nehmigung nicht bedarf, tritt erst in Wirk­ samkeit, wenn der Kreisdirektor dem Bürger­ meister mitgetheilt hat, daß der Beschluß nicht beanstandet werde.

Der Kreisdirektor hat die zweite Ausferti­ gung des Beschlusses dem Bezirkspräsidenten einzusenden und zwar mit der Angabe, wann der Beschluß in Wirksamkeit getreten ist. Der Bezirkspräsident hat von jeder Beschlußfassung der gedachten Art dem Ministerium Anzeige zu erstatten. Zu § 2. 1. Bei Abänderungen eines Ge­ meindebezirks, welche eine Änderung der Grenzen von Bezirken, Kreisen und Kan­ tonen zur Voraussetzung haben, sind die abgeschlossenen Jnstruktionsverhandlungen in allen Fällen zunächst dem Ministerium ein­ zureichen. 2. Die besonderen Vorschriften der §§ 4 und 14 des Gesetzes vom 31. März 1884, über die Aenderungen von Gemarkungsgrenzen bei Gelegenheit der Kaiasterberichtigung und der Stückvermessung werden durch die Be­ stimmungen der Gemeindeordnung nicht be­ rührt. Zu § 3. 1. Die Aufforderung, welche der Bezirkspräsident vor jeder Abänderung eines Gemeindebezirks an die beiheiligten Gemeinden

zu erlassen hat, ist nur in denjenigen Ge­ meinden bekannt zu machen, welche unmittel­ bar von der Abänderung betroffen werden, also nicht in allen Gemeinden des Kantons, wenn auch eine Aenderung der Kantonsgrenze in Be­ tracht kommt. In gleicher Weise sind auch nur die Gemeinderäthe der unmittelbar be­ troffenen Gemeinde über die beabsichtigte Änderung zu hören. 2. Wählbar in den bei Abtrennung einer Ortschaft zu wählenden Ortschaftsausschuß ist, wer nach Absatz 1 des 8 3 wahlberechtigt ist. Erreicht die Zahl der Wahlberechtigten nicht die doppelte Zahl der Mitglieder des Aus­ schusses, so findet eine Wahl nicht statt. In diesem Falle bilden nach Maßgabe der von dem Bezirkspräsidenten festgesetzten Zahl der Mitglieder des Ausschusses die wahlberechtigten in der Ortschaft wohnhaften Höchstbesteuerten von Rechtswegen den Ausschuß. Auf die Wahlen zu dem Ortschaftsausschuß finden die Vorschriften über die Wahlen zu dem Gemeinderath Anwendung. Zu § 7. In den Fällen einer Vereinigung oder einer Theilung von Gemeinden treten die Gemeinderäthe der betheiligten Gemeinden mit dem Zeitpunkt der Bereinigung oder Theilung außer Wirksamkeit. In diesen Fällen kann der Bezirkspräsident nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung bis zur Vornahme der Neu­ wahlen zu dem Gemeinderath einen Ausschuß ernennen oder die Ausübung der Rechte und Pflichten des Gemeinderaths dem Bürgermeister übertragen. Im Falle der Vereinigung einer Gemeinde mit einer anderen werden die Befugnisse des Gemeindevorstands für die Gesamtgemeinde von dem bisherigen Vorstand des Hauptortes ausgeübt. Der bisherige Gemeindevorstand der zugetheilten Gemeinde tritt mit dem Zeit­ punkt der Vereinigung außer Thätigkeit. Wird eine Ortschaft mit einer anderen Ge­ meinde vereinigt, so bleibt der bisherige Ge­ meindevorstand in Funktion. Im Falle der Errichtung einer neuen Ge­ meinde hat bis zur erfolgten Wahl des Ge­ meinderaths der Bezirkspräsident einen Aus­ schuß nach Maßgabe des § 63 der Gemeinde­ ordnung zu ernennen und zugleich dasjenige Mitglied des Ausschusses zu bestimmen, welches einstweilen die Stelle des Bürgermeisters zu versehen hat. Zu § 9. 1. Hinsichtlich der Zahl der Bei­ geordneten ist für jede Gemeinde das Bedürf­ niß nach Maßgabe der besonderen Verhältnisse bestimmend. Im allgemeinen ist auch ferner­ hin an dem bisherigen Verfahren festzuhalten,

nach welchem für Gemeinden von weniger als 2500 Einwohnern 1 Beigeordneter, für Ge­ meinden mit 2500 bis 10 000 Einwohnern 2 Beigeordnete und für größere Gemeinden für jede weiteren 20 000 Einwohner noch ein weiterer Beigeordneter ernannt wurden. 2. Dem Bürgermeister steht es zu, darüber Bestimmung zu treffen, in welcher Weise ihn die Beigeordneten in der Geschäftsführung zu unterstützen haben, sowie, wenn mehrere Bei­ geordnete vorhanden sind, welcher von den­ selben ihn in Behinderungsfällen in seiner gesamten Geschäftsführung zu vertreten hat. Ist der Bürgermeister nicht in der Lage, wegen seiner Vertretung Bestimmung zu treffen, so erfolgt letztere durch die Aufsichts­ behörde.

Zu § 10. Die von dem Gemeinderat vor­ zunehmende Wahl zwecks Vorschlags für die Ernennung eines Bürgermeisters oder Bei­ geordneten hat in geheimer Abstimmung nach den Vorschriften der Geschäftsordnung des Gemeinderaths zu erfolgen. Besteht eine solche Geschäftsordnung nicht, so muß der Gemeinderath vor der Wahl durch einen förmlichen Be­ schluß die Vorschriften festsetzen, welche für die Wahl maßgebend sein sollen. Durch diesen Beschluß muß insbesondere bestimmt werden, wer als gewählt zu erachten ist, und ob ab­ solute Stimmenmehrheit erforderlich ist oder ob und unter welchen Voraussetzungen relative Stimmenmehrheit genügt. Zu § 13. 1. Die Vereidigung der Bürger­ meister und Beigeordneten hat durch die Ge­ meindeaufsichtsbehörde zu geschehen. Ist der Bezirkspräsident Aufsichtsbehörde, so kann er den Kreisdirektor mit der Vornahme der Ver­ eidigung beauftragen. Ueber die Vereidigung braucht eine Verhand­ lung nicht ausgenommen zu werden; es genügt vielmehr eine bezügliche Bermerkung in den Akten. Eine Einführung und Verpflichtung der Bürgermeister und Beigeordneten, wie sie bisher vorgeschrieben war, findet nicht mehr statt. 2. Als Dienstzeichen tragen die Bürger­ meister und Beigeordneten, wie bisher, die Schärpe in den Landesfarben (schwarz, weiß, rot). Zu § 15. 1. Sofern durch die ernennende Behörde bei der Ernennung der Bürgermeister und Beigeordneten oder nachträglich nicht ein anderes bestimmt wird, läuft die Amtszeit der­ selben mit der allgemeinen Amtszeit der Gemeinderäte (§ 45 G. O.) ab.

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1896 (25. März).

2. Die zur Zeit der Jnkrafttretung der Ge­ meindeordnung (1. April 1896) im Amt be­ findlichen Bürgermeister und Beigeordneten haben ihr Amt bis zum Dienstantritt ihrer Nachfolger fortzuführen. Zu § 16. Als Organ der Landes-, Bezirks­ und Kreisverwaltung, insbesondere auch als Organ der allgemeinen und der örtlichen Polizeiverwaltung, ist der Bürgermeister in allen Gemeinden, abgesehen von den Stadt­ kreisen Straßburg und Metz, dem Kreisdirektor als nächsten Vorgesetzten unterstellt und dessen Anweisungen nachzukommen verpflichtet. Die Befugniß, Polizeiverordnungen des Bürger­ meisters außer Kraft zu setzen, steht jedoch nach § 72 der Gemeindeordnung nur der Gemeinde­ aufsichtsbehörde zu; in dieser Beziehung ist da­ her für die Gemeinden von 25 000 und mehr Einwohnern sowie für die diesen gleichgestellten Gemeinden nicht der Kreisdirektor, sondern der Bezirkspräsident zuständig. Die von dem Bürgermeister erlassenen Polizeiverordnungen sind unverzüglich in Ab­ schrift der Gemeindeaufsichtsbehörde mitzu­ teilen. Dieselben bedürfen einer Bestätigung nicht, sondern treten nach vorschriftsmäßiger Verkündigung alsbald oder zu dem in der Ver­ ordnung bestimmten Tage ohne weiteres in Kraft. Zu § 17 Absatz 3. Die Vergebung von Ar­ beiten und Lieferungen für die Gemeinden unterliegt den folgenden Bestimmungen: 1. Die Arbeiten und Lieferungen für die Gemeinden sind vorbehaltlich nachstehender Ausnahmen unter allgemeiner Bewerbung und öffentlich zu vergeben. 2. Arbeiten und Lieferungen, deren über­ schläglicher Werth den Betrag von 500 dK, nicht übersteigt, können mit Zustimmung des Ge­ meinderaths ohne behördliche Genehmigung freihändig vergeben oder von den Gemeinden selbst ausgeführt werden. Arbeiten und Lieferungen, deren Werth den Betrag von 500 dK, übersteigt, können, wenn nach den vorliegenden besonderen Verhältnissen eine öffentliche Vergebung unter allgemeiner Bewerbung nicht ausführbar oder nicht zweck­ mäßig ist, nach Zustimmung des Gemeinderaths mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde, oder, falls die Vornahme der Arbeiten nach § 75 Ziffer 5 der Gemeindeordnung der Genehmi­ gung des Bezirkspräsidenten bedarf, mit Ge­ nehmigung des Bezirkspräsidenten unter engerer Bewerbung oder freihändig vergeben werden. Die Verträge über solche freihändige Vergebungen unterliegen derselben Genehmi­ gung.

3. Die Lastenheste sind unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse und der Art der Arbeiten und Lieferungen im tunlichsten An­ schluß an die für den Geschäftsbereich der Bau­ verwaltung ergangenen allgemeinen Anwei­ sungen über die Vergebung von Arbeiten und Lieferungen, sowie an die bezüglich derselben vorgeschriebenen Bedingungen für die Be­ werbungen um Arbeiten und Lieferungen und allgemeinen Vertragsbedingungen aufzustellen. Es wird Vorbehalten, in dieser Beziehung für den praktischen Gebrauch den Gemeindeverhält­ nissen angepaßte Normalbedingungen bekannt zu geben. In den Lastenheften ist insbesondere die Art und der Betrag der Kaution festzusetzen, welche die Unternehmer und Lieferanten zur Siche­ rung der Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu stellen haben, und Anordnung wegen der An­ sprüche zu treffen, welche die Gemeindever­ waltung im Falle einer Nichterfüllung der Verpflichtungen zu erheben hat. Der Regel nach ist es nicht erforderlich, die Kaution höher als auf 5 Prozent der Vertragssumme zu be­ messen. Wenn die Vertragssumme 1000 dH nicht erreicht, kann auf Sicherheitsstellung überhaupt verzichtet werden.

Die Gemeinderechner haben für die richtige Stellung der zu leistenden Kaution Sorge zu tragen. In dem Lastenheft muß ferner stets als Be­ dingung gestellt werden, daß alle von den Unternehmern außer den ordnungsmäßig ge­ nehmigten Arbeiten weiter ausgeführten Ar­ beiten zu ihren persönlichen Lasten bleiben und keinen Anspruch auf Entschädigung gegen die Gemeinde begründen. 4. Die öffentliche Vergebung von Arbeiten und Lieferungen (Versteigerung) ist, Dringlichkertssälle ausgenommen, drei Wochen vorher durch die Zeitungen, durch Plakate oder in sonst ortsüblicher Weise bekannt zu geben. Die Bekanntmachung hat zu enthalten: den Gegenstand und Umfang der Arbeit oder Liefe­ rung, den Ort, an welchem das Lastenheft ein­ gesehen werden kann, die Behörde, welche den Zuschlag zu ertheilen hat, den Ort und die Zeit der Versteigerung und die für den Zuschlag vorbehaltene Frist. 5. Die Angebote sind versiegelt in oder vor dem Versteigerungstermin einzureichen. 6. Der Zuschlag ist nur auf ein in jeder Be­ ziehung annehmbares, die tüchtige und recht­ zeitige Ausführung gewährleistendes Angebot zu ertheilen. Auszuschließen von der Berücksichtgung sind Angebote, welche entweder den der Ausschreibung zugrunde gelegten Be-

dingungen oder Proben nicht entsprechen oder eine in offenbarem Mißverhältniß zu der aus­ geschriebenen Arbeit oder Lieferung stehende Preisforderung enthalten, ohne daß aus­ reichende Gründe für die Abgabe des aus­ nahmsweise niedrigen Angebots beigebracht werden. Im Uebrigen ist bei Vergebungen unter all­ gemeiner Bewerbung der Zuschlag demjenigen der drei Mindestfordernden zu ertheilen, dessen Angebot unter Berücksichtigung aller in Be­ tracht kommenden Verhältnisse als das an­ nehmbarste zu erachten ist. Bei Vergebung unter engerer Bewerbung ist bei sonst gleichwertigen Angeboten der Zu­ schlag dem Mindestfordernden zu ertheilen. Ist keines der hiernach in Betracht kom­ menden Mindestgebote für annehmbar zu er­ achten, so sind sämmtliche Gebote abzulehnen.

7. Das Ergebniß jeder Versteigerung ist in einen: Protokolle festzustellen, in welchem alle Umstände des Verfahrens angegeben sind. 8. Auf die öffentlichen Versteigerungen von Arbeiten und Lieferungen finden die Bestim­ mungen des § 21 der Gemeindeordnung An­ wendung. Zu § 21. Dem Gemeinderath ist es über­ lassen, in seiner Geschäftsordnung (§ 52 G. O.) zu bestimmen, in welcher Weise die Bezeich­ nung der zu den Versteigerungen zuzuziehenden zwei Gemeinderathsmitglieder zu erfolgen habe. Ist eine solche Bestimmung nicht erfolgt, so hat der Bürgermeister freie Hand in der Aus­ wahl. Will der Bürgermeister die Anwesenheit des Gemeinderechners bei der Versteigerung an­ ordnen, so hat er sich, wenn der Rechner zu­ gleich Rentmeister ist, vor der Festsetzung des Versteigerungstermins durch Benehmen mit dem Rechner zu vergewissern, daß derselbe nicht dmch sonstige unverschiebbare dienstliche Ob­ liegenheiten an der Beiwohnung des Termins verhindert ist. Auf die öffentlichen Versteigerungen von Holz aus den Gemeindewaldungen finden die des § 21 keine Anwendung. Für diese Ver­ steigerungen sind die Bestimmungen in § 15 der von dem Ministerium unter dem 25. Ok­ tober 1894 erlassenen Vorschriften für die Ver­ waltung und Bewirthschaftung der Waldungen der Gemeinde und öffentlichen Anstalten (Zen­ tral- und Bezirks-Amtsblatt 1894, Seite 219) maßgebend. Zu § 24. Für die Entscheidung der Frage, ob eine Gemeinde dauernd eine jährliche Ein­ nahme von mehr als 20 000 dK, hat und deshalb die Anstellung eines besonderen GemeindeSamml. der iu Els.-Lothr. gelt. Ges. II. Abt. 1. Bd.

rechners verlangen kann, ist der Durchschnitt der ordentlichen Einnahmen der drei letzten Rechnungsjahre maßgebend. Zu § 26. Hinsichtlich der Dienstzeichen der Gemeindebeamten bleibt bis auf weiteres das Uniform-Reglement vom 11. November 1872 in Kraft. Es wird jedoch Vorbehalten, allge­ mein oder in einzelnen Fällen auf Antrag der Gemeindeverwaltungen Ergänzungen dieses Reglements eintreten zu lassen oder Ab­ weichungen von demselben zuzulassen. Zu § 27 Absatz 4. Im Falle des § 27 Ab­ satz 4 ist die Beschwerde des Gemeindebeamten wegen Dienstentlassung bei der Behörde, von welcher die Entlassung ausgesprochen ist, ein­ zureichen. Wird nach Entscheidung der Be­ schwerde durch die berufene Behörde die Be­ schwerdeführung nach Maßgabe des § 71 Ab­ satz 2 der Gemeindeordnung weiter fortgesetzt, so sind die weiteren Beschwerden jedesmal innerhalb einer Woche nach Ablauf des Tages, an welchem die angefochtene Entscheidung zu­ gestellt ist, einzureichen. Eine Neubesetzung des Gemeindeamtes darf erst erfolgen, wenn innerhalb zwei Wochen nach der Zustellung der Entlassungsverfügung eine Beschwerde nicht erhoben oder wenn eine endgültige Entscheidung über die erhobene Be­

schwerde ergangen ist. Zu § 28 Absatz 2. Eine Amtsgewalt steht denjenigen Gemeindebeamten zu, welchen durch ihr Amt das Recht und die Pflicht übertragen ist, die Gesetze und die amtlichen Anordnungen gegenüber der Bevölkerung selbständig zur Aus­ führung zu bringen. Es fallen hierunter nicht allein alle polizeilichen Exekutivorgane, sondern auch die Vorsteher der verschiedenen Dienst­ zweige mit selbständigen Befugnissen gegenüber dem Publikum, sowie die Kassenbeamten, nicht aber die technischen Hilfskräfte, das Bureau­ personal und die Angestellten in gewerblichen

Anlagen. Der von den Beamten mit Amtsgewalt zu leistende Eid hat die nachstehende Form: „Ich N. N. schwöre zu Gott dem All­ mächtigen und Allwissenden, daß ich Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser treu und gehorsam sein, die Gesetze beobachten und alle mir vermöge meines Amtes obliegen­ den Pflichten nach meinem besten Wissen und Gewissen genau erfüllen will, so wahr mir Gott helfe." Auch die bereits im Dienst befindlichen Be­ amten sind zu vereidigen, wenn sie nicht schon früher den Eid geleistet haben.

