Sammlung der in Elsaß-Lothringen geltenden Gesetze: [Abteilung 1], Band 1 Verfassungsrecht und Gesetzbücher [Reprint 2019 ed.] 9783111573618, 9783111201603


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German Pages 782 [796] Year 1880

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Sammlung der in Elsaß-Lothringen geltenden Gesetze: [Abteilung 1], Band 1 Verfassungsrecht und Gesetzbücher [Reprint 2019 ed.]
 9783111573618, 9783111201603

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Sammlung der

in Elsaß-Lothringen geltenden

Gesetze. Auf Anregung des Wirklichen Geheimen Raths

Dp.

von Möller

bearbeitet und herausgegeben in Verbindung mit anderen reichsländischen Juristen von

außerordentlichem Professor, W. IörrLfch, Landgerichtsdirektor,

Zr.

A.

A.

Kcrrrseim, Justizrath und Gouvernementsauditeur,

jftelCer, Oberlandesgerichtsrath, und

A.

jLeonx, Landgerichtsrath.

Erster Band.

Verfassungsrecht und Gesetzbücher. Anhang: Kostengesetze und Gebührenordnungen.

Straßburg, Verlag

von

Karl

1880.

I. Trübner.

Straßburg, Druck von I. H. Ed. Heitz.

Vorwort.

Die vorliegende Sammlung umfaßt das gesummte in Elsaß-Lothringen geltende Recht. Die ursprüngliche Absicht, den Rechtszustand vom 1. Oktober 1879 als dem Tage des Inkrafttretens der Reichsjustizgesetze zu Grunde zu legen, mußte aufgegeben werden. Denn

die auf letztere bezüglichen wichtigen Ausführungsbestimmungen, welche jetzt erst zu einem

Abschluß gelangt sind, erheischten Berücksichtigung, sollte das Werk seinen Zweck erfüllen. Die Sammlung reicht daher bis in die neueste Zeit. Sie enthält die sämmtlichen Gesetz­ bücher, Einzelgesetze und Ausführungs-Verordnungen auf allen Gebieten des Rechtslebens.

Zur Erhöhung der Brauchbarkeit des Werkes sind

aber auch sonstige Verordnungen

und Erlasse der Staatsgewalt und der Oberbehörden wiedergegeben, welche vermöge ihres allgemeinen Inhalts oder ihrer Wichtigkeit geeignet erscheinen, die Einsicht in das geltende

Recht zu fördern und dessen Anwendung zu sichern. Die außer Wirksamkeit getretenen Bestimmungen sind weggelassen, sofern nicht die Uebersichtlichkeit, der Zusammenhang, Zweifel über die Geltung oder sonstige Gründe die Aufnahme empfahlen, wie diese z. B. für den ganzen Umfang des

Civilgesetzbuches angezeigt erschien; in derartigen Fällen

sind die betreffenden Bestimmungen durch kleinere Druckschrift gekennzeichnet.

Besondere

Sorgfalt ist den zahlreichen Anmerkungen gewidmet, welche der Sammlung eingefügt sind. Dieselben sollen durch Hinweis

wickelung des

auf verwandte gesetzliche Bestimmungen die Ent­

Rechtes klar stellen und

den Zusammenhang der verschiedenen Gesetze

und Verordnungen festhalten. Hauptsächlich aber verfolgen sie die Aufgabe, in kurzen

Erörterungen diejenigen Fragen zu behandeln, welche sich auf die Geltung der einzelnen gesetzlichen Vorschriften beziehen. Sie suchen dadurch zur Hebung der in dieser Richtung

so mannigfach hervortretenden Schwierigkeiten beizutragen, welche ein stetig fortschreitender Weiterbau

des

Rechtes geschaffen hat und in denen auch der Hauptgrund der vielen

Klagen über die Ungewißheit des Rechtes in Elsaß-Lothringen zu erkennen ist.

Die Sammlung bedient sich ausschließlich der deutschen Sprache. Es sind daher alle Gesetze und Verordnungen, welche unter französischer Herrschaft ergangen sind, in deutscher

möglichst wortgetreuer Uebersetzung unter Zugrundelegung des amtlichen Textes wieder­ gegeben.

VI

Das ganze Werk ist auf drei Bände berechnet. Ueber Inhalt und Anordnung des

ersten Bandes

gibt das nachstehende Jnhaltsverzeichniß den erforderlichen Aufschluß.

Die beiden anderen Bände werden und zwar der zweite die französischen, der dritte die deutschen Einzelgesetze nach der Zeitfolge geordnet bringen. Dem letzteren wird

eingehendes nach

Materien

geordnetes

Sachregister sowie ein

sich

ein

alphabetisches Register

anschließen. Eine spätere Sorge wird es sein, die Sammlung durch periodische Ergänzungs­

hefte fortwährend auf dem Laufenden zu erhalten.

An

dem

Zustandekommen

des

Werkes

hat

der

Wirkliche

Geheime

Rath

Dr. von Möller den wesentlichsten Antheil. Schon die Anregung ging von ihm aus.

Ebenso ließ er dem Werke auch im Fortgänge der Arbeiten jede Förderung angedeihen. Dieselbe zeigte sich

namentlich in der steten Bereitwilligkeit, mit welcher er über eine

Reihe von Fragen

Aufschluß

gewährt und so die Feststellung

des

Rechtszustandes

ermöglicht hat. Trotz dieser vielseitigen Betheiligung des vormaligen obersten Landes­ beamten hat aber das

Werk keineswegs einen amtlichen oder auch nur halbamtlichen

Karakter. Vielmehr war dasselbe von Anfang an stets als Privatarbeit in

Aussicht

genommen und darf nur als solche angesehen werden. Bei der umfangreichen und schwierigen Arbeit wurde den Herausgebern auch von

anderer Seite eine sehr wirksame Unterstützung zu haben die Herren Regierungsrath Jacob wirkt.

Der erstere hat sich

Theil.

In hervorragender Weise

und Regierungsrath Leydhecker mitge­

der Zusammenstellung der Gesetze über Enregistrements-,

Stempel- und Hypothekengebühren

unterzogen und außerdem unter Mitthätigkeit des

Herrn Katasterinspektor Joppen die Gesetze über direkte Steuern bearbeitet, während

Herr Leydhecker die Bearbeitung der Gesetze über Zölle und indirekte Steuern besorgt hat. Sehr förderlich waren der Arbeit die Sammlungen, welche, zumeist auf Veranlassung des

vormaligen Oberpräsidenten, im Laufe der fünf letzten Jahre über wichtige Zweige des

elsaß-lothringischen

Rechtes erschienen sind, so namentlich die Werke von Sols und

Mitscher, von Dursy, Jacob, Leydhecker, Huber, Joppen und Caspar. An den Uebersetzungsarbeiten haben die Herren Oberlehrer Grün und Gerichtsassessor

Bernheim theilgenommen; letzterer hat sich

insbesondere um die Uebersetzung des

Civilgesetzbuches verdient gemacht.

Möge das Buch sich als ein nützliches Werk für das Reichsland erweisen!

Im Juni 1880.

Inhaltsübersicht des ersten Landes.

A. Werfassungsrecht. Seite.

1, Gesetz, betreffend die Vereinigung von Elsaß und Lothringen mit dem Deutschen Reiche. Vom 9. Juni 1871..........................................................................................................................A Gesetz, betreffend die Verkündung der Gesetze und Verordnungen. Vom 3. Juli 1871

3 »

3. Gesetz, betreffend die Einführung der Verfassung des Deutschen Reichs in ElsaßLothringen. Vom 25. Juni 1873 .............................................................................................. >

4

5

4. Verfassung deS £eutfd)en Reichs. I. — Bundesgebiet....................................................................................................................> II. — Reichsgesetzgebung........................................................................................................ » III. — Bundesrath.................................................................................................................... > IV. — Präsidium......................................................................................................................... > V. — Reichstag........................................................................................................................» VI. — Zoll- und Handelswesen.............................................................................................. > VII. — Eisenbahnwesen.............................................................................................................. » VIII. — Post- und Telegraphenwesen................................................................................... » IX. — Marine und Schifffahrt.............................................................................................. » X. — Konsulatwesen....................................................................................................................> XI. — Reichskriegswesen.........................................................................................................» XII. — Reichsfinanzen.............................................................................................................. » XIII. — Schlichtung von Streitigkeiten und Strafbestimmungen................................. > XIV. — Allgemeine Bestimmungen.........................................................................................»

6 6 8 9 9 10 11 12 13 14 14 16 16 16

5. Wahlgesetz für den Deutschen Reichstag. Vom 31. Mai 1869 ..................................................>

17

19

7. Reglement zur Ausführung des Wahlgesetzes für den Deutschen Reichstag. Vom 26. Mai 1870 ..................................................................................................................................... »

20

L. Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend das Wahlreglement. Vom 1. Dezember 1873 ......................................................................................................................................................>

29

9. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Einrichtung eines berathenden Landes-Ausschusses für Elsaß-Lothringen. Vom 29. Oktober 1874 .........................................................................»

30

VIII

Inhaltsübersicht. — A. Berfassungsrecht. — B. Civilrecht.

Seite. 10. Verordnung des Reichskanzlers zur Ausführung des Allerhöchsten Erlasses vom 29. Oktober 1874, betreffend die Einrichtung eines berathenden Landesausschusses für Elsaß-Lothringen. Vom 23. März 1875 ........................................................................................ A

31

11. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Wahl eines zweiten Stellvertreters des Vorsitzenden des Landesausschusses für Elsaß-Lothringen. Bom 13. Februar 1877 ................................. »

32

12. Gesetz, betreffend die Landesgesetzgebung von Elsaß-Lothringen. Vom 2. Mai 1877 .

»

32

13. Gesetz, betreffend die Stellvertretung des Reichskanzlers. Bom 17. März 1878

.

...»

33

14. Gesetz, betreffend die Verfassung und die Verwaltung Elsaß-Lothringens. Bom 4. Juli 1879 ............................................................................................................................................................>

34

15. Verordnung über den Termin für Ausführung des Gesetzes, betreffend die Verfassung und Verwaltung Elsaß-Lothringens. Vom 23. Juli 1879 ........................................................»

37

16. Verordnung, betreffend die Uebertragung landesherrlicher Befugnisse auf den Statthalter in Elsaß-Lothringen. Bom 23. Juli 1879 ............................ ..................................................»

3$

17. Verordnung, betreffend die Einrichtung des Ministeriums für Elsaß-Lothringen. Vom 23. Juli 1879 ........................................................................................................................................... >

40

18. Verordnung, betreffend die Wahlen zum Landesausschuß. Vom 1. Oktober 1879

»

43-

B

3

.

.

B. Kivitrecht. Civilgesetzbuch.

Einleitender Titel. — Verkündigung, Wirkungen und Anwendung der Gesetze im Allgemeinen. Erstes Buch. — Personen.

Erster Titel. — Genuß und Entziehung der bürgerlichen Rechte. I. Hauptstück. — Genuß der bürgerlichen Rechte...................................................................» II. Hauptstück. — Entziehung der bürgerlichen Rechte. 1. Abschnitt. — Entziehung der bürgerlichen Rechte durch den Verlust der Eigenschaft eines Franzosen.........................................................................................» 2. Abschnitt. — Entziehung der bürgerlichen Rechte in Folge gerichtlicher Berurtheilung.....................................................................................................................»

3

4 5

Zweiter Titel. — Urkunden des Personenstandes.

I. Hauptstück. — Allgemeine Bestimmungen..............................................................................» II. Hauptstück. — Geburtsurkunden....................................................... » III. Hauptstück. — Heiratsurkunden...............................................................................................» IV. Hauptstück. — Urkunden über Sterbefälle........................................................................ » V. Hauptstück. — Personenstandsurkunden, welche Militärpersonen außerhalb des Gebietes des Kaiserreichs betreffen......................................................................................... » VI. Hauptstück. — Berichtigung der Urkunden über den Personenstand............................ »

9 10

.'................................................................................................................»

10

I. Hauptstück. — Vermuthung der Abwesenheit....................................................... ...» II. Hauptstück. — Abwesenheitserklärung................................................................................... » III. Hauptstück. — Wirkungen der Abwesenheit. 1. Abschnitt. — Wirkungen der Abwesenheit in Bezug auf die Güter, welche der Abwesende am Tage seines Verschwindens besaß.............................................»

11 11

12

2. Abschnitt. — Wirkungen der.Abwesenheit in Bezug auf die eventuellen Rechte, welche deni Abwesenden zufallen können.................................................. » 3. Abschnitt. — Wirkungen der Abwesenheit in Bezug auf die Ehe .... »

13 13

Drittel Titel. — Wohnsitz

5 7 7 9

Vierter Titel. — Abwesende.

IV. Hauptstück. — Aufsicht über minderjährige Kinder, deren Vater verschwunden ist.

»

13

Inhaltsübersicht. — B. Civilrecht.

ix Seite.

Fünfter Titel. — Ehe. I. Hauptstück. — Erfordernisse der Eheschließung......................................................... B II. Hauptstück. — Förmlichkeiten der Eheschließung......................................................... » III. Hauptstück. — Einspruch wider die Eheschließung....................................................» IV. Hauptstück. — Klagen auf Nichtigkeit der Ehe......................................................... » V. Hauptstück. — Verbindlichkeiten, welche aus der Ehe entstehen............................... » VI. Hauptstück. — Rechte und Pflichten der Ehegatten gegen einander.................... » VII. Hauptstück. — Auflösung der Ehe............................................................................. » VIII. Hauptstück. — Zweite Ehe....................................................................................... »

14 15 15 16 18 18 19 19

Sechster Titel. — Ehescheidung.

I. Hauptstück. — Gründe der Ehescheidung................................................................... » 19 II. Hauptstück. — Ehescheidung wegen eines bestimmten Grundes. 1. Abschnitt. — Formen der Ehescheidung wegen eines bestimmten Grundes . » 20 2. Abschnitt. — Einstweilige Maßregeln, zu welchen die Klage auf Ehescheidung wegen eines bestimmten Grundes Veranlassung geben kann..........................» 22 3. Abschnitt. — Unzulässigkeitseinreden gegen die Klage auf Ehescheidung wegen eines bestimmten Grundes.................................................................................. » . 22

III. Hauptstück. — Ehescheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung.....................» IV. Hauptstück. — Wirkungen der Ehescheidung..............................................................» V. Hauptstück. — Trennung von Tisch und Bett.........................................................»

22 24 25

Siebenter Titel. — Vaterschaft und Kindschaft. I. Hauptstück. — Kindschaft ehelicher oder in der Ehe geborener Kinder . . . . » II. Hauptstück. — Beweis der Kindschaft ehelicher Kinder......................................... » III. Hauptstück. — Natürliche Kinder. 1. Abschnitt. — Legitimation der natürlichen Kinder......................................... » 2. Abschnitt. — Anerkennung der natürlichen Kinder......................................... »

25 26 27 27

Achter Titel. — Annahme au Kindesstatt und pflegelterliche Vormundschaft. I. Hauptstück. — Annahme an Kindesstatt. 1. Abschnitt. — Annahme an Kindesstatt und derenWirkungen............................ » 2. Abschnitt. — Formen der Annahme anKindesstatt................................................ »

28 28

II. Hauptstück. — Pflegelterliche Vormundschaft..............................................................»

29

Neunter Titel. — Väterliche Gewalt .............................................................................................»

30

Zehnter Titel. — Minderjährigkeit, Vormundschaft und Emanzipation. I. Hauptstück. — Minderjährigkeit.......................................................................................»

31

II. Hauptstück. — Vormundschaft. 1. Abschnitt. — Vormundschaft der Eltern.............................................................. » 2. Abschnitt. — Durch die Eltern übertragene Vormundschaft.......................... » 3. Abschnitt. — Vormundschaft der Aszendenten....................................................» 4. Abschnitt. — Durch den Familienrath übertragene Vormundschaft . . . . » 5. Abschnitt. — Gegenvormund..................................................................................» 6. Abschnitt. — Gründe, welche von der Vormundschaft entbinden.....................» 7. Abschnitt. — Unfähigkeit zur Vormundschaft, Ausschließung undAbsetzung von derselben...........................................................................................................» 8. Abschnitt. — Verwaltung des Vormundes.........................................................» 9. Abschnitt. — Vormundschaftsrechnungen...................................................................»

35 35 37

III. Hauptstück. — Emanzipation............................................................................................»

38

31 31 23 32 33 34

Elfter Titel. — Großjährigkeit, Entmündigung und Bestellung eines gerichtlichen Beistandes.

I. Hauptstück. — Großjährigkeit............................................................................................» n. Hauptstück. — Entmündigung............................................................................................ » III. Hauptstück. — Bestellung eines gerichtlichen Beistandes.............................................. »

39 39 41

Zweites Buch. — Güter und die verschiedenen Beschränkungen des Eigenthums. Erster Titel. — Eintheilung der Güter.......................................................................................»

41

I. Hauptstück. — Unbewegliche Güter.................................................................................. » II. Hauptstück. — Bewegliche Güter....................................................................................... » III. Hauptstück. — Die Güter in ihrer Beziehung zu denjenigen, welche sie besitzen. »

41 42 43

Inhaltsübersicht. — B. Civilrecht.

X

Zweiter Titel. — Eigenthum........................................................................................................... B I. Hauptstück. — Zuwachsrecht auf das, was durch die Sache hervorgebracht wird. » II. Hauptstück. — Zuwachsrecht auf das, was mit der Sache vereinigt und ihr einverleibt wird............................................................................................................» 1. Abschnitt. — Zuwachsrecht in Beziehung auf unbeweglicheSachen. ...» 2. Abschnitt. — Zuwachsrecht in Beziehung auf beweglicheSachen . . . . »

(Seite. *43 43

44 44 45

Dritter Titel. — Nießbrauch, Gebrauchsrecht und Wohnungsrecht.

I. Hauptstück. — 1. Abschnitt. 2. Abschnitt. 3. Abschnitt.

Nießbrauch.......................................................................................... » — Rechte des Nießbrauchers............................................................» — Verbindlichkeiten des Nießbrauchers....................................... » —Wie der Nießbrauch endigt........................................................ »

II. Hauptstück. — Gebrauchsrecht und Wohnungsrecht.

.

46 46 47 48

......................................... »

49

Vierter Titel. — Servituten oder Grunddienstbarkeiten..............................................................»

50

I. Hauptstück. — Dienstbarkeiten, welche aus der Lage derOrte entstehen. ...» II. Hauptstück. — Durch das Gesetz begründete Dienstbarkeiten................................... »

50 50

1. Abschnitt. — Gemeinschaftliche Mauern und Gräben (Du mur et du fosse mitoyens)............................................................................................................ 2. Abschnitt. — Entfernung und Zwischenwerke, welche bei gewissen Anlagen erforderlich sind.......................................................................................................» 3. Abschnitt. — Aussicht auf das Eigenthum des Nachbars.................................... » 4. Abschnitt. — Dachtraufe..............................................................................................» 5. Abschnitt. — Wegerecht............................................................................................. »

51 52 52 53 53

III. Hauptstück. — Dienstbarkeiten, welche durch menschliche Handlung bestellt werden. 1. Abschnitt. — Verschiedene Arten der Dienstbarkeiten, welche an Gütern bestellt werden können............................................................................................ » 2. Abschnitt. — Wie die Dienstbarkeiten begründet werden...................................» 3. Abschnitt. — Rechte des Eigenthümers des Grundstückes, welchem die Dienst­ barkeit zusteht ............................................................................................................ » 4. Abschnitt. — Wie die Dienstbarkeiten erlöschen................................................... » Drittes

Buch. — Die verschiedenen Erwerbsarten des Eigenthums. Allgemeine Be­ stimmungen ................................................................................................................................ »

53 53

54 54 55

Erster Titel. — Erbschaft.

I. Hauptstück. — Eröffnung der

Erbschaft und Eintrittder Erben in den Besitz.

.

»

55

II. Hauptstück. — Zur Erbfolgeerforderliche Eigenschaften................................................ »

56

III. Hauptstück. — Erbfolgeordnung. 1. Abschnitt. — Allgemeine Bestimmungen....................................................................» 2. Abschnitt. — Erbvertretung........................................................................................ » 3. Abschnitt. — Erbfolge der Nachkommen.................................................................... » 4. Abschnitt. — Erbfolge der Aszendenten....................................................................» 5. Abschnitt. — Erbfolge der Seitenverwandten..........................................................»

56 57 57 57 58

IV. Hauptstück. — Außerordentliche Erbfolge. 1. Abschnitt. — Rechte der natürlichen Kinder auf die Güter ihrer Eltern und Erbfolge in den Nachlaß natürlicher Kinder, welche ohne Nachkommenschaft verstorben sind............................................................................................................» 2. Abschnitt. — Rechte des überlebenden Ehegatten und des Staates. ...»

58 59

V. Hauptstück. — Annahme und Ausschlagung der Erbschaften. 1. Abschnitt. — Annahme............................................................................................. » 2. Abschnitt. — Verzicht auf dieErbschaft...................................................................... » 3. Abschnitt. — Rechtswohlthat des Inventars, Wirkungen derselben und Ver­ bindlichkeiten des Benefizialerben.............................................................................» 4. Abschnitt. — Ledige Erbschaft.................................................... » VI. Hauptstück. — Theilung und Rückbringen. 1. Abschnitt. — Theilungsklage und Form derselben............................................... » 2. Abschnitt. — Rückbringen..............................................................................................> 3. Abschnitt. — Zahlung der Schulden......................................................................... » 4. Abschnitt. — Wirkungen der Theilung und Gewährleistung für die Loose . » 5. Abschnitt. — Wiederaushebung in Theilungssachen............................................... »

59 60

60 62 63 65 66 67 68

Inhaltsübersicht. — B. Civilrecht.

xi

Seite. Zweiter Titel. — Schenkungen unter Lebenden und Testamente.

I. Hauptstück. — Allgemeine Bestimmungen..............................................................................B II. Hauptstück. — Fähigkeit, durch Schenkung unter Lebenden oder durch Testament zu verfügen oder zu erwerben.........................................................................................»

68

III. Hauptstück. — Verfügbarer Vermögenstheil und Minderung (Redaction). 1. Abschnitt. — Verfügbarer Bermögenstheil................................................................... » 2. Abschnitt. — Minderung (reduction) der Schenkungen und Vermächtnisse . »

69 70

68

IV. Hauptstück. — Schenkungen unter Lebenden. 1. Abschnitt. — Form der Schenkungen unter Lebenden.............................................» 2. Abschnitt. — Ausnahmen von der Regel der Unwiderruflichkeit der Schenkungen unter Lebenden.....................................................................................................................»

V. Hauptstück. — 1. Abschnitt. 2. Abschnitt. 3. Abschnitt. 4. Abschnitt. 5. Abschnitt. 6. Abschnitt. 7. Abschnitt. 8. Abschnitt.

Testamentarische Verfügungen. — Allgemeine Regeln über die Form der Testamente . . . . » —Besondere Regeln über die Form gewisser Testamente ...» —Erbeinsetzungen und Vermächtnisse im Allgemeinen . . . . » — Erbvermächtnisse................................................................................. » —Erbtheilvermächtnisse...............................................................................» — Stückvermächtnisse..................................................................................» —Testamentsvollstrecker......................................................................... » — Widerruf der Testamente und Verfall derselben.....................»

VI. Hauptstück. — Verfügungen, welche zu Gunsten der Enkel des Schenkers oder Erblassers oder zu Gunsten der Kinder seiner Geschwister erlaubt sind . .

71 72 73 75 76 76 77 77 78 78

»

79

VII. Hauptstück. — Theilungen, welche seitens der Eltern oder anderen Aszen­ denten unter ihren Nachkommen vorgenommen werden.............................................>

81

VIII. Hauptstück. — Schenkungen mittels Ehevertrags an die Ehegatten und die künftigen Kinder aus dieser Ehe.........................................................................................»

81

IX. Hauptstück. — Verfügungen unter Ehegatten in dem Ehevertrage oder während der Ehe.....................................................................................................................................»

82

Dritter Titel. — Verträge oder vertragsmäßige Verbindlichkeiten im Allgemeinen. I. Hauptstück. — II. Hauptstück. — 1. Abschnitt. 2. Abschnitt. 3. Abschnitt. 4. Abschnitt.

Einleitende Bestimmungen..............................................................................» Wesentliche Erfordernisse der Gültigkeit der Verträge . . . . » — Einwilligung.............................................................................................» — Fähigkeit der vertragschließenden Theile...........................................» — Gegenstand und Inhalt der Verträge................................................ » — Grund der Verbindlichkeit.......................................................................»

83 83 84 84 85 85

III. Hauptstück. — 1. Abschnitt. 2. Abschnitt. 3. Abschnitt. 4. Abschnitt. 5. Abschnitt. 6. Abschnitt.

Wirkung der Verbindlichkeiten. — Allgemeine Bestimmungen...................................................................... » — Verbindlichkeit etwas zu geben........................................................... » —Verbindlichkeit etwas zu thun oder zu unterlassen . . . . » — Schadensersatz wegen Nichterfüllung einerVerbindlichkeit . . > —Auslegung der Verträge......................................................................... > — Wirkungen der Verträge in Ansehung Dritter............................... »

85 85 85 86 87 87

IV. Hauptstück. — 1. Abschnitt. 2. Abschnitt. 3. Abschnitt. 4. Abschnitt. 5. Abschnitt. 6. Abschnitt.

Besondere Arten der Verbindlichkeiten. — Bedingte Verbindlichkeiten. . . ..... .................................................> — Verbindlichkeiten unter Befristung...................................................... » — Alternative Verbindlichkeiten..................................................................> — Gesammtverbindlichkeiten....................................................................... » — Theilbare und untheilbare Verbindlichkeiten..................................... » — Verbindlichkeiten unter Strafgeding...................................................... »

87 89 89 89 90 91

V. Hauptstück. — 1. Abschnitt. 2. Abschnitt. 3. Abschnitt. 4. Abschnitt. 5. Abschnitt. 6. Abschnitt. 7. Abschnitt.

Erlöschen der Verbindlichkeiten...................................................................> — Zahlung........................................................................................................» — Novation.................................................................................................. » - Erlaß der Schuld........................................................................................» — Aufrechnung.............................................................................................» — Konfusion.................................................................................................. » — Untergang der geschuldeten Sachen...................................................... > — Klage auf Nichtigkeit oder auf Wiederaufhebung der Verträge. >

92 92 95 96 96 97 97 97

Inhaltsübersicht. — B. Civilrecht.

xn VI. Hauptstück. — 1. Abschnitt. 2. Abschnitt. 3. Abschnitt. 4. Abschnitt. 5. Abschnitt.

Beweis der Verbindlichkeiten und der Zahlung................................ B — Urkundenbeweis........................................................................................» — Zeugenbeweis..............................................................................................> — Vermuthungen..............................................................................................» — Geständniß der Partei............................................................................. » — Eid...............................................................................................................»

Weite. 98 98 100 101 101 102

Vierter Titel. — Verbindlichkeiten, welche ohne Vertrag entstehen............................................ »

102

I. Hauptstück. — Quasikontrakte................................................................................................... » II. Hauptstück. — Delikte und Quasidelikte............................................................................. »

103 103

Fünfter Titel. — Ehevertrag und Rechte der Ehegatten gegen einander I. Hauptstück. — Allgemeine Bestimmungen............................................................................. > II. Hauptstück. — System der Gütergemeinschaft.................................................................. »

104 105

1. Theil. — Gesetzliche Gütergemeinschaft........................................................................»

105

1. Abschnitt. — Vermögen und Schulden der Gemeinschaft................................. » 2. Abschnitt. — Verwaltung der Gütergemeinschaft und Wirkungen der Handlungen des einen oder des andern Ehegatten in Bezug auf das eheliche Gesellschaftsverhältniß............................................................................. » 3. Abschnitt. — Auflösung der Gütergemeinschaft und einige Folgen der­ selben ..........................................................................................................................» 4. Abschnitt. — Annahme der Gütergemeinschaft und Verzichtleistung auf dieselbe, nebst den darauf sich beziehendenBedingungen..............................» 5. Abschnitt. — Theilung der Gütergemeinschaft nach derAnnahme. . . » 6. Abschnitt. — Verzicht aus die Gütergemeinschaft und Wirkungen des­ selben ......................................................................................................................... >

105

2. Theil. — Vertragsmäßige Gütergemeinschaft und Beredungen, durch welche die gesetzliche Gütergemeinschaft abgeändert oder selbst ausgeschlossen werden kann....................................................................................................................» 1. Abschnitt. — Auf die Errungenschaft beschränkte Gütergemeinschaft . . » 2. Abschnitt. — Gänzlicher oder theilweiser Ausschluß der beweglichen Güter von der Gütergemeinschaft........................................................................» 3. Abschnitt. —Entliegenschaftung................................................................. ...» 4. Abschnitt. —Schuldensonderung.............................................................................. » 5. Abschnitt. — Befugniß, welche der Frau eingeräumt wird, ihr Ein­ bringen schuldenfrei zurückzunehmen................................................................. » 6. Abschnitt. —Vertragsmäßiger Vorempfang.........................................................» 7. Abschnitt. — Beredungen, durch welche einem jeden der Ehegatten un­ gleiche Antheile an der Gütergemeinschaft angewiesen werden ...» 8. Abschnitt. — Allgemeine Gütergemeinschaft....................................................... » 9. Abschnitt. — Verträge, welche die Gütergemeinschaft ausschließen. . . » § 1. — Beredung, nach welcher die Ehegatten sich ohne Gütergemein­ schaft verheirathen.........................................................................................» § 2. — Gütertrennung........................................................................................ » III. Hauptstück. — Dotalsystem................................................................................................... » 1. Abschnitt. — Bestellung des Heirathsgutes.................................................................. » 2. Abschnitt. — Rechte des Mannes an den Dotalgütern und Unveräußerlich­ keit der Dotalgrundstücke..............................................................................................» 3. Abschnitt. — Wiederherausgabe desHeirathsgutes.................................................... » 4. Abschnitt. — Paraphernalgüter........................................................................................ »

108 109

111 112 113

114 114

114 115 115 116 116 117 117 118

118 118 118 118

119 120 121

Sechster Titel. — Kauf. I. Hauptstück. — Wesen und Form des Kaufes........................................................................ » II. Hauptstück. — Wer kaufen oder verkaufen kann...................................... III. Hauptstück. — Sachen, welche verkauft werden können..................................................» IV. Hauptstück. — Verpflichtungen des Verkäufers. 1. Abschnitt. — Allgemeine Bestimmungen........................................................................» 2. Abschnitt. — Ueberlieferung...............................................................................................» 3. Abschnitt. — Gewährleistung..........................................................................................» § 1. — Gewährleistung im Falle derEntwährung.............................................. » § 2. — Gewährleistung für dieMängel derverkauften Sache . . . . »

121 122 122

122 123 124 124 125

Inhaltsübersicht. — B. Civilrecht.

xm

Seite. V. Hauptstück. — Verbindlichkeiten des Käufers..............................................................B 125 VI. Hauptstück. — Nichtigkeit und Auflösung des Kaufes........................................................» 126 1. Abschnitt. — Rückkaufsrecht.............................................................................................. » 126 2. Abschnitt. — Wiederaufhebung des Verkaufs wegen Verletzung............................. » 127 VII. Hauptstück. — Theilungsversteigerung..............................................................................» VIII. Hauptstück. — Uebertragung der Forderungen und anderer unkörperlichen Rechte.....................................................................................................................................» Siebenter Titel. — Tausch.............................................................................................................. »

128

128 129

Achter Titel. — Miethvertrag. I. Hauptstück. — AllgemeineBestimmungen...........................................................................» 129 II. Hauptstück. — Sachmiethe.................................................................................................. »129 1. Abschnitt. — Gemeinschaftliche Regeln für die Miethe von Häusern und von ländlichen Grundstücken...................................................................................» 129 2. Abschnitt. — Besondere Regeln für die Miethe von Häusern und Fahrniß. » 132 3. Abschnitt. — Besondere Regeln für den Pachtvertrag........................................» 133 III. Hauptstück. — Dienstmiethe..............................................................................................» 1. Abschnitt. — Miethe von Dienstboten und Arbeitern........................................ » 2. Abschnitt. — Frachtführer zu Lande und zu Wasser........................................» 3. Abschnitt. — Werkverdingung nach einem Anschläge und Akkorde . . . .

134 134 134 » 135

IV. Hauptstück. — Viehpacht. Abschnitt. — Allgemeine Bestimmungen...........................................................» 135 Abschnitt. — Einfacher Viehpacht.............................................................................. » 136 Abschnitt. — Viehpacht zur Hälfte.........................................................................» 136 Abschnitt. — Biehpacht, welcher seitens des Eigenthümers seinem Guts­ pächter oder Theilpächter gewährt wird. § 1. — Der dem Gutspächter gewährte Viehpacht.................................................. » 136 § 2. — Der dem Theilpächter gewährte Viehpacht............................................ » 137 5. Abschnitt. — Der Vertrag, welcher uneigentlich Viehpacht genannt wird. . » 137

1. 2. 3. 4.

Neunter Titel. — Gesellschaftsvertrag.

Allgemeine Bestimmungen............................................................................. » Verschiedene Arten der Gesellschaft............................................................. » — Die allgemeine Gesellschaft........................................................................» — Die besondere Gesellschaft........................................................................ »

137 137 137 138

III. Hauptstück. — Verbindlichkeiten der Gesellschafter unter einander und gegen Dritte. 1. Abschnitt. — Verbindlichkeiten der Gesellschafter unter einander.............................» 2. Abschnitt. — Verbindlichkeiten der Gesellschafter gegen Dritte............................. »

138 139

I. Hauptstück. — II. Hauptstück. — 1. Abschnitt. 2. Abschnitt.

IV. Hauptstück. — Verschiedene Arten der Beendigung der Gesellschaft............................ »

140

Titel. — Leihvertrag............................................................................................................»

141

I. Hauptstück. — Leihvertrag zum Gebrauch oder Kommodat. 1. Abschnitt. — Natur des Leihvertrags zum Gebrauch.......................................... » 2. Abschnitt. — Verpflichtungen des Entleihers...........................................................» 3. Abschnitt. — Verpflichtungen des Verleihers...........................................................»

141 141 141

II. Hauptstück. — Leihvertrag zum Verbrauch oder Darlehen schlechthin. 1. Abschnitt. — Natur des Darlehens........................................................................... » 2. Abschnitt. — Verbindlichkeiten des Darleihers........................................................... » 3. Abschnitt. — Verpflichtungen des Darlehensempfängers.................................... »

142 142 142

III. Hauptstück. — Zinsbares Darlehen.................................................................................. »

142

Zehnter

Elfter Titel. — Hinterlegung und Sequestration.

I. Hauptstück. — Die Hinterlegung im weiteren Sinne und deren verschiedene Arten..........................................................................................................................................»

143

II. Hauptstück. — 1. Abschnitt. 2. Abschnitt. 3. Abschnitt. 4. Abschnitt. 5. Abschnitt.

143 143 144 145 145

Die Hinterlegung im eigentlichen Sinne. — Natur und Wesen des Hinterlegungsvertrags.................................. » — Freiwillige Hinterlegung.........................................................................» — Verbindlichkeiten des Hinterlegungsempfängers.................................. » — Verbindlichkeiten des Hinterlegers........................................................ » — Hinterlegung zur Nothzeit........................................................................ »

xiv

Inhaltsübersicht. — B. Civilrecht. Weite.

III. Hauptstück. — Sequestration. 1. Abschnitt. — Verschiedene Arten der Sequestration.............................................B 2. Abschnitt. — Vertragmäßige Sequestration.............................................................»

3. Abschnitt. — Gerichtliche Sequestration odergerichtliche Hinterlegung.

145 145

>

146

Zwölfter Titel. — Glücksverträge.................................................................................................. »

146

I. Hauptstück. — Spiel und Wette........................................................................................» II. Hauptstück. — Leibrentenvertrag. 1. Abschnitt. — Erfordernisse der Gültigkeit dieses Vertrags....... > 2. Abschnitt. — Wirkungen des Vertrags unter den vertragschließenden Theilen.......................................................................................................................»

146

.

.

146 147

Dreizehnter Titel. — Bevollmächtigungsvertrag. I. Hauptstück. — Natur und Form des Bevollmächtigungsvertrages...............................» II. Hauptstück. — Verbindlichkeiten des Bevollmächtigten................................................... » III. Hauptstück. — Verbindlichkeiten des Machtgebers................................................... » IV. Hauptstück. — Die verschiedenen Arten der Endigung des Bevollmächtigungs­ vertrags.................................................................................................................................»

147 148 148 149

Vierzehnter Titel. — Bürgschaft. I. Hauptstück. — Natur und Umfang der Bürgschaft.........................................................» II. Hauptstück. — Wirkungen der Bürgschaft. 1. Abschnitt. — Wirkung der Bürgschaft zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen...................................................................................................................... > 2. Abschnitt. — Wirkung der Bürgschaft zwischen dem Schuldner und dem Bürgen......................................................................................................................» 3. Abschnitt. — Wirkung der Bürgschaftunterden Mitbürgen................................. »

III. Hauptstück. — Erlöschung der Bürgschaft......................................................................» IV. Hauptstück. — Gesetzliche und gerichtlicheBürgschaft.................................................. » Fünfzehnter Titel. — Vergleich..................................................................................................»

149

150

150 151 151 151 152

Sechzehnter Titel. — Schuldhaft..................................................................................................»

152

Siebzehnter Titel. — Pfandvertrag.............................................................................................»

153

I. Hauptstück. — Faustpfand..................................................................................................» II. Hauptstück. — Nutzpfand............................................................................. • . . . »

153 155

Achtzehnter Titel. — Vorzugsrechte und Hypotheken. I. Hauptstück. — Allgemeine Bestimmungen........................................................................ » II. Hauptstück. — Vorzugsrechte.............................................................................................» 1. Abschnitt. — Vorzugsrechte an beweglichen Sachen............................................. » § 1. — Allgemeine Vorzugsrechte an beweglichen Sachen................................» § 2. — Vorzugsrechte an bestimmten beweglichen Sachen ....... 2. Abschnitt. — Vorzugsrechte an Liegenschaften....................................................... » 3. Abschnitt. — Vorzugsrechte, welche sich auf die beweglichen Sachen und die Liegenschaften erstrecken.......................................................................'....» 4. Abschnitt. — Wie die Vorzugsrechte bewahrt werden......................................... »

158 158

III. Hauptstück. — Hypotheken.............................................................................................» 1. Abschnitt. — Gesetzliche Hypotheken......................................................................... » 2. Abschnitt. — Gerichtliche Hypotheken......................................................................... » 3. Abschnitt. — Vertragsmäßige Hypotheken...............................................................» 4. Abschnitt. — Rangordnung der Hypotheken unter einander................................»

159 160 160 161 162

IV. Hauptstück. — Art und Weise der Eintragung der Vorzugsrechte und Hypo­ theken .................................................................................................................................»

V. Hauptstück. — Löschung und Minderung der Eintragungen......................................... » VI. Hauptstück. — Wirkung der Vorzugsrechte und Hypotheken gegen Drittbesitzer .. » VII. Hauptstück. — Erlöschen der Vorzugsrechte und Hypotheken .................................... » VIII. Hauptstück. — Verfahren behufs Reinigung des Eigenthums von Vorzugs­ rechten und Hypotheken..................................................................................................»

IX. Hauptstück. — Hypothekenreinigungsverfahren, falls auf die Güter der Ehe­ männer und der Vormünder keine Eintragung genommen ist.......................... .

155 156 157 157 157 158

163

164 165 167 167

»

169

X. Hauptstück. — Oeffentlichkeit der Register und Verantwortlichkeit der Hypotheken­ bewahrer ........................................................................................................................... »

169

Inhaltsübersicht. — B. Civilrecht. — G. Gerichtsverfassung.

xv Seite.

Neunzehnter Titel. — Zwangsverkauf von Liegenschaften und Rangordnung unter den

Gläubigern. I. Hauptstück. — Zwangsverkaus von Liegenschaften........................................................ B 170 II. Hauptstück. — Rangordnung der Gläubiger und Verkeilung des Preises unter dieselben........................................................................................................................... » 172 Zwanzigster Titel. — Verjährung. I. Allgemeine Bestimmungen..................................................................................................» II. Hauptstück. — Besitz............................................................................................................» III. Hauptstück. — Gründe, welche die Verjährung ausschließen.................................... » IV. Hauptstück. — Gründe, aus welchen der Lauf der Verjährung unterbrochen wird oder ruht. 1. Abschnitt. —Gründe, welche die Verjährung unterbrechen..................................... » 2. Abschnitt. — Gründe, aus welchen der Lauf der Verjährung ruht ...» V. Hauptstück. — 1. Abschnitt. 2. Abschnitt. 3. Abschnitt. 4. Abschnitt.

Zeit, welche zur Vollendung der Verjährung erforderlich ist. — Allgemeine Bestimmungen.................................................................... » —Dreißigjährige Verjährung............................................................... » — Zehn- und zwanzigjährige Verjährung........................................ > — Einzelne besondere Verjährungen.................................................... »

172 172 173

173 174

174 174 175 175

c.

Gerichtsverfassung. GerrchtSverfassungSgefetz. Vom 27. Januar 1877. Erster Titel. — Richteramt........................................................................................................... C Zweiter Titel. — Gerichtsbarkeit.................................................................................................» Dritter Titel. — Amtsgerichte..................................................................................................... » Vierter Titel. — Schöffengerichte................................................................................................ » Fünfter Titel. — Landgerichte...................................................................................................... » Sechster Titel. — Schwurgerichte..................................................................................................» Siebenter Titel. — Kammern für Handelssachen........................................................................ » Achter Titel. — Oberlandesgerichte.............................................................................................» Neunter Titel. — Reichsgericht ................................................................................................. » Zehnter Titel. — Staatsanwaltschaft............................................................................................ » Elfter Titel. — Gerichtsschreiber..................................................................................................» Zwölfter Titel. — Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte........................................................ » Dreizehnter Titel. — Rechtshülfe.................................................................................................. » Vierzehnter Titel. — Oeffentlichkeit undSitzungspolizei........................................................... » Fünfzehnter Titel. — Gerichtssprache.........................................................................................» Sechzehnter Titel. — Berathung undAbstimmung..................................................................... » Siebzehnter Titel. — Gerichtsferien............................................................................................. »

Einführung zum Gerichtsverfaffungsgesetze. Vom 27. Januar 1877 ...............................» Gesetz für Elsaß-Lothringen, betreffend die Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes. Vom 4. November 1878. I. — Richteramt.................................................................................................................................» II. — Gerichtsbarkeit......................................................................................................................» III. — Amtsgerichte......................................................................................................................» IV. — Schöffengerichte......................................................................................................................» V. — Landgerichte........................................................................................................................... » VI. — Schwurgerichte......................................................................................................................» VII. — Kammern für Handelssachen............................................................................................ » VIII. — Oberlandesgericht............................................................................................................ IX. — Staatsanwaltschaft........................................................................................................... X. — Gerichtsschreiber und Gerichtsvollzieher............................................................................. » X. — Schlußbestimmungen............................................................................................................

Verordnung des Reichskanzlers zur Ausführung der Reichsjustizgesetze. Vom 13. Juni 1879.

»

3 4 5 5 9 11 12

14 15 16 17 17 17 18 19 19 20

21

24 24 25 25 25 25 25 26 26 26 26

27

Inhaltsübersicht. — D. Civilprozeß.

XVI

D. Kivitprozeß. Französische Civilprozeßordnung. Erster Theil. — Verfahren vor den Gerichten. Erstes Buch. — Friedensgerichte.

IV. Titel. — Urtheile über Besitzklagen........................................................................ v

GSette. 3

Zweites Buch. — Untergerichte.

I. Titel. — Sühne............................................................................................................ » II. Titel. — Vorladungen.......................................................................................................» IV. Titel. — Mittheilung an die Staatsanwaltschaft....................................................» V. Titel. — Sitzungen, Oeffentlichkeit und Polizeiderselben...................................... » IX. Titel. — Einreden............................................................................................................» X. Titel. — Feststellung der Echtheit von Handschriften .............................................. » XL Titel. — Fälschungsklage im Civilprozeß................................................................... » XVIII. Titel. — Nicht-Anerkennung.................................................................................. » XIX. Titel. — Bestimmung des zuständigen Richters................................................... »

3 4 4 4 4 5 5 5 5

Drittes Buch. — Appellationsgerichte. Einziger Titel. — Berufung und Verfahren in der Berufungsinstanz..........................»

6

Viertes Buch. — Außerordentliche Rechtsmittel gegen Urtheile. III. Titel. — Regreßklage gegen den Richter................................................................... »

6

Fünftes Buch. — Vollstreckung der Urtheile.

I. Titel. — Annahme der Bürgen........................................................................................» IV. Titel. — Rechnungsablagen.............................................................................................»

6 7

Zweiter Theil. — Einige besondere Arten des Verfahrens. Erstes Buch.

I. Titel. — Zahlungsanerbieten und Hinterlegung....................................................» II. Titel. — Das Recht der Bermietber an den beweglichen Sachen und Früchten ihrer Miether und Pächter (saisie gagerie). Arrest gegen auswärtige Schuldner. » V. Titel. — Verfahren zur Erlangung einer Ausfertigung oder Abschrift von einer Urkunde oder zum Zwecke der Berichtigungeiner Urkunde...................................... > VI. Titel. — Einige Bestimmungen, betreffend die Einweisung in den Besitz der Güter eines Abwesenden..................................................................................................» VII. Titel. — Ermächtigung verheirateter Frauen.........................................................» VIII. Titel. — Gütertrennungen ........................................................................................» X. Titel. — Familienrathsgutachten.................................................................................. » XL Titel. — Entmündigung..................................................................................................»

7

7

8 9 9 9 9 10

Zweites Buch. — Verfahren bei Eröffnung einer Erbschaft.

I. Titel. — Anlegung der Siegel nach einem Sterbefalle.............................................. » II. Titel. — Einsprüche bei der Siegelung........................................................................ » III. Titel. — Siegelabnahme..................................................................................................» IV. Titel. — Inventar............................................................................................................ » V. Titel. — Verkauf der Fahrniß........................................................................................» VII. Titel. — Theilungen und Versteigerungen gemeinschaftlicher Sachen . . . . » VIII. Titel. — Rechtswohlthat des Inventars................................................................... » IX. Titel. — Verzichtleistung auf die Gütergemeinschaft, Verkauf von Dotalgrundstücken und Verzichtleistung auf die Erbschaft.............................................................. » X. Titel. — Von dem Kurator einer ledigen Erbschaft................................................... »

10 12 12 13 14 15 17 17 18

Inhaltsübersicht. — D. Civilprozeß.

xvn

Civilprozeßordrrurrg. Vom 30. Januar 1877.

Seite.

Erstes Buch. — Allgemeine Bestimmungen. Erster Abschnitt. — Gerichte.

I. Titel. — Sachliche Zuständigkeit der Gerichte......................................................... D 19 II. Titel. — Gerichtsstand................................... » 20 III. Titel. — Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte.................................... » 22 IV. Titel. — Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen............................... » 22 Zweiter Abschnitt. — Parteien.

I. Titel. — Prozeßfähigkeit.................................................................................................. » II. Titel. — Streitgenossenschaft............................................................................................. » III. Titel. — Betheilung Dritter am Rechtsstreite.............................................................. •> IV. Titel. — Prozeßbevollmächtigte und Beistände......................................................... » V. Titel. — Prozeßkosten....................................................................................................... » VI. Titel. — Sicherheitsleistung.............................................................................................» VII. Titel. — Armenrecht....................................................................................................... »

23 23 23 25 26 27 27

Dritter Abschnitt. — Verfahren. I. Titel. — Mündliche Verhandlung...................................................................................» II. Titel. — Zustellungen.......................................................................................................-> III. Titel. — Ladungen, Termine und Fristen................................................................... » IV. Titel. — Folgen der Versäumung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . •> V. Titel. — Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens......................................... »

29 31 34 36 36

Zweites Buch. — Verfahren in erster Instanz.

Erster Abschnitt. — Verfahren vor den Landgerichten. I. Titel. — Verfahren bis zum Urtheil............................................................................. » II. Titel. — Urtheil................................................................................................................. » III. Titel. — Versäumnißurtheil.............................................................................................» IV. Titel. — Vorbereitendes Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen..................................................................................................» V. Titel. — Allgemeine Bestimmungen über die Beweisaufnahme............................... »> VI. Titel. — Beweis durch Augenschein......................... » VII. Titel. — Zeugenbeweis..................................................................................................» VIII. Titel. — Beweis durch Sachverständige................................................................... » IX. Titel. — Beweis durch Urkunden..................................................................................» X. Titel. — Beweis durch Eid............................................................................................ » XI. Titel. — Verfahren bei der Abnahme von Eiden...............................................» XII. Titel. — Sicherung des Beweises........................................................................ »

Zweiter Abschnitt. — Verfahren vor den Amtsgerichten................................................... »

38 41 43

44 45 46 46 49 51 53 55 55 56

Drittes Buch. — Rechtsmittel. Erster Abschnitt. — Berufung....................................................................................................... » Zweiter Abschnitt. — Revision...................................................................................................... .-> Dritter Abschnitt. — Beschwerde..................................................................................................->

57 59 61

Viertes Buch. — Wiederaufnahme des Verfahrens........................................................................ »

62

Fünftes Buch. — Urkunden- und Wechselprozeß

»

63

Erster Abschnitt. — Verfahren in Ehesachen.............................................................................» Zweiter Abschnitt. — Verfahren in Entmündigungssachen................................................... »

64 66

Siebentes Buch. — Mahnverfahren.......................................................................................................»

69

Sechstes Buch. — Ehesachen und Entmündigungssachen.

Achtes Buch. — Zwangsvollstreckung.

Erster Abschnitt. — Allgemeine Bestimmungen........................................................................ » Zweiter Abschnitt. — Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen.

70

I. Titel. — Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen......................................... -> II. Titel. — Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ....... III. Titel. — Vertheilungsverfahren...................................................................................»

76 82 82

Dritter Abschnitt. — Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen ....................................................»

83

Inhaltsübersicht. — I.

2

Inhaltsübersicht. — D. Civilprozeß. — E. Handels- und Wechselrecht.

XVIII

Vierter Abschnitt. — Offenbarungseid und Haft...................................................................D Fünfter Abschnitt. — Arrest und einstweilige Verfügungen.................................................. »

Seite. 84 85

Neuntes Buch. — Aufgebotsverfahren.................................................................................................... » Zehntes Buch. — Schiedsrichterliches Verfahren.............................................................................. »

Gesetz,

betreffend die Einführung der Civilprozeßordnung. Vom 30. Januar 1877

87 89 92

...»

Gesetz für Elsaß-Lothringen,

betreffend die Ausführung der Civilprozeßordnung, der Konkursordnung und der Strafprozeßordnung. Vom 8. Juli 1879.

I. Titel. — Zur Civilprozeßordnung...............................................................................................» II. Titel. — Zur Konkursordnung....................................................................................................» III. Titel. — Uebergangs- und Schlußbestimmungen............................................................. »

96 99 99

E. Kandels- und Wechsetrecht. Französisches Handelsgesetzbuch. Erstes Buch. — Handel im Allgemeinen.

Zweiter Titel. — Handelsbücher....................................................................................................E

3

Fünfter Titel. — Handelsbörsen, Wechselagenten und Mäkler. I. Abschnitt. — Handelsbörsen......................................................................................................... » II. Abschnitt. — Wechselagenten und Mäkler............................................................................. »

3 3

Sechster Titel. — Faustpfand und Kommissionäre. I. Abschnitt. — Faustpfand............................................................................................................... »

5

Drittes Buch. — Falliment und Bankerutt.

Erster Titel. — Falliment. III. Abschnitt. — Verkauf der Waaren und Mobilien, sowie Eintreibung der For­ derungen..................................................................................................................................... » IV. Abschnitt. — Rechte der Ehefrauen.........................................................................................»

5 6

Dritter Titel. — Wiedereinsetzung in die früheren Rechte............................................................. »

6

Viertes Buch. — Handelsgerichtsbarkeit. Erster Titel. — Verfassung der Handelsgerichte..............................................................................»

6

Allgemeine Deutsche Wechselordnung. I. Abschnitt. — Von der Wechselfähigkeit....................................................................................................»

7

II. Abschnitt. — Von gezogenen Wechseln. I. — Erfordernisse eines gezogenen Wechsels..............................................................................» II. — Verpflichtungen des Ausstellers.................................................................. III. — Indossament..........................................................................................................................» IV. — Präsentation zur Annahme.............................................................................. . » V. — Annahme (Akzeptation)..........................................................................................................» VI. — Regreß auf Sicherstellung.............................................................................................. » VII. — Erfüllung der Wechselverbindlichkeit..............................................................................» VIII. — Regreß Mangels Zahlung.............................................................................................. » IX. — Intervention..........................................................................................................................» X. — Vervielfältigung eines Wechsels.........................................................................................» XL — Abhanden gekommene Wechsel............................................................. XII. — Falsche Wechsel.................................................................................................................... » XIII. — Wechselverjährung......................................................................................................... -> XIV. — Klagerecht des Wechselgläubigers. XV. — Ausländische Gesetzgebung.............................................................................................. » XVI. — Protest................................................................................................................................» XVII. — Ort und Zeit für die Präsentation und andere im Wechselverkehre vor­ kommende Handlungen......................................................................................................... » XVIII. — Mangelhafte Unterschriften.........................................................................................» III. Abschnitt. — Von eigenen Wechseln.................................................................................................... »

7

»8 8 8 9 9 10 11 12 13

»14 14 14

»14 15 15 15 15 16

Inhaltsübersicht. — E. Handels- und Wechselrecht.

xix

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch.

Seite.

Allgemeine Bestimmungen.......................................................................................................................... E

17

Erstes Buch. — Vom Handelsstande.

Erster Titel. — Bon Kaufleuten.................................................................................................... » Zweiter Titel. — Von dem Handelsregister.........................................................................................» Dritter Titel. — Bon Handelsfirmen.............................................................................. . » -Vierter Titel. — Von den Handelsbüchern......................................................................................... » Fünfter Titel. — Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten................................. » Sechster Titel. — Von den Handlungsgehülfen..............................................................................» Siebenter Titel. — Bon den Handelsmäklern oder Sensalen........................................................ »

17 18 19 20 20 22 23

Zweites Buch. — Von den Handelsgesellschaften. Erster Titel. — Von der offenen Handelsgesellschaft.

I. Abschnitt. — Von der Errichtung der Gesellschaft............................................................. » II. Abschnitt. — Von dem Rechtsverhältniß der Gesellschafter unter einander . . » III. Abschnitt. — Von dem Rechtsverhältniß der Gesellschaft zu dritten Personen . » IV. Abschnitt. — Von der Auflösung der Gesellschaft und dem Austreten einzelner Gesellschafter aus derselben....................................................................................................» V. Abschnitt. — Von der Liquidation der Gesellschaft....................................................... » VI. Abschnitt. — Von der Verjährung der Klagen gegen die Gesellschafter ...»

24 25 26

27 29 30

Zweiter Titel. — Bon der Kommanditgesellschaft.

I. Abschnitt. — Von der Kommanditgesellschaft im Allgemeinen.......................................» II. Abschnitt. — Von der Kommanditgesellschaft auf Aktien insbesondere . . . . »

30 32

Dritter Titel. — Von der Aktiengesellschaft.

I. Abschnitt. — Allgemeine Grundsätze................................................................................... » II. Abschnitt. — Rechtsverhältniß der Aktionäre...................................................................» III. Abschnitt. — Rechte und Pflichten des Vorstandes........................................................» IV. Abschnitt. — Auflösung der Gesellschaft..............................................................................» V. Abschnitt. — Schlußbestimmungen.............................................................*....»

36 38 39 41 42

Drittes Buch. — Von der stillen Gesellschaft und von der Bereinigung zu einzelnen Handels­ geschäften für gemeinschaftliche Rechnung.

Erster Titel. — Von der stillen Gesellschaft................................................................................... » Zweiter Titel. — Bon der Bereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für gemein­ schaftliche Rechnung .............................................................................................. „....»

42

43.

Viertes Buch. — Von den Handelsgeschäften. Erster Titel. — Von den Handelsgeschäften im Allgemeinen. I. Abschnitt. — Begriff der Handelsgeschäfte........................................................................ » II. Abschnitt. — Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte................................. » III. Abschnitt. — Abschließung der Handelsgeschäfte.............................................................» IV. Abschnitt. — Erfüllung der Handelsgeschäfte...................................................................»

44 44 48 48

Vom Kauf...............................................................................................................» Von dem Kommissionsgeschäft........................... » Von dem Speditionsgeschäft................................................................................... » Von dem Frachtgeschäft.

49 52 54

I. Abschnitt. — Vom Frachtgeschäft überhaupt........................................................................ » II. Abschnitt. — Von dem Frachtgeschäft Eisenbahnen insbesondere . . . . »

54 57

Zweiter Dritter Vierter Fünfter

Titel. Titel. Titel. Titel.

— — — —

Fünftes Buch. — Vom Seehandel. Erster Titel. — Allgemeine Bestimmungen........................................................................................ » Zweiter Titel. — Bon dem Rheder und von der Rhederei........................................................* Dritter Titel. — Von dem Schiffer....................................................................................................» Vierter Titel. — Bon der Schiffsmannschaft............................................................. . . . » Fünfter Titel. — Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern ...... Sechster Titel. — Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden . . . . » Siebenter Titel. — Von der Bodmerei.............................................................................................. » Achter Titel. — Von der Haverei.

59 61 64 68 71 82 83

I. Abschnitt. — Große (gemeinschaftliche) Haverei und besondere Haverei . . . . » II. Abschnitt. — Schaden durch Zusammenstoß von Schiffen............................................ »

85 90

XX

Inhaltsübersicht. — E. Handels- und Wechselrecht. — F. Konkurs. — G. Strafrecht.

Seite. Neunter Titel. — Bon der Bergung und Hülfsleistung in Seenoth...............................Ei Zehnter Titel. — Bon den Schiffsgläubigern............................................................................ » Elfter Titel. — Bon der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt.

91 89

I. Abschnitt. — Allgemeine Grundsätze............................................................................ » II. Abschnitt. — Anzeigen bei dem Abschlüsse des Vertrags......................................» DL Abschnitt. — Verpflichtungen des Versicherten aus dem Versicherungsverträge . » IV. Abschnitt. — Umfang der Gefahr.................................................................................. » V. Abschnitt. — Umfang des Schadens.............................................................................» VI. Abschnitt. — Bezahlung des Schadens....................................................................... » VII. Abschnitt. — Aufhebung der Versicherung und Rückzahlung derPrämie . . »

94 97 97 98 103 106 108

Zwölfter Titel. — Bon der Verjährung.................................................................................. »

108

Gesetz, betreffend

die Einführung der allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs in Elsaß-Lothringen. Vom 19. Juni1872 . »

110

F. Konkurs. Korrkursorvnurrg. Vom 10. Februar 1877. Erstes Buch. — Konkursrecht. Erster Titel. — Allgemeine Bestimmungen................................................................................... F Zweiter Titel. — Erfüllung der Rechtsgeschäfte........................................................................ » Dritter Titel. — Anfechtung.........................................................................................................» Vierter Titel. — Aussonderung................................................................................................... *Fünfter Titel. — Absonderung.........................................................................................................» Sechster Titel. — Ausrechnung......................................................................................................... » Siebenter Titel. — Massegläubiger.............................................................................................. » Achter Titel. — Konkursgläubiger.............................................................................................. »

3

4 5 6 6 7 8 8

Zweites Buch. — Konkursverfahren. Erster Titel. — Allgemeine Bestimmungen................................................................................... » Zweiter Titel. — Eröffnungsverfahren.........................................................................................» Dritter Titel. — Theilungsmasse.................................................................................................. >> Vierter Titel. — Schuldenmasse...................................................................................................» Fünfter Titel. — Vertheilung......................................................................................................... » Sechster Titel. — Zwangsvergleich.............................................................................................. " Siebenter Titel. — Einstellung des Verfahrens...................... ....................................... « Achter Titel. — Besondere Bestimmungen................................................................................... »

9 11 12 13 14 16 18 18

Drittes Buch. — Strafbestimmungen................................................................................................... »

20

Gesetz, betreffend die Einführung der Konkursordnung................................................................... »

21

. IV. Hauptstück. — Strafen des Rückfalles bei Verbrechen undVergehen.............................. »■ Zweites Buch. — Die wegen eines

3 •-

3 3 4 4

Verbrechens oder Vergehens strafbaren, entschuldbaren

oder verantwortlichen Personen...............................................................................................................

4

Inhaltsübersicht. — G. Strafrecht.

xxi

Drittes Buch. — Verbrechen, Vergehen und deren Bestrafung. Erster Titel. — Verbrechen und Vergehen gegen das öffentliche Wohl.

II. Hauptstück. — Verbrechen und Vergehen gegen die Verfaffungsurkunde. 2. Abschnitt. 3. Abschnitt. 4. Abschnitt.

— Eingriffe in die Freiheit......................................................................... G — Vereinigung von Beamten......................................................................... » — Uebergriffe der Verwaltungs- und gerichtlichen Behörden . . »

Seite. 4 5 5

III. Hauptstück. — Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Frieden.

2. Abschnitt. — Amtsuntreue und Verbrechen und Vergehen der öffentlichen Beamten in Ausübung ihrer Amtsverrichtungen.................................................. » 3. Abschnitt. — Störungen der öffentlichen Ordnung durch Religionsdiener in Ausübung ihrer Verrichtungen.................................................................................... » 4. Abschnitt. — Widersetzlichkeit, Ungehorsam und sonstige Vergehungen gegen die öffentliche Gewalt.................................................................................................... » 6. Abschnitt. — Vergehen, welche durch Schriften, Bilder oder Kupferstiche begangen werden, die ohne Namen des Verfassers, Druckers oder Kupfer­ stechers verbreitet werden...............................................................................................» 7. Abschnitt. — Unerlaubte Vereine oder Verleumdungen............................................. »

6 6 6

7 7

Zweiter Titel. — Verbrechen und Vergehen gegen Privatpersonen.

II. Hauptstück. — 1. Abschnitt. 2. Abschnitt. 3. Abschnitt.

Verbrechen und Vergehen gegen das Eigenthum. — Diebstähle....................................................................................................» — Bankerutl,Prellerei undandere Arten des Betrugs....-> — Zerstörungen,Beschädigungen................................................................ »

8 8 10

Viertes Buch. — Polizeiübertretungen und Strafen.

I. Hauptstück. — Strafen.......................................................................................................................... » II. Hauptstück. — Übertretungen und Strafen.............................................................................. »

11 11

Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Einleitende Bestimmungen................................................................................................................................->

14

Erster Theil. — Von der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen im All­ gemeinen.

1. 2. 3. 4. 5.

Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt.

— Strafen...........................................................................................................................» — Versuch........................................................................................................................... » — Theilnahme......................................................................................................................» — Gründe, welche die Strafe ausschließen undmildern..........................................» — Zusammentreffenmehrerer strafbarenHandlungen............................................... »

lh 17 18 18 20

Zweiter Theil. — Von den einzelnen Verbrechen, »Vergehen und Uebertretungen und deren Bestrafung.

Hochverrath und Landesverrath............................................................................... » Beleidigung des Landesherrn.................................................................................... » Beleidigung von Bundesfürsten...............................................................................» Feindliche Handlungen gegen befreundeteStaaten................................................ » Verbrechen und Vergehen in Beziehung aufAusübung staatsbürgerlicher

21 22 23 23

Rechte.................................................................................................................................................» 6. Abschnitt. — Widerstand gegen die Staatsgewalt......................................................................... » 7. Abschnitt. — Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.................................. »

23 24 25

— Münzverbrechen und Münzvergehen................................................................... » — Meineid...........................................................................................................................» — Falsche Anschuldigung............................................................................................... » — Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen..............................................» — Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf den Personenstand — Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit............................................. » — Beleidigung.....................................................................................................................» — Zweikampf.....................................................................................................................» — Verbrechen und Vergehen wider das Leben........................................................ » — Körperverletzung..........................................................................................................» — Verbrechen und Vergehen wider die persönliche Freiheit.............................» — Diebstahl und Unterschlagung...............................................................................»

27 28 29 29 29 29 31 32 32 33 34 35

1. 2. 3. 4. 5.

8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.

Abschnitt. — Abschnitt. — Abschnitt. — Abschnitt. — Abschnitt. —

Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt.

Inhaltsübersicht. — G. Strafrecht. — H. Strafprozeß.

XXII

20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29.

Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt.

— Raub und Erpressung................................................................................... Gr — Begünstigung und Hehlerei............................................................................. » — Betrug und Untreue............................................................................................. » — Urkundenfälschung...................................................................................................» — Bankerutt.............................................................................................................» — Strafbarer Eigennutz undVerletzung fremder Geheimnisse............................ •— Sachbeschädigung.................................................................................................. » — Gemeinschädliche VerbrechenundVergehen........................................................ » — Verbrechen und Vergehen imAmte................................................................. » — Uebertretungen....................................................................................................... »

Seite. 35 32 36 36 37 38 48 40 40 45

Gesetz, betreffend die Einführung des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich in ElsaßLothringen. Vom 30. August 1871..................................................................................

50

H.

Strafprozeß. Französische Strafprozeßordnung. Erstes Buch. Erster Titel. — Gerichtliche Polizei und die sie ausübenden Beamten. IV. Hauptstück. — Prokuratoren des Königs und ihre Gehülfen.

2. Abschnitt. — Verfahren der Prokuratoren des Königs bei Ausübung ihres Amtes......................................................................................................................H Zweites Buch. — Rechtsprechung. Zweiter Titel. — Die vor die Schwurgerichte gehörigen Sachen.

r

3

IV. Hauptstück. — Mündliche Verhandlung, Urtheil und Vollstreckung. 2. Abschnitt. — Urtheil und Vollstreckung...................................................................»

3

Dritter Titel. — Rechtsmittel gegen Urtheile. I. Hauptstück. — Nichtigkeiten des Verfahrens und des Urtheils.................................... >II. Hauptstück. — Kassationsgesuche........................................................................................»

4 4

Fünfter Titel. — Bestimmung des zuständigen Richters und Verweisung von einem Gericht an das andere. I. Hauptstück. — Bestimmung des zuständigen Richters................................................... »

6

Siebenter Titel. — Einige das öffentliche Wohl und die allgemeine Sicherheit betreffende Gegenstände.

I. Hauptstück. — Sammelstelle der Notizen über ergangeneUrtheile............................» II. Hauptstück. — Strafgefängnisse, Untersuchungsgefängnisse undJustizhäuser . . » III. Hauptstück. — Mittel, die persönliche Freiheit gegen gesetzwidrige Verhaftungen und andere willkürliche Handlungen zu sichern ................................... » IV. Hauptstück. — Wiedereinsetzung der Verurtheilten in die früheren Rechte. (Rehabilitation)............................................................................................................ »

7 7 8 8

Strafprozeßordnung. Vom 1. Februar 1877. Erstes Buch. — Allgemeine Bestimmungen. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt.

— Sachliche Zuständigkeit der Gerichte.............................................................. » — Gerichtsstand......................................... » — Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen.................................... >— Gerichtliche Entscheidungen und deren Bekanntmachung............................... » — Fristen und Wiedereinsetzung in den vorigenStand................................. » — Zeugen..................................................................................................................» — Sachverständige und Augenschein................................................................... « — Beschlagnahme und Durchsuchung................................................................... » — Verhaftung und vorläufige Festnahme......................................................... »

11 11 12 13 14 14 17 18 20

Inhaltsübersicht. — H. Strafprozeß. — I. Militär-Strafrecht.

xxm Seite. 23 23

10. Abschnitt. — Vernehmung des Beschuldigten.................................... .............................. H 11. Abschnitt. — Vertheidigung.................................................................................................. » Zw-eites Buch. — Verfahren in erster Instanz.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt.

Oeffentliche Klage...........................................................................................» Vorbereitung der öffentlichen Klage................................................................. » Gerichtliche Voruntersuchung........................................................................... » Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens............................ » Vorbereitung der Hauptverhandlung............................................................» Hauptverhandlung........................................................................................... » Hauptverhandlung vor den Schwurgerichten................................................. » Verfahren gegen Abwesende........................................................................... »

— — — — — — — —

24 24 26 27 29 30 34 37

Drittes Buch. — Rechtsmittel.

1. 2. 3. 4.

Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt.

— — — —

Allgemeine Bestimmungen................................................................................ »• Beschwerde.......................................................................................................... » Berufung............................ » Revision............................................................................................................... »

Viertes Buch. — Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urtheil geschlossenen Verfahrens.

»

38 39 39 41 43

Fünftes Buch. — Betheiligung des Verletzten bei dem Verfahren.

1. Abschnitt. 2. Abschnitt.

— Privatklage..................................................................................................... >- Nebcnklage.................................................................................................... »

44 46

Sechstes Buch. — Besondere Arten des Verfahrens.

1. Abschnitt. — Verfahren bei amtsrichterlichen Strafbefehlen.......................................» 2. Abschnitt. — Verfahren nachvorangegangener polizeilicherStrafverfügung . . . . » 3. Abschnitt. — Verfahren beiZuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle........................................................................» 4. Abschnitt. — Verfahren gegen Abwesende, welchesich derWehrpflicht entzogen haben. » 5. Abschnitt. — Verfahren bei EinziehungenundBeschlagnahmen........................................... »

47 47 48 49 50

Siebentes Buch. — Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens.

— Strafvollstreckung............................................................................................... » — Kosten des Verfahrens..................................................................................... »

50 52

Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung. Vom 1. Februar 1877 .........................................»

54

1. Abschnitt. 2. Abschnitt.

I. WMitär-Strafrecht. Militär-Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Vom 20. Juni 1872. Einleitende Bestimmungen..................................................................................................................... I

3

Erster Theil. — Von der Bestrafung im Allgemeinen.

1. 2. 3. 4. 5.

Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt.

— — — — —

Strafen gegen Personen desSoldatenstandes................................................ >Strafen gegenMilitärbeamte............................................................................. » Versuch............................................................................................................... » Theilnahme.......................................................................................................... » Gründe, welchedie Strafe ausschließen,mildern oder erhöhen. ...»

5 8 8 8 8

Zweiter Theil. — Von den einzelnen Verbrechen und Vergehen und deren Bestrafung. Erster Titel. — Militärische Verbrechen und Vergehen der Personen des Soldatenstandes.

1. 2. 3. 4. 5.

Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt.

—Hochverrath, Landesverrath, Kriegsverrath.......................................... » — Gefährdung der Kriegsmacht im Felde............................................. » —Unerlaubte Entfernung und Fahnenflucht............................................... » — Selbstbeschädigung und Vorschützung vonGebrechen...........................» —Feigheit........................................................................................................»

9 10 10 11 12

Inhaltsübersicht. — I. Militär-Strafrecht. — K. Militär-Strafprozeß.

XXIV

Seite. 6. Abschnitt. — Strafbare Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung...................................................................................................................I 7. Abschnitt. — Mißbrauch der Dienstgewalt................................................................. » 8. Abschnitt. — Widerrechtliche Handlungen im Felde gegen Personen oder Eigenthum.........................................................................................................................» 9. Abschnitt. — Andere widerrechtliche Handlungen gegen das Eigenthum ...» 10. Abschnitt. — Verletzung von Dienstpflichten bei Ausführung besonderer Dienst­ verrichtungen .......................................................................................................................... » 11. Abschnitt. — Sonstige Handlungen gegen die militärische Ordnung . . . . »

17 18

»

19

Vierter Titel. — Zusatzbestimmungen für dieMarine................................................................... » Anlage. — Verzeichniß der zum Deutschen Heer und zur Kaiserlichen Marine gehörenden Militärpersonen......................................................................................................... »

19

Zweiter

Titel. — Militärische Verbrechen und Vergehen der Militärbeamten . .

.

.

Dritter Titel. — Strafbestimmungen für Personen, welche den Militärgesetzen nur in Kriegszeiten unterworfen sind ....................................................................................................»

12 15

16 17

19

20

Gesetz, betreffend die Einführung des Militär-Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich in Elsaß-Lothringen. Vom 8. Juli 1872 ....................................................................................................»

EinführungSgesetz zum Militär-Strafgesetzbuch für dasDeutsche Reich. Vom 20. Juni 1872.

»

21

21

K.

Mitttär-Strafprozeß. Militär- Strafgerichtsordnung. Erster Titel. — Bon den Militärgerichten.

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt.

— Von dem Gerichtsstände.........................................................................................K — Von der Gerichtsbarkeit......................................................................................... » — Von den Untersuchungsgerichten.............................................................................. » — Von den Spruchgerichten......................................................................................... » — Von den Befugnissen und Pflichten der Militärgerichts-Personen . . -> — Von dem General-Auditoriat....................................................................................»

3 6 8 10 11 13

Zweiter Titel. — Von dem Verfahren.

1. Abschnitt. — Bon dem Verfahren gegen Personen des Soldatenstandes........................... » 1. Abtheilung. — Von dem Verfahren in Straffällen, welche vor die höhere Gerichts­ barkeit gehören (Kriegsrechtliches Verfahren).................................................................. » 2. Abtheilung. — Von dem Verfahren in Straffällen, welche vor die niedere Gerichtsbarkeit gehören (Standrechtliches Verfahren)............................ . . . »

13

Abschnitt. — Von dem Verfahren gegen Militärbeamte........................................................ » Abschnitt. — Von dem Verfahren bei Beleidigungen..............................................................» Abschnitt. — Von dem Kontumazialverfahren gegen Fahnenflüchtige.................................. » Abschnitt. — Bon der Restitution gegen militärische Erkenntnisse und von der Nichtig­ keitsbeschwerde gegen dieselben....................................................................................................» 6. Abschnitt. — Bon der Umwandlung der durch Civilbehörden verhängten Geldstrafen in Freiheitsstrafen.......................................................................................................................... » 7. Abschnitt. — Bon den Kosten..........................................................................................................»

22 23 24

26 27

Anlage A. — Vorschriften über die Feststellung des Thatbestandes verübter straf­ barer Handlungen.......................................................................................................................... » Anlage B. — Strafprozeßkosten-Taxe.........................................................................................»

28 32

2. 3. 4. 5.

Gesetz, betreffend die Einführung der Militär-Strafgerichtsordnung rc. Vom 6. Dezember 1873.

»

13

21

26

33

Inhaltsübersicht. — L. Forstrecht.

XXV

L. Aorstrecht. Forstgesetzbuch. Erster Titel. — Forstordnung............................................................................................................ L Zweiter Titel. — Forstverwaltung..................................................................................................»

Seite. 3

3

Drütter Titel. — Waldungen und Forsten, welche zum Staatsgut gehören Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt.

— Abgrenzung undAbmarkung................................................................................ -> — Betriebsplan........................................................................................................ » — Versteigerung der Schläge.................................................................................... >> — Holzeinschlag........................................................................................................ « — Nachmessung und Nachschau.......................................................... . ... » — Versteigerung der Eichellese, der Mast- und Schmalzweide...........................» — Bewilligungen in den Staatswaldungen zufolge besonderen Titels . . » — Nutzungsrechte in den Staatswaldungen.......................................................... "

4 4 5 6 8 8 8 9

Bieirter Titel. —

Waldungen und Forsten, welche zum Krongute gehören...................................«

11

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Fümfter Titel. — Waldungen und Forsten, welche als Apanage oder an den Staat heim­ fällige Majorate besessen werden..............................................................................................»

11

Sechster Titel. — Waldungen der Gemeinden und öffentlichen Anstalten............................... »

12

Siebenter Titel. — Ungetheilte Waldungen und Forsten, welche der Forstverwaltung unter­ worfen sind..................................................................................................................................»

14

Ach der Titel. — Privatwaldungen...................................................................................................» Neumter Titel. — Besondere Verwendungen von Holz zu öffentlichen Zwecken.

14

1. Abschnitt. — Zum Dienst der Marine bestimmte Hölzer.............................................. » 2. Abschnitt. — Zum Dienste der Wafferbauverwaltung für die Rheinarbeiten bestimmte Hölzer..................................................................................................................................»

15

15

Zehnter Titel. — Polizei und Schutz der Waldungen und Forsten..........................................» Vierzehnter Titel. — Allgemeine Bestimmung..............................................................................»

Fünfzehnter Titel. — Ausrodung der Privatwaldungen.............................................................. »

15

16 16

Ordonnanz zur Ausführung des ForftgesetzbuchS. Vom 1. August 1827.

Erster Titel. — Forstverwaltung....................................................................................................... «

18

2. Abschnitt. — Forstdienst in den Bezirken. § 1. — Forstverwaltungsbeamte......................................................................................... » § 2. - Feldmesser.................................................................................................................. » § 3. — Berittene Schutzbeamteund Schutzbeamte zu Fuß................................................. » § 4. — Gemeinschaftliche Bestimmungen für die Forstverwaltungs- und Schutz­ beamten................................................................................................................................. "

20

3. Abschnitt.

21

— Forstschulen......................................................................................................>>

18 19 19

Zweiter Titel. — Waldungen und Forsten, welche zum Staatsgute gehören.

1. Abschnitt. — Abgrenzungund Abmarkung.............................................................................. » 2. Abschnitt. — Betriebspläne......................................................................................................* 3. Abschnitt. — Abweichungen, Vermessungen, Schlagauszeichnungen, Anschlagungen und Versteigerungen der Schläge..................... ,........................................................ » 4. Abschnitt. — Holzeinschlag......................................................................................................» 5. Abschnitt. — Nachmessung und Nachschau'............................................................................» 6. Abschnitt. — Versteigerungen der Eichellese, Mast- und Schmalzweide, sowie Verkäufe von Windfällen, Frevelholz und andere kleine Verkäufe................................................... » 7. Abschnitt. — Ueberlassungen gegen Wiederaufforstung.......................................................-> 8. Abschnitt. — Bewilligungen in den Staatswaldungen zufolge besonderen Titels . . » 9. Abschnitt. — Nutzungsrechte in den Staatswaldungen....................................................... »

21 22 22 24 25 25 25 26 26

XXVI

Inhaltsübersicht. — L. Forstrecht. — Anhang. Kostengesetze und Gebührenordnungen. ©5 eite. 26

Dritter Titel. — Waldungen und Forsten, welche zum Krongute gehören..............................L Vierter Titel. — Waldungen und Forsten, welche von den Prinzen als Apanage oder von Privatpersonen als an den Staat heimfällige Majorate besessen werden........................ »

27

Fünfter Titel. — Waldungen der Gemeinden und der öffentlichen Anstalten......................... »

27

Sechster Titel. — Ungetheilte Waldungen, welche

der Forstordnung unterworfen sind

.

.

»

Siebenter Titel. — Privatwaldungen............................................................................................. »

30 30

Achter Titel. — Besondere Verwendungen von Holz zu öffentlichen Zwecken. 1. Abschnitt. — Zum Dienste der Marine bestimmte Hölzer..................................... . . » 2. Abschnitt. — Zum Dienste der Wasserbauverwaltung für die Uferbefestigung des Rheins bestimmte Hölzer....................................................................................................... »

30 31

Neunter Titel. — Polizei und Schutz der Waldungen und Forsten, welche der Forstverwal­ tung unterstellt sind............................................................................................................................»

31

Zwölfter Titel. — Bestimmungen über die Ausrodung der Waldungen....................................... »

33

Gesetz, betreffend das Forstrafrecht und das Forststrafverfahreu. Vom 28. April 1880.

Erster Titel. — Allgemeine Bestimmungen....................................................................................... »

35

Zweiter Titel. — Strafbestimmungen.

1. Abschnitt. - Forstdiebstahl....................................................................................................... » 2. Abschnitt. — Weidefrevel............................................................................................................. » 3. Abschnitt. — Zuwiderhandlungen gegen forstpolizeiliche Bestimmungen I. — Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen, welche auf jeden Wald Anwendung finden............................................................................................................................» II. — Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen, welche nur auf die der Forstordnung unterworfenen Wälder Anwendungfinden.............................................................. »

36 37

38

40

Dritter Titel. — Pfändung und Strafverfahren. 1. Abschnitt. - Pfändung............................................................................................................ « 2. Abschnitt. — Strafverfahren.................................................................................................. » Vierter Titel. — Uebergangs- und Schlußbestimmungen. ................................................................. »

41 41

43

Anhang.

Kostengesetze und Gebührenordnungen. 1- Gesetz, enthaltend die Einführung von Gerichtsschreiberei-Gebühren zu Gunsten der Republik bei den Civil- und Handelsgerichten. Vom 21. Ventose VII .. . Anhang;.

5

2. Dekret, enthaltend den Kostentarif für den Bezirk des Appellshofs von Paris. Vom 16. Febr. 1807.

Erstes Buch. — Friedensgerichte. I. Hauptstück. — Gebührensätze für Akte und Vakationen der Friedensrichter

.

»

8

II. Hauptstück. — Gebührensätze für die Friedensgerichtsschreiber.....................

»

9

IV. Hauptstück. — Gebühren der Zeugen, Sachverständigen und Siegel­ wächter ...................................................................................................................

»

9

Zweites Buch. — Gebührensätze bei den Untergerichten und den Appellhöfen. Erster Titel. — Gebühren für Akte der gewöhnlichen Gerichtsvollzieher. § 3. — Allgemeine Bestimmungen bezüglich der Gerichtsvollzieher ...

3. Dekret,

betreffend die Liquidation der Kosten. Vom 16. Febr. 1807 ......................

«

9

10

»

4. Dekret, welches den Kostentarif für den Appellhof von Paris auf mehrere Appell­ höfe ausdehnt und bezüglich der anderen herabsetzt. Vom 16. Febr. 1807 ...

»

10

5. Dekret, betreffend die Gerichtsschreiberei-Gebühren. Vom 12. Juli 1808

»

11

...

Inhaltsübersicht. — Anhang. Kostengesetze und Gebührenordnungen.

xxvn

6. Dekret, enthaltend Bestimmungen über die Verwaltung der Rechtspflege in KriSeite. minal-, Zuchtpolizei- und Polizeisachen und einen allgemeinen Kostentarif. Vom 18. Juni 1811. Einleitende Bestimmungen Anhang 12

Erster Titel. — Kostentarif. I. Hauptstück. — Kosten der Transportirung von Beschuldigten oder Ange­ klagten, des Transportes von Prozeßstücken und Ueberführungs- oder Entlastungsgegenständen...................................................................................

"

I3

» »

14 14

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15 15

" »

16 16

" "

16 16

7. Dekret, welches einige Bestimmungen des Dekrets vom 18. Juni 1811 abändert. Vom 7. April 1813.......................................................................................................

'>

17

8. Gesetz über die Finanzen. Vom 25. März 1817. Siebenter Titel. — Enregistrements- und Stempelgebühren. Art. 75..........................

»

18

9. Gesetz über die Festsetzung des Einnahme-Voranschlags für 1820. Vom 23. Juli 1820. Erster Titel. — Verschiedene Abgaben und Erhebungen...............................................

»

18

V. Hauptstück. — Ausfertigungs- und sonstige Gebühren der Gerichtsschreiber. VI. Hauptstück. — Gebühren der Gerichtsvollzieher............................................... VIII. Hauptstück. — Reise- und Aufenthaltskosten, welche durch die Instruktion der Untersuchungen veranlaßt werden ............................................................... XL Hauptstück. — Kosten der Urtheilsvollstreckung..............................................

Zweiter Titel. — Kosten, welche denen der Instruktion von Strafsachen gleichgestellt werden. I. Hauptstück. — Entmündigung von Amtswegen............................................... II. Hauptstück. — Verfahren von Amtswegen in Civilsachen............................... III. Hauptstück. — Die durch die Staatsanwaltschaft von Amtswegen nachge­ suchten Hypothekareintragungen......................................................................... IV. Hauptstück. — Einziehung der Geldstrafen und Kautionen.........................

10. Ordonnanz, welche die Gebühr für die Verhaftung einer zu Gefängniß von nicht mehr als 5 Tagen verurtheilten Person festsetzt. Vom 6. August 1823 ....

»

19

11. Ordonnanz, enthaltend Vorschriften über die von den Friedensgerichtsschreibern zu erhebenden Kosten und Gebühren. Vom 17. Juli 1825 ....................................

»

19

12 Ordonnanz, enthaltend Festsetzung der Gebühren der Handelsgerichtsschreiber. Vom 9. Oktober 1825 ..................................................................................................

>'

20

13. Ordonnanz, enthaltend den Kostentaris für alle auf Grund des Gesetzes über die Zwangsenteignung vom 7. Juli 1833 vorzunehmenden Akte. Vom 18. September 1833

"

21

14. Ordonnanz, betreffend die Liquidation und Zahlung der Strafgerichtskosten. Vom 28. November 1838 ........................................................................................................

w

22

15. Gesetz über den Tarif der amtlichen Versteigerer (commissaires-priseurs). Vom 18. Juni 1843 ...................................................................................................................

»

23

16. Ordonnanz, betreffend die Entschädigung der gerichtlichen Beamten, welche zur Besichtigung der für Geisteskranke bestimmten Anstalten zu reisen haben. Vom 2. Mai 1844 ...................................................................................................................

»

23

17. Dekret, enthaltend die Gebühren für die Verkäufe von Früchten auf dem Halme oder von Mittelwaldschlägen. Vom 5. November 1851...............................................

«

24

18. Dekret, betreffend die Gebühren der Gerichtsschreiber in Civil- und Handelssachen. Vom 24. Mai 1854. § 1. — Gebühren der Gerichtsschreiber bei den Gerichten erster Instanz .... § 2. — Gerichtsschreiber bei den die Handelsgerichtsbarkeit ausübenden Civilgerichten.................................................................................................................. § 3. —Gerichtsschreiber bei den Appellhöfen................................................................ § 4. — Allgemeine Bestimmungen..................................................................................

»

25

b » »

26 26 26

19. Dekret über die den Gerichtsschreibern als Ersatz für die Verwendung von-Stempel­ papier zustehenden Gebühren. Vom 8.Dezember 1862

»

27

20. Verordnung zur Ausführung des § 34 des Gesetzes vom 19. Juni 1872, betr. die Eins, der allg. D. W.-O. und des allg. D. H.-G.-B. in Elsaß-Lothringen. Vom 12. Juli 1872 .......................................................................................................

"

28

XXVIII

Inhaltsübersicht. — Anhang. Kosteugesetze und Gebührenordnungen. Seite.

21. Gesetz, betreffend die Reisegebühren der Friedensrichter und Friedensgerichts­ schreiber in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und in Civilrechtsstreitigkeiten. Vom 11. Januar 1873 ................................................................................................... Anhang

29

22. Gesetz, betreffend die Gebühren der Aerzte und Chemiker in Strafsachen. Vom 13. Januar 1873 ..............................................................................................

»

23. Regulativ, betreffend die Gebühren der Aerzte und Chemiker in Strafsachen. Vom 17. Januar 1873 ...................................................................................................

»

30

24. Gesetz, betreffend die Gebühren der Advokaten, Anwälte, Gerichtsschreiber und Gerichtsvollzieher in Elsaß-Lothringen. Vom 15. November 1875 ..........................

»

31

25. GerichtSkostengesetz. Vom 18. Juni 1878. Erster Abschnitt. — Allgemeine Bestimmungen.............................................................. Zweiter Abschnitt. — Gebühren in bürgerlichenRechtsstreitigkeiten.................................. Dritter Abschnitt. — Gebühren im Konkursverfahren...................................................... Vierter Abschnitt. — Gebühren in Strafsachen................................................................... Fünfter Abschnitt. — Auslagen............................................................................................ Sechster Abschnitt. — Kostenvorschuß und Kostenzahlung......................................... Siebenter Abschnitt. — Schlußbestimmungen.......................................................................

» » » » »

»

»

26. Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher. Vom 24. Juni 1878.....................................

27. Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige. Vom 30.Juni 1878 ... 28. Gebührenordnung für Rechtsanwälte. Vom 7. Juli 1879. Erster Abschnitt. — Allgemeine Bestimmungen.................................................................. Zweiter Abschnitt. — Gebühren in bürgerlichenRechtsstreitigkeiten.................................. Dritter Abschnitt. — Gebühren im Konkursverfahren....................................................... Vierter Abschnitt. — Gebühren in Strafsachen................................................................... Fünfter Abschnitt. — Auslagen............................................................................................ Sechster Abschnitt. — Einforderung von Gebühren und Auslagen.......................... Siebenter Abschnitt. — Schlnßbestimmungen...................................................................

29

»

32 33 38 39 41 41 43 44

48

» » » ,> » » » »

29. Gesetz für Elsaß-Lothringen, betreffend die Vergütung der Reisekosten für die Geschworenen, die Vertrauensmänner und die Schöffen. Vom 31. März 1880 . .

50 50 54 55 56 56 57 58

30. Gesetz für Elsaß-Lothringen, betreffend die Ausführung des Gerichtskosten­ gesetzes und der Gebührenordnungen für Rechtsanwälte, für Gerichtsvollzieher und für Zeugen und Sachverständige. Vom 3. April 1880. I. — Zum Gerichtskostengesetze............................................................................................ II. — Zu den Gebührenordnungen....................................................................................... HI. — Uebergangs- und Schlußbestimmungen..................................................................

» » »

59 63 65

Abkürzungen.

A.-Bl. A.-G. z. . . A.-G. z. C.-P.-O.

A. N. Art. A.-V. A. -V. z. G.-V.-G. B. -P.-R. B. des L. Bem. Bkm. Bkm.-Bl. B.-Pr. B.-R. B. -R.-B. C. -Bl. C.-G.-B. C. -P.-O. D. Dekl. Dez.-D. E. -G. z. . . E. -L. Entsch. Inn., Just. Erl. F. -G.-B. F.-O. F. -St.-G. Fr. C.-P.-O. Fr. H.-G.-B. Fr. St.-G.-B. Fr. St.-P.-O. G. G.-Bl. G.-Dir. Gen.-Jnstr. G. -K.-G. H. -G.-B. Kab.-O.

Amtsblatt. Ausführungsgesetz zu . . . Gesetz, betreffend die Ausführung der Civilprozeßordnung, der Konkursordnung und der Strafprozeßordnung, vom 8. Juli 1879. Amtliche Nachrichten (Straßb. Zeitung). Artikel. Ausführungsverordnung. Verordnung zur Ausführung der Reichsjustizgesetze v. 13. Juni 1879. Bahnpolizei-Reglement. Bulletin des Lois. Bemerkung. Bekanntmachung. Bekanntmachungen des OPr. aus dem Gebiete der direkten Steuern. Bezirkspräsident. Bundesrath. Bundesrathsbeschluß. Centralblatt des deutschen Reiches. Civilgesetzbuch, Code civil. Civilprozeßordnung. Dekret. Deklaration. Dezentralisations-Dekret. Einführungsgesetz zu . . . Elsaß-Lothringen. Entscheidung des Ministers des Innern, der Justiz. Erlaß. Forstgesetzbuch, Code forestier. Ordonnanz zur Ausführung des F.-G.-B. vom 1. August 1827. Gesetz, betreffend das Forststrafrecht und das Forststrafverfahren, vom 28. April 1880. Franz. Civilprozeßordnung, Code de procedure civile. Franz. Handelsgesetzbuch, Code de commerce. Franz. Strafgesetzbuch, Code penal. Franz. Strafprozeßordnung, Code d’instruction criminelle. Gesetz. Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen. Generaldirektor der Zölle und indirekten Steuern. Generalinstruktion der Enregistrementsverwaltung. Gerichtskostengesetz. Handelsgesetzbuch. Kabinetsorder.

Abkürzungen.

Kass. K.-O. Kommissar rc. M.-St.-G.-B. M.-St.-G.-O. O. O.-E. OPr. Pers.-G. R.-B.-G. R.-G.-Bl. R.-M.-G. R.-K. R.-K.-A. R.-O. Rundschr. Inn., Just. R. -V. S. Sammt. G.-Pr. oder Sammt. Colmar. S.-C. St.-G.-B. St.-P.-O. St.-R. Str. Ztg. St.-R.-G. U. -E. B. Bf. Bertr. Bertr. Anh. Berw.-G. V. -Z.-G. W. -O. Z-B.

XXXI

Urtheil des franz. Kassationshofes. Konkursordnung. Kommissar für die Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern. Militär-Strafgesetzbuch. Militär-Strafgerichtsordnung. Ordonnanz. Ober-Elsaß. Oberpräsident. Personenstandsgesetz vom 6. Februar 1875. Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873. Reichsgesetzblatt. Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874. Reichskanzler. Reichskanzleramt. Rechtsanwaltsordnung. Rundschreiben des Ministers des Innern, der Justiz. Reichsverfassung. Siehe, Seite. Sammlung von Gesetzen rc. betr. die Justizverwaltung, Straßburg 1877, R. Schultz & Comp. Senatuskonsult. Strafgesetzbuch. Strafprozeßordnung. Staatsrath, Entscheidung des Staatsraths. Straßburger Zeitung. Staatsrathsgutachten. Unter-Elsaß. Verordnung. Verfügung. Verträge und Verhandlungen über die Bildung des Zollvereins. Anhang zu den Vertr. (s. vorstehend). Gesetz, betreffend die Einrichtung der Verwaltung, v. 30. Dez. 1871. Vereinszollgesetz. Wechselordnung. Zollverein.

NB. Bezüglich der durch kleine Druckschrift ausgezeichneten Stellen des Textes vgl. den oftcn Absatz des Vorwortes.

Verfassungsrccht.

Inhalt:

1. Gesetz, betreffend die Vereinigung von Elsaß und Lothringen mit dem Deutschen Reiche. Vom 9. Juni 1871. 2. Gesetz, betreffend die Verkündung der Gesetze und Verordnungen. Vom 3. Juli 1871. 3. Gesetz, betreffend die Einführung der Verfassung des Deutschen Reichs in Elsaß-Lothringen. Vom 25. Juni 1873.

4. Verfassung des Deutschen Reichs. 5. Wahlgesetz für den Deutschen Reichstag. Vom 31. Mai 1869.

6. Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die Feststellung der Wahl kreise für die Wahlen zum Deutschen Reichstage. Vom 1. Dezember 1873. 7. Reglement zur Ausführung des Wahlgesetzes für den Deutschen Reichstag. Vom 28. Mai 1870.

8. Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend das Wahlreglement. Vom 1. Dezember 1873.

9. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Einrichtung eines berathenden Landes-

Ausschusses für Elsaß-Lothringen. Vom 29. Oktober 1874. 10. Verordnung des Reichskanzlers zur Ausführung des A. Erlasses vom

29. Oktober 1874, betreffend die Einrichtung eines berathenden LandesAusschusses für Elsaß-Lothringen. Vom 23. März 1875. 11. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Wahl eines zweiten Stellvertreters des

Vorsitzenden

des

Landes-Ausschusses

für

Elsaß-Lothringen.

Vom

13. Februar 1877.

12. Gesetz, betreffend die Landesgesetzgebung von Elsaß-Lothringen. Vom 2. Mai

1877. 13. Gesetz, betreffend die Stellvertretung des Reichskanzlers. Vom 17. März

1878.

14. Gesetz, betreffend die Verfassung und die Verwaltung Elsaß-Lothringens. Vom 4. Juli 1879.

15. Verordnung über den Termin für Ausführung des Gesetzes, betreffend die Verfassung und die Verwaltung Elsaß-Lothringens vom 4. Juli 1879. Vom 23. Juli 1879.

16. Verordnung, betreffend die Uebertragung landesherrlicher Befugnisse auf den Statthalter in Elsaß-Lothringen.

17. Verordnung, betreffend die

Einrichtung

des

Ministeriums für Elsaß-

Lothringen. Vom 23. Juli 1879. 18. Verordnung, betreffend die Wahlen zum Landes-Ausschuß. Vom 1. Oktober 1879.

betreffend die Vereinigung von Llsaß und Lothringen mit -em Deutschen Veiche.1 2 Vom 9. Juni 1871. G.-Bl. S. 1.

§ 1. Die von Frankreich durch den Artikel I des Präliminar-Friedens vom 26. Februar 1871 abgetretenen Gebiete Elsaß und Lothringen werden in der durch den Artikel I des Friedens-Vertrages vom 10. Mai 1871, und den dritten Zusatzartikel zu diesem Vertrage festgestellten Begrenzung 2 mit dem Deutschen Reiche für immer vereinigt. 2. Die Verfassung des Deutschen Reichs tritt in Elsaß und Lothringen am 1. Januar 19733 4 in Wirksamkeit. Durch Verordnung des Kaisers

1. Zur Zeit der Besitzergreifung von Elsaß-Lothringen durch die deutschen Truppen stand Frankreich unter der Herrschaft der durch spätere Senatus-Cousulte theilweise ab­ geänderten Verfassung vom 18. Januar 1852, neben welcher indessen auch noch einzelne Vorschriften älterer Verfassungen in Kraft waren. In Folge der Bereinigung von Els.-Lothr. mit dem deutschen Reiche, der Einführung der Reichsver­ fassung und zahlreicher Reichsgesetze ist der größte Theil der Vorschriften der franz. Derfassungsgesetze hinfällig geworden, indem dieselben sich zumeist auf für Els.-Lothr. nicht mehr bestehende Einrichtungen (wie den gesetzgebenden Körper, den Senat rc.) bezogen, oder mit der neu geschaffenen Ordnung in Widerspruch standen. Mit dieser Einschränkung steht nun zwar der Weitergeltung der unter französ. Herr­ schaft erlassenen verfassungsrechtlichen Bestimmungen so wenig etwas im Wege, wie der Weitergeltung der privatrechtlichen Gesetze; so sind beispielsweise zur Bestimmung der Befug­ nisse, welche mit der Staatsgewalt (§ 3 dieses Ges.) ver­ bunden sind, noch in verschiedenen Beziehungen franz.rechtliche Vorschriften maßgebend; in der Hauptsache handelt es sich hier aber nur um Bruchstücke, um Bestimmungen ohne inneren Zusammenhang unter sich und mit dem neuen Rechte, daher dieselben zweckmäßiger im chronologischen Theile ihren Platz finden. Dasselbe gilt von zahlreichen anderen Vorschriften, welche, ohne die einzelnen Gesetze zu zerreißen, hier nicht ausgenommen werden konnten. Nur die vornehmsten Verfasiungsgesetze, nicht das ganze Ver­ fassungsrecht, sind daher im Folgenden zusammengestellr. 2. Vgl. ferner Art. 10 der zusätzl. Uebereinkunft v. 12. Okt. 1871.

3. 1874, s. G. V. 20. Juni 1872.

mit Zustimmung des Bundesrathes können ein­ zelne Theile der Verfassung schon früher einge­ führt werden. Die erforderlichen Aenderungen und Ergänzun­ gen der Verfassung bedürfen der Zustimmung des Reichstages. Artikel 3 der Reichsverfassung tritt sofort in Wirksamkeit. 3. Die Staatsgewalt in Elsaß und Lothringen übt der Kaiser aus. 5 Bis zum Eintritt der Wirksamkeit der Reichsverfafiung ist der Kaiser bei Ausübung der Gesetzgebung an die Zustim­ mung des Bundesrathes und bei der Aufnahme von An­ leihen oder Uebernahme von Garantien für Elsaß und Lothringen, durch welche irgend eine Belastung des Reichs herbeigeführt wird, auch an die Zustimmung des Reichstages gebunden. Dem Reichstage wird für diese Zeit über die erlasienen Gesetze und allgemeinen Anordnungen und über den Fort­ gang der Verwaltung jährlich Mittheilung gemacht.6

Nach Einführung der Reichsverfassung steht bis zu anderweitiger Regelung durch Reichsgesetz das Recht der Gesetzgebung auch in den der Reichs­ gesetzgebung in den Bundesstaaten nicht unter­ liegenden Angelegenheiten dem Reiche zu.7 4. Die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegen­ zeichnung des Reichskanzlers,8 der dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.

4. S. G. v. 17. Juli, v. 14. Okt. u. v. 11. !)ez. 1871. 5. Ueber die Übertragung landesherrlicher Befugnisse auf den Statthalter f. § 1 ®. v. 4. Juli 1879.

6. Abs. 2 li. 3 des 8 3 jetzt gegenstandslos.

7. Vgl. über die Ausübung der Gesetzgebung jetzt G. v. 2. Mai 1877, §§ 9 u. 21 G. v. 4. Juli 1879; 8 8 G. v. 25. Juni 1873. 8. Dgl. 8 2 G. v. 4. Juli 1879 und Bem. dazu.

4

A 2.

Gesetz betreffen) die Verkündung der Gesetze nnd Verordnungen.1 2 Vom 3. Juli 1871.

G.-Bl. S. 2.

§ 1. Die für Elsaß-Lothringen erlassenen Gesetze und Kaiserlichen Verordnungen erhalten ihre ver­ bindliche Kraft durch ihre Verkündung in einem Gesetzblatt, welches den Titel „Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen" führt und vom Reichs-Kanzler-Amt2 herausgegeben wird. Die Präfekten werden, soweit 1. Ueber Verkündung der Reichsgesetze s. Art. 2 R.-B.; über Verkündung von Bekm. der Landesverwaltung s. Bekm. v. 27. März u. v. 8. Dez. 1879; s. ferner betr. Veröffentlichung von Verfügungen der Reichsbehörden Bekm. v. 22. De­ zember 1872. 2. Vom Ministerium in Straßburg, § 22 G. v. 8. Juli 1879.

nöthig, dafür sorgen, daß eine französische Uebersetzung dieser Gesetze und Verordnungen durch das Amtsblatt des Departements bekannt gemacht wird. 2. Sofern nicht in dem verkündeten Gesetze ein anderer Anfangs-Termin seiner verbindlichen Kraft bestimmt ist, beginnt diese mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des Gesetzblattes in Berlin 3 ausgegeben worden ist.

3. In Straßburg, § 22 G. v. 4. Juli 1879.

A 3

Gesetz betreffend die Einführung der Verfassung des Deutsche« Keichs in Elsaß-Lothringen. Vom 25. Juni 1873. G.-Bl. S. 131.

§ 1. Die durch Gesetz vom 16. April 1871 verkündete Berfassung des Deutschen Reichs tritt in der durch die Gesetze vom 24. Februar 1873 und 3. März 1873 (Reichs-Gesetzbl. 1873 S. 45, S. 47) abgeänderten, aus der Anlage I sich ergebenden Fassung in Elsaß-Lothringen vom 1. Januar 1874 ab, unbeschadet der Geltung der bereits eingeführten Bestimmungen, mit den in den nachfolgenden §§ 2 bis 5 enthaltenen Maßgaben in Wirksamkeit. 2. Dem in Artikel 1 der Verfassung bezeichneten Bundesgebiete tritt das Gebiet des Reichslandes Elsaß-Lothringen hinzu. 3. Bis zu der in Artikel 20 der Verfassung vorbehaltenen gesetzlichen Regelung werden in Elsaß-Lothringen 15 Abgeordnete zum Deutschen Reichstage gewählt. 4. Die in Artikel 35 der Verfassung erwähnte Besteuerung des inländischen Bieres bleibt der inneren Gesetzgebung bis auf Weiteres Vorbe­ halten. An dem in die Reichskasse fließenden Ertrage der Steuer von Bier und an dem diesem Ertrage entsprechenden Theile des in Artikel 38 Absatz 3 erwähnten Aversums hat Elsaß-Lothringen keinen Theil. 5. Die Beschränkungen, welchen die Erhebung von Abgaben für Rechnung von Kommunen nach Artikel 5 des Zollvereinigungsvertrages vom 8. Juli 1867 (Art. 40 der Verfassung) unterliegt, finden auf die in Elsaß-Lothringen bestehenden Bestimmungen üfcer das Octroi bis auf Weiteres keine Anwendung. 6. Das Wahlgesetz für den Deutschen Reichstag vom 31. Mai 1869 tritt in der anliegenden, dem Gesetze vom 16. April 1871 entsprechenden Fassung (Anlage II) in Elsaß-Lothringen am 1. Januar 1874 in Kraft.

Die in § 6 des Wahlgesetzes vorgesehene Ab­ grenzung der Wahlkreise erfolgt bis zu der vor­ behaltenen reichsgesetzlichen Bestimmung durch Beschluß des Bundesrathes.1 7. Wo in den in Elsaß-Lothringen bereits eingeführten Gesetzen des Norddeutschen Bundes, welche durch § 2 des Gesetzes vom 16. April 1871 zu Reichsgesetzen erklärt sind, von dem Norddeutschen Bunde, dessen Verfassung, Gebiet, Mitgliedern oder Staaten, Jndigenat, verfassungs­ mäßigen Organen, Angehörigen, Beamten, Flagge ii. s. w. die Rede ist, sind das Deutsche Reich und dessen entsprechende Beziehungen zu verstehen. Dasselbe gilt von denjenigen im Norddeutschen Bunde ergangenen Gesetzen, welche in der Folge in Elsaß-Lothringen eingeführt werden. 8. Auch nach Einführung der Verfassung und bis zu anderweiter gesetzlicher Regelung kann der Kaiser unter Zustimmung des Bundesrathes, während der Reichstag nicht versammelt ist, Verordnungen mit gesetzlicher Kraft erlassen.2 Dieselben dürfen nichts bestimmen, was der Ver­ fassung oder den in Elsaß-Lothringen geltenden Reichsgesetzen zuwider ist, und sich nicht auf solche Angelegenheiten beziehen, in welchen nach § 3 Absatz 2 des die Vereinigung von ElsaßLothringen mit dem Deutschen Reiche betreffenden Gesetzes vom 9. Juni 1871 die Zustimmung des Reichstages erforderlich ist. Auf Grund dieser Ermächtigung erlassene Verordnungen sind dem Reichstage bei dessen nächstem Zusammentritt zur Genehmigung vorzu­ legen. Sie treten außer Kraft, sobald die Geneh­ migung versagt wird.

1. Vgl. Bekm. v. 1. Dez. 1873.

2. Durch § 21 G. v. 4. Juli 1879 ausdrücklich in Kraft erhalten.

A 4.

Verfassung des Deutschen Deichs.

zirten Gesetze ein anderer Anfangstermin seiner verbindlichen Kraft bestimmt ist, beginnt die letztere mit dem vierzehnten Tage nach dem Ab­ lauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stücke des Reichs-Gesetzblattes in Berlin ausge­ geben worden ist. 2 3. 3 Für ganz Deutschland besteht ein gemein­ sames Jndigenat mit der Wirkung, daß der An­ gehörige (Unterthan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in jedem andern Bundesstaate als Inländer zu behandeln und demgemäß zum festen Wohnsitz,4 zum Gewerbetriebe, zu öffentlichen Aemtern, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, auch in Betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu be­ handeln ist. Kein Deutscher darf in der Ausübung dieser Befugniß durch die Obrigkeit seiner Heimath, oder durch die Obrigkeit eines anderen Bundesstaates beschränkt werden. Diejenigen Bestimmungen, welche die Armen­ versorgung und die Aufnahme in den lokalen Gemeindeverband betreffen, werden durch den im ersten Absatz ausgesprochenen Grundsatz nicht

Leine Majestät der König von Preußen im Namen des Norddeutschen Bundes, Seine Maje­ stät der König von Bayern, Seine Majestät der König von Württemberg, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden und Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein für die südlich vom Main belegenen Theile des Großherzogthums Hessen, schließen einen ewigen Bund zum Schutze des Bundesgebietes und des innerhalb desselben gültigen Rechtes, sowie zur Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes. Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich führen und wird nachstehende

Verfassung haben. I. Bundesgebiet. Artikel 1. Das Bundesgebiet besteht aus den Staaten Preußen mit Lauenburg, Bayern, Sachsen,

Württemberg, Baden, Hessen, MecklenburgSchwerin, Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha, An­ halt , Schwarzburg - Rudolstadt, SchwarzburgSondershausen , Waldeck, Reuß älterer Linie, Reuß jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen und Hamburg.1

berührt. 5 Ebenso bleiben bis auf Weiteres die Verträge in Kraft, welche zwischen den einzelnen Bundes-

II. Reichsgesetzgebung. 2. Innerhalb dieses Bundesgebietes übt das Reich das Recht der Gesetzgebung nach Maßgabe des Inhalts dieser Verfassung und mit der Wirkung aus, daß die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen. Die Reichsgesetze erhalten ihre verbindliche Kraft durch ihre Verkündignng von Reichswegen, welche vermittelst eines ReichsGesetzblattes geschieht. Sofern nicht in dem publi1. Dazu Els.-Lothr., § 2 E.-G.

I

I

2. Ueber den Eintritt der verbindlichen Kraft der Gesetze rc. rc. in den Konsulargerichtsbezirken s. § 47 G. v. 10. Juli 1879. Vgl. auch Bekm. v. 22. Dezember 1872. 3. Art. 3 wurde in Els.-Lothr. durch § 2 G. v. 9. Juni 1871 eingeführt. 4. Auch zum Aufenthalt, s. 8 1 G. v. 1. Nov. 1867 über die Freizügigkeit.

5. Vgl. für Els.-Lothr. G. v. 24. Vendemiaire II u. G. v. 7. August 1851. Das G. über den Unterstützungswobnsitz ist in Els.-Lothr. nicht eingeführt.

A 4. Verfassung des Deutschen Reichs.

staaten in Beziehung auf die Uebernahme von Auszuweisenden, die Verpflegung erkrankter und die Beerdigung verstorbener Staatsangehörigen bestehen. 6 Hinsichtlich der Erfüllung der Militärpflicht im Verhältniß zu dem Heimathslande wird im Wege der Reichsgesetzgebung das Nöthige geordnet werden. Dem Auslande gegenüber haben alle Deutschen gleichmäßig Anspruch auf den Schutz des Reichs. 4. Der Beaufsichtigung seitens des Reichs und der Gesetzgebung desselben unterliegen die nach­ stehenden Angelegenheiten:7 1) die Bestimmungen über Freizügigkeit, Heimaths- und Niederlassungs-Verhältnisse, Staats­ bürgerrecht, Paßwesen und Fremdenpolizei und über den Gewerbebetrieb, einschließlich des Ver­ sicherungswesens, soweit diese Gegenstände nicht schon durch den Artikel 3 dieser Verfassung er­ ledigt sind, in Bayern jedoch mit Ausschluß der Heimaths- und Niederlassungs-Verhältnisse, des­ gleichen über die Kolonisation und die Auswan­ derung nach außerdeutscheil Ländern;8 2) die Zoll- und Haudelsgesetzbung und die für die Zwecke des Reichs zu verwendenden Steuern;9 10

3) die Ordnung des Maaß-, Münz- und Ge­ wichtssystems , nebst Feststellung der Grundsätze über die Emission von fundirtem und unfundirtem Papiergelde;^9

4) die allgemeinen Bankwesen;11 *

7. Bezüglich anderer der Aufsicht und Gesetzgebung des Reichs unterliegenden Gegenstände vgl. die Artt. 11, 18, 20, 69, 75, 76, 78 dieser Berfassung. 8. Auf Grund des Art. 4 Nr. 1 wurden insbesondere folgende Gesetze erlassen und bzw. in Els.-Lothr. eingeführt: Gesetz über die Freizügigkeit v. 1. Nov. 1867 (E.-G. v. 8. Jan. 1873), — Gesetz wegen Beseitigung der Doppelbe­ steuerung v 13. Mai 1870 (E.-G. v. 14. Jan. 1872), — Gesetz über Erwerb und Verlust der Bundes- und Staats­ angehörigkeit v. 1. Juni 1870 (E.-G. v. 8. Jan. 1873), — G. v. 20. Dez. 1875 betr. Naturalisation von Ausländern, welche im Reichsdienste angestellt sind. 9. S. G. v. 26. Mai 1868, betr. die Besteuerung des Tabaks (B. d. General-Gouv. v. 7. Juni 1871), — G. betr. Wechselstempelsteuer v. 10. Juni 1869 (E.-G. v. 14. Juli 1871), — Vereinszollgesetz v. 1. Juli 1869, G. die Besteue­ rung des Zuckers betr. v. 26. Juni 1869, G. betr. Erhebung einer Abgabe v. Salz v. 12. Juni 1867, Vereinszolltarif

und Zollkartel v. 11. Mai 1833 (E.-G. v. 17. Juli 1871), — Gesetz betreffend den Verkehr mit steuerpflichtigen Gegen­ ständen zwischen Els.-Lothr. und den übrigen Theilen des deutschen Zollgebiets v. 14. Dez. 1872, — G. v. 7. Juli 1873 betr. Abänderungen des Tarifs, — G. betr. den Spielkartenstempel v. 3. Juli 1878, — G. betr. den Zolltarif rc. rc. v. 15. Juli 1879, — G. betr. die Besteuerung des Tabaks v. 16. Juli 1879, — G. über den Markenschutz v. 30. Nov. 1874.

10. Maß- uud Gewichtsordnuug v. 17. August 1868 (E.-G. v. 19. Dez. 1874), — G. betr. Inhaber-Papiere mit Prä­ mien v. 8. Juni 1871 (E.-G. v. 27. Jan. 1872) u. Bekm.

v. 30. Jan. 1872, — G. betr. Ausprägung v. Reichsgold­ münzen v. 4. Dez. 1871, Münzgesetz v. 9. Juli 1873 (E.-G. v. 15. Nov. 1874’, und das abändernde G. v. 6. Jan. 1876, — G. betr. Ausgabe von Banknoten v. 21. Dez. 1874.

Bestimmungen

über

das

5) die Erfindungspatente; 12 6) der Schutz des geistigen Eigenthums;13 *

7) Organisation eines gemeinsamen Schutzes des deutschen Handels im Auslande, der deutschen Schifffahrt und ihrer Flagge zur See und An­ ordnung gemeinsamer konsularischer Vertretung, welche vom Reiche ausgestattet wird;^ 8) daH Eisenbahnwesen, in Bayern vorbehalt­ lich der Bestimmung im Artikel 46, und die Herstellung von Land- und Wasserstraßen im Interesse der Landesvertheidigung und des all­ gemeinen Verkehrs;15 *

9) der Flößerei- und Schifffahrtsbetrieb aus den mehreren Staaten gemeinsamen Wasserstraßen und der Zustand der letzteren, sowie die Fluß- und sonstigen Wasserzölle, desgleichen die Seeschifffahrtszeichen (Leuchtfeuer, Tonnen, Baken und

sonstige Tagesmarken); 10) das Post- und Telegraphenwesen, jedoch in Bayern und Württemberg nur nach Maßgabe der Bestimmung im Artikel 52 ; 11) Bestimmungen über die wechselseitige Voll­ streckung von Erkenntnissen in Civilsachen und Erledigung von Requisitionen überhaupt;17

12) sowie über die Beglaubigung von öffent­ lichen Urkunden;18 13) die

6. S. Gothaer Vertrag v. 15. Juli 1851 (E.-G. v. 8. Januar 1873) und Eisenacher Konvention v. 11. Juli 1853 (Bekm. v. 16. Januar 1874).

7

gemeinsame

Gesetzgebung

über

das

11. Bankgesetz v. 14. März 1875. 12. Patentgesctz v. 25. Mai 1877.

13. S. G. über das Urheberrecht an Schriftwerken rc. rc. v. 11. Juni 1870 (E.-G. v. 27. Jan. 1873), — G. betr. Ur­ heberrecht an Werken der bildenden Künste v. 9. Jan. 1876, — G. betr. Schutz der Photographie» gegen unbefugte Nach­ bildung v. 10. Jan. 1876, — G. betr. Urheberrecht an Mustern und Modellen v. 11. Jan. 1876. 14. S. G. über Eheschließung und Beurkundung des Per­ sonenstandes von Bundes-Angehörigen im Auslande v. 4. Mai 1870 (E.-G. v. 8. Febr. 1875). — G. betr. die deutsche Seewarte v. 9. Jan. 1875, — Ges. betr. Unters, v. Seeun­ fällen v. 27. Juli 1877, — G. über die Konsulargerichts­

barkeit v. 10. Juli 1879, — (Das G. v. 25. Okt. 1867 betr. die Nationalität der Kauffahrteischiffe u. das G. v. 7 Okt. 1867 betr. die Organisation der Bundeskonsulate sind in Els. Lothr. nicht besonders verkündet.) 15. S. Betriebsreglement v. 10. Juni 1870 (Bekm. v. 22. Dez, 1871). — Bahnpolizeireglement und Signalordnung v.

4. Jan. 1875. 16. G. v. 16. Mai 1869 betr. Einführung v. Telegraphen­ freimarken (E.-G. v. 8. Febr. 1875), — G. v. 5. Juni 1869 betr. Portofreiheiten rc. rc. (E.-G. v. 1. März 1872), — G. über das Postwesen u. G. über das Posttaxwesen v. 28. Okt. 1871 (E.-G. v. 4. Nov. 1871), und abändernde Ges. v. 17. Mai 1873 (E.-G. v. 8. Febr. 1875) u. 3. Nov. 1874, — Bekm. betr. portopflichtige Korrespondenz zwischen Behörden verschiedener Bundesstaaten v. 29. August 1870 (E.-Bekm. v. 17. April 1872), — Telegraphen-Ordnung für das deutsche Reich v. 21. Juni 1872, — B. betr. Verwaltung des Post-

und Telegraphenweseus v. 22. Dez. 1875.

17. Rechtshülfegesetz v. 21. Juni 1869 (E.-G. v. 11. De­ zember 1871).

18.

G. über die Beglaubigung öffentlicher Urkunden v.

1. Mai 1878.

A 4. Berfassung des Deutschen Reichs.

8

gesammte bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren;^ 14) das Militärwesen des Reichs und die Kriegsmarine;19 20 21 22 15) Maßregeln der Medizinal- und Veterinär­ polizei ; 2i 16) die Bestimmungen

über

die

Presse

Uebertrag Mecklenburg-Strelitz . . Oldenburg . Braunschweig . . Sachsen-Meiningen Sachsen-Altenburg. . Sachsen-Koburg-Gotha Anhalt................................. Schwarzburg-Rudolstadt. . Schwarzburg-Sondershausen Waldeck............................ Reuß älterer Linie . Reuß jüngerer Linie . Schaumburg-Lippe. Lippe . Lübeck . Bremen Hamburg. .

und

das Bereinswesen. 5. Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrath und den Reichstag. Die Ueber­ einstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Ver­ sammlungen ist zu einem Reichsgesetze erforderlich und ausreichend. Bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen, die Kriegsmarine und die im Artikel 35 bezeich­ neten Abgaben gibt, wenn im Bundesrathe eine Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums den Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der bestehenden Einrichtungen

ausspricht. III. Bundesrath.

6. Der Bundesrath besteht 22 aus den Ver­ tretern der Mitglieder des Bundes, unter welchen die Stimmführung sich in der Weise vertheilt, daß Preußen mit den ehemaligen Stimmen von Hannover, Kurhessen, Holstein, Nassau und Frank. 17 Stimmen furt....................................... 6 führt, Bayern 4 Sachsen . . 4 Württemberg 3 Baden. 3 Hessen............................ 2 Mecklenburg-Schwerin . 1 Sachsen-Weimar

Ueberzutragen 40 Stimmen.

19. Nr. 13 in der Fassung des G. v. 20. Dez. 1873. — Zu Nr. 13 vgl. außer den Gesetzbüchern und den dazu erlassenen Kosten- und Gebühren-Gesetzen, G. v. 4. Juli 1868 betr. die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschafts­ genossenschaften (E.-G. v. 12. Juli 1872), — G. v. 7. Juni 1871 betr. die Verbindlichkeit zum Schadenersatz für die bei dem Betrieb von Eisenbahnen, Bergwerken u. s. w. herbei­ geführten Tödtungen und Körperverletzungen (E.-G. v. 1. Nov. 1872), — Ges. betr. Aufgebot und Amortisation ver­ nichteter oder verlorener Schuldurkunden v. 20. Dez. 1873 (E.-G. v. 8. Febr. 1875), — G. über die Beurkundung des Personenstandes u. die Eheschließung v. 6. Febr. 1875, — G. über das Alter der Großjährigkeit v. 17. Februar 1875, — G. über eingeschriebene Hilfskassen v. 7. April 1876, — G. gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der SocialDemokratie v. 21. Okt. 1878, — G. betr. Verkehr mit Nah­ rungsmitteln v. 14. Mai 1879, — G. betr. Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkurs­ verfahrens v. 21. Juli 1879. 20. Dgl. zu Abschnitt XL

21. S. G. v. 7. April 1869 betr. Maßregeln gegen die Rinderpest (E.-G. v. 11. Dez. 1871), — G. v. 15. Juli 1872 betr. Einführung v. Art. 29 G.-O, — Jmpfgesetz v. 8. April 1874, — G. betr. Verkehr mit Arzneimitteln v. 4. Jan. 1875, — G. betr. Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Vieh­ beförderungen auf Eisenbahnen v. 25. Febr. 1876. 22. Vgl. hierzu § 7 G. v. 4. Juli 1879.

40 Stimmen. 1 1 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

zusammen 58 Stimmen.

Jedes Mitglied des Bundes kann so viel Be­ vollmächtigte zum Bundesrathe ernennen, wie es Stimmen hat, doch kann die Gesammtheit der zuständigen Stimmen nur einheitlich abgegeben werden. 7. Der Bundesrath beschließt: 1) über die dem Reichstage zu machenden Vor lagen und die von demselben gefaßten Beschlüsse; 2) über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Berwaltungsvorschriften und Einrichtungen, sofern nicht durch Reichsgesetz etwas Anderes bestimmt ist; 3) über Mängel, welche bei der Ausführung der Reichsgesetze oder der vorstehend erwähnten Vorschriften oder Einrichtungen hervortreten. Jedes Bundesglied ist befugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu bringen, und das Präsidium ist verpflichtet, dieselben der Berathung zu übergeben. Die Beschlußfassung erfolgt, vorbehaltlich der Bestimmungen in den Artikeln 5, 37 und 78, mit einfacher Mehrheit. Nicht vertretene oder nicht instruirte Stimmen werden nicht gezählt. Bei Stimmengleichheit gibt die Präsidialstimme den Ausschlag. Bei der Beschlußfassung über eine Angelegen­ heit, welche nach den Bestimmungen dieser Ver­ fassung nicht dem ganzen Reiche gemeinschaftlich ist, werden die Stimmen nur derjenigen Bundes­ staaten gezählt, welchen die Angelegenheit gemein­ schaftlich ist.

8. Der Bundesrath bildet aus seiner Mitte dauernde Ausschüsse

1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)

für für für für für für für

das Landheer und die Festungen; das Seewesen; Zoll- und Steuerwesen; Handel und Verkehr; Eisenbahnen, Post und Telegraphen; Justizwesen; Rechnungswesen.

A 4. Berfassung des Deutschen Reichs. In jedem dieser Ausschüsse werden außer dem Präsidium mindestens vier Bundesstaaten ver­ treten sein, und führt innerhalb derselben jeder Staat nur Eine Stimme. In dem Ausschuß für das Landheer und die Festungen hat Bayern einen ständigen Sitz, die übrigen Mitglieder des­ selben, sowie die Mitglieder des Ausschusses für das Seewesen werden vom Kaiser ernannt; die Mitglieder der anderen Ausschüsse werden von dem Bundesrathe gewählt. Die Zusammensetzung dieser Ausschüsse ist für jede Session des Bundes­ rathes resp, mit jedem Jahre zu erneuern, wobei die ausscheidenden Mitglieder wieder wählbar­ sind. Außerdem wird im Bundesrathe aus den Be­ vollmächtigten der Königreiche Bayern, Sachsen und Württemberg und zwei, vom Bundesrathe alljährlich zu wählenden Bevollmächtigten anderer Bundesstaaten ein Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten gebildet, in welchem Bayern den Vorsitz führt. Den Ausschüssen werden die zu ihreu Arbeiten nöthigen Beamten zur Verfügung gestellt. 9. Jedes Mitglied des Bundesrathes hat das Recht, im Reichstage zu erscheinen und muß da­ selbst auf Verlangen jederzeit gehört werden, um die Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben von der Majorität des Bundesrathes nicht adoptirt worden sind. Nie­ mand kann gleichzeitig Mitglied des Bundes­ rathes und des Reichstages sein. 10. Dem Kaiser liegt es ob, den Mitgliedern des Bundesrathes den üblichen diplomatischen Schutz zu gewähren.

IV.

Präsidiu m.

11. Das Präsidium des Bundes steht dem Könige von Preußen zu, welcher den Namen Deutscher Kaiser führt. Der Kaiser hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen. Zur Erkürung des Krieges im Namen des Reichs ist die Zustimmung des Bundesrathes er­ forderlich, es sei denn, daß ein Angriff auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt. Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche Gegenstände beziehen, welche nach Artikel 4 in den Bereich der Reichsgesetzgebung gehören, ist zu ihrem Abschluß die Zustimmung des Bundesrathes und zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung des Reichstages erforderlich. 12. Dem Kaiser steht es zu, den Bundesrath und den Reichstag zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen. 13. Die Berufung des Bundesrathes und des Reichstages findet alljährlich statt und kann der Bundesrath zur Vorbereitung der Arbeiten ohne

9

den Reichstag, letzterer aber nicht ohne den Bun­ desrath berufen werden. 14. Die Berufung des Bundesrathes muß er­ folgen, sobald sie von einem Drittel der Stim­ menzahl verlangt wird. 15. Der Vorsitz im Bundesrathe und die Lei­ tung der Geschäfte steht dem Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist. Der Reichskanzler kann sich durch jedes andere Mitglied des Bundesrathes vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen. 16. Die erforderlichen Vorlagen werden nach Maßgabe der Beschlüsse des Bundesrathes im Namen des Kaisers an den Reichstag gebracht, wo sie durch Mitglieder des Bundesrathes oder durch besondere von letzterem zu ernennende Kommissarien vertreten werden. 17. Dem Kaiser steht die Ausfertigung und Verkündigung der Reichsgesetze und die Ueber" wachung der Ausführung derselben zu. Die An­ ordnungen und Verfügungen des Kaisers werden im Namen des Reichs erlassen und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichs­ kanzlers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.23 18. Der Kaiser ernennt die Reichsbeamten, läßt dieselben für das Reich vereidigen und ver­ fügt erforderlichen Falles deren Entlassung. 24 Den zu einem Reichsamte berufenen Beamten eines Bundesstaates stehen, sofern nicht vor ihrem Eintritt in den Reichsdienst im Wege der Reichs­ gesetzgebung etwas Anderes bestimmt ist,25 dem Reiche gegenüber diejenigen Rechte zu, welche ihnen in ihrem Heimathslande aus ihrer dienst­ lichen Stellung zugestanden hatten. 19. Wenn Bundesglieder ihre verfassungsmä­ ßigen Bundespflichten nicht erfüllen, können sie dazu im Wege der Execution angehalten werden. Diese Execution ist vom Bundesrathe zu be­ schließen und vom Kaiser zu vollstrecken.

V. Reichstag. 20. Der Reichstag geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor. Bis zu der gesetzlichen Regelung, welche im § 5 des Wahlgesetzes vom 31. Mai 1869 (BundesGesetzbl. 1869, S. 145) Vorbehalten ist, werden 23. Vgl. G. v. 17. März 1878. — Dem Reichskanzler als höchsten Reichsbeamten unterstehen folgende Aemter zu unmittelbarer Leitung: Das Reichsamt des Innern, früher Reichskanzleramt (Erl. v. 24. Dez. 1879), das Auswärtige Amt, die Kais. Admiralität (Erl. v. 1. Jan. 1872), das General-Post- und Telegraphenamt (§ 1 B. v. 22. Dez. 1875), das Reichsjustizamt, das Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen, das Reichsschatzamt (Erl. v. 14. Juli 1879); s. auch § 26 des Bankgesetzes v. 14. März 1875 und §§ 11 u. 12 G. v. 23. Mai 1873 betr. Verwaltung des Reichsinvalidenfonds.

24. Vgl. unten Artt. 36 Abs. 2, 50, 53, 56, 64. 25. S. jetzt G. v. 31. März 1873 betr. die Rechtsverhält­ nisse der Reichsbeamten.

10

A 4. Verfassung des Deutschen Reichs.

in Bayern 48, in Württemberg 17, in Baden 14, in Hessen südlich des Main 6 Abgeordnete gewählt, und beträgt demnach die Gesammtzahl der Abgeordneten 382. 26 21. Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Ein­ tritt in den Reichstag. Wenn ein Mitglied des Reichstages ein besol­ detes Reichsamt oder in einem Bundesstaat ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Reichs­ oder Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Ge­ halt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in dem Reichstag und kann eine Stelle in demselben nur durch neue Wahl wieder erlangen. 22. Die Verhandlungen des Reichstages sind öffentlich. Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Reichstages bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei. 23. Der Reichstag hat das Recht, innerhalb der Kompetenz des Reichs Gesetze vorzuschlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem Bundes­ rathe resp. Reichskanzler zu überweisen. 24. Die Legislaturperiode des Reichstages dauert drei Jahre. Zur Auflösung des Reichstages während derselben ist ein Beschluß des Bundes­ rathes unter Zustimmung des Kaisers erforderlich. 25. Im Falle der Auflösung des Reichstages müssen innerhalb eines Zeitraumes von 60 Tagen nach derselben die Wähler und innerhalb eines Zeitraumes von 90 Tagen nach der Auflösung der Reichstag versammelt werden. 26. Ohne Zustimmung des Reichstages darf die Vertagung desselben die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden. 27. Der Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder und entscheidet darüber. Er regelt seinen Geschäftsgang und seine Disziplin durch eine Geschäfts-Ordnung und erwählt seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten und Schrift­ führer. 28. Der Reichstag beschließt nach absoluter Stimmenmehrheit. Zur Gültigkeit der Beschluß­ fassung ist die Anwesenheit der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich. 29. Die Mitglieder des Reichstages sind Ver­ treter des gesammten Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden. 30. Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Aeußerungen gerichtlich oder disziplinarisch ver­ folgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.2? 31. Ohne Genehmigung des Reichstages kann kein Mitglied desselben während der Sitzungs26. Dazu nach § 3 E.-G. 15 für Els.-Lothr.; jetzt also 397. 27. Vgl. § 11 St.-G.-B.

Periode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird. Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden erforderlich. Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied desselben und jede Untersuchungs- oder Civilhaft für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben. 32. Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung be­ ziehen. VI. Zoll- und Handelswesen. 33.28 Deutschland bildet ein Zoll- und Han­ delsgebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zoll­

grenze. Ausgeschlossen bleiben die wegen ihrer Lage zur Einschließung in die Zollgrenze nicht geeigneten einzelnen Gebietstheile. 29 Alle Gegenstände, welche im freien Verkehr eines Bundesstaates befindlich sind, können in jeden anderen Bundesstaat eingeführt und dürfen in letzterem einer Abgabe nur insoweit unter­ worfen weroen, als daselbst gleichartige inländische Erzeugnisse einer inneren Steuer unterliegen. 34. Die Hansestädte Bremen und Hamburg mit einem dem Zweck entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes bleiben als Frei­ häfen außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze, bis sie ihren Einschluß in dieselbe beantragen. 35. Das Reich ausschließlich hat die Gesetzge­ bung über das gesammte Zollwesen, über die Besteuerung des im Bundesgebiete gewonnenen Salzes und Tabacks, bereiteten Branntweins und Bieres und aus Rüben oder anderen inländischen Erzeugnissen dargestellten Zuckers und Syrups, über den gegenseitigen Schutz der in den einzelnen Bundesstaaten erhobenen Verbrauchsabgaben gegen Hinterziehungen, sowie über die Maßregeln, welche in den Zollausschlüssen zur Sicherung der gemein­ samen Zollgrenze erforderlich sind. In Bayern, Württemberg und Baden bleibt die Besteuerung des inländischen Branntweins und Bieres der Landesgesetzgebung Vorbehalten.30 28 29 Die Bundesstaaten werden jedoch ihr Bestreben darauf richten, eine Uebereinstimmung der Gesetz­ gebung über die Besteuerung auch dieser Gegen­ stände herbeizuführen. 36. Die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern (Art. 35) bleibt jedem Bundesstaate, soweit derselbe sie bisher ausgeübt hat, innerhalb seines Gebietes überlassen. Der Kaiser überwacht die Einhaltung des ge­ setzlichen Verfahrens durch Reichsbeamte, welche

28. Art. 33 wurde schon durch G. v. 17. Juli 1871 in Els.-Lothr. eingeführt, und ist seit 1. Jan. 1872 in Kraft. 29. S. Art. 6 des Zollvereinsvertrags v. 8. Juli 1867. 30. Für EU.-Lothr. s. § 4 E.-G.

A 4. Verfassung des Deutschen Reichs. er den Zoll- oder Steuerämtern und den Direktivbehörden der einzelnen Staaten, nach Verneh­ mung des Ausschusses des Bundesrathes für Zoll- und Steuerwesen, beiordnet. Die von diesen Beamten über Mängel bei der Ausführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35) gemachten Anzeigen werden dem Bun­ desrathe zur Beschlußnahme vorgelegt. 37. Bei der Beschlußnahme über die zur Ausführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35) dienenden Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen gibt die Stimme des Präsidiums alsdann den Ausschlag, wenn sie sich für Aufrechthaltmlg der bestehenden Vorschrift oder Eile­ richtung ausspricht. 38. Der Ertrag der Zölle und der anderen in Artikel 35 bezeichneten Abgaben, letzterer soweit sie der Reichsgesetzgebung unterliegen, fließt in die Reichskasse. Dieser Ertrag besteht aus der gesammten von den Zöllen und den übrigen Abgaben aufgekom­ menen Einnahme nach Abzug: 1) der auf Gesetzen oder allgemeinen Verwal­ tungsvorschriften beruhenden Steuervergütungen und Ermäßigungen, 2) der Rückerstattungen für unrichtige Erhebungen, 3) der Erhebungs- und Verwaltungskosten, und zwar: a) bei den Zöllen der Kosten, welche an den gegen das Ausland gelegenen Grenzen und in dem Grenzbezirke für den Schutz und die Erhebung der Zölle erforderlich sind, b) bei der Salzsteuer der Kosten, welche zur Besoldung der mit Erhebung und Kontrolirung dieser Steuer auf den Salzwerken beauftragten Beamten aufgewendet werden, c) bei der Rübenzuckersteuer und Taback­ steuer der Vergütung, welche nach beit jeweiligen Beschlüssen des Bundesrathes den einzelnen Bundesregierungen für die Kosten der Verwaltung dieser Steuern zu

gewähren ist, e) bei den übrigen Steuern mit fünfzehn Prozent der Gesammteinnahme. Dir außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze liegenden Gebiete tragen zu den Ausgaben des Reichs durch Zahlung eines Aversums bei. Bauern, Württemberg und Baden haben an dem in die Reichskasse fließenden Ertrage der Steuern von Branntwein und Bier und an dem diesen. Ertrage entsprechenden Theile des vorstehew erwähnten Aversums keinen Theil. 3* 39. Die von den Erhebungsbehörden der Bundesstcuten nach Ablauf eines jeden Vierteljahres aufMellenden Quartal-Extrakte und die nach dem Wahres- und Bücherschlusse aufzustellenden FinaUbschlüsse über die im Laufe des Viertel­ jahres beziehungsweise während des Rechnungs­ 31. smr Els.-Lothr. f. § 4 E.-G.

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jahres fällig gewordenen Einnahmen an Zöllen und nach Artikel 38 zur Reichskasse fließenden Verbrauchsabgaben werden von den Direktivbehörden der Bundesstaaten, nach vorangegangener Prüfung, in Hauptübersichten zusammengestellt, in welchen jede Abgabe gesondert nachzuweisen ist, und es werden diese Uebersichten an den Ausschuß des Bundesrathes für das Rechnungs­ wesen eingesandt. Der letztere stellt auf Grund dieser Uebersichten von drei zu drei Monaten den von der Kasse jedes Bundesstaates der Reichskasse schuldigen Betrag vorläufig fest und setzt von dieser Fest­ stellung den Bundesrath und die Bundesstaaten in Kenntniß, legt auch alljährlich die schließliche Feststellung jener Beträge mit seinen Bemerkungen dem Bundesrathe vor. Der Bundesrath beschließt über diese Feststellung. 40. Die Bestimmungen in dem Zollvereinigungsvertrage vom 8. Juli 1867 bleiben in Kraft, soweit sie nicht durch die Vorschriften dieser Ver­ fassung abgeändert sind31 32 und so lange sie nicht auf denl im Artikel 7 beziehungsweise 78 be­ zeichneten Wege abgeändert werden.

VII. Eisenbahnwesen.33 41. Eisenbahnen, welche im Interesse der Ver­ theidigung Deutschlands oder im Interesse des gemeinsamen Verkehrs für nothwendig erachtet werden, können kraft eines Reichsgesetzes auch gegen den Widerspruch der Bundesglieder, deren Gebiet die Eisenbahnen durchschneiden, unbeachtet der Landeshoheitsrechte, für Rechnung des Reichs angelegt oder an Privatunternehmer zur Ausfüh­ rung konzessionirt und mit dem Expropriations­ rechte ausgestattet werden. Jede bestehende Eisenbahnverwaltung ist ver­ pflichtet, sich den Anschluß neu angelegter Eisen­ bahnen auf Kosten der letzteren gefallen zu lassen. Die gesetzlichen Bestimmungen, welche bestehen­ den Eisenbahn-Unternebmungen ein Widerspruchs­ recht gegen die Anlegung von Parallel- oder Konkurrenzbahnen einräumen, werden, unbeschadet bereits erworbener Rechte, sür das ganze Reich hierdurch aufgehoben. Ein solches Widerspruchs­ recht kann auch in den künftig zu ertheilenden Konzessionen nicht weiter verliehen werden. 42. Die Bundesregierungen verpflichten sich, die deutschen Eisenbahnen im Interesse des allge­ meinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz ver­ walten und zu diesem Behuf auch die neu her­ zustellenden Bahnen nach einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen. 43. Es sollen demgemäß in thunlichster Be­ schleunigung übereinstimmende Betriebseinrich32. Ueber die Abänderungen vgl. namentlich Bem. zu Art. 1 Abs. 1, Artt. 6-9, Art. 10 Abs. 1, Artt. 11 u. 28 des Zollvereinigungsvertrags.

33. Abschnitt VII ist in Els.-Lothr. schon durch G. v. 11. Dez. 1871 eingeführt u. seit 1. Jan. 1872 in Kraft.

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A 4. Verfassung des Deutschen Reichs.

tungen getroffen, insbesondere gleiche BahnpolizeiReglements^ eingeführt werden. Das Reich hat dafür Sorge zu tragen, daß die Eisenbahnver­ waltungen die Bahnen jederzeit in einem die nöthige Sicherheit gewährenden baulichen Zustande erhalten und dieselben mit Betriebsmaterial so ausrüsten, wie das Verkehrsbedürfniß es erheischt. 44. Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, die für den durchgehenden Verkehr und zur Her­ stellung ineinander greifender Fahrpläne nöthigen Personenzüge mit entsprechender Fahrgeschwin­ digkeit, desgleichen die zur Bewältigung des Güterverkehrs nöthigen Güterzüge einzuführen, auch direkte Expeditionen im Personen- und Güterverkehr, unter Gestattung des Ueberganges der Transportmittel von einer Bahn auf die andere, gegen die übliche Vergütung einzurichten. 45. Dem Reiche steht die Kontrole über das Tarif­ wesen zu. Dasselbe wird namentlich dahin wirken : 1) daß baldigst auf allen deutschen Eisenbahnen übereinstimmende Betriebsreglements eingeführt werden;34 35 36 2) daß die möglichste Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife erzielt, insbesondere, daß bei größeren Entfernungen für den Transport von Kohlen, Koaks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roheisen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegen­ ständen ein dem Bedürfniß der Landwirthschaft und Industrie entsprechender ermäßigter Tarif, und zwar zunächst thunlichst der Einpfennig-Tarif eingeführt werde. 46. Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, sind die Eisenbahnverwaltungen verpflichtet, für den Transport namentlich von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten und Kartoffeln zeitweise einen dem Bedürfniß entsprechenden, von dem Kaiser auf Vorschlag des betreffenden Bundesraths-Ausschusses festzustellenden, niedrigen Spezialtarif einzuführen, welcher jedoch nicht unter den niedrigsten auf der betreffenden Bahn für Rohprodukte geltenden Satz herabgehen darf. Die vorstehend, sowie die in den Artikeln 42 bis 45 getroffenen Bestimmungen sind auf Bayern nicht anwendbar. Dem Reiche steht jedoch auch Bayern gegenüber das Recht zu, im Wege der Gesetzgebung einheit­ liche Normen für die Konstruktion und Ausrüstung der für die Landesvertheidigung wichtigen Eisen­ bahnen aufzustellen. 47. Den Anforderungen der Behörden des Reichs in Betreff der Benutzung der Eisenbahnen zum Zweck der Vertheidigung Deutschlands haben sämmtliche Eisenbahnverwaltungen unweigerlich Folge zu leisten. Insbesondere ist das Militär und alles Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern.

VIII. Post- und Telegraphenwesen. 33 48. Das Postwesen und das Telegraphenwesen werden für das gesammte Gebiet des Deutschen Reichs als einheitliche Staats-Verkehrsanstalten eingerichtet und verwaltet. Die im Artikel 4 vorgesehene Gesetzgebung des Reichs in Post- und Telegraphen-Angelegenheiten erstreckt sich nicht auf diejenigen Gegenstände, deren Regelung nach den in der norddeutschen Postund Telegraphen-Verwaltung maßgebend gewesenen Grundsätzen der reglementarischen Festsetzung oder administrativen Anordnung überlassen ist. 49. Die Einnahmen des Post- und Telegraphen­ wesens sind für das ganze Reich gemeinschaftlich. Die Ausgaben werden aus den gemeinschaftlichen Einnahmen bestritten. Die Ueberschüsse fließen in

die Reichskasse (Abschn. XII). 50. Dem Kaiser gehört die obere Leitung der Post- und Telegraphen-Verwaltung an. Die von ihm bestellten Behörden haben die Pflicht und das Recht, dafür zu sorgen, daß Einheit in der Or­ ganisation der Verwaltung und im Betriebe des Dienstes, sowie in der Qualifikation der Beamten hergestellt und erhalten wird. Dem Kaiser steht der Erlaß der reglementa­ rischen Festsetzungen und allgemeinen administra­ tiven Anordnungen, sowie die ausschließliche Wahrnehmung der Beziehungen zu anderen Postund Telegraphen-Verwaltungen zu. 37 Sämmtliche Beamte der Post- und TelegraphenVerwaltung sind verpflichtet, den Kaiserlichen Anordnungen Folge zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den Diensteid aufzunehmen. Die Anstellnng der bei den Verwaltungs­ behörden der Post und Telegraphie in den ver­ schiedenen Bezirken erforderlichen oberen Beamten (z. B. der Direktoren, Räthe, Ober-Inspektoren), ferner die Anstellung der zur Wahrnehmung des Aufsichts- u. s. w. Dienstes in den einzelnen Bezirken als Organe der erwähnten Behörden fungirenden Post- und Telegraphenbeamten (z. B. Inspektoren, Kontroleure), geht für das ganze Gebiet des Deutschen Reichs vom Kaiser aus, welchem diese Beamten den Diensteid leisten. Den einzelnen Landesregierungen wird von den in Rede stehenden Ernennungen, soweit dieselben ihre Gebiete betreffen, behufs der landesherrlichen Bestätigung und Publikation rechtzeitig Mit­

theilung gemacht werden. Die anderen bei den Verwaltungsbehörden der Post und Telegraphie erforderlichen Beamten, sowie alle für den lokalen und technischen Betrieb bestimmten, mithin bei den eigentlichen Betriebs-

36. Abschnitt VIII ist in Els.-Lothr. schon durch G. v. 14. Okt. 1871 eingeführt u. seit 1. Jan. 1872 in Kraft.

34. S. Bem. 15.

37. § 50 des Postgesetzes v. 28. Okt. 1871 überträgt die hier dem Kaiser vorbehaltenen Befugnisse zum Theil auf

35. S. Bem. 15.

dsn Reichskanzler u. Bundesrath.

A 4. Verfassung des Deutschen Reichs.

stellen fungirenden Beamten u. s. w., werden von den betreffenden Landesregierungen angestellt. Wo eine selbständige Landes-Post- resp. Telegraphen-Verwaltung nicht besteht, entscheiden die Bestimmungen der besonderen Verträge. öl. Bei Ueberweisung des Ueberschusses der Postverwaltung für allgemeine Reichszwecke (Art. 49) soll, in Betracht der bisherigen Ver­ schiedenheit der von den Landes-Postverwaltungen der einzelnen Gebiete erzielten Reineinnahmen, zum Zwecke einer entsprechenden Ausgleichung während der unten festgesetzten Uebergangszeit folgendes Verfahren beobachtet werden. Aus den Postüberschüssen, welche in den ein­ zelnen Postbezirken während der fünf Jahre 1861 bis 1865 aufgekommen sind, wird ein durchschnittlicher Jahresüberschuß berechnet, und der Antheil, welchen jeder einzelne Postbezirk an dem für das gesammte Gebiet des Reichs sich darnach herausstellenden Postüberschusse gehabt hat, nach Prozenten festgestellt. Nach Maßgabe des auf diese Weise festgestellten Verhältnisses werden den einzelnen Staaten während der auf ihren Eintritt in die ReichsPostverwaltung folgenden acht Jahre die sich für sie aus den im Reiche aufkommenden Postüberschüffen ergebenden Quoten auf ihre sonstigen Beiträge zu Reichszwecken zu gute gerechnete Nach Ablauf der acht Jahre hört jene Unter­ scheidung auf, und fließen die Postüberschüsse in ungeteilter Aufrechnung nach dem im Artikel 49 enthaltenen Grundsatz der Reichskasse zu. Von der während der vorgedachten acht Jahre für die Hansestädte sich herausstellenden Quote des Postüberschusses wird alljährlich vorweg die Hälfte dem Kaiser zur Disposition gestellt zu dem Zwecke, daraus zunächst die Kosten für die Herstellung normaler Posteinrichtungen in den Hansestädten zu bestreiten. 52. Die Bestimmungen in den vorstehenden Artikeln 48 bis 51 finden auf Bayern und Württemberg. keine Anwendung. An ihrer Stelle gelten für beide Bundesstaaten folgende Bestim­ mungen. Dem Reiche ausschließlich steht die Gesetzgebung über die Vorrechte der Post und Telegraphie, über die rechtlichen Verhältnisse beider Anstalten zum Publikum, über die Portofreiheiten und das Posttaxwesen, jedoch ausschließlich der reglemen­ tarischen und Tarifbestimmungen für den internen Verkehr innerhalb Bayerns, beziehungsweise Württemberg, sowie unter gleicher Beschränkung, die Feststellung der Gebühren für die telegraphische Korrespondenz zu. Ebenso steht dem Reiche die Regelung des Post- und Telegraphenverkehrs mit dem Auslande zu, ausgenommen den eigenen unmittelbaren Verkehr Bayerns, beziehungsweise Württembergs mit seinen dem Reiche nicht angehörenden Nach­ barstaaten, wegen dessen Regelung es bei der

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Bestimmung im Artikel 49 des Postvertrages vom 23. November 1867 bewendet. An den zur Reichskasse fließenden Einnahmen des Post- und Telegraphenwesens haben Bayern und Württemberg keinen Theil.

IX. Marine

und

Schifffahrt.

53. Die Kriegsmarine des Reichs ist eine ein­ heitliche unter dem Oberbefehl des Kaisers. Die Organisation und Zusammensetzung derselben liegt dem Kaiser ob, welcher die Offiziere und Beamten der Marine ernennt, und für welchen dieselben nebst den Mannschaften eidlich in Pflicht zu nehmen sind. Der Kieler Hafen und der Jadehafcn sind Reichs-Kriegshäfen. Der zur Gründung und Erhaltung der Kriegs­ flotte und der damit zusammenhängenden Anstalten erforderliche Aufwand wird aus der Reichskasse bestritten. Die gesammte seemännische Bevölkerung des Reichs, einschließlich des Maschinenpersonals und der Schiffshandwerker, ist vom Dienste im Land­ heere befreit, dagegen zum Dienste in der Kaiser­ lichen Marine verpflichtet. Die Vertheilung des Ersatzbedarfs findet nach Maßgabe der vorhandenen seemännischen Bevöl­ kerung statt, und die hiernach von jedem Staate gestellte Quote kommt auf die Gestellung zum Landheere in Abrechnung. 54. Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten bilden eine einheitliche Handelsmarine. Das Reich hat das Verfahren zur Ermittelung der Lädungsfähigkeit der Seeschiffe zu bestimmen, die Ausstellung der Meßbriefe, sowie der Schiffs­ zertifikate zu regeln und die Bedingungen festzu­ stellen, von welchen die Erlaubniß zur Führung eines Seeschiffes abhängig ist. In den Seehäfen und auf allen natürlichen und künstlichen Wasserstraßen der einzelnen Bun­ desstaaten werden die Kauffahrteischiffe sämmtlicher Bundesstaaten gleichmäßig zugelassen nnd be­ handelt. Die Abgaben, welche in den Seehäfen von den Seeschiffen oder deren Ladungen für die Benutzung der Schifffahrtsanstalten erhoben werden, dürfen die zur Unterhaltung und gewöhn­ lichen Herstellung dieser Anstalten erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Auf allen natürlichen Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, erhoben werden. Diese Abgaben, sowie die Abgaben für die Befahrung solcher künstlichen Wasserstraßen, welche Staatseigenthum sind, dürfen die zur Unterhaltung und gewöhn­ lichen Herstellung der Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Auf die Flößerei finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als dieselbe auf schiffbaren Wasser­ straßen betrieben wird.

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A 4. Verfassung des Deutschen Reichs.

Auf fremde Schiffe oder deren Ladungen an­ dere oder höhere Abgaben zu legen, als von den Schiffen der Bundesstaaten oder deren Ladungen zu entrichten sind, steht keinem Einzelstaate, son­ dern nur dem Reiche zu. 55. Die Flagge der Kriegs- und Handelsma­ rine ist schwarz - weiß - roth. X. Konsulatwesen.

56. Das gesammte Konsulatwesen des Deutschen Reichs steht unter der Aufsicht des Kaisers, wel­ cher die Konsuln, nach Vernehmung des Aus­ schusses des Bundesrathes für Handel und Ver­ kehr, anstellt. In dem Amtsbezirk der deutschen Konsuln dürfen neue Landeskonsulate nicht errichtet werden. Die deutschen Konsuln üben für die in ihrem Bezirk nicht vertretenen Bundesstaaten die Funk­ tionen eines Landeskonsuls aus. Die sämmtlichen bestehenden Landeskonsulate werden aufgehoben, sobald die Organisation der deutschen Konsulate dergestalt vollendet ist, daß die Vertretung der Einzelinteressen aller Bundesstaaten als durch den deutschen Konsulate gesichert von dem Bundes­ rathe anerkannt wird. XI. R e i ch s k r i e g s w e s e n. 38

57. Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen.38 39 58. Die Kosten und Lasten des gesammten Kriegswesens des Reichs sind von allen Bundes­ staaten und ihren Angehörigen gleichmäßig zu tragen, so daß weder Bevorzugungen, noch Prägravationen einzelner Staaten oder Klassen grund­ sätzlich zulässig sind. Wo die gleiche Vertheilung der Lasten sich in natura nicht Herstellen läßt, ohne die öffentliche Wohlfahrt zu schädigen, ist die Ausgleichung nach den Grundsätzen der Ge­ rechtigkeit im Wege der Gesetzgebung festzustellen. 59. Jeder wehrfähige Deutsche gehört sieben Jahre lang, in der Regel vom vollendeten 20. bis zum beginnenden 28. Lebensjahre dem stehen­ den Heere — und zwar die ersten drei Jahre bei den Fahnen, die letzten vier Jahre in der Reserve — und die folgenden fünf Lebensjahre der Landwehr ein.40 In denjenigen Bundesstaaten, in denen bisher eine längere als zwölfjährige Gesammtdienstzeit gesetzlich war, findet die allmälige Herabsetzung der Verpflichtung nur in dem Maße statt, als dies die Rücksicht auf die Kriegs­ bereitschaft des Reichsheeres zuläßt. In Bezug auf die Auswanderung der Reser­ visten sollen lediglich diejenigen Bestimmungen maßgebend sein, welche für die Auswanderung der Landwehrmänner gelten. 38. Ueber Einführung v. Absch. IX Artt. 57-65 s. G. v. 23. Jan. 1872. 39. Ausnahmen s. G. v. 9. Nov. 1867 betr. Verpflichtung zum Kriegsdienste. 40. Vgl. § 6 G. v. 9. Nov. 1867.

60. Die Friedens-Präsenzstärke des deutschen Heeres wird bis zum 31. Dezember 1871 auf Ein Prozent der Bevölkerung von 1867 normirt, und wird pro rata derselben von den einzelnen Bundesstaaten gestellt. Für die spätere Zeit wird die Friedens-Präsenzstärke des Heeres im Wege der Reichsgesetzgebung festgestellt.41 61. Nach Publikation dieser Verfassung ist in dem ganzen Reiche die gesammte preußische Mi­ litärgesetzgebung ungesäumt einzuführen, sowohl die Gesetze selbst als die zu ihrer Ausführung, Erläuterung oder Ergänzung erlassenen Regle­ ments, Instruktionen und Reskripte, namentlich also das Militär-Strafgesetzbuch vom 3. April 1845, die Militär-Strafgerichtsordnung vom 3. April 1845, die Verordnung über die Ehren­ gerichte vom 20. Juli 1843, die Bestimmungen über Aushebung, Dienstzeit, Servis- und Ver­ pflegungswesen, Einquartierung, Ersatz von Flur­ beschädigungen, Mobilmachung u. s. w. für Krieg und Frieden. Die Militär-Kirchenordnung ist je­ doch ausgeschlossen. 42 Nach gleichmäßiger Durchführung der Kriegs­ organisation des deutschen Heeres wird ein um­ fassendes Reichs-Militärgesetz dem Reichstage und dem Bundesrathe zur verfassungsmäßigen Be­ schlußfassung vorgelegt werden. 62. Zur Bestreitung des Aufwandes für das gesammte deusche Heer und die zu demselben ge­ hörigen Einrichtungen sind bis zum 31. De­ zember 1871 dem Kaiser jährlich sovielmal 225 Thaler, in Worten zweihundert fünf und zwan­ zig Thaler, als die Kopfzahl der Friedensstärke des Heeres nach Artikel 60 beträgt, zur Ver­ fügung zu stellen. 43 Vergl. Abschnitt XII. Nach dem 31. Dezember 1871 müssen diese Beiträge von den einzelnen Staaten des Bundes zur Reichskasse fortgezahlt werden. Zur Be41. Vgl. jetzt § 1 R.-M.-G. v. 2. Mai 1874. 42. Ueber die Einführung von preuß. Gesehen in Els.Lothr. s. G. v. 14. Juli 1871, G. v. 22. H-uni 1872 u. G. v. 6. Dez. 1873. Ferner gelten folgende Reichsgesetze: G. v. 9. Nov. 1867, betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienste (E.-G. v. 23. Jan. 1872), — Die Militär-Ersatz-Jnstruktion v. 26. März 1868 (E.-B. v. 26. März 1872), — G. V. 21. Dez. 1871 betr. Beschränkungen des Grundeigenthums in der Umgebung von Festungen (E.-G. v. 21. Febr. 1872), — Militär-Straf-Gesetzbuch v. 20. Juni 1872 (E.-G. v. 8. Juli 1872), — G. v. 13. Juni 1873 über die Kriegsleistungen (E.-G. v. 6. Okt. 1873), — G. v. 25. Mai 1873 über die Rechtsverhältnisse der zum dienst!. Gebrauch einer Reichs­ verwaltung bestimmten Gegenstände (E.-G. v. 8. Dez. 1873), — G. v. 27. Juni 1871 betr. Pensionirung u. Versorgung der Militärpersonen rc. re. (E.-G. v. 8. Febr. 1875), u. das abänd. G. v. 4. April 1874, — G. v. 23. Febr. 1874 betr. Gewährung von nachträglichen Vergütungen für Kriegslei­ stungen der Gemeinden, — Reichsmilitärgesetz v. 2. Mai 1874, — G. über den Landsturm v. 12. Febr. 1875, — G. über die Naturalleistungen der bewaffneten Macht im Frieden v. 13. Febr. 1875, — G. betr. Ausübung der mili­ tärischen Kontrolle über Personen des Beurlaubtenstandes v. 15. Febr. 1875. — Nur für Els.-Lothr. ist erlaffen das G. v. 28. März 1872 über den Waffengrbeauch des Militärs im Friedensdienste.

A 4. Verfassung des Deutschen Reichs. rechnung derselben wird die im Artikel 60 interi­ mistisch festgestellte Friedens - Präsensstärke so lange festgehalten, bis sie durch ein Neichsgesetz abgeändert ist. Die Verausgabung dieser Summe für das gesammte Reichsheer und dessen Einrichtungen wird durch das Etatsgesetz sestgestellt. Bei der Feststellung des Militär-Ausgabe-Etats wird die auf Grundlage dieser Verfassung gesetz­ lich feststehende Organisation des Reichsheeres zu Grunde gelegt. 63. Die gesammte Landmacht des Reichs wird ein einheitliches Heer bilden, welches in Krieg und Frieden unter dem Befehle des Kaisers steht. Die Regimenter re. führen fortlaufende Num­ mern durch das ganze deutsche Heer. Für die Be­ kleidung sind die Grundfarben und der Schnitt der Königlich preußischen Armee maßgebend. Dem betreffenden Kontingentsherrn bleibt es über­ lassen, die äußeren Abzeichen (Kokarden re.) zu bestimmen. Der Kaiser hat die Pflicht und das Recht, da­ für Sorge zu tragen, daß innerhalb des deutschen Heeres alle Truppentheile vollzählig und kriegs­ tüchtig vorhanden sind und daß Einheit in der Organisation und Formation, in Bewaffnung und Kommando, in der Ausbildung der Mann­ schaften, sowie in der Qualifikation der Offiziere hergestellt und erhalten wird. Zu diesem Behufe ist der Kaiser berechtigt, sich jederzeit durch In­ spektionen von der Verfassung der einzelnen Kon­ tingente zu überzeugen und die Abstellung der da­ bei Vorgefundenen Mängel anzuordnen. Der Kaiser bestimmt den Präsenzstand, die Gliederung und Einteilung der Kontingente des Reichsheeres, sowie die Organisation der Land­ wehr, und hat das Recht, innerhalb des Bundes­ gebietes die Garnisonen zu bestimmen, sowie die kriegsbereite Aufstellung eines jeden Theils des Reichsheeres anzuordnen. Behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der Administration, Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung aller Truppentheile des deutschen Heeres sind die bezüglichen künftig ergehenden Anordnungen für die preußische Armee den Kommandeuren der übrigen Kontingenten, durch

den Artikel 8 Nr. 1 bezeichneten Ausschuß für das Landheer und die Festungen, zur Nachachtung in geeigneter Weise mitzutheilen. 64. Alle deutsche Truppen sind verpflichtet, den Befehlen des Kaisers unbedingte Folge zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den Fahneneid aufzu­

nehmen. Der Höchstkommandirende eines Kontingents, sowie alle Offiziere, welche Truppen mehr als eines Kontingents befehligen, und alle Festungs­ kommandanten werden von dem Kaiser ernannt. Die von Demselben ernannten Offiziere leisten 43. S. jetzt 8 1 G. v. 2. Mai 1874.

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Ihm den Fahneneid. Bei Generalen und den Generalstellungen versehenden Offizieren inner­ halb des Kontingents ist die Ernennung von der jedesmaligen Zustimmung des Kaisers abhängig zu machen. Der Kaiser ist berechtigt, behufs Versetzung mit oder ohne Beförderung für die von Ihm im Reichsdienste, sei es im preußischen Heere, oder in anderen Kontingenten zu besetzenden Stellen aus den Offizieren aller Kontingente des Reichs­ heeres zu wählen. 65. Das Recht, Festungen innerhalb des Bun­ desgebietes anzulegen, steht dem Kaiser zu, wel­ cher die Bewilligung der dazu erforderlichen Mittel, soweit das Ordinarium sie nicht gewährt, nach Abschnitt Xll beantragt.

66. Wo nicht besondere Konventionen ein An­ deres bestimmen, ernennen die Bundesfürsten, be­ ziehentlich die Senate die Offiziere ihrer Kontin­ gente, mit der Einschränkung des Artikels 64. Sie sind Chefs aller ihren Gebieten angehören­ den Truppentheile und genießen die damit ver­ bundenen Ehren. Sie haben namentlich das Recht der Jnspizirung zu jeder Zeit und erhalten, außer den regelmäßigen Rapporten und Mel­ dungen über vorkommende Veränderungen, behufs der nöthigen landesherrlichen Publikation, recht­ zeitige Mittheilung von den die betreffenden Truppentheile berührenden Avancements und Er­ nennungen. Auch steht ihnen das Recht zu, zu polizeilichen Zwecken nicht blos ihre eigenen Truppen zu ver­ wenden, sondern auch alle anderen Truppentheile des Reichsheeres, welche in ihren Ländergebieten dislozirt sind, zu requiriren. 67. Ersparnisse an dem Militär-Etat fallen unter keinen Umständen einer einzelnen Regierung, sondern jederzeit der Reichskasse zu. 68. Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden Theil desselben in Kriegszustand erklären. Bis zum Erlaß eines die Voraussetzungen, die Form der Verkündigung und die Wirkungen einer solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes gelten dafür die Vorschriften des preußischen Gesetzes vom 4. Juni 1851 (Gesetz-Sammlung für 1851, S. 451 ff.). 44

Schlußbestimmung zum XL Abschnitt. Die in diesem Abschnitt enthaltenen Vorschriften kommen in Bayern nach näherer Bestimmung des Bündnißvertrages vom 23. November 1870 (Bundes-Gesetzbl. 1871, S. 9) unter III § 5, in Württemberg nach näherer Bestimmung der Mi­ litärkonvention vom 21.-25. November 1870 (Bundes-Gesetzbl. 1870, S. 658) zur Anwendung. 44. Unabhängig hiervon sind die Rechte, welche dem Kaiser als Landesherrn von Els.-Lothr. nach dem G. v. 9. Aug. 1849 zustehen.

A 4. Verfassung des Deutschen Reichs.

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XII. Reichsfinanzen.

69. Alle Einnahmen und Ausgaben des Reichs müssen für jedes Jahr 45 46veranschlagt und auf den Reichshaushalts-Etat gebracht werden. Letzte­ rer wird vor Beginn des Etatsjahres nach folgen­ den Grundsätzen durch ein Gesetz festgestellt. 70. Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben dienen zunächst die etwaigen Ueberschüsse der Vorjahre, sowie die aus den Zöllen, den gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern und aus dem Post- und Telegraphenwesen fließenden ge-

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meinschaftlichen Einnahmen. Insoweit dieselben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden, sind

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sie, so lange Reichssteuern nicht eingeführt sind, durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche bis zur Höhe des budgetmäßigen Betrages durch den Reichskanzler ausgeschrieben werden. 71. Die gemeinschaftlichen Ausgaben werden in der Regel für ein Jahr bewilligt, können jedoch in besonderen Fällen auch für eine längere Dauer bewilligt werden. Während der im Artikel 60 normirten Über­ gangszeit ist der nach Titeln geordnete Etat über die Ausgaben für das Heer dem Bundesrathe und dem Reichstage nur zur Kenntnißnahme und zur Erinnerung vorzulegen. 72. Ueber die Verwendung aller Einnahmen des Reichs ist durch den Reichskanzler dem Bun­ desrathe und dem Reichstage zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen. 73. In Fällen eines außerordentlichen Bedürf­ nisses kann im Wege der Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer Anleihe, sowie die Uebernahme einer Garantie zu Lasten des Reichs erfolgen. Schlußbestimmung zum XII. Abschnitt.

Auf die Ausgaben für das bayerische Heer finden die Artikel 69 und 71 nur nach Maßgabe der in der Schlußbestimmung zum XL Abschnitt erwähnten Bestimmungen des Vertrages vom 23. November 1870 und der Artikel 72 nur inso­ weit Anwendung, als dem Bundesrathe und dem Reichstage die Ueberweisung der für das bayerische Heer erforderlichen Summe an Bayern nachzu­ weisen ist. XIII.

Schlichtung von Streitigkeit en und Strafbestimmungen.

74. Jedes Unternehmen gegen die Existenz, die Integrität, die Sicherheit oder die Verfassung des deutschen Reichs, endlich die Beleidigung des Bun­ desrathes, des Reichstages, eines Mitgliedes des Bundesrathes oder des Reichstages, einer ~ Be­ hörde oder eines öffentlichen Beamten des Reichs, während dieselben in der Ausübung ihres Beru­

fes begriffen sind oder in Beziehung auf ihren Beruf, durch Wort, Schrift, Druck, Zeichen, bild­ liche oder andere Darstellung, werden in den ein­ zelnen Bundesstaaten beurtheilt und bestraft nach Maßgabe der in den letzteren bestehenden oder künftig in Wirksamkeit tretenden Gesetze, nach welchen eine gleiche gegen den einzelnen Bundes­ staat, seine Verfassung, seine Kammern oder Stände, seine Kammer- oder Ständemitglieder, seine Behörden und Beamten begangene Hand­ lung zu richten wäre. *6 75. 47 Für diejenigen in Artikel 74 bezeichneten Unter­ nehmungen gegen das Deutsche Reich, welche, wenn gegen einen der einzelnen Bundesstaaten gerichtet, als Hochver­ rath oder Landesverrath zu qualifiziren wären, ist das ge­ meinschaftliche Ober-Appellationsgericht der drei freien und Hansestädte in Lübeck die zuständige Spruchbehörde in erster und letzter Instanz. Die näheren Bestimmungen über die Zuständigkeit und das Verfahren des Ober-Appellationsgerichts erfolgen im Wege der Reichsgesetzgebung. Bis zum Erlasse eines Reichs­ gesetzes bewendet es bei der seitherigen Zuständigkeit der Gerichte in den einzelnen Bundesstaaten und den auf das Verfahren dieser Gerichte sich beziehenden Bestimmungen.

76. Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bun­ desstaaten, sofern dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den kompetenten Gerichts­ behörden zn entscheiden sind, werden auf Anrufen des einen Theils von dem Bundesrathe erledigt. 48 Verfassungsstreitigkeilen in solchen Bundes­ staaten, in deren Verfassung nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher Streitigkeiten bestimmt ist, hat aus Anrufen eines Theiles der Bundes­ rath gütlich auszugleichen oder, wenn das nicht gelingt, im Wege der Reichsgesetzgebung zur Er­ ledigung zu bringen. 77. Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justizverweigerung eintritt, und auf gesetz­ lichen Wegen ausreichende Hülfe nicht erlangt werden kann, so liegt dem Bundesrathe ob, er­ wiesene, nach der Verfassung und den bestehenden Gesetzen des betreffenden Bundesstaates zu beur­ theilende Beschwerden über verweigerte oder ge­ hemmte Rechtspflege anzunehmen, und darauf die gerichtliche Hülfe bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken. XIV. Allgeineine

B e st i mm un g e n.

78. Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der Gesetzgebung. Sie gelten als abgelehnt, wenn sie im Bundesrathe 14 Stimmen gegen sich

haben. Diejenigen Vorschriften der Reichsverfaffung, durch welche bestimmte Rechte einzelner Bundes­ staaten in deren Verhältniß zur Gesammtheit festgestellt sind, können nur mit Zustimmung des berechtigten Bundesstaates abgeändert werden. 46. S. jetzt St.-G.-B. Theil II Abschn. 1 u. 2. 47. Art. 75 ist durch § 136 G.-V.-G. ersetzt.

45. Ueber die Berechnung des Etatsjahres vgl. für das Reich G. v. 29. Febr. 1876, für Els.-Lothr. G. v. 18. März 1878.

48. Ueber Schlichtung von Streitigkeiten über den Vollzug des Gothaer Vertrags s. § 12 daselbst.

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A 5.

Wahlgesetz für den Deutsche« Reichstag, vom

31. Mai 1869.

G.-Bl. 1873, S. 155.

§ 1. Wähler für den Deutschen Reichstag ist jeder Deutsche, welcher das fünfundzwanzigste Le­ bensjahr zurückgelegt hat, in dem Bundesstaate, wo er seinen Wohnsitz hat. 2. Für Personen des Soldatenstandes des Heeres und der Marine ruht die Berechtigung zum Wählen so lange, als dieselben sich bei der Fahne befinden. 3. Bon der Berechtigung zum Wählen sind ausgeschlossen: 1) Personen, welche unter Vormundschaft oder Kuratel stehen; 2) Personen, über deren Vermögen Konkurs­ oder Fallitzustand gerichtlich eröffnet worden ist und zwar während der Dauer dieses Konkurs­

oder Fallit-Verfahrens; 3) Personen, welche eine Armenunterstützung aus öffentlichen oder Gemeinde-Mitteln beziehen, oder im letzten der Wahl vorhergegangenen Jahre bezogen haben; 4) Personen, denen in Folge rechtskräftigen Erkenntnisses der Vollgenuß der staatsbürger­ lichen Rechte entzogen ist, für die Zeit der Ent­ ziehung, sofern sie nicht in diese Rechte wieder eingesetzt sind. Ist der Vollgenuß der staatsbürgerlichen Rechte wegen politischer Vergehen oder Verbrechen ent­ zogen, so tritt die Berechtigung zum Wählen wieder ein, sobald die außerdem erkannte Strafe vollstreckt, oder durch Begnadigung erlassen ist. 4. Wählbar zum Abgeordneten ist im ganzen Bundesgebiete jeder Deutsche, welcher das fünf­ undzwanzigste Lebensjahr zurückgelegt und einem zum Bunde gehörigen Staate seit mindestens

einem Jahre angehört hat, sofern er nicht durch die Bestimmungen in dem § 3 von der Berech­ tigung zum Wählen ausgeschlossen ist. 5. In jedem Bundesstaate wird auf durch­ schnittlich 100,000 Seelen derjenigen Bevölke­ rungszahl, welche den Wahlen zum verfassung­ gebenden Reichstage zu Grunde gelegen hat, Ein Abgeordneter gewählt. Ein Ueberschuß von min­ destens 50,000 Seelen der Gesammtbevölkerung eines Bundesstaates wird vollen 100,000 Seelen gleich gerechnet. In einem Bundesstaate, dessen Bevölkerung 100,000 Seelen nicht erreicht, wird Ein Abgeordneter gewählt. Demnach beträgt die Zahl der Abgeordneten 297 und kommen auf Preußen 235, Sachsen 23, Hessen 3, Mecklenburg-Schwerin 6, Sachsen-Weimar 3, Mecklenburg-Strelitz 1, Oldenburg 3, Braunschweig 3, Sachsen-Meiningen 2, SachsenAltenburg 1, Sachsen-Koburg-Gotha 2, Anhalt 2, Schwarzburg - Rudolstadt 1, Schwarzburg - Son­ dershausen 1, Waldeck 1, Reuß ältere Linie 1, Reuß jüngere Linie 1, Schaumburg-Lippe 1, Lippe 1, Lauenburg 1, Lübeck 1, Bremen 1, Hamburg 3.1 2 Eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten in Folge der steigenden Bevölkerung wird durch das Gesetz bestimmt. 6. Jeder Abgeordnete wird in einem besonde­ ren Wahlkreise gewähkt. Jeder Wahlkreis wird zum Zwecke der Stimm­ abgabe in kleinere Bezirke getheilt, welche mög­ lichst mit den Ortsgemeinden zusammenfallen sollen, sofern nicht bei volkreichen Ortsgemeinden eine Unterabtheilung erforderlich wird.

1. Ueber die Wahlen zu den Bezirkstagen und Gemeinde­ räthen s. die Dekrete v. 2. Febr. 1852, D. v. 3. Juli 1848, G. v. 7. Juli 1850, G. v. 5. Mai 1855.

2. Für Els.-Lothr. 15, f. § 3 E.-G.; vgl. ferner Art. 20 R.-B.

A. Verfassungsrecht.

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A 5. Wahlgesetz für den Deutschen Reichstag. Mit Ausschluß der Exklaven müssen die Wahl­

kreise, sowie die Wahlbezirke räumlich abgegrenzt und thunlichst abgerundet sein. Ein Bundesgesetz wird die Abgrenzung der Wahlkreise bestimmen. Bis dahin sind die gegen­ wärtigen Wahlkreise beizubehalten, mit Ausnahme derjenigen, welche zur Zeit nicht örtlich abge­ grenzt und zu einem räumlich zusammenhängen­ den Bezirke abgerundet sind. 3 Diese müssen zum Zwecke der nächsten allgemeinen Wahlen gemäß der Vorschrift des dritten Absatzes gebildet werden. 7. Wer das Wahlrecht in einem Wahlbezirke ausüben will, muß in demselben, oder, im Falle eine Gemeinde in mehrere Wahlbezirke getheilt ist, in einem derselben zur Zeit der Wahl seinen Wohnsitz haben. Jeder darf nur an Einem Orte wählen. 8. In jedem Bezirke sind zum Zwecke der Wahlen Listen anzulegen, in welche die zum Wählen Berechtigten' nach Zu- und Vornamen, Alter, Gewerbe und Wohnort eingetragen werden. Diese Listen sind spätestens vier Wochen vor dem zur Wahl bestimmten Tage zu jedermanns Einsicht auszulegen, und ist dies zuvor unter Hinweisung auf die Einsprachefrist öffentlich be­ kannt zu machen. Einsprachen gegen die Listen sind binnen acht Tagen nach Beginn der Aus­ legung bei der Behörde, welche die Bekannt­ machung erlassen hat, anzubringen und innerhalb der nächsten vierzehn Tage zu erledigen, worauf die Listen geschlossen werden. Nur diejenigen sind zur Theilnahme an der Wahl berechtigt, welche in die Listen ausgenommen sind. Bei einzelnen Neuwahlen, welche innerhalb Eines Jahres nach der letzten allgemeinen Wahl stattfinden, bedarf es einer neuen Aufstellung und Auslegung der Wahlliste nicht. 9. Die Wahlhandlung, sowie die Ermittelung des Wahlergebnisses, sind öffentlich. Die Funktion der Vorsteher, Beisitzer und Pro­ tokollführer bei der Wahlhandlung in den Wahl­ bezirken und der Beisitzer bei der Ermittelung des Wahlergebnisses in den Wahlkreisen ist ein unent­ geltliches Ehrenamt und kann nur von Personen ausgeübt werden, welche kein unmittelbares Staats­ amt bekleiden. 10. Das Wahlrecht wird in Person durch ver­ deckte, in eine Wahlurne niederzulegende Stimm­ zettel ohne Unterschrift ausgeübt. Die Stimmzettel müssen von weißem Papier und dürfen mit keinem äußeren Kennzeichen ver­ sehen sein.