Einer förmlichen Verhandlung über die Ber2

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personen" (Abs. 2) sind im § 38 des Reichs­ cidigung bedarf es nicht; es genügt vielmehr militärgesetzes vom 2. Mai 1874 unter A und B eine bezügliche Bemerkung zu den Akten. aufgeführt. Die Zivilbeamten der Militärver­ Die Bestimmungen des § 28 Abs. 2 finden waltung fallen nicht darunter und sind daher auf diejenigen Gemeindebeamten, welche staat­ ebenso wie die Militärbeamten zum Wählen lichen Behörden unmittelbar unterstellt sind, berechtigt. keine Anwendung. Zu § 30. 1. Für den Begriff des Wohnsitzes 5. Als „Armenunterstützung" (Abs. 3 (Abs. 1 Zifs. 3) ist maßgebend, daß jemand in Zifs. 3) sind die Gewährung von Lehr­ einer Gemeinde des Landes eine Wohnung be­ mitteln an Schulkinder, der Erlaß oder die sitzt und dieselbe in Wirklichkeit, wenn auch Ermäßigung des Schulgeldes nicht anzusehen. nicht ständig, bewohnt. Die auf Grund der Reichsversicherungsgesetze Bei dem Besitz einer solchen Wohnung in gewährten Leistungen fallen selbstverständlich mehreren Gemeinden kann das Wahlrecht nur auch nicht darunter. Dagegen werden die von in der Gemeinde ausgeübt werden, wo die den Armenräthen und Gemeinden unentgeltlich Hauptniederlassung ist. gewährten Arzneien als Armenunterstützungen Als Besitzer eines „Wohnhauses" ist auch 8it betrachten sein, während wieder die bloße derjenige anzusehen, dessen Ehefrau oder unentgeltliche ärztliche Behandlung durch die minderjährigen Kindern das Haus gehört, hierzu verpflichteten Kantonalärzte, welche der oder welcher aus sonstigen Gründen den Gemeinde keine besondere Ausgabe verursacht, Nießbrauch an einem Hause in der Ge­ nicht hierher zu rechnen ist. meinde hat. Um das Wahlrecht auszuschließen, muß die 2. Das „stehende" Gewerbe oder die „Land- Armenunterstützung in dem laufenden oder in wirthschaft" muß selbständig betrieben werden, dem dem Wahltage vorhergegangenen Kalender­ also nicht als Gehilfe, Geselle, Arbeiter usw. jahr bezogen worden sein. Unter den Begriff des stehenden Gewerbes 6. Unter den „Gemeindeabgaben" (Abs. 3 fallen alle Betriebsformen, die nicht ausdrück­ Ziff. 4), deren Nichtberichtigung den Ausschluß lich als Gewerbebetrieb im Umherziehen be­ vom Wahlrecht zur Folge hat, sind nur die zeichnet sind (§ 55 der Gewerbeordnung). Abgaben von öffentlich-rechtlicher Natur zu Für die Aerzte zum Beispiel genügt daher verstehen, wie die Steuern, das Schulgeld, die ein einjähriger Wohnsitz. Verbrauchsabgaben usw. Die beiden letzten Als landwirthschaftlicher Betrieb gilt auch der Rechnungsjahre sind die dem Rechnungsjahre, Betrieb der Kunst- und Handelsgärtnerei. in welches der Wahltag fällt, vorhergegangenen Gleichgültig ist es, ob der betreffende Land­ zwei Rechnungsjahre. Die Berichtigung der wirth die Landwirthschaft als Eigenthümer, Abgaben kann, um den Ausschluß von dem Pächter oder Nutzungsberechtigter betreibt. Wahlrecht zu verhüten, noch bis zum Ende Unter den Begriff der Landwirthschaft fallen der Frist für die Auslegung der Wählerlisten auch die kleineren landwirthschastlichen Betriebe, geschehen. insbesondere in den Fällen, in welchen neben 7. Zur Erleichterung für die Bürgermeister der Landwirthschaft noch eine andere Erwerbs­ ist in dem Zentral- und Bezirks-Amtsblatt im thätigkeit ausgeübt wird (z. B. Tagelohn oder Anschluß an die Wahlordnung eine Zusammen­ Arbeit in der Fabrik). Voraussetzung wird stellung derjenigen Verbrechen und Vergehen jedoch in diesen Fällen sein müssen, daß der veröffentlicht, welche die Aberkennung der landwirthschaftliche Betrieb eine wesentliche bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge haben Nahrungsquelle bildet. können (Abs. 3 Ziffer 5). Ob die erkannte Gefängnißstrafe drei Monate 3. Unter den Begriff des „öffentlichen beträgt (§ 32 Strafgesetzbuch) oder weniger, ist Amtes" fällt jeder vom öffentlichen Recht gleichgültig, da die Natur des Delikts ent­ bestimmte Inbegriff von Obliegenheiten zur scheidend ist. Durchführung der Aufgaben der öffentlichen Die Bestimmung in Abs. 3 Ziff. 5 des § 30 Verwaltung. Ein öffentliches Amt üben also der G. O. findet auch auf die vor dem aus Reichsbeamte, Landesbeamte, Bezirks- und 1 April CT. erfolgten Verurtheilungen Anwen­ Gemeindebeamte, gleichviel ob sie mit einer Amtsgewalt betraut sind oder nicht, sowie dung. Frühere Verurtheilungen, welche nach dem organischen Dekret vom 2. Februar 1852 den ferner auch diejenigen Personen, welche als Verlust des Wahlrechts zur Folge hatten, aber Organe öffentlicher Anstalten thätig sind, wie nicht unter die Bestimmung der Gemeinde­ die Mitglieder der Armenräthe, der Berwalordnung fallen, haben daher eine Wirkung auf tungskommissionen der Spitäler usw. 4. Die zum „aktiven Heere gehörigen Militär­ das Wahlrecht überhaupt nicht mehr. Ebenso

ist der bisherige dauernde, nur durch Rehabili­ tierung zu hebende Verlust des Wahlrechts in Wegfall gekommen. Die Dauer dieses Ver­ lustes beträgt jetzt überall nur noch 5 Jahre von der Verbüßung usw. der Strafe ab oder die etwaige längere Zeit des ausgesprochenen Verlustes der Ehrenrechte mit dem in § 32 des Strafgesetzbuches enthaltenen Maximum.

In deutschen Bundesstaaten ergangene Verurtheilungen haben bezüglich des Wahlrechts selbstverständlich dieselben Folgen wie Berurtheilungen in Elsaß-Lothringen. Berurtheilungen im Ausland haben die in Rede stehenden Folgen nur dann, wenn auf Grund des § 37 Strafgesetzbuch von deutschen Gerichten nachträglich auf Verlust der Ehren­ rechte erkannt worden ist. 8. Die Dauer des Verlustes des Wahlrechts bei Berurtheilungen wegen Landstreichens oder Bettelns (Abs. 3 Ziff. 6) ist von der Verbüßung der eigentlichen Strafe und nicht von dem Ab­ lauf der etwa verhängten Arbeitshaushast ab zu berechnen. Zu § 31. Die Voraussetzung der Veran­ lagung zu einer der vier direkten Staatssteuern ist dahin zu verstehen, daß die Veranlagung zu einer direkten Staatssteuer genügt; es braucht nicht gerade eine der bisherigen vier Steuer­ arten zu sein. Die nicht in der Gemeinde wohnenden Grund­ eigenthümer müssen in einer Gemeinde ElsaßLcthringens wahlberechtigt sein. Zu § 34. Jeder Wahlbezirk muß ein örtlich zusammenhängendes Ganze bilden. Bei Anträgen von Wahlberechtigten einer eigenes Vermögen besitzenden Ortschaft auf Bildung besonderer Wahlbezirke gemigt es, daß die Mehrheit der Wahlberechtigten den Antrag stellt. Bei Bildung von Wahlbezirken ist es in Zukunft nothwendig, daß die Gesammtzahl der in der Gemeinde zu wählenden Gemeinderathsmitglieder unter die Wahlbezirke vertheilt wird. Wo eine solche Vertheilung nicht beabsichtigt ist, können nur Stimmbezirke gebildet werden. Die Bertheilung findet nicht mehr, wie bisher, nach Maßgabe der eingeschriebenen Wähler, sondern unter Berücksichtigung der Ziffern der Zivilbevölkerung statt. Die Wahlberechtigten eines Wahlbezirks sind bei der Wahl nicht auf die Personen des Be­ zirks beschränkt; es kann vielmehr jeder Wähl­ bare in der ganzen Gemeinde gewählt werden. Zu § 35. Die Festsetzung des Tages der Wahl durch die Aufsichtsbehörden (BezirksPräsidenten bzw. Kreisdirektoren) hat in der Weise zu geschehen, daß ohne Rücksicht auf

die Größe der Gemeinden die Wahl überall nur noch an einem Tage stattfindet. Wenn nicht ganz besondere Gründe dagegen sprechen, ist stets ein Sonntag als Wahltag zu nehmen.

Hinsichtlich der Anschaffung der erforderlichen Formulare für die Wahlen bleiben die bis­ herigen Vorschriften auch ferner bestehen. Für die Stimmzählungslisten können die bis­ herigen Formulare weiter gebraucht werden.

Die in Anwendung zu bringenden Formu­ lare für die Wählerlisten und Wahlprotokolle sind der Wahlordnung beigefügt. Der Gebrauch von Wahlkarten ist nicht vor­ geschrieben worden. Es bleibt daher den Ge­ meinden wie bisher überlassen, solche auszu­

geben. Zu § 38. Die Wahlordnung ist von denr Ministerium unter dem 28. Dezember 1895 (Zentral- und Bezirks-Amtsblatt 1896 Nr. 4, Hauptblatt) erlassen worden. Zu den §§ 39—42. Die zehntägige Ein­ spruchsfrist (§ 70 der G. O.) gilt nur für die Erhebung von Einsprüchen gegen die Gültig­ keit von Wahlen nach Maßgabe des § 39. Die Erhebung von Einsprüchen auf Grund der §§ 40 und 41 ist an eine bestimmte Frist nicht ge­ bunden. Die bisher (Art. 47 des Gesetzes vom 5. Mai 1855) bestandene Nothwendigkeit der Verweisung einer präjudiziellen Statusfrage an die ordent­ lichen Gerichte vor der Entscheidung eines Ein­ spruches durch den Bezirksrat ist in Wegfall

gekommen. Da nach § 40 der Gemeindeordnung nur die Militärpersonen des Friedensstandes, mit Aus­ nahme der Militärbeamten, nicht Gemeinderathsmitglieder sein können, so besteht eine Un­ vereinbarkeit bezüglich der in § 38 des Militär­ gesetzes unter B und C aufgeführten, zum aktiven Heere gehörigen Personen nicht. Die besoldeten Bürgermeister und Beigeord­ neten sind keine Gemeindebeamte im Sinne der Gemeindeordnung und können daher Mit­ glieder des Gemeinderaths sein. Zu § 44. Die in den Fällen des § 44 dem Gemeinderath hinzutretenden Höchstbesteuerten müssen die Wählbarkeit zum Gemeinderath nach Maßgabe des § 31 der Gemeindeordnung be­ sitzen. Da diejenigen Personen, welche nach § 40 der Gemeindeordnung nicht Mitglieder des Gemeinderaths sein können, an sich von der Wählbarkeit nicht ausgeschlossen sind, so können dieselben als Höchstbesteuerte bei den

Beschlußfassungen mitwirken. Zu § 45. 1. Die sechsjährige Amtszeit der Mitglieder des Gemeinderaths ist eine einheit­ liche für sämmtliche Gemeinderäthe des ganzen

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Landes; dieselbe läuft daher für sämmtliche Ge­ meinderäthe zu der gleichen Zeit ab, auch in den Fällen, wo in der Zwischenzeit zwischen der regelmäßigen allgemeinen Erneuerung eine Auflösung und Neuwahl des Gemeinderaths stattgefunden hat. 2. Erreicht während der sechsjährigen Amts­ zeit die Zahl der erledigten Stellen eines Ge­ meinderaths ein Viertel der gesetzmäßigen Zahl der Mitglieder, so ist dies von dem Bürger­ meister sofort der Aufsichtsbehörde anzuzeigen; die letztere hat schleunigst die erforderlichen Er­ satzwahlen anzuberaumen. Auch der auf drei Viertel der gesetzmäßigen Milgliederzahl verminderte Gemeinderath kann in der Zeit bis zum Eintritt der Ersatzmänner noch gültige Beschlüsse fassen. Diese Beschluß­ fassung hat sich jedoch auf solche Angelegen­ heiten zu beschränken, welche unaufschiebbar oder dringlich sind. 3. Die freiwillige Amtsniederlegung von Gemeinderathsmitgliedern ist dem Bürgermeister schriftlich anzuzeigen und tritt erst nach Ertheilung einer Empfangsbescheinigung seitens des Bürgermeisters in Kraft. Bon eingetretenen Amtsniederlegungen hat der Bürgermeister dem Gemeinderath Mittheilung zu machen. Die neu gewählten Mitglieder des Gemeinde­ raths treten in Thätigkeit, sobald durch eine Mit­ theilung der Aufsichtsbehörde feststeht, daß die Wahl nicht beanstandet oder im Verwaltungs­ streitverfahren für gültig erklärt worden ist. Eine mit bestimmten Förmlichkeiten ver­ bundene Einführung und eine Verpflichtung der neu gewählten Mitglieder findet nicht statt. 5. Die zur Zeit der Jnkrafttretung der Ge­ meindeordnung (1. April 1896) im Anit be­ findlichen Mitglieder des Gemeinderaths bleiben bis zu den bevorstehenden allgemeinen Er­ neuerungswahlen und bis zum Eintritt der neu gewählten Mitglieder in Thätigkeit.

Zu § 47. Die Art der Berufung des Ge­ meinderaths zu den Sitzungen und der Bekannt­ gabe der Tagesordnung kann durch die Ge­ schäftsordnung (§ 52 G. O.) festgesetzt werden. In Ermangelung einer solchen Festsetzung steht die Bestimmung dem Bürgermeister zu. Eine schriftliche Berufung ist nicht erforderlich. Die einzelnen Gemeinderathsmitglieder müssen je­ doch, sofern nicht regelmäßige Sitzungstage festgesetzt sind, einzeln und persönlich ein­ geladen werden. Zu § 48. Die Gemeinderäthe haben sich bei ihren Verhandlungen der deutschen Sprache zu bedienen. Ausgenommen von dieser Bestimmung sind die Gemeinderäthe derjenigen Gemeinden, für welche die Ausführung der Bestimmung in

§ 4 des Gesetzes vom 31. März 1872, betreffend die amtliche Geschäftssprache, noch hinaus­ geschoben ist. Weitere Ausnahmen sind nur mit besonderer Genehmigung des Ministeriums Zulässig. Zu § 51. Der von dem Gemeinderath be­ stimmte Schriftführer braucht nicht Mitglied des Gemeinderaths zu sein. Zu § 54. In denjenigen Gemeinden des Bezirks Lothringen, in welchen das Edikt vom Juni 1769 über die Theilung der Gemeinde­ güter zur Ausführung gekommen ist, finden die Bestimmungen desselben über die Nutzung der Gemeindegüter auch nach dem Inkraft­ treten der Gemeindeordnung Anwendung.

Zu § 55. In den Fällen des Absatzes 2 sind die Bestimmungen im vierten und fünften Satz des ersten Absatzes des § 17 der Gemeinde­ ordnung in Anwendung zu bringen. Daß das Gesetz den dritten und vierten Satz für an­ wendbar erklärt, beruht, wie sich aus den Ver­ handlungen des Landesausschusses ergibt, auf einem Versehen. Zu § 56. Ständige Gemeindeämter im Sinne der Ziffer 1 des Paragraphen sind solche Ämter, deren Errichtung von dem Gemeinderath mit der Maßgabe beschlossen ist, daß die Inhaber derselben eine Anstellungsurkunde erhalten und nicht auf Kündigung oder Widerruf angestellt werden sollen. Zu § 62. Sobald ein Mitglied des Gemeinderaths atts den in dem § 62 angeführten Gründen aus dem Gemeinderath ausscheidet, ist dasselbe unverzüglich durch den Bürgermeister hiervon in Kenntniß zu setzen, damit es in der Lage ist, während der durch das Gesetz bestimmten Frist Einspruch im Verwaltungsstreitverfahren zu erheben. Zu § 66. Alle Steuerzuschläge sind ohne Ausnahme zu den gesummten direkten Staats­ steuern zu erheben, und zwar nach den gleichen Sätzen. Es ist somit nicht zulässig, daß die Zahl der Zuschläge hinsichtlich der einzelnen Staatssteuern eine verschiedene ist. Ferner sind die Zuschläge nicht mehr, wie bisher, zu besonderen Zwecken und Ausgaben zu beschließen. Der Ertrag derselben ist viel­ mehr zur Deckung der Gemeindeausgaben in ihrer Gesammtheit zu verwenden. Eine Aus­ nahme hiervon machen nur die zur Deckung außerordentlicher Ausgaben bestimmten Zu­ schläge. Uber diese muß gesondert Beschluß gefaßt werden, und zwar in den Gemeinden, welche nicht zu den Gemeinden mit 25 000 Einwohnern und den diesen gleichgestellten Ge­ meinden gehören, unter Zuziehung der Höchst­ besteuerten (§ 44 G. O.). Bei dieser Beschluß-

fassung sind die Zwecke, für welche die Zu­ schläge bestimmt sind, genau anzugeben.

Zu § 67. Die Bestimmungen des Ministe­ riums über die Form des Gemeinderechnungs­ wesens, die Ueberwachung und Verantwortlich­ keit der Rechnungsbeamten der Gemeinden, so­ wie die Bestrafung der Dienstvergehen derselben werden durch eine besondere Anweisung erlassen. Zu § 68. Die den: Gemeinderath vorzulegende und von demselben zu prüfende Jahres­ rechnung der Gemeinde ist die von dem Ge­ meinderechner aufzustellende Rechnung. Der Bürgermeister hat demnach eine besondere Verwaltungsrechnung, wie solche bisher vor­ geschrieben war, nicht mehr aufzustellen.