11. Die Stimmzettel sind außerhalb des Wahl­ lokals mit dem Namen des Kandidaten, welchem der Wähler seine Stimme geben will, handschrift­ lich oder im Wege der Vervielfältigung zu ver­ sehen. 12. Die Wahl ist direkt. Sie erfolgt durch ab­ solute Stimmenmehrheit aller in einem Wahlkreise abgegebenen Stimmen. Stellt bei einer Wahl eine absolute Stimmenmehrheit sich nicht heraus, so ist nur unter den zwei Kandidaten zu wählen, welche die meisten Stimmen erhalten haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. 13. Ueber die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahlzettel entscheidet mit Vorbehalt der Prüfung des Reichstages allein der Vorstand des Wahl­ bezirks nach Stimmenmehrheit seiner Mitglieder. Die ungültigen Stimmzettel sind zum Zwecke der Prüfung durch den Reichstag dem Wahlpro­ tokoll beizufügen. Die gültig befundenen bewahrt der Vorsteher der Wahlhandlung in dem Wahl­ bezirke so lange versiegelt, bis der Reichstag die Wahl definitiv gütlig erklärt hat. 14. Die allgemeinen Wahlen sind im ganzen Bundesgebiete an dem von dem Bundespräsidium bestimmten Tage vorzunehmen. 15. Der Bundesrath ordnet das Wahlverfahren, soweit dasselbe nicht durch das gegenwärtige Gesetz festgestellt worden ist, durch ein einheitliches, für das ganze Bundesgebiet gültiges Wahlreglement. Dasselbe kann nur unter Zustimmung des Reichstages abgeändert werden. 16. Die Kosten für die Druckformulare zu den Wahlprotokollen und für die Ermittelung des Wahlergebnisses in den Wahlkreisen werden von den Bundesstaaten, alle übrigen Kosten des Wahl­ verfahrens werden von den Gemeinden getragen. 17. Die Wahlberechtigten haben das Recht, zum Betrieb der den Reichstag betreffenden Wahlan­ gelegenheiten Vereine zu bilden und in geschlosse­ nen Räumen unbewaffnet öffentliche Versamm­ lungen zu veranstalten. Die Bestimmungen der Landesgesetze über die Anzeige der Versammlungen und Vereine, sowie über die Ueberwachung derselben, bleiben unbe­ rührt. 3 4 18. Das gegenwärtige Gesetz tritt bei der ersten nach dessen Verkündigung stattfindenden Neuwahl des Reichstages in Kraft. Von dem nämlichen Zeitpunkte an verlieren alle bisherigen Wahlgesetze für den Reichstag nebst den dazu erlassenen Aus­ führungsgesetzen, Verordnungen und Reglements ihre Gültigkeit.

3. Für Els.-Lothr. s. die nachfolgende Bekm. v. 1. Dez. 1873 betr. Feststellung der Wahlkreise.

4. S. G. v. 6-10. Juni 1868 betr. öffentliche Versamm­ lungen.

A 6.

19

Bekanntmachung des Reichskanzlers betreffend die Feststellung der Wahlkreise für die Wahlen zum Deutschen Reichstage.

Dom 1. Dezember 1873. G.-Bl. S. 315.

Auf Grund des § 6 des Gesetzes vom 25. Juni 1873, betreffend die Einführung der Verfassung des Deutschen Reichs in Elsaß-Lothringen (Gesetz­ blatt für Elsaß-Lothringen, S. 131), hat der Bundesrath nachstehende Abgrenzung der Wahl­ kreise in Elsaß-Lothringen für die Wahlen zum Deutschen Reichstage beschlossen:

1. Wahlkreis:

Kreise Kreis „ „ „

Altkirch und Thann, Mülhausen, Colmar, Gebweiler, Rappoltsweiler,

6. Wahlkreis: 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

Kreis Schlettstadt, Kreise Molsheim und Erstein, Stadtkreis Straßburg, Landkreis Straßburg, Kreise Hagenau und Weißen­ burg, Kreis Zabern, Kreise Saargemünd und Forbach, Kreise Bolchen und Diedenhofen, Stadtkreis Metz und Landkreis Metz, Kreise Saarburg und Salzburg (Chateau-Salins).

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A 7.

Reglement M Ausführung -es Wahlgesetzes für -en Deutschen Reichstag.

Vom 28. Mai 1870. G.-Bl. 1873, S. 316.

Der Bundesrath hat auf Grund des § 15 des Wahlgesetzes für den Reichstag des Norddeutschen Bundes vom 31. Mai 1869 beschlossen, das nachstehende, für das ganze Bundesgebiet gültige Wahlreglement zu erlassen. § 1. Für jede Gemeinde (Ortskommune, selbst­ ständigen Gutsbezirk u. s. w.) ist gemäß § 8 des Gesetzes und nach Anleitung des unter Litt. A anliegenden Formulars von dem Gemeindevor­ stande (Kommunevorstande, Ortsvorstande, In­ haber eines selbstständigen Gutsbezirks, Magistrate u. s. w.) die Wählerliste doppelt aufzustellen. In derselben sind alle nach den §§ 1, 3 und 7 des Gesetzes Wahlberechtigte in alphabetischer Ord­ nung zu verzeichnen. Jedoch dürfen in den Städten die Wählerlisten auch in der Art ange­ fertigt werden, daß die Straßen nach der alpha­ betischen Reihenfolge ihrer Namen, innerhalb derselben die Häuser nach ihrer Nummer und nur innerhalb jedes Hauses die Wähler alphabe­ tisch geordnet werden. In Gemeinden, die zum Zwecke des Stimmab­ gebens in mehrere Bezirke getheilt sind (§ 7 des Reglements), erfolgt die Aufstellung der Wähler­ listen nach den einzelnen Bezirken. Die dem Beurlaubtenstande angehörigen Militärpersonen (§§ 12, 13 Nr. 4 Abs. 2 und § 15 des Gesetzes, betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienste, vom 9. November 1867 — Bundesgesetzbl. S. 131 —) werden in die Wähler­ listen eingetragen. 2. Die Wählerliste ist zu jedermanns Einsicht mindestens acht Tage lang auszulegen.

Der Tag, an welchem die Auslegung beginnt, ist nach Maßgabe des § 8 des Gesetzes von der zuständigen Behörde1 festzusetzen und von dem Gemeindevorstande unter Hinweisung auf § 3 des Reglements, sowie unter Angabe des Lokals, in welchem die Auslegung stattfindet, noch vor dem Anfänge der letzteren in ortsüblicher Weise be­ kannt zu machen. Die Wählerliste ist von dem Gemeindevorstande mit einer Bescheinigung darüber zu versehen, daß und wie lange die Auslegung geschehen, so­ wie daß die vorstehend und im § 8 des Regle­ ments vorgeschriebenen ortsüblichen Bekanntma­ chungen erfolgt sind. 3. Wer die Liste für unrichtig oder unvollstän­ dig hält, kann dies innerhalb acht Tagen nach dem Beginn der gemäß § 2 des Reglements be­ kannt gemachten Auslegung derselben bei dem Gemeindevorstande oder dem von demselben dazu ernannten Kommissar oder der dazu niedergesetzten Kommission schriftlich anzeigen oder zu Protokoll geben, und muß die Beweismittel für seine Be­ hauptungen, falls dieselben nicht auf Notorietät

beruhen, beibringen. Die Entscheidung darüber erfolgt, wenn nicht die Erinnerung sofort für begründet erachtet wird, durch die zuständige Behörde. 2 1. Früher Oberpräsident, jetzt Ministerium, s. Bekm. v. 1. Dez. 1873 betr. das Wahlreglement (A 8) u. § 3 G. v. 4. Juli 1879.

2. In den Gemeinden der Landkreise: der Kreisdirektor; in den Stadtkreisen : der Bezirkspräsident, s. Bekm. v. 1. Dez. 1873 betr. das Wahlreglement (A 8).

A 7. Wahlreglement für den Deutschen Reichstag. Sie muß längstens innerhalb drei Wochen, vom Beginne der Auslegung der Wählerliste an gerechnet, erfolgt und durch Vermittelung des Gemeindevorstandes den Betheiligten bekannt ge­ macht sein. 4. Im Falle einer Berichtigung der Wähler­ liste sind die Gründe der Streichungen und Nach­ tragungen am Rande der Liste unter Angabe des Datums kurz zu vermerken. Die etwaigen Belagsstücke sind dem Hauptexemplar der Wähler­ liste beizuheften. Beide gleichmäßig berichtigte Exemplare der Wählerliste sind am 22. Tage nach dem Beginne der Auslegung unter der Unterschrift des Ge­ meindevorstandes abzuschließen, das zweite Exem­ plar unter Hinzufügung der amtlichen Bescheini­ gung völliger Uebereinstimmung mit dem Haupt­ exemplare. Nachdem auf diese Weise die Wählerliste abge­ schlossen worden, ist jede spätere Aufnahme von Wählern in dieselbe untersagt.

5. Das Hauptexemplar der Wählerliste nebst den Belagsstücken hat der Gemeindevorstand sorg­ fältig aufzubewahren, das zweite Exemplar da­ gegen dein Wahlvorsteher behufs Benutzung bei der Wahl zuzustellen. Die Wählerlisten für diejenigen Wahlbezirke, welche aus mehr als einer Gemeinde bestehen (§ 7 des Reglements), bilden die Wahlvorsteher durch Zusammenheften der ihnen zugehenden Wählerlisten der einzelnen zu dem Bezirke gehö­ rigen Gemeinden. 6. Die Wahlbezirke zum Zwecke des Stimm­ abgebens (§ 6 des Gesetzes) werden von den zuständigen Behörden2 abgegrenzt. 7. Jede Ortschaft bildet der Regel nach einen Wahlbezirk für sich. Jedoch können einzelne bewohnte Besitzungen und kleine, sowie solche Ortschaften, in welchen Personen, die zur Bildung des Wahlvorstandes geeignet sind, sich nicht in genügender Anzahl vorfinden, mit benachbarten Ortschaften zu einem Wahlbezirke vereinigt, große Ortschaften in meh­ rere Wahlbezirke getheilt werden. Kein Wahlbezirk darf mehr als 3500 Seelen nach der letzten allgemeinen Volkszählung ent­ halten. 8. Die zuständigen Behörden2 haben für jeden Wahlbezirk den Wahlvorsteher, welcher die Wahl zu leiten hat, und einen Stellvertreter desselben für Verhinderungsfälle zu ernennen, sowie das Lokal, in welchem die Wahl vorzunehmen ist, zu bestimmen. Alles dies, sowie die Abgrenzung der Wahlbe­ zirke und Tag und Stunde der Wahl (§ 9 des Reglements), ist mindestens acht Tage vor dem Wahltermin durch die zu amtlichen Publikationen dienenden Blätter zu veröffentlichen und von den Gemeindevorständen in ortsüblicher Weise bekannt zu machen.

21

9. Der Tag der Wahl wird von dem Bundes­ präsidium festgesetzt. Die Wahlhandlung beginnt um 10 Uhr Vor­ mittags und wird um 6 Uhr Nachmittags ge­ schlossen. 10. Der Wahlvorsteher (§ 8 des Reglements) ernennt aus der Zahl der Wähler seines Wahl­ bezirks einen Protokollführer und drei bis sechs Beisitzer und ladet dieselben mindestens zwei Tage vor dem Wahltermine ein, beim Beginne der Wahlhandlung zur Bildung des Wahlvor­ standes zu erscheinen. Die Wahlvorsteher, Beisitzer und Protokoll­ führer erhalten keine Vergütung. Sie dürfen kein unmittelbares Staatsamt bekleiden (§ 9 des Ge­ setzes). 11. Der Tisch, an welchem der Wahlvorstand Platz nimmt, ist so aufzustellen, daß derselbe von allen Seiten zugänglich ist. Auf diesen Tisch wird ein verdecktes Gefäß (Wahlurne) zum Hineinlegen der Stimmzettel gestellt. Vor dem Beginne der Abstimmung hat sich der Wahlvorstand davon zu überzeugen, daß dasselbe leer ist. Ein Abdruck des Wahlgesetzes und des gegen­ wärtigen Reglements ist im Wahllokale auszu­ legen. 12. Die Wahlhandlung wird damit eröffnet, daß der Wahlvorsteher den Protokollführer und die Beisitzer mittelst Handschlags an Eidesstatt verpflichtet und so den Wahlvorstand konstituirt. Zu keiner Zeit der Wahlhandlung dürfen we­ niger als drei Mitglieder des Wahlvorstandes gegenwärtig sein. Der Wahlvorsteher und der Protokollführer dürfen sich während der Wahlhandlung nicht gleichzeitig entfernen. Verläßt einer von ihnen vorübergehend das Wahllokal, so ist mit seinerzeitweiligen Vertretung ein anderes Mitglied des Wahlvorstandes zu beauftragen. 13. Während der Wahlhandlung dürfen im Wahllokale weder Diskussionen stattfinden, noch Ansprachen gehalten, noch Beschlüsse gefaßt werden. Ausgenommen hiervon sind die Diskussionen und Beschlüsse des Wahlvorstandes, welche durch die Leitung des Wahlgeschäfts bedingt sind. 14. Zur Stimmabgabe sind nur diejenigen zuzulaffen, welche in die Wählerliste ausgenommen sind (§ 8 des Gesetzes). Abwesende können in keiner Weise durch Stell­ vertreter oder sonst an der Wahl theilnehmen.

15. Der Wähler, welcher seine Stimme abgeben will, tritt an den Tisch, an welchem der Wahl­ vorstand sitzt, nennt seinen Namen und gibt, wenn der Wahlbezirk aus mehr als einer Ort­ schaft besteht, seinen Wohnort, in Städten, in welchen die Wählerliste nach Hausnummern auf­ gestellt ist, seine Wohnung an. Der Wähler übergibt, sobald der Protokoll­ führer seinen Namen in der Wählerliste aufge-

22

A 7. Wahlreglement für den Deutschen Reichstag.

funden hat, seinen Stimmzettel dem Wahlvorsteher

oder dessen Vertreter (§ 12 des Reglements), welcher denselben uneröffnet in das auf dem Tische stehende Gefäß legt. Der Stimmzettel muß derart zusammengefaltet sein, daß der auf ihm verzeichnete Name ver­ deckt ist. Stimmzettel, bei welchen hiergegen verstoßen ist, oder welche nicht von weißem Papier, oder welche mit einem äußeren Kennzeichen versehen sind (§ 10 Abs. 2 des Gesetzes), hat der Wahl­ vorsteher zurückzuweisen. Insbesondere hat derselbe auch darauf zu achten, daß nicht statt eines meh­ rere Stimmzettel abgegeben werden. 16. Der Protokollführer vermerkt die erfolgte Stimmabgabe jedes Wählers neben dem Namen desselben in der dazu bestimmten Rubrik der Wählerliste. 17. Um sechs Uhr Nachmittags erklärt der Wahlvorsteher die Abstimmung für geschlossen. Nachdem dies geschehen ist, dürfen keine Stimm­ zettel mehr angenommen werden. Die Stimmzettel werden aus der Wahlurne genommen und uneröffnet gezählt. Ergibt sich dabei auch nach wiederholter Zählung eine Ver­ schiedenheit von der ebenfalls festzustellenden Zahl der Wähler, bei deren Namen der Abstimmungs­ vermerk in der Wählerliste gemacht ist (§ 16 des Reglements), so ist dieses nebst dem etwa zur Aufklärung Dienlichen im Protokolle anzugeben. 18. Sodann erfolgt die Eröffnung der Stimm­ zettel. Einer der Beisitzer entfaltet jeden Stimmzettel einzeln und übergibt ihn dem Wahlvorsteher, welcher denselben nach lauter Vorlesung an einen andern Beisitzer weiter reicht, der die Stimmzettel bis zum Ende der Wahlhandlung aufbewahrt. Der Protokollführer nimmt den Namen jedes Kandidaten in das Protokoll auf, vermerkt neben demselben jede dem Kandidaten zufallende Stimme und zählt dieselbe laut. In gleicher Weise führt einer der Beisitzer eine Gegenliste, welche ebenso wie die Wählerliste (§ 16 des Reglements) beim Schluffe der Wahlhandlung von dem Wahlvor­ stande zu unterschreiben und dem Protokolle beizufügen ist.

19. Ungültig sind: 1) Stimmzettel, welche nicht von weißem Papier oder welche mit einem äußeren Kennzeichen ver­ sehen sind; 2) Stimmzettel, welche keinen oder keinen les­ baren Namen enthalten; 3) Stimmzettel, aus welchen die Person des Gewählten nicht unzweifelhaft zu erkennen ist; 4) Stimmzettel, auf welchen mehr als ein Name oder der Name einer nicht wählbaren Person verzeichnet ist; 5) Stimmzettel, welche einen Protest oder Vor­ behalt enthalten. 20. Die Stimmzettel, über deren Gültigkeit es

nach § 13 des Gesetzes einer Beschlußfassung des Wahlvorstandes bedurft hat, werden, mit fortlau­ fenden Nummern versehen, dem Protokolle beige­ heftet, in welchem die Gründe kurz anzugeben sind, aus denen die Ungültigkeitserklärung erfolgt oder nicht erfolgt ist. Die ungültigen Stimmen kommen bei Fest­ stellung des Wahlresultats nicht in Anrechnung. 21. Alle abgegebenen Stimmzettel, welche nicht nach § 20 des Reglements dem Protokolle beizu­ fügen sind, hat der Wahlvorsteher in Papier einzuschlagen und zu versiegeln, und so lange aufzubewahren, bis der Reichstag die Wahl defi­ nitiv für gültig erklärt hat. 22. Ueber die Wahlhandlung ist ein Protokoll

nach dem unter Litt. B anliegenden Formular aufzunehmen. 23. Die Wahlkreise (§ 6 des Gesetzes) weist das , unter Litt. G anliegende Verzeichniß nach. In jedem derselben ist ein Abgeordneter zu

wählen. 24. Die zuständige Behörde 3 hat für jeden Wahlkreis einen Wahlkommissar zu ernennen und dies öffentlich bekannt zu machen. 25. Die Wahlprotokolle (§ 22) mit sämmtlichen zugehörigen Schriftstücken sind von den Wahlvor­ stehern ungesäumt, jedenfalls aber so zeitig dem Wahlkommissar einzureichen, daß sie spätestens im Laufe des dritten Tages nach dem Wahltermine in dessen Hände gelangen. Die Wahlvorsteher sind für die pünktliche Aus­ führung dieser Vorschrift verantwortlich. 26. Behufs Ermittelung des Wahlergebnisses beruft der Wahlkommissar auf den vierten Tag nach dem Wahltermine in ein von ihm zu bestim­ mendes Lokal mindestens sechs und höchstens zwölf Wähler, welche ein unmittelbares Staats­ amt nicht bekleiden, aus dem Wahlkreise zusammen und verpflichtet dieselben als Beisitzer mittelst Handschlags an Eidesstatt. Außerdem ist ein Protokollführer, welcher eben­ falls Wähler sein muß, aber Beamter sein darf, zuzuziehen und in gleicher Weise zu verpflichten. Der Zutritt zu dem Lokale steht jedem Wähler

offen. 27. In dieser Versammlung (§ 26) werden die Protokolle über die Wahlen in den einzelnen Wahlbezirken durchgesehen und die Resultate der Wahlen zusammengestellt. Das Ergebniß wird verkündet und demnächst durch die zu amtlichen Publikationen dienenden Blätter bekannt gemacht. Ueber die Handlung ist ein Protokoll aufzu­ nehmen, aus welchem die Zahl der Wähler, sowie der gültigen und ungültigen Stimmen und die Zahl der auf die einzelnen Kandidaten gefallenen Stimmen für jeden einzelnen Wahlbezirk ersichtlich

3. Der Bezirkspräsident, Bekm. v. 1. Dez. 1873 betr. das

Wahlreglement (A 8).

A 7. Wahlreglement für den Deutschen Reichstag.

sein muß, und in welchem die Bedenken zu erwähnen sind, zu denen die Wahlen in einzelnen Bezirken etwa Veranlassung gegeben haben. Zur Beseitigung solcher Bedenken ist der Wahl­ kommissar befugt, die von den Wahlvorstehern aufbewahrten Stimmzettel (§ 21 des Reglements)

einzufordern und einzusehen. 28. Hat sich auf einen Kandidaten die absolute Mehrheit der in dem Wahlkreise abgegebenen gültigen Stimmen vereinigt, so wird derselbe als gewählt proklamirt. Hat sich eine absolute Stimmenmehrheit nicht herausgestellt, so hat der Wahlkommissar die Vor­ nahme einer engeren Wahl zu veranlassen (§ 12 des Gesetzes). 29. Der Termin für die engere Wahl ist von dem Wahlkommissar festzusetzen und darf nicht länger hinausgeschoben werden, als höchstens 14 Tage nach der Ermittelung des Ergebnisses der ersten Wahl (§§ 26 und 27 des Reglements). 30. Auf die engere Wahl kommen nur dieje­ nigen beiden Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben (§ 12 des Gesetzes). Sind auf mehrere Kandidaten gleich viele Stimmen gefallen, so entscheidet das Loos, welches durch die Hand des Wahlkommissars gezogen wird, darüber, welche beiden Kandidaten auf die engere Wahl zu bringen sind. In der wegen Vornahme der engeren Wahl nach Vorschrift des § 8 des Reglements zu erlassenden Bekanntmachung sind die beiden Kan­ didaten, unter denen zu wählen ist, zu benennen, und es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß alle auf andere Kandidaten fallenden Stimmen ungültig seien. 31. Die engere Wahl findet auf denselben Grundlagen und nach denselben Vorschriften statt, wie die erste. Insbesondere bleiben die Wahlbezirke, die Wahllokale und die Wahlvorsteher unverändert, soweit nicht eine Ersetzung der letzteren oder eine Verlegung der Wahllokale nach dem Ermessen der zur Bestimmung hierüber nach den §§ 6 und 8 des Reglements berufenen Behörden geboten erscheint. Dergleichen Abänderungen sind nach Vorschrift des § 8 des Reglements bekannt zu machen, ohne daß jedoch hierfür oder für die rücksichtlich der engeren Wahl sonst erforderlichen Bekannt­ machungen (§§ 8 und 30 des Reglements) die dort festgesetzte Frist eingehalten zu werden braucht. Auch ist die Bescheinigung darüber, daß die erwähnten Bekanntmachungen in ortsüblicher

23

Weise erfolgt sind, nicht auf der Wählerliste zu ertheilen, sondern von den Gemeindevorständen den Wahlvorstehern noch vor dem Wahltermine besonders einzureichen.

Bei der engeren Wahl sind dieselben Wähler­ listen anzuwenden, wie bei der ersten Wahl­ handlung. Sie sind zu diesem Zwecke von den Wahlakten zu trennen und den Wahlvorstehern zuzustellen. Eine wiederholte Auslegung und Berichtigung derselben findet nicht statt. 32. Tritt bei der engeren Wahl Stimmen­ gleichheit ein, so entscheidet das Loos, welches durch die Hand des Wahlkommissars gezogen wird.

33. Der Gewählte ist von der auf ihn gefal­ lenen Wahl durch den Wahlkommissar in Kenntniß zn setzen und zur Erklärung über die Annahme derselben, sowie zum Nachweise, daß er nach § 4 des Gesetzes wählbar ist, aufzufordern. Annahme unter Protest oder Vorbehalt, sowie das Ausbleiben der Erklärung binnen acht Tagen, von der Zustellung der Benachrichtigung, gilt als Ablehnung. 34. Im Falle der Ablehnung, oder wenn der Reichstag die Wahl für ungültig erklärt, hat die zuständige Behörde 3 sofort eine neue Wahl zu veranlassen. Für dieselbe gelten die Vorschriften des § 31 des Reglements mit der Maßgabe, daß bei den zu erlassenden Bekanntmachungen die im § 8 des Reglements bestimmte achttägige Frist einzu­ halten ist. In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn für ausgeschiedene Mitglieder des Reichstages wäh­ rend des Laufes derselben Legislaturperiode Ersatzwahlen stattfinden. Tritt dieser Fall jedoch später als ein Jahr nach den allgemeinen Wahlen ein, so müssen die gesammten Wahlvorbereitungen, mit Einschluß der Aufstellung und Auslegung der Wählerlisten, erneuert werden.

35. Sämmtliche Verhandlungen, sowohl über die Wahlen in den Wahlbezirken, als über die Zusammenstellung der Ergebnisse, werden von dem Wahlkommissar unverzüglich der zuständigen Behörde 3 eingereicht, welche dieselben der Cen­ tralverwaltungsbehörde zur weiteren Mittheilung an den Reichstag des Norddeutschen Bundes vor­ zulegen hat. 36. Die in Gemäßheit der in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Verwaltungsorgani­ sation nach den §§ 2, 3, 6, 8, 24, 34 und 35 zur Zeit zuständigen Behörden weist das unter Litt. D anliegende Verzeichniß nach.

24

A 7. Wahlreglement für den Deutschen Reichstag. Anlage A.

Anlage A.

Wähler-Liste der Stadt

....

(der Gemeinde)

(des Gutsbezirks).

|

A lte r, J a h re

Zuname

Vorname





.

.

.

.

des Kreises

(der Gemeinde . ( (des Gutsbezirks)

Vernrerk det erfollgten E?timm abgab e.

Stand

(8 16. des Ntegleme nts.)

Wohnort

oder

Orden tliche Wa hl.

Gewerbe

KZ

der Wä hler. 1. 1 1.

~2T 3.

2. 1 Abel Alert Arnold

3.

Carl

Friedrich Heinrich

1 4. 1 35 45 37

.

(des Amts).

1

5.

Bauer

Enge Wah

|



Laufende N°

Wahlbezirk

.

/ der Stadt.

Nach wähl.

Semerkungen.

KZ

§s

1 7. 1 8. 1 9. 1 10. |

6. Clausdorf

11.

t t

Arbeiter Schulze

Nr. 4 ist noch nicht 25 Jahr alt,daher ge­ strichen am . . ten

AMlülVig

(Unterschrift.)

5.

Böhm

Ernst

42

Bäcker Nr. 6 hält sich nur­ vorübergehend in Clausdorf auf, gestrichen auf Ent­ scheidung d. Land­ raths (Amtmanns, Oberbeamten, Ma­ gistrats u. s. w.) vom . .ten............. (Unterschrift.)

70

1 9.

Brandt Brass Braun

10

Cohn

UT "12?

Cohn Donner

Wilhelm

Michael

Emil

50 30 40

Schmiedemstr.

Brauer

t

Gastwirth

Nr. 10 ist in Kon­ kurs, daher gestri­ chen am . . ten. . . (Unterschrift.)

30 Meyer

Max

48 28

t t

Schankwirth Müller

Buschmühle

u. s. w.

N

.

.

.

den

. ten

.

Der Gemeindevorstand. (Kommunevorstand, Ortsvorstand, Magistrat u. s. w.)

(Unterschrift.)

25

A 7. Wahlreglement für den Deutschen Reichstag. Anlage A.

(§ 16 des Reglements.)

Ordentliche Wahl.

der Wä hier. 1. 1

215.

216.

1

2.

Friedrich

Kaul

3.

!

Philipp

Ernst

b.

4. 1

55

26

Bauer

Bemerkungen.

11.

I 7. 1 8. 1 9- 1 10.

6.

1

Nachwahl.

W at

Gewerbe

Enge

Wohnort

Erste N handln

oder

handln

Vorname

Vermerk der erfolgten Stimmabgabe.

Stand

Erste N

Zuname

Alter, Jahre

Laufende A’°

|

Nachtrag.

Nr. 215 hat erst anch Aufstellung der Wähler-Liste hier seinen Wohnsitz aufgeschlagen, nachgetragen am . ten.................. (Unterschrift.)

Clausdorf

Nr. 216 aus Verse­ hen übergangen, nachgetragen wie vor. lUnterschrift.)

Barbier

u. s. w.

den

Abgeschlossen * N

. ten

Der Gemeindevorstand. (Kommunevorstand, Ortsvorstand, Magistrat u. s. w.)

(Unterschrift.)

Daß die vorstehende Wähler-Liste nach vorgängiger ortsüblicher Bekanntmachung vom . .ten 18 . . bis zum . . ten 18 . .zu Jedermanns Einsicht ausgelegen hat, sowie daß die Abgrenzung des Wahlbezirks, der Name des Wahlvorstehers und seines Stellvertreters, Lokal, Tag und Stunde der Wahl acht Tage vor dem Wahltermine in ortsüblicher Weise bekannt gemacht worden sind, wird hierdurch bescheinigt.

den

N

. teil

.

.

. 18

.

.

Der Gemeindevorstand. (Kommunevorstand, Ortsvorstand, Magistrat u. s. w.)

(Siegel.)

(Unterschrift.)

*) Auf dem Exemplar, welches der Wahlvorsteher erhält, ist hinzuzusetzen:

„mit der amtlichen Bescheinigung, daß das gegenwärtige Exemplar mit dem Haupt-Exemplar der Wähler-Liste völlig übereinstimmt," und in der Bescheinigung über die Auslegung statt der Worte:

„die vorstehende Wähler-Liste" zu schreiben: „das Haupt-Exemplar der vorstehenden Wähler-Liste."

A 7. Wahlreglement für den Deutschen Reichstag. Anlage B.

26

Anlage B. den

Verhandelt

.

. ten

18

.

.

Behufs der auf heute anberaumten Wahl eines Abgeordneten zum Reichstage des Norddeutschen Bundes für den . ten Wahlkreis des war 5/ in dem aus der Ortschaft . . ZZF und.............................................. Ug; bestehenden Wahlbezirke Nr. . GZ^H des Kreises

?

^?-'(des Amts).............................

K i in dem Wahlbezirke Nr. . T^^A§-)der Stadt.................................. g" 5 && " g'S

(des Fleckens) ’ (ber Gemeinde) der unterzeichnete zum Wahlvorsteher ernannt.

Derselbe hatte aus der Zahl der Wähler zum Protokollführer den

und zu Beisitzern 1) 2) 3) 4) 5) 6)

.

.

-

ernannt und zwei Tage vor dem Wahltermine eingeladen, beim Beginne der Wahlhand­ lung zur Bildung des Wahlvorstandes zu erscheinen. Dieselben hatten sich eingefunden, und der Wahlvorsteher eröffnete die Wahlhandlung um 10 Uhr Vormittags damit, daß er dieselben mittels Handschlags an Eidesstatt ver­ pflichtete.

Auf dem Tische, an welchem der Wahlvorstand Platz nahm, wurde ein verdecktes Gefäß zum Hineinlegen der Stimmzettel (Wahlurne) aufgestellt, nachdem sich der Wahl­ vorstand überzeugt hatte, daß dasselbe leer sei.

Von den erschienenen Wählern trat jeder einzeln an den Tisch, an welchem der Wahlvorstand saß, nannte seinen Namen, sowie seinen Wohnort (seine Wohnung), und übergab, sobald sein Name von dem Protokollführer in der Wählerliste aufgefunden war, seinen zusammengefalteten Stimmzettel dem Wahlvorsteher, welcher denselben uneröffnet in das auf dem Tische stehende Gefäß legte. Hierbei mußten von dem Wahlvorsteher zurückgewiesen werden: 1) weil der auf denselben verzeichnete Name nicht verdeckt war, Stimmzettel; 2) weil sie nicht von weißem Papier waren, Stimmzettel; 3) weil sie mit einem äußern Kennzeichen versehen waren, Stimmzettel; 4) weil versucht wurde, mehr als Einen Stimmzettel abzugeben, die Stimmzettel von Wählern.

Der Protokollführer vermerkte die erfolgte Stimmabgabe jedes Wählers, indem er neben dem Namen desselben in der dazu bestimmten Rubrik der Wählerliste ein Kreuz

machte. Um 6 Uhr Nachmittags erklärte der Wahlvorsteher die Abstimmung für geschloffen. Die Stimmzettel wurden aus der Wahlurne genommen und uneröffnet gezählt. Die Anzahl derselben betrug

A 7. Wahlreglement für den Deutschen Reichstag. Anlage B.

27

strichen, wenn strichen, wenn die Zahlen die Zahlen übereinstimmen.

nicht übereinstimmen.

Dieselbe stimmte mit der Zahl derjenigen Wähler, neben deren Namen in der Wähler­ liste der Abstimmungsvermerk gemacht war, überein.

Dieselbe war um

neiner"

3°^ derjenigen Wähler, neben

Sri deren Namen in der Wählerliste der Abstimmungsvermerk gemacht war. Zur Aufklärung As dieser Differenz, welche sich auch bei wiederholter Zählung herausstellte, dient Folgendes :

Hierauf erfolgte die Eröffnung der Stimmzettel, indem einer der Beisitzer jeden Stimmzettel einzeln entfaltete und ihn dem Wahlvorsteher übergab, welcher denselben nach lauter Vorlesung an einen andern Beisitzer weiter reichte, der die Stimmzettel bis zum Ende der Wahlhandlung anfhob. Der Protokollführer nahm den Namen jedes Kandidaten, welcher Stimmen erhielt, in das Protokoll auf, vermerkte neben demselben jede dem Kandidaten zufallende Stimme und zählte dieselbe laut. In gleicher Weise führte der Beisitzer eine Gegenliste, welche ebenso wie die Wählerliste beim Schluffe der Verhandlung von dem Wahlvorstande unterschrieben und dem Protokolle beigefügt wurde. Durch Beschluß des Wahlvorstandes wurden für ungültig erklärt: 1) nach § 19 zu 1 des Reglements vom die Stimmzettel Nr.... 2) nach § 19 zu 2 die Stimmzettel Nr.. 3) nach 8 19 zu 3 die Stimmzettel Nr.. 4) nach 19 zu 4 die Stimmzettel Nr.. 5) nach tz 19 zu 5 die Stimmzettel Nr Dagegen wurden die nachbezeichneten Stimmzettel, in Betreff deren sich die nach­ stehenden Bedenken ergeben hatten, aus folgenden Gründen durch Beschluß des Wahl­ vorstandes für gültig erklärt: 1) Stimmzettel Nr 2) Stimmzettel Nr Die sämmtlichen vorbezeichneten Stimmzettel, in Betreff deren es einer Beschlußfassung des Wahlvorstandes bedurft hatte, wurden mit fortlaufenden, den vorstehend angegebenen entsprechenden Nummern versehen und dem Protokolle beigefügt. Die Zahl der Stimmen betrug für ungültig erklärte Stimmzettel waren vorhanden die Zahl der gültigen Stimmen beträgt also.

Es haben erhalten:

Angabe, die zu durch-

streichen ist.

Ä (Gutsbesitzer Carl Weiß in Helldorf 14. 15. 16. 17.

L

h)

18.

19. 20.

— 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. zusammen 31 Stimmen.)

1)

zusammen

Stimmen.

Zusammen

Stimmen.

zusammen

Stimmen.

zusammen

Stimmen.

zusammen

Stimmen.

2)

3) 4)

ö)

zusammen im Ganzen wie oben

....

Stimmen.

Stimmen

28

A 7. Wahlreglement für den Deutschen Reichstag. Anlage C. D. Nachdem dieses Resultat ermittelt und von dem Wahlvorsteher verkündet worden war, versiegelte derselbe alle abgegebenen Stimmzettel, welche nicht dem Protokolle beige­ fügt sind, und nahm dieselben in Verwahrung. Zu keiner Zeit der Wahlhandlung waren weniger als 3 Mitglieder des Wahlvor­ standes gegenwärtig, oder der Wahlvorsteher und der Protokollführer gleichzeitig abwesend. Gegenwärtige Verhandlung ist vorgelesen, von dem Wahlvorsteher, den Beisitzern und dem Protokollführer, deren Keiner ein unmittelbares Staatsamt bekleidet, überall geneh­ migt und wie folgt vollzogen.

V.

w.

o.

Die Beisitzer.

Der Wahlvorsteher.

Der Protokollführer.

Anlage C.

Verzeichnis der Wahlkreise.

Anlage D.

Verzeichniß der in den einzelnen Bundesstaaten in Gemäßheit der bestehenden Verwaltungs-Organisation nach den §§ 2, 3, 6, 8, 24, 34 und 35 des Wahlreglements zur Zeit zuständigen Behörden.^

4. S. di-.' vorhergehende Beim, vom 1. Dezember 1873.

5. S. die nachfolgende Bekm. vom 1. Dezember 1873.

29

A 8.

Bekanntmachung des Reichskanzlers betreffend das Wahtreglement.

Vom 1. Dezember 1873. G.-Bl. S. 330.

Auf Grund des Gesetzes vom 25. Juni 1873, betreffend die Einführung der Verfassung des Deutschen Reichs in Elsaß-Lothringen (Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen, S. 131), und auf Grund des § 15 des Wahlgesetzes für den Deutschen Reichstag vom 31. Mai 1869 (Gesetzbl. für ElsaßLothringen 1873, S. 155), hat der Bundesrath beschlossen, das Reglement zur Ausführung des Wahlgesetzes für den Deutschen Reichstag vom 28. Mai 1870 (Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen 1873, S. 316) durch den folgenden Nachtrag zn ergänzen:

Nachtrag zum Verzeichnis der in den einzelnen Snudcsstaaten in Gemäßheit der bestehenden Verwaltungs-Organisation nach den §§ 2, 3, 6, 8, 24, 34 und 35 des Wahlreglements zur 3cit zuständigen Lchordcn. (Anlage D.)

Gtsaß--P^O U. § 108 421. In Betreff der Zahlmittel bei G-ldschplhen vgl Münzges. ü. 9. Juli 1873 (bes. Artt. 1, 9, 10, 13 u. 14) nebst G. v. 15. Nov. 1874 wegen Einführung der Reichsmünz gesetze in E.-L. u. Bekm. v. 21. Sept. 1875, betr. die Außer kurssetzuvg der Silber- und Bronzemünzen der Fragen Währung, G. p. 30. April 1874 über Reichskassenscheine (bei. § 5) und Bankges. v. 14. März 1875 (bes. §§ 1, 2, 4, iß, 19, 43 u. 44). — Bezüglich der Geldzahlungen find noch die D v. 1. Juli 1809 u. 17 Nov. 1852, betr. die Sackgebühr, zu

erwähnen.

B. Civilgesetzbuch. B. in. 1244. Ä)er Schuldner kann den Gläubiger nicht zwingen, theilweise Zahlung einer (Schuld anzu­ nehmen, selbst wenn letztere theilbar ist. Der Richter tarnt jedoch in Berücksichtigung der Lage des Schuldners mäßige Zahlungsfristen gestatten und die Aus­ führung der eingeleiteten Verfolgungen einstellen, wobei alles im bisherigen Zustande verbleibt. Bon dieser Befugniß ist mit großer Zurückhaltung Gebrauch zu machen.422 423

1245. Der Schuldner einer individuell bestimm­ ten Sache wird durch Uebergabe der Sache in dem Zustande, in welchem sie sich zur Zeit der Lieferung befindet, befreit, vorausgesetzt nur daß

die an derselben stattgefundenen Verschlechterungen weder durch sein Verhalten oder Verschulden noch durch dasjenige von Personen, für welche er ver­ antwortlich ist, erfolgt sind, oder daß er sich vor Eintritt dieser Verschlechterungen nicht im Ver­ züge befand 1246. Hat die Schuld eine Sache zum Gegen­ stände, die nur ihrer Art nach bestimmt ist, so ist der Schuldner, um sich zu befreien, nicht ver­ pflichtet, eine von der besten Art zu geben; er darf aber auch keine von der schlechtesten anbieten. 1247. Die Zahlung muß an dem Orte ge­ schehen, welcher in dem Vertrage bestimmt ist Ist in demselben kein Ort bestimmt, so muß die Zahlung, wenn es sich um eine individuell be­ stimmte Sache handelt, an dem Orte geschehen, an welchem sich zur Zeit des Abschlusses des Vertrages die Sache, welche dessen Gegenstand bildet, befand Abgesehen von diesen beiden Fällen muß die Zahlung im Wohnsitze des Schuldners geschehen. ^3 1248. Die Kosten der Zahlung fallen dem Schuldner zu Last 8 2. Zahlung mit Eintritt in die Rechte des Gläubigers

1249. Der Eintritt in die Rechte des Gläubi­ gers zum Vortheile eines Dritten, welcher den­ selben bezahlt, ist entweder vertragsmäßig oder gesetzlich. 1250. Dieser Eintritt ist vertragsmäßig: 1) wenn der Gläubiger, welcher seine Zahlung von einem Dritten empfängt, denselben in seine Rechte, Klagen, Vorzugsrechte oder Hypotheken gegen den Schuldner einsetzt; diese Einsetzung muß ausdrüMch und zu gleicher Zeit mit der Zahlung geschehen; 2) wenn der Schuldner eine Summe entleiht um seine Schuld zu bezahlen und den Darleiher in die Rechte des Gläubigers einzusetzen. Damit diese Einsetzung gültig sei, muß die Darlehnsurkunde und die Quittung vor Notaren aufgenoMMsN werden;424 es muß in der Darlehns422. Aufgehbbsn durch H 14 Nr. 4 E^-G. z. C.-P.-Oi 423. Da es sich hier nicht von dem Gerichtsstände (§§ 12 fr. E.-EE'htrnhelt/fo' sind für die Bestimmung des Wohn­ sitzes' die tyrtt/loä fr. maßgebend. Vgl. Bem. zar Ueberschrift botr B-ch'I M. III, -sowie Art. 325 H.-G-B. 42'4. Durch die C.-P.-O. nicht berührt, weil es sich hier nicht um eine Beweis-, sondern um eine die Rechtsgültrgkeit

T. HI. H. V. Abschn. 1.

93

urkunde erklärt werden, daß die Summe entliehen worden sei, um die Zahlung zu leisten, und es muß in der Quittung erklärt werden, daß die Zahlung mit dem Gelde geschehen sei, welches der neue Gläubiger zu diesem Zwecke hergegeben habe. Diese Einsetzung erfolgt unabhängig von dem Willen des Gläubigers. 1251. Der Eintritt findet von Rechtswegen statt: 1) zum Vortheile desjenigen, welcher selbst Gläubiger ist und einen andern Gläubiger be­ zahlt, der wegen seiner Vorzugsrechte oder Hypo­ theken ihm vorgeht: 2) zum Vortheile des Erwerbers einer Liegen­ schaft, welcher den Erwerbspreis zur Befriedigung der Gläubiger verwendet, denen an diesem Grund­ stücke eine Hypothek zusteht; 3) zum Vortheile desjenigen, der, da er mit anderen oder für andere zur Zahlung der Schuld verhaftet war, ein Interesse daran hatte, sie zu tilgen; 4) zum Vortheile des Benefizialerben, der mit seinem Gelde die Schulden der Erbschaft bezahlt hat 1252. Der in den vorstehenden Artikeln be­ stimmte Eintritt in die Rechte des Gläubigers hat sowohl gegen die Bürgen als gegen die Schuldner statt. Er kann dem Gläubiger nicht zum Schaden gereichen, wenn er nur zum Theil bezahlt worden ist In diesem Falle kann er wegen des Restes der Schuld seine Rechte vorzugsweise vor demje­ nigen geltend machen, von dem er nur theilweise Zahlung erhalten hat. § 3. Anrechnung der Zahlungen.

1253. Der Schuldner mehrerer Schulden hat das Recht, bei der Zahlung zu erklären, welche Schuld er zu tilgen gedenkt. 1254. Der Schuldner einer Schuld, welche Zin­ sen trägt oder Renten bringt, kann nicht ohne Einwilligung des Gläubigers eine Zahlung, welche er macht, auf das Kapital vor den Renten oder Zinsen anrechnen. Eine Zahlung, die auf Kapital und Zinsen geschieht, aber für beide nicht ausreichend ist, wird zuerst auf die Zinsen an­ gerechnet. 1255. Hat der Schuldner verschiedener Schul­ den eine Quittung angenommen, in welcher der Gläubiger das Empfangene auf einen dieser Schuldposten besonders angerechnet hat, so kann der Schuldner nicht mehr verlangen, daß dasselbe auf eine andere Schuld angerechttet werde, es sei denn, daß Betrug oder Ueberlistung von Seiten des Gläubigers stattgefunden hat.

des Geschäftes betreffende Formvorschrift handelt. — Die Zuziehung eines zweiten Notars ober von Aytgen ist übri­ gens nicht mehr erfordert (§ 6 G. v. 26. Dez.,1873 in Mrbindung mit Ä. u. 21. Hum 1843).

B. Civilgesetzbuch. B. III. T. III. H. V. Abschn. 1.

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1256. Bestimmt die Quittung über die An­ rechnung nichts, so muß, sofern mehrere Schulden gleichmäßig fällig sind, die Zahlung auf diejenige angerechnet werden, welche zu tilgen der Schuld­ ner zur Zeit das meiste Interesse hatte; ande­ renfalls auf die fällige Schuld, selbst wenn sie weniger lästig ist als die noch nicht fälligen. Sind die Schulden von gleicher Beschaffenheit, so erfolgt die Anrechnung uns die älteste; sind alle Umstände gleich, so erfolgt dieselbe auf jede verhältnißmäßig. § 4. Anerbieten und Hinterlegung der Zahlung.425

1257. Weigert sich der Gläubiger die Zahlung anzunehmen, so kann der Schuldner ihm ein Baaranerbieten machen, und, wenn der Gläubi­ ger die Annahme verweigert, die angebotene Summe oder Sache hinterlegen. Das Baaranerbieten mit darauf folgender Hinterlegung befreit den Schuldner; es gilt hin­ sichtlich seiner an Zahlungsstatt, wenn es in gül­ tiger Weise gemacht ist; die so hinterlegte Sache steht auf Gefahr des Gläubigers. 426 1258. Zur Gültigkeit eines Baaranerbietens ist erforderlich: 1) daß es dem Gläubiger, der die Fähigkeit zur Empfangnahme hat, gemacht wird oder dem­ jenigen, der zur Empfangnahme für ihn Voll­ macht hat; 2) daß es durch eine Person gemacht wird, welche fähig ist zu zahlen;427 428 429 3) daß es sich erstreckt auf den ganzen Betrag der fälligen Summe, auf die geschuldeten Renten oder Zinsen, auf die festgesetzten Kosten und auf eine Summe für die noch nicht festgesetzten Kosten, mit dem Vorbehalte, dieselbe zu ergänzen; 4) daß die Frist abgelaufen ist, wenn dieselbe zu Gunsten des Gläubigers bedungen worden ist; 5) daß die Bedingung eingetreten ist, unter welcher die Schuld eingegangen worden ist; 6) daß das Anerbieten an dem vereinbarten Zahlungsorte, und, wenn keine besondere Verein­ barung über den Zahlungsort stattgefunden hat, dem Gläubiger in Person, oder in seinem Wohn­ sitze oder an dem für die Vollziehung des Ver­ trages gewählten Wohnsitze gemacht werde; 420

7) daß

das

Anerbieten durch

einen

ministe­

425. Vgl. hinsichtlich der öffentlichen Depositalverwaltung namentlich folgende Bestimmungen: Art. 110 G. v. 28. April 1816; O. v. 3. Juli 1816 über die Befugnisse der Depositen­ kaffe ; O. v. 3. Juli 1816, betr. die Ermächtigung per Depo­ sitenkaffe zur Annahme von freiwilligen und Privatdepositen; G. v. 4. Nov. 1872 nebst dem kraft § 2 dieses Ges. abge­ schlossenen Vertrage v. 25. Nov. 1872 und dem durch Erl. des O.-Pr. v. 5. Jan. 1875 bestätigten Reglement für die Verwaltung von öffentlichen Geldern durch die Aktiengesell­ schaft für Boden- und Kommunalkredit in E.-L. 426. Vgl. Artt. 812 ff. fr. C.-P.-O. 427. Vgl. Art. 352 fr. C.-P.-O.

428. Vgl. Bem. zu Art. 111.

riellen Beamten erfolgt, welcher zur Vornahme

derartiger Handlungen Befugniß hat.42^ 1259. Zur Gültigkeit der Hinterlegung ist eine gerichtliche Ermächtigung nicht erforderlich, es

genügt: 1) daß eine dem Gläubiger zugestellte Auffor­ derung vorhergegangen ist, welche die Angabe des Tages, der Stunde und des Ortes der Hin­ terlegung der angebotenen Sache enthält; 2) daß der Schuldner den Besitz der angebotenen Sache aufgegeben hat, indem er dieselbe, nebst den Zinsen bis zum Tage der Hinterlegung, der gesetzlich zur Aufnahme von Hinterlegungen be­ stimmten Stelle übergeben ;430 3) daß von dem ministeriellen Beamten eine Urkunde ausgenommen worden ist über die Art der angebotenen Gegenstände, die Weigerung des Gläubigers, sie anzunehmen oder dessen Nichter­ scheinen, und endlich über die erfolgte Hinterle­ gung; 4) daß in dem Falle des Nichterscheinens des Gläubigers demselben die Urkunde über die Hin­ terlegung mit der Aufforderung zugestellt worden ist, die hinterlegte Sache an sich zu nehmen.431 1260. Die Kosten des Baaranerbietens und der Hinterlegung hat der Gläubiger zu tragen, wenn letztere in gültiger Weise erfolgt sind. 1261. So lange der Gläubiger die hinterlegte Sache noch nicht angenommen hat, kann der Schuldner sie zurücknehmen; wenn er sie zurück­ nimmt, so sind seine Mitschuldner oder seine Bürgen nicht befreit. 1262. Hat der Schuldner selbst ein in Rechts­ kraft getretenes Urtheil erwirkt, welches sein An­ erbieten und die Hinterlegung für gut und gültig erklärt hat, so kann er selbst mit Einwilligung des Gläubigers die Hinterlegung nicht mehr zum Nachtheile seiner Mitschuldner oder seiner Bürgen

zurücknehmen. 1263. Der Gläubiger, welcher eingewilligt hat, daß der Schuldner die Hinterlegung zurücknehme, nachdem sie durch ein Urtheil, welches Rechts­ kraft erlangt hat, für gültig erklärt worden ist, kann behufs Bezahlung seiner Forderung die Vorzugsrechte oder Hypotheken, welche mit der­ selben verbunden waren, nicht mehr geltend machen; er hat erst wieder von dem Tage an eine Hypothek, an dem die Urkunde, .durch welche er die Zurücknahme der Hinterlegung bewilligte, mit den zur Begründung einer Hypothek erforder­ lichen Formen versehen worden ist. 1264. Ist die geschuldete Sache ein bestimmter Gegenstand, welcher an dem Orte geliefert werden muß, wo er sich befindet, so muß der Schuldner

429. Vgl. Artt. 812 ff. fr. C.-P.-O. 430. Aktiengesellschaft für Boden- und Kommuntzlkredjt.hi E.-L. (88'.1 U. 2 G. v. 4. Nov. 1872 und 8 1 Vertr. b..2$, Npv. 1872). ! 431. Vgl. Art. 814 fr. C.-P.-O.

B. Civilgesetzbuch. B. HI. T. HI. H. V. Abfchn. 2. an den Gläubiger die Aufforderung erlassen, sie abzuholen, und zwar durch eine demselben in Person oder in seinem Wohnsitze oder an dem für Erfüllung des Vertrages gewählten Wohnsitze zu­ gestellte Urkunde.432 433 Wenn der Gläubiger nach dieser Aufforderung die Sache nicht abholt und der Schuldner des Raumes, wo sie lagert, bedarf, so kann dieser bei dem Gerichte die Erlaubniß auswirken, sie an einem anderen Orte zu hinter­ legen. § 5. Güterabtretung. 433

1265. Die Güterabtretung besteht darin, daß ein Schuldner, wenn er sich außer Stande befin­ det, seine Schulden zu bezahlen, alle seine Güter seinen Gläubigern überläßt 1266 Die Güterabtretung ist entweder eine freiwillige oder eine gerichtliche. 1267. Die freiwillige Güterabtretung ist die, welche von den Gläubigern freiwillig angenommen wird, und die nur biejenigc Wirkung hat, welche sich aus den Bestimmungen des zwischen ihnen und dein Schuldner abgeschlossenen Vertrages ergibt 1268 Die freiwillige Güterabtretung ist eine Wohlthctt, Die das Gesetz dem unglücklichen und redlichen Schuldner gewährt, demselben wird zur Erhaltung seiner persönlichen Freiheit verstattet, ungeachtet jeher entgegenstehendcn Ber abredung, seine iämnitlichen Güter vor Gericht seinen Gläu bigern zu überlassen

1269 Tic gerichtliche Güterabtretung überträgt nicht das Eigenthum auf die Gläubiger, sie gibt ihnen nur das Recht, die Güter zu ihrem Bortheile verkaufen zu lassen und bis zum Verkaufe die Einkünfte davon zu beziehen. 1270 Tic Gläubiger können die gerichtliche Gütcrabtrc titng nur in den durch das Geich auSgenommeuen Fällen ablehnen. Sie bewirkt Die Befreiung von der Schuldhaft Im Uebrlgeu befreit sie den Schuldner nur bis zu dem Betrage des Werthes der abgetretenen Güter, falls sie un zureichend gewesen sind, ist er, wenn er in der Folge wieder zu Vermögen kommt, verpflichtet dasselbe bis zur vollständigen Zahlung herzugeben

Zweiter Abschnitt Novation.

1271 Eine Novation wird auf dreierlei Art bewirkt: 1) wenn der Schuldner gegen seinen Gläubiger eine neue Schuld eingeht, die an die Stelle der alten tritt, welche letztere erlischt; 2) wenn ein neuer Schuldner an die Stelle des ulten tritt, welcher von dem Gläubiger frei gegeben wird;

432, Pgl. Bem. zu Art 111 433. § 4 Abs. 1 G.-G. z. K -L erklärt die landesgesetzlichen Bestimmungen über die „Rechtswohlthat der Güterabtretung" für aufgehoben. Unter diesen Begriff fällt nicht die einen Ausfluß der Vertragsfreih'eit bildende freiwillige Güterab tretung, sondern nur die gerichtliche Güterabtretting Hier­ nach sind stehen geblieben Artt 1265, 1266 erster Theil, 1267, dagegen weggefallen Artt. 1266 zweiter Theil, 12681270.

95

3) wenn zufolge einer neuen Uebereinkunft ein neuer Gläubiger an die Stelle des alten tritt, dem gegenüber der Schuldner frei wird. 1272. Die Novation kann nur unter Personen stattfinden, welche fähig sind, Verträge zu schließen. 1273. Die Novation wird nicht vermuthet; der Wille sie zu bewirken, muß sich klar aus dem Geschäfte ergeben. 434 1274. Die Novation durch Eintritt eines neuen Schuldners kann ohne Mitwirkung des ersten Schuldners erfolgen. 1275 Die Delegation, durch welche ein Schuldner seinem Gläubiger einen anderen Schuldner stellt, der sich gegen den Gläubiger verpflichtet, bewirkt keine Novation, wenn nicht der Gläubiger aus­ drücklich erklärt, daß er Willens sei, seinen Schuldner, welcher die Delegation gemacht hat, zu entbinden 1276 Der Gläubiger, welcher den Schuldner entbunden hat, von dem die Delegation ausgeht, hat keinen Rückgriff gegen denselben, wenn der überwiesene Sckmldner zahlungsunfähig wird es fei denn, daß der Vertrag darüber einen ausdrücklichen Vorbehalt enthält, oder daß zur Zett der Delegation gegen den Ueberwiesenen schon das Falliment eröffnet oder derselbe IN Ver mögensverfall gerathen war 435 1277 Die vom Schuldner ausgehende einfache Bezeichnung einer Person, welche an seiner Stelle zahlen soll, bewirkt keine Novation. Dasselbe gilt von einer durch den Gläubiger­ geschehenen einfachen Bezeichnung einer Person, welche für ihn empfangen soll. 1278. Die Vorzugsrechte und Hypotheken der alten Forderung gehen nicht auf diejenige über, welche an deren Stelle getreten ist, es fei denn, daß der Gläubiger dieselben sich ausdrücklich vor­ halten hat. 1279 Wird die Novation durch Eintritt eines neuen Schuldners bewirkt, so können die ursprüng­ lichen Vorzugsrechte und Hypotheken der For­ derung auf die Güter des neuen Schuldners nicht übergehen. 1280. Kommt die Novation zwischen dem Gläubiger und einem der Gesammtschuldner zu Stande, so können die Vorzugsrechte und Hypo­ theken der alten Forderung nur an den Gütern desjenigen vorbehalten werden, welcher die neue Schuld eingeht. 1281. Durch die zwischen dem Gläubiger und einem der Gesammtschuldner erfolgte Novatton werden die Mitschuldner befreit. Die in Ansehung des Hauptschuldners bewirkte Novation befreit die Bürgen. Hat jedoch der Gläubiger im ersten Falle den

434. Vgl. Bem. zur Ueberschrift von Hauptst. III Abschn.'

435 Die dem Fallimente beigelegte Wirkung tritt auch in Folge des Konkurses ein, da derselbe jedenfalls den Vermö gensverfall beweist (vgl. § 94 K-O.).

B. Civilgesetzbuch. B. III. T. III. H. V. Abschn. 3. 4.

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Beitritt -er Mitschuldner, oder im zweiten Falle den der Bürgen verlangt, so bleibt die alte For­ derung bestehen, wenn die Mitschuldner oder Bürgen sich weigern, der neuen Uebereinkunft bei­ zutreten.

Dritter Abschnitt. Hrtaß der Schuld.

1282. Die freiwillige seitens des Gläubigers an den Schuldner erfolgte Rückgabe der Urschrift einer Urkunde unter Privatunterschrift erbringt den Beweis der Befreiung. ^6 1283. Die freiwillige Rückgabe der vollstreck­ baren Ausfertigung einer Urkunde begründet die Vermuthung des Schulderlasses oder der Zahlung; der Gegenbeweis bleibt Vorbehalten. ^7 1284. Die Rückgabe der Urschrift einer Urkunde unter Privatunterschrift oder der vollstreckbaren Ausfertigung einer Urkunde an einen Gesamt­ schuldner hat die nämliche Wirkung zum Vortheile seiner Mitschuldner. 1285. Wenn der Erlaß oder die Befreiung zum Vortheile eines der Gesamtschuldner durch Ver­ trag erfolgt, so werden alle übrigen dadurch befreit, es fei denn, daß der Gläubiger sich seine Rechte gegen letztere ausdrücklich vorbehalten hat Letzteren Falles kann er die Schuld nur unter Abzug des Antheiles desjenigen einfordern, welchem er den Erlaß bewilligt hat 1286. Die Rückgabe der zum Besitzpfande gegebenen Sache genügt nicht, um die Vermuthung des Erlasses der Schuld zu begründen. 1287. Der Erlaß oder die Befreiung, welche durch Vertrag dem Hauptschuldner gewährt wird, befreit die Bürgen. Der dem Bürgen gewährte Erlaß befreit den Hauptschuldner nicht. Der einem der Bürgen gewährte Erlaß befreit die übrigen nicht. 1288. Was der Gläubiger von einem Bürgen zur Befreiung von seiner Bürgschaft empfangen hat, muß auf die Schuld angerechnet werden und dem Hauptschuldner und den übrigen Bürgen zur Befreiung dienen

Vierter Abschnitt. Aufrechnung.438 * 437 439

1289. Sind zwei Personen sich gegenseitig etwas schuldig, so tritt unter ihnen eine Aufrechnung ein, welche beide Schulden in der Weise und in den Fällen aufhebt, wie es nachstehend ange­ geben ist. 1290. Die Aufrechnung tritt von Rechtswegen blos kraft des Gesetzes selbst ohne Wissen der 436 Aufrecht erhalten durch § 16 Nr 1 E.-G z. C -P.-O.

437. Vgl. die vorhergehende Bem 438. Ueber die Aufrechnung im Konkurse vgl K -O

§§ 46-49

Schuldner ein; in dem Augenblicke, in welchem beide Schulden zu gleicher Zeit vorhanden sind, heben sie sich gegenseitig auf, soweit ihre Beträge sich decken. 1291. Die Aufrechnung findet nur zwischen zwei Schulden statt, welche gleichmäßig eine Summe Geldes oder eine bestimmte Menge vertretbarer Sachen derselben Art zum Gegenstände haben, und die gleichmäßig liquid und fällig sind. beiter, welche bei der Errichtung eines Gebäudes oder anderer in Unternehmung gegebenen Werke verwendet worden sind, haben gegen denjenigen, für welchen die Arbeiten gemacht wurden, nur bis zum Betrage dessen eine Klage, was derselbe dem Unternehmer zur Zeit der Erhebung ihrer Klage schuldig ist.

1791. Handelt es sich um ein Werk, das nach einzelnen Stücken oder nach Maß zu fertigen ist, so kann die Prüfung theilweise erfolgen; es wird angenommen, daß sie in Ansehung aller bezahlten Theile erfolgt sei, wenn der Besteller den Arbeiter nach Verhältniß der verfertigten Arbeit bezahlt.

1799. Maurer, Zimmerleute, Schlosser und an­ dere Arbeiter, welche selbständig Werkverträge gegen einen Pauschpreis schließen, sind an die in diesem Abschnitte vorgeschriebenen Regeln ge­ bunden ; sie sind Unternehmer für den Theil der Arbeit, welchen sie unternommen haben.

1792. Wenn ein für einen Pauschpreis aufge­ führtes Gebäude durch Mängel der Bauart oder selbst durch Mängel des Bodens ganz oder theil­ weise zu Grunde geht, so hat der Baumeister und der Unternehmer dafür auf zehn Jahre ein­ zustehen.

1793. Hat ein Baumeister oder ein Unterneh­ mer die Aufführung eines Gebäudes in Bausch und Bogen nach einem festgesetzten und mit dem Eigenthümer des Bodens verabredeten Plane übernommen, so kann er keinerlei Erhöhung des Preises fordern, weder unter Berufung auf eine Preissteigerung des Arbeitslohnes oder der Ma­ terialien, noch unter Berufung auf an dem Plane erfolgte Aenderungen und Zusätze, wenn nicht diese Abänderungen oder Zusätze schriftlich geneh­ migt sind und der Preis mit dem Eigenthümer vereinbart worden ist.599 1794. Der Besteller kann ganz nach seinem Belieben einen in Bausch und Bogen geschlossenen

Viertes Hauptstück.

Biehpacht. Erster Abschnitt. ALgemeine Bestimmungen.

1800. Der Viehpacht ist ein Vertrag, durch welchen der eine Theil dem andern einen Bestand an Vieh zur Obhut, Fütterung und Wartung unter den zwischen ihnen vereinbarten Bedin­ gungen übergibt.

1801. Es gibt mehrere Arten des Viehpachts: den einfachen oder gewöhnlichen Viehpacht; den Viehpacht zur Hälfte; den dem Gutspächter oder Theilpächter ge­ währten Viehpacht.

Es gibt endlich noch eine vierte Art dieses Vertrages, welche nur uneigentlich Viehpacht ge­ nannt wird.

599. Das Erforderniß der Schriftlichkeit für Abänderungen oder Zusätze ist nicht als eine Beweisbeschränkung, sondern als eine die Zulässigkeit einer jeden Mehrforderung bedin­ gende Formvorschrift anzusehen (vgl. Laurent XXVI 67, Aubry u. Rau IV § 374 S. 535) und wird daher durch die C.-P.-O. nicht berührt. Auf die Preisbestimmung bezieht sich übrigens das Erforderniß der Schriftlichkeit nicht.

1802. Man kann jede Art von Vieh, welches der Zuzucht fähig ist oder für den Ackerbau oder den Handel Nutzen gewährt, in Viehpacht geben.

1803. In Ermangelung besonderer Vereinba­ rungen werden diese Verträge nach den folgenden Grundsätzen geregelt.

136

B. Civilgesetzbuch. B. III. T. VIII. H. IV. Abschn. 2. 3. 4.

Zweiter * Abschnitt. Einfacher Siehpacht.

1804. Der einfache Viehpacht ist ein Vertrag, durch welchen man einem andern Vieh zur Ob­ hut, Fütterung und Wartung mit der Bedingung übergibt, daß der Pächter die Hälfte der Zuzucht erhalten und auch den Verlust zur Hälfte tragen soll. 1805. Die in dem Pachtverträge enthaltene Schätzung des Viehes überträgt nicht das Eigen­ thum desselben auf den Pächter; sie hat keinen andern Zweck als den Verlust oder den Gewinn zu bestimmen, der sich am Ende der Pachtung ergibt. 1806. Der Pächter schuldet für die Erhaltung des Viehes die Sorgfalt eines ordentlichen Haus­

vaters. 1807. Er haftet für den Zufall nur, wenn dem­ selben von seiner Seite ein Verschulden voraus­ ging, ohne welches der Verlust nicht eingetreten sein würde. 1808. Entsteht darüber Streit, so muß der Pächter den Zufall und der Verpächter das Ver­ schulden beweisen, welches er dem Pächter zur Last legt. 600 1809. Der Pächter, welcher durch den Zufall entlastet wird, ist stets verpflichtet über die Häute der Thiere Rechnung zu legen. 1810. Geht alles Vieh ohne Verschulden des Pächters zu Grunde, so trifft der Verlust den Verpächter. Geht nur ein Theil zu Grunde, so wird der Verlust gemeinschaftlich getragen nach Maßgabe des Preises der ursprünglichen Abschätzung und desjenigen der bei Ablauf des Pachtvertrages er­ folgenden Abschätzung. 1811. Man kann nicht ausbedingen: daß der Pächter den ganzen Verlust des Viehes tragen soll, auch wenn er durch Zufall und ohne sein Verschulden eintreten sollte; oder daß er einen größeren Antheil an dem Verluste tragen soll als denjenigen, welchen er an dem Gewinne hat; oder daß der Verpächter am Ende der Pach­ tung irgend etwas mehr als das von ihm überlieferte Vieh vorwegnehmen soll. Jede derartige Vereinbarung ist nichtig. Der Pächter zieht allein den Nutzen von der Milch, dem Dünger und der Arbeit des ihm in Pacht verstellten Viehes. Die Wolle und die Zuzucht werden getheilt. 1812. Der Pächter kann über kein Stück Vieh aus der Heerde, es mag zu dem Hauptstamme oder zu der Zuzucht gehören, ohne Einwilligung des Verpächters verfügen; ebenso kann letzterer

600.

Vgl. Bem. zu Art. 1315.

seinerseits ohne Einwilligung des Pächters da­ rüber nicht verfügen. 1813. Wird das Vieh dem Gutspächter eines andern in Pacht verstellt, so muß das dem Eigenthümer, von welchem derselbe das Gut ge­ pachtet hat, angezeigt werden; anderenfalls kann letzterer das Vieh für das, was sein Gutspächter ihm schuldig ist, pfänden und verkaufen lassen.601 1814. Der Pächter darf die Schur nicht vor­ nehmen, ohne den Verpächter vorher davon zu benachrichtigen. 1815. Ist in dem Vertrage über die Dauer des Viehpachts nichts bestimmt, so gilt derselbe als auf drei Jahre eingegangen. 1816. Der Verpächter kann die Auflösung dessel­ ben schon früher verlangen, wenn der Pächter seine Verpflichtungen nicht erfüllt. 1817. Bei Endigung der Pachtung oder bei Auflösung derselben wird eine neue Schätzung des Viehes vorgenommen. Der Verpächter kann Vieh von jeder Gattung bis zum Betrage der ersten Schätzung vorweg­ nehmen; der Ueberschuß wird getheilt. Ist nicht so viel Vieh vorhanden, daß der Be­ trag der ersten Schätzung erreicht wird, so nimmt der Verpächter das noch übrige und berechnen sich die Parteien über den Verlust.

Dritter Abschnitt. Mehpacht zur Kätfte.

1818. Der Viehpacht zur Hälfte ist ein Gesell­ schaftsvertrag, bei dem jeder der vertragschließen­ den Theile die Hälfte des Viehes liefert, welches auf Gewinn oder Verlust gemeinschaftlich bleibt. 1819. Der Pächter zieht wie bei dem einfachen Viehpacht allein den Nutzen von der Milch, dem Dünger und der Arbeit des Viehes. Der Verpächter hat nur ein Recht auf die Hälfte der Wolle und der Zuzucht. Jede entgegenstehende Vereinbarung ist nich­ tig, wenn nicht der Verpächter zugleich Eigenthü­ mer der Meierei ist, von welcher der Viehpächter Pächter oder Theilpächter ist. 1820. Alle übrigen bei dem einfachen Viehpacht geltenden Regeln finden auch auf den Biehpacht zur Hälfte Anwendung. Vierter Abschnitt. Aiehpacht, welcher fettens des Kigenthumers feinem Hutspächter oder Theilpächter gewährt wird. § 1. Der dem Gutspächter gewährte Viehpacht.

1821. Dieser Viehpacht (auch eiserner Vieh­ pacht genannt) ist derjenige, durch welchen der Eigenthümer einer Meierei dieselbe unter der Bedingung in Pacht gibt, daß der Pächter am

601. Vgl. bezüglich des Vorzugsrechtes des Eigenthümers § 20 A.-G. z. C.-P.-O. in Verbindung mit 8 41 Nr. 2 K.-O.

B. Civilgesetzbuch. B. III. T. VIII. H. IV. Abschn. 5. T. IX. H. I. II. Abschn. 1. 'Ende der Pachtzeit Vieh von einem Werthe zu­ rücklassen soll, der dem Abschätzungspreise des von ihm empfangenen gleichkommt. 1822. Die Schätzung des dem Gutspächter ver­ stellten Viehes macht ihn nicht zum Eigenthümer desselben; sie überträgt jedoch aus ihn die Gefahr.

1823. Dem Gutspächter gehört aller Nutzen während der Dauer der Pachtung, wenn nicht eine entgegenstehende Vereinbarung getroffen worden ist. 1824. Bei dem einem Gutspächter gewährten Viehpacht gehört der Dünger nicht unter die dem Viehpächter für seine Person zustehenden Nutzungen; sondern er gehört lediglich der Meierei und muß einzig und allein zu deren Bewirthschaftung verwendet werden. 1825. Der Verlust, und zwar selbst der gänz­ liche und zufällige, trifft ganz den Pächter, wenn nicht eine entgegenstehende Vereinbarung getroffen worden ist.

1826. Bei Endigung der Pachtung kann der Pächter das Vieh nicht gegen Bezahlung des ursprünglichen Schätzungspreises zurückbehalten; er muß Vieh von dem gleichem Werthe wie das von ihm empfangene zurücklassen.

Ist ein Abgang vorhanden, so muß er den­ selben bezahlen; nur der Ueberschuß gehört ihm.

137

Neunter Titel. Heselkschaftsvertrag. (Beschlossen den 8., ausgefertigt den 18. März 1804.)

Erstes Haupstück. Allgemeine Bestimmungen. 1832. Der Gesellschaftsvertrag ist ein Vertrag, durch welchen zwei oder mehrere Personen Über­ einkommen, etwas in eine Gemeinschaft zu geben in der Absicht den Gewinn zu theilen, der etwa daraus entstehen wird. 1833. Jede Gesellschaft muß einen erlaubten Zweck haben und im gemeinschaftlichen Interesse der Parteien eingegangen sein. Jeder Gesellschafter muß in dieselbe entweder Geld oder andere Güter oder seine Erwerbsthäthätigkeit einbringen. 1834. Alle Gesellschaftsverträge müssen schriftlich abge­ faßt werden, wenn ihr Gegenstand den Werth von hundert­ fünfzig Frank übersteigt. Der Zeugenbeweis ist unzulässig sowohl gegen den In­ halt der Gesellschaftsurkunde wie zur Ergänzung derselben, als auch über dasjenige, was vor, bei oder nach Aufnahme dieser Urkunde geredet worden sein soll, selbst wenn es sich um eine Summe oder einen Werth vnn hnndertfünfzig Frank handelt, vor

Zweites Hauptstück. Verschiedene Arten der Gesellschaft.

§ 2. Der dem Theilpächter gewährte Viehpacht.

1827. Geht der Viehstand ohne Verschulden des Theilpächters ganz zu Grunde, so trifft der Ver­

lust den Verpächter. 1828. Man kann ausbedingen, daß der Theil­ pächter seinen Antheil an der Scherwolle dem Verpächter zu einem Preise überlassen soll, der geringer als der gewöhnliche Werth ist;

daß der Verpächter einen größern Antheil am Gewinne haben soll; daß er die Hälfte der Milch erhalten soll; aber man kann nicht ausbedingen, daß der Theilpächter den ganzen Verlust tragen soll.

1829. Dieser Viehpacht endigt mit dem Pacht der Meierei. 1830. Er ist im Uebrigen allen bei dem ein­ fachen Viehpacht geltenden Regeln unterworfen.

Fünfter Abschnitt. «Der Vertrag, welcher imeigenttich Viehpacht genannt wirb.

1831. Wenn eine oder mehrere Kühe zur Ein­ stellung und Fütterung übergeben werden, so be­ hält der Verpächter das Eigenthum daran; sein Gewinn besteht allein in den von denselben ge­ worfenen Kälbern.

1835. Die Gesellschaft ist entweder eine allge­ meine oder eine besondere.

Erster Abschnitt. (Die aN-emeine HefeNfchaft.

1836. Man unterscheidet zwei Arten von allge­ meinen Gesellschaften, die Gesellschaft in Ansehung des gesammten gegenwärtigen Vermögens und die allgemeine Gesellschaft in Ansehung des Gewinnes. 1837. Die Gesellschaft in Ansehung des ge­ sammten gegenwärtigen Vermögens ist diejenige, durch welche die Parteien alle beweglichen und unbeweglichen Güter, welche sie zur Zeit besitzen, und den Gewinn, welchen sie daraus ziehen können, in die Gemeinschaft geben. Sie können auch jede andere Art von Gewinn darunter begreifen; die Güter, welche sie etwa noch durch Erbschaft, Schenkung oder Vermächtniß erwerben, fallen jedoch nur in Ansehung des Ge­ nusses in diese Gesellschaft; jede Übereinkunft, welche dahin zielt, daß auch das Eigenthum dieser Güter in die Gesellschaft fallen soll, ist verboten, ausgenommen unter Ehegatten, nach Maßgabe der dieselben betreffenden Vorschriften.

602. Art. 1834 ist nur eine Anwendung des Art. 1341 und wie dieser durch § 14 9tr. 2 E.-G. z. C.-P.-O. beseitigt.

138

B. Civilgesetzbuch. B. III. T. IX. H. II. Abschn. 2. H. III. Abschn. 1.

1838. Die allgemeine Gesellschaft in Ansehung des Gewinnes umfaßt alles, was die Parteien während des Bestehens der Gesellschaft durch ihre Thätigkeit, unter welchem Titel es auch sein mag, erwerben; die Fahrniß, welche ein jeder der Ge­ sellschafter zur Zeit des Vertrages besitzt, ist ebenfalls darunter begriffen; ihre persönlichen Liegenschaften fallen jedoch nur in Ansehung des Genusses in dieselbe. 1839. Die einfache Vereinbarung einer allge­ meinen Gesellschaft, welche ohne weitere Erklärung geschieht, hat nur eine allgemeine Gesellschaft in Ansehung des Gewinnes zur Folge. 1840. Eine allgemeine Gesellschaft kann nur unter Personen stattfinden, welche fähig sind, einander Schenkungen zu machen oder von einan­ der zu empfangen, und denen es nicht verboten ist, sich zum Nachtheile anderer Personen einen Vortheil zuzuwenden.

Zweiter Abschnitt.

Aie besondere Keseltschaft. 1841. Eine besondere Gesellschaft ist diejenige, welche sich nur auf individuell bestimmte Sachen oder auf deren Gebrauch, oder auf die davon zu ziehenden Früchte erstreckt. 1842. Ein Vertrag, durch welchen sich mehrere Personen zu einer bestimmten Unternehmung oder zum Betriebe eines Handwerkes oder Gewerbes vereinigen, ist gleichfalls eine besondere Gesellschaft.

Drittes Hauptstück. Verbindlichkeiten der Gesellschafter unter einander und gegen Dritte. Erster Abschnitt.

Verbindlichkeiten der OeseNschafter unter einander. 1843. Die Gesellschaft nimmt mit dem Augen­ blicke des Vertrages ihren Anfang, wenn in dem­ selben nicht ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist. 1844. Ist keine Vereinbarung über die Dauer der Gesellschaft getroffen worden, so ist anzuneh­ men, daß dieselbe, abgesehen von der in dem Artikel 1869 enthaltenen Einschränkung, auf die ganze Lebenszeit der Gesellschafter geschlossen worden ist, oder, wenn es sich um eine Angele­ genheit von beschränkter Dauer handelt, auf die ganze Zeit, welche diese Angelegenheit währen soll. 1845. Jeder Gesellschafter wird der Gesellschaft gegenüber Schuldner bezüglich alles dessen, was er in dieselbe einzubringen versprochen hat. Besteht diese Einlage in einer individuell be­ stimmten Sache und wird dieselbe der Gesellschaft entwährt, so ist der Gesellschafter der Gesellschaft in derselben Weise wie ein Verkäufer seinem Käufer zur Gewährleistung verbunden.

1846. Der Gesellschafter, welcher eine Summe in die Gesellschaft einzubringen hatte und es nicht gethan hat, schuldet von Rechtswegen und ohne Klage Zinsen für die Summe von dem Tage an, an dem sie hätte gezahlt werden sollen. Dasselbe gilt von den Summen, welche er aus der Gesellschaftskasse entnommen hat, von dem Tage an, an welchem er sie zu seinem persönlichen Vortheile daraus gezogen hat. Alles dieses gilt unbeschadet eines etwaigen weiteren Schadensersatzes. 1847. Die Gesellschafter, welche sich verbindlich gemacht haben ihre Erwerbsthätigkeit in die Ge­ sellschaft einzubringen, müssen derselben jeden Gewinn berechnen, den sie durch diejenige Art der Erwerbsthätigkeit gemacht haben, welche den Gegenstand der Gesellschaft bildet.

1848. Wenn einer der Gesellschafter für seine persönliche Rechnung eine fällige Summe von einer Person zu fordern hat, welche zugleich ber Gesellschaft eine ebenfalls fällige Summe schuldet, so muß dasjenige, was er von diesem Schuldner empfängt, auf die Forderung der Gesellschaft und auf die feinige nach Verhältniß des Betrages der beiden Forderungen angerechnet werden, sollte er auch in seiner Ouittung die Anrechnung des Ganzen auf seine persönliche Forderung vorge­ nommen haben; wenn er dagegen in seiner Quit­ tung erklärt hat, daß das Ganze auf die Forde­ rung der Gesellschaft angerechnet werden solle, so ist diese Verabredung zu vollziehen. 1849. Wenn einer der Gesellschafter seinen ganzen Antheil an einer gemeinschaftlichen For­ derung empfangen hat, und der Schuldner in der Folge zahlungsunfähig geworden ist, so ist dieser Gesellschafter verpflichtet, das Empfangene in die gemeinschaftliche Masse zurückzubringen, auch wenn er die Quittung ausdrücklich für seinen An­ theil ausgestellt hätte. 1850. Jeder Gesellschafter hastet der Gesell­ schaft für den Schaden, welchen er ihr durch fein Verschulden verursacht hat; gegen diesen Schaden darf er die Vortheile nicht aufrechnen, welche er ihr in anderen Geschäften durch seine Thätigkeit verschafft hat. 1851. Bestehen die Gehenstände, welche blos in Ansehung des Genusses in die Gesellschaft eingebracht worden sind, in individuell bestimmten Sachen, die durch den Gebrauch nicht verbraucht werden, so trägt der Gesellschafter, welcher Ei­ genthümer derselben ist, die Gefahr. Wenn diese Gegenstände verbrauchbar sind, wenn sie durch Aufbewahrung verschlechtert wer­ den, wenn sie zum Verkaufe bestimmt sind, oder wenn sie nach einer in einem Inventare enthal­ tenen Schätzung in die Gesellschaft eingebracht worden sind, so trägt die Gesellschaft die Gefahr. Ist die Sache geschätzt worden, so kann der Gesellschafter nur den Betrag der Schätzung zu­ rückfordern.

B. Civilgesetzbuch. B. UL T. IX. H. UI. Abschn. 2.

139

1852. Ein Gesellschafter hat gegen die Gesell­ schaft eine Klage, nicht nur wegen der Summen, welche er für dieselbe aufgewendet hat, sondern auch wegen der Verbindlichkeiten, die er in Ange­ legenheiten der Gesellschaft in gutem Glauben eingegangen hat, und wegen der Gefahren, die mit seiner Geschäftsführung nothwendig verbunden sind. 1853. Bestimmt der Gesellschastsvertrag nicht den Antheil eines jeden Gesellschafters an dem Gewinne ober dem Verluste, so wird der Antheil eines jeden nach Verhältniß seiner Einlage in das Gesellschaftsvermögen bestimmt. In Ansehung dessen, welcher nur seine Er­ werbsthätigkeit eingebracht hat, wird der Antheil an dem Gewinne oder dem Verluste so berechnet, als wenn seine Einlage gleich der desjenigen Ge­ sellschafters gewesen wäre, welcher am wenigsten eingebracht hat. 1854. Sind die Gesellschafter übereingekommen, einem unter ihnen oder einem Dritten die Fest­ stellung der Antheile zu überlassen, so kann diese Feststellung nicht angefochten werden, wenn sie nicht der Billigkeit augenscheinlich zuwider ist. Keine Beschwerde ist hierüber zulässig, wenn mehr als drei Monate verflossen sind, seitdem der angeblich verletzte Theil Kenntniß von der Feststellung erlangt hat, oder wenn er seinerseits schon begonnen hat die Feststellung in Vollziehung

könne, so kann ohne eine neue Vereinbarung einer allein in Abwesenheit des andern nicht handeln, selbst wenn dieser zur Zeit außer Stande fein sollte, zu den Berwaltungshandlungen mit­ zuwirken. 1859. In Ermangelung besonderer Verabre­ dungen über die Art der Verwaltung sind fol­ gende Regeln zu beobachten: 1) es wird angenommen, daß die Gesellschafter sich wechselseitig die Ermächtigung ertheilt haben, einer für den anderen zu verwalten. Was ein jeder thut, ist selbst für den Antheil der übrigen Gesellschafter gültig, auch wenn er ihre Einwilli­ gung nicht eingeholt hat; Vorbehalten bleibt das Recht, welches diesen letzteren oder einem der­ selben zusteht, sich dem Geschäfte zu widersetzen, bevor es abgeschlossen ist; 2) jeder Gesellschafter kann sich der Sachen bedienen, welche der Gesellschaft gehören, voraus­ gesetzt daß er dieselben zu ihrer durch den Ge­ brauch festgesetzten Bestimmung verwendet, und daß er sich derselben nicht gegen das Interesse der Gesellschaft oder in einer Weise bedient, welche seine Gesellschafter verhindert, ihrem Rechte gemäß sie zu gebrauchen;

zu setzen. 1855. Eine Vereinbarung, durch welche einem der Gesellschafter der ganze Gewinn zugewiesen wird, ist nichtig. Das Gleiche gilt von der Verabredung, nach welcher die von einem oder von mehreren der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen einge­ brachten Summen oder Sachen von jedem Bei­ trage zu dem Verluste befreit sein sollen. 1856. Der Gesellschafter, welcher durch eine besondere Bestimmung des Gesellschaftsvertrages mit der Verwaltung betraut worden ist, kann ungeachtet des Widerspruchs der übrigen Gesell­ schafter alle Handlungen vornehmen, die zu seiner Verwaltung gehören, vorausgesetzt daß dieses ohne Betrug geschehe. Diese Ermächtigung kann, so lange die Gesell­ schaft besteht, ohne rechtmäßige Ursache nicht widerrufen werden; ist sie aber erst nach Ein­ gehung des Gesellschaftsvertrages ertheilt worden, so ist sie widerruflich wie eine gewöhnliche Voll­

4) ein Gesellschafter kann ohne Einwilligung der übrigen Gesellschafter an den Liegenschaften der Gesellschaft keine Neuerungen vornehmen, selbst wenn er behaupten sollte, daß dieselben der Gesellschaft Vortheilhaft seien. 1860. Ein Gesellschafter, welcher nicht mit der Verwaltung betraut ist, kann die der Gesellschaft gehörenden Sachen, und zwar selbst die beweg­ lichen, weder veräußern noch verpfänden. 1861. Jeder Gesellschafter kann ohne Einwilli­ gung der übrigen Gesellschafter an seinem An­ theile, den er in der Gesellschaft hat, einen Dritten betheiligen; er kann ihn jedoch ohne ihre Ein­ willigung nicht in die Gesellschaft aufnehmen, selbst wenn er die Verwaltung derselben führen sollte.

macht. 1857. Sind mehrere Gesellschafter mit der Ver­ waltung betraut, ohne daß ihre Verrichtungen bestimmt worden sind, oder ohne daß ausdrücklich festgesetzt worden ist, daß einer ohne den andern nicht handeln könne, so kann jeder von ihnen allein alle Handlungen dieser Verwaltung vor­

nehmen. 1858. Ist ausbedungen worden, daß ein Ver­ walter ohne den andern nichts unternehmen

3) jeder Gesellschafter hat das Recht die übri­ gen Gesellschafter zu nöthigen, mit ihm die Aus­ gaben zu bestreiten, welche zur Erhaltung der Sachen der Gesellschaft nothwendig sind;

Zweiter Abschnitt. ServindttchLeiten der Gesellschafter gegen Dritte.

1862. Bei keiner Gesellschaft, außer bei Han­ delsgesellschaften, 603 haften die Gesellschafter sammtverbindlich für die Gesellschaftsschulden, und es kann ein Gesellschafter die übrigen nicht verpflichten, wenn diese ihm dazu die Ermäch­ tigung nicht ertheilt haben. 1863. Die Gesellschafter haften gegenüber dem Gläubiger, mit welchem sie einen Vertrag ge­ schlossen haben, zu gleichen Summen und Theilen,

603. Vgl. Artt. 113, 113, 369 H. G.-B.

140

B. Civilgesetzbuch. B. III. T. IX. H. IV.

selbst wenn der Antheil eines derselben an der Gesellschaft geringer sein sollte; es sei denn, daß bei dem Geschäfte die Verpflichtung dieses letztern auf das Verhältniß seines Gesellschaftsantheiles ausdrücklich beschränkt worden ist.

1864. Die Verabredung, daß eine Verbindlich­ keit für Rechnung der Gesellschaft eingegangen werde, bindet nur den das Geschäft schließenden Gesellschafter, nicht aber die übrigen, es sei denn, daß diese ihm Vollmacht gegeben haben, oder daß die Sache der Gesellschaft zu gute gekommen ist.

Viertes Hauptstück. Verschiedene Arten der Beendigung der Gesellschaft. 1865. Die Gesellschaft endigt: 1) durch Ablauf der Zeit, auf welche sie ein­ gegangen worden ist; 2) durch den Untergang der Sache, oder durch die Vollendung des Geschäftes; 3) durch den leiblichen Tod eines der Gesell­ schafter ; 4) durch den bürgerlichen Tod, 604 durch die Entmündigung oder durch den Vermögensverfall eines derselben; 605 5) durch die Willenserklärung eines oder meh­ rerer, daß sie nicht mehr in der Gesellschaft blei­ ben wollen. 1866. Die Verlängerung einer auf bestimmte Dauer ein­ gegangenen Gesellschaft kann nur durch eine Schrift bewie­ sen werden, welche mit denselben Formen wie der Gesell­ schaftsvertrag versehen ist.606

1867. Hat einer der Gesellschafter versprochen, das Eigenthum einer Sache in die Gemeinschaft einzubringen, so bewirkt der vor Bewerkstelligung des Einbringens eingetretene Untergang der Sache die Auflösung der Gesellschaft in Ansehung aller Gesellschafter. Auf gleiche Weise wird die Gesellschaft durch den Untergang der Sache in allen Fällen aufge­ löst, in denen nur der Genuß derselben in die Gemeinschaft eingebracht worden und das Eigen­ thum in den Händen des Gesellschafters geblie­ ben war. Die Gesellschaft wird aber nicht aufgelöst durch den Untergang der Sache, deren Eigenthum be­ reits in die Gesellschaft eingebracht worden war.

604. Der bürgerliche Tod ist abgeschafft (G. v. 31. Mai 1854). 605. Dem Bermögensverfalle steht jedenfalls die Eröffnung des Konkurses gleich, da letzterer die Zahlungsfähigkeit des Schuldners voraussetzt (§ 94 K.-O.). Die Vorschrift von Nr. 4 ist in dieser Richtung durch § 20 K.-O. aufrecht erhalten (vgl. Mot. S. 85). Ueber die Rechte der Gesellschafter in diesem Falle vgl. 88 14 u. 44 K.-O.

606. Art. 1866, welcher lediglich die Bestimmung des Art. 1834 auf den Fall der Verlängerung einer Gesellschaft über­ trägt (Zachariä II § 384 Anm. 3), ist wie Art. 1834 durch 8 14 Nr. 2 E.-G. z. C.-P.-O. beseitigt.

1868. Ist ausbedungen worden, daß nach dem Tode eines der Gesellschafter die Gesellschaft mit seinem Erben oder nur unter den überlebenden Gesellschaftern fortgesetzt werden solle, so sind diese Verabredungen einzuhalten. Letzteren Falles hat der Erbe des Verstorbenen nur ein Recht auf Theilung der Gesellschaft nach Maßgabe der Lage der Gesellschaft zur Zeit des Todes; und er hat an den weiteren Rechten nur insofern einen Antheil, als sie eine nothwendige Folge dessen sind, was vor dem Tode des Gesellschafters ge­ schehen ist, welchen er beerbt. 1869. Die Auflösung der Gesellschaft durch den Willen eines der Mitglieder findet nur bei Ge­ sellschaften von unbestimmter Dauer statt; sie wird durch eine Kündigung bewirkt, welche allen Gesellschaftern zugestellt wird, vorausgesetzt daß diese Kündigung in gutem Glauben und nicht zur Unzeit geschieht.

1870. Die Aufkündigung geschieht nicht in gu­ tem Glauben, wenn der Gesellschafter aufkündigt, um sich allein einen Gewinn zuzueignen, welchen die Gesellschafter gemeinschaftlich zu machen be­ absichtigten.

Sie geschieht zur Unzeit, wenn sich die Sachen nicht mehr in dem vorigen Stande befinden und die Gesellschaft ein Interesse daran hat, daß ihre Auflösung verschoben werde. 1871. Die Auflösung einer auf bestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft kann von einem der Gesellschafter vor der vereinbarten Zeit nur ver­ langt werden, sofern hierfür rechtmäßige Gründe vorhanden sind, wie z. B. wenn ein anderer Ge­ sellschafter seinen Verbindlichkeiten nicht Genüge leistet, oder wenn eine anhaltende Krankheit ihn zu den Geschäften der Gesellschaft unfähig macht, oder in anderen ähnlichen Fällen, deren Recht­ mäßigkeit und Erheblichkeit dem richterlichen Er­ messen überlassen bleibt.

1872. Die Regeln, welche sich auf die Theilung der Erbschaften, auf die Form dieser Theilung und auf die Verpflichtungen beziehen, welche aus derselben unter den Miterben entstehen, gelten auch für die Theilungen unter Gesellschaftern. 607 608 Bestimmung betreffen- die Handelsgesellschaften.

1873. Die Bestimmungen dieses Titels finden auf Handelsgesellschaften nur in denjenigen Punkten Anwendung, welche mit den Gesetzen und Ge­ bräuchen des Handels nicht in Widerspruch stehen. 608 607. Vgl. Artt. 815 ff., 883 ff., 887 ff., 2103 Nr. 3, 2109 C.-G. B., G. v. 1. Dez. 1873 über außergerichtliche Thei­ lungen, Artt. 966-985 fr. C.-P.-O., 88 15 u. 16 A.-G. z.

C.-P.-O. 608. Vgl. im Allgemeinen Art. 1 H.-G.-B. — Bezüglich der Handelsgesellschaften vgl. Artt. 85-270 H.-G.-B,, be­ züglich der Erwerbs- und Wirthschaftsgenoffenschaften vgl. G. v. 4. Juli 1868 nebst Dekl. v. 19. Mai 1871.

B. Civilgesetzbuch. B. III. T. X. H. I. Abschn. 1. 2. 3,

Zehnter Titel. Leihvertrag. (Beschlossen den 9., ausgefertigt den 19. März 1804.)

1874. Es gibt zwei Arten des Leihvertrages: denjenigen über Sachen, die man gebrauchen kann ohne sie zu zerstören; und denjenigen über Sachen, die durch den Gebrauch, welchen man davon macht, ver­ braucht werden.

Die erste Art wird Leihvertrag zum Gebrauch oder Kommodat genannt. Die zweite

Art wird Leihvertrag zum Ver­

brauch oder einfach Darlehen genannt.

Erstes Hauptstück.

Leihvertrag zum Gebrauch oder Kommodat. Erster Abschnitt. Matur des Leihvertrags zum Hevrauch.

1875. Der Leihvertrag zum Gebrauch oder das Kommodat ist ein Vertrag, durch welchen ein Theil dem andern eine Sache zum Gebrauche unter der Bedingung überliefert, daß der Em­ pfänger sie nach gemachtem Gebrauche zurückge­ ben soll. 1876. Dieser Leihvertrag ist seinem Wesen nach unentgeltlich. 1877. Der Verleiher bleibt Eigenthümer der geliehenen Sache. 1878. Alles, was im Verkehr steht und durch den Gebrauch nicht verbraucht wird, kann Ge­ genstand dieses Vertrages sein.

1879. Die aus diesem Leihvertrage entstehenden Verbindlichkeiten gehen auf die Erben des Ver­ leihers und auf die Erben des Entleihers über. Hat man indessen nur mit Rücksicht auf den Entleiher und nur ihm für seine Person geliehen, so können seine Erben den Gebrauch der geliehe­ nen Sache nicht fortsetzen.

Zweiter Abschnitt. Verpflichtungen des Kntteihers.

1880. Der Entleiher ist verpflichtet, für die Aufbewahrung und Erhaltung der geliehenen Sache wie ein. ordentlicher Hausvater zu sorgen. Er darf sich derselben nur zu dem Gebrauche be­ dienen, welcher durch ihre Natur oder durch den Vertrag bestimmt ist; alles dies bei Strafe etwai­ gen Schadensersatzes.

1881. Benutzt der Entleiher die Sache zu einem andern Gebrauche oder längere Zeit, als er be­ rechtigt war, so haftet er für den Untergang der

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Sache, selbst wenn derselbe in Folge eines Zu­ falles eingetreten ist. 1882. Geht die geliehene Sache durch einen Zufall unter, vor dem der Entleiher sie hätte schützen können, wenn er seine eigene Sache ge­ braucht hätte; oder hat er, wenn er nur eine von beiden erhalten konnte, die seinige vorgezo­ gen, so haftet er für den Untergang der an­ deren. 1883. Ist die Sache bei der Verleihung ge­ schätzt worden, so trifft der Untergang, selbst der zufällige, den Entleiher, wenn nicht eine entge­ genstehende Übereinkunft getroffen worden ist. 1884. Verschlechtert sich die Sache blos in Folge des Gebrauches, zu welchem sie geliehen worden ist, und ohne irgend ein Verschulden des Ent­ leihers, so haftet er nicht für die Verschlechte­ rung. 1885. Der Entleiher kann die Sache nicht be­ hufs Aufrechnung gegen das, was ihm der Ver­ leiher schuldig ist, zurückbehalten. 1886. Hat der Entleiher, um die Sache zu ge­ brauchen, Kosten aufgewendet, so kann er dieselben nicht zurückfordern.

1887. Haben mehrere zusammen dieselbe Sache geliehen, so sind sie dafür dem Verleiher gegen­ über sammtverbindlich verantwortlich.

Dritter Abschnitt. Verpflichtungen des Verleihers.

1888. Der Verleiher kann die verliehene Sache erst nach Ablauf der vereinbarten Zeit oder in Ermangelung einer Vereinbarung erst dann zu­ rücknehmen, wenn sie zu dem Gebrauche gedient hat, zu welchem sie entliehen worden ist. 1889. Wenn jedoch während dieser Frist, oder ehe für den Entleiher die Nothwendigkeit des Bedarfs aufgehört hat, der Verleiher aus drin­ genden und unvorhergesehenen Gründen die Sache zu eigenem Gebrauche bedarf, so kann der Rich­ ter je nach den Umständen den Entleiher für ver­ pflichtet erklären, sie jenem zurückzugeben.

1890. Wenn der Entleiher während der Dauer des Leihvertrages behufs Erhaltung der Sache zu einer außerordentlichen und nothwendigen Ausgabe von solcher Dringlichkeit gezwungen war, daß er den Verleiher davon nicht vorher benach­ richtigen konnte, so ist dieser verpflichtet, ihm die­ selbe zu erstatten. 609

1891. Hat die geliehene Sache solche Mängel, daß sie dem, welcher sich derselben bedient, Schaden verursachen kann, so ist der Verleiher verantwort­ lich, wenn er die Mängel kannte und den Ent­ leiher davon nicht benachrichtigt hat.

609. Vgl. § 20 A.-G. z. C.-P.-O. u. § 41 Nr. 7 K.'O.

142

B. Civilgesetzbuch. B. III. T. X. H. II. Abschn. 1. 2. 3. H. III.

Zweites Hauptstück.

Leihvertrag zum Verbrauch oder Darlehen schlechthtu. Erster Abschnitt.

1901. Ist blos vereinbart worden, daß der Empfänger zahlen solle, wann er dazu im Stande sein oder wann er dazu die Mittel haben würde, so hat der Richter ihm eine Zahlungsfrist nach Lage der Umstände zu bestimmen. 612

Matur des Karteheus.

Dritter Abschnitt. 1892. Das Darlehen ist ein Vertrag, durch welchen ein Theil dem andern eine gewisse Menge von Sachen, welche durch den Gebrauch ver­ braucht werden, unter der Verpflichtung überliefert, daß letzterer ihm ebensoviel von derselben Art und Beschaffenheit zurückgeben soll. 1893. Zufolge des Darlehens wird der Em­ pfänger Eigenthümer der dargeliehenen Sache; ihn allein trifft der Untergang derselben, auf welche Art er auch erfolgen mag. 1894. Sachen die, wenngleich von derselben Art, doch individuell verschieden sind, wie z. B. Thiere, kann man nicht zum Darlehen geben; in diesem Falle liegt ein Leihvertrag zum Gebrauch vor. 1895. Die Verbindlichkeit, welche aus einem Gelddarlehen entsteht, hat stets nur die im Ver­ trage ausgedrückte Summe nach ihrem Nennwerthe zum Gegenstände. Sind vor dem Zeitpunkte der Zahlung die Geldsorten mehrwerthig oder minderwertig ge­ worden, so muß der Schuldner die dargeliehene Summe nach ihrem Nennwerthe zurückzahlen und er braucht diese Summe nur in denjenigen Geld­ sorten zurückzuzahlen, welche zur Zeit der Zahlung im Umlaufe sind. 6io 1896. Die in dem vorstehenden Artikel aufge­ stellte Regel findet nicht Anwendung, wenn das Darlehen in Barren gegeben ist. 1897. Sind Barren oder Lebensmittel geliehen worden, so muß der Schuldner stets solche in gleicher Menge und Beschaffenheit zurückgeben, um wieviel auch der Preis derselben gestiegen oder gefallen sein mag, und er braucht nur dieses zurückzugeben.

Zweiter Abschnitt. VeröindttchKetten des -artelhers.

1898. Bei dem Darlehen trifft den Darleiher diejenige Verantwortlichkeit, welche in dem Artikel 1891 für den Leihvertrag zum Gebrauch be­ stimmt ist. 1899. Der Darleiher kann die dargeliehenen Sachen nicht vor der vereinbarten Zeit zurück­ fordern. 1900. Ist für die Zurückgabe keine Zeit bestimmt worden, so kann der Richter dem Darlehensempsänger eine Frist nach Lage der Umstände be­ willigen. 610 611 * * * * * *

Verpflichtungen des Aarlehensempfängers.

1902. Der Darlehensempfänger ist verpflichtet, die dargeliehenen Sachen in derselben Menge und Beschaffenheit und zu der vereinbarten Zeit zu­ rückzugeben.

1903. Ist er außer Stande dieser Verbindlich­ keit Genüge zu leisten, so ist er verpflichtet, den Werth der Sache mit Rücksicht auf die Zeit und den Ort, zu welcher und an welchem dieselbe dem Vertrage gemäß zurückgegeben werden sollte, zu bezahlen. Sind Zeit und Ort nicht bestimmt worden, so geschieht die Zahlung nach dem Preise der Zeit und des Ortes der Darlehensaufnahme.

1904. Wenn der Empfänger die dargeliehene Sachen oder deren Werth zur vereinbarten Zeit nicht zurückgibt, so schuldet er dafür Zinsen von dem Tage der gerichtlichen Klage an. 613

Drittes Hauptstück.

Zinsbares Darleh en. 1905. Es ist erlaubt, Zinsen bei dem Darlehen auszubedingen, dasselbe mag in Geld, in Lebens­ mitteln oder in anderen beweglichen Sachen be­ stehen.

1906. Der Darlehensempfänger, welcher Zinsen gezahlt hat, die nicht bedungen waren, kann die­ selben weder zurückfordern noch auf das Kapital anrechnen. 1907. Die Zinsen sind entweder gesetzliche614 oder vertragsmäßige. Die gesetzlichen Zinsen wer­ den durch das Gesetz bestimmt. Die vertrags­ mäßigen Zinsen können die gesetzlichen in allen Fällen übersteigen, in denen das Gesetz es nicht verbietet.615

(Art. 1244), sondern um die Feststellung des durch den Ver­ trag nicht genügend bestimmten Erfüllungstages und dem­ nach um die Auslegung eines Vertrages nach dem vermuth­ lichen Willen der Parteien (vgl. Zachariä II § 319 Anm. 13, Laurent XXVI 503 u. 504); § 14 Nr. 4 E.-G. z. C.-P.-O. findet daher keine Anwendung.

612. Bgl. Bem. zu Art. 1900. 613. Bgl. § 239 C.-P.-O.

614. Bezüglich der Höhe der gesetzlichen Zinsen vgl. die erste Bem. zu Art. 1153. 610. Bgl. Bem. zu Art. 1243. 611. Bei Artt. 1900 u. 1901 handelt es sich nicht um Zah­ lungsfristen für die Erfüllung einer fälligen Verbindlichkeit

615. Die Höhe der vertragsmäßigen Zinsen unter­ liegt in Handelssachen der freien Vereinbarung mit der Maßgabe, daß, wenn ein höherer Zinssatz als jährlich sechs

B. Civilgesetzbuch. B. III. T. XL H. I. II. Abschn. 1. 2. Die Höhe der vertragsmäßigen Zinsen bestimmt werden.616 * * *617 * * *618 ***

muß

schriftlich

1908. Eine Quittung, die über das Kapital ohne Vorbehalt der Zinsen ertheilt ist, begründet die Vermuthung, daß dieselben gezahlt seien, und bewirkt die Befreiung von denselben. 61?

1909. Es können Zinsen von einem Kapital ausbedungen werden, auf dessen Einforderung der Darleiher verzichtet. In diesem Falle heißt das Darlehen „Bestellung einer Rente".

1910. Diese Rente kann auf zweierlei Weise bestellt werden, für immer oder auf Lebenszeit (als Erbrente oder als Leibrente). 1911. Die Erbrente ist ihrem Wesen nach rück­ kaufbar. Die Parteien können nur Übereinkommen, daß der Rückkauf nicht vor Ablauf einer Frist aus­ geübt werde, welche jedoch zehn Jahre nicht übersteigen darf, oder daß derselbe nicht erfolgen dürfe, bevor dem Gläubiger in einer durch den Vertrag bestimmten Zeit Nachricht gegeben wor­ den ist. 618 1912. Der Schuldner einer Erbrente kann zum Rückkauf gezwungen werden: 1) wenn er zwei Jahre lang seine Verbindlich­ keiten nicht erfüllt;

2) wenn er dem Darleiher die in deni Vertrage versprochene Sicherheit nicht leistet. 1913. Das Kapital einer Erbrente wird gleich­ falls einforderbar im Falle des Falliments oder des Vermögensverfalles des Schuldners.619

1914. Die Regeln, welche die Leibrenten be­ treffen, werden in dem Titel „Glücksverträge" auf­ gestellt.

143

Elfter Titel. Kintertegimg nnb Sequestration. (Beschlossen den 14., ausgefertigt den 24. März 1804.)

Erstes Hauptstück. Die Hinterlegung im weiteren Sinne und deren verschiedene Arten. 1915. Die Hinterlegung im weiteren Sinne ist eine Rechtshandlung, durch welche man eine fremde Sache unter der Verpflichtung in Empfang nimmt, dieselbe zu bewahren und in Natur zurückzugeben. 1916. Es gibt zwei Arten der Hinterlegung: die Hinterlegung im eigentlichen Sinne und die Sequestration.

Zweites Hauptstück.

Die Hinterlegung im eigentlichen Sinne. Erster Abschnitt. Aalur und Mesen des Kintertegungsvertrages.

1917. Die Hinterlegung im eigentlichen Sinne ist ein seiner Natur nach unentgeltlicher Vertrag. 1918. Dieselbe kann nur bewegliche Sachen zum Gegenstände haben.

1919. Sie ist erst mit der wirklichen oder als geschehen angenommenen Uebergabe der hinter­ legten Sache vollständig abgeschlossen. Die als geschehen angenommene Uebergabe ist

hinreichend, wenn der Hinterlegungsempfänger sich schon unter irgend einem anderen Titel im Besitze der Sache befindet, welche man ihm unter dem Titel der Hinterlegung lassen will. 1920. Die Hinterlegung ist entweder eine frei­ willige oder eine zur Nothzeit erfolgte.

1om Hundert zugesagt ist, der Schuldner ein gesetzliches Kündigungsrecht hat (§ 27 Abs. 2 u. 3 E.-G. z. H.-G.-B.). Für Civilsachen dagegen ist der Höchstbetrag der vertrags­ mäßigen Zinsen.auf jährlich fünf vom Hundert festgesetzt (Art. 1 G. v. 3. Sept. 1807, vgl. auch die Artt. 3-5 dieses G. u. das G. v. 19. Dez. 1850). — Bezüglich der Leihhäuser vgl. Art. 4 G. v. 24. Juni 1851. — Das Reichsges. v. 14. Nov. 1867, betr. die vertragsmäßigen Zinsen, hat in E.-L. keine Geltung.

616. Es kann dahin gestellt bleiben, ob diese Vorschrift schon kraft des G. v. 3. Sept. 1807 als aufgehoben zu be­ trachten ist (Zaschariä II § 396 Anw. 7, Mourlon III 984). Jedenfalls ist dieselbe durch § 14 Nr. 2 E.-G. z. C.-P.-O. beseitigt; denn es handelt sich dabei nicht um eine Form­ vorschrift, sondern um eine Beweisbeschränkung (Laurent XXVI 528 li. 529). 617. Dgl. § 16 Nr. 1 E.-G. z. C.-P.-O.

Zweiter Abschnitt. AreirviLttge Ktnterteguug.

1921. Die freiwillige Hinterlegung entsteht durch die gegenseitige Einwilligung desjenigen, welcher die Sache hinterlegt, und desjenigen, welcher sie übernimmt.

1922. Die freiwillige Hinterlegung kann in der Regel nur durch den Eigenthümer der hinterlegten Sache oder mit dessen ausdrücklicher oder still­ schweigender Einwilligung geschehen. 1923.

Eine freiwillige Hinterlegung muß schriftlich be­

618. Die Benachrichtigung von Pflegehäusern, Gemeinden, Kirchenfabriken und ähnlichen Anstalten muß wenigstens einen Monat vor der Rückzahlung erfolgen (St.-R.-G. v. 21. Dez. 1808).

wiesen werden. Der Zeugenbeweis ist nicht zulässig, wenn der Werth hundertfünfzig Frank übersteigt.620

619. Bezüglich des Konkurses, welcher jedenfalls dem Bermögensverfalle gleichsteht (vgl. § 94 K.-O.), aufrecht erhalten durch § 20 K.-O.

620. Art. 1923 ist wie Art. 1341, welcher auch schon die freiwillige Hinterlegung erwähnt, durch § 14 Nr. 2 E.-G. z. C.-P.-O. beseitigt.

144

B. Civilgesetzbuch. B. III. T. XI. H. II. Abschn. 3.

1924. Wird eine Hinterlegung, deren Gegenstand über hundertfünfzig Frank beträgt, nicht schriftlich bewiesen, so wird demjenigen, welcher als Empfänger in Anspruch ge­ nommen wird, auf seine Versicherung geglaubt sowohl in Ansehung der Thatsache der Hinterlegung selbst als in An­ sehung der Sache, welche den Gegenstand derselben bildete, wie auch in Ansehung der Thatsache der Zurückgabe. 6?i 1925. Eine freiwillige Hinterlegung kann nur unter Personen statthaben, welche fähig sind Ver­ träge zu schließen. Wenn jedoch eine vertragsfähige Person die von einer nicht vertragsfähigen Person geschehene Hinterlegung annimmt, so liegen ihr alle Ver­ pflichtungen eines wirklichen Hinterlegungsem­ pfängers ob; sie kann von dem Vormunde oder Verwalter der Person, welche die Hinterlegung vorgenommen hat, belangt werden. 1926. Ist die Hinterlegung seitens einer ver­ tragsfähigen Person bei einer nicht vertragsfähigen Person erfolgt, so hat der Hinterleger nur die Klage auf Rückgabe seiner hinterlegten Sache, so lange diese sich in den Händen des Empfängers befindet, oder eine Klage auf Ersatz dessen, was in den Nutzen des Letzteren verwendet wurde.

Dritter Abschnitt. VervindkichLetten des Kintertegungsempfängers.

1927. Der Hinterlegungsempfänger muß bei der Bewahrung der hinterlegten Sache dieselbe Sorg­ falt anwenden, welche er bei der Bewahrung seiner eigenen Sachen anwendet. 1928. Die Bestimmung des vorstehenden Artikels muß mit größerer Strenge angewendet werden: 1) wenn der Empfänger sich selbst zur Ueber­ nahme der Sache angeboten hat; 2) wenn er sich für die Bewahrung der hinter­ legten Sache eine Vergütung ausbedungen hat; 3) wenn die Hinterlegung allein im Interesse des Empfängers geschehen ist; 4) wenn ausdrücklich vereinbart worden ist, daß der Empfänger für jede Art Verschulden verantlich sein solle. 1929. In keinem Falle haftet der Empfänger für durch höhere Gewalt eintretende Zufälle, es sei denn, daß er hinsichtlich der Zurückgabe der hinterlegten Sache in Verzug gesetzt worden ist. 1930. Er darf die hinterlegte Sache ohne die ausdrückliche oder zu vermuthende Erlaubniß des Hinterlegers nicht gebrauchet. 1931. Er darf nicht zu erforschen suchen, was es für Sachen sind, die bei ihm hinterlegt wurden, wenn dieselben ihm in einer verschlossenen Lade oder in einem versiegelten Umschläge anvertraut worden sind. 1932. Der Empfänger muß ebendieselbe Sache zurückgeben, welche er empfangen hat.

621. Vgl. Bem. zu Art. 1923 u. § 14 Abs. 1 E.-G. z. C.P.-O.

So muß gemünztes Geld, welches hinterlegt worden ist, in denselben Stücken zurückgegeben werden, in welchen die Hinterlegung geschah, der Werth derselben mag gestiegen oder gefallen sein. 1933. Der Empfänger braucht die hinterlegte Sache nur in dem Zustande zurückzugeben, in welchem dieselbe sich in dem Augenblicke der Zu­ rückgabe befindet. Verschlechterungen, die nicht durch sein Verhalten eingetreten sind, treffen den Hinterleger. 1934. Der Empfänger, welchem die Sache durch höhere Gewalt abhanden gekommen ist, und der einen Preis oder sonst etwas dafür empfangen hat, muß das zurückgeben, was er statt derselben erhalten hat. 1935. Der Erbe des Empfängers, der in gutem Glauben ohne Kenntniß der Hinterlegung die Sache verkauft hat, ist nur verpflichtet, den em­ pfangenen Kaufpreis herauszugeben oder seine Klage gegen den Käufer abzutreten, wenn er den Kaufpreis noch nicht erhalten hat. 1936. Hat die hinterlegte Sache Früchte her­ vorgebracht, welche der Empfänger gezogen hat, so ist dieser verpflichtet, dieselben zu erstatten. Er schuldet von dem hinterlegten Gelde keine Zinsen, außer von dem. Tage an, da er wegen der Zurück­ erstattung in Verzug gesetzt worden ist. 1937. Der Hinterlegungsempfänger darf die hinterlegte Sache nur an denjenigen wieder heraus­ geben, welcher sie ihm anvertraut hat, oder an denjenigen, der zur Empfangnahme derselben be­ zeichnet worden ist. 1938. Er kann von demjenigen, welcher die Hinterlegung vorgenommen hat, nicht den Beweis fordern, daß derselbe Eigenthümer der hinterlegten Sache sei. Wenn er jedoch entdeckt, daß die Sache ge­ stohlen worden und wer der wahre Eigenthümer derselben ist, so muß er diesem von der bei ihm geschehenen Hinterlegung Anzeige machen, mit der Aufforderung, die Sache binnen einer bestimmten und ausreichenden Frist in Anspruch zu nehmen. Versäumt derjenige, welchem diese Anzeige ge­ macht worden ist, die hinterlegte Sache in An­ spruch zu nehmen, so wird der Empfänger durch

die Uebergabe derselben an den, von welchem er sie empfangen hat, in gültiger Weise befreit. 1939. Im Falle des leiblichen oder bürgerlichen^ Todes des Hinterlegers darf die hinterlegte Sache nur an dessen Erben zurückgegeben werden. Sind mehrere Erben vorhanden, so muß sie einem jeden für dessen Antheil zurückgegeben werden. Ist die hinterlegte Sache untheilbar, so müssen die Erben sich unter einander über die Empfang­ nahme derselben vereinigen.

622. Der bürgerliche Tod ist abgeschafft (®. v. 31. Mai 1854).

B. Civilgesetzbuch. B. III. T. XL H. II. Abschn. 4. 5. H. III. Abschn. 1. 2.

1940. Wenn der Hinterleger seinen Stand ver­ ändert hat, z. B. wenn eine Frau, welche in dem Augenblicke der Hinterlegung noch ledig war, sich nachher verheirathet und nunmehr unter der Gewalt des Ehemannes steht; oder wenn ein großjähriger Hinterleger entmündigt worden ist, so kann in allen diesen und anderen gleichartigen Fällen die hinterlegte Sache nur demjenigen zu­ rückgegeben werden, welcher die Verwaltung der Rechte und Güter des Hinterlegers führt. 1941. Ist die Hinterlegung von einem Vor­ munde, einem Ehemanne oder einem Verwalter in einer dieser Eigenschaften geschehen, so kann die Sache nur der Person, welche dieser Vor­ mund, Ehemann oder Verwalter vertreten hat, zurückgegeben werden, falls die Geschäftsführung oder Verwaltung jener beendigt ist. 1942. Ist in dem Hinterlegungsvertrage der Ort bestimmt, wo die Zurückgabe geschehen soll, so ist der Empfänger verpflichtet, die hinterlegte Sache dorthin zu bringen. Verursacht der Trans­ port Kosten, so fallen diese dem Hinterleger zur Last.

1943. Ist in dem Vertrage der Ort der Zu­ rückgabe nicht bestimmt, so muß diese an dem Orte der Hinterlegung geschehen.

1944. Die hinterlegte Sache muß dem Hinter­ leger sobald er es verlangt zurückgegeben werden, selbst wenn in dem Vertrage eine bestimmte Zeit für die Zurückgabe festgesetzt ist; es sei denn, daß zu Händen des Empfängers eine Pfändung 623 oder ein Einspruch gegen die Zurückgabe der hinterlegten Sache oder gegen die Wegschaffung derselben an einen andern Ort erfolgt ist. 1945. Ein ungetreuer Hinterlegungsempfänger wird zu der Rechtswohlthat der Güterabtretung nicht zugelassen. 624 1946. Alle Verpflichtungen des Empfängers hören auf, wenn er entdeckt und bewiesen hat, daß er selbst Eigenthümer der hinterlegten Sache ist. 625

145

Fünfter Abschnitt. Kiutert-guug zur Mothzett.

1949. Eine zur Nothzeit erfolgte Hinterlegung ist diejenige, zu welcher man durch irgend einen Unfall, z. B. durch Feuersbrunst, durch Einsturz, durch Plünderung, durch Schiffbruch oder irgend ein anderes unvorhergesehenes Ereigniß genöthigt worden ist. 1950. Bei einer zur Nothzeit erfolgten Hinterlegung ist der Zeugenbeweis zulässig, selbst wenn es sich um einen Werth über hundertfünfzig Frank handelt.626 623 627 624 625

1951. Im Uefcrigen 62ßa steht die zur Nothzeit

erfolgte Hinterlegung unter allen vorstehend ange­ gebenen Regeln. 1952. Wirthe oder Gastwirthe sind als Hinter­ legungsempfänger für die Sachen verantwortlich, welche die bei ihnen wohnenden Reisenden mit­ bringen. Die Hinterlegung derartiger Sachen gilt als eine zur Nothzeit erfolgte Hinterlegung. 1953. Sie sind für den Diebstahl oder die Be­ schädigung der Sachen der Reisenden verantwort­ lich, sowohl wenn durch die Dienstboten oder An­ gestellten des Gasthofes, als auch wenn durch Fremde, die in dem Gasthofe aus- und eingehen, der Diebstahl begangen oder der Schaden verur­ sacht worden ist. 1954. Sie haften nicht für Diebstähle, die mit Waffengehalt oder sonst durch höhere Gewalt verübt worden sind.

Drittes Hauptstück.

S e q u e st r a t i o n.

627

Erster Abschnitt. Verschiedene Arten der Sequestration.

1955. Die Sequestration ist entweder vertragsmäßige oder eine gerichtliche.

eine

Zweiter Abschnitt.

Vierter Abschnitt. Vertragsmäßige Sequestration. Veröindttchketten des Kintertegers.

1947. Der Hinterleger ist schuldig, dem Em­ pfänger die auf die Erhaltung der hinterlegten Sache verwendeten Kosten zu ersetzen und den­ selben für allen Verlust zu entschädigen, den ihm die hinterlegte Sache etwa verursacht hat. 1948. Der Empfänger kann bis zu seiner völ­ ligen Befriedigung für das, was ihm wegen der Hinterlegung geschuldet wird, die hinterlegte Sache zurückbehalten.

623. Vgl. §§ 744, 746 u. 810 C.-P.-O., § 108 K.-O. 624. Mit dem Wegfall der Rechtswohlthat der Güterab­ tretung gegenstandslos (vgl. Bem. zu Tit. III Hauptst. 5 Absch. 1 § 5).

625. Vgl. Bem. zu Art. 1315.

1956. Die vertragsmäßige Sequestration ist die von einer oder mehreren Personen vorgenommene Hinterlegung einer in einem Rechtsstreite befange­ nen Sache in die Hände eines Dritten, welcher sich verpflichtet, dieselbe nach beendigtem Rechts­ streite an den zurückzugeben, welchem sie zuerkannt wird. 1957. Die Sequestration kann auch gegen Ent­ gelt geschehen. 626. Gegenstandslos wegen Wegfalls jeder Beschränkung der Beweismittel (§ 14 Nr. 2 E.-G. z. E.-P.-O.). Dgl. Artt. 1923 u. 1924 nebst Bem. 626 a. Dgl. indeß Bem. zu Artt. 1923, 1924 u. 1950.

627. Vgl. 88 72, 101, 344, 652, 659, 710, 728, 738, 747, 750, 751, 771, 803, 810, 817 C.-P.-O.; 88 118, 120, 125, 156 K.-O.; 88 118, 174, 419 St.-P.-O.

146

B. Civilgesetzbuch. B. III. T. XL H. HI. Abschn. 3. T XII. H. I. II. Abschn 1

1958. Geschieht sie unentgeltlich, so ist sie den Regeln der Hinterlegung im eigentlichen Kinne unterworfen, vorbehaltlich der nachstehend be­ stimmten Abweichungen.

1959. Die Sequestration kann nicht nur^bewegliche Sachen, sonderrr auch Liegenschaften zum

Gegenstände haben. 1960. Der mit der Sequestration beauftragte Hinterlegungsempsänger kapn vyr Beendigung des Rechtsstreites nur mit Bewilligung aller Betheiligten oder wegen einer durch Urtheil als rechtmäßig erklärten Ursache seiner Verbindlichkeit enthoben werden.

Dritter Abschnitt

Zwölfter Titel. Kl-cks Verträge. (Beschloßen den 10., ausgefertigt den 20. Marz 1804.)

1964. Ein Gkücksvertrag ist eine gegenseitige Uebereinkunft, derött Wirkungen in Änsehung des

Gewinnes und Berlüstes entweder für alle Par­ teien oder für "eine oder'mehrere derselben von einem ungewissen Ereignisse abhängen. Dergleichen sind: der Versicherungsvertrag; der Bodmereivertrag; das Spiel und die Wette; der Leibrentenvertrag.

Die beiden ersten stehen unter den Regeln des Seerechtes. 681

Herichttiche Sequestration oder gerichtliche Kintertegung.

1961 Das verordnen:

Gericht

kann

die

Sequestration

Spiel und Wette.

1) der bei einem Schuldner gepfändeten beweg­ lichen Sachen;628 629 630 631

2) einer Liegenschaft oder einer beweglichen Sache, deren Eigenthum oder Besitz unter zwei oder mehreren Personen streitig ist; 629 3) der Sachen, welche ein Schuldner behufs seiner Befreiung aubietet. 63O 1962. Die Bestellung eines gerichtlichen Hüters begründet zwischen dem, welcher die Pfändung bewirkt hat und dem Hüter gegenseitige Verbind­ lichkeiten ; der Hüter muß für die Erhaltung der gepfändeten Sachen wie ein ordentlicher Haus­ vater Sorge tragen. Er muß sie wieder abliefern entweder zur Entlastung desjenigen,. der die Pfändung erwirkt hat, behufs des Verkaufes, oder an den, gegen welchen die Zwangsvollstreckung erfolgt ist, falls die Pfändung wieder aufgehoben wird.

Die Verbindlichkeit dessen, der die Pfändung erwirkt hat, besteht in der Zahlung der gesetzlich bestimmten Gebühren an den Hüter. 1963. Die gerichtliche Sequestration wird ent­ weder einer Person übertragen, über welche die Betheiligten sich unter einander geeinigt haben, oder einer Person, die der Richter von Amtswegen ernannt hat.

In dem einen wie in dem anderen Falle ist derjenige, dem die Sache anvertraut worden ist, allen Verbindlichkeiten unterworfen, welche die vertragsmäßige Sequestration begründet.

628. Für die Pfändung beweglicher 88 712 ff. u. 810 C.-P.-O. maßgebend.

Erstes Hauptstück.

Sachen

sind

1965 Das Gesetz gewährt keine Klage wegen einer Spielschuld oder auf Zahlung einer Wette 1966. Spiele, welche geeignet sind im Gebrauche der Waffen zu üben, Wettrennen zu Fuß oder zu Pferde, Wagenrennen, das Ballspiel und an­ dere gleichartige Spiele, bei denen es auf körper­ liche Gewandtheit und Uebung ankommt, sind von der vorhergehenden Bestimmung ausgenommen Das Gericht kann jedoch die Klage abweisen, wenn ihm die Summe übermäßig erscheint. 1967 In keinem Falle kann der verlierende Theil zurückfordern was er freiwillig gezahlt hat, es sei denn daß von Seiten des Gewinnenden Arglist, Betrug oder Prellerei stattgefunden hat

Zweites Hauptstück. Leibrentenvertrag. Erster Abschnitt Erfordernisse der Hurtigkeit dieses Vertrags.

1968. Eine Leibrente kann unter einem lästigen Titel gegen eine Summe Geldes oder gegen eine ihrem Werthe nach abschätzbare bewegliche Sache oder, gegen eine Liegenschaft bestellt werden.

1969. Sie kann auch unter einem durchaus unentgeltlichen Titel, durch Schenkung unter Lebenden oder durch Testament bestellt werden. Sie muß alsdann mit den von dem Gesetze er­ forderten Formen versehen sein.

die

629. Vgl. 8 16 Nr. 4 E.-G. z. C.-P.-O. und 88 814 u. 817 C.-P.-O.

630. Bgl. Art. 1257, 1259, 1264 und bezüglich der Zwangs­ vollstreckung die 88 652, 659, 738 C.-P.-O.

631. Bezüglich der Seeversicherung vgl. Artt. 782-905 H.-G.-B., bezüglich des Bodmereivertrags Artt. 680-701 H.-G.B.

B. Civilgesetzbuch. B. UI. T. X' :. H. II. Abschn. 2. T. XUI. H. I. 1970. In dem Falle des vorstehenden Artikels ist die Leibrente der Minderung unterworfen, wenn sie das übersteigt, worüber zu verfügen erlaubt ist; sie ist nichtig, wenn sie zum Vortheile einer Person errichtet wird, welche unfähig ist durch unentgeltliche Verfügung zu empfangen. 1971. Die Leibrente kann auf den Kopf desje­ nigen bestellt werden, welcher den Preis dafür hergibt, oder auf den Kopf eines Dritten, welcher -auf den Genuß derselben kein Recht hat. 1972. Sie kann auf den Kopf einer oder meh­ rerer Personen bestellt werden. 1973. Sie kann zum Vortheile eines Dritten bestellt werden, wenn auch ein anderer den Preis dafür hergibt. Letzteren Falles ist dieselbe, obgleich sie die Merkmale einer Freigebigkeit an sich trägt, den für Schenkungen erforderlichen Formen nicht un­ terworfen, vorbehaltlich der Fälle der Minderung und der Nichtigkeit, welche in dem Artikel 1970 erwähnt sind. 1974. Jeder Vertrag über eine Leibrente, welche auf den Kopf einer Person gestellt worden ist, die am Tage des Vertrages bereits gestorben war, ist ohne alle Wirkung. 1975. Das Gleiche gilt von dem Vertrage, durch welchen die Rente aus den Kops einer Per­ son gestellt worden ist, die schon von der Krank­ heit befallen war, an welcher sie innerhalb zwanzig Tagen nach dem Vertrage gestorben ist. 1976. Die Leibrente kann zu jedem Rentenfuße bestellt werden, welchen die vertragschließenden Theile nach Gutbefinden sestsetzen. Zweiter Abschnitt. MrLungen des Vertrags unter den vertragschließenden Theilen.

1977. Derjenige, zu dessen Vortheil eine Leib­ rente gegen einen Preis bestellt worden ist, kann die Auflösung des Vertrages verlangen, wenn der Besteller ihm nicht die für die Erfüllung des Vertrages ausbedungene Sicherheit stellt. 1978. Die bloße Nichtzahlung der Zieler einer Rente gibt demjenigen, zu dessen Vortheil dieselbe bestellt worden ist, nicht das Recht, die Wiederer­ stattung des Kapitals zu verlangen oder in den Besitz des von ihm veräußerten Grundstückes wieder einzutreten; er hat nur das Recht, die Zwangsvollstreckung in die Güter seines Schuld­ ners und den Verkauf derselben zu betreiben und die Anordnung oder die Zustimmung dazu zu erwirken, daß aus dem Erlöse des Verkaufes eine Summe angelegt werde, welche zur Leistung der Rentenzieler ausreicht. 1979. Der Besteller kann sich von der Zahlung der Rente dadurch nicht befreien, daß er sich zur Wiedererstattung des Kapitals erbietet und auf die Rückforderung der bezahlten Zieler verzichtet; er ist verpflichtet, die Rente während der ganzen B. Civilrecht.

147

Lebenszeit der Person oder der Personen, auf deren Kopf die Rente bestellt worden ist, zu ent­ richten, wie lang auch die Lebensdauer dieser Personen sein und wie lästig auch die Zahlung der Rente geworden sein mag. 1980. Die Leibrente wird von dem Eigenthümer nach Verhältniß der Zahl der Tage erworben, welche er gelebt hat. Ist jedoch vereinbart worden, daß sie zum Voraus bezahlt werden sollte, so erwirkt er das Recht auf den Termin, der gezahlt werden sollte, von dem Tage an, an welchem die Zahlung hätte erfolgen müssen. 1981. Daß eine Leibrente der Zwangsvoll­ streckung nicht unterworfen sein solle, kann nur bedungen werden, wenn sie unter einem unent­ geltlichen Titel bestellt wird. 632 1982. Eine Leibrente erlischt nicht durch den bürgerlichen Tod632 633 634 des Eigenthümers ; die Zahlung derselben muß fortgesetzt werden, so lange er am Leben bleibt. 1983. Der Eigenthümer einer Leibrente kann die Zieler derselben nur dann fordern, wenn er nachweist, daß er oder die Person noch am Leben ist, auf deren Kopf die Rente bestellt worden ist. 634

Dreizehnter Titel. Nevollmachtigungsvertrag.635 (Beschlossen den IO., ausgefertigt den 20. März 1804.)

Erstes Hauptstück. Natur und Form des Bevollmächtigungs­ vertrages. 1984. Die Vollmacht oder der Auftrag ist eine Rechtshandlung, durch welche jemand einem andern die Ermächtigung ertheilt, etwas für ihn, den

Machtgeber, und in seinem Namen zu thun. Der Vertrag kommt erst durch die Annahme des Bevollmächtigten zu Stande. 1985. Die Vollmacht kann entweder durch eine öffentliche Urkunde oder durch ein Schriftstück unter Privatunterschrift, selbst durch einen Brief ertheilt werden. Sie kann auch mündlich ertheilt wer­ den; jedoch ist der Zeugenbeweis darüber nur zulässig in

632. Art. 1981 ist durch § 749 C.-P.-O. nicht bedeutungs­ los geworden, da Bestimmungen Dritter, welche eine For­ derung von der Zwangsvollstreckung ausschlicßen, unter gewisien Voraussetzungen (vgl. Mot. zur C.-P.-O. S. 574) auch über das Maß von § 749 Nr. 3 hinaus wirksam sind. 633. Der bürgerliche Tod ist abgeschafft (G. v. 31. Mai 1854). 634. Vgl. bezüglich der Lebensscheine, welche zum Bezüge von Leibrenten und Ruhegehalten beim Staate erforderlich sind, D. v. 21. Aug. 1806, 23. Sept. 1806, 30. Juni 1814, 20. Mai 1818, 6. Juni 1839, Art. 45 D. V. 9. Nov. 1853.

635. Vgl. Artt. 41-56, 290, 296-298, 323, 360-378 H.-G. B. und über die Prozeßvollmacht §§ 74-86, 643 C.-P.-O

10

148

B. Civilgesetzbuch. B. III; T. XM H. II. III.

Gemäßheit,der Titels „Verträge oder vertragsmäßige Ver­ bindlichkeiten im Allgemeinen." 636

Die Annahme der Vollmacht kann auch stillscktweigend geschehen und sich aus dör Ausführung der Vollmacht seitens des Bevollmächtigten er­ geben. 637 638 1986. Der Bevollntächtißuügsbertrag gibt kein

Recht nüf Belohnung Wenn nicht eine entgegen­ stehende ÄereiNbatuNg getroffen worden ist.

1987 Die Vostmacht ist entweder eine besondere, für ein Geschäft oder für gewisse Geschäfte, oder eine allgemeine, für alle Geschäfte des Macht­ gebers 1988. Eine Vollmacht, welche in allgemeinen Ausdrücken gefaßt ist, erstreckt sich nur auf Ver­ waltungshandlungen.' Handelt es sich um eine Veräußerung, eine Hypothekenbestellung ' mn eine sonstige Eigenthumshandlung, so muß die Vollmacht aus­ drücklich darauf gerichtet sein. 1989 Der Bevollmächtigte darf über die Grenzen seiner Vollmacht hinaus nichts vor­ nehmen; die Ermächtigung zum Abschluß eines Vergleichs umfaßt mcht diejenige zur Eingehung eines Schiedsvertrages. 638 1990. Frauen und emanzipirte Minderjährige können zu Bevollmächtigten bestellt werden; der Machtgeber hat jedoch gegen den minderjährigen Bevollmächtigten nur nach den allgemeinen Regeln über die Verbindlichkeiten der Minderjährigen eine Klage, und gegen eine Ehefrau, welche die Vollmacht ohne Ermächtigung ihres Ehemannes angenommen hat, nur nach den Regeln, welche in dem Titel „Ehevertrag und Rechte der Ehe­ gatten gegen einander" aufgestellt sind 639

1993 Jeder Bevollmächtigte ist verpflichtet, über seine Geschäftsführung Rechnung zu legen- und> dem Machtgeber alles zu erstatte^ wa^ ev auf Grund seiner Vollmacht empfangen hat, selbst wenn das Empfangene dem Müchtgeber Nicht geschuldet war. 1994. Der Bevollmächtigte steht für denjenigen eitt, durch welchen er sich in der Geschäftsführung hat vertreten lassen: 1) wenn er die Ermächtigung? nicht erhalten hatte, sich durch einen Andern vertreten zu lassen; 2) wenn ihm diese Ermächtigung ohne Angabe einer Person gegeben worden ist> und diejenige, welche ^gewählt hat, offenkundig unfähig oder zahlungsunfähig war. In allen Fällen kann der Machtgeber sich unmittelbar an die Person halten, durch welche der Bevollmächtigte sich hat vertreten lassen 1995 Sind in derselben Urkunde mehrere Beauftragte oder Bevollmächtigte bestellt worden, so hat unter ihnen nur insofern eine Gesammtverpflichtung statt, als dieselbe ausdrücklich bestimmt worden ist. 1996. Der Bevollmächtigte muß die Summe, welche er zu seinem Gebrauche verwendet hat, von dem Tage dieser Verwendung an verzinsen und diejenige, welche er aus seiner Rechnung schuldig bleibt, von dem Tage an, da er in Verzug gesetzt worden ist 1997 Wenn der Bevollmächtigte der Partei, mit welcher er in dieser Eigenschaft einen Vertrag schließt, eine ausreichende Kenntniß von seiner Vollmacht gegeben hat, so ist er wegen dessen, was über dieselbe hinaus geschehen ist, zu keiner Gewährleistung verpflichtet, sofern er eine solche nicht für seine Person übernommen hat.

Zweites Hauptstück.

Verbindlichkeiten des Bevollmächtigten. 1991 Der Bevollmächtigte ist verpflichtet, die Vollmacht, so lange er damit beauftragt ist, aus­ zuführen, und haftet für den Ersatz des aus der Nichtaussührung etwa entstehenden Schadens. Er ist ferner verpflichtet em beim Tode des Machtgebers angefangenes Geschäft zu Ende zu führen, falls Gefahr im Verzüge ist. 1992. Der Bevollmächtigte haftet nicht nur für Arglist, sondern auch für ein Versehen, welches er bei seiner Geschäftsführung begeht. Jedoch wird die Verantwortlichkeit für Versehen bei demjenigen, dessen Vollmacht unentgeltlich ist, minder strenge genommen als bei dem, der eine Belohnung erhält.

636. Die Beschränkungen des Beweises sind durch § 14 Nr. 2 E.-G. z. C.-P.-O weggefallen. 637 Vgl. Bem. zu Tit. III Hauptst. III Abschn. 5.

638. Vgl. 88 851 ff. C.-P.-O.

639. Vgl. Artt. 481 ff., 1124, 1125, 1304 ff., 1419, 1426.

Drittes Hauptstück.

Verbiudlichkeiteu des Machtgebers. 1998. Der Machtgeber ist verpflichtet, die Verbindlichkeiten zu erfüllen, welche der Bevoll­

mächtigte dem ihm ertheilten Auftrage gemäß emgegangen hat. Er ist wegen dessen, was etwa über deren Inhalt hinaus geschehen ist, nur insofern ver­ pflichtet, als er es ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. 1999 Der Machtgeber muß dem Bevollmäch­ tigten die Vorschüsse und Kosten ersetzen, welche derselbe bei Ausführung der Vollmacht ausgelegt hat, und ihm seine Belohnung zahlen, wenn eine solche versprochen worden ist. Liegt kein dem Bevollmächtigten zuzurechnendes Verschulden vor, so kann der Machtgeber sich von der Leistung dieses Ersatzes und dieser Zahlung selbst dann nicht befreien, wenn der Ausgang des Geschäftes nicht glücklich gewesen ist, und ebenso­ wenig die Kosten und Vorschüsse unter dem Vor-

B. Civilgesetzbuch. B. ID. T. XIII. H. IV. T. XIV. H. I. geben herabsetzeu lassen, daß dieselben hätten geringer fern können. 2000-. Der Machtgeber muß ferner den Bevollmiichtlgten für den Verlust entschädigen, den derselbe bet Gelegenheit seiner Geschäftsführung

ohne eine ihm zuzurechnende Unvorsichtigkeit erlitten hat. j 2001 Für die Vorschüsse, welche der Bevoll­ mächtigte gemacht hat, schuldet ihm der Macht­ geber Arnsen von dem Tage an, ctn welchem sie erwiesenermaßen geleistet.worden sind. 2002. Ist der Bevollmächtigte von mehreren Personen für ein gemeinschaftliches Geschäft bestellt worden, so haften sie alle ihm gegenüber sammtverbindlich für alle Folgen der Vollmacht Viertes Hauptstück.

Die verschiedenen Arten der Endigung des Bevollmikchtignngsvertrags. 2003 Der BevMmächtigungsvertrag endigt' durch Widerruf der Vollmacht; durch Aufkündigung von Seiten des Bevoll mächngten; durch leidlichen oder bürgerlichen Tod, Ent­ mündigung oder Vermögensverfall sowohl des Machtgebers als des Bevollmäch­ tigte li 040 2004. Der Machtgeber kann seine Vollmacht widerrufen, wenn es ihm gntdünkt, und den Bevollmächtigten nach Beschaffenheit des Falles zwingen, ihm entweder die unter Privatuuter schrift ertheilte Vollmacht zurückzugeben, oder die authentische Urschrift der Vollmacht, wenn sie als solche ausgchändigt worden ist, oder die Aus­ fertigung , wenn die Urschrift zurückbehaltcn worden ist 2005. Em blos dem Bevollmächtigten ange­ zeigter Widerruf kann Dritten nicht entgegengesetzt werden, welche ohne Kenntniß von diesem Wider­ rufe ein Geschäft geschlossen haben, vorbehaltlich des Rückgriffes des Machtgebers gegen den Bevollmächtigten. 2006. Die Bestellung emes neuen Bevoll­ mächtigten für dasselbe Geschäft gilt dem ersten gegenüber als Widerruf von dem Tage an, da sie diesem angezeigt worden ist. 2007. Der Bevollmächtigte kann die Vollmacht aufkündigen, indem er seine Aufkündigung dem Machtgeber anzeigt. Falls jedoch diese Aufkündigung dem Macht­ geber Schaden verursacht, muß ihm derselbe von dem Bevollmächtigten ersetzt werden; es sei denn, daß dieser letztere außer Stande ist, die Vollmacht weiter auszuführen, ohne selbst dadurch einen beträchtlichen Schaden zu erleiden.

640. Vgl. Bem zu Art. 1865

149

2008. Wenn der Bevollmächtigte keine Kenntniß von dem Tode dps Machtgebers oder von einem der anderen, Beendigungsgründe der Byllmacht hat, so ist das, was er in dieser Nnkenntniß vor­ genommen hat, gültig. 2009 In den yorsteheflpen FMn sind die yon oem Bevollmächtigen eiiWgangenen Verbindlich­ keiten Dritten gegenüber, roelctje m gutem Glauben

sind, zu erfüllen. 2010. Im ^lle hes Hwdes des Bevollmächtigten müssen die Erben besseren den Machtgeber benach­ richtigen und einstweilen dasjenige besorgen, was

die Umstände erfordern

für

das

Interesse,

des

letztern

Vierzehnter Triel. PürKschaft. «Beschlossen den 14., ausgefertigt den L4. Februar 1804.)

Erstes Hauptstück.

Natur und Umfang bet Bürgschaft. 2011 Wer sich für eine Verbindlichkeit verbürgt, verpflichtet sich dem Gläubiger gegenüber, diese Verbindlichkeit zu erfüllen für den Fall, daß der Schuldner selbst sie nicht erfüllt. 2012 Die Bürgschaft kann nur für eine gül­ tige Verbindlichkeit stattfinden. Man kann sich für eine Verbindlichkeit ver­ bürgen, auch wenn dieselbe durch eine dem Ver­ pflichteten blos für seine Person zustehenden Ein­ rede nichtig gemacht werden kann, zum Beispiele inl Falle der Minderjährigkeit. 2013. Die Bürgschaft kann weder auf mehr gehen als das, wozu der Schuldner verpflichtet ist, noch kann sie unter lästigeren Bedingungen eingegangen werden. Sie kann indessen für einen Theil der Schuld und unter minder lästigen Bedingungen eingegangen werden. Eine Bürgschaft, welche auf mehr als die Schuld geht, oder welche unter lästigeren Bedin­ gungen eingegangen wurde, ist nicht nichtig; sie ist nur der Minderung bis auf das Maß der Hauptschuld unterworfen. 2014. Man kann sich ohne Auftrag desjenigen, für welchen man sich verpflichtet, und selbst ohne dessen Wissen verbürgen. Man kann sich nicht nur für den Hauptschuld­ ner verbürgen, sondern auch für denjenigen, wel­ cher sich für diesen verbürgt hat. 2015 Eine Bürgschaft wird nicht vermuthet; sie muß ausdrücklich erfolgen und darf nicht über die Grenzen ausgedehnt werden, innerhalb deren sie übernommen worden ist. 640 641 2016 Eine nicht beschränkte Bürgschaft für eine Hauptverbindlichkeit erstreckt sich auf allen Zube641 Vgl. Bem. zu Tit. III Hauptst. III Abschn. 5.

150

B. Civilgesetzbuch B lll T. XIV H II Abschn. 1. 2.

hör der Schuld, selbst aus die Kosten der ersten Klage und auf alle die, welche nach deren Ver­ kündung nii den Bürgen entständen sind 2017 Die Verbindlichkeiten der Bürgen gehen auf deren Erben über, nut Ausnahme der 5tf)iilbs)stfi, wenn die Verbindlichkeit eine bcrslttfqc war, daß der Bürge der Schuldhaft unterworfen war 642

2018 Ein Schuldner, der verpflichtet ist einen Bürgen zu stellen, muß einen solchen anbieten, der Vertragsfähigkeit besitzt, der cm Vermögen

hat, welches hinreicht um für den Gegenstand der Verbindlichkeit Sicherheit zu leisten, und dessen

Wohnsitz in dem Bezirke des Appellatwnshofs, in welchem die Bürgschaft gestellt werden soll, liegen muß. 2019 Die Zahlungsfähigkeit eines Bürgen wird nur nut Rücksicht auf sein Grundeigenthum beurtheilt, ausgenommen in Handelssachen oder bei kleinen Schulden Liegenschaften, welche im Streite befangen sind, oder in welche wegen ihrer entfernten Lage die Zwangsvollstreckung zn schwierig sem wurde, kommen nicht in Betracht 2020 Ist der Bürge, welcher! der Gläubiger freiwillig oder bei Gericht angenommen bat, in der Folge zahlungsunfähig geworden, so muß ein anderer Bürge gestellt werden Diese Regel leidet nur in dem Falle eine Aus­ nahme, daß der Bürge zufolge eines Vertrages gestellt worden ist, in welchem der Gläubiger eine bestimmte Person zum Bürgen verlangt Hal Zweites Hauptstück.

Wirkungen der Bürgschaft Erster Abschnitt. Wirkung

der Bürgschaft zwischen dem Hkäuöiger und dem Würgen.

2021 Der Bürge ist dem Gläubiger gegenüber zur Zahlung nur im Falle der Nichtzahlung reitens des Schuldners verpflichtet, welcher letztere vorher in seinem Vermögen ausgeklagt werden nntfj,643 * cs sei denn, daß der Bürge auf die Rechtswohl that der Vorausklage verzichtet oder sich mit dem Schuldner sammtverbindlich verpflichtet hat: in diesem Falle richtet sich die Wirkung seiner Ver­ bindlichkeit nach den Grundsätzen, welche für die Gesammtschuldverhältnisse gelten 2022 Der Gläubiger ist nur daun verpflichtet den Hauptschuldner vorher auszuklagen, wenn der Bürge es auf die ersten gegen ihn gerichtlich ein­ geleiteten Verfolgungen verlangt 2023 Der Bürge, welcher die Vorausklage verlangt, muß dem Gläubiger die Güter des

642 Vgl. Bem. zu Tli XVI 643. Ausnahmen enthüllen die Artt 2012 u 2043. — In Handelssachen findet gemäß Art. 281 Abs 2 H -G.-B Die Rechtswohlthat der Vorausklage nicht statr

Hauptschulduers angeben und eine genügende Kostenvorlage machen, um die Ausklagung zu be­ wirken. Er darf ihm weder Güter des Hauptschuldners angeben, welche außerhalb des Bezirkes des Appellhofs des Ortes liegen, wo die Zahlung ge­ schehen muß, noch un Streit befangene Güter, noch solche, die für die Schuld zur Hypothek ge­ stellt und nicht mehr im Besitze des Schuldners und 2024. So oft ein Bürge die durch den vor­ stehenden Artikel verstattete Angabe betreffs der Güter gemacht und für d^e Vorausklage eine ge uügende Kostenvorlage gemacht hat, ist der Gläu­ biger bis zum Betrage der angegebenen Güter dem Bürgen gegenüber für die Zahlungsunfähig­ keit des Hauptschiilduers verantwortlich, welche

zufolge der Unterlassung der gerichtlichen Verfol­ gung eintritt. 2025 Haben sich mehrere Perlonen zu Burgen des nämlichen Schuldners für eine und bieielbe Schuld bestellt, so ist eine jede von ihnen für die ganze Schuld verpflichtet. 2i >2G Es kann jedoch eine jede von ihnen, sosern sie nicht aus die Rechtswohlthat der Thei­ lung verzichtet hat, verlangen, daß der Gläubiger vorerst seine Klage theile und )ie aus Den Antheil eines jeden Burgen beschranke 044 Wenn zu der Zeit, da aus den Antrag eines der Burgen die Theilung ausgeiprochen worden ist, sich unter lhiien Zahlnugsnnsahlge befanden, so haftet jener Bürge für dien Zahlungsunfähig feit verhältnißmäßig; er kann jedoch wegen einer Zahlungsunfähigkeit nicht mehr in Anspruch ge nommeu werden, welche nach der Theilung einijetreten ist 2027 Hat der Gläubiger selbst und freiwillig feine Klage getheilt, so kann er von dieser Thei lung nicht wieder abgehen, selbst wenn schon vor der Zeit, als er dieselbe auf diese Weise bewilligte, sich Zahlungsunfähige unter den Bürgen befanden

Zweiter Abschnitt Wirkung der Bürgschaft zwischen dem Schuldner und dem

Würgen.

2028 Dem Bürgen, welcher Zahlung geleistet hat, steht der Rückgriff gegen den Hauptschuldner zu, die Bürgschaft mag mit oder ohne Wissen des Schuldners geleistet worden sein

Dieser Rückgriff hat sowohl wegen des Kapl talS als auch wegen der Zinsen und Kosten statt: jedoch hat der Bürge nur wegen derjenigen Kosten einen Rückgriff, welche er aufgewendet hat, nachdem er dem Hauptschuldner die gegen ihn eingeleiteten Verfolgungen verkündet hat 645

644 Vgl Bem zu Art 1670 - In Handelssachen ist nach Art. 281 Abs 2 H -G B. die Rechtswohlthat der Theilung ausgeschlossen 645. Val 8 69 C V.-O

B. Cüntzesetzbuch. B. III. T. XIV H II Abschn. 3. H. IN IV Ex hat auch emett Rückgriff wegen eines' etwa ervittenen Schadens 2029 Der Bürge, welcher die Schuld bezahlt hat/ ttitt itt alle Richte ein, welche dtzr Gläubiger gegen den Schuldner hatte. f2030» Waren Mehrere sammt-erbtndlich ver­ pflichtete Hauptschül-ner einer und derselben Schuld vorhanden, so hat der Bürge, welcher sich füv sie alle verbürgt gegen 'jedrn^ derselben den Rückgriff wegen Rückzahlung deT Gänzen, wcks er gezahlt hüt 2031 Der Bürge/ welcher zuerst Vie Schuld bezahlte, hat keinen Rückgriff gegen bett Haupt­ schuldner, der sie nochmals bezahlt hüt, wenn er

denselben von der geschehenen Zahlung nicht be­ nachrichtigt hat; seine Klage aus Rückzahlung gegen den Gläubiger bleibt Vorbehalten. Hat der Bürge gezahlt ohne belangt worden zu sein und ohne den Hauptschuldner benachrich­ tigt zu haben, so hat er gegen den Schuldner keinen Rückgriff, falls diesem in dem Augenblicke der Zahlung Bertheidigungsmittel zu Gebote ge­ standen hätten, um die Schuld für erloschen er­ klären zu lassen; seine Klage auf Rückzahlung gegen den Gläubiger bleibt Vorbehalten. 2032 Der Bürge kann, selbst ehe er Zahlung geleistet hat, gegen den Schuldner auf Schadlos­ haltung klagen. 1) wenn er wegen der Zahlung gerichtlich ver­ folgt wlrd, 646 2) wenn der Schuldner nt Falliment gerathen ist oder sich in Bermögensverfall befindet; 647 3) wenn der Schuldner sich verpflichtet hat, ihm in einer bestimmten Frist seine Befreiung zu verschaffen; 4) wenn die Schuld durch Eintritt des Ter­ mins, unter welchem sie eingegangen, fällig ge­ worden ist; 5) nach Ablauf von zehn Jahren, wenn die Hauptschuld keinen bestimmten Verfalltag hat, es sei denn, daß die Hauptschuld, wie z B eine Vormundschaft, ihrer Natur nach nicht vor einer bestimmten Zeit erlöschen kann.

Dritter Abschnitt. Wirkung der Bürgschaft unter den MitöürgeU.

2033. Wenn mehrere Personen sich für den­ selben Schuldner wegen derselben Schuld verbürgt haben, so hat der Bürge, welcher die Schuld ge­ zahlt hat, einen Rückgriff gegen die übrigen Bürgen, und zwar gegen jeben für dessen Antheil. Dieser Rückgriff hat jedoch nur statt, wenn der Bürge in einem der in dem vorstehenden Artikel angegebenen Fälle gezahlt hat

646. Dgl. § 239 C.-P.-O

617 Die Bem zu Art 1865 greift auch hier Platz, ioweit sie sich auf den Vermögensverfall bezieht

151

Drittes Hauptstück.

Erljischrmg der Bürgschaft. 2034. Die auH eiper Bürgschaft eutsteherche Verbindlichkeit erlischt aus denselben Gründen wie die übrigen Verbindlichkeiten. 2035 Die Konfüsioir, welche Ni der Pebson des Hauptschüldners und seines Bürgen eititt'rtf, wenn der eine Gtbe des andern Ed, hestt die Klage des GläMßers gegen denjenigen sticht aüf, der sich für den Burgen verbürgt hak'

2036 Der Bürge kackn dem Gläubiger alle die Einreden entgegensetzen, 'wMft d^in HaupksHuld-

ner zustehen und der Schuld anhaftem Ex kann jedoch biejenigep (Anreden nicht ent­ gegensetzen, welche dem Schuldner blos für seine

Person zustehen.

2037 Der Bürge wird befreit, wenn die Ein­ setzung des Bürgen in die Rechte, Hypotheken und Vorzugsrechte des Gläubigers in Folge einer Handlung dieses .Gläubigers nicht mehr stattfinden kann 2038 Die von dem Gläubiger freiwillig ge­ schehene Annahme einer Liegenschaft oder irgend einer Lache an Zahlungsstatt für die Hauptschuld befreit den Bürgen, selbst wenn die Sache dem Gläubiger wieder entwährt wird

2039 Eine bloße Verlängerung der Zahlungs­ frist, welche der Gläubiger dem Hauptschuldner bewilligt, befreit den Bürgen nicht, welcher in diesem Falle den Schuldner belangen kann, um ihn zur Zahlung zu zwingen

Viertes Hauptstück.

Gesetzliche und gerichtliche Bürgschaft. 648 2040. So oft Jemand auf Grund des Gesetzes oder auf Grund einer Berurtheilung verpflichtet ist, einen Bürgen zu stellen, muß der angebotene Bürge den in den Artikeln 2016 und 2019 vor­

geschriebenen Bedingungen entsprechen Handelt es sich um eilte gerichtliche Bürgschaft, so muß der Bürge außerdem eine der Schuldhaft unterworfene Per­ son sein. 648 649

2041 Dem, welcher keinen Bürgen finden sann, ist es gestattet, an dessen Stelle em aus­ reichendes Faustpfand zum Einsatz zu geben.

2042. Der gerichtliche Bürge hat auf die Bor­ ausklagung des Hauptschuldners keinen Anspruch.

648. Nach § 101 C.-P.-O. hat die Bestellung einer prozeß­ rechtlichen Sicherheit in der Regel durch Hinterlegung in baarem Gelde oder tu sicheren Wertpapieren zu erfolgen. Dadurch ist das Anwendungsgebiet der gesetzlichen und gerichtlichen Bürgschaft erheblich beschränkt. — Bezüglich der Sicherheitsleistung im Strafprozesse vgl. §§ 117 ff., 174, 419, 488 St.-P.-O. — Ueber die Stellung der Bürgschaft vgl. Artt. 517 ff. fr C.-P.-O. 649. Vgl Bem zu Tit. XVI

B. Civrlgesetzbuch. B.

152

2043. Wer sich für einen gerichtlichen Bürgen

schlechthin verbürgt hat, kann, Pie BorgiMägung des Hauptschuldners und des Bürgen nicht ver­ langen.

Fünfzehnter Titel. Mergtttch. (Beschlossen den 20.,. ausgefertigt den 30. März 1,304.)

2044. Der Vergleich ist ein Vertrag, durch welchen die Parteien einen schon entstandenen Rechtsstreit beendigen oder einem bevorstehenden Rechtsstreite Vorbeugen. Dieser Vertrag muß schriftlich abgefaßt roerbc».650

2045. Um einen Vergleich zu schließen, ist die Fähigkeit erforderlich, über die in dem Vergleiche begriffenen Gegenstände zu verfügen. Ein Vormund kann im Namen des Minder­ jährigen oder Entmündigten nur in Gemäßheit des Artikels 467651 in dem Titel „Minderjährig­ keit, Vormundschaft und Emanzipation" Vergleiche schließen; mit dem großjährig gewordenen Min­ derjährigen kann er über die Vormundschafts­ rechnung nur in,Gemäßheit des Artikels 472 in demselben Titel einen Vergleich schließen. Gemeinden und öffentliche Anstalten können nur mit ausdrücklicher Ermächtigung des Kaisers Vergleiche schließen 652 2046 Man darf sich über den aus einem Ver­ gehen entstandenen civilrechtlichen Anspruch ver­ gleichen Der Vergleich steht der Verfolgung von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht im Wege 653 654 655 2047 Man darf einem Vergleiche die Festsetzung einer Strafe hinzusügey, welche denjenigen treffen soll, der den Vergleich nicht erfüllt 2048. Ein Vergleich erstreckt sich nur auf seinen Gegenstand; die in demselben erfolgte Verzicht­ leistung auf alle Rechte, Klagen und Ansprüche ist nur von der Streitigkeit zu verstehen, die den Vergleich veranlaßt. 654

2049. Vergleiche schlichten nur die Streitigkeiten, welche darunter .begriffen sind, die Absicht der Parteien mag durch besondere oder allgemeine Ausdrücke kundgegeben, oder durch einen noth­ wendigen Schluß aus dem ausdrücklich Ausge­ sprochenen erkenntlich sein. 655 2050 Wer sich über einen ihm kraft eigenen Rechtes zustehenden Anspruch verglichen hat und in der Folge einen gleichen Anspruch aus der 650. Es ist nicht mehr bestritten, daß Abs. 2 keine Form­ vorschrift, sondern eine Beweisvorschrift enthält; er ist daher durch § 14 Nr. 2 E.-G. z. C.-P.-O. beseitigt. 651. Vgl. die Bem. zu Art. 467 652. Bezüglich der Gemeinden vgl. B. v. 21. Frim. XII, Art. 19 Nr. 10, Artt. 20 u. 59 G. v. 18. Juli 1837, Dez.D. v. 25. März 1852 Täb. A Nr. 50; - bezüglich der Pflege­ häuser und sonstigen Wohlthätigkeitsanstalten Art. 15 B. v. 7. Mesi. IX und Art. 1 Dez.-D. v. 25. März 1852 Tab. A Nr. 50. 653. Bgl. 8 152 Abs. 2 St.-P.-O. 654. Bgl. Bem. zu Tit. III Hauptst. III Abschn. 5. 655. Bgl. die vorhergehende Bem.

in. L. xV. xvi. PeHyn eines anheren erMirht,, ist in Ansehung des neu erworbenen Anspruchs durch den vorher­

gegangenen Vergleich nicht gebunden. 2051. Ein Vergleich, der von eitlem der Bethei­ ligten geschlossen wvrdeü ist,' bindet hie übrigen Beteiligten nicht; ebensowenig können sich die­ selben darauf berufen. 2052. Vergleiche Häven unter dm Parteien die Kraft eines rechtskräftigen Urtheils. 656 Sie können weder wegen eines Rechtsirrthums noch wegen Verletzung angefochten werden. 2053 Ein Vergleich kann jedoch wieder aüsgehoben werden, wenn ein Irrthum in der Person

oder über den Gegenstand des Streites stattge­ funden hat. Er kann in allen Fällen wieder aufgehoben werden, in denen Betrug oder Zwang stattge­ funden hat. 2054. Die Klage auf Wiederaufhebung eines Vergleiches hat ebenfalls statt, wenn derselbe in Vollziehung eines nichtigen Titels geschlossen worden ist, es sei denn, daß die Parteien sich ausdrücklich über die Nichtigkeit verglichen haben 2055. Ein Vergleich, der auf Grund von Ur­ kunden geschlossen worden ist, die in der Folge als falsch erkannt worden sind, ist seinem ganzen Inhalte nach nichtig. 2056 Ein Vergleich über einen Prozeß, der durch ein rechtskräftiges Urtheil schon entschieden war, von welchem die Parteien oder eine Partei keine Kenntniß hatte, ist nichtig. War das den Parteien unbekannte Urtheil der Berufung unterworfen, so ist der Vergleich gültig. 2057 Haben sich die Parteien über alle Ange­ legenheiten, die sie miteinander haben möchten, im Allgemeinen verglichen, so sind die Titel, welche ihnen damals unbekannt waren und die späterhin entdeckt werden, kein Grund zur Wieder­ aufhebung, es sei denn, daß dieselben von einer der Parteien zurückgehalten worden sind. Der Vergleich ist jedoch nichtig, wenn er nur­ einen Gegenstand betraf, in Ansehung dessen durch neu entdeckte Titel festgestellt wird, daß eine der Parteien gar kein Recht darauf hatte 2058. Ein Rechnungsfehler in einem Vergleiche muß berichttgt werden.

Sechzehnter Titel. Schutd-aft.657 (Beschlossen den 13., ausgefertigt den 23. Februar 1804.)

2059. Die Schuldhaft findet wegen Stellionats statt. Ein Stellionat ist vorhanden: wenn man eine Liegenschaft verkauft oder zur Hypothek stellt, von welcher man weiß, daß man nicht Eigen­ thümer derselben ist; 656. Bgl. 8 702 Nr. 1 u. 2 C.-P.-O. 657. Die Bestimmungen dieses Titels sind, soweit sie nicht schon früher aufgehoben waren, durch das G. v. 22. Juli 1867, betreffend die Schuldhaft, beseittgt. Durch daffelbe

B. Cunlgesetzbuch. B. III. T. XVII. H. I. wenn man zur Hypothek gestellte Güter für frei gusgibt oder die Hypotheken, welche auf diesen Gütern ruhen, zu gering äugibt.

2060

Tie Schuldhaft findet ferner statt 1) wegen einer zur Nothzeit erfolgtenHinterlegung; 2. im (jaiie iim'r .Ulage auf Wiedererlangung des Be sttzes wegen der gerichtlich verordneten Räumung eines Grundstückes, dessen der Eigenthümer durch Thätlichkeiten entsetzt worden ist, wegen Erstattung der während des Widerrechtlichen Besitzes gezogenen Früchte und wegen Zah­ lung des dem Eigenthümer zuerkannten Schadensersatzes, 3) wegen Zurückforderung von Geldern, welche bei zu vieffem Zwecke öffentlich bestellten Personen hinterlegt worden siiid, 4 wegen Zurückgabe von Sgchen, welche bei einem Se quester, einem gerichtlich Beauftragten oder einem anderen Hüter hinterlegt worden sind, 5) gegen gerichtliche Bürgen und gegen die Bürgen der lenigen, ivelche der Schuldhaft unterworfen find, wenn die Bürgen sich derselbeu unterworfen haben, 6) gegen alle öffentlichen Beamten bezüglich der angeord­ neten Vorlage ihrer Urschriften', 7) gegen Notare, Anwälte und Gerichtsvollzieher wegen Zurückgabe der ihnen in Folge ihres Amtes anvertrauten Urkunden und der in derselben Weife für ihre Auftraggeber eingenommenen Gelder

2061 Tie Schuldhast kann gegen denjenigen, welcher durch ein im dinglichen Prozesse ergangenes und rechtskräftig gewordenes Urtheil verurtheilt worden ist, ein Grundstück zu räumen, und sich weigert zu gehorchen, vierzehn Tage nach der an ihn in Person oder an icnieni Wohnsitze erfolgten Zustellung des ersten Urtheiles durch ein zweites Urtheil erkannt werden Wenn das Grundstück oder Gut mehr als fünf Myria­ meter von dem Wohnsitze der verurtheilten Partei entfernt ist, so ist die vierzehntägige Frist um einen Tag für je fünf Myriameter zu verlängern

2062 Die Schuldhaft kann gegen Pächter wegen Zahlung des Pachtzinses von ländlichen Grnndstücken nicht verordnet werden, wenn dieses nicht in dem Pachtverträge ausdrücklich bedungen worden ist. Pächter und Theilpächter sind jedoch der Schuldhaft unterworfen, wenn sie am Ende des Pachts das Vieh, das Saatkorn und Ackergerät!), welches ihnen an vertraut worden ist, nicht zurückliefern, es sei denn daß sie darthun, daß das Fehlen dieser Gegenstände nicht durch ihr Verschulden verursacht ist 2063 Mit Ausnahme der Fälle, die in den vorstehenden Artikeln bestimmt sind, oder die etwa in Zukunft durch ein Gesetz ausdrücklich bestimmt werden, ist es allen Richtern verboten, auf Schuldhaft zu erkennen, allen Notaren und Gerichtsschreibern, Urkunden aufzunehmen, in welchen die selbe bedungen wird, und allen Franzosen, solche Verträge einzugehen, auch weun dieselben int Auslande geschlossen werden; alles bei Strafe der Nichtigkeit, sowie des Ersatzes der Kosten und des Schadens

2064. Selbst in den oben angeführten Fallen kann die Schuldhaft nicht gegen Minderjährige ausgesprochen werden. 2065 Sic kann nicht wegen einer Summe unter drei­ hundert Frank ausgesprochen werden

2066. Sie kaun gegen siebenzigjährige Personen, verheirathete und ledige Frauen nur in dem Falle eines Stellionats ausgesprochen werben. Der Beginn des siebenzigsten Lebensjahres genügt, um der den siebenzigjährigen Personen zugestandenen Begünsti­ gung theilhaftig zu werden

wurde die Schuldhaft in Civil- und Handelssachen, auch gegen Ausländer, abgeschafft und nur noch beibehalten „en matiere criminelle. correctionnelle et de simple police". An Stelle dieses Gesetzes sind netzt maßgebend die §§ 774, 782, 783, 785-795, 798, 812 C.-P.-O in Verbin­ dung mit § 38 A.-G. z. C.-P.-O. utib die §§ 93 u. 98 K -O.; vgl. auch § 495 St.-P.-O

153

Die Schuldhaft, wegjegt ejnes während der Ehe begangenen Stellionats hat, gegen Ehefrauen nur dann statt, wenn sie in 'Glitertrennutig leben, öder wenn sie Güter besitzen, deren freie Verwaltung sie sich borbehalten haben, und nur wegen der Verpflichtungen, Welche sich auf diese Güter beziehen. Eine Ehefrau, welche in Gütergemeinschaft lebt und sich gemeinschaftlich oder sammtverbindlich nut ihrem Manne verpflichtet hat, kann wegen dieser Verträge nicht als eines Stellionats schuldig angesehen werden 2067 Die Schuldhaft kann selbst in den Fällen, in denen

das Gesetz sie gestattet, nur auf Gyund eines Urtheils voll streckt werden.

2068. Die Berufung hat bezüglich der Schuldhaft keine ausschiebende Wirkung, wenn durch ein gegen Bürgschafts­ stellung vorläufig vollstreckbares Urtheil auf dieselbe erkannt worden ist 2069. Durch Vollstreckung der Schuldhaft wird die Ver­ folgung und die Zwangsvollstreckung in Ansehung des Vermögens nicht verhindert oder ausgeschoben 2070. Unberührt bleibet die besoich^ren Gesetze, welche die Schuldhaft in Handelssachen gestatten, sowie die Zücht­ polizeigesetze und biejenigen, welche die Verwaltung vffent licher Gelder betreffen.

Siebzehnter Titel.

Afandvertrag. ^Beschlossen den n>, ausgeiertigt den 26. März 1804.,

2071 Der Pfandvertrag ist ein Vertrag, durch welchen cm Schuldner seinem Gläubiger als Sicherheit für die Schuld eine Sache überliefert 2072 Der Pfandvertrag über eine bewegliche Sache heißt Faustpfand. Derjenige über eine un­ bewegliche Sache heißt Nutzpsand.

Erstes Hauptstück.

Faustpfand. 6ö8 2073. Das Faustpfand gibt dem Gläubiger das Recht, sich aus der Sache, welche den Gegenstand desselben ausmacht, mit Verzugsrecht und Vorrang vor den übrigen Gläubigern seine Bezahlung zu verschaffen.659 2074. Dieses Vorzugsrecht hat nur insofern statt, als eine öffentliche oder eine gehörig einregistrirte Urkunde unter Privatunterschrift vorhan­ den ist, welche den Betrag der geschuldeten Summen sowie die Art und Beschaffenheit der 658. Die Bestimmungen bieses Hauptstücks sinb tm Allge meinen aufrecht erhalten. § 40 K.-O. unb § 20 A.-G. z. C.-P.-O. setzen bas Vorhandensein eines Faustpfanbrechts voraus unb regeln nur desien Wirkungen. Tie Bedingungen des Erwerbs eines solchen Rechtes bestimmt das materielle Recht Nur die §§ 14 u. 15 E.-G. z. K. O. stellen diejenigen Ersorderniffe fest, welchen ein Faustpfand unter allen Um­ ständen entsprechen muß, wenn ein Absonderungsrecht damit verbunden sein soll. Darüber hinaus bleiben aber die Vorschriften des materiellen Rechtes unberührt, welche weitere Ersorderniffe festsetzen (§ 16 E.-G.). — Bezüglich des Pfändungspfandrechts und dessen Gleichstellung mit dem vertragsmäßigen Faustpfandrechte vgl. §§ 709, 810 C.-P.-O und § 41 Nr. 9 K -O. 659. Vgl. ß 40 K O und § 20 A.-G z. C.-P-O.

154

B. Civilgesetzbuch. B. III T. XVII, H. I.

verpfändeten Sachen angibt, oder der ein Bepzeichniß über Beschaffenheit, Gewicht und Maß Sachen heigefügt ist.. Aufnahme einer schriftlichen Urkunde und Einregistrirung ist jedvch nur erforderlich, es sich um einen Gegenstand von einem

ketten im Allgemeinen" ausgestellten Regeln für dein Belüft oder die Verschlechterung des Faust­ pfandes, welche in Folge seiner Nachlässigkeit eintritt. Seinerseits muß der Schuldner dem Gläubiger die nützlichen und nothwendigen Ausgäbeir" er­

Werthe über hnndertfünhrg Frank handelt wo 2075. Das, in dem vorstehenden Artikel erwähnte Vorzugsrecht wird in Beziehung auf unkörperliche bewegliche Sachen, wie Forderungen, welche sich auf bewegliche Sachen beziehen, nur durch eine öffentliche oder durch eine ebenfalls emregistrirte

setzen, welche dieser für die Erhaltung des Füllst-Pfandes gemacht hat. 2081. Wenn es sich um eine -zum Faustpfüllde bestellte Forderung handelt und diese Forderung Zinsen trägt, so rechnet der Gläubiger die Zinsen auf diejenigen an, welche rhm rtwa geschuldet

Urkunde unter Privatunterschrfft begründet, welche dem Schuldner der zum Faustpfande bestellten

werden Trägt die Schuld, zu deren Sicherung die For­ derung zum Faustpfande bestellt worden ist, keine Zinsen, so erfolgt die Anrechnung auf das Kapital der Schuld 2082. Der Schuldner kann, sofern der Inhaber des Faustpfandes dasselbe nicht mißbraucht, dessen Zurirckgabe nicht eher beanspruchen, als nachdem er die Schuld, zu deren Sicherung das Faustpfand bestellt worden ist, an Kapital, Zinsen und Kosten vollständig getilgt hat Besteht auf Seiten desselben Schuldners gegen denselben Gläubiger eine andere Schuld, welche

dieser Die deren wenn

Forderung zuge.stellt worden ist. 6ßi 2076. In asten Fq^n besteht das Vorzugs­

recht an dem Faustpfan.de n.pr dann, wenn das Faustpfand m ^>en Besitz des Gläubigers oder eines von den Parteien bestimmten Dritten ge­ kommen und darjn verblieben ist. 662 2077 Ein Faustpfand kann von einem Dritten für den Schuldner bestellt werden

2078. Wenn die Zahlung ausbleibt, kann der Gläubiger über das Faustpfand nicht verfügen, es steht ihm jedoch das Recht zu, die gerichtliche Anordnung zu erwirken, daß ihm dieses Faust­ pfand nach einer von Sachverständigen vorge nommenen Schätzung bis zu dem Betrage der Schuld an Zahlungsstatt verbleiben, oder daß es öffentlich versteigert werden soll Jede Bestimmung, welche den Gläubiger er­ mächtigt, sich das Faustpfand zuzueignen oder ohne Beobachtung 'der okllgen Förmlichkeiten darüber zu verfügen, ist nichtig 663 2079 Der Schuldner bleibt bis zu dem gegen ihn etwa erfolgenden Zwangsverkauf Eigenthümer des Faustpfandes, welches in den Händen des Gläubigers nur eine hinterlegte Sache ist, die demselben sein Vorzugsrecht sichert 2080 Der Gläubiger haftet nach den m dem

Titel „Verträge oder vertragsmäßige Berbindlich-

660 Art 2074 erinnert zwar in feiner Fassung an die Artt. 1328 und 1341; er hat jedoch nach der richtigen und herrschenden Ansicht (vgl. Aubry u. Rau IV § 432, Laurent XXVIII, 446-456) keine Beweisvorschrift zum Inhalte, sondern eine Die Wirksamkeit des Faustpfandes gegen Dritte bedingende Formvorschrift und wird daher durch Die C.-P.-O nicht berührt. 661. Art. 2075 hat dieselbe rechtliche Natur wie 2074, er wird deshalb durch die C. P.-O ebenfalls berührt. - Das Erfordermß der Benachrichtigung Drittschuldners ist auch in § 15 Nr. 1 E -G z. K O gestellt.

Art nicht des auf­

662. Vgl. § 14 u. § 15 Nr. 2 E.-G. z. K.-O. 663. Das durch Art. 2078 dem Pfandgläubiger gewährte Recht ist für Den Fall des Konkurses im Allgemeinen auf­ recht erhalten (§ 3 Abs. 2 K.-O.). Dasselbe ist leDodj insofern eingeschränkt worden, als der Konkursverwalter berechtigt ist, Die Verwerthung des Pfandgegenstandes nach Maßgabe der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung zu betreiben, der Gläubiger kann alsdann feine Rechte nur auf Den Erlös geltend machen (§ 117 Abs. 1 K.-O.).

nach der Bestellung des Faustpfandes eingegangen und vor der Zahlung der ersten Schuld fällig geworden ist, so kann der Gläubiger nicht angehalten werden, das Faustpfand herauszugeben, bevor er wegen beider Forderungen vollständig befriedigt ist, selbst wenn nicht ansbedungen worden ist, daß das Faustpfand für die Zahlung der zweiten Forderung hasten solle 664 2083. Das Faustpfand ist untheilbar, ungeachtet der Theilbarkett der Schuld unter den Erben des Schuldners oder denen des Gläubigers Der Erbe des Schuldners, welcher seinen An­ theil an der Schuld gezahlt hat, kann die Zurück­ gabe seines Antheiles an dem Faustpfande nicht erlangen, so lange die Schuld nicht ganz ge­ tilgt ist

664. Das Zurückbehaltungsrecht des Art 2082 Abs 2 ist für Den Konkurs weggefallen. Nach § 40 K O. kann Der Faustpfandgläubiger nur wegen seiner Pfandforderung abgesonderte Befriedigung erlangen und in ß 41 K -O. ist, abgesehen von Den hier nicht interessirenden Bestimmungen in Nr 5-7. nur dem kaufmännischen Zurückbehaltüngs­ rechte (Ant 313-316 H G.-B.) em Absondernngsrechr gewährt (§ 41 Nr 81 Die durch Art 2082 Abs. 2 begünstigten Forde­ rungen können daher im Konkurse nur als gewöhnliche Konkursforderungen nach Maßgabe des § 10 K.-O. geltend gemacht werden. — Außerhalb des Konkurses dagegen ist dem Zurückbehaltungsrechte des Art. 2082 Abs. 2 sowohl dem Schuldner wie auch Den anderen Gläubigern iügl. §§ 713, 745-748 C. P. C.i gegenüber seine Wirksamkeit verbliebei!. - Uebngens hat das Zurückbehaltungsrecht desArt. 2082 Abs. 2 durch § 709 Abs. 2 C.-P.-O. keine Erweite­ rung zu Gunsten der Pfändnugspfandgläubiger erfahren und steht letzteren nicht zu, denn Art 2082 Abs. 2 gründet sich auf Die vermuthliche Absicht der Vertragschließenden, also auf einen Gesichtspunkt, welcher für das Pfändungs­ pfandrecht gänzlich ausgeschlossen bleibt vgl. v. Cuny im Rb. Arch. LXXVI, II S. 42 ff.,.

155

B. Civilgesetzbuch. B. III D. XVII. H. II. T. XVIII. H. I Andererseits kann auch der Erbe Les Gläubigers, welches seinen Antheil an der Forderung empsastM >

zwingen, in dervGevuß seiner Liegenschaft wiedereinMreten.

zllim. Nachtheil derjenigen seiner Mitevben, welche nicht befriedigt sind, das Faustpfand- nicht zurückgeben 3084, Obige Bestimmungen finden auf Handels-» fachen sowie auf öffentliche Leihhäuser uhb Pfand­ häuser keine Anwendung, bezüglich derselben sind die isie betreffenden Gesetze und Bero-rdnüngew zu befolgen 665

2088. Der Gläubiger wird nicht Eigenthümer der Liegenschaft durch das bloße Ausbleiben der

Zweites Hauptstück.

Dos

Nutzpfrnd

kann

Nur 'schriftlich

lichen Wege den Zwaugsverkauf erwirken. 2089 Wenn die Parteien verabrede! haben, daß die Früchte gegen bie Zinsen entweder ganz oder bis zü einem gewisses Betrage arlfgerechnet werden sollen, so ist die/e Vereinbarung wie jede andere durch dre Gesetze nicht verbotene zu voll­

Nutzpfand. 666 2( >85

Zahlung zu der verabredeten Frist; jede entgegen­ stehende Bestimmung ist nichtig; in diesem Falle kann er gegen seinen S'chülbnet auf dem gesetz­

bestellt

werden 667

Der Gläubiger erhält durch diesen Vertrag, nur die BefugNiß, die Fruchte der Liegenschaft zu ziehen, unter der Verpflichtung sie alljährlich aus die Zinsen, wenn ihm solche geschuldet werden, lind sodann auf das Kapital seiner Forderung aiizurechnen 2U Prozestregel verloren.

13. Die prozessualen Bestimmungen dieses Titels sind durch die C.-P.-O beseitlgr und durch §§ 406, 397 derselben ersetzt. Es dürften jedoch als andere Theile des Rechts betreffend in Geltung geblieben sein die Vorschriften in Artt. 201, 203, 205 über die Verpflichtung bezw. Berechtigung der Notare u. s. w., ihre Urkunden zu bringen, zu hinterlegen, stellver­ tretende Ausfertigungen zu fertigen uno darnach Ausfer­ tigungen zu ertheilen. Dasselbe gilt von dem über die Pflichten und Rechte der Gerichtsschreiber handelnden und auf Art. 203 verweisenden Art. 245. Vgl. auch Art. 853.

D. Civilpro.zeß.

Wicht-Anerkennung

352. Kein Anerbieten 15 darf ohne beson­ dere Vollmacht geschehen. oder angenommen werden bei Vermeidung der Nicht-Anerkennung

Neunzehnter Titel. Aestimruung des zuständigen Dichters.16

14. Vgl. die Bem zu Tit. X

15. Das Anerbieten der Artt. 1258 ff. C.-G.-B. u. unten 812 ff.

16. Die Artt. 363-367, welche dem Wortlaute nach zu ihrer Anwendbarkeit einen vor verschiedene Gerichte ge­ brachten Rechtsstreit (differend) voraussetzen, sind durch die C.-P.-O. beseitigt u. durch §§ 36, 37 derselben ersetzt. Wenn dieselben von der Rechtsprechung auch auf die nicht zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit gehörigen Geschäfte ausgedehnt sind, so finden die §§ 36, 37 auch auf diese Fälle entsprechende Anwendung zufolge der Bestimmung in § 47 A.-G

9

6

v. Franz. Civilprozxßordnung. Thl. L B. III. T. 1. B. IV. L. 3.^ B. V. T. I.

Viertes Buch.

Drittes Buch.

AppellationsgerichLe. -Tetrer v

Außerordentliche Ilechtsmittek gegen Urtheile. ^Fortsetzung des Dekrets v. 17. April 1806.)

17., iii^ gefertigt d. 27. Avril 1806.)

Dritter Titel. Einziger Titel.

Berufung und Verfahren in der Berufungsinstanz.17

17. Ter Fall, für welchen die Vorschriften dieses Titels lArtt. 443-473) unmittelbar gegeben sind, ist der eines Ur­ theils in „bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche vor die ordentlichen Gerichte gehören" (§ 3 (S. -CL z. C.-P.-O.); deshalb sind diese Vorschriften durch die C. P. O. beseitigt. Ueber diesen eigentlichen Fall hinaus fanden dieselben aber bisher Anwendung, sei es infolge ausdrücklicher Bestimmung der Gesetze, sei es infolge der Rechtsprechung, auf Entschei düngen der verschiedensten Art, sowohl der streitigen als der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit. Nach § 47 A.-G. 5. C.-P.-O. gelten für diese Fälle jetzt die entsprechenden Vorschriften der C.-P.-O. Tiefe entsprechenden Vorschriften sind aber je nach der Art der auzufechienden Entscheidung verschiedene. Ist die Entscheidung ein eigentliches Urtheil (sachliche Ent­ scheidung) in einem Rechtsstreite, so treten einfach die §§ 472-506 C. P.-O. an Stelle der Axtt. 443 ff. fr. C.-P.-O.; dies gilt z. B. von dem Falle des Art. 53 G. v. 25. Vent. XI; die Formen der §§ 472-506 C.-P.-O. sind ferner für die Berufung zur Anwendung zu bringen, wenn es Angele­ genheiten der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit gibt, welche in den Formen des Prozesses, also dnrch Urtheil nach kontra­ diktorischer Verhandlung, erledigt werden, wie dies die §§ 1 u. 5 des Entwurfs eines A.-G. z. G. V.G. voraussetzen (Fälle der Artt. 884 fr. C.-P.-O., 219 [1043 Abs. 2, 1045 ?| C.-G.-B.), während hinsichtlich der Kosten nach § 5 Abs. 3 des gen. Entwurfs die Vorschriften des G. K.-G. über die Beschwerde maßgebend sein sollen. Hat dagegen die Entscheidung den Karakter eines Be schlusses oder einer Verfügung in streitiger oder nichtstreitiger Angelegenheit — mag sie übrigens die Bezeichnung jugeinenl oder ordonnancc führen — so ist als das ent­ sprechende Rechtsmittel der C.-P.-O. die Beschwerde der 88 530 ff. anzusehen. (So Begründung Abs. 2 zu 8 5 des Entwurfs eines A.-G. z. G.-K.-G.).

Bestimmt das Landesgesetz ausdrücklich, daß die Appella­ tion an keine Frist gebunden sein soll (z. B. 8 3 Jnstr. über Handelsregister v. 28. Sept. 1872), so behält es damit auch für die Beschwerde sein Bewenden. Ist hinwiederum im einzelnen Falle eine vom gemeinen Recht abweichende Frist bestimmt (z. B. 8 23 E.-G. z. H.-G.-B., Art. 291 C.-G.-B. Art. 858 fr. C.-P.-O.), so bleibt dieselbe auch für die Be­ schwerde bestehen. Galt endlich bisher, sei es infolge aus­ drücklicher Vorschrift oder nach der Rechtsprechung, die Frist­ bestimmung des gemeinen Rechts (z. B. in den Fällen der Artt. 770, 1008 C.-G.-B., 889 fr. C.-P.-O.), so tritt die neue gemeinrechtliche Frist (8 477 C -P.-O.) an deren Stelle. Zu dieser letzteren Entscheidung führl einmal die Erwägung, daß die Natur der anzusechtenden Beschlüsse ein an eine Frist gebundenes Rechtsmittel erfordert und die andere, daß dieses Rechtsmittel nicht wohl in der „sofortigen Beschwerde" (8 540 C.-P.-O.) gefunden werden kann, da dieselbe nur für einzelne bestimmte Fälle gegeben ist. Anderseits läßt sich aber freilich nicht verkennen, daß gerade diese einzelnen Fälle, mögen sie auf Reichsrecht (z. B. 8§ 604, 619, 621 C.-P.-O.) oder auf Landesrecht (8 5 Abs. 3, 8 31 Abs. 4 A.-G. z. C.P.-O., K.-O. u. St.-P.-O.) beruhen, auf dieses Rechtsmittel als das der Berufung gegen Beschlüsse und Verfügungen entsprechende Rechtsmittel Hinweisen, wenigstens soweit als die Berufung an eine Frist gebunden ist. — Art. 471 ist durch das A.-G. z. G.-K.-G. ausdrücklich beseitigt (8 4 des Entwurfs).

RegreßLtage gegen den Kichter. H

505. Die Regreßklage gegen den Richter findet in folgenden Füllen statt: 1) Wegen Arglist, Betrug oder Erpressung, welche im Laufe des gerichtlichen Zerfahrens oder bei der Entscheidung begangen sein sollen;

2) wenn das Gesetz die Regreßklage ausdrück­ lich zugelassen hat;

3) wenn das Gesetz die Richter bei Vermeidung des Schadensersatzes verantwortlich erklärt; 4) wenn eine Rechtsverweigerung vorliegt. 506. Eine Rechtsverweigernng liegt vor, wenn die Richter sich weigern, auf eine Bittschrift zu verfügen, oder es vernachlässigen Sachen zu ent­ scheiden, welche zur Entscheidung vorbereitet und

an der Reihe sind. 507. Die Rechtsverweigerung wird durch zwei Aufforderungen festgestellt, welche an die Richter zu Händen der Gerichtsschreiber erlassen und bei den Friedensrichtern und Handelsrichtern zum we­ nigsten von drei zu drei Tagen, bei allen anderen Richtern von acht zu acht Tagen zugestellt wer­ den. Jeder dazu aufgeforderte Gerichtsvollzieher ist bei Strafe der zeitweisen Amtsenthebung halten, diese Aufforderung zuzustellen.

ge­

508. Nach diesen beiden Aufforderungen kann die Regreßklage gegen den Richter angestellt

werden. 510. Tie Regreßklage gegen einen Richter darf jedoch nur nach vorheriger Erlaubniß des Gerichts, bei welchem sie erhoben werden soll, angestellt werden.

511. Zu diesem Zwecke muß eine Bittschrift eingereicht werden, welche von der Partei oder deren mit authentischer Vollmacht versehenen Spezialbevollmächtigten unterzeichnet ist; die Vollmacht sowie die vorhandenen Beweisstücke müssen der Bittschrift bei Strafe der Nichtigkeit beigefügt werden.

Fünftes Buch.

WoWreckung der Urtheile (Dekret vom 21. April, ausgefertigt den 1. Mai 1806.)

Erster Titel.

Annahme der Bürgen. 517. Das Urtheil welches die Stellung eines Bürgen verordnet, muß die Frist bestimmen, binnen welcher der Bürge vorgeschlagen sowie

18. Die in den Artt. 505-508 enthaltenen Vorschriften über die materiellen Voraussetzungen der Syndikatsklage

D. Franz. Civilprozeßorduung. Thl. II. B. I diejenige, binnen welcher die Annahme desselben erfolgen oder abgelehnt werden muß.19

518. Der Bürge wird der Partei, wenn sie keinen Anwalt hat, durch eine ihr zugestellte Ge­ richtsvollziehersurkunde uniD, wenn sie einen An­ walt bestellt hat, durch Akt von Anwalt zu Anwalt vorgeschlagen unter Beifügung einer Ab­ schrift der Verhandlung über Hinterlegung der die Zahlungsfähigkeit des Bürgen beweisenden Urkunden auf der Gerichts sch reiberei, sofern das Gesetz nicht von dem Nachweis der Zahlungs­ fähigkeit durch Urkunden absieht. 519. Die Partei kann nur auf der Gerichts­ schreiberei von den Urkunden Einsicht nehmen. Nimmt sie den Bürgen an, so erklärt sie es durch einfachen Akt ; in diesem Falle, oder wenn der Bürge innerhalb der Frist nicht abgelehnt wird, übernimmt der Bürge auf der Gerichtsschreiberei seine Verpflichtung, welche ohne vorheriges Urtheil voll­ streckbar ist... 20

521. Ueber die Annahme eines Bürgen wird. .. summarisch entschieden.

522. Wird der Bürge für annehmbar erklärt, so muß er in Gemäßheit des Artikels 519 seine Berpflichtung übernehmen.

Vierter Titel.

Hlechrmngsavlagerr. 541. Keine Rechnung darf einer abermaligen Untersuchung unterzogen werden; doch bleibt es den Parteien Vorbehalten, wenn Irrthümer, Aus­ lassungen, falsche oder doppelte Ansätze vorge­ kommen sind, ihre desfallsigen Klagen vor demieiben Gerichte anzubringen. 21

werden von der C.-P.-O. nicht berührt; zu Art. 505 vgl. jedoch § 13 des Reichsbeamtengesetzes, der durch Art. I G. v. 23. Dez. 1873 auch auf die Richter des Reichslandes ausgedehnt ist.

Wegen der Zuständigkeit vgl. § 16 A.-G. z. G.-B.-G. u. 8 70 Abs. 3 G.-B.-G., wodurch §§ 509 u. 515 in Wegfall kommen. Der Art. 510 und damit 511-514 sind, wenn nicht schon durch § 13 des Reichsbeamtengesetzes, jedenfalls durch § 11 E.-G. z. G.-B.-G. beseitigt. Die Prozeßstrafe des Art. 516 ist mit dem alten Prozesse gefallen.

19. Die aufgenommenen Artikel dieses Titels haben nicht die zwangsweise Vollstreckung eines Urtheils zum Gegen­ stände, sondern regeln vielmehr die Art und Weise, wie der Berurtheilte, wenn er erfüllen will, zu handeln hat, und sind insofern materiellrechtlichen Inhalts.

T. 1. 2.

7

Zweiter Theil. Einige besondere Arten des Verfahrens.

Erstes Buch. (Dekret vom 22. April, ausgefertigt den 2. Mai 1806.)

Erster Titel. Iahtungsanerbiet-n und Kirrterlegung. 22

812. Jedes Protokoll über ein Zahlungsauer­ bieten muß den angebotenen Gegenstand so be­ zeichnen, daß demseMtt kein anderer untergeschoben werden kann; ist es bctares Geld, so muß die Zahl und die Gattung der Münzsorten angegeben werden. 813. Das Protokoll muß die Antwort, die Weigerung, oder die Annahme des Gläubigers, sowie die Angabe enthalten, ob er unterzeichnet, sich dessen geweigert, oder erklärt habe, nicht unterzeichnen zu können. 814. Verweigert der Gläubiger die Annahme, so kann der Schuldner, um sich zu befreien, die angebotene Summe oder Sache unter Beobach­ tung der in dem Artikel 1259wes Civilgesetzbuchs vorgeschriebenen Förmlichkeiten hinterlegen. 816. Das Urtheil, welches das Anerbieten für gültig erklärt, verordnet, wenn die Hinterlegung noch nicht stattgefunden hat, daß, weil der Gläu­ biger Untertassen habe, die angebotene Summe oder Sache anzunehmen, dieselbe hinterlegt werden solle; es erklärt ferner, daß von dem Tage der wirklichen Hinterlegung an, der Lauf der Zinsen aufhöre. 817. Die freiwillige wie die verordnete Hinterlegung geschieht unbeschadet der bereits bestehenden Pfändungen, von welchen dem Gläubiger Anzeige zu machen ist.

818. Das Uebrige wird durch die Vorschriften des Civilgesetzbuchs über Zahlungsanerbieten und Hinterlegung bestimmt.

Zweiter Titel. Pas Wecht der Wermiether an den beweglichen Sachen und Krachten ihrer Miether und Pachter (saisie-gagerie). Arrest gegen auswärtige Schuldner.22 23

820. Die beweglichen Sachen, mit denen die Afterpächter und Aftermiether die ihnen über­ lassenen Räume besetzt haben, sowie die Früchte der afterverpachteten Ländereien können wegen

20. Die Vollstreckbarkeit ist jetzt von den Erfordernissen, welche § 702 Nr. 5 C.-P.-O. aufstellt, abhängig.

22. Die Vorschriften dieses Tit. betreffen zum Theil das materielle Recht. Die Klage auf Gültigkeit des Anerbietens (Art. 815) richtet sich jetzt nach der C.-P.-O., desgl. die Verpflichtungen des Schuldners, wenn Pfändungen ausge­ bracht sind (Art. 817); vgl. § 750 C.-P.-O. Wegen der materiellen Bedingungen des Anerbietens vgl. Artt. 1258 ff. C.-G.B. u. oben Art. 352.

21. Eine Vorschrift civilrechtlichen Inhalts, die mit den „offenbaren Unrichtigkeiten" des § 290 C.-P.-O. nichts zu thun hat. Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit und des Gerichtsstandes gelten heute lediglich die Regeln des G.-V.G. und der C.-P.-O. Vgl. Schlink § 437.

23. Die Vorschriften dieses Titels sind mit Ausnahme des materiellrechtlichen Art. 820 durch die Bestimmungen der C.-P.-O. über Zwangsvollstreckung u. Arrest, sowie durch § 20 A.-G. z. C.-P.-O., K.-O. 11. St.-P.-O. u. § 41 K.-O. aufgehoben.

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D. Franz. ltiMprvzeßMnuttg Thl. H B- I T.

der MiethK- öder Pachtgelder gepfändet werden, welche der Afterverrtliether oder After Verpächter verschuldet; die Afterpächter und WermiettzÄ erlangen jedoch die Aufhebung der Pfändung, wenn sie nachweifen, daß sie ohne betrügliche Absicht bezahlt haben Vorauszahlungen können von ihnen nicht entgegengesetzt werden

846 Wer während des Laufes eines Prozesses sich eine

Ausfertigung oder einen Auszug einer Ürknnde ertheilen laßen will, Bet welcher er nicht Partei' mar, verfährt m folgender Urt

Fernster Titel Verfahren zur Erlangung einer Ausfertigung oder ASfchrift von einer Urkunde oder zum Zwecke der UeriHLrgurtg einer Urkunde 24 25

841 Die Partei, welche Abschrift einer nicht emregistrirten oder gar unvollendet gebliebenen Urkunde zu haben wünscht, überreicht ihre Bitt­ schrift dem Präsidenten des Gerichts erster Instanz; die Anwendung der aus die Emregistrirung bezüglichen Gesetze und Verordnungen bleibt jedoch vorbehalten. 842. Die Verabfolgung der Abschrift geschieht, wenn sie bewilligt ist, tn Vollziehung einer auf die Bittschrift gesetzten Verfügung, was auf der Abschrift selbst zu vermerken ist 844 Die Partei, welche sich eine zweite Haupt aussertigung entweder von der Urschrift einer Urkünde oder in der Form einer Abschrift von einer hinterlegten Hauptausfertigung, ertheilen lassen will, reicht zu diesem Ende eine Bittschrift bei dem Präsidenten des Gerichts erster Instanz ein, und erläßt auf Grund der ergehenden Verfügung an den Notar die Aufforderung, au bestimmtem Tag und Stunde die Aushändigung zu bewirken und an die Parteien die Aufforderung, hierbei gegenwärtig zu sein. Am Schlüsse der zweiten Hauptausfertigung ist sowohl diese Verfügung zu erwähnen als auch, falls die Forderung zum Theil bezahlt oder abgetreten ist, die Summe anzugeben, für deren Betrag die Zwangsvoll­ streckung noch stattfindet 24. Nach der Begründung zu § 41 Nr. 2 u. 4 K -O (S 209, 210) soll für die Befugniß des Verpächters und Vermiethers, sich für seine Forderungen gegen den Gemein­ schuldner an die Jllaten eines Asterpächters und Aster Miethers und im Falle der Afterpacht an die dem After­ pächter gehörigen Früchte des Pachtgrundstücks zu halten, lediglich das bürgerliche Recht der Emzelstaaten maßgebend sein. Dasselbe gilt infolge des § 20 A.-G. z. C -P.-O., K -O u. St -P -O auch für den Fall, daß der Miether oder Pächter nicht in Konkurs gerathen ist. Die betreffende Vorschrift des bürgerl. Rechts ist in dem obigen Art 820 enthalten, welcher demnach, soweit er die direkten Beziehungen zwischen Hauptvermiether und Untermiether (bezw Pächter) regelt, (wie Art. 1753 C -G.-B.) in Kraft geblieben ist Der Begriff des „Eingebrachten" kann dagegen aus dem Art. 820 (effets garnissant) nicht mehr erläutert werden 25. Die Artt. 839, 840, 843, 845-848, 854, 856 Abs 2 dieses Titels enthalten Vorschriften prozessualer Natur und sind deshalb durch die der C.-P.-O ersetzt, hinsichtlich einstwei­ liger Verfügungen insbesondere durch §§ 814 ff. C.-P -O Die übrigen Artt sind als die nicht streitige Gerichtsbarkeit betreffend in Kraft geblieben.

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849. Die Protokolle über -re, ut Gemäßhott des richterlichen Befehles erfolgte Vorlegung oder Vergleichung werden von dem Notar oder dem Verwahrer ausgenommen, und von demselben auch die Ausfertigung oder dir Abschrift ertheilt,, fei denn, daß das Gericht, welches dieses vor ordnet hat, eines seiner Mitglieder oder irgend einen andern Richter eines Gerichtes erster In­ stanz oder einen andern Notar beauftragt hat. 850. In allen Fällen können die Parteien bei der Aufnahme des Protokolls gegenwärtig fein und in dasselbe die ihnen dienlich scheinenden Bemerkungen einrüden lassen 851 Hat der Verwahrer die Kosten und Aus­ lagen für die Urschrift der Urkunde zn fordern, so kann er die Ausfertigung so lange verweigern, aks ihm diese Kosten und die Aiisfertigung nicht bezahlt worden find 852 Die Parteien können die Ausfertigung ober die Abschrift mit der Urschrift vergleichen, welche der Verwahrer ihnen vorlegen muß; be haupten sie, daß dieselben nicht gleichlautend feien, so wird an dem in dem Protokolle bestimmten Tage an den Präsidenten des Gerichtes berichtet, welcher die Vergleichung vormmmt; zu diesem Ende ist der Verwahrer gehalten, die Urschrift mit zur Stelle zu bringen Die Kosten des Protokolles und bieiemgcn, welche dadurch entstehen, daß der Verwahrer sich zum Präsidenten verfügt, werden von dem Bitt­ steller vorgeschossen 853 Die Gerichtsschreiber und die Verwahrer öffentlicher Register müssen ohne richterliche Ver fügung Ausfertigungen, Abschriften und Auszüge derselben Jedem, der darum nachsucht, gegen Entrichtung ihrer Gebühren verabfolgen, bei Strafe der Kosten und des Schadensersatzes 855 Wer die Berichtigung eines Personen­ standsurkunde verordnen lassen will, überreicht dem Präsidenten des Gerichts erster Instanz eine Bittschrift 26 856. Die Entscheidung erfolgt auf Berichter stattung, nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Anträge gestellt hat. Erachten die Richter es für angemessen, so verordnen sie, daß die Bethetligten geladen und der Familienrath vorher zusammen­ berufen werde 27 857 Keine Berichtigung, keine Aenderung bars in der Urkunde selbst vorgenommen werden; dagegen hat der Staatsbeamte die Berichtigungsurtheile, sobald sie ihm zugehen, in die Register einzuschreiben, und

26. In ferner Anwendbarkeit auf diejenigen Fälle be schränkt, in denen es sich rein um einen Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, also kein Gegner vorhandeln ist. Vgl. 8 «6 Pers.-G v. 6. Febr. 1875.

27 Der zweite Abs. ist weg gefallen, da im Streitfälle nach der C -P. £?. zu verfahren ist

D. Franz, CmWrotzeßMmiW, Thl. II B I. T 6. 7. 8. 10. daß Pies geschehen ant Rande der berichtigten MkryMe zu

veHWtzrken, letzicre dar, in der Folge NM mit den angeordneten Berichtigungen ausgeliefert werden, bei Strafe des von dein Beamten, welcher die toitttbc verabfolgt hat, zu (crfteitben Schadens­ ersatzes 28 * 858 Ijt nufnr dem reuigen, welcher den Antrag auf Berichtigung gestellt hat, eine weitere Parker nicht vorhanden, io kann derselbe, wenn er glaubt daß er sich über das Urtheil zu be­ schweren habe, sich binnen drei Monaten, von dem Tage des Urtheils an gerechnet, an den Appellatronshos wenden, indem er dem Präsidenten eine Bittschrift überreicht: auf dieser Bittschrift ist ein Tag zu bestimmen, an dem nach Atttragstellung Seitens bir Staatsanwaltschaft in öffentlicher Sitzung entkI)[eben wird -■* Sechster Titel. Einige Bestimmungen betreffend die Kinweifung in den Besitz der Güter eines Abmesenden.30

859 Um IN dem durch Artikel 11'2 des Civilgesetzbuchs vorgesehenen Falle die Entscheidung herbeizufnhren, wird dem Präsidenten des Ge lichtes euie Bittschrift überreicht Auf diese Bitt­ schrift, welcher die Beweisstücke und Urkunden deizusügen sind, beauftragt der Präsident einen Richter, an einem bestimmten Tage Bericht erstatten; die Fällung des Urtheils 31 erfolgt nach Anhörung des Kaiserlichen Prokurators 860 In gleicher Weise wird verfahren, wenn es sich um die vorläufige Einweisung in den Besitz handelt, wie solche der Artikel 120 des Civilgesetzbiichs gestattet

9

nachdem sie eine Aufforderung an ihren Mann erlassen hat, auf die Weigerung desselben, dem Präsidenten ante Bittschrift; dieser erläßt eine Verfügung, welche die Erlaubniß enthält, den Mann auf einen bestimmten Tag in die Raths­ kammer zu laden, damit er die Gründe seiner Weigerung auseinander setze 862 Rach Anhörung des Mannes, oder, wenn derselbe nicht erscheint, wird nach Vernehmung des Antrages der Shaatsauwaltschaft cm Urtheil erlaisi n welches über die Klage der Fran ent­ scheidet 8b,-> Fm Falle der vermutheten oder erklärten Abwennhett des Mannes überreicht die Frau, welche sich zur Befolgung ihrer Rechts ermäch­ tigen lassen will, ebenfalls eine Bittschrift an den Präsidenten des Gerichtes, welcher die Mtttheilmig an die StaatsamvMschaft verordnet, und einen Richter beauftragt, an einem bestimmten Tage ieinen Bericht zu erstatten Kb4 Die Fran euns Entmündigten muß sich in der in dem vorhergehenden Artikel vorgeschrnbenen Form ermächtigen lassen. Der Bittschrift ist das Entmundigmigsurtheil beizufügen. Achter Titel Gütertrennungen. 33

874 Die VerzichtleistiiNg auf die Gütergemein­ schaft Seitens der Fran geschieht auf der Ge­ richtsschreiberei des mit der Trennungsklüge be­ faßten Gerichts Zehnter Titel. AamittenmthsgntachtM.

Siebenter Titel. Ermächtigung verheiraLyeter Kranen. 32

861 Eine Frau, welche sich zur Verfolgung ihrer Rechte ermächtigen lassen will, überreicht, 28. Ueber die Ausführung der Berichtigung bestimmt letzt § 65 Pers. G v. 6. Febr. 1875. Wegen der crvilrechtlichen Haftbarkeit des Standesbeamten vgl Artt 51, 52 C G.-B.

29 Da der Art. nicht ein Rechtsmittel gegen ein im Crvilprozeffe ergangenes Urtheil behandelt, sondern ausdrücklich ein im nichtstreitigen Verfahren ergangenes Urtheil, d h nach dem Sprachgebrauche der C -P O einen „Beschluß" voraussetzt, so ist er mit der Maßgabe rn Kraft geblieben, daß für das Verfahren, abgesehen von der Fristbestimmung, letzt die Regeln der C. -P -O. über die Beschwerde emtreten Vgl die Bem. zu Buch III des ersten Theils (Art. 443 ff >. 30. Die Vorschriften dieses Titels betreffen dre freiwillige Gerichtsbarkeit. Wegen der Verschollenheitserklärung von Theilnehmern an den Kriegen von 1870, 1871 vgl. G v 21 Okt. 1873, welches, so wenig wie die Artt 859, 860, von dem Aufgebotsverfahren der C P.O berührt wird, da ein Ausschlußuttheil nicht ergeht.

31. Des „Beschlusses" nach der Ausdrucksweise der C P.-O und des A.-G

32. Auch die Bestimmungen dieses Titels betreffen, soweit sie nicht materiellrechtlichen Inhalts sind (vgl Art 219 C -G.-B ), die freiwillige Gerichtsbarkeit und sind in Kraft

882 Ist die Ernennung eines Vormundes nicht in dessen Gegenwart geschehen, so wird ihm dieselbe auf Betreiben eines von der Versamm­ lung bezeichneten Mitgliedes bekannt gemacht; diese Bekanntmachung geschieht binnen drei Tagen nach dem Beschlusse, mit dem Zusatze von einem Tage für ;c drei Myriameter Entfernung zwischen dem Orte, wo die Versammlung gehalten worden ist, und dem Wohnorte des Vormundes 34 883 So oft ein Beschluß des Familienrathes nicht einstimmig gefaßt wird, muß der Meinung geblieben, wenn auch ihre Anwendung infolge der Vorschrift des § 51 Abi 2 C -P.-O. eine seltenere sein wird Auch das (Rathskammer! Verfahren des Art. 862 (u. 219 C.-G. B.) ist nicht eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 3 E -G zur C.P sondern ein Anrufen der obervormund­ schaftlichen Thätigkeit des Gerichts Es ist deshalb auch an der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts nichts geändert. An Stelle des Urtheils in Art. 862 tritt nach dem Sprach­ gebrauchs der C.-P. O und des A.-G dazu (§ 16) ein Beschluß

33. Die Artt 865-873 sind durch 8 9 A -G zur C.-P.-O., K.-O u. St.-P.-O. ausdrücklich aufgehoben, das jetzige Verfahren bestimmen die §§ 3-8 dieses Gesetzes in Verbin­ dung mit Artt 1443 ff C.-G. B.

34. Ergänzt den Art. 439 C -G.-B., die Fristbestimmung ist durch G v 3 Mai 1862 geändert, vgl. Art 1033.

10

D. Franz. Civilprozeßordnung. Thl. II. B. II. -T. 1.

jedes einzelnen Mitgliedes der Versammlung in dem Protokolle Erwähnung geschehen. Der Vormund, der Gegenvormund oder der Kurator, selbst die Mitglieder der Versammlung, können den Beschluß anfechten; sie richten ihre Klage gegen die Mitglieder, deren Stimmen den Beschluß zu Stande gebracht haben, ohne das; Saduug zum Lühneversuch erforderlich ist.

884. Tie Sache wird summarisch verhandelt. 33 885. In allen Fällen, in denen es sich um einen Beschluß handelt, welcher der Bestätigung unterworfen ist, wird eine Ausfertigung desselben dem Präsidenten überreicht, welcher mittels einer unter diesen Beschluß gesetzten Verfügung die Mittheilung an die Staatsanwaltschaft verordnet und einen Richter beauftragt, an einem bestimmten Tage darüber Bericht zu erstatten. 35 36 886. Der Kaiserliche Prokurator setzt seinen Antrag unter die besagte Verfügung; die Ur­ schrift des Bestütiguugsurtheils3" wird auf das nämliche Heft unter den Antrag niedergeschrieben. 887. Wenn der Vormund oder ein Anderer, welcher beauftragt worden ist, die Bestätigung zu betreiben, dieses nicht in der durch den Beschlliß festgesetzten Frist, oder, wenn keine festge­ setzt worden, nicht binnen vierzehn Tagen thut, so kann eines der Mitglieder der Versammlung die Bestätigung gegen den Vormund, und auf dessen Kosten, die nicht zurückgcfordert werden können, betreiben. 888. Diejenigen Mitglieder der Versammlung, welche sich der Bestätigung widersetzen zu müssen glauben, müssen dieses durch außergerichtlichen Akt demjenigen erklären, welcher beauftragt ist, dieselbe zu betreiben; sind sie nicht vorgeladen worden, so können sie gegen das Urtheil Einspruch einlegen. 889. Die über Familienraths-Besch lüsse erlas­

senen Urtheile unterliegen der Berufung.33 38 *

35. Ist die Klage des Art. 883 als ein Civilprozeß anzu­ sehen — wofür der ausdrückliche Ausschluß des Sühneversuchs spricht — so kämen lediglich die Vorschriften der C. P.-O., auch die über den Gerichtsstand, sowie die des G. V.-G. über die sachliche Zuständigkeit zur Anwendung, so das; die Klage bald vor das Amtsgericht, bald vor das Landgericht gehören würde. Handelt es sich aber lediglich um Herbeiführung einer obervormundschaftlichen Entscheidung, so müßte man auf diesen Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Formen des neuen landgerichtlichen Prozesies anwenden auf Gruud des § 47 A.-G. (nicht des § 3 E.-G.) und die Zuständigkeit des Landgerichts bliebe für alle Fälle bestehen.

36. In seiner Anwendbarkeit beschränkt durch die Bestim­ mungen in § 5 G. über die Vormundschaftsverwaltung v. 22. Okt. 1873 u. §§ 3, 4 G. betr. außergerichtliche Thei­ lungen v. 1. Dez. 1873. 37. „Beschlusses" nach dem Sprachgebrauche der C.-P.-O. u. des A.-G. Zu einem eigentlichen Urtheile kommt es im Falle des Art. 888. 38. Auf eigentliche im Civilprozesse gefällte Urtheile finden die gewöhnlichen Vorschriften über Rechtsmittel Anwendung; bezüglich der im nichtstreitigen Verfahren ergangenen Be­ schlüsse, sofern sich auf solche der Art. 889 bezog, wie Boitard

Elfter Titel. Entmündigung."

895. Ist das Entmündigungs-Urtbeil durch Berufung nicht angegriffen oder auf erfolgte Berufung bestätigt wor

nach den in dem Ttitel „Von den Familienrathsgutachken" Dorgr schriebenen Regeln ein Vormund und ein Gegen Vormund zu bestellen. 40 Der einstweilige Verwalter .... stellt seine Thätigkeit ein und legt, wenn er nicht selbst Der Vormund ist, letzterem Rechnung ab. 41 den, so ist dem Eutmündigten

Zweites Buch. Jerfaßren öei Eröffnung einer ßröschaft. (Dekret vom 28. April, au»gefertigt den 8. Mai 18()6?i

Erster Titel.

Anlegung der Sieget nach einem Steröefalke. 907. Findet nach einem Sterbesalle die Aule gung der Siegel statt, so geschieht sie durch Die Friedensrichter uud in Ermangelung derselben durch deren Ergänzungsrichter. 908. Die Friedensrichter und deren Ergänzung!? richter haben sich eines besondern Siegels zu be dienen, welches in ihren Händen bleibt, und wo von ein Abdruck auf der Gerichtsschreiberei bcv Gerichtes erster Instanz hinterlegt wird. 909. Die Anlegung der Siegel kann uachgr sucht werden: 1) von allen denen, welche auf die Erbschaft oder auf die Gütergeineinschaft ein Recht zu haben behaupten; 2) von allen Gläubigern, die mit einem voll­ streckbaren Titel versehen oder durch eine Er laubniß des Präsidenten des Gerichtes erster Instanz oder des Friedensrichters des Kantons, in welchem die Siegel angelegt werden sollen, er­ mächtigt worden sind;4'-

Bd. I Nr. 1119 a. E. u. Schliuk Bd. III S. 173 (ber den Art. aus 858 ergänzen will- aunehmen, s. oben die Bein, zu Buch III des ersten Theils (Artt. 443 ff.). 39. Tie Vorschriften dieses Titels, welche das Verfahren betreffen, sind durch die C.-P.-O. (§§ 593 ff.) und, soweit sie sich auf die Bestellung eines Beistandes beziehen, durch § io E.-G. z. C.-P.-O. beseitigt. Wegen des Art. 897 sowie de» Art. 501 C.-G.-B. vgl. Bem. zu letzterem, sowie zu §§ 603 615, 627 C.-P.-O. 40. Tie C.-P.-O. bestimmt in § 603 nur über den Zeit punkt, mit welchem die Entmündigung eintritt, nicht über die Art, wie die Vormundschaft einznleiten, was dem Lau desrecht überlassen bleibt. Vgl. auch § 14 A.-G.

41. Ueber die einstweilige Fürsorge bestimmt jetzt nickn mehr Art. 497 C.-G.-B., sondern § 600 C.-P.-O. u. § U A.-G. dazu. 42. Auch diese, den Art. 820 C.-G.-B. wiederholende Vor schrift gehört wie Nr. 1 u. 3 der freiwilligen Gerichtsbarkeil an und wird von den §§ 814 ff. C.-P.-O. nicht berührt. Anderseits dürfte nicht zweifelhaft sein, daß eine Siegelung unter Umständen auch im Wege des letzteren Verfahren» herbeigeführt werden kann. Vgl. Bem. zu § 16 Nr. 4 E.^G z- C.-P.-O.

D. Frtlinz. EAilprüzeßvirdnung. Thl. II. ,B. II. T. 1. 3) im Falle der Abwesenheit des Ehegatten, oder der Erben eines derselben, von den Per­ sonen^ die mit dem Verstorbenen zusMmen Hptznten sowie p.on dessen Dienern und Hausge­ sinde. $10. Diejenigen, welche ein Recht u; Anspruch n^hHlen, und die G^ubigex können, wenn sie minderjährig und emanzipirt find, die Anlegung hex Siegel ohne Beistand eines Kurators nach­ suchen. Sind dieselben minderjährig und nicht emanzipirt, und haben sie kernen Vormund, oder ist derselbe abwesend, so kann die Siegelung von einem ihrer Verwandten nachgesucht werden. 911. Die Siegel werden entweder auf Betrei­ ben der Staatsanwaltschaft oder auf die Erklä­ rung des Bürgermeisters oder des Beigeordneten der Gemeinde, oder selbst von Amtswegen von dem Friedensrichter angelegt: 1) wenn der Minderjährige ohne Vormund ist und kein Verwandter die Anlegung der Siegel nach sucht; 2) wenn der Ehegatte, oder wenn die Erben, oder einer derselben, abwesend ftnb ;43 3) wenn der Verstorbene öffentlicher Verwahrer war, in welchem Falle die Siegel nur wegen dieses Depositums und auf die dazu gehörigen Gegenstände angelegt werden 912 Die Siegel können nur von dem Frie­ densrichter des Ortes oder von dessen Ergän­ zungsrichtern angelegt werden 913 Sind die Siegel nicht vor der Beerdigung angelegt worden, so beurkundet der Richter in seinem Protokolle den Zeitpunkt, wo er ersucht worden ist, sie anzulegen, und die Ursachen, welche dieses Ersuchen oder die Anlegung verzögert haben 914 Das Siegelungsprotokoll muß enthalten: 1) das Datum nach Jahr, Monat, Tag und Stunde; 2) die Gründe zur Versiegelung; 3) die Namen, das Gewerbe und den Wohnort des Nachsuchenden, wenn ein solcher vorhanden ist, und die von demselben geschehene Erwählung eines Wohnsitzes in der Gemeinde, wo die Siegel angelegt werden, falls er nicht in derselben wohnt; 4) ist keine nachsuchende Partei vorhanden, so muß das Protokoll angeben, daß die Siegel von Amtswegen oder auf den Antrag oder die Er­ klärung eines der in dem Artikel 911 genannten Beamten angelegt worden sind; 5) die Verfügung, welche die Versiegelung er­ laubt, wenn eine solche erlassen worden ist; 6) das Erscheinen der Parteien und deren Er­ klärungen ; 7) die Bezeichnung der Oertlichkeiten, der Schreibpulte, Kisten und Schränke, auf deren Oeffnungen die Siegel angelegt worden sind;

43. Nr. 1 u. 2 modifizirt durch §§ 1 u. 2 G. betr Bormundschaftsverwaltung v 22. Lkt. 1873.

die

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8) eine kurze Beschreibung der Stücke, die nicht unter Siegel gelegt worden Md; 9) den Eid, welcher Beim Schlüsse der Versie­ gelung von den Bewohnern der betreffenden Räume zu leisten ist, daß sie nichts bei Seite gebracht, auch nicht gesehen haben, noch wissen, daß unmittelbar oder mittelbar etwas bei Seite gebracht worden sei; 10) die Bestellung des vorgeschlagenen Hüters, wenn derselbe die erforderlichen Eigenschaften be­

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sitzt, vorbehaltlich der Befugnrß des Friedens­ richters, einen Hüter von Amtswegen zu bestellen, wenn der vorgeschlagene die erforderlichen Eigen­ schaften nicht besitzt, oder wenn keiner vorge­ schlagen ist. 915. Die Schlüssel zu den Schlössern, auf welche die Siegel angelegt worden, bleiben bis zur Entsiegelung in den Händen des Gerichtsschreibers des Friedensgerichtes, welcher die an ihn geschehene Uebergabe derselben in dem Pro­ tokolle vermerken muß; bis zür Siegelabnahme darf bei Strafe zeitweiliger Amtsenthebung weder der Richter noch der Gerichtsschreiber das Haus, in welchem die Siegel angelegt sind, betreten, es sei denn daß sie darum ersucht worden sind oder daß es in Folge einer mit Gründen versehenen Verfügung geschieht 916 Findet man bei Anlegung der Siegel em Testament oder andere versiegelte Papiere, so beurkundet der Friedensrichter ihre äußere Form, das Siegel und die etwaige Aufschrift, versieht,

ebenso wie die anwesenden Parteien, wenn sie es können, den Umschlag mit seinem Namenszug, und bestimmt Tag und Stunde zur Ueberreichung des Packeis an den Präsidenten des Gerichtes erster Instanz; alles dies wird in dem Proto­ kolle vermerkt und letzteres von den Parteien unterzeichnet Verweigern diese die Unterschrift, so ist der Weigerungsgrund zu vermerken. 917 Auf Ansuchen jedes Betheiligten muß der Friedensrichter, vor Anlegung der Siegel, nach einem Testamente, dessen Vorhandensein angezeigt wird, suchen; findet er es, so verfährt er in der oben vorgeschriebenen Art. 918. An dem bestimmten Tage und zu der bestimmten Stunde, und ohne daß es irgend einer Vorladung bedarf, werden die vorhandenen versiegelten Packete von dem Friedensrichter dem Präsidenten des Gerichts erster Instanz über­ reicht, welcher dieselben eröffnet, ihren Zustand beurkundet und die Hinterlegung derselben ver­ ordnet, wenn der Inhalt die Erbschaft betrifft. 919. Scheinen die versiegelten Packete nach ihrer Aufschrift oder nach irgend einem sonstigen schrift­ lichen Beweise Dritten zu gehören, so verordnet der Präsident des Gerichtes, daß diese Dritten in einer von ihm zu bestimmenden Frist geladen werden sollen, um der Eröffnung beiwohnen zu können; an dem bestimmten Tage nimmt er in Gegenwart der Geladenen, und auch im Falle

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D. Franz. Civilprozeßordnung. Thl. II. B. IIT T. 2. 3.

ihres Ausbleibens, die Eröffnung vor und hcmDigt, wenn b;ie Paftete auf Die Erbschaft keinen Bezug haben, sie entweder, ohne den Inhalt be­ kannt werden za lassen, jenen sofort aus, oder versiegelt sie von Neuem behufs späterer Aus< Handlung aus erstes Ansuchen, 920 Wird ein Testament offen vorgefunden, so beurkundet der Friedensrichter den Zustand desselben, und beobachtet die Vorschrift des Ar­

tikels 016 921 Sind die Thüren verschlossen, stellen sich der Anlegung, der Siegel Hindernisse entgegen, ergeben sich vor oder während der Versiegelung Anstände (cbffkultes i, so entscheidet darüber der Präsident des Gerichtes mi Refereverfahren. 3u diesein Eiide hält der Friedensrichter mrt Dem weiteren Verjähren ein; er stellt vor das Haus, oder geeigneten Falls selbst in das Innere des Hauses eine Wache, und erstattet unverzüglich dem PrauMubu des Gerichtes darüber Bericht Doch kann auch der Friedensrichter, wenn Ge­ fahr im Verzüge ist, vorbehaliUch des demnächst an den Pragdenten des Gerichts zu erstattendeii Berichtes, vorläufige Entscheidung treffen.44 922 In allen Fasten, in denen der Friedens­ richter an den Präsidenten des Gerichtes zu be­ richten hat, es sei bei Versiegelungen oder in anderen Sachen, maß dasjenige, was geschieht und verordnet wird, in dein von dem Friedens­ richter aufgeaomme-nen Protokolle beurkundet wer­ den , auf diesem Protokolle unterzeichnet der Prä­ sident seine Verfügungen. 923 Sobald das Inventar vollendet ist, dürfen Siegel nicht mehr angelegt werden, es sei denn, daß das Inventar Mgesochten und die Versiege­ lung von dem Präsidenten des Gerichtes verord­ net wird Wird die Anlegung der Siegel während der Jnventarisirung verlangt, so werden nur die nicht inventarisirten Gegenstände unter Siegel gelegt. ' 924. Sind gar keine beweglichen Gegenstände vorhanden, so nimmt der Friedensrichter ein Protokoll darüber auf, daß sich nichts vorgefunden habe Sind Gegenstände vorhanden, welche zum Ge­ brauche der im Hause wohnenden Personen noth­ wendig sind oder nicht unter Siegel gelegt wer­ den können, so nimmt der Friedensrichter ein Protokoll auf, welches eine kurze Beschreibung dieser Gegenstände enthält. 925. In denjenigen Gemeinden, die eine Be­ völkerung von zwanzigtausend Seelen und darüber

44. An Stelle des Referev erfahrens tritt das Verfahren der §§ 814 ff. C.-P.-O. nach § 47 A.-G. Handelt es sich um Gegenstände, von Denen die §§ 814, 819 C.-P.-O. sprechen einstw. Verfügungen über einen Streitgegenstand oder bezüglich eines streitigen Rechtverhältnisses), so ist auch hinsichtlich der Zuständigkeit allein die C.-P.-O. maßgebend. Vgl. Bem. zu § 16 Nr. 4 E.-G z. C.-P.-O.

haben, wird auf der GerichtSschrerberei des Ge richtes erster Instanz über hie Siegelungen ein Ordnungsregister gehalten, in welches, gemäß der von den Friedensrichtern des Bezirks binnen vieruudzwauzig Stunden nach Anlegung der Siegel zu erstattenden Anzeige, eingetragen werden: 1) Die Namm und der Wohnort der Personen, deren Sachen versiegelt worden sind; 2) der Namen und der Wohnort des Richters, der Die Siegel angelegt hat; 3-) der Tag, an welchem Die Versiegelung geschehen ist

Zweiter Titel Einsprüche 6ei der Siegekung.

926 Die Erhebung von Eiwprüchen bei der Siegelung kann durch Erklärung zum Siegelungsprotokvlle, oder durch eine dem Gerichts­ schreiber des Friedensgerichtes zugestellte Ge­ richtsvollziehersurkunde geschehen 45 927 Alle derartige Einsprüche müssen außer den allen Gerichtsvollziehersurkuuden gemeinsamen Förmlichkeiten bei Strafe der Nichtigkeit enb halten. 1) die Wahl eines Wohnsitzes in der Gemeinde, oder in dem Bezirke des Friedensgerichtes, wo Die Siegel angelegt werden, wenn der Antrag­ steller nicht daselbst wohnt; 2) die genaue Angabe des Grundes des Ein­ spruchs

Dritter Titel.

Kiegetaönghme. 928 Die Abnahme der Siegel und die Jnven­ tarisirung darf erst drei Tage nach der Beerdi­ gung geschehen, wenn Die Siegel vorher angelegt sind, und erst drei Tage nach Anlegung der Siegel, wenn diese nach der Beerdigung geschehen ist, widrigenfalls die Entsiegelungs- und Jnventarisirungsprotokolle nichtig und diejenigen, welche diese Handlungen vorgenommen oder nachgesucht haben, zu Schadenersatz verbunden sind; es sei denn daß der Präsident des Gerichtes erster In­ stanz aus dringenden Gründen, deren in seiner Verfügung Erwähnung geschehen muß, ein An­ deres verordnet hat. In diesem Falle muß, wenn die Parteien, welche das Recht haben, der Entsiegelung beizuwohnen, nicht gegenwärtig sind, für dieselben bei der Entsiegelung sowohl als bei der Jnventarisirung ein Notar zugezogen werden, welchen der Präsident von Amtswegen ernennt. 929. Sind die Erben oder einige derselben minderjährig und nicht emanzipirt, so wird nicht eher zur Entsiegelung geschritten, als bis sie vor­ her mit Vormündern versehen oder emanzipirt worden sind 45. Ueber den Begriff der Opposition aux scelles (nach Boitard gleich „Widerspruch gegen die Entsiegelung", nach Anderen Geltendmachung von Ansprüchen auf versiegelte oder zu versiegelnde Gegenstände) herrscht Streit. S Art. 821 C.-G -B. u. unten Artt. 931 Nr. 3, 932, 933, 934

v. Franz. Ervilstrozchorduung Thl II B II T 4

Ä30 Alle btcicnigcit> welche das Recht haben, dw. Sieget anlegen Kl lassen, können die EntsteigelNng nachsuchen: hiervon sind jedoch diejenigen .ausyerronlmen, weiche die Siegelung nur m Voll­ ziehung des obigen Artikels 909 Nr 3 erwirkt ;habrn 931. Die Förmlichkeiten zur Erwirkung der ^Stegelabnahme sind: ■ 1) cm dahin gehendes Gesuch, welches in das Protokoll des Friedensrichters ausgenommen wird ; 2) eine Vertilgung des Richters, welche Tag und Stilnde der Siegelabnahme bestimmt, 3) eine an den überlebenden Ehegatten, die vermuthlichen Erben, den Testaments-Vollstrecker, hie Erbnehmer und Erbtheilsnehmer falls sie bekannt lind, und an die Opponenten gerichtete Aufforderung der Entsiegelung beizuwohnen Betheiligte, welche in einer Entfernung von mehr als fünf Myriameter wohnen, brauchen Nicht geladen zu werden, dagegen ist für sie zur Siegelabnahme und Inventarlsirung cm vom Präsidenten des Gerichts erster Instanz von Amtswegen ernannter Notar zu laben Tie Cppmiaitcn werden ui den von ihnen

erwählten Wohnsitzen geladen 932 Der Ehegatte, der Testaments Vollstrecker, die Erben, die Erbnehmer iinb die Erbtheilsliehiiier sonnen allen Sitzungen der Siegelabiiahme und Jiiveiilaristrung persönlich oder dnrch einen Bev o llui a cht igt eii l;ei w o hil en Die Opponenten sönnen nur der ersten SitzNiig persönlich oder durch einen Bevollmächtigten bei wohnen, sie und gehalten, sich bei den folgenden Sitzungen alle durch einen einzigen Bevollmäcbtigten vertreten zu lassen, über welchen sie sich zu einigen haben; entgegengesetzten Falles er­ nennt ihn oer Richter von Ailitswegeu Finden sich unter diesen Bevollmächtigten Au walte des Gerichtes erster Instanz des Bezirkes, so müssen sich diese durch Vorlegung des Titels ihrer Partei über die ihnen ertheilte Vollmacht ausweisen; und der nach der Rangliste älteste Anwalt der mit einem authentischen Titel ver­ sehenen Gläubiger tritt für alle Opponenten von Rechtswegen auf; ist feiner der Gläubiger mit einem authentischen Titel versehen, so tritt der älteste Anwalt der mit einem Pnvattitel ver­ sehenen Opponenten auf Wer der älteste fei, wird in der ersten Sitzung endgültig festgesetzt 933. Hat einer der Opponenten em von dem der übrigen verschiedeiies oder ein dem der übrigen entgegengesetztes Interesse, so darf er persönlich oder durch einen Bevollmächtigten aus seine Kosten zugegen sein

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935 Der Ehegatte, welcher in Gütergemeinschaft lebte, die Erben, der Testaments-Vollstrecker und die Erbnehmer sowie die Erbtheilsnehmer können

sich über die Wahl eines oder zweier Notare und eines oder zweier VersteicjerUiigsbeamten (coitiini>^air< vjii’m ur^ oder Sathverstälidigen einigen; kommt eine Einigung nicht zu Stande, so wird das Geschäft, je nach Beschaffenheit der Gegen­ stände, non entern oder zwei Notaren, Versteigerungsbeamteu oder Sachverstündlgeil, welche der Präsident des Gerichts erster Instanz von Amts­ wegen ernennt, ausgeführk Die Sachverständigen werden von dem Friedensrichter vereidigt 93(i Das Protokoll über die Siegelabnahme muß enthalten. 1) das Datum, 2) Nanien, Ge­ werbe, Wohnort und Wohnsitzwahl dessen, der das Gemch gestellt hat, 3) die Anführung der bezüglich der Siegelabnahme ergangenen Versuguilg, 4) die Anführung der oben in Artikel 931 vorgeschriebeuen Aufforderung, 5) das Er Wincit lind die Erklärungen der Parteien, ^^Men der streitenden Gläubiger gerii Vertheidigungsmittel, welche ihm unbekamiMKxe^bcl'ts^KM^echM^Ej öerr au^ ieinen Antrag aus dem R von der Hauptpartei absichtlich oder biirdjr$r$teSer ......... mnMb^Zerurtheilung in die durch sei Verschulden nicht geltend gemacht sind. Verhältniß Äi»WWefiff ÄtrMnl . ..... ^runderen Widerspruch veranlaßten 66. Insofern nach den Vorschriften deAbÜMr-b" *' MOWke^M ff t.MWhi.tt ^LlMssÄ und der Rechtsstreit über die egeri lichen Rechts die Rechtskraft der in denpeHMKt^ ^®Wftefi°b§r'f?rÄEnÄ!i^Ä?aümger ier gernchtllch MN- . cy . ., . 'mHn'an der Forderung zwilchen den Prozesse erlassenen Entscheidung aus dasöMHlWlei.* terlegt,« auf seinen Antrag aus bem gtcroffifSe fern allein fortzusetzen Dem £ »Mitt dzK.MhUMzveMe.An 86^^ Wditoge Verhältniß des Nebenintervenienten zu67dM§r I ^hinterlegte Betrag zuzuspreche' Gegner von Wirksamkeit ist, gilt der NehKlÄtÄust, 1llMMM >MMMKchDMUcktzkKl Men7u ‘ M^ende auch zur Erstattung de^ venient im Sinne des § 58 als Streitged-Wl8ßk ' entlassen und der Rechtsstreit über^di: Sperr^*' MM entstandenen, nicht durch dessen _ 1) die . ., »MichniM ^udniumJtoWÄj.il^en8^n ftÄ b§5ibe Hauptpartei. ?E^^E8iderspruch veranlaßten Kosten, 67. Der Beitritt bes Nebenintervenienterr-BWffk^ Gläubiaern allein^ortzuieüen. Mm £)bCeaenben6.. ten der Hinterlegung, zu ve burch Zustellung eines Schriftsatzes. Derselk^iäüH dest^ffn^hr^Wilisr^e^ÄWE^u^echen unk Eat. enthalten : der ÄrebemntWM^N' auch zur Erstattung der dem Be __ 1als Besitzer einer Sache v enthalten Je'im Namen eines Dritten zu 1 ^6HKh SSftfrafiSfto, nicht durch 1) die Bezeichnung der Parteien unt?) ^rkÄLUNa, x besten 1 kann, wenn er diesem vor der — ----Außerdem Außerde 'MiV'MHkMMKWM'Mfün, cv„, ! vv^vii »w ivvv Rechtsstreits Hauptsache den Streit verl 2) die bestimmte Angabe des Interesses,u )rSKyi'M KS$)b^ D |j W>sWWUntMM8!K v.rnA " ipn Wer Benennung an den Kläge 68. Ueber deygAMM der Nebenintervenient hat, NebeninterIeMi^wA bbis zu dieser Erklärun; lioallgemeinen Bestintt^k1icM^o>Hfifißet,"?i^, b Mn^A!^WsW^v^^ers SKer 3) die Erklärung des Beitritts. dhlusse des Termins, in welche Außerdem finden die c MWnte zu erklären hat, die Berhar ; Schriftsätze An^GWteree^Men^'tMfshchxexbAreKMetz^,^^ über die vorbereitenden , , , e . „ ,auDache ig auf ZurückweisuWW/er7^ WB^WKr ®fi?fltu l ifnj ei i?n E^Ämger z^^Er//, verweigern. *. „ 68. Ueber den Antrag auf Zurückweisi?MW^er , . Jen$'..„ nach vorgängige?MUS^ voraänaiaeiMÜÜö^ ini mcTOrung labet, bis zu dieser Erklärunz gbex Dtitte . er ....... .......c '2 .^al1 Nebenintervention wird) nach ?n oder erklärt er sich nicht, licher Verhandlung unter den Parteien ............ _..... un^MK- d^mZWKMrtW e berechtigt, dem Klageantrage z Nebenintervenienten entschieden. Der 9Ze^ftttl?£Jbc fÜBttiannte zu erklären hat, die Berhanbm. r die Behauptung des Beklagter venient ist zuzulassen, wenn er sein Jn^?es^-^ Jfi^es^.e HtzMscWe HfiMsciche MWHW?" der ber Interglaubhaft macht. »«ntion rechtskM-eiWsgxjprHhn^ Mb KHa. ptA?§K°" °« * anerfa"n?' Gegen das Zwischenurtheil findet WAMie tt MlDMtPrKhWlMMg^ W mit Zustimmung des Bek Beschwerde statt. «9 Lim MMe NAMM tzklfi HMÄrG zu WSen^ den Prozeß zu nberneh

S

So lange nicht die Unzulässigkeit be^W«1 W9ft)We. ^MW^SBteu Ä“? 'T. ' rals__derselbe vention rechtskräftig ausgesprochen ist, aufe^#i$RÄrfc*8®19ri^^ i|Trj®|tr ■. . Ansprüche gelte Intervenient im Hauptverfahren zugezogÄi."8 Segen bMMig^^'W? ZÄMlfiuW lf0ne®e((ag?en™onunabhängig .' “ x, davon ... , sind,• daß de 69. Eine Partei, welche für den FallSMtz^di r M-tzW-^-U^el mMA^" inten ""es eines Drttten Dritten b-fitzt. besitzt, .per Benann Benannte- den Prozeß u übern ungünstigen Ausganges des RechtsstreittzMueKis WstEMtiM MMfiNA^sAs^^ Anspruch auf Gewährleistung oder SchMM-":§ bMauf seinen Antragl von

tung gegen einen Dritten erheben zu^^W^' . welche unabhängig davon sind, .daß dec BeklWe glaubt, Makü^nbM^s 6. " '____ geschieht » 7,’ 7 nach", ~ 6. Die Die C" Hinterlegung Maßgabe glaubt, oder oder den den Anspruch Anspruch eines eines Dritten Dritten b^Ngt,^^^n bl kann bis zur rechtkräftigen EntscheidiÄF^^^ bwech^^ der Benannte den Prozeß ü6ernoröm?tljiffc916' ö- 4- ^ov. 1372 u. Bkm. v. 2< Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden. Der Dritte ist zu einer weiteren Streitver­ kündung berechtigt.

ist der Beklagte auf seinen Antrag von der Klage 6. Die Hinterlegung geschieht nach Maßgabe der Ord. v. 3. Juli 1816, G. v. 4. Nov. 1872 u. Bkm. v. 26. Dez. 1872.

D. Civikprozeßvrdnung B I. Abschn. II. T 4.

zu entbinden Die Entscheidung ist in Ansehung der Sache selbst auch gegen den Beklagten wirk­

sam und vollstreckbar Vierter Titel

^rozeßöevolrmachtigte und geistänbe. 74 Vor den Landgerichten und vor allen Ge­ richten höherer Instanz müssen dre Parteien sich durch einen bei dem Prozeßgerichte zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (Anwaltsprozeß' Diese Vorschrift findet auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozeßhaudlungen, welche vor dem Gerichts­ schreiber vorgenommen werden können, keine An­ wendung Ein bei dem Prozeßgerichte zugelassener Rechts anwalt kann sich selbst vertreten 75 Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, können die Parteien den Rechts streit selbst oder durch jede vrozeßfahlge Perwn? als Bevolllnachtigten fuhren 7() Der Bevollmächtigte hat die Bevollmächti gnng durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und ötest' zu Den Gerichtsakten abzugeben Eine Privaturkunde inuß auf Verlangen des Gegners gerichtlich oder notariell beglaubigt werden Bei der Beglaubigung bedarf es weder der Zuziehung von Zeugen noch der Aufnahine eines Protokolls 77 Die Prozeßvollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen, einschließlich derienigen, welche durch eine Wider klage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Zwangsvollstreckung veranlaßt werden, zur Bestellung eines Vertreters sowie eines Bevoll­ mächtigten für die höheren Instanzen, zur Be feitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Steitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs ; zur Empfangnahme der von dem Gegner zu er­ stattenden Kosten 78 Die Vollmacht für den Hauptprozeß umfaßt die Vollmacht für das eine Hauptintervention, einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung betreffende Verfahren 79 Eine Beschränkung des gesetzlichen Umfangs der Vollmacht hat dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als diese Beschränkung die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend ge­ machten Anspruchs betrifft Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, kann eine Vollmacht für einzelne Prozeßhandlungen ertheilt werden 7 Die

tu Art 18 &

v

80 Mehrere Bevollmächtigte sind berechtigt, sowohl gemeinschaftlich uls einzeln die Partei zu vertreten. Eine abweichende Bestimmunb der Vollmacht hat dem Gegner gegenüber keine recht­ liche Wirkung.

81 Die von dem Bevollmächtigten voxgenommenen Prozeßhandlungen sind für die Partei m gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen thatsächlichen Erklä­

rungen, insoweit nicht dieselben von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden 82 Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers, noch durch eine Veränderung in Betreff seiner Prozeßfähigkeit oder seiner gesetz­ lichen Vertretung aufgehoben; der Bevollmächtigte hat ledoch, wenn er nach Aussetzung des Rechts­ streits für den Nachfolger im Rechtsstreit austritt, eine Vollmacht desselben beizubringen 83 Dem Gegner gegenüber erlangt die Kündi­ gung des Vollmachtvertrags erst durch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht, in Anwaltsprozessen erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit

Der Bevollmächtigte wird durch die von seiner Seite erfolgte Kündigung nicht gehindert, für den Vollmachtgeber so lange zu handeln, bis dieser für Wahrnehmung seiner Rechte in anderer Weise

gesorgt hat 84 Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner ui ieder Lage des Rechtsstreits gerügt

werden

Tas Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amtswegen zu berücksichtigen, insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist 85 Handelt Jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als Bevoll­ mächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung 8 für Kosten und Schäden zur Prozeßführung einst­ weilen zugelassen werden. Das Endurtheil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Bei­ bringung der Genehmigung zu bestimmende Frist abgelausen ist

Die Partei muß die Prozeßführung gegen sich gelten lassen, wenn sie auch nur mündlich Vollmacht ertheilt oder wenn sie die Prozeßsührung aus­ drücklich oder stillschweigend genehmigt hat 86 Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, kann eine Partei mit jeder prozeßfähigen Person als Beistand erscheinen. Das von dem Beistände Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, insoweit es nicht von dieser sofort widerrufen oder berichtigt wird

25 Mal 1838 gegebene Dienst

Vorschrift für Gerichtsvollzieher ist hierdurch nicht beseitigt

25

8 Vgl

8 101 ii

Bein, dazu

26

D. Civilprozeßordnung. B. I. Abschn. II. T. 5. Streitgegenstandes ausschließlich zuständig sind, hat auch im Falle des Obsiegend die Reichs- oder die Staatskasse zu tragen, wenn der Werth des Streitgegenstandes die Summe von dreihundert Mark nicht übersteigt und der Vertreter des Reichs oder des Staats die Revision eingelegt hat.

Fünfter Titel. Z*rozeMoste«. 87. Die unterliegende Partei hat bic .kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dein (Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit dieselben nach freiem Ermessen des Gerichts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechts­

vertheidigung nothwendig waren. Die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines auswärtigen Rechts­ anwalts jedoch nur insoweit, als die Zuziehung nach dem Ermessen des Gerichts zur zweckent­ sprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverthei­ digung nothwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte finb nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht über­ steigen, oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten muffte. 88. Wenn jede Partei theils obsiegt, theils unterliegt, so sind die Kosten gegen einander auf­ zuheben oder verhältnißmäßig zu theilen. Das Gericht kann der einen Partei die gesammten Prozestkosten auferlegen, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei eine Verhältnißmüßig geringfügige war und keine besonderen Kosten veranlaßt hat, oder wenn der Betrag der

Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, voit der AuSmittelung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war. 89. Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Beranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozeßkosten zur Last, wenn der Beklagte den Ansprttch sofort anerkennt. 90. Die Partei, welche einen Termin oder eine Frist versäumt, oder die Verlegung eines Termins, die Vertagung einer Verhandlung, die Anberaumung eines Termins zur Fortsetzung der Verhandlung oder die Verlängerung einer Frist durch ihr Ver­ schulden veranlaßt, hat die dadurch verursachten Kosten zu tragen. 91. Die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- oder Vertheidigungsmittels können der Partei auferlegt werden, welche dasselbe geltend gemacht hat, auch wenn sie in der Hauptsache obsiegt. 92. Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, welche dasselbe eingelegt hat. Die Kosten der Berustmgsinstanz können der obsiegenden Partei ganz oder theilweise auferlegt werden, wenn sie auf Grund eines neuen Vor­ bringens obsiegt, welches sie nach freiem Ermessen des Gerichts in erster Instanz geltend zu machen im Stande war. Die Kosten der Revisionsinstanz in Rechts­ streitigkeiten über Ansprüche, für welche die Land­ gerichte ohne Rücksicht auf den Werth des

93. Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs sind als gegen einander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein Anderes vereinbart haben. Dasselbe gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über dieselben bereits rechtskräftig erkannt ist.

94. Die Ansechtnng der Entjcheidnng über den Kostenpnukt ist nnznlässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. 95. Besteht der unterliegende Theil aus mehreren Personen, so hasten dieselben für die Kosten-

erstattnng nach Kopftheilen. Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Betheilignng am Rechtsstreite kann nach dem Ermessen des Gerichts die Betheiligung zum Maßstabe ge­

| I |

nommen werden. Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs­ oder Vertheidigungsmittel geltend gemacht, so sind die übrigen Streitgenossen für die durch dasselbe

veranlaßten Kosten nicht verhaftet. Durch die Bestimmungen dieses Paragraphen wird eine nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts begründete Verpflichtung wegen der Kosten solidarisch zu haften, nicht berührt.

96. Die Bestimmungen der §§ 87 bis 93 finden auch ans die durch eine Nebenintervention verur­

sachten Kosten Anwendung. Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 66), so sind die Vorschriften des § 95 maßgebend. 97. Gerichtsschreiber, gesetzliche Vertreter, Rechts anwälte und andere Bevollmächtigte, sowie Gerichts­ vollzieher können durch das Prozeßgericht auch von Amtswegen zur Tragung derjenigen Kosten vernrtheilt werden, welche sie durch grobes Ver­

schulden veranlaßt haben. Die Entscheidung kann ohne mündliche Ver­ handlung erfolgen. Vor der Entscheidung ist der

Betheiligte zu hören. Gegen die Entscheidung

findet

sofortige

Be

schwerde statt. 98.

Der Anspruch auf Erstattung der Prozeß -

kosten kann nur auf Grund eines zur Zwangs­ vollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht

werden. Das Gesuch um Festsetzung des zu erstattenden Betrages ist bei dem Gerichte erster Instanz anzubringen; es kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. Die Kostenberechnung, die zur Mittheilung an den Gegner bestimmte Abschrift derselben und die zur Rechtfertigung der einzelnen Ansätze dienenden Belege sind beizufügen.

D. Eivilprozoßorbnung, B. L Abjchn. LI. L. 6.t 7

Y9 Die Entscheidung, über das Festsetzungs­ gesuch kann ohne vorgängige mündliche Verhand­

lung erfolgen. Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, daß derselbe glaubhaft gemacht ist. Gegen den Festsetzungsbeschluß findet sofortige

Beschwerde statt. 100 3uib die Prozeßkosten ganz oder theilweise nach Quoten vertheilt, so hat die Partei den Gegner vor Anbringung des Festsetzungsge­ suchs aufzufordern, die Berechnung seiner Kosten binnen einer einwöchigen Frist bei dem Gerichte emzureichen Nach fruchtlosem Ablaufen der Frist erfolgt die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Kosten des Gegners, unbeschadet des Rechts des letzteren, den Anspruch auf Erstattung nachträglich geltend zu machen Ter Gegner hastet für die Mehrkosten, welche durch das nachträgliche Ber

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fahren entstehen

Sechster Titel Sicherheitsleistung.

101

Tie Bestellung einer prozessualischen Si

cherheit ist, sofern nicht die Parteien ein Anderes vereinbart haben oder dieses Gesetz eine nach freiem Ermessen des Gerichts zu bestimmende Sicherheit zuläßt, durch Hinterlegungo in baarem Gelde oder in solchen Werthpapieren zu bewirken, welche nach richterlichem Ermessen eine genügende Deckung gewähren 102 Ausländer, welche als Kläger auftreten, haben dem Beklagten auf dessen Verlangen wegen der Prozeßkosten Sicherheit zu leisten Diese Verpflichtung tritt nicht ctn : 1) wenn nach den Gesetzen des Staates, welchem der Kläger angehört, ein Deutscher in gleichem Falle zur Sicherheitsleistung nicht verpflichtet ist; 2) im Urkunden- oder Wechselprozesse; 3) bei Widerklagen; 4) bei Klagen, welche in Folge einer öffentlichen Aufforderung angestellt werden; 5) bei Klagen aus Ansprüchen, welche in das Grund- oder Hypothekenbuch einer deutschen Be­

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Bei der Festsetzung ist derjenige Betrag der Prozeßkosten zu Grunde zu legen, welchen der Beklagte wahrscheinlich aufzuwenden habeii wird Die dem Beklagten durch eine Widerklage er wachsenden Kosten sind hierbei nicht zu berück' sichtigen Ergibt sich im Lause des Rechtsstreits, daß die geleistete Sicherheit nicht huireicht, so kann der Beklagte die Leistung einer weiteren Sicherheit verlangen, sofern nicht ein zur Deckung ausrei­ chender Theil des erhobenen Anspruchs unbe­ stritten ist. 105 Das Gericht hat dem Klager bei Anord nung der Sicherheitsleistung eine Frist zu bc stimmen, binnen welcher die Sicherheit zu leisten sei. Nach Ablauf der Frist ist auf Antrag des Beklagten, wenn die Sicherheit bis zur Entschei­ dung nicht geleistet ist, die Klage für zurückge nommen zu erklären oder, wenn über em Rechts mittel des Klagers zu verhaudeln ist, dasselbe zu verwerfen. Siebenter Titel

| Armenrecht.9 10 11

106. Wer außer Stande ist, ohne Beeinträchti gung des für ihn und seine Familie nothwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, hat auf Bewilligung des Armenrechts Anspruch, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung nicht muthwillig oder ans sichtslos erscheint Ausländer haben auf das Armenrecht nur in­ soweit Anspruch, als die Gegenseitigkeit verbürgt ist 107 Durch die Bewilligung der Armenrechts erlangt die Partei: 1) die einstweilige Befreiung von der Berichti­ gung der rückständigen und künftig erwachsenden Gerichtskosten, einschließlich der Gebühren der Beamten, der den Zeugen und den Sachverstän-

hörde eingetragen sind. 103. Der Beklagte kann auch dann Sicher­ heitsleistung verlangen, wenn im Laufe des Rechtsstreits der Kläger die Eigenschaft eines Deutschen verliert oder die Voraussetzung, unter welcher der Ausländer von der Sicherheitsleistung befreit war, wegfällt und nicht ein zur Deckung ausreichender Theil des erhobenen Anspruchs un­ bestritten ist 104. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit wird von dem Gerichte nach freiem Ermessen festgesetzt.

10. Die Vorschriften dieses Titels finden entsprechende Anwendung auf das Verfahren in der Kassationsinstanz, § 47 A.-G z. C.-P.-O., K.-O. u. St.-P. O. Nachdem durch § 22 A.-G. z. G. B.-G. die Entscheidung über Kassations gesuche an Stelle eines besonderen Kafiationshofes dem Oberlandesgerichte übertragen ist, wären die fehlenden aus drücklichen Bestimmungen über das Armenrecht an sich aus dem das bisherige gemeine Recht über diesen Gegenstand enthaltende Gesetz vom 22. Januar 1851 (Artt. 3, 13 ff.) zu entnehmen; auf Grund des erwähnten § 47 tritt aber an Stelle des alten das neue gemeine Recht. Es entscheidet also das Prozeßgericht, nicht eine besondere Kommission. Die Folgen des bewilligten Armenrechts können sich schon infolge der Bestimmung des Auss.-Ges. zum G.-K.-G., wonach letzteres Gesetz auch für die Kassationsinstanz gelten soll, nicht mehr nach Artt. 13 ff. G v. 22. Jan. 1851 richten.

9. Die Hinterlegung zum Zwecke der Sicherheitsleistung «folgt nach Maßgabe der Ord. v 3. Juli 1816, G. v. 4 Nov. u. Bkm. v 26. Dez. 1872.

11. Diese Gegenseitigkeit ist bis je t verbürgt im Ver hältniß zu Italien laut Bkm. v. 1 Okt. 1879, R.-G.-Bl. S 312, zu Belgien laut Bkm. v 8. Okt. 1879, R.-G.-Bl. S 316, zu Luxemburg laut Bkm. v. 12 Juni 1879, R.-G -Bl. S. 318.

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D. Civilprozeßordnung.

digey zu. gewährenden Vergütung und der son­ stigen baaren Auslagen^ sowie der Stempelsteuer; 12 2) . die Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten; 3) das Recht, daß ihr zur vorläufig unentgelt­ lichen Bewirkung von Zustellungen und von Boll­ streckungshandlungen. ein Gerichtsvollzieher und, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer.Rechte ein Rechtsanwalt beigeordnet werde. 108. Die Bewilligung des Armenrechts hat auf die Verpflichtung zur Erstattung der dem Gegner erwachsenden Kosten keinen Einfluß. 109. Das Gesuch um Bewilligung des Armen­ rechts ist bei dem Prozeßgericht anzubringen; es kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll er­ klärt werden. Dem Gesuche ist ein von der obrigkeitlichen Behörde der Partei ausgestelltes Zeugniß beizu­ fügen, in welchem unter Angabe des Standes oder Gewerbes, der Vermögens- und Familien­ verhältnisse der Partei sowie des Betrags der von dieser zu entrichtenden direkten Staatssteuern das Unvermögen zur Bestreitung der Prozeß­ kosten ausdrücklich bezeugt wird. Für Personen, welche unter Vormundschaft oder Kuratel stehen, kann das Zeugniß auch von der vormundschaft­ lichen Behörde ausgestellt werden. In dem Gesuche ist das Streitverhältniß unter Angabe der Beweismittel darzulegen. 110. Die Bewilligung des Armenrechts erfolgt für jede Instanz besonders, für die erste Instanz einschließlich der Zwangsvollstreckung. In der höheren Instanz bedarf es des Nach­ weises des Unvermögens nicht, wenn das Armen­ recht in der vorherigen Instanz bewilligt war. Hat der Gegner das Rechtsmittel eingelegt, so ist

12. Die auf die Befreiung von der (Stempelsteuer (wozu auch die Enregistrementsgebühren gehören) bezügliche Se< stimmung ist in der Hauptsache gegenstandslos geworden durch 8 2 Abs. 1 G.-K.G. v. 18. Juli 1878, wonach die Er­ hebung von Stempeln und anderen Abgaben neben den Gebühren nicht stattfindet; sie bezieht sich aber nock auf die in Abs. 3 des zit. § 2 erwähnten und die sog. Titelgebühren des § 100 G.-K. G. und wird auch auf die in Abs. 2 des zit. § 2 erwähnten Gebühren (für an sich registrirungspsiichtige Geschäfte, Artt. 22 G. v. 22. Friir. VII, 4 G. v. 24. Bent. IX) zu beziehen sein, wenn man von dem Grundsatz ausgeht, daß § 107 Nr. 1 den Armen von allen Urkunden­ steuern befreien will, welche ihm das Prozeßführen direkt erschweren, wie denn auch unter der Herrschaft des G. v. 22. Jan. 1851 (Art. 14 Abs. 6) das Armenrecht sich auf die letzterwähnten Gebühren bezog. Anderer Ansicht der Generaldir. der Zölle re. (Berf. v. 17. Sept. 1879, III Abs. 3, Amtsbl. des Gen.-Dir. 1879 Nr. 22,', welcher gleich­ wohl im Verwaltungswege die vorläufige Nichterhebung solcher Gebühren angeordnet hat, für die Nacherhebung aber nicht den Termin des § 116 C.-P'.-O gelten läßt, sondern entsprechend dem Art. 14 Abs. 6 G. v. 22. Jan. 1851 Be­ stimmung getroffen hat. Der oben erwähnte Grundsatz würde unter Umständen auch noch die Anwendung des Art. 16 G. v. 22. Jan. 1851, Bewilligung unentgeltlicher Notariats- und Gerichtsschreiberei-Akten und Ausfertigungen, gestatten.

B. I. Abschn. II. T. 7v in der höheren Instanz nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung der Partei muthwillig odet' ästsfichtslos erscheint.

111. Die Bewilligung des Armenrechts für den Kläger, den Berufungskläger und den Revi­ sionskläger hat zugleich für den Gegner die einst­ weilige Befreiung von den im § 107 Nr. 1 be­ zeichneten Kosten zur Folge.

112. Das Armenrecht kann zu jeder Zeit ent­ zogen werden, wenn sich ergibt, daß eine Voraus­ setzung der Bewilligung nicht vorhanden war oder nicht mehr vorhanden ist. 113. Das Armenrecht erlischt mit dem Tode der Person, welcher es bewilligt ist. 114. Die Gerichtskosten, von deren Berichti­ gung die arme Partei einstweilen befreit ist, können von dem in die Prozeßkosten verurtheilten Gegner nach Maßgabe der für die Beitreibung rückständiger Gerichtskosten geltenden Vorschriften eingezogen werden.

Die Gerichtskosten, von deren Berichtigung der Gegner der armen Partei einstweilen befreit ist, sind von demselben einzuziehen, soweit er in die Prozeßkosten verurtheilt oder der Rechtsstreit ohne Urtheil über die Kosten beendigt ist. 115. Die für die arme Partei bestellten Ge­ richtsvollzieher und Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozeßkosten verurtheilten Gegner beizutreiben.

Eine Einrede aus der Person der armen Partei ist nur insoweit zulässig, als die Aufrechnung von Kosten verlangt wird, welche nach der in demselben Rechtsstreite über die Kosten erlassenen Entscheidung von der armen Partei zu erstatten sind. 116. Die zum Armenrechte zugelassene Partei ist zur Nachzahlung der Beträge, von deren Be­ richtigung sie einstweilen befreit war, verpflichtet, sobald sie ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie nothwendigen Unterhalts dazu im Stande ist.

Dasselbe gilt in Betreff derjenigen Beträge, von deren Berichtigung der Gegner einstweilen befreit war, soweit die arme Partei in die Prozeßkosten verurtheilt ist. 117. Ueber das Gesuch um Bewilligung des Armenrechts, über die Entziehung desselben und über die Verpflichtung zur Nachzahlung der Be­ träge, von deren Berichtigung die zum Armen­ rechte zugelaffene Partei oder der Gegner einst­ weilen befreit ist, kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden.

118. Gegen den Beschluß, durch welchen das Armenrecht bewilligt wird, findet kein Rechts­ mittel, gegen den Beschluß, durch welchen das Armenrecht verweigert oder entzogen oder die Nachzahlung von Kosten angeordnet wird, findet die Beschwerde statt.

D. CivilpwMMnüuL B. I/'AbM: M'L. ?.

Dritter Abschnitt. Zerfahren. Erster Titel. WünbNche Verhandlung.

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lichen 'GegenerWE ürcht-ikföÄörlich, iöm'n es sich M'^eNen MrsMststveit^ HÄnde^.^ ' 'i;':

124. Die--'PtitMen haben' etotfür' bas Prozeß­ gericht bestimmte Abschrift ihrer vorbereitenden Schriftsätze üM'der Anläßen auf der Gerichtsschreiberer niederzuleßetr. '

119. Die Verhandlung der Parteien über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gerichte ist eine

Diese NiederlegMg etfolgt zugleich ftrit der Überreichung fr^r Urschrift^ weirü eine TÜütins-

mündliche. 120. In Anwaltsprozessen wird die mündliche Verhandlung durch (Schriftsätze vorbereitet; die Nichtbeachtung dieser Vorschrift hat Rechtsnach­ theile in der Sache selbst nicht zur Folge. In anderen Prozessen können vorbereitende Schriftsätze gewechselt werden. 121. Die vorbereitenden Schriftsätze sollen ent­ halten : 1) die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Be­ zeichnung des Gerichts und des Streitgegenstan­

bestimmuttg oder Wenn die Zustellung unter Ver­ mittelung frei Gerichtsschreibers erwM werden soll, anderenfalls sofort nach erfolgter Zustellung

des ; die Zahl der Anlagen; 2) die Anträge, welche die Partei in der Ge­ richtssitzung zu stellen beabsichtigt; 3) die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden thatsächlichen Verhältnisse; 4) die Erklärung über die thatsächlichen Be­ hauptungen des Gegners; 5) die Bezeichnung der Beweismittel, welcher sich die Partei zum Nachweise oder zur Wider­ legung thatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel; 6) in Anwaltsprozessen die Unterschrift des Anwalts, in anderen Prozessen die Unterschrift der Partei selbst oder desjenigen, welcher für dieselbe als Bevollmächtigter oder als Geschäfts­ führer ohne Auftrag handelt. 122. Dem vorbereitenden Schriftsätze sind die in den Händen der Partei befindlichen Urkunden, auf welche in dem Schriftsätze Bezug genommen wird, in Urschrift oder in Abschrift beizufügen. Kommen nur einzelne Theile einer Urkunde in Betracht, so genügt die Beifügung eines Aus­ zugs, welcher den Eingang, die zur Sache gehö­ rende Stelle, den Schluß, das Datum und die Unterschrift enthält. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder von bedeutendem Umfange, so genügt die genaue Bezeichnung derselben mit dem Erbieten, Einsicht zu gewähren. 123. Der vorbereitende Schriftsatz, welcher neue Thatsachen oder ein anderes neues Vorbringen enthält, ist mindestens eine Woche, wenn er einen Zwischenstreit betrifft, mindestens drei Tage vor der mündlichen Verhandlung zuzustellen.

Der vorbereitende Schriftsatz, welcher eine Ge­ generklärung auf neues Vorbringen enthält, ist mindestens drei Tage vor der mündlichen Ver­ handlung zuzustellen. Die Zustellung einer schrift­

des Schriftsatzes. 125. Die Partei ist, wenn sie rechtzeitig auf­ gefordert wird, verpflichtet, die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf welche sie in einem vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen hat, von der mündlichen Verhandlung auf der Ge­ richtsschreiberei niederzulegen und den Gegner vor der Niederlegung zu benachrichtigen. Der Gegner, hat zur Einsicht der Urkunden eine Frist von drei Tagen. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert öder abgekürzt werden. 126. Den Rechtsanwälten steht es frei, die Mittheilung von Urkunden von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung zu bewirken. Gibt ein Rechtsanwalt die ihm eingehändigte Urkunde nicht binnen der bestimmten Frist zurück, so ist er auf Antrag nach vorgängiger mündlicher Verhandlung zur unverzüglichen Zurückgabe zu verurtheilen. Gegen das Zwischenurtheil findet sofortige Be­ schwerde statt. 127. Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. Er ertheilt das Wort und kann es demjenigen, welcher seinen Anordnungen nicht Folge leistet, entziehen. Er hat Sorge zu tragen, daß die Sache er­ schöpfende Erörterung finde und die Verhandlung ohne Unterbrechung zu Ende geführt werde; er­ forderlichenfalls hat er die Sitzung zur Fortsetzung der Verhandlung sofort zu bestimmen. Er schließt die Verhandlung, wenn nach An­ sicht des Gerichts die Sache vollständig erörtert ist, und verkündet die Urtheile und Beschlüsse des Gerichts. 128. Die mündliche Verhandlung wird dadurch eingeleitet, daß die Parteien ihre Anträge stellen. Die Vorträge der Parteien sind in freier Rede zu halten; sie haben das Streitverhältniß in thatsächlicher und rechtlicher Beziehung zu umfassen. Eine Bezugnahme auf Schriftstücke statt münd­ licher Verhandlung ist unzulässig. Die Vorlesung von Schriftstücken findet nur insoweit statt, als es auf den wörtlichen Inhalt derselben ankommt. In Anwaltsprozessen ist neben dem Anwälte auch der Partei selbst auf Antrag das Wort zu gestatten.

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v. CmiSpryMpxdrmnA, P.

129 Jede Parte: hat sich über die von dem Gegner behaupteten Thatsachen zu erklären Thatsachen, welche nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestcmden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Thatsachen zulässig, welche weder eigene Hand­ lungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind

Dasselbe gilt, -venu» dar Beklagte Gegen­ forderung vorgebracht hat^iwelche; mit der üi der Klage geltend gemachten 'Forderung > nichL in rechtlichem Zusammenhänge steht. 137. Das Gericht kann anordnert, daß • bei mehreren auf denselben Anspruch sich beziehenden selbständigen Angriffs- oder Bertheidigungsmitteln (Klagegründen, Einreden, Repliken rc.) die Ver­

130 Der Vorsitzende hat durch Fragen darauf hinzuwirken, daß unklare Anträge erläutert, ungenügeude Angaben der geltend gemachten That­ sachen ergänzt und die Beweismittel bezeichnet, überhaupt alle für die Feststellung des Sachver­ hältnisses erheblichen Erklärungen abgegeben [ I werden Der Vorsitzende hat auf die Bedenken aufmerk­ I sam zu machen, welche tn Ansehung der von I I Amtswegen zn berücksichtigenden Punkte obwalten Er hat jebeni Mitgliede des Gerichts auf Ver­ I I langen zu gestatten, Fragen zu stellen I 131 Wird eine auf die Sachleitung bezügliche I Anordnung des Vorsitzenden oder eine von dem ! Vorsitzenden oder einem Gerichtsmitgliede gestellte Frage von einer bet der Verhandlung betheüigten I Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet 1

133 Das Gericht kann anordnen, daß eine Partei die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf welche sie sich bezogen hat, sowie Stamm­ baume, Pläne, Risse und sonstige Zeichnungen vorlege Das Gericht kann anordnen, daß die vorgeleg­ ten Schriftstücke während einer von ihm zu be­ stimmenden Zeit auf der Gerichtsschreiberei ver­ bleiben Das Gericht kann anordnen, daß von den in fremder Sprache abgefaßten Urkunden eine durch einen beeidigten Dolmetscher angefertigte Uebersetzmig beigebracht werde 134. Das Gericht kann anordnen, daß die Par­ teien die in ihrem Besitze befindlichen Akten vor­ legen, soweit dieselben aus Schriftstücken bestehen, welche die Verhandlung und Entscheidung der Sache betreffen.

135 Das Gericht kann die Einnahme des Augenscheins, sowie die Begutachtung durch Sach­ verständige anordnen Das Verfahren richtet sich nach den Vorschrif­ ten, welche eine auf Antrag angeordnete Ein­ nahme des Augenscheins oder Begutachtung durch Sachverständige zum Gegenstände haben 136. Das Gericht kann anordnen, daß mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden

handlung zunächst auf eines oder einige dieser Angriffs- oder Bertheidigungsmittel zu beschrän ken sei 138. Das Gericht kann die Verbindung meh­ rerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeiti gen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, welche den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhänge

stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können 139 Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Theil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches den Gegenstand eines

anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen,

I

daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei 140. Das Gericht kann, wenn sich un Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer strafbaren Handlung ergibt, deren Ermittelung aus die

I

Entscheidung von Einfluß ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafver

i

fahrens anordnen

das Gericht 132 Das Gericht kann das persönliche Er scheinen einer Partei zur Aufklärung des Sach­ verhältnisses anordnen.

Abschn llä. T L

141 Das Gericht kann die von ihm erlassenen, eine Trennung, Verbindung oder Aussetzung be­ treffenden Anordnungen wieder aufheben. 142 Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, welche geschlossen war, an ordnen 143. Das Gericht kann Parteien, Bevollmäch­ tigten und Beiständen, denen die Fähigkeit zum geeigneten Vortrage mangelt, den weiteren Bor­ trag untersagen. Das Gericht kann Bevollmächtigte und Bei­ stände, welche das mündliche Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, zurückweisen. Eine Anfechtung dieser Anordnungen findet nicht statt Auf Rechtsanwälte finden die Vorschriften dieses Paragraphen keine Anwendung.

144. Ist eine bei der Verhandlung beseitigte Person zur Aufrechthaltung der Ordnung von dem Orte der Verhandlung entfernt worden, so kann aus Antrag gegen sie in gleicher Weise ver fahren werden, als wenn sie freiwillig sich ent­ fernt hätte. Dasselbe gilt in den Fällen des vor hergehenden Paragraphen, sofern die Untersagung oder Zurückweisung bereits bei einer früheren Verhandlung geschehen war.

D. Civilprozeßordnung. B. I. Abschn. LIL T. 2. 145. Ueber die mündliche Verhandlung vor dem Gerichte ist ein Protokoll aufzunehmen. Das Protokoll enthält: 1) den Ort liitb den Tag der Verhandlung: 2) die Namen der Richter, des Gerichtsschrei­ bers und des etwa zugezogenen Dolmetschern: 3) die Bezeichnung des Rechtsstreits; 4) die Na'.uen der erschienenen Parteien, gesetz­ lichen Vertreter, Bevollmächtigten und Beistände: 5) die Angabe, daß öffentlich verhandelt oder die Oeffentlichteit ausgeschlossen ist. 14(4 Der Gang der Verhandlung ist nur im Allgemeinen anzugebeu. Durch Aufnahme in das Protoll sind festzu­ stellen : 1) die Anerkenntnisse, Verzichtleistungen und Vergleiche, durch welche der geltend gemachte Änspruch ganz oder theilweise erledigt wird: 3) die Anträge und Erklärungen, deren Fest­ stellung vorgeschriebeu ist: 3) die Aussagen der Zeugen und Sachverstän­ digen, sofern dieselben früher nicht abgehört waren oder von ihrer früheren Aussage abweichen; 4) das Ergebniß eines Augenscheins; 5) die Entscheidungen (Urtheile, Beschlüsse und Verfügungen) des Gerichts, sofern sie nicht dem Protokolle schriftlich beigefügt sind: 6) die Verkündung der Entscheidungen. Der Aufnahme in das Protokoll steht die Auf­ nahme in eine Schrift gleich, welche dem Proto­ kolle als Anlage beigefügt und als solche in demselben bezeichnet ist. 147. Die Feststellung der Aussagen der Zeugen und Sachverständigen kann unterbleiben, wenn die Vernehmung vor dem Prozeßgerichte erfolgt und das Endurtheil der Berufung nicht unter­ liegt. In diesem Falle ist in dem Protokolle nur zu bemerken, daß die Vernehmung stattgefunden habe. 148. Das Protokoll ist insoweit, als es die Nr. 1 bis 4 des § 146 betrifft, den Betheiligten vorzulesen oder §nr Durchsicht vorzulegen. In dem Protokolle ist zu bemerken, daß dies ge­ schehen und die Genehmigung erfolgt sei oder welche Einwendungen erhoben sind. 149. Das Protokoll ist von dem Vorsitzenden und dem Gerichtsschreiber zu unterschreiben. Ist der Vorsitzende verhindert, so unterschreibt für ihn der älteste beisitzende Richter. Im Falle der Verhinderung des Amtsrichters genügt die Unterschrift des Gerichtsschreibers. 150. Die Beobachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des­ selben ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig. 151. Zu den Verhandlungen, welche außerhalb der Sitzung vor Amtsrichtern oder vor beauftrag­ ten oder ersuchten Richtern stattfinden, ist der Gerichtsschreiber gleichfalls zuzuziehen.

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Zweiter Titel. Zustellungen. 13 14

152. Die Zustellungen erfolgen durch Gerichts­ vollzieher.^ In Anwaltsprozeffen ist der Gerichtsvollzieher unmittelbar zu beauftragen, in anderen.Prozessen nach der Wahl der Partei entweder unmittelbar oder unter Vermittelung des Gerichtsschreibers des Prozeßgerichts. 153. Die mündliche Erklärung einer Partei genügt, uni den Gerichtsvollzieher zur Vornahme der Zustellung, den Gerichtsschreiber zur Beauf­ tragung eines Gerichtsvollziehers mit der Zustel­ lung zu ermächtigen. Ist eine Zustellung durch einen Gerichtsvoll­ zieher bewirkt, so wird bis zum Beweise des Gegentheils angenommen, daß dieselbe im Auf­

trage der Partei erfolgt sei. 154. Insoweit eine Zustellung unter Vermitte­ lung des Gerichtsschreibers zulässig ist, hat dieser einen Gerichtsvollzieher mit der erforderlichen Zustellung zu beauftragen, sofern nicht die Partei erklärt Hat, daß sie selbst einen Gerichtsvollzieher beauftragen wolle. 155. Die Partei hat dem Gerichtsvollzieher und, wenn unter Vermittelung des Gerichtsschrei­ bers zuzustellen ist, diesem neben der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks eine der Zahl der Personen, welchen zuzustellen ist, entsprechende Zahl von Abschriften zu übergeben. Die Zeit der Uebergabe ist auf der Urschrift und den Abschriften zu vermerken und der Partei

auf Verlangen zu bescheinigen. 156. Die Zustellung besteht, wenn eine Aus sertigung zugestellt werden soll, in deren Ueber­ gabe, in den übrigen Fällen in der Uebergabe einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks. Die Beglaubigung geschieht durch den Gerichts­ vollzieher, bei den auf Betreiben von Rechtsan­ wälten oder in Anwaltsprozessen zuzustellenden Schriftstücken durch den Anwalt, bei den von Amtswegen zuzustellenden Schriftstücken durch den Gerichtsschreiber. 157. Die Zustellungen, welche an eine Partei bewirkt werden sollen, erfolgen für die nicht pro­ zeßfähigen Personen an die gesetzlichen Vertreter

derselben. Bei Behörden, Gemeinden und Korporationen, sowie bei Personenvereinen, welche als solche klagen und verklagt werden sönnen,15 genügt die Zustellung an die Vorsteher. 13. Die Anwendbarkeit dieses Titels hat eine besondere Ausdehnung erhalten durch § 1 A.-G. z. C.-P.-O., C.-O. u. St.--P.-O. 14. Vgl. die Geschäftsanweisung für die Gerichtsvollzieher v. 16. Sept. 1879, Straßburg, bei R. Schultz u. Comp. 15. Solche Behörden gibt es in Els.-Lothr. nicht. Vgl. Bem. zu Art. 69 Nr. 3 fr. C.-P.-O., u. Hahn, Materialien z. C.-P.-O. II S. 531.

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V Civilprozeßvrdnung. B. I. Mfchn. IH. T 2.

Bei mehreren gesetzlichen Vertretern, sowie bei mehreren Vorstehern genügt die Zustellung an einen derselben. 158. Die Zustellung für einen Unteroffizier oder einen Gemeinen des aktiven Heeres oder der aktiven Marine erfolgt an den Chef der zunächst vorgesetzten Kommandobehörde (Chef der Kompa­ gnie, Eskadron, Batterie rc.). 159. Die Zustellung erfolgt an den Generalbe­ vollmächtigten, sowie in den durch den Betrieb eines Handelsgewerbes hervorgerufenen Rechts­ streitigkeiten an den Prokuristen mit gleicher Wir­ kung, wie an die Partei selbst. 160. Wohnt eine Partei weder am Orte des Prozeßgerichts noch innerhalb des Amtsgerichts bezirkst in welchem das Prozeßgericht seinen Sitz hat, so kann das Gericht, falls sie nicht einen in diesem Orte oder Bezirke wohnhaften Prozeßbe­ vollmächtigten bestellt hat, auf Antrag anordnen, daß sie eine daselbst wohnhafte Person zum Em­ pfange der für sie bestimmten Schriftstücke bevoll­ mächtige. Diese Anordnung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Wohnt die Partei nicht im Deutschen Reiche, so ist sie auch ohne vorgängige Anordnung des Gerichts zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten verpflichtet, falls sie nicht einen in dem durch den ersten Absatz bezeichneten Orte oder Bezirke wohnhaften Prozeßbevollmüchtigten bestellt hat. 161. Der Zustellungsbevollmächtigte ist bei der nächsten gerichtlichen Verhandlung oder, wenn die Partei vorher dem Gegner einen Schriftsatz zu­ stellen läßt, in diesem zu benennen. Geschieht dies nicht, so können alle späteren Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung in der Art bewirkt werden, daß der Gerichtsvollzieher das zu über­ gebende Schriftstück unter der Adresse der Partei nach ihrem Wohnorte zur Post gibt. Die Zustel­ lung wird mit der Aufgabe zur Post als bewirkt angesehen, selbst wenn die Sendung als unbestell­ bar zurückkommt. Die Postsendungen sind mit der Bezeichnung „Einschreiben" zu versehen, wenn die Partei es verlangt und zur Zahlung der Mehrkosten sich bereit erklärt. 162. Zustellungen, welche in einem anhängigen Rechtsstreite geschehen sollen, müssen an den für die Instanz bestellten Prozeßbevollmächtigten er­ folgen. 163. Als zu der Instanz gehörig sind im Sinne des vorstehenden Paragraphen auch diejenigen Prozeßhandlungen anzusehen, welche das Ver­ fahren vor dem JnstaNzgerichte in Folge eines Einspruchs, einer Aufhebung des Urtheils des Jnstanzgerichts, einer Wiederaufnahme des Ver­ fahrens oder eines neuen Vorbringens in der Zwangsvollstreckungsinstanz zum Gegenstände haben. Das Verfahren vor dem Bollstreckungs­

gerichte ist als zur ersten Instanz gehörig anzu­ sehen. 164. Die Zustellung eines Schriftsatzes, durch welche ein Rechtsmittel eingelegt wird, erfolgt an den für die höhere Instanz von dem Gegner be­ stellten Prozeßbevollmächtigten; wenn ein solcher noch nicht bestellt ist, an den Prozeßbevollmächtigten der zunächst Nachgeordneten Instanz; in Ermangelung eines solchen an den Prozeßbevoll­ mächtigten der ersten Instanz. Ist auch kein Prozeßbevollmächtigter erster Instanz vorhanden, so erfolgt die Zustellung an den von dem Gegner, wenngleich nur für die erste Instanz, bestellten Zustellungsbevollmächtig­ ten ; in Ermangelung eines solchen an den Gegner selbst, und zwar an diesen durch Ausgabe zur Post, wenn er einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen hatte, die Bestellung aber unterlassen hat.

165 Die Zustellungen können an jedem Orte erfolgen, wo die Person, welcher zugestellt werden soll, angetroffen wird Hat die Person an diesem Orte eine Wohnung oder ein Geschäftslokal, so ist die außerhalb der Wohnung oder des Geschäftslokals an sie erfolgte Zustellung nur gültig, wenn die Annahme nicht verweigert ist. 166 Wird die Person, welcher zugestellt werden soll, m ihrer Wohnung nicht angetroffen, so kann die Zustellung in der Wohnung an einen zu der Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen oder an eine in der Familie dienende erwachsene Person erfolgen Wird eine solche Person nicht angetroffen, so kann die Zustellung an den in demselben Hause wohnenden Hauswirth oder Vermiether erfolgen, wenn diese zur Annahme des Schriftstücks bereit sind 167 Ist die Zustellung nach diesen Bestim­ mungen nicht ausführbar, so kann sie dadurch er­ folgen, daß das zu übergebende Schriftstück aus der Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts, in dessen Bezirke der Ort der Zustellung gelegen ist, oder an diesem Orte bei der Postanstalt oder dem Ge­ meindevorsteher oder dem Polizeivorsteher nieder­ gelegt und die Niederlegung sowohl durch eine an der Thür der Wohnung zu befestigende schriftliche Anzeige, als auch, soweit thunlich, durch mündliche Mittheilung an zwei in der Nachbarschaft wohnende Personen bekannt gemacht wird. 168. Für Gewerbetreibende, welche ein be­ sonderes Geschäftslokal haben, kann, wenn sie in dem Geschäftslokale nicht angetroffen werden, die Zustellung an einen darin anwesenden Gewerbe­ gehülfen erfolgen Wird ein Rechtsanwalt, welchem zugestellt wer­ den soll, in seinem Geschäftslokale nicht angetroffen, so kann die Zustellung an einen darin anwesenden Gehülfen oder Schreiber erfolgen.

33

D. CivilprozeßordnuM B. I. Abjchm HL T. .2;

169. Wirb der gesetzliche Vertreter oder der Vorsteher einer Behörde, einer Gemeinde, einer Korporation oder eines Personenvereins, welchem zugestellt werden soll, in dem Geschäftslokale während der gewöhnlichen Geschäftsstunden nicht angetroffen, oder ist er an der Annahme verhin­ dert, so kann die Zustellung an einen anderen in dem Geschäftslokale anwesenden Beamten oder Bediensteten bewirkt werden. Wird der gesetzliche Vertreter oder der Vor­ steher in seiner Wohnung nicht angetroffen, so finden die Bestimmungen der §§ 166, 167 nur Anwendung, wenn ein besonderes Geschäftslokal nicht vorhanden ist.

170. Wird die Annahme der Zustellung ohne gesetzlichen Grund verweigert, so ist das zu über­ gebende Schriftstück am Orte der Zustellung zu­

rückzulassen. 171. An Sonntagen und allgemeinen Feier­ tagen^ darf eine Zustellung, sofern sie nicht durch Aufgabe zur Post bewirkt wird, nur mit richter­ licher Erlaubniß erfolgen. Die Erlaubniß wird von dem Vorsitzenden des Prozeßgerichts ertheilt; sie kann auch von dem Amtsrichter, in dessen Bezirke die Zustellung erfolgen soll, und in Angelegenheiten, welche durch einen beauftragten oder ersuchten Richter zu erle­ digen sind, von diesem ertheilt werden. Die Verfügung, durch welche die Erlaubniß ertheilt wird, ist bei der Zustellung abschriftlich mitzutheilen. Eine Zustellung, bei welcher die Bestimmungen dieses Paragraphen nicht beobachtet sind, ist gül­ tig, wenn die Annahme nicht verweigert ist.

172. Ist bei einer Zustellung an den Vertreter mehrerer Betheiligter oder an einen von mehreren Vertretern die Uebergabe der Ausfertigung oder Abschrift eines Schriftstücks erforderlich, so genügt die Uebergabe nur einer Ausfertigung oder Abs-hrift. Einem Zustellungsbevollmächtigten mehrerer Betheiligter sind so viele Ausfertigungen oder Abschriften zu übergeben, als Betheiligte vorhan­ den sind. 173. Ueber die Zustellung ist eine Urkunde aufzunehmen. Dieselbe ist auf der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks oder auf einen mit derselben zu ver­ bindenden Bogen zu setzen. Eine durch den Gerichtsvollzieher beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde ist auf das bei der Zustellung zu übergebende Schriftstück oder auf einen mit demselben zu verbindenden Bogen zu setzen. Die Zustellungsurkunde ist der Partei, für welche die Zustellung erfolgt, wenn die Zustellung von

16. Bezüglich der allgemeinen Feiertage vgl. B. v. 29. Germ. X u. St.-R.-G. v. 20. März 1810.

Amtswegen angeordnek ist, hem Gerichtsschreiber zu übermitteln.

174. Die Zustellungsurkunde muß enthalten: 1) Ort und Zeit der Zustellung; 2) die Bezeichnung der Person, für welche zu­ gestellt werden soll; wenn die Zustellung von Amtswegen angeordnet ist, das Gericht, von welchem die Anordnung ausgeht; 3) die Bezeichnung der Person, an welche zu­ gestellt werden soll; 4) die Bezeichnung der Person, welcher zuge­ stellt ist; in den Fällen der §§ 166, 168, 169 die Angabe des Grundes, durch welchen die Zu­ stellung an die bezeichnete Person gerechtfertigt wird; wenn nach § 167 verfahren ist, die Be­ merkung, wie die darin enthaltenen Vorschriften befolgt sind; 5) im Falle der Verweigerung der Annahme die Erwähnung, daß die Annahme verweigert und das zu übergebende Schriftstück am Orte der Zustellung zurückgelassen ist; 6) die Bemerkung, daß eine Ausfertigung oder eine Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks und daß eine Abschrift der Zustellungsurkunde über­ geben ist; 7) die Unterschrift des die Zustellung vollziehen­ den Beamten.

175. Ist die Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 161) erfolgt, so muß die Zustellungsur­ kunde den Bestimmungen des vorstehenden Para­ graphen unter Nr. 2, 3, 7 entsprechen und außer­ dem ergeben, zu welcher Zeit, unter welcher Adresse und bei welcher Postanstalt die Aufgabe ge­ schehen ist. 176. Zustellungen können auch erfolgen.

durch die Post

177. Wird durch die Post zugestellt, so hat der Gerichtsvollzieher einen durch sein Dienstsiegel verschlossenen, mit der Adresse der Person, an welche zugestellt werden soll, versehenen und mit einer Geschäftsnummer bezeichneten Briefumschlag, in welchem die zuzustellende Ausfertigung oder die beglaubigte Abschrift des zuzustellenden Schrift­ stücks enthalten ist, der Post mit dem Ersuchen zu übergeben, die Zustellung einem Postboten des Bestimmungsorts aufzutragen. Daß die Ueber­ gabe in der bezeichneten Art geschehen, ist von dem Gerichtsvollzieher auf der Urschrift des zu­ zustellenden Schriftstücks oder auf einem mit der­ selben zu verbindenden Bogen zu bezeugen.

178. Die Zustellung durch den Postboten er­ folgt in Gemäßheit der Bestimmungen der §§ 165 bis 170. Ueber die Zustellung ist von dem Postboten eine Urkunde aufzunehmen, welche den Be­ stimmungen des § 174 Nr. 1, 3-5, 7 entsprechen und außerdem die Uebergabe des seinem Ver­ schlüsse, seiner Adresse und seiner Geschäfts­ nummer nach bezeichneten Briefumschlags, sowie

D. Civilprozeßordnung. B/ I. Abschn. III. T. 3.

34 der

Abschrift

der Zustellungsurkunde

bezeugen

muß.17 Die Urkunde ist von dem Postboten der Post­ anstalt und von dieser dem Gerichtsvollzieher zu überliefern, welcher mit derselben in Gemäßheit der Bestimmung

des

§

173

Absatz 4 zu ver­

fahren hat. 179. Insoweit eine Zustellung unter Vermitrelung des Gerichtsschreibers zulässig ist, taun derselbe unmittelbar die Post um Bewirkung der Zustellung ersuchen. In diesem Falle finden die Vorschriften der §§ 177, 178 auf den Gerichts­ schreiber entsprechende Anwendung; die erforder­ liche Beglaubigung erfolgt ourch den Gerichts­ schreiber. 180. Ist eine Zustellung durch einen Gerichts­ vollzieher bewirkt, obgleich sie durch die Post hätte erfolgen können, so hat die zur Erstattung der Prozeßkosten verurtheilte Partei die Mehr­ kosten nicht zu traget:. 181. Sind die Parteien durch Anwälte ver­ treten, so kann die Zustellung von Antvalt zu

Anwalt erfolgen. Zum Nachweise der Zustellung genügt das mit Datum und Unterschrift versehene schriftliche Empfangsbekenntnis; des Anwalts, welchem zugestellt

; ; |

worden ist. 182. Eine im Auslande zu bewirkende Zustellung erfolgt mittels Ersuchens der zuständigen

| • I

Behörde des fremden Staats oder des in diesen! Staate residirenden Konsuls oder Gesandten des

Reichs. 183. Zustellungen an Deutsche, welche das Recht der Exterritorialität genießen, erfolgen, wenn diefelben zur Mission eines Bundesstaats gehören, mittete Ersuchens des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten dieses Bundesstaats. Zustellungen an die Vorsteher der Reichskonsnlate erfolgen mittels Ersuchens des Reichs­ kanzlers. 184. Zustellungen an Personen, welche zu einem im Auslande befindlichen oder zu einem inobilen Truppenteile oder zur Besatzung eines in Dienst gestellten Kriegsfahrzeuges gehören, können mittels Ersuchens der vorgesetzten Kommandobehörde er­ folgen. 185. Die erforderlichen Ersuchungsschreiben werden von dem Vorsitzenden des Prozeßgerichts erlassen. Die Zustellung wird durch das schriftliche Zeug­ niß der ersuchten Behörden und Beamten, daß die Zustellung erfolgt sei, nachgewiesen. 186. Ist der Aufenthalt einer Partei unbe­ kannt, so kann die Zustellung durch öffentliche Be­

Die öffentliche Zustellung ist: auch dann zulässig, wenn bei einer im Auslande zu bewirkenden Zu­ stellung die Befolgung der für diese bestehenden Vorschriften unausführbar ist oder keinen Erfolg verspricht. 187. Die öffentliche Zustellung wird, nachdem sie auf ein Gesuch der Partei vom Prozeßgerichte bewilligt ist, dilrch den Gerichtsschreiber von Amts­ wegen besorgt. Die Entscheidung über das Gesuch kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung er­ lassen werden. Die öffentliche Zustellung erfolgt durch An­ heftung einer beglaubigten Abschrift des zuzu­ stellenden Schriftstücks an die Gerichtstafel. Ent­ hält das Schriftstück eine Ladung, so ist außerdem die zweimalige Einrückung eines Auszugs des Schriftstücks in dasjenige Blatt, welches für den Sitz des Prozeßgerichts zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen bestimmt ist, sowie die einmalige Einrückung des Auszugs in den Deutschen Reichsanzeiger erforderlich. Das Prozeßgericht kann anordnen, daß der Auszug noch in andere Blätter und zu mehreren Malen eingerückt werde. 188. In dem Auszuge des Schriftstücks müssen das Prozeßgericht, die Parteien, der Gegenstand des Prozesses, der Antrag, der Zweck der Ladung und die Zeit, zu welcher der Geladene erscheinen soll, bezeichnet werden. 189. Das eine Ladung enthaltende Schriftstück gilt als an dem Tage zugestellt, an welchem seit der letzten Einrückung des Auszugs in die öffentlichen Blätter ein Monat verstrichen ist. Das Prozeß­ gericht kann bei Bewilligung der öffentlichen Zu­ stellung den Ablauf einer längeren Frist für er­ forderlich erklären. Enthält das Schriftstück keine Ladung, so ist dasselbe als zugestellt anzusehen, wenn seit der Anheftung des Schriftstücks an die Gerichtstafel

zwei Wochen verstrichen sind. Auf die Gültigkeit der Zustellung hat es keinen Einfluß, wenn das anzuhefteude Schriftstück von dem Orte der Anheftung zu früh entfernt wird. 190. Wird auf ein Gesuch, welches die Zu­ stellung eines demselben beigesügten Schriftstücks mittels Ersuchens anderer Behörden oder Beamten oder mittels öffentlicher Bekanntmachung betrifft, die Zustellung demnächst bewirkt, so treten, inso­ weit durch die Zustellung eine Frist gewahrt und der Lauf der Verjährung oder einer Frist unter­ brochen wird, die Wirkungen der Zustellung be­ reits mit der lleberreichung des Gesuchs ein.

Dritter Titel.

kanntmachung erfolgen. 17. Leitens des Generalpostmeisters ist hierzu ergangen Berf. v. 24. Aug. 1879 über das Verfahren betr. die post­ amtliche Behandlung der Sendungen, nebst einer Anlveisung über denselben Gegenstand (A.-Bl. der D. Reichs-Post- u. Tel. Verw. Nr. 53 S. 337 ff.).

^Ladungen, Termine und Driften.

191. Die Ladung zu einem Termine erfolgt durch die Partei, welche über die Hauptsache oder über einen Zwischenstreit mündlich verhandeln will.

D. Civilprozeßordnuüg. B. I. Abschn. III. T. 3. JA mit der Ladung zugleich eine Klageschrift oder ein anderer Schriftsatz zuzustellen, so ist die Ladung in den Schriftsatz aufzunehmen

192. In Anwaltsprozessen muß die Ladung zur mündlichen Verhandlung, sofern die Zustellung nicht an einen Rechtsanwalt erfolgt, die Auffor­ derung an den Gegner enthalten, einen bei dem Prvzeßgerichte zngelaffenen Anwalt yi bestellen 193. Die Ladung ist zum Zwecke der TermiNsbestimmung bei dem Gerichtsschreiber einzureichen. Die Bestimmung der Termine erfolgt binnen vierundzwanzig Stunden durch den Vorsitzenden Auf Sonntage und allgemeine Feiertage^ sind Termine nur in Nothfällen anzuberaumen. 194 Die Frist, welche in einer anhängigen Sache zwischen der Zustellung der Ladung und dem Terminstage liegen soll (Ladnngsfrist), be­ trügt in Anwaltsprozessen mindestens eine Woche, in anderen Prozessen mindestens drei Tage, in Meß- und Marktsachen mindestens vierund­ zwanzig Stunden. 195. Zu Terminen, welche in verkündeten Ent­ scheidungen bestimmt sind, ist eine Ladung der Parteien nicht erforderlich 196 Die T ermine werden an der Gerichts stelle abgehalten, sofern nicht die Einnahme eines Augenscheins an Ort und Stelle, die Verhandlung nut einer am Erscheinen vor Gericht verhinderten Person oder eine sonstige Handlung erforderlich ist, welche an der Gerichtsstelle nicht vorgenommen werden kann Die Landesherren und die Mitglieder der lan­ desherrlichen Familien, sowie die Mitglieder der fürstlichen Fanulie Hohenzollern sind nicht ver­ pflichtet, persönlich an der Gerichtsstelle zu er­ scheinen 197 Der Termin beginnt mit dem Aufrufe der Sache Der Termin ist von einer Partei versäumt, wenn sie bis zum Schluffe desselben nicht ver­ handelt 198. Der Lauf einer richterlichen Frist beginnt, sofern nicht bei Festsetzung derselben ein Anderes bestimmt wird, mit der Zustellung des Schrift­ stücks, in welchem die Frist festgesetzt ist, und, wenn es einer solchen Zustellung nicht bedarf, mit der Verkündung der Frist Der Lauf einer gesetzlichen oder richterlichen Frist, deren Beginn von einer Zustellung ab­ hängig ist, beginnt mit dieser auch gegen dielenige Partei, welche die Zustellung hat bewirken lassen. 199. Bei der Berechnung einer Frist, welche nach Tagen bestimmt ist, wird der Tag nicht mit­ gerechnet, auf welchen der Zeitpunkt oder das Ereigniß fällt, nach welchem der Anfang der Frist sich richten soll. 200. Eine Frist, welche nach Wochen oder Mo­ naten bestimmt ist, endigt mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats,

35

welcher durch seine Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, an welchem die Frist begonnen hat; fehlt dieser Tag m dem letzten Monate, so endigt die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats

Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag, so endigt die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages 201. Der Lauf einer Frist wird durch die Ge­ richtsferien gehemmt Der noch übrige Theil der Frist beginnt mit dem Ende der Ferien zu laufen. Fällt der Anfang der Frist in die Ferien, so be­ ginnt der Lauf der Frist mit dem Ende der­ selben. Die vorstehenden Bestimmungen finden auf Nothfristen und Fristen in Feriensachen keine Anwendung. Nothfristen sind nur diejenigen Fristen, welche m diesem Gesetz als solche bezeichnet werden

202 Durch Vereinbarung der Parteien können Fristen, mit Ausnahme der Nothfristen, verlän­

gert oder abgekürzt werden Auf Antrag können richterliche und gesetzliche 5'rlsten abgekürzt oder verlängert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind, gesetz­ liche Fristen jedoch nur ui den besonders be­ stimmten Fällen Im Falle der Verlängerung wird die neue Frist von dem Ablaufe der vorigen Frist an be­ rechnet, wenn nicht im einzelnen Falle ein An­ deres bestimmt ist 203 Ueber das Gesuch um Abkürzung oder Verlängerung einer Frist kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden Die Abkürzung oder wiederholte Verlängerung darf nur nach vorgängigem Gehör des Gegners bewilligt werden Eine Anfechtung des Beschlusses, durch welchen das Gesuch um Verlängerung einer Frist zurück­ gewiesen ist, findet nicht statt

204. Einlassungsfristen, Ladungsfristen sowie diejenigen Fristen, welche für die Zustellung vor­ bereitender Schriftsätze bestimmt sind, können auf Antrag abgekürzt werden. Die Abkürzung der Emlassungs- und der La­ dungsfristen wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß in Folge der Abkürzung die mündliche Ver­ handlung durch Schriftsätze nicht vorbereitet wer­ den kann. Der Vorsitzende kann bei Bestimmung des Ter­ mins die Abkürzung ohne vorgängiges Gehör des Gegners und des sonst Betheiligten verfügen; diese Verfügung ist dem Betheiligten abschriftlich nntzutheilen. 205 Die Parteien können die Aufhebung eines Termins vereinbaren. Wird die Verlegung eines Termins beantragt, so finden die Bestimmungen über Verlängerung einer Frist entsprechende Anwendung.

36

v. Civilprozeß Ordnung.

206. Die Berlegung eines Termins, die ^Ver­ tagung einer Verhandlung und die Anberaumung eines TermstH zur Fortsetzung der Verhandlung kann auch von AmtswegM erfolgen. 207. Die irr diesem Titel dem Berichte und dem Vorsitzenden beigelegten Befugnisse stehen dem beauftragten oder ersuchten Richter in Bezug auf die von diesen zu bestimmenden Termine und

Fristen zu.

Vierter Titel. Sotgen der Uersäumung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

208. Die Versäumung einer Prozeßhandlung hat zur allgemeinen Folge, daß die Partei mit der vorzunehmenden Prozeßhandlung ausgeschlossen

wird. 209. Einer Androhung der gesetzlichen Folgen der Versäumung bedarf es nicht: dieselben treten von selbst ein, sofern nicht dieses Gesetz einen auf Verwirklichung des Rechtsnachtheils gerichteten

Antrag erfordert. Im letzteren Falle kann, so lange nicht der Antrag gestellt nnb die mündliche Verhandlung über denselben geschlossen ist, die versäumte Pro­

zeßhandlung nachgeholt werden. 210. Auf Grund der den Minderjährigen und den ihnen gleichgestellten Personen als solchen zustehenden Rechte findet die Aufhebung der Folgen einer Versäumung nicht statt. Insofern die Aufhebung der Folgen eiltet* un­ verschuldeten Versäumung zulässig ist, wird eine Versäumung, welche in der Verschuldung eines Vertreters ihren Grund hat, als eine unverschul­ dete nicht angesehen. 211. Einer Partei, welche durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle verhindert worden ist, eine Nothfrist einzuhalten, ist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ertheilen. Hat eine Partei die Einspruchsfrist versäumt, so ist ihr die Wiedereinsetzung auch dann zu er­ theilen, wenn sie von der Zustellung des Versäumnißurtheils ohne ihr Verschulden keine Kennt­

niß erlangt hat. 212. Die Wiedereinsetzung muß innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hinderniß gehoben ist; sie kann durch Ver­ einbarung der Parteien nicht verlängert werden. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Nothfrist an gerechnet, kann die Wie­ dereinsetzung nicht mehr beantragt werden. 213. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Nothfrist ist der Partei auf Antrag auch dann zu ertheilen, wenn spätestens am dritten Tage vor Ablauf der Nothfrist das zur Wahrung derselben zuzustellende Schriftstück dem Gerichtsvollzieher oder, insoweit

I. Abschn. III. i. 4. 5.

die Zustellung unter Vermittelung des Gerichts-: schreibers zulässig ist, dem Gerichtsschreiber 511111; Zwecke der Zustellung übergeben ist/ Die Wiedereinsetzung muß innerhalb einer eilt': monatigen Frist nach Ablauf der versäumten Nothfrist beantragt werden. 214. Die Wiedereinsetzung wird durch Zustellung eines Schriftsatzes beantragt. Derselbe muß ent : halten: 1) die Angabe der die Wiedereinsetzung hegründenden Thatsachen; •:2) hie Angabe der Mittel für deren Glaubhaft-: machung; 3) die Nachholung der versäumten Prozeßhand-: lung oder, wenn diese bereits nachgeholt ist, die. Bezugnahme hierauf. Ist die Einlegung der sofortigen Beschwerde, versäumt würden, so wird der Antrag auf Wie-dereinsetzung durch Einreichung des Schriftsatzes bei Gericht gestellt. Die Einreichung kann sowohl^ bei dem Gerichte, von welchem die angefochtene» Entscheidung erlassen ist, als auch bei dem Be:

schwerdegerichte erfolgen. Im Falle des § 213 kann die Wiederein' setzung auch in dem für die mündliche Verhand lung bestimmten Termine ohne vorgängige Zu: stellung eines Schriftsatzes beantragt werden,, wenn die Zustellung der Ladung zu dem Ter-: mine innerhalb der einmonatigen Frist nach Ab lauf der versäumteu Nothfrist erfolgt ist.

215. Ueber den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, welchem die Entscheidung über die nachgeholte Prozeßhandlung zusteht. 216. Das Verfahren über den Antrag ans Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die. nachgeholte Prozeßhandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den

Antrag beschränken. Aus die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung finden die Vorschriften Anwendung, welche in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozeß­ handlung gelten. Der Partei, welche den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu. Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

Fünfter Titel. Unterbrechung und Aussetzung des Zerfahrens.

217. Im Falle des Todes einer Partei tritt eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein. Wird die Aufnahme verzögert, so können die Rechtsnachfolger zur Aufnahme und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache geladen werden.

D. Cipilprozeß-rdnung. B. L Abschn. III. T. 5. Der die Ladung enthaltende Schriftsatz ist den Rechtsnachfolgern selbst zuHustellen. Die^ Ladungs­

frist wird von.Hern Pprsitzenhen bestimmt. Erscheinen die Rechtsnachfolger in dem Ter­ mine nicht, so ist guf Antrag die behauptete Rechtsnachfolge als zugestanden anzunehmen und von dem Gerichte durch V.ersäumnißurtheil aus­ zusprechen, daß das Verfahren von den Rechts­ nachfolgern ausgenommen sei. Eine Verhandlung zur Hauptsache ist erst nach Ablauf der Ein­ spruchsfrist und, wenn innerhalb derselben Ein­ spruch eingelegt ist, erst nach dessen Erledigung statthaft

218. Im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eurer Partei wird das Ver­ fahren, wenn es die Konkursmasse betrifft, un­ terbrochen, bis dasselbe nach den für den Kon­ kurs geltenden Bestrmmungen ausgenommen oder das Konkursverfahren aufgehoben wird 18

219 Verliert eine Parter die Prozeßfähigkeit oder stirbt der gesetzlrche Vertreter einer Partei oder hört die Vertretungsbefugniß desselben auf, ohne daß die Partei prozeßsählg geworden ist, so wird das Verfahren unterbrochen, bis der ge­ setzliche Vertreter oder der neue gesetzliche Ver­ treter von seiner Bestellung dem Gegner Anzeige macht, oder bis der Gegner seine Absicht, das Verfahren fortzusetzen, dem Vertreter anzeigt 220. Wird im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch den Tod einer Partei für den Nachlaß ein Kurator bestellt, so kommen die Vor­ schriften des § 219 und, wenn über den Nachlaß der Konkurs eröffnet wird, die Vorschriften des § 218 in Betreff der Ausnahme des Verfahrens zur Anwendung.

221 Stirbt in Anwaltsprozessen der Anwalt einer Partei oder wird derselbe unfähig, die Vertretung der Partei fortzuführen, so tritt eine Unterbrechuug des Verfahrens em, bis der be­ stellte neue Anwalt von seiner Bestellung dem Gegner Anzeige macht. Wird diese Anzeige verzögert, so kann die Partei selbst zur Verhandlung der Hauptsache geladen oder zur Bestellung eines neuen Anwalts binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmen­ den Frist aufgefordert werden. Wird dieser Auf­ forderung nicht Folge geleistet, so ist das Ver­ fahren als ausgenommen anzusehen. Bis zur nachträglichen Anzeige der Bestellung eines neuen Anwalts können alle Zustellungen an die zur Anzeige verpflichtete Partei, sofern diese weder am Orte des Prozeßgerichts noch innerhalb des Amtsgerichtsbezirks wohnt, in welchem das Pro­ zeßgericht seinen Sitz hat, durch Aufgabe zur Post (§ 161) erfolgen.

222. Hört in Folge eines Krieges oder eines anderen Ereignisses die Thätigkeit des Gerichts 18. Vgl. 88 8-10, 134 K -O D Civilprozeß

37

auf, so wird für die Dauer dieses Zustandes das Verfahren unterbrochen. 223. Fand in den Fällen des Todes, des Ver­ lustes der Prozeßfähigkeit oder des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters (§§ 217, 219) eine Vertre­ tung durch einen Prozeßbevollmächtigten statt, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein; das Prozeßgericht hat jedoch auf Antrag des Bevollmächtigten, im Falle des Todes auch auf Antrag des Gegners, die Aussetzung des Ver­ fahrens anzuordnen. Die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens richtet sich nach den Vorschriften der §§ 217, 219, 220; im Falle des Todes ist der die Ladung enthaltende Schriftsatz auch dem Bevollmächtigten zuzustellen

224. Befindet sich eine Partei zu Kriegszeiten im Militärdienste oder hält sich eine Partei an einem Orte auf, welcher durch obrigkeitliche An­ ordnung oder durch Krieg oder durch andere Zufälle von dem Verkehre mit dem Prozeßgerichte abgeschnitten ist, so kann dasselbe auch von Amts wegen die Aussetzung des Verfahrens bis zur Beseitigung des Hindernisses anordnen 22a Das Gesuch um Aussetzung des Versah rens ist bei dem Prozeßgerichte anzubrmgen; es kann vor dem Genchtsschreiber zu Protokoll er­ klärt werden Die Entscheidung kann ohne vorgängige münd liche Verhandlung erfolgen 226. Die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens hat die Wirkung, daß der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die volle Frist von Neuem zu laufen beginnt. Die während der Unterbrechung oder Aus­ setzung von einer Partei in Ansehung der Haupt fache vorgenommenen Prozeßhandlungen sind der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung Durch die nach dem Schluffe einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung wird die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert 227 Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines Schriftsatzes. 228. Die Parteien können vereinbaren, daß das Verfahren ruhen solle. Die Vereinbarung hat auf den Lauf der Nothfristen keinen Einfluß. Erscheinen in einem Termine zur mündlichen Verhandlung beide Parteien nicht, so ruht das Verfahren, bis eine Partei eine neue Ladung zustellen läßt. 229. Gegen die Entscheidung, durch welche auf Grund der Vorschriften dieses Titels oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder ab­ gelehnt wird, findet Beschwerde, im Falle der Ablehnung sofortige Beschwerde statt 4

38

v. Civilprozeßordnung. B. II. Abschn. I. T. 1.

Zweites Buch. Verfahren in erster Instanz.

Erster Abschnitt. Verfahren vor den Landgerichten. Erster Titel.

Verfahren vis zum Arlheik. 230. Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes. Derselbe muß enthalten: 1) die Bezeichnung der Parteien und des Ge­ richts ; 2) die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag; 3) die Ladung des Beklagten vor das Prozeß­ gericht zur mündlicheil Verhandlung des Rechts­ streits. In der Klagefrist soll ferner der Werth des nicht in einer bestinunten Geldsumme bestehenden Streitgegenstandes angegeben werden, wenn die Zuständigkeit des Gerichts von diesem Werthe abhängr. Außerdem fiiibeu die allgemeinen Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Ktageschrift Anwendung. 231. Aus Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf An­ erkennung einer Urkunde oder aus Feststellung der Unechtheit derselben kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältniß oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch rich­ terliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. 232. Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämmtliche An­ sprüche das Prozeßgericht zuständig und dieselbe Prozeßart zulässig ist. Die Besitzklage und die Klage, durch welche das Recht selbst geltend gemacht wird, können nicht in einer Klage verbunden werden. 233. Die Klageschrift ist zum Zwecke der Be­ stimmung des Termins zur mündlichen Verhand­ lung bei dem Gerichtsschreiber des Prozeßgerichts

einzureichen. Nach erfolgter Bestimmung des Termins hat der Kläger für die Zustellung der Klageschrift

Sorge zu tragen. 234. Zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termine zur mündlichen Verhandlung muß ein Zeitraum von mindestens einem Monat liegen (Einlassungsfrist).19 In Meß- und Markt­ 19. In RechtLstreitigkeiten, welche vor der Kammer für Handelssachen verhandelt werden, mindestens 2 Wochen. S 102 G.V.-G.

fachen beträgt die Einlassungsfrist mindestens vierundzwanzig Stunden. Ist die Zustellung im Auslande vorzunehmen, so hat der Vorsitzende bei Festsetzung des Termins die Einlassungssrist zu bestimmen. 235. Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet. Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen: 1) wenn während der Dauer der Rechtshängig­ keit von einer Partei die Streitsache anderweit anhängig gemacht wird, so kann der Gegner die Einrede der Rechtshängigkeit erheben; 2) die Zuständigkeit des Prozeßgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstünde nicht berührt: 3) der Kläger ist nicht berechtigt, ohne Ein­ willigung des Beklagten die Klage zu ändern. 236. Die Rechtshängigkeit schließt das Recht der einen oder der andern Partei nicht aus, die in Streit befangene Sache zu veräußeru oder den geltend gemachten Anspruch zu eediren. Die Beräußeruug oder Cession hat auf deu Prozeß keinen Einfluß. Der Rechtsnachfolger ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozeß als Hauptpartei an Stelle des Rechtsvorgängers zu übernehmen oder eine Haupt­ intervention zu erheben. Tritt der Rechtsnachfolger als Nebenintervenient auf, so findet der § 66 keine Anwendung. Die Entscheidung ist in Ansehung der Sache selbst auch gegen den Rechtsnachfolger wirksam und vollstreckbar. 237. Ist über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts, welches für ein Grundstück in An­ spruch genommen wird, oder einer Verpflichtung, welche auf einem Grundstücke ruhen soll, zwischen dem Besitzer und einem Dritten ein Rechtsstreit anhängig, so ist im Falle der Veräußerung des Grundstücks der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechts­ streit in der Lage, in welcher er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen. 238. Die Bestimmungen des § 236 Absatz 3 und des § 237 kommen insoweit nicht zur An­ wendung, als ihnen Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den Erwerb beweglicher Sachen, über Erwerb auf Grund des Grund- oder Hypotheken­ buchs und über den Erwerb in gutem Glauben entgegenstehen. In einem solchen Falle kann dem Kläger, welcher veräußert oder cedirt hat, der Einwand der nunmehr mangelnden Sachlegiti­ mation entgegengesetzt werden. 20 239. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die sonstigen Wirkungen der Rechtshängigkeit bleiben unberührt. Die Wirkungen, sowie alle Wirkungen, welche durch die Vorschriften des

20. Tie wichtigsten Bestimmungen dieser Art s. in den Artt. 2279, 2280, 1141 C.-G.-B., 306, 307 H.-G.-B., G. v. 23. März 1855.

v. Civilprozeßordnung. B. II. Abschn. 1. T. 1. bürgerlichen Rechts au die Anstellung, Mittheilung oder gerichtliche Anmeldung., der Klage, an die Ladung oder Einlassung des Beklagten geknüpft werden, treten unbeschadet der Vorschrift des § 190 mit der Erhebung der Klage ein.21 240. Als eine Aenderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Aenderung des Klagegrundes 1) die thatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; 2) der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebensorderungen erweitert oder be­

schränkt wird; 3) statt des ursprünglich geforderten Gegen­ standes wegen einer spater eingetretenen Verän­ derung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird. 241. Die Einwilligung des Beklagten in die Aenderung der Klage ist anzunehmen, wenn der­ selbe, ohne der Aenderung zu widersprechen, sich in einer mündticheil Verhandlung auf die abgeandertc Klage eingelassen hat. 242. Eine Anfechtung der Entscheidung, daß eine Aenderung der Klage nicht vortiege, findet nicht statt. 243. Die Klage taun olme Einwilligung des Beklagteil nur bis zum Beginlle der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurück genomnren werden. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, weiln sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Zustellung eines Schriftsatzes. Abschrist desselben ist sofort irach erfolgter Zustellung aus der Gerichtsschreibere», niederzillegen. Die Zurücknahme der Klage hat zur Folge, daß der Recht sstten als nicht anhängig geworden anzilfeheu ist; sie verpflichtet dem Kläger, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, sofern nicht über dieselben bereits rechtskräftig erkannt ist. Auf Antrag des Beklagten ist diese Verpflichtung durch lU't he i l auszusp recheil. Wird die Klage von Neuem angestellt, so kaun der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kostenerstattung erfolgt ist. 244. Der Beklagte hat dem Kläger mittels vor­ bereitenden Schriftsatzes die Klagebeantwortung innerhalb der ersten zwei Dritttheile der Zeit, welche zwischen der Zustellung der Klageschrift

und dem Termirre zur mündlichen Verhandlung liegt, zu stellen zn lassen. 245. Insoweit die Klageschrift und die Klage­ beantwortung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nicht genügen, hat jede Partei dem Gegner solche thatsächliche Behauptungen, Beweis­ mittel und Anträge, auf welche derselbe voraus­ sichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, vor der mündlichen Verhandlung mittels ferneren vorbereitenden

21. Vgl. iiivbejoiibere Art!. 2245, 2274, 1153 Art. 57 fr. C. i^ C. ist als durch £ 230 beseitigt anzuseheu.

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Schriftsatzes so zeitig mitzutheilen, daß der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag. Tritt eine Vertagung der mündlichen Verhand­ lung ein, so kann das Gericht die Fristen bestimmen, binnen welcher die noch erforderlichen vorbereitenden Schriftsätze mitzutheilen sind. 246. Die mündliche Verhandlung erfolgt nach den allgemeiner; Vorschriften. 247. Prozeßhindernde Einreden sind gleichzeitig und vor der Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache vorzubringen. Als solche Einreden sind nur anzusehen: 1) die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts; 2) die Einrede der Unzulässigkeit des Rechts­ wegs ; 3) die Einrede dcr Rechtshängigkeit; 4) die Einrede der mangelnden Sicherheit für die Prozeßkosteu; 5) die Einrede, daß die zur Erneuerung des Rechtsstreits erforderliche Erstattung der Kosten des früheren Verfahrens noch nicht erfolgt sei; 6) die Einrede der mangelnden Prozeßsähigkeit oder der mangelnden gesetzlichen Vertretung. Nach dem Beginne der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache können prozeßhin­ dernde Einreden nur geltend gemacht werden, wenn dieselben entweder solche sind, auf welche der Beklagte wirksam nicht verzichten kann, oder wenn der Beklagte glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden nicht im Stande gewesen sei, dieselben vor der Verhandlung zur Hauptsache geltend zu machen. 243, Ueber prozeßhindernde Einreden ist be­ sonders zn verhandeln und durch Urtheil zu entscheiden, wenn der Beklagte auf Grund der­ selben die Verhandlung zur Hauptsache verweigert, oder wenn das Gericht auf Antrag oder von Amtswegen die abgesonderte Verhandlung am ordnet. Das Urtheil, durch welches die prvzeßhindernde Einrede verworfen wird, ist in Betreff der Rechts­ mittel als Endurtheil anzusehen; das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, daß zur Haupt­ sache zu verhandeln sei. 249. Wird die Unzuständigkeit des Gerichts auf Grund der Bestimmungen über die sachliche Zu­ ständigkeit der Gerichte ausgesprochen, so ist zugleich auf Antrag des Klägers der Rechtsstreit an ein bestimmtes Amtsgericht des Bezirks zu

verweisen. Ist das Urtheil rechtskräftig, so gilt der Rechts­ streit als bei dem Amtsgericht anhängig. 250. Nach Erledigung der prozeßhindernden Einreden kann das Gericht in Prozessen, welche die Richtigkeit einer Rechnung, eine Vermögens­ auseinandersetzung oder ähnliche Verhältnisse zum Gegenstände Hatzen, unter Vertagung der münd­ lichen Verhandlung ein vorbereitendes Verfahren anordnen.

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D. Civilprozeßordnung. B. II. Abickrw I. T. I.

251. Angriffs- und Vertheidigungsmittel (Ein­ reden, Widerklage, Repliken ?c.) können bis zum Schlüsse derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil ergeht, geltend gemacht werden. Das Gericht kann, wenn durch- das Nachträge liche Vorbringen eines Angriffs- oder Vertheidi­ gungsmittels die Erledigung- des Rechtsstreits verzögert wird, der obsiegenden Partei, welche nach freier richterlicher Ueberzeugung im Stande war, das Angriffs- oder Vertheidigungsmitkel zeitiger geltend machen, die Prozeßkostcn ganz oder theilweise auferlegen. 252. Vertheidigungsmittel, welche von dem Beklagten nachträglich vorgebracht werden, können auf Antrag zurückgewiesen werden, wenn durch deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde, und das Gericht die Ueberzeugung gewinnt, das; der Beklagte in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit die Vertheidignngsmittel nicht früher vorgebracht hat. 253. Bis zum Schlüsse derjenige'.! mündlichen Verhandlung, ans welche das Urtheil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, das; ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis;, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Theile abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestcUt werde. 254. Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkte ein, in welchem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht wird. 255. Jede Partei hat unter Bezeichnung der Beweismittel, deren sie sich zum Nachweise oder zur Widerlegung thatsächlicher Behauptungen be­ dienen will, den Beweis anzutreten und über die von der Gegenpartei angegebenen Beweismittel sich zu erklären. In Betreff der einzelnen Beweismittel wird die Beweisantretung und die Erklärung auf die­ selbe durch die Vorschriften des sechsten bis zehnten Titels bestimmt. 256. Beweismittel und Beweiseinreden können bis zum Schlüsse derjenigen mündlichen Verhand­ lung, auf welche das Urtheil ergeht, geltend gemacht werden. Auf das nachträgliche Vorbringen von Beweis­ mitteln und Beweiseinreden findet die Vorschrift des § 251 Absatz 2 entsprechende Anwendung. 257. Die Beweisaufnahme und die Anordnung eines besonderen Beweisaufnahmeverfahrens durch Beweisbeschlufi wird durch die Vorschriften des fünften bis elften Titels bestimmt. 258. Ueber das Ergebniß der Beweisaufnahme haben die Parteien unter Darlegung des Streit­ verhältnisses zu verhandeln. Ist die Beweisaufnahme nicht vor den: Prozeß­ gerichte erfolgt, so haben die Parteien das Ergebniß

derselben auf Grund der Beweisverhcmdlungen vorzutragen. 250. Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gejammten Inhalts ber Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach fteier Ueberzeugung zu entscheiden, ob oiüe thatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urtheile sind die Gründe anzugeben, welche für die richterliche Ueberzeugung leitend gewesen sind. An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden. 260. Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei, und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdi gung aller Umstünde nach freier Ueberzeugung. Ob und inwieweit eine beantr agte Beweisaufnahme oder von Amtswegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Er­ messen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann anordnen, daß der Beweisfichrer den Schaden oder das Interesse eidlich schütze. In diesem Falle hat das Gericht zugleich den Betrag zu bestimmen, welchen die eidliche Schätzung nicht übersteigen darf. 22 Die Vorschriften über den Schätzungseid werden ausgehoben. 261. Die von einer Partei behaupteten That sachen bedürfen insoweit teines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Proto tolle eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind. Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen Annahme nicht erforderlich. 262. Die Wirksamkeit des gerichtlichen Gestünd nisses wird dadurch nicht beeinträchtigt, daß dem selben eine Behauptung hinzugefügt wird, welche ein selbständiges Angriffs- oder Vertheidigungs­ mittel enyält. Inwiefern eine vor Gericht erfolgte einräu­ mende Erklärung ungeachtet anderer zusätzlicher oder einschränkender Behauptungen als ein Ge­ ständnis; anzusehen sei, bestimmt sich nach der Beschaffenheit des einzelnen Falles. 263. Der Widerruf hat auf die Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses nur dann Einfluß, wenn die widerrufende Partei beweist, daß das Geständniß der Wahrheit nicht entspreche und durch einen Irrthum veranlaßt sei. In diesem Falle verliert das Geständniß seine Wirksamkeit. 264. Thatsachen, welche beiden: Gerichte offen kundig sind, bedürfen keines Beweises. 22. Ob neben diesem § Vorschriften civilrechtlichen In balts, welche wie Art. 117 fr. 2t.-G.-B., Art. 71 G. vom 15. April 1829 für einen bestimmten Fall einen Mindest oder Höchstbetrag des znznsprechenden Ersatzes festsetzen, Anspruch ans Weitergeltung baben, kann zweifelhaft sein.

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D. Civilprozehordiiung. B. II. Abschn.. I. T. 2.

265. Das in einem anderen Smate geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten be­ dürfen des Beweises nur insofern, alZ sie dem Gerichte unbekannt find. -Bei Ermittelung dieser Rechtsnormen ist. das Gericht aus die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere. Erkenntnißauellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Bemltzurcg das.,Erforderliche anzuvrdnen. • 26t). Wer eine thatsächliche Behauptung glaub­ haft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel mit Ausnahme der .Eideszuschiebung bedienen, auch zur eidlichen Versicherung der Wahrheit der Behauptung. zugeLassen.werden. Eine Beweisaufnahme, welche nicht sofort er­ folgen kann, ist unstatthaft. 267. Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozeßhaudlung be­ treffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt wer­ den, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der näch­ sten mündlichen Unterhandlung, welche auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in welcher auf dasselbe Bezug geuommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein mußte. Die vorstehende Bestimmung kommt nicht zur Anwendung, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht ver­

zichten kann. 268. Das Gericht kann in jeder Lage des Rechtsstreits die gütliche Beilegung desselben oder­ einzelner Streitpunkte versuchen oder die Parteien zum Zwecke des Sühneversuchs vor einen beauf­ tragten oder einen ersuchten Richter verweisen. Zum Zwecke des Sühneversuchs kann das persöiüiche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. 269. Die Anträge müssen aus den vorbereitenbeu Schriftsätzen verlesen werden. Soweit vorbereitende Schriftsätze nicht mitge­ theilt oder die Anträge in solchen nicht enthalten sind, mnß die Verlesung aus einem dem Proto­ kolle als Anlage beizufügenden Schriftsätze er­ folgen. Dasselbe gilt von Anträgen, welche von früher verlesenen in wesentlichen Punkten abweichen. Die Nichtbeachtung dieser Vorschriften hat die Nichtberücksichtigung der Anträge zur Folge. 270. Soweit es sich nicht um Anträge (§ 269) handelt, sind wesentliche Erklärungen, welche in vorbereitenden Schriftsätzen nicht enthalten sind, oder wesentliche Abweichungen von dem Inhalte solcher Schriftsätze, mögen die Abweichungen in Zusätzen, Weglassungen oder sonstigen Abände­ rungen bestehen, auf Antrag durch Schriftsätze, welche dem Protokolle als Anlage beizusügen sind,

festzustellen. In gleicher Weise sind auf Antrag auch Ge­ ständnisse sowie die Erklärungen über Annahme

oder

Zurückschiebung zugeschobener Ei.de festzu­

stellen. 271. Die Parteien können von den Prozeßakten Einsicht nehuren und sich aus denselben durch den Gerichtsschreiber Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften -ertheilen lassen. Dritten Personen kann der Vorstand des Ge­ richts ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Die Entwürfe zu Urtheilen, Beschlüssen und Verfügungen, die zur Vorbereitung derselben ge­ lieferten Arbeiten, sowie die Schriftstücke, welche Abstimurnngen oder Strafversügmtgen betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitge­ theilt.

Zweiter Titel.

Artistik. 272. Ist der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht dieselbe durch Endurtlier! zu erlassen. Dasselbe gilt, wenn von mehreren, zum Zwecke gleichzeitiger Verhaudlung und Entscheidung ver­ bundenen Prozessen nur der eine zur Eudentschei-

duug reif ist. 273. Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine, oder ist nur ein Theil eines Anspruchs, oder bei erhobeuer Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht dieselbe tnird) Endurtheil (Theilurtheil) zu erlassen. Die Erlassung eines Theilurtheils kann unter­ bleiben, wenn das Gericht sie nach der Lage der Sache nicht für angemessen erachtet. 274. Ist von dem Beklagten mittels Einrede eine Gegenfordernng geltend gemacht, welche mit der in der Klage geltend gemachten Forderung in rechtlichem Zusammenhänge steht, so kann, wenn nur die Verhandlung über die Forderung zur Endentscheidung reif ist, diese unter Trennung der Verhandlungen durch Theilurtheil erfolgen. 275. Ist ein einzelnes selbständiges Angriffsoder Vertheidigungsmittel oder ein Zwischenstreit zur Entscheidung reif, so kann die Entscheidung durch Zwischenurtheil erfolgen. 276. Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden. Das Urtheil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurtheil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf

Antrag anordnen, daß über den Betrag zu ver­ handeln sei. 277. Verzichtet der Kläger bei der mündlichen Verhandlung auf den geltend gemachten Anspruch, so ist er auf Grund des Verzichts mit dein An­ sprüche abzuweisen, wenn der Beklagte die Ab­ weisung beantragt.

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D. Eivilprozeßordnüng.

278. Erkennt eine Partei den gegen fie geltend gemachten Anspruch bei der mündlichen Verhand­ lung ganz oder zum Theil an, so ist sie auf Antrag dem Anerkenntnisse gemäß zu verurtheilen. 279 Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und an­ deren Nebenforderungen Ueber die Verpflichtung, die Prozeßkosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen 280 Das Urtheil kann nur von denjenigen Richtern gefällt werden, welche der dem Urtheile zu Grunde liegenden Verhandlung beigewohnt haben. 281 Die Verkündung des Urtheils erfolgt m dem Termine, in welchem die mündliche Verhand­ lung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termine, welcher nicht über eine Woche hinaus angesetzt werden soll

282 Die Verkündung des Urtheils erfolgt durch Vorlesung der Urtheilsformel. Bersäumnißurtheile können verkündet werden, auch wenn die Urtheils­ formel noch nicht schriftlich abgefaßt ist Wird die Verkündung der Entscheidungsgriinde für angemessen erachtet, so erfolgt sie durch Vorlesuttg der Gründe oder durch mündliche Mit theilung des wesentlichen Inhalts 283 Die Wirksamkeit der Verkündnng eines Urtheils ist von der Anwesenheit der Parteien nicht abhängig Die Verkündung gilt auch derjenigcn Partei gegenüber als bewirkt, welche den Termin versäumt hat Die Befugniß einer Partei, auf Grund eines verkündeten Urtheils das Verfahren fortzusetzen oder von deni Urtheile in anderer Weise Gebrauch zu machen, ist von der Zustellung an den Gegner nicht abhängig, soweit nicht dieses Gesetz ein An­ deres bestimmt 284. Das Urtheil enthält: 1) die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; 2) die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, welche bei der Entscheidung mitgewirkt haben; 3) eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf Grundlage der mündlichen Vor­ träge der Parteien unter Hervorhebung der gestellten Anträge (Thatbestand); 4) die Entscheidungsgründe; 5) die von der Darstellung des Thatbestandes und der Entscheidungsgründe äußerlich zu son­ dernde Urtheilsformel. Bei der Darstellung des Thatbestandes ist eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorberei­ tenden Schriftsätze und auf die zum Sitzungspro­ tokolle erfolgten Feststellungen nicht ausgeschlossen. 285. Der Thatbestand des Urtheils liefert rücksichtlich des mündlichen Parteivorbringens

B. II. Abschn. I T. 2. Beweis Dieser Beweis kann nut Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

dprch

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286.Das Urtheil ist W den Rickjtetn, tvelche bei der Entscheidung mitgewirkt habest, zu Unter­ schreiben. Ist ein Richtet verhindert, seine Unter schrift beizufügen, so wird dies unter Angabe des VerhinderUngsgrnndes von dem Vorsitzenden Und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beb­ sitzenden Richter unter dem Urtheile bemerkt Ein Urtheil, welches bei der Verkündung noch nicht in vollständiger Form abgefaßt war, ist vor Ablauf einer Woche vom Tage der Verkündung an gerechnet in vollständiger Abfassung dem Gerichtsschreiber zu übergeben Der Gerichtsschreiber hat auf dem Urtheile den Tag der Verkündung zu bemerken und diese Be­ merkung zu unterschreiben 287 Der Gerichtsschreiber hat die verkündeten und unterschriebenen Urtheile in ein Verzeichniß zu bringen Das Verzeichniß wird an bestimmten, von dem Vorsitzenden im Voraus festzusetzeudeu Wochentagen Mindestens auf die Dauer einer Woche ui der Gerichtsschreiberei ausgehängt 288 Die Zustellung der Urtheile erfolgt aus Betreiben der Parteien So lange das Urtheil nicht verkündet und nicht unterschrieben ist, dürfen Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften desselben nicht ertheilt werden Die Ansfertigutigeii und Auszüge der Urtheile sind von dem Gerichtsschreiber zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen 289 Das Gericht ist an die Entscheidung, welche in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurtheilen enthalten ist, gebunden 290 Schreibfehler, Rechnungssehler und ähn liche offenbare Unrichtigkeiten, welche in dem Urtheile vorkommen, sind jederzeit von dem Ge richte auch von Amtswegen zu berichtigen Ueber die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Beschluß, welcher eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urtheile und den Ausfertigungen

bemerkt Gegen den Beschluß, durch welchen der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluß, welcher eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Be­ schwerde statt. 291 Enthält der Thatbestand des Urtheils Unrichtigkeiten, welche nicht unter die Bestimmung des vorstehenden Paragraphen fallen, Aus­ lassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer einwöchigen Frist durch Zustellung eines Schriftsatzes bean­ tragt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage des Aushangs des Verzeichnisses, in welches das Urtheil einge­ tragen ist. Der Schriftsatz muß den Antrag auf Berechtigung

D. HivUpriHsßordupng. B. II. Abschn, V T» %

296. Beantragt der Kläger gegen im Ter­ mine zur mündlichen. BtzrhnndlnnH Nicht erschie­ nenen Beklagten das Bersäumnißurtheil, so ist das thatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzune^men.

und dje Ladung des Gegners zur mündlichen. Verhandlung enthalten. Pas Gericht entscheidet ohne porgängige Be­ weisaufnahme, Bei der Entscheidung wirken nur

Uejenrgen Richter mit, welche bei dem Urtheil mtgcwirkt haben Ist cm Richter verhindert, so gib", bei Stimmengleichheit die Stimme des Borgenden, und bei dessen Verhinderung die Stimnc des ältesten Richters den Ausschlag. Erne Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt Der Bischluß, welcher eine Berichtigung aus­ spricht, iiiri) aus dem Urtheile und den Aussertiguiigcii jcnicrft Die Berichtigung des Thatbestandes hat eine Aenderung des übrigen Theils des Urtheils nicht zur Folge 292 Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Thatbestände von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Ncbenauspruch, oder weiin der Kostenpunkt bei ber Endentscheidung ganz oder thcilweise über gangen ist, so ist auf Antrag das Urtheil durch liachträgliche Entichcidnug zu ergäiizen Die nachträgliche Entscheidung muß binnen einer enilvöchigen Frist, welche mit der Zustellung des Urtheils beginnt, durch Zustellung eines Schrift mtzes beantragt werden Der Schriftsatz muß den Antrag auf Ergänzung und die Ladung des Gegners Verhandlung enthalten

zur

mündlichen

Soweit dasselbe den Klagantrag rechtfertigt, ist nach dem Anträge zu erkennen; soweit dies nicht der Fall, ist die Klage abzuweisen.

I '

Die mündliche Verhandlung hat nur den nicht | erledigten Theil des Rechtsstreits zum Gegenstände 293 Urtheile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entichieden ist Die Entscheidung über das Bestehen oder Nicht­ bestehen einer Mittels Einrede geltend gemachten Gegenforderung ist der Rechtskraft fähig, jedoch nur bis zur Höhe desjenigen Betrags, mit welchem aufgerechnet werden soll. 294 Die auf Grund einer mündlichen Ver­ handlung ergehenden Beschlüsse des Gerichts müssen verkündet werden Die Vorschriften der §§ 280, 281 finden auf Beschlüsse des Gerichts, die Vorschriften der §§ 283, 288 auf Beschlüsse des Gerichts und auf Verfügungen des Vorsitzenden sowie eines beauf­ tragten oder ersuchten Richters entsprechende Anwendung. Nicht verkündete Beschlüsse des Gerichts und nicht verkündete Verfügungen des Vorsitzenden und eines beauftragten oder ersuchten Richters sind den Parteien von Amtswegen zuzustellen. Dritter Titel Sersäumnißurtheit. 295. Erscheint der Kläger un Termine zur mündlichen Verhandlung nicht, so ist auf Antrag das Versäummßurtheil dahin zu erlassen, daß der Kläger mit der Klage abzuweisen sei

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297. Als Verhandlungstermine im Sinne der vorstehenden Paragraphen sind auch diejenigen Termine anzusehen, auf . welche die mündliche Verhandlung vertagt ist, oder welche zur Fort­ setzung derselben vor oder nach dem Erlasse eines Beweisbeschlusses bestimmt sind. 298. Als nicht erschienen ist auch diejenige Partei auzusehen, welche in dem Termine zwar erscheint, aber nicht verhandelt. 299 Wenn eine Partei in dem Termine ver­ handelt, sich jedoch über Thatsachen, Urkunden oder Eideszuschiebungen nicht erklärt, so finden die Vorschriften dieses Titels keine Anwendung 300 Der Antrag aus Erlassung eines Versaumnißurtyeils ist zurückzuweisen, unbeschadet des Rechts der erschienenen Partei, die Vertagung der mündlichen Verhandlung zu beantragen: 1) wenn die erschienene Partei die vom Ge richte wegeii eines von Amtswegen zu berück­ sichtigenden Umstandes erforderte Nachweisung nicht zu beschaffen vermag, 2) wenn die nicht erschienene Partei nicht ordnungsmäßig, insbesondere nicht rechtzeitig ge laden war; 3) wenn der nicht erschienenen Partei ein thatsächliches mündliches Vorbringen oder ein Antrag nicht rechtzeitig mittels Schriftsatzes mit getheilt war Wird die Verhandlung vertagt, so ist die nicht erschienene Partei zu dem neuen Termine zu laden 301 Gegen den Beschluß, durch welchen der Antrag auf Erlassung des Versäumnihurtheils zurückgewiesen wird, findet sofortige Beschwerde statt Wird der Beschluß aufgehoben, so ist die nicht erschienene Partei zu dem neuen Termine nicht zu laden. 302. Das Gericht kann von Amtswegen die Verhandlung über den Antrag auf Erlassung des Versäumnißurtheils vertagen, wenn es dafür hält, daß die von dem Vorsitzenden bestimmte Einlassungs- oder Ladungsfrist zu kurz bemessen, oder daß die Partei durch Naturereignisse oder durch andere unabwendbare Zufälle am Erscheinen ver­ hindert worden sei. Die nicht erschienene Partei ist zu dem neuen Termine zu laden. 303. Der Partei, gegen welche ein Bersäummßurtheil erlassen ist, steht gegen dasselbe der Ein­ spruch zu. 304. Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen; sie ist eine Nothfrist und beginnt mit der Zustel­ lung des Versäumnißurtheils

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v. Ervilprozeßordnung. B. II. Abschn. 1. T. 4. War ein Termin lediglich zur Verhandlung über einen Zwischenstreit bestimmt, so beschränkt sich das. Bersäumnißverfahren und das Versäum nißnrtheil auf die Erledigung dieses Zwischen' streits. Die Vorschriften dieses Titels sinder entsprechende Anwendung.

Muß die Zustellung, im Auslande oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, so hat das Gericht die Einspruchsfrist im Bersäumnißurtheile oder nachträglich durch besonderen Beschluß, welcher ohne vorgängige mündliche Verhandlung erlassen werden kann, zu bestimmen. 305. Die Einlegung des Einspruchs erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes. Derselbe

Vierter Titel.

muß enthalten: 1) die Bezeichnung des Urtheils, gegen welches

der Einspruch gerichtet wird; 2) die Erklärung, daß gegen

dieses

llrtheil

Einspruch eingelegt werde; 3» die Ladung des Gegners zur mündlichen Verhandlung über die Hauptsache. Der Schriftsatz soll zugleich dasjenige enthalten, Nurs zur Vorbereitung der Verhandlung über die Hauptsache erforderlich ist. 3(H). Das Gericht hat von Amtswegen zu prüfen, ob der Einspruch an sich statthaft und ob er in der gesetzlichen fronn und frritf eingelegt sei. frehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. 307. Ist der Einspruch zulässig, so wird der Prozeß in die Lage zurückversetzt, in welcher er lieh vor Eintritt der Versäumnis; befand. 303. Insoweit die Entscheidung, welche ans Grund der neueii Verhandlung zu erlassen ist, niil der in dem Versäumnißunheile enthaltenen Entscheidung übereiiistini'.nt, ist anszuivrechen, daß diese Entscheidung aufrecht zu erhalten sei. Insoweit diese Voraussetzung nicht zutrisfr, wird das Versäuninißurtheil in deni neuen Urtheile aufgehoben.

309. Ist das Versäumnißurtheil in gesetzlicher Weise ergangen, so siiid die durch die Versäutiiiiis; veranlaßten osten, soweit sie nicht durch einen iinbegrüiideteii Widerspruch des Gegners entstanden sind, der säumigen Partei auch daun aufznerlegen, wenn in Folge des Einspruchs eine abändernde Entscheidniig erlassen wird. 310. Einer Partei, die den Einspruch eingelegt hat, aber in der zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzung oder in derjenigeit Sitzung, auf welche die Verbaiidlmig vertagt ist, nicht erscheint oder nicht zur Hauptsache verhandelt, steht gegen das Bersüumnißnrtheil, durch welches der Einspruch verworfen wird, ein weiterer Ein­

spruch nicht zu. 311. In Betreff des Verzichts auf den Ein­ spruch und der Zurücknahme desselben finden die Vorschriften über den Verzicht auf die Berufung und über die Zurücknahme derselben entsprechende Anwendung. 312. Tie Vorschriften dieses Titels finden auf das Verfahren, welches eine Widerklage oder die Bestimmung des Betrags eines dem Grunde nach bereits festgestellten Anspruchs ziem Gegenstände har, entsprechende Anwendung.

Vorbereitendes Verfahret» in Aechnungssachen, Auseinan­ dersetzungen und ähnlichen Prozessen.

313. Stellt sich in Prozessen, welche >ie Nich­ tigkeit einer Rechnung, eine Vermvgensauseinandersetzung oder ähnliche Verhältnisse zxm Oiegenstände haben, eine erhebliche Zahl von streitigen Ansprüchen oder von streitigen Erinnerungen gegen eine Rechnung oder gegen ein Inventar heraus, so kann das Prozeßgericht ein vorberei­ tendes Verfahren vor einem beanstragren Richter anoronen. 314. Bei der Verkündung des Beschlusses, durch welchen das vorbereitende Verfahren angeordnet würd, ist durch den Vorsitzenden der beauftragte Richter zu bezeichuen und der Termin zur Erle digung des Beschlusses zu bestimmen. Ist die Ternlinsveftiininnng unterblieben, so erfolgt sie durch den beauftragten Richter: wird dieser ver­ hindert, den Auftrag zu vottzienen. io ernennt der Vorsitzende ein anderes Mitglied 313. In dein vorbereitenden Verfahren ist zu Protokoll feftzußellen: 1) welche "Ansprüche erhoben iinD welche "An griffs und Vertheidignngsnlittel geltend gemacht werden: 2) welche Ansprüche und welche Angriffs und Vertheidignngsnlittel streitig oder unstreitig find; :>i in "Ansehung der bestrittenen "Ansprüche und der bestrittenen Angriffs- und Vertheidignngs mitte! das Sachverhältniß nebst den von den Parteien bezeichneten Beweismitteln, den geltend gentachten Beweiseinreden, den abgegebenen Er! klärungen über Beweismittel und Beweiseinreden und den gestellten Anträgen. Tas Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, welche zur Anwendung kommen würden, wenn der Rechtsstreit vor einem Amtsgerichte anhängig wäre; dasselbe ist fortzusetzen, bis der Rechtsstreit selbst oder ein Zwischenstreit zur Er­ lassung eines Urtheils oder eines Beweisbeschlusses reis erscheint. 310. Erscheint eine Partei in einem Termine vor dem beauftragten Richter nicht, so hat dieser das Vorbringen der erschienenen Partei in Ge­ mäßheit der Bestimmungen des vorstehenden Paragraphen zu Protokoll festzustelleit und einen neuen Termin anzuberaumen. Die nicht erschienene Partei ist zu dem neuen Termine unter Mitthei­

!

lung einer Abschrift des Protokolls zu laden. Erscheint die Partei auch in dem neuen Termine nicht, so gelten die in dem zugestellten Pro-

D. CünlProzeßordnung. B II Abschn k. T 5

io tolle eitt^altcnen thatsächlichen Behauptungen des Gegners als zugestanden und ist das vordelu'ltende Verfallen billigItd] derselben nicht Wetter wrtzuWen 317 Nach dein Schlüsse des vorbereitenden ^irtal)reib? ist der Tamm zur mündlichen Bert­ handlung vor dem Prozeßgerichte von Amtswegeu zu bestimmen und den Parteien bekannt zu ni ach en 318 Bei der mündlichen Berhandlung haben die Pansen das Ergebnis; des vorbereitenden Verfahrens ans Grund des Protokolls vorzutragen Vvü eine Partei Nicht erschienen, so sind Anipruche, welche sich in dem vorbereitenden Bersahren als unstreitig ergeben haben, durch Theilnrtheil zu erledigen Im Uebrigen ist ans Antrag ein BersaumnlNurtheil zu erlanen 310 Eine vor dem beauftragten Richter unter­ bliebene oder verweigerte Erklärung über That lachen, Urkunden oder Eides,zuichiebungai kann in der mündlichen Verhandlung nicht mehr nachge holt werden. Erklärungen einer vor dem beaufnagten Richter erichienenen Partei sind nur rnloweit als unterblieben anzusehen, als die Partei von dem Richter zur Abgabe einer Erklärung ausgefordert worden ist Ansprüche, Angriffs- und Bertheidigungsmittel, Beweismittel und Beweiseinreden, welche zum Protokolle des beauftragten Richters mcht festge­ stellt sind, können in der mündlichen Verhandlung nur geltend gemacht werden, wenn glaubhaft ge­ macht wird, das; dieselben erst später entstanden oder der Partei bi sannt geworden seien Münster Titel Allgemeine Bestimmungen Ü6er die Beweisaufnahme.

320 Die Beweisaufnahme erfolgt vor dem Prozeßgerichte Sie ist nur in den dnrch dieses Gesetz bestimmten Fällen einem Mitgliede des Prozeßgerichts oder einem anderen Gerichte zu übertragen Eine Anfechtung des Beschlusses, durch welchen die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet wird, findet nicht statt 321 Steht der Aufnahme des Beweises cm Hinderniß von ungewisser Tauer entgegen, so ist auf Antrag eine Frist zu bestimmen, nach deren fruchtlosem Ablaufe das Beweismittel nur benutzt werden kann, wenn dadurch das Verfahren nicht verzögert wird 322. Den Parteien ist gestattet, der Beweis­ aufnahme beizuwohnen 323. Erfordert die Beweisaufnahme ein beson­ deres Verfahren, so ist dasselbe durch Beweisbe­ schluß ^anzuordnen 324 Der Beweisbeschluß enthält: 1) die Bezeichnung der streitigen Thatsachen, aber welche der Beweis zu erheben ist:

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2) die Bezeichnung der Beweismittel unter Benerntnng der zu vernehmenden Zeugen uud Sach­ verständigen ; 3) die Bezeichnung der Parket, welche sich zum Nachweise ober zur Widerlegung thatsächlicher Behauptungen auf das Beweismittel berufen hat: 4) die Ecdesnorm, wenn die Abnahme eines zugenchovenen oder zuruckgeschobenen Eides an- ' geordnet wird 325 Bor Erledigung des Beweisbeschlusses kaun von keiner Partei eine Aenderung desselben auf Grund der früheren Verhandlungen beantragt werden 326 Soll Die Beweisaufnahme durch cm Mit glied des Prozeßgerlchts erfolgen, so wird bet der Verkündung des Beweisbeschiusses durch den Vorsitzenden der beauftragte Richter bezeichuet und der Termin ;m Biweisaufnahme bestimmt Ist Die Termiusvestimmung unterblieben, io erfolgt sie Durch den beauftragten 'Richter wird Derselbe verhindert. Di n Auftrag zu vollziehen, io ernennt der Vorfttzende an anderes Mitglied \'l 1 Soll die Bewetsaufnahlm Durch ein an­ deres Geruht a folgen, w ist das Ennchnngs schreiben von dem Vorsitzenden zu erlassen Tie am die Beweisaufnahme nch beziehenden Verhandlungen iuerben tu Urschrift von dem er luchten Richter dem Genchtsschreiba' des Prozeß­ gerichts ubanndet, welcher die Parteien von dem Eingänge, venachilchugt $28 Soll die Beweisaufnahme int Au Stande erfolgen, so hat Der Vorsitzende Die zustänDige BAförDe um Ausnahme des Beweises zu cimchcn Ma im Die Beweisaufnahme durch einen dielchs konful erfolgi u, w ist das Eriuchen an Dteien ;u richten 120 Wird eine ausländische Behörde ersucht, den Beweis aufzunehmen, so kann das Gericht anordnen, das; der Beweisführer DaS Ersuchungs­ schreiben zu besorgen und Die Erledigung des Ermcheus zu betreiben habe Tas Gericht sann sich ans Die Anordnung be schränken, daß Der Beweisführer eine Den Gesetzen des fremden Staates entsprechende öffentliche Urkunde über die Beweisaufnahme beizubringen habe In beiden Fällen ist m dem Beweisbeschlusse eine Frist zu bestimmen, binnen welcher von dem Beweisführer die Urkunde auf der Gerichtsschrelbcrci niederzulegen ist Nach fruchtlosem Ablaufe dieser Inst kann die Urkunde nur benutzt werden, wenn dadurch Das Verfahren nicht verzögert wird Ter Beweisführer hat den Gegner, wenn mög­ lich, von dem Orte und Der Zeit der Beweisauf­ nahme so zeitig m Kenntniß zu setzen, daß derselbe ferne Rechte tn geeigneter Weise wahrzunehmeu vermag. Ist die Benachrichtigung unter­ blieben, so hat das Gericht zu ermessen, ob und inwieweit der Beweisführer zur Benutzung der Beweisverhandlung berechtigt sei

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D. CivilprozeßordnUng. B. II. Abschn. L I. 6 7

330. Der beauftragte oder ersuchte Richter ist ermächtigt, falls sich später Gründe ergeben, welche die Beweisaufnahme durch ein anderes Gericht sachgemäß erscheinen lassen, dieses Gericht um die Aufnahme des Beweises zu ersuchen. Die Par­ teien sind von dieser Verfügung tu Kenntniß zu setzen. 331 Erhebt sich bei der Beweisaufnahme vor einem beauftragten oder ersuchten Richter ein Streit, von dessen Erledigung die Fortsetzung der Beweisaufnahme abhängig und zu dessen Ent schcidung der Richter nicht berechtigt ist, so erfolgt die Erledigung durch das Prozeßgericht Der Termin zur mündlicheu Verhandlung über den Zwischeustreit ist von Amtswegen zu be­ stimmen und den Parteien bekannt zu machen 332. Erscheint eine Partei oder erscheinen beide Parteien in dem Termine zur Beweisaufnahme nicht, so ist die Beweisaufnahme gleichwohl inso­ weit zu bewirken, als dies nach Lage der Sache geschehen sann

Eine nachträgliche Beweisaufnahme oder eine Vervollständigung der Beweisausnahlne ist biS zum Schlüsse Derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil ergeht, aus Antrag an­ zuordnen, weiln das Verfahren dadurch nicht ver zögert wird oder wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sei, in dem früheren Termine zu er scheuten und im Falle des Antrags ans Vervoll ständigung, daß durch ihr Nichterscheinen eine wesentliche Unvollständigkeit der Beweisaufnahme veranlaßt fei.

Sechster Titel. Aeweis durch Kugenschettt.

336. Die Antretung des Beweises durch ^Äugend­ schein erfolgt durch die Bezeichnung des Gegen­ standes des Augenscheins und durch die Angabe der zu beweisenden Thatsachen. 337 Das Prozeßgericht kann anordnen, daß bei der Einnahme des Augenscheins ein oder mehrere Sachverständige zuzuziehen seien. Es kann einem Mitgliede des Prozeßgerichts

oder einem anderen Gerichte die Einnahme des Augenscheins übertragen, auch die Ernennung der zuzuziehenden Sachverständigen überlassen

Siebenter Titel Aeugenbeweis.

338 Die Antretung des Zeugenbeweises erfolgt durch die Benennung der Zeugen und die Be­ zeichnung der Thatsachen, über welche die Ver­ nehmung der Zeugen stattfinden soll.

339 Die Vernehmung neuer Zeugeu, welche nach Erlassung eines Beweisbeschlusses bezüglich der in demselben bezeichneten streitigen Thatsachen benannt werden, ist aus Antrag zurückzuweisen, wenn durch die Vernehmung die Erledigung des Rechtsstreites verzögert werden würde und das Gericht die Ueberzeugung gewinnt, daß die Partei in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit die Zeugen nicht früher benannt hat

335. Erfolgt dte Beweisaufnahme vor dem Prozeßgerichte, so ist der Termin, in welchem die Beweisaufnahme stattfindet, zugleich zur Fort­ setzung der mündlichen Verhandlung bestimmt.

340 Die Aufnahme des Zeugenbeweises kann einem Mitgliede des Prozeßgerichts oder einem anderen Gerichte übertragen werden: 1) wenn zur Ausmittelung der Wahrheit die Vernehmung des Zeugen an Ort und Stelle dien­ lich erscheint; 2) wenn die Beweisaufnahme vor dem Prozeß­ gerichte erheblichen Schwierigkeiten unterliegen würde; 3) wenn der Zeuge verhindert ist, vor dem Prozeßgerichte zu erscheinen; 4) wenn der Zeuge m großer Entfernung von dem Sitze des Prozeßgerichts sich aufhält. Die Landesherren und die Mitglieder der lan­ desherrlichen Familien sowie die Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern sind durch ein Mitglied des Prozeßgerichts oder durch ein an­ deres Gericht in ihrer Wohnung zu vernehmen

In dem Beweisbeschlusse, welcher anordnet, daß die Beweisaufnahme vor einem beauftragten oder ersuchten Richter erfolgen solle, kann zugleich der Termin zur Fortsetzung der mündlichen Ver­ handlung vor dem Prozeßgerichte bestimmt werden. Ist dies nicht geschehen, so wird nach Beendigung der Beweisaufnahme dieser Termin von Amts­ wegen bestimmt und den Parteien bekannt ge­ macht

341 O öffentliche Beamte, auch wenn sie nicht mehr im Dienste sind, dürfen über Umstände, auf welche sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, als Zeugen nur mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde oder der ihnen zuletzt vorgesetzt gewesenen Dienstbehörde vernpmmen werden Für den Reichskanzler bedarf es der Genehmigung des Kaisers, für die Minister der Genehmigung des Landesherrn, für die Mitglieder

333 Wird ein neuer Termin zur Beweisauf­ nahme oder zur Fortsetzung derselben erforderlich, so ist dieser Termin, auch wenn der Beweisführer oder beide Parteleii in dem früheren Termine nicht erschienen waren, von Amtswegen zu be­ stimmen. 334. Entspricht die von einer ausländischen Behörde vorgenommene Beweisaufnahme den für das Prozeßgericht geltenden Gesetzen, so kann daraus, daß sie nach den ausländischen Gesetzen mangelhaft ist, fein Einwand entnommen werden

D. CibiHrltzößoödnüjlg. B< IL Abschrr. I. D. 7. der Senate der freien Hansestädte der Genehmi­ gung des Senats Die Genehmigung darf nur versagt werden, werm did Abloguug'Hes. Zmgmfses dem Wohle des Reichs rfoer einest Bitndesstaates Nachtheil bereiten würde.. Die Genehmigung ist durch das Prvzeßgericht emzuhylen und dem Zeugen bekannt zu machen.

342. Die Ladung der Zeugen ist von dem Ge­ richtsschreiber unter Bezugnahme auf den Beweis­ beschluß auszufertigen und von Amtswegen zuzustellen. Die Ladung muß enthalten: 1) die Bezeichnung der Parteien; 2) die Thatsachen, über welche die Vernehmung erfolgen soll; 3) die Anweisung, zur Ablegung des Zeugnisses bei Vermeidung der durch das Gesetz augedrohten Strafen in dem nach Zeit und Ort zu bezeich­ nenden Termine zu erscheinen. 343 Tie Ladung einer dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörenden Person des Soldatenstaudes als Zeuge erfolgt durch Er­ suchen der Militärbehörde 341 Das Gericht kann die Ladung davon ab­ hängig rnacheli, daß der Bewelsfuhrer einen Vor­ schuß zur Deckung der Staatskasse wegen der durch die Vernehmung des Zeugen ermachsendeii Auslagen hinterlegt.23 Erfolgt die Hinterlegung nicht binnen der be­ stimmten Frist, so unterbleibt die Ladung, wenn die Hinterlegung nicht so zeitig nachgeholt wird, daß die Vernehmung ohne Verzögerung des Ver­ fahrens erfolgen kann

345 Em ordnungsmäßig geladener Zeuge, welcher mehr erscheint, ist, ohne daß es eines Antrages bedarf, in die durch das Ausbleiben verursachten Kosten sowie zu einer Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und für den Fall, daß diese nicht beigetrieben werden kann, zur Strafe der Haft bis zu sechs Wochen zu verurtheilen. Im Falle wiederholten Ausbleibens kann die Strafe noch einmal erkannt, auch die zwangsweise Vorführung des Zeugen angeordnet werden. Gegen diese Beschlüsse findet die Beschwerde statt. Die Fortsetzung und die Vollstreckung der Strafe

gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärperson erfolgt auf Ersuchen durch das Militärgericht, die Vorführung einer solchen Person durch Ersuchen der Militär­ behörde.