Zu § 69. Die für die Beitreibung der Ge­ meindeeinnahmen im Verwaltungswege maß­ gebenden Vorschriften sind in der Verordnung des Statthalters vom 15. November 1880, be­ treffend die Zwangsvollstreckung behufs Bei­ treibung öffentlicher Gefälle (Amtsbl. des Mi­ nisteriums 1880 S. 84), enthalten. Sämmtliche Gemeindeeinnahmen, also auch die auf privatrechtlichem Titel beruhenden, können auf diese Weise im Verwaltungswege beigetrieben werden. Sofern jedoch Förderungen der Gemeinde dem Rechtswege unterliegen (z. B. die Forderungen aus rein privatrechtlichen Ver­ trägen, Verpachtungen, Veräußerungen usw.), kann der Schuldner durch Erhebung der gerichtlich«en Klage Einspruch gegen die Beitreibung einLegen. Zu § 71. Der Bezirkspräsident kann die Ausübung des ihm zustehenden Aufsichtsrechts weder ganz noch theilweise den Kreisdirektoren übertragen; er ist aber befugt, sich in geeigneten FMen der Mitwirkung der letzteren bei der Ausübung des Aufsichtsrechls zu bedienen. Zu § 74. Die Aufnahme von Anleihen, durch welche die Gemeinde nicht mit einem Schulden b e st a n d belastet oder der bereits vorhandene Schuldenbestand nicht vergrößert wir.d, bedarf einer behördlichen Genehmigung überhaupt nicht mehr. Hiernach ist eine Ge­ nehmigung nicht erforderlich:

1. bei Anleihen, vermittelst deren Gemeinden nur eine augenblickliche Geldverlegenheit beseitigen wollen und welche in kurzer Zeit wieder zurückgezahlt werden sollen. Letztere Voraussetzung ist als gegeben zu erachten, wenn die Anleihe spätestens in dem folgen­ den Rechnungsjahr zurückgezahlt werden soll; 2. bei Anleihen, deren Rückzahlung in vollem Betrag durch vorher zugesicherte Beihilfen aus Landes- oder Bezirksfonds erfolgen soll; 3. bei Anleihen, durch welche eine bereits früher aufgenommene Anleihe in min­

destens der gleichen Höhe zurückgezahlt werden soll. Die Entscheidung darüber, ob für eine An­ leihe eine Genehmigung nicht erforderlich ist, steht der Aufsichtsbehörde zu; derselben ist daher der betreffende Gemeinderatsbeschluß vor der Ausführung vorzulegen. Zu § 75. Hauptausbesserungen (Zifs. 5 des §) sind nach Artikel 606 des Bürgerlichen Gesetz­ buches die Herstellung der Hauptmauern und Gewölbe, die Wiederersetzung von Balken und ganzen Bedachungen und die Ausbesserungen von Dämmen, Futtermauern und Einfriedi­ gungsmauern, wenn sie im ganzen erfolgen. Alle übrigen Ausbesserungen sind zur Instand­ haltung dienende und bedürfen einer behörd­ lichen Genehmigung nicht. Zu § 81. Die bisherigen Bestimmungen hinsichtlich des Vermögens der Ortschaften so­ wie des Vermögens und der Angelegenheiten, bei denen mehrere Gemeinden oder Ort­ schaften betheiligt sind, welche Bestimmungen, soweit sie nicht den Vorschriften der Gemeinde­ ordnung entgegen stehen, auch fernerhin bis zum Erlaß eines besonderen Gesetzes in Gel­ tung bleiben sollen, sind enthalten in den Artikeln 56—58 und 70—73 des Gemeinde­ gesetzes vom 18. Juli 1837, in Artikel 1 des Dezentralisationsdekretes vom 25. März 1852 und in § 1 Zisf. 5 und 8 der Verordnung vom 20. September 1873, betreffend die Zu­ ständigkeit der Kreisdirektoren. Nach Maß­ gabe dieser Bestimmungen und der Vorschriften der Gemeindeordnung über die Zuständigkeit der Behörden ist in den fraglichen Angelegen­ heiten die Zuständigkeit der Behörden folgende: 1. In den Fällen der Artikel 56 und 57 des Gesetzes vom 18. Juli 1837 ist die Auf­ sichtsbehörde zuständig für die Bildung von Ortschaftsausschüssen zum Zweck der Ein­ leitung und Führung von Prozessen einer Ortschaft. 2. In den Fällen der Artikel 70—73 des Gesetzes vom 18. Juli 1837 ist zur Ein­ setzung der Syndikatkommission (Art. 70 Abs. 1), zur Entscheidung von Meinungs­ verschiedenheiten zwischen den betheiligten Gemeinderäthen (Art. 72 Abs. 2) und zur Anordnung von dringlichen Arbeiten (Art. 73) der Bezirkspräsident zuständig. Zur Ernennung des Vorsitzenden der Shndikatkommission (Art. 71 Abs. 1) und zur Ge­ nehmigung der Beschlüsse der Syndikatkommission und der beiheiligten Gemeinderäthe (Art. 70 Abs. 4 und Art. 72 Abs. 1) ist die Aufsichts-

1) Diese Bestimmung ist durch das Ges. v. 7. Juli 1897 betr. das Vermögen der Ortschaften u. s. w. gegen­ standslos geworden.

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behörde zuständig, wenn die beteiligten Ge­ meinden derselben Aufsichtsbehörde unterstellt sind und die Beschlüsse der Shndikatkommission und der Gemeinderäthe nicht ihrer Natur nach der Zuständigkeit des Bezirkspräsidenten unter­ stehen, anderenfalls der Bezirkspräsident. Die Amtszeit der Shndikatkommission (Art. 70) dauert in Zukunft sechs Jahre.

Schlußbe st immun g. Die auf die Gemeindeverwaltung bezüglichen, bisher ergangenen allgemeinen Bestimmungen und Vorschriften sind, soweit sie nicht infolge der Bestimmungen der Gemeindeordnung und der auf Grund derselben von dem Ministerium erlassenen Vorschriften hinfällig geworden sind, auch fernerhin zu beobachten.

30. März 1896. Anweisung -es Ministeriums über -as Lemeinderechnungswesen?) Zentr.- u. Bez.A.Bl. S. 57.

I. Allgemeine Bestimmungen. § 1. Für das Rechnungswesen der Ge­ meinden bildet die Zeit vom 1. April bis Ende März (Gesetz vom 18. März 1878, Gesetzbl. S. 7) eine Verwaltungs- und Rechnungs­ periode. Als zu einem Rechnungsjahr gehörig werden alle in dieser Zeit entstehenden Ein­ nahmen und Ausgaben, einschließlich der von anderen Verwaltungen für die Gemeinden er­ hobenen, aber erst nach dem 31. März zur Ueberweisung gelangenden Einkünfte betrachtet. Die in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. März entstehenden Einnahmen für Holz aus den Waldungen sowie die Werbungs-, Kulturund Verkaufskosten sind jedoch entsprechend dem Forstwirthschaftsjahre (Vorschriften vom 25. Oktober 1894, Amtsbl. S. 219) dem folgenden Rechnungsjahre zuzurechnen. Ein­ nahmen und Ausgaben, welche dem ab­ gelaufenen Rechnungsjahre angehören, aber erst am 1. April fällig sind (z. B. Zinsen für das 2. Halbjahr des abgelaufenen Rech­ nungsjahrs), fallen dem abgelaufenen Rech­ nungsjahre zu. Ist der Fälligkeitstermin ein späterer Tag als der 1. April, so gehören die Einnahmen und Ausgaben dem neuen Rech­ nungsjahre an. § 2. Für jedes Rechnungsjahr ist ein Bud­ get aufzustellen, in welchem alle für dasselbe anfallenden Einnahmen und entstehenden Aus­ gaben vorzusehen sind (§ 11 ff.). § 3. Die Anweisungen zur Erhebung der Einnahmen und Leistung der Ausgaben sind von dem Bürgermeister oder dessen Vertretern zu erlassen. Verweigert oder unterläßt der Bürgermeister, ungeachtet einer Aufforderung der Aufsichts­ behörde, die Ausstellung der Anweisungen über den Gemeinden zukommende Einnahmen oder über fällige und von den Gemeinderäthen be­ willigte oder der Gemeinde zwangsweise auf­ erlegte Ausgaben, so hat die Aufsichtsbehörde die Anweisungen aufzustellen (§ 72 der Ge­ meindeordnung).

Die Namen der Vertreter des Bürgermeisters sind, sofern sie nicht Beigeordnete sind (§ 9 der Gemeindeordnung), dem Rechner vom Bürger­ meister mitzutheilen. § 4. Nur der Rechner ist berechtigt, die Einnahmen zu erheben, wie er auch alle Aus­ gaben zu leisten hat. Die Vertretung eines besonderen Gemeinderechners, zu dessen Ernennung die Genehmi­ gung der Aufsichtsbehörde erforderlich ist, in Erkrankungs- oder Beurlaubungsfällen bedarf ebenfalls der Genehmigung der Aufsichts­ behörde. In den Fällen, in welchen eine geeignete Vertretung des verhinderten be­ sonderen Rechners nicht ermöglicht werden kann, oder wenn die Stelle eines solchen erledigt ist, geht die einstweilige Verwaltung der Kasse auf den Rentmeister über, zu dessen Geschäftsbezirk die Gemeinde gehört. Wenn mehrere Rentmeister für die Gemeinde be­ stellt sind, erfolgt die Auswahl durch die Auf­ sichtsbehörde. Das Geschäftslokal der Kaffe muß den An­ forderungen entsprechen, welche für ein öffent­ liches Amt gestellt werden. Die Kaffenbestände sind in einem feuer- und diebessicheren Kaffen­ schranke auszubewahren, welcher in einem mit genügender Sicherung versehenen Zimmer auf­ gestellt ist.

§ 5. Jeder Rechner darf nur eine Kaffe haben, in welcher alle zu den verschiedenen Zweigen seines Dienstes gehörigen Gelder ver­ einigt werden. Gelder einer nebenamtlich ver­ walteten Kasse, deren Bestände nach gesetz­ licher Bestimmung besonders aufzubewahren sind (z. B. Ortskrankenkassen), fallen nicht hierunter. Privatgelder dürfen in der Kaffe nicht aufbewahrt werden. In den Geld­ schränken dürfen sie nur unter be1) Erlassen in Ausführung des § 67 der Gemeinde­ ordnung vom 6. Juni 1895 (Gesetzbl. S. 58) zur Regelung des Rechnungswesens der Gemeinden, der Überwachung und Verantwortlichkeit der Rechnungs-

beamten, sowie der Bestrafung derselben.

der Dienstvergehen

sonderem Verschluß oder beson­ derer Verpackung verwahrt werden. § 6. Jeder Rechner ist für seine Geschäftsfiihrung verantwortlich. Insbesondere hat er die Pflicht, bei seiner persönlichen Verantwort­ lichkeit für die Einziehung der Einkünfte, Ver­ mächtnisse, Schenkungen und anderen zum Ge­ meindehaushalt bestimmten Einnahmen alle nötige Sorgfalt anzuwenden, die Verwaltung von der Beendigung der Pacht- und Versiche­ rungsverträge zu unterrichten, die Verjährung zu unterbrechen, über die Erhaltung des Grund­ eigenthums, der Rechte, Vorzugsrechte und Hypotheken zu Wachen; zu diesem Zwecke die Eintragung aller Rechtstitel, welche dessen fähig sind, im Hypotheken- oder Grundbuche zu veranlassen; sowie über diese Eintragungen und sonstigen Verfolgungen und Schritte Kon­ trolle zu führen. § 7. Für jedes Rechnungsjahr und für jede Verwaltung ist eine Rechnung zu legen (§ 39 u. ff.). Im Falle eines Wechsels hat der Amts­ nachfolger die noch nicht gelegten Rechnungen anzufertigen.

§ 8. Alle Zahlungen dürfen nur an den wirklichen Gläubiger oder Empfänger geleistet werden. Zahlungen an andere zur Verwen­ dung namens oder im Interesse der Gemeinde sind nur dann zulässig, wenn die Quittungen der wirklichen Empfänger beigebracht werden. (Vgl. jedoch § 20".) Auf Anordnung in der Anweisung und unter Verantwortlichkeit des Anweisenden können diese Quittungen nach der Zahlung beigebracht werden. Die Beibringung muß aber jeden­ falls bis zur Rechnungslegung erfolgen. § 9. Die als Gemeinderechner fungirenden Rentmeister unterstehen lediglich der Aufsicht durch die vorgesetzten Staatsbehörden. Sie haben den Ersuchen der Bürgermeister um Auskunftsertheilung in allen die Gemeinde­ finanzverwaltung betreffenden Angelegenheiten zu entsprechen. Wegen der Dienstvergehungen derselben in ihrer Eigenschaft als Gemeinderechner unterliegen sie lediglich der Bestrafung nach den Vorschriften des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Beamten vom 23. De­ zember 1873. Beschwerden und Anträge dieser­ halb sind an den Direktor der direkten Steuern zu richten. Die allgemeine Aufsicht über die besonderen Rechner übt der Bürgermeister aus. Dem­ selben steht auch die Ahndung etwaiger Dienst­ vergehen nach den Vorschriften der Gemeinde­ ordnung (§§ 18, 25—28) zu. Hinsichtlich der Befolgung der gesetzlichen Vorschriften und der

Verwaltungsanweisung über das Gemeinde­ rechnungswesen stehen die besonderen Rechner außerdem unter der Aufsicht der Kassenkon­ trolleure. § 10. Ueber die im Eigenthum der Gemeinden befindlichen Grundstücke und Gebäude muß ein Lagerbuch, über Werthpapiere, Forderungen und Rechte, sowie über Utensilien, Bücher und der­ gleichen ein Inventarium von dem Bürger­ meister geführt werden, welches den jeder­ zeitigen Bestand ergiebt. Ueber Roh- und Verbrauchsmaterialien für besondere Betriebe sind von der Verwaltung besondere Rechnungen zu führen, welche in an­ gemessener Ordnung den Nachweis über die angekauften Gegenstände und deren Verwen­ dung, sowie den Bestand am Jahresschlüsse ergeben, und gleichzeitig mit der Geldrechnung dem Gemeinderathe vorzulegen sind (§ 47).

II. Aufstellung und Feststellung des Budgets?) § 11. In dem Budget sind alle der Ge­ meinde zustehenden Einnahmen, sowie die für dieselbe zu leistenden Ausgaben zu veran­ schlagen. Dem Budget ist voranzustellen eine Nach­ weisung der Gemeindebeamten und des Lehr­ personals an den öffentlichen Schulen mit An­ gabe der Gehälter, eine Nachweisung der Ge­ meindeschulden mit Angabe der Zinsbeträge, der Tilgungsraten und der Fälligkeitstermine, sowie eine Nachweisung des Gemeindever­ mögens mit Angabe der Erträge und, sofern letztere feststehend und periodisch sind, der Fälligkeitstermine. Die Einnahmen und Ausgaben sind in Ab­ theilungen, Kapitel und Titel einzutheilen, die Kapitel und Titel in jeder Abtheilung fort­ laufend je mit 1 beginnend. Folgende Ein­ teilung ist für das Gemeindebudget allgemein maßgebend: Einnahmen.

Abtheilung I. Ordentliche Ein­ nahmen.

Kapitel 1. Ertrag des Gemeindevermögens: a) Renten und Zinsen aus Aktivkapitalien, b) Nutzbarmachung des Gemeindeeigenthums, ausschließlich der außerordentlichen Holz­ schläge. Kapitel 2. Gebühren und Strafgelder. Kapitel 3. Steuern und Steuerzuschläge, ausschließlich derjenigen zur Deckung außer­ ordentlicher Ausgaben. 2) Hinsichtlich des Budgetvertrags Tit. 13 und Tit. 60 der Einnahmen und Tit. 114 der Ausgaben f. auch Bek. v. 18. Dezember 1898 Zentr.- u. Bez. A.Bl. S. 231.

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Kapitel 4. Einnahmen für besondere Zwecke: a) für den Schulunterricht, b) für den Wegebau, c) für Armenzwecke. Kapitel 5. Sonstige Einnahmen. Abtheilung II. Außerordentliche Einnahmen.

Hierunter sind die Erlöse für veräußerte Immobilien und Werthpapiere, außerordent­ liche Holzschläge, Steuerzuschläge zur Deckung außerordentlicher Ausgaben, Ablösungskapi­ talien, Schenkungen und Vermächtnisse, An­ leihen, etwaige außerordentliche Staats- oder Bezirkszuschüsse und dergleichen Einnahmen auszubringen. Ausgaben.

Abtheilung I. Ordentliche Ausgaben. Kapitel 1. Allgemeine Verwaltungskosten: a) Persönliche Ausgaben, b) Sächliche Ausgaben. Kapitel 2. Polizeiliche Ausgaben. Kapitel 3. Unterhaltung und Nutzbar­ machung der Vermögensobjekte der Gemeinde: a) Unterhaltung der Gemeindegebäude und des sonstigen Gemeindeeigenthums aus­ schließlich der Waldungen, b) Bewirtschaftung der Waldungen. Kapitel 4. Steuern und Abgaben von den Gemeindegütern. Kapitel 5. Für Straßen- und Wegebau. Kapitel 6. Unterrichtswesen. Kapitel 7. Für den Kultus. Kapitel 8. Armenverwaltung und Kranken­ pflege. Kapitel 9. Pensionen und Unterstützungen an Gemeindebeamte und deren Hinterbliebene. Kapitel 10. Sonstige Ausgaben. Abtheilung

II. Außerordentliche Ausgaben.

Hierunter fallen insbesondere Ankauf von Immobilien, Anlegung von Kapitalien in Werthpapieren, Verzinsung und Tilgung der Anleihen, Kosten der Gemarkungsvermessung, Anlage neuer Wege, Neubauten und der­ gleichen einmalige Ausgaben. Das Budget hat die Spalten zu enthalten: 1. Titel. 2. Gegenstand der Einnahme oder Ausgabe. 3. Betrag der Einnahme oder Ausgabe nach der Rechnung des letzlabgelaufenen Rechnungs­ jahres. 4. Einnahme oder Ausgabe: a) Vorschlag des Bürgermeisters, b) bewilligt vom Gemeinderathe.

Für einzelne Zweige (Betriebs- und Unter­ richtsanstallen, Theater, Museen, Zoologische Gärten, Ausstellungen usw.) können Spezial­ budgets aufgestellt werden. Wenn in das Hauptbudget nicht die vollen Einnahme- und Ausgabesummen dieser Spezialbudgets über­ nommen werden, so müssen sie sich in Ein­ nahme und Ausgabe ausgleichen, so daß der in die Gemeindekasse fließende Uberschuß darin in Ausgabe, ein etwaiger Fehlbetrag aber als Zuschuß der Gemeinde in Einnahme gesetzt wird. Das Budget ist nach dem Muster A aufzu­ stellen. Bei größeren Gemeinden sind bei eintre­ tendem Bedürfnisse Abweichungen zulässig. § 12. Gleichzeitig mit der Feststellung des Budgets für das folgende Rechnungsjahr ist in denselben Formen wie das Hauptbudget ein Ergänzungsbudget für das laufende Rechnungs­ jahr aufzustellen. In demselben ist zunächst das wirkliche Ergebniß des letztabgelaufenen Rechnungsjahres vorzutragen. Der Ueberschuß wird derart ermittelt, daß die Summe der Ist­ ausgabe und der verbliebenen Ausgabereste (wirkliche Sollausgabe) von der Summe der Jsteinnahme und der verbliebenen Einnahme­ rückstände (wirkliche Solleinnahme) abgezogen wird. (Vgl. Abschluß des Rechnungsmusters zu § 40.) Ein etwaiger Fehlbetrag wird in um­ gekehrter Weise ermittelt.

In dem nach Anleitung des Musters B auf­ zustellenden Ergänzungsbudget können Ansätze neu ausgenommen und solche des Hauptbudgets erhöht, ermäßigt oder ausgehoben werden. Auch können davon übertragene Kredite des Vorjahrs aufgehoben werden. Die Posi­ tionen sind mit denselben Kapitel- und Titelnummern wie im Hauptbudget zu bezeich­ nen. Die Bewilligungen des Ergänzungsbudgets treten den einzelnen Titeln des Haupt­ budgets hinzu, oder gehen von demselben ab, so daß beide ein Ganzes bilden. Besondere im Laufe des Jahres bis zur Feststellung des Ergänzungsbudgets erfolgte Ausgabe-Ermächtigungen (§ 13) sind in das Ergänzungsbudget mit aufzunehmen. Von Aufstellung eines Ergänzungsbudgets kann mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde Abstand genommen werden. In diesem Falle ist der aus dem abgelaufenen Rechnungsjahre herrührende Ueberschuß oder Fehlbetrag in das Hauptbudget unter den „sonstigen Einnahmen" aufzunehmen, so daß beispielsweise der Uber­ schuß aus dem Rechnungsjahre 1895/96 in das Hauptbudget für 1897/98 aufzunehmen wäre. Sind für das laufende Rechnungsjahr bereits

Nachtragskredite bewilligt, welche ihre Deckung aus dem Ueberschusse finden sollen, so ist nur der verbleibende Betrag als verfügbar aufzu­ nehmen. § 13. Erhöhungen der Ausgabekredite und besondere Nachtragskredite können nur in den­ selben Formen wie das Budget bewilligt werden. Die betreffenden Gemeinderathsbe­ schlüsse sind dem Rechner in beglaubigter Aus­ fertigung mitzutheilen.

§ 14. Mit der Aufstellung des Budgets ist sofort nach dem Eingang der Rechnung für das abgelaufene Rechnungsjahr (§ 46) zu beginnen. Hierbei ist das Folgende zu beachten: A.

Vorbereitung des Budgets.