23. Vgl. § 3 G.-K.-G - Da cs ein Vorschuß ist, welcher geleistet werden soll, d. h. eine Vorauszahlung, so dürfte für die „Hinterlegung desselben zur Deckung" nicht wie für die sonstigen Hinterlegungen der C.-P.-O. (vgl. nam. § 1011 die Ord. v. 3. Juli 1816 u. G. v 4. Juli 1872 maßgebend, sondern Einzahlung zur Enregistrementskasse oder an den Gerichtsschrerber erforderlich sein

47

346. Die Beurtheilung -in Strafe und Kosten unterbleibt, wenn- das Ausbleiben des Zeugen genügend entschuldigt ist. Erfolgt nachträglich genügende Entschuldigung, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben Die Anzeigen und Gesuche des Zeugen können schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschrei­ bers oder mündlich in dem zur Vernehmung bestimmten neuen Termine angebracht werden. 347 Der Reichskanzler, die Minister eines Bundesstaates, die Mitglieder der Senate der freien Hansestädte, die Vorstände der obersten Reichsbehörden und die Vorstände der Ministerien sind an ihrem Amtssitze oder, wenn sie sich außer­ halb desselben aufhalten, an ihrem Aufenthaltsorte zu vernehmen Die Mitglieder des Bundesraths sind während ihres Aufenthaltes am Sitze des Bundesraths an diesem Sitze, die Mitglieder einer deutschen gesetz gebenden Versammlung während der Sitzungs Periode und ihres Aufenthaltes am Orte der Veriammlung an diefein Orte zu vernehmen Zu einer Abweichung von den vorstehenden Bestimmungen bedarf es. in Betreff des Reichskanzlers der Genehnngiiug des Kaisers, in Betreff der Minister und der Mitglieder des Bundesraths der Genehmigung des Landesherrn, in Betreff der Mitglieder der Senate der freien Hansestädte der Genehmigung des Senats, in Betreff der übrigen vorbezeichneteli Be amten der Genehmigung ihres unmittel baren Vorgesetzten, m Betreff der Mitglieder einer gesetzgeben­ den Veriammlung der Genehmigung der letzteren. 348 Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt: 1) der Verlobte emer Partei, 2) der Ehegatte einer Partei, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 3) diejenigen, welche mit einer Partei in gera­ der Linie verwandt, verschwägert oder durch Adoption verbunden oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zwei­ ten Grade verschwägert sind, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht; 4) Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei der Ausübung der Seelsorge anver­ traut ist; 5) Personen, welchen kraft ihres Amtes, Stan­ des oder Gewerbes Thatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch die Natur derselben oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Thatsachen, auf welche die Verpflich­

tung zur Verschwiegenheit sich bezieht.

48

0. Civilprstzchvrdtmntz. Pc ÜLiUbschu^ L L

Dle unter Nr. 1 bis 3 bezeichneten Persvyen sind vor der Vernehmung über ihr Recht zur Verweigerung des ZeugmW- zu belehren

Die Vernehmung der M. 4, ö bezeichneten Personen ist, auch wenn das Zeugniß nicht ver­ weigert wird, auf Thatsachen nicht- zu richten, in Ansehung welcher erhsLt, daß ohne VeMtzung der Verpflichtung zur Verschwiegenheit ein ZenA mß nicht abgelegt werden kann 349 Das Zeugniß kann verweigert werden: 1) über Fragen, deren Beantwortung dem Zeu­ gen oder einer Person, zu welcher derselbe in einem der im § 348 Nr 1 bis 3 bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde; M über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem der im § 348 Nr 1 bis 3 bezeichneten Angehörigen desselben zur Unehre gereichen oder die G^ahr strafgerichtlicher Ver­ folgung zuziehen würde; 3i über Fragen, welche der Zeuge nicht würde beantworten können, ohne ein Kunst- oder Gewerbegeheimniß zu offenbaren

359

In den Fällen 'M § 348 Rr

1 bis 3

und des § 349 Nr 1 darf der Zeuge das Zeug­ niß nicht verweigern: li über die Errichtung und den Inhalt eines Rechtsgeschäfts, bei deffen Errichtung er als Zeuge zugezogen war; 2) über Geburten, Verheirathungen oder Sterbefütte von Familiengliedern; 3) über Thatsachen, welche die durch das Famllienverhältniß bedingten Bermögensangelegenheiten betreffen; 4) über diejenigen auf das streitige Rechtsver­ hältniß sich beziehenden Handlungen, welche von ihn! selbst als Rechtsvorgänger oder Vertreter citier Partei vorgenommen sein sollen. Die im § 348 Nr 4, 5 bezeichneten Personen dürfen das Zeugniß nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit ent­ bunden sind. 351. Der Zeuge, welcher das Zeugniß verwei­ gert, hat vor dem zu seiner Vernehmung bestimm­ ten Termine schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschrerbers oder in diesem Termine die Thatsachen, auf welche er die Weigerung gründet, anzugeben und glaubhaft zu machen.

Zur Glaubhaftmachung genügt in den Fällen des § 348 Nr. 4, 5 die mit Berufung auf einen geleisteten Diensteid abgegebene Versicherung. Hat der Zeuge seine Weigerung schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers erklärt, so ist er nicht verpflichtet, in dem zu seiner Verneh­ mung bestimmten Termine zu erscheinen. Von dem Eingänge einer Erklärung des Zeugen oder von der Aufnahme einer solchen zum Pro­ tokolle hat der Gerichtsschreiber die Parteien zu benachrichtigen

T.

352 Ueber die NechMräßlgkeit der Weigerung wird von dein Prozetzgerichte nach Nnihörung der Parteien entschiedene Der Zeuge ist nicht verpflichtet, sich durch einen Anwalt vertreten zu Lassen. Gegen das Zwischemmheil findet sofortige Be schwerde statt 353 Hat der Zeuge seine Weigerung schriftlich oder zum Protokolle des Gerichts schreibens erklärt und ist er m dem Termine nicht erschienen, ss hat auf Grund feiner Erklärungen ein Mitglied des Prozeßgerichts Bericht zu erstatten. 354 Erfolgt die Weigerung vor einem beauf­ tragten oder ersuchten Richter, so sind die EMäe rungen des Zeugen, wenn sm nicht schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers abgegeben sind, nebst den Erklärungen der Parteien m das Protokoll cmfzunehmM Zur mündlichen Verhandlung vor dem Prozeß­ gerichte werden der Zeuge und die Parteien von Anttswegen geladen Auf Grund der von dem Zeugen und den Parteien abgegebenen Erklärungen har em Mit­ glied des Prozeßgerichts Bericht zu erstatten Nach dem Vortrage des Berichterstatters können der Zeuge und die Parteien zur Begründung ihrer Anträge das Wort nehmen; neue Thatsachen oder Beweismittel dürfen nicht geltend geniacht werden 355 Wird das Zeugniß oder die Eidesleistung ohne Angabe eines Grundes oder, nachdem der vorgeschützte Grund rechtskräftig für unerheblich erklärt ist, verweigert, so ist der Zeuge, ohne daß es eines Antrags bedarf, in die durch die Weige­ rung verursachten Kosten sowie zu einer Geld­ strafe bis zu dreihundert Mark und für den Fall, daß diese nicht beigetrieben werden kann, zur Strafe der Haft bis zu sechs Wochen zu verur-

theilen Im Falle wiederholter Weigerung ist auf An­ trag zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft anzuordnen, jedoch nicht über den Zeitpunkt der Beendigung des Prozesses in der Instanz hinaus Die Vorschriften über die Hast im Zwangsvoll­ streckungsverfahren finden entsprechende Anwen­ dung. Gegen diese Beschlüsse findet

die Beschwerde

statt. Die Festsetzung und die Vollstreckung der Strafe gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärperson erfolgt auf Ersuchen durch das Militärgericht 356. Jeder Zeuge ist einzeln und vor seiner Vernehmung zu beeidigen; die Beeidigung kann jedoch aus besonderen Gründen, namentlich wenn Bedenken gegen ihre Zulässigkeit obwalten, bis nach Abschluß der Vernehmung ausgesetzt werden. Die Parteien können auf die Beeidigung ver­ zichten. 357. Der vor der Vernehmung zu Leistende Eid

lautet:

D. Civilprozeßordttung. B II Abschn 1 „daß Zeuge yach bestem Wissen die reine Wahvhett lagen, nichts verschweigen und nichts hlnzuietzen werde"; den nach der'Vernehmung zu Leistende Ejd Mittet „daß Zeuge nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt, nichts verschwiegen und nichts hmzugewtzt habe" Üötij Unbeeidigt sind zu vernehmen: 1) Personen, welche zur Zeit der Vernehmung das sechszehnte Lebensjahr noch nicht vollendet oder wegen mangelnder Verstandes^eife oder wegen Verstandesschwäche von dem Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben ;■ 2) Personen, welche nach den Beftlmmnngen der Strafgesetze unfähig sind, als Zeugen eidlich vernommen zu- werden; 3) die nach § 348 Nr 1 bis 3 und § 349 Nr. 1, 2 zur Verweigerung des Zeugnisses be­ rechtigten Personen, sofern sie von diesem Rechte kennen Gebrauch machen, die im § 349 Nr 1, 2 bezeichneten Personen jedoch nur dann, wenn sie lediglich über solche Thatsachen vorgeschlageri sind, auf welche sich das Recht zur Verweigerung des Zeugnisses bezieht, 4) Personen, welche bei dem Ausgange des Rechtsstreits unmittelbar betheiligt sind Das Prozeßgericht kann die nachträgliche Beei digung der unter den beiden letzten Nummern bezeichneten Personen anordnen 359 Jeder Zeuge ist einzeln und m Abwesen heit der später abzuhörenden Zeugen zu vernehmen. Zeugen, deren Aussagen sich widersprechen, können einander gegenüber gestellt werden 360 Die Vernehmung beginnt damit, daß der Zeuge über Vornamen und Zunamen, Alter, ReligionSbekenntniß, Stand oder Gewerbe und Wohnort befragt wird Erforderlichen Falls sind ihm Fragen über solche Umstände, welche seine Glaubwürdigkeit m der vorliegenden Sache be­ treffen, insbesondere über seine Beziehungen zu den Parteien vorzulegen. 361 Der Zeuge ist zu veranlassen, dasjenige, was ihm von dem Gegenstände seiner Verneh­ mung bekannt ist, un Zusammenhänge anzugeben. Zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage sowie zur Erforschung des Grundes, auf welchem die Wissenschaft des Zeugen beruht, sind nöthigen Falls weitere Fragen zu stellen. Der Vorsitzende hat jedem Mitgliede des Ge­ richts auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen 362. Die Parteien sind berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, welche sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten. Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten, und hat ihren Anwälten auf Verlangen zu ge­ statten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu richten

T K.

49

Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage ent scheidet das Gericht. 363 Das Prozeßgericht kann nach dem Er­ messen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen Hat em beauftragter oder ersuchter Richter bei der Vernehmung die Stellung der von einer Partei angeregten Krage verweigert, so kann das Prozeßgericht die nachträgliche Vernehmung des Zeugen über diese Frage anopdnen Bei der wiederholten oder der nachträglichen Vernehmung kann der Richter statt der nochma­ ligen Beeidigung den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern lassen 364. Die Partei kann auf einen Zeugen, welchen sie vorgeschlageu hat, verzichten, der Gegner kann aber verlangen, daß der erschienene Zeuge vernommen und, wenn die Vernehmung bereits begonnen hat. daß dieselbe fortgesetzt werde 365 Der mit der Beweisaufnahme betraute Richter ist ermächtigt, un Falle des Nlchrerschei neus oder der Zeugnißverwelgerung die gesetz­ lichen Verfügungen zu treffen, auch dieselben, so weit dieses überhaupt zulässig ist, selbst nach Er

ledigung des Antrags wieder aufzuheben, über die Zulässigkeit einer dem Zeugen vorgelegten Frage vorläufig zu entscheiden und die noch malige Vernehmung eines Zeugen vorzunehmen 366 Jeder Zeuge hat nach Maßgabe der Ge­ bührenordnung auf Entschädigung für Zettver säumniß und, wenn sein Erscheinen eine Reise erforderlich macht, auf Erstattung der Kosten Anspruch, welche durch die Reise und den Auf­ enthalt am Orte der Vernehmung verursacht werden Achter Titel Aerveis durch Sachverständige. "

367 Auf den Beweis durch Sachverständige finden die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechende Anwendung, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Bestimmungen enthalten sind 368. Die Antretung des Beweises erfolgt durch die Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte 369 Die Auswahl der zuzuziehenden Sachver­ ständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl er­ folgt durch das Prozeßgericht. Dasselbe kann sich auf die Ernennung eines einzigen Sachverständig gen beschränken. Es kann an Stelle der zuerst ernannten Sachverständigen andere ernennen. Sind für gewisse Arten von Gutachten Sach­ verständige öffentlich bestellt, so sollen andere

24. Tie Vorschriften dieses Titels finden nach § 13 E. (A entsprechende Anwendung auf die Fälle der Artt. 348, 365, 407 -B.

50

D. TivÄproKtßvrdüUng. 98: II Abschn. I. T K.

Personen nur dann gewählt werden, wenn, bei­ sondere Umstände es erfordern. Das Gericht kann Äre Parteien cmffordkrn, Personen zu bezeichnen, welche geeignet sind, als Sachverständige vernommen zu worden. Einigen sich die Parteien über bestimmte Per­ sonen als Sachverständige, so hat das Gericht dieser Einigung Folge zu geben; das Gericht kann jedoch die Wahl der Parteien auf eme be­ stimmte Anzahl beschränken. 37Q. Das Prozeßgericht kann den mit der Beweisaufnahme betrauten Richter zur Ernen­ nung der Sachverständigen ermächtigen. Derselbe hat in diesem Falle die in dem vorstehenden Pa­ ragraphen dem Prozeßgerichte beigelegten Befug­ nisse auszuüben 371 Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, welche zur Ablehnung emes Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungs­ grund kann jedoch nicht daraus entnommen wer­ den, daß der Sachverständige als Beuge vernom­ men worden ist Das Ablehnungsgesuch ist bei demiemgen Ge richte oder Richter, von welchem die Ernennung des Sachverständigen erfolgt ist, vor der Ver­ nehmung desselben, bei schriftlicher Begutachtung vor erfolgter Einreichung des Gutachtens anzu­ bringen Nach diesem Zeitpunkte ist die Ableh­ nung nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Ablehnungsgrund vorher nicht geltend gemacht werden konnte Das Ablehnungsgesuch kann vor dem Gerlchtsschreiber zu Protokoll er­ klärt werden Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen Die Entscheidung erfolgt von dem im zweiten Absätze bezeichneten Gerichte oder Richter; eine vorgängige mündliche Verhandlung der Betheiligten ist nicht erforderlich.

Gegen den Beschluß, durch welchen die Ableh­ nung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluß, durch welchen dieselbe für unbegründet erklärt wird, findet so­ fortige Beschwerde statt 372 Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge zu leisten, wenn er zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntniß Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerbe ausübt oder wenn er zur Aus­ übung derselben öffentlich bestellt oder ermäch­ tigt ist. Zur Erstattung des Gutachtens ist auch derlenige verpflichtet, welcher sich zu derselben vor Gericht bereit erklärt hat. 373 Dieselben Gründe, welche einen Zeugen berechtigen, das Zeugniß zu verweigern, berech­ tigen einen Sachverständigen zur Verweigerung

des Gutachtens. Das Gericht kann auch aus anderen Gründen einen Sachverständigen von der Verpflichtung zur Erstattung des Gu,achtens entbinden. Die Vernehmung eines bffertMchett Beamten als Sachverständigen findet nicht statt, wenn die vorgesetzte Behörde des Beamten erklärt, daß die Vernehmung den dienstlichen Interessen Nach­

theile bereiten würde

374. Im Falle des Nichterscheinens oder der Weigerung eines zur Erstattung des Gutachtens verpflichteten Sachverständigen wird dieser zum Ersätze der Kosten und zu einer Geldstrafe bis zu dreihundert Mark verurtheitt. Im Falle wie­ derholten Ungehorsams kann noch einmal eine Geldstrafe bis zu sechshundert Mark erkannt

werden. Gegen den Beschluß findet Beschwerde statt Die Festsetzung und die Vollstreckung der Strafe gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärperson erfolgt auf Ersuchen durch das Militärgericht 375 Der Sachverständige hat, wenn nicht beide Parteien auf seine Beeidigung verzichten, vor Erstattung des Gutachtens einen Eid dahin zu leisten daß er das von ihm geforderte Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstatten werde

Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der betreffenden Art im Allgemeinen beeidigt, so genügt die Berufung auf den geleiste­ ten Eid 376 Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, so hat der Sachverständige das von ihm unter­ schriebene Gutachten auf der Gerichtsschreiberei

mederzulegen Das Gericht kann das Erscheinen des Sachver­ ständigen anordnen, damit derselbe das schriftliche Gutachten erläutere 377 Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gut­ achtens mit Erfolg abgelehnt ist.

378. Der Sachverständige hat nach Maßgabe der Gebührenordnung auf Entschädigung für Zeitversäumniß, auf Erstattung der ihm verur­ sachten Kosten und außerdem auf angemessene Vergütung seiner Mühewaltung Anspruch. 379 Insoweit zum Beweise vergangener That­ sachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, sach­ kundige Personen zu vernehmen sind, kommen die Vorschriften über den Zeugenbeweis zur An­ wendung.

v. CiyilprptzdbürdMnA. B». ll^Mschn,.!. -T. 9: Munter TiM.

Wkweis ^)urch FtrKutrde«. 380. Urkunden, welche von einer öffentliche Behörde innerhalb -er Grenze ihrer Arytsbehigoifle pder von einer mit öffentlichem Glauben verschönen Person innerhalb pes ihr zugMiesenen Geschäftskreises in der yorgeschriebenen Form ausgenommen sind (öffentliche Urkunden), begrün­ den, wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung, errichtet sind, vollen Beweis des durch die Bchörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges. Der Beweis, daß der Vorgang unrichtig beur­ kundet sei, ist zulässig. 381. Prwaturkunben begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels ge­ richtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, daß die in denselben enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind. 382 Die von einer Behörde ausgestellten, eine amtliche Aiiordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden begründen vollen Beweis ihres Inhalts 383 Oeffentliche Urkunden, welche einen an­ deren als den in den §§ 38U, 382 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Thatsachen Der Beweis der Unrichligkeit der bezeugten Thatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesge­ setze diesen Beweis ausschließen oder beschränken 25 Beruht das Zeugniß nicht auf eigener Wahr­ nehmung der Behörde oder der Urkundsperfon, io findet die Vorschrift des ersten Absatzes nur da Nil Anwendung, wenn sich aus den Landes gesetzen ergibt, daß die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist. 384 Inwiefern Durchstreichungcn, Radirungen, Einschaltungen oder sonstige Mängel die Beweis­ kraft einer Urkunde ganz oder theilweise aufheben oder mmdern, entscheidet das Gericht nach freier Ueberzeugung. 385. Die Antretung des Beweises erfolgt durch die Vorlegung der Urkunde. 386. Befindet sich die Urkunde nach der Be­ hauptung des Beweisführers in den Händen des Gegners, so erfolgt die Antretung des Beweises durch den Antrag, dem Gegner die Vorlegung der Urkunde aufzugeben 387 Der Gegner ist zur Vorlegung der Ur­ kunde verpflichtet: 1) wenn der Beweisführer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Herausgabe der Ur­ kunde oder deren Vorlegung auch außerhalb des Prozesses verlangen kann; 2) wenn die Urkunde ihrem Inhalte nach eine

25. Derartige Beschränkungen sind durch § 2 A -G icittq:

be-

51

für den Beweisführer imb den- Gegner gemein­ schaftliche ist. Als gemeinschaftlich gilt eine Urkunde insbesondere für die Personen, in deren Interesse sie errichtet ist oder deren gegenseitige Rechtsver­ hältnisse darin beurkundet sind. Als gemeinschaftlich gelten auch die über ein Rechtsgeschäft zwischen den Betheiligten oder zwischen einem derselben und dem gemeinsamen Vermittler des Geschäfts gepflogenen schriftlichen Verhandlungen. 388. Der Gegner ist auch zur Vorlegung der­ jenigen in seinen Händen befindlichen Urkunden verpflichtet, mtf welche er im Prozeffe zur Be­ weisführung Bezug genommen hat, selbst wenn dieses nur in einem vorbereitenden Schriftsätze geschehen ist 389. Der Antrag soll enthalten: 1) die Bezeichnung der Urkunde; 2) die Bezeichnung der Thatsachen, welche durch die Urkunde bewiesen werden sollen; 3) die möglichst vollständige Bezeichnung des Inhalts der Urkunde; 4) die Angabe der Umstände, aus welche die Behauptung sich stützt, daß die Urkunde sich in dem Besitze des Gegners befindet; 5) die Bezeichnung des Grundes, welcher die Verpflichtung zur Vorlegung der Urkunde ergibt Der Grund ist glaubhaft zu machen 390 Erachtet das Gericht die Thatsache, welche durch die Urkunde bewiesen werden soll, für er­ heblich und den Antrag für begründet, so ordnet es, wenn der Gegner zugesteht, daß die Urkunde sich in seinen Händen befinde, oder wenn der f Gegner sich über ben Antrag nicht erklärt, die Vorlegung der Urkunde an

391 Bestreitet der Gegner, daß die Urkunde sich in seinem Besitze befinde, so hat er einen Eid zu leisten: daß er nach sorgfältiger Nachforschung die Ueberzeugung erlangt habe, daß die Urkunde in seinem Besitze sich nicht befinde, daß er die Urkiinde nicht in der Absicht abhanden gebracht habe, deren Benutzung dem Beweis­ führer zu entziehen, daß er auch nicht wisse, wo die Urkunde sich befinde Das Gericht kann eine der Lage der Sache entsprechende Aenderung der vorstehenden Eides­ norm beschließen Auf die Leistung des Eides durch Streitge­ noffen, gesetzliche Vertreter, Minderjährige und Verschwender finden die Vorschriften der §§ 434 bis 436 entsprechende Anwendung. Hat eine öffentliche Behörde Urkunden vor­ zulegen, so wird der Eid von dem Beamten ge­ leistet, welchem die Verwahrung der Urkunden übertragen ist. 392. Kommt der Gegner der Anordnung, die Urkunde vorzulegen oder den Eid zu leisten, nicht nach, so ist, wenn der Beweissührer eine Abschrift der Urkunde beigebracht hat, diese Abschrift als

52

D. Civilprozeßordnung. B. II. Abschn. I. T. 9.

rjchtig anzusehen. Ist eine Abschrift der Urkunde nicht beigebracht, so können die Behauptungen des Beweisführers über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen angenommen werden. 393. Befindet sich die Urkunde nach der Be­ hauptung des Beweisführers in den Händen eines Dritten, so erfolgt die Antretung des Beweises durch den Antrag, zur Herbeischaffung der Ur­ kunde eine Frist zu bestimmen. 394. Der Dritte ist aus denselben Gründen wie der Gegner des Beweisführers zur Vorlegung einer Urkunde verpflichtet; er kann zur Vorlegung nur im Wege der Klage genöthigt werden. 395. Zur Begründung des nach § 393 zu stel­ lenden Antrags hat der Beweisführer den Er­ fordernissen des § 389 Nr. 1 bis 3, 5 zu genügen und außerdem glauhaft zu machen, daß die Ur­ kunde sich in den Händen des Dritten befinde. 396. Ist die Thatsache, welche durch die Urkunde bewiesen werden soll, erheblich, und der Antrag den Bestimmungen des vorstehenden Paragraphen entsprechend, so hat das Gericht eine Frist zur Vorlegung der Urkunde in einem von dem Be­ weisführer zu erwirkenden Termine zu bestimmen. Der Gegner kann die Fortsetzung des Ver­ fahrens vor dem Ablaufe der Frist beantragen, wenn die Klage gegen den Dritten erledigt ist oder wenn der Beweisführer die Erhebung der Klage oder die Betreibung des Prozesses oder der Zwangsvollstreckung verzögert. 397. Befindet sich die Urkunde nach der Be­ hauptung des Beweisführers in den Händen einer öffentlichen Behörde oder eines öffentlichen Beam­ ten, so erfolgt die Antretung des Beweises durch den Antrag, die Behörde oder den Beamten um die Mittheilung der Urkunde zu ersuchen. Diese Vorschrift findet auf Urkunden, welche die Parteien nach den gesetzlichen Vorschriften ohne Mitwirkung des Gerichts zu beschaffen im Stande sind, keine Anwendung. Verweigert die Behörde oder der Beamte die Mittheilung der Urkunde in Fällen, in welchen eine Verpflichtung zur Vorlegung aus § 387 gestützt wird, so finden die Bestimmungen der §§ 393 bis 396 Anwendung. 398. Wird nach Erlassung eines Beweisbe­ schlusses über die in demselben bezeichneten strei­ tigen Thatsachen Beweis in Gemäßheit der §§ 393, 397 angetreten, so ist die Beweisantretung auf Antrag zurückzuweisen, wenn durch das zur Her­ beischaffung der Urkunden erforderliche Verfahren die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und das Gericht die Ueberzeugung gewinnt, daß die Partei in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit den Beweis nicht früher angetreten hat. 399. Wenn die Vorlegung einer Urkunde bei der mündlichen Verhandlung wegen erheblicher Hindernisse nicht erfolgen kann oder wegen der |

Wichtigkeit der Urkunde und der Besorgniß des Verlustes oder der Beschädigung bedenklich er­ scheint, so kann das Prozeßgericht anordnen, daß die Vorlegung vor einem seiner Mitglieder oder vor einem anderen Gerichte geschehe. 400. Eine öffentliche Urkunde kann in Urschrift oder in einer beglaubigten Abschrift, welche hin­ sichtlich der Beglaubigung die Erfordernisse einer öffentlichen Urkunde an sich trägt, vorgelegt wer­ den; das Gericht kann jedoch anordnen, daß der Beweisführer die Urschrift vorlege, oder die That­ sachen angebe und glaubhaft mache, welche ihn an der Vorlegung der Urschrift verhindern. Bleibt die Anordnung erfolglos, so entscheidet das Gericht nach freier Ueberzeugung, welche Beweiskraft der beglaubigten Abschrift beizulegen sei. 401. Der Beweisführer kann nach erfolgter Vorlegung einer Urkunde nur mit Zustimmung des Gegners auf dieses Beweismittel verzichten. 402. Urkunden, welche nach Form und Inhalt als von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person er­ richtet sich darstellen, haben die Vermuthung der Echtheit für sich. Das Gericht kann, wenn es die Echtheit für zweifelhaft hält, auch von Amtswegen die Be­ hörde oder die Person, von welcher die Urkunde errichtet sein soll, zu einer Erklärung über die Echtheit veranlassen. 403. Ob eine Urkunde, welche als von einer ausländischen Behörde oder von einer mit öffent­ lichem Glauben versehenen Person des Auslandes errichtet sich darstellt, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen sei, hat das Gericht nach den Umständen des Falles zu ermessen. Zum Beweise der Echtheit einer solchen Urkunde genügt die Legalisation durch einen Konsul oder Gesandten des Reichs. 404. Ueber die Echtheit einer Privaturkundc hat sich der Gegner des Beweisführers nach Vor­ schrift des § 129 zu erklären. Befindet sich unter der Urkunde eine Namens­ unterschrift, so ist die Erklärung auf die Echtheit der Unterschrift zu richten. Erfolgt die Erklärung nicht, so ist die Urkunde als anerkannt anzusehen, wenn nicht die Absicht, die Echtheit bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. 405. Die Echtheit einer nicht anerkannten Pri­ vaturkunde ist zu beweisen. Steht die Echtheit der Namensunterschrist fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen gerichtlich oder notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Hand­ zeichen stehende Schrift die Vermuthung der Echt­ heit für sich. 406. Der Beweis der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde kann auch durch Schriftvergleichung geführt werden. In diesem Falle hat der Beweisführer zur

o. Civilprozeßordnung. B. II. Abschn. I. T. 10.

Vergleichung geeignete Schriften vorzulegen oder deren Mittheilung in Gemäßheit der Bestimmung des § 397 zu beantragen und erforderlichen Falls den Beweis der Echtheit derselben anzutreten. Befinden sich zur Vergleichung geeignete Schrif­ ten in den Händen des Gegners, so ist dieser auf Antrag des Beweisführers zur Vorlegung ver­ pflichtet. Die Bestimmungen der §§ 386 bis 391 finden entsprechende Anwendung. Kommt der Gegner der Anordnung, die zur Vergleichung geeigneten Schriften vorzulegen oder den im § 391 bestimmten Eid zu leisten, nicht nach, so gilt der Echtheitsbeweis als geführt. Macht der Beweisführer glaubhaft, daß in den Händen eines Dritten geeignete Vergleichsschriften sich befinden, deren Vorlegung er im Wege der Klage zu erwirken im Stande sei, so finden die Vorschriften des § 396 entsprechende Anwendung. 407. Ueber das Ergebniß der Schriftvergleichung hat das Gericht nach freier Ueberzeugung, geeig­ neten Falls nach Anhörung.von Sachverständigen zu entscheiden. 408. Urkunden, deren Echtheit bestritten ist oder deren Inhalt verändert sein soll, werden bis zur Erledigung des Rechtsstreits auf der Gerichts­ schreiberei verwahrt, sofern nicht ihre Auslieferung an eine andere Behörde im Interesse der öffent­ lichen Ordnung erforderlich ist. 409. Ist eine Urkunde von einer Partei in der Absicht, deren Benutzung dem Gegner zu ent­ ziehen, beseitigt oder zur Benutzung untauglich gemacht, so können die Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit und den Inhalt der Ur­ kunde als bewiesen angesehen werden. Zehnter Titel. Aerveis durch Hid.

410. Die Eideszuschiebung ist nur über That­ sachen zulässig, welche in Handlungen des Gegners, seiner Rechtsvorgänger oder Vertreter bestehen oder welche Gegenstand der Wahrnehmung dieser Personen gewesen sind. 411. Die Eideszuschiebung über eine Thatsache, deren Gegentheil das Gericht für erwiesen erachtet, ist unzulässig. 412. Eine nicht beweispflichtige Partei über­ nimmt durch Eideszuschiebung nicht die Beweis­ pflicht. 413. Die Zurückschiebung des Eides ist nur insofern zulässig, als nach den Bestimmungen des § 410 die Zuschiebung desselben zulässig sein würde. Sie findet nicht statt, wenn die Partei, welcher der Eid zugeschoben ist, nicht aber die Gegen­ partei über ihre eigene Handlung oder Wahrneh­ mung zu schwören haben würde. 414. Der Eid kann nur der Partei, nicht einem Dritten zugeschoben oder zurückgeschoben werden. Die Zuschiebung oder Zurückschiebung an einen D. Civilprozeß.

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Nebenintervenienten findet nur statt, wenn dieser als Streitgenosse der Hauptpartei anzusehen ist (§ 66). 415. Das Gericht kann anordnen, daß die in den §§ 410, 413, 414 enthaltenen Beschränkungen für die Zuschiebung und Zurückschiebung des Eides nicht zur Anwendung kommen sollen, wenn die Parteien in Betreff des zu leistenden Eides einig sind und der Eid sich auf Thatsachen bezieht. 416. Die Antretung des Beweises erfolgt durch die Erklärung, daß dem Gegner über die bestimmt zu bezeichnende Thatsache der Eid zugeschoben werde. 417. Die Partei, welcher der Eid zugeschoben ist, hat sich zu erklären, ob sie den Eid annehme oder zurückschiebe, selbst wenn sie Einwendungen in Beziehung auf die Eideszuschiebung vorbringt. Gibt die Partei keine Erklärung ab oder schiebt sie in einem Falle, in welchem die Zurückschiebung unzulässig ist, den Eid zurück, ohne denselben bedingt anzunehmen, so wird der Eid als verwei­ gert angesehen. 418. Durch die Zuschiebung, Annahme oder Zurückschiebung des Eides wird die Geltend­ machung anderer Beweismittel von Seiten der einen oder der anderen Partei nicht ausge­ schlossen. Werden andere Beweismittel geltend gemacht, so gilt der Eid nur für den Fall als zugeschoben, daß die Antretung des Beweises durch die anderen Beweismittel erfolglos bleibt. 419. Werden andere Beweismittel geltend ge­ macht, so ist die Partei, welcher der Eid zuge­ schoben wurde, nicht verpflichtet, sich über die Eideszuschiebung früher zu erklären, als bis die Eideszuschiebung nach Aufnahme oder sonstiger Erledigung der anderen Beweismittel wieder­ holt ist. Sind andere Beweise ausgenommen, so kann die vorher abgegebene Erklärung widerrufen werden. 420. Wegen unterbliebener Erklärung auf eine Eideszuschiebung kann der Eid nur dann als verweigert angesehen werden, wenn die Partei durch das Gericht zur Erklärung über den Eid aufgefordert ist. 421. Der zurückgeschobene Eid gilt auch ohne ausdrückliche Erklärung über die Annahme als von dem Beweisführer angenommen. 422. Die Zurückschiebung des Eides kann außer dem Falle des § 419 Absatz 2 widerrufen werden, wenn der Schwurpflichtige wegen wissentlicher Verletzung der Eidespflicht rechtskräftig verurtheilt oder wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Gegner erst nach erfolgter Zurückschiebung des Eides von einer solchen Verurteilung Kenntniß

erlangt habe. 423. Die Annahme oder Zurückschiebung des Eides kann außer den Fällen des § 419 Absatz 2 und des § 422 nicht widerrufen werden. 5

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424. Ueber eine Thatsache, welche in einer Handlung des Schwurpflichtigen besteht oder Gegenstand seiner Wahrnehmung gewesen ist, wird der Eid dahin geleistet: daß die Thatsache wahr oder nicht wahr sei. Ist eine solche Thatsache vom Gegner des Schwurpflichtigen behauptet und kann dem letzteren nach den Umständen des Falles nicht zugemuthet werden, daß er die Wahrheit oder Nichtwahrheit derselben beschwöre, so kann das Gericht auf Antrag die Leistung des Eides dahin anordnen: daß der Schwurpflichtige nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Ueberzeu­ gung erlangt habe, daß die Thatsache wahr oder nicht wahr sei. Ueber andere Thatsachen wird der Eid dahin

geleistet: daß der Schwurpflichtige nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Ueberzeu­ gung erlangt oder nicht erlangt habe, daß die Thatsache wahr sei. 425. Auf die Leistung eines Eides ist durch

bedingtes Endurtheil zu erkennen. Die Eidesleistung erfolgt erst nach Eintritt der Rechtskraft des Urtheils. 426. Sind die Parteien über die Erheblichkeit und die Norm des Eides einverstanden oder dient der Eid zur Erledigung eines Zwischenstreits, so kann die Leistung des Eides durch Beweisbeschluß angeordnet werden. Hängt die Entscheidung über einzelne selbstän­ dige Angriffs- und Vertheidigungsmittel von der Leistung eines Eides ab, so kann die Leistung des Eides durch Beweisbeschluß angeordnet oder auf dieselbe ducch bedingtes Zwischenurtheil erkannt werden. In dem letzteren Falle erfolgt die Eides­ leistung nur dann, wenn durch bedingtes Endur­ theil rechtskräftig erkannt ist, daß es auf dieselbe für die Endentscheidung des Rechtsstreits noch ankomme. 427. In dem bedingten Urtheil ist die Eides­ norm und die Folge sowohl der Leistung als der Nichtleistung des Eides so genau, als die Lage der Sache dies gestattet, festzustellen. Der Eintritt dieser Folge wird durch Endurtheil ausgesprochen. 428. Durch Leistung des Eides wird voller Beweis der beschworenen Thatsache begründet. Der Beweis des Gegentheils findet nur unter denselben Voraussetzungen statt, unter welchen ein rechtskräftiges Urtheil wegen Verletzung der Eides­ pflicht angefochten werden kann. 429. Die Erlassung des Eides von Seiten des Gegners hat dieselbe Wirkung, wie die Leistung des Eides. Die Verweigerung der Eidesleistung hat zur Folge, daß das Gegentheil der zu beschwörenden Thatsache als voll bewiesen gilt. 430. Erscheint der Schwurpflichtige in dem zur Eidesleistung bestimmten Termine nicht, so ist auf

Antrag ein Versäumnißurtheil dahin zu erlaßen, daß der Eid als verweigert anzusehen sei. 431. Der Schwurpflichtige, welcher frühere Be­ hauptungen zurücknimmt oder früher bestrittene Thatsachen zugesteht, kann sich zur Leistung eines beschränkteren Eides erbieten, selbst wenn der Eid bereits durch bedingtes Urtheil auferlegt ist. Auch können unerhebliche Umstände, welche in die Eidesform ausgenommen sind, berichtigt werden. 432. Ist der Eid durch bedingtes Urtheil auf­ erlegt, so kann, auch nach Eintritt der Rechtskraft, die Zuschiebung sowie die Zurückschiebung des Eides widerrufen werden, wenn der Schwur­ pflichtige wegen wissentlicher Verletzung der Eides­ pflicht rechtskräftig verurtheilt oder wenn glaub­ haft gemacht wird, daß der Gegner erst nach erfolgter Zuschiebung oder Zurückschiebung des Eides von einer solchen Verurtheilung Kenntniß erlangt habe. 433. Wenn der Schwurpflichtige stirbt, wenn er zur Leistung des Eides unfähig wird oder wenn er aufhört gesetzlicher Vertreter zu sein, so können beide Parteien in Ansehung der betreffen­ den Beweisführung alle Rechte ausüben, welche ihnen vor der Zuschiebung des Eides zustanden. Dasselbe gilt, wenn in Folge der Verurtheilung des Schwurpflichtigen wegen wissentlicher Ver­ letzung der Eidespflicht die Zuschiebung oder Zurückschiebung des Eides widerrufen wird. Ist dtr Eid durch ein bedingtes Urtheil auf­ erlegt, so wird unter Aufhebung des Urtheils in der Sache anderweit erkannt. 434. Der Eid über eine Thatsache, welche für ein allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festzustellendes Rechtsverhältniß von Einfluß ist, muß allen Streitgenossen zugeschoben oder zurück­ geschoben werden, sofern nicht rücksichtlich einzelner Streitgenossen die Zuschiebung oder Zurückschiebung unzulässig ist. In jedem Falle bedarf es zur Zuschiebung oder zur Zurückschiebung der über­ einstimmenden Erklärung aller Streitgenossen. Ueber die Annahme des Eides haben sich nur diejenigen Streitgenossen zu erklären, welchen der Eid zugeschoben ist. Ist der von allen oder von einigen Streit­ genossen zu leistende Eid von einem oder mehreren derselben, oder ist der von einem Theile der Streitgenossen zu leistende Eid von allen Schwur­ pflichtigen verweigert oder als von ihnen ver­ weigert anzusehen, so entscheidet das Gericht nach freier Ueberzeugung, ob die Behauptung, deren Beweis durch Eideszuschiebung angetreten ist, für wahr zu erachten sei. Erklären einzelne Streit­ genossen, daß sie den Eid nicht leisten werden, so ist in Ansehung der übrigen Streitgenossen die Leistung des Eides nicht anzuordnen oder der Eid nicht abzunehmen, sofern das Gericht denselben für unerheblich erachtet. 435. Ist eine Partei nicht prozeßfähig, so ist die Zuschiebung oder Zurückschiebung des Eides

D. Civilprozeßordnung. B. II. Abschn. I. T. 11. 12.

nur an ihren gesetzlichen Vertreter und nur inso­ weit zulässig, als die vertretene Partei, wenn sie den Prozeß in Person führte, oder der Vertreter, wenn er selbst Partei wäre, dieselbe zulassen

müßte. Minderjährigen, welche das sechzehnte Lebens­ jahr zurückgelegt haben, oder Verschwendern kann über Thatsachen, welche in Handlungen derselben bestehen oder Gegenstand ihrer Wahrnehmung gewesen sind, der Eid zugeschoben oder zurück­ geschoben werden, sofern dies von dem Gerichte auf Antrag des Gegners nach den Umständen des Falles für zulässig erklärt wird. 436. Sind mehrere gesetzliche Vertreter vor­ handen, so finden die Vorschriften des § 434 ent­ sprechende Anwendung. Betrifft der Eid die eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen nur einiger oder eines der Vertreter, so ist er von den übrigen nicht zu leisten. 437. Ist das Ergebniß der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreichend, um die Ueberzeugung des Gerichts von der Wahr­ heit oder Unwahrheit der zu erweisenden That­ sache zu begründen, so kann das Gericht der einen oder der anderen Partei über eine streitige That­ sache einen Eid auferlegen. 438. Der richterliche Eid kann allen Streit­

genoffen oder gesetzlichen Vertretern, er kann einigen oder einem derselben auferlegt werden. 439. Die Bestimmungen der §§ 422 bis 433, 435 finden auf den richterlichen Eid entsprechende Anwendung. Ist der Schwurpflichtige wegen wissentlicher Verletzung der Eidespflicht rechtskräftig verurtheilt, so ist der Antrag des Gegners, den richterlichen Eid zurückzunehmen, gerechtfertigt, wenngleich der Gegner schon vor der Auferlegung des Eides von dieser Verurtheilung Kenntniß gehabt hat. Der richterliche Eid wird durch bedingtes Urtheil auferlegt.

Elfter Titel. Verfahren Sei der Abnahme von Eiden.

440. Der Eid muß von dem Schwurpflichtigen

in Person geleistet werden. 441. Das Prozeßgericht kann anordnen, daß die Eidesleistung vor einem seiner Mitglieder oder vor intern anderen Gericht erfolge, wenn der Schwurpflichtige am Erscheinen vor dem Prozeß­ gerichte verhindert ist oder in großer Entfernung von dem Sitze desselben sich aufhält. Die Eidesleistung der Landesherren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie der Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern erfolgt in der Wohnung derselben vor einem Mitgliede des Prozeßgerichts oder vor einem anderen Gerichte. 442. Vor der Leistung des Eides hat der Richter den Schwurpflichtigen in angemessener Weise auf die Bedeutung des Eides hinzuweisen.

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443. Der Eid beginnt mit den Worten: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden" und schließt mit den Worten: „So wahr mir Gott helfe." 444. Der Eid wird mittels Nachsprechens oder Ablesens der die Eidesnorm enthaltenden Eides­ formel geleistet.' Der Schwörende soll bei der Eidesleistung die Hand erheben. Ist die Eidesnorm von großem Umfange, so genügt die Vorlesung der Eidesnorm und die Verweisung auf die letztere in der Eidesformel. Die Landesherren und die Mitglieder der landesherrlichen Familie sowie die Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern leisten den Eid mittels Unterschreibens der die Eidesnorm ent­ haltenden Eidesformel. 445. Stumme, welche schreiben können, leisten den Eid mittels Abschreibens und Unterschreibens der die Eidesnorm enthaltenden Eidesformel. Stumme, welche nicht schreiben können, leisten den Eid mit Hülfe eines Dolmetschers durch Zeichen. 446. Der Eidesleistung wird gleichgeachtet, wenn ein Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, eine Er­ klärung unter der Betheuerungsformel dieser Religionsgesellschaft abgibt. 26

Zwölfter Titel. Sicherung des Aerveifes.

447. Die Einnahme des Augenscheins und die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen kann zur Sicherung des Beweises erfolgen, wenn zu besorgen ist, daß das Beweismittel verloren oder die Benutzung desselben erschwert werde. 448. Das Gesuch ist bei dem Gericht anzu­ bringen, vor welchem der Rechtsstreit anhängig ist; es kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. In Fällen dringender Gefahr kann das Gesuch auch bei dem Amtsgericht angebracht werden, in dessen Bezirke die zu vernehmenden Personen sich aufhalten oder der in Augenschein zu nehmende Gegenstand sich befindet. Bei dem bezeichneten Amtsgerichte muß das Gesuch angebracht werden, wenn der Rechtsstreit noch nicht anhängig ist. 449. Das Gesuch muß enthalten: 1) die Bezeichnung des Gegners; 2) die Bezeichnung der Thatsachen, über welche die Beweisaufnahme erfolgen soll; 3) die Bezeichnung der Beweismittel unter Benennung der zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen;

26. Vgl. § 12 E.-G. u. Bem. zu § 51 G.-B.-G.

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D. Civilprozeßordnung. B. II. Abschn. II.

4) die Darlegung des Grundes, welcher die Besorgniß rechtfertigt, daß das Beweismittel ver­ loren oder die Benutzung desselben erschwert werde. Dieser Grund ist glaubhaft zu machen. 450. Mit Zustimmung des Gegners kann die beantragte Beweisaufnahme angeordnet werden, auch wenn die Voraussetzungen des § 447 nicht vorliegen. 451. Die Entscheidung über das Gesuch kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. In dem Beschlusse, durch welchen dem Gesuche stattgegeben wird, sind die Thatsachen, über welche der Beweis zu erheben ist, und die Beweismittel unter Benennung der zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen zu bezeichnen. Eine Anfech­

tung dieses Beschlusses findet nicht statt. 452. Der Beweisführer ist verpflichtet, sofern es nach den Umständen des Falles geschehen kann, unter Zustellung des Beschlusses und einer Ab­ schrift des Gesuchs zu dem für die Beweisauf­ nahme bestimmten Termine den Gegner so zeitig zu laden, daß derselbe in diesem Termine seine Rechte wahrzunehmen vermag. Die Nichtbefolgung dieser Vorschrift steht der Beweisaufnahme nicht entgegen. 453. Die Beweisaufnahme erfolgt nach den für die Aufnahme des betreffenden Beweismittels überhaupt geltenden Vorschriften. Das Protokoll über die Beweisaufnahme ist bei dem Gerichte, welches dieselbe angeordnet hat, aufzubewahren. 454. Jede Partei hat das Recht, die Beweis­ verhandlungen in dem Prozesse zu benutzen. War der Gegner in dem Termine nicht er­ schienen, in welchem die Beweisaufnahme erfolgte, so ist der Beweisführer zur Benutzung der Be­ weisverhandlungen nur dann berechtigt, wenn der Gegner zu dem Termine rechtzeitig geladen war oder wenn der Beweisführer glaubhaft macht, daß ohne sein Verschulden die Ladung unter­ blieben oder nicht rechtzeitig erfolgt sei. 455. Wird von dem Beweisführer ein Gegner nicht bezeichnet, so ist das Gesuch nur dann zu­ lässig, wenn der Beweisführer glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden außer Stande sei, den Gegner zu bezeichnen. Wird dem Gesuche stattgegeben, so kann das Gericht dem unbekannten Gegner zur Wahrneh­ mung seiner Rechte bei der Beweisaufnahme einen Vertreter bestellen.

Zweiter Abschnitt. Ierfahren vor bett Amtsgerichten.

456. Auf das Verfahren vor den Amtsgerichten finden die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten Anwendung, soweit nicht aus den allgemeinen Bestimmungen des ersten Buchs, aus den nachfolgenden besonderen Bestimmungen

und aus der Verfassung der Amtsgerichte sich Abweichungen ergeben. 457. Die Klage kann bei dem Gerichte schrift­ lich eingereicht oder zum Protokolle des Gerichts­ schreibers angebracht werden. 458. Nach erfolgter Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung hat der Gerichts­ schreiber für die Zustellung der Klage Sorge zu tragen, sofern nicht der Kläger erklärt hat, dieses selbst thun zu wollen. 459. Die Einlassungsfrist beträgt mindestens drei Tage, wenn die Zustellung im Bezirke des Prozeßgerichts, mindestens eine Woche, wenn sie außerhalb desselben, jedoch im Deutschen Reich erfolgt; in Meß- und Marktsachen mindestens vierundzwanzig Stunden. Ist die Zustellung im Auslande vorzunehmen, so hat das Gericht bei Festsetzung des Termins die Einlassungsfrist zu bestimmen. 460. Die Klage wird durch Zustellung der Klageschrift oder des die Klage enthaltenden Pro­ tokolls erhoben. 461. An ordentlichen Gerichtstagen können die Parteien zur Verhandlung des Rechtsstreits ohne Ladung und Terminsbestimmung vor Gericht er­ scheinen. Die Erhebung der Klage erfolgt in diesem Falle durch den mündlichen Vortrag derselben. 462. Die Vorschriften der §§ 457, 458 finden entsprechende Anwendung, wenn eine Partei im Lause des Rechtsstreits zu laden ist, insbesondere zur Verhandlung über einen Zwischenstreit, über den Antrag aus Berichtigung oder Ergänzung eines Urtheils, über den Einspruch, über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder über die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens, oder wenn eine Inter­ vention oder Streitverkündung erfolgen soll. 463. Auch wenn eine Partei nicht zu laden ist, können ihr Anträge und Erklärungen, auf welche sie ohne vorgängige Mittheilung voraussichtlich eine Erklärung in einer mündlichen Verhandlung nicht abzugeben vermag, durch Zustellung eines Protokolls des Gerichtsschreibers mitgetheilt werden. Diese Mittheilung kann auch unmittelbar und ohne besondere Form geschehen. 464. Bei der mündlichen Verhandlung hat das Gericht dahin zu wirken, daß die Parteien über alle erheblichen Thatsachen sich vollständig er­ klären und die sachdienlichen Anträge stellen. 465. Die Vorschrift, daß prozeßhindernde Ein­ reden gleichzeitig und vor der Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen sind, findet nur insoweit Anwendung, als die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts vor der Verhandlung zur Hauptsache geltend zu machen ist. Ist das Amtsgericht sachlich unzuständig, so hat es vor der Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache denselben auf die Unzuständigkeit auf­ merksam zu machen.

o. Civilprozeßordnung. B. III. Abschn. I.

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Auf Grund prozeßhindernder Einreden darf die Verhandlung zur Hauptsache nicht verweigert werden; das Gericht kann jedoch die abgesonderte Verhandlung über diese Einreden auch von Amts­ wegen anordnen.

Ist der Gegner nicht erschienen, oder der Sühneversuch erfolglos geblieben, so werden die erwachsenen Kosten als Theil der Kosten des Rechtsstreits behandelt.

466. Wird die Unzuständigkeit des Gerichts auf Grund der Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte ausgesprochen, so ist zugleich auf Antrag des Klägers der Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen. Ist das Urtheil rechtskräftig, so gilt der Rechts­ streit als bei dem Landgerichte anhängig.

Drittes Buch.

467. Wird in einem bei dem Amtsgericht an­ hängigen Prozesse durch Widerklage oder durch Erweiterung des Klagantrags (§ 240 Nr. 2, 3) ein Anspruch erhoben, welcher zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, oder wird in Gemäßheit des § 253 die Feststellung eines Reichsverhält­ nisses beantragt, für welches die Landgerichte zu­ ständig sind, so hat das Amtsgericht, sofern eine Partei vor weiterer Verhandlung zur Hauptsache darauf anträgt, seine Unzuständigkeit auszu­ sprechen und den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen. Ist das Urtheil rechtskräftig, so gilt der Rechts­ streit als bei dem Landgericht anhängig. Die im Verfahren vor dem Amtsgerichte erwachsenen Kosten werden als Theil der bei dem Landgericht erwachsenen Kosten behandelt. 468. Wegen unterbliebener Erklärung ist eine Urkunde nur dann als anerkannt anzusehen, wenn die Partei durch das Gericht zur Erklärung über die Echtheit der Urkunde aufgefordert ist.

469. Die Vorschriften der §§ 269, 313 bis 319 finden auf das Verfahren vor den Amtsgerichten keine Anwendung. 470. Anträge und Erklärungen einer Partei sind durch das Sitzungsprotokoll insoweit festzu­ stellen, als das Gericht bei dem Schlüsse derje­ nigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil oder ein Beweisbeschluß ergeht, die Fest­ stellung für angemessen erachtet. Geständnisse, sowie die Erklärungen über An­ nahme oder Zurückschiebung zugeschobener Eide sind auf Antrag durch das Protokoll festzustellen.

471. Wer eine Klage zu erheben beabsichtigt, kann unter Angabe des Gegenstandes seines An­ spruchs zum Zwecke eines Sühneversuchs den Gegner vor das Amtsgericht laden, vor welchem dieser seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. 27 Erscheinen beide Parteien, und wird ein Ver­ gleich geschlossen, so ist derselbe zu Protokoll fest­ zustellen. Kommt ein Vergleich nicht zu Stande, so wird auf Antrag beider Parteien der Rechts­ streit sofort verhandelt; die Erhebung der Klage erfolgt in diesem Falle durch den mündlichen Vortrag derselben. 27. Vgl. Bem. zu Art. 57 fr. C.-P.-O.

Rechtsmittel. Erster Abschnitt.

Berufung. 472. Die Berufung findet gegen die in erster Instanz erlassenen Endurtheile statt. 473. Der Beurtheilung des Berufungsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, welche dem Endurtheile vorausgegangen sind, sofern nicht dieselben nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar oder mit der Beschwerde anfechtbar sind. 474. Ein Versäumnißurtheil kann von der Partei, gegen welche es erlassen ist, mit der Be­ rufung nicht angefochten werden. Ein Versäumnißurtheil, gegen welches der Ein­ spruch an sich nicht statthaft ist, unterliegt der Berufung insoweit, als dieselbe darauf gestützt wird, daß der Fall der Versäumung nicht vorge­ legen habe. 475: Die Wirksamkeit eines nach Erlassung des Urtheils erklärten Verzichts auf das Recht der Berufung ist nicht davon abhängig, daß der Gegner die Verzichtleistung angenommen hat. 476. Die Zurücknahme, der Berufung ist ohne Einwilligung des Berufungsbeklagten nur bis zum Beginne der mündlichen Verhandlung des Berufungsbeklagten zulässig. Die Zurücknahme erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Zustellung eines Schriftsatzes. Abschrift desselben ist sofort nach erfolgter Zustellung auf der Ge­ richtsschreiberei niederzulegen. Die Zurücknahme hat den Verlust des Rechts­ mittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Auf Antrag des Gegners sind diese Wir­ kungen durch Urtheil auszusprechen. 477. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Nothfrist und beginnt mit der Zustel­ lung des Urtheils. Die Berufung kann gleichzeitig mit der Zu­ stellung des Urtheils eingelegt werden. Die Ein­ legung vor Zustellung des Urtheils ist wirkungslos. 478. Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urtheil in Gemäßheit des § 292 durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt, so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf die Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urtheil von neuem. Wird gegen beide Urtheile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen mit

einander zu verbinden.

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v. Civilprozeßordnung. B. III. Abschn. I.

479. Die Einlegung der Berufung erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes. Derselbe muß enthalten: 1) die Bezeichnung des Urtheils, gegen welches die Berufung gerichtet wird; 2) die Erklärung, daß gegen dieses Urtheil Berufung eingelegt werde; 3) die Ladung des Berufungsbeklagten vor das Berufungsgericht zur mündlichen Verhandlung über die Berufung. 480. Die allgemeinen Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze finden auch auf die Berufungsschrift Anwendung. Als vorbereitender Schriftsatz soll die Beru­ fungsschrift insbesondere enthalten: die Erklärung, inwieweit das Urtheil angefochten werde und welche Abänderungen desselben beantragt werden (Berufungsanträge), sowie die Angabe derjenigen neuen Thatsachen und Beweismittel, welche die Partei geltend zu machen beabsichtigt. 481. In Betreff der Frist, welche zwischen der Zustellung der Berufungsschrift und dem Ter­ mine zur mündlichen Verhandlung liegen muß, finden die Vorschriften des § 234 entsprechende Anwendung. 482. Der Berufungsbeklagte kann sich der Be­ rufung anschließen, selbst wenn er auf die Beru­ fung verzichtet hat oder wenn die Berufungsfrist verstrichen ist. Die Vorschriften über die Anfechtung des Versäumnißurtheils durch Berufung finden auch auf die Anfechtung desselben durch Anschließung Anwendung. 483. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird. Hat der Berufungsbeklagte innerhalb der Berufungsfrist sich der erhobenen Berufung an­ geschloffen, so wird es so angesehen, als habe er die Berufung selbständig eingelegt. 484. Der Berufungsbeklagte hat dem Beru­ fungskläger die Beantwortung der Berufung innerhalb der ersten zwei Drittheile der Zeit, welche zwischen der Zustellung der Berufungsschrift und dem Termine zur mündlichen Verhandlung liegt, mittelst vorbereitenden Schriftsatzes zustellen zu lassen. Der Schriftsatz soll insbesondere die Anträge sowie die Angabe der neuen Thatsachen und Beweismittel enthalten, welche der Berufungsbe­ klagte geltend zu machen beabsichtigt. 485. Auf das weitere Verfahren finden die in erster Instanz für das Verfahren vor den Land­ gerichten geltenden Vorschriften entsprechende An­ wendung, soweit nicht Abweichungen aus den Bestimmungen dieses Abschnitts sich ergeben. 486. Die mündliche Verhandlung ist, wenn an dem für dieselbe bestimmten Tage die Berufungs­ frist noch nicht verstrichen ist, auf Antrag des Berufungsbeklagten bis zum Ablaufe der Frist,

und wenn der Berufungsbeklagte gegen das Urtheil den Einspruch erhoben hat, auch von Amtswegen bis zur Erledigung des Einspruchs zu vertagen. 487. Bor dem Berufungsgerichte wird der Rechtsstreit in den durch die Anträge bestimmten Grenzen von neuem verhandelt. 488. Bei der mündlichen Verhandlung haben die Parteien das durch die Berufung angefochtene Urtheil sowie die dem Urtheile vorausgegangenen Entscheidungen nebst den Entscheidungsgründen und den Beweisverhandlungen insoweit vorzu­ tragen, als dies zum Verständnisse der Berufungs­ anträge und zur Prüfung der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung erforderlich ist. Im Falle der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Vortrags hat der Vorsitzende dessen Berich­ tigung oder Vervollständigung, nötigenfalls unter Wiedereröffnung der Verhandlung zu veranlassen. 489. Eine Aenderung der Klage ist selbst mit Einwilligung des Gegners unstatthaft. 490. Prozeßhindernde Einreden, auf welche die Partei wirksam verzichten kann, dürfen nur geltend gemacht werden, wenn die Partei glaub­ haft macht, daß sie ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sei, dieselben in erster Instanz vorzubringen. Die Verhandlung zur Hauptsache darf auf Grund prozeßhindernder Einreden nicht ver­ weigert werden; das Gericht kann jedoch die abgesonderte Verhandlung über solche Einreden auch von Amtswegen anordnen.

491. Die Parteien können Angriffs- und Bertheidigungsmittel, welche in erster Instanz nicht

geltend gemacht sind, insbesondere neue That­ sachen und Beweismittel vorbringen. Neue Ansprüche dürfen, abgesehen von den Fällen des § 240 Nr. 2, 3, nur erhoben werden, wenn mit denselben kompensirt werden soll und wenn zugleich glaubhaft gemacht wird, daß die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande ge­ wesen sei, dieselben in erster Instanz geltend zu machen. 492. Die Verletzung einer das Verfahren erster Jnstaüz betreffenden Vorschrift kann in der Be­ rufungsinstanz nicht mehr gerügt werden, wenn in Gemäßheit der Bestimmung des § 267 die Partei das Rügerecht bereits in erster Instanz verloren hat. 493. Die in erster Instanz unterbliebenen oder verweigerten Erklärungen über Thatsachen, Ur­ kunden und Eideszuschiebungen können in der Berufungsinstanz nachgeholt werden. 494. Das in erster Instanz abgelegte gerichtliche Geständniß behält seine Wirksamkeit auch für die Berufungsinstanz. 495. Die in erster Instanz erfolgte Annahme oder Zurückschiebung eines Eides behält ihre Wirksamkeit auch für die Berufungsinstanz. Dasselbe gilt von der Leistung, von der Ber-

D. Civilprozeßordnung. B. III. Abschn. II. Weigerung der Leistung und von der Erlassung eines Eides, wenn die Entscheidung, durch welche die Leistung des Eides angeordnet ist, von dem Berufungsgerichte für gerechtfertigt erachtet wird. 496. Ein nicht oder nicht unbedingt für vor­ läufig vollstreckbar erklärtes Urtheil erster Instanz ist, insoweit dasselbe durch die Berufungsanträge nicht angefochten wird, auf den im Laufe der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag von dem Berufungsgerichte für vorläufig vollstreckbar

zu erklären. Eine Anfechtung nicht statt.

dieser

Entscheidung

findet

497. Das Berufungsgericht hat von Amtswegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist einge­ legt sei. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

498. Das Urtheil erster Instanz darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.

499. Gegenstand der Verhandlung und Ent­ scheidung des Berufungsgerichts sind alle einen zuerkannten oder aberkannten Anspruch betreffenden Streitpunkte, über welche in Gemäßheit der An­ träge eine Verhandlung und Entscheidung erfor­ derlich ist, selbst wenn über diese Streitpunkte in erster Instanz nicht verhandelt oder nicht ent­ schieden ist. Das Berufungsgericht hat ein von ihm erlassenes bedingtes Urtheil zu erledigen. Dasselbe kann ein in erster Instanz erlassenes bedingtes Urtheil erledigen, wenn die Berufung zurückgewiesen ist. 500. Das Berufungsgericht hat die Sache, in­ sofern eine weitere Verhandlung derselben erfor­ derlich ist, an das Gericht erster Instanz zurück­ zuverweisen : 1) wenn durch das angefochtene Urtheil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist; 2) wenn durch das angefochtene Urtheil nur über prozeßhindernde Einreden entschieden ist; 3) wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefoch­ tene Urtheil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden ist; 4) wenn das angefochtene Urtheil im Urkunden­ oder Wechselprozeffe unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist; 5) wenn das angefochtene Urtheil ein Versäumnißurtheil ist. Im Falle der Nr. 2 hat das Berufungsgericht die sämmtlichen prozeßhindernden Einreden zu erledigen.

501. Leidet das Verfahren erster Instanz an einem wesentlichen Mangel, so kann das Beru­ fungsgericht unter Aufhebung des Urtheils und des Verführens, soweit das letztere durch den Mangel betroffen wird, die Sache an das Gericht erster Instanz zurückverweisen.

59

502. Werden nach Vorschrift des § 252 Ver­ theidigungsmittel zurückgewiesen, so ist die Gel­ tendmachung derselben dem Beklagten vorzube­ halten. Enthält das Urtheil keinen Vorbehalt, so kann die Ergänzung des Urtheils nach Vorschrift des § 292 beantragt werden. Das Urtheil, welches unter Vorbehalt der Geltendmachung von Vertheidigungsmitteln ergeht, ist in Betreff der Rechtsmittel und der Zwangs­ vollstreckung als Endurtheil anzusehen. 503. In Betreff der Vertheidigungsmittel, deren Geltendmachung dem Beklagten vorbehalten ist, bleibt der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz anhängig. Insoweit sich in dem weiteren Verfahren ergibt, daß der klagend geltend gemachte Anspruch unbe­ gründet war, ist das frühere Urtheil aufzuheben, der Kläger mit dem Anspruch abzuweisen und auf Antrag zur Erstattung des von dem Beklagten auf Grund des Urtheils Gezahlten oder Geleisteten zu verurtheilen, sowie über die Kosten anderweit zu entscheiden. 504. Die Vorschriften über das Versäumnißverfahren in erster Instanz finden entsprechende Anwendung. Beantragt der Berufungskläger gegen den im Termine zur mündlichen Verhandlung nicht er­ schienenen Berufungsbeklagten das Versäumnißurtheil, so ist, soweit das festgestellte Sachverhältniß nicht entgegensteht, das thatsächliche mündliche Vorbringen des Berufungsklägers für zugestanden zu erachten und in Ansehung einer zuverlässiger­ weise beantragten Beweisaufnahme anzunehmen, daß sie das in Aussicht gestellte Ergebniß gehabt habe. 505. Bei der Darstellung des Thatbestandes im Urtheil ist eine Bezugnahme auf das Urtheil voriger Instanz nicht ausgeschlossen. 506. Der Gerichtsschreiber des Berufungsgerichts hat innerhalb vierundzwanzig Stunden, nachdem die Berufungsschrist zum Zwecke der Terminsbe­ stimmung eingereicht ist, von dem Gerichtsschreiber des Gerichts erster Instanz die Prozeßakten ein­ zufordern. Nach Erledigung der Berufung sind die Akten dem Gerichtsschreiber des Gerichts erster Instanz nebst einer beglaubigten Abschrift des in der Berufungsinstanz erlassenen Urtheils zurückzu­

senden.

Zweiter Abschnitt.

Aeviston. 507. Die Revision findet gegen die in der Berufungsinstanz von den Oberlandesgerichten erlassenen Endurtheile statt. 508. In Rechtsstreitigkeiten über vermögens­ rechtliche Ansprüche ist die Zulässigkeit der Revi­ sion durch einen den Betrag von fünfzehnhundert

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v. Civilprozeßordnung. B. UI. Abschn. II.

Mark übersteigenden Werth des Beschwerdegegen­ standes bedingt. In Betreff des Werths des Beschwerdegegen­ standes kommen die Vorschriften der §§ 3 bis 9 zur Anwendung. Der Revisionskläger hat diesen Werth glaubhaft zu machen. Der Eid als Mittel der Glaubhaft­ machung ist ausgeschlossen.

509. Ohne Rücksicht auf den Werth des Be­ schwerdegegenstandes findet die Revision statt: 1) insoweit es sich um die Unzuständigkeit des Gerichts oder die Unzulässigkeit des Rechtswegs oder die Unzulässigkeit der Berufung handelt; 2) in den Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, für welche die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes ausschließlich zu­ ständig sind. 28 510. Der Beurtheilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, welche dem Endurtheile vorausgegangen sind, sofern nicht dieselben nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar oder mit der Beschwerde anfechtbar

sind.

511. Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf der Verletzung eines Reichsgesetzes oder eines Gesetzes, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk des Beru­ fungsgerichts hinauserstreckt, beruhe. 28 29 512. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechts­ norm nicht oder nicht richtig angewendet wor­

den ist. 513. Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen: 1) wenn das erkennende Gericht nicht vorschrifts­ mäßig besetzt war; 2) wenn bei der Entscheidung ein Richter mit­ gewirkt hat, welcher von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hinderniß mittels eines Ab­ lehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist; 3) wenn bei der Entscheidung ein Richter mit­ gewirkt hat, obgleich derselbe wegen Besorgniß der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungs­ gesuch für begründet erklärt war; 4) wenn das Gericht seine Zuständigkeit oder Unzuständigkeit mit Unrecht angenommen hat; 5) wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; 6) wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei welcher die Vorschriften über die Oeffentlichkeit des Ver­ fahrens verletzt sind; 7) wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

28. Vgl. § 70 Abs. 2 u. 3 G.-B.-G. u. Bem. dazu. 29. Vgl. § 6 E.-G. u. Bem. dazu.



514. Die Revisionsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Nothfrist und beginnt mit der Zustel­ lung des Urtheils. Die Revision kann gleichzeitig mit der Zustel­ lung des Urtheils eingelegt werden. Die Einle­ gung vor Zustellung des Urtheils ist wirkungslos. 515. Die Einlegung der Revision erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes. Derselbe muß ent­ halten : 1) die Bezeichnung des Urtheils, gegen welches die Revision gerichtet wird; 2) die Erklärung, daß gegen dieses Urtheil die Revision eingelegt werde; 3) die Ladung des Revisionsbeklagten vor das Revisionsgericht zur mündlichen Verhandlung über die Revision. 516. Die allgemeinen Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze finden auch auf die Revisionsschrift Anwendung. Als vorbereitender Schriftsatz soll die Revisions­ schrift insbesondere die Erklärung, inwieweit das Urtheil angefochten und dessen Aufhebung bean­ tragt werde (Revisionsanträge), und zur Begrün­ dung der Revisionsanträge enthalten: . 1) insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig an­ gewendet sei, die Bezeichnung der Rechtsnorm; 2) insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß das Gesetz in Bezug auf das Verfahren ver­ letzt sei, die Bezeichnung der Thatsachen, welche den Mangel ergeben; 3) insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß unter Verletzung des Gesetzes Thatsachen festgestellt, übergangen oder als vorgebracht an­ genommen seien, die Bezeichnung dieser That­ sachen. In der Revisionsschrift soll ferner der Werth des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehen­ den Beschwerdegegenstandes angegeben werden, wenn die Zulässigkeit der Revision von diesem Werthe abhängt. 517. In Betreff der Frist, welche zwischen der Zustellung der Revisionsschrist und dem Termine zur mündlichen Verhandlung liegen muß, finden die Vorschriften des § 234 entsprechende Anwen­ dung. 518. Der Revisionsbeklagte kann sich der Revi­ sion anschließen. Auf diese Anschließung finden die Vorschriften über die Anschließung des Beru­ fungsbeklagten an die Berufung entsprechende Anwendung. 519. Der Revisionsbeklagte hat dem Revisions­ kläger die Beantwortung der Revision innerhalb der ersten zwei Drittheile der Zeit, welche zwischen der Zustellung der Revisionsschrift und dem Ter­ mine zur mündlichen Verhandlung liegt, mittels vorbereitenden Schriftsatzes zustellen zu lassen. Der Schriftsatz soll insbesondere die Anträge und im Falle der Anschließung deren Begründung nach Vorschrift des § 516 enthalten.

D. Civilprozeßordnung. B. III. Abschn. III. 520. Auf das weitere Verfahren finden die in erster Instanz für das Verfahren vor den Land­ gerichten geltenden Vorschriften entsprechende An­ wendung , soweit nicht Abweichungen aus den Bestimmungen dieses Abschnitts sich ergeben. 521. Die Verletzung einer das Verfahren der Berufungsinstanz betreffenden Vorschrift kann in der Revisionsinstanz nicht mehr gerügt werden, wenn in Gemäßheit der Bestimmung des § 267 die Partei das Rügerecht bereits in der Beru­ fungsinstanz verloren hat. 522. Der Prüfung des Revisionsgerichts unter­ liegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. 523. Ein nicht oder nicht unbedingt für vor­ läufig vollstreckbar erklärtes Urtheil des Berufungs­ gerichts ist, insoweit dasselbe durch die Revisions­ anträge nicht angefochten wird, auf den im Laufe der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag von dem Revisionsgerichte für vorläufig vollstreck­ bar zu erklären. 524. Für die Entscheidung des Revisionsgerichts sind die in dem angefochtenen Urtheile gerichtlich festgestellten Thatsachen maßgebend. Außer dem­ selben können nur die im § 516 Nr. 2, 3 erwähnten Thatsachen berücksichtigt werden. 525. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über das Bestehen und den Inhalt von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 511 nicht gestützt werden kann, ist für die aus die Revision ergehende Entscheidung maßgebend. 526. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen. 527. Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urtheil aufzu­ heben. Erfolgt die Aufhebung des Urtheils wegen eines Mangels des Verfahrens, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird. 528. Fm Falle der Aufhebung des Urtheils ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Ent­ scheidung an das Berufungsgericht zurückzuver­ weisen. Dasselbe hat die rechtliche Beurtheilung, welche der Aufhebung zu Grunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden: 1) wenn die Aushebung des Urtheils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältniß erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist; 2) wenn die Aufhebung des Urtheils wegen Unzuständigkeit des Gerichts oder wegen Unzu­ lässigkeit des Rechtswegs erfolgt. Kommt in den Fällen der Nr. 1 und 2 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung

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die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Ver­ letzung die Revision nach § 511 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. 529. Die für die Berufung geltenden Vor­ schriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnißurtheile, über die Verzichtleistung auf das Rechts­ mittel und die Zurücknahme desselben, über die Vertagung der mündlichen Verhandlung, über die Verhandlung prozeßhindernder Einreden, über die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels, über den Vortrag der Parteien bei der mündlichen Ver­ handlung und über die Einforderung und Zurück­ sendung der Prozeßakten finden auf die Revision entsprechende Anwendung.

Dritter Abschnitt. Beschwerde. 530. Das Rechtsmittel der Beschwerde findet in den in diesem Gesetze besonders hervorgeho­ benen Fällen und gegen solche eine vorgängige mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entschei­ dungen statt, durch welche ein das Verfahren be­ treffendes Gesuch zurückgewiesen ist. 531. Ueber die Beschwerde entscheidet das im Jnstanzenzuge zunächst höhere Gericht. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts findet, soweit nicht in derselben ein Neuer selb­ ständiger Beschwerdegrund enthalten ist, eine wei­ tere Beschwerde nicht statt. 532. Die Beschwerde wird bei dem Gericht eingelegt, von welchem oder von dessen Vorsitzen­ den die angefochtene Entscheidung erlassen ist; sie kann in dringenden Fällen auch bei dem Be­

schwerdegericht eingelegt werden. Die Einlegung erfolgt durch Einreichung einer Beschwerdeschrift; die Einlegung kann auch durch Erklärung zum Protokolle des Gerichtsschreibers erfolgen, wenn der Rechtsstreit bei einem Amts­ gericht anhängig ist oder anhängig war, wenn die Beschwerde das Armenrecht betrifft oder von einem Zeugen oder Sachverständigen erhoben wird. 533. Die Beschwerde kann auf neue Thatsachen

und Beweise gestützt werden. 534. Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Be­ schwerde für begründet, so haben sie derselben abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde vor Ablauf einer Woche dem Beschwerdegerichte vor­

zulegen. 535. Die Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen eine der in den §§ 345, 355, 374, 579, 619 erwähnten Entscheidungen gerichtet ist. Das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Ent­ scheidung angefochten wird, kann anordnen, daß die Vollziehung derselben auszusetzen sei.

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v. Civilprozeßordnung. B. IV.

Das Beschwerdegericht kann vor der Entschei­ dung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen sei. 536. Die Entscheidung über die Beschwerde kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Ordnet das Gericht eine schriftliche Erklärung an, so kann dieselbe in den Fällen, in welchen die Beschwerde zum Protokolle des Gerichtsschrei­ bers eingelegt werden darf, zum Protokolle des Gerichtsschreibers abgegeben werden. 537. Das Beschwerdegericht hat von Amtswegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sei. Mangelt es an einem dieser Erfor­ dernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. 538. Erachtet das Beschwerdegericht die Be­ schwerde für begründet, so kann es demjenigen Gericht oder Vorsitzenden, von welchem die be­ schwerende Entscheidung erlassen war, die erfor­ derliche Anordnung übertragen. 539. Wird die Aenderung einer Entscheidung des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Gerichtsschreibers verlangt, so ist die Entschei­ dung des Prozeßgerichts nachzusuchen. Die Beschwerde findet gegen die Entscheidung des Prozeßgerichts statt. Die Bestimmung des ersten Absatzes gilt auch für das Reichsgericht. 540. Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Bestimmungen. Die Beschwerde ist binnen einer Nothfrist von zwei Wochen, welche mit der Zustellung, in den Fällen der §§ 301 und 829 Absatz 3 mit der Verkündung der Entscheidung beginnt, einzulegen. Die Einlegung bei dem Beschwerdegerichte genügt zur Wahrung der Nothfrist, auch wenn der Fall für dringlich nicht erachtet wird. Liegen die Er­ fordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutions­ klage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Nothfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Nothfristen erhoben werden. Das Gericht ist zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde angegriffenen Verfügung nicht befugt, In den Fällen des § 539 muß auf dem für die Einlegung der Beschwerde vorgeschriebenen Wege die Entscheidung des Prozeßgerichts binnen der Nothfrist nachgesucht werden. Das Prozeß­ gericht hat das Gesuch, wenn es demselben nicht entsprechen will, dem Beschwerdegerichte vorzu­ legen.

Viertes Buch.

Wiederaufnahme deS Verfahrens. 541. Die Wiederaufnahme eines durch rechts­ kräftiges Endurtheil geschloffenen Verfahrens kann durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen.

Werden beide Klagen von derselben Partei oder von verschiedenen Parteien erhoben, so ist die Verhandlung und Entscheidung über die Resti­ tutionsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen. 542. Die Nichtigkeitsklage findet statt: 1) wenn das erkennende Gericht nicht vor­ schriftsmäßig besetzt war; 2) wenn ein Richter bei der Entscheidung mit­ gewirkt hat, welcher von der Ausübung des Rich­ teramts kraft des Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hinderniß mittels eines Ab­ lehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist; 3) wenn bei der Entscheidung ein Richter mit­ gewirkt hat, obgleich derselbe wegen Besorgniß der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungs­ gesuch für begründet erklärt war; 4) wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. In den Fällen Nr. 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechts­ mittels geltend gemacht werden konnte. 543. Die Restitutionsklage findet statt: 1) wenn der Gegner durch Leistung eines Parteieides, auf welche das Urtheil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; 2) wenn eine Urkunde, aus welche das Urtheil ge­ gründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war; 3) wenn durch Beeidigung eines Zeugnisses oder eines Gutachtens, auf welche das Urtheil gegründet ist, der Zeuge oder der Sachverständige sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; 4) wenn das Urtheil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Ver­ treter durch eine in Beziehung auf den Rechts­ streit verübte Handlung erwirkt ist, welche mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht ist; 5) wenn ein Richter bei dem Urtheile mitge­ wirkt hat, welcher sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht chat, sofern diese Verletzung mit einer im Wege des gericht­ lichen Strafverfahrens zu verhängenden öffent­

lichen Strafe bedroht ist; 6) wenn ein strafgerichtliches Urtheil, auf wel­ ches das Urtheil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urtheil aufgehoben ist; 7) wenn die Partei a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urtheil, oder b) eine andere Urkunde auffindet oder zu be­ nutzen in den. Stand gesetzt wird, welche eine ihr günstigere Entscheidung herbeige­ führt haben würde.

D. Civilprozeßordnung. B. V. Diese Bestimmung kommt in dem unter b be­ zeichneten Falle nicht zur Anwendung, wenn das angefochtene Urtheil darauf beruht, daß auf Grund einer Eidesleistung des Gegners die be­ treffende Thatsache oder deren Gegentheil für be­ wiesen erachtet ist. 544. In den Fällen des vorhergehenden Pa­ ragraphen Nr. 1 bis 5 findet die Restitutions­ klage nur statt, wenn wegen der strafbaren Hand­ lung eine rechtskräftige Berurtheilung ergangen ist, oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen, als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Der Beweis der Thatsachen, welche die Resti­ tutionsklage begründen, kann durch Eideszuschie­ bung nicht geführt werden. 545. Die Restitutionsklage ist nur zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Einspruch oder Be­ rufung oder mittels Anschließung an eine Berurufung geltend zu machen. 546. Mit den Klagen können Anfechtungs­ gründe, durch welche eine dem angefochtenen Urtheile vorausgegangene Entscheidung derselben oder einer unteren Instanz betroffen wird, gel­ tend gemacht werden, sofern das angefochtene Urtheil auf dieser Entscheidung beruht.

547. Für die Klagen ist ausschließlich zustän­ dig: das Gericht, welches in erster Instanz er­ kannt hat; wenn das angefochtene Urtheil oder auch nur eines von mehreren angefochtenen Ur­ theilen von dem Berufungsgericht erlassen wurde, oder wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urtheil auf Grund des § 543 Nr. 1 bis 3, 6, 7 angefochten wird, das Berufungsgericht; wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urtheil auf Grund der §§ 542, 543 Nr. 4, 5 angefochten wird, das Revisionsgericht. Sind die Klagen gegen einen Vollstreckungsbe­ fehl gerichtet, so gehören sie ausschließlich vor das Amtsgericht, welches den Befehl erlassen hat; wenn der Anspruch nicht zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehört, vor das für den Rechts­ streit über den Anspruch zuständige Gericht. 548. Auf die Erhebung der Klagen und das weitere Verfahren finden die allgemeinen Vor­ schriften entsprechende Anwendung, sofern nicht aus den Bestimmungen dieses Gesetzes sich eine Abweichung ergibt. 549. Die Klagen sind vor Ablauf der Nothfrist eines Monats zu erheben. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem die Partei von dem Anfechtungsgrunde Kenntniß erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechts­ kraft des Urtheils. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tage der Rechtskraft des Urtheils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft. Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes finden auf die Nichtigkeitsklage wegen mangeln­

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der Vertretung keine Anwendung; die Frist für Erhebung der Klage läuft von dem Tage, an welchem der Partei und bei mangelnder Prozeß­ fähigkeit dem gesetzlichen Vertreter derselben das Urtheil zugestellt ist. 550. In der Klage muß die Bezeichnung des Urtheils, gegen welches die Nichtigkeits- oder Re­ stitutionsklage gerichtet wird, ünd die Erklärung, welche dieser Klagen erhoben werde, enthalten sein. 551. Als vorbereitender Schriftsatz soll die Klage enthalten: 1) die Bezeichnung des Anfechtungsgrundes; 2) die Angabe der Beweismittel für die That­ sachen, welche den Grund und die Einhaltung der Nothfrist ergeben; 3) die Erklärung, inwieweit die Beseitigung des angefochtenen Urtheils und welche andere Entscheidung in der Hauptsache beantragt werde. Dem Schriftsätze, durch welchen eine Restitu­ tionsklage erhoben wird, sind die Urkunden, auf welche dieselbe gestützt wird, in Urschrift oder in Abschrift beizufügen. Befinden sich die Urkunden nicht in den Händen des Klägers, so hat er zu erklären, welchen Antrag er wegen Herbeischaf­ fung derselben zu stellen beabsichtigt. 552. Das Gericht hat von Amtswegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben sei. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzuverlässig zu verwerfen. Die Thatsachen, welche ergeben, daß die Klage vor Ablauf der Nothfrist erhoben ist, sind glaub­ haft zu machen. 553. Die Hauptsache wird, insoweit sie von dem Anfechtungsgrunde betroffen ist, von neuem verhandelt. Das Gericht kann anordnen, daß die Verhand­ lung und Entscheidung über Grund und Zulässig­ keit der Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Verhandlung über die Hauptsache erfolge. In diesem Falle ist die Verhandlung über die Haupt­ sache als Fortsetzung der Verhandlung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des

Verfahrens anzusehen. Das für die Klagen zuständige Revisionsge­ richt hat die Verhandlung über Grund und Zu­ lässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens zu erledigen, auch wenn diese Erledigung von der Feststellung und Würdigung bestrittener That­ sachen abhängig ist. 554. Rechtsmittel sind insoweit zulässig, als sie gegen die Entscheidungen der mit den Klagen be­ faßten Gerichte überhaupt stattfinden.

Fünftes Buch. Urkunde«- und Wechselprozeß. 555. Ein Anspruch, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer

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D. Civilprozeßordnung. B. VI. Abschn. I.

bestimmten Quantität anderer vertretbarer Sachen oder Werthpapiere zum Gegenstände hat, kann im Urkundenprozesse geltend gemacht werden, wenn die sämmtlichen zur Begründung des An­ spruchs erforderlichen Thatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. 556. Die Klage muß die Erklärung enthalten, daß im Urkundenprozesse geklagt werde. Die Ur­ kunden müssen in Urschrift oder in Abschrift der Klage beigefügt werden. 557. Auf Grund prozeßhindernder Einreden darf die Verhandlung zur Hauptsache nicht ver­ weigert werden; das Gericht kann jedoch die ab­ gesonderte Verhandlung über diese Einreden auch von Amtswegen anordnen. 558. Widerklagen sind nicht statthaft. Als Beweismittel sind bezüglich der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde, sowie bezüglich anderer als der im § 555 erwähnten Thatsachen nur Urkunden und Eideszuschiebung zulässig. Die Antretung des Urkundenbeweises kann nur durch Vorlegung der Urkunden erfolgen. Die Leistung eines Eides ist durch Beweisbe­

schluß anzuordnen. 559. Der Kläger kann, ohne daß es der Ein­ willigung des Beklagten bedarf, bis zum Schlüsse der mündlichen Verhandlung von dem Urkunden­ prozesse in der Weise abstehen, daß der Rechts­ streit im ordentlichen Verfahren anhängig bleibt. 560. Insoweit der in der Klage geltend ge­ machte Anspruch an sich oder in Folge einer Ein­ rede des Beklagten als unbegründet sich darstellt, ist der Kläger mit dem Ansprüche abzuweisen. Ist der Urkundenprozeß unstatthaft, ist insbe­

sondere ein dem Kläger obliegender Beweis nicht mit den im Urkundenprozesse zulässigen Beweis­ mitteln angetreten oder mit solchen Beweismit­ teln nicht vollständig geführt, so wird die Klage als in der gewählten Prozeßart unstatthaft ab­ gewiesen, selbst wenn in dem Termine zur münd­ lichen Verhandlung der Beklagte nicht erschienen ist oder der Klage nur auf Grund von Einwen­ dungen widersprochen hat, welche rechtlich unbe­ gründet oder im Urkundenprozesse unstatthaft sind. 561. Einwendungen des Beklagten sind, wenn der dem Beklagten obliegende Beweis derselben nicht mit den im Urkundenprozesse zulässigen Be­ weismitteln angetreten oder mit solchen Beweis­ mitteln nicht vollständig geführt ist, als im Ur­ kundenprozesse unstatthaft zurückzuweisen. 562. Dem Beklagten, welcher dem geltend ge­ machten Ansprüche widersprochen hat, ist in allen Fällen, in denen er verurtheilt wird, die Aus­ führung seiner Rechte vorzubehalten. Enthält das Urtheil keinen Vorbehalt, so kann die Ergänzung des Urtheils nach Vorschrift des § 292 beantragt werden. Das Urtheil, welches unter Vorbehalt der Rechte ergeht, ist in Betreff der Rechtsmittel und der Zwangsvollstreckung als Endurtheil anzusehen.

563. Wird dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte Vorbehalten, so bleibt der Rechts­ streit im ordentlichen Verfahren anhängig. Insoweit sich in diesem Verfahren ergibt, daß der klagend geltend gemachte Anspruch unbegründet war, ist das frühere Urtheil aufzuheben, der Kläger mit dem Ansprüche abzuweisen und zur vollen oder theilweisen Erstattung der verursachten Kosten, sowie auf Antrag zur Erstattung des von dem Beklagten auf Grund des Urtheils Gezahlten oder Geleisteten zu verurtheilen. Erscheint in diesem Verfahren eine Partei nicht so finden die Vorschriften über das Versäumnißurtheil entsprechende Anwendung. 564. Die Vorschriften der §§ 502, 503 finden im Urkundenprozesse keine Anwendung. 565. Werden im Urkundenprozesse Ansprüche aus Wechseln im Sinne der Wechselordnung geltend gemacht (Wechselprozeß), so kommen die nachfolgenden besonderen Vorschriften zur An­ wendung. 566. Wechselklagen können sowohl bei dem Gerichte des Zahlungsorts als bei dem Gericht angestellt werden, bei welchem der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Wenn mehrere Wechselverpflichtete gemeinschaft­ lich verklagt werden, so ist außer dem Gerichte des Zahlungsorts jedes Gericht zuständig, bei welchem einer der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. 567. Die Klage muß die Erklärung enthalten, daß im Wechselprozesse geklagt werde. Die Einlassungssrist beträgt, wenn die Klage am Sitze des Gerichts zugestellt wird, mindestens vierundzwanzig Stunden; wenn sie an einem anderen Orte im Bezirke des Gerichts zugestellt wird, mindestens drei Tage; wenn sie an einem anderen deutschen Orte zugestellt wird, mindestens

eine Woche.

Sechstes Buch.

Ehesachen und Entmündigungssachen. Erster Abschnitt.

Verfahren in Ehesachen.^ 568. Für die Rechtsstreitigkeiten, welche die Trennung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit einer Ehe oder die Herstellung des ehelichen Lebens zum Gegenstände haben (Ehesachen), ist das Land­ gericht, bei welchem der Ehemann seinen allge­ meinen Gerichtsstand hat, ausschließlich zuständig. Gegen den Ehemann, welcher seine Frau ver­ lassen und seinen Wohnsitz nur im Auslande hat, kann von der Ehefrau die Klage bei dem Land­ gerichte seines letzten Wohnsitzes im Deutschen Reiche erhoben werden, sofern der Beklagte zur

30. Ausschluß der Oeffentlichkeit, § 171 G.-B.-G.

D. Civilprozeßordnung. B. VI. Abschn. I.

65

Widerklage ist von einem Sühneversuche nicht abhängig. 575. Die Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens, die Ehescheidungsklage und die Ungültig­ keitsklage können verbunden werden.

Die Verbindung einer anderen Klage mit den erwähnten Klagen sowie die Erhebung einer Widerklage anderer Art ist unstatthaft. 576. Der mit einer Ehescheidungsklage oder einer Ungültigkeitsklage abgewiesene Kläger kann Thatsachen, welche er in dem früheren Rechtsstreit oder welche er durch Verbindung der Klagen hätte geltend machen können, als selbständigen Klagegrund nicht mehr geltend machen. Ein gleiches gilt für den Beklagten in Ansehung der Thatsachen, auf welche er eine Widerklage zu gründen im Stande war. 577. Die Vorschriften über die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über die Echtheit von Urkunden, die Vorschriften über den Verzicht der Parteien auf die Beeidigung der Zeugen und Sachverständigen, sowie die Vor­ schriften über die Wirkungen eines Anerkenntnisses, eines gerichtlichen Geständnisses und die Erlassung eines Eides kommen nicht zur Anwendung. Die Eideszuschiebung und der Antrag, dem Gegner die Vorlegung einer Urkunde aufzugeben, sind nicht zulässig, soweit es sich um Thatsachen handelt, welche die Trennung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit der Ehe begründen sotten.32 578. Erscheint der Beklagte in dem auf die Klage zur mündlichen Verhandlung anberaumten Termine nicht, so kann erst in einem neuen, auf Antrag des Klägers zu bestimmenden Termine verhandelt werden. Der Beklagte ist zu jedem Termine, welcher nicht in seiner Gegenwart anberaumt wurde, zu laden. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn der Beklagte durch öffentliche Zustellung geladen, aber nicht erschienen ist. Ein Versäumnißurtheil gegen den Beklagten ist nur in dem Falle zu erlassen, wenn der Beklagte in dem zur Leistung eines richterlichen Eides bestimmten Termine nicht erscheint. Die Vorschriften dieses Paragraphen finden auf den Widerbeklagten entsprechende Anwendung. 579. Das Gericht kann das persönliche Er­ scheinen einer Partei anordnen und dieselbe über die von ihr, von dem Gegner oder von dem Staatsanwalte behaupteten Thatsachen vernehmen. Ist die zu vernehmende Partei am Erscheinen vor dem Prozeßgerichte verhindert oder hält sie sich in großer Entfernung vor dem Sitze desselben auf, so kann die Vernehmung durch einen beauf­ tragten oder ersuchten Richter erfolgen. Gegen die nicht erschienene Partei ist wie gegen einen im Bernehmungstermine nicht erschienenen Zeugen zu verfahren; auf Haft darf nicht erkannt werden. 580. Das Gericht kann die Aussetzung des Verfahrens über eine Ehescheidungsklage oder

31. Der § findet nach § 3 A.-G. auch auf Gütertrennungs­ klagen Anwendung.

32. Auf Gütertrennungsklagen anwendbar erklärt durch § 3 A.-G.

Zeit, als er die Klägerin verließ, ein Deutscher war. 31 569. In Ehesachen ist die Staatsanwaltschaft zur Mitwirkung befugt. Der Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte sowie vor einem beauftragten oder ersuchten Richter kann der Staatsanwalt beiwohnen. Er ist von allen Terminen von Amtswegen in Kenntniß

zu setzen. Er kann sich über die zu erlassende Entscheidung gutachtlich äußern und, sofern es sich um die Aufrechterhaltung einer Ehe handelt, neue That­ sachen und Beweismittel Vorbringen. Im Sitzungsprotokoll ist der Name des Staats­ anwalts anzugeben, auch sind in dasselbe die von dem Staatsanwalte gestellten Anträge aufzunehmen. 570. Der Vorsitzende darf den Termin zur mündlichen Verhandlung über eine Ehescheidungs­ klage oder über eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens erst festsetzen, wenn den nach­ folgenden Vorschriften über den Sühneversuch genügt ist. 571. Der Kläger hat bei dem Amtsgerichte, vor welchem der Ehemann seinen allgemeinen Gerichts­ stand hat, die Anberaumung eines Sühnetermins zu beantragen und zu diesem Termine den Beklagten zu laden. Durch die Zustellung der Ladung wird die Verjährung unterbrochen. 572. Die Parteien müssen in dem Sühne­ termine persönlich erscheinen; Beistände können zurückgewiesen werden. Erscheint der Kläger oder erscheinen beide Parteien in dem Sühnetermine nicht, so verliert die Ladung ihre Wirkung. Erscheint der Kläger, aber nicht der Beklagte, so ist der Sühneversuch als mißlungen anzusehen. 573. Der Sühneversuch ist nicht erforderlich, wenn der Aufenthalt des Beklagten unbekannt oder im Auslande ist, wenn dem Sühneversuche ein anderes schwer zu beseitigendes Hinderniß entgegensteht, welches von dem Kläger nicht ver­ schuldet ist, oder wenn die Erfolglosigkeit des Sühneversuchs mit Bestimmtheit vorauszusehen ist. Ueber das Vorhandensein dieser Voraussetzungen entscheidet der Vorsitzende des Landgerichts ohne vorgängiges Gehör des Beklagten. 574. Bis zum Schlüsse derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil ergeht, können andere als die in der Klage vorgebrachten Klagegründe geltend gemacht werden. Das neue Vorbringen und die Erhebung einer

66

D. Civilprozeßordnung. B. VI. Abschn. II.

über eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens von Amtswegen anordnen, wenn es die Aussöhnung der Parteien für nicht unwahrschein­ lich erachtet. Auf Grund dieser Bestimmung darf die Aus­ setzung im Laufe des Rechtsstreits nur einmal und höchstens auf ein Jahr angeordnet werden. Die Aussetzung findet nicht statt, wenn die Ehescheidung auf Grund eines Ehebruchs bean­ tragt ist.

581. Zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Ehe kann das Gericht Thatsachen, welche von den Parteien nicht vorgebracht sind, berücksichtigen und die Aufnahme von Beweisen von Amtswegen anordnen. Bor der Entscheidung sind die Parteien zu hören. 582. Urtheile, durch welche auf Trennung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit der Ehe erkannt ist, sind den Parteien von Amtswegen zuzustellen. 33 583. Die Vorschrift des § 252 findet in der Berufungsinstanz keine Anwendung. 584. In Betreff einstweiliger Verfügungen, insbesondere in den Fällen, wenn ein Ehegatte die Gestattung der vorläufigen Trennung und die Entrichtung von Alimenten beantragt, kommen die Bestimmungen der §§ 815 bis 822 zur An­ wendung.

585. Für die Nichtigkeitsklage gelten die in den nachfolgenden Paragraphen enthaltenen be­ sonderen Vorschriften.

586. Die Klage kann auch von der Staatsan­ waltschaft erhoben werden. Inwiefern zur Erhe­ bung der Klage ein Ehegatte oder ein Dritter befugt ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Die von dem Staatsanwalt oder einem Dritten erhobene Klage ist gegen beide Ehegatten, die von einem Ehegatten erhobene Klage ist gegen den anderen Ehegatten zu richten. 587. Mit der Nichtigkeitsklage kann eine andere Klage nicht verbunden werden. Eine Widerklage ist nur statthaft, wenn sie eine Nichtigkeitsklage ist. 588. So lange die Ehegatten leben, kann die Nichtigkeit einer Ehe aus einem Grunde, welcher auch von Amtswegen geltend gemacht werden kann, nur auf Grund einer Nichtigkeitsklage ausge­ sprochen werden. 589. Der Staatsanwalt kann, auch wenn er die Klage nicht erhoben hat, den Rechtsstreit be­ treiben, insbesondere selbständig Anträge stellen und Rechtsmittel einlegen. 590. Wird ein Rechtsmittel von dem Staats­ anwalt oder einer Privatpartei eingelegt, so sind im ersteren Falle die Privatparteien, im letzteren Falle die übrigen Privatparteien und der Staats-

anwalt, sofern derselbe Partei ist, für das Rechts­ mittelverfahren als die Gegner anzusehen. 591. In den Fällen, in welchen der als Partei auftretende Staatsanwalt unterliegt, ist die Staats­ kasse zur Erstattung der dem obsiegenden Gegner erwachsenen Kosten in Gemäßheit der Bestim­ mungen des fünften Titels des zweiten Abschnitts des ersten Buchs zu verurtheilen. 592. Im Sinne dieses Abschnitts ist unter Ehe­ scheidungsklage zu verstehen die Klage aus Auf­ lösung des Bandes der Ehe oder auf zeitweilige Trennung von Tisch und Bett; unter Ungültig­ keitsklage die Klage auf Anfechtung einer Ehe aus irgend einem Grunde, welcher nicht von Amtswegen geltend gemacht werden kann; unter Nichtigkeitsklage die Klage auf Anfechtung einer Ehe aus einem Grunde, welcher auch von Amts­ wegen geltend gemacht werden kann.

Zweiter Abschnitt. Verfahren in Entmündigungssachen. 34 593. Eine Person kann für geisteskrank (wahn­ sinnig, blödsinnig u. s. w.) nur durch Beschluß des Amtsgerichts erklärt werden. 35 Der Beschluß wird nur auf Antrag erlassen. 594. Das Amtsgericht, bei welchem der zu Entmündigende seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ist ausschließlich zuständig. Gegen einen Deutschen, welcher seinen Wohnsitz nur im Auslande hat, kann der Antrag bei dem Amtsgerichte seines letzten Wohnsitzes im Deut­ schen Reich gestellt werden. 595. Der Antrag kann von dem Ehegatten, einem Verwandten oder dem Vormunde des zu Entmündigenden gestellt werden. Gegen eine Ehe­ frau kann nur von dem Ehemanne, gegen eine Person, welche unter väterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, nur von dem Vater oder dem Vormunde der Antrag gestellt werden. Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, nach welchen noch andere Personen den Antrag stellen können, bleiben unberührt. 36 In allen Fällen ist auch der Staatsanwalt bei dem vorgesetzten Landgerichte zur Stellung des Antrags befugt. 596. Der Antrag kann bei dem Gerichte schrift­ lich eingereicht oder zum Protokolle des Gerichts­ schreibers angebracht werden. Er soll eine Angabe der ihn begründenden Thatsachen und die Be­ zeichnung der Beweismittel enthalten.

34. Die Vorschriften dieses Titels sind durch § 10 E.-G. auch auf den Fall der Artt. 499 bezw. 513 C.-G.-B. ausgedehnt. — Wegen des Ausschlusses der Leffentlichkeit vgl. § 172 G.-V.-G. 35. Fall des Art. 489 C.-G.-B.; auf den des Art. 499 C.-G.-B. sind die §§ 593-620 durch § 10 E.-G. ausgedehnt.

33. Die Vorschrift nach § 3 A.-G.

gilt auch für Gütertrennungsklagen

36. Bestehen in Els.-Lothr. nicht. Vgl. Artt. 491, 492 C.G.-B.

D. Civilprozeßordnung. B. VI. Abschn. II. 597. Das Gericht hat unter Benutzung der in dem Antrag angegebenen Thatsachen und Beweis­ mittel von Amtswegen die zur Feststellung des Geisteszustandes erforderlichen Ermittelungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Be­ weismittel aufzunehmen. Das Gericht kann vor Einleitung des Ver­ fahrens die Beibringung eines ärztlichen Zeug­ nisses anordnen. Der Staatsanwalt kann in allen Fällen das Verfahren durch Stellung von Anträgen betreiben. Für die Vernehmung und Beeidigung der Zeugen und Sachverständigen kommen die Be­ stimmungen im siebenten und achten Titel des ersten Abschnitts des zweiten Buchs zur Anwen­ dung. Die Anordnung der Haft im Falle des § 255 kann von Amtswegen erfolgen.

598. Der zu Entmündigende ist persönlich unter Zuziehung eines oder mehrerer Sachverständigen

zu vernehmen. Die Vernehmung kann auch durch einen er­ suchten Richter erfolgen. Die Vernehmung kann unterbleiben, wenn sie nach Ansicht des Gerichts schwer ausführbar oder für die Entscheidung unerheblich oder für den Gesundheitszustand des zu Entmündigenden nachtheilig ist. 599. Die Entmündigung darf nicht ausgespro­ chen werden, bevor das Gericht einen oder meh­ rere Sachverständige über den Geisteszustand des zu Entmündigenden gehört hat. 600. Sobald das Gericht die Anordnung einer Fürsorge für die Person oder das Vermögen des zu Entmündigenden für erforderlich hält, ist der Vormundschaftsbehörde 37 zum Zwecke dieser Anord­ nung Mittheilung zu machen. 601. Die Kosten des Verfahrens sind, wenn die Entmündigung erfolgt, von dem Entmündigten, anderenfalls von der Staatskasse zu tragen. Insoweit einen der im § 595 Absatz 1 bezeich­ neten Antragsteller bei Stellung des Antrags nach dem Ermessen des Gerichts ein Verschulden trifft, können demselben die Kosten ganz oder theilweise zur Last gelegt werden. 602. Der über die Entmündigung zu erlassende Beschluß ist dem Antragsteller und dem Staatsanwalte von Amtswegen zuzustellen. 603. Der die Entmündigung aussprechende Be­ schluß ist von Amtswegen der Vormundschafts­ behörde und, wenn eine gesetzliche Vormundschaft stattfindet, auch dem gesetzlichen Vormunde mitzutheilen. Mit der Mittheilung des Beschlusses an die Bormundschaftsbehörde tritt die Entmündigung in Wirksamkeit.37 38

37. Vormundschaftsbehörde ist das Amtsgericht, welches einen vorläufigen Verwalter ernennen kann, § 14 A.-G. 38. Vgl. § 14 A.-G., wonach das Amtsgericht, so lange ein Vormund nicht bestellt ist, Fürsorge zu treffen hat und einen

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604. Gegen den Beschluß, durch welchen die Entmündigung abgelehnt wird, steht dem Antrag­ steller und dem Staatsanwalte die sofortige Be­ schwerde zu. In dem Verfahren vor dem Beschwerdegerichte finden die Vorschriften des § 597 entsprechende Anwendung. 605. Der die Entmündigung aussprechende Be­ schluß kann im Wege der Klage binnen der Frist eines Monats angefochten werden.

Das Recht zur Erhebung der Klage steht dem Entmündigten selbst, dem Vormunde desselben und den im § 595 bezeichneten Personen zu. Die Frist beginnt für den Entmündigten mit dem Tage, an welchem er von der Entmündigung Kenntniß erhalten hat, für die übrigen Personen mit der Bestellung des Vormundes und im Falle einer gesetzlichen Vormundschaft mit der Mitthei­ lung des Beschlusses an den gesetzlichen Vormund.

606. Für die Klage ist das Landgericht, in dessen Bezirke das Amtsgericht seinen Sitz hat, ausschließlich zuständig.

607. Die Klage ist gegen den Staatsanwalt zu richten. Erhebt der Staatsanwalt die Klage, so ist die­ selbe gegen den Vormund des Entmündigten als Vertreter desselben zu richten.

Hat eine der im § 595 Absatz 1 bezeichneten Personen die Entmündigung beantragt, so ist die­ selbe unter Mittheilung der Klage zum Termine zur mündlichen Verhandlung zu laden. Dieselbe gilt im Falle des Beitritts im Sinne des § 59 als Streitgenosse der Hauptpartei. 608. Mit der die Entmündigung anfechtenden Klage kann eine andere Klage nicht verbunden werden. Eine Widerklage ist unzulässig.

609. Will der Entmündigte die Klage erheben, so ist ihm auf seinen Antrag von dem Vorsitzen­ den des Prozeßgerichts ein Rechtsanwalt als Vertreter beizuordnen.

610. Bei der mündlichen Verhandlung haben die Parteien die Ergebnisse der bei dem Amtsge­ richte stattgehabten Sachuntersuchung, soweit es zur Prüfung der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses erforderlich ist, vollständig vorzutragen. Im Falle der Unrichtigkeit oder Unvollständig­ keit des Vortrags hat der Vorsitzende dessen Be­ richtigung oder Vervollständigung, nöthigenfalls unter Wiedereröffnung der Verhandlung, zu ver­ anlassen.

611. Die Vorschriften der §§ 577, 578 finden entsprechende Anwendung. Der Parteieid ist ausgeschlossen.

vorläufigen Verwalter ernennen kann. Die in Artt. 501 C.-G.-B., 897 fr. C.-P.-O. dem Kläger zur Pflicht gemachte öffentliche Bekanntmachung findet nicht mehr statt.

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D. Civilprozeßordnung. B. VI. Abschn. II.

612. Die Bestimmungen der §§ 598, 599 finden in dem Verfahren über die Anfechtungsklage ent­ sprechende Anwendung. Von der Vernehmung Sachverständiger darf das Gericht Abstand nehmen, wenn es das vor dem Amtsgericht abgegebene Gutachten für genü­ gend erachtet. 613. Wird die Anfechtungsklage für begründet erachtet, so ist der die Entmündigung ausspre­ chende Beschluß aufzuheben. Die Aufhebung tritt erst mit der Rechtskraft des Urtheils in Wirk­ samkeit. Auf Antrag können jedoch zum Schutze der Person oder des Vermögens des Entmün­ digten einstweilige Verfügungen nach Maßgabe der §§ 815 bis 822 getroffen werden. Die Aufhebung hat zur Folge, daß die Gültig­ keit der bisherigen Handlungen des Entmündigten auf Grund des Beschlusses, welcher die Entmün­ digung ausgesprochen hatte, nicht in Frage gestellt werden kann. Auf die Gültigkeit der bisherigen Handlungen des bestellten oder gesetzlichen Vor­ mundes hat die Aufhebung keinen Einfluß. 614. Unterliegt der Staatsanwalt, so ist die Staatskasse zur Erstattung der dem obsiegenden Gegner erwachsenen Kosten in Gemäßheit der Bestimmungen des fünften Titels des zweiten Abschnitts des ersten Buchs zu verurtheilen. Ist die Klage von dem Staatsanwalt erhoben, so hat die Staatskasse in allen Fällen die Kosten

des Rechtsstreits zu tragen. 615. Das Prozeßgericht hat der Vormund­ schaftsbehörde 37 und dem Amtsgerichte von jedem in der Sache erlassenen Endurtheile Mittheilung zu machen. 616. Die Wiederaushebung der Entmündigung erfolgt auf Antrag des Entmündigten oder seines Vormundes oder des Staatsanwalts durch Be­ schluß des Amtsgerichts. 617. Für die Wiederaufhebung der Entmündi­ gung ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, bei welchem der Entmündigte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Ist der Entmündigte ein Deutscher und hat er seinen Wohnsitz nur im Auslande, so kann der Antrag bei dem Amtsgerichte seines letzten Wohn­ sitzes im Deutschen Reiche gestellt werden, sofern die Entmündigung von einem deutschen Gericht ausgesprochen ist. Die Bestimmungen der §§ 596 bis 599 finden

entsprechende Anwendung. 618. Die Kosten des Verfahrens sind von dem Entmündigten, wenn das Verfahren von dem Staatsanwalt ohne Erfolg beantragt ist, von der Staatskasse zu tragen. 619. Der über die Wiederaufhebung der Ent­ mündigung zu erlassende Beschluß ist dem Antrag­ steller und im Falle der Wiederaufhebung dem Entmündigten sowie dem Staatsanwalte von Amtswegen zuzustellen. Gegen den Beschluß, durch welchen die Ent­

mündigung aufgehoben wird, steht dem Staats­ anwalte die sofortige Beschwerde zu. Die rechtskräftig erfolgte Wiederaufhebung ist der Vormundschaftsbehörde 37 mitzutheilen. 620. Wird der Antrag auf Wiederaufhebung von dem Amtsgericht abgelehnt, so kann dieselbe im Wege der Klage beantragt werden. Zur Erhebung der Klage ist der dem Ent­ mündigten bestellte Vormund und der Staatsan­ walt befugt. Will der Vormund die Klage nicht erheben, so kann der Vorsitzende des Prozeßgerichts dem Entmündigten einen Rechtsanwalt als Vertreter beiordnen. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der §§ 606 bis 615 entsprechende Anwendung. 621. Eine Person kann für einen Verschwender nur durch Beschluß des Amtsgerichts erklärt werden.39 Der Beschluß wird nur auf Antrag erlassen. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der §§ 594, 595 Absatz 1, der §§ 596, 597 Absatz 1, 4 und des § 604 entsprechende Anwendung. Eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft findet nicht statt. 622. Die Kosten des amtsgerichtlichen Verfah­ rens sind, wenn die Entmündigung erfolgt, von dem Entmündigten, anderenfalls von dem An­ tragsteller zu tragen. 623. Der über die Entmündigung zu erlassende Beschluß ist dem Antragsteller und dem zu Ent­ mündigenden von Amtswegen zuzustellen. Der die Entmündigung aussprechende Be­ schluß tritt mit der Zustellung an den Entmün­ digten in Wirksamkeit. Der Vormundschaftsbehörde ist ein solcher Beschluß von Amtswegen mitzu­ theilen. 624. Der die Entmündigung aussprechende Be­ schluß kann binnen der Frist eines Monats von dem Entmündigten im Wege der Klage angefoch­

ten werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Be­

schlusses an den Entmündigten. Die Klage ist gegen denjenigen, welcher die Entmündigung beantragt hatte, falls aber dieser verstorben, oder sein Aufenthalt unbekannt oder im Auslande ist, gegen den Staatsanwalt zu richten. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der §§ 606, 608, 610, 611, 613 bis 615 entsprechende

Anwendung. 625. Die Wiederaufhebung der Entmündigung erfolgt auf Antrag des Entmündigten oder seines Vormundes unter entsprechender Anwendung der Vorschriften der §§ 616 bis 619.

39. Die Einschränkung verschwenderischer Menschen in ihrer Verfügungsfähigkeit geschieht in Els.-Lothr. nach Maßgabe des Art. 513 C.-G.-B. und auf diesen Fall sind die §§ 621-627 durch § 10 E.-G. für anwendbar erklärt.

v. Civilprozeßordnung. B. VII. Eine Anfechtung des Beschlusses, durch welchen die Entmündigung aufgehoben wird, findet nicht statt. 626. Wird der Antrag auf Wiederaufhebung von dem Amtsgericht abgelehnt, so kann dieselbe int Wege der Klage beantragt werden. Zur Erhebung der Klage ist der Vormund des Entmündigten befugt. Will dieser die Klage nicht erheben, so kann der Vorsitzende des Prozeßge­ richts dem Entmündigten einen Rechtsanwalt als Vertreter beiordnen. Die Klage ist gegen denjenigen, welcher die Entmündigung beantragt hatte, falls aber dieser verstorben, oder sein Aufenthalt unbekannt oder im Auslande ist, gegen den Staatsanwalt zu richten. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der §§ 606, 608, 610, 611, 614, 615 entsprechende Anwendung. 627. Die Entmündigung einer Person wegen Verschwendung, sowie die Wiederaushebung einer solchen Entmündigung ist von dem Amtsgericht öffentlich bekannt zu machen.^

Siebentes Buch. Mahnverfahren. 628. Wegen eines Anspruchs, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Quantität anderer ver­ tretbarer Sachen oder Werthpapiere zum Gegen­ stände hat, ist auf Gesuch des Gläubigers ein bedingter Zahlungsbefehl zu erlassen. Das Mahnverfahren findet nicht statt, wenn nach Inhalt des Gesuchs die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erfolgten Gegenleistung abhängig ist oder wenn die Zustel­ lung des Zahlungsbefehls im Auslande oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen müßte. 629. Die Zahlungsbefehle werden von den Amtsgerichten erlassen. Ausschließlich zuständig ist das Amtsgericht, bei welchem der allgemeine persönliche Gerichts­ stand oder der dingliche Gerichtsstand für die im ordentlichen Verfahren erhobene Klage begründet sein würde, wenn die Amtsgerichte in erster In­ stanz sachlich unbeschränkt zuständig wären. 630. Das Gesuch muß enthalten: 1) die Bezeichnung der Parteien nach Namen, Stand oder Gewerbe und Wohnort; 2) die Bezeichnung des Gerichts; 3) die bestimmte Angabe des Betrags oder Ge­ genstandes und des Grundes des Anspruchs;

40. Die in Artt. 897 fr. C.-P.-O. u. 501 C.-G.-B. dem Kläger zur Pflicht gemachte öffentliche Bekanntmachung ist durch die neuen Prozeßvorschriften der C.-P.-O. beseitigt. Dagegen wird der Amtsrichter, wenn die Bekanntmachung durch öffentliche Blätter erfolgt, den Art. 23 D. v. 17. Febr. 1852 zu beachten haben.

D. Civilprozeß.

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4) das Gesuch um Erlassung des Zahlungs­ befehls. 631. Entspricht das Gesuch nicht den Bestim­ mungen der vorstehenden Paragraphen oder er­ gibt sich aus dem Inhalte des Gesuchs, daß der Anspruch überhaupt oder zur Zeit nicht begründet ist, so wird dasselbe zurückgewiesen. Das Gesuch ist auch dann zurückzuweisen, wenn der Zahlungsbefehl nur in Ansehung eines Theils des Anspruchs nicht erfassen werden kann. Eine Anfechtung der zurückweisenden Verfügung findet nicht statt. 632. Der Zahlungsbefehl enthält die im § 630 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Erfordernisse des Ge­ suchs und außerdem den Befehl an den Schuldner, binnen einer vom Tage der Zustellung laufenden Frist von zwei Wochen bei Vermeidung sofortiger Zwangsvollstreckung den Gläubiger wegen des Anspruchs nebst den dem Betrage nach zu bezeich­ nenden Kosten des Verfahrens und den geforder­ ten Zinsen zu befriedigen oder bei dem Gerichte Widerspruch zu erheben. 633. Mit der Zustellung des Zahlungsbefehls an den Schuldner treten die Wirkungen der Rechtshängigkeit ein. 634. Der Schuldner kann gegen den Anspruch oder einen Theil desselben Widerspruch erheben, so lange der Vollstreckungsbefehl nicht verfügt ist. Das Gericht hat den Gläubiger von dem recht­ zeitig erhobenen Widerspruche in Kenntniß zu setzen und dem Schuldner auf Verlangen eine Bescheinigung darüber zu ertheilen, daß er recht­ zeitig Widerspruch erhoben habe. Einer Zurückweisung des nicht rechtzeitig er­ hobenen Widerspruchs bedarf es nicht. 635. Durch die rechtzeitige Erhebung des Widerspruchs gegen den Anspruch oder einen Theil desselben verliert der Zahlungsbefehl seine Kraft. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit bleiben be­ stehen. 636. Gehört eine wegen des Anspruchs zu er­ hebende Klage vor die Amtsgerichte, so wird, wenn rechtzeitig Widerspruch erhoben ist, die Klage als mit der Zustellung des Zahlungsbefehls bei dem Amtsgericht.erhoben angesehen, welches

den Befehl erlassen hat. Jede Partei kann den Gegner zur mündlichen Verhandlung laden; die Ladungsfrist beträgt mindestens drei Tage. 637. Gehört eine wegen des Anspruchs zu er­ hebende Klage vor die Landgerichte, so erlöschen die Wirkungen der Rechtshängigkeit, wenn nicht binnen einer sechsmonatigen Frist, welche von dem Tage der Benachrichtigung von der Erhe­ bung des Widerspruchs läuft, die Klage bei dem zuständigen Gericht erhoben wird. 638. Die Kosten des Mahnverfahrens sind im Falle der rechtzeitigen Erhebung des Widerspruchs als ein Theil der Kosten des entstehenden Rechts­

streits anzusehen.

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D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. I.

Wird im Falle des § 637 die Klage nicht binnen der bestimmten Frist erhoben, so hat der Gläubiger die Kosten des Mahnverfahrens zu tragen. 639. Der Zahlungsbefehl ist nach Ablauf der darin bestimmten Frist auf Gesuch des Gläubi­ gers, für vorläufig vollstreckbar zu erklären, so­ fern nicht vor der Vollstreckbarkeitserklärung von dem Schuldner Widerspruch erhoben ist. Die Vollstreckbarkeitserklärung erfolgt durch einen auf den Zahlungsbefehl zu setzenden Vollstreckungsbe­ fehl. In den Vollstreckungsbefehl sind die von dem Gläubiger zu berechnenden Kosten des bis­ herigen Verfahrens aufzunehmen. Gegen den Beschluß, durch welchen das Gesuch des Gläubigers zurückgewiesen wird, findet sofor­ tige Beschwerde statt. 640. Der Vollstreckungsbefehl steht einem für vorläufig vollstreckbar erklärten auf Versäumniß erlassenen Endurtheile gleich. Gegen denselben findet der Einspruch nach den Vorschriften der §§ 303 bis 311 statt. Gehört der Anspruch nicht vor die Amtsgerichte, so wird bei dem Amtsge­ richte nur darüber verhandelt und entschieden, ob der Einspruch in der gesetzlichen Form.und Frist eingelegt sei. Die im § 637 bestimmte Frist be­ ginnt in diesem Falle mit der Rechtskraft des Urtheils, durch welches der Einspruch für zulässig erklärt ist. 641. Wird in dem Falle, wenn Widerspruch nicht erhoben ist, die Erlassung des Vollstreckungsbefebls nicht binnen einer sechsmonatigen Frist, welche mit Ablauf der im Zahlungsbefehle be­ stimmten Frist beginnt, nachgesucht, so verliert der Zahlungsbefehl dergestalt seine Kraft, daß auch die Wirkungen der Rechtshängigkeit erlöschen. Dasselbe gilt, wenn die Erlassung des Boll­ streckungsbefehls rechtzeitig nachgesucht ist, das Gesuch aber zurückgewiesen wird. 642. Das Gesuch um Erlassung eines Zahlungs­ befehls oder eines Vollstreckungsbefehls, sowie die Erhebung eines Widerspruchs werden der anderen Partei abschriftlich nicht mitgetheilt; im Falle ihrer mündlichen Anbringung ist die Aufnahme eines Protokolls nicht erforderlich. 643. Des Nachweises einer Vollmacht bedarf es nicht, wenn für den Gläubiger die Erlassung eines Zahlungsbefehls nachgesucht oder für den Schuldner Widerspruch gegen einen Zahlungsbe­ fehl erhoben wird.

Achtes Buch. Zwangsvollstreckung. Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen. 644. Die Zwangsvollstreckung findet statt aus Endurtheilen, welche rechtskräftig oder für vor­ läufig vollstreckbar erklärt sind.

Urtheile in Ehesachen dürfen nicht für vor­ läufig vollstreckbar erklärt werden. 645. Die Rechtskraft der Urtheile tritt vor Ab­ lauf der für die Einlegung des zulässigen Rechts­ mittels oder des zulässigen Einspruchs bestimmten Frist nicht ein. Der Eintritt der Rechtskraft wird durch rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels oder des Einspruchs gehemmt. 646. Zeugnisse über die Rechtskraft der Urtheile sind auf Grund der Prozeßakten vom Gerichts­ schreiber erster Instanz und, so lange der Rechts­ streit in einer höheren Instanz anhängig ist, von dem Gerichtsschreiber dieser Instanz zu ertheilen. Insoweit die Ertheilung des Zeugnisses davon abhängt, daß gegen das Urtheil ein Rechtsmittel nicht eingelegt ist, genügt ein Zeugniß des Ge­ richtsschreibers des für das Rechtsmittel zustän­ digen Gerichts, daß innerhalb der Nothfrist ein Schriftsatz zum Zwecke der Terminsbestimmung nicht eingereicht sei. 647. Wird die Widereinsetzung in den vorigen Stand oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt, so kann das Gericht auf Antrag an­ ordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt werde oder nur gegen Sicherheitsleistung statt­ finde, und daß die erfolgten Vollstreckungsmaß­ regeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung ist nur zulässig, wenn glaub­ haft gemacht wird, daß die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachtheil bringen würde. Die Entscheidung kann ohne vorgängige münd­ liche Verhandlung erfolgen. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. 648. Auch ohne Antrag sind für vorläufig voll­ streckbar zu erklären: 1) Urtheile, welche auf Grund eines Anerkennt­ nisses eine Berurtheilung aussprechen (§ 278); 2) Urtheile, welche den Eintritt der in einem bedingten Endurtheile ausgedrückten Folgen aus­ sprechen ; 3) ein zweites oder ferneres in derselben In­ stanz gegen dieselbe Partei zur Hauptsache erlas­

senes Versäumnißurtheil; 4) Urtheile, welche im Urkunden- oder Wechsel­ prozesse erlassen werden; • 5) Urtheile, durch welche Arreste oder einst­ weilige Verfügungen aufgehoben werden; 6) Urtheile, welche die Verpflichtung zur Ent­ richtung von Alimenten aussprechen, soweit die Alimente für die Zeit nach der Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte voraus­ gehende letzte Vierteljahr zu entrichten sind. 649. Urtheile sind auf Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn sie betreffen:^ 1) Streitigkeiten zwischen Vermiethern und Miethern von Wohnungs- und anderen Räumen 41. Vgl. 8 23 G.-V.-G.

v. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. I. wegen Ueberlassung, Benutzung und Räumung derselben sowie wegen Zurückhaltung der vom Miether in die Miethsräume eingebrachten Sachen; 2) Streitigkeiten zwischen Dienstherrschaft und Gesinde, zwischen Arbeitgebern und Arbeitern hinsichtlich des Dienst- und Arbeitsverhältnisses, sowie die im § 108 der Gewerbeordnung bezeich­ neten Streitigkeiten, insofern dieselben während der Dauer des Dienst-, Arbeits- oder Lehrver­ hältnisses entstehen;42 3) Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirthen, Fuhrleuten, Schiffern, Flößern oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungs­ häfen, welche für Wirthszechen, Fuhrlohn, Ueberfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der letzteren, sowie Streitigkeiten zwischen Rei­ senden und Handwerkern, welche aus Anlaß der Reise entstanden sind; 4) andere vermögensrechtliche Ansprüche, so­ fern der Gegenstand der Verurtheilung an Geld oder Geldeswerth die Summe von dreihundert Mark nicht übersteigt; in Betreff des Werthes des Gegenstandes kommen die Vorschriften der §§ 3 bis 9 zur Anwendung. 650. Urtheile sind aus Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Aussetzung der Vollstreckung dem Gläubiger einen schwer zu ersetzenden oder einen schwer zu ermittelnden Nachtheil bringen würde, oder wenn sich der Gläubiger erbietet, vor der Vollstreckung Sicherheit zu leisten. 651. Wird glaubhaft gemacht, daß die Voll­ streckung des Urtheils dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachtheil bringen würde, so ist in den Fällen des § 648 auf Antrag des Schuldners auszusprechen, daß dasselbe nicht vorläufig voll­ streckbar sei; in den Fällen der §§ 649, 659 ist der Antrag des Gläubigers zurückzuweisen. 652. Das Gericht kann auf Antrag die vor­ läufige Vollstreckbarkeit von einer vorgängigen Sicherheitsleistung abhängig machen. Das Gericht hat auf Antrag dem Schuldner nachzulassen, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Vollstreckung abzuwenden, wenn nicht der Gläubiger sich erbietet, vor der Voll­ streckung Sicherheit zu leisten. 653. Die in den §§ 649 bis 652 erwähnten Anträge sind vor dem Schluffe der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf welche das Urtheil

ergeht. 654. Ist der Antrag, das Urtheil für vorläu­ fig vollstreckbar zu erklären, übergangen oder ist in Fällen, in welchen ein Urtheil ohne Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist, eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit

42. Welche Streitigkeiten dies sind, s. in der Bem. zu § 23 Nr. 2 G.-B.-G.

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nicht erfolgt, so kommen wegen Ergänzung des Urtheils die Vorschriften des § 292 zur An­ wendung. 655. Die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt mit der Verkündung eines Urtheils, welches die Ent­ scheidung in der Hauptsache oder die Vollstreck­ barkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer Kraft, als die Aufhebung oder Abände­ rung erfolgt. Soweit ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urtheil aufgehoben oder abgeändert wird, ist der Kläger auf Antrag des Beklagten zur Erstattung des von diesem auf Grund des Urtheils Ge­ zahlten oder Geleisteten zu verurtheilen. 656. In der Berufungsinstanz ist für die vor­ läufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu verhandeln und zu entscheiden. Die Bestimmung des § 486 über die Ver­ tagung der mündlichen Verhandlung findet in diesem Falle keine Anwendung. Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit erlassenen Entscheidung findet nicht statt. 657. Wird gegen ein für vorläufig vollstreck­ bar erklärtes Urtheil der Einspruch oder ein Rechtsmittel eingelegt, so finden die Vorschriften des § 647 entsprechende Anwendung. 658. Ist auf Bewirkung einer Eintragung im Grund- oder Hypothekenbuche erkannt, so darf das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urtheil nur in der Weise vollzogen werden, daß die Eintragung in der zur Sicherstellung eines Anspruchs auf Eintragung vorgeschriebenen Form (Vormerkung, Protestation, arrestatorische Verfügung, Disposi­ tionsbeschränkung u. s. w.) erfolgt. 659. Ist in Gemäßheit des § 652 Absatz 2 dem Schuldner nachgelassen, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Vollstreckung abzu­ wenden, so ist gepfändetes Geld oder der Erlös gepfändeter Gegenstände zu hinterlegen. 660. Aus dem Urtheil eines ausländischen Gerichts findet die Zwangsvollstreckung nur statt, wenn ihre Zulässigkeit durch ein Bollstreckungsurtheil ausgesprochen ist. Für die Klage auf Erlassung desselben ist das Amtsgericht oder Landgericht, bei welchem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und in Ermangelung eines solchen das Amtsge­ richt oder Landgericht zuständig, bei welchem in Gemäßheit des § 24 gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann. 661. Das Vollstreckungsurtheil ist ohne Prü­ fung der Gesetzmäßigkeit der Entscheidung zu erlassen. Dasselbe ist nicht zu erlassen: 1) wenn das Urtheil des ausländischen Ge­ richts nach dem für dieses Gericht geltenden Rechte die Rechtskraft noch nicht erlangt hat; 2) wenn durch die Vollstreckung eine Hand­ lung erzwungen werden würde, welche nach dem

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D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. I.

Rechte des über die ZuläMkeit der Zwangsvoll­ streckung urtheilenden deutschen Richters nicht er­ zwungen werden darf; 3) wenn nach dem Rechte des über die Zuläs­ sigkeit der Zwangsvollstreckung urtheilenden deut­ schen Richters die Gerichte desjenigen Staates nicht zuständig waren, welchem das ausländische Gericht angehört; 4) wenn der verurtheilte Schuldner ein Deutscher ist und sich auf den Prozeß nicht eingelassen hat, sofern die den Prozeß einleitende Ladung oder Verfügung ihm weder in dem Staate des Pro­ zeßgerichts in Person noch durch Gewährung der Rechtshülfe im Deutschen Reiche zugestellt ist; 5) wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist.43 662. Die Zwangsvollstreckung erfolgt auf Grund einer mit der VollstreckungskläKsel ver­ sehenen Ausfertigung des Urtheils (vollstreckbare Ausfertigung). Die vollstreckbare Ausfertigung wird von dem Gerichtsschreiber des Gerichts erster Instanz und, wenn der Rechtsstreit bei einem höheren Gericht anhängig ist, von dem Gerichtsschreiber dieses Gerichts ertheilt. 663. Die Vollstreckungsklausel: „Vorstehende Ausfertigung wird dem u. s. w. (Bezeichnung der Partei) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung ertheilt" ist der Ausfertigung des Urtheils am Schlüsse beizufügen, von dem Gerichtsschreiber zu unter­ schreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen.44

664. Von Urtheilen, deren Vollstreckung nach ihrem Inhalte von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer anderen Thatsache als einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheits­ leistung abhängt, darf eine vollstreckbare Ausfer­ tigung nur ertheilt werden, wenn der Beweis durch öffentliche Urkunden geführt wird.

665. Eine vollstreckbare Ausfertigung kann für den Rechtsnachfolger des in dem Urtheile bezeich­ neten Gläubigers sowie gegen die allgemeinen Rechtsnachfolger des in dem Urtheile bezeichneten Schuldners und unter Berücksichtigung der §§ 236, 238 gegen denjenigen Rechtsnachfolger dieses Schuldners ertheilt werden, an welchen die in Streit befangene Sache während der Rechts­ hängigkeit oder nach Beendigung des Rechtsstreits veräußert ist, sofern die Rechtsnachfolge bei dem Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche Urkunde nachgewiesen wird. Ist die Rechtsnachfolge bei dem Gericht offen­ kundig, so ist dies in der Vollstreckungsklausel zu erwähnen. 666. In den Fällen der §§ 664, 665 darf die 43. Das Verhältniß zu Frankreich ist geregelt durch die Zusatz-Konvention v. 11. Dez. 1871, welche den Vertrag zwischen Frankreich u. Baden v. 16. April 1846 darauf angewendet hat.

44. Vgl. Bem. zu 8 8 G. v. 14. Juli 1871.

vollstreckbare Ausfertigung nur auf Anordnung des Vorsitzenden ertheilt werden. Bor der Entscheidung kann der Schuldner gehört werden. Die Anordnung ist in der Vollstreckungsklausel

zu erwähnen. 667. Kann der nach den §§ 664, 665 erforder­ liche Nachweis durch öffentliche Urkunden nicht geführt werden, so hat der Kläger bei dem Prozeß­ gericht erster Instanz aus dem Urtheil auf Ertheilung der Vollstreckungsklausel Klage zu erheben. 668. Ueber Einwendungen des Schuldners, welche die Zulässigkeit der Bollstreckungsklausel betreffen, entscheidet das Gericht, von dessen Gerichtsschreiber die Vollstreckungsklausel ertheilt ist. Die Entscheidung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Das Gericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbe­ sondere anordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen sei. 669. Eine weitere vollstreckbare Ausfertigung darf derselben Partei, sofern nicht die zuerst ertheilte Ausfertigung zurückgegeben wird, nur auf Anordnung des Vorsitzenden ertheilt werden. Vor der Entscheidung kann der Schuldner gehört werden. Der Gerichtsschreiber hat von der Ertheilung der weiteren Ausfertigung, wenn die Entscheidung, durch welche dieselbe angeordnet wird, nicht ver­ kündet ist, den Gegner in Kenntniß zu setzen. Die weitere Ausfertigung ist als solche unter Erwähnung der Entscheidung ausdrücklich zu bezeichnen. 670. Vor der Aushändigung einer vollstreck­ baren Ausfertigung ist auf der Urschrift des Urtheils zu bemerken, für welche Partei und zu welcher Zeit die Ausfertigung ertheilt ist. 671. Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen welche sie stattfinden soll, in dem Urtheil oder in der dem­ selben beigefügten Vollstreckungsklausel nament­ lich bezeichnet sind und das Urtheil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Hängt die Vollstreckung eines Urtheils seinem Inhalte nach von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer Thatsache ab oder handelt es sich um die Vollstreckung eines Urtheils für die Rechtsnachfolger des in demselben bezeich­ neten Gläubigers oder gegen die Rechtsnachfolger des in demselben bezeichneten Schuldners, so muß außer dem zu vollstreckenden Urtheil auch die demselben beigefügte Vollstreckungsklausel und, sofern die Vollstreckungsklausel auf Grund öffent­ licher Urkunden ertheilt ist, auch eine Abschrift dieser Urkunden vor Beginn der Zwangsvoll­ streckung zugestellt sein oder gleichzeitig mit Beginn derselben zugestellt werden.

D.

Civilprozeßordnung. B. VIII* Abfchn. I.

672. Ist die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages abhängig, so darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn der Kalendertag abgelaufen ist. Hängt die Vollstreckung von einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung ab, so darf der Beginn der Zwangsvollstreckung nur erfolgen, wenn die Sicherheitsleistung durch eine öffentliche Urkunde nachgewiesen und eine Abschrift dieser Urkunde bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zu­ gestellt wird. 673. Gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärperson darf die Zwangsvollstreckung erst beginnen, nachdem von derselben die vorgesetzte Militärbehörde An­ zeige erhalten hat. Dem Gläubiger ist auf Verlangen der Empfang der Anzeige von der Militärbehörde zu be­ scheinigen. 674. Die Zwangsvollstreckung erfolgt, soweit sie nicht den Gerichten zugewiesen ist, durch Gerichts­ vollzieher , welche dieselbe im Auftrage des Gläubigers zu bewirken haben. Der Gläubiger kann wegen Ertheilung des Auftrags zur Zwangsvollstreckung die Mitwirkung des Gerichtsschreibers in Anspruch nehmen. Der von dem Gerichtsschreiber beauftragte Gerichts­ vollzieher gilt als von dem Gläubiger beauftragt. 675. In dem schriftlichen oder mündlichen Auf­ trage zur Zwangsvollstreckung in Verbindung mit der Uebergabe der vollstreckbaren Ausfertigung liegt die Beauftragung des Gerichtsvollziehers, die Zahlungen oder sonstigen Leistungen in Empfang zu nehmen, über das Empfangene wirksam zu quittiren und dem Schuldner, wenn dieser seiner Verbindlichkeit genügt hat, die vollstreckbare Aus­ fertigung auszuliefern. 676. Dem Schuldner und Dritten gegenüber wird der Gerichtsvollzieher zur Vornahme der Zwangsvollstreckung und der im § 675 bezeich­ neten Handlungen durch den Besitz der vollstreck­ baren Ausfertigung ermächtigt. Der Mangel oder die Beschränkung des Auftrags kann diesen Per­ sonen gegenüber von dem Gläubiger nicht geltend gemacht werden. 677. Der Gerichtsvollzieher hat nach Empfang der Leistungen dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung nebst einer Quittung auszuliefern, bei theilweiser Leistung diese auf der vollstreckbaren Ausfertigung zu bemerken und dem Schuldner Quittung zu ertheilen. Das Recht des Schuldners, nachträglich eine Quittung des Gläubigers selbst zu fordern, wird durch diese Bestimmungen nicht berührt. 678. Der Gerichtsvollzieher ist befugt, die Wohnung und die Behältnisse des Schuldners zu durchsuchen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert. Er ist befugt, die verschlossenen Hausthüren, Zimmerthüren und Behältnisse öffnen zu lassen.

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Er ist, wenn er 4 Widerstand findet, zur An­ wendung von. Gewalt befugt und kann-zu diesem Zwecke die Unterstützung der polizeilichen Vollzugs­ organe nachsuchen. Ist militärische Hülfe erforder­ lich, so hat er sich an das Bollftreckungsgoricht zu wenden. ! 679. Wird bei einer Bollstreckungs.handlung Widerstand geleistet oder ist bei einer in der Wohnung des Schuldners erfolgenden Voll­ streckungshandlung weder der Schuldner noch eine zur Familie desselben gehörige oder in dieser Familie dienende erwachsene Person gegenwärtig, so hat der Gerichtsvollzieher zwei großjährige Männer oder einen Gemeinde- oder Polizeibeamten als Zeugen zuzuziehen. 680. Jeder Person, welche bei dem Vollstre­ ckungsverfahren betheiligt ist, muß auf Begehren Einsicht der Akten des Gerichtsvollziehers gestattet und Abschrift einzelner Aktenstücke ertheilt werden. 681. Zur Nachtzeit, sowie an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen darf eine Vollstreckungs­ handlung nur mit Erlaubniß des Amtsrichters erfolgen, in dessen Bezirke die Handlung vorge­ nommen werden soll. Die Verfügung, durch welche die Erlaubniß ertheilt wird, ist bei der Zwangsvollstreckung vorzuzeigen. Die Nachtzeit umfaßt in dem Zeitraume vom 1. April bis 30. September die Stunden von neun Uhr Abends bis vier Uhr Morgens und in dem Zeitraume vom 1. Oktober bis 31. März die Stunden von neun Uhr Abends bis sechs Uhr

Morgens. 682. Der Gerichtsvollzieher hat über jede Vollstreckungshandlung ein Protokoll aufzunehmen. Das Protokoll muß enthalten: 1) Ort und Zeit der Aufnahme; 2) den Gegenstand der Vollstreckungshandlung unter kurzer Erwähnung der wesentlichen Vor­ gänge ; 3) die Namen der Personen, mit welchen ver­ handelt ist; 4) die Unterschrift dieser Personen und die Bemerkung, daß die Unterzeichnung nach vor­ gängiger Vorlesung oder Vorlegung zur Durchsicht und nach vorgängiger Genehmigung erfolgt sei; 5) die Unterschrift des Gerichtsvollziehers. Hat einem der unter Nr. 4 bezeichneten Er­ fordernisse nicht genügt werden können, so ist der Grund anzugeben. 683. Die Aufforderungen und sonstigen Mit­ theilungen, welche zu den Vollstreckungshandlungen gehören, sind von dem Gerichtsvollzieher münd­ lich zu erlassen und vollständig in das Protokoll aufzunehmen. Kann die mündliche Ausführung nicht erfolgen, so ist eine Abschrift des Protokolls unter ent­ sprechender Anwendung der §§ 158, 166 bis 170 zuzustellen oder, wenn demjenigen, an welchen die Aufforderung oder Mittheilung zu richten ist,

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D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. I.

am Orte der Zwangsvollstreckung nicht zugestellt werden kann, durch die Post zu übersenden. Die Befolgung dieser Vorschrift muß zum Protokolle

bemerkt werden. Eine öffentliche Zustellung findet nicht statt. 684. Die den Gerichten zugewiesene Anordnung von Bollstreckungshandlungen und Mitwirkung bei solchen gehört zur Zuständigkeit der Amtsge­ richte als Bollstreckungsgerichte. Als Vollstreckungsgericht ist, sofern nicht das Gesetz ein anderes Amtsgericht bezeichnet, das­ jenige Amtsgericht anzusehen, in dessen Bezirke das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat. Die Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts können ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen.

685. Ueber Anträge, Einwendungen und Erin­ nerungen, welche die Art und Weise der Zwangs­ vollstreckung oder das bei derselben vom Gerichts­ vollzieher zu beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Vollstreckungsgericht. Dasselbe ist befugt, die im § 668 Absatz 2 bezeichneten An­ ordnungen zu erlassen. Dem Vollstreckungsgerichte steht auch die Ent­ scheidung zu, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu über­ nehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrage gemäß auszuführen, oder wenn in An­ sehung der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten Erinnerungen erhoben werden. 686. Einwendungen, welche den durch das Urtheil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozeßgericht erster Instanz geltend zu machen. Dieselben sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluffe derjenigen mündlichen Verhandlung, in welcher Einwendungen in Gemäßheit der Bestim­ mungen dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Der Schuldner muß in der von ihm zu erhe­ benden Klage alle Einwendungen geltend machen, welche er zur' Zeit der Erhebung der Klage gel­ tend zu machen im Stande war. 687. Die Bestimmungen des § 686 Absatz 1, 3 finden entsprechende Anwendung, wenn in den Fällen der §§ 664, 665 der Schuldner den bei Ertheilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenommenen Eintritt der Thatsache, von welcher das Urtheil die Vollstreckung abhängig macht, oder die als eingetreten angenommene Rechts­ nachfolge bestreitet, unbeschadet der Befugniß des Schuldners, in diesen Fällen Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel in Ge­ mäßheit des § 668 zu erheben. 688. Das Prozeßgericht kann auf Antrag anordnen, daß bis zur Erlassung des Urtheils

über die in den §§ 686, 687 bezeichneten Ein­ wendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werde und daß die erfolgten Bollstreckungsmaßregeln gegen Sicher­ heitsleistung aufzuheben seien. Die thatsächlichen Behauptungen, welche den Antrag begründen, sind glaubhaft zu machen. In dringenden Fällen kann das Vollstreckungs­ gericht eine solche Anordnung erlassen, unter Be­ stimmung einer Frist, innerhalb welcher die Entscheidung des Prozeßgerichts beizubringen sei. Nach fruchtlosem Ablaufe der Frist wird die Zwangsvollstreckung fortgesetzt. Die Entscheidung über diese Anträge kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. 689. Das Prozeßgericht kann in dem Urtheile, durch welches über die Einwendungen entschieden wird, die in dem vorstehenden Paragraphen be­ zeichneten Anordnungen erlassen oder die bereits erlassenen Anordnungen aufheben, abändern oder bestätigen. In Betreff der Anfechtung einer solchen Entscheidung finden die Vorschriften des § 656 entsprechende Anwendung. 690. Behauptet ein Dritter, daß ihm an dem Gegenstände der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, so ist der Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Gerichte geltend zu machen, in dessen Bezirke die Zwangsvollstreckung erfolgt. Wird die Klage gegen den Gläubiger und den Schuldner gerichtet, so sind diese als Streitge­ nossen anzusehen. Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der bereits erfolgten Vottstreckungsmaßregeln finden die Vorschriften der §§ 688, 689 entsprechende Anwendung. Die Aus­ hebung einer Bollstreckungsmaßregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig. 691. Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken: 1) wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus welcher sich ergibt, daß das zu vollstreckende Urtheil oder dessen vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben, oder daß die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder deren Einstellung angeordnet ist; 2) wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus welcher sich ergibt, daß die einstweilige Einstellung der Voll­ streckung oder einer Vollstreckungsmaßregel an­ geordnet ist; 3) wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus welcher sich ergibt, daß die zur Ab­ wendung der Vollstreckung nachgelassene Sicher­ heitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist; 4) wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorge­ legt wird, aus welcher sich ergibt, daß der Gläu-

D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. L biger nach Erlassung des zu vollstreckenden Urtheils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat; 5) wenn ein Postschein vorgelegt wird, aus welchem sich ergibt, daß nach Erlassung des Ur­ theils die zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Summe zur Auszahlung an den letzteren bei der Post eingezahlt ist. 692. In den Fällen des § 691 Nr. 1, 3 sind zugleich die bereits erfolgten Vollstreckungsmaß­ regeln aufzuheben. In den Fällen der Nr. 4, 5 bleiben diese Maßregeln einstweilen bestehen; dasselbe gilt in den Fällen der Nr. 2, sofern nicht durch die betreffende Entscheidung auch die Aufhebung der bisherigen Vollstreckungshand­ lungen angeordnet ist. 693. Eine Zwangsvollstreckung, welche zur Zeit des Todes des Schuldners gegen diesen bereits begonnen hatte, wird in den Nachlaß desselben fortgesetzt. Ist bei einer Vollstreckungshandlung die Zu­ ziehung des Schuldners nöthig, so hat bei ruhender Erbschaft oder wenn der Erbe oder dessen Aufenthalt unbekannt ist, das Vollstreckungs­ gericht auf Antrag des Gläubigers dem Nachlasse oder dem Erben einen einstweiligen besonderen Vertreter zu bestellen. 694. Ist der Schuldner vor Beginn der Zwangsvollstreckung gestorben, so hat bei ruhender Erbschaft oder wenn der Erbe oder dessen Aufenthalt unbekannt ist, das nach den Landes­ gesetzen zuständige Nachlaßgericht auf Antrag des Gläubigers dem Nachlasse oder dem Erben einen Kurator zu bestellen. 695. Der als Erbe des Schuldners verurtheilte Beklagte kann die Rechtswohlthat des Inventars nur geltend machen, wenn ihm dieselbe im Ur­ theile Vorbehalten ist. 696. Bei der Zwangsvollstreckung gegen einen Schuldner, welcher als Beneffzialerbe oder als Erbe unter Vorbehalt der Rechtswohlthat des Inventars verurtheilt ist, oder gegen welchen als Erben des verurteilten Schuldners die Zwangs­ vollstreckung begonnen hat, bleibt die Rechts­ wohlthat unberücksichtigt, bis auf Grund derselben gegen die Zwangsvollstreckung von dem Erben Einwendungen erhoben werden. Inwieweit der Benefizialerbe berechtigt ist, auf Grund der Rechtswohlthat die Aussetzung, Auf­ hebung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung zu verlangen, bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Die Erledigung der Einwendungen erfolgt nach den Bestimmungen der §§ 686, 688, 689. 697. Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen, soweit sie nothwendig waren (§ 87), dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangs­ vollstreckung stehenden Ansprüche beizutreiben. Die Kosten der Zwangsvollstreckung sind dem Schuldner zu erstatten, wenn das Urtheil, aus welchem dieselbe erfolgt ist, ausgehoben wird.

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698. Wird zum Zwecke der Vollstreckung das Einschreiten einer Behörde erforderlich, so hat das Gericht die Behörde um ihr Einschreiten zu ersuchen. 699. Soll die Zwangsvollstreckung gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine an­ gehörende Person des Soldatenstandes in Kasernen und anderen militärischen Dienstgebäuden oder auf Kriegsfahrzeugen erfolgen, so hat auf Antrag des Gläubigers das Vollstreckungsgericht die zuständige Militärbehörde um die Zwangsvoll­ streckung zu ersuchen. Die gepfändeten Gegenstände sind einem von dem Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvoll­ zieher zu übergeben. 700. Soll die Zwangsvollstreckung in einem ausländischen Staate erfolgen, dessen Behörden im Wege der Rechtshülfe die Urtheile deutscher Gerichte vollstrecken, so hat auf Antrag des Gläubigers das Prozeßgericht erster Instanz die zuständige Behörde des Auslandes um die Zwangsvollstreckung zu ersuchen. Kann die Vollstreckung durch einen Reichskonsul erfolgen, so ist das Ersuchen an diesen zu richten. 701. Gegen Entscheidungen, welche im Zwangs­ vollstreckungsverfahren ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen können, findet sofortige Beschwerde statt. 702. Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt: 1) aus Vergleichen, welche nach Erhebung der Klage zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfange nach oder in Betreff eines Theils des Streitgegenstandes vor einem deutschen Ge­ richt abgeschlossen sind; 2) aus Vergleichen, welche im Falle des § 471 vor dem Amtsgericht abgeschlossen sind; 3) aus Entscheidungen, gegen welche das Rechts­ mittel der Beschwerde stattfindet; 4) aus Bollstreckungsbefehlen; 5) aus Urkunden, welche von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorge­ schriebenen Form ausgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Quantität anderer vertretbarer Sachen oder Werthpapiere zum Ge­ genstände hat, und der Schuldner sich in der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unter­ worfen hat. 703. Auf die Zwangsvollstreckung aus den in dem vorstehenden Paragraphen erwähnten Schuld­ titeln finden die Bestimmungen der §§ 662 bis 701 entsprechende Anwendung, soweit nicht in den §§ 704, 705 abweichende Vorschriften ent­ halten sind. 704. Vollstreckungsbefehle bedürfen der Voll­ streckungsklausel nur in dem Falle, wenn nach Erlassung der Befehle eine Rechtsnachfolge auf

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Seiten des Gläubigers oder des Schuldners ein­ getreten ist. Einwendungen, welche den Anspruch selbst be­ treffen, sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach Zustellung des Voll­ streckungsbefehls entstanden sind. Für Klagen auf Ertheilung der Vollstreckungs­ klausel, sowie für Klagen, durch welche die den Anspruch selbst betreffenden Einwendungen geltend gemacht werden oder die bei der Ertheilung der Bollstreckungsklausel als angenommene Rechts­ nachfolge bestritten wird, ist das Amtsgericht zu­ ständig, welches den Vollstreckungsbefehl erlassen hat. Gehört der Anspruch nicht vor die Amtsge­ richte, so sind die Klagen bei dem zuständigen Landgerichte zu erheben. 705. Die vollstreckbare Ausfertigung gericht­ licher Urkunden wird von dem Gerichtsschreiber des Gerichts ertheilt, welches die Urkunde ausge­ nommen hat. Die vollstreckbare Ausfertigung notarieller Ur­ kunden wird von dem Notar ertheilt, welcher die Urkunde verwahrt. Befindet sich die Urkunde in der Verwahrung einer Behörde, so hat diese die vollstreckbare Ausfertigung zu ertheilen. Die Entscheidung über Einwendungen, welche die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel betreffen, sowie die Entscheidung über Ertheilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung erfolgt bei gerichtlichen Urkunden von dem im ersten Ab­ sätze bezeichneten Gerichte, bei notariellen Ur­ kunden von dem Amtsgerichte, in dessen Bezirke der im zweiten Absätze bezeichnete Notar oder die daselbst bezeichnete Behörde den Amtssitz hat. Auf die Geltendmachung von Einwendungen, welche den Anspruch selbst betreffen, findet die beschränkende Vorschrift des § 686 Absatz 2 keine Anwendung. Für Klagen auf Ertheilung der Vollstreckungs­ klausel, sowie für Klagen, durch welche die den Anspruch selbst betreffenden Einwendungen gel­ tend gemacht werden oder der bei der Ertheilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenom­ mene Eintritt der Thatsache, von welcher die Vollstreckung aus der Urkunde abhängt, oder die als eingetreten angenommene Rechtsnachfolge be­ stritten wird, ist das Gericht, bei welchem der Schuldner im Deutschen Reiche seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und in Ermangelung eines solchen das Gericht zuständig, bei welchem in Gemäßheit des § 24 gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann. 706. Die Landesgesetzgebung ist nicht gehindert, auf Grund anderer als der in den §§ 644, 702 bezeichneten Schuldtitel die gerichtliche Zwangs­ vollstreckung zuzülassen und insoweit abweichende

Die vorstehende Bestimmung findet auch auf Hypothekenurkunden (Hypothekenschuldbriefe, Hypo­ thekenscheine u. s. w.) Anwendung. 707. Die in diesem Buche aNgeordneten Ge­ richtsstände sind ausschließliche.

Zweiter Abschnitt. ArvangsvoMreckrmg wegen Hetdforderungen. Erster Titel. ArvangsvoWreLung in das vewegtiche Vermögen.

I. Allgemeine Bestimmungen. 708. Die Zwangsvollstreckung in das beweg­ liche Vermögen erfolgt durch Pfändung. Sie darf nicht weiter ausgedehnt werden, als zur Befrie­ digung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung erforderlich ist. Die Pfändung hat zu unterbleiben, wenn sich von der Verwerthung der zu pfändenden Gegen­ stände ein Ueberschuß über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht erwarten läßt. 709. Durch die Pfändung erwirbt der Gläu­ biger ein Pfandrecht an dem gepfändeten Gegen­ stände. Das Pfandrecht gewährt dem Gläubiger im Verhältniß zu anderen Gläubigern dieselben Rechte wie ein durch Vertrag erworbenes Faust­ pfandrecht ; es geht Pfand- und Vorzugsrechten vor, welche für den Fall eines Konkurses den Faustpfandrechten nicht gleichgestellt sind. 46

Das durch eine frühere Pfändung begründete Pfandrecht geht demjenigen vor, welches durch eine spätere Pfändung begründet wird. 710. Der Pfändung einer Sache kann ein Dritter, welcher sich nicht im Besitze der Sache befindet, auf Grund eines Pfand- oder Vorzugs­ rechts nicht widersprechen; er kann jedoch seinen Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlöse im Wege der Klage geltend machen, ohne Rücksicht darauf, ob seine Forderung fällig ist oder nicht. Die Klage ist bei dem Vollstreckungsgericht und, wenn der Streitgegenstand zur Zuständigkeit der Amtsgerichte nicht gehört, bei dem Landgerichte zu erheben, in dessen Bezirk das Vollstreckungs­ gericht seinen Sitz hat. Wird die Klage gegen den Gläubiger und den Schuldner gerichtet, so sind diese als Streitge­ nossen anzusehen. Wird der Anspruch glaubhaft gemacht, so hat das Gericht die HinterlegunL des Erlöses anzu46. Vgl. § 20 A.-G., wonach es in Els.-Lothr. Pfand-

Vorschriften von den Bestimmungen dieses Ge­ und Vorzugsrechte an beweglichen Sachen, welche für den setzes über die Zwangsvollstreckung zu treffen.45 46 Fall des Konkurses den Faustpfandrechten nicht gleichgestellt 45. Zur Zeit sind in dieser Beziehung die §§ 16,17 A.-G. zu erwähnen (f. auch § 19 Entw. eines A.-G. z. G.-K.-G.).

wären, nicht mehr gibt. S. daselbst auch in Abs. 2 über das Rangverhältniß zwischen dem durch Pfändung begründeten und den übrigen Vorzugsrechten.

D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. II. T. 1.

ordnen. Die Vorschriften der §§ 688, 689 finden hierbei entsprechende Anwendung. 711. Hat die Pfändung zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt oder macht dieser glaubhaft, daß er durch Pfändung seine Befriedigung nicht vollständig erlangen könne, so ist der Schuldner auf Antrag verpflich­ tet, ein Verzeichniß seines Vermögens vorzulegen, in Betreff seiner Forderungen den Grund und die Beweismittel zu bezeichnen, sowie den Offen­ barungseid dahin zu leisten: daß er sein Vermögen vollständig angegeben und wissentlich nichts verschwiegen habe. II. Zwangsvollstreckung in körperlichen Sachen. 712. Die Pfändung der im Gewahrsam des Schuldners befindlichen körperlichen Sachen wird dadurch bewirkt, daß der Gerichtsvollzieher die­ selben in Besitz nimmt. Im Gewahrsam des Schuldners sind die Sachen nur, wenn der Gläubiger einwilligt oder wenn ein anderes Verfahren mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, zu belassen. In demselben Falle ist die Wirksamkeit der Pfändung dadurch bedingt, daß durch Anlegung von Siegeln oder auf sonstige Weise die Pfändung ersichtlich gemacht ist. Der Gerichtsvollzieher hat den Schuldner von der geschehenen Pfändung in Kenntniß zu setzen. 713. Die vorstehenden Bestimmungen finden entsprechende Anwendung auf die Pfändung von Sachen, welche sich im Gewahrsam des Gläubi­ gers oder eines zur Herausgabe bereiten Dritten befinden. 714. Früchte können, auch bevor sie von dem Boden getrennt sind, gepfändet werden. Die Pfändung darf nicht früher als einen Monat vor der gewöhnlichen Zeit der Reise erfolgen. 715. Folgende Sachen sind der Pfändung nicht unterworfen: 1) die Kleidungsstücke, die Betten, das Haus­ und Küchengeräth, insbesondere die Heiz- und Kochöfen, soweit diese Gegenstände für den Schuldner, seine Familie und sein Gesinde unent­ behrlich sind; 2) die für den Schuldner, seine Familie und sein Gesinde auf zwei Wochen erforderlichen Nahrungs- und Feuerungsmittel; 3) eine Milchkuh oder nach der Wahl des Schuldners statt einer solchen zwei Ziegen oder zwei Schafe nebst dem zum Unterhalt und zur Streu für dieselben auf zwei Wochen erforder­ lichen Futter und Stroh, sofern die bezeichneten Thiere für die Ernährung des Schuldners, seiner Familie und seines Gesindes unentbehrlich sind; 4) bei Künstlern, Handwerkern, Hand- und Fabrikarbeitern, sowie bei Hebammen die zur persönlichen Ausübung des Berufs unentbehr­ lichen Gegenstände;

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5) bei Personen, welche Landwirthschaft betrei­ ben, das zum Wirthschaftsbetriebe unentbehrliche Geräth, Vieh- und Feldinventarium nebst dem nöthigen Dünger, sowie die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, welche zur Fortsetzung der Wirth­ schaft bis zur nächsten Ernte unentbehrlich sind; 6) bei Offizieren, Deckoffizieren, Beamten, Geist­ lichen, Lehrern an öffentlichen Unterrichtsanstal­ ten, Rechtsanwälten, Notaren und Aerzten die zur Verwaltung des Dienstes oder Ausübung des Berufs erforderlichen Gegenstände, sowie anstän­ dige Kleidung; 7) bei Offizieren, Militärärzten, Deckoffizieren, Beamten, Geistlichen und Lehrern an öffentlichen Unterrichtsanstalten ein Geldbetrag, welcher dem der Pfändung nicht unterworfenen Theile des Diensteinkommens oder der Pension für die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Termine der Gehalts- oder Pensionszahlung gleichkommt; 8) die zum Betriebe einer Apotheke unentbehr­ lichen Geräthe, Gefäße und Waaren; 9) Orden und Ehrenzeichen; 10) die Bücher, welche zum Gebrauche des Schuldners und seiner Familie in der Kirche oder Schule bestimmt sind. 716. Die gepfändeten Sachen sind von dem Gerichtsvollzieher öffentlich zu versteigern, Kost­ barkeiten sind vor der Versteigerung durch einen Sachverständigen abzuschätzen. Gepfändetes Geld ist dem Gläubiger abzuliefern. Die Wegnahme des Geldes durch den Gerichts­ vollzieher dient als Zahlung von Seiten des Schuldners, sofern nicht dem Schuldner nachge­ lassen ist, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Vollstreckung abzuwenden. 717. Die Versteigerung der gepfändeten Sachen darf nicht vor Ablauf einer Woche seit dem Tage der Pfändung geschehen, sofern nicht der Gläubiger und der Schuldner über eine frühere Versteigerung sich einigen oder dieselbe erforderlich ist, um die Gefahr einer beträchtlichen Werthsverringerung der zu versteigernden Sache abzuwenden oder um unverhältnißmäßige Kosten einer längeren Aufbewahrung zu vermeiden. Die Versteigerung erfolgt in der Gemeinde, in

welcher die Pfändung geschehen ist, sofern nicht der Gläubiger und der Schuldner über einen anderen Ort sich einigen. Zeit und Ort der Versteigerung sind unter allgemeiner Bezeichnung der zu versteigernden Sachen öffentlich bekannt zu. machen.4? 718. Der Zuschlag an den Meistbietenden er­ folgt nach dreimaligem Aufrufe. Die Ablieferung einer zugeschlagenen Sache darf nur gegen baare Zahlung geschehen. Hat der Meistbietende nicht zu der in den Versteigerungsbedingungen bestimmten Zeit oder 47. Erfolgt die Bekanntmachung durch öffentliche Blätter, so wird Art. 23 D. v. 17. Febr. 1852 zu beachten sein.

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D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. II. T. I.

in Ermangelung einer solchen Bestimmung nicht vor dem Schlüsse des Versteigerungstermins die Ablieferung gegen Zahlung des Kaufgeldes ver­ langt, so wird die Sache anderweit versteigert. Der Meistbietende wird zu einem weiteren Gebote nicht zugelassen; er haftet für den Ausfall, auf den Mehrerlös hat er keinen Anspruch. 719. Die Versteigerung wird eingestellt, sobald der Erlös zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung hinreicht. 720. Die Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher gilt als Zahlung von Seiten des Schuldners, sofern nicht dem Schuldner nach­ gelassen ist, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Vollstreckung abzuwenden. 721. Gold- und Silbersachen dürfen nicht unter ihrem Gold- oder Silberwerthe zugeschlagen wer­ den. Wird ein den Zuschlag gestattendes Gebot nicht abgegeben, so kann der Gerichtsvollzieher den Verkauf aus freier Hand zu dem Preise be­ wirken, welcher den Gold- oder Silberwerth erreicht. 722. Gepfändete Werthpapiere sind, wenn sie einen Börsen- oder Marktpreis haben, von dem Gerichtsvollzieher aus freier Hand zum Tages­ kurse zu verkaufen und, wenn sie einen solchen Preis nicht haben, nach den allgemeinen Bestim­ mungen zu versteigern.48 723. Lautet ein Werthpapier auf Namen, so kann der Gerichtsvollzieher durch das Voll­ streckungsgericht ermächtigt werden, die Umschrei­ bung auf den Namen des Käufers zu erwirken und die hierzu erforderlichen Erklärungen an Stelle des Schuldners abzugeben. 724. Ist ein Jnhaberpapier auf den Namen oder in anderer Weise außer Kurs gesetzt, so kann der Gerichtsvollzieher durch, das Voll­ streckungsgericht ermächtigt werden, die Wiederinkurssetzung zu erwirken und die hierzu erforder­ lichen Erklärungen an Stelle des Schuldners abzugeben. 725. Die Versteigerung gepfändeter, von dem Boden noch nicht getrennter Früchte ist erst nach der Reife zulässig. Sie kann vor oder nach der Trennung der Früchte erfolgen; im letzteren Falle hat der Gerichtsvollzieher die Aberntung bewirken zu lassen. 726. Auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht anord­ nen, daß die Verwerthung einer gepfändeten Sache in anderer Weise oder an einem anderen Orte, als in den vorstehenden Paragraphen bestimmt ist, stattzufinden habe oder daß die Versteigerung durch eine andere Person als den Gerichtsvoll­ zieher vorzunehmen sei.

48. Nach diesem § u. § 712 ist auch bei der Zwangsvoll­ streckung in Kuxe zu verfahren. §§ 81, 89 Bcrgges. v. 16. Dez. 1873.

727. Die Pfändung bereits gepfändeter Sachen wird durch die in das Protokoll aufzunehmende Erklärung des Gerichtsvollziehers, daß er die Sachen für seinen Auftraggeber pfände, bewirkt. Ist die erste Pfändung durch einen anderen Gerichtsvollzieher bewirkt, so ist diesem eine Ab­ schrift des Protokolls zuzustellen. Der Schuldner ist von den weiteren Pfändungen in Kenntniß zu setzen. 728. Auf den Gerichtsvollzieher, von welchem die erste Pfändung bewirkt ist, geht der Auftrag des zweiten Gläubigers kraft Gesetzes über, sofern nicht das Vollstreckungsgericht auf Antrag eines betheiligten Gläubigers oder des Schuldners an­ ordnet, daß die Verrichtungen jenes Gerichtsvoll­ ziehers von einem anderen zu übernehmen seien. Die Versteigerung erfolgt für alle betheiligten Gläubiger. Ist der Erlös zur Deckung der Forderungen nicht ausreichend und verlangt der Gläubiger, für welchen die zweite oder eine spätere Pfändung erfolgt ist, ohne Zustimmung der übrigen bethei­ ligten Gläubiger eine andere Vertheilung als nach der Reihenfolge der Pfändungen, so hat der Gerichtsvollzieher die Sachlage unter Hinterlegung des Erlöses dem Bollstreckungsgericht anzuzeigen. Dieser Anzeige sind die auf das Verfahren sich beziehenden Schriftstücke beizufügen. In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn die Pfändung für mehrere Gläubiger gleichzeitig be­ wirkt ist.

III. Zwangsvoll st reckung in Forderungen49 und andere Vermögensrechte.

729. Die gerichtlichen Handlungen, welche die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte zum Gegenstände haben, erfolgen durch das Vollstreckungsgericht. Als Bollstreckungsgericht ist das Amtsgericht, bei welchem der Schuldner im Deutschen Reiche seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und in Ermangelung eines solchen das Amtsgericht zu­ ständig ,. bei welchem in Gemäßheit des § 24 gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann. 730. Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat das Gericht dem Drittschuldner zu ver­ bieten, an den Schuldner zu zahlen. Zugleich hat das Gericht an den Schuldner das Gebot zu erlassen, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere der Einziehung derselben zu ent­

halten. Der Gläubiger hat den Beschluß dem Dritt­ schuldner zustellen zu lassen. Der Gerichtsvollzieher hat den Beschluß mit einer Abschrift der Zustel­ lungsurkunde dem Schuldner sofort zuzustellen, sofern nicht eine öffentliche Zustellung erforderlich 49. Durch diese Vorschriften sind insbesondere beseitigt:

D. v. 13 Pluv. XIII, D. v. 18. Aug. 1807, Artt. 14, 15 G. v. 9. Juli 1836, Art. 11 G. v. 8. Juli 1837.

D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. II. T. 1. wird. Ist die Zustellung an den Drittschuldner auf unmittelbares Ersuchen des Gerichtsschreibers durch die Post erfolgt, so hat der Gerichtsschreiber für die Zustellung an den Schuldner in gleicher Weise Sorge zu tragen. An Stelle einer an den Schuldner im Auslande zu bewirkenden Zustel­ lung erfolgt die Zustellung durch Aufgabe zur Post. Mit der Zustellung des Beschlusses an den Drittschuldner ist die Pfändung als bewirkt an­ zusehen. 731. Inwieweit die Pfändung einer Forderung in das Hypothekenbuch einzutragen und wie eine solche Eintragung zu erwirken ist, bestimmt sich nach den Landesgesetzen. 50 732. Die Pfändung von Forderungen aus Wechseln und anderen Papieren, welche durch Indossament übertragen werden können, wird dadurch bewirkt, daß der Gerichtsvollzieher diese Papiere in Besitz nimmt. 733. Das Pfandrecht, welches durch die Pfän­ dung einer Gehaltsforderung oder einer ähnlichen in fortlaufenden Bezügen bestehenden Forderung erworben wird, erstreckt sich auch auf die nach der Pfändung fällig werdenden Beträge. 734. Durch die Pfändung eines Diensteinkom­ mens wird auch dasjenige Einkommen betroffen, welches der Schuldner in Folge der Versetzung in ein anderes Amt, der Uebertragung eines neuen Amts oder einer Gehaltserhöhung zu beziehen hat. Diese Bestimmung findet auf den Fall der Aenderung des Dienstherrn keine Anwendung. 735. Vor der Pfändung ist der Schuldner über das Pfändungsgesuch nicht zu hören. 736. Die gepfändete Geldforderung ist dem Gläubiger nach seiner Wahl zur Einziehung oder an Zahlungsstatt zum Nennwerthe zu überweisen. Im letzteren Falle geht die Forderung auf den Gläubiger mit der Wirkung über, daß derselbe, soweit die Forderung besteht, wegen seiner For­ derung an den Schuldner als befriedigt anzu­ sehen ist. Die Bestimmungen des § 730 Absatz 2 finden entsprechende Anwendung. 737. Die Ueberweisung ersetzt die förmlichen Erklärungen des Schuldners, von welchen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Be­ rechtigung zur Einziehung der Forderung ab­ hängig ist.

50. Landesgesetzliche Vorschriften, welche die Gültigkeit oder Wirksamkeit der Pfändung einer Hypothekarforderung, überhaupt oder Dritten gegenüber, von Eintragung der Pfändung in das Hypothekenbuch abhängig machten, be­ stehen nicht. Ebensowenig bestehen Vorschriften, welche dem Gläubiger, der eine Hypothekarforderung gepfändet hat, die Eintragung der Pfändung gestatten, wogegen ihm, sobald die Ueber Weisung nach § 736 stattgefunden hat hinsichtlich der Ein­ tragung die Rechte des Inhabers der Forderung zukommen. Ob für den letztgedachten Fall auch Art. 9. G. v. 23. März 1855 in Betracht kommt, hängt wesentlich von der Auslegung dieses Artikels ab.

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Der Schuldner ist verpflichtet, dem Gläubiger die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Die Herausgabe kann von dem Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung er­ wirkt werden. 738. Ist in Gemäßheit des § 652 Absatz 2 dem Schuldner nachgelassen, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Vollstreckung abzu­ wenden, so findet die Ueberweisung gepfändeter Geldforderungen nur zur Einziehung und nur mit der Wirkung statt, daß der Drittschuldner den Schuldbetrag hinterlege. 739. Auf Verlangen des Gläubigers hat der Drittschuldner binnen zwei Wochen, von der Zu­ stellung des Pfändungsbeschlusses an gerechnet, dem Gläubiger zu erklären: 1) ob und inwieweit er die Forderung als be­ gründet anerkenne und Zahlung zu leisten be­

reit sei; 2) ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung machen; 3) ob und wegen welcher Ansprüche die Forde­ rung bereits für andere Gläubiger gepfändet sei. Die Aufforderung zur Abgabe dieser Erklä­ rungen muß in die Zustellungsurknnde aufgenommen werden. Der Drittschuldner hastet dem Gläu­ biger für den aus der Nichterfüllung seiner Verpflichtung entstehenden Schaden. Die Erklärungen des Drittschuldners können bei Zustellung des Pfändungsbeschlusses oder innerhalb der im ersten Absätze bestimmten Frist an den Gerichtsvollzieher erfolgen. Im ersteren Falle sind dieselben in die Zustellungsurkunde aufzunehmen und von dem Drittschuldner zu unterschreiben.

740. Der Gläubiger, welcher die Forderung einklagt, ist verpflichtet, dem Schuldner gerichtlich den Streit zu verkünden, sofern nicht eine Zu­ stellung im Ausland oder eine öffentliche Zustellung erforderlich wird.

741. Der Gläubiger, welcher die Beitreibung einer ihm zur Einziehung überwiesenen Forderung verzögert, haftet dem Schuldner für den daraus entstehenden Schaden. 742. Der Gläubiger kann auf die durch Pfän­ dung und Ueberweisung zur Einziehung erwor­ benen Rechte unbeschadet seines Anspruchs ver­ zichten. Die Verzichtleistung erfolgt durch eine dem Schuldner zuzustellende Erklärung. Die Er­ klärung ist auch dem Drittschuldner zuzustellen. 743. Ist die gepfändete Forderung eine be­ dingte oder eine betagte, oder ist ihre Einziehung wegen der Abhängigkeit von einer Gegenleistung oder aus anderen Gründen mit Schwierigkeiten verbunden, so kann das Gericht auf Antrag an Stelle der Ueberweisung eine andere Art der Verwerthung anordnen. Vor dem Beschlusse, durch welchen dem Anträge stattgegeben wird, ist der Gegner zu hören, sofern

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D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. II. T. 1.

nicht eine Zustellung im Ausland oder eine öffent­ liche Zustellung erforderlich wird. 744. Schon vor der Pfändung kann der Gläu­ biger auf Grund eines vollstreckbaren Schuldtitels durch den Gerichtsvollzieher dem Drittschuldner und dem Schuldner die Benachrichtigung, daß die Pfändung bevorstehe, zustellen lassen mit der Aufforderung an den Drittschuldner, nicht an den Schuldner zu zahlen, und mit der Aufforderung an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere der Einziehung derselben zu enthalten. Die Benachrichtigung an den Drittschuldner hat die Wirkung eines Arrestes (§ 810), sofern die Pfändung der Forderung innerhalb drei Wochen bewirkt wird. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem die Benachrichtigung zuge­ stellt ist. 745. Die Zwangsvollstreckung in Ansprüche, welche die Herausgabe oder Leistung körperlicher Sachen zum Gegenstände haben, erfolgt nach den Vorschriften der §§ 730 bis 744 unter Berück­ sichtigung der nachfolgenden Bestimmungen. 746. Bei der Pfändung eines Anspruchs, wel­ cher eine bewegliche körperliche Sache betrifft, ist anzuordnen, daß die Sache an einen vom Gläu­ biger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher heraus­ zugeben sei. Auf die Verwerthung der Sache finden die Vorschriften über die Verwerthung gepfändeter Sachen Anwendung. 747. Bei Pfändung eines Anspruchs, welcher eine unbewegliche Sache betrifft, ist anzuordnen, daß die Sache an einen auf Antrag des Gläu­ bigers vom Amtsgerichte der belegenen Sache zu bestellenden Sequester herauszugeben sei. Die Zwangsvollstreckung in die herausgegebene Sache wird nach den für die Zwangsvollstreckung in unbeweglichen Sachen geltenden Vorschriften bewirkt. 748. Eine Ueberweisung der im § 745 bezeich­ neten Ansprüche an Zahlungsstatt ist unzulässig. 749. Der Pfändung sind nicht unterworfen:51 52 1) der Arbeits- oder Dienstlohn nach den Be­ stimmungen des Reichsgesetzes vom 21. Juni 1869 (Bundes-Gesetzbl. 1869 S. 242 und 1871 S. 63); 52 51. Hierdurch sind insbesondere die Gesetze v. 19. Pluv. III, 21. Bent. IX u. 18. Niv. XI beseitigt. Wegen der Amts­ kautionen vgl. Bem. zu § 10 G. v. 15. Okt. 1873.

52. Die §§ 1-4 dieses in Elsaß-Lothringen nicht besonders verkündeten Gesetzes lauten: § 1. Die Vergütung (Lohn, Gehalt, Honorar u. s. w.) für Arbeiten oder Dienste, welche auf Grund eines Arbeits­ oder Dienstverhältnisies geleistet werden, darf, sofern dieses Verhältniß die Erwerbsthätigkeit des Vergütungsberechtigten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt, zum Zweck der Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers erst dann mit Beschlag belegt werden, nachdem die Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt und nachdem der Tag, an welchem die Vergütung gesetzlich, Vertrags- oder gewohn­ heitsmäßig zu entrichten war, abgelaufen ist, ohne daß der Bergütungsberechtigte dieselbe eingefordert hat.

2) die auf gesetzlicher Vorschrift beruhenden Alimentenforderungen; 3) die fortlaufenden Einkünfte, welche ein Schuldner aus Stiftungen oder sonst auf Grund der Fürsorge und Freigebigkeit eines Dritten be­ zieht, insoweit der Schuldner zur Bestreitung des nothdürftigen Unterhalts für sich, seine Ehefrau und seine noch unversorgten Kinder dieser Ein­ künfte bedarf; 4) die aus Kranken-, Hülfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine zu beziehenden Hebungen; 5) der Sold und die Jnvalidenpension der Un­ teroffiziere und der Soldaten; 6) das Diensteinkommen der Militärpersonen, welche zu einem mobilen Truppentheil oder zur Besatzung eines in Dienst gestellten Kriegsfahr­ zeuges gehören; 7) die Pensionen der Wittwen und Waisen und die denselben aus Wittwen- und Waisenkassen zu­ kommenden Abzüge, die Erziehungsgelder und die Studienstipendien, sowie die Pensionen inva­ lider Arbeiter; 8) das Diensteinkommen der Offiziere, Militär­ ärzte und Deckoffiziere, der Beamten, der Geist­ lichen und Lehrer der öffentlichen Unterrichts­ anstalten ; die Pension dieser Personen nach deren Versetzung in einstweiligen oder dauernden Ruhe­ stand, sowie der nach ihrem Tode den Hinter­ bliebenen zu gewährende Sterbe- oder Gnaden­ gehalt. § 2. Die Bestimmungen des § 1 können nicht mit recht­ licher Wirkung durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Soweit nach diesen Bestimmungen die Beschlagnahme unzulässig ist, ist auch jede Verfügung durch Cession, Anwei­ sung, Verpfändung oder durch ein anderes Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkung. § 3. Als Vergütung ist jeder dem Berechtigten gebührende Vermögensvortheil anzusehen. Auch macht es keinen Unter­ schied, ob dieselbe nach Zeit oder Stück berechnet wird. Ist die Vergütung mit dem Preise oder Werth für Ma­ terial oder mit dem Ersah anderer Auslagen in unge­ trennter Summe bedungen, so gilt als Vergütung im Sinne dieses Gesetzes der Betrag, welcher nach Abzug des Preises oder des Werthes der Materialien und nach Abzug der Auslagen übrig bleibt. § 4. Das gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung : 1) auf den Gehalt und die Dienstbezüge öffentlicher Be­ amten ; 2) auf die Beitreibung der direkten persönlichen Staats­ steuern und Kommunalabgaben (die derartigen Abgaben an Kreis-, Kirchen-, Schul- und sonstige Kommunalverbände mit eingeschlossen), sofern diese Steuern und Abgaben nicht seit länger als 3 Monaten fällig geworden sind; 3) auf die Beitreibung der auf gesetzlicher Vorschrift be­ ruhenden Alimentationsansprüche der Familienglieder; 4) auf den Gehalt und die Dienstbezüge der im Privat­ dienst dauernd angestellten Personen, soweit der Gesammtbetrag die Summe von vierhundert Thalern jährlich über­ steigt. Als dauernd in diesem Sinne gilt das Dienstverhältniß, wenn dasselbe gesetzlich, Vertrags- oder gewohnheitsmäßig mindestens auf Ein Jahr bestimmt, oder bei unbestimmter Dauer für die Auflösung eine Kündigungsfrist von minde­ stens 3 Monaten einzuhalten ist.

D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. II. T. 1. Uebersteigen in den Fällen Nr. 7 und 8 das Diensteinkommen, die Pension oder die sonstigen Bezüge die Summe von fünfzehnhundert Mark für das Jahr, so ist der dritte Theil des Mehr­ betrags der Pfändung unterworfen.