1. Die Verzeichnisse über die zu zahlenden Besoldungen, über die Schulden und über das nutzbare Vermögen sind mit besonderer Sorg­ falt zu fertigen und dem Rechner zur Prüfung vorzulegen. Letzterer hat das Attest über die Richtigkeit — eventuell nach Aufklärung und Beseitigung etwaiger Differenzen — mit zu vollziehen. 2. In Spalte 3 des Budgets sind bei jedem Budgettitel die Einnahmen und Aus­ gaben des abgelaufenen Rechnungsjahres ein­ zutragen. Sind ausnahmsweise Einnahmen und Ausgaben gleicher Gattung in der Rech­ nung unter verschiedenen Positionen nach­ gewiesen, so ist die G e s a m m t s u m m e für jeden Einnahme- und Ausgabegcgenstand an­ zugeben. 3. Einnahmen und Ausgaben für das neue Rechnungsjahr, welche zur Zeit der Budget­ aufstellung bereits feststehcn, sind in die Spalte 4 a des Budgets in Höhe der wirk­ lichen Solleinnahme bzw. Ausgabe einzutragen.

4. Bei Eintragung der Einnahmen für Holz aus dem Walde, sowie der Holzwerbungs-, Forstkultur- und Waldwegebaukosten sind die seitens der Forstverwaltung gefertigten Hauungs- und Kuliurpläne zu Grunde zu legen.

5. Alle übrigen veränderlichen Einnahmen und Ausgaben sind in der Regel nach mit den auf volle Mark abgerundeten Summen einzutragen, welche im abgelaufenen Rechnungsjahre vereinnahmt oder verausgabt worden sind. Sind dieselben besonders hoch oder niedrig gewesen, so ist — wenn nicht bereits andere Anhaltspunkte für die Veranschlagung gegeben sind — die Durchschnittssumme der zwei letzten Rechnungsjahre maßgebend. Jede Abweichung von dieser Regel ist zu erläutern. 6. Einnahmen für Armenzwecke sind nur dann in das Gemeindebudget einzustellen, wenn ein

besonderer Armenrath, welcher über dieselben zu verfügen hat, nicht besteht.

7. Staats- und Bezirkszuschüsse dürfen nur in derjenigen Höhe eingetragen werden, in welcher sie nach den Mittheilungen der Auf­ sichtsbehörde pp. zu erwarten sind.

8. Beihilfen an die Kirchenfabriken und andere Kultusverwaltungen sind der Regel nach nur dann in das Budget aufzunehmen, wenn die Nothwendigkeit (durch Budget und Rechnung der Kirchenfabrik pp.) nachgewie­ sen ist. 9. Pflichtausgaben dürfen niemals aus­ gelassen werden. Solche sind: nach § 65 der Gemeindeord­ nung: a) die Dienstbezüge der Bürgermeister, Bei­ geordneten und einstweiligen Verwalter, b) die Dienstbezüge der Gemeindebeamten, c) die sächlichen Ausgaben der Gemeinde­ verwaltung, d) die nach den bestehenden Bestimmungen den Religionsdienern zu gewährenden Wohnungsentschädigungen, sofern kein zu ihrer Wohnung bestimmtes Gebäude vor­ handen ist, e) die gemäß den Beschlüssen der Bezirkstage von den Gemeinden aufzubringenden Bei­ träge zu den Bezügen der Kantonalärzte, f) die Kosten der Ortspolizei, soweit dieselben nicht aus Landesmitteln gedeckt werden, g) die Kosten der Anlage und Unterhaltung der Gemeindekirchhöfe, h) die Kosten der Unterhaltung der zu einem öffentlichen Dienste bestimmten Gemeinde­ gebäude, i) die Kosten der Volkszählung, der Gesetzund Amtsblätter, k) die Zahlung unbestrittener Forderungen, 1) die Verzinsung und Tilgung der Gemeinde­ anleihen, m) für diejenigen Gemeinden, welche Sitz eines Amtsgerichts sind, die Kosten der Beschaffung und der Unterhaltung der Diensträume des Amtsgerichts, vorbehalt­ lich der Bestimmungen in § 10 des Ge­ setzes vom 25. März 1891 (Gesetzbl. S. 5); ferner die durch besondere Gesetze auferlegten Ausgaben (§ 65 der Gemeindeordnung), wozu ins­ besondere gehören: n) die Besoldung der Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen Elementarschulen, mit Aus­ schluß der aus der Landeskasse gezahlten Gehaltszulagen, sowie die anderen persön­ lichen und sächlichen Ausgaben des Ele-

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mentarunterrichts (Gesetz vom 29. März 1889, Gesetzbl. S. 31), o) die sächlichen Ausgaben der in der Ge­ meinde befindlichen öffentlichen höheren Schulen (§ 3 des Gesetzes vom 1. No­

vember 1878), p) im Falle der Unzulänglichkeit der Einkünfte der Kirchenfabrik die Kosten des Baues, der Ausbesserung und der Unterhaltung der Kirchen, die Kosten des Gottesdienstes und der Bereitstellung einer Wohnung für den Pfarrer (Dekrete vom 5. Mai 1806 und 30. Dezember 1809), q) die sächlichen Kosten der Standesämter mit Ausnahme der Register und Formu­ lare zu allen Registerauszügen, sowie die Entschädigung, welche den von der Ge­ meinde bestellten Standesbeamten etwa zu zahlen ist (§§ 7 und 8 des Gesetzes vom 6. Februar 1875), r) die Gewährung von Unterstützungen an Forstschutzbeamte, welche wegen Dienst­ unfähigkeit entlassen sind, sowie an deren Hinterbliebene (Gesetz vom 8. Juni 1885), s) die Kosten der Einrichtung und Unter­ haltung der Gewerbegerichte (§ 3 des Ge­ setzes vom 23. März 1880), t) die Ausgaben für die Bizinalstraßen und Bizinalwege (Gesetz vom 21. Mai 1836), u) die Beiträge zu den Kasernirungskosten, welche von oktroipflichtigen Gemeinden erhoben werden (Dekret vom 7. Oktober 1810, Gesetz vom 15. Mai 1818 Art. 46, Ordonnanz vom 5. August 1818), v) die Kosten des Wahlverfahrens nach Maß­ gabe des § 16 des Wahlgesetzes für den deutschen Reichstag und des Artikels 1 des Gesetzes vom 7. August 1850,

w) die Kosten der Nutzbarmachung der den Gemeinden gehörigen Sümpfe und Oedungen (Gesetz vom 28. Juli 1860), x) die Kosten der Wiederbewaldung und Berasung der den Gemeinden gehörigen Berge (Gesetz vom 28. Juli 1860 und 8. Juni 1864), y) die durch das Reichsgesetz über die Kriegs­ leistungen vom 13. Juni 1873 den Ge­ meinden auferlegten Leistungen, z) die Gewährung von Zuschüssen an die Vor­ schußkassen nach Maßgabe der Bestimmung in § 17 des Gesetzes vom 18. Juni 1887, aa) die Beiträge der Gemeinden zu den Kosten der Geisteskranken nach Maßgabe des Ge­ setzes vom 30. Juni 1838, bb) die Beiträge der Gemeinden zu den Kosten der unterstützten Kinder nach Maßgabe des Gesetzes vom 5. Mai 1869,

cc) der von den Gemeinden nach dem Gesetze vom 10. Vend. IV bei Aufläufen usw. zu zahlende Schadenersatz, dd) die nach dem Gesetze vom 5. April 1851 denjenigen Mitgliedern der Feuerwehren usw., welche ihrem Pflichteifer bei Brän­ den zum Opfer gefallen sind, zu gewäh­ renden Unterstützungen und Ruhegehälter, ee) die Beiträge zu den Forstverwaltungskosten (Art. 5 des Gesetzes vom 25. Juni 1841, Art. 6 des Gesetzes vom 19. Juli 1845, Art. 14 des Gesetzes vom 14. Juli 1856),-) ff) die nach reichsgesetzlicher Bestimmung zu zahlenden Kranken-, Alters- und Jnvaliditäts- sowie Unfallversicherungsbeiträge, gg) die an die Landeskasse zu zahlenden Kassenverwaltungskosten (§ 4 des Gesetzes vom 26. Dezember 1875), hh) die in den jährlichen Betriebsplänen fest­ gesetzten Kosten der Bewirthschaftung der Gemeindewaldungen (Art. 14 des Forst­ gesetzbuchs, §§ 5 und 6 der Vorschriften vom 25. Oktober 1894 ^Amtsbl. S. 219]).

10. Eine Verwendung einmaliger Einnahmen zur Deckung fortdauernder Ausgaben darf nur ausnahmsweise stattfinden. 11. Es empfiehlt sich, bei der Fertigung des Budgetentwurfs unter Kapitel 3 der Ein­ nahmen einen Ertrag aus den Zuschlägen zu den direkten Staatssteuern vorläufig nicht einzustellen, sondern zunächst die übrigen Ein­ nahmen in Spalte 4 a aufzurechnen und durch Vergleichung der ermittelten Summe mit den Ausgaben denjenigen Betrag festzustellen, welcher zur Herstellung des Gleichgewichtes zwischen Einnahmen und Ausgaben nötig ist. Dieser so ermittelte Betrag muß durch Zu­ schläge zu den direkten Steuern aufgebracht werden. Unter Zugrundelegung des Prinzipals der direkten Steuern ist sodann zu berechnen, wie viele Prozente des Prinzipals erhoben werden müssen und hierauf diejenige Einnahme ein­ zutragen, welche der berechnete, in der Regel auf volle Prozente abzurundende Prozentsatz ergibt. Die nach dieser Vervollständigung sich ergebenden Gesammtsummen der Einnahmen und Ausgaben (Spalte 4 a) sind auf der letzten Seite des Budgets zusammenzustellen und muß sich durch diese Zusammenstellung entweder ein Einnahme-Ueberschuß oder völlige Ueberein­ stimmung zwischen den Einnahmen und Aus­ gaben ergeben. Ein Fehlbetrag darf nicht zum Vorschein kommen. 3) S. jetzt § 13 des Gesetzes v. 13. Mat 1910 betr. die

Feststellung des Landeshaushalts-Etats.

B. Berathung und Feststellung des Budgets durch den Gemeinderath. 1. Das vorbereitete Budget ist dem Ge­ meinderathe mit einem, die nöthigen Erläute­ rungen enthaltenden Budgetberichte vorzu­ legen. Bor der unter dem Vorsitze des Bürger­ meisters stattfindenden Berathung über das Budget muß die Rechnung für das zuletzt ab­ gelaufene Rechnungsjahr dem Gemeinderathe vorgelegt werden. 2. Der Gemeinderath hat die Einnahmen und die Ausgabekredite festzusetzen. Die fest­ gesetzten Beträge sind in die Spalte 4b des Budgets einzutragen. 3. Uber die zu erhebenden Zuschläge zu den direkten Steuern ist besonders zu beschließen. In den Gemeinden von 25 000 und mehr Einwohnern, sowie in den gleichgestellten Ge­ meinden (§ 1 der Gemeindeordnung) findet eine Zuziehung der Höchstbesteuerten bei Beschließung von Steuerzuschlägen überhaupt nicht, in allen anderen Gemeinden aber nur dann statt, wenn es sich um die im § 44 der Gemeindeordnung genannten Ausgaben handelt. Nur im Falle der Bewilligung be­ sonderer Zuschläge für außerordentliche Aus­ gaben sind getrennte Beschlüsse — über die Zuschläge zur Deckung des lausenden Bedürf­ nisses und diejenigen zur Deckung außerordent­ licher Ausgaben — erforderlich, während im anderen Falle ein Beschluß genügt. 4. Von dem durch den Gemeinderath festgestellten Budget ist eine Abschrift der Aufsichts­ behörde spätestens bis zum 1. Oktober ein­ zureichen (Verordnung vom 5. Juli 1880), Amtsbl. S. 57). Derselben muß eine Aus­ fertigung des Beschlusses, durch welchen die Feststellung erfolgt ist, beigesügt werden. In dem Beschlusse muß die vom Gemeinderathe beschlossene Summe der Einnahmen und der Ausgaben angegeben sein. Die Prüfung des Budgets durch die Aufsichtsbehörde hat als­ bald zu erfolgen. Insoweit es sich nicht um Gemeinden von 25000 und mehr Einwohnern und die ihnen gleichgestellten Gemeinden handelt, unterliegt der Beschluß des Gemeinde­ raths der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung kann nicht erfolgen und muß daher das Budget an den Gemeinderath zurückverwiesen werden, wenn die für die Pflichtausgaben erforderlichen Kredite nicht beschlossen oder wenn die zur Deckung der sämmtlichen Ausgaben nöthigen Mittel nicht bewilligt sind. Wenn die Aufnahme der zu Pflichtausgaben erforderlichen Beträge nicht erfolgt, oder die

zur Deckung der Pflichtausgaben erforderlichen Mittel nicht bewilligt werden, so ist bezüglich aller Gemeinden nach § 73 der Gemeindeord­ nung zu verfahren. 5. Werden seitens der Gemeinderäthe der Gemeinden von 25 000 und mehr Einwohnern und der gleichgestellten Gemeinden in die Budgets Kredite für solche Ausgaben ausge­ nommen, welche nicht zu den Pflichtausgaben gehören, ohne daß die erforderlichen Deckungsmittel bewilligt werden, so hat der Bürger­ meister auf die Unzulässigkeit eines derartigen Verfahrens aufmerksam zu machen und wenn der betreffende Gemeinderath bei seinem Be­ schlusse beharrt, die Entscheidung der Aufsichts­ behörde einzuholen (§ 55 der Gemeindeord­ nung). Vor Eingang dieser Entscheidung kann der Beschluß nicht zur Ausführung gelangen. 6. Gleichzeitig mit der Abschrift des Bud­ gets und der Ausfertigung des, das Budget betreffenden Gemeinderathsbeschlusses sind auch die Beschlüsse über die zu erhebenden Steuerzuschläge — eventuell mit der Liste der Höchst­ besteuerten, § 44 der Gemeindeordnung — an die Aufsichtsbehörde einzusenden. Es unterliegen der Genehmigung: a) des Bezirkspräsidenten (§ 75 Nr. 4 der Gemeindeordnung): Steuerzuschläge, welche den Gesammtbetrag (Prinzipal) der vier direkten Staatssteuern der Gemeinde über­ steigen, b) der Aufsichtsbehörde (§ 75 zweiter Satz Nr. 3 der Gemeindeordnung): Steuerzu­ schläge, welche über ein Drittel des Gesammtbetrages (Prinzipal) der direkten Steuern nicht hinausgehen. Die Aufsichtsbehörden haben von den Be­ schlüssen über die zu erhebenden Steuerzu­ schläge dem Direktor der direkten Steuern Mittheilung zu machen. § 15. Eine Ausfertigung des Budgets ist dem Rechner vor dem Beginn des neuen Etats­ jahres zuzustellen. Auf derselben ist zu bescheinigen: a) bezüglich der Gemeinden von 25 000 und mehr Einwohnern und der gleichgestellten Gemeinden der Tag der Einsendung an die Aufsichtsbehörde, b) bezüglich der übrigen Gemeinden das Datum der Genehmigung der Aufsichts­ behörde.

IL Kaffen- und Rechnungsführung.

§ 16. Das Budget bildet die Grundlage für die Verwaltung und für die Buch- und Rech­ nungsführung. Die darin zu Ausgaben bewilligten Beträge

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dürfen nur zu dem angegebenen Zwecke ver­ wendet und, soweit nicht Nachtragsbewilligungen erfolgt sind oder es sich nicht um solche Pflichtausgaben handelt, deren Höhe von der Bewilligung des Gemeinderaths unabhängig ist, wie z. B. Steuern, Stempel und Einregistrirungskosten, Gerichtskosten, Porto, Ge­ bühren für die Kassenverwaltung, Kosten der Hundesteuerrollen, Oktroi- und andere Er­ hebungskosten, deren Höhe von der Einnahme abhängig ist, vertragsmäßige Holzwerbungskcsten, Holzverkaufskosten, Kosten der unter­ stützten Kinder, Jrrenpflegegelder, Versiche­ rungsbeiträge und dergleichen, sowie um Er­ höhung der vom Staate zu erstattenden Dienstalterszulagen der Elementarlehrpersonen (Be­ kanntmachung vom 12. Juli 1889 — Amtsbl. S. 171 —) handelt, nicht überschritten werden. Etwaige Überschreitungen dieser Art unter­ liegen jedoch der nachträglichen Genehmigung des Gemeinderaths, welche bei der Feststellung der Rechnung (§ 47) allgemein ausgesprochen werden kann. Die zu unvorhergesehenen oder sonstigen Ausgaben bewilligten Beträge dürfen zu Zwecken, für welche im Budget Mittel vor­ gesehen sind, nicht verwendet werden.

§ 17. Ueber alle Einnahmen und Ausgaben ist dem Rechner eine Anweisung zuzustellen. Dieselbe hat den Namen des Pflichtigen oder Empfängers, die Leistung, wofür die Zahlung erfolgt oder deren Grund, den Betrag — außer den Ziffern den Markbeirag in Worten —, Abtheilung und Titel des Budgets und das Rechnungsjahr zu enthalten. Beizusügen und auf der Anweisung zu bezeichnen sind alle Schriftstücke oder Bescheinigungen, welche zum Nachweise der den Empfängern obliegenden Leistungen und der Kontrolle erforderlich sind. (§ 20.) Beträge bis zu 50 jfc, welche Erben des Empfangsberechtigten zustehen, können vom Bürgermeister zur Zahlung an einen zu be­ zeichnenden Miterben unter der Bedingung, daß dieser in der Quittung sich für die Mit­ erben stark sagt, angewiesen werden.

Ueber kleine Einnahmen an Gebühren usw., welche in Gemeinden für besondere Fälle (Auszüge aus dem Standesregister, Angelund Fischerkarten usw.) für Rechnung der Gemeinde aufkommen und unmittel­ bar erhoben werden, sind Register zu führen. Die Beträge sind in angemessenen Zeiträumen, spätestens am Schlüsse des Rechnungsjahres, dem Rechner zu überweisen. Die Anweisung kann unter den Heberollen, Liquidationen, Rechnungen, Auszügen, Be­

scheinigungen und dergleichen erteilt werden. In diesem Falle genügt für die Anweisung folgende Form: „Die Richtigkeit bescheinigt Zu vereinnahmen (zahlen)..... cH, in Worten: pp. Abtheilung Titel für 18— Datum. Firma. Unterschrift." Beilagen: (einzeln zu bezeichnen)

Zur Erleichterung kann dazu ein Stempelvordruck — jedoch ohne Unterschrift — benutzt werden. Ist der Geldbetrag auch in der vor­ stehenden Liquidation usw. in Worten — ohne Aenderungen — angegeben, so kann dessen Angabe in der Anweisung unterbleiben. Bei feststehenden und bei in mehreren Raten fälligen Einnahmen und Ausgaben, welche sich aus dem Budget oder einer demselben beige­ fügten Nachweisung ergeben (Zinsen, Miethen, Pachtgelder, Abgabe von Gemeindegütern, Be­ soldungen usw.), genügt eine summarische titel­ weise geordnete Anweisung für das ganze Jahr, eventuell mit Angabe der Fälligkeits­ termine. Eintretende Abgänge sind dem Rechner rechtzeitig mitzutheilen. § 18. Über Niederschlagungen von Ein­ nahmerückständen ist dem Rechner eine An­ weisung mit Angabe des Tages des Nieder­ schlagungsbeschlusses zuzustellen. Der Rechner hat dann unter der Einweisung zu bemerken: „Bon obigen ............................................... werbeordnung unter Hinweis auf § 146 Abs. 1 Ztff. 2 und § 149 Abs. 1 Ziff. 7 a. a. O. Die Verordnung hat durch die Verorc-nung vom 17. Februar 1904 mehrere Änderungen erfahren, die hier berücksichtigt sind. 2) Beruht auf der Verordnung vom 17. Februar 1904.

Bor- und Nachmittagspause braucht nicht ge­ währt zu werden, wenn entweder mittags eine einundeinhalbstündige Pause gewährt wird oder die jugendlichen Arbeiter täglich nicht länger als acht Stunden beschäftigt werden und die Dauer ihrer durch eine Pause nicht unterbrochenen Arbeitszeit vom Vor- und Nachmittage je vier Stundern nicht übersteigt.1 2) Während der Pausen darf den jugendlichen Arbeitern eine Beschäftigung in dem Werkstattbetrieb überhaupt nicht und der Aufenthalt in den Arbeitsräunien nur dann gestattet werden, wenn in denselben diejenigen Theile des Be­ triebs, in welchen jugendliche Arbeiter be­ schäftigt sind, für die Zeit der Pausen völlig eingestellt werden, oder wenn der Aufenthalt im Freien nicht thunlich und andere geeignete Aufenthaltsräume ohne unverhältnißmäßige Schwierigkeiten nicht beschafft werden können. An Sonn- und Festtagen, sowie während der von dem ordentlichen Seelsorger für den Katechumenen- und Konfirmanden-, Beichtund Kommunionunterricht bestimmten Stunden dürfen jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden. § 4. (§ 137 der Gewerbeordnung.) Ar­ beiterinnen dürfen nicht in der Nachtzeit von achteinhalb Uhr Abends bis fünfeinhalb Uhr Morgens und am Sonnabende sowie an Vor­ abenden der Festtage nicht nach fünfeinhalb Uhr Nachmittags beschäftigt werden. Die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechszehn Jahre darf die Dauer von elf Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonnund Festtage von zehn Stunden nicht über­ schreiten. Zwischen den Arbeitsstunden muß den Ar­ beiterinnen eine mindestens einstündige Mit­ tagspause gewährt werden. Arbeiterinnen über sechszehn Jahre, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mit­ tagspause zu entlassen, sofern diese nicht min­ destens ein und eine halbe Stunde beträgt. Wöchnerinnen dürfen während vier Wochen nach ihrer Niederkunft überhaupt nicht und während der folgenden zwei Wochen nur be­ schäftigt werden, wenn das Zeugniß eines approbirten Arztes dies für zulässig erklärt. § 5. (§ 138 der Gewerbeordnung.) Sollen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter be-

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schäftigt werden, so hat der Arbeitgeber vor dem Beginne der Beschäftigung der Orts­ polizeibehörde unter Angabe der Werkstätte eine schriftliche Anzeige zu machen. Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dah in den Werkstalträumen, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, an einer in die Augen fallenden Stelle ein Verzeichnih der jugendlichen Arbeiter unter Angabe des Be­ ginns und Endes ihrer Arbeitszeit und unter Angabe der Pausen ausgehängt ist. Ebenso hat er dafür zu sorgen, daß in den betreffenden Räumen eine Tafel ausgehängt ist, welche in der von der Landes-Zentralbehörde zu be­ stimmenden Fassung und in deutlicher Schrift einen Auszug aus den Bestimmungen dieser Verordnung enthält. § 6. (§ 138 a der Gewerbeordnung.) Ueber die im § 4 Absatz 1 und 2 festgesetzte Zeit dürfen Arbeiterinnen über sechszehn Jahre an sechszig Tagen im Jahre beschäftigt werden. Diese Be­ schäftigung darf dreizehn Stunden täglich nicht überschreiten und nicht länger als bis zehn Uhr Abends dauern. Hierbei kommt jeder Tag in Anrechnung, an welchem auch nur eine Arbeiterin über die nach § 4 zulässige Dauer der Arbeitszeit hinaus be­ schäftigt ist. Gewerbetreibende, die Arbeiterinnen über sechszehn Jahre auf Grund der vorstehenden Bestimmungen über die im § 4 Absatz 1, 2 festgesetzte Zeit hinaus beschäftigen, sind verpflichtet, an einer in die Augen fallenden Stelle der Werkstätte eine Tafel auszu­ hängen, auf der jeder Tag, an dem Ueberarbeit

stattfindet, vor Beginn der Ueberarbeit einzu­ tragen ist. 2) § 7. (§ 139 der Gewerbeordnung.) Wenn Naturereignisse oder Unglücksfälle den regel­ mäßigen Betrieb einer Werkstätte unterbrochen haben, so können Ausnahmen von den vor­ stehend vorgesehenen Beschränkungen auf die Tauer von vier Wochen durch die untere Ver­ waltungsbehörde, auf längere Zeit durch die höhere Verwaltungsbehörde zugelassen werden. Wenn die Natur des Betriebs oder Rück­ sichten auf die Arbeiter in einzelnen Werkstätten es erwünscht erscheinen lassen, daß die Arbeits­ zeit der Arbeiterinnen oder jugendlichen Ar­ beiter in einer anderen als der durch §§ 3 und 4 Absatz 1 und 3 vorgesehenen Weise ge­ regelt wird, so kann auf besonderen Antrag eine anderweite Regelung hinsichtlich der Pau­ sen durch die untere Verwaltungsbehörde, im übrigen durch die höhere Verwaltungsbehörde gestaltet werden. Jedoch dürfen in solchen Fällen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht Pausen von zusammen mindestens einstündiger Dauer ge­ währt werden. Die auf Grund vorstehender Bestimmungen zu treffenden Verfügungen müssen fchriftlich erlassen werden. § 8. Auf Werkstätten, in welchen der Arbeit­ geber ausschließlich zu seiner Familie gehörige Personen beschäftigt, finden die vorstehenden Bestimmungen keine Anwendung. § 9. Diese Verordnung tritt mit dem 1. Juli 1897 in Kraft.

9. Juni 1897.

Gesetz über öas Susroan-erungswesen. Reichsgesetzbl. S. 463. I. Unternehmer. § 1. Wer die Beförderung von Auswanderern nach außerdeutschen Ländern betreiben will (Unternehmer), bedarf hierzu der Erlaubniß. § 2. Zur Ertheilung oder Versagung der Erlaubniß ist der Reichskanzler unter Zu­ stimmung des Bundesraths zuständig. § 3. Die Erlaubniß ist in der Regel nur zu ertheilen: a) an Reichsangehörige, welche ihre gewerb­ liche Niederlassung im Reichsgebiete haben; b) an Handelsgesellschaften, eingetragene Ge­ nossenschaften und juristische Personen, welche im Reichsgebiet ihren Sitz haben; an offene Handelsgesellschaften, Kom­ manditgesellschaften und Kommanditgesell­ schaften auf Aktien jedoch nur, wenn ihre

persönlich haftenden Gesellschafter sämmt­ lich Reichsangehörige sind. § 4. Ausländischen Personen oder Gesell­ schaften, sowie solchen Reichsangehörigen, welche ihre gewerbliche Niederlassung nicht im Reichs­ gebiete haben, darf die Erlaubniß nur ertheilt werden, wenn sie a) einen im Reichsgebiete wohnhaften Reichs­ angehörigen zu ihrem Bevollmächtigten be­ stellen, welcher sie in den auf die Be­ förderung der Auswanderer bezüglichen Angelegenheiten Behörden und Privaten gegenüber rechtsverbindlich zu vertreten hat, b) wegen der aus der Annahme und Be­ förderung der Auswanderer erwachsenden Rechtsstreitigkeiten dem deutschen Rechte

und den deutschen Gerichten sich unter­ werfen. § 5. Vor Ertheilung der Erlaubniß hat der Nachsuchende eine Sicherheit im Mindestbetrage von fünfzigtausend Mark zu bestellen und im Falle beabsichtigter überseeischer Beförderung den Nachweis zu führen, daß er Rheder ist. § 6. Die Erlaubniß ist nur für bestimmte Länder, Theile von solchen oder bestimmte Orte und im Falle überseeischer Beförderung nur für bestimmte Einschiffungshäfen zu ertheilen. § 7. Bei Ertheilung der Erlaubniß an solche deutsche Gesellschaften, welche sich die Besiede­ lung eines von ihnen in überseeischen Ländern erworbenen Gebiets zur Aufgabe machen, ist der Reichskanzler an die Vorschriften des § 5 nicht gebunden. Im Uebrigen können aus besonderen Gründen Ausnahmen von den Vorschriften des § 5 zu­ gelassen werden. § 8. Die Erlaubniß berechtigt den Unter­ nehmer zum Geschäftsbetrieb im ganzen Reichs­ gebiete mit der Einschränkung, daß er außer­ halb des Gemeindebezirkes seiner gewerblichen Niederlassung und des Gemeindebezirkes seiner etwaigen Zweigniederlassungen bei der Aus­ übung seines gesummten Geschäftsbetriebs, so­ weit es sich dabei nicht lediglich um die Er­ theilung von Auskunft auf Anfrage oder um die Veröffentlichung der Beförderungsgelegen­ heiten und Beförderungsbedingungen handelt, ausschließlich der Vermittelung seiner nach § 11 ff. zugelassenen Agenten sich zu bedienen hat. § 9. Der Unternehmer kann seine Befug­ nisse zum Geschäftsbetriebe durch Stellvertreter ausüben. Die Bestellung eines solchen ist er­ forderlich für die Geschäftsführung in Zweig­ niederlassungen. Nach dem Tode des Unternehmers sowie im Falle einer Vormundschaft oder Pflegschaft kann der Geschäftsbetrieb noch längstens sechs Monate durch Stellvertreter fortgesetzt werden. Die Bestellung eines Stellvertreters bedarf der Genehmigung des Reichskanzlers. § 10. Die den Unternehmern ertheilte Er­ laubniß kann unter Zustimmung des Bundes­ raths vom Reichskanzler jederzeit beschränkt oder widerrufen werden. Die Genehmigung der Bestellung eines Stellvertreters kann vom Reichskanzler jederzeit widerrufen werden.

n. Agenten. § 11. Wer bei einem Betriebe der im § 1 bezeichneten Art durch Vorbereitung, Bermitte­ lung oder Abschluß des Beförderungsvertrags gewerbsmäßig mitwirken will (Agent), bedarf hierzu der Erlaubniß.

§ 12. Die Erlaubniß wird von der höheren Verwaltungsbehörde ertheilt. § 13. Die Erlaubniß darf nur ertheilt werden an Reichsangehörige, welche im Bezirke der höheren Verwaltungsbehörde (§ 12) ihre ge­ werbliche Niederlassung oder ihren Wohnsitz haben und von einem zugelassenen Unter­ nehmer (§ 1) bevollmächtigt sind. Die Erlaubniß darf auch bei Erfüllung der vorstehenden Erfordernisse nicht ertheilt werden: a) wenn Thatsachen vorliegen, welche die Un­ zuverlässigkeit des Nachsuchenden in Be­ ziehung auf den beabsichtigten Geschäfts­ betrieb darthun; b) wenn einer den Verhältnissen des Ver­ waltungsbezirkes der zuständigen Ver­ waltungsbehörde entsprechenden Anzahl von Personen die Erlaubniß zum Be­ triebe des Geschäfts eines Auswande­ rungsagenten ertheilt oder ausgedehnt (§ 15) worden ist.

§ 14. Vor Ertheilung der Erlaubniß hat der Nachsuchende eine Sicherheit im Mindest­ betrage von fünfzehnhundert Mark zu bestellen. § 15. Die Erlaubniß berechtigt zum Ge­ schäftsbetrieb im Bezirke der die Erlaubniß er­ theilenden Behörde, wenn sie nicht auf einen Theil desselben beschränkt wird. Im Einver­ nehmen mit dieser Behörde kann jedoch dem Agenten die Ausdehnung seines Geschäfts­ betriebs auf benachbarte Bezirke von den für letztere zuständigen höheren Verwaltungs­ behörden gestaltet werden.

§ 16. Für andere als den in der Erlaubnißurkunde namhaft gemachten Unternehmer sowie auf eigene Rechnung darf der Agent Geschäfte der im § 11 bezeichneten Art nicht besorgen. § 17. Dem Agenten ist es untersagt, seine Geschäfte in Zweigniederlassungen, durch Stell­ vertreter oder im Umherziehen zu betreiben. § 18. Die dem Agenten ertheilte Erlaubniß kann jederzeit beschränkt oder widerrufen werden. Die Erlaubniß muß widerrufen werden: a) wenn den Erfordernissen nicht mehr ge­ nügt wird, an welche die Ertheilung der Erlaubniß nach § 13 Absatz 1 gebunden ist: b) wenn Thatsachen vorliegen, welche die Un­ zuverlässigkeit des Agenten in Beziehung auf den Geschäftsbetrieb darthun; c) wenn die Sicherheit ganz oder zum Theil zur Deckung der auf ihr haftenden An­ sprüche verwendet worden ist und nicht binnen vier Wochen nach ergangener Auf­ forderung neu bestellt oder ergänzt wird.

§ 19. Gegen die auf Grund der §§ 11 bis 15 und 18 von der höheren Verwaltungsbehörde

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b) von Personen, deren Verhaftung oder Fest­ nahme von einer Gerichts- oder Polizei­ behörde angeordnet ist; c) von Reichsangehörigen, für welche von fremden Regierungen oder von Koloni­ III. Gemeinsame Bestimmungen für sationsgesellschaften oder ähnlichen Unter­ Unternehmer und Agenten. nehmungen der Beförderungspreis ganz § 20. Die von den Unternehmern und von oder theilweise bezahlt wird oder Vorschüsse den Agenten bestellten Sicherheiten haften für geleistet werden; Ausnahmen von dieser alle anläßlich ihres Geschäftsbetriebs gegen­ Bestimmung kann der Reichskanzler zu­ über den Behörden und gegenüber den Aus­ lassen. wanderern begründeten Verbindlichkeiten sowie § 24. Auswanderer, welche sich nicht im für Geldstrafen und Kosten. Besitze der nach § 23 a erforderlichen Urkunde § 21. Der Bundesrath erläßt nähere Be­ befinden, oder welche zu den im § 23 unter b stimmungen über den Geschäftsbetrieb der und c bezeichneten Personen gehören, können Unternehmer und Agenten und deren Be­ durch die Polizeibehörden am Verlassen des aufsichtigung^) namentlich auch Reichsgebiets verhindert werden. a) üb er die von ihnen zu führenden Bücher, Die Polizeibehörden in den Hafenorten sind Listen, statistischen und sonstigen Nach­ befugt, die Unternehmer an der Einschiffung weisungen sowie über die in Anwendung von Personen zu verhindern, deren Beförde­ zu bringenden Vertragsformulare; rung auf Grund dieses Gesetzes verboten ist. b) üb er die Art und Weise der Sicherheils­ bestellung und die Bedingungen, welche V. Besondere Bestimmungen für die über­ über die Haftbarkeit sowie über die Er­ seeische Auswanderung nach außereuropäischen gänzung und die Rückgabe der Sicherheit Ländern. in die Bestellungsurkunde aufzunehmen § 25. Verträge über die überseeische Be­ sind. förderung von Auswanderern müssen auf Be­ IV. Allgemeine Bestimmungen über die förderung und Verpflegung bis zur Landung Beförderung von Auswanderern. im außereuropäischen Ausschiffungshafen ge­ § 22. Der Unternehmer darf Auswanderer richtet sein. Sie sind auf die Weiterbeförde­ nur befördern auf Grund eines vorher ab­ rung und Verpflegung vom Ausschiffungs­ geschlossenen schriftlichen Vertrags. hafen bis an das Auswanderungsziel zu er­ Den Auswanderern darf nicht die Ver­ strecken, insoweit dies bei der Ertheilung der pflichtung auferlegt werden, den Beförderungs­ Erlaubniß (§ 1) zur Bedingung gemacht ist. preis oder einen Theil desselben oder ihnen ge­ Soll das Schiff in einem außerdeutschen leistete Vorschüsse nach ihrer Ankunft am Be­ Hafen bestiegen oder gewechselt werden, so ist stimmungsorte zu zahlen oder zurückzuerstatten dies in den Beförderungsvertrag aufzunehmen. oder durch Arbeit abzuverdienen; ebensowenig § 26. Der Verkauf von Fahrscheinen an dürfen sie in der Wahl ihres Aufenthaltsorts Auswanderer zur Weiterbeförderung von einem oder ihrer Beschäftigung im Bestimmungslande überseeischen Platze aus ist verboten. beschränkt werden. Dieses Verbot findet jedoch keine Anwendung § 23. Verboten ist die Beförderung sowie auf Verträge, durch welche der Unternehmer der Abschluß von Verträgen über die Be­ (§ 1) sich zugleich zur Weiterbeförderung vom förderung: überseeischen Ausschiffungshafen aus ver­ a) von Wehrpflichtigen im Alter vom vol­ pflichtet. lendeten siebzehnten bis zum vollendeten § 27. Der Unternehmer ist verpflichtet, den fünfundzwanzigsten Lebensjahre, bevor sie Auswanderern an dem zu ihrer Einschiffung eine Entlassungsurkunde (§ 14 des Gesetzes oder Weiterbeförderung bestimmten Orte bei über die Erwerbung und den Verlust der jeder nicht von ihnen selbst verschuldeten Ver­ Bundes- und Staatsangehörigkeit vom zögerung der Beförderung von dem vertrags­ 1. Juni 1870) oder ein Zeugniß der Er­ mäßig bestimmten Abfahrtstag an ohne be­ satzkommission darüber beigebracht haben, sondere Vergütung Unterkunft und Ver­ daß ihrer Auswanderung aus dem Grunde pflegung zu gewähren. der Wehrpflicht kein Hindernis entgegen§ 28. Falls die Verzögerung länger als eine steht; Woche dauert, hat der Auswanderer, unbe­ schadet der ihm nach dem bürgerlichen Rechte 1) Siehe Bekanntmachung vom 14. März 1898 und etwa zustehenden Ansprüche auf Schadenser23. August 1903.

getroffenen Verfügungen ist Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zulässig. Die Frist zur Ein­ legung der Beschwerde beträgt zwei Wochen.