Der

Gehalt

und

die

Dienstbezüge

der

im

Privatdienste dauernd angestellten Personen (§ 4 Nr. 4 des Reichsgesetzes vom 21. Juni 1869) sind nur soweit der Pfändung uuterworfen, als der Gesammtbetrag die Summe von fünfzehnhundert Mark für das Jahr übersteigt. In den Fällen der beiden vorhergehenden Ab­ sätze ist die Pfändung ohne Rücksicht auf den Betrag zulässig, wenn sie zur Befriedigung der Ehefrau und der ehelichen Kinder des Schuldners wegen solcher Alimente beantragt wird, welche für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkt vorausgehende letzte Vierteljahr zu entrichten sind. Die Einkünfte, welche zur Bestreitung eines Dienstaufwandes bestimmt sind, und der Servis der Offiziere, Militärärzte und Militärbeamten sind weder der Pfändung unterworfen noch bei der Ermittelung, ob und zu welchem Betrage ein Diensteinkommen der Pfändung unterliege, zu berechnen.

750. Ist eine Geldforderung für mehrere Gläu­ biger gepfändet, so ist der Drittschuldner berech­ tigt und auf Verlangen eines Gläubigers, welchem die Forderung überwiesen wurde, ver­ pflichtet, unter Anzeige der Sachlage und unter Aushändigung der ihm zugestellten Beschlüsse an das Amtsgericht, dessen Beschluß ihm zuerst zu­ gestellt ist, den Schuldbetrag zu hinterlegen. 53 751. Ist ein Anspruch, welcher eine bewegliche körperliche Sache betrifft, für mehrere Gläubiger gepfändet, so ist der Drittschuldner berechtigt und auf Verlangen eines Gläubigers, welchem der Anspruch überwiesen wurde, verpflichtet, die Sache unter Anzeige der Sachlage und unter Aushändigung der ihm zugestellten Beschlüsse dem Gerichtsvollzieher herauszugeben, welcher nach dem ihm zuerst zugestellten Beschlusse zur Em­ pfangnahme der Sache ermächtigt ist. Hat der Gläubiger einen solchen Gerichtsvollzieher nicht bezeichnet, so erfolgt dessen Ernennung auf An­ trag des Drittschuldners von dem Amtsgerichte des Orts, wo die Sache herauszugeben ist.

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zeigen, dessen Beschluß dem Drittschuldner zuerst zugestellt ist. Dieser Anzeige sind die auf das Verfahren sich beziehenden Schriftstücke bei­ zufügen.

In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn die Pfändung für mehrere Gläubiger gleichzeitig be­ wirkt ist. 752. Betrifft der Anspruch eine unbewegliche Sache, so ist der Drittschuldner berechtigt und auf Verlangen eines Gläubigers, welchem der Anspruch überwiesen wurde, verpflichtet, die Sache unter Anzeige der Sachlage und unter Aushändigung der ihm zugestellten Beschlüsse an den von dem Amtsgerichte der belegenen Sache ernannten oder auf seinen Antrag zu ernennenden Sequester herauszugeben.

753. Jeder Gläubiger, welchem der Anspruch überwiesen wurde, ist berechtigt, gegen den Dritt­ schuldner Klage auf Erfüllung der nach den Be­ stimmungen der §§ 750 bis 752 diesem oblie­ genden Verpflichtungen zu erheben. Jeder Gläubiger, für welchen der Anspruch ge­ pfändet ist, kann sich dem Kläger in jeder Lage des Rechtsstreits als Streitgenosse anschließen. Der Drittschuldner hat die Gläubiger, welche die Klage nicht erhoben und dem Kläger sich nicht angeschlosien haben, zum Termine zur mündlichen Verhandlung zu laden. Die Entscheidung, welche in dem Rechtsstreite über den in der Klage erhobenen Anspruch er­ lassen wird, ist für und gegen sämmtliche Gläu­ biger wirksam. Gegen einen Gläubiger, welcher nicht zum Termine zur mündlichen Verhandlung geladen ist, obgleich er von dem Drittschuldner hätte ge­ laden werden sollen, kann der Drittschuldner sich auf die ihm günstige Entscheidung nicht berufen. 754. Auf die Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte, welche nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Ver­ mögen sind, finden die vorstehenden Bestim­ mungen entsprechende Anwendung. Ist ein Drittschuldner nicht vorhanden, so ist die Pfändung mit dem Zeitpunkt als bewirkt an­ zusehen, in welchem dem Schuldner das Gebot, sich jeder Verfügung über das Recht zu enthalten, zugestellt ist.

hat der Gerichtsvollzieher die Sachlage unter Hinterlegung des Erlöses dem Amtsgericht anzu-

Das Gericht kann bei der Zwangsvollstreckung in Rechte, welche nur in Ansehung der Ausübung veräußerlich sind, besondere Anordnungen er­ lassen. Es kann insbesondere bei der Zwangsvoll­ streckung in Nutzungsrechte eine Verwaltung an­ ordnen. In diesem Falle wird die Pfändung durch Uebergabe der zu benutzenden Sache an den Verwalter bewirkt, sofern sie nicht durch Zustel­ lung des Beschlusses bereits vorher bewirkt ist.

53. Hierdurch sind insbesondere die Vorschriften der Ord. v. 16. Sept. 1837 beseitigt.

Ist die Veräußerung des Rechts selbst zulässig, so kann auch diese Veräußerung von dem Gericht angeordnet werden.

Ist der Erlös zur Deckung der Forderungen nicht ausreichend und verlangt der Gläubiger, für welchen die zweite oder eine spätere Pfän­ dung erfolgt ist, ohne Zustimmung der übrigen betheiligten Gläubiger eine andere Vertheilung als nach der Reihenfolge der Pfändungen, so

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D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. II. T. 2. 3.

Zweiter Titel. AWangsvolkstreLung in das unöervegttche vermögen.

755. Für die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück ist als Vollstreckungsgericht das Amts­ gericht zuständig, in dessen Bezirke das Grund­ stück belegen ist. Die Zwangsvollstreckung wird von diesem Ge­ richt aus Antrag angeordnet. 756. Ist es mit Rücksicht auf die Grenzen ver­ schiedener Amtsgerichtsbezirke ungewiß, welches Amtsgericht zuständig sei, oder ist das Grund­ stück in den Bezirken verschiedener Amtsgerichte belegen, so ist auf Antrag eines Betheiligten von dem zunächst höheren Gericht unter Berücksich­ tigung der im § 36 enthaltenen Vorschriften eines dieser Gerichte zum Vollstreckungsgerichte zu be­ stellen. Dieselbe Anordnung kann getroffen werden, wenn die Zwangsvollstreckung in mehrere Grund­ stücke desselben Schuldners, welche in verschiede­ nen Amtsgerichtsbezirken belegen sind, beantragt wird. 757. Die Zwangsvollstreckung in das unbeweg­ liche Vermögen einschließlich des mit derselben verbundenen Aufgebots- und Vertheilungsverfahrens bestimmt sich nach den Landesgesetzen. 54 Nach den Landesgesetzen 54 bestimmt sich insbe­ sondere auch, welche Sachen und Rechte in An­ sehung der Zwangsvollstreckung zum unbeweg­ lichen Vermögen gehören, inwiefern der Gläu­ biger berechtigt ist, seine Forderung in das Hypothekenbuch eintragen zu lassen, und wie die Eintragung zu bewirken ist.55 Entstehen in dem die Zwangsvollstreckung be­ treffenden Verfahren Rechtsstreitigkeiten, welche in einem besonderen Prozesse zu erledigen sind, so erfolgt die Erledigung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes. Auf Vertheilungsstreitigkeiten finden die §§ 765 bis 768 entsprechende An­ wendung. Dritter Titel. Kertheitnngsverfayren.

758. Das Vertheilungsverfahren tritt ein, wenn bei der Zwangsvollstreckung in das beweg­ liche Vermögen ein Geldbetrag hinterlegt ist, welcher zur Befriedigung der betheiligten Gläu­ biger nicht hinreicht. 759. Das zuständige Amtsgericht (§§ 728, 750 bis 752) hat nach Eingang der Anzeige über die Sachlage an jeden der betheiligten Gläubiger

54. Die bisher in dem G. v. 1. Dez. 1873 u. den Arlt. 749-779 fr. C.-P.-O. enthaltenen Vorschriften sind durch das neue G. über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen rc. v. Jahre 1880 ersetzt. Der Zwangsverwaltung (§ 116 K.-O.) gedenkt der Entwurf dieses Gesetzes nur ge­ legentlich des Zwangsverkaufs.

55. Vgl. Artt. 2123, 2146 C.-G.-B.

die Aufforderung zu erlassen, binnen zwei Wochen eine Berechnung der Forderung an Ka­ pital, Zinsen, Kosten und sonstigen Nebenforde­ rungen einzureichen. 760. Nach Ablauf der zweiwöchigen Fristen wird von dem Gericht ein Theilungsplan an­ gefertigt. Der Betrag der Kosten des Verfahrens ist von dem Bestände der Masse vorweg in Abzug zu bringen. Die Forderung eines Gläubigers, welcher bis zur Anfertigung des Theilungsplans der an ihn gerichteten Aufforderung nicht nachgekommen ist, wird nach der Anzeige und deren Unterlagen berechnet. Eine nachträgliche Ergänzung der For­ derung findet nicht statt. 761. Das Gericht hat zur Erklärung über den Theilungsplan sowie zur Ausführung der Vertheilung einen Termin zu bestimmen. Der Thei­ lungsplan muß spätestens drei Tage vor dem Termine auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Betheiligten niedergelegt werden. Die Ladung des Schuldners zu dem Termin ist nicht erforderlich, wenn sie durch Zustellung im Ausland oder durch öffentliche Zustellung er­ folgen müßte. 762. Wird in dem Termin ein Widerspruch gegen den Plan nicht erhoben, so ist dieser zur Ausführung zu bringen. Erfolgt ein Widerspruch, so hat sich jeder bei demselben betheiligte Gläu­ biger sofort zu erklären. Wird der Widerspruch von den Betheiligten als begründet anerkannt oder kommt anderweit eine Einigung zu Stande, so ist der Plan demgemäß zu berichtigen. Wenn ein Widerspruch sich nicht erledigt, so erfolgt die Ausführung des Plans insoweit, als der Plan durch den Widerspruch nicht betroffen wird. 763. Gegen einen Gläubiger, welcher in dem Termine weder erschienen ist noch vor dem Ter­ mine bei dem Gerichte Widerspruch erhoben hat, wird angenommen, daß er mit der Ausführung des Plans einverstanden sei. Ist ein in dem Termine nicht erschienener Gläubiger bei dem Widerspruche betheiligt, welchen ein anderer Gläubiger erhoben hat, so wird angenommen, daß er diesen Widerspruch nicht als begründet anerkenne. 764. Der widersprechende Gläubiger muß ohne vorherige Aufforderung binnen einer Frist von einem Monate, welche mit dem Terminstage be­ ginnt, dem Gerichte nachweisen, daß er gegen die betheiligten Gläubiger Klage erhoben habe. Nach fruchtlosem Abläufe dieser Frist wird die Aus­ führung des Plans ohne Rücksicht auf den Wi­ derspruch angeordnet. Die Besugniß des Gläubigers, welcher dem Plane widersprochen hat, ein besseres Recht gegen den Gläubiger, welcher einen Geldbetrag nach dem Plane erhalten hat, im Wege der Klage geltend zu machen, wird durch die Versäumung

D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. III. der Frist und durch die Ausführung des Plans nicht ausgeschlossen. 765. Die Klage ist bei dem Vertheilungsgericht und, wenn der Streitgegenstand zur Zu­ ständigkeit der Amtsgerichte nicht gehört, bei dem Landgerichte zu erheben, in dessen Bezirke das Bertheilungsgericht seinen Sitz hat. Das Landgericht ist für sämmtliche Klagen zu­ ständig, wenn seine Zuständigkeit nach dem In­ halte der erhobenen und in dem Termine nicht zur Erledigung gelangten Widersprüche auch nur in Betreff einer Klage begründet ist, sofern nicht die sämmtlichen beteiligten Gläubiger verein­ baren, daß das Vertheilungsgericht über alle Widersprüche entscheiden solle. 766. In dem Urtheile, durch welches über einen erhobenen Widerspruch entschieden wird, ist zugleich zu bestimmen, an welche Gläubiger und in welchen Beträgen der streitige Theil der Masse auszuzahlen sei. Wird dies nicht für an­ gemessen erachtet, so ist die Anfertigung eines neuen Plans und ein anderweites Vertheilungsverfahren in dem Urtheile anzuordnen. 767. Das Versäumnißurtheil gegen einen wider­ sprechenden Gläubiger ist dahin zu erlassen, daß der Widerspruch als zurückgenommcn anzusehcn sei. 768. Auf Grund des erlassenen Urtheils wird die Auszahlung oder das anderweite Vertheilungsverfahren von dem Vertheilungsgericht an­ geordnet.

Dritter Abschnitt. Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Kerausgave von Sachen und zur Erwirkung von Kandtungen oder Antertaffungen. 769. Hat der Schuldner eine bewegliche Sache oder von bestimmten beweglichen Sachen eine Quantität herauszugeben, so sind dieselben von dem Gerichtsvollzieher ihm wegzunehmen und dem Gläubiger zu übergeben. Wird die herauszugebende Sache nicht vorge­ funden, so ist der Schuldner verpflichtet, auf Antrag des Gläubigers den Offenbarungseid dahin zu leisten: daß er die Sache nicht besitze, auch nicht wisse, wo die Sache sich befinde.

Das Gericht kann eine der Lage der Sache entsprechende Aenderung der vorstehenden Eides­ norm beschließen. 770. Hat der Schuldner eine bestimmte Quan­ tität vertretbarer Sachen oder Werthpapiere zu leisten, so findet die Vorschrift des § 769 Absatz 1 entsprechende Anwendung. 771. Hat der Schuldner eine unbewegliche Sache oder ein bewohntes Schiff herauszugeben, zu überlassen oder zu räumen, so hat der Gerichts­ vollzieher den Schuldner aus dem Besitze zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzu­ weisen.

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Bewegliche Sachen, welche nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, werden von dem Gerichtsvollzieher weggeschafft und dem Schuldner oder, wenn dieser abwesend ist, einem Bevoll­ mächtigten desselben oder einer zur Familie des Schuldners gehörigen oder in dieser Familie dienenden erwachsenen Person übergeben oder zur Verfügung gestellt. Ist weder der Schuldner noch eine der bezeich­ neten Personen anwesend, so hat der Gerichts­ vollzieher die Sachen auf Kosten des Schuldners in das Pfandlokal zu schaffen oder anderweit in Verwahrung zu bringen. Verzögert der Schuldner die Abforderung, so kann das Vollstreckungsgericht den Verkauf der Sachen und die Hinterlegung des Erlöses an­ ordnen. 772. Befindet sich eine herauszugebende Sache im Gewahrsam eines Dritten, so ist dem Gläubiger auf dessen Antrag der Anspruch des Schuldners auf Herausgabe der Sache nach den Vorschriften zu überweisen, welche die Pfändung einer Geld­ forderung betreffen. 773. Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahine durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozeßgericht erster In­ stanz auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners dis Handlung vornehmen zu taffen.56 Der Gläubiger kann zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurtheilen, welche durch die Vornahme der Handlung entstehen werden, unbeschadet des Rechts auf eine Nachforderung, wenn die Vornahme der Handlung einen größeren Kostenaufwand ver­ ursacht. Auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung von Sachen finden die vorstehenden Bestimmungen keine Anwendung. 774. Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie aus­ schließlich von dem Willen des Schuldners ab­ hängt, auf Antrag von dem Prozeßgericht erster Instanz zu erkennen, daß der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Geldstrafen bis zum Gesammtbetrage von fünfzehnhundert Mark oder durch Haft anzuhalten sei. Diese Bestimmung kommt im Falle der Verurtheilung zur Eingehung einer Ehe nicht und im Falle der Berurtheilung zur Herstellung des ehe­ lichen Lebens nur insoweit zur Anwendung, als die Landesgesetze die Erzwingung der Herstellung des ehelichen Lebens für zulässig erklären.57 775. Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die

56. Vgl. Bem. zu Artt. 1142-1144 C.-G.-B. 57. Eine ausdrückliche Bestimmung, daß die Erzwingung der Herstellung des ehelichen Lebens zulässig sei, fehlt im fr. Recht. S. über die Frage Aubry u. Rau § 471 Note 7.

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D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. IV.

Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozeßgericht erster Instanz zu einer Geldstrafe bis zu fünfzehnhun­ dert Mark oder zur Strafe der Haft bis zu sechs Monaten zu verurtheilen. Das Maß der Gesammtstrafe darf zwei Jahre Haft nicht übersteigen. Der Verurtheilung muß eine Strafandrohung vorausgehen, welche, wenn sie in dem die Ver­ pflichtung aussprechenden Urtheile nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozeßgericht erster Instanz erlassen wird. Auch kann der Schuldner auf .Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlung entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurtheilt werden. 776. Die in Gemäßheit der §§ 773 bis 775 zu erlassenden Entscheidungen können ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Vor der Ent­ scheidung ist der Schuldner zu hören. 777. Leistet der Schuldner Widerstand gegen die Vornahme einer Handlung, welche er nach den Bestimmungen der §§ 773, 775 zu dulden hat, so kann der Gläubiger zur Beseitigung des Widerstandes einen Gerichtsvollzieher zuziehen, welcher nach den Bestimmungen des § 678 Absatz 3 zu verfahren hat. 778. Durch die Bestimmungen dieses Abschnitts wird das Recht des Gläubigers nicht berührt, die Leistung des Interesse zu verlangen. Den Anspruch auf Leistung des Interesse hat der Gläubiger im Wege der Klage bei dem Pro­ zeßgericht erster Instanz geltend zu machen. 779. Ist der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurtheilt, so gilt die Erklärung als abgegeben, sobald das Urtheil die Rechtskraft erlangt hat. Ist die Willenserklärung von einer Gegenleistung abhängig gemacht, so tritt diese Wirkung ein, sobald nach den Bestimmungen der §§ 664, 666 eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftigen Urtheils ertheilt ist. Die Vorschrift des ersten Absatzes kommt im Falle der Verurtheilung zur Eingehung einer Ehe nicht zur Anwendung.

Vierter Abschnitt.

Hffenvarungseid und Aast. 780. Für die Abnahme des Offenbarungseides ist das Amtsgericht, in dessen Bezirke der Schuld­ ner im Deutschen Reiche seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat, als Vollstreckungsgericht zuständig. 781. Das Verfahren beginnt mit der Ladung des Schuldners zur Leistung des Offenbarungs­

eides. Bestreitet der Schuldner die Verpflichtung zur Leistung des Eides, so ist von dem Gerichte durch Urtheil über den Widerspruch zu entscheiden. Die

Eidesleistung erfolgt erst nach Eintritt der Rechts­ kraft des Urtheils.

782. Gegen den Schuldner, welcher in dem zur Leistung des Offenbarungseides bestimmten Ter­ mine nicht erscheint oder die Leistung des Eides ohne Grund verweigert, hat das Gericht zur Erzwingung der Eidesleistung auf Antrag die Haft anzuordnen. 783. Der verhaftete Schuldner kann zu jeder Zeit bei dem Amtsgerichte des Haftorts bean­

tragen, ihm den Eid abzunehmen. Dem Antrag ist ohne Verzug stattzugeben. Nach Leistung des Eides wird der Schuldner aus der Haft entlassen und der Gläubiger hiervon in Kenntniß gesetzt. 784. Ein Schuldner, welcher den im § 711 erwähnten Offenbarungseid geleistet hat, ist zur nochmaligen Leistung des Eides auch einem anderen Gläubiger gegenüber nur verpflichtet, wenn glaub­ haft gemacht wird, daß er später Vermögen er­ worben habe. 785. Die Haft ist unstatthaft: 1) gegen Mitglieder einer deutschen gesetzge­ benden Versammlung während der Sitzungsperiode, sofern nicht die Versammlung die Vollstreckung genehmigt; 2) gegen Militärpersonen, welche zu einem mobilen Truppentheil oder zur Besatzung eines in Dienst gestellten Kriegsfahrzeuges gehören; 3) gegen den Schiffer, die Schiffsmannschaft und alle übrigen auf einem Seeschiff angestellten Personen, wenn das Schiff zum Abgehen fertig (segelfertig) ist.

786. Die Haft wird unterbrochen: 1) gegen Mitglieder einer deutschen gesetzge­ benden Versammlung für die Dauer der Sitzungs­ periode, wenn die Versammlung die Freilassung verlangt; 2) gegen Militärpersonen, welche zu einem mo­ bilen Truppentheil oder auf ein in Dienst gestelltes Kriegsfahrzeug einberufen werden, für die Dauer dieser Verhältnisse. 787. Gegen einen Schuldner, dessen Gesundheit durch die Vollstreckung der Haft einer nahen und erheblichen Gefahr ausgesetzt wird, darf, so lange dieser Zustand dauert, die Haft nicht vollstreckt

werden. 788. Die Haft wird in einem Raume vollstreckt,

in welchem nicht zugleich Untersuchungs- oder Strafgefangene sich befinden. 789. Das Gericht hat bei Anordnung der Haft einen Haftbefehl zu erlassen, in welchem der Gläubiger, der Schuldner und der Grund der Verhaftung zu bezeichnen sind.

790. Die Verhaftung des Schuldners erfolgt durch einen Gerichtsvollzieher. Der Haftbefehl muß bei der Verhaftung dem Schuldner vorge­ zeigt und auf Begehren abschriftlich mitgetheilt werden.

D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. V. 791. Bor der Verhaftung eines Beamten, eines Geistlichen oder eines Lehrers an öffentlichen Unterrichtsanstalten ist der vorgesetzten Dienst­ behörde von dem Gerichtsvollzieher Anzeige zu machen. Die Verhaftung darf erst erfolgen, nach­ dem die vorgesetzte Behörde für die dienstliche Vertretung des Schuldners gesorgt hat. Die Behörde ist verpflichtet, ohne Verzug die erfor­ derlichen Anordnungen zu treffen und den Ge­ richtsvollzieher hiervon in Kenntniß zu setzen. 792. Der Gläubiger hat die Kosten, welche durch die Haft entstehen, einschließlich der Ver­ pflegungskosten von Monat zu Monat vorauszu­ zahlen. Die Aufnahme des Schuldners in das Gefängniß ist unstatthaft, wenn nicht mindestens für einen Monat die Zahlung geleistet ist. Wird die Zahlung nicht spätestens bis zum Mittage des letzten Tages erneuert, für welchen sie geleistet ist, so wird der Schuldner von Amtswegen aus der Haft entlassen. Gegen den Schuldner, welcher aus diesem Grunde oder ohne sein Zuthun auf Antrag des Gläubigers entlassen ist, findet auf Antrag desselben Gläubigers eine Erneuerung der Haft nicht statt. 793. Soll die Haft gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärperson vollstreckt werden, so hat das Ge­ richt die vorgesetzte Militärbehörde um die Voll­ streckung zu ersuchen. 794. Die Haft darf die Dauer von sechs Mo­ naten nicht übersteigen. Nach Ablauf der sechs Monate wird der Schuldner von Amtswegen aus der Haft entlassen. 795. Ein Schuldner, gegen welchen wegen Verweigerung des im § 711 erwähnten Offen­ barungseides eine Haft von sechs Monaten voll­ streckt ist, kann auch auf Antrag eines anderen Gläubigers von neuem zur Leistung dieses Eides durch Haft nur angehalten werden, wenn glaub­ haft gemacht wird, daß der Schuldner später Vermögen erworben habe.

Fünfter Abschnitt. Arrest und einstiveMge Verfügungen. 796. Der Arrest findet zur Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbe­ wegliche Vermögen wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs statt, welcher in eine Geldforderung übergehen kann. Die Zulässigkeit des Arrestes wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Anspruch ein betagter ist. 797. Der dingliche Arrest findet statt, wenn zu besorgen ist, daß ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urtheils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Als ein zureichender Arrestgrund ist es anzu­ sehen, wenn das Urtheil im Auslande vollstreckt werden müßte.

D. Civilprozeß.

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798. Der persönliche Sicherheitsarrest findet nur statt, wenn er erforderlich ist, um die gefähr­ dete Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu sichern. 799. Für die Anordnung des Arrestes ist sowohl das Gericht der Hauptsache als das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirke der mit Arrest zu belegende Gegenstand oder die in ihrer persönlichen Freiheit zu beschränkende Person sich befindet.

800. Das Gesuch soll die Bezeichnung des An­ spruchs unter Angabe des Geldbetrags oder des Geldwerths sowie die Bezeichniß des Arrest­ grundes enthalten. Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaub­ haft zu machen. Das Gesuch kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden.

801. Die Entscheidung kann ohne vorgängige mündliche Behandlung erfolgen. Das Gericht kann, auch wenn der Anspruch oder der Arrestgrund nicht glaubhaft gemacht ist, den Arrest anordnen, sofern wegen der dem Gegner drohenden Nachtheile eine nach freiem Ermessen zu bestimmende Sicherheit geleistet wird. Es kann die Anordnung des Arrestes von einer solchen Sicherheitsleistung abhängig machen, selbst wenn der Anspruch und der Arrestgrund glaubhaft gemacht sind.

802. Die Entscheidung über das Gesuch erfolgt im Falle einer vorgängigen mündlichen Ver­ handlung durch Endurtheil, anderenfalls durch Beschluß. Den Beschluß, durch welchen ein Arrest ange­ ordnet wird, hat die Partei, welche den Arrest erwirkt hat, zustellen zu lassen. Der Beschluß, durch welchen das Arrestgesuch zurückgewiesen oder vorgängige Sicherheitsleistnng für erforderlich erklärt wird, ist dem Gegner nicht mitzutheilen. 803. In dem Arrestbefehl ist ein Geldbetrag festzustellen, durch dessen Hinterlegung die Voll­ ziehung des Arrestes gehemmt und der Schuldner zu dem Antrag auf Aufhebung des vollzogenen Arrestes berechtigt wird. 804. Gegen den Beschluß, durch welchen ein Arrest angeordnet wird, findet Widerspruch statt. Die widersprechende Partei hat den Gegner unter Mittheilung der Gründe, welche sie für die Aufhebung des Arrestes geltend machen will, zur mündlichen Verhandlung zu laden. Durch Erhebung des Widerspruchs wird die Vollziehung des Arrestes nicht gehemmt.

805. Wird Widerspruch erhoben, so ist über die Rechtmäßigkeit des Arrestes durch Endurtheil zu entscheiden. Das Gericht kann den Arrest ganz oder theilweise bestätigen, abändern oder aufheben, auch die Bestätigung, Abänderung oder Aufhebung 7

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D. Civilprozeßordnung. B. VIII. Abschn. V.

von einer nach freiem Ermessen zu bestimmenden Sicherheitsleistung abhängig machen. 806. Ist die Hauptsache nicht anhängig, so hat das Arrestgericht auf Antrag ohne vorgängige mündliche Verhandlung anzuordnen, daß die Partei, welche den Arrestbefehl erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben habe. Wird dieser Anordnung nicht Folge geleistet, so ist auf Antrag die Aufhebung des Arrestes durch Endurtheil auszusprechen. 807. Auch nach der Bestätigung des Arrestes kann wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Erledigung des Arrestgrundes oder auf Grund des Erbietens zu einer nach freiem Er­ messen zu bestimmenden Sicherheitsleistung die Aufhebung des Arrestes beantragt werden. Die Entscheidung ist durch Endurtheil zu er­ lassen; sie erfolgt durch das Gericht, welches den Arrest angeordnet hat, und, wenn die Hauptsache anhängig ist, durch das Gericht der Hauptsache. 808. Auf die Vollziehung des Arrestes finden die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung entsprechende Anwendung, soweit nicht die nach­ folgenden Paragraphen abweichende Bestimmungen enthalten. 58 809. Arrestbefehle bedürfen der Vollstreckungs­ klausel nur in dem Falle, wenn nach Erlassung der Befehle eine Rechtsnachfolge auf Seiten des Gläubigers oder des Schuldners eingetreten ist. Die Vollziehung des Arrestbefehls ist unstatt­ haft, wenn seit dem Tage, an welchem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Ge­ such derselbe erging, zugestellt ist, zwei Wochen verstrichen sind. 810. Die Vollziehung des Arrestes in beweg­ liches Vermögen wird durch Pfändung bewirkt. Die Pfändung erfolgt nach denselben Grundsätzen wie jede andere Pfändung und begründet ein Pfandrecht mit den im § 709 bestimmten Wir­ kungen. Für die Pfändung einer Forderung ist das Arrestgericht als Bollstreckungsgericht zu­

ständig. Gepfändetes Geld und ein im Bertheilungsver­ fahren auf den Gläubiger fallender Betrag des Erlöses werden hinterlegt. Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag anordnen, daß eine bewegliche körperliche Sache, wenn sie der Gefahr einer beträchtlichen Werths­ verringerung ausgesetzt ist oder wenn ihre Auf­ bewahrung unverhältnißmäßige Kosten verursachen würde, versteigert und der Erlös hinterlegt werde. 811. Die Vollziehung des Arrestes in unbe­ wegliches Vermögen bestimmt sich nach den Landesgesetzen.59 60

58. Vgl. Bem. 48. 59. Vgl. G. betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen rc. v. Jahre 1880 (§§ 27-30 des Entwurfs).

812. Die Vollziehung des persönlichen Sicher­ heitsarrestes richtet sich, wenn sie durch Haft erfolgt, nach den Vorschriften der 785 bis 794 und, wenn sie durch sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit erfolgt, nach den vom Arrestgerichte zu treffenden besonderen Anord­ nungen, für welche die Beschränkungen der Haft maßgebend sind. 813. Die Aufhebung eines vollzogenen Arrestes gegen Hinterlegnng des in dem Arrestbefehle festgestellten Geldbetrags erfolgt von dem Voll­ streckungsgerichte. Das Bollstreckungsgericht kann die Aufhebung des Arrestes auch anordnen, wenn die Fortdauer besondere Aufwendungen erfordert und die Partei, auf deren Gesuch der Arrest verhängt wurde, den nöthigen Geldbetrag nicht vorschießt. Die in diesem Paragraphen erwähnten Ent­ scheidungen können ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Gegen den Beschluß, durch welchen der Arrest aufgehoben wird, findet sofortige Beschwerde statt. 814. Einstweilige Verfügungen in Beziehung auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, daß durch eine Veränderung des be­ stehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. 60 815. Auf die Anordnung einstweiliger Ver­ fügungen und das weitere Verfahren finden die Vorschriften über die Anordnung von Arresten und über das Arrestverfahren entsprechende An­ wendung, soweit nicht die nachfolgenden Para­ graphen abweichende Vorschriften enthalten. 816. Für die Erlassung einstweiliger Verfü­ gungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Die Entscheidung kann in dringenden Fällen ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. 817. Das Gericht bestimmt nach freiem Er­ messen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind. Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, daß dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks untersagt wird.61 818. Nur unter besonderen Umständen kann die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung gestattet werden. 819. Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustan­ des in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältniß zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachtheile oder zur Verhinderung

60. Vgl. Art. 16 Nr. 4 E.-G. u. Bem. dazu. 61. Vgl. G. betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen rc. v. Jahre 1880 (§ 29 des Ent­ wurfs).

D. Civilprozeßordnvng. B. IX. drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nöthig erscheint. 820. In dringenden Fällen kann das Amtsge­ richt, in dessen Bezirk sich der Streitgegenstand befindet, eine einstweilige Verfügung erlassen, unter Bestimmung einer Frist, innerhalb welcher der Gegner zur mündlichen Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung vor das Gericht der Hauptsache zu laden ist. Nach fruchtlosem Ablaufe der Frist hat das Amtsgericht auf Antrag die erlassene Verfügung aufzuheben. Die in diesem Paragraphen erwähnten Ent­ scheidungen des Amtsgerichts können ohne vor­ gängige mündliche Verhandlung erfolgen. 821. Als Gericht der Hauptsache im Sinne der Bestimmungen dieses Abschnitts ist das Gericht erster Instanz und, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungs­ gericht anzusehen. 822. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende über die in diesem Abschnitt erwähnten Gesuche, sofern deren Erledigung eine vorgängige münd­ liche Verhandlung nicht erfordert, anstatt des Gerichts entscheiden.

Neuntes Buch. Aufgebotsverfahren.62 63 823. Eine öffentliche gerichtliche Aufforderung zur Anmeldung von Ansprüchen oder Rechten findet mit der Wirkung, daß die Unterlassung der Anmeldung einen Rechtsnachtheil zur Folge hat, nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen statt. Für das Aufgebotsverfahren ist das durch das Gesetz bestimmte Gericht zuständig. 63 824. Der Antrag kann schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers gestellt werden. Die Entscheidung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Ist der Antrag zulässig, so hat das Gericht das Aufgebot zu erlassen. In dasselbe ist insbe­ sondere aufzunehmen: 1) die Bezeichnung des Antragstellers; 2) die Aufforderung, die Ansprüche und Rechte spätestens im Aufgebotstermine anzumelden; 3) die Bezeichnung der Rechtsnachtheile, welche eintreten, wenn die Anmeldung unterbleibt; 4) die Bestimmung eines Aufgebotstermins. 62. Die Fälle, auf welche die Vorschriften dieses Buches in Els.-Lothr. Anwendung finden, s. unten in § 837 Abs. 1, sowie in §§ 25, 29 A.-G. u. § 90 Bergges. v. 16. Dez. 1873. Wegen des Aufgebots von Schuldurkunden des Reichs vgl. Bem. z. G. v. 12. Mai 1873 u. wegen der Reichsbankantheil­ scheine Bem. zu § 8 Reichsbankstatut v. 21. Mai 1875.

63. Das Amtsgericht ist zuständig (8 23 G.-B.-G.), da von der durch 8 H E.-G. z. C.-P.-O., 8 3 Abs. 3 E.-G. z. G.-B.-G. der Landesgesetzgebung gewährten Befugniß, Verfahren und Zuständigkeit abweichend von der C.-P.-O. u. dem G.-B.-G. zu regeln, in Els.-Lothr. kein Gebrauch gemacht ist.

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825. Die öffentliche Bekanntmachung des Auf­ gebots erfolgt durch Anheftung an die Gerichts­ tafel und durch Einrückung in den Deutschen Reichsanzeiger, außerdem aber, sofern nicht das Gesetz für den betreffenden Fall eine abweichende Anordnung getroffen hat, nach den im § 187 für Ladungen gegebenen Vorschriften.

826. Auf die Gültigkeit der öffentlichen Be­ kanntmachung hat es keinen Einfluß, wenn das anzuheftende Schriftstück von dem Orte der An­ heftung zu früh entfernt ist oder wenn im Falle wiederholter Bekanntmachung die vorgeschriebenen Zwischenfristen nicht eingehalten sind. 827. Zwischen dem Tage, an welchem die Ein­ rückung oder die erste Einrückung des Aufgebots in den Deutschen Reichsanzeiger erfolgt ist, und dem Aufgebotstermine muß, sofern das Gesetz nicht eine abweichende Anordnung enthält, ein Zeitraum von mindestens sechs Wochen liegen. 828. Eine Anmeldung, welche nach dem Schluffe des Aufgebotstermius, jedoch vor Erlassung des Ausschlußurtheils erfolgt, ist als eine rechtzeitige anzusehen. 829. Das Ausschlußurtheil ist in öffentlicher Sitzung auf Antrag zu erlassen. Vor Erlassung des Urtheils kann eine nähere Ermittelung, insbesondere die eidliche Versicherung der Wahrheit einer Behauptung des Antragstellers angeordnet werden. Gegen den Beschluß, durch welchen der Antrag auf Erlassung des Ausschlußurtheils zurückgewiesen wird, sowie gegen Beschränkungen und Vorbe­ halte, welche dem Ausschlußurtheile beigefügt sind, findet sofortige Beschwerde statt. 830. Erfolgt eine Anmeldung, durch welche das von dem Antragsteller zur Begründung des An­ trags behauptete Recht bestritten wird, so ist nach Beschaffenheit des Falles entweder das Aufge­ botsverfahren bis zur endgültigen Entscheidung über das angemeldete Recht auszusetzen, oder in dem Ausschlußurtheile das angemeldete Recht vorzubehalten. 831. Ist der Antragsteller in dem Aufgebots­ termine nicht erschienen, so ist auf seinen Antrag ein neuer Termin zu bestimmen. Der Antrag ist nur binnen einer vom Tage des Aufgebotster­ mins laufenden Frist von sechs Monaten zulässig. 832. Wird zur Erledigung des Aufgebotsver­ fahrens ein neuer Termin bestimmt, so ist eine öffentliche Bekanntmachung des Termins nicht erforderlich.

833. Das Gericht kann die öffentliche Bekannt­ machung des wesentlichen Inhalts des Ausschluß­ urtheils durch einmalige Einrückung in den Deut­ schen Reichsanzeiger anordnen. 834. Gegen das Ausschlußurtheil findet ein Rechtsmittel nicht statt. Das Ausschlußurtheil kann bei dem Landge­ richte, in dessen Bezirke das Aufgebotsgericht

D/ Civilprozeßordnung. B. IX.

sjtzMn Sitz hat, mittels -einer gegen den Antrag­ steller zu erhebenden Klage angefochten werden: I^Mny eiy Fall nicht yorlag,in welchem das Ge^ dgs Aufgebots verfahren zulgßt; 2) wenn die öffentliche Bekanntmachung des Aufgebots oder eine in dew Gesetze vorgeschrie­ bene Art der Bekanntmachung unterblieben ist; 3) wenn die vorgeschriehene Aufgebotsfrist nicht gewahrt ist; 4) wenn der erkennende Richter von der Aus­ übung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war; 5) wenn ein Anspruch oder ein Recht ungeachtet der erfolgten Anmeldung nicht dem Gesetze gemäß in dem Urtheile berücksichtigt ist; 6) wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen die Restitutionsklage wegen einer straf­ baren Handlung stattfindet. 835. Die Anfechtungsklage ist binnen der Noth­ frist eines Monats zu erheben. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem der Kläger Kenntniß von dem Ausschlußurtheile erhalten hat, in dem Falle jedoch, wenn die Klage auf einem der im § 834 Nr. 4, 6 bezeichneten Anfechtungsgründe beruht und dieser Grund an jenem Tage noch nicht zur Kenntniß des Klägers gelangt war, erst mit dem Tage, an welchem der Anfechtungs­ grund dem Kläger bekannt geworden ist. Nach Ablauf von zehn Jahren, von dem Tage der Verkündung des Ausschlußurtheils an gerech­ net, ist die Klage unstatthaft. 836. Das Gericht kann die Verbindung meh­ rerer Aufgebote anordnen, auch wenn die Vor­ aussetzungen des § 138 nicht vorliegen. 837. Für das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftloserklärung (Amortisation) abhanden gekommener oder vernichteter Wechsel und der in den Artikeln 301, 302 des Handelsgesetzbuchs be­ zeichneten Urkunden gelten die nachfolgenden be­ sonderen Bestimmungen. Die Bestimmungen finden in Betreff anderer Urkunden, bezüglich welcher das Gesetz das Aufgebotsversahren zuläßt,64 insoweit Anwendung, als in dem Gesetze nicht besondere Vorschriften enthalten sind. 838. Bei Papieren, welche auf den Inhaber lauten oder welche durch Indossament übertragen werden können und mit einem Blankoindossamente versehen sind, ist der letzte Inhaber berechtigt, das Aufgebotsverfahren zu beantragen. Bei anderen Urkunden ist derjenige zu dem Anträge berechtigt, welcher das Recht aus der Urkunde geltend machen kann. 839. Für das Aufgebotsverfahren ist das Ge­ richt des Orts zuständig, welchen die Urkunde als den Erfüllungsort bezeichnet. Enthält die Urkunde eine solche Bezeichnung nicht, so ist das

64.'S. dieselben in §§ 25, 29 A.-G., sowie in der Bem. zur Ueberschrift des 9. Buchs.

Gericht zuständig, bei welchem der Aussteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und in Ermangelung eines solchen Gerichts dasjenige, bei welchem der Aussteller zur Zeit der Aus­ stellung seinen allgemeinen Gerichtsstand gehabt hat. Ist der Anspruch, über welchen die Urkunde ausgestellt ist, in einem Grund- oder Hypothe­ kenbuche eingetragen, so ist das Gericht der belegenen Sache ausschließlich zuständig. 840. Der Antragsteller hat zur Begründung des Antrags: 1) entweder eine Abschrift der Urkunde beizu­ bringen, oder den wesentlichen Inhalt der Ur­ kunde und alles anzugeben, was zur vollstän­ digen Erkennbarkeit derselben erforderlich ist;

2) den Verlust der Urkunde sowie diejenigen Thatsachen glaubhaft zu machen, von welchen seine Berechtigung abhängt, das Aufgebotsver­ fahren zu beantragen; 3) sich zur eidlichen Versicherung der Wahr­ heit seiner Angaben zu erbieten. 841. In dem Aufgebot ist der Inhaber der Urkunde aufzufordern, spätestens im Aufgebots­ termine seine Rechte bei dem Gericht anzumelden und die Urkunde vorzulegen. Als Rechtsnachtheil ist anzudrohen, daß die Kraftloserklärung der Urkunde erfolgen werde. 842. Die öffentliche Bekanntmachung des Auf­ gebots erfolgt durch Anheftung an die Gerichts­ tafel und in dem Lokale der Börse, wenn eine solche am Sitze des Aufgebotsgerichts besteht, sowie durch dreimalige Einrückung in die im § 187 Absatz 2 bezeichneten Blätter. Das Gericht kann anordnen, daß die Ein­ rückung noch in andere Blätter und zu mehreren Malen erfolge. 843. Bei Werthpapieren, für welche von Zeit zu Zeit Zinsscheine oder Gewinnantheilscheine ausgegeben werden, ist der Aufgebotstermin so zu bestimmen, daß bis zu demselben der erste einer seit der Zeit des glaubhaft gemachten Ver­ lustes ausgegebenen Reihe von Zinsscheinen oder Gewinnantheilscheinen fällig geworden ist und seit der Fälligkeit desselben sechs Monate abge­ laufen sind. Vor Erlassung des Ausschlußurtheils hat der Antragsteller ein nach Ablauf dieser sechsmonati­ gen Frist ausgestelltes Zeugniß der betreffenden Behörde, Klasse oder Anstalt beizubringen, daß die Urkunde seit der Zeit des glaubhaft gemachten Verlustes ihr zur Ausgabe neuer Scheine nicht vorgelegt sei und daß die neuen Scheine an einen Anderen als den Antragsteller nicht aus­ gegeben seien. 844. Bei Werthpapieren, für welche Zins­ scheine oder Gewinnantheilscheine zuletzt für einen längeren Zeitraum als vier Jahre ausge­ geben sind, genügt es, wenn der Aufgebotster­ min so bestimmt wird, daß bis zu demselben seit

SS

D. Civilprozeßordnung. B. X.

der Zeit des glaubhaft gemachten Verlustes von den zuletzt ausgegebenen Scheinen solche für vier Jahre fällig geworden und seit der Fälligkeit des letzten derselben sechs Monate abgelaufen find. Scheine für Zeitabschnitte, für welche keine Zinsen oder Gewmnantheile bezahlt werden, kommen nicht in Betracht. Vor Erlassung des Ausschlußurtheils hat der Antragsteller ein nach Ablauf dieser sechsmonati­ gen Frist ausgestelltes Zeugniß der betreffenden Behörde, Kasse- oder Anstalt beizubringen, daß die für die bezeichneten vier Jahre und später etwa fällig gewordenen Scheine ihr von einem Anderen als dem Antragsteller nicht vorgelegt seien Hat in der Zeit seit dem Erlasse des Auf­ gebots eine Ausgabe neuer Scheine stattgefunden, so muß das Zeugniß auch die im § 843 Absatz 2 bezeichneten Angaben enthalten. 845. Bei Werthpapieren, für welche Zins­ scheine oder Gewinnantheilscheine ausgegeben sind, aber nicht mehr ausgegeben werden, ist, wenn nicht die Voraussetzungen der §§ 843, 844 vorhanden sind, der Aufgebotstermin so zu be­ stimmen, daß bis zu demselben seit der Fälligkeit des letzten ausgegebenen Scheines sechs Monate abgelaufen sind. 846. Ist in einer Schuldurkunde eine Verfall­ zeit angegeben, welche zur Zeit der ersten Ein­ rückung des Aufgebots in den Deutschen Reichs­ anzeiger noch nicht eingetreten ist, und sind die Voraussetzungen der §§ 843 bis 845 nicht vor­ handen, so ist der Aufgebotstermin so zu be­ stimmen, daß seit dem Verfalltage sechs Monate abgelaufen sind 847. Zwischen dem Tage, an welchem die erste Einrückung des Aufgebots in den Deutschen Reichsanzeiger erfolgt ist, und dem Aufgebots­ termine muß ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten liegen. 848. In dem Ausschlußurtheil ist die Urkunde für kraftlos zu erklären. Das Ausschlußurtheil ist seinem wesentlichen Inhalte nach durch den Deutschen Reichsanzeiger bekannt zu machen. In gleicher Weise hat nach eingetretener Rechtskraft die Bekanntmachung des auf die An­ fechtungsklage ergangenen Urtheils, soweit da­ durch die Kraftloserklärung aufgehoben wird, zu erfolgen. 849. Die Vorschriften der §§ 843 bis 848 finden auch auf das Aufgebot anderer als der im § 837 Absatz 1 bezeichneten Urkunden, welche aus den Inhaber lauten oder durch Indossament übertragbar und mit einem Blankoindossament versehen sind, Anwendung, insoweit nicht der Anspruch, über welchen die Urkunde ausgestellt ist, in einem Grund- oder Hypothekenbuche ein­ getragen ist. Durch diese Bestimmung werden Vorschriften, welche für das Aufgebotsverfahren noch andere

oder schwerere Voraussetzungen aüfstelleti, Nicht berührt. 850. Derjenige' welcher das Ausschlüßurtheil erwirkt hat, ist dem durch die UÜunde Ver­ pflichteten gegenüber betechtigt, die Rechte aus der Urkunde geltend zu machen. 65

Zehntes Buch. Schiedsrichterliches Verfahren. 851. Die Vereinbarung, daß die Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit durch einen oder mehrere Schiedsrichter erfolgen solle, hat insoweit recht­ liche Wirkung, als die Parteien berechtigt sind, über den Gegenstand des Streits einen Vergleich zu schließen. 852. Ein Schiedsvertrag über künftige Rechts­ streitigkeiten hat keine rechtliche Wirkung, wenn er nicht auf ein bestimmtes Rechtsverhältniß und

die aus demselben entspringenden Rechtsstreitig­ keiten sich bezieht. 853. Ist nach den Bestimmungen des bürger­ lichen Rechts ein mündlich geschlossener Schieds­ vertrag gültig, so kann jede Partei die Errich­ tung einer schriftlichen Urkunde über den Vertrag verlangen. 854. Ist in dem Schiedsvertrag eine Bestim­ mung über die Ernennung der Schiedsrichter nicht enthalten, so wird von jeder Partei ein Schiedsrichter ernannt. 855. Steht beiden Parteien die Ernennung von Schiedsrichtern zu, so hat die betreibende Partei dem Gegner den Schiedsrichter schriftlich mit der Aufforderung zu bezeichnen, binnen einer ein­ wöchigen Frist seinerseits ein Gleiches zu thun. Nach fruchtlosem Ablaufe der Frist wird auf Antrag der betreibenden Partei der Schiedsrichter von dem zuständigen Gericht ernannt. 856. Eine Partei ist an die durch sie erfolgte Ernennung eines Schiedsrichters dem Gegner gegenüber gebunden, sobald derselbe die Anzeige von der Ernennung erhalten hat. 857. Wenn ein nicht in dem Schiedsvertrag ernannter Schiedsrichter stirbt oder aus einem anderen Grunde wegfällt oder die Uebernahme oder die Ausführung des Schiedsrichteramts ver­ weigert, so hat die Partei, welche ihn ernannt hat, auf Aufforderung des Gegners binnen einer einwöchigen Frist einen anderen Schiedsrichter zu bestellen. Nach fruchtlosem Ablaufe der Frist wird auf Antrag der betreibenden Partei der Schiedsrichter von dem zuständigen Gericht er­ nannt. 858. Ein Schiedsrichter kann aus denselben Gründen und unter denselben Voraussetzungen abgelehnt werden, welche zur Ablehnung eines Richters berechtigen. 65. Auch Ausstellung einer neuen Urkunde zu verlangen, § 26 A.-G

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v.

Civilprozeßordnung. B. X.

Die Ablehnung kann außerdem erfolgen, wenn ein nicht in dem Schiedsvertrag ernannter Schiedsrichter die Erfüllung seiner Pflichten un­ gebührlich verzögert. Frauen, Minderjährige, Taube, Stumme und Personen, welchen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, können abgelehnt werden. 859. Der Schiedsvertrag tritt außer Kraft, sofern nicht für den betreffenden Fall durch eine Vereinbarung der Parteien Vorsorge ge­ troffen ist: 1) wenn bestimmte Personen in dem Vertrage zu Schiedsrichtern ernannt sind und ein Schieds­ richter stirbt oder aus einem anderen Grunde wegsällt oder die Uebernahme des Schiedsrichter­ amts verweigert oder von dem mit ihm geschlos­ senen Vertrage zurücktritt oder die Erfüllung seiner Pflichten ungebührlich verzögert; 2) wenn die Schiedsrichter den Parteien an­ zeigen, daß unter ihnen Stimmengleichheit sich

ergeben habe.

860. Die Schiedsrichter haben vor Erlassung des Schiedsspruchs die Parteien zu hören und das dem Streite zu Grunde liegende Sachverhältniß zu ermitteln, soweit sie die Ermittelung für erforderlich erachten. In Ermangelung einer Vereinbarung der Par­ teien über das Verfahren wird dasselbe von den Schiedsrichtern nach freiem Ermessen bestimmt. 861. Die Schiedsrichter können Zeugen und Sachverständige vernehmen, welche freiwillig vor ihnen erscheinen. Zur Beeidigung eines Zeugen oder eines Sach­ verständigen oder zur Abnahme eines Parteieides sind die Schiedsrichter nicht befugt.

862. Eine von den Schiedsrichtern für erfor­ derlich erachtete richterliche Handlung, zu deren Vornahme dieselben nicht befugt sind, ist auf Antrag einer Partei, sofern der Antrag für zu­ lässig erachtet wird, von dem zuständigen Gerichte vorzunehmcn. Dem Gerichte, welches die Vernehmung oder Beeidigung eines Zeugen oder eines Sachverstän­ digen angeordnet hat, stehen auch die Entscheidungen zu, welche im Falle der Verweigerung des Zeug­ nisses oder des Gutachtens erforderlich werden. 863. Die Schiedsrichter können das Verfahren fortsetzen und den Schiedsspruch erlassen, auch wenn die ljlnzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens behauptet, insbesondere wenn geltend gemacht wird, daß ein rechtsgültiger Schiedsver­ trag nicht bestehe, daß der Schiedsvertrag sich auf den zu entscheidenden Streit nicht beziehe oder daß ein Schiedsrichter zu den schiedsrichterlichen Verrichtungen nicht befugt sei.

864. Ist der Schiedsspruch von mehreren Schiedsrichtern zu erlassen, so ist die absolute Mehrheit der Stimmen entscheidend, sofern nicht der Schiedsvertrag ein Anderes bestimmt.

865. Der Schiedsspruch ist unter Angabe des Tages der Abfassung von den Schiedsrichtern zu unterschreiben, den Parteien in einer von den Schiedsrichtern unterschriebenen Ausfertigung zu­ zustellen und unter Beifügung der Beurkundung der Zustellung auf der Gerichtsschreiberei des zuständigen Gerichts niederzulegen. 866. Der Schiedsspruch hat unter den Parteien

die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urtheils. 867. Die Aufhebung des Schiedsspruchs kann beantragt werden : 1) wenn das Verfahren unzulässig war; 2) wenn der Schiedsspruch eine Partei zu einer Handlung verurtheilt, deren Vornahme ver­ boten ist; 3) wenn die Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozeßsührung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; 4) wenn der Partei in dem Verfahren das rechtliche Gehör nicht gewährt war; 5) wenn der Schiedsspruch nicht mit Gründen versehen ist; 6) wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen in den Fällen der Nr. 1 bis 6 des § 543 die Restitutionsklage stattfindet. Die Aufhebung des Schiedsspruchs findet aus den unter Nr. 4, 5 erwähnten Gründen nicht statt, wenn die Parteien ein Anderes vereinbart haben. 868. Aus dem Schiedssprüche findet die Zwangs­ vollstreckung nur statt, wenn ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurtheil ausgesprochen ist. Das Vollstreckungsurtheil ist nicht zu erlassen, wenn ein Grund vorliegt, aus welchem die Auf­ hebung des Schiedsspruchs beantragt werden kann. 869. Nach Erlassung des Vollstreckungsurtheils kann die Aufhebung des Schiedsspruchs nur aus den im § 867 Nr. 6 bezeichneten Gründen und nur dann beantragt werden, wenn glaubhaft ge­ macht wird, daß die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande--gewesen sei, den Aufhebungsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. 870. Die Klage auf Aufhebung des Schieds­ spruchs ist im Falle des vorstehenden Paragra­ phen binnen der Nothfrist eines Monats zu erheben. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem die Partei von dem Aufhebungsgrunde Kenntniß erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechts­ kraft des Vollstreckungsurtheils. Nach Ablauf von zehn Jahren, von dem Tage der Rechtskraft des Urtheils an gerechnet, ist die Klage unstatthaft. Wird der Schiedsspruch ausgehoben, so ist zu­ gleich die Aufhebung des Vollstreckungsurtheils auszusprechen. 871. Für die Klagen, welche die Ernennung oder Ablehnung eines Schiedsrichters, das Er-

D. Civilprozeßordnung. B. X. löschen eines Schiedsvertrags, die Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens, die Aufhebung eines Schiedsspruchs oder die Erlassung des Vollstreckungsurtheils zum Gegenstände haben, ist das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig, welches in einem schriftlichen Schiedsvertrag als solches bezeichnet ist, und, in Ermangelung einer­ derartigen Bezeichnung, das Amtsgericht oder das Landgericht, welches für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs zuständig sein würde.

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Unter mehreren hiernach zuständigen Gerichten ist und bleibt dasjenige zuständig, an welches sich zuerst eine Partei oder das Schiedsgericht (§ 865) gewendet hat. 872. Auf Schiedsgerichte, welche in gesetzlich statthafter Weise durch letztwillige oder andere nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügungen angeordnet werden, finden die Bestimmungen dieses Buchs entsprechende Anwendung.

betreffend die Einführung der Civilprozeßordnung.

Vom 30. Januar 1877. R.-G.-Bl. S. 244.

§ 1. Die Civilprozeßordnung tritt im ganzen Umfange des Reichs gleichzeitig mit dem Gerichts­ verfassungsgesetz in Kraft. 2. Das Kostenwesen in bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten wird für den ganzen Umfang des Reichs durch eine Gebührenordnung geregelt1 3. Die Civilprozeßordnung findet auf alle bür­ gerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung, welche vor die ordentlichen Gerichte gehören.2 Insoweit die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für welche besondere Gerichte zugelassen sind, durch die Landesgesetzgebung den ordentlichen Gerichten übertragen wird, kann die­ selbe ein abweichendes Verfahren gestatten.3 4. Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, für welche nach dem Gegenstand oder der Art des Anspruchs der Rechtsweg zulässig ist, darf aus dem Grunde, weil als Partei der Fiskus, eine Gemeinde oder eine andere öffentliche Korporation betheiligt ist, der Rechtsweg durch die Landesgesetzgebung nicht ausgeschlossen werden. 4

1. Vgl. Gerichtskostenges, v. 18. Juni 1878, Gebühren­ ordnung für Gerichtsvollzieher v. 24. Juni 1878, Gebühren­ ordnung für Zeugen u. Sachverständige v. 30. Juni 1878, Gebührenordnung für Rechtsanwälte v. 7. Juli 1879.

2. Diese Anwendbarkeit ist noch ausgedehnt durch § 47 A.-G. z. C.-P.-O., K.-O. u. St.-P.-O., sowie im Einzelnen durch § 10 E.-G., §§ 1 u. 3 A.-G. Vgl. auch unten §§ 14-16.

3. Bon dieser Bestimmung ist in Els.-Lothr. bis jetzt kein Gebrauch gemacht; denn auch die Rheinschifffahrtsgerichte sind, wenngleich dazu ordentliche Gerichte bestellt sind, als besondere Gerichte im Sinne des § 14 G.-V.-G. anzusehen. Vgl. Bem. zu Attt. 2, 3 G. v. 21. April 1832. 4. Vgl. § 8 A.-G. z. G.-B.-G.

5. In Ansehung der Landesherren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie der Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern finden die Bestimmungen der Civilprozeßordnung nur insoweit Anwendung, als nicht besondere Vorschriften der Hausverfassungen oder der Lan­ desgesetze abweichende Bestimmungen enthalten. Für vermögensrechtliche Ansprüche Dritter darf jedoch die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht von der Einwilligung des Landesherrn abhängig ge­ macht werden. 6. Mit Zustimmung des Bundesraths kann durch Kaiserliche Verordnung 5 bestimmt werden : 1) daß die Verletzung von Gesetzen, obgleich deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, die Revision nicht begründe; 2) daß die Verletzung von Gesetzen, obgleich deren Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, die Revi­ sion begründe. Die auf Grund der vorstehenden Bestimmungen erlassenen Verordnungen sind dem Reichstage bei dessen nächstem Zusammentreten zur Genehmigung vorzulegen. Dieselben treten, soweit der Reichs­ tag die Genehmigung versagt, für die am Tage des Reichstagsbeschlusses noch nicht anhängigen Prozesse außer Kraft. Die genehmigten Verord­ nungen können nur durch Reichsgesetz geändert oder aufgehoben werden.

5. Vgl. B. v. 28. Sept. 1879, welche für Els.-Lothr. in § 4 den Fall Nr. 1, in § 12 den Fall Nr. 2 erledigt.

D. Einf.-Gesetz zur Civilprozeßordnung.

7. Ist in einem Bundesstaat auf Grund der Bestimmung des Einführungsgesetzes zum Ge­ richtsverfassungsgesetze § 8 für bürgerliche Rechts­ streitigkeiten ein oberstes Landesgericht errichtet, so wird das Rechtsmittel der Revision bei diesem Gerichte eingelegt. Die Einlegung erfolgt durch Einreichung der Revisionsschrift. Eine Abschrift derselben ist der Gegenpartei von Amtswegen zuzustellen. Das oberste Landesgericht entscheidet ohne

vorgängige mündliche Verhandlung endgültig über die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung der Revision. Erklärt es sich für zuständig, so ist der Termin zur mündlichen Verhandlung von Amtswegen zu bestimmen und den Parteien bekannt zu machen. Erklärtes sich dagegen für unzuständig, weil das Reichsgericht zuständig sei, so sind dem letzteren die Prozeße akten zu übersenden. Die Entscheidung des obersten Landesgerichts über die Zuständigkeit ist auch für das Reichs­ gericht bindend. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Reichsgericht ist von Amtswegeu zu bestimmen und den Parteien be­ kannt zu machen. Die Fristbestimmungen in den §§ 517, 519 der Civilprozeßordnung bemessen sich nach dem Zeitpunkte der Bekanntmachung des Termins zur mündlichen Verhandlung an den Revisions­ beklagten. Die vorstehenden Bestimmungen finden auf das Rechtsmittel der Beschwerde entsprechende Anwendung. 8. Der Bestellung eines bei dem obersten Landesgericht oder bei dem Reichsgerichte zuge­ lassenen Rechtsanwalts bedarf es erst, nachdem das oberste Landesgericht über die Zuständigkeit Entscheidung getroffen hat. Für die dieser Ent­ scheidung vorgängigen Handlungen können die Parteien sich auch durch jeden bei einem Land­ oder Oberlandesgerichte zugelassenen Rechtsan­ walt vertreten lassen. Die Zustellung der Abschrift der Revisions­ schrift an den Revisionsbeklagten und die Be­ kanntmachung des Termins zur mündlichen Ver­ handlung an die Parteien erfolgt in Gemäßheit des § 164 der Civilprozeßordnung. 9. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts erfolgt, falls es sich um die Zuständigkeit solcher Gerichte handelt, welche verschiedenen Bundes­ staaten angehören und nicht im Bezirk eines ge­ meinschaftlichen Oberlandesgerichts ihren Sitz haben, durch das Reichsgericht auch dann, wenn in einem dieser Bundesstaaten ein oberstes Landesgericht für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten errichtet ist. 10. Die Bestimmungen der Civilprozeßordnung über das Verfahren in Entmündigungssachen finden auf die Bestellung eines Beistandes für einen Geistesschwachen oder für einen Verschwen­

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der, insofern diese Bestellung nach den Vor­ schriften des bürgerlichen Rechts erforderlich ist, entsprechende Anwendung.6 11. Die Landesgesetze können in anderen als in den durch ein Reichsgesetz bestimmten Fällen die Anwendung der Bestimmungen der Civilpro­ zeßordnung über das Aufgebotsverfahren aus­ schließen oder diese Bestimmungen durch andere Vorschriften ersetzen, insoweit nicht § 849 der Civilptozeßordnung entgegensteht. 12. Gesetz im Sinne der Civilprozeßordnung und dieses Gesetzes ist jede Rechtsnorm. 13. Die prozeßrechtlichen Vorschriften der Reichsgesetze werden durch die Civilprozeßordnung nicht berührt. Aufgehoben werden: 1) § 2 des Gesetzes, betreffend die Aufhebung der Schuldhaft, vom 29. Mai 1868; 2) Artikel 34 bis 36, 37 Satz 2, 39, 77, 78, 79 Absatz 2, 488, 494, 889 des Handelsgesetzbuchs; 3) § 6 des Gesetzes, betreffend die Verbind­ lichkeit zum Schadensersätze für die bei dem Be­ triebe von Eisenbahnen, Bergwerken u. s. w. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzungen, vom 7. Juni 1871; 4) § 14 des Gesetzes über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871, inso­ weit diese Vorschrift die Unterbrechung der Verjährung an die Anmeldung der Klage knüpft; 5) § 144 Absatz 4 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März 1873; 6) § 78 Absatz 3 des Gesetzes über Beurkun­ dung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875. Der Artikel 80 der Wechselordnung wird dahin abgeändert, daß die Verjährung auch nach Maß­ gabe der §§ 190, 254, 461 Absatz 2, 471 Absatz 2 der Civilprozeßordnung unterbrochen wird. In den Fällen der Artikel 348, 365, 407 des Handelsgesetzbuchs ist das im § 448 der Civil­ prozeßordnung bezeichnete Amtsgericht zuständig; auf die Ernennung, Beeidigung und Verneh­ mung der Sachverständigen finden die Vorschrif­ ten der Civilprozeßordnung in dem achten Titel des ersten Abschnitts des zweiten Buchs ent­ sprechende Anwendung. 14. Die prozeßrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze treten für alle bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten, deren Entscheidung in Gemäßheit des § 3 nach den Vorschriften der Civilprozeß­ ordnung zu erfolgen hat, außer Kraft, soweit nicht in der Civilprozeßordnung auf sie verwiesen oder soweit nicht bestimmt ist, daß sie nicht be­ rührt werden. • Außer Kraft treten insbesondere: 1) die Vorschriften über die bindende Kraft

6. Hierdurch werden die §§ 593 ff. C.-P.-O. auf den Fall der Artt. 499 bezw. 513 C.-G.-B. angewendet.

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D. Eins.-Gesetz zur Civilprozeßordnung.

des strafgerichtlichen Urtheils für den Civilrichter ; 2) die Vorschriften, welche in Ansehung gewisser Rechtsverhältnisse einzelne Arten von Beweis­ mitteln ausschließen oder nur unter Beschrän­ kungen zulassen; 3) die Vorschriften, nach welchen unter be­ stimmten Voraussetzungen eine Thatsache als mehr oder minder wahrscheinlich anzunehmen ist; 4) die Vorschriften über die Bewilligung von Moratorien, über die Urtheilsfristen und über die Befugnisse des Gerichts, dem Schuldner bei der Verurtheilung Zahlungsfristen zu gewähren; 5) die Vorschriften, nach welchen eine Neben­ forderung als aberkannt gilt, wenn über dieselbe nicht entschieden ist. 15. Unberührt bleiben: 1) die landesgesetzlichen Vorschriften7 über die Einstellung des Verfahrens für den Fall, daß ein Kompetenzkonflikt zwischen den Gerichten und

den Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsge­ richten entsteht; 2) die landesgesetzlichen Vorschriften über die Fortdauer des Gerichtsstandes einer Gesellschaft, einer Genossenschaft oder eines Vereins nach Auflösung derselben; über das Verfahren in Be­ treff der Sperre der Zahlung abhanden gekom­ mener Jnhaberpapiere; über das Verfahren bei Streitigkeiten, welche die Zwangsenteignung8 und die Entschädigung wegen derselben betreffen; 3) die landesgesetzlichen Vorschriften über das erbschaftliche Liquidationsversahren;9 4) die landesgesetzlichen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderuugeu ge­ gen den Fiskus, Gemeinden und andere Kom­ munalverbände (Provinzial-, Kreis-, Amtsverbände), sowie gegen solche Korporationen, deren Vermögen von Staatsbehörden verwaltet wird, insoweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden;10 5) die Vorschriften des französischen und des badischen Rechts über den erwählten Wohnsitz, soweit es sich um Zustellungen handelt, und über das Verfahren bei Vermögensabsonderungen un­ ter Eheleuten.11 7. Solche Vorschriften sind nicht mehr in Kraft, da die Landesgesetzgebung von § 17 Abs. 2 G.-V.-G. keinen Ge­ brauch gemacht hat.

8. Vgl. G. v. 3. Mai 1841 u. die Ergänzungen dazu, auch Art. 17 Abs. 2 G. v. 21. Mai 1836. 9. Worunter das, namentlich in Preußen ausgebildete Verfahren zur Feststellung der Gläubiger einer Benefizialerbschaft zu verstehen ist. Ein solches Verfahren besteht in Els.-Lothr. nicht. Unrichtig die Uebersetzung: en matiere (le partages de Succession. 10. Der Satz des franz. Rechts, daß gegen den Staat, die Bezirke und Gemeinden eine Zwangsvollstreckung aus gerichtlichen Urtheilen u. Urkunden unzulässig, hat eine aus­ drückliche Anerkennung nur bezüglich der Gemeinden er­ halten durch die St.-R.-G. v. 12. Aug. 1807 u. 26. Mai 1813.

11. Vgl. Art. lti C.-G.-B. u. Bem. dazu u. wegen der Gütertrennung §§ 3 ff. A.-G.

Entstehen in einem unter Nr. 3 bezeichneten Verfahren Rechtsstreitigkeiten, welche in einem Prozesse zu erledigen sind, so erfolgt die Erle­ digung nach den Bestimmungen der Civilprozeß­ ordnung und dieses Gesetzes. 16. Unberührt bleiben: 1) die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach welchen unter bestimmten Voraussetzungen eine Thatsache unter Ausschließung des Gegen­ beweises oder bis zum Beweise des Gegentheils als gewiß anzusehen ist. Insoweit der Beweis des Gegentheils zulässig ist, kann dieser Beweis auch durch Eideszuschie­ bung nach Maßgabe der §§ 410 ff. der Civil­ prozeßordnung geführt werden. Unberührt bleiben ferner: 2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Beweiskraft der Beurkundung des bür­ gerlichen Standes in Ansehung der Erklärungen welche über Geburten und Sterbefälle von den zur Anzeige gesetzlich verpflichteten Personen ab­ gegeben werden; 12 3) die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Verpflichtung zur Leistung des Offen­ barungseides ; 4) die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach welchen in bestimmten Fällen einstweilige Verfügungen erlassen werden können; 13 5) die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über das Verfahren bei Ehescheidungen aus Grund gegenseitiger Einwilligung; 6) die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die auf einseitigen Antrag eines Ehegatten zu erlassenden gerichtlichen Rückkehr-, Aufnahmeund Besserungsbefehle, sowie über die als Vor­ bedingung einer Ehescheidung anzuordnenden

Zwangsmaßregeln; 7) die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Voraussetzungen der böslichen Verlassung, namentlich in Ansehung der Frist, welche seit der Entfernung des Beklagten verstrichen sein muß, sowie in Ansehung der Fälle, welche der böslichen Verlassung gleichgestellt sind; 8) die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach welchen eine bösliche Verlassung nicht schon deshalb als festgestellt angenommen werden darf, weil der Beklagte die in dem bürgerlichen Rechte 12. Vgl. § 15 G. v. 6. Febr. 1875. 13. Auf derartige Verfügungen finden die Vorschriften der §§ 814 ff. C.-P.-O. über die Zuständigkeit u. das Verfahren dann Anwendung, wenn die Verfügung sich auf „einen Streitgegenstand" bezieht oder „Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses" zum Gegenstand hat, §§ 814, 819 C.P.-O. u. § 3 E.-G. Vorschriften dagegen, welche dem Richter die Vornahme gewisser Maßregeln als Ausfluß der nicht­ streitigen Gerichtsbarkeit übertragen, werden von der C.P.-O. nicht berührt, es sei denn, daß die betr. Vorschrift bezüglich des Verfahrens auf die Bestimmungen über das beseitigte Refereverfahren verweist, in welchem Falle die auf das Verfahren bezüglichen Vorschriften der §§ 814 ff. C.-P.-O. nach § 47 A.-G. zur Anwendung kommen. Vgl. Artt. 921, 944, 948, 909 fr. C.-P.-O., 820 C.-G.-B.

D. Einf.-Gesetz zur Civilprozeßordnung.

vorgeschriebenen

Rückkehrbefehle

nicht

befolgt

hat. 17. Die Beweiskraft eines Schuldscheins oder einer Quittung ist an den Ablauf einer Zeitfrist nicht gebunden. Abweichende Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die zur Eintragung in das Grund­ oder Hypothekenbuch bestimmten Schuldurkunden bleiben unberührt, soweit sie die Verfolgung des dinglichen Rechts betreffen. 18. Auf die Erledigung der vor dem Inkraft­ treten der Civilprozeßordnung anhängig gewor­ denen Prozesse finden bis zur rechtskräftigen Entscheidung die bisherigen Prozeßgesetze An­ wendung. Der Landesgesetzgebung bleibt Vorbehalten, die Civilprozeßordnung auf die vor dem Inkraft­ treten derselben anhängig gewordenen Prozesse für anwendbar zu erklären und zu dem Zwecke Uebergangsbestimmungen zu erlassen.14 19. Rechtskräftig im Sinne dieses Gesetzes sind Endurtheile, welche mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden können. Als ordentliche Rechtsmittel im Sinne des vor­ stehenden Absatzes sind diejenigen Rechtsmittel auzusehen, welche an eine von dem Tage der Verkündung oder Zustellung des Urtheils laufende Nothfrist gebunden sind. 20. Gegen Endurtheile, welche vor dem Tage des Inkrafttretens der Civilprozeßordnung die Rechtskraft erlangt haben, sowie gegen Endurtheile, welche in den vor diesem Tage anhängig gewor­ denen Prozessen nach demselben die Rechtskraft erlangen, finden als außerordentliche Rechtsmittel

nur die Nichtigkeitsklage und die Restitutionsklage nach den Bestimmungen der Civilprozeßordnung statt. Der Landesgesetzgebung bleibt vorbehalten, zu bestimmen, in welcher Instanz die Klagen gegen solche Endurtheile zu erheben sind. 21. Eine vor dem Inkrafttreten der Civil­ prozeßordnung anhängig gewordene Zwangsvoll­ streckung ist nach den bisherigen Prozeßgesetzen zu erledigen. 14. Vgl. §§ 34-36 A.-G.

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Der Landesgesetzgebung bleibt Vorbehalten, die Civilprozeßordnung auf die vor dem Inkrafttreten derselben anhängig gewordenen Zwangsvoll­ streckungen für anwendbar zu erklären und zu dem Zwecke Uebergangsbestimmungen zu erlassen.15 22. Aus einer vor dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung aufgenommenen Urkunde, aus welcher nach den bisherigen Gesetzen die Zwangs­ vollstreckung zulässig ist, findet dieselbe auch nach dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung statt, jedoch nur innerhalb des Rechtsgebietes, in wel­ chem die ihre Zulässigkeit bedingenden Gesetze gegolten haben, sofern nicht die Urkunde den Erfordernissen der Civilprozeßordnung entspricht.16

23. Insoweit Pfand- oder Vorzugsrechte, welche vor dem Jnkrafttreken der Civilprozeßordnung auf Grund eines Vertrags, einer letztwilligen Anordnung oder einer richterlichen Verfügung erworben oder in Bankstatuten den Banknoten­ inhabern rechtsgültig zugesichert sind, gegenüber einem Pfandrechte, welches durch eine nach dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung bewirkte Pfändung begründet wird, zufolge des § 709 Absatz 2 der Civilprozeßordnung ihre Wirksamkeit verlieren würden, kann die Landesgesetzgebung für die Forderung des Berechtigten das bisherige Vorrecht gewähren. Das Vorrecht kann nicht gewährt werden gegen eine zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung bewirkte Pfändung, wenn nicht das Vorrecht dadurch erhalten wird, daß dasselbe bis zum Ablaufe der zwei Jahre zur Eintragung in ein öffentliches Register vorschrifts­ mäßig angemeldet ist. Der Erlaß von Vorschriften über die Einrichtung solcher Register, sowie über die Anmeldung und Eintragung der Forderungen bleibt der Landesgesetzgebung Vorbehalten.

Die vorstehenden Bestimmungen finden auf ein gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht der Ehefrau des Schuldners für Forderungen, welche vor dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung entstanden sind, entsprechende Anwendung.

15. Vgl. §§ 37-41 A. G. 16. Vgl. § 42 A.-G.

Gesetz für Elsaß-Lothringen betreffend die Ausführung der Livilprozeßordnung, der Konkursorduung und der Strafprozeßordnung.

Vom 8. Juli 1879.

G.-Bl. S. 67.

Erster Titel.

Zur Givrtprozeßordnung. Zustellungen.

§ 1. Auf Zustellungen in gerichtlichen Angelegen­ heiten, welche zu der ordentlichen streitigen Ge­ richtsbarkeit nicht gehören, finden die Bestimmungen der §§ 152 bis 190 der Civilprozeßordnung entsprechende Anwendung. Beweis durch Urkunden.

2. Die gesetzlichen Bestimmungen, welche bezüg­ lich der im § 383 Absatz 1 der Civilprozeß­ ordnung bezeichneten öffentlichen Urkunden den Beweis der Unrichtigkeit der darin bezeugten Thatsachen ausschlissßen oder beschränken, werden aufgehoben i. Gütertrennungsklage.

3. Auf Gütertrennungsklagen (code civil Art. 1443) finden die Vorschriften der §§ 568, 577, 582 der Civilprozeßordnung1 2 entsprechende An­ wendung. 4. Ein Auszug aus der Klageschrift, welcher die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts, den Antrag und den Termin zur mündlichen Verhandlung enthält, ist nach Maßgabe des § 187 der Civilprozeßordnung öffentlich bekannt 1. Dadurch sind z. B. die Zustellungsurkunden der Ge­ richtsvollzieher, Erblegitimationsatteste, Lebensscheine unter die Regel des § 380 Abs. 2 u. § 383 Abs. 2 C.-P.-O. gestellt. 2. Deren Anwendung an sich durch § 15 Nr. 5 E.-G. zur C.-P.-O. ausgeschlosien war.

zu machen. Zwischen dem Tage der letzten Ein­ rückung in die öffentlichen Blätter und dem Ter­ min zur mündlichen Verhandlung muß ein Zeit­ raum von mindestens einem Monat liegen. 5. Ist gegen den Ehemann das Konkursver­

fahren eröffnet, so kann die Gütertrennung auf Gesuch der Ehefrau durch Beschluß des Gerichts ausgesprochen werden. Die Entscheidung kann ohne vorgängige münd­ liche Verhandlung erfolgen. Die Zustellung der­ selben geschieht von Amtswegen. Gegen die Entscheidung findet sofortige Be­ schwerde nach Maßgabe des § 540 der Civilpro­ zeßordnung statt. Der die Gütertrennung aussprechende Beschluß wirkt auf den Tag der Einreichung des Gesuches zurück. 6. Ein Auszug aus dem die Gütertrennung aussprechenden Urtheil oder Beschluß ist vor dem Vollzug in der im § 4 bezeichneten Weise be­ kannt zu machen. Die im Artikel 1444 des code civil bezeichnete Frist wird auf einen Monat verlängert. Der Lauf der Frist beginnt mit dem Tage des Eintritts der Rechtskraft des Urtheils; er beginnt

mit dem Tage der Entscheidung, wenn das Ur­ theil für vorläufig vollstreckbar erklärt, oder die Gütertrennung durch Beschluß ausgesprochen ist. 7. Die den Gläubigern nach Artikel 1447 des code civil zustehende Anfechtung der rechtskräftig ausgesprochenen Gütertrennung ist im Wege der Klage bei dem Gerichte geltend zu machen, wel­ ches die Gütertrennung ausgesprochen hat. Die

D. Gesetz für E.-L. zur Ausf. der C.-P.-O., K.-O. u. St.-P.-O.

Klage kann nur innerhalb eines Jahres nach der letzten Einrückung des Urtheils in die öffentlichen Blätter erhoben werden. 8. Die im Artikel 1451 des code civil vorge­ schriebene öffentliche Bekanntmachung der Wieder­ herstellung der Gütergemeinschaft erfolgt in der in 4 bezeichneten Weise. 9. Der Artikel 1445 des code civil und die Artikel 865 bis 873 des code de proc&dure civile werden aufgehoben.

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Vormundschaft geführt wird oder in Folge der Entmündigung zu führen ist. 3 Dasselbe hat im Falle des § 600 der Civil­ prozeßordnung die für die Person oder das Ver­ mögen des zu Entmündigenden erforderliche Fürsorge anzuordnen und kann zu diesem Zwecke einen vorläufigen Verwalter ernennen. In gleicher Weise ist im Falle des § 603 der Civilprozeßordnung für den Entmündigten Für­ sorge zu treffen, so lange demselben ein Vormund noch nicht bestellt ist.

Veröffentlichung der Eheverträge von Kaufleuten.

10. Der § 6 Absatz 1 des Gesetzes, betreffend die Einführung der Wechselordnung und des Handelsgesetzbuchs, vom 19. Juni 1872 (Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen S. 213) erhält folgende Fassung: Jeder Ehevertrag zwischen Ehegatten, von welchen einer zu den Kaufleuten gehört, muß binnen einem Monat nach Abschluß des Vertrages im Auszuge dem Gerichts­ schreiber des Landgerichts, in dessen Bezirk der Ehemann seinen Wohnsitz hat, zum Zweck der Veröffentlichung übersendet werden. Die Veröffentlichung des Auszuges geschieht durch Anheftung an die Gerichtstafel und durch Einrückung in eines der öffentlichen Blätter, welche nach Vorschrift des Artikel 13 des Handelsgesetzbuchs zur Veröffentlichung der in dem Handelsregister erfolgenden Ein­ tragungen bestimmt sind. Der § 8 des Gesetzes vom 19. Juni 1872 wird aufgehoben. Ehescheidung.

11. Im Falle der Ehescheidung ist die Trennung der Ehe im Urtheile selbst auszusprechcn. Die Artikel 258, 264 bis 266, 290, 294 des code civil treten bezüglich der nach dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung ergehenden Urtheile außer Kraft. 12. Für die Bestimmung des in den Artikeln 270 und 271 des code civil bezeichneten Tages tritt an die Stelle der dort erwähnten Ordon­ nanz die Verfügung, durch welche der Sühnetermin oder, im Falle des § 573 der Civilprozeßordnung, der Termin zur mündlichen Verhandlung über die Ehescheidungsklage anberaumt wird. 13. Im Falle des § 9 Absatz 2 des Einfüh­ rungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch vom 19. Juni 1872 (Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen S. 213) ist das Urtheil, welches die Ehescheidung ausspricht, in der im § 4 bezeichneten Weise bekannt zu machen. Auf das den Gläubigern zustehende Recht des Einspruchs und der Anfechtung findet die Vorschrift des § 7 entsprechende Anwendung.

Theilungsverfahren.

15. Die Veräußerung gemeinschaftlicher Liegen­ schaften, welche im gerichtlichen Theilungsverfahren angeordnet wird, findet im Wege öffentlicher Ver­ steigerung vor einem Notar statt. Auf die Anordnung des Gerichts und auf den Verkauf finden die Bestimmungell des § 13 Absatz 1 und der §§ 7 bis 9 des Gesetzes vom 1. Dezember 1873, betreffend außergerichtliche Theilungen und gerichtliche Verkäufe von Liegen­ schaften (Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen S. 310), entsprechende Anwendung. Bleiben die Gebote unter dem Schätzungspreise, so erfolgt die Bestätigung des vorläufigen Zu­ schlags, vorbehaltlich der Bestimmung des Artikel 985 des code de proc&dure civile, durch das Gericht, welches den Verkauf angeordnet hat. Die Vorschriften des § 14 des vorerwähnten Gesetzes vom 1. Dezember 1873 finden entsprechende An­ wendung. 4 16. Aus den gerichtlichen Beschlüssen, durch welche eine Theilung oder ein vorläufiger Zuschlag bestätigt wird, findet die gerichtliche Zwangs­ vollstreckung nach Maßgabe der §§ 662 bis 701, 705 der Civilprozeßordnung statt. 5 6 Zwaugsbefehle bezüglich der Enregistrements^, Hypothekenund Domänengefälle.

17. Aus den gerichtlich für vollstreckbar erklär­ ten Zwangsbefehlen behufs Eintreibung der Do­ mänengefälle und der den Enregistrements- und Hypothekenbeamten zur Einziehung überwiesenen öffentlichen Einkünfte findet die gerichtliche Zwangs­ vollstreckung nach Maßgabe der §§ 671 Absatz 1, §§ 673 bis 685, 686 Absatz 3, §§ 688 bis 701 der Civilprozeßordnung statt. Das Gericht kann jedoch nicht anordnen, daß die Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheits­ leistung fortgesetzt werde. 18. Der Zwangsbefehl behufs Beitreibung von Domänengefälleno ist von dem Beamten, welchem

3. Vgl. auch Art. 895 fr. C.-P.-O. Bem. dazu.

Entmündigungssachen.

14. Vormundschaftsbehörde im Sinne der §§ 600, 603, 615, 619 und 620 der Civilprozeßord­ nung ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die

4. Vgl. Bem. zu Tit. 7 B. 2 der fr. C.-P.-O. (Artt. 966 ff.). 5. Vgl. Bem. zu Art. 981 fr. C.-P.-O. 6. Art. 4 G. v. 19. Aug.-12. Sept. 1791 u. Art. 5 B. v. 4. Therm. XI.

v. Gesetz für E.-L. zur Ausf. der C.-P.-O., K.-O. u. St.-P.-O. die Gefälle zur Einziehung überwiesen sind, aus­ zustellen und vom Amtsrichter des Bezirks, in welchem der Aussteller seinen dienstlichen Wohnsitz hat, für vollstreckbar zu erklären. 19. Einwendungen, welche den durch den Zwangsbefehl festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage und nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung bei demjenigen Landgerichte geltend zu machen, in dessen Bezirk sich das Amt befindet, von welchem der Zwangsbefehl erlassen ist.7

bezeichnet sind, sowie diejenigen, welche nach den Gesetzen vom 5. September 1807 und 17. Juli 1856 für Strafgerichtskosten, für Guthaben an rechnungspflichtige Beamte und für Arbeiten und Darlehen zum Zweck der Trockenlegung von Grundstücken bestehen, sind Gläubigern gegenüber, welchen an den betreffenden Liegenschaften ein Vorzugsrecht oder ein Unterpfandsrecht nicht zusteht, auch ohne Eintragung wirksam. 1°

Vorzugsrechte.

25. Bezüglich der auf den Inhaber lautenden Schuldverschreibungen des Landes, der Bezirke, Gemeinden und öffentlichen Anstalten findet das Aufgebotsverfahren zum Zweck der Kraftloser­ klärung abhanden gekommener oder vernichteter Urkunden nach Maßgabe der Vorschriften des neunten Buches der Civilprozeßordnung statt. Das Gleiche gilt bezüglich der auf den Inhaber lautenden Aktien, Kommunalobligationen und Pfandbriefe der durch Allerhöchsten Erlaß vom 18. März 1872 (Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen S. 163) bestätigten Aktiengesellschaft für Bodenund Kommunalkredit in Elsaß-Lothringen. Für andere auf den Inhaber lautende Papiere kann das gerichtliche Ausgebotsverfahren durch Anordnung des Reichskanzlers auf Antrag des Ausstellers zugelassen werden. Neben dem gerichtlichen Aufgebotsversahren findet ein außergerichtliches nicht statt.

20. Ein Vorzugsrecht an bestimmten beweglichen Sachen im Sinne des Code civil steht den in den §§ 40, 41 der Konkursordnung bezeichneten Gläu­ bigern für die Forderungen und an den Gegen­ ständen zu, auf welche sich im Falle des Kon­ kurses ihr Absonderungsrecht erstreckt. Die Vorzugsrechte der in den §§ 40, 41 Nr. 1 bis 8 der Konkursordnung bezeichneten Gläubiger gehen den späteren durch Pfändung erlangten Pfandrechten vor. 8 9 10 21. Bei Bestimmungen der Forderung, für welche dem Vermiether ein Vorzugsrecht zusteht (Konkursordnung § 41 Nr. 4), gilt einem erblosen oder unter der Rechtswohlthat des Inventars angetretenen Nachlaß gegenüber der Todestag des Erblassers als Zeitpunkt der Eröffnung des Ver­ fahrens. 22. Die Verpächter und Vermiether können die eingebrachten Sachen, welche ohne ihre Einwilli­ gung von dem Grundstück verbracht sind, von dem dritten Besitzer zurückfordern. Dieses Recht erlischt, wenn es von dem Pächter nicht innerhalb der nächsten vierzig Tage, von dem Vermiether nicht innerhalb der nächsten vierzehn Tage nach der Verbringung gerichtlich geltend gemacht wird. 23. Aufgehoben werden die Artikel 2100, 2101, 2102, 2104, 2105 und 2107 des code civil, sowie die in sonstigen Gesetzen enthaltenen Vorschriften, wonach an beweglichen Sachen andere als die in § 20 bezeichneten Vorzugsrechte bestehen. Insoweit die nach den bisherigen Gesetzen an beweglichen und unbeweglichen Gegenständen bestehenden Vorzugsrechte in Folge vorstehender Bestimmung auf unbewegliche Gegenstände be­ schränkt werden, können dieselben hinsichtlich der letzteren auch ohne vorherige Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners gel­ tend gemacht werden. 9 24. Die Vorzugsrechte an Liegenschaften, welche in den Artikeln 2103 und 2111 des code civil

Aufgebots verfahren.

26. Auf Grund des Ausschlußurtheils (Civil­ prozeßordnung § 850) kann der Berechtigte auf seine Kosten die Ausstellung einer neuen Urkunde verlangen.

27. Nach Anordnung des Oberpräsideuten11 sind von Jahr zu Jahr Listen der für kraftlos erklärten Papiere öffentlich bekannt zu machen.

28. Zinsscheine, Gewinnantheilsscheine und Er­ neuerungsscheine unterliegen dem Aufgebotsver­ fahren nicht. Wer den Verlust von Zinsscheinen oder Ge­ winnantheilsscheinen, welche zu einem Inhaber­ papiere gehören, vor Ablauf der Verjährungsfrist (code civil Art. 2277) bei dem Schuldner an­ meldet und zugleich den früheren Besitz durch Vorzeigung des Jnhaberpapiers oder sonst in glaubhafter Weise darthut, kann nach Ablauf der Verjährungsfrist die Auszahlung des Betrages der von ihm angemeldeten, aber nicht zum Vor­ schein gekommenen Zinsscheine und Gewinnan­ theilsscheine verlangen. 29. Den auf den Inhaber lautenden Papieren werden Papiere, welche durch Blankoindossament übertragen werden können, gleichgestellt.

7. Dadurch ist der besondere Prozeß für Enregistrementssachen (Art. 65 G. v. 22. Frim. VII) beseitigt.

8. Die Rangordnung der durch verschiedene Pfändungen begründeten Pfandrechte ist durch § 709 C.-P.-O. geregelt. 9. Vgl. Bem. zu Art. 2098 C.-G.-B.

10. Die Vorschrift dient zum Schutz bestehender Vorzugs­ rechte gegen die Bestimmung des § 12 K.-O.

11. Jetzt des Ministeriums, ß 3 G. v. 4. Juli 1879.

D. Gesetz für E.-L. zur Ausf. der C.-P.-O., K.-O. u. St.-P.-O.

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Zweiter Titel.

Versteigerung unbeweglicher Sachen.

Zur Konkursordnung.

32. Erfolgt die Veräußerung einer zur Konkurs­ masse gehörigen unbeweglichen Sache durch nota­ rielle Versteigerung, so finden die Vorschriften der §§ 12, 13 des Gesetzes vom 1. Dezember 1873, betreffend außergerichtliche Theilungen und gerichtliche Verkäufe von Liegenschaften (Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen S. 310), mit der Maßgabe Anwendung, daß an Stelle des Landgerichts das Konkursgericht tritt.

Eintragung in die Hypothekenbücher.

30. Die Eröffnung, sowie die Wiederaufnahme des Konkursverfahrens ist sofort in die Hypothe­ kenbücher derjenigen Bezirke, in welchen der Gemeinschuldner Liegenschaften besitzt, einzutragen. Die Eintragung erfolgt auf schriftlichen Antrag des Konkursverwalters. Dem Antrag ist eine von dem Gerichtsschreiber beglaubigte Abschrift der Formel des Gerichtsbeschlusses beizufügen. In gleicher Weise hat der Konkursverwalter nach Aufhebung oder Einstellung des Verfahrens (Konkursordnung §§ 105, 151, 175, 191) die Löschung der Eintragung zu bewirken.12 Rechtsfähigkeit des Gemeinschuldners.

31. Im Falle der Eröffnung des Konkursver­ fahrens oder der Abweisung des Eröffnungsan­ trags aus dem im § 99 der Konkursordnung bezeichneten Grunde treten für den Gemeinschuld­ ner dieselben Einschränkungen der politischen und bürgerlichen Rechte ein, welche nach den bestehen­ den Gesetzen mit der Falliterklärung verbunden sind.13 Diese Einschränkungen können durch Beschluß des Landgerichts aufgehoben werden: 1) wenn der Gemeinschuldncr nachweist, daß er die Konkursforderungen sammt Zinsen und Kosten voll ausbezahlt hat; 2) wenn das Gericht nach Beendigung des Verfahrens die Ueberzeugung gewinnt, daß der Gemeinschuldner ohne eigenes Verschulden in Zahlungsunfähigkeit verfallen ist; 3) wenn der Gemeinschuldner während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren nach nach Beendigung des Verfahrens ein tadelfreies Verhalten beobachtet hat. Das Gericht entscheidet auf das Gesuch des Gemeinschuldners nach Anhörung der Staatsan­ waltschaft in nicht öffentlicher Sitzung. Gegen den Beschluß des Landgerichts steht sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Gemeinschuldner die sofortige Beschwerde zu.

Im Falle Nr. 3 kann ein abgewiesenes Gesuch vor Ablauf von zwei Jahren nicht erneuert werden.

12. Der § ergänzt die §§ 106, 184 K.-O. — Wegen Ein­ tragung der aus einem Zwangsvergleich den Gläubigern etwa zustehenden Hypothek vgl. § 180 K.-O. u. Bem. dazu. 13. Diese Einschränkungen betreffen die Wählbarkeit zu den Bezirks-, Kreis- und Gemeindevertretungen (§ 3 G. v. 24. Jan. 1873, Artt. 15 Nr. 17 D. v. 2. Febr. 1852, 3 G. v. 7. Juli 1852, 7 G. v. 5. Mai 1855), u. zu den Gewerbe­ gerichten (bisher Art. 6 G. v. 1. Juni 1853, jetzt G. über die Gewerbegerichte v. 1880), die Befugniß Handelsmäkler zu sein (Art. 83 fr. H.-G.-B.) und an der Börse zu erscheinen (613 das.) und die Befugniß ein Theater zu eröffnen (Art. 13 D. v. 8. Juni 1806, Ord. v. 8. Dez. 1824).

Aufhebung von Vorschriften des codc de commerce.

33. Das dritte Buch des code de commerce tritt mit Ausnahme des Artikel 56314 außer Kraft.

Dritter Titel.

Nebergangs- und Schtußöestiwmungen. Uebcrgangsbestimmungen zur Civilprozeßordnung.

34. Die vor dem Inkrafttreten der Civilprozeß­ ordnung bei den Landesgerichten anhängigen bürgerlichen Rechtsstrsitigkeiten werden, insofern nicht ein Urtheil in denselben ergangen ist, nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung erledigt. Auf die Erledigung der vor dem bezeichneten Zeitpunkte bei den Handelsgerichten anhängigen Sachen finden in allen Fällen die bisherigen Prozeßgesetze Anwendung. 35. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche nach den bisherigen Vorschriften erledigt werden, ist eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft als Nebenpartei nicht mehr erforderlich. Auf Ehesachen und Entmündigungssachen findet diese Vorschrift keine Anwendung. 36. Gegen Urtheile, welche in Gemäßheit der bisherigen Prozeßgesetze vor oder nach dem In­ krafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, findet die Drittopposition nicht mehr statt. Auf die Nichtigkeitsklage und die Restitutions­ klage, welche auf Grund des § 20 des Ein­ führungsgesetzes zur Civilprozeßordnung erhoben werden, finden die Vorschriften des § 547 Absatz 1 der Civilprozeßordnung entsprechende Anwendung. 37. Ein vor dem Inkrafttreten der Civilprozeß­ ordnung anhängig gewordenes Verfahren der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen oder zur Sicherung einer solchen Zwangsvoll­ streckung ist nach den Vorschriften der Civilzrozeßordnung zu erledigen, insofern nicht vor jenem Zeitpunkte eine Beschlagnahme stattgefunden hat. Auf die in einer anhängigen Zwangsvollstreckung nach Maßgabe der bisherigen Vorschriften zu erhebende Klage auf Gültigkeitserklärung einer Beschlagnahme findet die Vorschrift des § 34 Anwendung. 38. Die nach den bisherigen Vorschriften erlassene Anordnung der Haft ist auf Antrag des Schuld-

14. S. auch Artt. 486, 613 das.

100

v. Gesetz für E.-L. zur Ausf. der C.-P.-O., K.-O. u. St.-P.-O.

ners auszuheben, soweit die Haft nach den Vor­ schriften der Civilprozeßordnung nicht zulässig ist. Das Gleiche gilt für die Beschlagnahme von Gegenständen, welche nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung der Pfändung nicht unter­ worfen sind, für die Beschlagnahme fortlaufender Einkünfte jedoch nur, insoweit dieselben auf die Zeit nach Einführung der Civilprozeßordnung fallen. Bor der Entscheidung ist der Gläubiger zu hören. 39. Eine nach dem Inkrafttreten der Civil­ prozeßordnung erfolgende weitere Pfändung von Gegenständen des beweglichen Vermögens, welche bereits vor diesem Zeitpunkte in Beschlag genommen sind, erfolgt nach den Vorschriften der Civil­ prozeßordnung. Im Falle der weiteren Pfändung von Forde­ rungen oder anderen Vermögensrechten finden die §§ 750 bis 753 der Civilprozeßordnung Anwendung. Das Gleiche gilt, wenn schon vor dem Inkraft­

treten der Civilprozeßordnung die Theilnahme mehrerer Gläubiger an der Zwangsvollstreckung in eine Forderung durch Beschlagnahme oder Opposition bewirkt war. Die Bestimmungen des § 753 Absatz 1, 3 bis 5 finden jedoch keine An­ wendung, wenn die Klage gegen den Drittschuldner vor dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung anhängig geworden ist. Die nach § 750 der Civilprozeßordnung erforderliche Anzeige ist dem für das Vertheilungsverfahren zuständigen Gerichte

(§ 40) zu erstatten. 40. Wird durch die Theilnahme mehrerer Gläubiger an einer Vollstreckungsmaßregel ein Vertheilungsverfahren nothwendig, so finden die Vorschriften der §§ 758 bis 768 der Civilprozeß­ ordnung Anwendung, sofern das Verfahren nicht bereits vor dem Inkrafttreten der Civilprozeß­ ordnung durch Ordonnanz des Richterkommissars (code de procßdurc civile Art. 659) eröffnet ist. 41. Im Falle des § 39 Absatz 1 steht dem Gläubiger, welcher vor dem Jnkraftreten der Civilprozeßordnung eine Beschlagnahme oder eine Opposition bewirkt hat, im Verhältniß zu Gläu­ bigern, für welche nach diesem Zeitpunkte eine Pfändung bewirkt ist, an dem beschlagnahmten Gegenstände ein Pfandrecht nach Maßgabe des § 709 der Civilprozeßordnung zu. 42. Die Zwangsvollstreckung aus den Urtheilen, welche in einem nach den bisherigen Vorschriften verhandelten Rechtsstreite erlassen sind, sowie aus den im § 22 des Einführungsgesetzes zur Civil­ prozeßordnung bezeichneten Urkunden erfolgt auf Grund einer nach den bisherigen Gesetzen ertheilten vollstreckbaren Ausfertigung. Hinsichtlich der Zulässigkeit von Einwendungen, welche den Anspruch selbst betreffen, sowie hin­ sichtlich der Einstellung der Zwangsvollstreckung auf Grund der Einlegung eines Rechtsmittels kommen die bisherigen Vorschriften zur Anwendung.

Uebergangsbestimmung zur Konkursordnung.

43. Auf die nach dem Inkrafttreten der Civil­ prozeßordnung in einem vor diesem Zeitpunkte eröffneten Fallimentsverfahren anhängig werden­ den Rechtsstreitigkeiten, welche zum Gegenstände haben: a) die Richtigkeit oder das Vorzugsrecht einer im Falliment angemeldeten Forderung; b) einen Revindikationsanspruch; c) die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts des Falliten oder eine Rückforderung zur Masse; d) den Anspruch eines Dritten gegen die Masse; e) die Rechnung eines Syndiks, finden die Vorschriften der Civilprozeßordnung sowie des § 134 Absatz 2 und des § 136 der Konkursordnung entsprechende Anwendung. Der Rechtsstreit ist durch besonders zu erhebende Klage anhängig zu machen. Uebergangsbestimmung zur Strafprozeßordnung.

44. Ueber die Berufung gegen die vor dem Tage des Inkrafttretens der Strafprozeßordnung in erster Instanz ergangenen Urtheile der Land­ gerichte entscheidet die Civilkammer des Land­ gerichts, wo mehrere Civilkammern bestehen, die erste Civilkammer, in der Besetzung von fünf Mitgliedern. Allgemeine Uebcrgangsbestimmungen.

45. Auf Zustellungen in bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten, in Fallimentssachen und in Straf­ sachen, welche nach den bisherigen Vorschriften erledigt werden, finden die Bestimmungen der §§ 152 bis 190 der Civilprozeßordnung ent­ sprechende Anwendung. Zustellungen an die Staatsanwaltschaft in Strafsachen erfolgen nach Maßgabe des § 41 der Strafprozeßordnung. 46. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Fallimentssachen und in Strafsachen, welche nach den bisherigen Bestimmungen zu erledigen sind, finden die Vorschriften der §§ 157 bis 160, 162, 164, 167 des Gerichtsverfassungsgesetzes über Rechtshülfe, der §§ 177 bis 185 über die Auf­ rechthaltung der Ordnung und der §§ 194 bis 199, 201 bis 204 über die Berathung und Ab­ stimmung sowie über die Gerichtsferien Anwendung. Schlußbestimmung.

47. Insoweit bestehende Gesetze auf die durch Einführung der Civilprozeßordnung, der Konkurs­ ordnung und der Strafprozeßordnung sowie dieses Gesetzes aufgehobenen Vorschriften verweisen oder durch solche ergänzt werden, treten die Vorschriften der angeführten Reichsgesetze, der Gesetze, betreffend die Einführung derselben, und dieses Gesetzes an

deren Stelle. 48. Dieses Gesetz tritt gleichzeitig Gerichtsverfassungsgesetz in Kraft.

mit dem

Handels-

und

Wcchselrccht.

Inhalt:

Französisches Handelsgesetzbuch.

Allgemeine Deutsche Wechselordnung. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch.

Gesetz, betreffend die Einführung der allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs in Elsaß-Lothringen. Vom 19. Juni 1872.

Französisches Handelsgesetzbuch.

Erstes Buch.

Fünfter Titel."

Handel im Allgemeinen.

Kandetsvörsen, Wechsekagenten und Mäkler.

Zweiter Titel. Kandetsbücher. Art. 11. Die Bücher, deren Führung durch die Artikel 8 und 9 vorgeschrieben ist, sind von einem der Richter des Handelsgerichts oder dem Bürgermeister oder einem Beigeordneten in der gewöhnlichen Form kostenfrei mit Seitenzahl und Handzug zu versehen und mit der Unterschrift zu beglaubigen. 1 23

1. Tie einzelnen Titel des Gesetzbuchs wurden im Laufe des September 1807, insbesondere die Titel 1-7 des ersten Buches am 10. September beschlossen und am 20. September ausgefertigt. Nach G. b. 15. Sept. 1807 trat das H.-G.-B. am 1. Januar 1808 in Kraft. In Folge verschie­ dener Abänderungen, welche durch G. v. 19. März 1817, 31. März 1833, 28. Mai 1838 und 3. März 1840 eintraten, wurde durch O. v. 31. Jan. 1841 (B. des L. 9« Ser. N. 914"?) der neue amtliche Text des H.-G.-B. verkündigt. Gesetze v. 2. Juli 1862 u. 23. Mai 1863 brachten weitere Aenderungen. — Durch die Einführung der allgemeinen deutschen Wechselordnung und des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs (G. v. 19. Juni 1872) wurden die zwei ersten Bücher des franz. H.-G.-B. der Hauptsache nach ersetzt. Durch die deutschen Justizgesetze und das Ausführungsges. v. 8. Juli 1879 kamen alsdann auch das dritte und vierte Buch bis auf wenige Bestimmungen in Wegfall. 2. Art. 11, welcher sich auf die in den Artt. 8 u. 9 behan­ delten Bücher der Kaufleute bezieht, ist bezüglich dieser durch Art. 28 ff. H.-G.-B. ersetzt, hat aber noch insofern Bedeutung, als andere fortbestehende Bestimmungen, z. B. Art. 19 D. v. 12. März 1859, auf denselben Bezug nehmen. — An die Stelle des Handelsgerichts ist das Landgericht Kammer für Handelssachen getreten (§ 7 Abs. 2, § 17 ii. 21' A. G. z. G. B. G.).

Erster Abschllitt.

Handetsvörsen. 4 71. Die Handelsbörse ist die Bereinigung der Kaufleute, Schiffskapitüne, Wechselagenten und Mäkler, welche unter Geliehmigung der Regierung statt hat. 72. Das Ergebniß des an der Börse statt­ findenden Umsatzes und Geschäftsverkehrs be­ stimmt den Kurs der Wechsel, Waaren, Versiche­ rungen, Schiffsfracht oder Miethe, des Frachtlohnes zu Wasser und zu Lande, der öffentlichen Werth­ papiere und anderer kursfähiger Papiere. 73. Diese verschiedenen Kurse werden durch die Wechselagenten und Mäkler in der durch die allgemeinen oder besonderen Polizeiverordnungen vorgeschriebenen Form festgestellt. 5 Zweiter Abschnitt.

Wechsekagenten und Mäkler.6 7 74. (G. v. 2. Juli 1862.) Das Gesetz kennt Vermittler von Handelsgeschäften, nämlich die Wechselagenten und Mäkler. 3. Aufrecht erhalteu durch § 1 Nr. 3 E.-G. z. H.-G.-B. in Verbindung mit Art. 84 des letzteren. 4. Ueber die Handelsbörsen vgl. D. v. 28. Vend. IV, G. v. 28. Bent. IX, B. v. 29. Germ. IX, B. v. 27. Prair. X 5. Ueber die Feststellung des Kurses vgl. D. v. 20. Bend. IV, B. v. 15. Pluv. IV, D. v. 22. Mai 1858, G. v. 18. Juli 1866 (Art. 9), D. v. 22. Dez. 1866.

6. Ueber die Wechselagenten vgl. B. v. 26. Nov. 1781, 7. Aug. 1785, 2. Okt. 1785, 22. Sept. 1786, G. V. 8. Mai 1791, B. v. 15. Pluv. IV, G. v. 28. Bent. IX, B. v. 29. Germ. IX, B. v. 27. Prair. X, D. v. 22. Mai 1858, § 2 Abs. 2 E.-G. z. H.-G.-B., Artt. 66-84 des letzteren. — Ueber

4

E. Franz. Handelsgesetzbuch. B I T V Abschn. 2.

Es gibt solche in allen Städten, in denen eine Handelsbörse' ft$ befindet. Sie wkrdeü vom Kaiser

ernannt.7* * * * * * 75. (G. v 2. Juli 1862.) Die Wechselagenten an Börsen, bei welchen- ein besonderer Platz für die Wechselagenten besteht, können sich mit Darleihern von Geldern verbinden, welche an dem aus dem Betriebe der Stelle und der Flüssig­ machung ihres Werthes sich ergebenden Gewinne und Verluste theilhaben. Diese Darleiher der Gelder haften für den eintretenden Verlust nur bis zum Belaufe der versprochenen Einlage. Der Inhaber der Stelle muß stets in eigenem Namen Eigenthümer von wenigstens einem Viertel derjenigen Summe sein, welche den Preis der Stelle und den Betrag der Kaution darstellt. Ein Auszug des Vertrags und etwaige spätere Abänderungen desselben sind öffentlich bekannt zu machen bei Strafe der Nichtigkeit gegenüber den Darleihern, ohne daß letztere jedoch gegenüber Dritten sich auf den Mangel der Bekanntmachung berufen können 8 76 Die nach Vorschrift des Gesetzes be­ stellten Wechselagenten haben allein das Recht die Geschäfte über öffentliche Werthpapiere und andere kursfähige Papiere zu ermitteln, für Rechnung Anderer die Geschäfte über Wechsel oder Anweisungen, sowie über alle Handelspapiere zu vermitteln und deren Kurs festzustellen. Die Wechselagenten dürfen neben den Waarenmäklern die Geschäfte über Verkäufe und Käufe der Metalle vermitteln Sie haben ausschließlich das Recht deren Kurs festzustellen 77 Es gibt Waarenmäkler, Versicherungs­ mäkler, Mäkler als Dolmetscher und Führer von Schiffen, Mäkler für den Land- und Wasser­ transport 78. Die nach Vorschrift des Gesetzes bestellten Waa­ renmäkler haben ausschließlich das Recht Waarengeschäfte zu vermittelii und deren Kurs festzu­ stellen ; sie üben neben den Wechselagenten das Recht aus, Geschäfte über Metalle zu vermitteln. 9 79 Die Versicherungsmäkler verfassen neben den Notaren die Versicherungsverträge und Polizen; sie bezeugen deren Wahrheit durch ihre die Mäkler vgl. G v. 8. Mai 1791, G v 28 Bent IX. B. v. 29. Germ. IX, V. v. 27 Prair X, G v 18. Juli 1866, D v. 22. Dez. 1866, D. v 5. Jan. 1867, § 2 Abs. 2 E.-G. z. H.-G.-B., Artt. 66-84 des letzteren 7 Das Gewerbe der Waarenmäkler ist freigegeben (G v 18. Juli 1866). Die Anstellung der übrigen Mäkler und der Wechselagenten erfolgt durch den O.-Pr. (§ 2 Abs. 2 E.-G z. H.-G.-B.), jetzt durch das Ministerium (8 3 G v 4. Juli 1879). 8. In E.-L. besteht nur in Mülhausen eine Börse, welche indessen keinen besonderen Platz für Wechselagenten besitzt Ueber das parquet vgl. Bem. zu D v. 2. Juli 1862 u. D v. 15. Sept. 1862.

9. Das Gewerbe der Waarenmäkler ist nach G v 18. Juli 1866 frei. Die Feststellung des Kurses der Waaren erfolgt nach Art. 9 des letzteren Gesetzes und nach D v 22. Dez. 1866.

Unterschrift und beglaubigen den Satz der Prä­ mien für alle See- und Flußreisen. 80 Die als Dolmetscher und Führer von Schiffen dienenden Mäkler vermitteln die Befrach­ tung von Schiffen; sie haben überdies ausschließ­ lich das Recht bei Streitigkeiten vor Gericht die Erklärungen, Befrachtungsverträge, Konnossemente, Verträge und alle handelsrechtlichen Urkunden, deren Uebersetzung nothwendig erscheint, zu über­ setzen, endlich den Kurs der Schiffsfracht oder

Miethe festzustellen. In streitigen Handelssachen und im Zolldienste sind sie ausschließlich die Dolmetscher aller Frem­ den, Schiffer, Kaufleute, Schiffsmannschaft und anderen Seeleute 81. Sofern die von der Regierung ausgestellte Ernennungsurkunde die Ermächtigung ertheilt, kann die nämliche Person den Dienst als Wechsel­ agent, Waaren- oder Versicherungsmäkler und den eines als Dolmetscher und Führer von Schiffen dienenden Mäklers in sich vereinigen 82 Die in Gemäßheit des Gesetzes bestellten Mäkler für den Land- und Wassertransport haben ausschließlich das Recht an den Orten, für welche sie bestellt sind, die Land- und Wassertransporte zu ermitteln; sie dürfen in keinem Falle und unter keinem Vorwande den in den Artikeln 78, 79 und 80 bezeichneten Dienst als Waarenmäkler, Versicherungsmakler oder denjenigen eines als Führer von Schiffen dienenden Mäklers ui ihrer Person damit vereinigen. 83. Kaufleute, welche in Konkurs gerathen sind, dürfen Wechselagenten und Mäkler nur dauu werden, nachdem sie wieder in ihre Rechte eilige setzt sind. 10 *

84 Die Wechselageuieu uud Mäkler müssen cm nach den Vorschriften des Artikel 11 eingerichtetes Buch führen Sie haben in dieses Buch Tag für Tag und nach der Zeitfolge ohne Streichungen, Zwischenzeilen oder Wortver setzungen, sowie ohne Abkürzungen und mit Wiedergabe der Zahlen in Buchstaben alle Bedingungen der von ihnen ver mittelten Verkäufe, Käufe, Versicherungen, Umsätze und überhaupt aller Geschäfte einzutragen 11 85 Ein Wechselagent oder Mäkler darf in kei­ nem Falle und unter keinem Vorwande Handels­ oder Bankgeschäfte für eigene Rechnung betreiben Er darf sich weder unmittelbar noch mittelbar unter eigenem oder fremdem Namen bei emer Handelsunternehmung betheiligen. Er darf für Rechnung seiner Auftraggeber weder Zahlung empfangen noch leisten.12

10. Art. 83 ist aufrecht erhalten und auf alle in Konkurs gerathene Gemeinschuldner ohne Rücksicht auf die Kauf Mannseigenschaft ausgedehnt durch § 31 A.-G z. C -P ■-£ 11 Art. 84 ist ersetzt durch die entsprechenden Vorschriften der Artt. 71 u. 72 H.-G -B.

12. Die Pflichten der Handelsmäkler richten sich nunmehr nach Art. 69 H.-G -B., außerdem kommt auf Grund des Art. 84 Abs. 3 H.-G-B. der Art. 10 V. v. 27 Prair X und bezüglich der mit einem öffentlichen Verkaufe 6cauf tragten Waarenmäkler Art. 6 G v. 16. Juli 1866 in Be tracht Die Artt 85 und 86 sind gegenüber Art. 69 H -G -B.

E. Franz. Handelsgesetzbuch. B I III T I Abschn. 3 86 Er darf für Die Erfüllung der Geschäfte, welche er vermittelt, keine Bürgschaft leisten. 87 Jede Zuwiderhandlung gegen die Bestim­ mungen der beiden vorhergehenden Artikel zieht Die Strafe der Amtsentsetzung und eine Geldstrafe uh Höchstbetrage von dreitausend Frank, auf welche vom Zuchtpolizeigerichte zu erkennen ist, nach

sich, unbeschadet der Schadensersatzansprüche der Betheiligten.13 88. Kein in Gemäßheit des vorhergehenden Artikels entsetzter Wechselagent oder Mäkler darf wieder in sein Amt eingesetzt werden.14

89 Jeder Wechselagent oder Mäkler ist int Falle des Konkurses wegen Bankerutts zu verfolgen.

90 (G. v. 2. Juli 1862.) Durch Staatsver­ waltungsverordnungen werden Bestimmungen ge­ troffen : 1) bezüglich des Betrags der Kautionen, welcher ledoch zweihundertfünfzigtausend Frank nicht über­ steigen darf;15 2) bezüglich des Umsatzes und des Uebertrags zu Eigenthum von öffentlichen Werthpapieren und überhaupt bezüglich der Ausführung der in diesem Titel enthaltenen Bestimmungen 16

S echster Tit e l, KauftpAyd und KymrnMonän. Erster Abschnitt Kaustpfarrd.17

93. (G v. 23. Mai 1863.) . .. Die Verkäufe mit Ausnahme derjenigen, mit welchen Die Wechsel­ agenten allein beauftragt werden fünften, werden durch die Mäkler abgehalten. Auf das Gesuch der Betheiligten kann jedoch der Präsident des Handelsgerichts eine andere Klasse von öffentlichen Beamten behufs Vornahme derselben bezeichnen In diesem Falle ist der mit dem Verkaufe beauf­ tragte öffentliche Beamte, wer es auch sein mag, den Bestimmungen unterworfen, welche für Die Mäkler bezüglich der Formen, der Tarife und der Verantwortlichkeit maßgebend sind Die Bestimmungen der Artikel 2 bis 7 ein­ schließlich des Gesetzes über die öffentlichen Ver­ käufe vom 28. Mai 1858 finden auf die im vorher­ gehenden Absätze erwähnten Verkäufe Anwendung

Drittes Buch. Falliment

insofern noch von Bedeutung, als eine Zuwiderhandlung gegen die in den ersteren aufgeführten Verpflichtungen nach Art 87 strafbar ist, während die Verletzung der anderen in den Ar.t. 85 u. 86 nicht aufgeführten Verpflichtungen des Art 69 H.-G.-B. nur eine disziplinarische Ahndung nach sich zieht.

13. Die Artt 85 u. 86 haben gegenüber § 266 Nr 3 St. G -B. die Eigenschaft einer besonderen Dienstesvorschrift. Deshalb ist die auf sie bezügliche Strafbestimmung des Art 87 als eine dem Strafgesetzbuche fremde Materie nach Art. II E.-G. z. St.-G.-B. in Kraft geblieben. Außerdem ist dieselbe auch aufrecht erhalten durch Art 84 Abs. 1 H G. -B. und 8 1 Nr. 3 E-G dazu. Bezüglich der Waaren Mäkler vgl. noch Art. 7 G v 18. Juli 1866. - Die Zu Müdigkeit richtet sich in Gemäßheit des Art. XI E.-G. z. St.-G. B. nunmehr nach 8 73 Nr IG -V.-G 14. Die Anwendbarkeit des Art. 88 fällt für die Waaren-Mäkler schon deshalb weg, weil bereit Gewerbe nach G v. 18. Juli 1866 frei gegeben ist Art 88 erscheint aber auch bezüglich der übrigen Mäkler und der Wechselagenten seit dem G v. 19. März 1864, betr die Wiedereinsetzung in die früheren Rechte, nicht mehr anwendbar, da dieselben unbe stritten zu den ministeriellen Beamten gerechnet werden.

15. Ueber den Betrag der Kaution vgl. Art 28. Bent. IX u. D. v. 1 £ct. 1862.

9 G

v

16. Die hierher gehörigen Bestimmungen, insbes. Artt. 15 u 16 B. v 27 Prair. X, D v 13. Therm. XIII, O v 12 Nov 1823, sind größtentheils gegenstandslos geworden, indem sie sich theils auf die französische Staatsschuld, theils auf die Börse zu Paris beziehen. Hierher gehört ferner die Bestimmung des Art. 2 eines G v 10. Juni 1853 (B. des L , 11 Ser Nr 549, wonach es den Wechselagenten bei den in Art 13 G v 15. Juli 1845 angedrohten Strafen untersagt ist, sich mit dem Umsätze von Aktien zu befassen, welcher durch das die Anlage einer Eisenbahn bewilligende Dekret verboten ist, die Veröffentlichung des Werthes sol­ cher Aktien unterliegt nach Art. 3 denselben Strafen. Abge­ sehen davon, daß jener Art. 13 durch die Artt. 210, 211, 222, 242 H.-G -B. ersetzt erscheint, sind diese Bestimmungen unanwendbar, weil derartige Verleihuugsdekrete in E.-L. nicht bestehen und durch die im St.-G -B. erfolgte Regelung des Aktienwesens unmöglich geworden sind. — Bezüglich ausländischer Gesellschaften vgl Art 6 D v 22 Mai 1858.

5

und Bankerutt.18

Erster Xitel. AaMment. Dritter Abschnitt Verkauf der Waaren und Wovitien, sowie Kintreiöunder Forderungen.

486 Ter Richterkommissar kann nach Anhörung oder gehöriger Vorladung des Gemeinschuldners die Syndiken zur Vornahme des Verkaufs der Mobilien oder Waaren ermächtigen. Er hat zu entscheiden, ob der Verkauf aus freier Hand oder in öffentlicher Versteigerung durch Vermittelung der Handelsmäkler oder son­ stiger dazu befugter öffentlicher Beamten zu geschehen hat. Die Syndiken wählen in der von dem Richterkom­ missar bestimmten Klasse von öffentlichen Beamten Denjenigen, Dessen amtliche Thätigkeit sie in An­ spruch nehmen wollen.19 17. Die Bestimmungen des franz. H.-G -B. über das kaufmännische Faustpfand sind zwar durch das diese Materie behandelnde H.-G.-B. (Artt. 306-312) ersetzt. Es enthält jedoch der die Veräußerung des Faustpfandes behandelnde Art 310 keine Vorschriften über die Art der Ausführung des angeordneten Verkaufs Dieselbe gehört dem Landes­ rechte an und erscheint durch 8 1 Nr 3 E.-G z. H.-G -B ausdrücklich aufrecht erhalten. Es sind daher die oben auf­ genommenen Abs. 2 li. 3 des Art. 93 als weiter geltend zu erachten.

18. Das dritte Buch des franz. H.-G.-B. ist mit Aus­ nahme des Art. 563 durch 8 33 A.-G z. C.-P.-O. außer Kraft gesetzt. Vgl. jedoch Bem. zu Artt. 486 u. 613. 19. Trotz der durch 8 33 A.-G z. C.-P.-O erfolgten Aus­ hebung des dritten Buches des franz. H.-G.-B. dürfte Art. 486 Abs. 2, auf welchen sich auch Art. 4 G. v. 25. Juni 1841 bezieht, für den Konkurs von Kaufleuten noch insofern Weitergeltung beanspruchen, als er für den Fall des nun-

6

E. Franz. Handelsgesetzbuch. B. III. IV. T. I. Vierter Abschnitt.

Viertes Buch.

Aechte der Ehefrauen.

Handelsgerichtsbarkeit.

563. War der Ehemann zur Zeit des Abschlusses der Ehe Kaufmann oder hatte er zwar damals keinen bestimmten Beruf, wurde aber innerhalb Jahresfrist Kaufmann, so sind nur diejenigen Liegenschaften, welche er zur Zeit des Abschlusses der Ehe besaß oder welche ihm seitdem entweder durch Erbfolge oder durch Schenkung unter Le­ benden oder mittels Testamentes angefallen sind, der Hypothek der Frau unterworfen und zwar: 1) für die Gelder und beweglichen Werthe, welche sie als Heirathsgut in die Ehe gebracht hat oder welche ihr während der Ehe durch Erb­ folge oder Schenkung unter Lebenden oder mittels Testamentes angefallen sind und deren Aushän­ digung oder Zahlung sie durch eine Urkunde mit sicherem Datum nachweisen kann; 20 2) für den Ersatz ihrer während der Ehe ver­ äußerten Güter; 3) für die Schadloshaltung wegen der Schulden,

welche sie mit ihrem Ehemann eingegangen ist.

Dritter Titel.

Wiedereinsetzung in die früheren Aechte. 613. Kein in Konkurs gerathener Kaufmann darf an der Börse erscheinen, wenn er nicht seine Wiedereinsetzung in die früheren Rechte erlangt hat. 21 mehr lediglich von dem Ermessen des Masscnverwalters abhängigen öffentlichen Verkaufs (§ 107 K.-O.) die Heran­ ziehung der Handelsmäklcr behandelt, da eine auf § 1 Nr. 3 E.-G. z. H.-G.-B. sich stützende Bestimmung über öffent­ liche Waarenverkäufe in Frage ist. 20. Die Beschränkung des Beweises ist durch den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 259 C.-P.-O.) wegge­ fallen.

21. Die Bestimmung des § 33 A.-G. z. C.-P.-O., wonach das dritte Buch des. franz. St.-G.-B. mit Ausnahme des Art. 563 außer Kraft tritt, ist mit der Einschränkung zu

Erster Titel.

Verfassung der Handelsgerichte.22 * *23* * * 20 21 * * * * * * * * * 618. Die Mitglieder der Handelsgerichte werden in einer Versammlung gewählt, welche aus kauf männischen Notabeln und hauptsächlich aus In Habern der ältesten und wegen ihrer Rechtschaffen­ heit, ihres Ordnungssinnes und ihrer Wirthschaft lichkeit empfehlungswürdigsten Häuser zusammen­ gesetzt wird. 619. Die Liste der Notabeln wird aus allen Handelsleuten des Bezirks durch den Präfekten gefertigt und unterliegt der Genehmigung des Ministers des Innern; 23 in den Städten, deren Bevölkerungszahl fünfzehntausend Seelen nicht übersteigt, darf ihre Zahl nicht unter fünfund­ zwanzig sein, in den übrigen Städten muß sie für jedes Tausend Seelen der Bevölkerung um einen Wähler vermehrt werden.

verstehen: insofern nicht vorhergehende Bestimmungen Vor schriften aus beni dritten Buche schon aufrecht erhalten haben. Das ist aber bezüglich der Verfügung des Art. 613 durch § 31 jenes Gesetzes der Fall, wodurch dieselbe außer­ dem auch auf jeden in Konkurs gerathenen Gcmcinschuldner, wenn er auch nicht Kaufmann ist, ausgedehnt wurde. Ueber anderweitige Beschränkungen der Rechtsfähigkeit, welche mit der Fallimentserklärung verbunden sind, vgl. Bem. zu § 31 A.-G. z. C.-P.-O. 22. Das vierte Buch des franz. H.-G.-B. ist durch das G.-V.-G. und die C.-P.-O. ersetzt und sind damit auch die Artt. 618 u. 619, soweit sie sich auf die durch § 7 Ab sch n. 2 A.-G. z. G.-V.-G. aufgehobenen Handelsgerichte beziehen, in Wegfall gekommen. Nach Art. 1 Abs. 3 D. v. 30. Aug. 1852 werden jedoch die Listen für die Wahl der Mitglieder der Handelskammern, welche selbst wieder nach § 10 A.-V. z. G.-V.-G. die Handelsrichter vorzuschlagen haben, in Ge­ mäßheit der Artt. 616 und 619 gebildet und sind daher letztere Artikel in dieser Richtung noch in Geltung. 23. Vgl. § 2 G. v. 4. Juli 1879 und Bem. dazu.

Allgemeine Deutsche Wechsel-Ordnung. G.-Bl. 1872 S. 222.

Erster Abschnitt.

Aon der Wechsetfähigkeit. Art. 1. Wechselfähig ist Jeder, durch Verträge verpflichten kann.

welcher

sich

1. Auf Anregung einer Denkschrift Preußens v. 31. Aug. 1847 trat am 20. Okt. 1847 eine Kommission der meisten deutschen Bundesstaaten zu Leipzig zusammen, welche bis zum 9. Dez. 1847 einen Entwurf einer allgemeinen deutschen Wechselordnung ausarbeitete. Derselbe wurde durch einen Beschluß der Frankfurter Nationalversammlung v. 24. Nov. 1848 unverändert als Reichsgeseh angenommen und als solches durch den Reichsverweser am 26. Nov. verkündigt. In einzelnen deutschen Staaten wurde die W.-O. als Reichs­ wechselordnung verkündigt, in den meisten jedoch in den Jahren 1848 u. 1849 als allgemeine deutsche W.-O. durch die Landesgesetzgebung eingeführt. Auf Antrag Württembergs wurde durch Beschluß der Bundesversammlung v. 19. Febr. 1857 die in Nürnberg zur Ausarbeitung des Entwurfs eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs versammelte Kom­ mission beauftragt, eine Uebereinstimmung der verschiedenen Landesgesetzgebungen im Wechselrcchte und eine Lösung einer Reihe der entstandenen Streitfragen herbeizuführen. Die mit dem Namen der „Nürnberger Novellen" bezeichneten acht Vorschläge dieser Komnlission wurden schließlich auf Grund eines Bundesbeschlusses v. 23. Jan. 1862 sämmtlichen Regierungen, in deren Staaten die Wechselordnung in Gel­ tung war, mit dem Ersuchen mitgetheilt, dieselben bald­ möglichst und unverändert in ihren betreffenden Ländern zur gesetzlichen Einführung zu bringen, was auch in den Jahren 1862 u. 1863 geschah. Durch G. des Norddentscheu Bundes v. 5. Juni 1869 wurde die allgemeine deutsche W.-O. nebst den die Ergänzung und Erläuterung derselben betreffenden sogenannten Nürnberger Novellen in der dort verkündigten Fassung als Bundesgesetz erklärt. Zufolge der am 15. Nov. 1870 zwischen dem Norddeutschen Bunde und Baden und Hessen vereinbarten Verfassung, des Beitritts Württembergs zur Verfassung des deutschen Bundes v. 25. Nov. 1870, sowie des Reichsges. v. 22. April 1871, betr. die Einführung Norddeutscher Bundesgesetze in Baiern, trat jenes Bundesgesetz auch in den betreffenden Ländern in Kraft. Die in E. L. durch das G. v. 19. Juni 1872 einge­ führte allgemeine deutsche Wechselordnung gibt den Text in der durch die Nürnberger Novellen abgeänderten Fassung wieder.

2. Der Wechselschuldner hastet für die Erfüllung der übernommenen Wechselverbindlichkeit mit seinem Vermögen. 3. Finden sich auf einem Wechsel Unterschriften von Personen, welche eine Wechselverbindlichkeit überhaupt nicht, oder nicht mit vollem Erfolge eingehen können, so hat dies auf die Verbindlich­ keinen keit der übrigen Wechselverpflichteten Einfluß..

Zweiter Abschnitt.

Don gezogenen Wechseln. I.

Erfordernisse eines gezogenen Wechsels.

4. Die wesentlichen Erfordernisse eines gezo­ genen Wechsels sind: 1) die in den Wechsel selbst aufzunehmende Bezeichnung als Wechsel, oder, wenn der Wechsel in einer fremden Sprache ausgestellt ist, ein jener Bezeichnung entsprechender Ausdruck in der frem­ den Sprache; 2) die Angabe der zu zahlenden Geldsumme; 3) der Name der Person oder die Firma, an welche oder an deren Order gezahlt werden soll (des Remittenten); 4) die Angabe der Zeit, zu welcher gezahlt werden soll; die Zahlungszeit kann für die gesammte Geldsumme nur eine und dieselbe sein und nur festgesetzt werden auf einen bestimmten Tag, auf Sicht (Vorzeigung, a vista re.) oder auf eine bestimmte Zeit nach Sicht, auf eine bestimmte Zeit nach dem Tage der Ausstellung (nach dato), auf eine Messe oder einen Markt (Meß- oder Marktwechsel);

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E. Allgem. Deutsche Wechselordnung. Abschn. 2.

ö) die Unterschrift des Ausstellers. (Trassanten) mit seiyern Kamen yder feiner Firma; 6) die Angabe des Ortes, Monatstages und Jahres der-Ausstellung; 7) der Name der Person oder die Firma, welche die Zahlung leisten soll (des Bezogenen oder Trassaten); 8) die Angabe des Ortes, wo die Zahlung geschehen soll; der bei dem Namen oder der Firma des Bezogenen angegebene Ort gilt für den Wechsel, insofern nicht ein eigener Zahlungsort angegeben ist, als Zahlungsort und zugleich als Wohnort des Bezogenen. 5. Ist die zu zahlende Geldsumme (Art. 4 Nr. 2) in Buchstaben und in Ziffern ausgedrückt, so gilt bei Abweichung die in Buchstaben aus­ gedrückte Summe. Ist die Summe mehrmals mit Buchstaben oder mehrmals mit Ziffern geschrieben, so gilt bei Ab­ weichung die geringere Summe. 6. Der Aussteller kann sich selbst als Remittenten (Art. 4 Nr. 3) bezeichnen (Wechsel an eigene Order). Desgleichen kann der Aussteller sich selbst als Bezogenen (Art. 4 Nr. 7) bezeichnen, sofern die Zahlung an einem anderen Orte als dem der Ausstellung geschehen soll (trassirt-eigene Wechsel). 7. Aus einer Schrift, welcher eines der wesent­ lichen Erfordernisse eines Wechsels (Art. 4) fehlt, entsteht keine wechselmäßige Verbindlichkeit. Auch haben die auf eine solche Schrift gesetzten Er­ klärungen (Indossament, Akzept, Aval) keine Wechselkraft. Das in einem Wechsel enthaltene Zinsver­ sprechen gilt als nicht geschrieben.

H. Verpflichtungen des Ausstellers.

8. Der Aussteller eines Wechsels hastet für dessen Annahme und Zahlung wechselmäßig. III. Indossament. 9. Der Remittent kann den Wechsel an einen anderen durch Indossament (Giro) übertragen. Hat jedoch der Aussteller die Uebertragung im Wechsel durch die Worte „nicht an Order" oder durch einen gleichbedeutenden Ausdruck untersagt, so hat das Indossament keine wechselrechtliche Wirkung. 10. Durch das Indossament gehen alle Rechte aus dem Wechsel auf den Indossatar über, ins­ besondere auch die Befugniß, den Wechsel weiter zu indossiren. Auch an den Aussteller, Bezogenen, Akzeptanten oder einen früheren Indossanten kann der Wechsel gültig indossirt und von denselben weiter indossirt werden. 11. Das Indossament muß auf den Wechsel, eine Kopie desselben oder ein mit dem Wechsel oder der Kopie verbundenes Blatt (Alonge) ge­ schrieben werden.

12. Ein Indossament ist gültig, wenn der In­ dossant auch nur seinen Namen oder seine Firma auf die Rückseite des Wechsels oder der Kopie, oder auf die Alonge schreibt (Blanko-Indossament). 13. Jeder Inhaber eines Wechsels ist befugt, die auf demselben befindlichen Blanko-Indossamente auszufüllen; er kann den Wechsel aber auch ohne diese Ausfüllung weiter indossiren. 14. Der Indossant haftet jedem späteren In­ haber des Wechsels für dessen Annahme und Zahlung wechselmäßig. Hat er aber dem Indosso mente die Bemerkung „ohne Gewährleistung „ohne Obligo" oder einen gleichbedeutenden Vor­ behalt hinzugefügt, so ist er von der Verbindlich­ keit aus seinem Indossamente befreit. 15. Ist in dem Indossamente die Weiterbegebung durch die Worte „nicht an Order" oder durch einen gleichbedeutenden Ausdruck verboten, so haben diejenigen, an welche der Wechsel aus der Hand des Indossatars gelangt, gegen den Indossanten keinen Regreß. 16. Wenn ein Wechsel indossirt wird, nachdem die für die Protesterhebung Mangels Zahlung bestimmte Frist abgelaufen ist, so erlangt der Indossatar die Rechte aus dem etwa vorhandenen Akzepte gegen den Bezogenen und Regreßrechte gegen Diejenigen, welche den Wechsel nach Ablauf dieser Frist indossirt haben. Ist aber der Wechsel vor dem Indossamente bereits Mangels Zahlung protestirt worden, so hat der Indossatar nur die Rechte seines Indos­ santen gegen den Akzeptanten, den Aussteller und Diejenigen, welche den Wechsel bis zur Protest­ erhebung indossirt haben. Auch ist in einem solchen Falle der Indossant nicht wechselmäßig verpflichtet. 17. Ist dem Indossamente die Bemerkung „zur Einkassirung", „in Prokura" oder eine andere, die Bevollmächtigung ausdrückende Formel beigesügt worden, so überträgt das Indossament das Eigenthum an dem Wechsel nicht, ermächtigt aber den Indossatar zur Einziehung der Wechsel­ forderung, Protesterhebung und Benachrichtigung des Vormannes seines Indossanten von der unter­ bliebenen Zahlngu (Art. 45), sowie zur Ein­ klagung der nicht bezahlten und zur Erhebung der deponirten Wechselschuld. Ein solcher In­ dossatar ist auch berechtigt, diese Befugniß durch ein weiteres Prokura-Indossament einem Anderen zu übertragen. Dagegen ist derselbe zur weiteren Begebung durch eigentliches Indossament selbst dann nicht befugt, wenn dem Prokura-Indossa­ mente der Zusatz „oder Order" hinzugesügt ist. 2 IV. Präsentation

zur Annahme.

18. Der Inhaber einer Wechsels ist berechtigt, den Wechsel dem Bezogenen sofort zur Annahme 2. Die prozeßrechtlichen Bestimmungen der W.-O. werden zufolge § 13 Abs. 1 E.-G. z. C.-P.-O. durch die C.-P.-O. nicht berührt. Hierher gehören außer Art. 17 die Artt. 26, 41, 46, 50, 51, 73, 91.

E. Allgern. Deutsche Wechselordnung. Mschy. 2. zu präserttiren und in Ermangelung der Annahme Protest erheben zu lassen. Eine entgegenstehende Uebereinkunft hat keine wechselrechtliche Wirkung. Nur bei Meß- oder Marktwechseln findet eine Ausnahme dahin statt, daß solche Wechsel erst in der an dem Meß- oder Marktorte gesetzlich be­ stimmten Präsentationszeit zur Annahme präsentirt und in Ermangelung derselben protestirt werden können. Der bloße Besitz des Wechsels ermächtigt zur Präsentation des Wechsels und zur Erhebung des Protestes Mangels Annahme 19. Eine Verpflichtung des Inhabers, den Wechsel zur Annahme zu präsentiren, findet nur bei Wechseln statt, welche auf eine bestimmte Zeit nach Sicht lauten. Solche Wechsel müssen, bei Verlust des wechselmäßigen Anspruchs gegen die Indossanten und den Aussteller, nach Maßgabe der besonderen im Wechsel enthaltenen Bestimmung und in Ermangelung derselben binnen zwei Jahren nach der Ausstellung zur Annahme präsentirt werden. Hat ein Indossant auf einem Wechsel dieser Art fernem Indossamente eine besondere Präsentationsfrist hinzugefügt, so erlischt seine wechselmäßige Verpflichtung, wenn der Wechsel nicht innerhalb dieser Frist zur Annahme präsentirt worden ist 20 Wenn die Annahme eines auf bestimmte Zeit nach Sicht gestellten Wechsels nicht zu er­ halten ist, oder der Bezogene die Datirung seines Akzeptes verweigert, so muß der Inhaber bei Verlust des wechselmäßigen Anspruchs gegen die Indossanten und den Aussteller die rechtzeitige Präsentation des Wechsels durch einen innerhalb der Prüsentationsfrist (Art 19) erhobenen Protest feststellen lassen Der Protesttag gilt m diesem Falle für den Tag der Präsentation. Ist die Protesterhebung unterblieben, so wird gegen den Akzeptanten, welcher die Datirung seines Akzeptes unterlassen hat, die Verfallzeit des Wechsels vom letzten Tage der Präsentations­ frist an gerechnet

V. Annahme (Akzeptation)

21 Die Annahme des Wechsels mnß auf dem Wechsel schriftlich geschehen Jede auf den Wechsel geschriebene und von dem Bezogenen unterschriebene Erklärung gilt für eme unbeschränkte Annahme, sofern nicht in der­ selben ausdrücklich ausgesprochen ist, daß der Bezogene entweder überhaupt nicht oder nur unter­ gewissen Einschränkungen annehmen wolle. Gleichergestalt gilt es für eine unbeschränkte Annahme, wenn der Bezogene ohne weiteren Beisatz seinen Namen oder seine Firma auf die Vorderseite des Wechsels schreibt. Die einmal erfolgte Annahme kann nicht wieder zurückgenommen werden

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22. Der Bezogene kann die Anttähme auf einen Theil der int Wechsel geschriebenen Summe be­ schränken. Werden dem Akzepte andere Einschränkungen beigesügt, so wird der Wechsel einem solchen gleichgeachtet, dessen Annahme gänzlich verweigert worden ist, der Akzeptant haftet aber nach dem Inhalte seines Akzeptes wechselmäßig. 23. Der Bezogene wird durch die Annahme wechselmäßig verpflichtet, die von ihm akzeptirte Summe zur Verfallzeit zu zahlen. Auch dem Aussteller haftet der Bezogene aus dem Akzepte welselmäßig. Dagegen steht dem Bezogenen kein Wechselrecht gegen den Aussteller zu. 24 Ist in dem Wechsel ein vom Wohnorte des Bezogenen verschiedener Zahlungsort (Art. 4 Nr 8) angegeben (Domizilwechsel), so ist, insofern der Wechsel nicht schon ergibt, durch wen Ine Zahlung am Zahlungsorte erfolgen soll, dies vom Bezogenen bei der Annahme auf dem Wechsel zu bemerken. Ist dies nicht geschehen, so wird an­ genommen, daß der Bezogene selbst die Zahlung am Zahlungsorte leisten wolle Der Aussteller eines Domizilwechsels kann m demselben die Präsentation zur Annahme vor­ schreiben Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift hat den Verlust des Regresses gegen den Aussteller und die Indossanten zur Folge

VI. Regreß a u f Sicherstellung. 1 Wegen nicht erhaltener Annahme

25 Wenn die Annahme eines Wechsels über­ haupt nicht, oder unter Einschränkungen, oder nur auf eine geringere Summe erfolgt ist, so sind die Indossanten und der Aussteller wechselmäßig ver­ pflichtet, gegen Aushändigung des, Mangels An­ nahme aufgenommenen Protestes genügende Sicher­ heit dahin zu leisten, daß die Bezahlung der im Wechsel verschriebenen Summe oder des nicht angenommenen Betrages, sowie die Erstattung der durch die Nichtannahme veranlaßten Kosten am Verfalltage erfolgen werde Jedoch sind diese Personen auch befugt, auf ihre Kosten die schuldige Summe bei Gericht oder bei einer anderen, zur Annahme von Depositen ermächtigten Behörde oder Anstalt niederzulegen 26. Der Remittent, sowie jeder Indossatar wird durch den Besitz des Mangels Annahme aufge­ nommenen Protestes ermächtigt, von dem Aus­ steller und den übrigen Vormännern Sicherheit zu fordern und im Wege des Wechselprozesses darauf zu klagen. Der Regreßnehmer ist hierbei an die Folge­ ordnung der Indossamente und die einmal getroffene Wahl nicht gebunden. Der Beibringung des Wechsels und des Nach­ weises, daß der Regreßnehmer seinen Nachmännern selbst Sicherheit bestellt habe, bedarf es nicht.

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E. Allgem. Deutsche Wechselordnung. Abschn. 2.

27. Die bestellte Sicherheit hastet nicht blos dem Regreßnehmer, sondern auch allen übrigen Nachmännern des Bestellers, insofern sie gegen ihn den Regreß auf Sicherstellung nehmen. Die­ selben sinp , weitere Sicherheit zu verlangen nur in dem Falle berechtigt, wenn sie gegen die Art oder Große der bestellten Sicherheit Einwendungen zu begründen vermögen. 28. Die bestellte Sicherheit muß zurückgegeben werden: 1) sobald die vollständige Annahme des Wechsels nachträglich erfolgt ist; 2) wenn gegen den Regreßpflichtigen, welcher sie bestellt hat, binnen Jahresfrist, vom Verfall­ tage des Wechsels an gerechnet, ans Zahlung aus dem Wechsel nicht geklagt worden ist; 3) wenn die Zahlung des Wechsels erfolgt oder die Wechselkraft desselben erloschen ist. 2. Wegen Unsicherheit des Akzeptanten.

29. Ist ein Wechsel ganz oder theilweise an­ genommen worden, so kann in Betreff der akzeptirten Summe Sicherheit nur gefordert werden: 1) wenn über das Vermögen des Akzeptanten der Konkurs (Debitverfahren, Falliment) eröffnet worden ist oder der Akzeptant auch nur seine Zahlungen eingestellt hat; 2) wenn nach Ausstellung des Wechsels eine Exekution in das Vermögen des Akzeptanten fruchtlos ausgefallen oder wider denselben wegen Erfüllung einer Zahlungsverbindlichkeit die Voll­ streckung des Personalarrestes verfügt worden ist. Wenn in diesen Fällen die Sicherheit von dem Akzeptanten nicht geleistet und dieserhalb Protest gegen denselben erhoben wird, auch von den auf dem Wechsel etwa benannten Nothadressen die Annahme nach Ausweis des Protestes nicht zu erhalten ist, so kann der Inhaber des Wechsels und jeder Indossatar gegen Auslieferung des Protestes von seinen Vormännern Sicherstellung fordern (Art. 25-28). Der bloße Besitz des Wechsels vertritt die Stelle einer Vollmacht, in den Nr. 1 und 2 genannten Fällen von dem Akzeptanten Sicherheitsbestellung zu fordern und, wenn solche nicht zu erhalten ist, Protest erheben zu lassen. Der Wechselinhaber ist berechtigt, in den Nr. 1 und 2 genannnten Fällen auch von dem Akzep­ tanten im Wege des Wechselprozesses Sicherheits­ bestellung zu fordern. VII. Erfüllung der Wechselverbindl i ch k e i t. 1. Zahlungstag.

30. Ist in dem Wechsel ein bestimmter Tag als Zahlungstag bezeichnet, so tritt die Verfallzeit an diesem Tage ein. Ist die Zahlungszeit auf die Mitte eines Monats gesetzt worden, so ist der Wechsel am 15. dieses Monats fällig. Ist die Zahlungszeit auf Anfang oder ist sie

auf Ende eines. Monats gesetzt worden, so ist darunter der erste oder der letzte Tag des Monats zu verstehen. 31. Ein auf Sicht gestellter Wechsel ist bei der Vorzeigung fällig. Ein solcher Wechsel muß bei Verlust des wechselmäßigen Anspruchs gegen die Indossanten und den Aussteller nach Maßgabe der besonderen im Wechsel enthaltenen Bestimmung, und in Ermangelung derselben binnen zwei Jahren nach der Ausstellung zur Zahlung prüsentirt werden. Hat ein Indossant auf einem Wechsel dieser Art seinem Indossamente eine besondere Präsentationsfrist hinzugefügt, so erlischt seine wechselmüßige Verpflichtung, wenn der Wechsel nicht innerhalb dieser Frist prüsentirt worden ist. 32. Bei Wechseln, welche mit dem Ablaufe einer­ bestimmten Frist nach Sicht oder nach Dato zahl­ bar sind, tritt die Verfallzeit ein: 1) wenn die Frist nach Tagen bestimmt ist, an dem letzten Tage der Frist; bei Berechnung der Frist wird der Tag, an welchem der nach Dato zahlbare Wechsel ausgestellt oder der nach Sicht zahlbare zur Annahme prüsentirt ist, nicht mit­ gerechnet ; 2) wenn die Frist nach Wochen, Monaten, oder einem, mehrere Monate umfassenden Zeitraume (Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr) bestimmt ist, nn demjenigen Tage der Zahlungswoche oder des Zahlungsmonats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tage der Ausstellung oder Präsentation entspricht; fehlt dieser Tag in dem Zahlungs­ monate, so tritt die Verfallzeit am letzten Tage des Zahlungsmonats ein. Der Ausdruck „halber Monat" wird einem Zeitraume von 15 Tagen gleichgeachtet. Ist der Wechsel aus einen oder mehrere ganze Monate und einen halben Monat gestellt, so sind die 15 Tage zuletzt zu zählen. 33. Respekttage finden nicht statt. 34. Ist in einem Lande, in welchem nach altem Style gerechnet wird, ein im Jnlande zahlbarer Wechsel nach Dato ausgestellt, und dabei nicht bemerkt, daß der Wechsel nach neuem Style datirt sei, oder ist derselbe nach beiden Stylen datirt, so wird der Verfalltag nach demjenigen Kalender­ tage des neuen Styls berechnet, welcher dem nach altem Style sich ergebenden Tage der Ausstellung entspricht. 35. Meß- oder Marktwechsel werden zu der durch die Gesetze des Meß- oder Marktortes bestimmten Zahlungszeit, und in Ermangelung einer solchen Festsetzung an dem Tage vor dem gesetzlichen Schluffe der Messe oder des Marktes fällig. Dauert die Messe oder der Markt nur­ einen Tag, so tritt die Verfallzeit des Wechsels an diesem Tage ein. 2. Zahlung.

36. Der Inhaber eines indossirten Wechsels wird durch eine zusammenhängende, bis auf ihu

E. Allgem. Deutsche Wechselordnung. Abschn. 2.

hinuntergehende Reihe von Indossamenten als Eigenthümer des Wechsels legitimirt. Das erste Indossament muß demnach mit dem Namen des Remittenten, jedes folgende Indossament mit dem Namen desjenigen unterzeichnet sein, welchen das unmittelbar vorhergehende Indossament als In­ dossatar benennt. Wenn auf ein Blanko-Indossa­ ment ein weiteres Indossament folgt, so wird angenommen, daß der Aussteller des letzteren den Wechsel durch das Blanko-Indossament erworben hat. Ausgestrichene Indossamente werden bei Prüfung der Legitimation als nicht geschrieben angesehen. Die Echtheit der Indossamente zu prüfen, ist der Zahlende nicht verpflichtet. 37. Lcutet ein Wechsel aus eine Münzsorte, welche am Zahlungsorte keinen Umlauf hat, oder auf eine Rechnungswährung, so kann die Wechsel­ summe nach ihrem Werthe zur Verfallzeit in der Landesmünze gezahlt werden, sofern nicht der Aussteller durch den Gebrauch des Wortes „effek­ tiv" oder eines ähnlichen Zusatzes die Zahlung in der im Wechsel benannten Münzsorte aus­ drücklich bestimmt hat. 38. Der Inhaber des Wechsels darf eine ihm angebotene Theilzahlung selbst dann nicht zurück­ weisen, wenn die Annahme auf den ganzen Be­ trag der verschriebenen Summe erfolgt ist. 39. Der Wechselschuldner ist nur gegen Aus­ händigung des quittirten Wechsels zu zahlen verpflichtet. Hat der Wechselschuldner eine Theil­ zahlung geleistet, so kann derselbe nur verlangen, daß die Zahlung auf dem Wechsel abgeschrieben und ihm Quittung ans einer Abschrift des Wechsels ertheilt werde. 40. Wird die Zahlung des Wechsels zur Berfallzeit nicht gefordert, so ist der Akzeptant nach Ablauf der für die Protesterhebung Mangels Zahlung bestimmten Frist befugt, die Wechsel­ summe auf Gefahr und Kosten des Inhabers bei Gericht oder bei einer anderen zur Annahme von Depositen ermächtigten Behörde oder Anstalt niederzulegen. Der Vorladung des Inhabers be­ darf es nicht.

VIII. Regreß Mangels Zahlung. 41. Zur Ausübung des bei nicht erlangter Zahlung statthaften Regresses gegen den Aus­ steller und die Indossanten ist erforderlich: 1) daß der Wechsel zur Zahlung präsentirt worden ist, und 2) daß sowohl diese Präsentation, als die Nichterlangung der Zahlung durch einen rechtzeitig darüber aufgenommenen Protest dargethan wird. Die Erhebung des Protestes ist am Zahlungs­ tage zulässig, sie muß aber spätestens am zweiten Werktage nach dem Zahlungstage geschehen. 3 42. Die Aufforderung, keinen Protest erheben 3. Vgl. Bem. zu Art. 17.

11

zu lassen („ohne Protest", „ohne Kosten", re.), gilt als Erlaß des Protestes, nicht aber als Erlaß der Pflicht zur rechtzeitigen Präsentation. Der Wechselverpflichtete, von welchem jette Aufforde­ rung ausgeht, muß die Beweislast übernehmen, wenn er die rechtzeitig geschehene Präsentation in Abrede stellt. Gegen die Pflicht zum Ersätze der Protestkosten schützt jene Aufforderung nicht. 43. Domizilirte Wechsel sind dem Domiziliaten,

oder wenn ein solcher nicht benannt ist, dem Be­ zogenen selbst an demjenigen Orte, wohin der Wechsel domizilirt ist, zur Zahlung zu präsentiren, und wenn die Zahlung unterbleibt, dort zu protestiren. Wird die rechtzeitige Protesterhebung beim Domiziliaten verabsäumt, so geht dadurch der wechselmäßige Anspruch nicht nur gegen den Aus­ steller und die Indossanten, sondern auch gegen den Akzeptanten verloren. 44. Zur Erhaltung des Wechselrechts gegen den Akzeptanten bedarf es, mit Ausnahme des im Artikel 43 erwähnten Falles, weder der Präsen­ tation am Zahlungstage, noch der Erhebung eines Protestes. 45. Der Inhaber eines Mangels Zahlung protestirten Wechsels ist verpflichtet, seinen unmittel­ baren Vormann innerhalb zweier Tage nach dem Tage der Protesterhebung von der Nichtzahlung des Wechsels schriftlich zu benachrichtigen, zu welchem Ende es genügt, wenn das Benachrich­ tigungsschreiben innerhalb dieser Frist zur Post gegeben ist. Jeder benachrichtigte Vormann muß binnen derselben, vom Tage des empfangenen Berichts zu berechnenden Frist seinen nächsten Vormann in gleicher Weise benachrichtigen. Der Inhaber oder Jndossator, welcher die Benachrich­ tigung unterläßt oder dieselbe nicht an den un­ mittelbaren Vormann ergehen läßt, wird hierdurch den sämmtlichen oder den überspruttgenen Vor­ männern zum Ersätze des aus der unterlassenen Benachrichtigung entstandenen Schadens verpflich­ tet. Auch verliert derselbe gegen diese Personen den Anspruch auf Zinsen und Kosten, so daß er nur die Wechselsumme zu fordern berechtigt ist. 46. Kommt es auf den Nachweis der dem Vormanne rechtzeitig gegebenen schriftlichen Be­ nachrichtigung an, so genügt zu diesem Zwecke der durch ein Postattest geführte Beweis, daß ein Brief von dem Betheiligten an den Adressaten an dem angegebenen Tage abgesandt ist, sofern nicht dargethan wird, daß der angekommene Brief einen andern Inhalt gehabt hat. Auch der Tag des Empfanges der erhaltenen schriftlichen Be­ nachrichtigung kann durch ein Postattest nachge­ wiesen werden. 4 47. Hat ein Indossant den Wechsel ohne Hin­ zufügung einer Ortsbezeichnung weiter begeben, so ist der Bormann desselben von der unterblie­ benen Zahlung zu benachrichtigen. 4. Vgl. Bem. zu Art. 17.

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E. Allyeyl. Deutsche Wechselordnung. Abschn. 2.

48. , Jeder Wechselschuldner hat das Recht, gegen Erstattung der Wechselsumme nebst Zinsen und Kosten i)ie Auslieferüngdes quittirten Wechsels und des wegen Nichtzahlung erhobenen Protestes von dem Inhaber zu fordern. . 49. Der Inhaber eines Mangels Zahlung pro-

testirten Wechsels kann, die Wechselklage gegen alle Wechselverpflichtete oder auch nur gegen Einige oder Einen derselben anstellen, ohne dadurch seinen Anspruch gegen die nicht in Anspruch genommenen Verpflichteten zu verlieren. Derselbe ist an die Reihenfolge der Indossamente nicht gebunden. 50. Die Regreßansprüche des Inhabers, welcher den Wechsel Mangels Zahlung hat Protestiren lassen, beschränken sich auf 1) die nicht bezahlte Wechselsumme nebst sechs Prozent jährlicher Zinsen vom Verfalltage ab, 2) die Protestkosten und anderen Auslagen, 3) eine Provision von ein Drittel Prozent. Die vorstehenden Beträge müssen, wenn der Regreßpflichtige an einem anderen Orte als dem Zahlungsorte wohnt, zu demjenigen Kurse gezahlt werden, welche ein vom Zahlungsorte auf den Wohnort des Regreßpflichtigen gezogener Wechsel auf Sicht hat. Besteht am Zahlungsorte kein Kurs auf jenen Wohnort, so wird der Kurs nach dem­ jenigen Platze genommen, welcher dem Wohnorte des Regreßpflichtigen am nächsten liegt. Der Kurs ist aus Verlangen des Regreßpflichtigen durch einen unter öffentlicher Autorität ausgestellten Kurszettel oder durch das Attest eines vereideten Mäklers oder, in Ermangelung derselben, durch ein Attest zweier Kaufleute zu bescheinigen. 5 öl. Der Indossant, welcher den Wechsel einge­ löst oder als Rimesse erhalten hat, ist von einem früheren Indossanten oder von dem Aussteller zu fordern berechtigt: 1) die von ihm gezahlte oder durch Rimesse berichtigte Summe nebst sechs Prozent jährlicher Zinsen vom Tage der Zahlung, 2) die ihm erstandenen Kosten, 3) eine Provision von ein Drittel Prozent. Die vorstehenden Beträge müssen, wenn der Regreßpflichtige an einem anderen Orte als der Regreßnehmer wohnt, zu demjenigen Kurse ge­ zahlt werden, welchen ein vom Wohnorte des Regreßnehmers auf den Wohnort des Regreß­ pflichtigen gezogener Wechsel auf Sicht hat. Be­ steht im Wohnorte des Regreßnehmers kein Kurs auf den Wohnort des Regreßpflichtigen, so wird der Kurs nach demjenigen Platze genommen, welcher dem Wohnorte des Regreßpflichtigen am nächsten liegt. Wegen der Bescheinigung des Kurses kommt die Bestimmung des Artikel 50 zur Anwendung.5 6 52. Durch die Bestimmungen der Artikel 50 und 51 Nr. 1 und 3 wird bei einem Regresse

auf

einen

ausländischen

Ort

die

Berechnung

höherer, dort zulässiger Sätze nicht ausgeschlossen. 53. Der Regreßnehmer kann über den Betrag seiner Forderung einen Rückwechsel auf den Re­ greßpflichtigen ziehen. Der Forderung treten irt diesem Falle noch die Mäklergebühren für Negoziirung des Rückwechsels, sowie die etwaigen Stempelgebühren, hinzu. Der Rückwechsel muß auf Sicht zahlbar und unmittelbar (a drittura) gestellt werden. 54. Der Regreßpflichtige ist nur gegen Aus­ lieferung des Wechsels, des Protestes und einer quittirten Retourrechnung Zahlung zu leisten verbunden. 55. Jeder Indossant, der einen seiner Nach­ männer befriedigt hat, kann sein eigenes und seiner Nachmänner Indossament ausstreichen.

IX.

Intervention. 1. Ehrenannahme.

5. Vgl. Bem. zu Art. 17.

56. Befindet sich auf einem Mangels Annahme protestirten Wechsel eine auf den Zahlungsort lautende Nothadresse, so muß, ehe Sicherstellung verlangt werden kann, die Annahme von der Nothadresse gefordert werden. Unter mehreren Nothadressen gebührt derjenigen der Vorzug, durch deren Zahlung die meisten Verpflichteten befreit werden. 57. Die Ehrenannahme von Seiten einer nicht auf dem Wechsel als Nothadresse benannten Per­ son braucht der Inhaber nicht zuzulassen. 58. Der Ehrenakzeptant muß sich den Protest Mangels Annahme gegen Erstattung der Kosten aushändigen und in einem Anhänge zu demselben die Ehrenannahme bemerken lassen. Er muß den Honoraten unter Uebersendung des Protestes von der geschehenen Intervention benachrichtigen und diese Benachrichtigung mit dem Proteste innerhalb zweier Tage nach dem Tage der Protefterhebung zur Post geben. Unterläßt er dies, so haftet er für den durch die Unterlassung entstehenden Schaden. 59. Wenn der Ehrenakzeptant unterlassen hat, in seinem Akzepte zu bemerken, zu wesseu Ehren die Annahme geschieht, so wird der Aussteller als Honorat angesehen. 60. Der Ehrenakzeptant wird den sämmtlichen Nachmännern des Honoraten durch die Annahme wechselmäßig verpflichtet. Diese Verpflichtung er­ lischt, wenn dem Ehrenakzeptanten der Wechsel nicht spätestens am zweiten Werktage nach dem Zahlungstage zur Zahlung vorgelegt wird. 61. Wenn der Wechsel von einer Nothadresse oder einem andern Intervenienten zu Ehren angenommen wird, so haben der Inhaber und die Nachmänner des Honoraten keinen Regreß auf Sicherstellung. Derselbe kann aber von dem Honoraten und dessen Vormännern geltend gemacht

6. Vgl. Bem. zu Art. 17.

werden.

E. Allgem

Deutsche Wechselordnung. Abschn. 2

2. Ehrensahlung.

62. Befinden sich auf dem von dem Bezogenen nicht eingelösten Wechsel oder der Kopie Noth­ adressen oder ein Ehrenakzept, welche auf den Zahlungsort lauten, so muß der Inhaber den Wechsel spätestens am zweiten Werktage nach dem Zahlungstage den sämmtlichen Nothadressen und dem Ehrenakzeptanten zur Zahlung vorlegen, und den Erfolg im Proteste Mangels Zahlung oder in einem Anhänge zu demselben bemerken lassen Unterläßt er dies, so verliert er den Regreß ge­ gen den Adressanten oder Honoraren und deren Nachmänner Weist der Inhaber die von eurem andern Intervenienten angebotene Ehrenzahlung zurück, so verliert er den Regreß gegen die Nach­

männer des Honoraten. 63 Dem Ebrenzahler muß der Wechsel und der Protest Mangels Zahlung gegen Erstattung der Kosten ausgehändigt werden Er tritt durch die Ehrenzahlung in die Rechte des Inhabers (Art. 50 und 52) gegen den Honoraten, dessen Bormänner und den Akzeptanten. 64. Unter Mehreren, welche sich zur Ehren­ zahlung erbieten, gebührt Demjenigen der Vorzug, durch dessen Zahlung die meisten Wechselverpflich­ teten befreit werden Em Intervenient, welcher zahlt, obgleich aus dem Wechsel oder Proteste ersichtlich ist, daß ein Anderer, dem er hiernach nachstehen müßte, den Wechsel emzulöseii bereit war, hat feinen Regreß gegen diejenigen Indos­ santen, welche durch Leistung der von dem Anderen angebotenen Zahlung befreit worden wären 65. Der Ehrenakzeptant, welcher nicht zur Zah­ lungsleistung gelangt, weil der Bezogene oder em anderer Intervenient bezahlt hat, ist berechtigt, von dem Zahlenden eine Provision von 1/3 Pro­ zent zu verlangen

X. V e r v i e l f ä l t i g u n g

eines

Wechsels

1 Wechselduplikalc

66. Der Aussteller eines gezogenen Wechsels ist verpflichtet, dem Remittenten auf Verlangen mehrere gleichlautende Exemplare des Wechsels zu überliefern Dieselben müssen im Kontexte als Prima, Sekunda, Tertia u s w bezeichnet sein, widrigenfalls jedes Exemplar als ein für sich bestehender Wechsel (Sola-Wechsel) erachtet wird Auch ein Indossatar kann ein Duplikat des Wechsels verlangen Er muß sich dieserhalb an seinen unmittelbaren Vormann wenden, welcher wieder an seinen Vormann zurückgehen muß, bis die Anforderung an den Aussteller gelangt Jeder Indossatar kann von seinem Normanne verlangen, daß die früheren Indossamente auf dem Duplikate wiederholt werden. 67 Ist von mehreren ausgefertigten Exem­ plaren das eine bezahlt, so verlieren dadurch die anderen ihre Kraft. Jedoch bleiben aus den übri­ gen Exemplaren verhaftet

13

1) der Indossant, welcher mehrere Exemplare desselben Wechsels an verschiedene Personen in-

dossirt hat, und alle späteren Indossanten, deren Unterschriften sich auf den, bei der Zahlung nicht zurückgegebenen Exemplaren befinden, aus ihreu Indossamenten; 2) der Akzeptant, welcher mehrere Exemplare desselben Wechsels akzeptirt hat, aus den Akzepten auf den bei der Zahlung nicht zurückgegebenen Exemplaren 68 Wer eines von mehreren Exemplaren eines Wechsels zur Annahme versandt hat, muß auf den übrigen Exemplaren bemerken, bei wem das von ihm zur Annahme versandte Exemplar anzu­ treffen ist Das Unterlassen dieser Bemerkung ent

zieht jedoch dem Wechsel nicht die Wechselkraft Der Verwahrer des zum Akzepte versandten Exemplars ist verpflichtet, dasselbe demjenigen auszuliefern, der sich als Indossatar (Art 36 > oder auf andere Weise zur Empfangnahme legi tunirt 69 Der Inhaber eines Duplikats, auf welchem angegeben ist, bei wem das zum Akzepte ver­ sandte Exemplar sich befindet, kann Mangels An nähme desselben den Regreß aus Sicherstellung und Mangels Zahlung den Regreß auf Zahlung nicht eher nehmen, als bis er durch Protest hat feststellen lassen: 1) daß das zum Akzepte versandte Exemplar ihm vom Verwahrer nicht verabfolgt worden ist, und 2) daß auch auf das Duplikat die Annahme oder die Zahlung nicht zu erlangen gewesen 2 Wechselkoprcn

70 Wechselkopien müssen eine Abschrift des Wechsels und der darauf befindlichen Indossa­ mente und Vermerke enthalten und mit der Er klärung: „bis hierher Abschrift (Kopie)" oder mit einer ähnlichen Bezeichnung versehen sein In der Kopie ist zu bemerken, bei wem das zur Annahme versandte Original des Wechsels anzutreffen ist Das Unterlassen dieses Vermerkes entzieht jedoch der indossirten Kopie nicht ihre wechselmäßige Kraft 71 Jedes auf einer Kopie befindliche OriginalIndossament verpflichtet den Indossanten eben so, als wenn es auf einem Originalwechsel stünde. 72 Der Verwalter des Originalwechsels ist ver­ pflichtet, denselben dem Besitzer einer mit einem oder mehreren Original-Indossamenten versehenen Kopie auszuliefern, sofern sich derselbe als In­ dossatar oder auf andere Weise zur Empfang­ nahme legitimirt. Wird der Originalwechsel vom Verwahrer nicht ausgeliefert, so ist der Inhaber der Wechselkopie nur nach Aufnahme des im Artikel 69 Nr 1 erwähnten Protestes Regreß auf Sicherstellung und nach Eintritt des in der Ko­ pie angegebenen Verfalltages Regreß auf Zahlung gegen diejenigen Indossanten zu nehmen berechtigt,

14

L. Allgem. Deutsche Wechselordmmg. Abschn. 2.

dexen Original-Indossamente auf der Kopie be­ findlich sind.

XL A b hand en gekommene Wechsel. 73. Der Eigenthümer eines abhanden gekommenen Wechsels -kann die Amortisation des Wechsels bei dem Gerichte des Zahlungsortes beantragen. Nach Einleitung des Amortisations-Verfahrens kann derselbe vom Akzeptanten Zahlung fordern, wenn er bis zur Amortisation des Wechsels Sicherheit bestellt. Ohne eine solche Sicherheits­ stellung ist er nur die Deposition der aus den: Akzepte schuldigen Summe bei Gericht oder bei einer andern zur Annahme von Depositen er­ mächtigten Behörde oder Anstalt zu fordern be­ rechtigt. 7 8 74. Der nach den Bestimmungen des Artikel 36 legitimirte Besitzer eines Wechsels kann nur dann zur Herausgabe desselben angehalten werden, wenn er den Wechsel in bösem Glauben erworben hat oder ihm bei der Erwerbung des Wechsels eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.

XII. Falsche Wechsel. 75. Auch wenn die Unterschrift des Ausstellers eines Wechses falsch oder verfälscht ist, behalten dennoch das ächte Akzept und die ächten Indossa­ mente die wechselmäßige Wirkung. 76. Aus einen:, mit einem falschen oder ver­ fälschten Akzepte oder Indossamente versehenen Wechsel bleiben sämmtliche Indossanten und der Aussteller, deren Unterschriften ächt sind, wechsel­ mäßig verpflichtet.

XIII. W e ch s e l v e r j ä h r u n g. 77. Der wechselmäßige Anspruch gegen den Akzeptanten verjährt in drei Jahren vom Ver­ falltage des Wechsels an gerechnet. 78. Die Regreßansprüche des Inhabers (Art. 50) gegen den Aussteller und die übrigen Vormänner verjähren: 1) in 3 Monaten, wenn der Wechsel in Euro­ pa, mit Ausnahme von Island und den Färöern, zahlbar war; 2) in 6 Monaten, wenn der Wechsel in den Küstenländern von Asien und Afrika längs des Mittelländischen und Schwarzen Meeres, oder in den dazu gehörigen Inseln dieser Meere zahlbar war; 3) in 18 Monaten, wenn der Wechsel in einem anderen außereuropäischen Lande oder in Island oder den Färöern zahlbar war. Die Verjährung beginnt gegen den Inhaber mit dem Tage des erhobenen Protestes.

7. Das Aufgebotsverfahren richtet sich nach §8 837 ff. C.-P.-O. — Im Uebrigen vgl. Bem. zu Art. 17.

79. Die Regreßansprüche des Indossanten (Art. 51) gegen den Aussteller und die übrigen Äörmänner verjähren: 1) in 3 Monaten, wenn der Regreßnehmer in Europa, mit Ausnahme von Island und den Färöern, wohnt; 2) in 6 Monaten, wenn der Regreßnehmer in den Küstenländern von Asien und Afrika längs des Mittelländischen und Schwarzen Meeres, oder in den dazu gehörigen Inseln dieser Meere

wohnt; 3) in 18 Monaten, wenn der Regreßnehmer in einem anderen außereuropäischen Lande oder in Island oder den Färöern wohnt. Gegen den Indossanten läuft die Frist, wenn er, ehe eine Wechselklage gegen ihn angestellt worden, gezahlt hat, vom Tage der Zahlung, in allen übrigen Fällen oder vom Tage der ihm ge­ schehenen Behändigung der Klage oder Ladung. 80. Die Verjährung (Art. 77-79) wird nur durch Behändigung der Klage unterbrochen, und nur in Beziehung auf denjenigen, gegen welchen die Klage gerichtet ist. Jedoch vertritt in dieser Hinsicht die von dem Verklagten geschehene Streit­ verkündigung die Stelle der Klaget

XIV. K lagerechtde s W e ch s e l g l ä u b i g e r s. 81. Die wechselmäßige Verpflichtung trifft den Aussteller, Akzeptanten und Indossanten des Wechsels, sowie einen Jeden, welcher den Wechsel, die Wechselkopie, das Akzept oder das Indossa­ ment nlitunterzeichnet, hat, selbst dann, wenn er sich dabei nur als Bürge (per aval) benannt hat. Die Verpflichtung dieser Personen erstreckt sich auf Alles, was der Wechselinhaber wegen Nicht­ erfüllung der Wechselverbindlichkeit zu fordern hat. Der Wechselinhaber kann sich wegen seiner ganzen Forderung an den Einzelnen halten; es steht in seiner Wahl, welchen Wechselverpflichte­ ten er zuerst in Anspruch nehmen will. 82. Der Wechselschuldner kann sich nur solcher Einreden bedienen, welche aus dem Wechselrechte selbst hervorgehen oder ihm unmittelbar gegen den jedesmaligen Kläger zustehen. 83. Ist die wechselmäßige Verbindlichkeit des Ausstellers oder des Akzeptanten durch Verjährung oder dadurch, daß die zur Erhaltung des Wechsel­ rechts gesetzlich vorgeschriebenen Handlungen verabsäuntt sind, erloschen, so bleiben dieselben dem Inhaber des Wechsels nur soweit, als sie sich mit dessen Schaden bereichern würden, verpflichtet. Gegen die Indossanten, deren wechselmäßige Ver­ bindlichkeit erloschen ist, findet ein solcher An­ spruch nicht statt.

8. Art. 80 ist dahin abgeändert, daß die Verjährung auch nach Maßgabe der §8 190, 254, 461 Abs. 2, 471 Abf. 2, C.-P.-O. 13 Abf. 3 E.-G. z. C.-P.-O.), sowie nach § 13 K.-O. 8 3 Abschn. 3 E.^G. K.-O.) unterbrochen wird.

E. Allgem. Deutsche Wechselordnung. Abschn. '2. XV. Ausländische Gesetzgebung.

die mehrfache Aufforderung nur eitle Protestur­ kunde erforderlich. 90. Die Notare und Gerichtsbeamten sind schul­ dig, die von ihnen aufgenommenen Proteste nach deren ganzem Inhalte Tag für Tag und nach Ordnung des Dütums in ein besonderes Register einzutragen, das von Blatt zu Matt mit fort­ laufenden Zahlen versehen ist.

84. Die Fähigkeit eines Ausländers, wechsel­ mäßige Verpflichtungen zu übernahmen, wird nach den Gesetzen des Staates beurtheilt, welchem der­ selbe angehört. Jedoch wird ein nach Pen Ge­ setzen seines Vaterlandes nicht wechselfähiger Aus­ länder durch Uebernahme von Wechselverbindlich­ keiten im Jnlande verpflichtet, insofern er nach den Gesetzen des Inlandes wechselfähig ist. 85. Die wesentlichen Erfordernisse eines im Auslande ausgestellten Wechsels, sowie jeder an­ deren im Auslande ausgestellten Wechselerklärung, werden nach den Gesetzen des Ortes beurtheilt, an welchem die Erklärung erfolgt ist. Entsprechen jedoch die im Auslande geschehenen Wechseler­ klärungen den Anforderungen des inländischen Gesetzes, so kann daraus, daß sie nach ausläudischen Gesetzen mangelhaft sind, kein Einwand gegen die Rechtsverbindlichkeit der später im Jn­ lande auf den Wechsel gesetzten Erklärungen ent­ nommen werden. Ebenso haben Wechselerklürungen, wodurch sich ein Inländer einem anderen In­ länder im Auslande verpflichtet, Wechselkraft, wenn sie auch nur den Anforderungen der in­ ländischen Gesetzgebung entsprechen. 86. Ueber die Form der mit einem Wechsel an einem ausländischen Platze zur Ausübung oder Er­ haltung des Wechselrechts vorzunehmenden Hand­ lungen entscheidet das dort geltende Recht.

XVI. Prote st.

87. Jeder Protest muß durch einen Notar oder einen Gerichtsbeamten ausgenommen werden. Der Zuziehung von Zeugen bedarf es dabei nichts 88. Der Protest muß enhalten: 1) eine wörtliche Abschrift des Wechsels oder der Kopie und aller darauf befindlichen Indossa­ mente und Bemerkungen; 2) den Namen oder die Firma der Personen, für welche und gegen welche der Protest erhoben wird; 3) das an die Person, gegen welche protestirt wird, gestellte Begehren, ihre Antwort oder die Bemerkung, daß sie keine gegeben habe oder nicht anzutreffen gewesen sei; 4) die Angabe des Ortes, sowie des Kalender­ tages, Monats und Jahres, an welchem die Auffordernng (Nr. 3) geschehen, oder ohne Erfolg versucht worden ist; 5) im Falle einer Ehrenannahme oder einer Ehrenzahlung die Erwähnung, von wem, für wen und wie sie angeboten und geleistet wird; 6) die Unterschrift des Notars oder des Gerichts­ beamten, welcher den Protest ausgenommen hat, mit Beifügung des Amtssiegels. 89. Muß eine wechselrechtliche Leistung von mehreren Personen verlangt werden, so ist über !). Vgl. 8 16 E.'G. z. H.'-G.-B.

15

XVII. Ort undZeit für bic Präsentation

und andere im Wechsel-Verkehre vor­ kommende Handlungen.

|

i

j !

91. Die Präsentation zur Annahme oder Zah­ lung, die Protesterhebung, die Abforderung eines Wechselduplikats, sowie alle sonstigen, bei einer bestimmten Person vorzunehmenden Akte müssen in deren Geschäftslokal, und in Ermangelung eines solchen, in deren Wohnung vorgenommen werden. An einem anderen Orte, z. B. an der Börse, kann dies nur mit beiderseitigem Einver­ ständnisse geschehen. Daß das Geschüftslokal oder die Wohnung nicht zu ermitteln sei, ist erst dann als festgestellt anzunehmen, wenn auch eine dieserhalb bei der Polizeibehörde des Orts geschehene Nachfrage des Notars oder des Gerichtsbeamten fruchtlos geblieben ist, welches im Proteste be­ merkt werden muß.10 92. Verfällt der Wechsel an einem Sonntage oder allgemeinen Feiertage, so ist der nächste Werktag der Zahlungstag. Auch die Herausgabe eines Wechsel-Duplikats, die Erklärung über die Annahme, sowie jede andere Handlung, können nur an einem Werktage gefordert werden. Fällt der Zeitpunkt, in welchem die Vornahme einer der vorstehenden Handlungen spätestens gefordert werden mußte, auf einen Sonntag oder allge­ meinen Feiertag, so muß diese Handlung am nächsten Werktage gefordert werden. Dieselbe Be­ stimmung findet auch auf die Protesterhebung Anwendung.11 93. Bestehen an einem Wechselplatze allgemeine Zahltage (Kassirtage), so braucht die Zahlung eines zwischen den Zahltagen fällig gewordenen Wechsels erst am nächsten Zahltage geleistet zu werden, sofern nicht der Wechsel aus Sicht lautet. Die im Artikel 41 für die Aufnahme des Protestes Mangels Zahlung bestimmte Frist darf jedoch nicht überschritten werden.