§ 35. Vor Abgang des Schiffes ist der Ge­ sundheitszustand der Auswanderer und der Schiffsbesatzung durch einen von der Aus­ wanderungsbehörde (§ 40) zu bestimmenden Arzt zu untersuchen. § 36. Der Bundesrath erläßt Vorschriften über die Beschaffenheit, Einrichtung, Aus­ rüstung und Verproviantirung der Aus­ wandererschiffe, über die amtliche Besichtigung und Kontrolle dieser Schiffe, ferner über die ärztliche Untersuchung der Reisenden und der Schiffsbesatzung vor der Einschiffung, über die Ausschließung kranker Personen, über das Verfahren bei der Einschiffung und über den Schutz der Auswanderer in gesundheitlicher und sittlicher Hinsicht. Die vom Bundesrath erlassenen Vorschriften sind durch das Reichs-Gesetzblatt zu veröffent­ lichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnißnahme vorzu­ legen. 2) § 30. Wird das Schiff durch einen Seeunfall § 37. Als Auswandererschiffe im Sinne oder einen anderen Umstand an der Fortsetzung dieses Gesetzes gelten alle nach außereuro­ der Reise verhindert oder zu einer längeren päischen Häfen bestimmten Seeschiffe, mit Unterbrechung derselben genöthigt, so ist der denen, abgesehen von den Kajütspassagieren, Unternehmer (§ 1) verpflichtet, ohne besondere mindestens fünfundzwanzig Reisende befördert Vergütung den Auswanderern angemessene werden sollen. Unterkunft und Verpflegung zu gewähren und die Beförderung derselben und ihres Gepäcks VI. Auswanderungsbehörden. nach dem Bestimmungsorte sobald als möglich herbeizuführen. § 38. Zur Mitwirkung bei Ausübung der Diese Vorschrift findet sinngemäße Anwen­ dem Reichskanzler auf dem Gebiete des Aus­ dung auf die Weiterbeförderung vom über­ wanderungswesens zustehenden Befugnisse seeischen Ausschiffungshafen aus (§ 26 Absatz 2). wird ein sachverständiger Beirath gebildet, § 31. Vereinbarungen, welche den Bestim­ welcher aus einem Vorsitzenden und mindestens mungen der §§ 27 bis 30 zuwiderlaufen, vierzehn Mitgliedern besteht. Den Vorsitzenden haben keine rechtliche Wirkung. ernennt der Kaiser. Die Mitglieder werden § 32. Der Unternehmer kann verpflichtet vom Bundesrathe gewählt. Atte zwei Jahre werden, zur Sicherstellung der ihm aus den findet eine Neuwahl sämmtlicher Mitglieder §§ 27 bis 30 entstehenden Verpflichtungen eine statt. Im Uebrigen wird die Organisation des das Ueberfahrtsgeld um den halben Betrag Beiraths durch ein vom Bundesrathe zu er­ übersteigende Summe zu versichern oder einen lassendes Regulativ und seine Thätigkeit durch der Versicherungssumme entsprechenden Be­ eine selbstgegebene Geschäftsordnung geregelt. trag zu hinterlegen. § 39. Die Anhörung des Beiraths muß er­ § 33. Der Unternehmer hat dafür Sorge zu folgen vor Ertheilung der Erlaubniß für solche tragen, daß das Schiff, mit welchem die Aus­ Unternehmungen, welche die Besiedelung eines wanderer befördert werden sollen, für die be­ bestimmten Gebiets in überseeischen Ländern absichtigte Reise völlig seetüchtig, vorschrifts­ zum Gegenstände haben, sowie im Falle der mäßig eingerichtet, ausgerüstet und verproBeschränkung oder des Widerrufs der einem viantirt ist. Unternehmer ertheilten Erlaubniß. Die gleiche Verpflichtung trifft den Führer Außerdem können auf dem Gebiete des Aus­ des Schiffes. wanderungswesens von dem Reichskanzler ge­ § 34. Jedes Auswandererschiff unterliegt eignete wichtigere Fragen dem Beirathe zur vor dem Antritte der Reise einer Unter­ Begutachtung vorgelegt und von letzterem An­ suchung über seine Seetüchtigkeit, Einrichtung, träge an den Reichskanzler gestellt werden. Ausrüstung und Verproviantirung. 2) Siehe Bekanntmachungen vom 14. März 1898, Die Untersuchung erfolgt durch amtliche, von 18. Februar 1903, 26. Februar 1904, 1. März 1904, den Landesregierungen bestellte Besichtiger. 20. Dezember 1905, 3. August 1909.

satz, das Recht, von dem Vertrage zurückzu­ treten und die Rückerstattung des gezahlten Uebersahrtsgeldes zu verlangen. § 29. Die Rückerstattung des Ueberfahrtsgeldes kann auch dann verlangt werden, wenn der Auswanderer oder einer der ihn beglei­ tenden Familienangehörigen vor Antritt der Seereise stirbt oder nachweislich durch Krank­ heit oder durch sonstige außer seiner Macht liegende Zwischenfälle am Antritte der See­ reise verhindert wird. Das Gleiche gilt, wenn in Fällen des § 26 Absatz 2 die Verhinderung im überseeischen Ausschiffungshafen eintritt, rücksichtlich des den Weiterbeförderungskosten entsprechenden Theiles des Uebersahrtsgeldes. Die Hälfte des Uebersahrtsgeldes kann zurück­ verlangt werden, wenn der Auswanderer vor Antritt der Reise vom Vertrag aus anderen Gründen zurücktritt.

Lamml. der in Els.-Lothr. gelt. Ges. II. Abt. 1. Bd.

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§ 40. Zur Überwachung des Auswande­ rungswesens und der Ausführung der darauf bezüglichen Bestimmungen sind an denjenigen Hafenplätzen, für welche Unternehmer zuge­ laffen sind, von den Landesregierungen Aus­ wanderungsbehörden zu bestellen. § 41. In den Hafenorten übt der Reichs­ kanzler die Aufsicht über das Auswanderungs­ wesen durch von ihm bestellte Kommissare aus. Diese Kommissare sind befugt, den im § 84 vorgesehenen Untersuchungen beizuwohnen, auch selbständig Untersuchungen der Aus­ wandererschiffe vorzunehmen. Sie haben die Landesbehörden aus die von ihnen wahrge­ nommenen Mängel und Verstöße aufmerksam zu machen und auf deren Abstellung zu dringen. Die Führer von Auswandererschiffen sind verpflichtet, den Kommissaren auf Erfordern wahrheitsgetreue Auskunft über alle Verhält­ nisse des Schiffes und über dessen Reise zu ertheilen, sowie jederzeit das Betreten der Schiffsräume und die Einsicht in die Schiffs­ papiere zu gestalten. Im Auslande werden die Obliegenheiten der Kommissare behufs Wahrnehmung der Inter­ essen deutscher Auswanderer von den Behörden des Reichs wahrgenommen, denen erforder­ lichenfalls besondere Kommissare als Hülfsbeamte beizugeben sind. VII. Beförderung von autzerdeutschen Hafen aus. § 42. Durch Kaiserliche Verordnung mit Zu­ stimmung des Bundesraths können zur Rege­ lung der Beförderung von Auswanderern und Passagieren auf deutschen Schiffen, welche von autzerdeutschen Häfen ausgehen, Vorschriften der im § 36 bezeichneten Art erlassen werden. VIII. Strafbestimmungen.

§ 43. Unternehmer (§ 1), welche den Bestim­ mungen der §§ 8, 22, 23, 25, 32 und 33 Ab­ satz 1 oder den für die Ausübung ihres Ge­ schäftsbetriebs von den zuständigen Behörden erlassenen Vorschriften zuwiderhandeln, werden mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu sechstausend Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Sind die Zuwiderhandlungen von einem Stellvertreter (§ 9) begangen worden, so trifft die Strafe diesen; der Unternehmer ist neben demselben strafbar, wenn die Zuwiderhandlung mit seinem Vorwissen begangen ist, oder wenn er bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Stellvertreters es an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen.

Die gleiche Strafe trifft Schiffsführer, welche den ihnen im § 33 Absatz 2 und im § 41 Ab­ satz 3 auferlegten Verpflichtungen oder den auf Grund des § 36 erlassenen Vorschriften zu­ widerhandeln, ohne Unterschied, ob die Zu­ widerhandlung im Inland oder im Auslande begangen ist. § 44. Agenten (§ 11), welche den Bestim­ mungen der §§ 15, 16, 17, 22 Absatz 2, 23 und 25 oder den für die Ausübung ihres Ge­ schäftsbetriebs von den zuständigen Behörden erlassenen Vorschriften zuwiderhandeln, werden mit Geldstrafe von dreißig bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft. § 45. Wer ohne die nach §§ 1 und 11 er­ forderliche Erlaubniß die Beförderung von Auswanderern betreibt oder bei einem solchen Betriebe gewerbsmäßig mitwirkt, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre und mit Geld­ strafe bis zu sechstausend Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher sich zum Geschäfte macht, zur Auswanderung anzuwerben. § 46. Wer der Vorschrift des § 26 Absatz 1 zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft § 47. Wer den auf Grund des § 42 er­ lassenen Vorschriften zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu sechs­ tausend Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. § 48. Wer eine Frauensperson zu dem Zwecke, sie der gewerbsmäßigen Unzucht zuzu­ führen, mittelst arglistiger Verschweigung dieses Zweckes zur Auswanderung verleitet, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Neben der Zuchthausstrafe ist der Verlust der bürger­ lichen Ehrenrechte auszusprechen; auch kann zugleich auf Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu sechstausend Mark sowie auf Zulässig­ keit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Dieselben Strafvorschriften finden auf den­ jenigen Anwendung, welcher mit Kenntniß des vom Thäter in solcher Weise verfolgten Zweckes die Auswanderung der Frauensperson vorsätz­ lich befördert; sind mildernde Umstände vor­ handen, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein, neben welcher auf Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu sechstausend Mark erkannt werden kann.

Schlußbestimmungen.

§ 49. Welche Behörden in jedem Bundes­ staat unter der Bezeichnung: Auffichtsbehörde,

höhere Verwaltungsbehörde, Polizeibehörde3) zu verstehen sind, wird von der Zentralbehörde des Bundesstaates bekannt gemacht. 3) Aufsichtsbehörde ist das Ministerium, höhere Verwalturgsbehörde der Bezirkspräsident, Polizeibehörde die Orispolizeibehörde und der Grenzpolizeikommisiar (Ver. ivm 2. März 1898).

§ 50. Dieses Gesetz tritt am 1. April 1898 in Kraft. Mit dem gleichen Zeitpunkt erlöschen die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften ertheilten Genehmigungen zur Beförderung oder zur Mitwirkung bei der Beförderung

von Auswanderern.

15. Juni 1897. Gesetz, betreffend den verkehr mit votier, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln. Reichsgesetzbl. S. 475. § 1. Die Geschäftsräume und sonstigen Ver­ kaufsstellen, einschließlich der Marktstände, in denen Margarine, Margarinekäse oder Kunstspeisefttt gewerbsmäßig verkauft oder feilgehaltln wird, müssen an in die Augen fallender Stelle die deutliche, nicht verwisch­ bare Inschrift „Verkauf von Margarine", „Verkcuf von Margarinekäse", „Verkauf von Kunstfteisefett" tragen. Margarine im Sinne dieses Gesetzes sind diejenigen, der Milchbutter oder dein Butter­ schmalz ähnlichen Zubereitungen, deren Fett­ gehalt nicht ausschließlich der Milch entstammt. Margarinekäse im Sinne dieses Gesetzes sind diejenigen käseartigen Zubereitungen, deren Fettgehalt nicht ausschließlich der Milch ent­ stamme Kunjtspeisefett im Sinne dieses Gesetzes sind diejenigen, dem Schweineschmalz ähnlichen Zubereitungen, deren Fettgehalt nicht aus­ schließlich aus Schweinefett besteht. Ausgenomnen sind unverfälschte Fette bestimmter Thier- oder Pflanzenarten, welche unter den ihrem Ursprung entsprechenden Bezeichnungen in den Verkehr gebracht werden. § 2.1)2Die Gefäße und äußeren Umhüllungen, in welchen Margarine, Margarinekäse oder Kunstspeisefett gewerbsmäßig verkauft oder feilgehalten wird, müssen an in die Augen fallendm Stellen die deutliche, nicht verwischbare Inschrift „Margarine", „Margarine­ käse", ,Kunstspeisefett" tragen. Die Gefäße müssen außerdem mit einem stets sichtbaren, bandförmigen Streifen von rother Farbe ver­ sehen sein, welcher bei Gefäßen bis zu 35 Centimeter Höhe mindestens 2 Centimeter, bei höheren Gefäßen mindestens 5 Centimeter breit sein muß. Wird Margarine, Margarinekäse oder Kunstspeisefeü in ganzen Gebinden oder Kisten ge­ werbsmäßig verkauft oder feilgehalten, so hat 1) Siche hierzu Bekanntmachung vom 4. Juli 1897.

die Inschrift außerdem den Namen oder die Firma des Fabrikanten, sowie die von dem Fabrikanten zur Kennzeichnung der Beschaffen­ heit seiner Erzeugnisse angewendeten Zeichen (Fabrikmarke) zu enthalten. Im gewerbsmäßigen Einzelverkaufe müssen Margarine, Margarinekäse und Kunstspeisefett an den Käufer in einer Umhüllung abgegeben werden, auf welcher die Inschrift „Margarine", „Margarinekäse", „Kunstspeisefett" mit dem Namen oder der Firma des Verkäufers an­ gebracht ist. Wird Margarine oder Margarinekäse in regelmäßig geformten Stücken gewerbsmäßig verkauft oder feilgehalten, so müssen dieselben von Würfelform sein, auch muß denselben die Inschrift „Margarine", „Margarinekäse" eingepreßt sein. § 3. Die Vermischung von Butter oder Butterschmalz mit Margarine oder anderen Speisefetten zum Zwecke des Handels mit diesen Mischungen ist verboten. Unter diese Bestimmung fällt auch die Verwendung von Milch oder Rahm bei der gewerbsmäßigen Herstellung von Margarine, sofern mehr als 100 Gewichtstheile Milch oder eine dementsprechende Menge Rahm auf 100 Gewichtstheile der nicht der Milch ent­ stammenden Fette in Anwendung kommen. § 4.2) In Räumen, woselbst Butter oder Butterschmalz gewerbsmäßig hergestellt, aufbewahrt, verpackt oder feilgehalten wird, ist die Herstellung, Aufbewahrung, Verpackung oder das Feilhatten von Margarine oder Kunstspeisefett verboten. Ebenso ist in Räumen, Wosewst Käse gewerbsmäßig her­ gestellt, aufbewahrt, verpackt oder feilgehalten wird, die Herstellung, Aufbewahrung, Ver­ packung oder das Feilhalten von Margarine­ käse untersagt. 2) Siehe hierzu Ausführungsanweisung vom 9. März 1898.

148

1897 (15. Juni).

In Orten, welche nach dem endgültigen Er­ gebnisse der letztmaligen Volkszählung weniger als 5000 Einwohner hatten, findet die Be­ stimmung des vorstehenden Absatzes auf den Kleinhandel und das Aufbewahren der für den Kleinhandel erforderlichen Bedarfsmengen in öffentlichen Verkaufsstätten, sowie auf das Ver­ packen der daselbst im Kleinhandel zum Ver­ kaufe gelangenden Waaren keine Anwendung. Jedoch müssen Margarine, Margarinekäse und Kunstspeisefett innerhalb der Verkaufsräume in besonderen Vorrathsgefäßen und an besonderen Lagerstellen, welche von den zur Aufbewahrung von Butter, Butterschmalz und Käse dienenden Lagerstellen getrennt sind, aufbewahrt werden. Für Orte, deren Einwohnerzahl erst nach dem endgültigen Ergebniß einer späteren Volkszählung die angegebene Grenze über­ schreitet, wird der Zeitpunkt, von welchem ab die Vorschrift des zweiten Absatzes nicht mehr Anwendung findet, durch die nach Anordnung der Landes-Zentralbehörde zuständigen Ver­ waltungsstellen bestimmt. Mit Genehmigung der Landes-Zentralbehörde können diese Ver­ waltungsstellen bestimmen, daß die Vorschrift des zweiten Absatzes von einem bestimmten Zeitpunkt ab ausnahmsweise in einzelnen Orten mit weniger als 5000 Einwohnern nicht Anwendung findet, sofern der unmittel­ bare räumliche Zusammenhang mit einer Ort­ schaft von mehr als 5000 Einwohnern ein Be­ dürfniß hierfür begründet. Die auf Grund des dritten Absatzes er­ gehenden Bestimmungen sind mindestens sechs Monate vor dem Eintritte des darin bezeich­ neten Zeitpunktes öffentlich bekannt zil machen. § 5. In öffentlichen Angeboten, sowie in Schlußscheinen, Rechnungen, Frachtbriefen, Kon­ nossementen, Lagerscheinen, Ladescheinen und sonstigen im Handelsverkehr üblichen Schrift­ stücken, welche sich auf die Lieferung von Mar­ garine, Margarinekäse oder Kunstspeisefett be­ ziehen, müssen die diesem Gesetz entsprechenden Waarenbezeichnungen angewendet werden. § 6. Margarine und Margarinekäse, welche zu Handelszwecken bestimmt sind, müssen einen die allgemeine Erkennbarkeit der Waare mittelst chemischer Untersuchung erleichternden, Be­ schaffenheit und Farbe derselben nicht schädi­ genden Zusatz enthalten.») Die näheren Bestimmungen hierüber werden vom Bundesrath erlassen und im Reichsgesetz­ blatte veröffentlicht. § 7. Wer Margarine, Margarinekäse oder Kunstspeisefett gewerbsmäßig herstellen will, 3) Zuständig sind die Bezirkspräsidenten (Ausf.-Anw.

v. 2. Oktober 1897).

hat davon der nach den landesrechtlichen Be­ stimmungen zuständigen Behörde Anzeige zu erstatten, hierbei auch die für die Herstellung, Aufbewahrung, Verpackung und Feilhaltung der Waaren dauernd bestimmten Räume zu be­ zeichnen und die etwa bestellten Betriebsleiter und Aufsichtspersonen namhaft zu machen. Für bereits bestehende Betriebe ist eine ent­ sprechende Anzeige binnen zwei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zu erstatten. *) Veränderungen bezüglich der der Anzeige­ pflicht unterliegenden Räume und Personen sind nach Maßgabe der Bestimmung des Ab­ satzes 1 der zuständigen Behörde binnen drei Tagen anzuzeigen. *) § 8. 3 4) Die Beamten der Polizei und die von der Polizeibehörde beauftragten Sachverstän­ digen sind befugt, in die Räume, in denen Butter, Margarine, Margarinekäse oder Kunst­ speisefett gewerbsmäßig hergestellt wird, jeder­ zeit, in die Räume, in denen Butter, Mar­ garine, Margarinekäse oder Kunstspeisefett aufbewahrt, feilgeboten oder verpackt wird, wäh­ rend der Geschäftszeit einzutreten und daselbst Revisionen vorzunehmen, auch nach ihrer Aus­ wahl Proben zum Zwecke der Untersuchung gegen Empfangsbescheinigung zu entnehmen. Auf Verlangen ist ein Theil der Probe amtlich verschlossen oder versiegelt zurückzulassen und für die entnommene Probe eine angemessene Entschädigung zu leisten. § 9. 4) Die Unternehmer von Betrieben, in denen Margarine, Margarinekäse oder Kunst­ speisefett gewerbsmäßig hergestellt wird, sowie die von ihnen bestellten Betriebsleiter und Aufsichtspersonen sind verpflichtet, der Polizei­ behörde oder deren Beauftragten auf Erfordern. Auskunft über das Verfahren bei Herstellung der Erzeugnisse, über den Umfang des Betriebs und über die zur Verarbeitung gelangenden Rohstoffe, insbesondere auch über deren Menge und Herkunft zu ertheilen. § 10. 4) Die Beauftragten der Polizeibehörde sind, vorbehaltlich der dienstlichen Berichter­ stattung und der Anzeige von Gesetzwidrig­ keiten, verpflichtet, über die Thatsachen und Einrichtungen, welche durch die Ueberwachung und Kontrole der Betriebe zu ihrer Kenntniß kommen, Verschwiegenheit zu beobachten und sich der Mittheilung und Nachahmung der von den Betriebsunternehmern geheim gehaltenen, zu ihrer Kenntniß gelangten Betriebseinrich­ tungen und Betriebsweisen, solange als diese Betriebsgeheimnisse sind, zu enthalten. Die Beauftragten der Polizeibehörde sind hierauf zu beeidigen. 4) Siehe Ausf.-Anw. v. 2. Oktober 1897.