XVIII. Mangelhafte Unterschriften. 94. Wechselerlävungen, welche statt des Namens mit Kreuzen oder anderen Zeichen vollzogen sind, haben nur dann, wenn diese Zeichen gerichtlich oder notariell beglaubigt worden, Wechselkraft. 10. Vgl. Bem. zu Art. 17.

11. Ueber die allgemeinen Feiertage vgl. V. v. 29. Germ. X u. Lt.^R.-G. v. 20. März 1810.

16

E. Allgern. Deutsche Wechselordnung. Abschn. 3.

95. Wer eine Wechselerklärung als Bevoll­ mächtigter eines Anderen unterzeichnet, ohne dazu Vollmacht zu haben, haftet persönlich in gleicher Weise, wie der angebliche Machtgeber gehastet haben würde, wenn die Vollmacht ertheilt gewe­ sen wäre. Dasselbe gilt von Vormündern und anderen Vertretern, welche mit Ueberschreitung ihrer Befugnisse Wechselerklärungen ausstellen.

Dritter Abschnitt.

Man eigenen Wechseln. 96. Die wesentlichen Erfordernisse eines eigenen (trockenen) Wechsels sind: 1) die in den Wechsel selbst aufzunehmende Be­ zeichnung als Wechsel, oder, wenn der Wechsel in einer fremden Sprache ausgestellt ist, ein jener Bezeichnung entsprechender Ausdruck in der frem­ den Sprache; 2) die Angabe der zu zahlenden Geldsumme; 3) der Name der Person oder die Firma, an welche oder an deren Order der Aussteller Zah­ lung leisten will; 4) die Bestimmung der Zeit, zu welcher gezahlt werden soll (Art. 4 Nr. 4); 5) die Unterschrift des Ausstellers mit seinem Namen oder seiner Firma; 6) die Angabe des Ortes, Monatstages und Jahres der Ausstellung. 97. Der Ort der Ausstellung gilt für den eige­ nen Wechsel, sofern nicht ein besonderer Zahlungs­ ort angegeben ist, als Zahlungsort und zugleich als Wohnort des Ausstellers. 98. Nachstehende, in diesem Gesetze für gezogene Wechsel gegebene Vorschriften gelten auch für eigene Wechsel: 1) die Artikel 5 und 7 über die Form des Wechsels; 2) die Artikel 9-17 über das Indossament; 3) die Artikel 19 und 20 über die Präsentation der Wechsel aus rne Zeit nach Sicht mit der

Maßgabe, daß die Präsentation dem Aussteller geschehen muß; 4) der Artikel 29 über den Sicherhcitsregreß mit der Maßgabe, daß derselbe im Falle der Unsicherheit des Ausstellers stattfindet; 5) die Artikel 30-40 über die Zahlung und die Befugniß zur Deposition des fälligen Wechsel­ betrages mit der Maßgabe, daß letztere durch den Aussteller geschehen kann; 6) die Artikel 41 und 42, sowie die Artikel 45-55 über den Regreß Mangels Zahlung gegen die Indossanten; 7) die Artikel 62-65 über die Ehrenzahlung; 8) die Artikel 70-72 über die Kopien; 9) die Artikel 73-76 über abhanden gekommene und falsche Wechsel mit der Maßgabe, daß im Falle des Artikels 73 die Zahlung durch den Aus­ steller erfolgen muß; 10) die Artikel 78-96 über die allgemeinen Grundsätze der Wechselverjährung, die Verjährung der Regreßansprüche gegen die Indossanten, das Klagerecht des Wechselgläubigers, die ausländischen Wechselgesetze, den Protest, den Ort und die Zeit

für die Präsentation und andere im Wechsel­ verkehre vorkommende Handlungen, sowie über mangelhafte Unterschriften. 99. Eigene domizilirte Wechsel sind dem Domi­ ziliaten oder, wenn ein solcher nicht benannt ist, dem Aussteller selbst an demjenigen Orte, wohin der Wechsel domizilirt ist, zur Zahlung zu präsentiren und, wenn die Zahlung unterbleibt, dort zu Protestiren. Wird die rechtzeitige Protesterhebung beim Domiziliaten verabsäumt, so geht dadurch der wechselmäßige Anspruch gegen den Aussteller und die Indossanten verloren. Bei nicht domizilirten eigenen Wechseln bedarf es zur Erhaltung des Wechselrechtes gegen den Aussteller weder der Präsentation am Zahlungs­ tage, noch der Erhebung eines Protestes. 100. Der wechselmäßige Anspruch gegen den Aussteller eines eigenen Wechsels verjährt in drei Jahren, vom Verfalltage des Wechsels an ge­ rechnet.

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch. G.-Bl. 1872 S. 242.

Allgemeine Bestimmungen. Art. 1. In Handelssachen kommen, insoweit dieses Gesetzbuch keine Bestimmungen enthält, die Handelsgebräuche und in deren Ermangelung das allgemeine bürgerliche Recht zur Anwendung. 2. An den Bestimmungen der Deutschen WechselOrdnung wird durch dieses Gesetzbuch nichts geändert.

3. Wo dieses Gesetzbuch von dem Handelsge­ richte spricht, tritt in Ermangelung eines beson-

1. Am 17. April 1856 beschloß die Bundesversammlung zu Frankfurt, eine Kommission zur Entwerfung und Vor­ lage eines deutscheil Handelsgesetzbuchs für die deutschen Bundesstaaten einzusetzen. Diese Kommission trat zufolge Beschlusses v. 18. Dez. 1856 am 15. Jan. 1857 in Nürn­ berg zusammen. Der von derselben ausgearbeitete Entwurf wurde der Bundesversammlung in der Sitzung v. 16. März 1861 vorgelegt. Durch Beschluß v. 8. Mai wurden die Bundesregierungen eingeladen, diesem Entwürfe bald­ möglichst und unverändert im geeigneten Wege Gesetzeskraft in ihrem Lande zu verschaffen, was in den meisten Bundes­ staaten in den Jahren 1861 u. 1862 geschah. Durch G. v. 5. Juni 1869 wurde das allgemeine Deutsche H.-G.-B. in der dort verkündigten Fassung als Bundesgesetz des Nord­ deutschen Bundes erklärt. Am 11. Juni 1870 erging ein Gesetz des Norddeutschen Bundes, betr. die Kommandit­ gesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, durch dessen § 1 eine Reihe von Artikeln des H.-G.-B. abgeändert wurde. Beide Gesetze kamen zufolge der am 15. Nov. 1870 zwischen dem Norddeutschen Bunde und Baden und Hessen vereinbarten Verfassung, des Beitritts Württembergs zur Verfassung des deutschen Bundes v. 25. Nov. 1870, sowie des Reichsges. v. 22. April 1871, betr. die Einführung Norddeutscher Bundesgesetze in Baiern, in den betreffenden Ländern zur Einführung. Das G. v". 11. Juni 1870 ist in E.-L. nicht eingeführt, es wurde jedoch das in E.-L. am 19. Juni 1872 eingeführte H.-G.-B. daselbst in derjenigen Fas­ sung verkündigt, welche es zufolge § 1 jenes Gesetzes erhalten hatte. (Ueber letzteres G. vgl. noch Bem. zu £ 33 E.-G.) E. Handels- und Wechselrecht.

deren Handelsgerichts das gewöhnliche Gericht an dessen Stelle. 2

Erstes Buch. Handelsstande.

Dom

Erster Titel. Don

Kauffenten.

4. Als Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist anzusehen, wer gewerbemäßig Handelsgeschäfte betreibt. 3 5. Die in Betreff der Kaufleute gegebenen Be­ stimmungen gelten in gleicher Weise in Betreff der Handelsgesellschaften, insbesondere auch der Kommanditgesellschaften auf Aktien und der Aktien­ gesellschaften. Dieselben gelten auch in Betreff der öffentlichen Banken in den Grenzen ihres Handelsbetriebes, unbeschadet der für sie bestehenden Verordnungen. 4 6. Eine Frau, welche gewerbemäßig Handels­ geschäfte betreibt (Handelsfrau), hat in dem Han­ delsbetriebe alle Rechte und Pflichten eines Kaufmanns. 2. Die Handelsgerichte sind aufgehoben (8 7 Abs. 2 A.-G. z. G.-V.-G.). Die nicht zur ordentlichen streitigen Gerichts­ barkeit gehörenden Angelegenheiten, für welche dieselben bisher zuständig waren, sind den Landgerichten zugewiesen (8 17. das.) und zwar den Kammern für Handelssachen (8 21 das.). Kammern für Handelssachen sind bei den Land­ gerichten zu Colmar, Mülhausen und Straßburg für die Bezirke derselben gebildet (8 8 A. V. v. 13. Juni 1879). — Ueber die Führung des Handelsregisters vgl. Instruktion v. 28. Sept. 1872.

3. Ueber die Kaufmannseigenschaft der Genossenschaften vgl. 8 11 Abs. 3 G. v. 4. Juli 1868. 4. Auf die Reichsbank finden jedoch die Bestimmungen über die Eintragung in das Handelsregister und die recht­ lichen Folgen derselben keine Anwendung (8 66 Bankges. v. 14. März 1875).

2

18

E. Allgem- Deutsches Handelsgesetzbuch. B. I. T. II.

Dieselbe kann sich in Betreff ihrer Handelsge­ schäfte auf die in den einzelnen Staaten geltenden Rechtswohlthaten der Frauen nicht berufen. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob sie das Handelsgewerbe allein oder in Gemeinschaft mit Anderen, ob sie dasselbe in eigener Person oder durch einen Prokuristen betreibt. 7. Eine Ehefrau kann ohne Einwilligung ihres Ehemannes nicht Handelsfrau sein. Es gilt als Einwilligung des Mannes, wenn die Frau mit Wissen und ohne Einspruch desselben Handel treibt. Die Ehefrau eines Kaufmanns, welche ihrem Ehemanne nur Beihülfe in dem Handelsgewerbe leistet, ist keine Handelsfrau. 8. Eine Ehefrau, welche Handelsfrau ist, kann sich durch Handelsgeschäfte gültig verpflichten, ohne daß es zu den einzelnen Geschäften einer besonderen Einwilligung ihres Ehemannes bedarf. Sie haftet für die Handelsschulden mit ihrem ganzen Vermögen, ohne Rücksicht auf die Verwaltun'gsrechte und den Nießbrauch oder die sonstigen, an diesem Vermögen durch die Ehe begründeten Rechte des Ehemannes. Es haftet auch das gemeinschaftliche Vermögen, soweit Gü­ tergemeinschaft besteht; ob zugleich der Ehemann mit seinem persönlichen Vermögen hastet, ist nach den Landesgesetzen zu beurtheilen.5 6 9. Eine Handelsfrau kann in Handelssachen selbständig vor Gericht auftreten; es macht keinen Unterschied, ob sie unverheirathet oder verheirathet ist. 6 10. Die Bestimmungen, welche dieses Gesetzbuch über die Firmen, die Handelsbücher und die Prokura enthält, finden auf Höker, Trödler, Hausirer und dergleichen Handelsleute von geringern Gewerbebetriebe, ferner auf Wirthe, gewöhnliche Fuhrleute, gewöhnliche Schiffer, und Personen, deren Gewerbe nicht über den Umfang des Hand­ werksbetriebes binausgeht, keine Anwendung. Den Landesgesetzen bleibt Vorbehalten, im Falle es erforderlich erscheint, diese Klaffen genauer festzustellen. Vereinigungen zum Betriebe eines Handelsge­ werbes, auf welches die bezeichneten Bestimmungen keine Anwendung finden, gelten nicht als Han­ delsgesellschaften. Den Landesgesetzen bleibt Vorbehalten, zu ver­ ordnen, daß die bezeichneten Bestimmungen auch noch für andere Klassen von Kaufleuten ihres 5. Dgl. 8 5 E.-G. 6. Die prozeßrechtlichen Vorschriften des H.-G.-B. werden zufolge 8 13 Abs. 1 E.-G. z. C.-P.-O. durch die C.-P.-O. u. ebenso die den Konkurs betreffenden Vorschriften desselben nach 8 3 Abs. 1 E.-G. z. K.-O. durch die K.-O. nicht berührt. Hierher gehören außer Art. 9, der übrigens dem 8 51 C.-P.-O. entspricht, die Artt. 27, 37, 38, 40, 79, 111, 117, 119, 120, 126, 132, 137, 144, 164, 167, 169, 170, 172, 194, 195, 196, 213, 226, 232, 235, 244, 247, 313-315, 324, 325, 342, 348, 365, 407, 446, 455, 475,490-493, 537, 609, 610, 688.

Staatsgebiets keine Anwendung finden sollen. Ebenso können sie aber auch verordnen, daß diese Bestimmungen auf einzelne der genannten Klaffen, oder daß sie auf alle Kaufleute ihres Staatsge­ biets Anwendung finden sollen. 11. Durch die Landesgesetze, welche in gewerbe­ polizeilicher oder gewerbesteuerlicher Beziehung Erfordernisse zur Begründung der Eigenschaft eines Kaufmanns oder besonderer Klassen von Kaufleuten aufstellen, wird die Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzbuchs nicht ausge­ schlossen ; ebenso werden jene Gesetze durch dieses Gesetzbuch nicht berührt.

Zweiter Titel.

Aon dem Kandetsregifter.7 12. Bei jedem Handelsgerichte ist ein Handels­ register zu führen, in welches die in diesem Gesetzbuche angeordneten Eintragungen aufzu­ nehmen sind. Das Handelsregister ist öffentlich. Die Einsicht desselben ist während der gewöhnlichen Dienst­ stunden einem Jeden gestattet. Auch kann von den Eintragungen gegen Erlegung der Kosten eine Abschrift gefordert werden, die auf Verlangen zu beglaubigen ist. 13. Die Eintragungen in das Handelsregister sind von dem Handelsgerichte, sofern nicht in diesem Gesetzbuche in einzelnen Fällen ausdrücklich ein Anderes bestimmt ist, nach ihrem ganzen Inhalte durch eine oder mehrere Anzeigen in öffentlichen Blättern ohne Verzug bekannt zu machen. 14. Jedes Handelsgericht hat für seinen Bezirk alljährlich im Monat Dezember die öffentlichen Blätter zu bestimmen, in welchen im Laufe des nächstfolgenden Jahres die im Artikel 13 vorge­ schriebenen Bekanntmachungen erfolgen sollen. Der Beschluß ist in einem oder mehreren öffentlichen Blättern bekannt zu machen. Wenn eines der bestimmten Blätter im Lause des Jahres zu erscheinen aufhört, so hat das Gericht ein anderes Blatt an dessen Stelle zu bestimmen und öffentlich bekannt zu machen. Inwiefern die Gerichte bei der Wahl der zu bestimmenden Blätter an Weisungen höherer Be­ hörden gebunden sind, ist nach den Landesgesetzen zu beurtheilen. 8

7. Ueber die Führung des Handelsregisters E.-G. und Jnstr. v. 28. Sept. 1872.

vgl. 8 13

8. In einer Verf. G.-Pr. v. 6. Dez. 1872 (Samml. Colmar I Nr. 172) wird ausgeführt, daß Art. 23 des Preßdekr. v. 17. Febr. 1852 bei Strafe der Nichtigkeit die Einrückung aller gerichtlichen Anzeigen, welche für die Gültigkeit oder die Verlautbarung von Prozeduren und Verträgen gesetzlich vorgeschrieben sind, in die von den Präfekten alljährlich für den Gerichtsbezirk bestimmten Blätter vorschreibe und dieser

Artikel sich auch auf die Veröffentlichung der Handelsfirmen, sowie der anderen durch das H.-G.-B. und das E.-G. ange­ ordneten Bekanntmachungen beziehe.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch/ B. I. T. in.

Dritter

Titel.

Morr Kandeksfirmen. 15. Die Firma eines Kaufmanns ist der Name, unter welchem er im Handel seine Geschäfte be­ treibt und die Unterschrift abgibt. 16. Ein Kaufmann, welcher sein Geschäft ohne Gesellschafter oder nur mit einem stillen Gesell­ schafter betreibt, darf nur seinen Familiennamen (bürgerlichen Namen) mit oder ohne Vornamen als Firma führen. Er darf der Firma keinen Zusatz beifügen, welcher ein Gesellschaftsverhältniß andeutet. Da­ gegen sind andere Zusätze gestattet, welche zur näheren Bezeichnung der Person oder des Ge­ schäfts dienen. 17. Die Firma einer offenen Handelsgesell­ schaft muß, wenn in dieselbe nicht die Namen sämmtlicher Gesellschafter ausgenommen sind, den Namen wenigstens eines der Gesellschafter mit einem das Vorhandensein einer Gesellschaft an­ deutenden Zusatze enthalten. Die Firma einer Kommanditgesellschaft muß den Namen wenigstens eines persönlich haftenden Gesellschafters mit einem das Vorhandensein einer Gesellschaft andeutenden Zusatze enthalten. Die Namen anderer Personen, als der persön­ lich haftenden Gesellschafter, dürfen in die Firma einer Handelsgesellschaft nicht ausgenommen wer­ den; auch darf sich keine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft als Aktiengesellschaft bezeichnen, selbst wenn das Kapital der Komman­ ditisten in Aktien zerlegt ist. 18. Die Firma einer Aktiengesellschaft muß in der Regel von dem Gegenstände ihrer Unterneh­ mung entlehnt sein. Der Name von Gesellschaftern oder anderen Personen darf in die Firma nicht ausgenommen werden. 19. Jeder Kaufmann ist verpflichtet, seine Firma bei dem Handelsgerichte, in dessen Bezirk seine Handelsniederlassung sich befindet, behufs der Eintragung in das Handelsregister anzumelden; er hat dieselbe nebst seiner persönlichen Unter­ schrift vor dem Handelsgerichte zu zeichnen oder die Zeichnung derselben in beglaubigter Form einzu­ reichen. 20. Jede neue Firma muß sich von allen an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister einge­ tragenen Firmen deutlich unterscheiden. Hat ein Kaufmann mit einem in das Handels­ register bereits eingetragenen Kaufmann gleiche Vor- und Familiennamen, und will auch er sich derselben als seiner Firma bedienen, so muß er dieser einen Zusatz beifügen, durch welchen sich dieselbe von der bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheidet. 21. Die Firma muß auch für die an einem anderen Orte oder in einer anderen Gemeinde

19

errichtete Zweigniederlassung bei dem für die letztere zuständigen Handelsgerichte angemeldet werden. Besteht an dem Orte oder in der Gemeinde, wo die Zweigniederlassung errichtet wird, bereits eine gleiche Firma, so muß der Firma ein Zusatz beigefügt werden, durch welchen sie sich von jener bereits vorhandenen Firma deutlich unterscheidet. Die Eintragung bei dem Handelsgerichte der Zweigniederlassung findet nicht statt, bevor nach­ gewiesen ist, daß die Eintragung bei dem Handelsgerichte der Hauptniederlassung geschehen ist. 22. Wer ein bestehendes Handelsgeschäft durch

Vertrag oder Erbgang erwirbt, kann dasselbe unter der bisherigen Firma mit oder ohne einen das Nachfolgeverhältniß andeutenden Zusatz fortführen, wenn der bisherige Geschäftsinhaber oder dessen Erben oder die etwaigen Miterben in die Fort­ führung der Firma ausdrücklich willigen. 23. Die Veräußerung einer Firma als solcher, abgesondert von dem Handelsgeschäft, für welches sie bisher geführt wurde, ist nicht zulässig. 24. Wenn in ein bestehendes Handelsgeschäft Jemand als Gesellschafter eintritt, oder wenn ein Gesellschafter zu einer Handelsgesellschaft neu hinzutriit oder aus einer solchen austritt, so kann, ungeachtet dieser Veränderung, die ursprüngliche Firma fortgeführt werden. Jedoch ist beim Austreten eines Gesellschafters dessen ausdrückliche Einwilligung in die Fort­ führung der Firma erforderlich, wenn sein Name in der Firma enthalten ist. 25. Wenn die Firma geändert wird oder er­ lischt, oder wenn die Inhaber der Firma sich ändern, so ist dies nach den Bestimmungen des Artikels 19 bei dem Handelsgerichte anzumelden. Ist die Aenderung oder das Erlöschen nicht in das Handelsregister eingetragen und öffentlich bekannt gemacht, so kann derjenige, bei welchem jene Thatsachen eingetreten sind, dieselben einem Dritten nur insofern entgegensetzen, als er beweist, daß sie dem letzteren bekannt waren. Ist die Eintragung und Bekanntmachung ge­ schehen, so muß ein Dritter die Aenderung oder das Erlöschen gegen sich gelten lassen, sofern nicht die Umstände die Annahme begründen, daß er diese Thatsachen weder gekannt habe, noch habe kennen müssen. 26. Das Handelsgericht hat die Betheiligten zur Befolgung der Vorschriften der Artikel 19, 21 und 25 von Amtswegen durch Ordnungsstrafen an­ zuhalten. In gleicher Weise hat es gegen diejenigen ein­ zuschreiten, welche sich einer nach den Vorschriften dieses Titels ihnen nicht zustehenden Firma be­ dienen. 9 27. Wer durch den unbefugten Gebrauch einer Firma in seinen Rechten verletzt ist, kann den 9. Vgl. §§ 19-24, 26 E.-G.

20

E. Allgern. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. I. T. IV. V.

Unberechtigten auf Unterlassung der weiteren Führung der Firma und auf Schadensersatz be­ langen. Ueber das Vorhandensein und die Höhe des Schadens entscheidet das Handelsgericht nach seinem freien Ermessen. Das Handelsgericht kann die Veröffentlichung des Erkenntnisses auf Kosten des Verurtheilten ver­ ordnen. 10

Vierter Titel. Man bett Kanbelsvnchern 11 28. Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen, aus welchen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens vollständig zu ersehen sind.12 Er ist verpflichtet, die empfangenen Handels­ briefe aufzubewahren und eine Abschrift (Kopie oder Abdruck) der abgesandten Handelsbriefe zurückzubehalten und nach der Zeitfolge in ein Kopirbuch einzutragen. 29. Jeder Kaufmann hat bei dem Beginne seines Gewerbes seine Grundstücke, seine Forde­ rungen und Schulden, den Betrag seines baaren Geldes und seine anderen Vermögensstücke genau zu verzeichnen, dabei den Werth der Vermögens­ stücke anzugeben und einen das Verhältniß des Vermögens und der Schulden darstellenden Ab­ schluß zu machen; er hat demnächst in jedem Jahre ein solches Inventar und eine solche Bilanz seines Vermögens anzufertigen. Hat der Kaufmann ein Waarenlager, dessen Inventar nach der Beschaffenheit des Geschäfts nicht füglich in jedem Jahre geschehen kann, so genügt es, wenn das Inventar des Waarenlagers alle zwei Jahre ausgenommen wird. Für Handelsgesellschaften kommen dieselben Bestimmungen in Bezug auf das Gesellschafts­ vermögen zur Anwendung. 30. Das Inventar und die Bilanz sind von dem Kaufmann zu unterzeichnen. Sind mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so haben sie alle zu unterzeichnen. Das Inventar und die Bilanz können in ein dazu bestimmtes Buch eingeschrieben oder jedes­ mal besonders aufgestellt werden. Im letzteren Falle sind dieselben zu sammeln und in zusam­ menhängender Reihenfolge geordnet aufzubewahren. 31. Bei der Aufnahme des Inventars und der Bilanz sind sämmtliche Vermögensstücke und For­ derungen nach dem Werthe anzusetzen, welcher ihnen zur Zeit der Aufnahme beizulegen ist. 10. Vgl. Bem. zu Art. 9 u. § 25 E.-G. 11. Die von der Beweiskraft der Handelsbücher han­ delnden Artt. 34-36, 37 Satz 2, 39 sind aufgehoben durch § 13 Nr. 2 E.-G. z. C.-P.-O.

12. Es ist nicht erforderlich, daß die Bücher der Kaufleute mit dem Handzuge des Gerichtspräsidenten versehen werden (G.-Pr. v. 27. Nov., Samml. Colmar I Nr. 166). Dgl. Bem. zu Art. 11 fr. H.-G.-B.

Zweifelhafte Forderungen sind nach ihrem wahrscheinlichen Werthe anzusetzen, uneinbring­ liche Forderungen aber abzi.schreiben. 32. Bei der Führung der Handelsbücher und bei den übrigen erforderlichen Aufzeichnungen muß sich der Kaufmann einer lebenden Sprache und der Schriftzeichen einer solchen bedienen. Die Bücher müssen gebunden und jedes von ihnen muß Blatt für Blatt mit fortlaufenden Zahlen versehen sein. An Stellen, welche der Regel nach zu be­ schreiben sind, dürfen keine leeren Zwischenräume gelassen werden. Der ursprüngliche Inhalt einer Eintragung darf nicht durch Durchstreichen oder auf andere Weise unleserlich gemacht, es darf nichts radirt, noch dürfen solche Veränderungen vorgenommen werden, bei deren Beschaffenheit es ungewiß ist, ob sie bei der ursprünglichen Eintragung oder erst später gemacht worden sind. 33. Die Kaufleute sind verpflichtet, ihre Han­ delsbücher während zehn Jahren, von dem Tage der in dieselben geschehenen letzten Eintragung an gerechnet, aufzubewahren. Dasselbe gilt in Ansehung der empfangenen Handelsbriese, sowie in Ansehung der Inventare und Bilanzen. 37. Im Laufe eines Rechtsstreits kann der Richter auf den Antrag einer Partei die Vor­ legung der Handelsbücher der Gegenpartei ver­ ordnen . ... 13 38. Wenn in einem Rechtsstreite Handelsbücher vorgelegt werden, so ist von dem Inhalte der­ selben, soweit er den Streitpunkt betrifft, unter Zuziehung der Parteien Einsicht zu nehmen und im geeigneten Falle einen Auszug zu fertigen. Der übrige Inhalt der Bücher ist dem Richter insoweit offen zu legen, als dies zur Prüfung ihrer ordnungsmäßigen Führung nothwendig ist.14 40. Die Mittheilung der Handelsbücher zur vollständigen Kenntnißnahme von ihrem ganzen Inhalte kann in Erbschafts- oder Gütergemein­ schafts-Angelegenheiten, sowie in Gesellschaftstheilungssachen und im Konkurse, soweit es die Bücher des Gemeinschuldners betrifft, gerichtlich verordnet werden.15

Fünfter Titel. Aon den Prokuristen und Kandtungsöevollmächtigten. 41. Wer von dem Eigenthümer einer Handels­ niederlassung (Prinzipal) beauftragt ist, in dessen Namen und für dessen Rechnung das Handels­ geschäft zu betreiben und per procura die Firma zu zeichnen, ist Prokurist.

13. Vgl. Bem. zu Art. 9. 14. Vgl. Bem. zu Art. 9. 15. Vgl. Bem. zu Art. 9.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. Ij T. V.

Die Bestellung des Prokuristen kann durch Ertheilung einer ausdrücklich als Prokura be­ zeichneten Vollmacht, oder durch ausdrückliche Bezeichnung des Bevollmächtigten als Prokuristen, oder durch die Ermächtigung, per procura die Firma des Prinzipals zu zeichnen, geschehen. Die Prokura kann mehreren Personen gemein­ schaftlich ertheilt werden (Kollektivprokura). 42. Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, welche der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt; sie ersetzt jede nach den Landesgesetzen erforderliche Spezialvoll­ macht ; sie berechtigt zur Anstellung und Ent­ lassung von Handlungsgehülfen und Bevoll­

mächtigten. Zur Veräußerung und Belastung von Grund­ stücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugniß besonders ertheilt ist. 43. Eine Beschränkung des Umfanges der Prokura (Art. 42) hat dritten Personen gegen­ über keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere von der Beschränkung, daß die Prokura nur für gewisse Geschäfte oder gewisse Arten von Geschäften gelte, oder daß sie nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten ausgeübt werden solle. 44. Der Prokurist hat in der Weise zu zeichnen, daß er der Firma einen die Prokura andeutenden Zusatz und seinen Namen beifügt. . Bei einer Kollektivprokura hat jeder Prokurist der mit diesem Zusatze versehenen Firmazeichnung seinen Namen beizufügen. 45. Die Ertheilung der Prokura ist vom Prin­ zipal persönlich oder in beglaubigter Form beim Handelsgerichte zur Eintragung in das Handels­ register anzumelden. Der Prokurist hat die Firma nebst seiner Namensunterschrift persönlich vor dem Handelsgerichte zu zeichnen (Art. 44) oder die Zeichnung in be­ glaubigter Form einzureichen. Das Erlöschen der Prokura ist von dem Prin­ zipal in gleicher Weise zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Betheiligten sind zur Befolgung dieser Vorschriften von Amtswegen durch Ordnungs­ strafen anzuhalten. 16 46. Wenn das Erlöschen der Prokura nicht in das Handelsregister eingetragen und öffentlich bekannt gemacht ist, so kann der Prinzipal das­ selbe einem Dritten nur dann entgegensetzen, wenn er beweist, daß es letzterem beim Abschlüsse

des Geschäfts bekannt war. Ist die Eintragung und Bekanntmachung ge­ schehen, so muß ein Dritter das Erlöschen der Prokura gegen sich gelten lassen, sofern nicht durch die Umstände die Annahme begründet wird, 16. Vgl. 88 19-24, 26 E.-G.

21

daß er das Erlöschen beim Abschlüsse des Ge­ schäfts weder gekannt habe, noch habe kennen müssen. 47. Wenn ein Prinzipal Jemanden ohne Er­ theilung der Prokura, sei es zum Betriebe seines ganzen Handelsgewerbes oder zu einer bestimmten Art von Geschäften oder zu einzelnen Geschäften, in seinem Handelsgewerbe bestellt (Handlungs­ bevollmächtigter), so erstreckt sich die Vollmacht

auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, welche der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhn­ lich mit sich bringt. Jedoch ist der Handlungsbevollmächtigte zum Eingehen von Wechselverbindlichkeiten, zur Auf­ nahme von Darlehen und zur Prozeßführung nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugniß besonders ertheilt ist. Im Uebrigen bedarf er zu den Geschäften, auf welche sich seine Vollmacht erstreckt, der in den Landesgesetzen vorgeschriebenen Spezialvollmacht nicht. 48. Der Handlungsbevollmächtigte hat sich bei der Zeichnung jedes eine Prokura andeutenden Zusatzes zu enthalten; er hat mit einem das Vollmachtsverhältniß ausdrückenden Zusatze zu zeichnen. 49. Die Bestimmungen der beiden vorhergehen­ den Artikel finden auch Anwendung auf Hand­ lungsbevollmächtigte, welche ihr Prinzipal als Handlungsreisende zu Geschäften an auswärtigen Orten verwendet. Dieselben gelten insbesondere für ermächtigt, den Kaufpreis aus den von ihnen abgeschlossenen Verkäufen einzuziehen oder dafür Zahlungsfristen zu bewilligen. 50. Wer in einem Laden oder in einem offenen Magazin oder Waarenlager angestellt ist, gilt für ermächtigt, daselbst Verkäufe und Empfangnahmen vorzunehmen, welche in einem derartigen Laden, Magazin oder Waarenlager gewöhnlich geschehen. 51. Wer die Waare und eine unquittirte Rechnung überbringt, gilt deßhalb noch nicht für ermächtigt, die Zahlung zu empfangen. 52. Durch das Rechtsgeschäft, welches ein Pro­ kurist oder ein Handlungsbevollmächtigter gemäß der Prokura oder der Vollmacht im Namen des Prinzipals schließt, wird der letztere dem Dritten gegenüber berechtigt und verpflichtet. Es ist gleichgültig, ob das Geschäft ausdrücklich im Namen des Prinzipals geschlossen worden ist, oder ob die Umstände ergeben, daß es nach dem Willen der Kontrahenten für den Prinzipal ge­ schloffen werden sollte. Zwischen den Prokuristen oder Bevollmächtigten und dem Dritten erzeugt das Geschäft weder Rechte noch Verbindlichkeiten. 53. Der Prokurist oder der Handlungsbevoll­ mächtigte kann ohne Einwilligung des Prinzipals seine Prokura oder Handlungsvollmacht auf einen Anderen nicht übertragen.

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E.

Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. I. T. VI.

54. Die Prokura oder Handlungsvollmacht ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Rechte aus dem bestehenden Dienstverhältnisse. Der Tod des Prinzipals hat das Erlöschen der Prokura oder Handlungsvollmacht nicht zur Folge. 55. Wer ein Handelsgeschäft als Prokurist oder als Handlungsbevollmächtigter schließt, ohne Pro­ kura oder Handlungsvollmacht erhalten zu haben, ingleichen ein Handlungsbevollmächtigter, welcher bei Abschluß eines Geschäfts seine Vollmacht über­ schreitet, ist dem Dritten persönlich nach Handels­ recht verhaftet; der Dritte kann nach seiner Wahl ihn auf Schadenersatz oder Erfüllung belangen. Diese Haftungspflicht tritt nicht ein, wenn der Dritte, ungeachtet er den Mangel der Prokura oder der Vollmacht oder die Überschreitung der letzteren kannte, sich mit ihm eingelassen hat. 56. Ein Prokurist oder ein zum Betriebe eines ganzen Handelsgewerbes bestellter Handlungs­ bevollmächtigter darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder für eigene Rechnung, noch für Rechnung eines Dritten Handelsgeschäfte machen. Eine Einwilligung des Prinzipals ist schon dann anzunehmen, wenn ihm bei Ertheilung der Prokura oder der Vollmacht bekannt war, daß der Prokurist oder Handlungsbevollmächtigte für eigene oder fremde Rechnung Handelsgeschäfte betreibe, und ex die Aufgebung dieses Betriebes nicht bedungen hat. Uebertritt der Prokurist oder Handlungsbevoll­ mächtigte diese Vorschrift, so kann der Prinzipal Ersatz des verursachten Schadens fordern. Auch muß sich der Prokurist oder Handlungsbevollmäch­ tigte auf Verlangen des Prinzipals gefallen lassen, daß die für seine Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Prinzipals geschlossen an­ gesehen werden.

59. Ein Handlungsgehülfe darf ohne Einwilli­ gung des Prinzipals weder für eigene Rechnung noch für Rechnung eines Dritten Handelsgeschäfte machen. In dieser Beziehung kommen die für den Pro­ kuristen und Handlungsbevollmächtigten geltenden Bestimmungen (Art. 56) zur Anwendung. 60. Ein Handlungsgehülfe, welcher durch un­ verschuldetes Unglück an Leistung seines Dienstes zeitweise verhindert wird, geht dadurch seiner Ansprüche auf Gehalt und Unterhalt nicht ver­ lustig. Jedoch hat er auf diese Vergünstigung nur für die Dauer von sechs Wochen Anspruch. 61. Das Dienstverhältniß zwischen dem Prin­ zipal und dem Handlungsdiener kann von jedem Theile mit Ablauf eines jeden Kalenderviertel­ jahres nach vorgängiger sechswöchentlicher Kün­ digung ' aufgehoben werden. Ist durch Vertrag eine kürzere oder längere Zeitdauer oder eine kürzere oder längere Kündigungsfrist bedungen, so hat es hierbei sein Bewenden. In Betreff der Handlungslehrlinge ist die Dauer der Lehrzeit nach dem Lehrvertrage und in Ermangelung vertragsmäßiger Bestimmungen nach den örtlichen Verordnungen oder dem Orts­ gebrauche zu beurtheilen. 62. Die Aushebung des Dienstverhältnisses vor­ der bestimmten Zeit (Art. 61) kann aus wichtigen Gründen von jedem Theile verlangt werden. Die Beurtheilung der Wichtigkeit der Gründe bleibt dem Ermessen des Richters überlassen. 63. Gegen den Prinzipal kann insbesondere die Aufhebung des Dienstverhältnisses ausge­ sprochen werden, wenn derselbe den Gehalt oder den gebührenden Unterhalt nicht gewährt, oder wenn er sich thätlicher Mißhandlungen oder schwerer Ehrverletzungen gegen den Handlungs­ gehülfen schuldig macht.

Sechster Titel.

64. Gegen den Handlungsgehülsen kann insbe­ sondere die Aufhebung des Dienstverhältnisses

Won den Kandlungsgehütfen.17

ausgesprochen werden: 1) wenn derselbe im Dienste untreu ist oder das Vertrauen mißbraucht; 2) wenn derselbe ohne Einwilligung des Prin­ zipals für eigene Rechnung eines Dritten Han­

57. Die Natur der Dienste und die Ansprüche der Handlungsgehülfen (Handlungsdiener, Hand­ lungslehrlinge) auf Gehalt und Unterhalt werden, in Ermangelung einer Uebereinkunft, durch den Ortsgebrauch oder durch das Ermessen des Ge­ richts, nöthigenfalls nach Einholung eines Gut­ achtens von Sachverständigen bestimmt. 58. Ein Handlungsgehülfe 'ist nicht ermächtigt, Rechtsgeschäfte im Namen und für Rechnung des Prinzipals vorzunehmen. Wird er jedoch von dem Prinzipal zu Rechts­ geschäften in dessen Handelsgewerbe beauftragt, so finden die Bestimmungen über Handlungsbe­ vollmächtigte Anwendung. 17. Die Artt. 57-65 sind bezüglich der Handlungslehrlinge an die Stelle des G. v. 22. Febr. 1851, betr. die Lehrver­ träge, getreten.

delsgeschäfte macht; 3) wenn derselbe seine Dienste zu leisten ver­ weigert oder ohne einen rechtmäßigen Hinderungs­ grund während einer den Umständen nach erheb­

lichen Zeit unterläßt; 4) wenn derselbe durch anhaltende Krankheit oder Kränklichkeit oder durch eine längere Frei­ heitsstrafe oder Abwesenheit an Verrichtung seiner

Dienste verhindert wird; 5) wenn derselbe sich thätlicher Mißhandlungen oder erheblicher Ehrverletzungen gegen den Prin­ zipal schuldig macht; 6) wenn derselbe sich einem unsittlichen Lebens­

wandel ergibt.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IT. VII. 65. Hinsichtlich der Personen, welche bei dem Betriebe des Handelsgewerbes Gesindedienste verrichten, hat es bei den für das Gesinde-Dienst­ verhältniß geltenden Bestimmungen sein Be­ wenden.

Siebenter Titel.

Won den Kandetsmäkkern oder Sensalen.^ 66. Die Handelsmäkler (Sensale) sind amtlich bestellte Vermitter für Handelsgeschäfte. Sie leisten vor Antritt ihres Amtes den Eid, daß sie die ihnen obliegenden Pflichten getreu erfüllen wollen. 67. Die Handelsmäkler vermitteln für Auftrag­ geber Käufe und Verkäufe über Waaren, Schiffe, Wechsel, inländische und ausländische Staats­ papiere, ingleichen Verträge über Versicherungen, Bodmerei, Befrachtung und Miethe von Schiffen, sowie über Land- und Wassertransporte und andere den Handel betreffende Gegenstände. Durch die übertragene Geschäftsvermittelung ist ein Handelsmükler noch nicht als bevollmächtigt anzusehen, eine Zahlung oder eine andere im Vertrage bedungene Leistung in Empfang zu nehmen. 68. Die Anstellung der Handelsmäkler geschieht entweder im Allgemeinen für alle Arten von Mäklergeschäften oder nur für einzelne Arten derselben. 69. Die Handelsmäkler haben insbesondere fol­ gende Pflichten: 1) sie dürfen für eigene Rechnung keine Han­ delsgeschäfte machen, weder unmittelbar noch mittelbar, auch nicht als Kommissionäre, sie dürfen für die Erfüllung der Geschäfte, welche sie ver­ mitteln, sich nicht verbindlich machen oder Bürg­ schaft leisten, alles dies unbeschadet der Gültigkeit der Geschäfte; 2) sie dürfen zu keinem Kaufmann in dem Verhältniß eines Prokuristen, Handlungsbevoll­ mächtigten oder Handlungsgehülfen stehen < 3) sie dürfen sich nicht mit anderen Handels­ mäklern zu einem gemeinschaftlichen Betriebe der Mäklergeschäfte oder eines Theiles derselben ver­ einigen; zur gemeinschaftlichen Vermittelung ein­ zelner Geschäfte sind sie unter Zustimmung der Auftraggeber befugt; 4) sie müssen die Mäklerverrichtungen persönlich betreiben und dürfen sich zur Abschließung der Geschäfte eines Gehülfen nicht bedienen; 5) sie sind zur Verschwiegenheit über die Auf­ träge, Verhandlungen und Abschlüsse verpflichtet, soweit nicht das Gegentheil durch die Parteien bewilligt oder durch die Natur des Geschäfts ge­ boten ist; 18. Die von der Beweiskraft der Bücher der Handels­ mäkler handelnden §§ 77 u. 78 sowie 79 Abs. 2 sind auf­ gehoben durch § 13 Nr. 2 E.-G. z. C.-P.-O.

23

6) sie dürfen zu keinem Geschäfte die Einwilli­ gung der Parteien oder deren Bevollmächtigten anders annehmen, als durch ausdrückliche und persönliche Erklärung; es ist den Mäklern weder erlaubt, von Abwesenden Aufträge zu übernehmen, noch sich zur Vermittelung eines Unterhändlers zu bedienen. 70. Handelsmäklern, welche Schiffsmäkelei be­ treiben, kann gestattet werden, den Schiffern im Einziehen und Vorschießen der Frachten und Un­ kosten als Abrechner oder in anderer ortsüblicher Weise Hülfsdienste zu leisten. 71. Der Handelsmäkler muß außer seinem Handbuche ein Tagebuch führen, in welches letztere alle abgeschlossenen Geschäfte täglich einzutragen sind. Das Eingetragene hat er täglich zu unter­

zeichnen. Das Tagebuch muß vor dem Gebrauche Blatt für Blatt mit fortlaufenden Zahlen bezeichnet und der vorgesetzten Behörde zur Beglaubigung der Zahl der Blätter vorgelegt werden. 72. Die Eintragungen in das Tagebuch müssen die Namen der Kontrahenten, die Zeit des Ab­ schlusses, die Bezeichnung des Gegenstandes und die Bedingungen des Geschäfts, insbesondere bei Verkäufen von Waaren die Gattung und Menge derselben, sowie den Preis und die Zeit der Lie­ ferung enthalten. Die Eintragungen müssen in deutscher Sprache, oder, sofern die Geschäftssprache des Ortes eine andere ist, in dieser geschehen; sie müssen nach Ordnung des Datums und ohne leere Zwischen­

räume erfolgen. Die Bestimmungen über die Einrichtung der Handelsbücher (Art. 32) finden auch auf das

Tagebuch des Mäklers Anwendung. 73. Der Handelsmäkler muß ohne Verzug nach Abschluß des Geschäfts jeder Partei eine von ihm unterzeichnete Schlußnote, welche die in dem vor­ hergehenden Artikel als Gegenstand der Eintra­ gung bezeichneten Thatsachen enthält, zustellen. Bei Geschäften, welche nicht sofort erfüllt wer­ den sollen, ist die Schlußnote den Parteien zu ihrer Unterschrift zuzustellen und jeder Partei das von der anderen unterschriebene Exemplar zu übersenden. Verweigert eine Partei die Annahme oder Un­ terschrift der Schlußnote, so muß der Handels­ mäkler davon der anderen Partei ohne Verzug

Anzeige machen. 74. Der Handelsmäkler ist verpflichtet, den Parteien zu jeder Zeit auf Verlangen beglaubigte Auszüge aus dem Tagebuche zu geben, die Alles .enthalten müssen, was von dem Mäkler in An­ sehung des die Parteien angehenden Geschäfts eingetragen ist. 75. Wenn ein Handelsmäkler stirbt oder aus dem Amte scheidet, so ist sein Tagebuch bei der

Behörde niederzulegen. 76. Der Abschluß eines durch einen Handels-

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. I Abschn. 1.

Mäkler vermittelten Vertrages ist von der Ein­ tragung desselben in das Tagebuch oder von der Schlußnoten unabhängig.

Umfang ihrer Pflichten (Art. 69) erweitert oder eingeschränkt werden.20

Diese Thatsachen dienen nur zum Beweise des abgeschlossenen Vertrages. 79. Im Laufe eines Rechtsstreits kann der Richter, selbst ohne Antrag einer Partei, die Vorlegung des Tagebuchs verordnen, um dasselbe einzusehen und mit der Schlußnote, den Auszügen und anderen Beweismitteln zu vergleichen....19 80. Der Handelsmäkler muß, sofern nicht die Parteien ihm dieses erlassen haben oder der Ortsgebrauch mit Rücksicht auf die Gattung der Waare davon entbindet, von jeder durch seine Vermittelung nach Probe verkauften Waare die Probe, nachdem er dieselbe behufs oer Wiederer­ kennung gezeichnet hat, so lange aufbewahren, bis die Waare ohne Einwendung gegen ihre Beschaf­ fenheit angenommen, oder das Geschäft in anderer Weise erledigt ist. 81. Jedes Verschulden des Handelsmäklers be­ rechtigt die dadurch beschädigte Partei, Schadlos­ haltung von ihm zu fordern. 82. Der Handelsmäkler hat die Mäklergebühr (Sensarie) zu fordern, sobald das Geschäft ge­ schlossen und, wenn es ein bedingtes war, unbe­ dingt geworden und von ihm seiner Verpflichtung wegen Zustellung der Schlußnoten Genüge ge­ schehen ist, unbeschadet anderweiter Bestimmung durch örtliche Verordnungen oder durch Orts­ gebrauch. Ist das Geschäft nicht zum Abschlüsse gekommen, oder nicht zu einem unbedingten geworden, so kann für die Unterhandlungen keine Mäklergebühr gefordert werden. Der Betrag der Mäklergebühr wird durch ört­ liche Verordnungen geregelt; in Ermangelung derselben entscheidet der Ortsgebrauch. 83. Ist unter den Parteien nichts darüber vereinbart, wer die Maklergebühr bezahlen soll, so ist dieselbe in Ermangelung örtlicher Verord­ nungen oder eines Ortsgebrauchs von jeder Partei zur Hälfte zu entrichten. 84. Ueber die Anstellung der Handelsmäkler und über die Bestrafung der von ihnen im Berufe begangenen Pflichtverletzungen das Erforderliche zu bestimmen, bleibt den Landesgesetzten über­ lassen. Den Landesgesetzen bleibt Vorbehalten, die Vorschriften dieses Titels nach Maßgabe der örtlichen Bedürfnisse zu ergänzen; es kann ins­ besondere den Handelsmäklern das ausschließliche Recht zur Vermittelung von Handelsgeschäften beigelegt werden. Auch kann in den Landesgesetzten oder in ört­ lichen Verordnungen der in diesem Titel den Handelsmäklern zugewiesene Kreis von Amtsver­ richtungen und Befugnissen (Artt. 67, 70) oder der

Zweites Buch.

19. Vgl. Bem. zu Art. 9.

Von den Handelsgesellschaften. Erster

Titel.

Mon der offenen Kandetsgeselkschaft. Erster Abschnitt. Von der Errichtung der HefeUfchaft.

85. Eine offene Handelsgesellschaft ist vorhanden, wenn zwei oder mehrere Personen ein Handels­ gewerbe unter gemeinschaftlicher Firma betreiben und bei keinem der Gesellschafter die Betheiligung auf Vermögenseinlagen beschränkt ist. Zur Gültigkeit des Gesellschaftsvertrages bedarf es der schriftlichen Abfassung oder anderer Förm­ lichkeiten nicht. 86. Die Errichtung einer offenen Handelsgegesellschaft ist von den Gesellschaftern bei dem Handelsgerichte, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, und bei jedem Handelsgerichte, in dessen Bezirk sie eine Zweigniederlassung hat, behufs der Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Anmeldung muß enthalten: 1) den Namen, Vornamen, Stand und Wohn­ ort jedes Gesellschafters; 2) die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat; 3) den Zeitpunkt, in welchem die Gesellschaft begonnen hat; 4) im Falle vereinbart ist, daß nur einer oder einige der Gesellschafter die Gesellschaft vertreten sollen, die Angabe, welcher oder welche dazu be­ stimmt sind, ingleichen, ob das Recht nur in Gemeinschaft ausgeübt werden soll. 87. Wenn die Firma einer bestehenden Gesell­ schaft geändert oder der Sitz der Gesellschaft an einen andern Ort verlegt wird, oder wenn neue Gesellschafter in dieselbe eintreten, oder wenn einem Gesellschafter die Befugniß, die Gesellschaft zu vertreten (Art. 86 Ziff. 4), nachträglich er­ theilt, oder wenn eine solche Befugniß aufgehoben

wird, so sind diese Thatsachen bei dem Handelsgerichte behufs der Eintragung in das Handelsregister

anzumelden. Bei der Aenderung einer Firma, bei der Ver­ legung des Sitzes der Gesellschaft und bei der Aufhebung der Vertretungsbefugniß richtet sich die Wirkung gegen Dritte in den Fällen der geschehenen oder nicht geschehenen Eintragung und Bekanntmachung nach den Bestimmungen des

Artikels 25. 20. Ueber die Wechselagenten und Mäkler vgl. Artt. 74-90 fr. H.-G.-B. nebst Bem., über deren Anstellung § 2 Abs. 2 E.-G.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. I Abschn. 2. 88. Die Anmeldungen (Artt. 86, 87) müssen von allen Gesellschaftern persönlich vor dem Handels­ gerichte unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden. Sie sind ihrem ganzen Inhalte nach in das Handelsregister einzutragen. Die Gesellschafter, welche die Gesellschaft ver­ treten sollen, haben die Firma nebst ihrer Na­ mensunterschrift persönlich Vor dem Handelsgerichte zu zeichnen oder die Zeichnung derselben in be­ glaubigter Form einzureichen. 89. Das Handelsgericht hat die Betheiligten zur Befolgung der vorstehenden Anordnungen (Artt. 86-88) von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. 21

Zweiter Abschnitt. Kon dem Aechtsverhattniß der HefeNfchafLer unter einander.

90. Das Rechtsverhältniß der Gesellschafter unter einander richtet sich zunächst nach dem Gesellschaftsvertrage. Soweit über die in den nachfolgenden Artikeln dieses Abschnitts berührten Punkte keine Verein­ barung getroffen ist, kommen die Bestimmungen dieser Arkikel zur Anwendung. 91. Wenn Geld oder andere verbrauchbare oder vertretbare Sachen, oder iuenn unverbrauchbare oder unvertretbare Sachen nach einer Schätzung, die nicht blos zum Zweck der Gewinnverteilung geschieht, in die Gesellschaft eingebracht werden, so werden diese Gegenstände Eigenthum der Ge­ sellschaft. Im Zweifel wird angenommen, daß die in das Inventar der Gesellschaft mit der Unterschrift sämmtlicher Gesellschafter eingetragenen, bis dahin einem Gesellschafter gehörigen, beweglichen oderunbeweglichen Sachen Eigenthum der Gesellschaft geworden sind. 92. Ein Gesellschafter ist nicht verpflichtet, die Einlage über den vertragsmäßigen Betrag zu erhöhen, oder die durch Verlust verminderte Ein­ lage zu ergänzen. 93. Für die Auslagen, welche ein Gesellschafter­ in Gesellschaftsangelegenheiten macht, für die Ver­ bindlichkeiten, welche er wegen derselben über­ nimmt, und für die Verluste, welche er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder durch seine Gefahren, welche von derselben unzertrennlich sind, erleidet, ist ihm die Gesellschaft verhaftet. Von den vorgeschossenen Geldern kann er Zinsen fordern, vom Tage des geleisteten Vorschusses an gerechnet. Für die Bemühungen bei dem Betriebe der Gesellschaftsgeschäfte steht dem Gesellschafter ein Anspruch auf Vergütung nicht zu. 94. Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, in den Angelegenheiten der Gesellschaft den Fleiß und die Sorgfalt anzuwenden, welche er in seinen eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. 21. Vgl. §8 19-24, 26 E.-G.

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Er haftet der Gesellschaft für den Schaden, welcher ihr durch sein Verschulden entstanden ist. Er kann gegen diesen Schaden nicht die Vortheile aufrechnen, welche er der Gesellschaft in anderen Fällen durch seinen Fleiß verschafft hat. 95. Ein Gesellschafter, welcher seine Geldeinlage nicht zur rechten Zeit einzahlt, oder eingenommene Gesellschaftsgelder nicht zur rechten Zeit an die Gesellschaftskaffe abliefert, oder unbefugt Gelder aus der Gesellschaftskaffe für sich entnimmt, ist von Rechtswegen zur Entrichtung von Zinsen seit dem Tage verpflichtet, an welchem die Zahlung oder die Ablieferung hätte geschehen sollen oder die Herausnahme des Geldes erfolgt ist. Die Verpflichtung zum Ersätze des etwa ent­ standenen größeren Schadens und die übrigen rechtlichen Folgen der Handlung werden hierdurch nicht ausgeschlossen. 96. Ein Gesellschafter darf ohne Genehmigung der anderen Gesellschafter weder in dem Handels­ zweige der Gesellschaft für eigene Rechnung oder für Rechnung eines Dritten Geschäfte machen, noch an einer anderen gleichartigen Handelsgesell­ schaft als offener Gesellschafter theilnehmen. Eine Genehmigung der Theilnahme an eineranderen gleichartigen Handelsgesellschaft ist schon dann anzunehmen, wenn den übrigen Gesellschaftern bei Eingehung der Gesellschaft bekannt war, daß der Gesellschafter an jener Handelsgesellschaft als offener Gesellschafter theilnehme, und gleichwohl das Aufgeben der Theilnahme nicht ausdrücklich bedungen worden ist. 97. Ein Gesellschafter, welcher den vorstehenden Bestimmungen zuwiderhaudelt, muß sich auf Ver­ langen der Gesellschaft gefallen lassen, daß die für seine Rechnung gemachten Geschäfte als für Rech­ nung der Gesellschaft geschlossen angesehen werden; auch kann die Gesellschaft statt dessen den Ersatz des entstandenen Schadens fordern; alles dieses unbeschadet des Rechts, die Auflösung des Gesellschastsvertrages in den geeigneten Fällen herbeizuführen. Das Recht der Gesellschaft, in ein von dem Gesellschafter für eigene Rechnung gemachtes Ge­ schäft einzutreten oder Schadenersatz zu fordern, erlischt nach drei Monaten, von dem Zeitpunkte an gerechnet, in welchem die Gesellschaft von dem Abschlüsse des Geschäfts Kenntniß erhalten hat. 98. Ein Gesellschafter kann ohne die Einwilli­ gung der übrigen Gesellschafter keinen Dritten in die Gesellschaft aufnehmen. Wenn ein Gesellschafter einseitig einen Dritten an seinem Antheile betheiligt oder seinen Antheil an denselben abtritt, so erlangt dieser gegen die Gesellschaft unmittelbar keine Rechte; er ist ins­ besondere zur Einsicht der Handelsbücher und Papiere der Gesellschaft nicht berechtigt. 99. Wenn die Geschäftsführung in dem Gesell­ schaftsvertrage einem oder mehreren der Gesell­ schafter übertragen ist, so schließen diese die übrigen

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E, Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. I. Abschn. 3.

Gesellschafter von der Geschäftsführung aus; sie sind berechtigt, ungeachtet des Widerspruchs der übrigen Gesellschafter, alle Handlungen vorzu­ nehmen, welche der gewöhnliche Betrieb des

Hündelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt. 100. Wenn die Geschäftsführung mehreren Gesellschaftern mit der ausdrücklichen Beschränkung übertragen ist, daß einer nicht ohne den andern handeln könne, so darf keiner allein Geschäfte vor­ nehmen, es sei denn daß Gefahr im Verzüge ist. Ist hingegen mehreren Gesellschafter die Ge­ schäftsführung ohne diese ausdrückliche Beschränkung übertragen, so darf jeder derselben allein alle zur Geschäftsführung gehörenden Handlungen vor­ nehmen. Jedoch muß, wenn einer unter ihnen gegen die Vornahme einer Handlung Widerspruch erhebt, dieselbe unterbleiben. 101. Die im Gesellschaftsvertrage einem odermehreren Gesellschaftern geschehene Übertragung der Geschäftsführung kann, so lange die Gesell­ schaft dauert, nicht ohne rechtmäßige Ursache widerrufen werden. Die Beurtheilnng, ob eine rechtmäßige Ursache vorliege, bleibt dem Ermessen des Richters über­ lassen. Der Widerruf kann insbesondere in den im Artikel 125 Ziffer 2 bis 5 bezeichneten Fällen für begründet erklärt werden. 102. Wenn im Gesellschaftsvertrage die Ge­ schäftsführung nicht einem oder mehreren Gesell­ schaftern übertragen ist, so sind alle Gesellschafter zum Betriebe der Geschäfte der Gesellschaft gleich­ mäßig berechtigt und verpflichtet. Erhebt ein Gesellschafter gegen die Vornahme einer Handlung Widerspruch, so muß dieselbe unterbleiben. 103. Ein Beschluß der sämmtlichen Gesellschafter muß vor der Vornahme von Geschäften eingeholt werden, welche über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, oder welche dem Zweck derselben fremd sind. Dies ist auch dann erforderlich, wenn die Ge­ schäftsführung einem oder mehreren Gesellschaftern übertragen ist. Zur Fassung des Beschlusses ist Stimmenein­ helligkeit erforderlich. Ist diese nicht zu erlangen, so muß die Handlung, in Ansehung deren Beschluß gefaßt werden soll, unterbleiben. 104. Zur Bestellung eines Prokuristen ist, so­ fern nicht Gefahr im Verzüge ist, die Einwilligung aller geschäftssührenden Gesellschafter, und wenn keine solche ernannt sind, die Einwilligung aller Gesellschafter erforderlich. Der Widerruf der Prokura kann von jedem der zur Ertheilung derselben befugten Gesellschafter geschehen. 105. Jeder Gesellschafter, auch wenn er nicht in dem Geschäftsbetriebe der Gesellschaft thätig ist, kann sich persönlich von dem Gange der Gesell­ schaftsangelegenheiten unterrichten; er kann jeder­

zeit in das Geschästslokal kommen, die Handels­ bücher und Papiere der Gesellschaft einsehen und auf ihrer Grundlage eine Bilanz zn seiner Ueber­ sicht anfertigen. Ist im Gesellschaftsvertrage ein Anderes be­ stimmt, so verliert diese Bestimmung ihre Wirkung, wenn eine Unredlichkeit in der Geschäftsführung nachgewiesen wird. 106. Jedem Gesellschafter werden am Schluffe eines jeden Geschäftsjahres von seiner Einlage, oder, wenn sich dieselbe beim Schluffe des vorigen Jahres durch Hinzurechnung seines Antheils am Gewinne vermehrt oder durch Abrechnung seines Antheils am Verluste vermindert hat, von seinem Antheile am Gesellschaftsvermögen Zinsen zu vier vom Hundert gutgeschrieben und von den während des Geschäftsjahres auf den Antheil entnommenen Geldern Zinsen in demselben Maßstabe zur Last geschrieben. Die dem Gesellschafter hiernach zukommenden Zinsen vermehren seinen Antheil am Gesellschafts­ vermögen. Vor Deckung dieser Zinsen ist kein Gewinn vorhanden, und der Verlust der Gesellschaft wird durch dieselben vermehrt oder gebildet. 107. Am Schluffe eines jeden Geschäftsjahres wird, auf Grund des Inventars und der Bilanz, der Gewinn oder der Verlust dieses Jahres er­ mittelt und für jeden Gesellschafter sein Antheil

daran berechnet. Der Gewinn jedes Gesellschafters wird seinem Antheile am Gesellschaftsvermögen zugeschrieben, der Verlust von demselben abgeschrieben. 108. Ein Gesellschafter darf ohne Einwilligung der übrigen Gesellschafter seine Einlage oder seinen Antheil am Gesellschaftsvermögen nicht vermindern. Er darf jedoch, auch ohne diese Einwilligung, auf seinen Antheil am Gesellschaftsvermögen die Zinsen desselben für das letztverflossene Jahr, und soweit es nicht zum offenbaren Nachtheil der Gesellschaft gereicht, Gelder bis zu einem Betrage entnehmen, welcher seinen Antheil am Gewinne des letztverflossenen Jahres nicht übersteigt. 109. Der Gewinn oder Verlust wird, in Er­ mangelung einer anderen Vereinbarung, unter die Gesellschafter nach Köpfen vertheilt.

Dritter Abschnitt. Man dem Aechtsverhattniß der HeseUfchaft zu dritten Personen.

110. Die rechtliche Wirksamkeit einer offenen Handelsgesellschaft tritt im Verhältniß zu dritten Personen mit dem Zeitpunkte ein, in welchem die Errichtung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, oder die Gesellschaft auch nur ihre

Geschäfte begonnen hat. Die Beschränkung, daß die Gesellschaft erst mit einem späteren Zeitpunkte, als dem der Eintragung, ihren Anfang nehmen soll, hat gegen dritte Per­

sonen keine rechtliche Wirkung.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II, T. I. Abschn. 4.

111. Die Handelsgesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. Ihr ordentlicher Gerichtsstand ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat. 22 112. Die Gesellschafter haften für alle Ver­ bindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen. Eine entgegenstehende Verabredung hat gegen Dritte keine rechtliche Wirkung. 113. Wer in eine bestehende Handelsgesellschaft eintritt, haftet gleich den anderen Gesellschaftern für alle von der Gesellschaft vor seinem Eintritte eingegangenen Verbindlichkeiten, es mag die Firma eine Aenderung erleiden oder nicht. Ein entgegenstehender Vertrag ist gegen Dritte ohne rechtliche Wirkung. 114. Jeder zur Vertretung der Gesellschaft befugte Gesellschafter ist ermächtigt, alle Arten von Geschäften und Rechtshandlungen im Namen der Gesellschaft vorzunehmen, insbesondere auch die der Gesellschaft gehörenden Grundstücke zu veräußern und zu belasten. Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, welche ein zur Vertretung ber Gesellschaft befugter Gesellschafter in ihrem Namen schließt, berechtigt und verpflichtet; es ist gleichgültig, ob das Ge­ schäft ausdrücklich im Namen der Gesellschaft geschlossen worden ist, oder ob die Umstände ergeben, daß es nach dem Willen der Kontrahenten für die Gesellschaft geschlossen werden sollte. 115. Die Gesellschaft wird durch Rechtsgeschäfte eines Gesellschafters nicht verpflichtet, wenn der­ selbe von der Befugniß, die Gesellschaft zu ver­ treten, ausgeschlossen (Art. 86 Ziff. 4), oder seine Befugniß, die Gesellschaft zu vertreten, auf­ gehoben ist (Art. 87), sofern hinsichtlich dieser Ausschließung oder Aufhebung die Voraus­ setzungen vorhanden sind, unter welchen nach Artikel 46 hinsichtlich des Erlöschens der Prokura die Wirkung gegen Dritte eintritt. 116. Eine Beschränkung des Umfanges der Befugniß eines Gesellschafters, die Gesellschaft zu vertreten, hat dritten Personen gegenüber keine rechtliche Wirkung; insbesondere ist die Beschrän­ kung nicht zulässig, daß die Vertretmig sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken, oder daß sie nur unter gewissen Um­ ständen oder für eine gewisse Zeit oder an ein­ zelnen Orten stattfinden solle. 117. Die Gesellschaft wird vor Gericht von jedem Gesellschafter gültig vertreten, welcher von der Befugniß, die Gesellschaft zu vertreten, nicht ausgeschlossen ist. Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft genügt 22. Vgl. Bem. zu Art. 9 u. § 19 Abs. 1 C.-P.-L.

27

es, wenn Dieselbe an einen der zur Vertretung befugten Gesellschafter geschieht.2^ 118. Die Ertheilung sowie die Aufhebung einer Prokura geschieht mit rechtlicher Wirkung gegen Dritte durch einen der zur Vertretung der Ge­ sellschaft befugten Gesellschafter. 119. Die Privatgläubiger eines Gesellschafters sind nicht befugt, die zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Sachen, Forderungen oder Rechte oder einen Antheil an denselben zum Behuf ihrer Beftiedigung oder Sicherstellung in Anspruch zu nehmen. Gegenstand der Exekution, des Arrestes oder der Beschlagnahme kann für sie nur das­ jenige sein, was der Gesellschafter selbst an Zinsen und an Gewinnantheilen zu fordern berechtigt ist, und was ihm bei der Auseinandersetzung zu­ kommt. 24 120. Die Bestimmung des vorigen Artikels gilt auch in Betreff der Privatglänbiger, zu deren Gunsten eine Hypothek oder ein Pfandrecht an dem Vermögen eines Gesellschafters kraft des Gesetzes oder aus einem andern Rechtsgrunde besteht. Ihre Hypothek oder ihr Pfandrecht erstreckt sich nicht auf die zum Gesellschaftsver­ mögen gehörigen Sachen, Forderungen und Rechte, oder auf einen Antheil an denselben, sondern nur auf dasjenige, was in dem letzten Satze des vorigen Artikels bezeichnet ist. Jedoch werden die Rechte, welche an den von einem Gesellschafter in das Vermögen der Gesell­ schaft eingebrachten Gegenständen bereits zur Zeit des Einbringens bestanden, dnrch die vorstehenden Bestimmungen nicht berührt. 121. Eine Kompensation zwischen Forderungen der Gesellschaft und Privatforderungen des Ge­ sellschaftsschuldners gegen einen einzelnen Gesell­ schafter findet während der Dauer der Gesellschaft weder ganz noch theilweise statt; nach Auflösung der Gesellschaft ist sie zulässig, wenn und insoweit die Gesellschaftsforderung dem Gesellschafter bei

der Auseinandersetzung überwiesen ist. 122. Im Falle des Konkurses der Gesellschaft werden die Gläubiger derselben aus dem Gesell­ schaftsvermögen abgesondert befriedigt, und können aus dem Privatvermögen der Gesellschafter nur wegen des Ausfalls ihre Befriedigung suchen; den Landesgesetzen bleibt Vorbehalten, zu be­ stimmen, ob und wie weit den Privatgläubigern der Gesellschafter ein Absonderungsrecht in Bezug auf das Privatvermögen derselben zusteht. 25

Vierter Abschnitt.

Bon der Auflösung der Hesellschast und dem Austreten einzelner Gesellschafter aus derselöen. 123. Die Gesellschaft wird aufgelöst: 1) durch die Eröffnung des Konkurses über die Gesellschaft; 23. Vgl. Bem. zu Art. 9. 24. Vgl. Bem. zu Art. 9. 25. Ueber das Konkursverfahren vgl. §§ 198-201 K.-K.

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. I. Abschn. 4.

2) durch den Tod eines der Gesellschafter, wenn nicht der Vertrag bestimmt, daß die Gesell­ schaft mit den Erben des Verstorbenen fortbe­ stehen soll; 3) durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines der Gesellschafter oder durch die eingetretene rechtliche Unfähigkeit eines der Gesellschafter zur selbstständigen Vermögensver­ waltung ; 26 . 4) durch gegenseitige Uebereinkunft; 5) durch Ablauf der Zeit, auf deren Dauer die Gesellschaft eingegangen ist, sofern nicht die Gesellschafter dieselbe stillschweigend fortsetzen; in diesem Falle gilt sie von da an als auf unbe­ stimmte Dauer eingegangen; 6) durch die von Seiten eines Gesellschafters geschehene Aufkündigung, wenn die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer eingegangen ist. Eine aus Lebenszeit eingegangene Gesellschaft ist als eine Gesellschaft von unbestimmter Dauer zu betrachten. 124. Die Aufkündigung einer Gesellschaft von unbestimmter Dauer seitens eines Gesellschafters muß, wenn nicht ein Anderes vereinbart ist, mindestens sechs Monate vor Ablauf des Ge­ schäftsjahres der Gesellschaft erfolgen. 125. Ein Gesellschafter kann die Auflösung der Gesellschaft vor Ablauf der für ihre Dauer be­ stimmten Zeit oder'bei Gesellschaften von unbe­ stimmter Dauer ohne vorgängige Aufkündigung verlangen, sofern hierzu wichtige Gründe vorhanden sind. Die Beurtheilung, ob solche Gründe anzunehmen sind, bleibt im Falle des Widerspruchs dem Er­ messen des Richters überlassen. Die Auflösung kann insbesondere ausgesprochen werden: 1) wenn durch äußere Umstände die Erreichung des gesellschaftlichen Zwecks unmöglich wird; 2) wenn ein Gesellschafter bei der Geschäfts­ führung oder bei der Rechnungslegung unredlich verfährt; 3) wenn ein Gesellschafter die Erfüllung der ihm obliegenden wesentlichen Verpflichtungen unterläßt; 4) wenn ein Gesellschafter die Firma oder das Vermögen der Gesellschaft für seine Privatzwecke mißbraucht; 5) wenn ein Gesellschafter durch anhaltende Krankheit oder aus anderen Ursachen zu den ihm obliegenden Geschäften der Gesellschaft unfähig wird. 126. Hat ein Privatgläubiger eines Gesell­ schafters nach fruchtlos vollstreckter Exekution in dessen Privatvermögen die Exekution in das dem Gesellschafter bei dereinstiger Auflösung der Ge­ sellschaft zukommende Guthaben erwirkt, so ist er berechtigt, es mag die Gesellschaft auf bestimmte

oder auf unbestimmte Dauer eingegangsn sein, behufs seiner Befriedigung nach vorher von ihm geschehener Aufkündigung die Auflösung der Ge­ sellschaft zu verlangen. 27 Die Aufkündigung muß mindestens sechs Mo­ nate vor Ablauf des Geschäftsjahres der Gesell­ schaft geschehen. 127. Wenn die Gesellschafter vor der Auflösung der Gesellschaft übereingekommen sind, daß, ungeachtet des Ausscheidens eines oder mehrerer Gesellschafter, die Gesellschaft unter den übrigen fortgesetzt werden soll, so endigt die Gesellschaft nur in Beziehung auf den Ausscheidenden; im Uebrigen besteht sie mit allen ihren bisherigen Rechten und Verbindlichkeiten fort. 128. Wenn die Auflösung der Gesellschaft aus Gründen gefordert werden darf, welche in der Person eines Gesellschafters liegen (Art. 125), so kann anstatt derselben auf Ausschließung dieses Gesellschafters erkannt werden, sofern die sämmt­ lichen übrigen Gesellschafter hierauf antragen.

129. Die Auflösung der Gesellschaft muß, wenn sie nicht in Folge der Eröffnung des Konkurses über die Gesellschaft geschieht, in das Handels­ register eingetragen werden. Die Eintragung muß selbst dann geschehen, wenn die Gesellschaft durch Ablauf der Zeit, für welche sie eingegangen war, beendigt wird. Gleich der Auflösung der Gesellschaft muß auch das Ausscheiden oder die Ausschließung eines Gesellschafters aus der Gesellschaft in das Han­ delsregister eingetragen werden. Das Handelsgericht hat die Betheiligten zur Anmeldung dieser Thatsachen von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. 28 Dritten Personen kann die Auflösung der Gesellschaft oder das Ausscheiden oder die Aus­ schließung eines Gesellschafters aus derselben nur insofern entgegengesetzt werden, als hinsichtlich einer solchen Thatsache die Voraussetzungen vor­ handen sind, unter welchen nach Artikel 25 hin­ sichtlich des Erlöschens der Firma oder der Aenderung ihrer Inhaber die Wirkung gegen Dritte eintritt. 130. Wenn ein Gesellschafter ausscheidet oder ausgeschlossen wird, so erfolgt die Auseinander­ setzung der Gesellschaft mit demselben auf Grund der Vermögenslage, in welcher sich die Gesell­ schaft zur Zeit des Ausscheidens oder zur Zeit der Behändigung der Klage auf Ausschließung befindet. An den späteren Geschäften, Rechten und Ver­ bindlichkeiten nimmt der Ausgeschiedene oder Ausgeschlossene nur insofern Antheil, als dieselben eine unmittelbare Folge dessen sind, was vor jenem Zeitpunkte bereits geschehen war.

27. Vgl. Bem. zu Art. 9. 26. Vgl. § 20 K.-O.

28. Vgl. §§ 19-24, 26 E.-G.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. I. Abschn. 5.

Der Ausgeschiedene oder Ausgeschlossene muß sich die Beendigung der laufenden Geschäfte in der Weise gefallen lassen, wie sie nach dem Er­ messen der verbleibenden Gesellschafter am vortheilhaftesten sind. Jedoch ist er, wenn eine frühere vollständige Auseinandersetzung nicht möglich ist, berechtigt, am Schlüsse eines jeden Geschäftsjahres Rech­ nungsablage über die inzwischen erledigten Ge­ schäfte, sowie die Auszahlung der ihm hiernach gebührenden Beträge zu fordern; auch kann er am Schluffe eines jeden Geschäftsjahres den Nachweis über den Stand der noch laufenden Geschäfte fordern. 131. Ein ausgeschiedener oder ausgeschlossener Gesellschafter muß sich die Auslieferung seines Antheils am Geschäftsvermögen in einer den Werth desselben darstellenden Geldsumme gefallen lassen; er hat kein Recht auf einen verhältnißmäßigen Antheil an den einzelnen Forderungen, Waaren oder anderen Bermögensstücken der Gesellschaft. 132. Macht ein Privatgläubiger eines Gesell­ schafters von dem nach Artikel 126 ihm zustehen­ den Rechte Gebrauch, so können die übrigen Gesellschafter auf Grund eines einstimmigen Be­ schlusses statt der Auflösung der Gesellschaft die Auseinandersetzung und die Auslieferung des Antheils des Schuldners nach den Bestimmungen der vorhergehenden Artikel vornehmen; der letztere ist dann als aus der Gesellschaft ausgeschieden zu betrachten. Fünfter Abschnitt. Kon der Liquidation der Hefelkfchaft.29

133. Nach Auflösung der Gesellschaft außer dem Fall des Konkurses derselben erfolgt die Liquida­ tion, sofern diese nicht dnrch einstimmigen Beschluß der Gesellschafter oder durch den Gesellschafts­ vertrag einzelnen Gesellschaftern oder anderen Personen übertragen ist, durch die sämmtlichen bisherigen Gesellschafter oder deren Vertreter als Liquidatoren. Ist einer der Gesellschafter gestorben, so haben dessen Rechtsnachfolger einen gemein­

schaftlichen Vertreter zu bestellen. Auf den Antrag eines Gesellschafters kann aus wichtigen Gründen die Ernennung von Liquida­ toren durch den Richter erfolgen. Der Richter kann in einem solchen Falle Personen zu Liqui­ datoren ernennen oder als solche beiordnen, welche nicht zu den Gesellschaftern gehören. 134; Die Abberufung von Liquidatoren geschieht durch einstimmigen Beschluß aller Gesellschafter; sie kann auch auf den Antrag eines Gesellschafters aus wichtigen Gründen durch den Richter erfolgen. 135. Die Liquidatoren sind von den Gesell29. Ueber strafbare Handlungen der Liquidatoren im Falle der Zahlungseinstellung oder der Konkurseröffnung vgl. § 214 K.-O.

29

schastern beim Handelsgerichte zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden; sie haben ihre Unterschrift persönlich vor dem Handelsgerichte zu zeichnen oder die Zeichnung in beglaubigter Form einzureichen. Das Austreten eines Liquidators oder das Erlöschen der Vollmacht eines solchen ist gleich­ falls zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Gesellschafter sind zur Verfolgung dieser Vorschriften von Amtswegen durch Ordnungs­ strafen anzuhalten.30 Dritten Personen kann die Ernennung von Liquidatoren, sowie das Austreten eines Liquida­ tors oder das Erlöschen der Vollmacht eines solchen nur insofern entgegengesetzt werden, als hinsichtlich dieser Thatsachen die Voraussetzungen vorhanden sind, unter welchen nach Artikel 25 und 46 hinsichtlich einer Aenderung der Inhaber einer Firma oder des Erlöschens einer Prokura die Wirkung gegen Dritte eintritt. 136. Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, so können sie die zur Liquidation gehörenden

Handlungen mit rechtlicher Wirkung nur in Ge­ meinschaft vornehmen, sofern nicht ausdrücklich bestimmt ist, daß sie einzeln handeln können. 137. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die Forde­ rungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft zu versilbern; sie haben die Ge­ sellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu ver­ treten ; sie können für dieselbe Vergleiche schließen und Kompromisse eingehen. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. Die Veräußerung von unbeweglichen Sachen kann durch die Liquidatoren ohne Zustimmung der sämmtlichen Gesellschafter nicht anders, als durch öffentliche Versteigerung bewirkt werden. 31 138. Eine Beschränkung des Umfanges der Geschäftsbefugniffe der Liquidatoren (Art. 137) hat gegen dritte Personen keine rechtliche Wirkung. 139. Die Liquidatoren haben ihre Unterschrift in der Weise abzugeben, daß sie der bisherigen, nun als Liquidationsfirma zu bezeichnenden Firma ihren Namen beifügen. 140. Die Liquidatoren haben, selbst wenn sie vom Richter bestellt sind, den Gesellschaftern ge­ genüber bei der Geschäftsführung den von diesen einstimmig getroffenen Anordnungen Folge zu geben. 141. Die während der Liquidation entbehrlichen Gelder werden vorläufig unter die Gesellschafter verth eilt. Zur Deckung von Schulden der Gesellschaft, welche erst später fällig werden, sowie zur Deckung 30. Vgl. §§ 19-24, 26 E.-G. 31. Vgl. Bem. zu Art. 9.

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. II. Abschn. 1.

der Ansprüche, welche den einzelnen Gesellschaftern bei der Auseinandersetzung zustehen, sind die er­ forderlichen Gelder zurückzubehalten. 142. Die Liquidatoren haben die schließliche Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern her­

beizuführen. Streitigkeiten, welche über die Auseinander­ setzung entstehen, fallen der richterlichen Entschei­ dung anheim. 143. Wenn ein Gesellschafter Sachen in die Gesellschaft eingebracht hat, welche Eigenthum derselben geworden sind, so fallen dieselben bei der Auseinandersetzung nicht an ihn zurück, son­ dern er erhält den Werth aus dem Gesellschafts­ vermögen erstattet, für welchen sie gemäß Ueber­

einstimmung übernommen wurden. Fehlt es an dieser Werthbestimmung, so geschieht die Erstattung nach dem Werthe, welchen die Sachen zur Zeit der Einbringung hatten. 144. Ungeachtet der Auflösung der Gesellschaft kommen bis zur Beendigung der Liquidation in Bezug auf das Rechtsverhältniß der bisherigen Gesellschafter unter einander, sowie der Gesellschaft zu dritten Personen die Vorschriften des zweiten und dritten Abschnitts zur Anwendung, soweit

sich aus den Bestimmungen des gegenwärtigen Abschnitts und aus dem Wesen der Liquidation

nicht ein Anderes ergibt. Der Gerichtsstand, welchen die Gesellschaft zur Zeit ihrer Auflösung hatte, bleibt bis zur Been­ digung der Liquidation für die aufgelöste Gesell­ schaft bestehen. Zustellungen an die Gesellschaft geschehen mit rechtlicher Wirkung an einen der Liquidatoren. 145. Nach Beendigung der Liquidation werden die Bücher und Schriften der aufgelösten Gesell­ schaft einem der gewesenen Gesellschafter oder einem Dritten in Verwahrung gegeben. Der Gesellschafter oder der Dritte wird in Ermange­ lung einer gültigen Uebereinkunft durch das Handelsgericht bestimmt. Die Gesellschafter und deren Rechtsnachfolger behalten das Recht auf Einsicht und Benutzung der Bücher und Papiere.

Sechster Abschnitt. Kon der Verjährung der Klagen gegen die Hefessfchafter.

146. Die Klagen gegen einen Gesellschafter aus Ansprüchen gegen die Gesellschaft verjähren in fünf Jahren nach Auflösung der Gesellschaft oder feiner Ausschließung aus derselben, sofern nicht nach Beschaffenheit der Forderung eine kürzere Verjährungsfrist gesetzlich eintritt. Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Auflösung der Gesellschaft oder das Ausscheiden oder die Ausschließung des Gesell­ schafters aus derselben in das Handelsregister eingetragen ist.

Wird die Forderung erst nach der Eintragung fällig, so beginnt die Verjährung mit dem Zeit­ punkte der Fälligkeit. 147. Ist noch ungetheiltes Gesellschaftsvermögen vorhanden, so kann dem Gläubiger die fünfjährige Verjährung nicht entgegengesetzt werden, sofern er seine Befriedigung nur aus dem Gesellschafts­ vermögen sucht. 148. Die Verjährung zu Gunsten eines ausge­ schiedenen oder ausgeschlossenen Gesellschafters wird durch Rechtshandlungen nicht unterbrochen, welche gegen die fortbestehende Gesellschaft oder einen anderen Gesellschafter vorgenommen werden. Die Verjährung zu Gunsten eines bei der Auflösung einer Gesellschaft zu derselben gehörigen Gesellschafters wird nicht durch Rechtshandlungen gegen einen anderen Gesellschafter, wohl aber durch Rechtshandlungen gegen die Liquidatoren unterbrochen. 149. Die Verjährung läuft auch gegen Minder­ jährige und bevormundete Personen, sowie gegen juristische Personen, denen gesetzlich die Rechte der Minderjährigen zustehen, ohne Zulassung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, jedoch mit Vorbehalt des Regresses gegen die Vormünder und Verwalter.

Zweiter Titel.

Aon der Kommanditgesellschaft. Erster Abschnitt. Von der Kommanditgeselkschaft im Kigern einen.

150. Eine Kommanditgesellschaft ist vorhanden, wenn bei einem unter einer gemeinschaftlichen Firma betriebenen Handelsgewerbe ein oder mehrere Gesellschafter sich nur mit Vermögens­ einlagen betheiligen (Kommanditisten), während bei einem oder mehreren anderen Gesellschaftern die Betheiligung nicht in dieser Weise beschränkt ist (persönlich haftende Gesellschafter). Sind mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so ist in Ansehung ihrer die Gesell­ schaft zugleich eine offene Gesellschaft. Zur Gültigkeit des Gesellschaftsvertrages bedarf es der schriftlichen Abfassung nicht. 151. Die Errichtung einer Kommanditgesellschaft ist von sämmtlichen Gesellschaftern bei dem Han­ delsgerichte, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, behufs der Eintragung in das Handels­

register anzumelden. Die Anmeldung muß enthalten: 1) den Namen, Vornamen, Stand und Wohn­ ort jedes persönlich haftenden Gesellschafters; 2) den Namen, Vornamen, Stand und Wohn­ ort jedes Kommanditisten mit der Bezeichnung

desselben als solchen; 3) die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat;

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IL T. II. Abschn. 1.

4) den Betrag der Vermögenseinlage jedes Kommanditisten. Die Anmeldung muß von allen Gesellschaftern persönlich vor dem Handelsgerichte unterzeichnet, oder in beglaubigter Form eingereicht werden; sie ist nach ihrem ganzen Inhalt in das Handels­ register einzutragen. Bei der Bekanntmachung der Kommanditgesellschaft in den öffentlichen Blättern (Art. 13) unterbleibt die Angabe der Namen, des Standes und des Wohnorts der Kommandi­ tisten, sowie die Angabe des Betrages ihrer Bermögenseinlagen. 152. Bei jedem Handelsgerichte, in dessen Bezirk die Kommanditgesellschaft eine Zweigniederlage hat, muß dies behufs der Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Die Anmeldung muß die in Artikel 151 Ziff. 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten, und von sämmtlichen persönlich haftenden Gesellschaftern vor dem Handelsgericht unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden. 153. Die persönlich haftenden Gesellschafter, welche die Gesellschaft vertreten sollen, haben die Firma nebst ihrer Namensunterschrift persönlich vor dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesell­ schaft ihren Sitz bat, und vor jedem Handelsgericht, in dessen Bezirk sie eine Zweigniederlassung hat, zu zeichnen oder die Zeichnung in beglaubigter Form einzureichen. 154. Das Handelsgericht hat die persönlich haf­ tenden Gesellschafter zur Befolgung der in den Artikeln 151, 152 und 153 enthaltenen Vorschriften von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anzu­ halten. 32 155. Wenn die Firma einer bestehenden Kom­ manditgesellschaft geändert, oder der Sitz der Gesellschaft an einen anderen Ort verlegt wird, so sind diese Thatsachen von sämmtlichen Gesell­ schaftern in der durch Artikel 151 bestimntten Weise behufs der Eintragung in das Handels­ register anzumelden. Das Handelsgericht hat die persönlich haftenden Gesellschafter zur Befolgung dieser Anordnung von Amtswegen durch Ord­ nungsstrafen anzuhalten.33 Bei der Bekanntmachung kommt in Betreff der Kommanditisten die Vorschrift des Artikels 151 zur Anwendung. Die Wirkung gegen Dritte richtet sich nach den Bestimmungen des Artikels 25. 156. Wenn in eine bestehende Kommandit­ gesellschaft ein neuer Kommanditist eintritt, so muß dies von sämmtlichen Gesellschaftern zur zur Eintragung in das Handelsregister und zur Bekanntmachung nach den Bestimmungen des Artikels 151 angemeldet werden. 157. Das Rechtsverhältniß der Gesellschafter unter einander richtet sich zunächst nach dem Ge-

32. Bgl. 88 19-24, 26 E.-G.

33. Bgl. 88 19-24, 26 E.-G.

31

sellschaftsvertrage. Soweit keine Perejpburung ge­ troffen ist, kommen die gesetzlichen Bestimmungen über das Rechtsverhältniß der offenen; Gesell­ schafter unter einander auch hier zur Anwendung, jedoch mit den Abweichungen, welche die nach­ folgenden Artikel (158 bis 162) ergeben. 158. Die Geschäftsführung der Gesellschaft wird durch den oder die persönlich haftenden Gesell­ schafter besorgt. Ein Kommanditist ist zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft weder berechtigt noch verpflichtet. Er kann gegen die Vornahme einer Handlung der Geschäftsführung durch die persönlich haftenden Gesellschafter (Art. 99 bis 102) Widerspruch nicht erheben. 159. Ein Kommanditist darf ohne Genehmigung der anderen Gesellschafter in dem Handelszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen und an einer anderen gleich­ artigen Handelsgesellschaft als offener Gesellschafter theilnehmen. 160. Jeder Kommanditist ist berechtigt, die ab­ schriftliche Mittheilung der jährlichen Bilanz zu verlangen und die Richtigkeit derselben unter Ein­ sicht der Bücher und Papiere zu prüfen. Die im Artikel 105 bezeichneten weiteren Rechte eines offenen Gesellschafters stehen einem Kom­ manditisten nicht zu. Jedoch kann das Handelsgericht auf den Antrag eines Kommanditisten, wenn wichtige Gründe da­ zu vorliegen, die Mittheilung einer Bilanz oder sonstiger Aufklärungen nebst Vorlegung der Bücher und Papiere zu jeder Zeit anordnen. 161. Die Bestimmungen der Artikel 106 bis 108 über die Verzinsung der Einlage, über die jährliche Berechnung des Gewinnes oder Verlustes und über die Befugniß, Zinsen und Gewinn zu erheben, gelten auch in Betreff des Komman­ ditisten. Jedoch nimmt ein Kommanditist an dem Ver­ luste nur bis zum Betrage seiner eingezahlten oder rückständigen Einlage Antheil. Er ist nicht verpflichtet, die Zinsen und den Gewinn, welchen er bezogen hat, wegen späterer Verluste zurückzuzahlen; jedoch wird, so lange seine ursprüngliche Einlage durch Verlust ver­ mindert ist, der jährliche Gewinn zur Deckung des Verlustes verwendet. 162. Ist über die Höhe der Betheiligung an Gewinn und Verlust nichts vereinbart, so wird dieselbe nach richterlichem Ermessen, nöthigenfalls unter Zuziehung von Sachverständigen, festgestellt. 163. Im Verhältniß zu dritten Personen tritt die rechtliche Wirksamkeit einer Kommanditgesell­ schaft mit dem Zeitpunkt ein, in welchem die Er­ richtung der Gesellschaft bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist, oder die Gesellschaft auch nur ihre Geschäfte begonnen hat. Die Beschränkung, daß die Gesellschaft erst mit

32

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. II. Abschn. 2.

einem späteren Zeitpunkt als; dem der ßintragung ihren Anfang nehmen soll, hat gegen dritte Per­

sonen keine rechtliche Wirkung. Hat die Gesellschaft vor der Eintragung ihre Geschäfte begonnen, so haftet jeder Kommanditist

dritten Personen für die bis zur Eintragung ent­ standenen Verbindlichkeiten der Gesellschaft gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter, wenn er nicht beweist, daß denselben seine beschränkte Betheiligung bei der Gesellschaft bekannt war. 164. Die Kommanditgellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten ein­ gehen, Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. Ihr ordentlicher Gerichtsstand ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat. 34 165. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet der Kommanditist nur mit der Einlage und, soweit diese nicht eingezahlt ist, mit dem ver­ sprochenen Betrage. Die Einlage des Kommanditisten kann während des Bestehens der Gesellschaft weder ganz noch theilweise zurückbezahlt oder erlassen werden. Zinsen können ihm von der Gesellschaft nur insoweit bezahlt werden, als dadurch die ursprüng­ liche Einlage nicht vermindert wird. Er kann bis zur Wiederergänzung der durch Verlust verminderten Einlage weder Zinsen noch Gewinn beziehen. Er haftet für die Verbindlichkeiten der Gesell­ schaft, wenn und insoweit er diesen Bestimmungen entgegen Zahlungen von der Gesellschaft empfangen hat. Er ist jedoch nicht verpflichtet, die Zinsen und den Gewinn zurückzuzahlen, welche er auf Grund einer in gutem Glauben errichteten Bilanz in

gutem Glauben bezogen hat. 166. Wer in eine bestehende Handelsgesellschaft als Kommanditist eintritt, haftet nach Maßgabe des vorhergehenden Artikels für alle von der Gesellschaft vor seinem Eintritt eingegangenen Verbindlichkeiten, es mag die Firma eine Aende­ rung erleiden oder nicht. Ein entgegenstehender Vertrag ist gegen Dritte ohne rechtliche Wirkung. 167. Die Kommanditgesellschaft wird durch die persönlich haftenden Gesellschafter berechtigt und verpflichtet; sie wird durch dieselben vor Gericht

vertreten. Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft genügt es, wenn dieselbe an einen der zur Vertretung befugten Gesellschafter geschieht.34 35 Ein Kommanditist, welcher für die Gesellschaft Geschäfte schließt, ohne ausdrücklich zu erklären, daß er nur als Prokurist oder als Bevollmächtigter

34. Vgl. Bem. zu Art. 9 u. § 19 Abs. 1 C.-P.-O. 35. Vgl. Bem. zu Art. 9.

handle, ist aus diesen Geschäften gleich einem per­ sönlich haftenden Gesellschafter verpflichtet. 168. Der Name eines Kommanditisten darf in der Firma der Gesellschaft nicht enthalten sein; im entgegengesetzten Falle hastet er den Gläubigern der Gesellschaft gleich einem offenen Gesellschafter. 169. Die Bestimmungen der Artikel 119, 120, 121 und 122 finden auch bei der Kommandit­ gesellschaft Anwendung. 170. Wenn ein Kommanditist stirbt oder zur Verwaltung seines Vermögens rechtlich unfähig wird, so hat dies die Auflösung der Gesellschaft nicht zur Folge. Im Uebrigen gelten die in den Artikeln 123 bis 128 für die offene Gesellschaft gegebenen Be­ stimmungen auch für die Kommanditgesellschaft. 36 171. Wenn eine Kommanditgesellschaft aufgelöst wird, oder wenn ein Kommanditist mit seiner ganzen Einlage oder mit einem Theile derselben ausscheidet, so müssen diese Thatsachen in das Handelsregister eingetragen werden. Bei der Bekanntmachung unterbleibt die Be­ zeichnung des Kommanditisten und die Angabe des Betrages der Einlage. Die Bestimmungen des Artikels 129 kommen auch hier zur Anwendung. 172. Was bei der offenen Gesellschaft über die Art der Auseinandersetzung (Artt. 130, 131 und 132), über die Liquidation und über die Verjährung der Klagen gegen die Gesellschafter bestimmt ist, gilt auch bei der Kommanditgesellschaft in Betreff

aller Gesellschafter. Zweiter Abschnitt. Don der Aorumandttgefellfchaft auf Aktien insvefondere.

173. Das Kapital der Kommanditisten kann in Aktien oder Aktientheile zerlegt werden. Die Aktien oder Aktientheile müssen auf Namen lauten. Sie müssen auf einen Betrag, von minde­ stens fünfzig Bereinsthalern gestellt werden, wenn nicht die Landesgesetze nach Maßgabe der beson­ deren örtlichen Bedürfnisse einen geringeren Betrag gestatten. Aktien oder Aktientheile, welche auf In­ haber lauten, oder welche auf einen geringeren als den gesetzlich bestimmten Betrag gestellt werden, sind nichtig. Die Ausgeber solcher Aktien oder Aktienantheile sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch ver­

haftet. Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch von Promessen und Jnterimsscheinen. 174. Eine Kommanditgesellschaft auf Aktien gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgeschäften besteht. Ueber die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftsvertrages muß eine gerichtliche oder 36. Vgl. §§ 20 u. 198-201 K.-O.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. II. Abschn. 2. notarielle

Urkunde

ausgenommen

werden.

Zur

Aktienzeichnung genügt eine schriftliche Erklärung. 175. Der Gesellschaftsvertrag inuß enthalten:

1) den Namen, Vornamen, Stand und Wohn­ ort jedes persönlich hastenden Gesellschafters; 2) die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat; 3) den Gegenstand des Unternehmens; 4) die Zeitdauer des Unternehmens, im Fall dasselbe auf eine bestimmte Zeit beschränkt sein soll; 5) die Zahl und den Betrag der Aktien oder Aktienantheile; 6) die Bestimmung, daß ein Aufsichtsrath von mindestens drei Mitgliedern aus der Zahl der Kommanditisten durch Wahl derselben bestellt werden müsse; 7) die Form, in welcher die Zusammenberufung der Generalversammlung der Kommanditisten ge­ schieht ; 8) die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzu­ nehmen sind. 176. Der Gesellschaftsvertrag muß bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden.37 38 Der Auszug muß enthalten: 1) das Datum des Gesellschaftsvertrages; 2) den Namen, Vornamen, Stand und Wohn­ ort jedes persönlich haftenden Gesellschafters; 3) die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat; 4) die Zahl und dell Betrag der Aktien und Aktienantheile; 5) die Form, in welcher die von der Gesell­ schaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Ist in dem Gesellschaftsvertrage bestimmt, daß das Austreten eines oder mehrerer persönlich haftender Gesellschafter die Auflösung der Gesell­ schaft nicht zur Folge habe (Art. 199), so ist auch diese Bestimmung zu veröffentlichen. 177. Der Anmeldung behufs der Eintragung in das Handelsregister muß beigesügt sein: 1) die Bescheinigung, daß der gesammte Betrag des Kapitals der Kommanditisten durch Unter­ schriften gedeckt ist; 2) die Bescheinigung, daß mindestens ein Vier­ theil des von jedem Kommanditisten gezeichneten Betrages von ihm eingezahlt ist; 3) der Nachweis, daß der Aufsichtsrath nach In­ halt des Vertrages (Art. 175 Ziff. 6) in einer Ge­ neralversammlung der Kommanditisten gewählt ist. Die Anmeldung muß von sämmtlichen persön­ lich haftenden Gesellschaftern vor dem Handelsgerichte unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht 37. Ueber die Veröffentlichung vgl. Bem. zu Art. 14.

E. Handels

und Wecbselrecht.

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werden. Die der Anmeldung beigefügten Schrift­ stücke werden bei dem Handelsgerichte in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift aufbewahrt. 178. Bor erfolgter Eintragung in das Handels­ register besteht die Kommanditgesellschaft als solche nicht. Die vor der Eintragung ausgegebenen Aktien oder Aktienantheile sind nichtig. Die Aus­ geber sind den Besitzern für allen durch die Aus­ gabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Wenn vor erfolgter Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. 179. Die Vorschriften der Artikel 152 und 153 sind auch bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien zu befolgen; die Anmeldung muß die im Artikel 176 Ziff. 1-5 bezeichneten Angaben enthalten. Das Handelsgericht hat die persönlich hastenden Gesellschafter zur Befolgung dieser Vorschriften von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anzu­ halten. 38 180. Wenn ein Gesellschafter eine Einlage macht, welche nicht in baarem Gelde besteht, oder wenn er sich zu seinen Gunsten besondere Vortheile ausbedingt, so muß in einer Generalversammlung der Kommanditisten die Abschätzung und Prüfung der Zulässigkeit angeordnet und in einer späteren Generalversammlung die Genehmigung durch Beschluß erfolgt sein. Der Beschluß wird nach der Mehrheit der in der Versammlung anwesenden oder durch Voll­ macht vertretenen Kommanditisten gefaßt; jedoch muß diese Mehrheit mindestens ein Viertheil der sämmtlichen Kommanditisten begreifen und der Betrag ihrer Antheile zusammen mindestens ein Viertheit des Gesammtkapitals der Kommanditisten darstellen. Der Gesellschafter, welcher die Einlage macht oder sich besondere Vortheile ausbedingt, hat bei der Beschlußfassung kein Stimmrecht. Ein gegen den Inhalt dieser Bestimmung ge­ schlossener Vertrag hat keine rechtliche Wirkung. 181. Für die gesellschaftlichen Kapitalantheile, welche auf die Einlagen der persönlich haftenden Gesellschafter fallen, oder welche denselben als besondere Vortheile ausbedungen sind, dürfen keine Aktien ausgegeben werden; diese Kapital­ antheile dürfen von den persönlich haftenden Gesellschaftern, so lange die letzteren in diesem ihrem Rechtsverhältnisse zur Gesellschaft stehen, nicht veräußert werden. 182. Die Aktien oder Aktienantheile sind untheilbar. Sie müssen mit genauer Bezeichnung des In­ habers nach Namen, Wohnort und Stand in das Aktienbuch der Gesellschaft eingetragen werden. Sie können, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmt, ohne Einwilligung der übrigen Gesellschafter auf andere Personen über­ tragen werden. 38. Vgl. §§ 19-24, 26 E. G.

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. II. Abschn. 2.

Die Übertragung kann durch Indossament geschehen. In Betreff der Form des Indossaments kommen die Bestimmungen der Artikel 11-13 der Allge­ meinen Deutschen Wechselordnung zur Anwendung. 183. Wenn das Eigenthum der Aktie aus einen Anderen übergeht, so ist dies, unter Vorlegung der Aktie und des Nachweises des Ueberganges, bei der Gesellschaft anzumelden und im Aktien­ buche zu bemerken. Im Verhältnisse zu der Gesellschaft werden nur diejenigen als die Eigenthümer der Aktien ange­ sehen, welche als solche im Aktienbuche verzeichnet

sind. Zur Prüfung der Legitimation ist die Gesell­ schaft berechtigt, aber nicht verpflichtet. 184. So lange der Betrag einer Aktie nicht vollständig eingezahlt ist, bleibt der ursprüngliche Zeichner zur Einzahlung des Rückstandes an die Gesellschaft verpflichtet; die Gesellschaft kann ihn dieser Verbindlichkeit nicht entlassen. 185. Die persönlich haftenden Gesellschafter sind verpflichtet, dem Aufsichtsrath und den Komman­ ditisten spätestens in den ersten sechs Monaten jedes Geschäftsjahres eine Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres vorzulegen.

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186. Die Rechte, welche den Kommanditisten gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrage oder nach den Bestimmungen des vorigen Abschnitts in Beziehung auf die Führung der Geschäfte, die Einsicht und Prüfung der Bilanz, die Bestimmung der Gewinnvertheilung, die Auflösung oder Kündigung der Gesellschaft und die Befugniß, das Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters zu verlangen, zustehen, werden von der Gesammtheit

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der Kommanditisten in der Generalversammlung ausgeübt. Die Beschlüsse der Generalversammlung werden durch den Aufsichtsrath ausgeführt, wenn nicht im Gesellschaftsvertrage ein Anderes bestimmt ist. 187. Die Generalversammlung der Komman­ ditisten wird durch die persönlich haftenden Gesellschafter oder durch den Aufsichtsrath berufen, sofern nicht nach dem Gesellschaftsvertrage auch andere Personen dazu befugt sind. 188. Eine Generalversammlung der Kommanditisten ist außer den im Gesellschaftsvertrage ausdrücklich bestimmten Fällen zu berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. Die Generalversammlung muß auch dann be­ rufen werden, wenn dies von einem Komman­ ditisten oder einer Anzahl von Kommanditisten, deren Aktien zusammen den zehnten Theil des Gesammtkapitals der Kommanditisten darstellen, in einer von ihnen unterzeichneten Eingabe unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangt wird. Ist im Gesellschaftsvertrage das Recht, die Berufung einer Generalversammlung zu verlangen,

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an den Besitz eines größeren oder eines geringeren Antheils am Gesammtkapitale geknüpft, so hat es hierbei sein Bewenden. 189. Die Berufung der Generalversammlung hat in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimm­ ten Weise zu erfolgen. Der Zweck der Generalversammlung muß jeder­ zeit bei der Berufung bekannt gemacht werden. Ueber Gegenstände, deren Verhandlung nicht in dieser Weise angekündigt ist, können Beschlüsse nicht gefaßt werden; hiervon ist jedoch der Be­ schluß über den in einer Generalversammlung gestellten Antrag auf Berufung einer außerordent­ lichen Generalversammlung ausgenommen. Zur Stellung von Anträgen und zu Verhand­ lungen ohne Beschlußfassung bedarf es der An­ kündigung nicht. 190. Soweit nicht der Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmt, werden die Beschlüsse der Ge­ neralversammlung der Kommanditisten mit ein­ facher Stimmenmehrheit gefaßt, und jede Aktie gewährt dem Inhaber Eine Stimme. 191. Der Aussichtsrath kann das erste Mal nicht auf länger als Ein Jahr, später nicht auf länger als fünf Jahre gewählt werden. Insoweit die Wahl aus einen längeren Zeit­ raum geschieht, ist dieselbe ohne rechtliche Wirkung. 192. Den Mitgliedern des ersten Aufsichtsrathes darf eine Vergütung für die Ausübung ihres Berufs nur durch einen nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres einzuholenden Beschluß der Gene­ ralversammlung der Kommanditisten bewilligt werden. Ist die Vergütung früher, oder in einer anderen als der vorstehenden Weise bewilligt, so ist diese Festsetzung ohne rechtliche Wirkung. 193. Der Aussichtsrath überwacht die Geschäfts­ führung der Gesellschaft in allen Zweigen ihrer Verwaltung; er kann sich von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten, die Bücher und Schriften derselben jederzeit einsehen und den Bestand der Gesellschaftskasse untersuchen. Er hat die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnvertheilung zu prüfen und darüber alljährlich der Generalver­

sammlung Bericht zu erstatten. 194. Der Aufsichtsrath ist ermächtigt, gegen die persönlich haftenden Gesellschafter die Prozesse zu führen, welche die Generalversammlung be­ schließt. Jeder Kommanditist ist befugt, als Intervenient in den Prozeß auf seine Kosten einzutreten.39 Handelt es sich um die eigene Verantwortlichkeit des Aufsichtsrathes, so kann letzterer ohne und selbst gegen den Beschluß der Generalversamm­ lung gegen die persönlich haftenden Gesellschafter

klagen. 195. Wenn die Kommanditisten selbst in Ge1

39. Vgl. Bem. zu Art. 9.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. II. Abschn. 2 sammtheit und im gemeinsamen Interesse gegen die persönlich haftenden Gesellschafter auftreten wollen, oder gegen die Mitglieder des Aufsichts­ rathes einen Prozeß zu führen haben, so werden sie durch Bevollmächtigte vertreten, welche in der Generalversammlung gewühlt werden. Falls aus irgend einem Grunde die Bestellung von Bevollmächtigten durch Wahl in der Generalversammlung gehindert wird, kann das Handelsgericht auf Antrag die Bevollmächtigten ernennen. Jeder Kommanditist ist befugt, als Intervenient in den Prozeß auf seine Kosten einzutreten. 40 196. Die Gesellschaft wird durch die persönlich hastenden Gesellschafter berechtigt und verpflichtet; sie wird durch dieselben vor Gericht vertreten. Zllr Behändigung von Vorladungen und an­ deren Zustellungen an die Gesellschaft genügt es, wenn dieselbe an einen der zur Vertretung be­ fugten Gesellschafter geschieht. 41 Die Bestimmung des Artikels 167 in Betreff des Kommanditisten, welcher für die Gesellschaft Geschäfte schließt, findet bei der Kommanditgesell­ schaft auf Aktien keine Anwendung. 197. Die Einlagen können den Kommanditisten, so lange die Gesellschaft besteht, nicht zurückge­ zahlt werden. Zinsen von bestimmter Höhe können für die Kommanditisten nicht bedungen noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie vertheilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz, und, wenn im Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Reservekapitals bestimmt ist, nach Abzug desselben als reiner Ueberschuß ergibt. Die Kommanditisten haften für die Verbind­ lichkeiten der Gesellschaft, wenn und insoweit sie diesen Bestimmungen entgegen Zahlungen von der Gesellschaft empfangen haben; sie sind jedoch nicht verpflichtet, die in gutem Glauben bezogenen Dividenden zurückzuzahlen. 198. Jede Abänderung des Gesellschaftsvertrages bedarf zu ihrer Gültigkeit der notariellen oder gerichtlichen Abfassung. Der abändernde Vertrag muß in gleicher Weise, wie der ursprüngliche Vertrag, in das Handels­ register eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden (Artt. 176, 179). Der abändernde Vertrag hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist. 199. Eine Uebereinkunft, durch welche das Austreten eines oder niedrerer persönlich hastender Gesellschafter bestimmt wird, steht der Auflösung der Gesellschaft gleich. Zu derselben bedarf es der Zustimmung einer Generalversammlung der Kom­ manditisten.

Es kann jedoch durch den Gesellschafts vertrag oder durch einen denselben abändernden Vertrag (Art. 198) bestimmt werden, daß das Austreten eines oder mehrerer persönlich haftender Gesell­ schafter die Auflösung der Gesellschaft dann nicht zur Folge habe, wenn mindestens noch ein per­ sönlich haftender Gesellschafter bleibt. In Ansehung

der Eintragung in das Handelsregister finden die Bestimmungen des Artikels 129 Anwendung. 200. Wenn ein Kommanditist stirbt, oder in Konkurs verfällt, oder zur Verwaltung seines Vermögens rechtlich unfähig wird, so hat dies die Auflösung nicht zur Folge. Der Artikel 126 findet in Bezug auf die Privatgläubiger eines Komman­ ditisten keine Anwendung. Im Uebrigen gelten die Artikel 123 bis 128 auch für die Kommandit­ gesellschaft auf Aktien.42 201. Die Auflösung der Gesellschaft muß, wenn sie nicht in Folge der Eröffnung des Konkurses über die Gesellschaft geschieht, in das Handels­ register eingetragen werden. Diese Eintragung muß selbst dann geschehen, wenn die Gesellschaft durch Ablauf der Zeit, für welche sie eingegangen war, beendigt wird. 202. Bei der Auflösung einer Kommanditgesell­ schaft auf Aktien, welche außer dem Falle der Er­ öffnung des Konkurses erfolgt, darf die Vertheilung des Vermögens unter die Gesellschafter nicht eher vollzogen werden, als nach Verlauf eines Jahres, von dem Tage an gerechnet, an welchem die Auf­ lösung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist. Die aus den Handelsbüchern der Gesellschaft ersichtlichen oder in anderer Weise bekannten Gläubiger sind durch besondere Erlasse auszu­ fordern, sich zu melden; unterlassen sie dies, so ist der Betrag ihrer Forderungen gerichtlich nieder­ zulegen. Das letztere muß auch in Ansehung der noch schwebenden Verbindlichkeiten und streitigen For­ derungen geschehen, sofern nicht die Vertheilung des Gesellschaftsvermögens bis zu deren Erledigung ausgesetzt bleibt, oder den Gläubigern eine ange­ messene Sicherheit bestellt wird. 203. Eine theilweise Zurückzahlung des Kapitals der Kommanditisten kann nur vermöge einer Ab­ änderung des Gesellschaftsvertrages erfolgen. Die Zurückzahlung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen geschehen, welche für die Bertheilung des Gesellschaftsvermögens im Falle der Auflösung maßgebend sind (Artt. 201, 202). 204. Die Mitglieder des Aussichtsrathes sind gleich den persönlich haftenden Gesellschaftern solidarisch zur Erstattung geleisteter Zahlungen verpflichtet, wenn mit ihrem Wissen und ohne ihr Einschreiten 1) Einlagen

an

die

Kommanditisten

gezahlt, oder 40. Vgl. Bem. zu Art. 9. 41. Vgl. Bem. zu Art. 9.

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42. Vgl. §§ 20 u. 198-201 K.-O.

zurück­

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. III. Abschn. 1.

2) Zinsen oder Dividenden gezahlt sind, welche nicht aus dem auf die Aktien fallenden Gewinne entnommen wurden, oder 3) die Bertheilung des Gesellschaftsvermögens oder eine theilweise Zurückzahlung des Kapitals der Kommanditisten ohne Beobachtung der gesetz­ lichen Bestimmungen (Artt. 202, 203) erfolgt ist. 205. Die Liquidation erfolgt, sofern der Gesell­ schaftsvertrag nicht ein Anderes bestimmt, durch sämmtliche persönlich haftende Gesellschafter und eine oder mehrere von der Generalversammlung der Kommanditisten gewählte Personen. 206. Die persönlich haftenden Mitglieder und die Mitglieder des Aufsichtsrathes werden mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft: 1) wenn sie vorsätzlich behufs der Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister falsche Angaben über die Zeichnung oder Ein­ zahlung des Kapitals der Kommanditisten machen; 2) wenn durch ihre Schuld länger als drei Monate die Gesellschaft ohne Aufsichtsrath ge­ blieben ist, oder in dem letzteren die zur Beschluß­ fähigkeit erforderliche Zahl von Mitgliedern gefehlt hat; 3) wenn sie in ihren Darstellungen, in ihren Uebersichten über den Vermögensstand der Gesell­ schaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vortrügen wissentlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern. Wird in den Füllen zu 2 und 3 festgesteNt, daß mildernde Umstände vorhanden sind, so ist auf Geld­ strafe bis zu Eintausend Thalern zu erkennen. 43

Dritter Titel.

Jon der Aktiengesellschaft. Erster Abschnitt. Allgemeine Grundsätze. 207. Eine Gesellschaft ist eine Aktiengesellschaft, wenn sich die sämmtlichen Gesellschafter nur mit Einlagen betheiligen, ohne persönlich für die Ver­ bindlichkeiten der Gesellschaft zu haften. Das Gesellschaftskapital wird in Aktien oder auch in Aktienantheile zerlegt. Die Aktien oder Aktienantheile sind untheilbar. Dieselben können auf Inhaber oder aus Namen lauten. 207 a. Die Aktien oder Aktienantheile müssen, wenn sie auf Namen lauten, aus einen Betrag von mindestens fünfzig Vereinsthalern, wenn sie auf Inhaber lauten, auf einen Betrag von min­ destens Einhundert Vereinsthalern gestellt werden. Bei Versicherungsgesellschaften müssen auch solche Aktien oder Aktienantheile, welche auf Namen lauten, aus einen Betrag von mindestens Ein­ hundert Vereinsthalern gestellt werden. 43. In den Fällen der Artt. 206, 249 u. 249 a ist die Strafkammer ausschließlich zuständig 8 74 Nr. 2 (Y. P. G. s.

Aktien oder Aktienantheile, welche aus einen geringeren Betrag gestellt werden, sind nichtig. Die Ausgeber solcher Aktien oder Aktienantheile sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Der Nominalbetrag der Aktienantheile darf

während des Bestehens der Gesellschaft weder vermindert noch erhöht werden.44 Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch von Promessen und Jnterimsscheinen. 208. Eine Aktiengesellschaft gilt als Handels­ gesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unter­ nehmens nicht in Handelsgeschäften besteht. Ueber die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftsvertrages (Statuts) muß eine gericht­ liche oder notarielle Urkunde ausgenommen werden. Zur Aktienzeichnung genügt eine schriftliche Erklärung. 209. Der Gesellschaftsvertrag muß insbesondere bestimmen: 1) die Firma und den Sitz der Gesellschaft; 2) den Gegenstand des Unternehmens; 3) die Zeitdauer des Unternehmens, im Falle dasselbe auf eine bestimmte Zeit beschränkt sein soll; 4) die Höhe des Grundkapitals und der ein­ zelnen Aktien oder Aktienantheile; 5) die Eigenschaft der Aktien, ob sie auf In­ haber oder auf Namen gestellt werden sollen, ingleichen die etwa bestimmte Zahl der einen oder der anderen Art, sowie die etwa zugelassene Um­ wandlung derselben; 6) die Bestellung eines Aussichtsrathes von mindestens drei aus der Zahl der Aktionäre zu wählenden Mitgliedern; 7) die Grundsätze, nach welchen die Bilanz auf­ zunehmen und der Gewinn zu berechnen und auszuzahlen ist, sowie die Art und Weise, wie die Prüfung der Bilanz erfolgt; 8) die Art der Bestellung und Zusammensetzung des Vorstandes und die Formen für die Legiti­

mation der Mitglieder desselben und der Beamten der Gesellschaft; 9) die Form, in welcher die Zusammenberufung der Aktionäre geschieht; 10) die Bedingungen des Stimmrechts der Aktionäre und die Form, in welcher dasselbe aus­ geübt wird; 11) die Gegenstände, über welche nicht schon durch einfache Stimmenmehrheit der auf Zu­ sammenberufung erschienenen Aktionäre, sondern nur durch eine größere Stimmenmehrheit oder nach anderen Erfordernissen Beschluß gefaßt

werden kann; 12) die Form, in welcher die von der Gesell­ schaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben

auszunehmen sind. 44.Für die Zeit vor dem 16. Tez. 1875.

1. Jan. 1878 vgl. jedoch G. v.

E. Allgem Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II T. III Abschn. 1 209 a. Nach der Zeichnung des Grundkapitals hat eine Generalversammlnng der Aktionäre auf Grund der ihr vorzulegenden Bescheinigungen durch Beschluß festzustellen, daß das Grundkapital vollständig gezeichnet, und daß mindestens zehn Prozent, bei Versicherungsgesellschaften mindestens zwanzig Prozent, auf jede Aktie eingezahlt sind, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag zwischen den sämmtlichen Aktionären abgeschlossen und Er- I

füllung jener Erfordernisse anerkannt ist Ueber den Beschluß ist eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufzunehmen 209 b. Wenn ein Aktionär eine auf das Grund­ kapital anzurechnende Einlage macht, welche nicht in baarem Gelde besteht, oder wenn Anlagen oder sonstige Bermögensstücke von der zu errich­ tenden Gesellschaft übernommen werden sollen, so ist in dem Gesellschaftsvertrage der Werth der Einlage oder des Vermögensstücks festzusetzen und die Zahl der Aktien oder der Preis zu bestimmen, welche für dieselben gewährt werden Jeder zu Gunsten eines Aktionärs bedungene besondere Vortheil ist tin Gesellschaftsvertrage gleichfalls sestzusetzen Nach der Zeichnung des Grundkapitals muß m den Fällen, welche in dem vorstehenden Absatz bezeichnet sind, sofern nicht der Gesellschastsvertrag zwischen den sämmtlichen Aktionären abgeschlossen ist, Genehmigung des Vertrages m einer General Versammlung der Aktionäre durch Beschluß erfolgen Die den Vertrag genehmigende Mehrheit muß Mindestens ein Viertheil der sämmtlicheii Aktionäre begreifen und der Betrag ihrer Antheile mindestens ein Viertheil des gesammten Grundkapitals dar­ stellen Der Gesellschafter, welcher die betreffende Einlage macht oder sich besondere Vortheile aus­ bedingt, hat bei der Beschlußfassung fein Stimm recht Ueber den Beschluß ist eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufzunehmen 209 c Die Zusammenberufung der General­ versammlung erfolgt in den Fällen der Artikel 209 a und 209 b nach den Bestimmungen, welche der Gesellschaftsvertrag über die Zusammenberufung der Generalversammlungen enthält 210 Der Gesellschaftsvertrag muß bei dem Handelsbericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden 45 Der Auszug muß enthalten: 1) das Datum des Gesellschaftsvertrages; 2) die Firma und den Sitz der Gesellschaft; 3) den Gegenstand und die Zeitdauer des Unter­ nehmens ; 4) die Höhe des Grundkapitals und der ein­ zelnen Aktien oder Aktienantheile; 5) die Eigenschaft derselben, ob sie auf Inhaber oder auf Namen gestellt sind; 45 Ueber die Veröffentlichung vgl Bein zu Art 14

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6) die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden ÄekanntntächUngen erfolgen, sowie die öffentlichen Blatter, in welche dieselben auf­

zunehmen sind. Ist im Gesellschaftsvertrage eine Form bestimmt, in welcher der Vorstand seine Willenserklärungen kundgibt und für die Gesellschaft zeichnet, so ist auch diese Bestimmung zu veröffentlichen. 210 a. Der Anmeldung behufs der Eintragung in das Handelsregister muß beigefügt sein: 1) die Bescheinigung, daß der gesammte Betrag des Grundkapitals durch Unterschriften gedeckt ist; 2) die Bescheinigung, daß mindestens zehn Prozent, bei Versicherungsgesellschaften mindestens zwanzig Prozent, des von jedem Aktionär ge­ zeichneten Betrages eingezahlt sind; 3) der Nachweis, daß der Aufsichtsrath nach Inhalt des Vertrages in einer Generalverfamm lung der Aktionäre gewählt ist; 4) betreffenden Falls die gerichtliche oder nota rielle Urkunde über die in den Artikeln 209 a und 209 b bezeichneten Beschlüsse der Generalver sammlung. Die Anmeldung muß von sämmtlichen Mit gliedern des Vorstandes vor dem Handelsgericht unterzeichnet oder in beglaubigter Form emge reicht werden Die der Anmeldung beigesügten Schriftstücke werden bei dem Handelsgericht in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift aufbewahrt 211 Vor erfolgter Eintragung in das Handels register besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht Die vor der Eintragung ausgegebenen Aktien oder Aktienantheile sind nichtig. Die Aus geber sind den Besitzern für allen durch die Ans gäbe verursachten Schaden solidarisch verhaftet Wenn vor erfolgter Eintragung in das Handels register nn Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch 212 Bei jedem Handelsgericht, IN dessen Bezirk die Aktiengesellschaft eme Zweigniederlassung hat, muß dies behufs der Eintragung in das Handels register angemeldet werden Die Anmeldung muß von sämmtlichen Mit gliedern des Vorstandes vor dem Handelsgericht unterzeichnet oder in beglaubigter Form emgereicht werden und die in Artikel 210 Absatz 2 und 3 bezeichneten Angaben enthalten. Das Handelsgericht hat die Mitglieder des Vorstandes zur Befolgung dieser Vorschriften von Amtswegen durch Ord­ nungsstrafen anzuhalten. 46 213. Die Aktiengesellschaft als solche hat selbst­ ständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigen­ thum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben; sie kann vor Gericht klagen und ver­ klagt werden. Ihr ordentlicher Gerichtsstand ist bei dem Gerichte, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat 47 46. Vgl. §§ 19-24, 26 E.-G 47 Vgl Bem zu Art 9 n § 19 Ab, 1 C. P £

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. III. Abschn. 2.

214. Jeder Beschluß der Generalversammlung, welcher die Fortsetzung der Gesellschaft oder eine Abänderung der Bestimmungen des Gesellschafts Vertrages zum Gegenstände hat, bedarf zu seiner Gültigkeit der notariellen oder gerichtlichen Beur­ kundung. Ein solcher Beschluß muß in gleicher Weise wie der ursprüngliche Vertrag in das Handelsregister eingetragen und veröffentlicht werden (Artt. 210, 212). Der Beschluß hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist. 215. Die Abänderung des Gegenstandes der Unternehmung der Gesellschaft kann nicht durch Stimmenmehrheit beschlossen werden, sofern dies nicht im Gesellschaftsvertrage ausdrücklich ge­ stattet ist. Dasselbe gilt von dem Falle, wenn die Gesell­ schaft durch Uebertragung ihres Vermögens und ihrer Schulden an eine andere Aktiengesellschaft gegen Gewährung von Aktien der letzteren auf­ gelöst werden soll. Die Aktiengesellschaft darf eigene Aktien nicht erwerben. Sie darf eigene Aktien auch nicht amortisiren, sofern dies nicht durch den ursprünglichen Gesellschafksvertrag oder durch einen, den letzteren abändernden, vor Ausgabe der Aktien gefaßten Beschluß zugelassen ist. Zweiter Abschnitt. Aechtsverhättnitz der Aktionäre.

216. Jeder Aktionär hat einen verhältnißmäßigen Antheil an dem Vermögen der Gesellschaft. Er kann den eingezahlten Betrag nicht zurück­ fordern und hat, so lange die Gesellschaft besteht, nur einen Anspruch auf den reinen Gewinn, so­ weit dieser nach dem Gesellschaftsvertrage zur Vertheilung unter die Aktionäre bestimmt ist. 217. Zinsen von bestimmter Höhe dürfen für die Aktionäre nicht bedungen, noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie vertheilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz und, wenn im Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Reservekapitals bestimmt ist. nach Abzug desselben als reiner Ueberschuß über die volle Einlage ergibt. Die Aktionäre können bis zur Wiederergänzung des durch Verlust verminderten Gesammtbetrages der Einlagen Dividenden nicht beziehen. Jedoch können für den in dem Gesellschafts­ vertrage angegebenen Zeitraum, welchen die Vor­ bereitung des Unternehmens bis zum Anfänge des vollen Betriebes erfordert, den Aktionären Zinsen von bestimmter Höhe bedungen werden. 218. Der Aktionär ist in keinem Falle verpflichtet, die in gutem Glauben empfangenen Zinsen und Dividenden znrückzugeben.

219. Der Aktionär ist nicht schuldig, zu den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten mehr beizutragen, als den für die Aktie statutenmäßig zu leistenden Beitrag. 220. Ein Aktionär, welcher den Betrag seiner Aktie nicht zur rechten Zeit eingezahlt, ist zur Zahlung von Verzugszinsen von Rechtswegen verpflichtet. Im Gesellschaftsvertrage können für den Fall der verzögerten Einzahlung des gezeichneten Aktienbetrages oder eines Theils desselben Kon­ ventionalstrafen ohne Rücksicht auf die sonst statt­ findenden gesetzlichen Einschränkungen festgesetzt werden; auch kann bestimmt werden, daß die säumigen Aktionäre ihrer Anrechte aus der Zeich­ nung der Aktien und der geleisteten Theilzahlungen zu Gunsten der Gesellschaft verlustig gehen. 221. Ist im Gesellschaftsvertrage keine besondere Form, wie die Aufforderung zur Einzahlung geschehen soll, bestimmt, so geschieht dieselbe in der Form in welcher die Bekanntmachungen der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrage über­ haupt erfolgen müssen (Art. 209 Ziff. 11). Jedoch kann in keinem Falle ein Aktionär seines Anrechts verlustig erklärt werden, wenn nicht die Aufforderung zur Zahlung mindestens dreimal in den hierzu bestimmten öffentlichen Blättern (Art. 209 Ziff. 11), das letzte Mal wenigstens vier Wochen vor dem für die Ein­ zahlungen gesetzten Schlußtermine, bekannt gemacht worden ist. Wenn die Aktien auf Namen lauten und ohne Einwilligung der übrigen Aktionäre nicht übertragbar sind, so kann die Bekanntmachung dieser Aufforderungen durch besondere Erlasse an die einzelnen Aktionäre statt der Ein­ rückungen in die öffentlichen Blätter erfolgen. 222. Wenn die Aktien oder Aktienantheile auf Inhaber gestellt werden, so kommen folgende Grundsätze zur Anwendung: 1) die Ausgabe der Aktien darf vor Einzahlung des ganzen Nominalbetrages derselben nicht er­ folgen ; ebensowenig dürfen über die geleisteten Partialzahlungen Promessen oder Jnterimsscheille, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden; 2) der Zeichner der Aktie ist für die Einzahlung von 40 Prozent des Nominalbetrages der Aktie unbedingt verhaftet; von dieser Verpflichtung kann derselbe weder durch Uebertragung seines Anrechtes auf einen Dritten sich befreien, noch seitens der Gesellschaft entbunden werden; wird der Zeichner der Aktie, wegen verzögerter Einzahlung, seines Anrechtes aus der Zeichnung verlustig erklärt (Art. 220), so bleibt er dessen ungeachtet zur Ein­ zahlung von 40 Prozent des Nominalbetrages der Aktie verpflichtet; 3) im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, daß und unter welchen Maßgaben nach erfolgter Einzahlung von 40 Prozent die Be­ freiung des Zeichners von der Haftung für weitere ‘ Einzahlungen zulässig sei, und daß im Falle der

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. III. Abschn. 3. eingetretenen Befreiung über die geleisteten Ein­ zahlungen Promessen oder Jnterimsscheine, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden dürfen.

Diejenigen Landesgesetze, ^welche die Höhe der Einzahlung (Art. 222 Ziff. 2 und 3) auf 25 Prozent des Nominalbetrages der Aktie herabgesetzt haben, werden hierdurch nicht berührt.'

223. Wenn die Aktien auf Namen lauten, so kommen die bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien gegebenen Bestimmungen über die Ein­ tragung der Aktien in das Aktienbuch der Gesell­ schaft und über die Uebertragung derselben auf Andere (Artt. 182, 183) auch hier zur Anwendung. So lange der Betrag der Aktie nicht vollständig eingezahlt ist, wird der Aktionär durch Ueber­ tragung seines Anrechts ans einen Anderen von der Verbindlichkeit zur Zahlung des Rückstandes nur dann befreit, wenn die Gesellschaft den neuen Erwerber an seiner Stelle annimmt und ihn der Verbindlichkeit entläßt. Auch in diesem Falle bleibt der austretende Aktionär auf Höhe des Rückstandes für alle bis dahin von der Gesellschaft eingegangenen Verbind­ lichkeiten noch auf ein Jahr, vom Tage des Aus­ tritts an gerechnet, subsidiarisch verhaftet. 224. Die Rechte, welche den Aktionären in den Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere in Beziehung auf die Führung der Geschäfte, die Einsicht und Prüfung der Bilanz und die Be­ stimmung der Gewinnvertheilung zustehen, werden von der Gesammtheit der Aktionäre in der Generalversammlung ausgeübt. Jede Aktie gewährt dem Inhaber Eine Stimme, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag ein Anderes festsetzt.

225. Die für den Aufsichtsrath einer Kommandit­ gesellschaft auf Aktien in den Artikeln 191 und 192 gegebenen Bestimmungen finden auch auf den Aufsichtsrath einer Aktiengesellschaft Anwendung.

225 a. Der Aufsichtsrath überwacht die Ge­ schäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung; er kann sich von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten, die Bücher und Schriften derselben jederzeit ein­ sehen und den Bestand der Gesellschaftskasse un­ tersuchen. Er hat die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnvertheilung zu prüfen und darüber alljährlich der Generalver­ sammlung der Aktionäre Bericht zu erstatten. Er hat eine Generalversammlung zu berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforder­ lich ist. 225 b. Die Mitglieder des Aufsichtsrathes sind persönlich und solidarisch zum Schadenersatz ver­ pflichtet, wenn mit ihrem Wissen und ohne ihr Einschreiten: 1) Einlagen an die Aktionäre zurückgezahlt, oder, der Bestimmung des Artikels 215 Absatz 3

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entgegen, eigene Aktien der Gesellschaft erworben oder amortisirt worden sind; 2) Zinsen oder Dividenden gezahlt sind, welche nach Maßgabe der Bestimmungen des Artikels 217 nicht gezahlt werden dursten; 3) die Vertheilung des Gesellschaftsvermögens oder eine theilweise Zurückzahlung oder eine Herabsetzung des Grundkapitals ohne Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen (Artt. 245 und 248) erfolgt ist. 226. Handelt es sich um die Führung von Prozeßen gegen die Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrathes, so kommen die für die Kommanditgesellschaft auf Aktien gegebenen Be­ stimmungen (Artt. 194, 195) auch hier zur An­ wendung. Dritter Abschnitt. Nechte uttb Sffichten des Vorstandes.

227. Jede Aktiengesellschaft muß einen Vorstand haben (Art. 209 Ziff. 7). Sie wird durch den­ selben gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Der Vorstand kann aus Einem oder mehreren Mitgliedern bestehen; diese können besoldet oder unbesoldet, Aktionäre oder Andere sein. Ihre Bestellung ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Vertrügen. 228. Die jeweiligen Mitglieder des Vorstandes müssen alsbald nach ihrer Bestellung zur Ein­ tragung in das Handelsregister angemeldet werden. Der Anmeldung ist ihre Legitimation beizufügen. Sie haben ihre Unterschrift vor dem Handelsgerichte zu zeichnen, oder die Zeichnung derselben in be­ glaubigter Form einzureichen. Das Handelsgericht hat die Mitglieder des Vor­ standes zur Befolgung dieser Vorschriften von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. 48 229. Der Vorstand hat in der durch den Ge­ sellschaftsvertrag bestimmten Form seine Willens­ erklärungen kundzugeben und für die Gesellschaft zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so ist die Zeichnung durch sämmtliche Mitglieder des Vorstandes erforderlich. Die Zeichnung geschieht in der Weise,' daß die Zeichnenden zu der Firnia der Gesellschaft oder zu der Benennung des Vorstandes ihre Unter­ schrift hinzufügen. 230. Die Gesellschaft wird durch die von dem Vorstande in ihrem Namen geschlossenen Rechts­ geschäfte berechtigt und verpflichtet; es ist gleich­ gültig, ob das Geschäft ausdrücklich im Namen der Gesellschaft geschloffen worden ist, oder ob die Umstände ergeben, daß es nach dem Willen der Kontrahenten für die Gesellschaft geschlossen werden sollte.

48. Vgl. §§ 19-24, 26 E.-G.

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. II. T. III. Abschn. 3.

231. Der Vorstand ist der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche in dem Gesellschaftsvertrage oder durch Beschlüsse der Generalversammlung für den Umfang seiner Befugniß, die Gesellschaft zu vertreten, festgesetzt

sind. Gegen dritte Personen hat jedoch eine Be­ schränkung der Befugniß des Vorstandes die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken, oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder daß die Zustimmung der Generalversammlung, eines Berwaltungsrathes, eines Aufsichtsrathes oder eines anderen Organes der Aktionäre für einzelne Geschäfte erfordert ist. 232. Eide Namens der Gesellschaft werden durch den Vorstand geleistet. 49 233. Jede Aenderung der Mitglieder des Vor­ standes muß bei Ordnungsstrafe zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. 50 Dritten Personen kann die Aenderung nur in­ sofern entgegengesetzt werden, als in Betreff dieser Aenderung die im Artikel 46 in Betreff des Er­ löschens der Prokura bezeichneten Voraussetzungen vorhanden sind. 234. Der Betrieb von Geschäften der Gesell­ schaft, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Bezug auf diese Geschäftsführung kann auch sonstigen Bevollmächtigten oder Beamten der Gesellschaft zugewiesen werden. In diesem Falle bestimmt sich die Befugniß derselben Heid) der ihnen ertheilten Vollmacht; sie erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtshandlungen, welche die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. 235. Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft genügt es, wenn dieselbe an ein Mitglied des Vorstan­ des, welches zu zeichnen oder mitzuzeichnen befugt ist, oder an einen Beamten der Gesellschaft, welcher dieselbe vor Gericht zu vertreten berechtigt ist, geschieht.51 49 50 236. Die Generalversammlung der Aktionäre wird durch den Vorstand berufen, soweit nicht nach dem Gesellschaftsvertrage auch andere Per­ sonen dazu befugt sind. 237. Eine Generalversammlung der Aktionäre ist, außer den im Gesellschaftsvertrage ausdrücklich bestimmten Fällen, zn berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. Die Generalversammlung muß auch dann be­ rufen werden, wenn dies ein Aktionär oder eine Anzahl von Aktionären, deren Aktien zusammen

49. Vgl. Bem. zu Art. 9.

50. Vgl. 88 19-24, 26 E.-G.

51. Vgl. Bem. zu Art. 9.

den zehnten Theil des Grundkapitals fcarftetfen, in einer von ihnen unterzeichneten Eingabe unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangen. Ist in dem Gesellschaftsvertrage das Recht, die Berufung einer Generalversammlung zu verlangenan den Besitz eines größeren oder eines geringeren Antheils am Grundkapital geknüpft, so hat es hierbei sein Bewenden. 238. Die Berufung der Generalversammlung hat in der durch den Gesellschaftsvertrag be­ stimmten Weise zu erfolgen. Der Zweck der Generalversammlung muß jeder­ zeit bei der Berufung bekannt gemacht werden. Ueber Gegenstände, deren Verhandlung nicht in dieser Weise angekündigt ist, können Beschlüsse nicht gefaßt werden; hiervon ist jedoch der Be­ schluß über den in einer Generalversammlung gestellten Antrag aus Berufung einer außeror­ dentlichen Generalversammlung ausgenommen. Zur Stellung von Anträgen und zu Verhand­ lungen ohne Beschlußfassung bedarf es d§r An­ kündigung nicht. 239. Der Vorstand ist verpflichtet, Sorge zu tragen, daß die erforderlichen Bücher der Gesell­ schaft geführt werden. Er muß den Aktionären spätestens in den ersten sechs Monaten jedes Geschäftsjahres eine Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres vorlegen und solche innerhalb dieser Frist in der Form und in den öffentlichen Blättern, welche für die Bekanntmachungen der Gesellschaft in dem Gesellschaftsvertrage bestimmt sind, veröffentlichen. Zur Entlastung des Vorstandes bei Legung der Rechnung können Personen nicht bestellt werden, welche auf irgend eine Weise an der Geschäfts­

führung Theil nehmen. Dieses Verbot bezieht sich nicht aus die Per­ sonen, welche die Aufsicht über die Geschäfts­ führung zusteht. 239 a. Für die Ausstellung der Bilanz sind folgende Vorschriften maßgebend: 1) kurshabende Papiere dürfen höchstens zn dem Kurswerthe, welchen dieselben zur Zeit der Bilanzaufstellung haben, angesetzt werden; 2) die Kosten der Organisation und Verwal­ tung dürfen nicht unter die Aktiva aufgeführt werden, müssen vielmehr ihrem vollen Betrage nach in der Jahresrechnung als Ausgabe er­ scheinen ; 3) der Betrag des Grundkapitals und des etwa im Gesellschaftsvertrage vorgeschriebenen Reserve­ oder Erneuerungsfonds ist unter die Passiva

aufzunehmen; 4) der aus der Vergleichung sämmtlicher Aktiva und sämmtlicher Passiva sich ergebende Gewinn oder Verlust muß am Schluffe der Bilanz beson­

ders angegeben werden. 240. Ergibt sich aus der letzten Bilanz, daß sich das Grundkapital um die Hälfte vermindert hat, so muß der Vorstand unverzüglich eine Ge-

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B

41

245. Das Vermögen einer aufgelösten Aktim-

neralvevsammlung berufen und dieser davon An­ zeige machen. Ergibt sich, daß das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt, so muß der Vor­ stand hiervon dem Gericht behufs der Eröffnung des Konkurses Anzeige machen 241 Die Mitglieder des Vorstandes sind aus den von ihnen im Namen der Gesellschaft vorge­ nommenen Rechtshandlungen Dritten gegenüber für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich nicht verpflichtet Mitglieder des Vorstandes, welche außer den Grenzen ihres Auftrages, oder den Vorschriften dieses Titels oder des Gesellschaftsvertrages ent­ gegen handeln, haften persönlich und solidarisch für den dadurch entstandenen Schaden Dies gilt insbesondere, wenn sie der Bestimmung des Ar­ tikels 217 entgegen an die Aktionäre Dividenden oder Zinsen zahlen, oder wenn sie zu einer Zeit noch Zahlungen leisten, m welcher ihnen die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft hätte bekannt sein müssen

gesellschaft wird nach Tilgung ihrer Schulden unter die Aktionäre nach Verhältniß ihrer Aktien vertheilt. Die Vertheilung darf nicht eher vollzogen werden, als nach Ablauf eines Jahres, von dem Tage an gerechnet, an welchem die Bekannt­ machung in den hiezu bestimmten öffentlichen Blättern (Art. 243) zum dritten Male erfolgt ist In Ansehung der aus den Handelsbüchern er­ sichtlichen oder in anderer Weise bekannten Gläu­ biger und in Ansehung der noch schwebenden Verbindlichkeiten und streitigen Forderungen kommen die bei der Kommanditgesellschaft aus Aktien gegebenen Bestimmungen (Art 202 Absatz 2 und 3) zur Anwendung. Mitglieder des Vorstandes und Liquidatoren, welche diesen Vorschriften entgegen handeln, sind persönlich und solidarisch zur Erstattung der ge­ leisteten Zahlungen verpflichtet 246 Die Handelsbücher der aufgelösten Gesell­ schaft sind an einem V0N dem Handelsgerichte zu bestimmenden sicheren Orte zur Aufbewahrung auf die Dauer von zehn Jahren niederzulegen 247 Bei der Auflösung emer Aktiengesellschaft durch Vereiuiguug derselben mit einer anderen Aktiengesellschaft «Art 215» kommen folgende Bestimmungen zur Anwendung. 1 > das Vermögen der aufzulösenden Gesell­ schaft ist so lauge getrennt zu verwalten, bis ine Befriedigung oder Sicherstellung ihrer Gläubiger erfolgt ist; 2) der bisherige Gerichtsstand der Gesellschaft bleibt für die Dauer der getrennten Vermögens Verwaltung bestehen, dagegen wird die Verwaltung von der anderen Gesellschaft geführt;54 3» der Vorstand der letzteren Gesellschaft ist den Gläubigern für die Ausführung der getrennten Verwaltung persönlich und solidarisch verant­ wortlich , 4) die Auflösung der Gesellschaft ist zur Em tragung in das Handelsregister bei Ordnungs strafe anzumelden; 5) die öffentliche Aufforderung der Gläubiger der aufgelösten Gesellschaft (Art 243) kann unter­ lassen oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Jedoch ist die Vereinigung der Vermögen der beiden Gesellschaften erst in dem Zeitpunkte zulässig, in welchem eine Vertheilung des Ver­ mögens einer aufgelösten Aktiengesellschaft unter die Aktionäre erfolgen darf (Art. 245). 248 Eine theilweise Zurückzahlung des Grund­ kapitals an die Aktionäre oder eine Herabsetzung desselben kann nur auf Beschluß der General­ versammlung erfolgen. Die Zurückzahlung oder Herabsetzung kann nurunter Beobachtung derselben Bestimmungen er­ folgen, welche für die Verurtheilung des Gesell-

Vierter Abschnitt Auflösung der cheleflschaft.

242 Die Aktiengesellschaft wird aufgelöst 11 durch Ablauf der int Gesellschaftsvertrage bestimmten Zeit; 2) durch einen notariellen oder gerichtlich be urkundeten Beschluß der Aktionäre, 3) durch Eröffnung des Konkurses 52 Wenn die Auflösung einer Aktiengesellschaft aus anderen Gründen erfolgt, so findeii die Be­ stimmungen dieses Abschnitts ebenfalls Anwendung. 243 Die Auflösung der Gesellschaft muß, wenn sie nicht eine Folge des eröffneten Konkurses ist, durch den Vorstaiid, bei Ordnungsstrafe, zur Ein­ tragung in das Handelsregister angemeldet werden; sie muß zu drei verschiedenen Maleii durch die hierzu bestimmten öffentlichen Blätter (Art 209 giff 11) bekannt gemacht werden Durch diese Bekanntmachung müssen zugleich die Gläubiger aufgesordert werden, sich bei der Gesellschaft zu melden 244. Die Liquidation geschieht durch den Vor­ stand, wenn nicht dieselbe durch den Gesellschafts­ vertrag oder einen Beschluß der Aktionäre an andere Personen übertragen wird 53 Es kommen die bei der offenen Handelsgesell­ schaft über die Anmeldung und das Rechtsver­ hältniß der Liquidatoren gegebenen Bestimmungen auch hier zur Anwendung, mit der Maßgabe, daß die Anmeldungen behufs der Eintragung in das Handelsregister durch den Vorstand zu nmchen sind Die Bestellung der Liquidatoren ist jederzeit widerruflich. 52. Vgl. 88 193 11 194 K c 53. Bgl Bem zu Art 9

II. T. III Abschn 4

i

54 Bgl Bem zu Art 9

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. III. T. I.

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schaftsvermögens im Falle der Auflösung maß­ gebend sind (Artt. 243, 245). Die Mitglieder des Vorstandes, welche dieser Vorschrift entgegen handeln, sind den Gläubigern der Gesellschaft persönlich und solidarisch verhaftet.

Fünfter Abschnitt. Schtußöestirnrnimgen. 55 56 57

249. Die Mitglieder des Aufsichtsrathes und des Vorstandes werden mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft: 1) wenn sie vorsätzlich behufs der Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister falsche Angaben über die Zeichnung oder Ein­ zahlung des Grundkapitals machen; 2) wenn durch ihre Schuld länger als drei Monate die Gesellschaft ohne Aufsichtsrath ge­ blieben ist, oder in dem letzteren die zur Beschluß­ fähigkeit erforderliche Zahl von Mitgliedern gefehlt hat; 3) wenn sie in ihren Darstellungen, in ihren Uebersichten über den Vermögensstand der Gesell­ schaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen wissentlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern. Wird in den Fällen 2 und 3 festgestellt, daß mildernde Umstände vorhanden sind, so ist auf Geldstrafe bis zu Eintausend Thalern zu erkennen. 56

249 a. Die Mitglieder des Vorstandes werden mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft, wenn sie der Vorschrift des Artikels 240 zuwider dem Gericht die Anzeige zu machen unterlassen, daß das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt. Die Strafe tritt nicht ein, wenn von ihnen nachgewiesen wird, daß die Anzeige ohne ihr Verschulden unterblieben ist. 57

Drittes Buch. Don der stillen Gesellschaft und von der Vereinigung zu einzelnen Handelsge­ schäften für gemeinschaftliche Rechnung.

Zur Gültigkeit des Vertrages bedarf es der schriftlichen Abfassung oder sonstiger Förmlich­ keiten nicht.

251. Der Inhaber des Handelsgewerbes betreibt die Geschäfte unter seiner Firma. Eine das Verhältniß einer Handelsgesellschaft andeutende ^Firma darf derselbe wegen der Be­ theiligung eines stillen Gesellschafters bei Ord­ nungsstrafe nicht annehmen. 252. Der Inhaber des Handelsgewerbes wird Eigenthümer der Einlage des stillen Gesellschafters. Der stille Gesellschafter ist nicht verpflichtet, die Einlage über den vertragsmäßigen Betrag zu erhöhen, oder die durch Verlust verminderte Ein­ lage zu ergänzen. 253. Der stille Gesellschafter ist berechtigt, die abschriftliche Mittheilung der Bilanz zu verlangen und die Richtigkeit derselben unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen. Das Handelsgericht kann auf den Antrag des Gesellschafters, wenn wichtige Gründe dazu vor­ liegen, die Mittheilung einer Bilanz oder sonstiger Aufklärungen nebst Vorlegung der Bücher und Papiere zu jeder Zeit anordnen.

254. Ist über die Höhe der Betheiligung des stillen Gesellschafters an Gewinn und Verlust nichts vereinbart, so wird dieselbe nach richter­ lichem Ermessen, nöthigenfalls unter Zuziehung von Sachverständigen, festgestellt. 255. Am Schlüsse eines jeden Geschäftsjahres wird der Gewinn und der Verlust berechnet und dem stillen Gesellschafter der ihm zusallende

Gewinn ausbezahlt. Der stille Gesellschafter nimmt an dem Verluste nur bis zum Betrage seiner eingezahlten rück­ ständigen Einlage Antheil. Er ist nicht verpflichtet, den bezogenen Gewinn wegen späterer Verluste zurückzuzahlen; jedoch wird, so lange seine ur­ sprüngliche Einlage durch Verlust vermindert ist,

der jährliche Gewinn zur Deckung des Verlustes

verwendet.

^Der Gewinn, welcher von dem stillen Gesell­ schafter nicht erhoben wird, vermehrt dessen Ein­ lage nicht, sofern nicht ein Anderes vereinbart ist.

Aon der stillen Gesellschaft.

256. Aus den Geschäften des Handelsgewerbes wird der Inhaber desselben dem Dritten gegen­ über allein berechtigt und verpflichtet.

250. Eine stille Gesellschaft ist vorhanden, wenn sich Jemand an dem Betriebe des Handelsgewerbes eines Anderen mit einer Vermögenseinlage gegen Antheil an Gewinn und Verlust betheiligt.

257. Der Name eines stillen Gesellschafters darf in der Firma des Inhabers des Handels­ gewerbes nicht enthalten sein; im entgegengesetzten Falle haftet der stille Gesellschafter den Gläubigern der Gesellschaft persönlich und solidarisch.

55. Ueber strafbare Handlungen der Mitglieder des Vor­ standes im Falle der Zahlungseinstellung oder der Konkurs­ eröffnung vgl. § 214 K.-O.

258. Wenn der Inhaber des Handelsgewerbes in Konkurs verfällt, so ist der stille Gesellschafter befugt, wegen seiner Einlage, soweit dieselbe den Betrag des auf ihn fallenden Antheils am Ver­ luste übersteigt, seine Forderung als Konkurs­ gläubiger geltend zu machen.

Erster Titel.

56. Vgl. Bem. zu Art. 206.

57. Vgl. Bem. zu Art. 206.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. III. T. II. Ist die Einlage rückständig, so hat der stille Gesellschafter dieselbe bis zu dem Betrage, welcher zur Deckung seines Antheils am Verluste erfor­ derlich ist, in die Konkursmasse zu zahlen. 259. Wenn innerhalb eines Jahres vor Eröff­ nung des Konkurses über das Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes durch Vereinbarung zwischen ihm und dem stillen Gesellschafter das Gesellschaftsverhältniß aufgelöst worden ist, so können die Konkursgläubiger verlangen, daß der stille Gesellschafter die ihm zurückbezahlte Einlage in die Konkursmasse einzahle, unbeschadet seines Rechts, die in dem Zeitpunkt der Auflösung ihm aus dem Gesellschaftsverhältnisse zustehende For­ derung als Konkursgläubiger geltend zu machen. Dasselbe gilt, wenn dem stillen Gesellschafter in dem bezeichneten Zeitraum ohne Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses die Einlage zurückbezahlt wurde. In gleicher Weise ist, wenn der Inhaber des Handelsgewerbes in dem bezeichneten Zeitraum dem stillen Gesellschafter dessen Antheil an dem entstandenen Verluste ganz oder theilweise erlassen hat, der Erlaß zu Gunsten der Konkursgläubiger unwirksam. Die Bestimmungen dieses Artikels treten nicht ein, wenn der stille Gesellschafter beweist, daß der Konkurs in Umständen seinen Grund hat, welche erst nach dem Zeitpunkt der Auflösung, der Zu­ rücklassung oder des Erlasses eiugetreten sind. 260. Ob und inwieweit eine rechtliche Wirkung zu Gunsten dritter Personen eintritt, wenn durch einen stillen Gesellschafter oder mit dessen Willen das Vorhandensein der stillen Gesellschaft kundge­ macht wird, ist nach allgemeinen Rechtsgrund sätzen zu beurtheilen. 261. Die stille Gesellschaft wird aufgelöst: 1) durch den Tod des Inhabers des Handels­ gewerbes, wenn nicht der Vertrag bestimmt, daß die Gesellschaft mit den Erben des Verstorbenen fortbestehen soll; 2) durch die eingetretene rechtliche Unfähigkeit des Inhabers des Handelsgewerbes zur selbstän­ digen Vermögensverwaltung; 3) durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes oder des stillen Gesellschafters; 58

4) durch gegenseitige Uebereinkunft; 5) durch Ablauf der Zeit, auf deren Dauer die stille Gesellschaft eingegangen ist, wenn dieselbe nicht stillschweigend fortgesetzt wird; in diesem Falle gilt der Vertrag von da an als auf unbe­ stimmte Dauer geschloffen; 6) durch die Aufkündigung eines der beiden Theile, wenn der Vertrag auf unbestimmte Dauer geschlossen ist. Ein auf Lebenszeit geschloffener Vertrag ist als auf unbestimmte Dauer geschlossen zu betrachten.

Die Aufkündigung eines auf unbestimmte Dauer geschlossenen Vertrages muß, wenn nicht ein An­ deres vereinbart ist, mindestens sechs Monate vor Ablauf des Geschäftsjahres erfolgen. 262. Die Auflösung der stillen Gesellschaft kann vor Ablauf der für ihre Dauer bestimmten Zeit oder bei einem Vertrage von unbestimmter Dauer ohne vorherige Aufkündigung verlangt werden, wenn dazu wichtige Gründe anzunehmen sind. Die Beurtheilung, ob solche Gründe anzunehmen sind, bleibt im Falle des Widerspruchs dem Er­ messen des Richters überlassen.

263. Die Bestimmung des Artikels 126 gilt auch zu Gunsten der Privatgläubiger eines stillen Gesellschafters.

264. Wenn der stille Gesellschafter stirbt, oder zur Verwaltung seines Vermögens rechtlich un­ fähig wird, so hat dies die Auflösung der stillen Gesellschaft nicht zur Folge. 265. Nach Auflösung der stillen Gesellschaft muß der Inhaber des Handelsgewerbes sich mit dem stillen Gesellschafter auseinandersetzen und die Forderung desselben in Gelde berichtigen.

Der Inhaber des Handelsgewerbes besorgt die Liquidation der bei brr Auflösung noch schweben­ den Geschäfte.

Zweiter Titel.

Aon der Bereinigung zu einzelnen Kandetsgeschäften für gemeinschaftliche Aechnung. 266. Die Bereinigung zu einem oder mehreren einzelnen Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung bedarf einer schriftlichen Abfassung nicht und ist sonstigen Förmlichkeiten nicht unterworfen.

267. Wenn nicht ein Anderes verabredet ist, so sind alle Theilnehmer in gleichem Verhältnisse zu dem gemeinsamen Unternehmen beizutragen verpflichtet. 268. Ist über den Antheil der Theilnehmer am Gewinn und Verlust nichts vereinbart, so werden die Einlagen verzinst, der Gewinn oder Verlust

aber nach Köpfen vertheilt.

269. Aus Geschäften, welche ein Theilnehmer mit einem Dritten geschloffen hat, wird Ersterer dem Dritten gegenüber allein berechtigt und ver­ pflichtet. Ist ein Theilnehmer zugleich im Auftrage und Namen der übrigen aufgetreten, oder haben alle

Theilnehmer gemeinschaftlich oder durch einen gemeinsamen Bevollmächtigten gehandelt, so ist jeder Theilnehmer Dritten gegenüber solidarisch

berechtigt und verpflichtet. 270. Nach Beendigung des gemeinschaftlichen Geschäfts muß der Theilnehmer, welcher dasselbe führte, den übrigen Teilnehmern unter Mitthei­

lung der Beläge Rechnung ablegen. 58. Vgl. § 20 K.-O.

43

Er besorgt die Liquidation.

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E. Aügem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV. T. I. Abschn

Viertes Buch.

Bon den Handelsgeschäften. Erster Titel.

Aen den Handelsgeschäften im Allgemeinen. Erster Abschnitt. Aegriff der Karrdetsgefchäfte.

271. Handelsgeschäfte sind: 1) der Kauf ober die anderweite Anschaffung von Waaren oder anderen beweglichen Sachen, von Staatspapieren, Aktien oder anderen für den Handelsverkehr bestimmten Werthpapieren, um dieselben weiter zu veräußern; es macht keinen Unterschied, ob die Waaren oder anderen beweg­ lichen Sachen in Natur oder nach einer Bearbei­ tung oder Verarbeitung weiter veräußert werden sollen; 2) die Uebernahme einer Lieferung von Gegen­ ständen der unter Ziffer 1 bezeichneten Art, welche der Uebernehmer zu diesem Zweck anschafft; 3) die Uebernahme einer Versicherung gegen Prämie; 4) die Uebernahme der Beförderung von Gü­ tern oder Reisenden zur See und das Darleihen gegen Verbodmung. 272. Handelsgeschäfte sind ferner die folgenden Geschäfte, wenn sie gewerbemüßig betrieben werden: 1) die Uebernahme der Bearbeitung oder Ver­ arbeitung beweglicher Sachen für Andere, wenn der Gewerbebetrieb des Uebernehmers über den

Umfang des Handwerks hinausgeht; 2) die Bankiers- oder Geldwechselgeschäfte; 3) die Geschäfte des Kommissionärs (Art. 360), des Spediteurs und des Frachtführers, sowie die Geschäfte der für den Transport von Personen bestimmten Anstalten; 4) die Vermittelung oder Abschließung von Handelsgeschäften für andere Personen; die amt­ lichen Geschäfte der Handelsmäkler sind jedoch hierin nicht einbegriffen; ö) die Verlagsgeschäfte, sowie die sonstigen Geschäfte des Buch- oder Kunsthandels; ferner die Geschäfte der Druckereien, sofern nicht ihr Betrieb nur ein handwerksmäßiger ist. Die bezeichneten Geschäfte sind auch alsdann Handelsgeschäfte, wenn sie zwar einzeln, jedoch von einem Kaufmann im Betriebe seines gewöhn­ lich auf andere Geschäfte gerichteten Handelsge­ werbes gemacht werden. 273. Alle einzelnen Geschäfte eines Kaufmanns, welche zum Betriebe seines Handelsgewerbes ge­ hören, sind als Handelsgeschäfte anzusehen. Dies gilt insbesondere für die gewerbliche Weiterveräußerung der zu diesem Zweck ange­ schafften Waaren, beweglichen Sachen und Werth­ papiere, sowie für die Anschaffung von Geräthen, Material und anderen beweglichen Sachen, welche

1. 2.

bei dem Betriebe des Gewerbes unmittelbar be­ nutzt oder verbraucht werden sollen. Die Weiterveräußerungen, welche von Hand­ werkern vorgenommen werden, sind, insoweit die­ selben nur in Ausübung ihres Handwerksbetriebes geschehen, als Handelsgeschäfte nicht zu betrachten. 274. Die von einem Kaufmann geschlossenen Verträge gelten im Zweifel als zum Betriebe des Handelsgewerbes gehörig. Die von einem Kaufmann gezeichneten Schuld­ scheine gelten als im Betriebe des Handelsgewerbes gezeichnet, sofern sich nicht aus denselben das Gegentheil ergibt. 275. Verträge über unbewegliche Sachen sind keine Handelsgeschäfte. 276. Die Eigenschaft oder die Gültigkeit eines Handelsgeschäfts wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß einer Person wegen ihres Amtes oder Stan­ des, oder aus gewerbepolizeilichen oder anderen ähnlichen Gründen untersagt ist, Handel zu trei­ ben oder Handelsgeschäfte zu schließen. 277. Bei jedem Rechtsgeschäft, welches auf der Seite eines der Kontrahenten ein Handelsgeschäft ist, sind die Bestimmungen dieses vierten Buchs in Beziehung auf beide Kontrahenten gleichmäßig anzuwenden, sofern nicht aus diesen Bestimmungen selbst sich ergibt, daß ihre besonderen Festsetzungen sich nur auf denjenigen von beiden Kontrahenten beziehen, auf dessen Seite das Geschäft ein Han­ delsgeschäft ist. Zweiter Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen über Karrdetsgefchäfte.

278. Bei Beurtheilung und Auslegung der Handelsgeschäfte hat der Richter den Willen der Kontrahenten zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. 279. In Beziehung auf die Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen ist auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohn­ heiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen. 280. Wenn zwei oder mehrere Personen einem Anderen gegenüber in einem Geschäft, welches auf ihrer Seite ein Handelsgeschäft ist, gemeinschaftlich eine Verpflichtung eingegangen sind, so sind sie als Solidarschuldner zu betrachten, sofern sich nicht aus der Übereinkunft mit dem Gläubiger das Gegentheil ergibt. 281. Bei Handelsgeschäften, ingleichen in allen Fällen, in welchen in diesem Gesetzbuche eine solidarische Verpflichtung auferlegt wird, steht einem Solidarschuldner die Einrede der Theilung

oder der Borausklage nicht zu. Dasselbe gilt von Bürgen, wenn die Schuld aus einem Handelsgeschäft auf Seiten des Haupt­ schuldners hervorgeht, oder wenn die Bürgschaft selbst ein Handelsgeschäft ist. 282. Wer aus einem Geschäft, welches auf seiner Seite ein Handelsgeschäft ist, einem Anderen

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV T. I. Abschn. 2.

zur Sorgfalt verpflichtet ist, muß die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anwenden. 283. Wer Schadensersatz zu fordern hat, kann die Erstattung des wirklichen Schadens und des entgangenen Gewinnes verlangen. 284. Die Konventionalstrafe unterliegt keiner Beschränkung in Ansehung des Betrages; sie kann das Doppelte des Interesses übersteigen. Der Schuldner ist im Zweifel nicht berechtigt, sich durch Erlegung der Konventionalstrafe von der Erfüllung zu befreien. Die Verabredung einer Konventionalstrafe schließt im Zweifel den Anspruch auf einen den Betrag derselben übersteigenden Schadensersatz

nicht aus. 285. Die Daraufgabe (Arrha) gilt nur dann als Reugeld, wenn dies vereinbart oder ortsge­ bräuchlich ist. Sie ist, wenn nichts Anderes vereinbart oder ortsgebräuchlich ist, zurückzugeben oder in An­

rechnung zu bringen. 286. Wegen übermäßiger Verletzung, insbeson­ dere wegen Verletzung über die Hälfte, können Handelsgeschäfte nicht angefochten werden. 287. Die Höhe der gesetzlichen Zinsen, insbe­ sondere auch der Verzugszinsen, ist bei Handels­ geschäften sechs vom Hundert jährlich. In allen Fällen, in welchen in diesem Gesetz­ buche die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen ohne Bestimmung der Höhe ausgesprochen wird, sind darunter Zinsen zu sechs vom Hundert jähr­ lich zu verstehen. 59 288. Wer aus einem Geschäft, welches auf seiner Seite ein Handelsgeschäft ist, eine fällige Forderung hat, kann wegen derselben vom Tage der Mahnung an Zinsen fordern, sofern er nicht

nach dem bürgerlichen Recht schon von einem früheren Zeitpunkte an Zinsen zu fordern berech­ tigt ist. Die Uebersendung der Rechnung gilt für sich allein nicht als Mahnung. 289. Kaufleute unter einander sind berechtigt, in beiderseitigen Handelsgeschäften auch ohne Verabredung oder Mahnung von jeder Forderung seit dem Tage, an welchem sie fällig war, Zinsen

zu fordern. 290. Ein Kaufmann, welcher in Ausübung des Handelsgewerbes einem Kaufmann oder Nicht­ kaufmann Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, kann dafür auch ohne vorherige Verabredung Provision, und wenn es sich um Aufbewahrung handelt, zugleich auch Lagergeld nach den an dem Orte gewöhnlichen Sätzen fordern. Bon seinen Darlehen, Vorschüssen, Auslagen und anderen Verwendungen kann er, vom Tage ihrer Leistung oder Beschaffung an, Zinsen in

Ansatz bringen. 59. Dgl. 8 27 E.-G.

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Dies gilt insbesondere auch von dem Kommis­ sionär und Spediteur. 291. Wenn dn Kaufmann mit eiüeck anderen

Kaufmann in lausender Rechnung (Kontokurrent) steht, so ist derjenige, welchem beim Rechnungs­ schluffe ein Ueberschuß gebührt, von dein ganzen Betrage desselben, wenngleich darunter Zinsen begriffen sind, seit dem Tage des Abschlusses Zinsen zu fordern berechtigt. Der Rechnungsabschluß geschieht jährlich ein­ mal, sofern nicht von den Parteien ein Anderes bestimmt ist. 292. Bei Handelsgeschäften können Zinsen zu sechs vom Hundert jährlich bedungen werden; höhere Zinsen zu bedingen ist nur insofern zu­ lässig, als die Landesgesetze solches gestatten. Bei Darlehen, welche ein Kaufmann empfängt, und bei Schulden eines Kaufmanns aus seinen Handelsgeschäften können auch höhere Zinsen als sechs vom Hundert jährlich bedungen werden. 293. Die Zinsen können bei Handelsgeschäften in ihrem Gesammtbetrage das Kapital übersteigen. 294. Die Anerkennung einer Rechnung schließt den Beweis eines Irrthums oder eines Betrugs in der Rechnung nicht aus. 295. Die Beweiskraft eines Schuldscheins oder einer Quittung ist an den Ablauf einer Zeitfrist nicht gebunden. 296. Der Ueberbringer einer Quittung gilt für ermächtigt, die Zahlung zu empfangen, sofern nicht die dem Zahlenden bekannten Umstünde der Annahme einer solchen Ermächtigung entgegen­ stehen. 297. Ein Antrag, ein Auftrag oder eine Vollmacht, welche von einem Kaufmann in dem Handelsgewerbe ausgegangen sind, werden durch seinen Tod nicht aufgehoben, sofern nicht eine entgegengesetzte Willensmeinung aus seiner Erklä­ rung oder aus den Umständen hervorgeht. 298. Bei einer Vollmacht zu Handelsgeschäften koinmen in Betreff des Verhältnisses zwischen dem Vollmachtgeber, dem Bevollmächtigten und dem Dritten, mit welchem der Bevollmächtigte Namens des Vollmachtgebers das Geschäft schließt, diesel­ ben Bestimmungen zur Anwendung, welche im Artikel 52 in Beziehung auf die Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten gegeben sind. Jngleichen gilt die Bestimmung des Artikels 55 in Beziehung auf denjenigen, welcher ein Handels­ geschäft als Bevollmächtigter schließt, ohne Voll­ macht dazu erhalten zu haben, oder welcher bei dem Abschlüsse des Handelsgeschäfts seine Voll­ macht überschreitet. 299. Im Falle der Abtretung einer aus einem Handelsgeschäft hervorgegangenen Forderung kann die Bezahlung ihres vollen Betrages auch dann verlangt werden, wenn dieser Betrag die Summe des für die Abtretung vereinbarten Preises übersteigt. 300. Ein Kaufmann, welcher eine auf ihn aus-

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV. T. I. Abschn. 2.

gestellte Anweisung (Assignation) gegenüber dem­ jenigen, zu dessen Gunsten sie ausgestellt ist, angenommen hat, ist demselben zur Erfüllung verpflichtet. Die auf eine schriftliche Anweisung geschriebene und unterschriebene Annahme-Erklä­ rung gilt als ein dem Assignatar geleistetes Zahlungsversprechen. 301. Anweisungen und Verpflichtungsscheine, welche von Kaufleuten über Leistungen von Geld oder einer Quantität vertretbarer Sachen oder Werthpapiere ausgestellt sind, ohne daß darin die Verpflichtung zur Leistung von einer Gegen­ leistung abhängig gemacht ist, können durch In­ dossament übertragen werden, wenn sie an Order lauten. Zur Gültigkeit der Urkunde oder des Indossa­ ments ist nicht erforderlich, daß sie die Angabe des Berpflichtungsgrundes oder das Empfangs­ bekenntniß der Valuta enthalten. Wer eine solche Anweisung acceptirt hat, ist demjenigen, zu dessen Gunsten sie ausgestellt oder

an welchen sie indossirt ist, zur Erfüllung ver­ pflichtet. 302. Jngleichen können Konnossemente der See­ schiffer und Ladescheine der Frachtführer, Aus­ lieferungsscheine (Lagerscheine, Warrants) über Waaren oder andere bewegliche Sachen, welche von einer zur Aufbewahrung solcher Sachen staatlich ermächtigten Anstalt ausgestellt sind, ferner Bödmereibriefe »und Seeassekuranzpolizen durch Indossament übertragen werden, wenn sie an Order lauten.60 303. Durch das Indossament der in den beiden vorhergehenden Artikeln bezeichneten Urkunden gehen alle Rechte aus dem indossirten Papiere auf den Indossatar über. Der Verpflichtete kann sich nur solcher Einreden bedienen, welche ihm nach Maßgabe der Urkunde selbst oder unmittelbar gegen den jedesmaligen Kläger zustehen. Der Schuldner ist nur gegen Aushändigung des quittirten Papiers zu erfüllen verpflichtet. 304. Ob außer den in diesem Gesetzbuch be­ zeichneten noch andere an Order lautende Anwei­ sungen, Verpflichtungsscheine oder sonstige Urkun­ den mit der in Artikel 303 erwähnten Wirkung durch Indossament übertragen werden können, ist nach den Landesgesetzen zu beurtheilen. 305. Für Papiere, welche an Order lauten und welche durch Indossament übertragen werden können (Artt. 301 bis 304), gelten in Betreff der Form des Indossaments, in Betreff der Legiti­ mation des Inhabers und der Prüfung dieser Legitimation, sowie in Betreff der Verpflichtung des Besitzers zur Herausgabe dieselben Bestim­ mungen, welche die Artikel 11 bis 13, 36 und 74 der allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung in Betreff des Wechsels enthalten. 60. Ueber Warrants vgl. G. v. 28. Mai 1858.

Sind die im Artikel 301 bezeichneten Papiere abhanden gekommen, so finden in Bezug auf die Amortisation die im Artikel 73 der allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung gegebenen Bestim­ mungen Anwendung. Die Amortisation der im Artikel 302 bezeichneten Papiere richtet sich nach den Landesgesetzen. 61 306. Wenn Waaren oder andere bewegliche Sachen von einem Kaufmann in dessen Handels­ betriebe veräußert und übergeben worden sind, so erlangt der redliche Erwerber das Eigenthum, auch wenn der Veräußerer nicht Eigenthümer war. Das früher begründete Eigenthum erlischt. Jedes früher begründete Pfandrecht oder sonstige ding­ liche Recht erlischt, wenn dasselbe dem Erwerber

bei der Veräußerung unbekannt war. Sind Waaren oder andere bewegliche Sachen von einem Kaufmann in dessen Handelsbetriebe verpfändet und übergeben worden, so kann ein früher begründetes Eigenthum, Pfandrecht oder sonstiges dingliches Recht an den Gegenständen zum Nachtheil des redlichen Pfandnehmers oder dessen Rechtsnachfolger nicht geltend gemacht werden. Das gesetzliche Pfandrecht des Kommissionärs, Spediteurs und Frachtführers steht einem durch Vertrag erworbenen Pfandrechte gleich. Dieser Artikel findet keine Anwendung, wenn die Gegenstände gestohlen oder verloren waren. 307. Die Bestimmungen des vorigen Artikels finden bei Papieren auf Inhaber auch dann An­ wendung, wenn die Veräußerung oder Verpfändung nicht von einem Kaufmann in dessen Handels­ betriebe geschehen ist, und wenn die Papiere gestohlen oder verloren waren. 308. Durch die beiden vorhergehenden Artikel werden die Landesgesetze nicht berührt, welche für den Besitzer noch günstigere Bestimmungen ent­ halten. 309. Die zur Bestellung eines Faustpfandes in dem bürgerlichen Rechte vorgeschriebenen Förm­ lichkeiten sind nicht erforderlich, wenn unter Kauf­ leuten für eine Forderung aus beiderseitigen Handelsgeschäften ein Faustpfand an beweglichen Sachen, an Papieren auf Inhaber oder an Papieren, welche durch Indossament übertragen werden können, bestellt wird. In diesem Falle genügt neben der einfachen Vereinbarung über die Verpfändung: 1) bei beweglichen Sachen und bei Papieren auf Inhaber, die Uebertragung des Besitzes auf den Gläubiger, wie solche nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für das Faustpfand er­ fordert wird; 2) bei Papieren, welche durch Indossament über-

61. Das Aufgebotsverfahren bezüglich der in den Artt. 301 u. 302 bezeichneten Urkunden richtet sich nach §§ 837 ff. C.-P.-O. — Zu Art. 305 vgl. noch § 14 des Niederlage­ regulativs v. 5. Aug. 1871.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV. T. I. Abschn. 2

tragen werden können, die Uebergabe des indossirten

Papiers. 310. Ist die Bestellung eines Faustpfandes unter Kaufleuten für eine Forderung aus beider­ seitigen Handelsgeschäften schriftlich erfolgt, so kann der Gläubiger, wenn der Schuldner im Verzüge ist, sich aus dem Pfande sofort bezahlt machen, ohne daß es einer Klage gegen den Schuldner bedarf.

Der Gläubiger hat die Bewilligung hierzu unter Vorlegung der erforderlichen Bescheinigungsmittel bei dem für ihn zuständigen Handelsgerichte nachzu­ suchen, von welchem hierauf ohne Gehör des Schuldners und auf Gefahr des Gläubigers der Verkauf der verpfändeten Gegenstände oder eines Theils derselben verordnet wird. 62

Von der Bewilligung, sowie von der Vollziehung des Verkaufs hat der Gläubiger den Schuldner, soweit es thunlich, sofort zu benachrichtigen; unterläßt er die Anzeige, so ist er zum Schaden­ ersätze verpflichtet. Um den Verkauf zu bewirken, ist der Nachweis der Anzeige nicht erforderlich. 311. Wenn die Bestellung eines Faustpfandes unter Kaufleuten für eine Forderung aus beider­ seitigen Handelsgeschäften erfolgt, und schriftlich vereinbart ist, daß der Gläubiger ohne gericht­ liches Verfahren sich aus dem Pfande befriedigen könne, so darf, wenn der Schuldner im Verzüge ist, der Gläubiger das Pfand öffentlich verkaufen lassen; er darf in diesem Falle, wenn die ver­ pfändeten Gegenstände einen Börsenpreis oder Marktpreis haben, den Verkauf auch nicht öffent­ lich durch einen Handelsmäkler oder in Er­ mangelung eines solchen durch einen 511 Ber steigerungen befugten Beamten zum laufenden Preise bewirken. Von der Vollziehung des Ver­ kaufs hat der Gläubiger den Schuldner, soweit es thunlich, sofort zu benachrichtigen; bei Unter­ lassung der Anzeige ist er zum Schadenersätze verpflichtet. 312. Durch die vorhergehenden Artikel werden die den öffentlichen Pfandanstalten, Kreditinstituten oder Banken durch Gesetze, Verordnungen oder Statuten verliehenen Rechte in Betreff der Be­ stellung oder Veräußerung von Pfändern nicht berührt.63

Jngleichen ist durch die vorhergehenden Artikel nicht ausgeschlossen, daß die Bestellung oder die Veräußerung von Faustpfändern unter Kaufleuten für Forderungen aus Handelsgeschäften rechts­ gültig geschehen kann, wenn dabei die in den einzelnen Staaten für die Bestellung oder Ver­

62. Der Verkauf erfolgt in den Fällen der Artt. 310 u. 311 nach Maßgabe des Art. 93 Abs. 2 u. 3 franz. H.-G.-B. in Verbindung mit D. v. 29. Aug. 1863. Vgl. Bem. zu Art. 93 daselbst.

63. Vgl. das auf die allgemeinen Lagerhäuser bezügliche G. v. 28. Mai 1858.

äußerung von Faustpfändern stimmungen beobachtet werden.

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geltenden

Be­

313. Ein Kaufmann hat wegen der fälligen Forderungen, welche ihm gegen einen anderen Kaufmann aus den zwischen ihnen geschlossenen

beiderseitigen Handelsgeschäften zustehen, ein Zurückbehaltungsrecht (Retentionsrecht) an allen beweglichen Sachen und Werthpapieren des Schuldners, welche mit dessen Willen auf Grund von Handelsgeschäften in seinen Besitz gekommen sind, sofern er dieselben noch in seinem Gewahr­ sam hat oder sonst, insbesondere vermittelst Konnossemente, Ladescheine oder Lagerscheine, noch in der Lage ist, darüber zu verfügen. Dieses Recht tritt jedoch nicht ein, wenn die Zurückbehaltung der Gegenstände der von dem Schuldner vor oder bei der Uebergabe ertheilten Vorschrift oder der von dem Gläubiger über­ nommenen Verpflichtung, in einer bestimmten Weise mit den Gegenständen zu verfahren, Wider­ streiten würde.

314. Das in dem vorhergehenden Artikel be­ zeichnete Zurückhaltungsrecht besteht unter den dort angegebenen Voraussetzungen selbst wegen der nicht fälligen Forderungen: 1) wenn über das Vermögen des Schuldners der Konkurs eröffnet worden ist, oder der Schuldner auch nur seine Zahlungen eingestellt hat; 2) wenn eine Execution in das Vermögen des Schuldners fruchtlos vollstreckt oder wider den­ selben wegen Nichterfüllung einer Zahlungsver­ bindlichkeit die Vollstreckung des Personalarrestes erwirkt worden ist. In diesen Fällen steht auch die Vorschrift des Schuldners oder die Uebernahme der Verpflichtung, in einer bestimmten Weise mit den Gegenständen zu verfahren, dem Zurückbehaltungsrecht nicht entgegen, sofern die vorstehend unter 1 und 2 bezeichneten Umstände erst nach Uebergabe der Gegenstände oder nach Uebernahme der Verpflich­ tung eingetreten oder dem Gläubiger bekannt geworden sind. 315. Der Gläubiger, welchem das Zurückbehal­ tungsrecht nach den Artikeln 313 oder 314 zusteht, ist verpflichtet, von der Ausübung desselben den Schuldner ohne Verzug zu benachrichtigen. Er ist befugt, wenn ihn dieser nicht rechtzeitig in anderer Weise sichert, im Wege der Klage bei dem für ihn selbst zuständigen Gericht gegen den Schuldner den Verkauf der Gegenstände zu beantragen; er kann sich aus dem Erlöse vor den anderen Gläubigern des Schuldners befriedigen. Der Gläubiger hat diese Rechte auch gegenüber der Konkursmasse des Schuldners. 64 316. Die in den Artikeln 313 - 315 dem Gläu­ biger gegebenen Rechte treten nicht ein, soweit die Parteien dies besonders vereinbart haben.

64. Vgl. Bem. zu Art. 9.

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E. Allgern. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV. T. I. Abschn. 3. 4. Dritter Abschnitt. ASschtteßung der Kandetsgefchafte.