§ 11. Der Bundesrath ist ermächtigt, das ge­ werbsmäßige Verkaufen und Feilhallen von Butter, deren Fettgehalt nicht eine bestimmte Grenze erreicht oder deren Wasser- oder Salz­ gehalt eine bestimmte Grenze überschreitet, zu

verbieten.6)

§ 12. Der Bundesrath ist ermächtigt, 1. nähere, im Reichs-Gesetzblatte zu ver­ öffentlichende Bestimmungen zur Ausfüh­ rung der Vorschriften des 8 2 zu er­ lassen, 2. Grundsätze aufzustellen, nach welchen die zur Durchführung dieses Gesetzes, sowie des Gesetzes vom 14. Mai 1879, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Ge­ nußmitteln und Gebrauchsgegenständen (Reichs-Gesetzbl. S. 145), erforderlichen Untersuchungen von Felten und Käsen vorzunehmen sind. § 13. Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf solche Erzeugnisse der im 8 1 bezeichneten Art, welche zum Genusse für Menschen nicht bestimmt sind, keine Anwendung.

8 14. Mit Gefängniß bis zu fechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu eintausendfünf­ hundert Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft: 1. wer zum Zwecke der Täuschung im Handel und Verkehr eine der nach 8 3 unzulässigen Mischungen herstellt; 2. wer in Ausübung eines Gewerbes wissent­ lich solche Mischungen verkauft, feilhält oder sonst in Verkehr bringt; 3. wer Margarine oder Margarinekäse ohne den nach 8 6 erforderlichen Zusatz vor­ sätzlich herstellt oder wissentlich verkauft, feilhält oder sonst in Verkehr bringt. Im Wiederholungsfälle tritt Gefängniß­ strafe bis zu sechs Monaten ein, neben welcher auf Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark erkannt werden kann; diese Bestimmung findet nicht Anwendung, wenn seit dem Zeit­ punkt, in welchem die für die frühere Zuwider­ handlung erkannte Strafe verbüßt oder erlassen ist, drei Jahre verflossen sind. 8 15. Mit Geldstrafe bis zu eintausendfünf­ hundert Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten wird bestraft, wer als Beauftragter der Polizeibehörde unbefugt Betriebsgeheim­ nisse, welche kraft seines Auftrags zu seiner Kenntniß gekommen sind, offenbart, oder ge­ heimgehaltene Betriebseinrichtungen oder Be­ triebsweisen, von denen er kraft seines Auf­ trags Kenntniß erlangt hat, nachahmt, solange dieselben noch Betriebsgeheimnisse sind. 5) Siehe Bekanntmachung v. 1. März 1902.

Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Betriebsunternehmers ein. 8 16. Mit Geldstrafe von fünfzig bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft: 1. wer den Vorschriften des 8 8 zuwider den Eintritt in die Räume, die Entnahme einer Probe oder die Revision verweigert; 2. wer die in Gemäßheit des 8 9 von ihm er­ forderte Auskunft nicht ertheilt oder bei der Auskunftertheilung wissentlich unwahre Angaben macht.

8 17. Mit Geldstrafe bis zu einhundert­ fünfzig Mark oder mit Haft bis zu vier Wochen wird bestraft: 1. wer den Vorschriften des 8 7 zuwider­ handelt; 2. wer bei der nach 8 9 von ihm erforderten Auskunftertheilung aus Fahrlässigkeit un­ wahre Angaben macht. 8 18. Außer den Fällen der 88 14 bis 17 werden Zuwiderhandlungen gegen die Vor­ schriften dieses Gesetzes sowie gegen die in Gemäßheit der 88 H und 12 Ziffer 1 er­ gehenden Bestimmungen des Bundesraths mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft. Im Wiederholungsfall ist auf Geldstrafe bis zu sechshundert Mark, oder auf Haft, oder auf Gefängniß bis zu drei Monaten zu erkennen. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn seit dem Zeitpunkt, in welchem die für die frühere Zuwiderhandlung erkannte Strafe verbüßt oder erlassen ist, drei Jahre verflossen sind. 8 19. In den Fällen der 88 14 und 18 kann neben der Strafe auf Einziehung der verbotswidrig hergestellten, verkauften, feil­ gehaltenen oder sonst in Verkehr gebrachten Gegenstände erkannt werden, ohne Unterschied, ob sie dem Verurtheilten gehören oder nicht. Ist die Verfolgung oder Verurtheilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf die Einziehung selbständig erkannt werden.

8 20. Die Vorschriften des Gesetzes, be­ treffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, vom 14. Mai 1879 (Reichs-Gesetzbl. S. 145) bleiben unberührt. Die Vorschriften in den 88 16, 17 desselben finden auch bei Zuwider­ handlungen gegen die Vorschriften des gegen­ wärtigen Gesetzes mit der Maßgabe An­ wendung, daß in den Fällen des 8 14 die öffentliche Bekanntmachung der Verurtheilung angeordnet werden muß.

8 21. Die Bestimmungen des 8 4 treten mit dem 1. April 1898 in Kraft.

1897 (21. Juni — 24. Juni).

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Im Uebrigen tritt dieses Gesetz am 1. Oktober 1897 in Kraft. Mit diesem Zeitpunkte tritt das Gesetz, betreffend den Verkehr mit Ersatz-

mitteln für Butter, vom 12. Juli 1887 (ReichsGesetzdl. S. 375) außer Kraft.

21. Juni 1897. Lesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Lerichtsoollzieher und die Er­

richtung einer penponskasse für Lerichtsoollzieher und deren Hinterbliebene. Gesetzbl. f. Els.-Lothr. S. 72.

Art. 1. Der § 155 des Gerichtsverfassungs­ gesetzes findet auf die Dienst- und Geschäfts­ verhältnisse der Gerichtsvollzieher in den­ jenigen Angelegenheiten Anwendung, welche zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehören. Art. 2. Für Gerichtsvollzieher und deren Hinterbliebene wird eine Pensionskasie er­ richtet, zu welcher die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ständig oder auftragsweise an­ gestellten Gerichtsvollzieher, sowie die später zur Anstellung gelangenden Gerichtsvollzieher Beiträge zu leisten haben. Nicht beitrags­ pflichtig sind solche Gerichtsvollzieher, welchen die Verwaltung einer Gerichtsvollzieherstelle wegen Krankheit oder sonstiger Verhinderung des Inhabers in dessen Interesse übertragen ist. Aus der Pensionskasse werden nach Maßgabe ihres Statuts (Artikel 3) und der verfügbaren Mittel und unter Berücksichtigung der im Ge­ richtsvollzieheramte zugebrachten Dienstzeit an beitragspflichtige Gerichtsvollzieher, welche aus dem Dienste ausgeschieden sind, sowie an die Wittwen und Waisen beitragspflichtiger Gerichtsvollzieher Pensionen bewilligt. Die Pensionen können mit rechtlicher Wir­ kung nicht abgetreten, verpfändet oder sonst übertragen werden. Die Verhandlungen, welche sich auf die Be­

willigung der Pensionen beziehen, sind ftei von Staatsgebühren. Zu der Pensionskasse wird für die Zeit vom 1. Juli 1897 bis 31. März 1898 ein staatlicher Zuschuß von 6000 geleistet.*) Art. 3. Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 1897 in Kraft. Die zur Ausführung desselben erforder­ lichen Vorschriften2)3 und insbesondere das Statut der Pensionskasse2), welches die näheren Bestimmungen über deren Ein­ richtung, die Höhe und die Einziehung der von den Gerichtsvollziehern zu leistenden Beiträge und die Gewährung der Pensionen zu enthalten hat, werden von dem Ministe­ rium erlassen. 1) Nach Kap. 33 Ttt. 24 des Landeshaushaltsetats für 1913 beträgt der jährliche Staatszuschutz 10000 * 2) In Ausführung des § 155 G.V.G und des Art. I obigen Gesetzes sind erlassen worden: die Vorschriften über die Geschäftsführung und die Dienstregifter der Gerichtsvollzieher vom 20. Mai 1902, die Gerichts­ vollzieherordnung vom 24. Mai 1902 und die Ver­ fügung, bett, den Ausschuß der GerichtsvoNzieher vom 27. Mai 1902. Die Disziplin der Gerichtsvollzieher wird geregelt durch das Gesetz vom 20. April 1902. 3) Vgl. jetzt das Statut der Pensionskasse für Ge­ richtsvollzieher und deren Hinterbliebene vom 18. März

1910.

24. Juni 1897. Susführungrbeftimmungen öes Ministeriums zum Gesetz, betreffend die Gewerbesteuer, vom 8. Juni 1896.1) 2) Zentr.- u. Bez.A.Bl. S. 197.

Erster Teil. Abschnitt i.

Steuerpflicht. Art. 1. Gegenstand der Bestenerung. (§ 1 des Gesetzes.)

1. Das Gewerbesteuergesetz vom 8. Juni 1896 findet auf alle in Elsaß-Lothringen betriebenen 1) Erlassen auf Grund des § 42 des Gewerbesteuer­

gesetzes vom 8. Juni 1896 (Gesetzbl. f. Els.-Lothr. S. 31). 2) Abgeändert durch die Ausf.-Best. zu dem Gesetz vom 13. Juli 1901, betr. die Verwendung der Kapital­

st ehenden Gewerbe, die Berufstätigkeit der Aerzte, Gerichtsvollzieher, Notare und Rechts­ anwälte, sowie auf die Geschäftsbetriebe der Er­ werbs- und Wirthschaftsgenossenschaften (Gesetz vom 1. Mai 1889, Reichsgesetzblatt S. 55) An­ wendung. steuer und der Lohn- und Besoldungssteuer, vom 16. Fe­ bruar 1902, Art. 4, (Zentr.- u. Bez.-A.Bl. S. 39) in der Fassung nach der Verfügung vom 22. Februar 1905 (Zentr.- u. Bez.A.Bl. S. 94), sowie durch die Bekanntmachungen des Ministertums vom 22. Sep­ tember 1902 und vom 26. März 1903 (Zentr.- u. Bez.-A.Bl. S. 213 und S. 45), zu vgl. Art. 11, Ziff. 7 und Ziff. 11, sowie durch einige nicht veröffent­ lichte Erlasse des Ministeriums.

2. Eine besondere Erläuterung über den Be­ griff „stehendes Gewerbe" ist ebensowenig wie in der Gewerbeordnung in dem Gewerbesteuer­ gesetz enthalten; es ist jedoch als solches jeder Gewerbebetrieb zu betrachten, welcher nach den bestehenden Bestimmungen in Bezug auf die Besteuerung nicht als Wandergewerbe zu be­ handeln ist. 3. Betreibt Jemand zu gleicher Zeit ein stehendes Gewerbe und ein Wandergewerbe, so hat die Besteuerung nach Maßgabe der für jeden Gewerbebetrieb geltenden Bestim­ mungen getrennt zu erfolgen. Bei der Veranlagung des stehenden Ge­ werbes ist daher die Ertragsfähigkeit (Ar­ tikel 10) des Wandergewerbebetriebes auszu­ scheiden. 4. Soweit nicht in den §§ 3—5 des Gesetzes besondere Befreiungen von der Gewerbesteuer ausdrücklich bestimmt sind, unterliegen der Steuerpflicht: a) alle diejenigen st ehenden Ge­ werbebetriebe, welche bisher schon der Patent st euer unter­ worfen waren, einschließlich der Geschäftsbetriebe der Er­ werbsund Wirthschaftsgenoss enschasten sowie der sonstigen Vereine und Körperschaf­ ten, welche sich nach der Art ihrer Ge­ schäftsgebarung als Gewerbetreibende charakterisiren. b) die auch schon bisher zur Patentsteuer her­ angezogene Berufsthätigkeit der Aerzte, Gerichtsvollzieher, Notare und Rechtsanwälte. Art. 2. Nur zum Theil in Elfaß-Lothringen betriebene Gewerbe.

(88 2 und 12 des Gesetzes.)

domizilirten Gewerben in anderen Bundes­ staaten unterhaltenen stehenden Betriebe kom­ men bei der Gewerbesteuerveranlagung nur insoweit in Betracht, als der auf die diesseitige Geschäftsleitung entfallende Theil der Ertrags­ fähigkeit des auswärtigen Betriebes mit zu berücksichtigen ist, soweit nicht das Gesetz wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 14. Ja­ nuar 1872 (Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen S. 61)o) entgegensteht. Jeder hiernach nicht den Charakter eines stehenden Betriebes oder des Gewerbebetriebes im Umherziehen an sich tragende Geschäftsbetrieb inländischer Gewerbe außerhalb Elsaß-Lothringens, insbesondere der­ jenigen vermittelst der Handlungsreisenden, ist in vollem Umfange mit der Gewerbesteuer zu erfassen. 3. Bei Gewerben, welche ihren Sitz in einem anderen deutschen Bundesstaate haben, ist bei der Veranlagung der in Elsaß-Lothringen unter­ haltenen Nebenbetriebe ein entsprechender Ab­ zug für die Leitung des Gesammtbetriebes an der für diese Nebenbetriebe festgestellten Er­ tragsfähigkeitsziffer zuzulassen. Die gleichen Grundsätze haben auch bei der Veranlagung derjenigen inländischen stehenden Gewerbebetriebe Anwendung zu finden, welche im Reichsauslande Nebenbetriebe unterhalten oder die im Reichsauslande ihren Sitz haben.

Abschnitt II.

Steuerbefreiungen. Art. 3.

(8 3 des Gesetzes.)

Von der Gewerbesteuer sind befreit:^) 1. das Reich. Die Steuerfreiheit bezieht sich nur auf die von dem Reiche selbst für eigene Rech­ nung betriebenen Unternehmungen. Dagegen genießen keine Steuerbefreiung die­ jenigen Personen, welche dem Reiche gehörige Betriebe, Gerechtigkeiten u. s. w. infolge pachtweiser Ueberlassung für ihre Rechnung aus­ nützen oder Arbeiten für das Reich (Bau von Kasernen, Festungen, Eisenbahnen u. s. w. für ihre Rechnung ausführen. 2. Elsaß-Lothringen, die Bezirke und Ge­ meinden bezüglich der von ihnen im öffent-

1. Gewerbliche Unternehmungen, welche außerhalb Elsaß-Lothringens ihren Sitz haben, aber in Elsaß-Lothringen einen oder mehrere stehende Gewerbebetriebe unterhalten, sind nur nach Maßgabe der letzteren der inländischen Gewerbesteuer unterworfen. Als stehende Betriebe gelten nicht nur die dem Gewerbe dienenden sichtbaren Anstalten, 3) Jetzt Doppelsteuergesetz vom 22. März 1909 wie Zweigniederlassungen, Fabrikations-, Ein­ (Reichsgesetzbl. S. 332). oder Verkaufsstätten, Speicher, Waarenlager, 4) Abgesehen von diesen Befreiungen zu vgl. § 5 Komptoire, sondern auch alle sonstigen Ge­ Absatz 1 und 3 des Gesetzes, betr. die Verwendung der schäftseinrichtungen, welche sich als Ausübung Erträge der Kapitalsteuer usw., vom 13. Juli 1901 eines stehenden Gewerbes in Elsaß-Lothringen (Gesetzbl. f. Els.-Lothr. S. 80), ferner Ausf.-Best. dazu darstellen. vom 16. Februar 1902 (Zentr.- u. Bez.-A.Bl. S. 39) 2. Die von inländischen in Elsaß-LothringenArt. 4 u. 5. (S. Anm. 2).

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lichen Interesse und für gemeinnützige Zwecke ohne die vorherrschende Absicht der Er­ zielung eines Gewinnes betriebenen gewerb­ lichen Unternehmungen. Den Unternehmungen der Landesverwaltung von Elsaß-Lothringen, der Bezirke und Ge­ meinden ist nicht lediglich wegen der Person des Unternehmers die Steuerfreiheit zuerkannt, sondern es ist zu unterscheiden zwischen solchen Veranstaltungen, welche in erster Linie auf die Förderung der öffentlichen Wohlfahrt oder des allgemeinen Nutzens gerichtet sind und wo­ bei die Erzielung eines Ertrages nur neben­ sächlich erfolgt, und solchen Unternehmungen, bei welchen die Absicht einer Gewinnerzielung vorherrscht, wenn dieselben gleichzeitig auch noch öffentlichen und gemeinnützigen Zwecken dienen. Hiernach werden in der Regel zu den steuer­ freien Betrieben zu rechnen sein die von der Landesverwaltung, den Bezirken und Gemein­ den unterhaltenen Wasserwerke, Viehhöfe, Markthallen, Schlachthäuser, Leihhäuser, Volks­ bäder u. s. w. Bei den von Gemeinden betriebenen Wasser­ werken besteht jedoch nur insoweit Steuer­ freiheit, als sich der Betrieb auf das Gebiet der unternehmenden Gemeinde beschränkt, wäh­ rend ein über dieses Gebiet hinaus gewerbs­ mäßig betriebenes Wasserwerk für diesen Be­ triebsumfang der Steuerpflicht unterliegt. In allen solchen Fällen ist stets zu prüfen, ob der Betrieb eines Wasserwerks in fremdem Gebiet sich überhaupt als ein Gewerbebetrieb darstellt. Diese Frage wird insbesondere dann zu ver­ neinen sein, wenn bei der Anlage des Wasser­ werks von einer durch die Wasserleitung be­ rührten Gemeinde die Abgabe von Wasser an die Eingesessenen gegen eine, die Selbstkosten nicht übersteigende Vergütung zur Bedingung gemacht ist, oder wenn aus sonstigen Gründen die Abgabe des Wassers als eine Last des Unternehmens erscheint. Als Bolksbäder sind solche Badeanstalten zu erachten, welche dauernd und haupt­ sächlich dazu bestimmt und eingerichtet sind, den unbemittelten Volksklassen unentgeltlich oder gegen billige Vergütung Bäder zu ge­ währen. Einer diesen Voraussetzungen entsprechenden Badeanstalt wird die Eigenschaft eines Volks­ bades nicht benommen, wenn in derselben zu­ gleich Einrichtungen getroffen sind, um ein­ zelnen Personen gegen höhere Vergütung Bäder verabreichen zu können. Dagegen sind von der Gewerbesteuer nicht befreit die von Bezirken und Gemeinden betrie­

benen Gasanstalten, Elektrizitätswerke, Straßen­ bahnen u. s. w., die von der Landesverwaltung betriebene Tabacksmanufaktur u. s. w. 3. Die öffentlichen Kreditverbände sowie die öffentlichen Versicherungs­ anstalten. Zu den steuerfreien öffentlichen Kredit­ verbänden gehören die zu gemeinnützigen Zwecken dienenden Geld- und Kreditanstalten, z. B. die unter der Verwaltung der Gemeinden stehenden Sparkassen. Zu den steuerfreien öffentlichen Versiche­ rungsanstalten gehören die Landesversiche­ rungsanstalt für Jnvaliditäts- und Alters­ versicherung, die Berufsgenossenschaften für Unfallversicherung, die aus Grund des Reichs­ gesetzes vom 15. Juni 1883 beziehungsweise der Novelle vom 10. April 1892 errichteten Krankenkassen. °) 4. Die Reichsbank, mit der Beschränkung, daß die Steuerbefreiung nicht auch die Be­ freiung von den Bezirks- und Gemeinde­ zuschlägen zur Folge hat. Die Reichsbank ist schon auf Grund des § 21 des Bankgesetzes vom 14. März 1875 von der Entrichtung der Staatsgewerbesteuer befreit.