317. Bei Handelsgeschäften ist die Gültigkeit der Verträge durch schriftliche Abfassung oder andere Förmlichkeiten nicht bedingt. Ausnahmen von dieser Regel finden nur inso­ weit statt, als sie in diesem Gesetzbuche enthalten

sind. 318. Ueber einen Antrag unter Gegenwärtigen zur Abschließung des Handelsgeschäfts muß die Erklärung sogleich abgegeben werden, widrigen­ falls der Antragende an seinen Antrag nicht länger­

gebunden ist. 319. Bei einem unter Abwesenden gestellten Anträge bleibt der Antragende bis zu dem Zeit­ punkte gebunden, in welchem er bei ordnungs­ mäßiger rechtzeitiger Absendung der Antwort den Eingang der letzteren erwarten darf. Bei der Berechnung dieses Zeitpunktes darf der Antragende von der Voraussetzung ausgehen, daß sein Antrag rechtzeitig angekommen sei. Trifft die rechtzeitig abgesandte Annahme erst nach diesem Zeitpunkte ein, so besteht der Vertrag nicht, wenn der Antragende in der Zwischenzeit oder ohne Verzug nach dem Eintreffen der An­

nahme von seinem Rücktritt Nachricht gegeben hat. 320. Geht der Widerruf eines Antrages dem anderen Theile früher als der Antrag, oder zu gleicher Zeit mit demselben zu, so ist der Antrag für nicht geschehen zu erachten. Ebenso ist die Annahme für nicht geschehen zu erachten, wenn der Widerruf noch vor der Er­ klärung der Annahme oder zu gleicher Zeit mit derselben bei dem Antragsteller eingegangen ist. 321. Ist ein unter Abwesenden verhandelter Vertrag zu Stande gekommen, so gilt der Zeit­ punkt, in welchem die Erklärung der Annahme behufs der Absendung abgegeben ist, als der Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages. 322. Eine Annahme unter Bedingungen oder Einschränkungen gilt als Ablehnung des träges verbunden mit einem neuen Anträge. 323. Wenn zwischen dem Kaufmann, welchem ein Auftrag gegeben wird, und dem Auftrag­ geber eine Geschäftsverbindung besteht, oder sich derselbe gegen letzteren zur Ausrichtung solcher Aufträge erboten hat, so ist er zu einer Antwort ohne Zögern verpflichtet, widrigenfalls sein Schweigen als Uebernahme des Auftrages gilt. Auch wenn derselbe den Auftrag ablehnt, ist er schuldig, die mit dem Auftrage etwa übersandten Waaren 'oder anderen Gegenstände auf Kosten des Auftraggebers, soweit er für diese Kosten gedeckt ist, und soweit es ohne seinen Nachtheil geschehen kann, einstweilen vor Schaden zu be­ wahren. Das Handelsgericht kann auf seinen Antrag ver­ ordnen, daß das Gut in einem öffentlichen Lager­

hause oder bei einem Dritten so lange niedergelegt

wird, bis der kehrung trifft.

Eigenthümer

anderweitige

Vor­

Vierter Abschnitt. HrfüLtung der Handelsgeschäfte.

324. Die Erfüllung der Handelsgeschäfte muß an dem Orte geschehen, welcher im Vertrage be­ stimmt oder nach der Natur des Geschäfts oder der Absicht der Kontrahenten als Ort der Er­ füllung anzusehen ist. Fehlt es an diesen Voraussetzungen, so hat der Verpflichtete an dem Orte zu erfüllen, an welchem er zur Zeit des Vertragsabschlusses seine Handels­ niederlassung oder in deren Ermangelung seinen Wohnort hatte. Wenn jedoch eine bestimmte Sache übergeben werden soll, welche sich zur Zeit des Vertragsabschlusses mit Wissen der Kontra­ henten an einem anderen Orte befand, so geschieht die Uebergabe an diesem Orte. 65 325. Bei Geldzahlungen, mit Ausnahme der Auszahlung von indossabelen oder auf Inhaber lautenden Papieren, ist der Schuldner verpflichtet, wenn nicht ein Anderes aus dem Vertrage oder aus der Natur des Geschäfts oder der Absicht der Kontrahenten hervorgeht, auf seine Gefahr und Kosten die Zahlung dem Gläubiger an den Ort übermachen, an welchem der letztere zur Zeit der Entstehung der Forderung seine Han­ delsniederlassung oder in deren Ermangelung seinen Wohnort hatte. Durch diese Bestimmung wird jedoch der gesetz­ liche Erfüllungsort des Schuldners (Art. 324) in Betreff des Gerichtsstandes oder in sonstiger Be­ ziehung nicht geändert. 66 326. Wenn die Zeit der Erfüllung einer Ver­ bindlichkeit in dem Vertrage nicht bestimmt ist, so kann die Erfüllung zu jeder Zeit gefordert und geleistet werden, sofern nicht nach den Umständen oder nach dem Handelsgebrauche etwas Anderes anzunehmen ist. 327. Lautet die Erfüllungszeit auf das Früh­ jahr oder den Herbst oder auf ähnliche Zeitbe­ stimmungen, so entscheidet der Handelsgebrauch des Ortes der Erfüllung. Ist die Erfüllung auf die Mitte eines Monats gestellt worden, so gilt der fünfzehnte dieses Monats als der Tag der Erfüllung. 328. Wenn die Erfüllung einer Verbindlichkeit mit dem Ablaufe einer bestimmten Frist nach Abschluß des Vertrages erfolgen soll, so fällt der Zeitpunkt der Erfüllung: 1) wenn die Frist nach Tagen bestimmt ist, auf den letzten Tag der Frist; bei Berechnung 65. Vgl. Bem. zu Art. 9. 66. Art. 325 Abs. 2 behält gegenüber § 29 C.-P.-O. die­ selbe Bedeutung, welche er auch gegenüber dem wegge­ fallenen Art. 420 franz. C.-P.-O. hatte. Darnach kann der Gerichtsstand des § 29 nicht lediglich aus der Erfüllung der dem Schuldner in Art. 325 Abs. 1 auferlegten Verpflichtung abgeleitet werden. — Vgl. auch Bem. zu Art. 9.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV. T. II. der Frist wird der Tag, an welchem der Vertrag geschlossen ist, nicht mitgerechnet; ist die Frist auf acht oder vierzehn Tage bestimmt, so werden darunter volle acht oder vierzehn Tage verstanden; 2) wenn die Frist nach Wochen, Monaten, oder einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum (Jahr, halbes Jahr, viertel Jahr) bestimmt ist, auf denjenigen Tag der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder Zahl dem Tage des Vertragsschlusses ent­ spricht ; fehlt dieser Tag in dem letzten Monate, so fällt die Erfüllung auf den letzten Tag dieses Monats. Der Ausdruck „halber Monat" wird einem Zeitraum von fünfzehn Tagen gleich geachtet. Ist die Frist zur Erfüllung auf einen oder mehrere ganze Monate und einen halben Monat gestellt, so sind die fünfzehn Tage zuletzt zu zählen. Nach den vorstehenden Grundsätzen ist die Frist auch dann zu berechnen, wenn der Anfang der­ selben nicht nach dem Tage des Vertragsschlusses, sondern nach einem anderen Zeitpunkte oder Ereignisse bestimmt worden ist. 329. Fällt der Zeitpunkt der Erfüllung auf einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag, so gilt der nächste Werktag als der Tag der Erfüllung. 330. Soll die Erfüllung innerhalb eines gewissen Zeitraums geschehen, so muß sie vor Ablauf des­ selben erfolgen. Fällt der letzte Tag des Zeitraums aus einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag, so muß spätestens am nächstvorhergehenden Werktage erfüllt werden. 67

331. Abänderungen in diesen Zeitberechnungen (Artt. 328 bis 330), soweit sie die Liquidations­ termine der Börsengeschäfte betreffen, bleiben den Börsenordnungen Vorbehalten. 332. Die Erfüllung muß an dem Erfüllungs­ tage während der gewöhnlichen Geschäftszeit geleistet und angenommen werden. 333. Ist die vertragsmäßige Frist zur Erfül­ lung einer Verbindlichkeit verlängert worden, so beginnt die neue Frist im Zweifel am ersten Tage nach Ablauf der alten Frist. 334. In allen Fällen, in welchen ein Verfalltag bestimmt worden ist, ist nach der Natur des Geschäfts und der Absicht der Kontrahenten zu beurtheilen, ob derselbe nur zu Gunsten eines der beiden Kontrahenten hinzugefügt worden ist. Auch wenn der Schuldner hiernach vor dem Verfalltage zu zahlen befugt ist, ist er doch nicht berechtigt, ohne Einwilligung des Gläubigers den Diskonto abzuziehen, insofern nicht Uebereinkunft oder Handelsgebrauch ihn dazu ermächtigen. 335. Ist im Vertrage über die Beschaffenheit und Güte der Waare nichts Näheres bestimmt, so hat der Verpflichtete Handelsgut mittlerer Art und Güte zu gewähren. 67. Ueber die allgemeinen Feiertage vgl. B. v. 29. Germ. X und St.-R.-G. v. 20. März 1810.

E. Handels- und Wechselrecht.

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336. Maaß, Gewicht, Münzfuß, Münzsorten, Zeitrechnung und Entfernungen, welche an dem Orte gelten, wo der Vertrag erfüllt werden soll, sind im Zweifel als die vertragsmäßigen zu betrachten. Ist die im Vertrage bestimmte Münzsorte am Zahlungsorte nicht im Umlauf oder nur eine Rechnungswährung, so kann der Betrag nach dem Werthe zur Verfallzeit in der Landesmünze gezahlt werden, sofern nicht durch den Gebrauch des Wortes „effektiv" oder eines ähnlichen Zu­ satzes die Zahlung in der im Vertrage benannten Münzsorten ausdrücklich bedungen ist.

Zweiter Titel.

Nom Kauf. 337. Das Anerbieten zum Verkauf, welches erkennbar für mehrere Personen, insbesondere durch Mittheilung von Preislisten, Lagerverzeich­ nissen , Proben oder Mustern geschieht, oder bei welchem die Waare, der Preis oder die Menge nicht bestimmt bezeichnet ist, ist kein verbindlicher Antrag zum Kauf. 338. Nach den Bestimmungen über den Kauf ist auch ein Handelsgeschäft zu beurtheilen, dessen Gegenstand in der Lieferung einer Quantität vertretbarer Sachen gegen einen bestimmten Preis besteht. 339. Ein Kauf auf Besicht oder auf Probe ist unter der in dem Willen des Käufers stehenden Bedingungen geschlossen, daß der Käufer die Waare besehen oder prüfen und genehmigen werde. Diese Bedingung ist im Zweifel eine auf­ schiebende. Der Käufer ist vor seiner Genehmigung an den Kauf nicht gebunden. Der Verkäufer hört auf, gebunden zu sein, wenn der Käufer bis zum Ablauf der verabredeten oder ortsgebräuchlichen Frist nicht genehmigt. In Ermangelung einer verabredeten oder orts­ gebräuchlichen Frist kann der Verkäufer nach Ablauf einer den Umständen angemessenen Zeit den Käufer zur Erklärung auffordern; er hört auf, .gebunden zu sein, wenn sich der Käufer auf die 'Aufforderung nicht sofort erklärt. Ist die auf Besicht oder Probe verkaufte Waare zum Zweck der Besichtigung oder Probe bereits übergeben, so gilt das Stillschweigen des Käufers bis nach Ablauf der Frist oder auf die Auffor­ derung als Genehmigung. 340. Ein Kauf nach Probe oder Muster ist unbedingt, jedoch unter der Verpflichtung des Verkäufers geschlossen, daß die Waare der Probe oder dem Muster gemäß sei. 341. Ein Kauf zur Probe ist unbedingter Kauf unter Hinzufügung des Beweggrundes. 342. Hinsichtlich des Ortes der Erfüllung der Verbindlichkeiten des Verkäufers und des Käufers 4

50

L. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV. T. U.

kommen die Bestimmungen

Artikels 324 W

satz, 1 zuv Anwendung. Die Uebergabe der Waqr^ geschaht, wenn aus diesen Bestimwungen sich nicht ein Anderes er­ gibt, an dem Orte wo der Verkäufer zur Zeit des Vertragsabschlusses seine Handelsniederlassung oder in deren Ermangelung seinen Wohnort hatte. Wenn jedoch eine. bestimmte Sache verkauft ist, welche sich zur Zeit des Vertragsabschlusses mit Wissen der Kontrahenten an einem anderen Orte befand, so geschieht die Uebergabe an diesem Orte. Der Kaufpreis ist bei der Uebergabe zu ent­ richten, sofern nicht ein Anderes durch die Natur des Geschäfts bedingt oder durch Vertrag oder Handelsgebrauch bestimmt ist. Im fiebrigen kommt die Bestimmung des Artikels 325 auch in Bezug auf diese Zahlung zur Anwendung. 343. Der Verkäufer ist verpflichtet, die Waare, so lange der Käufer mit der Empfangnahme nicht im Verzüge ist. mit der Sorgfalt eines ordent­ lichen Geschäftsmannes aufzubewahren. Ist der Käufer mit der Empfangnahme der Waare im Verzüge, so kann der Verkäufer die Waare auf Gefahr und Kosten des Käufers in einem öffentlichen Lagerhause oder bei einem Dritten niederlegen. Er ist auch befugt, nach vor­ gängiger Androhung die Waare öffentlich verkaufen zu lassen; er darf, wenn die Waare einen Börsen­ preis oder einen Marktpreis hat, nach vorgängiger Androhung den Verkauf auch nicht öffentlich durch einen Handelsmäkler oder in Ermangelung eines solchen durch einen zu Versteigerungen befugten Beamten zum laufenden Preise bewirken. Ist die Waare dem Verderben ausgesetzt und Gefahr im Verzüge, so bedarf es der vorgängigen Androhung nicht. Bon der Vollziehung des Verkaufs hat der Verkäufer den Käufer, soweit es thunlich, sofort zu benachrichtigen; bei Unterlassung ist er zum Schadensersätze verpflichtet. 344. Soll die Waare dem Käufer von einem anderen Orte übersendet werden, und hat der Käufer über die Art der Uebersendung nichts be­ stimmt, so gilt der Verkäufer für beauftragt, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die Bestimmungen statt des Käufers zu treffen, ins­ besondere auch die Person zu bestimmen, durch welche der Transport der Waare besorgt oder ausgeführt werden soll. 345. Nach Uebergabe der Waare an den Spe­ diteur oder Frachtführer oder die sonst zum Transport der Waare bestimmte Person trägt der Käufer die Gefahr, von welcher die Waare be­ troffen wird. Hat jedoch der Käufer eine besondere Anweisung über die Art der Uebersendung ertheilt, und ist der Verkäufer ohne dringende Veranlas­ sung davon abgewichen, so ist dieser für den daraus entstandenen Schaden verantwortlich. Der Verkäufer hat die Gefahr, von welcher die Waare auf dem Transport betroffen wird, in dem

Falle zu tragen, wenn er gemäß dem Vertrage die Waare an dem Orte, wohin der Transport geschieht, zu liefern hat, so daß dieser Ort für ihn als der Ort der Erfüllung gilt. Daraus, daß der Verkäufer die Zahlung von Kosten oder Aus­ lagen der Versendung übernommen hat, folgt*für sich allein noch nicht, daß der Ort, wohin der Transport geschieht, für den Verkäufer als der Ort der Erfüllung gilt. Durch die Bestimmungen dieses Artikels ist nicht ausgeschlossen, daß die Gefahr schon seit einem früheren Zeitpunkte von dem Käufer getragen wird, sofern dies nach dem bürgerlichen Recht der Fall sein würde. 346. Der Käufer ist verpflichtet, die Waare zu empfangen, sofern sie vertragsmäßig beschaffen ist oder in Ermangelung besonderer Verabredung den gesetzlichen Erfordernissen entspricht (Art. 335). Die Empfangnahme muß sofort geschehen, wenn nicht ein Anderes bedungen oder ortsgebräuchlich oder durch die Umstände geboten ist. 347. Ist die Waare von einem anderen Orte übersendet, so hat der Käufer ohne Verzug nach der Ablieferung, soweit dies nach dem ordnungs­ mäßigen Geschäftsgänge thunlich ist, die Waare zu untersuchen, und wenn sich dieselbe nicht als vertragsmäßig oder gesetzmäßig (Art. 335) ergibt, dem Verkäufer sofort davon Anzeige zu machen. Versäumt er dies, so gilt die Waare als geneh­ migt, soweit es sich nicht um Mängel handelt, welche bei der sofortigen Untersuchung nach ordnungs­

mäßigem Geschäftsgänge nicht erkennbar waren. Ergeben sich später solche Mängel, so muß die Anzeige ohne Verzug nach der Entdeckung gemacht werden, widrigenfalls die Waare auch rücksichtlich dieser Mängel als genehmigt gilt. Die vorstehende Bestimmung findet auch auf den Verkauf auf Besicht oder Probe oder nach Probe Anwendung, insoweit es sich um Mängel der übersendeten Waare handelt, welche bei ord­ nungsmäßigem Besicht oder ordnungsmäßiger Prüfung nicht erkennbar waren. 348. Wenn der Käufer die von einem anderen Orte übersendete Waare beanstandet, so ist er verpflichtet, für die einstweilige Aufbewahrung derselben zu sorgen. Er kann, wenn sich bei der Ablieferung oder später Mängel ergeben, den Zustand der Waare durch Sachverständige feststellen lassen. Der Ver­ käufer ist in gleicher Weise berechtigt, diese Fest­ stellung zu verlangen, wenn ihm der Käufer die Anzeige gemacht hat, daß er die Waare wegen Mängel beanstande. Die Sachverständigen ernennt aus Antrag des Betheiligten das Handelsgericht oder in dessen Ermange­ lung der Richter des Orts. 68 68. Das Amtsgericht, in dessen Bezirk der in Augenschein zu nehmende Gegenstand sich befindet oder in dessen Bezirk die zu vernehmenden Personen sich anshalteu, ist zuständig; auf die Ernennung, Beeidigung und Vernehmung der Zach-

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV T. II.

Die Sachverständigen haben das Gutachten schriftlich oder zu Protokoll zu erstatten' Ist die Waare dein Verderben ausgesetzt Und Gefahr im Verzüge, so kann der Käufer die Waare unter Beobachtung der Bestimmungen des Ar­ tikels 343 verkaufen lassen. 349. Der Mangel der vertragsmäßigen oder gesetzmäßigen Beschaffenheit der Waare kann von dem Käufer nicht gellend gemacht werden, wenn derselbe erst nach Ablauf von sechs Monaten seit der Ablieferung an den Käufer entdeckt worden ist. Die Klagen gegen den Verkäufer wegen Mängel verjähren in sechs Monaten nach der Ablieferung an den Käufer. Die Einreden sind erloschen, wenn die im Artikel 347 vorgeschriebene sofortige Absendung der Anzeige des Mangels nicht innerhalb sechs Monate nach der Ablieferung an den Käufer geschehen ist. Ist die Anzeige in dieser Weise er­ folgt, so bleiben die Einreden bestehen. An den besonderen Gesetzen oder Handels­ gebräuchen, durch welche für einzelne Arten von Gegenständen eine kürzere Frist bestimmt ist, wird hierdurch nichts geändert. Ist die Haftbarkeit des Verkäufers auf eine kürzere oder längere Frist vertragsmäßig festge­ setzt, so hat es hierbei sein Bewenden. 350. Die Bestimmungen der Artikel 347 und 349 können von dem Verkäufer im Falle eines Betruges nicht geltend gemacht werden. 351. Sofern nicht durch Ortsgebrauch oder besondere Abrede ein Anderes bestimmt ist, trägt der Verkäufer die Kosten der Uebergabe, insbe­ sondere des Messens und Wägens; der Käufer die Kosten der Abnahme. 352. Ist der Kaufpreis nach dem Gewicht der Waare zu berechnen, so kommt das Gewicht der Verpackung (Taragewicht) in Abzug, wenn nicht durch besondere Abrede oder durch den Handels­ gebrauch am Orte der Uebergabe ein Anderes bestimmt ist. Ob und in welcher Höhe das Tara­ gewicht nach einem bestimmten Ansätze oder Ver­ hältnisse statt nach genauer Ausmittelung abzu­ ziehen ist, ingleichen ob und wieviel als Gutgewicht

zu Gunsten des Käufers zu berechnen ist, oder als Vergütung für schadhafte oder unbrauchbare Theile (Refaktie) gefordert werden kann, ist nach dem Vertrage oder dem Handelsgebrauche am Orte der Uebergabe zu beurtheilen.69 **** 353. Ist im Vertrage der Marktpreis oder der Börsenpreis als Kaufpreis bestimmt, so ist im Zweifel hierunter der laufende Preis, welcher zur Zeit und an dem Orte der Erfüllung oder an dem für letzteren maßgebenden Handelsplätze nach verständigen entsprechende Dasselbe ist Bem. zu Art.

findet Buch 2 Abschn.. 1 Tit 8 der C.-P.-O. Anwendung (§ 13 Abs. 4 E.-G. z. C.-P.-O.). der Fall bei Artt. 365 u. 407. — Vgl. auch 9.

69. Ueber die Berechnung des Taragewichts vgl. G. v. 13. Juni 1866 11. D. v. 15. Juni 1867.

51

den dafür bestehenden örtlichen Einrichtungen fest­ gestellt ist, in Ermangelung einet solchen Fest­ stellung oder bei nachgewieseüer Unrichtigkeit der­ selben, der mittlere Preis zu verstehest, welcher

sich aus der Vergleichung der zur Zeit und am Orte der Erstllung geschlossesten Käüfverträge ergibt. 354. Wenn der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises int Verzüge und die Waare noch nicht übergeben ist, so hat der Verkäufer die Wahl, ob er die Erfüllung des Vertrages und Schadenersatz wegen verspäteter Erfüllung verlangen, oder ob er statt der Erfüllung die Waare unter Beobach­ tung der Bestimmungen des Artikels 343 für Rechnung des Käufers verkaufen und Schaden­ ersatz fordern, oder ob er von dem Betrage ab­ gehen will, gleich als ob derselbe nicht geschlossen wäre. 355. Wenn der Verkäufer mit der Uebergabe der Waare im Verzüge ist, so hat der Käufer die Wahl, ob er die Erfüllung nebst Schadenersatz wegen verspäteter Erstllung verlangen, oder ob er statt der Erfüllung Schadenersatz Wege Nicht­ erfüllung fordern oder von dem Vertrage abgehen will, gleich als ob derselbe nicht geschlossen wäre. 356. Will ein Kontrahent auf Grund der Be­ stimmungen der vorigen Artikel statt der Erfüllung Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern oder von dem Vertrage abgehen, so muß er dies dem anderen Kontrahenten anzeigen und ihm dabei, wenn die Natur des Geschäfts dies zuläßt, noch eine den Umständen angemessene Frist zur Nach­ holung des Versäumten gewähren.

357. Ist bedungen, daß die Waare genau zu einer festbestimmten Zeit oder binnen einer fest­ bestimmten Frist geliefert werden soll, so kommt der Artikel 356 nicht zur Anwendung. Der Käufer sowie der Verkäufer kann die Rechte, welche ihm gemäß Artikel 354 oder 355 zustehen, nach seiner Wahl ausüben. Es muß jedoch der­ jenige, welcher auf der Erfüllung bestehen will, dies unverzüglich nach Ablauf der Zeit oder der Frist dem anderen Kontrahenten anzeigen; unter­ läßt er dies, so kann er später nicht auf der Erfüllung bestehen. Will der Verkäufer statt der Erfüllung für Rechnung des säumigen Käufers verkaufen, so muß er, im Falle die Waare einen Markt- oder Börsenpreis hat, den Verkauf unverzüglich nach Ablauf der Zeit oder der Frist vornehmen. Ein späterer Verkauf gilt nicht als für Rechnung des Käufers geschehen. Eine vorgängige Androhung ist nicht erforderlich, dagegen hat der Ver­ käufer auch in diesem Falle den bewirkten Verkauf dem Käufer ungesäumt anzuzeigen. Wenn der Käufer statt der Erfüllung Schaden­ ersatz wegen Nichterfüllung fordert, so besteht, im Falle die Waare einen Markt- oder Börsenpreis hat, der Betrag des von dem Verkäufer zu leistenden Schadenersatzes in der Differenz zwischen

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E, Allgem'. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV T III

dem Kaufpreise Md dem Markt-Und Börsenpreise zur Zeit^nd äftt Orte der geschuldeten Lieferung, unbeschddet des Rechts bes Käufers, einen erweis­ lich höheren Schaden geltend zu machen. 858. In den lFällen des Artikels 357 ist jeder Kontrahent berechtigt, den Verzug des anderen Kontrahenten auf dessen Kosten durch eine öffent­ liche Urkunde (Protest) feststellen zu lassen. 359 Wenn in den Fällen der Artikel 354, 355 und 357 sich aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Vertrages, aus der Absicht der Kontrahenten oder aus der Beschaffenheit des zu leistenden Gegenstandes ergibt, daß die Er­ füllung des Vertrages auf beiden Seiten theilbar ist, so kann das Abgehen des einen Kontrahenten von dem Vertrage nur in Betreff des von dem anderen Kontrahenten nicht erfüllten Theiles des Vertrages erfolgen

Dritter Titel.

Don dem Kommisstonsgeschäft. 360 Kommissionär ist derjenige, welcher gewerbe­ mäßig in eigenem Namen für Rechnung eines Auftraggebers (Kommitenten) Handelsgeschäfte schließt Durch die Geschäfte, welche der Kommissionär mit Dritten schließt, wird er allein berechtigt und verpflichtet Zwischen dem Kommittenten und deu Dritten entstehen daraus keine Rechte und Pflichten

nung geschehen zurückweisen, sofern sich der Kom­ missionär nicht zugleich mit der Einkaufsanzeige zur Deckung des Unterschiedes erbietet. Der Kommittent, welcher den Einkauf als nicht für seine Rechnung geschehen zurückweisen will, muß dies ohne Verzug auf die Einkaufs­ anzeige erklären, widrigenfalls die Ueberschreitung des Auftrages für genehmigt gilt. 365. Wenn das Gut, welches dem Kommis­ sionär zugesandt wird, bei der Ablieferung sich in einem äußerlich erkennbar beschädigten oder mangel­ haften Zustande befindet, so muß der Kommis­ sionär die Rechte gegen den Frachtführer oder Schiffer wahren, für den Beweis jenes Zustandes sorgen und dem Kommittenten ohne Verzug Nach­ richt geben Im Unterlassungsfälle ist er für den daraus entstandenen Schaden verantwortlich. Er kann den Zustand durch Sachverständige feststellen lassen, und wenn das Gut dem Ver­ derben ausgesetzt und Gefahr im Verzüge ist, unter Beobachtungen der Bestimmungen des Ar­ tikels 343 den Verkauf des Guts bewirken.70 366. Treten Veränderungen an dem Gute ein, welche dessen Entwerthung befürchten lassen, und ist keine Zeit vorhanden, die Verfügung des Kom­ mittenten einzuholen, oder der Kommittent in der Ertheilung der Verfügung säumig, so kann der I Kommissionär unter Beobachtung der Bestim­ I mungen des Artikels 343 den Verkauf des Guts 1 veranlassen

Ist von dem Auftraggeber ausdrücklich bestimmt, daß das Geschäft auf seinen Namen abgeschlossen werden soll, so ist dies keine kaufmännische Kom- 1 Mission, sondern ein gewöhnlicher Auftrag zu einem Handelsgeschäft. 361 Der Kommissionär hat das Geschäft mit , der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns im Interesse des Kommittenten gemäß dem Auftrage auszuführen; er hat dem Kommittenten die er­ forderlichen Nachrichten zu geben, insbesondere sofort nach der Ausführung des Auftrages davon Anzeige zu machen; er ist verpflichtet, dem Kommittenten über das Geschäft Rechenschaft zu geben und ihm dasjenige zu leisten, was er aus dem Geschäft zu fordern hat 362 Handelt der Kommissionär nicht gemäß dem übernommenen Auftrage, so ist er dem Kommittenten zum Ersätze des Schadens ver­ pflichtet; der Kommittent ist nicht gehalten, das Geschäft für seine Rechnung gelten zu lassen 363. Hat der Kommissionär unter dem ihm gesetzten Preise verkauft, so muß er dem Kommit­

tenten den Unterschied im Preise vergüten, sofern er nicht beweist, daß ein Verkauf zu dem gesetzten Preise nicht ausgeführt werden konnte und die Vornahme des Verkauf von dem Kommittenten Schaden abgewendet hat. 364 Hat der Kommissionär den für den Ein­ kauf gesetzten Preis überschritten, so kann der Kommittent den Einkauf als nicht für seine Rech­

Em gleiches Recht hat der Kommissionär in allen anderen Fällen, in welchen der Kommittent, obwohl hierzu nach Lage der Sache verpflichtet, über das Gut zu verfügen unterläßt 367 Für Verlust oder Beschädigung des Guts ist der Kommissionär, während er Aufbewahrer desselben ist, verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß der Verlust oder die Beschädigung durch Um­ stände herbeigeführt ist, welche durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht abgewendet werden konnten Der Kommissionär ist wegen Unterlassung der Versicherung des Guts nur dann verantwortlich, wenn er von dem Kommittenten den Auftrag zur Versicherung erhalten hat 368. Forderungen aus einem Geschäft, welches der Kommissionär abgeschlossen hat, kann der Kommittent dem Schuldner gegenüber erst nach der Abtretung geltend machen. Jedoch gelten solche Forderungen, auch wenn sie nicht abgetreten sind, im Verhältniß zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär oder dessen Gläubigern als Forderungen des Kommit­ tenten. 369 Der Kommissionär, welcher ohne Einwil­ ligung des Kommittenten einem Dritten Vorschüsse

70. Ueber bie Zuständigkeit und das Verfahren vgl. Bem. zu Art 348

5< Allgeim Deutsches HgndeLsgesetzhuch. B. IV T. III, mach-: oder .Kredit gibt, thut dies auf eigene GefahrInsoweit jedoch der Handelsgebxauch am Orte des Geschäfts dqs Kredüiren des Kaufpreises mit sich bringt, ist in Ermangelung einer anderen Bestimmung des Kommittenten auch der Kommis­ sionär dazu berechtigt. Hat der Kommissionär unbefugt auf Kredit verkauft, so hat er dem Kommittenten, welcher dies nicht genehmigt, sofort als Schuldner des Kaufpreises die Zahlung zu leisten. Beweist der Kommissionär, daß beim Verkauf gegen baar der Preis ein geringerer gewesen sein würde, so hat er nur diesen Preis und, wenn derselbe geringer ist, als der auftraggemäße Preis, auch den Unter­ schied gemäß Artikel 363 zu vergüten 370. Der Kommissionär steht für die Zahlung oder für die anderweitige Erfüllung der Verbind­ lichkeit seines Kontrahenten em, wenn dies von ihm übernommen oder am Orte seiner Nieder­ lassung Handelsgebrauch ist. Der Kommissionär, welcher für seinen Kontra­ henten euisteht, ist dem Kommittenten für die ge­ hörige Erfüllung un Zeitpunkte des Verfalls unmittelbar und persöiilich insoweit verhaftet, als solche aus dem Vertragsverhältnisse überhaupt rechtlich gefordert werden kann Der Komniissionär, welcher für seinen Kontra henten einsteht, ist dazu zu einer Vergütung idei < redere-Provision > berechtigt 371 Der Kommutent ist schuldig, dem Kom Missionar zu ersetzen, was dieser an baaren Aus lagen oder überhaupt zum Vollzüge des Geschäfts nothwendig oder nützlich aufgewendet hat Hierzu gehört auch die Vergütung für die Benutzung der Lagerräume und der Transportmittel des Kommis sionärs und der Arbeit seiner Leute Der Kommissionär hat dte Provision zu sor dern wenn das Geschäft zur Ausführung gekom­ men ist. Für Geschäfte, welche nicht zur Ausfüh­ rung gekommen sind, kaun eine Provision nicht gefordert werden; jedoch hat der Kommissionär das Recht auf die Auslieserungsprovision, sofern eine solche ortsgebräuchlich ist. 372. Wenn der Kommissionär zu vortheilhafteren Bedingungen abschließt, als sie ihm vom Kom­ mittenten gestellt worden, so kommt der Vortheil dem letzteren allein zu Statten. Dies gilt insbesondere, wenn der Preis, für welchen der Kommissionär verkauft, den vom Kommittenten bestimmten niedrigsten Preis über­ steigt, oder wenn der Preis, für welchen er ein­ kaust, den vom Kommittenten bestimmten höch­ sten Preis nicht erreicht. 373. Ein Kommissionär, welcher den Ankauf eines Wechsels übernommen hat, ist, wenn er den Wechsel indossirt, verpflichtet, denselben regel­ mäßig und ohne Vorbehalt zu indossiren 374. Der Kommissionär hat an dem Kommis­ sionsgut, sofern er dasselbe noch in seinem Ge­

wahrsam hat oder sonst, insbesondere mittelst der Konnossemente, Ladescheine oder Lagerscheine, noch in der Lage ist, darüber zu verfügen, em Pfandrecht Hegen der auf das Gut verwendeten Kosten, wegen der Provision, wegen der rückficht lich des Gutes gegebenen Vorschüsse und Dar­ lehen, wegen der rücksichtlich desselben gezeichneten Wechsel oder in anderer Weise eingegangenen Verbindlichkeiten, sowie wegen aller Forderungen aus laufender Rechnung in Kommissionsgeschäften Der Kommissionär kann sich für die vorstehend erwähnten Ansprüche aus den durch das Kommis­ sionsgeschäft begründeten und noch ausstehenden Forderungen vorzugsweise vor dem Kommittenten und dessen Gläubigern befriedigen. 375. Ist der Kommittent in Erfüllung der in dem vorigen Artikel bezeichneten Verpflichtungen gegen den Kommissionär uit Verzüge, so ist der letztere berechtigt, sich unter Beobachtungen der Vorschriften des Artikels 310 ans dem Kommis sionSgute bezahlt zu machen; er hat dieses Recht auch gegenüber den übrigen Gläubigern und der Konkursmasse des Kommittenten

376 Bei der Kommission zum Einkauf oder zum Verkauf von Waaren, Wechfeln und Werth papieren, welche einen Börsenpreis oder Markt preis haben, ist der Kommissionär, wenn der Kommittent nicht ein Anderes bestimmt hat. be fugt, das Gut, welches er einkaufen soll, selbst als Verkäufer zu liefern, oder das Gut, welches er zu verkaufen beauftragt ist, als Käufer für sich zu behalten In diesem Falle ist die Pflicht des Konimissio nürs, Rechenschaft über die Abschließung des Kaufs oder Verkaufs zu geben, aus deii Nach weis beschränkt, daß bei dem berechneteil Prcue der Börsenpreis oder Marktpreis zur Zett der Ausführung des Auftrags eingehalten ist Er ist zu der gewöhnlichen Provision berechtigt und kann die bei Kommissionsgeschäften sonst regelmäßig vorkommenden Unkosten berechnen Macht der Kommissionär nicht zugleich mit der Anzeige über die Ausführung des Auftrages eine andere Person als Käufer oder Verkäufer nam­ haft, so ist der Kommittent befugt, den Kommis­ sionär selbst als Käufer oder Verkäufer in Anspruch zu nehmen. 377 Wenn der Kommittent den Auftrag wi­ derruft und der Widerruf bei dem Kommissionär eintrifft, bevor die Anzeige von der Ausführung des Auftrages behufs ihrer Absendung abgegeben ist, so kann sich der Kommissionär der Befugniß, selbst als Käufer oder Verkäufer einzutreten, nicht mehr bedienen. 378. Die Bestimmungen dieses Titels kommen auch zur Anwendung, wenn ein Kaufmann, dessen gewöhnlicher Handelsbetrieb nicht in Kom Missionsgeschäften besteht, ein einzelnes Handels­ geschäft in eigenem Namen für Rechnung eines Auftraggebers schließt

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV. T. IV, V. Abschn. 1.

Vierter Titel. Aon dem Speditionsgeschäfte. 379. Spediteur ist derjenige, welcher gewerbe­ mäßig in eigenem Namen für fremde Rechnung Güterversendungen durch Frachtführer oder Schiffer zu besorgen übernimmt. 380. Der Spediteur haftet für jeden Schaden, welcher aus der Vernachlässigung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns bei der Empfang­ nahme und Aufbewahrung des Gutes, bei der Wahl der Frachtführer, Schiffer oder Zwischen­ spediteure und überhaupt bei der Ausführung der von ihm übernommenen Versendung der Güter entsteht. Der Spediteur hat die Anwendung dieser Sorg­ falt zu beweisen. 381. Der Spediteur hat die Provision und die Erstattung dessen zu fordern, was er an Aus­ lagen und Kosten oder überhaupt zum Zweck der Versendung nothwendig oder nützlich ausgewendet hat (Art. 371). Er ist nicht befugt, eine höhere als die mit dem Frachtführer oder Schiffer bedungene Fracht zu berechnen. 382. Der Spediteur hat wegen der Fracht, der Provision, der Auslagen, Kosten und Verwen­ dungen und wegen der dem Versender auf das

Gut geleisteten Vorschüsse ein Pfandrecht an dem Gute, sofern er dasselbe noch in seinem Gewahr­ sam hat oder in der Lage ist, darüber zu ver­ fügen. Er kann dieses Recht auch gegenüber den übri­ gen Gläubigern und der Konkursmasse des Eigenthümers geltend machen. Bedient sich der Spediteur eines Zwischenspedi­ teurs, so hat der letztere zugleich die seinem Vor­ mann zustehende Rechte, insbesondere dessen Pfandrecht, auszuüben. Soweit der Bormann wegen seiner Forderung durch Nachnahme von dem Nachmann beftiedigt ist, geht die Forderung und das Pfandrecht des Vormanns von Rechtswegen auf den Nachmann über. Dasselbe gilt in Bezug auf die Forderung und das Pfandrecht des Frachtführers, wenn und insoweit der letztere von dem Zwischenspediteur beftiedigt ist. 383. Ein Spediteur, welcher die Versendung durch Frachtführer oder Schiffer, jedoch mittelst von ihm für eigene Rechnung gemietheter Trans­ portmittel besorgt, kann die gewöhnliche Fracht nebst der Provision und den sonstigen Kosten berechnen. 384. Wenn ein Spediteur mit dem Absender oder Empfänger über bestimmte Sätze der Trans­ portkosten sich geeinigt hat, so haftet er, in Er­ mangelung einer entgegenstehenden Vereinbarung, für die von ihm angenommenen Zwischenspedi­ teure und Frachtführer. Er ist in diesem Falle zur Provision nur dann berechtigt, wenn verein­

bart ist, daß eine solche neben den bestimmten Sätzen der Transportkosten gefordert werden könne. 385. Der Spediteur ist, wenn nicht ein Ande­ res bestimmt ist, befugt, den Transport der Güter selbst auszusühren. Wenn er sich dieser Befugniß bedient, so hat er zugleich die Rechte und Pflichten eines Fracht­ führers und kann die gewöhnliche Fracht, die Provision und die bei Speditionsgeschäften sonst regelmäßig vorkommenden Unkosten berechnen. 386. Die Klagen gegen den Spediteur wegen gänzlichen Verlustes oder wegen Verminderung, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung des Guts verjähren nach einem Jahre. Die Frist beginnt in Ansehung der Klagen wegen gänzlichen Verlustes mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Ablieferung hätte bewirkt sein müssen; in Ansehung der Klagen wegen Verminderung, Beschädigung oder verspäteter Ab­ lieferung mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Ablieferung geschehen ist. In gleicher Art sind die Einreden wegen Ver­ lustes, Verminderung, Beschädigung oder verspä­ teter Ablieferung des Guts erloschen, wenn nicht die Anzeige von diesen Thatsachen an den Spedi­ teur binnen der einjährigen Frist abgesandt worden ist. Die Bestimmungen dieses Artikels finden in Fällen des Betruges oder der Veruntreuung des Spediteurs keine Anwendung. 387. Im Uebrigen find die Rechte und Pflichten des Spediteurs, soweit dieser Titel keine Bestim­ mungen darüber enthält, nach den Grundsätzen des vorigen Titels zu beurtheilen; insbesondere kommen die Bestimmungen, welche in den Arti­ keln 365 bis 367 für den Kommissionär gegeben sind, auch für den Spediteur zur Anwendung. 388. Wenn ein Kaufmann, dessen gewöhnlicher Handelsbetrieb nicht in Speditionsgeschäften be­ steht, eine Güterversendung durch Frachtführer oder Schiffer, für fremde Rechnung in eigenem Namen zu besorgen übernimmt, so gelten in An­ sehung eines solchen Geschäfts die Vorschriften dieses Titels. 389. Die Bestimmungen dieses Titels finden keine Anwendung auf Personen, welche nur die Vermittelung von Frachtverträgen zwischen dem Absender und dem Frachtführer oder Schiffer bewirken (Frachtmäkler, Güterbestätter, Schiffs­ prokureure). 71

Fünfter Titel. Aon dem Arachtgeschäft. Erster Abschnitt. Wom Frachtgeschäft überhaupt.

390. Frachtführer ist derjenige, welcher gewer­ bemäßig den Transport von Gütern zu Lande oder auf Flüssen und Binnengewässern ausführt. 71. Vgl. Art. 82 franz. H.-G.-B.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV. T. V. Abschn. 1.

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391. Der Frachtbrief dient als Beweis über den Vertrag zwischen dem Frachtführer und dem Absender.

äußerlich nicht erkennbare Mängel der Verpackung entstanden ist. 396. Wenn äuf 'Gnrttd des vorhergehenden Ar­

Der Frachtführer kann Frachtbriefes verlangen.

tikels von dem Frachtführer für Vexlust oder Beschädigung des Guts Ersatz geleistet werden muß, so ist der Berechnung des Schadens nur der gemeine Handelswerth des Guts zu Grunde zu legen. Im Falle des Verlustes ist der gemeine Han­ delswerth zu ersetzen, welchen Gut derselben Art und Beschaffenheit am Ort der Ablieferung zu der Zeit hatte, in welcher das Gut abzuliefern war; davon kommt in Abzug, was in Folge des Ver­ lustes an Zöllen und Unkosten erspart ist. Im Falle der Beschädigung ist der Unterschied zwischen dem Verkaufswerth des Guts im beschä­ digten Zustande und dem gemeinen Handelswerth zu ersetzen, welchen das Gut ohne die Beschä­ digung gehabt haben würde, nach Abzug der Zölle und Unkosten, so weit sie in Folge der Beschädigung erspart sind. Hat das Gut keinen Handelswerth, so ist der Berechnung des Schadens der gemeine Werth des Guts zu Grunde zu legen. Wenn dein Frachtführer eine bösliche Hand­ lungsweise nachgewiesen wird, so hat er den vollen Schaden zu ersetzen. 397. Der Frachtführer haftet für den Schaden, welcher durch Versäumung der bedungenen oder üblichen Licferungszeit entstanden ist, sofern er nicht beweist, daß er die Verspätigung durch An­ wendung der Sorgfalt eines ordentlichen Fracht­ führers nicht habe abwenden können. 398. Ist für den Fall verspäteter Ablieferung ein Abzug an der Fracht oder der Verlust der Fracht oder sonst eine Konventionalstrafe bedungen, so kann im Zweifel außerdem auch der Ersatz des diesen Betrag übersteigenden Schadens gefordert werden, welcher durch die verspätete Ablieferung entstanden ist. 399. Beweist der Frachtführer, daß er die Ver­ spätung durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht habe abwenden können, so kann die bedungene gänzliche oder theilweise Ein­ behaltung der Fracht, oder die Konventionalstrafe wegen verspäteter Ablieferung nicht in Anspruch genommen werden, es sei denn, daß sich aus dem Vertrage eine entgegenstehende Absicht ergibt. 400. Der Frachtführer haftet für seine Leute und für andere Personen, deren er sich bei Aus­ führung des von ihm übernommenen Transports bedient. 401. Wenn der Frachtführer zur gänzlichen oder theilweisen Ausführung des von ihm übernom­ menen Transports das Gut einem anderen Fracht­ führer übergibt, so haftet er für diesen und die etwa folgenden Frachtführer bis zur Ablieferung. Jeder Frachtführer, welcher auf einen anderen Frachtführer folgt, tritt dadurch, daß er das Gut mit dem ursprünglichen Frachtbrief annimmt, in

die Ausstellung eines

392. Der Frachtbrief enthält: 1) die Bezeichnung des Guts nach Beschaffen­ heit, Menge und Merkzeichen; 2) den Namen und Wohnort des Frachtführers; 3) den Namen des Absenders; 4) den Namen dessen, an welchen das Gilt ab­ geliefert werden soll; 5) den Ort der Ablieferung; (!) die Bestimmung in Ansehung der Fracht; 7) den Ort und Tag der Ausstellung; 8) die besonderen Vereinbarungen, welche die Parteien etwa noch über andere Punkte, nament­ lich über die Zeit, innerhalb welcher der Trans­ port bewirkt werden soll, und über die Entschä­ digung wegen verspäteter Ablieferung, getroffen haben.

393. Der Absender ist verpflichtet, bei Giitern, welche vor der Ablieferung an den Empfänger zoll- oder steueraiutlicheu Behandlung unterliegen, den Frachtführer in den Besitz der deshalb erfor­ derlichen Begleitpapiere zu setze«. Er haftet dem Frachtführer, sofern nicht diesem selbst ein Ver­ schulden zur Last fällt, für alle Strafen und Schäden, welche denselben wegen Unrichtigkeit oder Unzulänglichkeit der Begleitpapiere treffen.

394. Ist über die Zeit, binnen welcher der Frachtführer den Transport bewirkell soll, im Frachtverträge nichts bedungen, so wird die Frist, innerhalb deren er die Reise antreten muß, durch den Ortsgebrauch bestimmt; besteht eiu Ortsgebrauch uicht, so ist die Reise bunten eiuer den Umständen des Falles angemessenen Frist anzutreten. Wird der Antritt oder die Fortsetzung der Reise durch Naturereignisse oder sonstige Zufälle zeit­ weilig verhindert, so braucht der Absender die Aushebung des Hindernisses nicht abzuwarten, er kann vielmehr von dem Vertrage zurücktreten, muß aber den Frachtführer, sofern demselben kein Verschulden zur Last fällt, wegen der Kosten zur Vorbereitung der Reise, der Kosten der Wieder­ ausladung und der Ansprüche in Beziehung auf die bereits zurückgelegte Reise entschädigen. Ueber die Höhe der Entschädigung entscheidet der Orts­ gebrauch und in dessen Ermangelung das richter­ liche Ermessen.

395. Der Frachtführer haftet für den Schaden, welcher durch Verlust oder Beschädigung des Fracht­ guts seit der Empfangnahme bis zur Ablieferung entstanden ist, sofern er nicht beweist daß der Verlust oder die Beschädigung durch höhere Ge­ walt (vis major) oder die natürliche Beschaffenheit des Guts, namentlich durch inneren Verderb, Schwinden, gewöhnliche Leckage u. dgl., oder durch

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E. Allgttn. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV' T. V. Akschn. L

den Frachtvertrag gemäß dem Frachtbrief etn, übernimmt eine selbstständige Verpflichtung, beit Transport nach Inhalt des Frachtbriefes aus­ zuführen , und hat auch in Bezug auf den von den früheren Frachtführern bereits ausgeführten Transport für die Verbindlichkeiten derselben ein­ zustehen. 402. Der Frachtführer hat den späteren An­ weisungen des Absenders wegen Zurückgabe des Guts oder wegen Auslieferung desselben an einen anderen als den im Frachtbriefe bezeichneten Em­ pfänger so lange Folge zu leisten, als er nicht letzterem nach Ankunft des Guts am Ort der Ablieferung den Frachtbrief übergeben hat. Ist dies bereits geschehen, so hat er nur die Anweisungen des bezeichneten Empfängers zu be­ achten, widrigenfalls er demselben für das Gut verhaftet ist.

403. Der Frachtführer ist verpflichtet, am Ort der Ablieferung dem durch den Frachtbrief be­ zeichneten Empfänger das Frachtgut auszuhändigeu.

404. Der im Frachtbriefe bezeichnete Empfän­ ger ist vor Ankunft des Guts am Ort der Ab­ lieferung dem Frachtführer gegenüber berechtigt, alle zur Sicherstellung des Guts erforderlich en Maßregeln zu ergreifen und dem Frachtführer die zu diesem Zweck nothwendigen Anweisungen zu ertheilen; die Auslieferung des Guts kann er vor dessen Ankunft am Ort der Ablieferung nur dann fordern, wenn der Absender den Fracht­ führer zu derselben ermächtigt hat. 405. Nach Ankunft des Frachtführers am Ort der Ablieferung ist der im Frachtbriefe bezeichnete mpfängcr berechtigt, die durch deu Frachtver­ trag begründeten Rechte gegen Erfüllung der Ver­ pflichtungen, wie sie der Frachtbrief ergibt, in eigenem Namen gegen den Frachtführer geltend zu machen, sei cs, daß er hierbei in eigenem oder fremdem Interesse handle; es ist insbesondere berechtigt, den Frachtführer auf Uebergabe des Frachtbriefes und Auslieferung des Guts zu be­ langen, sofern nicht der Absender demselben vor Anstellung der Klage eine nach Maßgabe des Artikels 402 noch zulässige entgegenstehende An­ weisung gegeben hat.

406. Durch Annahme des Guts und des Frachtbriefes wird der Empfänger verpflichtet, dem Frachtführer nach Maßgabe des Frachtbriefes Zahlung zu leisten.

407. Wenn der bezeichnete Empfänger des Guts nicht auszumittelu ist oder die Annahme verweigert, oder wenn Streit über die Annahme oder den Zustand des Guts entsteht, so kann der Betheiligte den letzteren durch Sachverständige seststellen lassen. Die Sachverständigen ernennt auf das Ansuchen des Betheiligten das Handelsgericht oder in dessen Er­ mangelung der Richter des Orts.

, Die Sachverständigen haben ihr Gutachten schriftlich oder zu Protokoll erstatten.72 Das Gericht kann auf Ansuchen des Bethei­ ligten verordnen, daß das Gut in einem öffent­ lichen Lagerhause oder bei einem Dritten nieder­ gelegt, und daß es ganz oder zu einem ent­ sprechenden Theile behufs Bezahlung der Fracht und der übrigen Forderungen des Frachtführers öffentlich verkauft wird. Ueber das Ansuchen um Ernennung von Sach­ verständigen oder um Verfügung des Gerichts wegen Niederlegung und wegen Verkaufs des Guts wird die Gegenpartei, wenn sie am Ort anwesend ist, gehört. 408. Durch Annahme des Guts und Bezahlung der Fracht erlischt jeder Anspruch gegen den Fracht­ führer. Nur wegen Verlustes oder Beschädigung, welche bei der Ablieferung äußerlich nicht erkennbar waren, kann der Frachtführer selbst nach der Annahme und nach Bezahlung der Fracht in An­ spruch genommen werden, wenn die Feststellung des Verlustes oder der Beschädigung ohne Ver­ zug nach der Entdeckung nachgcsucht worden ist, und bewiesen wird, daß' der Verlust oder die Be­ schädigung während der Zeit seit der Empfang­ nahme bis zur Ablieferung entstanden ist. Die Bestimmungen über die Verjährung der Klagen und Einreden gegen den Spediteur wegen Verlustes, Beschädigung oder verspäteter Ab­ lieferung des Guts (Art. 386) finden auch auf den Frachtführer Anwendung. 409. Der Frachtführer hat wegen aller durch den Frachtbetrag begründeten Forderungen, ins­ besondere der Fracht- und Liegegelder, sowie we­ gen der Zollgelder und anderer Auslagen ein Pfandrecht an dem Frachtgut. Dieses Pfandrecht besteht, so lange das Gut zurückbehalten oder niedergelegt ist; es dauert auch nach der Ab­ lieferung noch fort, insofern der Frachtführer es binnen drei Tagen nach der Ablieferung gericht­ lich geltend macht, und das Gut uoch bei dem Empfänger oder bei einem Dritten sich befindet, welcher es für den Empfänger besitzt. Er kann zu seiner Befriedigung den Verkauf des Guts oder eines Theils desselben veran­ lassen (Art. 407). Er hat dieses Recht auch gegenüber den übrigen Gläubigern und der Konkursmasse des Eigenthümers.73 410. Geht das Gut durch die Hände mehrerer Frachtführer, so hat der letzte bei der Ablieferung, sofern nicht der Frachtbrief das Gegentheil be72. Ueber die Zuständigkeit und das Verfahren vgl. Bem. zu Art. 348.

73. Nach § 18 G. v. 20. Juli 1879 erstreckt sich das Pfand­ recht des Art. 409 auch auf die Ansprüche, welche dem Waarenführer aus der Erfüllung der ihm nach jenem Ge­ setze obliegenden Verpflichtungen oder ans der Vertretung des Absenders erwachsen.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV. T. V. Abschn. 2. stimmt, auch die aus dem Frachtbriefe sich er­ gebenden Forderungen der vorhergehenden einzu­ ziehen und deren Rechte, insbesondere auch das Pfandrecht, auszuüben. Der vorhergehende Frachtführer, welcher von dem nachfolgenden befriedigt ist, überträgt auf diesen von Rechtswegen seine Forderung nud sein

Pfandrecht. In gleicher Art wird die.Forderung und das Pfandrecht des Spediteurs auf den nachfolgenden

Spediteur und den Frachtführer übertragen. Das Pfandrecht der Vormanner besteht so lange, als das Pfandrecht des letzten Fracht­ führers. 411. Wenn auf demselben Gute zwei oder mehrere gemäß den Artikeln 374, 382 und 409 begründete Pfandrechte bestehen, so geht unter denjenigen Pfandrechten, welche durch die Ver­ sendung oder durch den Transport des Guts entstanden sind, das später entstandene dem früher entstandenen vor; diese Pfandrechte haben sämmt­ lich den Vorrang vor den: Pfandrecht des Kom­ missionärs und vor dem Pfandrecht des Spedi­ teurs für Vorschüsse; unter den letzteren Pfand­ rechten geht das früher entstandene dem später entstandenen vor. 412. Wenn der Frachtführer das Gut ohne Bezahlung abliefert und das Pfandrecht nicht binnen drei Tagen nach der Ablieferung gericht­ lich geltend macht, so wird er, sowie die vorher­ gehenden Frachtführer und die Spediteure, des Rückgriffs gegen die Vormänner verlustig. Der Anspruch gegen den Empfänger bleibt in Kraft. 413. Der Absender und der Frachtführer können Übereinkommen, daß der letztere dem ersteren einen Ladeschein ausstellt. Der Ladeschein ist eine Urkunde, durch welche der Frachtführer sich zur Aushändigung des Guts verpflichtet. 414. Der Ladeschein enthält: 1) die Bezeichnung der geladenen Güter nach Beschaffenheit, Menge und Merkzeichen; 2) den Namen und Wohnort des Fracht­ führers ; 3) den Namen des Absenders; 4) den Namen desjenigen, an den oder an dessen Order das Gut abgeliefert werden soll. Als solcher ist der Absender zu verstehen, wenn der Ladeschein lediglich an Order gestellt ist; 5) den Ort der Ablieferung; 6) die Bestimmung in Ansehung der Fracht; 7) den Ort und Tag der Ausstellung. Der Ladeschein muß von dem Frachtführer unterzeichnet sein. Der Absender hat dem Frachtführer auf dessen Verlangen eine von ihm unterzeichnete gleichlauteden Kopie des Ladescheins auszuhändigen. 415. Der Ladeschein entscheidet für die Rechts­ verhältnisse zwischen dem Frachtführer und dem Empfängerdes Guts; die nicht tu denselben auf-

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nommenen Bestimmungen des Frachtvertrages haben gegenüber ' dem Emfänger keine rechtliche Wirkung, sofern nicht auf. dieselben ausdrücklich Bezug genommen ist. Für die Rechtsverhältnisse zwischen Fracht­ führer und Absender bleiben die ^Bestimmungen des Frachtvertrages maßgebend. 416. Wenn der Frachtführer einen Ladeschein ausgestellt hat, darf er späteren Anweisungen des Absenders wegen Zurückgabe oder Auslieferung des Guts an einen anderen als den durch den Ladeschein legitimirten Empfänger nur dann Folge leisten, wenn ihm der Ladeschein zurück­ gegeben wird. Handelt er dieser Bestimmung ent­ gegen, so ist er dem rechtmäßigen Inhaber des Ladescheins für das Gut verpflichtet. 417. Zum Empfange des Guts legitimirt ist derjenige, an welchen das Gut nach dem Lade­ schein abgeliesert werden soll, oder auf welchen der Ladeschein, wenn er an Order lautet, durch Indossament übertragen ist. 418. Der Frachtführer ist zur Ablieferung des Guts nur gegen Rückgabe des Ladescheins, auf welchem die Ablieferung des Guts zu beschei­

nigen ist, verpflichtet. 419. Im klebrigen kommen die Bestimmungen über die Rechte und Pflichten des Frachtführers auch in dem Falle zur Anwendung, wenn ein

Ladeschein ausgestellt ist. 420. Wenn ein Kaufmann, dessen gewöhnlicher Handelsbetrieb sich nicht auf die Ausführung von Frachtgeschäften erstreckt, in einem einzelnen Falle einen Transport von Gütern zu Land oder auf Flüssen und Binnengewässern anszuführen über­ nimmt, so kommen die Bestimmungen dieses Ti­ tels auch in Bezug auf ein solches Geschäft zur

Anwendung. 421. Die Bestimmungen dieses Abschnitts finden auch Anwendung aus Frachtgeschäfte von Eisen­ bahnen und anderen öffentlichen Transportan­

stalten. Sie gelten jedoch für die Postanstalten nur in­ soweit, als nicht durch besondere Gesetze oder Verordnungen für dieselben ein Anderes be­ stimmt ist. Für die Eisenbahnen kommen ferner die Be­ stimmungen des folgenden Abschnitts zur An­

wendung. Zweiter Abschnitt.

'Ron dem Krachtgeschaft der Hisenvahnen insbesondere. 422. Eine Eisenbahn, welche dem Publikum zur Benutzung für den Gütertransport eröffnet ist, kann die bei ihr nachgesuchte Eingehung eines Frachtgeschäfts für ihre Bahnstrecke nicht ver­ weigern, insofern 1) die Güter, an sich oder vermöge ihrer Ver­ packung nach den Reglements, und im Falle die letzteren fehlen oder keinen Anhalt gewähren, nach

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. IV.

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dM Einrichtungen und der BeMtzungsweise der Bahn Lum-Transport sich eignen;. 2) d^r: Msender in Bezug/lauf die Fracht, die Auflieferung der Güter und die sonstigen den Eisenbahnen sr^eigestellten Transportbedingungen sich den allgemein geltenden Anordnungen der Bqhnverwaltung unterwirft; 3) die regelmäßigen Transportmittel der Bahn zur Ausführung des Transports genügen. Die Eisenbahnen sind nicht verpflichtet, die Gü­ ter zum Transport eher anzunehmen, als bis die Beförderung derselben geschehen kann. In Ansehung der Zeit der Beförderung darf kein Absender vor dem Anderen ohne einen in den Einrichtungen der Bahn, in den Transport­ verhältnissen, oder im öffentlichen Interesse liegen­

den Grund begünstigt werden. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Artikels begründen den Anspruch auf Er­ satz des dadurch entstandenen Schadens.7^ 423. Die im Artikel 422 bezeichneten Eisen­ bahnen sind nicht befugt, die Anwendung der in den Artikeln 395, 396, 397, 400, 401, 408 ent­ haltenen Bestimmungen über die Verpflichtung des Frachtführers zum Schadensersätze, sei es in Bezug auf den Eintritt, den Umfang oder die Dauer der Verpflichtung oder in Bezug auf die Beweislast, zu ihrem Vortheil durch Verträge (mittelst Reglements oder durch besondere Uebereinkunst) im Voraus auszuschließen oder zu be­ schränken, außer, soweit solches durch nachfolgen­ den Artikel zugelassen ist. Vertragsbestimmungen, welche dieser Vorschrift entgegenstehen, haben keine rechtliche Wirkung. 424. Es kann bedungen werden: 1) in Ansehung der Güter, welche nach Ver­ einbarung mit dem Absender in unbedeckten Wa­ gen transportirt werden: daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus der mit dieser Transportart verbundenen Gefahr entstanden ist;74 75 2) in Ansehung der Güter, welche, ungeachtet ihre Natur eine Verpackung zum Schutz gegen Verlust oder Beschädigung auf dem Transport erfordert, nach Erklärung des Absenders auf dem Frachtbrief unverpackt oder mit mangelhafter Verpackung aufgegeben sind: daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus der mit dem Mangel der Ver­ packung oder mit der mangelhaften Be­ schaffenheit der Verpackung verbundenen Gefahr entstanden ist;76

- 3) in Ansehung

der Güter,

deren Auf- und

74. Bezüglich der von der Beförderung ausgeschlossenen oder nur bedingungsweise zugelassenen Gegenstände vgl. § 48 des Betriebsreglements für die Eisenbahnen Deutsch­ lands v. 1. Juli 1874 und die Abänderung v. 27. Juni 1879.

V. Abschn. 2.

Abladen nach Vereinbarung mit dem Absender von diesem besorgt wird: daß für den Schaden nicht gehastet werde, der aus der mit dem Auf- und Abladen oder mit mangelhafter Verladung ver­ bundenen Gefahr entstanden ist;77 4) in Ansehung der Güter, welche vermöge ihrer eigenthümlichen natürlichen Beschaffenheit der besonderen Gefahr ausgesetzt sind, gänzlichen oder theilweisen Verlust oder Beschädigung, na­ mentlich Bruch, Rost, inneren Verderb, außer­ gewöhnliche Leckage u. s. w. zu erleiden: daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus dieser Gefahr entstanden ist;7« 5) in Ansehung lebender Thiere: daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus der mit dem Transport dieser Thiere für dieselben verbundenen- beson­ deren Gefahr entstanden ist;79 6) In Ansehung begleiteter Güter: daß für den Schaden nicht gehastet werde, welcher aus der Gefahr entstanden ist, deren Abwendung durch die Begleitung bezweckt wird, «o Ist eine der in diesen! Artikel zugelassenen Be­ stimmungen bedungen, so gilt zugleich als be­ dungen, daß bis zum Nachweise des Gegentheils vermuthet werden soll, daß ein eingetretener Schaden, wenn er aus der nicht übernommenen Gefahr entstehen konnte, aus derselben wirklich entstanden ist. Eine nach diesem Artikel bedungene Befreiung von der Haftpflicht kann nicht geltend gemacht werden, wenn nachgewiesen wird, daß der Scha­ den durch Verschulden der Bahnverwaltung oder

ihrer Leute enstanden ist. 425. In Ansehung des Reisegepäcks

kann be­

dungen werden: 1) daß für Verlust oder Beschädigung von Reise­ gepäck, welches nicht zum Transport aufgegeben ist, nur gehaftet werde, wenn ein Verschulden der Bahnverwaltung oder ihrer Leute nachgewiesen wird. Dasselbe kann in Ansehung von Gegen­ ständen bedungen werden, welche sich in Reise-

Equipagen befinden; 2) daß für Verlust von Reisegepäck, welches zum Transport ausgegeben ist, nur gehaftet werde, wenn das Gepäck binnen einer bestimmten Frist nach der Ablieferungszeit abgefordert wird. Die Frist darf nicht kürzer als drei Tage

sein.81 426. In Ansehung der Güter, welche nach ihrer natürlichen Beschaffenheit bei dem Transport 77. Vgl. § 67 Nr. 4 Betr.-Regl. 78. Vgl. 8 67 Nr. 1 Betr.-Regl.

79. Vgl. § 44 Betr.-Regl. u. Abänderung v. 27. Juni 1879.

75. Dgl. § 67 Nr. 2 Betr.-Regl.

80. Vgl. 8 67 Nr. 5 Betr.-Regl.

76. Vgl. § 67 Nr. 3 Betr.-Regl.

81. Vgl. 8 29 u. 30 Betr.-Regl.

E. Allgein. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. I.

regelmäßig einen Verlust an Gewicht oder ent Maaß erleiden, kann bedungen werden, daß bis zu einem im Voraus bestimmten Normalsatze für Verlust an Gewicht oder Maaß nicht gehaftet werde. Der Normalsatz muß, im Falle mehrere Stücke zusammen transportirt worden sind, für jedes einzelne Stück besonders berechnet werden, wenn das Gewicht oder Maaß der einzelnen Stücke im Frachtbrief verzeichnet oder sonst er­ weislich ist. Die hier bezeichnete Bestimmung kann nicht geltend gemacht werden, wenn nachgewiesen wird, daß der Verlust nach den Umständen des Falles nicht in Folge der natürlichen Beschaffenheit des Guts entstanden ist, oder daß der bestimmte Normalsatz dieser Beschaffenheit oder den sonstigen Umständen des Falles nicht entspricht.82 427. Es kann bedungen werden: 1) daß der nach Artikel 396 der Schadensbe­ rechnung zu Grunde zu legende Werth den im Frachtbrief, im Ladeschein oder im Gepäckschein als Werth des Guts angegebenen Betrag und in Ermangelung einer solchen Angabe einen im Voraus bestimmten Normalsatz nicht übersteigen soll; 83 2) daß die Höhe des nach Artikel 397 wegen verspäteter Lieferung zu leistenden Schadenersatzes den im Frachtbrief, im Ladeschein oder im Gepäck­ schein als die Höhe des Interesses an der recht­ zeitigen Lieferung angegebenen Betrag und in Ermangelung einer solchen Angabe einen im Voraus bestimmten Normalsatz, welcher auch in dem Verluste der Fracht oder eines Theiles der­ selben bestehen kann, nicht übersteigen soll. 84 Im Falle einer böslichen Handlungsweise der Eisenbahnverwaltung oder ihrer Leute kann die Beschränkung der Haftpflicht auf den Normalsatz oder den angegebenen Werth des Guts nicht geltend gemacht werden. 428. Es kann bedungen werden, daß nach er­ folgter Empfangnahme des Guts und Bezahlung der Fracht jeder Anspruch wegen Verlustes an dem Gute oder wegen Beschädigung desselben auch dann, wenn dieselben bei der Ablieferung nicht erkennbar waren und erst später entdeckt worden sind (Art. 408 Abs. 2), erlischt, wenn der Anspruch nicht binnen einer bestimmten Frist nach der Ab­ lieferung bei der Eisenbahnverwaltung angemeldet worden ist. Die Frist darf nicht kürzer als vier Wochen sein. 85 82. Vgl. § 67 Nr. 8 Betr.-Regl.

83. Vgl. bezüglich der Güter § 68, bezüglich des Reise­ gepäcks § 29, bezüglich der Equipagen und Fahrzeuge § 38, bezüglich lebender Thiere § 44 Betr.-Regl. u. Abänderung v. 27. Juni 1879. 84. Vgl. bezüglich der Güter § 70, bezüglich des Reise­ gepäcks § 31, bezüglich der Equipagen und Fahrzeuge § 39, bezüglich lebender Thiere § 45 Betr.-Regl. 85. Vgl. § 64 Betr.-Regl.

59

429. Wenn eine Eisenbahn das Gut mit einem Frachtbrief übernimmt, Nach welchem- der Trans­ port durch mehrere sich an einaNdet anschließende Eisenbahnen zu bewirken ist, so kann bedüngen werden, daß nicht sämmtliche Eisenbahnen, welche das Gut mit dem Frachtbrief überkommen habest, nach Maßgabe des Artikels 401 als Fracht­ führer für den ganzen Transport hasten, sondern daß nur die erste Bahn und diejenige Bahn, welche das Gut mit dem Frachtbriefe zuletzt über­ nommen hat, dieser Haftpflicht für den ganzen Transport unterliegt, vorhaltlich des Rückgriffs der Eisenbahnen gegen einander, daß dagegen eine der übrigen, in der Mitte liegenden, Eisenbahnen nur dann als Frachtführer in Anspruch genommen werden kann, wenn ihr nachgewiesen wird, daß der Schaden auf ihrer Bahn sich ereignet hat. 86 430. Wenn eine Eisenbahn das Gut mit einen: Frachtbrief zum Transport übernimmt, in welchem als Ort der Ablieferung ein weder an ihrer Bahn noch an einer der sich an sie anschließenden Bahnen liegender Ort bezeichnet ist, so kann be­ dungen werden, daß die Haftpflicht der Eisenbahn oder der Eisenbahnen als Frachtführer nicht für den ganzen Transport bis zu dem Orte der Ab­ lieferung, sondern nur für den Transport bis zu dem Ort bestehe, wo der Transport mittelst Eisen­ bahn enden soll; ist dies bedungen, so treten in Bezug auf die Weiterbeförderung nur die Ver­ pflichtungen des Spediteurs ein. 87 431. Ist von dem Absender auf dem Frachtbrief bestimmt, daß das Gut an einem an der Eisen­ bahn liegenden Ort abgegeben werden oder liegen bleiben soll, so gilt, ungeachtet im Frachtbrief ein anderweitiger Bestimmungsort angegeben ist, der Transport als nur bis zu jenem an der Bahn liegenden Ort übernommen, und die Bahn ist nur bis zur Ablieferung an diesem Orte verantwortlich.

Fünftes Buch.

Dom Seehandel.

Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen. 432. Für die zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmten Schiffe, welchen das Recht, die Landes­ flagge zu führen, zusteht, ist ein Schiffsregister zu führen. Das Schiffsregister ist öffentlich; die Einsicht desselben ist während der gewöhnlichen Dienst­ stunden einem Jeden gestattet. 433. Die Eintragung in das Schiffsregister darf erst geschehen, nachdem das Recht, die Landes­ flagge zu führen nachgewiesen ist. Vor der Eintragung in das Sichffsregister darf das Recht, die Landesflagge zu führen, nicht aus­ geübt werden. 86. Vgl. § 62 Betr.-Regl. 87. Vgl. § 65 Betr.-Regl.

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E. Allgem. DssMsches Handelsgesetzbijtth. B. V $. I.

434. Pie Handesgesetze bestimmen die Exforderniffe, vorr wichen bctj Recht eines Schiffs, die

anderen Pereinbanmg anzunehmen, daß -dein Er Werber der Gewinn der laufenden Reise gebühre oder der Verlust derselben zur Last falle. 442. Durch die Veräußerung eines Schiffs oder einer Schiffspart wird in den persönlichen Ber-

Landesflagge zu führen, abhängig ist Sie bestimmen bie Behörden, welche das Schiffs­ register zu führen haben. -Sie bestimmen, ob und unter welchen Voraus­ setzungen die Eintragung in des Schiffsregister füv ein aus einem anderen Lande erworbenes Schiff vorläufig, durch eine Konsulatsurkunde

Pflichtungen des Veräußerers gegen Dritte nichts geändert. 443. Unter dem Zubehör eines Schiffs sind alle Sachen begriffen, welche zu dem bleibenden Ge­ brauch des Schiffs bei der Seefahrt bestimmt sind Dahin gehören insbesondere auch die Schiffsboote Int Zweifel werden Gegenstände, welche in das Schiffsinventar eingetragen sind, als Zubehör des Schiffs angesehen. 444. Im Sinne dieses fünften Buches gilt ein seeuntüchtig gewordenes Schiff 1) als reparaturunfähig, wenn die Reparatur des Schiffs überhaupt nicht möglich ist, oder an dem Ort, wo das Schiff sich befindet, nicht bewerkstelligt, dasselbe auch nicht nach dem Hafen, wo die Reparatur auszusühren wäre, gebracht werden kann; 2) als reparatur-unwürdig, wenn die Kosten der Reparatur ohne Abzug für den Unterschied zwischen alt und neu mehr betragen würden, als drei Viertel seines früheren Werths Ist die Seeuntüchtigkeit während einer Reise em getreten, so gilt als der frühere Werth deriemge, welchen das Schiff bei dein Antritt der Reife gehabt hat, in den übrigen Fällen derjenige, welchen das Schiff, bevor es seeuntüchtig geworden ist, gehabt hat oder bei gehöriger Ausrüstung gehabt haben würde 445 Zur Schiffsbesatzung werden gerechnet der Schiffer, die Schiffsmannschaft, sowie alle übrigen auf dem Schiff angestellten Personen 446. Em zum Abgehen fertiges (segelsertigeS. Schiff kann wegen Schulden nicht mit Beschlag belegt werden Diese Bestimniung tritt jedoch nicht em, wenn die Schulden zum Behuf der anzutre Lenden Reise gemacht worden sind Durch eine Beschlagnahme von bereits an Bord des Schiffs befindlichen Gütern wegen Schulden kann deren Wiederausladung nur in denjenigen Fällen erwirkt werden, in welchen der Ablader selbst die Wiederausladung noch zu fordern befugt wäre, und nur gegen Leistungen desjenigen, was dieser alsdann zu leisten haben würde. Eine zur Schiffsbesatzung gehörige Person kann wegen Schulden von dem Zeitpunkt an nicht mehr verhaftet werden, in welchem das Schiff segelfertig ist. 88 447 Wenn m diesem fünften Buche die euro päischeu Häfen den nichteuropäischen Häfen ent­ gegengesetzt werden, so sind unter den ersteren zugleich die nichteuropäischen Häfen des Mittel ländischen, Schwarzen und Azow'schen Meeres als mitbegriffen anzusehen

ersetzt werden kann. 435. Die Eintragung in das Schiffsregister muß enthalten: 1) die Thatsachen, welche das Recht des Schiffs, die Landesflagge zu führen, begründen; 2) die Thatsachen, welche zur Feststellung der Identität des Schiffs und seiner Eigenthumsver­ hältnisse erforderlich sind; 3) den Hafen, von welchem aus mit dem Schiff die Seefahrt betrieben werden soll (Heimathshafen, Registerhasen). Ueber die Eintragung wird eine, mit dem In­ halte derselben übereinstinimende Urkunde lCertifikat) ausgefertigt 436. Treten in den Thatsachen, welche in dem vorhergehenden Artikel bezeichnet sind, nach der Eintragung Beränderungen cm, so müssen die selben in das Schiffsregister eingetragen und auf dem Certifikat vermerkt werden Im Fall das Schiff untergeht oder das Recht, die Landesflagge zu führen, verliert, ist das Schiff in dem Schiffsregister zu löschen und das ertheilte Certifikat zurückzuliefern, sofern nicht glaubhaft bescheinigt wird, daß es nicht zurückgeliefert werden könne 437 Die Landesgesetzc bestimmen die Fristen, binnen welcher die Thatsachen anzuzeigen und nachzuweisen sind, welche eine Eintragung oder Löschung erforderlich machen, sowie die Strafen, welche für den Fall der Versäumung dieser Fristen oder der Nichtbefolgung der vorhergehenden Vor­ schriften verwirkt sind 438. Die Landesgesetzc können bestimmen, daß die Vorschriften der Artikel 432 - 437 auf kleinere Fahrzeuge (Küstenfahrer u. s w ) keine Anwendung finden 439. Bei der Veräußerung eines Schiffs oder eines Antheils am Schiff (Schiffspart) kann zum Eigenthumserwerb die nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts etwa erforderliche Uebergabe durch die unter den Kontrahenten getroffene Ver­ einbarung ersetzt werden, daß das Eigenthum so­ fort auf den Erwerber übergehen soll. 440. In allen Fällen der Veräußerung eines Schiffs oder einer Schiffspart kann jeder Theil

verlangen, daß ihm auf seine Kosten eine beglau­ bigte Urkunde über die Veräußerung ertheilt werde 441 Wird ein Schiff oder eine Schiffspart ver­ äußert, während das Schiff auf der Reise sich befindet, so ist im Berhälniß zwischen dem Ver­ äußerer und Erwerber in Ermangelung einer



88. Vgl Bem. zu Arr 9

E. Allgem Deutsches Handelsgesetzbuch. B V. T II 448 Die Bestimmungen des fünften Buches, welche sich auf den Aufenthalt des Schiffs im Heimathshafen beziehen, können von den Landes­ gesetzen auf alle oder einige Häfen des Reviers des Heimathshafens ausgedehnt werden 449 Für die Postanstalten gelten die Bestim­ mungen des fünften Buches nur insoweit, als nicht durch besondere Gesetzte oder Verordnungen

für dieselben ein Anderes vorgeschriebeu ist

Zweiter Titel.

Won dem Aheder und von der Ahederei. 450 Rheder ist der Eigenthümer eines chm zum Erwerb durch die Seefahrt dienenden Schiffs 4a 1 Der Rheder ist für den Schaden verant­ wortlich, welchen eine Person der Schiffsbesatzung einem Tritten durch ihr Verschulden in Ausfüh­ rung ihrer Dienstverrichtungen zufügt 452 Der Rheder haftet für den Anspruch eines Dritten nicht persönlich, sondern er haftet nur mit Schiff und Fracht 1) wenn der Anspruch auf ein Rechtsgeschäft gegründet wird, welches der Schiffer als solcher kraft feiner gesetzlichen Befugnisse, und nicht mit Bezug auf eine besondere Vollmacht geschlossen hat, 2i wenn der Anspruch auf die Nichterfüllung ober auf die unvollständige oder mangelhafte Erfüllung eines von dem Rheder abgeschlossenen Vertrages gegründet wird, insofern die Ausfüh­ rung des Vertrages zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört hat, ohne Unterschied, ob die Nichterfüllung oder die unvollständige oder die niangelhafte Erfüllung von einer Person der Schiffsmannschaft verschuldet ist oder nicht; 3) wenn der Anspruch auf das Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung gegründet wird In den unter Ziffer 1 und 2 bezeichneten Fällen kommt jedoch dieser Artikel nicht zur An­ wendung, wenn den Rheder selbst m Ansehung der Vertragserfüllungen cm Verschulden trifft,

oder wenn derselbe die Vertragserfüllung beson­ ders gewährleistet hat 453. Der Rheder hastet für die Forderungen der zur Schiffsbesatzung gehörenden Personen aus den Dienst- und Heuerverträgen nicht nur mit Schiff und Fracht, sondern zugleich persönlich. Wenn jedoch das Schiff dem Rheder ohne sein Verschulden vor Vollendung der Reise verloren geht, insbesondere wenn es verunglückt, wenn es als reparaturunfähig oder reparaturunwürdig kondemnirt (Art 444) und in dem letzteren Falle ohne Verzug öffentlich verkauft wird, wenn es geraubt wird, wenn es aufgebracht oder angehalten und für gute Prise erklärt wird, jo haftet der Rheder für die Forderungen aus der nicht vollendeten Reise oder, sofern dieselbe

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aus' mehreren Abschnitten besteht, für bk Förde­ rungen aus dem letzten Reise-Abschnitt nicht persönlich. Der letzte Reise-Abschnitt beginnt m dem Hafen, in welchem das Schiff zuletzt Läduntz eingenom­ men oder gelöscht hat, und mit' dem Zeitpunkt, in welchem mit dem Laden der Anfang gemacht oder die Löschung vollendet ist. Ein Nothhafen wird als Ladungs- oder Löschungshafen im Sinne dieser Vorschrift nicht angesehen. Der Rheder ist in keinem der vorgenannten Fälle befugt, die etwa gezahlten Handgelder und Vorschüsse zurück zu fordern. 454 Die übrigen Falle, in welchen der Rheder­ nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht haftet, sind in den folgenden Titeln bestimmt. 455 Der Rheder als solcher kann wegen eines jeden Anspruchs, ohne Unterschied ob er persön­ lich oder nur mit Schiff und Fracht haftet, vor dem Gerichte des Heimathshafens (Art 435) be­ langt werden 89 456. Wird von mehreren Personen em ihnen gemeinschaftlich znstehendes Schiff zum Erwerb durch die Seefahrt für gemeinschaftliche Rechnung verwendet, so besteht eine Rhederei Der Fall, wenn das Schiff einer Handelsge­ sellschaft gehört, wird durch die Bestimmungen über die Rhederei nicht berührt 457 Das Rechtsverhältnis; der Mitrheder un ter einander bestimmt sich zunächst nach dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrage Soweit eine Vereinbarung nicht getroffen ist, kommen die Bestimmungen der nachfolgenden Artikel zur Anwendung 458 Für die Angelegenheiten der Rhederei sind die Beschlüsse der Mitrheder maßgebend Bei der Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit der Stimmen Die Stimmen werden nach der Größe der Schiffsparten gezählt Die Stimmenmehrheit für einen Beschluß ist vorhanden, wenn der Per­ son oder den Personen, welche für den Beschluß gestimmt haben, zusammen mehr als die Hälfte des ganzen Schiffes gehört Einstimmigkeit sämmtlicher Mitrheder ist erfor­ derlich zu Beschlüssen, welche eine Abänderung des Rhedereivertrages bezwecken oder welche den Bestimmungen des Rhedereivertrages entgegen oder dem Zwecke der Rhederei ftemd sind 459 Durch Beschluß der Mehrheit kann für den Rhedereibetrieb ein Korrespondentrheder (Schiffsdirektor, Schiffsdisponent) bestellt werden. Zur Bestellung eines Korrespondentrheders, wel­ cher nicht zu den Mitrhedern gehört, ist ein ein­ stimmiger Beschluß erforderlich. Die Bestellung des Korrespondentrheders kann zu jeder Zeit durch Stimmenmehrheit widerrufen werden, unbeschadet der Rechte auf Entschädigung aus bestehenden Verträgen K9 Bql Bem zu Art !)

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E. Mgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B

460. Im Verhältniß zu Dritten ist der Korrespondentrcheder kraft feiner Bestellung befugt r alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche der Gesellschaftsbetrieb einer Rhederei ge­ wöhnlich mit sich bringt. Diese Befugniß erstreckt sich insbesondere auf die Ausrüstung, Erhaltung und Verfrachtung des Schiffs, auf die Versicherung der Fracht, der Ausrüstungskosten und der Havereigelder, sowie aus die mit dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb verbundene Emsangnahme von Geldern Der Korrespondentrheder ist in demselben Um­ fange befugt, die Rhederei vor Gericht zu ver­

treten. Er ist befugt, den Schiffer anzustellen und zu entlassen; der Schiffer hat sich nur an dessen Anweisungen und nicht auch an die etwaigen Anweisungen der einzelnen Mitrheder zu halten Im Namen der Rhederei oder einzelner Mit­ rheder Wechselverbindlichkeiten einzugehen oder Darlehen aufzunehmen, das Schiff oder Schiffs­ parten zu verkaufen oder zu verpfänden oder für dieselben Versicherung zu nehmen, ist der Korres­ pondentrheder nicht befugt^ es sei denn, daß ihm eine Vollmacht hierzu besonders ertheilt ist Im Uebrigen bedarf es zu den Geschäften und Rechtshandlungen, welche er kraft seiner Bestellung vorzunehmen befugt ist, der in den Landesgesetzen etwa vorgeschriebenen Spezialvollmacht nicht 461 Durch em Rechtsgeschäft, welches der Korrespondentrheder als solcher innerhalb der Grenzen seine Befugniß geschlossen hat, wird die Rhederei dem Dritten gegenüber auch dann be­ rechtigt und verpflichtet, wenn das Geschäft ohne Nennung der einzelnen Mitrheder geschlossen ist Ist die Rhederei durch ein von dem Korres­ pondentrheder abgeschlossenes Geschäft verpflichtet, so haften die Mitrheder in gleichem Umfange (Art 452), als wenn das Geschäft von ihnen geschlossen wäre 462. Eine Beschränkung der im Artikel 460 bezeichneten Befugnisse des Korrespondentrheders kann die Rhederei einem Dritten nur insofern entgegensetzen, als sie beweist, daß die Beschrän­ kung dem Dritten zur Zeit des Abschlusses des Geschäfts bekannt war 463. Der Rhederei gegenüber ist der Korres­ pondentrheder verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche von derselben für den Umfang seiner Befugnisse festgesetzt sind; er hat sich ferner nach den gefaßten Beschlüssen zu richten und die­ selben zur Ausführung zu bringen. Im Uebrigen ist der Umfang seiner Befugnisse auch der Rhederei gegenüber nach den Bestim­ mungen des Artikels 460 mit der Maßgabe zu beurtheilen, daß er zu neuen Reisen und Unter­ nehmungen, zu außergewöhnlichen Reparaturen, sowie zur Anstellung oder Entlassung des Schiffers vorher die Beschlüsse der Rhederei einholen muß. 464. Der Korrespondentrheder ist verpflichtet,

V T II

in den Angelegenheiten der Rhederei die Sorgfalt eines ordentlichen Rheders anzuwenden 465 Der Korrespondentrheder hat über seine die Rhederei betreffende Geschäftsführung abge­ sondert Buch zu führen und die dazu gehörigen Beläge aufzubewahren. Er hat auch jedem Mit­ rheder auf dessen Verlangen Kenntniß von allen Verhältnissen zu geben, die sich aus die Rhederei, insbesondere auf das Schiff, die Reise und die Ausrüstung beziehen; er muß ihm jederzeit die Einsicht der die Rhederei betreffenden Bücher' Briefe und Papiere gestatten 466. Der Korrespondentrheder ist verpflichtet, jederzeit auf Beschluß der Rhederei derselben Rechnung zu legen. Die Genehmigung der Rech­ nung und die Billigung der Verwaltung des Korrespondentrheders durch die Mehrheit hindert die Minderheit nicht, ihr Recht geltend zu machen 467 Jeder Mitrheder hat nach Verhältniß seiner Schiffspart zu den Ausgaben der Rhederei, insbesondere zu den Kosten der Ausrüstung und der Reparatur des Schiffs, beizutragen Ist ein Mitrhedcr mit Leistung seines Beitrags im Verzug und wird das Geld von Mitrhedern für ihn vorgeschossen, so ist er denselben von Rechtswegen zur Entrichtung von Zinsen von dem Zeitpunkt der Vorschüsse an verpflichtet Ob durch einen solchen Vorschuß ein Pfandrecht an der Schiffspart des säumigen Mitrheders erwor­ ben wird, ist nach den Landesgesetzen zu beur­ theilen. Auch wenn cm Pfandrecht nicht erworben ist, wird durch den Vorschuß ein versicherbares Interesse hinsichtlich der Schiffspart für die Mit

rheder begründet Im Falle der Versicherung dieses Interesses hat der säumige Mitrheder die Kosten derselben zu ersetzen 468. Wenn eine neue Reise oder wenn nach Beendigung einer Reise die ReparaMr des Schiffs oder wenn die Befriedigung eines Gläubigers beschlossen worden ist, welchem die Rhederei nur mit Schiff und Fracht haftet, so kann jeder Mit rheder, welcher dem Beschlusse zugestimmt hat, sich von der Leistung der zur Ausführung desselben erforderlichen Einzahlungen dadurch befreien, daß er seine Schiffspart ohne Anspruch auf Entgelt aufgibt Der Mitrheder, welcher von dieser Befugniß Gebrauch machen will, muß dies den Mitrhedern oder dem Korrespondentrheder innerhalb dreier Tage nach dem Tage des Beschlusses oder, wenn er bei der Beschlußfassung nicht anwesend und nicht vertreten war, innerhalb dreier Tage nach der Mittheilung des Beschlusses gerichtlich oder notariell kundgeben. Die aufgegebene Schiffspart fällt den übrigen Mitrhedern nach Verhältniß der Größe ihrer Schiffsparten zu. 469 Die Vertheilung des Gewinnes und Ver­ lustes geschieht nach der Größe der Schiffsparten. Die Berechnung des Gewinnes und Verlustes

E. Allgem Deutsches Handelsgesetzbuch. B

und die Auszahlung des etwaigen Gewinnes er­ folgt jedesrnal, nachdem das Schiff in den Heimathshafen zurückgekehrt ist, nachdem es in einem anderen Hafen ferne Reise beendigt hat und die Schiffsmannschaft entlassen ist. Außerdem müssen auch vor dem erwähnten Zeitpunkte die eingehenden Gelder, insoweit sie nicht zu späteren Ausgaben oder zur Deckung von Ansprüchen einzelner Mttrheder an die Rhederei erforderlich sind, unter die einzelnen Mitrheder nach Verhältniß der Größe ihrer Schiffsparten vorläufig vertheilt und ausbezahlt werden 470 Jeder Mitrheder kann seine Schiffspart jederzeit und ohne Einwilligung der übrigen Mit­ rheder ganz oder theilweise veräußern Ein gesetzliches Verkaufsrecht steht den Mttrhedern nicht zu. Es kann jedoch die Veräußerung einer Schiffspart, in Folge welcher das Schiff das Recht, die Landesslagge zu führen, verlieren würde, rechtsgültig nur mit der Zustimmung aller Mitrheder erfolgen Die Landesgesetze, welche eine solche Veräußerung überhaupt für unzulässig erklären, werden durch diese Bestimmung nicht

berührt 471 Der Mitrheder, welcher seme Schiffspart veräußert hat, wird, so lange die Veräußerung von ihm und dem Erwerber den Mtthredern oder dem Korrespondentrheder nicht angezeigt worden ist, tut Verhältniß zu den Mitrhedern noch als Mitrheder betrachtet und bleibt wegen aller vor dieser Anzeige begründeten Verbindlichkeiten als Mttrheder den übrigen Mitrhedern verhaftet Der Erwerber der Schiffspart ist jedoch un Verhältniß zu den übrigen Mitrhedern schon seit deni Zeitpunkte der Erwerbung als Mttrheder verpflichtet Er muß die Bestimmungen des Rhedereivertrages, die gefaßten Beschlüsse und emgegangenen Geschäfte gleichwie der Veräußerer gegen sich gelten lassen; die übrigen Milrheder können außerdem alle gegen den Veräußerer als Mit­ rheder begründeten Verbindlichkeiten tn Bezug auf die veräußerte Schiffspart gegen den Erwerber zur Aufrechnung bringen, unbeschadet des Rechts des letzteren auf Gewährleistung gegen den Ver­

äußerer 472 Eme Aenderung ui den Personen der Mit­ rheder ist ohne Einfluß auf den Fortbestand der Rhederei Wenn ein Mithreder stirbt oder in Konkurs geräth, oder zur Verwaltung seines Vermögens rechtlich unfähig wird, so hat dies die Auflösung der Rhederei nicht zur Folge Eine Aufkündigung von Setten eines Mttrheders oder eine Ausschließung eines Mitrheders findet nicht statt. 473. Die Auflösung der Rhederet kann durch Stimmenmehrheit beschlossen werden. Der Beschluß, das Schiff zu veräußern, steht dem Beschlusse der Auflösung gleich

T

H

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Ist die Auflösung der Rhederet oder die Ver­ äußerung des Schiffs beschlossen, so muß das Schiff öffentlich verkauft werden Der Verkauf kann nur geschehen, wenn das Schiff zu einer Reise nicht verfrachtet ist und itt dem Heimaths­ hafen oder in einem inländischen Hafen sich be­ findet. Ist jedoch das Schiff als reparaturunfähig oder reparaturunwürdig (Art. 444) kondemnirt, so kann der Verkauf desselben, auch wenn es ver­ frachtet ist, und selbst im Auslande erfolgen Soll von den vorstehenden Bestimmungen abgewichen werden, so ist die Zustimmung aller Mitrheder erforderlich. 474. Die Mltrheder als soche haften Dritten, wenn ihre persönliche Haftung eintritt, nur nach Verhältniß der Größe ihrer Schiffsparten

Ist eine Schiffspart veräußert,, so haften für die in der Zeit zwischen der Veräußerung und der im Artikel 471 erwähnten Anzeige etwa be­ gründeten persönlichen Verbindlichkeiten rücksicht lich dieser Schiffspart sowohl der Veräußerer als der Erwerber

475 Die Mttrheder als solche können wegen eines jeden Anspruchs, ohne Unterschied, ob dieser von einem Mttrheder oder von einem Dritten erhoben ist, vor dem Gerichte des Hcunathshafcns (Art 435) belangt werden

Diese Vorschrift kommt auch dann zur An Wendung, wenn die Klage nur gegen einen Mit rheder oder gegen einige Mitrheder gerichtet ist 90

476. Auf die Vereinigung zweier oder mehrerer Personen, ein Schiff für gemeinschaftliche Rechnung zu erbauen und zur Seefahrt zu verwenden, finden die Artikel 457, 458, 467, der letztere mit der Maßgabe Anwendung, daß er zugleich auf die Baukosten zu beziehen ist, desgleichen die Artikel 472 und 474 und, sobald das Schiff vollendet und von dem Erbauer abgeliefert ist, außerdem die Artikel 470, 471 und 473 Der Korrespondentrheder (Art. 459) kann auch schon vor Vollendung des Schiffs bestellt werden; er hat in diesem Falle sogleich nach seiner Be­ stellung in Bezug auf den künftigen Rhedereibetrieb die Rechte und Pflichten eines Korrespondent­ rheders

477 Wer ein ihm nicht gehöriges Schiff zum Erwerb durch die Seefahrt für seine Rechnung verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffer anvertraut, wird im Verhältniß zu Dritten als Rheder angesehen Der Eigenthümer kann denjenigen, welcher aus

der Verwendung einen Anspruch als Schiffs­ gläubiger herleitet, an der Durchführung des An­ spruchs nicht hindern, sofern er nicht beweist, daß die Verwendung ihm gegenüber eine widerrechtliche und der Gläubiger nicht in gutem Glauben war

90 Vgl. Bem zu Art 9

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. III.

Dritter Titel. Aon dem Schiffer. 01 478. Der Führer des Schiffs (Schiffskapitän, Schiffer) ist verpflichtet, bei allen Dienstverrich­ tungen, namentlich bei der Erfüllung der von ihm auszuführenden Verträge, die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers anzuwenden. Er haftet für jeden durch sein Verschulden entstandenen Schaden, insbesondere für den Schaden, welcher aus der Verletzung der in diesem und den folgenden Titeln ihm auferlegten Pflichten entsteht. 479. Diese Haftung des Schiffers besteht nicht nur gegenüber dem Rheder, sondern auch gegen­ über dem Befrachter, Ablader und Ladungs­ empfänger, dem Reisenden, der Schiffsbesatzung und demjenigen Schiffsgläubiger, dessen Forderung aus einem Kreditgeschäft (Art. 497) entstanden ist, insbesondere dem Bodmereigläubiger. Der Schiffer wird dadurch, daß er auf An­ weisung des Rheders gehandelt hat, den übrigen vorgenannten Personen gegenüber von der Haftung nicht befreit. Durch eine solche Anweisung wird auch der

Rheder persönlich verpflichtet, wenn er bei Ertheilung derselben von dem Sachverhältniß unter­ richtet war. 480. Der Schiffer hat vor Antritt der Reise dafür zu sorgen, daß das Schiff in seetüchtigem Stande, gehörig eingerichtet und ausgerüstet, gehörig bemannt und verproviantirt ist, und daß die zum Ausweis für Schiff, Besatzung und Ladung erforderlichen Papiere an Bord sind. 481. Der Schiffer hat zu sorgen für die Tüch­ tigkeit der Geräthschaften zum Laden und Löschen, sowie für die gehörige Stauung nach Seemanns­ brauch, auch weM die Stauung durch besondere Stauer bewirkt wird. Er hat dafür zu sorgen, daß das Schiff nicht überladen, und daß es mit dem nöthigen Ballaste und der erforderlichen Garnirung versehen wird. 482. Wenn der Schiffer im Auslande die dort geltenden gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die Polizei-, Steuer- nnd Zollgesetze nicht beobachtet, so hat er den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Desgleichen hat er den Schaden zu ersetzen, welcher daraus entsteht, daß er Güter ladet, von welchen er wußte oder wissen mußte, daß sie Kriegskontrebande seien. 483. Sobald das Schiff zum Abgehen fertig ist, hat der Schiffer die Reise bei der ersten günstigen Gelegenheit anzutreten. Auch wenn er durch Krankheit oder andere Ursachen verhindert ist, das Schiff zu führen, darf er den Abgang oder die Weiterfahrt desselben nicht ungebührlich aufhalten; er muß vielmehr, 91. Die von der Beweisstrafe des Journals und der Ver­ klarung handelnden Artt. 488 u. 494 sind aufgehoben durch 8 13 Nr. 2 E.-G. z. C.-P.-L.

wenn Zeit und Umstände gestatten, die Anordnung des Rheders einzuholen, diesem ungesäumt die Verhinderung anzeigen und für die Zwischenzeit die geeigneten Vorkehrungen treffen, im entgegen­ gesetzten Falle einen anderen Schiffer einsetzen. Für diesen Stellvertreter ist er nur insofern ver­ antwortlich, als ihm bei der Wahl desselben ein Verschulden zur Last fällt. 484. Vom Beginn des Ladens an bis zur Beendigung der Löschung darf der Schiffer das Schiff gleichzeitig mit dem Steuermann nur in dringenden Fällen verlassen; er hat in solchen Fällen zuvor aus den Schiffsosfizieren oder der übrigen Mannschaft einen geeigneten Vertreter zu bestellen. Dasselbe gilt auch vor Beginn des Ladens und nach Beendigung der Löschung, wenn das Schiff in einem nicht sicheren Hafen oder auf einer nicht sicheren Rhede liegt. Bei drohender Gefahr oder wenn das Schiff in See sich befindet, muß der Schiffer an Bord sein, sofern nicht eine dringende Nothwendigkeit seine Abwesenheit rechtfertigt. 485. Wenn der Schiffer in Fällen der Gefahr mit den Schiffsoffizieren einen Schiffsrath zu halten für angemessen findet, so ist er gleichwohl an die gefaßten Beschlüsse nicht gebunden; er bleibt stets für die von ihm getroffenen Maß­ regeln verantwortlich. 486. Auf jedem Schiffe muß ein Journal ge­ führt werden, in welches für jede Reise alle erheblichen Begebenheiten, seit mit dem Einnehmer! der Ladung oder des Ballastes begonnen ist, einzntragen sind. Das Journal wird unter Aufsicht des Schiffers von dem Steuermann und int Falle der Verhin­ derung des letzteren von dem Schiffer selbst oder unter seiner Aufsicht von einem durch ihn zu bestimmenden geeigneten Schiffsmann geführt. 487. Von Tag zu Tag sind in das Journal einzutragen: die Beschaffenheit von Wind und Wetter; die von dem Schiffe gehaltenen Kurse und zurückgelegten Distanzen; die ermittelte Breite und Länge; der Wasserstand bei den Pumpen. Ferner sind in das Journal einzutragen: die durch das Loth ermittelte Wassertiese; jedes Annehmen eines Lootsen und die Zeit seiner Ankunft und seines Abganges; die Veränderung im Personal der Schiffs­ besatzung ; die im Schiffsrath gefaßten Beschlüsse; alle Unfälle, welche dem Schiff oder der La­ dung zustoßen, und die Beschreibung der­ selben. Auch die auf dem Schiffe begangenen strafbaren Handlungen und die verhängten Disziplinarstrafen, sowie die vorgekommenen Geburts- und Sterbe­ fälle sind in das Journal einzutragen.

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. III. Die Eintragungen müssen, soweit die Umstände nicht hindern, täglich geschehen. Das Journal ist von dem Schiffer und dem Steuermann zu unterschreiben. 489. Die Landesgesetze können bestimmen, daß auf kleineren Fahrzeugen (Küstenfahrer u. dgl.) die Führung eines Journals nicht erforderlich sei. 490. Der Schiffer hat über alle Unfälle, welche sich während der Reise ereignen, sie mögen den Verlust oder die Beschädigung des Schiffs oder der Ladung, das Einlaufen in einen Nothhafen oder einen sonstigen Nachtheil zur Folge haben, mit Zuziehung aller Personen der Schiffsbesatzung oder einer genügenden Anzahl derselben eine Verklarung abzulegen. Die Verklarung ist ohne Verzug zu bewirken und zwar: im Bestimmungshafen oder bei mehreren Bestimmungshäfen in demjenigen, welchen das Schiff nach dem Unfälle zuerst erreicht; im Nothhafen, sofern in diesem reparirt oder gelöscht wird; am ersten geeigneten Orte, wenn die Reise endet, ohne daß der Bestimmungshafen erreicht wird. Ist der Schiffer gestorben oder außer Stande, die Aufnahme der Verklarung zu bewirken, so ist hierzu der im Range nächste Schiffsoffizier be­ rechtigt und verpflichtet. 491. Die Verklarung muß einen Bericht über die erheblichen Begebenheiten der Reise, nament­ lich eine vollständige uud deutliche Erzählung der erlittenen Unfälle, unter Angabe der zur Abwen­ dung oder Verringerung der Nachtheile angewen­ deten Mittel enthalten.

492. Im Gebiete dieses Gesetzbuchs muß die Verklarung, unter Vorlegung des Journals und eines Verzeichnisses aller Personen der Schiffs­ besatzung, bei dem zuständigen Gericht angemeldet werden. Das Gericht hat nach Eingang der Anmeldung so bald als thunlich die Verklarung aufzunehmen. Der dazu anberaumte Termin wird in geeig­ neter Weise öffentlich bekannt gemacht, insofern die Umstände einen solchen Aufenthalt gestatten. Die Interessenten von Schiff und Ladung, sowie die etwa sonst bei dem Unfälle Betheiligten sind berechtigt, selbst oder durch Vertreter der Ablegung der Verklarung beizuwohnen. Die Verklarung geschieht auf Grundlage des Journals. Kann das geführte Journal nicht bei­ gebracht werden oder ist ein Journal nicht geführt (Art. 489), so ist der Grund hiervon anzugeben.

493. Der Richter ist befugt, außer den gestellten noch andere Personen der Schiffsbesatzung, deren Abhörung er angemessen findet, zu vernehmen. Er kann zum Zweck besserer Aufklärung dem Schiffer sowohl als jeder anderen Person der Schiffsdesatzung geeignete Fragen zur Beantwor­ tung vorlegen. E. Handels- und Wechselrecht.

Der Schiffer und die zugezogenen übrigen Personen der Schiffsbesatzung haben ihre Aus­ sagen zu beschwören. Die über die Verklarung aufgenommene Ver­ handlung ist in Urschrift aufzubewahren und jedem Betheiligten auf Verlangen beglaubigte Abschrift zu ertheilen.92 495. Rechtsgeschäfte, welche der Schiffer eingeht, während das Schiff im Heimathshafen sich befin­ det, sind für den Rheder nur dann verbindlich, wenn der Schiffer auf Grund einer Vollmacht gehandelt hat, oder wenn ein anderer besonderer Berpflichtungsgrund vorhanden ist. Zur Annahme der Schiffsmannschaft ist der Schiffer auch im Heimathshafen befugt. 496. Befindet sich das Schiff außerhalb des Heimathshafens, so ist der Schiffer Dritten gegen­ über kraft seiner Anstellung befugt, für den Rheder alle Geschäfte und Rechtshandlungen vor­ zunehmen, welche die Ausrüstung, Bemannung, Verproviantirung und Erhaltung des Schiffs, sowie überhaupt die Ausführung der Reise mit sich bringen. Diese Befugniß erstreckt sich auch auf die Ein­ gehung von Frachtverträgen; sie erstreckt sich ferner auf die Anstellung von Klagen, welche sich auf den Wirkungskreis des Schiffers beziehen. 497. Zur Aufnahme von Darlehen, zur Ein­ gehung von Käufen auf Borg, sowie zum Ab­ schlüsse ähnlicher Kreditgeschäfte ist jedoch der Schiffer nur dann befugt, wenn es zur Erhaltung des Schiffs oder zur Ausführung der Reise noth­ wendig und nur insoweit, als es zur Befriedigung des Bedürfnisses erforderlich ist. Ein Bodmerei­ geschäft ist er einzugehen nur dann befugt, wenn es zur Ausführung der Reise nothwendig und nur insoweit, als es zur Befriedigung des Be­ dürfnisses erforderlich ist. Die Gültigkeit des Geschäfts ist weder von der wirklichen Verwendung, noch von der Zweck­ mäßigkeit der unter mehreren Kreditgeschäften getroffenen Wahl, noch von dem Umstande ab­ hängig, ob dem Schiffer das erforderliche Geld zur Verfügung gestanden habe, es sei denn, daß dem Dritten der böse Glauben bewiesen würde. 498. Auf den persönlichen Kredit des Rheders Geschäfte abzuschließen, insbesondere Wechselver­ bindlichkeiten für denselben einzugehen, ist der Schiffer nur auf Grund einer ihn hierzu ermäch­ tigenden Vollmacht (Art. 452 Ziffer 1) befugt. Verhaltungsmaßregeln und dienstliche Anwei­ sungen, welche der Schiffer vom Rheder erhält, genügen nicht, die persönliche Haftung des Rheders dem Dritten gegenüber zu begründen. 499. Die Befugniß zum Verkaufe des Schiffs hat der Schiffer nur im Falle dringender Noth­ wendigkeit, und nachdem dieselbe durch das Orts­ gericht nach Anhörung von Sachverständigen und 92. Vgl. Bem. zu Art. 9.

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mit Zuziehung des Landeskonsuls, wo ein solcher vorhanden, festgestellt ist. Ist keine Gerichtsbehörde und auch keine andere Behörde, welche die Untersuchung übernimmt, am Orte vorhanden, so hat der Schiffer zur Recht­ fertigung seines Verfahrens das Gutachten von Sachverständigen einzuholen und, wenn dies nicht möglich ist, mit anderen Beweisen sich zu versehen. Der Verkauf muß öffentlich geschehen. 500. Der Rheder, welcher die gesetzlichen Be­ fugnisse des Schiffers beschränkt hat, kann dem Dritten die Nichteinhaltung dieser Beschränkungen nur dann entgegensetzen, wenn er beweist, daß dieselben dem Dritten bekannt waren. 501. Hat der Schiffer ohne besonderen Auftrag für Rechnung des Rheders aus eigenen Mitteln Vorschüsse geleistet oder sich persönlich verpflichtet, so stehen ihm gegen den Rheder wegen des Er­ satzes keine größeren Rechte als einem Dritten zu. 502. Durch ein Rechtsgeschäft, welches der Schiffer in seiner Eigenschaft als Führer des Schiffs, sei es mit, sei es ohne Bezeichnung des Rheders, innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse geschlossen hat, wird der Rheder dem Dritten gegenüber berechtigt und die Haftung des Rheders

mit Schiff und Fracht begründet. Der Schiffer selbst wird dem Dritten durch das Rechtsgeschäft nicht verpflichtet, es sei denn, daß er eine Gewährleistung für die Erfüllung über­ nommen oder seine Befugnisse überschritten hätte. Die Haftung des Schiffers nach Maßgabe der Artikel 478 und 479 wird hierdurch nicht ausge­

schlossen. 503. Auch dem Rheder gegenüber sind für den Umfang der Befugnisse des Schiffers die vor­ stehenden Artikel maßgebend, soweit der Rheder diese Befugnisse nicht beschränkt hat. Außerdem ist der Schiffer verpflichtet, von dem Zustande des Schiffs, den Begebnissen der Reisen, den von ihm geschlossenen Verträgen und den anhängig gewordenen Prozessen den Rheder in fortlaufender Kenntniß zu erhalten und in allen erheblichen Fällen, namentlich in den Fällen der Artikel 497 und 499, oder wenn er eine Reise zu ändern oder einzustellen sich genöthigt findet, oder bei außergewöhnlichen Reparaturen und An­ schaffungen die Ertheilung von Verhaltungsmaß­ regeln nachzusuchen, sofern die Umstände es gestatten. Zu außergewöhnlichen Reparaturen und An­ schaffungen, selbst wenn er sie mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln des Rheders bestrei­ ten kann, darf er nur im Falle der Nothwendig­ keit schreiten. Wenn er das zur Bestreitung eines Bedürf­ nisses nöthige Geld nicht anders sich verschaffen kann, als entweder durch Bodmerei, oder durch den Verkauf von entbehrlichem Schiffszubehör, oder durch den Verkauf von entbehrlichen Schiffsvorräthen, so hat er diejenige Maßregel zu

ergreifen, welche für den Rheder mit dem ge­ ringsten Nachtheil verbunden ist. Er muß dem Rheder nach der Rückkehr in den Heimathshasen und außerdem, so oft es verlangt wird, Rechnung legen. 504. Im Interesse der Ladungsbetheiligten hat der Schiffer während der Reise zugleich für das Beste der Ladung nach Möglichkeit Sorge zu tragen. Werden zur Abwendung oder Verringerung eines Verlustes besondere Maßregeln erforderlich, so liegt ihm ob, das Interesse der Ladungsbe­ theiligten als Vertreter derselben wahrzunehmen, wenn thunlich deren Anweisungen einzuholen und, insoweit es den Verhältnissen entspricht, zu be­ folgen, sonst aber nach eigenem Ermessen zu ver­ fahren und überhaupt thunlichst dafür zu sorgen, daß die Ladungsbetheiligten von solchen Vorfällen und den dadurch veranlaßten Maßregeln schleunigst in Kenntniß gesetzt werden. Er ist in solchen Fällen namentlich auch be­ rechtigt, die Ladung ganz oder zum Theil zu löschen, äußerstenfalls, wenn ein erheblicher Ver­ lust wegen drohenden Verderbs oder aus sonstigen Gründen anders nicht abzuwenden ist, zu ver­ kaufen oder behufs Beschaffung der Mittel zu ihrer Erhaltung und Weiterbeförderung zu ver­ bodmen, sowie im Falle der Anhaltung oder Aus­ bringung zu reklamiren oder, wenn sie auf andere Weise seiner Verfügung entzogen ist, ihre Wieder­ erlangung außergerichtlich und gerichtlich zu be­ treiben. 505. Wird die Fortsetzung der Reise in der ursprünglichen Richtung durch einen Zufall ver­ hindert, so ist der Schiffer befugt, die Reise ent­ weder in einer anderen Richtung fortzusetzen, oder dieselbe auf kürzere oder längere Zeit einzustellen, oder nach dem Abgangshafen zurückzukehreu, je nachdem es den Verhältnissen und den möglichst zu berücksichtigenden Anweisungen entspricht. Im Falle der Auflösung des Frachtvertrages hat er nach den Vorschriften des Artikels 634 zu verfahren. 506. Auf den persönlichen Kredit der Ladungs­ betheiligten Geschäfte abzuschließen, ist der Schiffer auch in den Fällen des Artikels 504 nur auf Grund einer ihn hierzu ermächtigenden Vollmacht befngt. 507. Außer den Fällen des Artikels 504 ist der Schiffer zur Verbodmung der Ladung oder zur Verfügung über Ladungsthcile durch Verkauf oder Verwendung nur dann befugt, wenn und insoweit es zum Zweck der Fortsetzung der Reise nothwendig ist. 508. Gründet sich daß Bedürfniß in einer großen Haverei und kann der Schiffer demselben durch verschiedene Maßregeln abhelfen, so hat er diejenige Maßregel zu ergreifen, welche für die Betheiligten mit dem geringsten Nachtheil ver­ bunden ist.

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509. Liegt der Fall einer großen Haverei nicht vor, so ist der Schiffer zur Verbodmung der La­ dung oder zur Verfügung über Ladungstheile durch Verkauf oder Verwendung nur dann befugt, wenn er dem Bedürfniß auf anderem Wege nicht ab­ helfen kann, oder wenn die Wahl eines anderen Mittels einen unverhältnißmäßigen Schaden für den Rheder zur Folge haben würde. Auch in diesen Fällen kann er die Ladung nur zusammen mit dem Schiff und der Fracht ver­ bodmen (Art. 681 Abs. 2). Er hat die Verbodmung vor dem Verkauf zu wählen, es sei denn, daß die Verbodmung einen unverhältnißmäßigen Schaden für den Rhe­ der zur Folge haben würde. 510. Die Verbodmung der Ladung oder die Verfügung über Ladungstheile durch Verkauf oder Verwendung wird in den Fällen des vorstehen­ den Artikels als ein für Rechnung des Rheders abgeschlossenes Kreditgeschäft (Art. 497 und 757 Siff. 7) angesehen. 511. In Bezug auf die Gültigkeit der in den Fällen der Artikel 504 und 507 bis 509 von dem Schiffer abgeschlossenen Rechtsgeschäfte kommen die Vorschriften des Artikels 497 zur Anwen­ dung. 512. Zu den Geschäften und Rechtshandlungen, welche der Schiffer nach den Artikeln 495, 496, 497, 499, 504, 507 bis 509 vorzunehmen be­ fugt ist, bedarf er der in den Landesgesetzen etwa vorgeschriebenen Spezialvollmacht nicht. 513. Was der Schiffer vom Befrachter, Ablader oder Ladungsempsänger außer der Fracht als Kaplaken, Primage oder sonst als Belohnung oder Entschädigung, gleichviel unter welchem Na­ men, erhält, muß er dem Rheder als Einnahme in Rechnung bringen. 514. Der Schisser darf ohne Einwilligung des Rheders für eigene Rechnung keine Güter ver­ laden. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so muß er dem Rheder die höchste am Abladungs­ ort zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht erstatten, unbeschadet des Rechts des Rheders, einen erweislich höheren Schaden geltend zu machen. 515. Der Schiffer kann, selbst wenn das Gegen­ theil vereinbart ist, jederzeit von dem Rheder entlassen werden, jedoch unbeschadet seiner Ent­ schädigungsansprüche. 516. Erfolgt die Entlassung, weil der Schiffer untüchtig befunden ist, oder weil er seiner Pflicht nicht genügt, so erhält er nur dasjenige, was er von der Heuer einschließlich aller sonst bedunge­ nen Vortheile bis dahin verdient hat. 517. Wenn ein Schiffer, welcher für eine be­ stimmte Reise angestellt ist, entlassen wird, weil die Reise wegen Krieg, Embargo oder Blokade, oder wegen eines Einfuhr- oder Ausfuhrverbots, oder wegen eines anderen Schiff oder Ladung betreffenden Zufalls nicht angetreten oder fortge­

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setzt werden kann, so erhält er gleichfalls nur dasjenige, was er von der Heuer einschließlich aller sonst bedungenen Vortheile bis dahin ver­ dient hat. Dasselbe gilt, wenn ein auf unbe­ stimmte Zeit angestellter Schiffer entlassen wird, nachdem er die Ausführung einer bestimmten Reise übernommen hat. Erfolgt in diesen Fällen die Entlassung während der Reise, so hat der Schiffer außerdem nach seiner Wahl entweder auf freie Zurückbeförderung nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, oder auf eine entsprechende Vergütung Anspruch. Wenn nach den Bestimmungen dieses Gesetz­ buchs ein Anspruch auf freie Zurückbeförderung begründet ist, so umfaßt derselbe auch den Unter­ halt während der Reise. 518. Wird ein Schiffer, welcher auf unbestimmte Zeit angestellt ist, aus anderen als den in den Artikeln 516 und 517 angeführten Gründen ent­ lassen, nachdem er die Ausführung einer be­ stimmten Reise übernommen hat, so erhält er außer demjenigen, was ihm nach den Bestimmungen des vorigen Artikels gebührt, als Entschädigung noch die Heuer für zwei oder vier Monate, je nachdem die Entlassung in einem europäischen oder in einem nichteuropäischen Hafen erfolgt ist. Jedoch erhält er in keinem Falle mehr, als er erhalten haben würde, wenn er die Reise zu Ende geführt hätte. 519. War die Heuer nicht zeitweise, sondern in Bausch und Bogen für die ganze Reise bedungen, so wird in den Fällen der Artikel 516 bis 518 die verdiente Heuer mit Rücksicht auf den vollen Heuerbetrag nach Verhältniß der geleisteten Dienste, sowie des etwa zurückgelegten Theiles der Reise bestimmt. Zur Ermittelung der im Artikel 518 erwähnten Heuer für zwei oder vier Monate wird die durchschnittliche Dauer der Reise ein­ schließlich der Ladungs- und Löschungszeit unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Schiffs in Ansatz gebracht und danach die Heuer für die zwei oder vier Monate berechnet. 520. Endet die Rückreise des Schiffs nicht in dem Heimathshafen, und war der Schiffer für die Aus- und Rückreise oder auf bestimmte Zeit angestellt, so hat der Schiffer Anspruch auf freie Zurückbeförderung nach dem Hafen, wo er ge­ heuert worden ist, und auf Fortbezug der Heuer während der Reise oder nach seiner Wahl auf eine entsprechende Vergütung. 521. Der Schiffer, welcher auf unbestimmte Zeit angestellt ist, muß, sobald er eine Reise an­ getreten hat, in dem Dienste verbleiben, bis das Schiff in den Heimathshafen oder in einem in­ ländischen Hafen zurückgekehrt und die Entlöschung erfolgt ist. Er kann jedoch seine Entlassung fordern, wenn seit der ersten Abreise zwei oder drei Jahre ver­ flossen sind, je nachdem das Schiff zur Zeit der Aufkündigung in einem europäischen oder in

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einem nichteuropäischen Hafen sich befindet. Er hat einem solchen Fallen dem Rheder die zu einem nichtenropäischen Hafen sich befindet. Er hat in einem solchen Falle dem Rheder die zu seiner Ersetzung erforderliche Zeit zu gewähren und den Dienst inzwischen fortzusetzen, jedenfalls die laufende Reise zu beendigen. Hat der Rheder sofort nach der Kündigung die Rückreise angeordnet, so muß der Schiffer das Schiff zurückführen. 522. Die Schiffspart, mit welcher der Schiffer auf Grund einer mit den übrigen Rhedern ge­ troffenen Vereinbarung als Mitrheder an dem Schiff betheiligt ist, muß im Falle seiner un­ freiwilligen Entlassung auf sein Verlangen von den Mitrhedern gegen Auszahlung des durch Sachverständige zu bestimmenden Schätzungs­ werthes übernommen werden. Dieses Recht des Schiffers erlischt, wenn er die Erklärung, davon Gebrauch zu machen, ohne Grund verzögert. 523. Falls der Schiffer nach Antritt der Reise erkrankt oder verwundet wird, so trägt der Rhe­ der die Kosten der Verpflegung und Heilung: 1) wenn der Schiffer mit dem Schiff zurück­ kehrt und die Rückreise in dem Heimathshafen oder in dem Hafen endet, wo er geheuert worden ist, bis zur Beendigung der Rückreise; 2) wenn er mit dem Schiff zurückkehrt und die Reise nicht in einem der genannten Häfen endet, bis zum Ablauf von sechs Monaten seit Beendi­ gung der Rückreise; 3) wenn er während der Reise am Lande zu­ rückgelassen werden mußte, bis zum Ablauf von sechs Monaten seit der Weiterreise des Schiffs. Auch gebührt ihm in den beiden letzteren Fällen freie Zurückbeförderung (Art. 517) oder nach seiner Wahl eine entsprechende Vergü­ tung. Die Heuer einschließlich aller sonst bedungenen Vortheile bezieht der nach Antritt der Reise er­ krankte oder verwundete Schiffer, wenn er mit dem Schiff zurückkehrt, bis zur Beendigung der Rückreise, wenn er am Lande zurückgelassen wer­ den mußte, bis zu dem Tage, an welchen er das Schiff verläßt. Ist der Schiffer bei Vertheidigung des Schiffs beschädigt, so hat er überdies auf eine angemessene, erforderlichenfalls von dem Richter, zu bestimmende Belohnung Anspruch.

524. Stirbt der Schiffer nach Antritt des Dienstes, so hat der Rheder die bis zum Todes­ tage verdiente Heuer einschließlich aller bedungegenen Vortheile zu entrichten; ist der Tod nach Antritt der Reise erfolgt, so hat der Rheder auch die Beerdigungskosten zu tragen. Wird der Schiffer bei Vertheidigung des Schiffs getödtet, so hat der Rheder überdies eine ange­ messene, erforderlichenfalls von dem Richter zu bestimmende Belohnung zu zahlen. 525. Auf die in den Artikeln 523 und 524

bezeichneten Forderungen findet die Vorschrift des Artikels 453 gleichfalls Anwendung. 526. Auch nach dem Verluste des Schiffs ist der Schiffer verpflichtet, noch für die Verklarung zu sorgen und überhaupt das Interesse des Rheders so lange wahrzunehmen, als es erforderlich ist. Er hat aber auch für diese Zeit Anspruch auf Fortbezug der Heuer und auf Erstattung der Kosten des Unterhalts. Für diese Heuer und Un­ terhaltskosten haftet der Rheder persönlich. Außer­ dem behält der Schiffer, jedoch nur nach Maßgabe des Artikels 453, Anspruch auf freie Zurückbeför­ derung (Art. 517) oder nach seiner Wahl auf eine entsprechende Vergütung. 527. Die Bestimmungen der Landesgesetze über die von dem Schiffer nachzuweisende Qualifikation werden durch dieses Gesetzbuch nicht berührt.

Vierter Titel.

Won der Schiffsmannschaft. 528. Zur „Schiffsmannschaft" werden auch die Schiffsoffiziere mit Ausschluß des Schiffers ge­ rechnet ; desgleichen ist unter „Schiffsmann" auch jeder Schiffsoffizier mit Ausnahme des Schiffers zu verstehen. 529. Die Bestimmungen des mit der Schiffs­ mannschaft abgeschlossenen Heuervertrages sind in die Musterrolle aufzunehmen. 530. Wird ein Schiffsmann erst nach Anferti­ gung der Musterrolle geheuert, so gelten für ihn in Ermangelung anderer Vertragsbestimmungen die nach Inhalt der Musterrolle mit der übrigen Schiffsmannschaft getroffenen Abreden, insbeson­ dere kann er nur dieselbe Heuer fordern, welche nach der Musterrolle den übrigen Schiffsleuten seines Ranges gebührt. 531. Die Verpflichtung der Schiffsmannschaft, an Bord zu kommen und Schiffsdienste zu leisten, beginnt, wenn nicht ein Anderes bedungen ist, mit der Anmusterung. Bon demselben Zeitpunkt an ist, in Ermange­ lung einer anderweitigen Abrede, die Heuer zu zahlen. 532. Den Schiffsmann, welcher nach der An­ musterung dem Antritt oder der Fortsetzung des Dienstes sich entzieht, kann der Schiffer zur Erfüllung seiner Pflicht zwangsweise anhalten lassen. 533. Der Schiffsmann ist verpflichtet, in An­ sehung des Schiffsdienstes den Anordnungen des Schiffers unweigerlich Gehorsam zu leisten und zu jeder Zeit alle für Schiff und Ladung ihm übertragenen Arbeiten zu verrichten. Er ist der Disziplinargewalt des Schiffers un­ terworfen. Die näheren Bestimmungen über die Disziplinargewalt des Schiffers bleiben den Landesgesetzen Vorbehalten. 534. Der Schiffsmann darf ohne Erlaubniß des Schiffers keine Güter an Bord bringen. Für

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. IV. die gegen dieses Gebot beförderten eigenen oder fremden Güter muß er die höchste am Abladungs­ ort zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht erstatten, unbeschadet der Verpflichtung zum Ersatz eines erweislich höheren Schadens. Der Schiffer ist auch befugt, die Güter über Bord zu werfen, wenn dieselben Schiff oder La­ dung gefährden. Die Landesgesetze, welche die Uebertretung des Verbots mit noch anderen Nachtheilen bedrohen, werden hierdurch nicht berührt. 535. Der Schiffsmann ist verpflichtet, auf Ver­ langen bei der Verklarung mitzuwirken und seine Aussage eidlich zu bestärken. 536. Die Heuer ist dem Schiffsmann, sofern keine andere Vereinbarung getroffen ist, erst nach Beendigung der Reise oder bei der Abdankung zu zahlen, wenn diese früher erfolgt. Ob und inwieweit vor dem Antritt und wäh­ rend der Reise Vorschußzahlungen und Abschlags­ zahlungen zu leisten sind, bestimmen die Landes­ gesetze und in deren Ermangelung der Ortsge­ brauch des Heimathshafens. 537. Der Schiffsmann darf den Schiffer vor einem fremden Gericht nicht belangen. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so ist er nicht allein für den daraus entstehenden Schaden verantwort­ lich, sondern er wird außerdem der bis dahin verdienten Heuer verlustig. Er kann' in Fällen, die keinen Aufschub leiden, die vorläufige Entscheidung des Bundeskonsuls oder desjenigen Konsuls, welcher dessen Geschäfte zu versehen berufen ist, und in Ermangelung eines solchen, die des Konsuls eines anderen deut­ schen Staates nachsuchen. Jeder Theil hat die Entscheidung des Konsuls einstweilen zu befolgen, vorbehaltlich der Befugniß, nach Beendigung der Reise seine Rechte vor­ der zuständigen Behörde geltend zu machen.^ 538. Der Schiffsmann ist verpflichtet, während der ganzen Reise einschließlich etwaiger Zwischen­ reisen bis zur Beendigung der Rückreise im Dienste zu verbleiben, wenn in dem Heuervertrage nicht ein Anderes bestimmt ist. Endet die Rückreise nicht in dem Heimathshafen, so hat er Anspruch auf freie Zurückbeför­ derung (Art. 517) nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, und auf Fortbezug der Heuer während der Reise oder nach seiner Wahl aus eine ent­ sprechende Vergütung. 539. Ist nach Beendigung der Ausreise eine Zwischenreise beschlossen oder ist eine Zwischen­ reise beendigt, so kann der Schiffsmann seine Entlassung fordern, wenn seit dem Dienstantritt zwei oder drei Jahre verflossen sind, je nachdem das Schiff in einem europäischen oder in einem nichteuropäischen Hasen sich befindet. Bei der 93. Vgl. Bem, zu Art. 9.

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Entlassung ist dem Schiffsmann die bis dahin verdiente Heuer, nicht aber eine weitere Vergütung zu zahlen. Die Entlassung kann nicht gefordert werden, sobald die Rückreise angeordnet ist. 540. Der vorstehende Artikel findet keine An­ wendung, wenn der Schiffsmann für eine längere Zeit sich verheuert hat. Die Verheuerung auf unbestimmte Zeit oder mit der allgemeinen Bestimmung, daß nach Been­ digung der Ausreise der Dienst für alle Reisen, welche noch beschlossen werden möchten, fortzu­ setzen sei, wird als eine Verheuerung auf längere Zeit nicht angesehen. 541. In allen Fällen, in welchen ein Schiff länger als zwei Jahre auswärts verweilt, tritt in Ermangelung einer anderweitigen Abrede für den seit der Ausreise im Dienste befindlichen Schiffsmann eine Erhöhung der Heuer ein, wenn diese nach Zeit bedungen ist. Das Maß der Erhöhung bestimmen die Lan­ desgesetze. 542. Der Heuervertrag endet, wenn das Schiff durch einen Zufall dem Rheder verloren geht, insbesondere, wenn es verunglückt, wenn es als reparaturunfähig oder repara­ turunwürdig kondemnirt (Art. 444) und in dem letzteren Falle ohne Verzug öffentlich verkauft wird, wenn es geraubt wird, wenn es aufgebracht oder angehalten und für gute gute Prise erklärt wird. Dein Schiffsmann gebührt alsdann nicht allein die verdiente Heuer, sondern auch freie Zurück­ beförderung nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, oder nach Wahl des Schiffers eine entsprechende Vergütung. Er bleibt verbunden, bei der Bergung gegen Fortbezug der Heuer Hülfe zu leisten und bei der Verklarung gegen Zahlung der etwa erwachsenden Reise- und Versäumnißkosten mitzuwirken. Für diese Kosten haftet der Rheder persönlich, im Uebrigen haftet er nur nach Maßgabe des Ar­ tikels 453. 543. Der Schiffer kann den Schiffsmann, ab­ gesehen von den in dem Heuervertrage bestimmten Fällen, vor Ablauf der Dienstzeit entlassen: 1) so lange die Reise noch nicht angetreten ist, wenn der Schiffsmann zu dem Dienste, zu welchem er sich verheuert hat, untauglich ist; wird die Untauglichkeit erst später entdeckt, so ist der Schiffer befugt, den Schiffsmann, mit Ausschluß des Steuermannes, im Range herabzusetzen und seine Heuer verhältnißmäßig zu verringern;

2) wenn der Schiffsmann eines groben Dienst­ vergehens, insbesondere des wiederholten Unge­ horsams oder der fortgesetzten Widerspenstigkeit, der Schmuggelei oder einer mit schwerer Strafe bedrohten Handlung sich schuldig macht;

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3) wenn der Schiffsmann mit einer syphiliti­ schen Krankheit behaftet ist, oder wenn er durch eine unerlaubte Handlung eine Krankheit oder Verwundung sich zuzieht, welche ihn arbeitsun­ fähig macht; 4) wenn die Reise, für welche der Schiffsmann geheuert war, wegen Krieg, Embargo oder Blo­ kade, oder wegen eines Ausfuhr- oder Einfuhr­ verbots, oder wegen eines anderen Schiff oder Ladung betreffenden Zufalls nicht angetreten oder fortgesetzt werden kann. 544. Dem Schiffsmann gebührt in den Fällen der Ziffern 1 bis 3 des Artikels 543 nicht mehr als die verdiente Heuer; in den Fällen der Ziffer 4 hat er, wenn er nach Antritt der Reise entlassen wird, nicht allein auf die verdiente Heuer, sondern auch auf die freie Zurückbeförde­ rung (Art. 517) nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, oder nach Wahl des Schiffers auf eine entsprechende Vergütung Anspruch. Die Landesgesetze, welche den Schiffsmann in Fällen der Pflichtverletzung (Ziff. 2) mit Verlust der verdienten Heuer bedrohen, werden durch die vorstehende Bestimmung nicht berührt. Den Landesgesetzen bleibt auch Vorbehalten, noch aus anderen als den im Artikel 543 ange­ führten Gründen die unfreiwillige Entlassung des Schiffsmannes ohne Entschädigung oder gegen theilweise Entschädigung zu gestatten.

545. Der für eine Reise geheuerte Schiffsmann, welcher aus anderen als den in den Artikeln 543 und 544 erwähnten Gründen vor Ablauf des Heuervertrages entlassen wird, behält, wenn die Entlassung vor Antritt der Reise erfolgt, als Entschädigung die etwa empfangenen Hand- und Borschußgelder, soweit dieselben den üblichen Be­ trag nicht übersteigen. Sind Hand- und Vorschußgelder nicht gezahlt, so hat er als Entschädigung die Heuer für einen Monat zu fordern. Ist die Entlassung erst nach Antritt der Reise erfolgt, so erhält er außer der verdienten Heuer noch die Heuer für zwei oder vier Monate, je nachdem er in einem europäischen oder in einem nicht europäischen Hafen entlassen ist, jedoch nicht mehr als er erhalten haben würde, wenn er erst nach Beendigung der Reise entlassen worden wäre. Außerdem hat er Anspruch auf freie Zurück­ beförderung (Art. 517) nach dem Hafen wo er geheuert worden ist, oder nach Wahl des Schif­ fers auf eine entsprechende Vergütung. 546. Ist die Heuer in Bausch und Bogen be­ dungen, so wird die verdiente Heuer (Art. 537, 539 , 542 , 544, 545) und die ein-, zwei-, oder viermonatliche Heuer (Art. 545) nach Anleitung des Artikels 519 berechnet. 547. Der Schiffsmann kann seine Entlassung fordern, wenn sich der Schiffer einer groben Ver­ letzung seiner ihm gegen denselben obliegenden Pflichten, insbesondere durch schwere Mißhandlung

oder durch grundlose Vorenthaltung von Speise und Trank schuldig macht. Der Schiffsmann, welcher aus einem solchen Grunde seine Entlassung nimmt, hat dieselben Ansprüche, welche für den Fall des Artikels 545 bestimmt sind. Die Landesgesetze können bestimmen, ob und aus welchen anderen Gründen dem Schiffsmann das Recht, die Entlassung zu fordern, außerdem noch zustehe. In einem anderen Lande darf der Schiffsmann, welcher seine Entlassung fordert, nicht ohne Genehmigung des zuständigen Konsuls (Art. 537) den Dienst verlassen. 548. Falls der Schiffsmann nach Antritt des Dienstes erkrankt oder verwundet wird, so trägt der Rheder die Kosten der Verpflegung und Hei­ lung : 1) wenn der Schiffsmann wegen der Krankheit oder Verwundung die Reise nicht antritt, bis zum Ablauf von drei Monaten seit der Erkran­ kung oder Verwundung; 2) wenn er die Reise antritt und mit dem Schiffe nach dem Heimathshafen oder dem Hafen, wo er geheuert worden ist, zurückkehrt, bis zum Ablauf von drei Monaten seit der Rückkehr des Schiffs; 3) wenn er die Reise antritt und mit dem Schiffe zurückkehrt, die Rückreise des Schiffs jedoch nicht in einem der genannten Häfen endet, bis zum Ablauf von sechs Monaten seit der Rückkehr des Schiffs; 4) wenn er während der Reife am Lande zu­ rückgelassen werden mußte, bis zum Ablauf von sechs Monaten seit der Weiterreise des Schiffs. Auch gebührt dem Schiffsmann in den beiden letzteren Fällen freie Zurückbeförderung (Art. 517) nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, oder nach Wahl des Rheders eine entsprechende Ver­

gütung. 549. Die Heuer bezieht der erkrankte oder ver­ wundete. Schiffsmann : wenn er die Reise nicht antritt, bis zur Ein­ stellung des Dienstes; wenn er die Reise antritt und mit dem Schiffe zurückkehrt, bis zur Beendigung der Rückreise; wenn er während der Reise am Lande zu­ rückgelassen werden mußte, bis zu dem Tage, an welchem er das Schiff verläßt. Ist der Schiffsmann bei Vertheidigung des Schiffs beschädigt, so hat er überdies auf eine angemessene, erforderlichenfalls von dem Richter zu bestimmende Belohnung Anspruch. 550. Auf den Schiffsmann, welcher die Krank­ heit oder Verwundung durch eme unerlaubte Handlung sich zugezogen hat oder mit einer syphi­ litischen Krankheit behaftet ist, finden die Artikel 548 und 549 keine Anwendung. 551. Stirbt der Schiffsmann nach Antritt des

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Dienstes, so hat der Rheder die bis zum Todes­ tage verdiente Heuer (Art. 546) zu zahlen und die Beerdigungskosten zu tragen. Wird der Schiffs­ mann bei Vertheidigung des Schiffs getödtet, so hat der Rheder überdies eine angemessene, erfor­ derlichenfalls von dem Richter zn bestimmende Belohnung zu entrichten. Soweit der Nachlaß des während der Reise verstorbenen Schiffsmannes an Bord sich befindet, hat der Schiffer für die Aufzeichnung und die Aufbewahrung, sowie erforderlichensatts für den Verkauf des Nachlasses Sorge zu tragen. 552. Auf die in den Artikeln 548, 549 und 551 bezeichneten Forderungen findet die Vorschrift des Artikels 453 gleichfalls Anwendung. 553. Den Landesgesetzen bleibt Vorbehalten, die Voraussetzungen zu bestimmen, ohne welche kein Schiffsmann wider seinen Willen in einem an­ deren Lande zurückgelassen werden darf, sowie das Verfahren zu regeln, welches der Schiffer im Falle einer solchen Zurücklassung einhalten muß. 554. Personen, welche, ohne zur Schiffsmann­ schaft zu gehören, auf einem Schiff als Maschi­ nisten, Aufwärter oder in anderer Eigenschaft eingestellt sind, haben, sofern nicht dnrch Vertrag ein Anderes bestimmt ist, dieselben Rechte nnd Pflichten, welche in diesem Titel in Ansehung der Schiffsmannschaft festgestcllt sind. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob sie von dem Schiffer oder Rheder angenommen worden sind. 555. Der dem Schiffsmann als Lohn zuge­ standene Antheil an der Fracht oder an dem Ge­ winn wird als Heuer im Sinne dieses Titels nicht angesehen. 556. Den Landesgesetzen bleibt Vorbehalten, so­ wohl in Ansehung des im vorhergehenden Ar­ tikel erwähnten Lohnverhältnisses, als in anderen Beziehungen die Vorschriften dieses Titels zu er­ gänzen.

Fünfter Titel. Won dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern. 557. Der Frachtvertrag zur Beförderung von Gütern bezieht sich entweder 1) ans das Schiff im Ganzen oder einen verhältnißmäßigen Theil oder einen bestimmt be­ zeichneten Raum des Schiffs, oder 2) auf einzelne Güter (Stückgüter). 558. Wird das Schiff im Ganzen oder zu einem verhältnißmäßigen Theil, oder wird ein bestimmt bezeichneter Raum des Schiffs ver­ frachtet, so kann jede Partei verlangen, daß über den Vertrag eine schriftliche Urkunde (Charte­ partie) errichtet werde. 559. In der Befrachtung eines ganzen Schiffs ist die Kajüte nicht einbegriffen; es dürfen je­ doch in dieselbe ohne Einwilligung des Befrachters keine Güter verladen werden.

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560. Bei jeder Art von Frachtvertrag (Art. 557) hat der Verfrachter das Schiff in seetüchti­ gem Stande zu liefern. Er haftet dem Befrachter für jeden Schaden, welcher aus dem mangelhaften Zustande des Schiffs entsteht, es sei denn, daß die Mängel aller Sorgfalt ungeachtet nicht zu entdecken waren. 561. Der Schiffer hat zur Einnahme der La­ dung das Schiff an den vom Befrachter oder, wenn das Schiff an Mehrere verfrachtet ist, von sämmtlichen Befrachtern ihm angewiesenen Platz

hinzulegen. Wenn die Anweisung nicht rechtzeitig erfolgt, oder wenn von sämmtlichen Befrachtern nicht derselbe Platz angewiesen wird, oder wenn die Wassertiefe, die Sicherheit des Schiffs oder die örtlichen Verordnungen oder Einrichtungen die Befolgung der Anweisung nicht gestatten, so muß der Schiffer an dem ortsüblichen Ladnngsplatz anlegen. 562. Sofern nicht durch Vertrag oder durch die örtlichen Verordnungen des Abladungshafens und in deren Ermangelung durch einen daselbst bestehenden Ortsgebrauch ein Anderes bestimmt ist, müssen die Güter von dem Befrachter kosten­ frei bis an das Schiff geliefert, dagegen die Kosten der Einladung derselben in das Schiff

von dem Verfrachter getragen werden. 563. Der Befrachter muß statt der vertrags­ mäßigen Güter andere, von dem Befrachter zur Verschiffung nach demselben Bestimmungshafen ihm angebotene Güter annehmen, wenn dadurch seine Lage nicht erschwert wird. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Güter im Vertrage nicht blos nach Art oder Gattung, sondern speziell bezeichnet sind. 564. Der Befrachter oder Ablader, welcher die verladenen Güter unrichtig bezeichnet oder Kriegskontrebande oder Güter verladet, deren Ausfuhr oder deren Einfuhr in den Bestimmungshafen verboten ist, oder welcher bei der Abladung die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die Polizei-, Steuer- und Zollgesetze übertritt, wird, insofern ihm dabei ein Verschulden zur Last fällt, nicht blos dem Verfrachter, sondern auch allen übrigen im ersten Absatz des Artikels 479 bezeichneten Personen für den durch sein Verfahren veran­ laßten Aufenthalt nnd jeden anderen Schaden verantwortlich. Dadurch, daß er mit Genehmigung des Schiffers gehandelt hat, wird seine Verantwortlichkeit den übrigen Personen gegenüber nicht ausgeschlossen. Er kann aus der Konfiskation der Güter keinen Grund herleiten, die Zahlung der Fracht zu ver­

weigern. Gefährden die Güter das Schiff oder die übrige Ladung, so ist der Schiffer befugt, dieselben an's Land zu setzen oder in dringenden Fällen über

Bord zu werfen.

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565. Auch derjenige, welcher ohne Wissen des Schiffers Güter an Bord bringt, ist nach Maß­ gabe des vorigen Artikels zum Ersätze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Der Schiffer ist befugt, solche Güter wieder an's Land zu setzen oder, wenn sie das Schiff oder die übrige Ladung gefährden, nöthigenfalls über Bord zu werfen. Hat der Schiffer die Güter an Bord be­ halten, so muß dafür die höchste am Abladungs­ ort zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht bezahlt werden. . 566. Der Verfrachter ist nicht befugt, ohne Er­ laubniß des Befrachters die Güter in ein anderes Schiff zu verladen. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so ist er für jeden Schaden verantwort­ lich, in Ansehung dessen er nicht beweist, daß derselbe auch dann entstanden und dem Befrachter zur Last gefallen sein würde, wenn die Güter nicht in ein anderes Schiff verladen worden wären. Auf Umladungen in ein anderes Schiff, welche in Fällen der Noth nach Antritt der Reise erfolgen, findet dieser Artikel keine Anwendung. 567. Ohne Genehmigung des Abladers dürfen dessen Güter weder auf das Verdeck verladen, noch an die Seiten des Schiffs gehängt werden. Den Landesgesetzen bleibt Vorbehalten zu be­ stimmen, daß in Ansehung der Küstenschifffahrt die vorstehende Vorschrift, soweit sie auf die Be­ ladung des Verdecks sich bezieht, keine Anwen­ dung finde. 568. Bei der Befrachtung eines Schiffs im Ganzen hat der Schiffer, sobald er zur Einnahme der Ladung fertig und bereit ist, dies dem Be frachter anzuzeigen. Mit dem aus die Anzeige folgenden Tage be­ ginnt die Ladung. Ueber die Ladezeit hinaus hat der Verfrachter auf die Abladung noch 'länger zu warten, wenn es vereinbart ist (Ueberliegezeit). Für die Ladezeit kann, sofern nicht das Ge­ gentheil bedungen ist, keine besondere Vergütung verlangt werden. Dagegen muß der Befrachter dem Verfrachter für die Ueberliegezeit eine Ver­ gütung (Liegegeld) gewähren. , 569. Ist die Dauer der Ladezeit durch Vertrag nicht festgesetzt, so wird sie durch die örtlichen Verordnungen des Abladungshafen und in deren Ermangelung durch den daselbst bestehenden Orts­ gebrauch bestimmt. Besteht auch ein solcher Orts­ gebrauch nicht, so gilt als Ladezeit eine den Um­ ständen des Falles angemessene Frist. Ist eine Ueberliegezeit, nicht aber deren Dauer, durch Vertrag bestimmt, so beträgt die Ueber­ liegezeit vierzehn Tage. Enthält der Liegegeldes, so liegezeit ohne bart sei. 570. Ist die

Vertrag nur die Festsetzung eines ist anzunehmen, daß eine Ueber­ Bestimmung der Dauer verein­

Dauer der Ladezeit oder der Tag,

mit welchem dieselbe enden soll, durch Vertrag bestimmt, so beginnt die Ueberliegezeit ohne Weiteres mit dem Ablauf der Ladezeit. In Ermangelung einer solchen vertragsmäßigen Bestimmung beginnt die Ueberliegezeit erst, nach­ dem der Verfrachter dem Befrachter erklärt hat, daß die Ladezeit abgelausen sei. Der Verfrachter kann schon innerhalb der Ladezeit dem Befrachter­ erklären, an welchem Tage er die Ladezeit für abgelaufen halte. In diesem Falle ist zum Ab­ lauf der Ladezeit und zum Beginn der Ueber­ liegezeit eine neue Erklärung des Befrachters nicht erforderlich. 571. Nach Ablauf der Ladezeit oder, wenn eine Ueberliegezeit vereinbart ist, nach Ablauf der Ueberliegezeit ist der Verfrachter nicht verpflichtet, auf die Abladung noch länger zu warten. Er muß jedoch seinen Willen, nicht länger zu warten, spätestens drei Tage vor Ablauf der Ladezeit oder der Ueberliegezeit dem Befrachter erklären. Ist dies nicht geschehen, so läuft die Ladezeit oder Ueberliegezeit nicht eher ab, als bis die Er­ klärung nachgeholt ist und seit dem Tage der Ab­ gabe derselben drei Tage verstrichen sind. Die in diesem Artikel erwähnten drei Tage werden in allen Fällen als ununterbrochen fort­ laufende Tage nach dem Kalender gezählt. 572. Die in den Artikeln 570 und 571 er wähnten Erklärungen des Verfrachters sind au keine besondere Form gebunden. Weigert sich der Befrachter, den Empfang einer solchen Erklärung in genügender Weise zu bescheinigen, so ist der Verfrachter befugt, eine öffentliche Urkunde darüber auf Kosten des Befrachters errichten zu lassen. 573. Das Liegegeld wird, wenn es nicht durch Vertrag bestimmt ist, von dem Richter nach billigem Ermessen, nöthigenfalls nach Anhörung von Sachverständigen festgesetzt. Der Richter hat hierbei auf die näheren Um­ stände des Falles, insbesondere aus die Heuerbe­ träge und Unterhaltskosten der Schiffsbesatzung, sowie aus den dem Verfrachter entgehenden Fracht­ verdienst Rücksicht zu nehmen. 574. Bei Berechnung der Lade- und Uederliegezeit werden die Tage in ununterbrochen fort­ laufender Reihenfolge gezählt; insbesondere kom­ men in Ansatz die Sonn- und Feiertage, sowie diejenigen Tage, an welchem der Befrachter durch Zufall die Ladung zu liefern verhindert ist. Nicht in Ansatz kommen jedoch die Tage, an welchen durch Wind und Wetter oder durch irdend einen anderen Zufall entweder 1) die Lieferung nicht nur der bedungenen, sondern jeder Art von Ladung an das Schiff, oder 2) die Uebernahme der Ladung verhindert ist. 575. Für die Tage, während welcher der Ver­ frachter wegen Verhinderung der Lieferung jeder Art von Ladung hat länger warten müssen, ge-

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bührt ihm Liegegeld, selbst wenn die Verhinderung während der Ladezeit eingetreten ist. Dagegen ist für die Tage, während welcher er wegen Ver­ hinderung der Uebernahme der Ladung hat länger warten müssen, Liegegeld nicht zu entrichten, selbst wenn die Verhinderung während der Ueberliegezeit eingetreten ist. 576. Sind für die Dauer der Ladezeit nach Artikel 569 die örtlichen Verordnungen oder der Ortsgebrauch maßgebend, kommen bei Berechnung der Ladezeit die beiden vorstehenden Artikel nur insoweit zur Anwendung, als die örtlichen Ver­ ordnungen oder der Ortsgebrauch nichts Abwei­ chendes bestimmen. 577. Hat der Verfrachter sich ausbedungen, daß die Abladung bis zu einem bestimmten Tage beendigt sein müsse, so wird er durch die Verhin­ derung der Lieferung jeder Art von Ladung (Art. 574 Ziff. 1) zum längeren Warten nicht verpflichtet. 578. Soll der Verfrachter die Ladung von ei­ nem Dritten erhalten, und ist dieser Dritte ungeachtet der von dem Verfrachter in ortsüblicher Weise kundgemachten Bereitschaft zum Laden nicht zu ermitteln, oder verweigert er die Lieferung der Ladung, so hat der Verfrachter den Befrachter schleunigst hiervon zu benachrichtigen und nur bis zum Ablauf der Ladezeit, nicht auch während der etwa vereinbarten Ueberliegezeit auf die Abladung zu warten, es sei denn, daß er von dem Befrach­ ter oder einem Bevollmächtigten desselben noch innerhalb der Ladezeit eine entgegengesetzte An­ weisung erhält. Ist für die Ladezeit und die Löschzeit zusammen eine ungetheilte Frist bestimmt, so wird für den oben erwähnten Fall die Hälfte dieser Frist als Ladezeit angesehen. 579. Der Verfrachter muß auf Verlangen des Befrachters die Reise auch ohne die volle be­ dungene Ladung antreten. Es gebührt ihm aber alsdann nicht allein die volle Fracht und das etwaige Liegegeld, sondern er ist auch berechtigt, insoweit ihm durch die Unvollständigkeit der La­ dung die Sicherheit für die volle Fracht entgeht, die Bestellung einer anderweitigen Sicherheit zu fordern. Außerdem sind ihm die Mehrkosten, welche in Folge der Unvollständigkeit der Ladung ihm etwa erwachsen, durch den Befrachter zu erstatten. 580. Hat der Befrachter bis zum Ablauf der Zeit, während welcher der Verfrachter auf die Abladung zu warten verpflichtet ist (Wartezeit), die Abladung nicht vollständig bewirkt, so ist der Verfrachter befugt, sofern der Befrachter nicht von dem Vertrage zurücktritt, die Reise anzutreten und die im vorstehenden Artikel bezeichneten For­ derungen geltend zu machen. 581. Der Befrachter kann vor Antritt der Reise, sei diese eine einfache oder zusammenge­ setzte, von dem Vertrage unter der Verpflichtung

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zurücktreten, die Hälfte der bedungenen Fracht als Fautfracht zu zahlen. Bei Anwendung dieser Bestimmungen wird die Reise schon dann als angetreten erachtet: 1) wenn der Befrachter den Schiffer bereits abgefertigt hat; 2) wenn er die Ladung bereits ganz oder zum Theil geliefert hat und die Wartezeit verstrichen ist. 582. Macht der Befrachter von dem im vor­ stehenden Artikel bezeichneten Rechte Gebrauch, nachdem Ladung geliefert ist, so muß er auch die Kosten der Einladung und Wiederausladung tra­ gen und für die Zeit der mit möglichster Be­ schleunigung zu bewirkenden Wiederausladung, soweit sie nicht in die Ladezeit fällt, Liegegeld

(Art. 573) zahlen. Der Verfrachter ist verpflichtet, den Aufenthalt, welchen die Wiederausladung verursacht, selbst dann sich gefallen zu lassen, wenn dadurch die Wartezeit überschritten wird, wogegen ihm für die Zeit nach Ablauf der Wartezeit Liegegeld und der Ersatz des durch Ueberschreitung der Wartezeit entstandenen Schadens gebührt, soweit der letztere den Betrag dieses Liegegeldes erweislich übersteigt. 583. Nachdem die Reise im Sinne des Arti­ kels 581 angetreten ist, kann der Befrachter nur gegen Berichtigung der vollen Fracht, sowie aller sonstigen Forderungen des Verfrachters (Art. 615) und gegen Berichtigung oder Sicherstellung der im Artikel 616 bezeichneten Forderungen von dem Vertrage zurücktreten und die Wiederausladung der Güter fordern. Im Fall der Wiederausladung hat der Be­ frachter nicht nur die hierdurch entstandenen Mehrkosten, sondern auch den Schaden zu ersetzen, welcher aus dem durch die Wiederausladung ver­ ursachten Aufenthalt dem Verfrachter entsteht. Zum Zweck der Wiederausladung der Güter die Reise zu ändern oder einen Hafen anzulaufen, ist der Verfrachter nicht verpflichtet. 584. Der Befrachter ist statt der vollen Fracht nur zwei Drittel derselben als Fautfracht zu zahlen verpflichtet, wenn das Schiff zugleich auf. Rückladung verfrachtet ist oder in Ausführung des Vertrags zur Einnahme der Ladung eine Fahrt aus einem anderen Hafen zu machen hat, und wenn in diesen beiden Fällen der Rücktritt früher erklärt wird, als die Rückreise oder die Reise aus dem Abladungshafen im Sinne des Artikels 581 angetreten ist. 585. Bei anderen zusammengesetzten Reisen erhält der Verfrachter, wenn der Befrachter den Rücktritt erklärt, bevor in Bezug auf den letzten Reiseabschnitt die Reise im Sinne des Artikels 581 angetreten ist, als Fautfracht zwar die volle Fracht, es kommt von dieser jedoch eine ange­ messene Quote in Abzug, sofern die Umstände die Annahme begründen, daß der Verfrachter in Folge der Aufhebung des Vertrages Kosten er-

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spart und Gelegenheit zu anderweitigem Fracht­ verdienst gehabt habe. Können sich die Parteien über die Zulässigkeit des Abzuges oder die Höhe desselben nicht einigen, so entscheidet darüber der Richter nach billigem Ermessen. Der Abzug darf in keinem Falle die Hälfte der Fracht übersteigen. 586. Hat der Befrachter bis zum Ablauf der Wartezeit keine Ladung geliefert, so ist der Ver­ frachter an seine Verpflichtungen aus dem Ver­ trage nicht länger gebunden, und befugt, gegen den Befrachter dieselben Ansprüche geltend zu machen, welche ihm zugestanden haben würden, wenn der Befrachter von dem Vertrage zurück­ getreten wäre (Artt. 581, 584, 585). 587. Auf die Fautfracht wird die Fracht, welche der Verfrachter für andere Ladungsgüter erhält, nicht angerechnet. Durch diese Bestimmung wird jedoch die Vor­ schrift im ersten Absatz des Artikels 585 nicht

berührt. Der Anspruch des Verfrachters auf Fautfracht ist nicht davon abhängig, daß er die im Vertrage bezeichnete Reise ausführt. Durch die Fautfracht werden die Ansprüche des Verfrachters auf Liegegeld und die übrigen ihm etwa zustehenden Forderungen (Art. 615) nicht ausgeschlossen. 588. Ist ein verhältnißmäßiger Theil oder ein bestimmt bezeichneter Raum des Schiffs ver­ frachtet, so gelten die Artikel 568 bis 587 mit folgenden Abweichungen: 1) der Verfrachter erhält in den Fällen, in welchen er nach diesen Artikeln mit einem Theil der Fracht sich begnügen müßte, als Fautfracht die volle Fracht, es sei denn, daß sämmtliche Befrachter zurücktreten oder keine Ladung liefern. Von der vollen Fracht kommt jedoch die Fracht für diejenigen Güter in Abzug, welche der Ver­ frachter an Stelle der nicht gelieferten angenom­ men hat; 2) in den Fällen der Artikel 582 und 583 kann der Befrachter die Wiederausladung nicht verlangen, wenn dieselbe eine Verzögerung der Reise zur Folge haben oder eine Umladung nö­ thig machen würde, es sei denn, daß alle übrigen Befrachter ihre Genehmigung ertheilten. Außer­ dem ist der Befrachter verpflichtet, sowohl die Kosten als auch den Schaden zu ersetzen, welche durch die Wiederausladung entstehen. Machen sämmtliche Befrachter von dem Rechte des Rücktritts Gebrauch, so hat es bei den Vor­ schriften der Artikel 582 und 583 sein Bewenden. 589. Hat der Frachtvertrag Stückgüter zum Gegenstand, so muß der Befrachter auf die Auffor­ derung des Schiffers ohne Verzug die Abladung bewirken. Ist der Befrachter säumig, so ist der Verfrach­ ter nicht verpflichtet, auf die Lieferung der Güter

zu warten; der Befrachter muß, wenn ohne die­ selben die Reise angetreten wird, gleichwohl die volle Fracht entrichten. Es kommt von der letzte­ ren jedoch die Fracht für diejenigen Güter in Abzug, welche der Befrachter an Stelle der nicht gelieferten angenommen hat. Der Verfrachter, welcher den Anspruch auf die Fracht gegen den säumigen Befrachter geltend machen will, ist bei Verlust des Anspruchs ver­ pflichtet, dies dem Befrachter vor der Abreise kund zu geben. Auf diese Erklärung finden die Vorschriften des Artikels 572 Anwendung. 590. Nach der Abladung kann der Befrachter auch gegen Berichtigung der vollen Fracht, sowie aller sonstigen Forderungen des Verfrachters (Art. 615) und gegen Berichtigung oder Sicher­ stellung der im Artikel 616 bezeichneten Forde­ rungen nur nach Maßgabe des ersten Absatzes der Vorschrift unter Ziffer 2 des Artikels 588 von dem Vertrage zurücktreten und die Wieder­ ausladung der Güter fordern. Außerdem findet auch für diese Fälle die Vor­ schrift im letzten Absatz des Artikels 583 An­ wendung. 591. Ist ein Schiff auf Stückgüter angelegt und die Zeit der Abreise nicht festgesetzt, so hat auf Antrag des Befrachters der Richter nach den Umständen des Falles den Zeitpunkt zu bestimmen, über welchen hinaus der Antritt der Reise nicht verschoben werden kann. 592. Bei jeder Art von Frachtvertrag hat der Befrachter innerhalb der Zeit, binnen welcher die Güter zu liefern sind, dem Schiffer zugleich alle zur Verschiffung derselben erforderlichen Papiere zuzustellen. 593. Der.Schiffer hat zur Löschung der Ladung das Schiff an den Platz hinzulegen, welcher ihm von demjenigen, an den die Ladung abzuliefern ist (Empfänger), oder, wenn die Ladung an mehrere Empfänger abzuliefern ist, von sämmt­ lichen Empfängern angewiesen wird. Wenn die Anweisung nicht rechtzeitig erfolgt, oder wenn von sämmtlichen Empfängern nicht derselbe Platz angewiesen wird, oder wenn die Wassertiefe, die Sicherheit des Schiffs oder die örtlichen Verordnungen oder Einrichtungen die Befolgung der Anweisung nicht gestatten, so muß der Schiffer an dem ortsüblichen Löschungsplatz anlegen. 594. Sofern nicht durch Vertrag oder durch die örtlichen Verordnungen des Löschungshafens und in deren Ermangelung durch einen daselbst be­ stehenden Ortsgebrauch ein Anderes bestimmt ist, werden die Kosten der Ausladung aus dem Schiffe von dem Verfrachter, alle übrigen Kosten der Löschung von dem Ladungsempfänger ge­ tragen. 595. Bei der Verfrachtung eines Schiffs im Ganzen hat der Schiffer, sobald er zum Löschen fer­ tig und bereit ist, dies dem Empfänger anzuzeigen.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. V. Die Anzeige muß durch öffentliche Bekannt­ machung in ortsüblicher Weise geschehen, wenn der Empfänger dem Schiffer unbekannt ist. Mit dem auf der Anzeige folgenden Tage be­ ginnt die Löschzeit. Ueber die Löschzeit hinaus hat der Verfrachter nur dann auf die Abnahme der Ladung noch länger zu warten, wenn es vereinbart ist (Ueberliegezeit). Für die Löschzeit kann, sofern nicht das Ge­ gentheil bedungen ist, keine besondere Vergütung verlangt werden. Dagegen muß dem Verfrachter für die Ueberliegezeit eine Vergütung (Liegegeld) gewährt werden. Das Liegegeld wird von dem Richter nach Anleitung des Artikels 573 festgesetzt, wenn es nicht durch Vertrag bestimmt ist. 596. Ist die Dauer der Löschzeit durch Vertrag nicht festgesetzt, so wird sie durch die örtlichen Verordnungen des Löschungshafens und in deren Ermangelung durch den daselbst bestehenden Orts­ gebrauch bestimmt. Besteht auch ein solcher Orts­ gebrauch nicht, so gilt als Löschzeit eine den Um­ ständen des Falles angemessene Frist. Ist eine Ueberliegezeit, nicht aber deren Dauer, durch Vertrag bestimmt, so beträgt die Ueberliege­ zeit vierzehn Tage. Enthält der Vertrag nur die Festsetzung eines Liegegeldes, so ist anzunehmen daß eine Ueber­ liegezeit ohne Bestimmung der Dauer vereinbart sei. 597. Ist die Dauer der Löschzeit oder der Tag, mit welchem dieselbe enden soll, durch Vertrag bestimmt, so beginnt die Ueberliegezeit ohne Wei­ ters mit dem Ablauf der Löschzeit. In Ermangelung einer solchen vertragsmäßigen Bestimmung beginnt die Ueberliegezeit erst, nach­ dem der Verfrachter dem Empfänger erklärt hat,, daß die Löschzeit abgelaufen sei. Der Verfrachter kann schon innerhalb der Löschzeit dem Empfänger erklären, an welchem Tage er die Löschzeit für abgelaufen halte. In diesem Falle ist zum Ablauf der Löschzeit und zum Beginn der Ueberliezeit eine neue Erklärung des Verfrachters nicht er­ forderlich. Auf die in diesem Artikel erwähnten Erklä­ rungen des Verfrachters finden die Vorschriften des Artikels 572 Anwendung. 598. Bei Berechnung der Lösch- und Ueber­ liegezeit werden die Tage in ununterbrochen fort­ laufender Reihefolge gezählt; insbesondere kommen in Ansatz die Sonn- und Feiertage, sowie dieje­ nigen Tage, an welchen der Empfänger durch Zufall die Ladung abzunehmen verhindert ist. Nicht in Ansatz kommen jedoch die Tage, an welchen durch Wind und Wetter oder durch irgend einen anderen Zufall entweder 1) der Transport nicht nur der im Schiffe befindlichen, sondern jeder Art von Ladung von dem Schiff an das Land, oder

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2) die Ausladung aus dem Schiffe verhindert ist. 599. Für die Tage während welcher der Ver­ frachter wegen der Verhinderung des Transports jeder Art von Ladung von dem Schiff an das Land hat länger warten müssen, gebührt ihm Liegegeld, selbst wenn die Verhinderung während der Löschzeit eingetreten ist. Dagegen ist für die Tage, während welcher er wegen Verhinderung der Ausladung aus dem Schiffe hat länger warten müssen, Liegegeld nicht zu entrichten, selbst wenn die Verhinderung während der Ueberliegezeit ein­ getreten ist. 600. Sind für die Dauer der Löschzeit nach Artikel 596 die örtlichen Verordnungen oder der Ortsgebrauch maßgebend, so kommen bei Berech­ nung der Löschzeit die beiden vorstehenden Artikel nur insoweit in Anwendung, als die örtlichen Verordnungen oder Ortsgebrauch uichts Abwei­ chendes bestimmen. 601. Hat der Verfrachter sich ausbedungen, daß die Löschung bis zu einem bestimmten Tage been­ digt sein müsse, so wird er durch die Verhinderung des Transports jeder Art von Ladung von dem Schiff an das Land (Art. 598 Ziff. 1) zum län­ geren Warten nicht verpflichtet. 602. Wenn der Empfänger zur Abnahme der Güter sich bereit erklärt, dieselbe aber über die von ihm einzuhaltenden Fristen verzögert, so ist der Schiffer befugt, die Güter, unter Benachrich­ tigung des Empfängers, gerichtlich oder in an­ derer sicherer Weise niederzulegen. Der Schiffer ist verpflichtet, in dieser Weise zu verfahren und zugleich den Befrachter davon in Kenntniß zu setzen, wenn der Empfänger die An­ nahme der Güter verweigert oder über dieselbe cmf die im Artikel 595 vorgeschriebene Anzeige sich nicht erklärt, oder wenn der Empfänger nicht zu ermitteln ist. 603. Insoweit durch die Säumniß des Empfängers oder durch das Niederlegungsverfahren die Löschzeit ohne Verschulden des Schiffers über­ schritten wird, hat der Verfrachter Anspruch auf Liegegeld (Art. 595), unbeschadet des Rechts, für diese Zeit, soweit sie keine vertragsmäßige Ueber­ liegezeit ist, einen erweislich höheren Schaden geltend zu machen. 604. Die Artikel 595 bis 603 kommen auch dann zur Anwendung, wenn ein verhältnißmäßiger Theil oder ein bestimmt bezeichneter Raum des Schiffs verfrachtet ist. 605. Der Empfänger von Stückgütern hat die­ selben auf die Aufforderung des Schiffers ohne Verzug abzunehmen. Ist der Empfänger dem Schiffer nicht bekannt, so muß die Aufforderung durch öffentliche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise geschehen. In Ansehung des Rechts und der Verpflichtung des Schiffers, die Güter niederzulegen, gelten die Vorschriften des Artikels 602. Die im Artikel

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602 vorgeschriebene Benachrichtigung des Be­ frachters kann durch öffentliche, in ortsüblicher Weise zu bewirkende Bekanntmachung erfolgen. Für die Tage, um welche durch die Säumniß des Empfängers oder durch das Niederlegungs­ verfahren die Frist, binnen welcher das Schiff würde entlöscht worden sein, überschritten ist, hat hat der Verfrachter Anspruch auf Liegegeld (Art. 595), unbeschadet des Rechts, einen erweislich höheren Schaden geltend zu machen. 606. Wenn bei der Verfrachtung des Schiffs im Ganzen oder eines verhältnißmäßigen Theils oder eines bestimmt bezeichneten Raums des Schiffs der Befrachter Unterfrachtverträge über Stückgüter geschlossen hat, so bleiben für die Rechte und Pflichten des ursprünglichen Ver­ frachters die Artikel 595 bis 603 maßgebend. 607. Der Verfrachter haftet für den Schaden, welcher durch Verlust oder Beschädigung der Güter seit der Empfangnahme bis zur Ab­ lieferung entstanden ist, sofern er nicht beweist, daß der Verlust oder die Beschädigung durch höhere Gewalt (vis major) oder durch die na­ türliche Beschaffenheit der Güter, namentlich durch inneren Verderb, Schwinden, gewöhnliche Leckage und dergleichen, oder durch äußerlich nicht erkennbare Mängel der Verpackung ent­ standen ist. Verlust und Beschädigung, welche aus einem mangelhaften Zustande des Schiffs entstehen, der aller Sorgfalt ungeachtet nicht zu entdecken war (Art. 560 Abs. 2), werden dem Verluste oder der Beschädigung durch höhere Gewalt gleichge­ achtet. 608. Für Kostbarkeiten, Gelder und Werth­ papiere haftet der Verfrachter nur in dem Falle, wenn diese Beschaffenheit oder der Werth der Güter bei der Abladung dem Schiffer angege­ ben ist. 609. Bevor der Empfänger die Güter über­ nommen hat, kann sowohl der Empfänger als der Schiffer, um den Zustand oder die Menge der Güter festzustellen, die Besichtigung derselben durch die zuständige Behörde oder durch die zu dem Zweck amtlich bestellten Sachverständigen be­ wirken lassen. Bei diesem Verfahren ist die am Orte anwe­ sende Gegenpartei zuzuziehen, sofern die Um­ stände es gestatten.94 610. Ist die Besichtigung vor der Uebernahme nicht geschehen, so muß der Empfänger binnen acht und vierzig Stunden nach der Uebernahme die nachträgliche Besichtigung der Güter nach Maßgabe des Artikels 609 erwirken, widrigen­ falls alle Ansprüche wegen Beschädigung oder theilweisen Verlustes erlöschen. Es macht keinen Unterschied, ob Verlust und Beschädigung äußer­ lich erkennbar waren oder nicht. 94. Vgl. Bem. zu Art. 9.

Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf solche Verluste und Beschädigungen, welche durch eine bösliche Handlungsweise einer Person der Schiffsbesatzung entstanden sind.

611. Die Kosten der Besichtigung hat derjenige

zu tragen, welcher dieselbe beantragt hat. Ist jedoch die Besichtigung von dem Empfän­ ger beantragt, und wird ein Verlust oder eine Beschädigung ermittelt, wofür der Verfrachter Ersatz leisten muß, so fallen die Kosten dem

letzteren zur Last. 612. Wenn auf Grund des Artikels 607 für den Verlust von Gütern Ersatz geleistet werden muß, so ist nur der Werth der verlorenen Güter zu vergüten. Dieser Werth wird durch den Marktpreis bestimmt, welchen Güter derselben Art und Beschaffenheit am Bestimmungsorte der verlorenen Güter bei Beginn der Löschung des Schiffs oder, wenn eine Entlöschung des Schiffs an diesem Orte nicht erfolgt, bei seiner Ankunft da­ selbst haben. In Ermangelung eines Marktpreises, oder falls über denselben oder über dessen Anwen­ dung, insbesondere mit Rücksicht auf die Qualität der Güter Zweifel bestehen, wird der Preis durch Sachverständige ermittelt. Von dem Preise kommt in Abzug, was an Fracht, Zöllen und Unkosten in Folge des Ver­

lustes der Güter erspart wird. Wird der Bestimmungsort der Güter nicht er­ reicht, so tritt an Stelle des Bestimmungsorts der Ort, wo die Reise endet, oder, wenn die Reise durch Verlust des Schiffs endet, der Ort, wohin die Ladung in Sicherheit gebracht ist. 613. Die Bestimmungen des Artikels 612 finden auch auf diejenigen Güter Anwendung, für welche der Rheder nach Artikel 510 Ersatz leisten muß. Uebersteigt im Falle der Verfügung über die Güter durch Verkauf der Reinerlös derselben den im Artikel 612 bezeichneten Preis, so tritt an Stelle des letzteren der Reinerlös. 614. Muß für Beschädigung der Güter auf Grund des Artikels 607 Ersatz geleistet werden, so ist nur die durch die Beschädigung verursachte Werthsverminderung der Güter zu vergüten. Diese Werthsverminderung wird bestimmt durch den Unterschied zwischen dem durch Sachverstän­ dige zu ermittelnden Verkaufswerth, welchen die Güter im beschädigten Zustande haben, und dem im Artikel 612 bezeichneten Preise nach Abzug der Zölle und Unkosten, soweit sie in Folge der Beschädigung erspart sind.

615. Durch Annahme der Güter wird der Em­ pfänger verpflichtet, nach Maßgabe des Fracht­ vertrages oder des Konnossements, auf deren Grund die Empfangnahme geschieht, die Fracht nebst allen Nebengebühren, sowie das etwaige Liegegeld zu bezahlen, die ausgelegten Zölle und

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. V. übrigen Auslagen zu erstatten und die ihm sonst obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen. Der Verfrachter hat die Güter gegen Zahlung der Fracht und gegen Erfüllung der übrigen Ver­ pflichtungen des Empfängers auszuliefern. 616. Der Verfrachter ist nicht verpflichtet, die Güter früher auszuliefern, als bis die auf den­ selben haftenden Beiträge zur großen Haverei, Bergungs- «unb Hülsskosten und Bodmereigelder bezahlt oder sichergestellt sind. Ist die Verbodmung für Rechnung des Rheders geschehen, so gilt die vorstehende Bestimmung unbeschadet der Verpflichtung des Verfrachters, für die Befreiung der Güter von der Bodmerei­ schuld noch vor der Auslieferung zu sorgen. 617. Der Verfrachter ist nicht verpflichtet, die Güter, mögen sie verdorben oder beschädigt sein oder nicht, für die Fracht an Zahlungsstatt an­

zunehmen. Sind jedoch Behältnisse, welche mit flüssigen Waaren angefüllt waren, während der Reise ganz oder zum größeren Theil ausgelaufen, so können dieselben dem Verfrachter für die Fracht und seine übrigen Forderungen (Art. 615) an Zahlungsstatt überlassen werden. Durch die Vereinbarung, daß der Verfrachter nicht für Leckage hafte, oder durch die Klausel: „frei von Leckage", wird dieses Recht nicht aus­ geschlossen. Dieses Recht erlischt, sobald die Be­ hältnisse in den Gewahrsam des Abnehmers ge­ langt sind. Ist die Fracht in Bausch und Bogen bedungen, und sind nur einige Behältnisse ganz oder zum größeren Theil ausgelaufen, so können dieselben für einen verhältnißmäßigen Theil der Fracht und der übrigen Forderungen des Verfrachters an Zahlungsstatt überlassen werden. 618. Für Güter, welche durch irgend einen Unfall verloren gegangen sind, ist keine Fracht zu bezahlen und die etwa vorausbezahlte zu er­ statten, sofern nicht das Gegentheil bedungen ist. Diese Bestimmung kommt auch dann zur An­ wendung, wenn das Schiff im Ganzen oder ein verhältnißmäßiger oder ein bestimmt bezeichneter Raum des Schiffs verfrachtet ist. Sofern in einem solchen Falle das Frachtgeld in Bausch und Bo­ gen bedungen ist, berechtigt der Verlust eines Theils der Güter zu einem verhältnißmäßigen Abzüge von der Fracht. 619. Ungeachtet der Nichtablieferung ist die Fracht zu zahlen für Güter, deren Verlust in Folge ihrer natürlichen Beschaffenheit (Art. 607) eingetreten ist, sowie für Thiere, welche unter­ wegs gestorben sind. Inwiefern die Fracht für Güter zu ersetzen ist, welche in Fällen der großen Haverei aufgeopfert worden sind, wird durch die Vorschriften über die große Haverei bestimmt. 620. Für Güter, welche ohne Abrede über die Höhe der Fracht zur Beförderung übernommen

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sind, ist die am Abladungsorte zur Abladungszeit übliche Fracht zu zahlen. Für Güter, welche über das mit dem Be­ frachter vereinbarte Maaß hinaus zur Beförde­ rung übernommen sind, ist die Fracht nach Ver­ hältniß der bedungenen Fracht zu zahlen. 621. Wenn die Fracht nach Maaß, Gewicht oder Menge der Güter bedungen ist, so ist im Zweifel anzunehmen, daß Maaß, Gewicht oder Menge der abgelieferten und nicht der einge­ lieferten Güter für die Höhe der Fracht ent­ scheiden soll. 622. Außer der Fracht können Kaplaken, Prä­ mien und dergleichen nicht gefordert werden, so­ fern sie nicht ausbedungen sind. Die gewöhnlichen und ungewöhnlichen Unkosten der Schifffahrt, als : Lootsengeld, Hafengeld, Leuchtfeuergeld, Schlepplohn, Quarantänegelder, Auseisungskosten und dergleichen, fallen in Er­ mangelung einer entgegenstehenden Abrede dem Verfrachter allein zur Last, selbst wenn derselbe zu den Maßregeln, welche die Auslagen verur­ sacht haben, aus Grund des Frachtvertrages nicht verpflichtet war. Die Fälle der großen Haverei, sowie die Fälle der Aufwendung von Kosten zur Erhaltung, Ber­ gung und Rettung der Ladung werden durch diesen Artikel nicht berührt. 623. Wenn die Fracht nach Zeit bedungen ist, so beginnt sie in Ermangelung einer anderen Ab­ rede mit dem Tage zu laufen, der auf denjenigen folgt, an welchem der Schiffer angezeigt hat, daß er zur Einnahme der Ladung, oder bei einer Reise in Ballast, daß er zum Antritt der Reise fertig und bereit sei, sofern aber bei einer Reise in Ballast diese Anzeige am Tage vor dem Antritt der Reise noch nicht erfolgt ist, mit dem Tage, an welchem die Reise angetreten wird. Ist Liegegeld oder Ueberliegezeit bedungen, so beginnt in allen Fällen die Zeitfracht erst mit dem Tage zu laufen, an welchem der Antritt der Reise erfolgt. Die Zeitfracht endet mit dem Tage, an welchem die Löschung vollendet ist. Wird die Reise ohne Verschulden des Ver­ frachters verzögert oder unterbrochen, so muß für die Zwischenzeit die Zeitfracht fortentrichtet wer­ den, jedoch unbeschadet der Bestimmungen der Artikel 639 und 640. 624. Der Verfrachter hat wegen der im Arti­ kel 615 erwähnten Forderungen ein Pfandrecht an den Gütern. Das Pfandrecht besteht, so lange die Güter zurückbehalten oder deponirt sind; es dauert auch nach der Ablieferung noch fort, sofern es binnen dreißig Tagen nach Beendigung derselben gericht­ lich geltend gemacht wird; es erlischt jedoch, sobald vor der gerichtlichen Geltendmachung die Güter in den Gewahrsam eines Dritten gelangen, wel­ cher sie nicht für den Empfänger besitzt.