Art. 4. (§ 4 O. Z. 1 u. 2 des Gesetzes.) Von der Gewerbesteuer sind ferner befreit: 1. Die Land- und Forstwirthschaft, die Vieh­ zucht, die Jagd, die Fischzucht, der Obst- und Weinbau, der Gartenbau mit Ausnahme der Kunst- und Handelsgärtnerei — einschließlich des Absatzes der selbstgewonnenen Er­ zeugnisse in rohem Zustande oder nach einer Verarbeitung, welche im Bereich des betreffen­ den Erwerbszweigs liegt. Es ist hierbei ohne Einfluß, ob diese Er­ werbszweige einzeln für sich oder in Ver­ bindung miteinander ausgeübt werden- eben­ sowenig, ob die Ausübung auf eigenem, oder infolge von Nutzungsrechten (Pacht, Nieß­ brauch u. s. w.) auf fremdem Grund und Boden geschieht. Die Steuerbefreiung erstreckt sich auf den Absatz der s e l b st g e w o n n e n e n Er­ zeugnisse in rohem Zustande oder nach einer Verarbeitung, welche in dem Be­ reich des betreffenden Erwerbs­ zweiges (der Land- und Forstwirthschaft

u. s. w.) liegt. Bei der Verarbeitung der selbstgewonnenen Erzeugnisse ist Bedingung der Steuerfreiheit, daß sich der G e s a m m t b e t r i e b, einschließ5) Nunmehr die Bersicherungsträger aus Grund der Reichsversicherungsordnung.

lich der für die Verarbeitungszwecke hergestellten Einrichtungen, doch nur als Betrieb der L a n dund Forst wirthschaft u. s. w. darstellt. Insbesondere sind Fabriken und sonstige gewerb­ liche Anlagen, welche nicht unbedingt einen Aus­ fluß des land- und forstwirthschaftlichen u. s. w. Betriebes bilden, und im Verhältniß zu diesem nur eine nebensächliche Bedeutung haben, sondern regelmäßig auch als selbstständige Unternehmun­ gen von anderen als Land- und Forstwirthen u. s. w. des Fabrikationsgewinnes wegen be­ hufs Verarbeitung angekaufter Stoffe betrieben werden, als solche zur Gewerbesteuer auch dann heranzuziehen, wenn die Verarbeitung sich nur auf selbstgewonnene Erzeugnisse erstreckt. Es gilt dies z. B. von den Zucker-, Stärke-, Konservenund Kraulfabriken, den Cellulose-, Papier-, Fournier-, Parkettfußboden-Fabriken u. s. w. Sind die vorerwähnten Voraussetzungen für die Steuerfreiheit gegeben, so kommt es auf den Ort und die Einrichtung des Betriebes nicht an; insbesondere wird auch durch den Verkauf aus einer hierzu bestimmten offenen Verkaufs­ stätte außerhalb des Produktionsortes, z. B. bei Milchläden von Molkereigenossenschaften, die Steuerpflicht nicht begründet. Bei der ge­ werbsmäßigen Ausdehnung des Verkaufs auf fremde Erzeugnisse unterliegt dagegen ein solcher Betrieb der Steuerpflicht. Ebenso er­ streckt sich die Steuerfreiheit des Absatzes der sebstgewonnenen Erzeugnisse n i ch 1 auf die g e werbsmäßige Verabreichung von Getränken und Nahrungsmitteln zum Ge­ nusse auf der Stelle, vielmehr unter­ liegt diese Form des Absatzes (Schank- und Speisewirthschaft) stets der Steuerpflicht. Nur diejenigen Weinbauern, welche selbstge­ wonnenen Most oder Wein im Gemeindebe­ zirke ihres Weingutes oder Wohnortes nicht über drei Monate lang zum Genuß auf der Stelle verkaufen (sogenannte Kranzwirthschaften) bleiben steuerfrei. Die Ueberschreitung der Frist hat jedoch die Steuerpflicht vom Beginn des Betriebes an zur Folge.

Ferner finden die Bestimmungen über die Steuerfreiheit zu O. Z. 1 keine Anwendung auf diejenigen Betriebe, welche: a) Vieh von erkauftem Futter gewerbs­ mäßig unterhalten, um es zum Verkaufe zu mästen oder mit der Milch zu handeln; b) die Milch einer Heerde, das Obst eines Gartens oder einer Baumpflanzung und ähnliche Nutzungen, die Fischerei in Ge­ wässern, abgesondert, d. h. ohne die Heerde, den Garten, den Teich u. s. w., zum Gewerbebetrieb pachten. Die Steuerpflicht trifft dagegen selbst den auf die selbst­

gewonnenen Erzeugnisse beschränkten Gartenbau, wenn sich derselbe als Kun st- und Handelsgärtnerei darstellt. Als Merkmale für die Kunst- und Handels­ gärtnereien kommen außer der eigenen Bezeich­ nung des Besitzers derselben als solche noch in Betracht der Umfang des Betriebes, die Zahl der technisch geschulten Arbeiter, die Zahl und Art der verwendeten Maschinen, der künstlichen Anlagen (Treibhäuser usw.) sowie das Be­ schaffen von Blumen und Gewächsen für jede Jahreszeit. Die kleineren Gärtnereien, welche ausschließlich ihre selbstgewonnenen Er­ zeugnisse verkaufen und ausländische Blumen und Gewächse nicht beziehen, sind dagegen als gewerbesteuerpflichtig nicht zu erachten. 2, Die landwirtschaftlichen Bren­ nereien, d. h. diejenigen Branntweinbren­ nereien, bei deren Betriebs a) ausschließlich mehlige Stoffe (Getreide oder Kartoffeln) verarbeitet werden, b) sämmtliche Rückstände (Schlempe) in einer oder mehreren den Brennereibesitzern ge­ hörenden oder von denselben betriebenen Wirthschaften verfüttert werden, c) der erzeugte Dünger vollständig auf dem von den Brennereibesihern bewirthschafteten Grund und Boden verwendet wird. Nicht erforderlich dagegen für die Steuerfrei­ heit dieser Brennereien ist, daß nur eigenes Ge­ treide oder nur eigene Kartoffeln zur Verar­ beitung gelangen. Diejenigen Branntweinbrennereien, in wel­ chen nicht mehlige Stoffe (Weintreber, Hefen, Zwetschgen, Kirschen, Mirabellen usw.) verarbeitet werden, unterliegen der Gewerbe­ steuer, wenn die verwendeten Rohmateriale nicht selbstgewonnene Erzeugnisse des Obst- und Wein­ baues u. s. w. sind, und der erzeugte Brannt­ wein nicht zum eigenen Gebrauch bestimmt ist. Werden dagegen nur selbstgewonnene Erzeug­ nisse der vorbezeichneten Art verarbeitet, so liegt ein steuerpflichtiger Gewerbebetrieb nur dann vor, wenn der Branntwein hauptsächlich für den gewerbsmäßigen Verkauf herge­ stellt wird, während die Herstellung von Branntwein für den eigenen Bedarf der Gewerbesteuer nicht unterliegt.

Art. 5. (§ 4 O. Z. 3 und 4 des Gesetzes.) Bon der Gewerbesteuer ist weiter befreit: l.6 7) der Bergbau, soweit er der 6) Jetzt § 10 Abs. 1 des Branntweinsteuergesetzes

vom 15. Juli 1909 (Reichsgesetzbl. S. 661). 7) Ziff. 1 Abs. 1 bis 3 gegenstandslos, nachdem

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verhältnißrnäßigen Bergwerksab­ gabe nach Maßgabe des Gesetzes vom 16. Dezember 1873 unterliegt, einschließlich der Aufbereitung und des Verkaufs der selb st gewonnenen Rohprodukte. Die Steuerfreiheit erstreckt sich jedoch nur auf diejenigen Aufbewahrungsanstalten und Neben­ betriebe, welche einen wesentlichen Theil des bergbaulichen Gesammtbetriebes bilden. Hierzu gehören zunächst die Aufbereitungsanstalten im engeren Sinne, d. h. solche Anstalten, in welchen auf mechanischem Wege die Reinigung, Zerkleinerung oder Konzentrirung der Mineralien bewirkt wird (Poch-, Quetschund Mahlwerke, Preßkohlen und Brikettfabriken). Ferner ist Voraussetzung für die Steuer­ freiheit, daß diese Betriebe sich nur auf s e l b stgcwonnene Erzeugnisse des Bergbaues der im Gesetz vom 16. Dezember 1873 (Gesetzbl. S. 397) bezeichneten Mineralien erstrecken, und tritt bei theilweiser oder ausschließlicher Verar­ beitung fremder Erzeugnisse des Bergbaues die Steuerpflicht ein. Hütten- und Hammer­ werke sind niemals als steuerfreie Nebenbetriebe des Bergbaues anzusehen und unterliegen nach wie vor der Gewerbesteuer, da dieselben that­ sächlich Zubehör der Bergwerksbetriebe nicht bilden, vielmehr regelmäßig von besonderen Unternehmern als selbständige Gewerbe be­ trieben werden?) Der bisher von der Patentsteuer befreite Be­ trieb der Salinen unterliegt jetzt der Ge­ werbesteuer, weil die Salinen auf Grund der Gesetze vom 17. Juni 1840 und 16. Dezember 1873 von der Entrichtung der verhältnis­ mäßigen Bergwerksabgabe ausdrücklich be­ freit sind.«) 2. die Gewinnung von Torf, Sand, Kies, Lehm, Mergel, Ton, Stein, Schiefer, Kalk, Kreide und dergleichen für den eigenen Gebrauch. Findet dagegen ein gewerbsmäßiger Verkauf dieser selbstgewonnenen Erzeugnisse oder eine weitere Bearbeitung derselben zur Darstellung einer Handelsware statt, z. B. bei Thonerde das Verfertigen von Ziegeln, bei Steinen die Zurichtung von Platten, Rinnen, durch Bergwerkssteuergesetz vom 14. Juli 1908, jetzt vom 28. Mai 1913 (Gesetzbl. f. Els.-Lothr. S. 69) unter Aufhebung des § 4 Nr. 3 des Gewerbesteuer­ gesetzes die Bergwerke ausdrücklich der Gewerbesteuer unterworfen worden sind, außerdem der Förderabgabe. 8) Die Salinen sind auch nach dem Bergwerks-

steuergesetz vom 14. Juli 1908, bzw. vom 28. Mai 1913 nach wie vor gewerbesteuerpflichtig. Außerdem unter­ liegen sie der Zusatzsteuer nach Maßgabe dieses Ge­ setzes.

Säulen u. s. w., bei Kalk und Gips das Brennen u. s. w., so tritt die Steuerpflicht ein. Es ist ohne Einfluß auf die Besteuerung, ob diese Erzeugnisse auf eigenem oder gepachtetem Grund und Boden gewonnen werden.

Art. 6. (§ 4 O.Z. 5 des Gesetzes.)

Der Gewerbesteuer unterliegt nicht der Handel auf Wochenmärkten mit Verzehrungsgegenständen des Wochenmarktverkehrs. Gegenstände des Wochenmarktverkehrs sind nach § 66 der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich: 1. rohe Naturerzeugnisse mit Ausschluß des größeren Vieh's; 2. Fabrikate, deren Erzeugung mit der Landund Forstwirthschaft, dem Garten-und Obstbau oder der Fischerei in unmittelbarer Verbindung steht, oder zu den Nebenbeschäftigungen der Landleule der Gegend gehört, oder durch Tag­ löhnerarbeit bewirkt wird, mit Ausschluß der geistigen Getränke; 3. frische Lebensmittel aller Art. Die Steuerbefreiung greift jedoch nicht Platz bei denjenigen Geschäftsbetrieben, welche über den Rahmen des eigentlichen Wochenmarktverkehrs hinaus außer der Zeit und des Orts der Wochenmärkte betrieben werden.

Art. 7. (§ 4 O. Z. 6 des Gesetzes.)

Der Gewerbesteuer unterliegt ferner nicht: 1. die Ausübung eines amtlichen Be­ rufes, soweit hiermit eine Gehaltszah­ lung aus Mitteln des Reichs, des Landes, der Bezirke oder der Gemeinden verbunden ist. Hiernach sind beispielsweise die festen Bezüge für die Wahrnehmung der Geschäfte der Kreisund Kantonalärzte, der Kreisthierärzte, der Aerzte an Staats-, Bezirks- und Gemeindehospi­ tälern, an Irrenanstalten, Hebammenschulen, Gefängnissen u. s. w., welche aus Mitteln des Reichs, des Landes, der Bezirke und Gemeinden bezahlt werden, von der Gewerbesteuer befreit. Dagegen sind die auf besonderen Ueberein­ kommen beruhenden Bezüge der Aerzte von Krankenkassen, der Eisenbahnärzte für die Be­ handlung der Bahnbeamten, der Fabrikärzte, der Thierärzte für die Ausübung der Fleisch­ beschau in den Schlachthäusern und die Ueberwachung der Viehmärkte u. s. w. der Gewerbe­ steuer unterworfen, wenn auch diese Bezüge von Kassen des Reichs, des Landes, der Bezirke und Gemeinden ausbezahlt werden.

2. die Ausübung der Kunst, sowie einer wissenschaftlichen, schriftstellerischen, unterrich­ tenden oder erziehenden Thätigkeit. Steuerfrei ist hiernach nur die eigene Betäti­ gung der Kunst im engeren Sinne (Malerei, Bildhauerei, Musik und dramatische Kunst) und die wissenschaftliche, schriftstellerische, unter­ richtende und erziehende Thätigkeit. Insbesondere erstreckt sich die Steuerfreiheit der Lehrer auf jede Art der einfachen unter­ richtenden und erziehenden Thätigkeit im engeren Sinne, soweit mit dieser nicht andere Zwecke verbunden sind. (Vgl. unten c).

macher, Flickschneider,Maurer u.s.w. thätig sind, ferner die Näherinnen, Büglerinnen u.s.w. mit kleinem Erwerb, sei es, daß sie in der Wohnung ihrer Kunden oder zu Hause ohne Hülfspersonal arbeiten, sei es, daß sie für Rechnung von Unternehmern entweder allein oder unter Mitwirkung von Personen des eigenen Haus­ standes, aber ohne andere Hülfspersonen Jndustrieerzeugnisse herstellen (Hausindustrie).

Dagegen tritt die Gewerbesteuerpflicht ein: a) 6et gewerbsmäßiger Verwerthung fremder künstlerischer oder wissenschaft­ licher Leistungen und Erzeugnisse, wie beim Handel mit Kunstwerken, der Veranstal­ tung von Theater und Konzerten, Kunst­ ausstellungen und Schaustellungen jeglicher Art, insofern letztere nicht als Wanderge­ werbe betrieben werden, b) wenn durch Vervielfältigung fremder wissenschaftlicher oder künstlerischer Erzeug­ nisse eine Waare für den Kauf hergestellt und hiermit Handel getrieben wird (der Selbstverlag und Verkauf eines eigenen Werkes ist kein Gewerbe), c) wenn mit der unterrichtenden und erziehen­ den Thätigkeit zugleich noch andere Zwecke verfolgt werden. Nur der Unterricht und die Erziehung sind nicht steuerpflichtig, dagegen unter­ liegt die bei Gelegenheit des Unterrichts geübte, nur einen Gewinn bezweckende gewerbsmäßige Thätigkeit der Steuerpflicht, so namentlich kann sich die Steuerfreiheit nicht erstrecken auf die Verköstigung und die Gewährung von Wohnung und Verpflegung an Schüler neben der eigent­ lichen unterrichtenden und erziehenden Thätig­ keit. Ebensowenig sind steuerfrei die selbstän­ digen Reit-, Tanz-, Fecht-, Turn- und Schwimmlehrer, wie auch die Institute, deren Zweck die Vorbereitung zum einjährig-freiwilligen Militärdienste bildet.

worfen: 1. Die Vereine, eingetragenen Genossen­ schaften und Körperschaften, welche: a) ausschließlich die gemeinschaftliche Ver­ wertung landwirthschaftlicher Er­ zeugnisse der Mitglieder bezwecken, unter denselben Voraussetzungen, unter welchen der gleiche Geschäftsbetrieb des einzelnen Mitgliedes hinsichtlich seiner selbstgewonnenen Erzeugnisse von der Gewerbesteuer frei bleibt (Art. 4). Hier­ nach sind dielandwirthschaftlichen Verkaufsgenossenschaften, Molkereigenossen­ schaften, Winzervereine u. s. w. als ge­ werbesteuerfrei zu betrachten, s ofern sie ihre Betriebe nur auf die Verwerthung von Erzeug­ nissen ihrer Mitglieder er­ strecken und wenn die Ver­ arbeitung dieser Erzeugnisse noch im Bereich der betreffen­ den landwirthschaftlichen Be­ triebe liegt. Dagegen greift die Steuerfreiheit nicht Platz, wenn diese Erzeugnisse einen Grad der Veredlung erfahren, welcher nicht mehr im Bereich des landwirthschaftlichen Betriebes liegt, wie z. B. bei den Zuckerund Stärkefabriken u. s. w. b) den auf vorherige Bestellung er­ folgenden gemeinschaftlichen Einkauf von Wirthschaftsbedürfnissen des landwirth­ schaftlichen Betriebes für die Mit­ glieder oder die gemeinschaftliche Beschaf­ fung und Benutzung landwirthschaft­ licher Gebrauchsgegenstände durch die Mitglieder bezwecken. Finden die Einkäufe in der Weise statt, daß ein ständiges Lager oder eine Verkaussstätte gehalten wird und erstreckt sich der Verkauf auch an Nichtmitglieder oder nicht nur auf Wirthschaftsbedürfnisse des landwirthschaftlichen Be­ triebes, z. B. auf Beschaffung von

An der bisherigen steuerfreien Behandlung der ohne Hilfspersonal arbeiten­ den Handwerker soll durch das Gesetz in der Hauptsache eine Aenderung nicht eintreten. Dabei ist im Allgemeinen Voraussetzung, daß kein eigentlicher, besondere technische Ausbildung erfordernder Gewerbebetrieb, sondern eine Thä­ tigkeit ausgeübt wird, welche mehr oder weniger den Charakter einer Nebenbeschäftigung ohne Bedeutung hat. Hierher gehören die Personen, welche neben ihrer sonstigen Beschäftigung als Landwirth, Pförtner u