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625. Im Falle des Streits über die Forde­ rungen des Verfrachters ist dieser die Güter auszuliesern verpflichtet, sobald die streitige Summe bei Gericht oder bei einer anderen zur Annahme von Depositen ermächtigten Behörde oder Anstalt deponirt ist. Nach Ablieferung der Güter ist der Verfrachter zur Erhebung der deponirten Summe gegen an­ gemessene Sicherheitsleistung berechtigt. 626. So lange das Pfandrecht des Verfrachters besteht, kann das Gericht auf dessen Ansuchen verordnen, daß die Güter ganz oder zu einem entsprechenden Theil behufs Befriedigung des Verfrachters öffentlich verkauft werden. Dieses Recht gebührt dem Verfrachter auch ge­ genüber den übrigen Gläubigern und der Kon­ kursmasse des Eigenthümers. Das Gericht hat die Betheiligten, wenn sie am Orte anwesend sind, über das Gesuch, bevor der Verkauf verfügt wird, zu hören. 627. Hat der Verfrachter die Güter nicht aus­ geliefert, so kann er wegen der gegen den Emp­ fänger ihm zustehenden Forderungen (Art. 615) an dem Befrachter sich nicht erholen. Nur insoweit der Befrachter mit dem Schaden des Verfrachters sich etwa bereichern würde, findet ein Rückgriff statt. 628. Hat der Verfrachter die Güter nicht aus­ geliefert, und von dem im ersten Absatz des Ar­ tikels 626 bezeichneten Rechte Gebrauch gemacht, jedoch durch den Verkauf der Güter feine voll­ ständige Befriedigung nicht erhalten, so kann er an dem Befrachter sich erholen, soweit er wegen seiner Forderungen aus dem zwischen ihm inib dem Befrachter abgeschlossenen Frachtverträge nicht befriedigt ist. 629. Werden die Güter von dem Empfänger nicht angenommen, so ist der Befrachter ver­ pflichtet, den Verfrachter wegen der Fracht und der übrigen Forderungen dem Frachtvertrag ge­ mäß zu befriedigen. Bei der Abnahme der Güter durch den Be­ frachter kommen die Artikel 593 bis 626 in der Weise zur Anwendung, daß an Stelle des in die­ sen Artikeln bezeichneten Empfängers der Be­ frachter tritt. Insbesondere steht in einem solchen Falle dem Verfrachter wegen seiner Forderungen das Zurückbehaltungs- und Pfandrecht an den Gütern nach Maßgabe der Artikel 624, 625, 626, sowie das im Artikel 616 bezeichnete Recht zu. 630. Der Frachtvertrag tritt außer Kraft, ohne daß ein Theil zur Entschädigung des anderen verpflichtet ist, wenn vor Antritt der Reise durch einen Zufall 1) das Schiff verloren geht, insbesondere wenn es verunglückt, wenn es als reparaturunfähig oder repara­ turunwürdig kondemnirt (Art. 444) und in dem letzteren Falle ohne Verzn.g öffentlich verkauft wird,

wenn es geraubt wird, wenn es aufgebracht oder angehalten und für gute Prise erklärt wird; oder 2) die im Frachtverträge nicht blos nach Art oder Gattung, sondern speziell bezeichneten Güter­ verloren gehen; oder 3) die, wenn auch nicht im Frachtverträge spe­ ziell bezeichneten Güter verloren gehen, nachdem dieselben bereits an Bord gebracht oder behufs Einladung in das Schiff an der Ladungsstelle von dem Schiffer übernommen worden sind. Hat aber in dem unter Ziffer 3 bezeichneten Falle der Verlust der Güter noch innerhalb der Wartezeit (Art. 580) sich zugetragen, so tritt der Vertrag nicht außer Kraft, sofern der Befrachter ohne Verzug sich bereit erklärt, statt der verloren gegangenen andere Güter (Art. 563) zu liefern, und mit der Lieferung noch innerhalb der Warte­ zeit beginnt. Er hat die Abladung der anderen Güter binnen kürzester Frist zu vollenden, die etwaigen Mehrkosten dieser Abladung zu tragen und, insoweit durch dieselbe die Wartezeit über­ schritten wird, den dem Verfrachter daraus ent­ stehenden Schaden zu ersetzen. 631. Jeder Theil ist befugt, von dem Vertrage zurückzutreten, ohne zur Entschädigung verpflichtet zu sein: 1) wenn vor Antritt der Reise das Schiff mit Embargo belegt oder zum landesherrlichen Dienst oder zum Dienst einer fremden Macht in Beschlag ge­ nommen, der Handel mit dem Bestimmungsort unter­ sagt, der Abladungs- oder Bestimmungshafen blokirt, die Ausfuhr der nach dem Frachtverträge zu verschiffenden Güter aus dem Abladungs­ hasen oder die Einfuhr derselben in den Bestimmungshafen verboten, durch eine andere Verfügung von hoher Hand das Schiff am Auslaufen oder die Reise oder die Versendung der nach dem Fracht­ verträge zu liefernden Güter verhindert wird. In allen vorstehenden Fällen berechtigt jedoch die Verfügung von hoher Hand nur dann zum Rücktritt, wenn das eingetretene Hinderniß nicht voraussichtlich von nur­ unerheblicher Dauer ist; 2) wenn vor Antritt der Reise ein Krieg aus­ bricht, in Folge dessen das Schiff oder die nach dem Frachtverträge zu verschiffenden Güter oder beide nicht mehr als frei betrachtet werden kön­ nen und der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt würden. Die Ausübung der im Artikel 563 dem Be­ frachter beigelegten Befugniß ist in den Fällen der vorstehenden Bestimmungen nicht ausge­ schlossen.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. V. 632. Wenn nach Antritt der Reise das Schiff durch einen Zufall verloren geht (Art. 630 Ziff. 1), so endet der Frachtvertrag. Jedoch hat der Befrachter, soweit Güter geborgen oder gerettet sind, die Fracht im Verhältniß der zu­ rückgelegten zur ganzen Reise zu zahlen (Distanz­ fracht). Die Distanzfracht ist nur soweit zu zahlen, als der gerettete Werth der Güter reicht. 633. Bei Berechnung der Distanzfracht kommt in Anschlag nicht allein.das Verhältniß der be­ reits zurückgelegten zu der noch zurückzulegenden Entfernung, sondern auch das Verhältniß des Aufwandes an Kosten und Zeit, der Gefahren und Mühen, welche durchschnittlich mit dem vollen­ deten Theile der Reise verbunden sind, zu denen des nicht vollendeten Theiles. Können sich die Parleieu über den Betrag der Distanzfracht nicht einigen, so entscheidet darüber der Richter nach billigem Ermessen. 634. Die Auflösung des Frachtvertrages ändert nichts in den Verpflichtungen des Schiffers, bei Abwesenheit der Betheiligten auch nach dem Ver­ luste des Schiffs für das Beste der Ladung zu sorgen (Artt. 504 bis 506). Der Schiffer ist dem­ zufolge berechtigt und verpflichtet, und zwar im Falle der Dringlichkeit auch ohne vorherige An­ frage, je nachdem es den Umständen entspricht, entweder die Ladung für Rechnung der Bethei­ ligten mittelst eines anderen Schiffs nach dem Bestimmungshafen befördern zu lassen, oder die Auflagerung oder den Verkauf derselben zu be­ wirken und im Falle der Weiterbeförderung oder Auflagerung, behufs Beschaffung der hierzu, sowie zur Erhaltung der Ladung nöthigen Mittel, einen Theil davon zu verkaufen, oder im Falle der Weiterbeförderung die Ladung ganz oder zum Theil zu verbodmen. Der Schiffer ist jedoch nicht verpflichtet, die Ladung auszuantworten oder zur Weiterbeförde­ rung einem anderen Schiffe zu übergeben, bevor die Distanzfracht nebst den sonstigen Forderungen des Verfrachters (Art. 615) und die auf der La­ dung haftenden Beiträge zur großen Haverei, Bergungs- und Hülfskosten und Bodmereigelder bezahlt oder sichergestellt sind. Auch für die Erfüllung der nach dem ersten Absatz dieses Artikels dem Schiffer obliegenden Pflichten haftet der Rheder mit dem Schiffe, so­ weit etwas davon gerettet ist, und mit der Fracht. 635. Gehen nach Antritt der Reise die Güter durch einen Zufall verloren, so endet der Fracht­ vertrag, ohne daß ein Theil zur Entschädigung des anderen verpflichtet ist; insbesondere ist die Fracht weder ganz noch theilweise zu zahlen, in­ sofern nicht im Gesetze das Gegentheil bestimmt ist (Art. 619). 636. Ereignet sich nach dem Antritt der Reise einer der im Artikel 631 erwähnten Zufälle, so ist jeder Theil befugt, von dem Vertrage zurück­

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zutreten, ohne zur Entschädigung verpflichtet zu sein. Ist jedoch einer der im Artikel 631 unter Ziffer 1 bezeichneten Zufälle eingetreten, so muß, bevor der Rücktritt stattfindet, auf die Beseitigung des Hindernisses drei oder fünf Monate gewartet werden, je nachdem das Schiff in einem europäi­ schen oder in einem nichteuropäischen Hafen sich befindet. Die Frist wird, wenn der Schiffer das Hinder­ niß während des Aufenthalts in einem Hafen erfährt, von dem Tage der erhaltenen Kunde, anderenfalls von dem Tage an berechnet, an welchem der Schiffer, nachdem er davon in Kennt­ niß gesetzt worden ist, mit dem Schiff zuerst einen Hafen erreicht. Die Ausladung des Schiffs erfolgt, in Erman­ gelung einer anderweitigen Vereinbarung, in dem Hafen, in welchem es zur Zeit der Erklärung des Rücktritts sich befindet. Für den zurückgelegten Theil der Reise ist der Befrachter Distanzfracht (Artt. 632, 633) zu zah­ len verpflichtet. Ist das Schiff in Folge des Hindernisses in den Abgangshafen oder in einen anderen Hafen zurückgekehrt, so wird bei Berechnung der Distanz­ fracht der dem Bestimmungshafen nächste Punkt, welchen das Schiff erreicht hat, behufs Feststellung der zurückgelegten Entfernung zum Anhalt ge­ nommen. Der Schiffer ist auch in den Fällen dieses Ar­ tikels verpflichtet, vor und nach der Auflösrmg des Frachtvertrags für das Beste der Ladung nach Maßgabe der Artikel 504 bis 506 und 634 zu sorgen. 637. Muß das Schiff, nachdem es die Ladung eingenommen hat, vor Antritt der Reise in dem Abladungshafen oder nach Antritt derselben in einem Zwischen- oder Nothhafen in Folge eines der im Artikel 631 erwähnten Ereignisse liegen bleiben, so werden die Kosten des Aufenthaltes, auch wenn die Erfordernisse der großen Haverei nicht vorliegen, über Schiff, Fracht und Ladung nach den Grundsätzen der großen Haverei ver­ teilt, gleichviel ob demnächst der Vertrag auf­ gehoben oder vollständig erfüllt wird. Zu den Kosten des Aufenthalts werden alle in dem zweiten Absatz des Artikels 708 Ziffer 4 aufgeführten Kosten gezählt, diejenigen des Ein- und Aus­ laufens jedoch nur dann, wenn wegen des Hinder­ nisses ein Nothhafen angelaufen ist. 638. Wird nur ein Theil der Ladung vor Antritt der Reise durch einen Zufall betroffen, welcher, hätte er die ganze Ladung betroffen, nach den Artikeln 630 und 631 den Vertrag aufgelöst oder die Parteien zum Rücktritt berechtigt haben würde, so ist der Befrachter nur befugt, entweder statt der vertragsmäßigen andere Güter abzu­ laden, sofern durch deren Beförderung die Lage des Verfrachters nicht erschwert wird (Art. 563),

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oder von dem Vertrage unter der Verpflichtung zurückzutreten, die Hälfte der bedungenen Fracht und die sonstigen Forderungen des Verfrachters zu berichtigen (Art. 581 und 582). Bei Ausübung dieser Rechte ist der Beftachter jedoch nicht an die sonst einzuhaltende Zeit gebunden. Er hat sich aber ohne Verzug zu erklären, von welchem der beiden Rechte er Gebrauch machen wolle und, wenn er die Abladung anderer Güter wählt, die­ selbe binnen kürzester Frist zu bewirken, auch die etwaigen Mehrkosten dieser Abladung zu tragen und, insoweit durch sie die Wartezeit überschritten wird, den dem Verfrachter daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Macht er von keinem der beiden Rechte Ge­ brauch, so muß er auch für den durch den Zufall betroffenen Theil der Ladung die volle Fracht entrichten. Den durch Krieg, Ein- und Ausfuhr­ verbot oder eine andere Verfügung von hoher Hand unfrei gewordenen Theil der Ladung ist er jedenfalls aus dem Schiffe herauszunehmen ver­ bunden. Tritt der Zufall nach Antritt der Reise ein, so muß der Befrachter für den dadurch betroffenen Theil der Ladung die volle Fracht auch dann entrichten, wenn der Schiffer diesen Theil in einem anderen als dem Bestimmungshafen zu löschen sich genöthigt gefunden und hierauf mit oder ohne Aufenthalt die Reise fortgesetzt hat. Durch diesen Artikel werden die Bestimmungen der Artikel 618 und 619 nicht berührt. 639. Abgesehen von den Fällen der Artikel 631 bis 638 hat ein Aufenthalt, welchen die Reise vor oder nach ihrem Antritt durch Naturereignisse oder andere Zufälle erleidet, auf die Rechte und Pflichten der Parteien keinen Einfluß, es sei denn, daß der erkennbare Zweck des Vertrages durch einen solchen Aufenthalt vereitelt würde. Der Befrachter ist jedoch befugt, während jedes durch

einen Zufall entstandenen, voraussichtlich längeren Aufenthalts die bereits in das Schiff geladenen Güter auf seine Gefahr und Kosten gegen Sicher­ heitsleistung für die rechtzeitige Wiedereinladung auszuladen. Unterläßt er die Wiedereinladung, so hat er die volle Fracht zu zahlen. In jedem Falle muß er den Schaden ersetzen, welcher aus der von ihm veranlaßten Wiederausladung entsteht. Gründet sich der Aufenthalt in einer Verfügung von hoher Hand, so ist für die Dauer derselben keine Fracht zu bezahlen, wenn diese zeitweise bedungen war (Art. 623). 640. Muß das Schiff während der Reise aus­ gebessert werden, so hat der Beftachter die Wahl, ob er die ganze Ladung an dem Orte, wo das Schiff sich befindet, gegen Berichtigung der vollen Fracht und der übrigen Forderungen des Ver­ frachters (Art. 615) und gegen Berichtigung oder Sicherstellung der im Artikel 616 bezeichneten Forderungen zurücknehmen, oder die Wiederher­ stellung abwarten will. Im letzteren Falle ist für

die Dauer der Ausbesserung keine Fracht zu be­ zahlen, wenn diese zeitweise bedungen war. 641. Wird der Frachtvertrag in Gemäßheit der Artikel 630 bis 636 aufgelöst, so werden die Kosten der Ausladung aus dem Schiffe bon dem Ver­ frachter, die übrigen Löschungskosten von dem Befrachter getragen. Hat der Zufall jedoch nur die Ladung betroffen, so fallen die sämmtlichen Kosten der Löschung dem Befrachter zur Last. Dasselbe gilt, wenn im Falle des Artikels 638 ein Theil der Ladung gelöscht wird. Mußte in einem solchen Falle behufs der Löschung ein Hafen an­

gelaufen werden, so hat der Befrachter auch die Hafenkosten zu tragen. 642. Die Artikel 630 bis 641 kommen auch zur Anwendung, wenn das Schiff zur Einnahme der Ladung eine Zureise in Ballast nach dem Ab­ ladungshafen zu machen hat. Die Reise gilt aber in einem solchen Falle erst dann als angetreten, wenn sie aus dem Abladungshafen angetreten ist. Wird der Vertrag, nachdem das Schiff den Ab­ ladungshafen erreicht hat, aber- vor Antritt der Reise aus dem letzteren aufgelöst, so erhält der

Verfrachter für die Zureise eine nach den Grund­ sätzen der Distanzfracht (Art. 633) zu bemessende Entschädigung. In anderen Fällen einer zusammengesetzten Reise sind die obigen Artikel insoweit anwendbar, als Natur und Inhalt des Vertrages nicht entgegenftehen. 643. Wenn der Vertrag nicht aus das Schiff im Ganzen, sondern nur auf einen verhältnißmäßigen Theil oder einen bestimmt bezeichneten Raum des Schiffs oder auf Stückgüter sich bezieht, so gelten die Artikel 630 bis 642 mit folgenden Abweichungen: 1) in den Fällen der Artikel 631 und 636 ist jeder Theil sogleich nach Eintritt des Hindernisses und ohne Rücksicht auf die Dauer desselben von dem Vertrage zurückzutreten befugt; 2) im Falle des Artikels 638 kann von dem Befrachter das Recht, von dem Vertrage zurück­ zutreten, nicht ausgeübt werden; 3) im Falle des Artikels 639 steht dem Be­ frachter das Recht der einstweiligen Löschung nur dann zu, wenn die übrigen Befrachter ihre Ge­ nehmigung ertheilen; 4) im Falle des Artikels 640 kann der Be­ frachter die Güter gegen Entrichtung der vollen Fracht und der übrigen Forderungen nur dann zurücknehmen, wenn während der Ausbesserung die Löschung dieser Güter ohnehin erfolgt ist. Die Vorschriften der Artikel 588 und 590 werden hierdurch nicht berührt; 644. Nach Beendigung jeder einzelnen Abladung hat der Schiffer dem Ablader ohne Verzug gegen Rückgabe des etwa bei der Annahme der Güter ertheilten vorläufigen Empfangscheins ein Kon­ nossement in so vielen Exemplaren auszustellen, als der Ablader verlangt.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. V. Alle Exemplare des Konnossements müssen von gleichem Inhalt sein, dasselbe Datum haben und ausdrücken, wie viele Exemplare ausgestellt sind. Dem Schiffer ist auf sein Verlangen von dem Ablader eine mit der Unterschrift des letzteren versehene Abschrift des Konnossements zu er­ theilen. 645. Das Konnossement enthält: 1) den Namen des Schiffers; 2) den Namen und die Nationalität des Schiffs ; 3) den Namen des Abladers; 4) den Namen des Empfängers; 5) den Abladungshafen; 6) den Löschungshafen oder den Ort, an welchem Order über denselben einzuholen ist; 7) die Bezeichnung der abgeladenen Güter, deren Menge und Merkzeichen; 8) die Bestimmung in Ansehung der Fracht; 9) den Ort und den Tag der Ausstellung; 10) die Zahl der ausgestellten Exemplare. 646. Auf Verlangen des Abladers ist das Konnossement, sofern nicht das Gegentheil ver­ einbart ist, an die Order des Empfängers oder lediglich an Order zu stellen. Im letzteren Falle ist unter Order die Order des Abladers zu ver­ stehen. Das Konnossement kann auch auf beit Namen des Schiffers als Empfängers lauten. 647. Der Schiffer ist verpflichtet, im Löschungs­ hafen dem legitimirten Inhaber auch nur eines Exemplars des Konnossements die Güter auszu­ liefern. Zur Empfangnahme der Güter legitimirt ist derjenige, an welchen die Güter nach dem Kon­ nossement abgeliefert werden sollen, oder auf welchen das Konnossement, wenn es an Order lautet, durch Indossament übertragen ist. 648. Melden sich mehrere legitimirte Konnosse­ mentsinhaber, so ist der Schiffer verpflichtet, sie sämmtlich zurückzuweisen, die Güter gerichtlich oder in einer anderen sicheren Weise niederzulegen und die Konnossementsinhaber, welche sich gemeldet haben, unter Angabe der Gründe seines Ver­ fahrens hiervon zu benachrichtigen. Wenn die Niederlegung nicht gerichtlich geschieht, so ist er befugt, über sein Verfahren und dessen Gründe eine öffentliche Urkunde errichten zu lassen und wegen der daraus entstehenden Kosten in gleicher Art wie wegen der Fracht sich an die Güter zu halten (Art. 626). 649. Die Uebergabe des an Order lautenden Konnossements an denjenigen, welcher durch dasselbe zur Empfangnahme legitimirt wird, hat, sobald die Güter wirklich abgeladen sind, für den Erwerb der von der Uebergabe der Güter ab­ hängigen Rechte dieselben rechtlichen Wirkungen wie die Uebergabe der Güter. 650. Sind mehrere Exemplare eines an Order lautenden Konnossements ausgestellt, so können von dem Inhaber des einen Exemplars die in E. Handels- und Wechselrecht.

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dem vorstehenden Artikel bezeichneten rechtlichen Wirkungen der Uebergabe des Konnossements zum Nachtheil desjenigen nicht geltend gemacht werden, welcher auf Grund eines anderen Exemplars in Gemäßheit' des Artikels 647 die Auslieferung der Güter von dem Schiffer erlangt hat, bevor der Anspruch auf Auslieferung von dem Inhaber des ersteren Exemplars erhoben worden ist. 651. Hat der Schiffer die Güter noch nicht ausgeliefert, so geht unter mehreren sich melden­ den Konnossementsinhabern, wenn und soweit die von denselben auf Grund der Konnossements­ übergabe an den Gütern geltend gemachten Rechte kollidiren, derjenige vor, dessen Exemplar von dem gemeinschaftlichen Vornamen, welcher mehrere Konnossementsexemplare an verschiedene Personen übertragen hat, zuerst der einen dieser Personen dergestalt übergeben ist, daß dieselbe zur Empfang­ nahme der Güter legitimirt wurde. Bei dem nach einem anderen Orte übersandten Exemplare wird die Zeit der Uebergabe durch den Zeitpunkt der Absendung bestimmt. 652. Der Schiffer ist zur Ablieferung der Güter nur gegen Rückgabe eines Exemplars des Konnossements, auf welchem die Ablieferung der Güter zu bescheinigen ist, verpflichtet. 653. Das Konnossement ist entscheidend für die Rechtsverhältnisse zwischen dem Verfrachter und dem Empfänger der Güter; insbesondere muß die Ablieferung der Güter an den Empfänger nach Inhalt des Konnossements erfolgen. Die in das Konnossement nicht aufgenommenen Bestimmungen des Frachtvertrages haben ge­ genüber dem Empfänger, keine rechtliche Wirkung, sofern nicht auf dieselben ausdrücklich Bezug ge­ nommen ist. Wird in Ansehung der Fracht auf den Frachtvertrag verwiesen (z. B. durch die Worte: „Fracht laut Chartepartie"), so sind hie­ rin die Bestimmungen über Löschzeit, Ueberliegezeit und Liegezeit nicht als einbegriffen anzu­ sehen. Für die Rechtsverhältnisse zwischen Verfrachter und Befrachter bleiben die Bestimmungen des Frachtvertrages maßgebend. 654. Der Verfrachter ist für die Richtigkeit der im Konnossement enthaltenen Bezeichnung der abge­ ladenen Güter dem Empfänger verantwortlich. Seine Haftung beschränkt sich jedoch auf den Er­ satz des Minderwerths, welcher aus der Nicht­ übereinstimmung der Güter mit dem Konnoffement enthaltenen Bezeichnung sich ergibt. 655. Die im vorstehenden Artikel erwähnte Haftung des Verfrachters tritt auch dann ein, wenn die Güter dem Schiffer in Verpackung oder in geschlossenen Gefäßen übergeben sind. Ist dieses zugleich aus dem Konnossement er­ sichtlich, so ist der Verfrachter für die Richtigkeit der Bezeichnung der Güter dem Empfänger nicht verantwortlich, sofern er beweist, daß ungeachtet der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers die Un-

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richtigkeit der in dem Konnossement enthaltenen Bezeichnung nicht wahrgenommen werden konnte. Die Haftung des Verfrachters wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Identität der abge­ lieferten und der übernommenen Güter nicht be­ stritten oder daß dieselbe von dem Verfrachter nachgewiesen ist. 656. Werden dem Schiffer Güter in Verpackung oder in geschlossenen Gefäßen übergeben, so kann er das Konnossement mit dem Zusatze: „Inhalt unbekannt" versehen. Enthält das Konnossement diesen oder einen gleichbedeutenden Zusatz, so ist der Verfrachter im Falle der Nichtübereinstimmung des abgelieferten Inhalts mit dem im Konnosse­ ment angegebenen nur insoweit verantwortlich, als ihm bewiesen wird, daß er einen anderen als den abgelieferten Inhalt empfangen habe.

657. Sind die im Konnossement nach Zahl, Maaß oder Gewicht bezeichneten Güter dem Schiffer nicht zugezählt, zugemessen oder zugewogen, so kann er das Konnossement mit dem Zusatze: „Zahl, Maaß, Gewicht unbekannt" versehen. Ent­ hält das Konnossement diesen oder einen gleich­ bedeutenden Zusatz, so hat der Verfrachter die Richtigkeit der Angaben des Konnossements über Zahl, Maaß oder Gewicht der übernommenen Güter nicht zu vertreten. 658. Ist die Fracht nach Zahl, Maaß oder Ge­ wicht der Güter bedungen und im Konnossement Zahl, Maaß oder Gewicht angegeben, so ist diese Angabe für die Berechnung der Fracht ent­ scheidend, wenn nicht das Konnossement eine ab­ weichende Bestimmung enthält. Als eine solche ist der Zusatz : „Zahl, Maaß, Gewicht unbekannt" oder ein gleichbedeutender Zusatz nicht anzusehen. 659. Ist das Konnossement mit dem Zusätze: „frei von Bruch", oder: „frei vou Leckage", oder: „frei von Beschädigung", oder mit einem gleich­ bedeutenden Zusatze versehen, so haftet der Ver­ frachter bis zum Beweise des Verschuldens des Schiffers oder einer Person, für welche der Ver­ frachter verantwortlich ist, nicht für Bruch oder Leckage oder Beschädigung. 660. Sind dem Schiffer Güter übergeben, deren Beschädigung, schlechte Verpackung sichtbar ist, so

hat er diese Mängel im Konnossement zu be­ merken, widrigenfalls er dem Empfänger dafür verantwortlich ist, auch wenn das Konnossement mit einem der im vorhergehenden Artikel er­ wähnten- Zusätze versehen ist. 661. Nachdem der Schiffer ein an Order lau­ tendes Konnossement ausgestellt hat, darf er den Anweisungen des Abladers wegen Zurückgabe oder Auslieferung der Güter nur dann Folge leisten, wenn ihm die sämmtlichen Exemplare des Konnossements zurückgegeben werden. Dasselbe gilt in Ansehung der Anforderungen eines Konnossementsinhabers auf Auslieferung der Güter, so lange der Schiffer den Bestimmungs­ hafen nicht erreicht hat.

Handelt er diesen Bestimmungen entgegen, so bleibt er dem rechtmäßigen Inhaber des Konnos­ sements verpflichtet. Lautet das Konnossement nicht an Order, so ist der Schiffer zur Zurückgabe oder Auslieferung der Güter, auch ohne Beibringung eines Exem­ plars des Konnossements, verpflichtet, sofern der Ablader und der im Konnossement bezeichnete Empfänger in die Zurückgabe oder Auslieferung der Güter willigen. Werden jedoch nicht sämmt­ liche Exemplare des Konnossements zurückgestellt, so kann der Schiffer wegen der deßhalb zu be­ sorgenden Nachtheile zuvor Sicherheitsleistung fordern. 662. Die Bestimmungen des Artikels 661 kommen auch dann zur Anwendung, wenn der Frachtvertrag vor Erreichung des Bestimmungs­ hafens in Folge eines Zufalls nach den Artikeln 630 bis 643 aufgelöst wird. 663. In Ansehung der Verpflichtungen des Schiffers aus den von ihm geschlossenen Fracht­ verträgen und ausgestellten Konnossementen hat es bei den Vorschriften der Artikel 478, 479 und 502 sein Bewenden. 664. Im Falle der Unterverfrachtung haftet für die Erfüllung des Unterfrachtvertrags, inso­ weit dessen Ausführung zu den Dienstobliegen­ heiten des Schiffers gehört und von diesem über­ nommen, insbesondere durch Annahme der Güter und Ausstellung des Konnossements, nicht der Unterversrachter, sondern der Rheder mit Schiff und Fracht (Art. 452). Ob und inwieweit im Uebrigen der Rheder oder der Unterverfrachter von dem Unterbefrachter in Anspruch genommen werden könne, und ob im letzteren Falle der Unterverfrachter für die Erfüllung unbeschränkt zu haften oder nur die auf Schiff und Fracht beschränkte Haftung des Rhe­ ders zu vertreten habe, wird durch vorstehende Bestimmung nicht berührt.

Sechster Titel. Mn dem Arachtgeschäft zur Ueförderung von

Weisenden.

665. Ist der Reisende in dem Ueberfahrtsvertrage genannt, so ist derselbe nicht befugt, das Recht auf die Uebersahrt an einen Anderen abzu­ treten. 666. Der Reisende ist verpflichtet, alle die Schiffsordnung betreffenden Anweisungen des Schiffers zu befolgen. 667. Der Reisende, welcher vor oder nach dem Antritt der Reise sich nicht rechtzeitig an Bord begibt, muß das volle Uebersahrtsgeld bezahlen, wenn der Schiffer die Reise antritt oder fortsetzt,

ohne auf ihn zu warten. 668. Wenn der Reisende vor dem Antritt der Reise den Rücktritt von dem Ueberfahrtsvertrage erklärt, oder stirbt, oder durch Krankheit oder

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. VII. einen anderen in seiner Person sich ereignenden Zufall zurückzubleiben genöthigt wird, so ist nur die Hälfte des Ueberfahrtsgeldes zu zahlen. Wenn nach Antritt der Reise der Rücktritt er­ klärt wird oder einer der erwähnten Zufälle sich ereignet, so ist das volle Ueberfahrtsgeld zu

zahlen. 669. Der Ueberfahrtsvertrag tritt außer Kraft, wenn durch einen Zufall das Schiff verloren geht (Art. 630 Ziff. 1). 670. Der Reisende ist befugt, von dem Ver­ trage zurückzutreten, wenn ein Krieg ausbricht, in Folge dessen das Schiff nicht mehr als frei betrachtet werden kann und der Gefahr der Auf­ bringung ausgesetzt wäre, oder wenn die Reise durch eine das Schiff betreffende Verfügung von hoher Hand aufgehalten wird. Das Recht des Rücktritts steht auch dem Ver­ frachter zu, wenn er in einem der vorstehenden Fälle die Reise .aufgibt, oder wenn das Schiff hauptsächlich zur Beförderung von Gütern be­ stimmt, und die Unternehmung unterbleiben muß, weil die Güter ohne sein Verschulden nicht be­ fördert werden können. 671. In allen Fällen, in welchen zufolge der Artikel 669 und 670 der Ueberfahrtsvertrag auf­ gelöst wird, ist kein Theil zur Entschädigung des anderen verpflichtet. Ist jedoch die Auflösung erst nach Antritt der Reise erfolgt, so hat der Reisende das Ueber­ fahrtsgeld nach Verhältniß der zurückgelegten zur ganzen Reise zu zahlen. Bei der Berechnung des zu zahlenden Be­ trages sind die Vorschriften des Artikels 633 maßgebend. 672. Muß das Schiff während der Reise aus­ gebessert werden, so hat der Reisende, auch wenn er die Ausbesserung nicht abwartet, das volle Ueberfahrtsgeld zu zahlen. Wartet er die Aus­ besserung ab, so hat ihm der Verfrachter bis zum Wiederantritt der Reise ohne besondere Vergütung Wohnung zu gewähren, auch die nach dem Ueberfahrtsvertrage in Ansehung der Beköstigung mit abliegellden Pflichten weiter zu erfüllen. Erbietet sich jedoch- der Verfrachter, den Rei­ senden mit einer anderen gleich guten Schiffsge­ legenheit ohne Beeinträchtigung der übrigen ver­ tragsmäßigen Rechte desselben nach dem Be­ stimmungshafen zu befördern, und weigert sich der Reisende, von dem Anerbieten Gebrauch zu machen, so hat er auf Gewährung von Wohnung und Kost bis zum Wiederantritt der Reise nicht weiter Ayspruch. 673. Für den Transport der. Reise-Effekten, welche der Reisende nach dem Ueberfahrtsvertrage an Bord zu bringen befugt ist, hat derselbe, wenn nicht ein Anderes bedungen ist, neben dem Ueberfahrtsgelde keine besondere Vergütung zu zahlen. 674. Auf die an Bord gebrachten Reise-Effekten

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finden die Vorschriften der Artikel 562, 594, 618 Anwendung. Sind dieselben von dem Schiffer oder einem dazu bestellten Dritten übernommen, so gelten für den Fall ihres Verlustes oder ihrer Beschädigung die Vorschriften der Artikel 607-, 608, 609, 610, 611. Auf sämmtliche von dem Reisenden an Bord gebrachte Sachen finden außerdem die Artikel 564, 565, 566 und 620 Anwendung. 675. Der Verfrachter hat wegen des Uebersahrtsgeldes an den von dem Reisenden an Bord gebrachten Sachen ein Pfandrecht. Das Pfandrecht besteht jedoch nur, so lange die Sachen zurückbehalten oder deponirt sind. 676. Stirbt ein Reisender, so ist der Schiffer verpflichtet, in Ansehung der an Bord sich befin­ denden Effekten desselben das Interesse der Erben nach den Umständen des Falles in geeigneter

Weise wahrzunehmen. 677. Wird ein Schiff zur Beförderung von Reisenden einem Dritten verfrachtet, sei es im Ganzen oder zu einem Theil oder dergestalt, daß eine bestimmte Zahl von Reisenden befördert werden soll, so gelten.für das Rechtsverhältniß zwischen dem Verfrachter und dem Dritten die Vorschriften des fünften Titels, soweit die Natur der Sache die Anwendung derselben zuläßt. 678. Wenn in den folgenden Titeln dieses Buchs die Fracht erwähnt wird, so sind unter dieser, sofern nicht das Gegentheil bestimmt ist, auch die Ueberfahrtsgelder zu verstehen. 679. Die auf das Auswanderungswesen sich beziehenden Landesgesetze, auch insoweit sie pri­ vatrechtliche Bestimmungen enthalten, werden durch die Vorschriften dieses Titels nicht berührt. 95

Siebenter Titel. Aon der Uodmerei. 680. Bodmerei im Sinne dieses Gesetzbuches ist ein Darlehnsgeschäft, welches von dem Schiffer als solchem kraft der in diesem Gesetzbuch ihm ertheilten Befugnisse unter Zusicherung einer Prämie und unter Verpfändung von Schiff, Fracht und Ladung, oder von einem oder mehreren dieser Gegenstände in der Art eingegangen wird, daß der Gläubiger wegen seiner Ansprüche nur an die verpfändeten (verbodmeten) Gegenstände nach Ankunft des Schiffs an dem Orte sich halten könne, wo die Reise enden soll, für welche das Geschäft eingegangen ist (Bodmereireise). 681. Bodmerei kann von dem Schiffer nur in folgenden Fällen eingegangen werden: 1) während das Schiff außerhalb des Heimathshafens sich befindet, zum Zweck der Ausführung der Reise, nach Maßgabe der Artikel 497, 507 bis 509 und 511; 95. Vgl. G. v. 18. Juli 1860, D. v. 9. u. 15. März 1861, D. v. 15. Jan. 1868.

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. VII.

2) während der Reise im alleinigen Interesse der Landesbetheiligten zum Zweck der Erhaltung und Weiterbeförderung der Ladung nach Maßgabe der Artikel 504, 511 und 634. In dem Falle der Ziffer 2 kann der Schiffer die Ladung allein verbodmen, in allen übrigen Fällen kann er zwar das Schiff oder die Fracht allein, die Ladung aber nur zusammen mit dem Schiff und der Fracht verbodmen. In der Verbodmung des Schiffs ohne Erwäh­ nung der Fracht ist die Verbodmung der letzteren nicht enthalten. Werden aber Schiff und Ladung verbodmet, so gilt die Fracht als mitverbodmet. Die Verbodmung der Fracht ist zulässig, so lange diese der Seegefahr noch nicht entzogen ist. Auch die Fracht desjenigen Theils der Reise, welcher noch nicht angetreten ist, kann verbodmet werden. 682. Die Höhe der Bodmereiprämie ist ohne Beschränkung dem Uebereinkommen der Parteien überlassen. Die Prämie umfaßt in Ermangelung einer entgegenstehenden Vereinbarung auch die Zinsen. 683. Ueber die Verbodmung muß von dem Schiffer ein Bodmereibrief ausgestellt werden. Ist dieses nicht geschehen, so hat der Gläubiger die­ jenigen Rechte, welche ihm zustehen würden, wenn der Schiffer zur Befriedigung des Bedürfnisses ein einfaches Kreditgeschäft eingegangen wäre. 684. Der Bodmereigeber kann verlangen, daß der Bodmereibrief enthalte: 1) den Namen des Bodmereigläubigers; 2) den Kapitalbetrag der Bodmereischuld; 3) den Betrag der Bodmereiprämie oder den Gesammtbetrag der dem Gläubiger zu zahlenden Summe; 4) die Bezeichnung der verbodmeten Gegen­ stände ; 5) die Bezeichnung des Schiffs und des Schiffers; 6) die Bodmereireise; 7) die Zeit, zu welcher die Bodmereischuld ge­ zahlt werden soll; 8) den Ort, wo die Zahlung erfolgen soll; 9) die Bezeichnung der Urkunde im Kontext als Bodmereibrief, oder die Erklärung, daß die Schuld als Bodmereischuld eingegangen sei, oder

eine andere das Wesen der Bodmerei genügend bezeichnende Erklärung; 10) die Umstände, welche die Eingehung der Bodmerei nothwendig gemacht haben; 11) den Tag und den Ort der Ausstellung; 12) die Unterschrift des Schiffers. Die Unterschrift des Schiffers muß auf Ver­ langen in beglaubigter Form ertheilt werden. 685. Auf Verlangen des Bodmereigebers ist der Bodmereibrief, sofern nicht das Gegentheil vereinbart ist, an die Order des Gläubigers oder lediglich an Order zu stellen. Im letzteren Falle ist unter der Order die Order des Bodmereigebers zu verstehen.

686. Ist vor Ausstellung des Bodmereibriefs die Nothwendigkeit der Eingehung des Geschäfts von dem Landeskonsul oder demjenigen Konsul, welcher dessen Geschäfte zu versehen berufen ist, und in dessen Ermangelung von dem Gerichte oder der sonst zuständigen Behörde des Orts der Ausstellung, sofern es aber auch an einer solchen fehlt, von den Schiffsoffizieren urkundlich bezeugt, so wird angenommen, daß der Schiffer zur Ein­ gehung des Geschäfts in dem vorliegenden Um­ fange befugt gewesen sei. Es findet jedoch der Gegenbeweis statt. 687. Der Bodmereigeber kann die Ausstellung des Bodmereibriefs in mehreren Exemplaren ver­ langen. Werden mehrere Exemplare ausgestellt, so ist in jedem Exemplar anzugeben, wie viele ertheilt sind. Der Bodmereibrief kann durch Indossament übertragen werden, wenn er an Order lautet.

Der Einwand, daß der Schiffer zur Eingehung des Geschäfts überhaupt oder in dem vorliegenden Umfange nicht befugt gewesen sei, ist auch gegen den Indossatar zulässig. 688. Die Bodmereischuld ist, sofern nicht in dem Bödmereibriefe selbst eine andere Bestimmung getroffen ist, in dem Bestimmungshafen der Bod­ mereireise und am achten Tage nach der Ankunft des Schiffs in diesem Hafen zu zahlen. Von dem Zahlungstage an laufen kaufmännische Zinsen von der ganzen Bodmereischuld einschließ­ lich der Prämie. Die vorstehende Bestimmung kommt nicht zur Anwendung, wenn die Prämie nach Zeit be­ dungen ist; die Zeitprämie läuft aber bis zur Zahlung des Bodmereikapitals. 689. Zur Zahlungszeit kann die Zahlung der Bodmereischuld dem legitimirten Inhaber auch nur eines Exemplars des Bodmereibriefs nicht verweigert werden. Die Zahlung kann nur gegen Rückgabe dieses Exemplars verlangt werden, auf welchem über die Zahlung zu quittiren ist. 690. Melden sich mehrere gehörig legitimirte Bodmereibriefs-Inhaber, so sind sie sämmtlich zurückzuweisen, die Gelder, wenn die verbodmeten Gegenstände befreit werden sollen, gerichtlich oder in anderer sicherer Weise niederzulegen und die Bodmereibriefs-Inhaber, welche sich gemeldet ha­ ben, unter Angabe der Gründe des Verfahrens hiervon zu benachrichtigen. Wenn die Niederlegung nicht gerichtlich geschieht, so ist der Deponent befugt, über sein Verfahren und dessen Gründe eine öffentliche Urkunde er­ richten zu lassen und die daraus entstehenden Kosten von der Bodmereischuld abzuziehen. 691. Dem Bodmereigläubiger fällt weder die große noch die besondere Haverei zur Last. Insoweit jedoch die verbodmeten Gegenstände durch große oder besondere Haverei zur Befriedi-

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. VIII. Abschn. 1. gung des Bodmereigläubigers unzureichend wer­ den, hat derselbe den hieraus entstehenden Nach­

theil zu tragen. 692. Die sämmtlichen verbodmeten Gegenstände haften dem Bodmereigläubiger solidarisch.

Auch schon vor Eintritt der Zahlungszeit kann der Gläubiger nach Ankunft des Schiffs im Be­ stimmungshafen der Bodmereireise die Beschlag­ nahme der sämmtlichen verbodmeten Gegenstände nachsuchen.

693. Der Schiffer hat für die Bewahrung und Erhaltung der verbodmeten Gegenstände zu sor­ gen ; er darf ohne dringende Gründe keine Hand­ lung vornehmen, wodurch die Gefahr für den Bodmereigeber eine größere oder eine andere wird, als derselbe bei dem Abschlüsse des Vertrages voraussetzen mußte. Handelt er diesen Bestimmungen zuwider, so ist er dem Bodmereigläubiger für den daraus ent­ stehenden Schaden verantwortlich (Art. 479). 694. Hat der Schiffer die Bodmereireise will­ kürlich verändert, oder ist er von dem derselben entsprechenden Wege willkürlich abgewichen, oder hat er nach ihrer Beendigung die verbodmeten Gegenstände von neuem einer Seegefahr ausge­ setzt, ohne daß das Interesse des Gläubigers es geboten hat, so haftet der Schiffer dem Gläubiger für die Bodmereischuld insoweit persönlich, als derselbe aus den verbodmeten Gegenständen seine Befriedigung nicht erhält, es sei denn, daß er beweist, daß die unterbliebene Befriedigung durch die Veränderung der Reise oder die Abweichung oder die neue Seegefahr nicht verursacht ist.

695. Der Schiffer darf die verbodmete Ladung vor Befriedigung oder Sicherstellung des Gläu­ bigers weder ganz noch theilweise ausliefern, widrigenfalls er dem Gläubiger für die Bodmerei­ schuld insoweit persönlich verpflichtet wird, als derselbe aus den ausgelieferten Gütern zur Zeit der Auslieferung hätte befriedigt werden können. Es wird bis zum Beweise des Gegentheils an­ genommen, daß der Gläubiger seine vollständige Befriedigung hätte erlangen können.

696. Hat der Rheder in den Fällen der Artikel 693, 694, 695 die Handlungsweise des Schiffers angeordnet, so kommen die Vorschriften des zweiten und dritten Absatzes des Artikels 479 zur Anwendung.

697. Wird zur Zahlungszeit die Bodmerei­ schuld nicht bezahlt, so kann der Gläubiger den öffentlichen Verkauf des verbodmeten Schiffs und der verbodmeten Ladung, sowie die Ueberweisung der verbodmeten Fracht bei dem zuständigen Gericht beantragen. Die Klage ist zu richten in Ansehung des Schiffs und der Fracht gegen den Schiffer oder Rheder, in Ansehung der Ladung vor der Aus­ lieferung gegen den Schiffer, nach der Auslieferung gegen den Empfänger, sofern dieselbe sich noch

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bei ihm oder einem Anderen befindet, welcher sie für ihn besitzt. Zum Nachtheil eines dritten Erwerbers, welcher den Besitz der verbodmeten Ladung in gutem Glauben erlaygt hat, kann der Gläubiger von seinen Rechten keinen Gebrauch machen. 698. Der Empfänger, welchem bei Annahme der verbodmeten Güter bekannt ist, daß auf ihnen eine Bodmereischuld haftet, wird dem Gläubiger für die Schuld bis zum Werthe, welchen die Güter zur Zeit ihrer Auslieferung hatten, inso­ weit persönlich verpflichtet, als der Gläubiger, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätte befriedigt werden können. 699. Wird vor dem Antritt der Bodmereireise die Unternehmung aufgegeben, so ist der Gläubiger befugt, die sofortige Bezahlung der Bodmereischuld an dem Orte zu verlangen, an welchem die Bod­ merei eingegangen ist; er muß sich jedoch eine verhältnißmäßige Herabsetzung der Prämie gefallen lassen; bei der Herabsetzung ist vorzugsweise das Verhältniß der bestandenen zu der übernommenen Gefahr maßgebend.« Wird die Bodmereireise in einem anderen als dem Bestimmungshafen derselben beendet, so ist die Bodmereischuld ohne einen Abzug von der Prämie in diesem anderen Hafen nach Ablauf der vertragsmäßigen und in deren Ermangelung der achttägigen (Art. 688) Zahlungsfrist zu zahlen. Die Zahlungsfrist wird vom Tage der definitiven Einstellung der Reise berechnet. Soweit in diesem Artikel nicht ein Anderes be­ stimmt ist, kommen die Artikel 689 bis 698 auch in den vorstehenden Fällen zur Anwendung. 700. Die Anwendung der Vorschriften dieses Titels wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Schiffer zugleich Miteigentümer oder Alleineigenthümer des Schiffs oder der Ladung oder beider ist, oder daß er auf Grund besonderer Anweisung der Beteiligten die Bodmerei einge­ gangen ist. 701. Die Bestimmungen über die uneigentliche Bodmerei, d. h. diejenige, welche nicht von dem Schiffer als solchem in den im Artikel 681 be­ zeichneten Fällen eingegangen ist, bleiben den

Landesgesetzen Vorbehalten.

Achter Titel. Ion der Kaverei. Erster Abschnitt.

Kroße (gemeinschafMche) Kaverei und besondere Kaverei. 702. Alle Schäden, welche dem Schiff oder der Ladung oder beiden zum Zweck der Errettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr von dem Schiffer oder auf dessen Geheiß vorsätzlich zuge­ fügt werden, sowie auch die durch solche Maß­ regeln ferner verursachten Schäden, ingleichen die Kosten, welche zu demselben Zweck aufgewendet w rden, sind große Haverei.

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. VIII. Abschn. 1.

Die große Haverei wird von Schiff, und Ladung gemeinschaftlich getragen.

Fracht

703. Alle nicht zur großen Haverei gehörigen, durch einen Unfall verursachten Schäden und Kosten, soweit letztere nicht unter den Artikel 622 fallen, sind besondere Haverei. Die besondere Haverei wird von den Eigen­ thümern des Schiffs und der Ladung, von jedem für sich allein, getragen.

704. Die Anwendung der Bestimmungen über große Haverei wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Gefahr in Folge des Verschuldens eines Dritten oder auch eines Betheiligten herbeige­ führt ist. Der Betheiligte, welchem ein solches Verschulden zur Last fällt, kann jedoch nicht allein wegen der ihm etwa entstandenen Schäden keine Vergütung fordern, sondern er ist auch den Beitragspflichtigen für den Verlust verantwortlich, welchen sie dadurch erleiden, daß der Schaden als große Haverei zur Verurtheilung kommt. Ist die Gefahr durch eine Person der Schiffs­ besatzung verschuldet, so trägt die Folgen dieses Verschuldens auch der Rheder nach Maßgabe der Artikel 451, 452.

705. Die Havereivertheilung tritt nur ein, wenn sowohl das Schiff als auch die Ladung, und zwar jeder dieser Gegenstände entweder ganz oder theilweise wirklich gerettet worden ist. 706. Die Verpflichtung, von einem geretteten Gegenstände beizutragen, wird dadurch, daß der­ selbe später von besonderer Haverei betroffen wird, nur dann vollständig aufgehoben, wenn der -Gegenstand verloren geht. 707. Ter Anspruch auf Vergütung einer zur großen Haverei gehörenden Beschädigung wird durch eine besondere Haverei, welche den beschä­ digten Gegenstand später trifft, sei es, daß er von Neuem beschädigt wird oder ganz verloren geht, nur insoweit aufgehoben, als bewiesen wird, daß der spätere Unfall nicht allein mit dem früheren in keinem Zusammenhänge steht, sondern daß er auch den früheren Schaden nach sich gezogen haben würde, wenn dieser nicht bereits entstanden gewesen wäre. Sind jedoch vor Eintritt des späteren Unfalles zur Wiederherstellung des beschädigten Gegen­

standes bereits Aufwendungen gemacht, so bleibt rücksichtlich dieser Anspruch auf Vergütung bestehen.

708. Große Haverei liegt namentlich in folgen­ den Fällen vor, vorausgesetzt, daß in denselben zugleich die Erfordernisse der Artikel 702, 704 und 705 insoweit vorhanden sind, als in diesem Artikel nichts Besonderes bestimmt ist; 1) wenn Waaren, Schiffstheile oder Schiffsgeräthschaften über Bord geworfen, Masten gekappt, Taue oder Segel weggeschnitten, Anker, Ankertaue oder Ankerketten geschlippt oder gekappt worden sind.

Sowohl diese Schäden selbst als die durch solche Maßregeln an Schiff oder Ladung ferner verur­ sachten Schäden gehören zur großen Haverei; 2) wenn zur Erleichterung des Schiffs die Ladung ganz oder theilweise in Leichterfahrzeuge übergeladen worden ist. Es gehört zur großen Haverei sowohl der Leichterlohn als der Schaden, welcher bei der Ueberladung in das Leichterfahrzeug oder bei dem Rückladen in das Schiff der Ladung oder dem Schiff zugefügt worden ist, sowie der Schaden, welcher die Ladung auf dem Leichterfahrzeug be­ troffen hat. Muß die Erleichterung im regelmäßigen Ver­ lauf der Reise erfolgen, so liegt große Haverei nicht vor; 3) wenn das Schiff absichtlich auf den Strand gesetzt worden ist, jedoch nur wenn die Abwendung des Unterganges oder der Nehmung damit bezweckt war. Sowohl die durch die Strandung einschließlich, der Abbringung entstandenen Schäden, als auch die Kosten der Abbringung gehören zur großen

Haverei. Wird das behufs Abwendung des Unterganges auf den Strand gesetzte Schiff nicht abgebracht oder nach der Abbringung reparaturunfähig (Art. 444) befunden, so findet eine Havereiver­ theilung nicht statt. Ist das Schiff gestrandet, ohne daß die Stran­ dung zur Rettung von Schiff und Ladung vor­ sätzlich herbeigeführt war, so gehören zwar nicht die durch die Strandung veranlaßten Schäden, wohl aber die auf die Abbringung verwendeten Kosten und die zu diesem Zweck dem Schiff oder der Ladung absichtlich zugefügten Schäden zur großen Haverei; 4) wenn das Schiff zur Vermeidung einer dem Schiff und der Ladung im Falle der Fortsetzung der Reise drohenden gemeinsamen Gefahr in einen Nothhafen eingelaufen ist, wohin insbeson­ dere gehört, wenn das Einlaufen zur nothwen­ digen Ausbesserung eines Schadens erfolgt, welchen das Schiff während der Reise erlitten hat. Es gehören in diesem Falle zur großen Haverei: die Kosten des Einlaufens und des Auslaufens, die das Schiff selbst treffenden Aufenthaltskvsten, die der Schiffsbesatzung während des Aufenthalts gebührende Heuer und Kost, sowie die Auslagen für die Ueberbringung der Schiffsbesatzung am Lande, wenn und so lange dieselbe an Bord nicht hat verbleiben können, ferner, falls die Ladung wegen des Grundes, welcher das Einlaufen in den Nothhasen herbeigeführt hat, gelöscht werden muß, die Kosten des Von- und Anbordbringens und die Kosten der Aufbewahrung der Ladung am Lande bis zu dem Zeitpunkte, in welchem die­ selbe wieder an Bord hat gebracht werden können. Die sämmtlichen Aufenthaltskosten kommen nur für die Zeit der Fortdauer des Grundes in Rech-

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. VIII. Abschn. 1. uung, welcher das Einlaufen in den Nothhafen herbeigeführt hat. Liegt der Grund in einer noth­ wendigen Ausbesserung des Schiffs, so kommen außerdem die Aufenthaltskosten nur bis zu dem Zeitpunkte in Rechnung, in welchem die Aus­ besserung hätte vollendet sein können. Die Kosten der Ausbesserung des Schiffs ge­ hören nur insoweit zur großen Haverei, als der auszubessernde Schaden selbst große Haverei ist; 5) wenn das Schiff gegen Feinde oder See­ räuber vertheidigt worden ist. Die bei der Vertheidigung dem Schiff oder der Ladung zugefügten Beschädigungen, die dabei verbrauchte Munition und, im Fall eine Person der Schiffsbesatzung bei der Vertheidigung ver­ wundet oder getödtet worden ist, die Heilungs­ und Begräbnißkosten, sowie die zu zahlenden Be­ lohnungen (Artt. 523, 524, 549, 551) bilden die große Haverei; 6) wenn im Fall der Anhaltung des Schiffs durch Feinde oder Seeräuber Schiff und Ladung losgekauft worden sind. Was zum Loskauf gegeben ist, bildet nebst den durch den Unterhalt und die Auslösung der Geißeln entstandenen Kosten die große Haverei; 7) wenn die Beschaffung der zur Deckung der großen Haverei während der Reise erforderlichen Gelder Verluste und Kosten verursacht hat, oder wenn durch die Auseinandersetzung unter den Betheiligten Kosten entstanden sind. Diese Verluste und Kosten gehören gleichfalls zur großen Haverei. Dahin werden insbesondere gezählt der Verlust au den während der Reise verkauften Gütern, die Bodmereiprämie, wenn die erforderlichen Gelder durch Bodmerei ausgenommen worden sind, und toenii dies nicht der Fall ist, die Prämie für Versicherung der aufgewendeten Gelder, die Kosten für die Ermittelung der Schäden und für die Aufmachung der Rechnung über die große Haverei (Dispache). 709. Nicht als große Haverei, sondern als be­ sondere Haverei werden angesehen: 1) die Verluste und Kosten, welche, wenn auch während der Reise, aus der in Folge einer be­ sonderen Haverei nöthig gewordenen Beschaffung von Geldern entstehen; 2) die Reklamekosten, auch wenn Schiff und Ladung zusammen und beide mit Erfolg reklamirt werden; 3) die durch Prangen verursachte Beschädigung des Schiffs, seines Zubehörs und der Ladung, selbst wenn, um der Strandung oder Nehmung zu entgehen, geprangt worden ist. 710. In den Fällen der großen Haverei bleiben bei der Schadensberechnung die Beschädigungen und Verluste außer Ansatz, welche die nachstehen­ den Gegenstände betreffen: 1) die nicht unter Deck geladenen Güter; diese Vorschrift findet jedoch bei der Küstenschifffahrt

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insofern keine Anwendung, als in Ansehung der­ selben Deckladungen durch die Landesgesetze für zulässig erklärt sind (Art. 567); 2) diejenigen Güter, worüber weder ein Kon­ nossement ausgestellt ist, noch das Manifest oder Ladebuch Auskunft gibt; 3) die Kostbarkeiten, Gelder und Werthpapiere, welche dem Schiffer nicht gehörig bezeichnet sind (Art. 608). 711. Der an dem Schiff und dem Zubehör des­ selben entstandene, zur großen Haverei gehörige Schaden ist, wenn die Reparatur während der Reise erfolgt, am Ort der Ausbesserung und vor derselben, sonst an dem Ort, wo die Reise endet, durch Sachverständige zu ermitteln und zu schätzen. Die Taxe muß die Veranschlagung der erforder­ lichen Reparaturkosten enthalten. Sie ist, wenn während der Reise ausgebessert wird, für die Schadensberechnung insoweit maßgebend, als nicht die Ausführungskosten unter den Anschlagssummen bleiben. War die Aufnahme einer Taxe nicht aus­ führbar, so entscheidet der Betrag der auf die erforderlichen Reparaturen wirklich verwendeten Kosten. Insoweit die Ausbesserung während der Reise nicht geschieht, ist die Abschätzung für die Scha-

densberechnung ausschließlich maßgebend. 712. Der nach Maßgabe des vorstehenden Ar­ tikels ermittelte volle Betrag der Reparaturkosten bestimmt die zu leistende Vergütung, wenn das Schiff zur Zeit der Beschädigung noch nicht ein volles Jahr zu Wasser war. Dasselbe gilt von der Vergütung für einzelne

Theile des Schiffs, namentlich für die Metallhaut, sowie für einzelne Theile des Zubehörs, wenn solche Theile noch nicht ein volles Jahr in Ge­ brauch waren. In den übrigen Füllen wird von dem vollen Betrage wegen des Unterschiedes zwischen alt und neu ein Drittel, bei den Ankerketten ein Sechstel, bei den Ankern jedoch nichts abgezogen. Von dem vollen Betrage kommen ferner in Abzug der volle Erlös oder Werth der etwa noch vorhandenen alten Stücke, welche durch neue ersetzt sind oder zu ersetzen sind. Findet ein solcher Abzug und zugleich der Ab­ zug wegen des Unterschiedes zwischen alt und neu statt, so ist zuerst dieser letztere und sodann erst von dem verbleibenden Betrage der andere Abzug zu machen. 713. Die Vergütung für aufgeopferte Güter wird durch den Marktpreis bestimmt, welchen Güter derselben Art und Beschaffenheit am Be­ stimmungsort bei Beginn der Löschung des Schiffs haben. In Ermangelung eines Marktpreises, oder in­ sofern über denselben oder über dessen Anwen­ dung, insbesondere mit Rücksicht auf die Qualität der Güter, Zweifel bestehen, wird der Preis durch Sachverständige ermittelt.

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. VIII. Abschn. 1.

Von dem Preise kommt in Abzug, was an Fracht, Zöllen und Unkosten in Folge des Ver­ lustes der Güter erspart wird. Zu den aufgeopferten Gütern gehören auch diejenigen, welche zur Deckung der großen Haverei verkauft worden sind (Art. 708 Ziff. 7).

714. Die Vergütung für Güter, welche eine zur großen Haverei gehörige Beschädigung erlitten haben, wird bestimmt durch den Unterschied zwi­ schen dem durch Sachverständige zu ermittelnden Verkaufswerth, welchen die Güter im beschädigten Zustande am Bestimmungsorte bei Beginn der Löschung des Schiffs haben, und dem im vor­ stehenden Artikel bezeichneten Preise nach Abzug der Zölle und Unkosten, soweit sie in Folge der Beschädigung erspart sind.

715. Die vor, bei oder nach dem Havereifall entstandenen, zur großen Haverei nicht gehörenden Werthsverringerungen und Verluste sind bei Be­ rechnung der Vergütung (Artt. 713, 714) in Ab­ zug zu bringen. 716. Endet die Reise für Schiff und Ladung nicht im Bestimmungshafen, sondern an einem anderen Orte, so tritt dieser letztere, endet sie durch Verlust des Schiffs, so tritt der Ort, wohin die Ladung in Sicherheit gebracht ist, für die Ermittelung der Vergütung an die Stelle des Bestimmungsortes.

717. Die Vergütung für entgangene Fracht wird bestimmt durch den Frachtbetrag, welcher für die aufgeopferten Güter zu entrichten gewesen sein würde, wenn dieselben mit dem Schiff an dem Orte ihrer Bestimmung, oder wenn dieser von dem Schiff nicht erreicht wird, an dem Orte an­ gelangt wären, wo die Reise endet. 718. Der gesammte Schaden, welcher die große Haverei bildet, wird über das Schiff, die Ladung und die Fracht nach Verhältniß des Werths mit) des Betrages derselben vertheilt. 719. Das Schiff nebst Zubehör trägt bei: 1) mit dem Werthe, welchen es in dem Zu­ stande am Ende der Reise bei Beginn der Lö­ schung hat;

2) mit dem als große Haverei in Rechnung kommenden Schaden an Schiff und Zubehör. Von dem unter Ziffer 1 bezeichneten Werth ist der noch vorhandene Werth derjenigen Repara­ turen und Anschaffungen abzuziehen, welche erst nach dem Havereifall erfolgt sind. 720. Die Ladung trägt bei:

1) mit den am Ende der Reise bei Beginn der Löschung noch vorhandenen Gütern, oder, wenn die Reise durch den Verlust des Schiffs endet (Art. 716), mit den in Sicherheit gebrachten Gü­

tern, soweit in beiden Fällen diese Güter sich zur Zeit des Havereifalls am Bord' des Schiffs oder eines Leichterfahrzeuges (Art. 708 Ziff. 2) be­ funden haben; 2) mit den aufgeopferten Gütern (Art. 713).

721. Bei Ermittelung des Beitrags kommt in Ansatz: 1) für die Güter, welche unversehrt sind, der Marktpreis oder der durch Sachverständige zu ermittelnde Preis (Art. 713), welchen dieselben am Ende der Reise bei Beginn und am Orte der Löschung des Schiffs, oder, wenn die Reise durch Verlust des Schiffs endet (Art. 716), zur Zeit und am Orte der Bergung haben, nach Abzug der Fracht, Zölle und sonstigen Unkosten; 2) für die Güter, welche während der Reise verdorben sind oder eine zur großen Haverei nicht gehörige Beschädigung erlitten haben, der durch Sachverständige zu ermittelnde Verkaufswerth (Art. 714), welchen die Güter im beschädigten Zustande zu der unter Ziffer 1 erwähnten Zeit und an dem dort bezeichneten Orte haben, nach Abzug der Fracht, Zölle und sonstigen Unkosten; 3) für die Güter, welche aufgeopfert worden sind, der Betrag, welcher nach Artikel 713 für dieselben als große Haverei in Rechnung kommt; 4) für die Güter, welche eine zur großen Ha­ verei gehörige Beschädigung erlitten haben, der nach der Bestimmung unter Ziffer 2 zu ermit­ telnde Werth, welchen die Güter im beschädigten Zustande haben, und der Werthsunterschied, welcher nach Artikel 714 für die Beschädigung als große Haverei in Rechnung kommt.

722. Sind Güter geworfen, so haben dieselben zu der gleichzeitigen oder einer späteren großen Haverei im Falle ihrer Bergung nur dann bei­ zutragen, wenn der Eigenthümer eine Vergütung verlangt. 723. Die Frachtgelder tragen bei mit zwei Drittel: 1) des Bruttobetrages, welcher verdient ist; 2) des Betrages, welcher nach Artikel 717 als große Haverei in Rechnung kommt. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, die aus zwei Drittel bestimmte Quote bis auf die Hälfte zu ermäßigen. Ueberfahrtsgelder tragen bei mit dem Betrage, welcher im Falle des Verlustes des Schiffs ein­ gebüßt wäre (Art. 671), nach Abzug der Unkosten, welche alsdann erspart sein würden. 724. Haftet auf einem beitragspflichtigen Ge­ genstand' eine, in einem späteren Nothfalle sich gründende Forderung, so trägt der Gegenstand nur mit seinem Werthe nach Abzug dieser For­ derung bei. 725. Zur großen Haverei tragen nicht bei: 1) die Kriegs- und Mundvorräthe des Schiffs; 2) die Heuer und Effekten der Schiffsbesatzung; 3) die Reise-Effekten der Reisenden. • Sind Borräthe oder Effekten dieser Art aufge­ opfert oder haben sie eine zur großen Haverei gehörige Beschädigung erlitten, so wird für die­ selben nach Maßgabe der Artikel 713 bis 717 Vergütung gewährt; für Effekten, welche in Kost­ barkeiten, Geldern und Werthpapieren bestehen,

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. VIII. Abschn. 2

wird jedoch nur dann Vergütung gewährt, wenn dieselben dem Schiffer gehörig bezeichnet sind (Art. 608). Vorräthe und Effekten, für welche eine Vergütung gewährt wird, tragen mit dem Werth oder dem Werthsunterschied bei, welcher als große Haverei in Rechnung kommt. Die im Artikel 710 erwähnten Gegenstände sind beitragspflichtig soweit sie gerettet sind. Die Bodmereigelder sind nicht beitragspflichtig. 726. Wenn nach dem Havereifall und bis zum Beginn der Löschung am Ende der Reise ein bei­ tragspflichtiger Gegenstand ganz verloren geht (Art. 706), oder zum Theil verloren geht oder im Werthe verringert wird, wohin insbesondere der Fall des Artikels 724 gehört, so tritt eine verhältnißmäßige Erhöhung der von den übrigen Gegenständen zu entrichtenden Beiträge ein. Ist erst nach Beginn der Löschung der Ver­ lust oder die Werthsverringerung erfolgt, so geht der Beitrag, welcher auf den Gegenstand fällt, so­ weit dieser zur Berichtigung desselben unzureichend geworden ist, den Vergütungsberechtigten verloren. 727. Die Vergütungsberechtigten haben wegen der von dem Schiff und der Fracht zu entrichtendeu Beiträge die Rechte vou Schiffsgläubigern (Tit. 10). Auch in Ansehung der beitragspflichtigen Güter steht ihnen an den einzelnen Gütern we­ gen: des von diesen zu entrichtenden Beitrages ein Pfandrecht 511. Das Pfandrecht kann jedoch nach der Auslieferung der Güter uicht zum Nach­ theil des dritten Erwerbers, welcher den Besitz in gutem Glauben erlangt hat, geltend gemacht werde::. 728. Eine persönliche Verpflichtung zur Ent­ richtung des Beitrages wird durch deu Haverei­ fall an sich nicht begründet. Der Empfänger beitragspflichtiger Güter wird jedoch, wenn ihm bei der Annahme der Güter bekannt ist, daß davon ein Beitrag zu entrichten sei, für den letzteren bis zum Werthe, welchen die Güter zur Zeit ihrer Auslieferung hatten, inso­ weit persönlich verpflichtet, als der Beitrag, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätte geleistet werden können. 729. Die Feststellung und Vertheilung der Schäden erfolgt an den: Bestimmungsort und, wenn dieser nicht erreicht wird, in J)ent Hafen, wo die Reise endet. 730. Der Schiffer ist verpflichtet, die Auf­ machung der Dispache ohne Verzug zu veranlassen. Handelt er dieser Verpflichtung zuwider, so macht er sich jedem Betheiligten verantwortlich. Wird die Aufmachung der Dispache nicht recht­ zeitig veranlaßt, so kann jeder Betheiligte die Aufmachung in Antrag bringen und betreiben. 731. Im Gebiete dieses Gesetzbuchs wird die Dispache durch die ein- für allemal bestellten oder in deren Ermangelung durch die vom Gericht be­ sonders ernannten Personen (Dispacheure) aufge­ macht.

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, Jeder Betheiligte ist verpflichtet, die zur Auf­ machung der Dispache erforderlichen Urkunden, soweit er sie zu seiner Verfügung hat, nament­ lich Chartepartieen, Konnossemente und Fakturen, dem Dispacheur mitzutheilen. Den Landesgesetzen bleibt Vorbehalten, über das Verfahren bei Aufmachung der Dispache und die Ausführung derselben nähere Bestimmungen zu erlassen. 732. Für die von dem Schiff zu leistenden Beiträge ist den Ladungsbetheiligten Sicherheit zu bestellen, bevor das Schiff den Hafen ver­ lassen darf, in welchem nach Artikel 729 die Feststellung und Vertheilung der Schäden er­ folgen muß. 733. Der Schiffer darf Güter, auf welchen Ha­ vereibeiträge haften, vor Berichtigung oder Sicher-, stellung der letzteren (Art. 616) nicht ausliefern, widrigenfalls er, unbeschadet der Haftung der Güter, für die Beiträge persönlich verantwortlich wird. Hat der Rheder die Handlungsweise des Schiffers ungeordnet, so kommen die Vorschriften des zweiten und dritten Absatzes des Artikels 479 zur Anwendung. Das an den beitragspflichtigen Gütern den Ver­ gütungsberechtigten zustehende Pfandrecht wird für diese durch den Verfrachter ausgeübt. 734. Hat der Schiffer zur Fortsetzung der Reise, jedoch zum Zweck einer nicht zur großen Haverei gehörenden Aufwendung, die Ladung verbodmet oder über einen Theil derselben durch Verkauf oder durch Verwendung verfügt, so ist der Verlust, welchen ein Ladungsbetheiligter da­ durch erleidet, daß er wegen seiner Ersatzan­ sprüche aus Schiff und Fracht gar nicht oder nicht vollständig befriedigt werden kann (Art. 509, 510, 613), von sämmtlichen Ladungsbetheiligten nach den Grundsätzen der großen Haverei zu tragen. Bei der Ermittelung des Verlustes ist in dem Verhältniß zu den Ladungsbetheiligten in allen Fällen, namentlich auch im Falle des zweiten Absatzes des Artikels 613, die im Artikel 713 bebezeichnete Vergütung maßgebend. Mit dem Werthe, durch welchen diese Vergütung bestimmt wird, tragen die verkauften Güter auch zu einer etwa cintretenden großen Haverei bei (Art. 720). 735. Ueber die außerdem nach den Grund­ sätzen der großen Haverei zu vertheilenden Schä­ den und Kosten bestimmt der Artikel 637. Die in den Füllen des Artikels 637 und des Artikels 734 zu entrichtenden Beiträge und ein­ tretenden Vergütungen stehen in allen rechtlichen Beziehungen den Beiträgen und Vergütungen in Fällen der großen Haverei gleich. Zweiter Abschnitt. Schaden durch Zusammenstoß von Schiffen.

736. Wenn zwei Schiffe zusammenstoßen und entweder aus einer oder auf beiden Seiten durch den Stoß Schiff oder Ladung allein, oder Schiff

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und Ladung beschädigt werden oder ganz ver­ loren gehen, so ist, falls eine Person der Be­ satzung des einen Schiffs durch ihr Verschulden den Zusammenstoß herbeigeführt hat, der Rheder dieses Schiffs nach Maßgabe der Artikel 451 und 452 verpflichtet, den durch den Zusammenstoß dem anderen Schiff oder dessen Ladung zuge­ fügten Schaden zu ersetzen. Die Eigenthümer der Ladung beider Schiffe sind zum Ersätze des Schadens beizutragen nicht verpflichtet. Die persönliche Verpflichtung der zur Schiffs­ besatzung gehörigen Personen, für die Folgen ihres Verschuldens aufzukommen, wird durch diesen Artikel nicht berührt. 737. Fällt keiner Person der Besatzung des einen oder des anderen Schiffs ein Verschulden zur Last, oder ist der Zusammenstoß durch beider­ seitiges Verschulden herbeigeführt, so findet ein Anspruch auf Ersatz des dem einen oder anderen oder beiden Schiffen zugefügten Schadens nicht statt.

738. Die beiden vorstehenden Artikel kommen zur Anwendung ohne Unterschied, ob beide Schiffe, oder das eine oder das andere sich in der Fahrt oder im Treiben befinden, oder vor Anker oder am Lande befestigt liegen. 739. Ist ein durch den Zusammenstoß beschä­ digtes Schiff gesunken, bevor es einen Hafen er­ reichen konnte, so wird vermuthet, daß der Unter­ gang des Schiffs eine Folge des Zusammenstoßes war. 740. Wenn sich das Schiff unter Führung eines Zwangslootsen befunden hat und die zur Schiffs­ besatzung gehörigen Personen die ihnen obliegen­ den Pflichten erfüllt haben, so ist der Rheder des Schiffs von der Verantwortung für den Schaden frei, welcher durch den von dem Lootsen verschul­ deten Zusammenstoß entstanden ist. 741. Die Vorschriften dieses Abschnitts kommen auch dann zur Anwendung, wenn mehr als zwei Schiffe zusammenstoßen. Ist in einem solchen Falle der Zusammenstoß durch eine Person der Besatzung des einen Schiffs verschuldet, so haftet der Rheder des letzteren auch für den Schaden, welcher daraus entsteht daß durch den Zusammenstoß dieses Schiffs mit einem anderen der Zusammenstoß dieses anderen Schiffs mit einem dritten verursacht ist.

Neunter Titel.

Won der Mergung und Kütfsteistung in Seenoth. 742. Wird in einer Seenoth ein Schiff oder dessen Ladung ganz oder theilweise, nachdem sie der Ver­ fügung der Schiffsbesatzung entzogen oder von derselben verlassen waren, von dritten Personen an sich genommen und in Sicherheit gebracht, so haben diese Personen Anspruch auf Bergelohn.

Wird außer dem vorstehenden Fall ein Schiff oder dessen Ladung durch Hülfe dritter Personen aus einer Seenoth gerettet, so haben dieselben nur Anspruch auf Hülfslohn. Der Schiffsbesatzung des verunglückten oder ge­ fährdeten Schiffs steht ein Anspruch auf Berge­ oder Hülfslohn nicht zu. 743. Wenn noch während der Gefahr ein Ver­ trag über die Höhe des Berge- oder Hülfslohn geschlossen ist, so kann derselbe wegen erheblichen Uebermaaßes der zugesicherten Vergütung ange­ fochten und die Herabsetzung der letzteren auf das den Umständen entsprechende Maaß erlangt werden. 744. In Ermangelung einer Vereinbarung wird die Höhe des Berge-- oder Hülfslohns von dem Richter unter Berücksichtigung aller Um­ stände des Falles nach billigem Ermessen in Geld

festgesetzt. 745. Der Berge- oder Hülfslohn umfaßt zu­ gleich die Vergütung für die Aufwendungen welche zum Zweck des Bergens und Rettens ge­ schehen sind. Nicht darin enthalten sind die Kosten und Gebühren der Behörden, die von den geborgenen oder geretteten Gegenständen zu entrichtenden Zölle und sonstigen Abgaben und die Kosten zum Zweck der Aufbewahrung, Erhaltung Abschätzung und Veräußerung derselben. 746. Bei Bestimmung des Betrages des Berge, oder Hülfslohns kommen insbesondere in Anschlag: der bewiesene Eifer, die verwendete Zeit, die ge­ leisteten Dienste, die geschehenen Aufwendungen, die Zahl der thätig gewesenen Personen, die Gefahr, welcher dieselben ihre Person und ihre Fahrzeuge unterzogen haben, sowie die Gefahr, welche den geborgenen oder geretteten Gegen­ ständen gedroht hat, und der nach Abzug der Kosten (Art. 745 Abs. 2) verbliebene Werth der­

selben. 747. Der Berge- oder Hülfslohn darf ohne den übereinstimmenden Antrag der Parteien nicht auf eine Quote des Werthes der geborgenen oder­ geretteten Gegenstände festgesetzt werden. 748. Der Betrag des Bergelohns soll den dritten Theil des Werthes der geborgenen Gegenstände (Art. 746) nicht übersteigen. Nur ausnahmsweise, wenn die Bergung mit ungewöhnlichen Anstrengungen und Gefahren ver­ bunden war und jener Werth zugleich ein geringer ist, kann der Betrag bis zur Hälfte des Werthes erhöht werden. 749. Der Hülfslohn ist stets unter dem Betrage

festzusetzen, welchen der Bergelohn unter sonst gleichen Umständen erreicht haben würde. Ans den Werth der geretteten Gegenstände ist bei Bestim­ mung des Hülfslohns nur eine untergeordnete Rücksicht zu nehmen. 750. Haben mehrere Personen an der Bergung oder Hülfsleistung sich betheiligt, so wird der Berge- oder Hülfslohn unter dieselben nach Maß-

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. X. gäbe der persönlichen und sachlichen Leistungen der Einzelnen und im Zweifel nach der Kopfzahl verth eilt. Zur gleichmäßigen Theilnahme sind auch die­ jenigen berechtigt, welche in derselben Gefahr der Rettung von Menschen sich unterzogen haben. 751. Wird ein Schiff oder dessen Ladung ganz oder theilweise von einem anderen Schiff geborgen oder gerettet, so wird der Berge- oder Hülfslohn zwischen dem Rheder, dem Schiffer und der übrigen Besatzung des anderen Schiffs, sofern nicht durch Vertrag unter ihnen ein Anderes be­ stimmt ist, in der Art vertheilt, daß der Rheder die Hälfte, der Schiffer ein Viertel und die übrige Besatzung zusammen gleichfalls ein Viertel erhalten. Die Vertheilung unter die letztere erfolgt nach Verhältniß der Heuer, welche dem Einzelnen gebührt oder seinem Range nach gebühren würde. 752. Auf Berge- und Hülfslohn hat keinen Anspruch: 1) wer seine Dienste aufgedrungen, insbesondere ohne Erlaubniß des anwesenden Schiffers das Schiff betreten hat; 2) wer von den geborgenen Gegenständen dem Schiffer, dem Eigenthümer oder der zuständigen Behörde nicht sofort Anzeige gemacht hat. 753. Wegen der Bergungs- und Hülfskosten, wozu auch der Berge- und Hülfslohn gezählt wird, steht dem Gläubiger ein Pfandrecht an den geborgenen oder geretteten Gegenständen, an den geborgenen Gegenständen bis zur Sicherheits­ leistung zugleich das Zuriickbehaltungsrecht zu. In Ansehung der Geltendmachung des Pfand­ rechts finden die Vorschriften des zweiten und dritten Absatzes des Artikels 697 Anwendung. 754. Der Schiffer darf die Güter vor Befrie­ digung oder Sicherstellung des Gläubigers weder ganz noch theilweise ausliefern, widrigenfalls er dem Gläubiger insoweit persönlich verpflichtet wird, als derselbe aus den ausgelieferten Gütern zur Zeit der Auslieferung hätte befriedigt werden können. Hat der Rheder die Handlungsweise des Schiffers angeordnet, so kommen die Vorschriften des zweiten und dritten Absatzes des Artikels 479 zur An­ wendung. 755. Eine persönliche Verpflichtung zur Ent­ richtung der Bergungs- und Hülfskosten wird durch die Bergung oder Rettung an sich nicht begründet. Der Empfänger von Gütern wird jedoch, wenn ihm bei Annahme derselben bekannt ist, daß davon Bergungs- oder Hülfskosten zu berichtigen seien, für diese Kosten insoweit persönlich verpflichtet, als dieselben, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätten berichtigt werden können. Sind noch andere Gegenstände gemeinschaftlich mit den ausgelieferten Gütern geborgen oder gerettet, so geht die persönliche Haftung des Em­

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pfängers über den Betrag nicht hinaus, welcher bei Bertheilung der Kosten über sämmtliche Gegenstände auf die ausgelieferten Güter fällt. 756. Den Landesgesetzen bleibt Vorbehalten, die Vorschriften dieses Titels zu ergänzen. Dieselben können bestimmen, daß über die Ver­ pflichtung zur Zahlung eines Berge- oder Hülfslohns oder über den Betrag desselben von einer anderen als einer richterlichen Behörde unter Vorbehalt des Rechtsweges (Art. 744) zu ent­ scheiden sei. Die Bestimmungen der Landesgesetze über die Wiedernehmung eines von dem Feinde genom­ menen Schiffs werden durch die Vorschriften dieses Titels nicht berührt.

Zehnter Titel.

Yon den Schiffsgtäuvittern. 757. Die nachbenannten Forderungen gewähren die Rechte eines Schiffsgläubigers: 1) die Kosten des Zwangsverkaufs des Schiffs; zu diesen gehören auch die Kosten der Vertheilung des Kaufgeldes, sowie die etwaigen Kosten der Bewachung, Verwahrung und Erhaltung des Schiffs und seines Zubehörs seit der Einleitung des Zwangsverkaufs oder seit der derselben voraus­

gegangenen Beschlagnahme; 2) die in der Ziffer 1 nicht begriffenen Kosten der Bewachung und Verwahrung des Schiffs und seines Zubehörs seit der Einbringung des Schiffs in den letzten Hafen, falls das Schiff im Wege

der Zwangsvollstreckung verkauft ist; 3) die öffentlichen Schiffs-, Schifffahrts- und Hafenabgaben, insbesondere die Tonnen-, Leucht­ feuer-, Quarantaine- und Hafengelder; 4) die aus den Dienst- und Heuerverträgen herrührenden Forderungen der Schiffsbesatzung; 5) die Lootsengelder, sowie die Bergungs-, Hülfs-, Loskaufs- und Reklamekosten; 6) die Beiträge des Schiffs zur großen Haverei; 7) die Forderungen der Bodmereigläubiger, welchen das Schiff verbodmet ist, sowie die For­ derungen aus sonstigen Kreditgeschäften, welche der Schiffer als solcher während des Aufenthalts des Schiffs außerhalb des Heimathshafens in Nothfällen abgeschlossen hat (Art. 497, 510), auch wenn er Miteigentümer oder Alleineigenthümer des Schiffs ist; den Forderungen aus solchen

Kreditgeschäften stehen die Forderungen wegen Lieferungen oder Leistungen gleich, welche ohne Gewährung eines Kredits dem Schiffer als solchem während des Aufenthalts des Schiffs außerhalb des Heimathshafens in Nothfällen zur Erhaltung des Schiffs oder zur Ausführung der Reise gemacht sind, soweit diese Lieferungen oder Leistungen zur Befriedigung des Bedürfnisses erforderlich waren; 8) die Forderungen wegen Nichtablieferung oder Beschädigung der Ladungsgüter und der im

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. X

zweiten Absätze des Artikels 674 erwähnten ReiseEffekten ; 9) die nicht unter eine der vorigen Ziffern fallenden Forderungen aus Rechtsgeschäften, welche der Schiffer als solcher kraft seiner gesetzlichen Befugnisse und nicht mit Bezug auf eine beson­ dere Vollmacht geschlossen hat (Art. 452 Ziff. 1), sowie die nicht unter eine der vorigen Ziffern fallenden Forderungen wegen Nichterfüllung oder wegen unvollständiger oder mangelhafter Erfüllung eines von dem Rheder abgeschlossenen Vertrages, insofern die Ausführung des letzteren zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört hat (Art. 452 Ziff. 2); 10) die Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung (Art. 451 und 452 Ziff. 3), auch wenn dieselbe zugleich Miteigenthümer oder Alleineigenthümer des Schiffs ist. 758. Den Schiffsgläubigern, welchen das Schiff nicht schon durch Verbodmung verpfändet ist, steht ein gesetzliches Pfandrecht an dem Schiff und dem Zubehör desselben zu. Das Pfandrecht ist gegen dritte Besitzer des Schiffs verfolgbar. 759. Das gesetzliche Pfandrecht eines jeden dieser Schiffsgläubiger erstreckt sich außerdem auf die Bruttofracht derjenigen Reise, ans welcher seine Forderung entstanden ist. 760. Als eine Reise im Sinne dieses Titels wird diejenige angesehen, zu welcher das Schiff' von neuem ausgerüstet, oder welche entweder aus Grund eines neuen Frachtvertrages oder nach vollständiger Löschung der Ladung angetretcn wird. 761. Den im Artikel 757 unter Ziffer 4 auf­ geführten Schiffsgläubigern steht wegen der aus einer späteren Reise entstandenen Forderungen zugleich ein gesetzliches Pfandrecht an der Fracht der früheren Reisen zu, sofern .die verschiedenen Reisen unter denselben Dienst- und Heuervertrag fallen (Art. 521, 536, 538, 554); 762. Aus das dem Bodmereigläubiger in Gemäß­ heit, .des Artikels 680 zustehende Pfandrecht finden dieselben Vorschriften Anwendung, welche für das gesetzliche Pfandrecht der . übrigen Schiffsgläubiger gelten: Der Umfang des Pfandrechts des Bodmerei­ gläubigers bestimmt sich jedoch nach dem Inhalt des Bodmereivertrages (Art. 681). 763. Das einem Schiffsgläubiger zustehende Pfandrecht gilt in gleichem Maße für Kapital, Zinsen, Bodmereiprämie und Kosten. 764. Der Schiffsgläubiger, welcher sein Pfand­ recht verfolgt, kann sowohl den Rheder als auch den Schiffer belangen, den letzteren auch dann, wenn das Schiff in dem Heimathshafen liegt (Art. 495). Das gegen den Schiffer ergangene Erkenntniß ist in Ansehung des Pfandrechts gegen den Rheder wirksam. 765. Auf die Rechte eines Schiffsgläubigers

hat es keinen Einfluß, daß der Rheder für die Forderung bei deren Entstehung oder später zu­ gleich persönlich verpflichtet wird. Diese Vorschrift findet insbesondere auf die Forderungen der Schiffsbesatzung aus den Dienstund Heuerverträgen Anwendung (Art. 453). 766. Gehört das Schiff einer Rhederei, so haftet das Schiff und die Fracht den Schiffsgläubigern in gleicher Weise, als wenn das Schiff nur Einem Rheder gehörte. 767. Das Pfandrecht der Schiffsgläubiger am

Schiff erlischt: 1) durch den im Jnlande im Wege der Zwangs­ vollstreckung erfolgten Verkauf des Schiffs; an Stelle des letzteren tritt für die Schiffsgläubiger

das Kaufgeld. Es müssen die Schiffsgläubiger zur Wahrneh­ mung ihrer Rechte öffentlich aufgefordert werden; im klebrigen bleiben die Vorschriften über das den Verkauf betreffende Verfahren den Landesge­

setzen Vorbehalten; 2) durch den von dem Schiffer im Falle der zwingenden Nothwendigkeit auf Grund seiner gesetzlichen Befugnisse bewirkten Verkauf des Schiffs (Art. 499); an Stelle hes letzteren tritt für die Schiffsgläubiger das Kaüfgeld, so lange es bei dem Käufer aussteht oder noch in den Händen des Schiffers ist. 768. Den Landesgesetzen bleibt Vorbehalten, zu bestimmen, daß auch in anderen Veräußerungs­ fällen die Pfandrechte erlöschen, wenn die Schiffs­ gläubiger zur Anmeldung der Pfandrechte ohne Erfolg öffentlich aufgefordert sind, oder wenn die Schiffsgläubiger ihre Pfandrechte innerhalb einer bestimmten Frist, seitdem das Schiff in dem Hei­ mathshafen oder in einem inländischen Hafen sich befunden hat, bei der zuständigen Behörde nicht angemeldet haben. 769. Der Artikel 767 findet keine Anwendung, wenn nicht das ganze Schiff, sondern nur eine oder mehrere Schiffsparten veräußert werden. 770. In Ansehung des Schiffs haben die Kosten des Zwängsverkaufs (Art. 757 Ziff 1) und die Bewachungs- und Verwahrungskosten seit der Einbringung in den letzten Hafen (Art. 757 Ziff. 2) vor allen anderen Forderungen der Schiffsgläü-

biger den Vorzug. Die Kosten des Bewachungs- und

Zwangsverkaufs gehen den Verwahrungskosten seit der

Einbringung in den letzten Hafen vor. 771. Von den übrigen Forderungen gehen die die letzte Reise (Art. 760) betreffenden Forde­ rungen, zu welchen auch die nach der Beendigung

der letzten Reise entstandenen Forderungen ge­ rechnet werden, den Forderungen vor, welche die früheren Reisen betreffen. Bon den Forderungen, welche nicht die letzte Reise betreffen, gehen die eine spätere Reise be­ treffenden denjenigen vor, welche eine frühere Reise betreffen.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. X. Den im Artikel 757 unter Ziffer 4 aufgeführten Schiffsgläubigern gebührt jedoch wegen der eine frühere Reise betreffenden Forderungen dasselbe

Vorzugsrecht, welches ihnen wegen der eine spätere Reise betreffenden Forderungen zusteht, sofern die verschiedenen Reisen unter denselben Dienst­ oder Heuervertrag fallen. Wenn die Bodmereireise mehrere Reisen im Sinne des Artikels 760 umfaßt, so steht der Bod­ mereigläubiger denjenigen Schiffsgläubigern nach, deren Forderungen die nach Vollendung der ersten dieser Reisen angetretenen späteren Reisen betreffen. 772. Die Forderungen, welche dieselbe Reise betreffen, sowie diejenigen, welche als dieselbe Reise betreffend anzusehen sind (Art. 771), werden in nachstehender Ordnung berichtigt: 1) die öffentlichen Schiffs-, Schifffahrts- und Hasenabgaben (Art. 757 Ziff. 3); 2) die aus den Dienst- und Heuerverträgen herrührenden Forderungen der Schiffsbesatzung (Art. 757 Ziff. 4); 3) die Lootsengelder, sowie die Bergungs-, Hülfs-, Loskaufs- und Reklamekosten (Art. 757 Ziff. 5), die Beiträge des Schiffs zur großen Haverei (Art. 757 Ziff. 6), die Forderungen aus den von dem Schiffer in Nothfällen abgeschlossenen Bodmerei- und sonstigen Kreditgeschäften, sowie die diesen Forderungen gleichzuachtenden Forde­ rungen (Art. 757 Ziff. 7); 4) die Forderungen wegen Nichtablieferung oder Beschädigung von Gütern und Reise-Effekten (Art. 757 Ziff. 8); 5) die im Artikel 757 unter Ziffer 9 und 10 aufgeführten Forderungen. 773. Von den unter Ziffer 1, 2, 4 und 5 des Artikels 772 aufgeführten Forderungen sind die unter derselben Ziffer dieses Artikels aufgeführten gleichberechtigt. Bon den unter Ziffer 3 des Artikels 772 auf­ geführten Forderungen geht dagegen die später entstandene der früher entstandenen vor; die gleichzeitig entstandenen sind gleichberechtigt. Hat der Schiffer aus Anlaß desselben Nothfalls verschiedene Geschäfte abgeschlossen (Art. 757 Ziff. 7), so gelten die daraus herrührenden For­ derungen als gleichzeitig entstanden. Forderungen aus Kreditgeschäften, namentlich aus Bodmereiverträgen, welche der Schiffer zur Berichtigung früherer, unter die Ziffer 3 des Ar­ tikels 772 fallender Forderungen eingegangen ist, sowie Forderungen aus Verträgen, welche derselbe behufs Verlängerung der Zahlungszeit, Anerken­ nung oder Erneuerung solcher früherer Forde­ rungen abgeschlossen hat, haben auch dann, wenn das Kreditgeschäft oder der Vertrag zur Fort­ setzung der Reise nothwendig war, nur dasjenige Vorzugsrecht, welches der früheren Forderung zu stand. 774. Das Pfandrecht der Schiffsgläubiger an der Fracht (Art. 759) ist nur so lange wirksam,

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als die Fracht noch aussteht oder die Frachtgelder in den Händen des Schiffers sind. Auch auf dieses Pfandrecht finden die in den vorstehenden Artikeln über die Rangordnung ent­ haltenen Bestimmungen Anwendung. Im Falle der Cession der Fracht kann das Pfandrecht der Schiffsgläubiger, so lange die Fracht noch aussteht oder die Frachtgelder in den Händen des Schiffers sind, auch dem Cessionar gegenüber geltend gemacht werden. Insoweit der Rheder die Fracht eingezogen hat, haftet er den Schiffsgläubigern, welchen das Pfandrecht dadurch ganz oder zum 'Theil entgeht, persönlich und zwar einem jeden in Höhe desje­ nigen Betrages, welcher für denselben bei Ber­ theilung des eingezogenen Betrages nach der gesetzlichen Rangordnung sich ergibt. Dieselbe persönliche Haftung des Rheders tritt ein in Ansehung der am Abladungsort zur Ab­ ladungszeit üblichen Fracht für die Güter, welche für seine Rechnung abgeladen sind. 775. Hat der Rheder die Fracht, zur Befriedi­ gung eines oder mehrerer Gläubiger, welchen ein Pfandrecht an derselben zustand, verwendet, so ist er den Gläubigern, welchen der Vorzug gebührt hätte, nur insoweit verantwortlich, als erwiesen wird, daß er dieselben wissentlich verkürzt hat. 776. Insoweit der Rheder in den im Artikel 767 unter Ziffer 1 und 2 erwähnten Fällen das Kaufgeld eingezogen hat, haftet er in Höhe des eingezogenen Betrages sämmtlichen Schiffsgläubi­ gern in gleicher Weise persönlich, wie den Gläu­ bigern einer Reise im Falle der Einziehung der Fracht (Artt. 774, 775). 777. Wenn der Rheder, nachdem er von der Forderung eines Schiffsgläubigers, für welche er mit Schiff und Fracht haftet, Kenntniß erhalten hat, das Schiff zu einer neuen Reise (Art. 760) in See sendet, ohne daß das Interesse des Schiffs­ gläubigers es geboten hat, so wird er für die Forderung in Höhe desjenigen Betrages zugleich persönlich verpflichtet, welcher für den Gläubiger sich ergeben haben würde, falls der Werth, wel­ chen das Schiff bei Antritt der Reise hatte, unter die Schiffsgläubiger nach der gesetzlichen Rang­ ordnung vertheilt worden wäre. Es wird bis zum Beweise des Gegentheils angenommen, daß der Gläubiger bei dieser Vertheilung seine vollständige Befriedigung erlangt haben würde. Die persönliche Verpflichtung des Rheders, welche aus der Einziehung der dem Gläubiger haftenden Fracht entsteht (Art. 774), wird durch diesen Artikel nicht berührt. 778. Die Vergütung für Aufopferung oder Be­ schädigung in Fällen der großen Haverei tritt für die Schiffsgläubiger an Stelle desjenigen, wofür die Vergütung bestimmt ist. Dasselbe gilt von der Entschädigung, welche im Falle des Verlustes oder der Beschädigung des

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E. Allgern. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XL Abschn. 1.

Schiffs, oder wegen entzogener Fracht im Falle des Verlustes oder der Beschädigung von Gütern dem Rheder von demjenigen gezahlt werden muß, welcher den Schaden durch eine rechtswidrige Handlung verursacht hat. Ist die Vergütung oder Entschädigung von dem Rheder eingezogen, so haftet er in Höhe des ein­ gezogenen Betrages den Schiffsgläubigern in gleicher Art persönlich, wie den Gläubigern einer Reise im Falle der Einziehung der Fracht (Artt. 774, 775). 779. Im Falle der Konkurrenz der Schiffs­ gläubiger, welche ihr Pfandrecht verfolgen, mit

anderen Pfandgläubigern oder sonstigen Gläubi­ gern, haben die Schiffsgläubiger den Vorzug. 780. Die Bestimmungen der Artikel 767 und 769 über das Erlöschen der Pfandrechte der Schiffsgläubiger finden auch Anwendung auf die sonstigen Pfandrechte, welche nach den Landesge­ setzen an dem Schiff oder einer Schiffspart durch Willenserklärung oder Gesetz erworben und gegen den dritten Besitzer verfolgbar sind. Die Vorschrift des Artikels 767 Ziffer 1 tritt auch rücksichtlich der auf einer Schiffspart haften­ den Pfandrechte im Falle des Zwangsverkaufs dieser Schiffspart ein. Im Uebrigen werden die Rechte der im ersten Absätze erwähnten Pfandgläubiger nicht nach den Bestimmungen dieses Titels, sondern nach den Landesgesetzen beurtheilt. 781. Von den auf den Gütern wegen der Fracht, der Bodmereigelder, der Beiträge zur großen Haverei und der Bergungs- und Hülfskosten (Artt. 624, 626, 680, 727, 753) haftenden Pfandrechten steht das wegen der Fracht allen übrigen nach; unter diesen übrigen hat das später entstandene vor dem früher entstandenen den Vorzug; die gleichzeitig entstandenen sind gleich­ berechtigt. Die Forderungen aus den von dem Schiffer aus Anlaß desselben Nothsalls abgeschlos­ senen Geschäften gellen als gleichzeitig entstanden. In den Fällen der großen Haverei und des Verlustes oder der Beschädigung durch rechts­ widrige Handlungen kommen die Vorschriften des Artikels 778, und in dem Falle des von dem Schiffer zur Abwendung oder Verringerung eines Verlustes nach Maßgabe des dritten Absatzes des Artikels 504 bewirkten Verkaufs die Vorschriften des Artikels 767 Ziffer 2, und wenn derjenige, für dessen Rechnung der Verkauf geschehen ist, das Kaufgeld einzieht, der Artikel 776 zur An­ wendung.

Elfter Titel. Moll der Werstcherrmg gegen die Heführen der Seeschiffahrt. Erster Abschnitt. Allgemeine Hrundsätzc.

782. Jedes in Geld schätzbare Interesse, weches Jemand daran hat, daß Schiff oder Ladung die

Gefahren der Seeschifffahrt bestehe, kann Gegen­ stand der Seeversicherung sein. 783. Es können insbesondere versichert werden: das Schiff; die Fracht; die Ueberfahrtsgelder;

die Güter; die Bodmereigelder; die Havereigelder; andere Forderungen, zu deren Deckung, Schiff, Fracht, Ueberfahrtsgelder oder Güter­ dienen ; der von der Ankunft der Güter am Be­ stimmungsort erwartete Gewinn (imagi­ näre Gewinn) ; die zu verdienende Provision; die von dem Versicherer übernommene Ge­ fahr (Rückversicherung). In der einen dieser Versicherungen ist die an­ dere nicht enthalten. 784. Die Heuerforderung des Schiffers und der Schiffsmannschaft kann nicht versichert werden. 785. Der Versicherungsnehmer kann entweder sein eigenes Interesse (Versicherung für eigene Rechnung), oder das Interesse eines Dritten (Versicherung für fremde Rechnung), und in dem letzteren Falle mit oder ohne Bezeichnung der Person des Versicherte;: unter Versicherung bringen. Es kann im Vertrage auch unbestimmt gelassen werden, ob die Versicherung für eigene oder für fremde Rechnung genommen wird (für Rechnung „wen es angeht"). Ergibt sich bei einer Ver­ sicherung für Rechnung „wen es angeht", daß dieselbe für fremde Rechnung genommen ist, so kommen die Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechnung zur Anwendung. Die Versicherung gilt als für eigene Rechnung des Versicherungsnehmers geschlossen, wenn der Vertrag nicht ergibt, daß sie für fremde Rech­ nung oder für Rechnung „wen es angeht" ge­ nommen ist. 786. Die Versicherung für fremde Rechnung ist für den Versicherer nur dann verbindlich, wenn entweder der Versicherungsnehmer zur Eingehung derselben von dem Versicherten beauftragt war, oder wenn der Mangel eines solchen Auftrages von dem Versicherungsnehmer bei dem Abschlüsse des Vertrages dem Versicherer angezeigt wird. Ist die Anzeige unterlassen, so kann der Man­ gel des Auftrages dadurch.nicht ersetzt werden, daß der Versicherte die Versicherung nachträglich genehmigt. Ist die Anzeige erfolgt, so -ist die Verbindlich­ keit der Versicherung für den Versicherer von der nachträglichen Genehmigung des Versicherten nicht abhängig. Der Versicherer, für welchen nach den Be­ stimmungen dieses Artikels der Versicherungsver­ trag unverbindlich ist, hat, selbst wenn er die Un-

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XI. Abschn. 1.

Verbindlichkeit des Vertrages geltend macht, gleich­ wohl auf die volle Prämie Anspruch. 787. Ist die Versicherung von einen: Bevoll­ mächtigten, von einem Geschäftsführer ohne Auf­ trag, oder von einem sonstigen Vertreter des Versicherten in dessen Namen geschlossen, so ist im Sinne dieses Gesetzbuchs weder der Vertreter Versicherungsnehmer, noch die Versicherung selbst eine Versicherung für fremde Rechnung. Im Zweifel wird angenommen, daß selbst die auf das Interesse eines benannten Dritten sich be­ ziehende Versicherung eine Versicherung für fremde Rechnung ist. 788. Der Versicherer ist verpflichtet, eine von ihm unterzeichnete schriftliche Urkunde (Polize) über den Versicherungsvertrag dem Versicherungs­ nehmer auf dessen Verlangen auszuhändigen. 789. Auf die Gültigkeit des Versicherungsver­ trages hat es keinen Einfluß, daß zur Zeit des Abschlusses desselben die Möglichkeit des Eintritts eines zu ersetzenden Schadens schon ausgeschlossen, oder daß der zu ersetzende Schaden bereits ein­ getreten ist. Waren jedoch beide Theile von dem Sachver­ hältnisse unterrichtet, so ist der Vertrag als Ver­ sicherungsvertrag ungültig Wußte nur der Versicherer, daß die Möglich­ keit des Eintritts eines zu ersetzender: Schadens schon ausgeschlossen sei, oder wußte nur der Ver­ sicherungsnehmer, daß der zu ersetzende Schaden schon eingetreten sei, so ist der Vertrag für den anderen, von dem Sachverhältnisse nicht unterrichte­ ten Theil unverbindlich. Im zweiten Falle hat der Versicherer, selbst wenn er die Unverbindlichkeit des Vertrags geltend macht, gleichwohl auf die volle Prämie Anspruch. Jin Falle der Vertrag für den Versicherungs­ nehmer durch einen Vertreter abgeschlossen wird, kommt die Vorschrift des zweiten Msatzes des Artikels 810, in: Falle der Versicherung für fremde Rechnung die Vorschrift des Artikels 811 und im Falle der Versicherung mehrerer Gegen­ stände oder einer Gesammtheit von Gegenständen die Vorschrift des Artikels 814 zur Anwendung. 790. Der volle Werth des versicherten Gegen­ standes ist der Versicherungswerth. Die Versicherungssumme kann den Versicherungs­ werth nicht übersteigen. Soweit die Versicherungssumme den Versiche­ rungswerth übersteigt (Überversicherung), hat die Versicherung keine rechtliche Geltung. 791. Uebersteigt im Falle einer gleichzeitigen Abschließung verschiedener Versicherungsverträge der Gesammtbetrag der Versicherungssummen den Versicherungswerts so haften alle Versicherer zu­ sammen nur in Höhe des Versicherungswerthes, und zwar jeder einzelne für so viele Prozente des Bersicherungswerthes, als seine Versicherungs­ summe Prozente des Gesammtbetrages der Ver­ sicherungssummen bildet. Hierbei wird im Zweifel

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vermuthet, daß die Verträge gleichzeitig abge­ schlossen sind. Mehrere Versicherungsverträge, worüber eine gemeinschaftliche Polize ertheilt ist, ingleichen mehrere Versicherungsverträge, welche an dem­ selben Tage abgeschlossen sind, gelten als gleich­ zeitig abgeschlossen. 792. Wird ein Gegenstand, welcher bereits zum vollen Werthe versichert ist, nochmals ver­ sichert, so hat die spätere Versicherung insoweit keine rechtliche Geltung, als der Gegenstand auf dieselbe Zeit und gegen dieselbe Gefahr bereits versichert ist (Doppelversicherung). Ist durch die frühere Versicherung nicht der volle Werth versichert, so gilt die spätere Ver­ sicherung, insoweit sie auf dieselbe Zeit und gegen dieselbe Gefahr genomn:en ist, nur für den noch nicht versicherten Theil des Werthes. 793. Die spätere Versicherung hat jedoch unge­ achtet der Eingehung der früheren Versicherung rechtliche Geltung: 1) wenn bei dem Abschlüsse des späteren Ver­ trages mit dem Versicherer vereinbart wird, daß demselben die Rechte aus der früheren Versiche­ rung abzutreten seien; 2) wenn die spätere Versicherung unter der Be­ dingung geschlossen wird, daß der Versicherer nur insoweit hafte, als der Versicherte sich an dem früheren Versicherer wegen Zahlungsunfähigkeit desselben nicht zu erholen vermöge oder die frühere Versicherung nicht zu Recht bestehe; 3) wenn der frühere Versicherer mittelst Ver­ zichtanzeige seiner Verpflichtung insoweit entlassen wird, als zur Vermeidung einer Doppelversicherung nöthig ist, und der spätere Versicherer bei Ein­ gehung der späteren Versicherung hiervon benach­ richtig wird. Dem früheren Versicherer gebührt in diesem Falle, obschon er von seiner Ver­ pflichtung befreit wird, gleichwohl die volle Prämie. 794. Im Falle der Doppelversicherung hat nicht die zuerst genommene, sondern die später genommene Versicherung rechtliche Geltung, wenn die frühere Versicherung für fremde Rechnung ohne Auftrag genommen ist, die spätere dagegen von dem Ver­ sicherten selbst genommen wird, sofern in einem solchen Falle der Versicherte entweder bei Ein­ gehung der späteren Versicherung von der frühe­ ren noch nicht unterrichtet war, oder bei Ein­ gehung der späteren Versicherung den: Versicherer anzeigt, daß er die frühere Versicherung zurück­ weise. Die Rechte des früheren Versicherers in An­ sehung der Prämie bestimmen sich in diesen Fällen nach den Vorschriften der Artikel 900 und 901. 795. Sind mehrere Versicherungen gleichzeitig oder nach einander geschlossen worden, so hat ein späterer Verzicht auf die gegen den einen Ver­ sicherer begründeten. Rechte keinen Einfluß auf

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XL Abschn. 1.

die Rechte und Verpflichtungen der übrigen Ver­ sicherer.

796. Wenn die Versicherungssumme den Bersicherungswerth nicht erreicht, so hastet der Ver­ sicherer im Falle eines theilweisen Schadens sür den Betrag desselben nur nach Verhältniß der Versicherungssumme zum Versicherungswerth. 797. Wird durch Vereinbarung der Parteien der Versicherungswerth auf eine bestimmte Summe (Taxe) festgestellt (taxirte Polize), so ist die Taxe unter den Parteien für den Versicherungswerth maßgebend. Der Versicherer ist jedoch befugt, eine Herab­ setzung der Taxe zu fordern, wenn er beweist, daß dieselbe wesentlich übersetzt sei; ist imaginärer Gewinn taxirt, so hat er im Falle der Anfechtung der Taxe zu beweisen, daß dieselbe den zur Zeit des Abschlusses des Vertrages nach kaufmännischer Berechnung möglicher Weise zu erwartenden Ge­ winn überstiegen habe. Eine Polize mit der Bestimmung: „vorläufig taxirt" wird, so lange die Taxe nicht in eine feste verwandelt ist, einer nicht taxirten Polize (offenen Polize) gleichgeachtet. Bei der Versicherung von Fracht ist die Taxe in Bezug auf einen von dem Versicherer zu er­ setzenden Schaden nur dann maßgebend, wenn dieses besonders bedungen ist.

798. Wenn in einem Vertrage mehrere Gegen­ stände oder eine Gesammtheit von Gegenständen unter einer Versicherungssumme begriffen, aber für einzelne derselben besondere Taxen vereinbart sind, so gelten die Gegenstände, welche besonders taxirt sind, auch als abgesondert versichert. 799. Als Versicherungswerth des Schiffs gilt, wenn die Parteien nicht eine andere Grundlage für die Schätzung vereinbart haben, der Werth, welchen das Schiff in dem Zeitpunkt hat, in wel­ chem die Gefahr für den Versicherer zu laufen beginnt. Diese Bestimmung kommt auch dann zur An­ wendung, wenn der Versicherungswerth des Schiffs taxirt ist.

802. Ist bei der Versicherung der Fracht nicht bestimmt, ob dieselbe ganz oder ob nur ein Theil derselben versichert sei, so gilt die ganze Fracht als versichert. Ist nicht bestimmt, ob'die Brutto- oder Netto­ fracht versichert sei, so gilt die Bruttofracht als versichert. Wenn die Fracht der Hinreise und die Fracht der Zurückreise unter einer Versicherungssumme versichert sind und nicht bestimmt ist, welcher Theil der Versicherungssumme auf die Fracht der Hin­ reise und welcher Theil auf die Fracht der Zurück­ reise falle, so wird die Hälfte derselben auf die Fracht der Hinreise, die Hälfte auf die Fracht der Zurückreise gerechnet. 803. Als Versicherungswerth der Güter gilt, wenn dieParteien nicht eine andere Grundlage für die Schätzung vereinbart haben, derjenige Werth, welchen die Güter am Ort und zur Zeit der Ab­ ladung haben, unter Hinzurechnung aller Kosten bis an Bord einschließlich der Versicherungskosten. Die Fracht, sowie die Kosten während der Reise und am Bestimmungsort werden nur hinzuge­ rechnet, sofern es vereinbart ist. Die Bestimmungen dieses Artikels kommen auch dann zur Anwendung, wenn der Bersicherungs­ werth der Güter taxirt ist. 804. Sind die Ausrüstungskosten oder die Heuer, sei es selbstständig, sei es durch Versicherung der Bruttofracht, versichert, oder sind bei der Ver­ sicherung von Gütern die Fracht oder die Kosten während der Reise und am Bestimmungsort ver­ sichert, so leistet der Versicherer für denjenigen Theil derselben keinen Ersatz, welcher in Folge eines Unfalls erspart wird. 805. Bei der Versicherung von Gütern ist der imaginäre Gewinn oder die Provision, selbst wenn der Versicherungswerth der Güter taxirt ist, als mitversichert nur anzusehen, sofern es im Vertrage

800. Die Ausrüstungskosten, die Heuerund die Versicherungskosten können zugleich mit dem Schiff oder besonders versichert werden, insoweit sie nicht bereits durch die Versicherung der Bruttostacht versichert sind. Dieselben gelten nur dann als mit dem Schiff versichert, wenn es vereinbart ist.

bestimmt ist. Ist im Falle der Mitversicherung des imagi­ nären Gewinnes der Bersicherungswerth taxirt, aber nicht bestimmt, welcher Theil der Taxe auf den imaginären Gewinn sich beziehe, so wird an­ genommen, daß zehn Prozent der Taxe auf den imaginären Gewinn fallen. Wenn im Falle der Mitversicherung des imaginären Gewinnes der Bersicherungswerth nicht taxirt ist, so werden als imaginärer Gewinn zehn Prozent des Bersicherungswerthes der Güter (Art. 803) als versichert

801. Die Fracht kann bis zu ihrem Bruttobe­ träge versichert werden, insoweit sie nicht bereits durch die Versicherung der Ausrüstungskosten, der Heuer und der Versicherungskosten versichert ist. Als Bersicherungswerth der Fracht gilt der Be­ trag der in den Frachtverträgen bedungenen Fracht, und wenn eine bestimmte Fracht nicht bedungen ist, oder insoweit Güter für Rechnung des Rhe­ ders verschifft sind, der Betrag der üblichen Fracht (Art. 620).

betrachtet. Die Bestimmungen des zweiten Absatzes kommen auch im Falle der Mitversicherung der Provision mit der Maßgabe zur Anwendung, daß an Stelle der zehn Prozent zwei Prozent treten. 806. Ist der imaginäre Gewinn oder die Pro­ vision selbstständig versichert, der Versicherungs­ werth jedoch nicht taxirt, so wird im Zweifel angenommen, daß die Versicherungssumme zugleichals Taxe des Versicherungswerthes gelten soll.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XL Abschn. 2. 3.

807. Die Bodmereigelder können einschließlich der Bodmereiprämie für den Bodmereigläubiger versichert werden. Ist bei der Versicheruug von Bodmereigeldern nicht angegeben, welche Gegenstände verbodmet sind, so wird angenommen, daß Bodmereigelder auf Schiff, Fracht und Ladung versichert seien. Wenn in Wirklichkeit nicht alle diese Gegenstände ver­ bodmet sind, so kann nur der Versicherer auf die vorstehende Bestimmung sich berufen. 808. Hat der Versicherer seine Pflicht erfüllt, so tritt er, insoweit er einen Schaden vergütet hat, dessen Erstattung der Versicherte von einem Dritten zu fordern befugt ist, jedoch unbeschadet der Bestimmungen im zweiten Absätze des Artikels 778 und im zweiten Absätze des Artikels 781, in die Rechte der Versicherten gegen den Dritten. Der Versicherte ist verpflichtet, dem Versicherer, wenn er es verlangt, auf dessen Kosten eine be­ glaubigte Anerkennungsurkunde über den Eintritt in die Rechte gegen den Dritten zu ertheilen. Der Versicherte ist verantwortlich für jede Hand­ lung, durch welche er jene Rechte beeinträchtigt. 809. Ist eine Forderung versichert, zu deren Deckung eine den Gefahren der See ausgesetzte Sache dient, so ist der Versicherte im Falle eines Schadens verpflichtet, dem Versicherer, nachdem dieser seine Verpflichtungen erfüllt hat, seine Rechte gegen den Schuldner insoweit abzutreten, als der Versicherer Ersatz geleistet hat. Der Versicherte ist nicht verpflichtet, die ihm gegen den Schuldner zustehenden Rechte geltend zu machen, bevor er den Versicherer in Anspruch nimmt. Zweiter Abschnitt. Anzeigen vei dem Avschlusie des Vertrages.

810. Der Versicherungsnehmer ist sowohl im Falle der Versicherung für eigene Rechnung als im Falle der Versicherung für fremde Rechnung verpflichtet, bei dem Abschlüsse des Vertrages dem Versicherer alle ihm bekannten Umstände anzu­ zeigen, welche wegen ihrer Erheblichkeit für die Beurtheilung der von dem Versicherer zu tragenden Gefahr geeignet sind, auf den Entschluß des letzte­ ren, sich auf den Vertrag überhaupt oder unter denselben Bestimmungen einzulassen, Einfluß zu üben. Wenn der Vertrag für den Versicherungsnehmer durch einen Vertreter desselben abgeschlossen wird, so sind auch die dem Vertreter bekannten Umstände anzuzeigen. 811. Im Falle der Versicherung für fremde Rechnung müssen dem Versicherer bei dem Ab­ schlüsse des Vertrages auch diejenigen Umstände angezeigt werden, welche dem Versicherten selbst oder einem Zwischenbeauftragten bekannt sind. Die Kenntniß des Versicherten oder eines Zwischenbeauftragten kommt jedoch nicht in Be­ tracht, wenn der Umstand denselben so spät bekannt E. Handels- und Wechselrecht.

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wird, daß sie den Versicherungsnehmer ohne An­ wendung außergewöhnlicher Maßregeln vor Ab­ schluß des Vertrages nicht mehr davon benach­ richtigen können. Die Kenntniß des Versicherten kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die Versicherung ohne Auftrag und ohne Wissen desselben genommen ist. 812. Wenn die in den beiden vorstehenden Artikeln bezeichnete Verpflichtung nicht erfüllt wird, so ist der Vertrag für den Versicherer un­ verbindlich. Diese Vorschrift findet jedoch keine Anwendung, wenn der nicht angezeigte Umstand dem Versiche­ rer bekannt war, oder als ihm bekannt voraus­ gesetzt werden durfte. 813. Wird von dem Versicherungsnehmer bei dem Abschlüsse des Vertrages in Bezug auf einen er­ heblichen Umstand (Art. 810) eine unrichtige An­ zeige gemacht, so ist der Vertrag für den Ver­ sicherer unverbindlich, es sei denn, daß diesem die Unrichtigkeit der Anzeige bekannt war. Diese Bestimmung kommt zur Anwendung ohne Unterschied, ob die Anzeige wissentlich oder aus Irrthum, ob sie mit oder ohne Verschulden un­ richtig gemacht ist. 814. Wird bei einer Versicherung mehrerer Gegenstände oder einer Gesammtheit von Gegen­ ständen den Vorschriften der Artikel 810 bis 813 in Ansehung eines Umstandes.zuwidergehandelt, welcher nur einen Theil der versicherten Gegen­ stände betrifft, so bleibt der Vertrag für den Ver­ sicherer in Ansehung des übrigen Theils verbind­ lich. Der Vertrag ist jedoch auch in Ansehung dieses Theils für den Versicherer unverbindlich, wenn erhellet, daß der letztere denselben allein unter denselben Bestimmungen nicht versichert haben würde. 815. Dem Versicherer gebührt in den Fällen der Artikel 810 bis 814, selbst wenn er die gänz­ liche oder theilweise Unverbindlichkeit des Ver­ trages geltend macht, gleichwohl die volle Prämie.

Dritter Abschnitt. Ver-siichtungen des Versicherten ans dem Versicherungs­ verträge.

816. Die Prämie ist, sofern nicht ein Anderes vereinbart ist, sofort nach dem Abschlüsse des Ver­ trages und, wenn eine Polize verlangt wird, gegen Auslieferung der Polize zu zahlen. Zur Zahlung der Prämie ist der Versicherungs­ nehmer verpflichtet. Wenn bei der Versicherung für fremde Rech­ nung der Versicherungsnehmer zahlungsunfähig geworden ist und die Prämie von dem Versicherten noch nicht erhalten hat, so kann der Versicherer auch den Versicherten auf Zahlung der Prämie in Anspruch nehmen. 817. Wird statt der versicherten Reise, bevor die Gefahr für den Versicherer zu laufen begon­ nen hat, eine andere Reise angetreten, so ist der 7

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E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XL Abschn. 4.

Versicherer bei der Versicherung von Schiff und Fracht von jeder Haftung frei, bei anderen Ver­ sicherungen trägt der Versicherer die Gefahr für die andere Reise nur dann, wenn die Veränderung der Reise weder von dem Versicherten, noch im Auftrage oder mit Genehmigung desselben be­ wirkt ist. Wird die versicherte Reise verändert, nachdem die Gefahr für den Versicherer zu lausen begonnen hat, so hastet der Versicherer nicht für die nach der Veränderung der Reise eintretenden Unfälle. Er haftet jedoch für diese Unfälle, wenn die Verän­ derung weder von dem Versicherten, noch im Auf­ trage oder mit Genehmigung desselben bewirkt, oder wenn sie durch einen Nothfall verursacht ist, es sei denn, daß der letztere in einer Gefahr sich gründet, welche der Versicherer nicht zu tragen hat. Die Reise ist verändert, sobald der Entschluß, dieselbe nach einem anderen Bestimmungshafen zu richten, zur Ausführung gebracht wird, sollten auch die Wege nach beiden Bestimmungshäfen sich noch nicht geschieden haben. Diese Vorschrift gilt sowohl für die Fälle des ersten, als für die Fälle des zweiten Absatzes dieses Artikels. 818. Wenn von dem Versicherten oder im Auf­ trage oder mit Genehmigung desselben der Antritt oder die Vollendung der Reise ungebührlich ver­ zögert, von dem der versicherten Reise entsprechen­ den Wege abgewichen oder ein Hafen angelausen wird, dessen Angehung als in der versicherten Reise begriffen nicht erachtet werden kann, oder wenn der Versicherte in anderer Weise eine Ver­ größerung oder Veränderung der Gefahr veran­ laßt, namentlich eine in dieser Beziehung ertheilte besondere Zusage nicht erfüllt, so haftet der Ver­ sicherer nicht für die später sich ereignenden Unfälle. Diese Wirkung tritt jedoch nicht ein: 1) wenn erhellet, daß die Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr keinen Einfluß auf den späteren Unfall hat üben können; 2) wenn die Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr, nachdem die Gefahr für den Versicherer bereits zu laufen begonnen hat, durch einen Noth­ fall verursacht ist, es sei denn, daß der letztere in einer Gefahr sich gründet, welche der Versicherer nicht zu tragen hat; 3) wenn der Schiffer zu der Abweichung von dem Wege durch das Gebot der Menschlichkeit genöthigt ist. 819. Wird bei dem Abschlüsse des Vertrages der Schiffer bezeichnet, so ist in dieser Bezeichnung allein noch nicht die Zusage enthalten, daß der benannte Schiffer auch die Führung des Schiffs behalten werde. 820. Bei der Versicherung von Gütern haftet der Versicherer für keinen Unfall, wenn und inso­ weit die Beförderung derselben nicht mit dem zum Transport bestimmten Schiff geschieht. Er haftet jedoch nach Maßgabe des Vertrages, wenn

die Güter, nachdem die Gefahr für ihn bereits zu laufen begonnen hat, ohne Auftrag und ohne Genehmigung des Versicherten in anderer Art als mit dem zum Transport bestimmten Schiff weiter befördert werden, oder wenn dies in Folge eines Unfalls geschieht, es sei denn, daß der letztere in einer Gefahr sich gründet, welche der Versicherer nicht zu tragen hat. 821. Bei der Versicherung von Gütern ohne Bezeichnung des Schiffs oder der Schiffe (in un­ bestimmten oder unbenannten Schiffen) muß der Versicherte, sobald er Nachricht erhält, in welches Schiff versicherte Güter abgeladen sind, diese Nach­ richt dem Versicherer mittheilen. Im Falle der Nichterfüllung dieser Verpflich­ tung haftet der Versicherer für keinen Unfall, welcher den abgeladenen Gütern zustößt. 822. Jeder Unfall muß, sobald der Versicherungs­ nehmer oder der Versicherte, wenn dieser von der Versicherung Kenntniß hat, Nachricht von dem Unfall erhält, dem Versicherer angezeigt werden, widrigenfalls der Versicherer befugt ist, von der Entschädigungssumme den Betrag abzuziehen, um welchen dieselbe bei rechtzeitiger Anzeige sich ge­ mindert hätte. 823. Der Versicherte ist verpflichtet, wenn ein Unfall sich zuträgt, sowohl für die Rettung der versicherten Sachen, als für die Abwendung größerer Nachtheile thunlichst zu sorgen. Er hat jedoch, wenn thunlich, über die erfor­ derlichen Maßregeln vorher mit dem Versicherer Rücksprache zu nehmen.

Vierter Abschnitt. Umfang

der

Hefahr.

824. Der Versicherer trägt alle Gefahren, welchen Schiff oder Ladnng während der Dauer der Ver­ sicherung ausgesetzt sind, soweit nicht durch die nachfolgenden Bestimmungen oder durch Vertrag ein Anderes bestimmt ist. Er trägt insbesondere: 1) die Gefahr der Elementarereignisse und der sonstigen Seeunfälle, selbst wenn diese durch das Verschulden eines Dritten veranlaßt sind, als: Ein­ dringen des Seewassers, Strandung, Schiffbruch, Sinken, Feuer, Explosion, Blitz, Erdbeben, Be­ schädigung durch Eis u. s. w.; 2) die Gefahr des Krieges und der Verfügungen von hoher Hand; 3) die Gefahr des auf Antrag eines Dritten verhängten, von dem Versicherten nicht ver­ schuldeten Arrestes; 4) die Gefahr des Diebstahls, sowie die Gefahr des Seeraubes, der Plünderung und sonstiger Gewaltthätigkeiten; 5) die Gefahr der Verbodmung der versicherten Güter zur Fortsetzung der Reise oder der Ver­ fügung über dieselben durch Verkauf oder durch Verwendung zu gleichem Zweck (Artt. 507-510,734);

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XI. Abschn. 4. 6) die Gefahr der Unredlichkeit oder des Ver­ schuldens einer Person der Schiffsbesatzung, sofern daraus für den versicherten Gegenstand ein

Schaden entsteht;

7) die Gefahr des Zusammenstoßes von Schiff und zwar ohne Unterschied, ob der Versicherte in Folge des Zusammenstoßes unmittelbar oder ob er mittelbar dadurch einen Schaden erleidet, daß er den einem Dritten zugefügten Schaden zu er­ setzen hat. 825. Dem Versicherer fallen die nachstehend bezeichneten Schäden nicht zur Last: 1) bei der Versicherung von Schiff oder Fracht: der Schaden, welcher daraus entsteht, daß das Schiff in einem nicht seetüchtigen Zu­ stande oder nicht gehörig ausgerüstet oder bemannt oder ohne die erforderlichen Papiere (Art. 480) in See gesandt ist; der Schaden, welcher außer dem Falle des Zusammenstoßes von Schiffen daraus ent­ steht, daß der Rheder für den durch eine Person der Schiffsbesatzung einem Dritten zugefügten Schaden haften muß (Artt. 451 und 452); 2) bei einer auf das Schiff sich beziehenden Versicherung: . der Schaden an Schiff und Zubehör, welcher nur eine Folge der Abnutzung des Schiffs im gewöhnlichen Gebrauch ist; der Schaden an Schiff und Zubehör, welcher nur durch Alter, Fäulniß oder Wurmfraß verursacht wird; 3) bei einer auf Güter oder Fracht sich beziehen­ den Versicherung der Schaden, welcher durch die natürliche Beschaffenheit der Güter, namentlich durch inneren Verderb, Schwinden, gewöhnliche Leckage u. dgl., oder durch mangelhafte Verpackung der Güter entsteht oder an diesen durch Ratten oder Mäuse verursacht wird; wenn jedoch die Reise durch einen Unfall, für welchen der Versicherer haftet, ungewöhnlich verzögert wird, so hat der Versicherer den unter dieser Ziffer bezeichneten Schaden in dem Maße zu ersetzen, in welchem die Verzögerung dessen Ursache ist; 4) der Schaden, welcher in einem Verschulden des Versicherten sich gründet, und bei der Ver­ sicherung von Gütern oder imaginärem Gewinn auch der Schaden, welcher durch ein dem Ablader, Empfänger oder Kargadeur in dieser ihrer Eigen­ schaft zur Last fallendes Verschulden entsteht. 826. Die Verpflichtung des Versicherers zum Ersätze eines Schadens tritt auch dann ein, wenn dem Versicherten ein Anspruch ans dessen Ver­ gütung gegen den Schiffer oder eine andere Person zusteht. Der Versicherte kann sich wegen Ersatzes des Schadens zunächst an den Versicherer halten. Er hat jedoch dem Versicherer die zur wirksamen Verfolgung eines solchen Anspruchs etwa erforder­ liche Hülfe zu gewähren, auch für die Sicherstellung des Anspruchs durch Einbehaltung der Fracht,

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Auswirkung der Beschlagnahme des Schiffs oder in sonst geeigneter Weise auf Kosten des Ver­ sicherers die nach den Umständen angemessene Sorge zu tragen (Art. 823). 827. Bei der Versicherung des Schiffs für eine Reise beginnt die Gefahr für den Versicherer mit dem Zeitpunkt, in welchem mit der Einnahme der Ladung oder des Ballastes angefangen wird, oder, wenn weder Ladung noch Ballast einzunehmen ist, mit dem Zeitpunkt der Abfahrt des Schiffs. Sie endet mit dem Zeitpunkt, in welchem die Löschung der Ladung oder des Ballastes im Be­ stimmungshafen beendigt ist. Wird die Löschung von dem Versicherten un­ gebührlich verzögert, so endet die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem die Löschung beendigt sein würde, falls ein solcher Verzug nicht stattgefunden hätte. Wird vor Beendigung der Löschung für eine neue Reise Ladung oder Ballast eingenommen, so endet die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem der Einnahme der Ladung oder des Ballastes begonnen wird. 828. Sind Güter, imaginärer Gewinn oder die von verschifften Gütern zu verdienende Provision versichert, so beginnt die Gefahr mit dem Zeit­ punkt, in welchem die Güter zum Zweck der Ein­ ladung in das Schiff oder in die Leichterfahrzeuge vom Lande scheiden; sie endet mit dem Zeitpunkt, in welchem die Güter im Bestimmungshafen wieder an das Land gelangen. Wird die Löschung von dem Versicherten oder bei der Versicherung von Gütern oder imaginärem Gewinn von dem Versicherten oder von einer der im Artikel 825 unter Ziffer 4 bezeichneten Per­ sonen ungebührlich verzögert, so endet die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem die Löschung be­ endigt seine würde, falls ein solcher Verzug nicht stattgefunden hätte. Bei der Einladung und Ausladung trägt der Versicherer die Gefahr der ortsgebräuchlichen Benutzung von Leichterfahrzeugen. 829. Bei der Versicherung der Fracht beginnt und endet die Gefahr in Ansehung der Unfälle, welchen das Schiff und dadurch die Fracht aus­ gesetzt ist, mit demselben Zeitpunkt, in dem die Gefahr bei der Versicherung des Schiffs für die­ selbe Reise beginnen und enden würde, in An­ sehung der Unfälle, welchen die Güter ausgesetzt sind und dadurch die Fracht ausgesetzt ist, mit demselben Zeitpunkt, in welchem die Gefahr bei der Versicherung der Güter für dieselbe Reise beginnen und enden würde. Bei der Versicherung von Ueberfahrtsgeldern beginnt und endet die Gefahr mit demselben Zeit­ punkt, in welchem die Gefahr bei der Versicherung des Schiffs beginnen und enden würde. Der Versicherer von Fracht- und Ueberfahrts­ geldern hastet für einen Unfall, von welchem das Schiff betroffen wird, nur insoweit, als Fracht-

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E. Allgern. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XI. Abschn. 4.

oder Ueberfahrtsverträge bereits abgeschlossen sind, und wenn der Rheder Güter für seine Rechnung verschifft, nur insoweit, als dieselben zum Zweck der Einladung in das Schiff oder in die Leichter­ fahrzeuge bereits vom Lande geschieden sind. 830. Bei der Versicherung von Bodmerei- und Havereigeldern beginnt die Gefahr mit dem Zeit­ punkt, in welchem die Gelder vorgeschoffen sind, oder, wenn der Versicherte selbst die Havereigelder verausgabt hat, mit dem Zeitpunkt, in welchem dieselben verwendet sind; sie endet mit dem Zeit­ punkt, in welchem sie bei einer Versicherung der Gegenstände, welche verbodmet oder worauf die Havereigelder verwendet sind, enden würde. 831. Die begonnene Gefahr läuft für den Ver­ sicherer während der bedungenen Zeit oder der versicherten Reise ununterbrochen fort. Der Ver­ sicherer trägt insbesondere die Gefahr auch während des Aufenthalts in einem Noth- oder Zwischen­ hafen und im Falle der Versicherung für die Hinund Rückreise während des Aufenthalts des Schiffs in dem Bestimmungshafen der Hinreise. Müssen die Güter einstweilen gelöscht werden oder wird das Schiff zur Reparatur an das Land gebracht, so trägt der Versicherer die Gefahr auch während die Güter oder das Schiff sich am Lande befinden. 832. Wenn nach dem Beginn der Gefahr die versicherte Reise freiwillig oder gezwungen aufge­ geben wird, so tritt in Ansehung der Beendigung der Gefahr der Hafen, in welchem die Reise beendigt wird, an die Stelle des Bestimmungs­ hafens. Werden die Güter, nachdem die Reise des Schiffs aufgegeben ist, in anderer Art als mit dem zum Transport bestimmten Schiff nach dem Bestimmungshafen toeifer befördert, so läuft in Betreff derselben die begonnene Gefahr fort, auch wenn die Weiterbeförderung ganz oder zum Theil zu Lande geschieht. Der Versicherer trägt in sol­ chen Fällen zugleich die Kosten der früheren Löschung, die Kosten der einstweiligen Lagerung und die Mehrkosten der Weiterbeförderung, auch wenn diese zu Lande erfolgt. 833. Die Artikel 831 und 832 gelten nur un­ beschadet der in den Artikeln 818 und 820 ent­ haltenen Vorschriften. 834. Ist die Dauer der Versicherung nach Ta­ gen, Wochen, Monaten oder Jahren bestimmt, so wird die Zeit nach dem Kalender und der Tag von Mitternacht zu Mitternacht berechnet. Der Versicherer trägt die Gefahr während des Anfangs­ tages und Schlußtages. Bei der Berechnung der Zeit ist der Ort, wo das Schiff sich befindet, maßgebend. 835. Wenn im Falle der Versicherung des Schiffs auf Zeit dasselbe bei dem Ablauf der im Vertrage festgesetzten Versicherungszeit unterweges ist, so gilt die Versicherung in Ermangelung einer entgegenstehenden Vereinbarung als verlängert

bis zur Ankunft des Schiffs im nächsten Bestim­ mungshafen und, falls in diesem gelöscht wird, bis zur Beendigung der Löschuug (Art. 827). Der Versicherte ist jedoch befugt, die Verlängerung durch eine dem Versicherer, so lange das Schiff noch nicht unterweges ist, kundzugebende Erklärung auszuschließen. Im Falle der Verlängerung hat der Versicherte für die Dauer derselben und, wenn die Verschol­ lenheit des Schiffs eintritt, bis zum Ablauf der Verschollenheitsfrist die vereinbarte Zeitprämie fort zu entrichten. Ist die Verlängerung ausgeschlossen, so kann der Versicherer, wenn die Verschollenheitsfrist über die Versicherungszeit hinausläuft, auf Grund der Verschollenheit nicht in Anspruch genommen werden. 836. Bei einer Versicherung nach einem oder dem anderen unter mehreren Häfen ist dem Ver­ sicherten gestattet, einen dieser Häfen zu wählen; bei einer Versicherung nach einem und einem an­ deren oder nach einem und mehreren anderen Häfen ist der Versicherte zum Besuch eines jeden der bezeichneten Häfen befugt. 837. Wenn die Versicherung nach mehreren Häfen geschlossen oder dem Versicherten das Recht vorbehalten ist, mehrere Häfen anzulaufen, so ist dem Versicherten nur gestattet, die Häfen nach der vereinbarten oder in Ermangelung einer Ver­ einbarung nach der den Schifffahrtsverhältnissen entsprechenden Reihenfolge zu besuchen; er ist je­ doch zum Besuch aller einzelnen Häfen nicht verpstichtet. Die in der Polize enthaltene Reihenfoge wird, insoweit nicht ein anderes erhellet, als die verein­ barte angesehen. 838. Dem Versicherer fallen zur Last: 1) die Beiträge zur großen Haverei mit Ein­ schluß derjenigen, welche der Versicherte selbst wegen eines von ihm erlittenen Schadens zu tra­ gen hat; die in Gemäßheit der Artikel 637 und 734 nach den Grundsätzen der großen Haverei zu beurtheilenden Beiträge werden den Beiträgen zur großen Haverei gleich geachtet; 2) die Aufopferungen, welche zur großen Have­ rei gehören würden, wenn das Schiff Güter und zwar andere als Güter des Rheders an Bord gehabt hätte; 3) die sonstigen zur Rettung, sowie zur Ab­ wendung größerer Nachtheile nothwendig oder zweckmäßig aufgewendeten Kosten (Art. 823), selbst wenn die ergriffenen Maßregeln erfolglos geblie­ ben sind; 4) die zur Ermittelung und Feststellung des dem Versicherer zur Last fallenden Schadens er­ forderlichen Kosten, insbesondere die Kosten der Besichtigung, der Abschätzung, des Verkaufs und der Anfertigung der Dispache. 839. In Ansehung der Beiträge zur großen Haverei und der nach den Grundsätzen der großen

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XL Abschn. 4. Haverei zu beurtheilenden Beiträge bestimmen sich die Verpflichtungen des Versicherers nach dem am gehörigen Ort im Jnlande oder im Auslande, im Einklänge mit dem am Ort der Aufmachung geltenden Rechte ausgemachten Dispache. Insbe­ sondere ist der Versicherte, welcher einen zur großen Haverei gehörenden Schaden erlitten hat, nicht berechtigt, von dem Versicherer mehr als den Betrag zu fordern, zu welchem der Schaden in der Dispache berechnet ist; andererseits haftet der Versicherer für diesen ganzen Betrag, ohne daß namentlich der Versicherungswerth maßge­ bend ist. Auch kann der Versicherte, wenn der Schaden nach dem am Ort der Aufmachung geltenden Recht als große Haverei nicht anzusehen ist, den Ersatz des Schadens von dem Versicherer nicht aus dem Grunde fordern, weil der Schaden nach einem anderen Rechte, insbesondere nach dem Rechte des Versicherungsorts, große Haverei sei. 840. Der Versicherer haftet jedoch nicht für die im vorstehenden Artikel erwähnten Beiträge, in­ soweit dieselben in einem Unfall sich gründen, für welchen der Versicherer nach dem Versicherungs­ verträge nicht haftet. 841. Ist die Dispache von einer durch Gesetz oder Gebrauch dazu berufenen Person aufgemacht, so kann der Versicherer dieselbe wegen Nichtübereinstimüumg mit dem am Ort der Aufmachung geltenden Recht und der dadurch bewirkten Benachtheiligung des Versicherten nicht anfechten, es sei denn, daß der Versicherte durch mangel­

hafte Wahrnehmung seiner theiligung verschuldet hat.

Rechte die Benach-

Dem Versicherten liegt jedoch ob, die Ansprüche gegen die zu seinem Nachtheil Begünstigten dem Versicherer abzütreten. Dagegen ist der Versicherer befugt, in allen Fällen die Dispache dem Versicherten gegenüber insoweit anzNfechten, als ein von dem Versicher­ ten selbst erlittener Schaden, für welchen ihm nach dem am Ort der Aufmachung der Dispache gel­ tenden Rechte eine'Vergütung nicht gebührt hätte,

gleichwohl als Haverei behandelt worden ist. 842. Wegen eines von dem Versicherten erlit­ tenen, zur großen Haverei gehörenden oder nach den Grundsätzen der letzteren zu beurtheilenden Schadens haftet der Versicherer, wenn die Ein­ leitung des die Feststellung und Vertheilung des Schadens bezweckenden ordnungsmäßigen Ver­ fahrens stattgesunden hat, in Ansehung der Bei­ träge, welche dem Versicherten zu entrichten sind, nur insoweit, als der Versicherte die ihm gebüh­ rende Vergütung auch im Rechtswege, sofern er diesen füglich betreten konnte, nicht erhalten hat. 843. Ist die Einleitung des Verfahrens ohne Verschulden des Versicherten unterblieben, so kann derselbe den Versicherten wegen des ganzen Scha­ dens nach Maßgabe des Versicherungsvertrages unmittelbar in Anspruch nehmen.

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844. Der Versicherer haftet für den Schaden nur bis auf Höhe der Versicherungssumme. Er hat jedoch die im Artikel 838 unter Ziffer 3 und 4 erwähnten Kosten vollständig zu erstat­ ten, wenn gleich die hiernach im Ganzen zu zahlende Vergütung die Versicherungssumme übersteigt. Sind in Folge eines Unfalls solche Kosten be­ reits aufgewendet, z. B. Loskaufs- oder Reklame­ kosten verausgabt, oder sind zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der durch den Unfall beschä­ digten Sache bereits Verwendung geschehen, z. B. zu einem solchen Zwecke Havereigelder verausgabt, oder sind von dem Versicherten Beiträge zur großen Haverei bereits entrichtet, oder ist eine persönliche Verpflichtung des Versicherten zur Ent­ richtung solcher Beiträge bereits entstanden, und ereignet sich später ein neuer Unfall, so haftet der Versicherer für den durch den späteren Unfall entstehenden Schaden bis auf Höhe der ganzen Versicherungssumme ohne Rücksicht auf die ihm zur Last fallenden früheren Aufwendungen und Beiträge. 845. Der Versicherer ist nach Eintritt eines Unfalls berechtigt, durch Zahlung der vollen Ver­ sicherungssumme von allen weiteren Verbindlich­ keiten aus dem Versicherungsverträge sich zu be­ freien, insbesondere von der Verpflichtung, die Kosten zu erstatten, welche zur Rettung, Erhal­ tung und Wiederherstellung der versicherten Sachen erforderlich sind. War zur Zeit des Eintritts des Unfalls ein Theil der versicherten Sachen der von: Versicherer zu tragenden Gefahr bereits entzogen, so hat der Versicherer, welcher von dem Rechte dieses Arti­ kels Gebrauch macht, den auf jenen Theil fallenden Theil der Versicherungssumme nicht zu entrichten. Der Versicherer erlangt durch Zahlung der Versicherungssumme keinen Anspruch auf die ver­ sicherten Sachen, Ungeachtet der Zahlung der Versicherungssumme bleibt der Versicherer zum Ersätze derjenigen Kosten verpflichtet, welche auf die Rettung, Er­ haltung oder Wiederherstellung der versicherten Sachen verwendet sind, bevor seine Erklärung, von dem Rechte Gebrauch zu machen, dem Ver­

sicherten zugegangen ist. 846. Der Versicherer muß seinen Entschluß, daß er von dem im Artikel 845 bezeichneten Rechte Gebrauch machen wolle, bei Verlust dieses Rechts dem Versicherten spätestens am dritten Tage nach Ablauf desjenigen Tages erklären, an welchem ihm der Versicherte nicht allein den Un­ fall unter Bezeichnung der Beschaffenheit und unmittelbaren Folgen desselben angezeigt, sondern auch alle sonstigen auf den Unfall sich beziehenden Umstände mitgetheilt hat, soweit die letzteren dem Versicherten bekannt sind. 847. Im Falle nicht zum vollen Werthe ver­ sichert ist, haftet der Versicherer für die im Ar­ tikel 838 unter Ziffer 1 bis 4 erwähnten Beiträge,

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Aufopferungen und Kosten nur nach Verhältniß der Versicherungssumme zum Versicherungswerth. 848. Die Verpflichtung des Versicherers, einen Schaden zu ersetzen, wird dadurch nicht wieder aufgehoben oder geändert, daß später in Folge einer Gefahr, welche der Versicherer nicht zu tragen hat, ein neuer Schaden und selbst ein Totalverlust eintritt. 849. Besondere Havereien, wenn sie ohne die Kosten der Ermittelung und Feststellung des Schadens (Art. 838 Ziff. 4) drei Prozent des Bersicherungswerths nicht übersteigen, hat der Versicherer nicht zu ersetzen, wenn sie aber mehr als drei Prozent betragen, ohne Abzug die drei Prozent zu vergüten. Ist das Schiff auf Zeit oder auf mehrere Rei­ sen versichert, so sind die drei Prozent für jede einzelne Reise zu berechnen. Der Begriff der Reise bestimmt sich nach der Vorschrift des Ar­ tikels 760. 850. Die im Artikel 838 unter Ziffer 1 bis 3 erwähnten Beiträge, Aufopferungen und Kosten muß der Versicherer ersetzen, auch wenn sie drei Prozent des Versicherungswerths nicht erreichen. Dieselben kommen jedoch bei der Ermittelung der im Artikel 849 bezeichneten drei Prozent nicht in Berechnung. 851. Ist vereinbart, daß der Versicherer von bestimmten Prozenten frei sein soll, so kommen die in den Artikeln 849 und 850 enthaltenen Vorschriften mit der Maßgabe zur Anwendung, daß an Stelle der dort erwähnten drei Prozent die im Vertrage angegebene Anzahl von Pro­ zenten tritt. 852. Ist vereinbart, daß der Versicherer die Kriegsgefahr nicht übernehme, auch die Versiche­ rung rücksichtlich der übrigen Gefahren nur bis zum Eintritt einer Kriegsbelästigung dauern solle — welche Vereinbarung namentlich angenommen wird, wenn der Vertrag mit der Klausel: „frei vom Kriegsmolest" abgeschlossen ist — so endet die Gefahr für den Versicherer mit dem Zeit­ punkt, in welchem die Kriegsgefahr auf die Reise Einfluß zu üben beginnt, insbesondere also, wenn der Antritt oder die Fortsetzung der Reise durch Kriegsschiffe, Kaper öder Blokade behindert oder durch Vermeidung der Kriegsgefahr ausgeschoben wird, wenn das Schiff aus einem solchen Grunde von seinem Wege abweicht, oder wenn der Schiffer durch Kriegsbelästigung die freie Führung des Schiffs verliert. 853. Ist vereinbart, daß der Versicherer zwar nicht die Kriegsgefahr übernehme, alle übrigen Gefahren aber auch nach Eintritt einer Kriegs­ belästigung tragen solle — welche Vereinbarung namentlich angenommen wird, wenn der Vertrag mit der Klausel: „nur für Seegefahr" abgeschlos­ sen ist — so endet die Gefahr für den Versicherer erst mit der Kondemnation der versicherten Sache, oder sobald sie geendet hätte, wenn die Kriegs­

gefahr nicht ausgenommen worden wäre; der Versicherer hastet aber nicht für die zunächst durch Kriegsgefahr verursachten Schäden, also insbe­ sondere nicht: für Konfiskation durch kriegführende Mächte; für Nehmung, Beschädigung, Vernichtung und Plünderung durch Kriegsschiffe und Kaper; für die Kosten, welche entstehen aus der Anhaltung und Reklamirung, aus der Blokade des Ausenthaltshafens oder der Zurückweisung von einem blokirten Hafen, oder aus dem freiwilligen Aufenthalt we­ gen Kriegsgefahr; für die nachstehenden Folgen eines solchen Aufenthalts: Verderb und Verminderung der Güter, Kosten und Gefahr ihrer Ent­ löschung und Lagerung, Kosten ihrer Wei­ terbeförderung. Im Zweifel wird angenommen, daß ein einge­ tretener Schaden durch Kriegsgefahr nicht verur­ sacht sei. 854. Wenn der Vertrag mit der Klausel: „für behaltene Ankunft" abgeschlossen ist, so endet die Gefahr für den Versicherer schon mit dem Zeit­ punkt, in welchem das Schiff im Bestimmungs­ hafen am gebräuchlichen oder gehörigen Platze den Anker hat fallen lassen oder befestigt ist. Auch haftet der Versicherer nur: 1) bei der auf das Schiff sich beziehenden Ver­ sicherung, wenn entweder ein Totalverlust eintritt, oder wenn das Schiff abandonnirt (Art. 865) oder in Folge eines Unfalles vor Erreichung des Be­ stimmungshafens wegen Reparaturunfähigkeit oder wegen Reparaturunwürdigkeit verkauft wird (Art. 877); 2) bei der auf Güter sich beziehenden Versiche­ rung, wenn die Güter oder ein Theil derselben in Folge eines Unfalles den Bestimmungshafen nicht erreichen, insbesondere wenn sie vor Er­ reichung desselben in Folge eines Unfalles ver­ kauft werden. Erreichen die Güter den Bestim­ mungshafen, so haftet der Versicherer weder für eine Beschädigung noch für einen Verlust, welcher Folge einer Beschädigung ist. Ueberdies hat der Versicherer in keinem Falle die in dem Artikel 838 unter Ziffer 1 bis 4 er­ wähnten Beiträge, Aufopferungen und Kosten zu tragen. 855. Wenn der Vertrag mit der Klausel: „frei von Beschädigung außer im Strandungsfall" ab­ geschlossen ist, so haftet der Versicherer nicht für einen Schaden, welcher aus einer Beschädigung entstanden ist, ohne Unterschied, ob derselbe in einer Werthsverringerung oder in einem gänz­ lichen oder theilweisen Verluste und insbesondere darin besteht, daß die versicherten Güter gänzlich verdorben und in ihrer ursprünglichen Beschaffen­ heit zerstört den Bestimmungshafen erreichen oder während der Reise wegen Beschädigung und

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XL Abschn. 5. drohenden Verderbs verkauft worden sind, es sei denn, daß das Schiff oder das Leichterfahrzeug, worin die versicherten Güter sich befinden, ge­ strandet ist. Der Strandung werden folgende Seeunfälle gleich geachtet: Kentern, Sinken, Zer­ brechen des Rumpfes, Scheitern und jeder See­ unfall, wodurch das Schiff oder Leichterfahrzeug reparaturunfähig geworden ist. Hat eine Strandung oder ein dieser gleich zu achtender anderer Seeunfall sich ereignet, so hastet der Versicherer für jede drei Prozent überstei­ gende (Art. 849) Beschädigung, welche in Folge eines solchen Seeunfalls entstanden ist, nicht aber für eine sonstige Beschädigung. Es wird bis zum Nachweise des Gegentheils vermuthet, daß eine Beschädigung, welche möglicherweise Folge des eingetretenen Seeunfalls sein kann, in Folge des­

selben entstanden ist. Für jeden Schaden, welcher nicht aus einer Beschädigung entstanden ist, haftet der Versicherer, ohne Unterschied, ob eine Strandung oder ein anderer der erwähnten Unfälle sich zugetragen hat oder nicht, in derselben Weise, als wenn der Vertrag ohne die Klausel abgeschlossen wäre. Je­ denfalls haftet er für die im Artikel 838 unter Ziffer 1, 2 und 4 erwähnten Beiträge, Aufopfe­ rungen und Kosten, für die darin unter Ziffer 3 erwähnten Kosten aber nur dann, wenn sie zur Abwendung eines ihm zur Last fallenden Verlustes verausgabt sind. Eine Beschädigung, welche erweislich ohne Selbstentzündung durch Feuer oder durch Löschung eines solchen Feuers, oder durch Beschießen ent­ standen ist, wird als eine solche Beschädigung, von welcher der Versicherer durch die Klausel be­ freit wird, nicht angesehen. 856. Wenn der Vertrag mit der Klausel: „frei von Bruch außer im Strandungsfall" abgeschlossen ist, so finden die Bestinnnungen des vorstehenden Artikels mit der Maßgabe Anwendung, daß der Versicherer für Bruch insoweit haftet, als er nach dem vorstehenden Artikel für Beschädigung auf­ kommt. 857. Eine Strandung im Sinne der Artikel 855 und 856 ist vorhanden, wenn das Schiff unter nicht gewöhnlichen Verhältnissen der Schiff­ fahrt auf den Grund festgeräth und entweder nicht wieder flott wird, oder zwar wieder flott wird, jedoch entweder 1) nur unter Anwendung ungewöhnlicher Maß­ regeln, als: Kappen der Masten, Werfen oder Löschung eines Theiles der Ladung und der­ gleichen, oder durch den Eintritt einer ungewöhn­ lich hohen Fluth, nicht aber ausschließlich durch Anwendung gewöhnlicher Maßregeln, als : Winden auf den Anker, Backstellen der Segel und der­ gleichen, oder 2) erst nachdem das Schiff durch das Festge­ rathen einen erheblichen Schaden am Schiffskörper erlitten hat.

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Fünfter Abschnitt. Umfang des Schadens. 858. Ein Totalverlust des Schiffs oder der Güter liegt vor, wenn das Schiff oder die Güter zu Grunde gegangen oder dem Versicherten ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen sind, namentlich wenn sie unrettbar gesunken oder in ihrer ursprünglichen Beschaffenheit zerstört oder für gute Prise erklärt sind. Ein Totalverlust des Schiffs wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß ein­ zelne Theile des Wracks oder des Inventars gerettet sind. 859. Ein Totalverlust in Ansehung der Fracht liegt vor, wenn die ganze Fracht verloren ge­ gangen ist. 860. Ein Totalverlust in Ansehung des imagi­ nären Gewinnes oder in Ansehung der Provision, welche von der Ankunft der Güter am Bestim­ mungsorte erwartet werden, liegt vor, wenn die Güter den Bestimmungsort nicht erreicht haben. 861. Ein Totalverlust in Ansehung der Bod­ merei- oder Havereigelder liegt vor, wenn die Gegenstände, welche verbodmet oder für welche die Havereigelder vorgeschossen oder verausgabt sind, entweder von einem Totalverluste oder der­ gestalt von anderen Unfällen betroffen sind, daß in Folge der dadurch herbeigesührten Beschädi­ gungen, Verbodmungen oder sonstigen Belastungen zur Deckung jener Gelder nichts übrig geblie­

ben ist. 862. Im Falle des Totalverlustes hat der Versicherer die Versicherungssumme zum vollen Betrage zu zahlen, jedoch unbeschadet der nach Vorschrift des Artikels 804 etwa zu machenden

Abzüge. 863. Ist im Falle des Totalverlustes vor der Zahlung der Versicherungssumme etwas gerettet, so kommt der Erlös des Geretteten von der Ver­ sicherungssumme in Abzug. War nicht zum vollen Werthe versichert, so wird nur ein verhältnißmäßiger Theil des Geretteten von der Versiche­

rungssumme abgezogen. Mit der Zahlung der Versicherungssumme gehen die Rechte des Versicherten an der versicher­ ten Sache auf den Versicherer über. Erfolgt erst nach der Zahlung der Versicherungs­ summe eine vollständige oder theilweise Rettung, so hat auf das nachträglich Gerettete nur der Versicherer Anspruch. War nicht zum vollen Werthe versichert, so gebührt dem Versicherer nur ein verhältnißmäßiger Theil des Geretteten. 864. Sind bei einem Totalverluste in Ansehung des imaginären Gewinnes (Art. 860) die Güter während der Reise so günstig verkauft, daß der Reinerlös mehr beträgt, als der Versicherungs­ werth der Güter, oder ist für dieselben, wenn sie in Fällen der großen Haverei aufgeopfert sind, oder wenn dafür nach Maßgabe der Artikel 612 und 613 Ersatz geleistet werden muß, mehr als

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jener Werth vergütet, so kommt von der Ver­ sicherungssumme des imaginären Gewinnes der Ueberschluß in Abzug. 865. Der Versicherte ist befugt, die Zahlung der Versicherungssumme zum vollen Betrage gegen Abtretung der in Betreff des versicherten Gegen­ standes ihm zustehenden Rechte in folgenden Fällen zu verlangen (Abandon): 1) wenn das Schiff verschollen ist; 2) wenn der Gegenstand der Versicherung da­ durch bedroht ist, daß das Schiff oder die Güter unter Embargo gelegt, von einer kriegführenden Macht aufgebracht, auf andere Weise durch Ver­ fügung von hoher Hand angehalten, durch See­ räuber genommen und während einer Frist von sechs, neun oder zwölf Monaten nicht freige­ geben worden sind, je nachdem die Aufbringung, Anhaltung oder Nehmung geschehen ist: a) in einem europäischen Hafen oder in einem europäischen Meere oder in einem, wenn auch nicht zu Europa gehörenden Theile des Mittelländischen, Schwarzen oder Azowschen Meeres, oder b) in einem anderen Gewässer, jedoch diesseits des Vorgebirg.es der guten Hoffnung und des Kap Horn, oder c) in einem Gewässer jenseits des einen jener Vorgebirge. Die Fristen werden von dem Tage an berechnet, an welchem dem Versicherer der Unfall durch den Versicherten angezeigt ist (Art. 822). 866. Ein Schiff, welches eine Reise angetreten hat, ist als verschollen anzusehen, wenn es inner­ halb der Verschollenheitsfrist den Bestimmungs­ hafen nicht erreicht hat, auch innerhalb dieser Frist den Betheiligten keine Nachrichten über dasselbe zugegangen sind. Die Verschollenheitsfrist beträgt: 1) wenn sowohl der Abgangshafen als der Be­ stimmungshafen ein europäischer Hafen ist, bei Segelschiffen sechs, bei Dampfschiffen vier Monate; 2) wenn entweder nur der Abgangshafen oder nur her Bestimmungshafen ein nichteuropäischer Hafen ist, falls derselbe diesseits des Vorgebirges der guten Hoffnung und des Kap Horn belegen ist, bei Segel- und Dampfschiffen neun Monate, falls derselbe jenseits des einen jener Vorgebirge belegen ist, bei Segel- und Dampfschiffen zwölf Monate; 3) wenn sowohl der Abgangs- als der Be­ stimmungshafen ein nichteuropäischer Hafen ist, bei Segel- und Dampfschiffen sechs, neun oder zwölf Monate, je nachdem die Durchschnittsdauer der Reise nicht über zwei oder nicht über drei oder mehr als drei Monate beträgt. Im Zweifel ist die längere Frist abzuwarten. 867. Die Verschollenheitsfrist wird von dem Tage an berechnet, an welchem das Schiff die Reise angetreten hat. Sind jedoch seit dessen Ab­ gänge Nachrichten von demselben angelangt, so

wird von dem Tage an, bis zu welchem die letzte Nachricht reicht, diejenige Frist berechnet, welche maßgebend sein würde, wenn das Schiff von dem Punkt, an welchem es nach sicherer Nachricht zuletzt sich befunden hat, abgegangen wäre. 868. Die Abandonerklärung muß dem Ver­ sicherer innerhalb der Abandonfrist zugegangen sein. Die Abandonfrist beträgt sechs Monate, wenn im Falle der Verschollenheit (Art. 865 Ziff. 1) der Bestimmungshafen ein europäischer Hafen ist und wenn im Falle der Aufbringung, Anhaltung oder Nehmung (Art. 865 Ziff. 2) der Unfall in einem europäischen Hafen oder in einem euro­ päischen Meere oder in einem, wenn auch nicht zu Europa gehörenden Theile des Mittelländischen, Schwarzen oder Azow'schen Meeres sich zuge­ tragen hat. In den übrigen Fällen beträgt die Abandonfrist neun Monate. Die Abandonfrist be­ ginnt mit dem Ablaufe der in den Artikeln 865 und 866 bezeichneten Fristen. Bei der Rückversicherung beginnt die Abandon­ frist mit dem Ablaufe des Tages, an welchem dem Rückversicherten von dem Versicherten der Abandon erklärt worden ist. 869. Nach Ablauf der Abandonfrist ist der Abandon unstatthaft, unbeschadet des Rechts des Versicherten, nach Maßgabe der sonstigen Grund­ sätze Vergütung eines Schadens in Anspruch zu nehmen. Ist im Falle der Verschollenheit des Schiffs die Abandonfrist versäumt, so kann der Ver­ sicherte zwar den Ersatz eines Totalschadens for­ dern ; er muß jedoch, wenn die versicherte Sache wieder zum Vorschein kommt, und sich dabei er­ gibt, daß ein Totalverlust nicht vorliegt, auf Ver­ langen des Versicherers gegen Verzicht des letzte­ ren auf die in Folge Zahlung der Versicherungs­ summe nach Artikel 863 ihm zustehenden Rechte die Versicherungssumme erstatten und mit dem Ersätze eines etwa erlittenen Partialschadens sich

begnügen. 870. Die Abandonerklärung muß, um gültig zu sein, ohne Vorbehalt oder Bedingung erfolgen und auf den ganzen versicherten Gegenstand sich erstrecken, soweit dieser zur Zeit des Unfalls den Gefahren der See ausgesetzt war. Wenn jedoch nicht zum vollen Werthe ver­ sichert war, so ist der Versicherte nur den verhältnißmäßigen Theil des versicherten Gegen­ standes zu abandonniren verpflichtet. Die Abandonerklärung ist unwiderruflich. 871. Die Abandonerklärung ist ohne rechtliche Wirkung, wenn die Thatsachen, auf welche sie gestützt wird, sich nicht bestätigen oder zur Zeit der Mittheilung der Erklärung nicht mehr bestehen. Dagegen bleibt sie für beide Theile verbindlich, wenn auch später Umstände sich ereignen, deren früherer Eintritt das Recht zum Abandon aus­ geschlossen haben würde.

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XI. Abschn. 5. 872. Durch die Abandonerklärung gehen auf den Versicherer alle Rechte über, welche dem Ver­ sicherten in Ansehung des abandonnirten Gegen­ standes zustanden. Der Versicherte hat dem Versicherer Gewähr zu leisten wegen der auf dem abandonnirten Ge­ genstände zur Zeit der Abandonerklärung haften­ den dinglichen Rechte, es sei denn, daß diese in Gefahren sich gründen, wofür der Versicherer nach dem Versicherungsverträge aufzukommen hatte. Wird das Schiff abandonnirt, so gebührt dem Versicherer desselben die Nettofracht der Reise, auf welcher der Unfall sich zugetragen hat, so­ weit die Fracht erst nach der Abandonerklärung verdient ist. Dieser Theil der Fracht wird nach den für die Ermittelung der Distanzfracht gelten­ den Grundsätzen berechnet. Den hiernach für den Versicherten entstehenden Verlust hat, wenn die Fracht selbstständig ver­ sichert ist, der Versicherer der letzteren zu tragen. 873. Die Zahlung der Versicherungssumme kann erst verlangt werden, nachdem die zur Recht­ fertigung des Abandons dienenden Urkunden dem Versicherer mitgetheilt sind und eine angemessene Frist zur Prüfung derselben abgelaufen ist. Wird wegen Verschollenheit des Schiffs abandonnirt, so gehören zu den mitzutheilenden Urkunden glaubhafte Bescheinigungen über die Zeit, in welcher das Schiff den Abgangshafen verlassen hat, und über die Nichtankunft desselben im Be­ stimmungshafen während der Verschollenheitsfrist. Der Versicherte ist verpflichtet, bei der Aban­ donerklärung, soweit er dazu im Stande ist, dem Versicherer anzuzeigen, ob und welche andere, den abandonnirten Gegenstand betreffende Versiche­ rungen genommen sind, und ob und welche Bod­ mereischulden oder sonstige Belastungen darauf haften. Ist die Anzeige unterblieben, so kann der Versicherer die Zahlung der Versicherungssumme so lange verweigern, bis die Anzeige nachträglich geschehen ist; wenn eine Zahlungsfrist bedungen ist, so beginnt dieselbe erst mit dem Zeitpunkt, in welchem die Anzeige nachgeholt ist. 874. Der Versicherte ist verpflichtet, auch nach der Abandonerklärung für die Rettung der ver­ sicherten Sachen und für die Abwendung größerer Nachtheile nach Vorschrift des Artikels 823 und zwar so lange zu sorgen, bis der Versicherer selbst dazu im Stande ist. Erfährt der Versicherte, daß ein für verloren erachteter Gegenstand wieder zum Vorschein ge­ kommen ist, so muß er dies dem Versicherer so­ fort anzeigen und ihm auf Verlangen die zur Erlangung oder Verwerthung des Gegenstandes erforderliche Hülfe leisten. Die Kosten hat der Versicherer zu ersetzen; auch hat derselbe den Versicherten auf Verlangen mit einem angemessenen Vorschüsse zu versehen. 875. Der Versicherte muß dem Versicherer, wenn dieser die Rechtmäßigkeit des Abandons

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anerkennt, auf Verlangen und auf Kosten dessel­ ben über den nach Artikel 872 durch die Aban­ donerklärung eingetretenen Uebergang der Rechte eine beglaubigte Anerkennungsurkunde (Abandon­ revers) ertheilen und die auf die abandonnirten Gegenstände sich beziehenden Urkunde ausliefern. 876. Bei einem partiellen Schaden am Schiff besteht der Schaden in dem nach Vorschrift der Artikel 711 und 712 zu ermittelnden Betrage der Reparaturkosten, soweit diese die Beschädigungen betreffen, welche dem Versicherer zur Last fallen. 877. Ist die Reparaturunfähigkeit oder Repaturunwürdigkeit des Schiffs (Art. 444) aus dem im Artikel 499 vorgeschriebenen Wege festgestellt, so ist der Versicherte dem Versicherer gegenüber befugt, das Schiff oder das Wrack zum öffent­ lichen Verkaufe zu bringen, und besteht im Falle des Verkaufs der Schaden in dem Unterschiede zwischen dem Reinerlöse und dem Versicherungs­ werthe. Die übernommene Gefahr endet für den Ver­ sicherer erst mit dem Verkaufe des Schiffs oder des Wracks; auch haftet der Versicherer für den Eingang des Kaufpreises. Bei der zur Ermittelung der Reparaturun­ würdigkeit des Schiffs erforderlichen Feststellung des Werthes desselben im unbeschädigten Zustande bleibt dessen Versicherungswerth, gleichviel ob dieser taxirt ist oder nicht, außer Betracht. 878. Der Beginn der Reparatur schließt die Ausübung des in dem vorhergehenden Artikel dem Versicherten eingeräumten Rechts nicht aus, wenn erst später erhebliche Schäden entdeckt wer­ den, welche dem Versicherten ohne sein Verschul­ den unbekannt geblieben waren. Macht der Versicherte von dem Rechte nach­ träglich Gebrauch, so muß der Versicherer die bereits aufgewendeten Reparaturkosten insoweit besonders vergüten, als durch die Reparatur bei dem Verkaufe des Schiffs ein höherer Erlös er­

zielt worden ist. 879. Bei Gütern, welche beschädigt in dem Bestimmungshafen ankommen, ist durch Ver­ gleichung des Bruttowerthes, den sie daselbst im beschädigten Zustande wirklich haben, mit dem Bruttowerthe, welchen sie dort im unbeschädigten Zustande haben würden, zu ermitteln, wie viele Prozente des Werthes der Güter verloren sind. Eben so viele Prozente des Versicherungswerthes sind als der Betrag des Schadens anzusehen. Die Ermittelung des Werthes, welchen die Güter im beschädigten Zustande haben, erfolgt durch öffentlichen Verkauf oder, wenn der Ver­ sicherer einwilligt, durch Abschätzung. Die Er­ mittelung des Werthes, welchen die Güter im unbeschädigten Zustande haben würden, geschieht nach Maßgabe des ersten und zweiten Absatzes des Artikels 612. Der Versicherer hat außerdem die Besichtigungs-, Abschätzungs- und Berkaufskosten zu tragen.

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880. Ist ein Theil der Güter auf der Reise verloren gegangen, so besteht der Schaden in eben so vielen Prozenten des Bersicherungswerthes, als Prozente des Werthes der Güter verloren gegangen sind. 881. Wenn Güter auf der Reise in Folge eines Unfalls verkauft worden sind, so besteht der Schaden in dem Unterschiede zwischen dem nach Abzug der Fracht, Zölle und Verkaufskosten sich ergebenden Reinerlöse der Güter und deren Ver­ sicherungswerthe. Die übernommene Gefahr endet für den Ver­ sicherer erst mit dem Verkauf der Güter; auch haftet der Versicherer für den Eingang des Kauf­ preises. Die Bestimmungen der Artikel 838 bis 842 werden durch die Vorschriften dieses Artikels nicht berührt. 882. Bei partiellem Verluste der Fracht besteht der Schaden in demjenigen Theile der bedungenen oder in deren Ermangelung der üblichen Fracht,

welcher verloren gegangen ist. Ist die Fracht taxirt und die Taxe nach Vor­ schrift des vierten Absatzes des Artikels 797 in Bezug auf einen von dem Versicherer zu ersetzen­ den Schaden maßgebend, so besteht der Schaden in eben so vielen Prozenten der Taxe, als Pro­ zente der bedungenen oder üblichen Fracht ver­ loren sind. 883. Bei imaginärem Gewinne oder Provision, welche von der Ankunft der Güter erwartet wer­ den, besteht der Schaden, wenn die Güter im beschädigten Zustande ankommen, in eben so vielen Prozenten des als Gewinn oder Provision ver­ sicherten Betrages, als der nach Artikel 879 zu ermittelnde Schaden an den Gütern Prozente des Versicherungswerthes der letzteren beträgt. Hat ein Theil der Güter den Bestimmungs­ hafen nicht erreicht, so besteht der Schaden in eben so vielen Prozenten des als Gewinn oder Provision versicherten Betrages, als der Werth des in dem Bestimmungshafen nicht angelangten Theiles der Güter Prozente des Werthes aller Güter beträgt. Wenn dei der Versicherung des imaginären Gewinnes in Ansehung des nicht angelangten Theiles der Güter die Voraussetzungen des Artikels 864 vorhanden sind, so kommt von dem Schaden der im Artikel 864 bezeichnete Ueberschuß in Abzug. 884. Bei Bodmerei- oder Havereigeldern besteht im Falle eines partiellen Verlustes der Schaden in dem Ausfälle, welcher darin sich gründet, daß der Gegenstand, welcher verbodmet oder für welchen die Havereigelder vorgeschossen oder verausgabt sind, zur Deckung der Bodmerei- oder Haverei­ gelder in Folge späterer Unfälle nicht mehr genügt. 885. Der Versicherer hat den nach den Ar­ tikeln 876 bis 884 zu berechnenden Schaden voll­ ständig zu vergüten, wenn zum vollen Werthe

versichert war, jedoch unbeschadet der Vorschrift des Artikels 804; war nicht zum vollen Werthe versichert, so hat er nach Maßgabe des Artikels 796 nur einen verhältnißmäßigen Theil dieses Scha­ dens zu vergüten. Sechster Abschnitt. Aezaylung des Schadens.96 886. Der Versicherte hat, um den Ersatz eines Schadens fordern zu können, eine Schadensberech­ nung dem Versicherer nlitzutheilen. Er muß zugleich durch genügende Beläge dem Versicherer darthun: 1) sein Interesse; 2) daß der versicherte Gegenstand den Gefahren der See ausgesetzt worden ist; 3) den Unfall, worauf der Anspruch

gestützt

wird; 4) den Schaden und dessen Umfang. 887. Bei der Versicherung für fremde Rechnung hat außerdem der Versicherte sich darüber auszu­ weisen, daß er dem Versicherungsnehmer zum Abschlüsse des Vertrages Auftrag ertheilt hat. Ist die Versicherung ohne Auftrag geschloffen (Art. 786), so muß der Versicherte die Umstände darthun, -aus welchen hervorgeht, daß die Versicherung in seinem Interesse genommen ist. 888. Als genügende Beläge sind anzusehen im Allgemeinen solche Beläge, welche im Handels­ verkehr namentlich wegen der Schwierigkeit der Beschaffung anderer Beweise nicht beanstandet zu werden pflegen, insbesondere 1) zum Nachweise des Interesse: bei der Versicherung des Schiffs die üblichen Eigenthumsurkunden; bei der Versicherung von Gütern die Fakturen und Konnossemente, insofern nach Inhalt derselben der Versicherte zur Verfügung über die Güter befugt erscheint; bei der Versicherung der Fracht die Chartepartien und Konnossemente; 2) zum Nachweise der Verladung der Güter die Konnossemente; 3) zum Nachweise des Unfalls die Verklarung und das Schiffsjournal (Artt. 488 und 494), in Kondemnationsfällen das Erkenntniß des Prisen­ gerichts, in Verschollenheitsfällen glaubhafte Be­ scheinigungen über die Zeit, in welcher das Schiff den Abgangshafen verlassen hat und über die Nichtankunft desselben im Bestimmungshafen wäh­ rend der Verschollenheitsfrist; 4) zum Nachweise des Schadens und dessen Umfanges die den Gesetzen oder Gebräuchen des Orts der Schadensermittelung entsprechenden Be-

sichtigungs-, Abschätzungs- und Versteigerungs­ urkunden, sowie die Kostenanschläge der Sachver96. Der von der Beweiskraft der in Art. 888 bezeichneten Urkunden handelnde Art. 889 ist aufgehoben durch § 13 Nr. 2 E.-G. z. C.-P.-Q

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XI. Abschn. 6.

ständigen, ferner die quittirten Rechnungen über die aus geführten Reparaturen und andere Quit­ tungen über geleistete Zahlungen; in Ansehung eines partiellen Schadens am Schiff (Artt. 876, 877) genügen - jedoch die Besichtigungs- und Ab­ schätzungsurkunden, sowie die Kostenanschläge nur dann, wenn die etwaigen Schäden, welche in Ab­ nutzung, Alter, Fäulniß oder Wurmfraß sich gründen, gehörig ausgeschieden sind, und wenn zugleich, soweit es ausführbar war, solche Sach­ verständige zugezogen worden sind, welche entweder ein- für allemal obrigkeitlich bestellt oder von dem Ortsgericht oder dem Landeskonsul und in deren Ermangelung oder, sofern deren Mitwirkung sich nicht erlangen ließe, von einer anderen Be­ hörde besonders ernannt waren. 97 890. Eine Vereinbarung, wodurch der Ver­ sicherte von dem Nachweise der im Artikel 886 erwähnten Umstände oder eines Theiles derselben befreit wird, ist gültig, jedoch unbeschadet des Rechts des Versicherers, das Gegentheil zu be­ weisen.

Die bei der Versicherung von Gütern getroffene Vereinbarung, daß das Konnossement nicht zu produziren sei, befreit nur von dem Nachweise der Verladung. 891. Bei der Versicherung für fremde Rechnung ist der Versicherungsnehmer ohne Beibringung einer Vollmacht des Versicherten legitimirt, über die Rechte, welche in dem Versicherungsverträge für den Versicherten ausbedungen sind, zu ver­ fügen, sowie die Versicherungsgelder zu erheben und einzuklagen. Diese Bestimmung gilt jedoch im Falle der Ertheilung einer Polize nur dann, wenn der Versicherungsnehmer die Polize beibringt.

Ist die Versicherung ohne Auftrag genommen, so bedarf der Versicherungsnehmer zur Erhebung der Versicherungsgelder der Zustimmung des Versicherten. 892. Im Falle der Ertheilung einer Polize hat der Versicherer die Versicherungsgelder dem Ver­ sicherten zu zahlen, wenn dieser die Polize bei­ bringt.

893. Der Versicherungsnehmer ist nicht ver­ pflichtet, die Polize dem Versicherten oder den Gläubigern oder der Konkursmasse desselben aus­ zuliefern, bevor er wegen der gegen den Ver­ sicherten in Bezug auf den versicherten Gegenstand ihm zustehenden Ansprüche befriedigt ist. Im Falle eines Schadens kann der Versicherungsnehmer wegen dieser Ansprüche aus der Forderung, welche gegen den Versicherer begründet ist, und nach Einziehung der Versicherungsgelder aus den letz­ teren vorzugsweise vor dem Versicherten und vor dessen Gläubigern sich befriedigen. 894.

Der Versicherer macht sich dem Bersiche-

97. Vgl. Bem. zu Art. 9.

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rungsnehmer verantwortlich, wenn er, während dieser noch im Besitze der Polize sich befindet, durch Zahlungen, welche er dem Versicherten oder den Gläubigern oder der Konkursmasse desselben leistet, oder durch Verträge, welche er mit den­ selben schließt, das in dem Artikel 893 bezeichnete Recht des Versicherungsnehmers beeinträchtigt. Inwiefern der Versicherer einem Dritten, wel­ chem Rechte aus der Polize eingeräumt sind, sich dadurch verantwortlich macht, daß er über diese Rechte Verträge schließt oder Versicherungsgeldre zahlt, ohne die Polize sich zurückgeben zu lassen oder dieselbe mit der erforderlichen Bemerkung zu ver­ sehen, bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

895. Wird der Versicherer auf Zahlung der Bersicherungsgelder in Anspruch genommen, so kann er bei der Versicherung für fremde Rechnung Forderungen, welche ihm gegen den Versicherungs­ nehmer zustehen, nicht zur Kompensation bringen. 896. Der Versicherte ist befugt, nicht allein die aus einem bereits eingetretenen Unfall ihm zu­ stehenden, sondern auch die künftigen Entschädi­ gungsansprüche einem Dritten abzutreten. Ist eine Polize ertheilt, welche an Order lautet, so kann dieselbe durch Indossament übertragen wer­ den ; in Ansehung eines solchen Indossamentes kommen die Vorschriften der Artikel 301, 303, 305 zur Anwendung. Bei der Versicherung für fremde Rechnung ist zur Gültigkeit der ersten Uebertragung das Indossament des Versicherungs­ nehmers genügend. 897. Wenn nach Ablauf zweier Monate seit der Anzeige des Unfalls die Schadensberechnung (Art. 886) ohne Verschulden des Versicherten noch nicht vorgelegt, wohl aber durch ungefähre Ermit­ telung die Summe festgestellt ist, welche dem Versicherer mindestens zur Last fällt, so hat der letztere diese Summe in Anrechnung auf seine Schuld vorläufig zu zahlen, jedoch nicht vor Ab­ lauf der etwa für die Zahlung der Versicherungs­ gelder bedungenen Frist. Soll die Zahlungsfrist mit dem Zeitpunkt beginnen, in welchem der Versicherer die Schadensberechnung mitgetheilt ist, so wird dieselbe im Falle dieses Artikels von der Zeit an berechnet, in welcher dem Versicherer die vorläufige Ermittelung mitgetheilt ist. 898. Der Versicherer hat

1) in Havereifällen zu den für die Rettung, Erhaltung oder Wiederherstellung der ver­ sicherten Sache nöthigen Ausgaben in Anrechnung auf seine später festzustellende Schuld zwei Drittel des ihm zur Last fallenden Betrages, 2) bei Aufbringung des Schiffs oder der Güter den vollen Betrag der ihm zur Last fallenden Kosten des Reklameprozesses, so­ wie sie erforderlich werden, vorzuschießen.

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E. Allgern. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XL Abschn. 7. T. XII. Siebenter Abschnitt. Aitf-eöimg der 'Nerstcherung und Mckzahkung der Prämie.

899. Wird die Unternehmung, auf welche die Versicherung sich bezieht, ganz oder zum Theil von dem Versicherten aufgegeben, oder wird ohne sein Zuthun die versicherte Sache ganz oder ein Theil derselben der von dem Versicherer über­ nommenen Gefahr nicht ausgesetzt, so kann die Prämie ganz oder zu dem verhältnißmäßigen Theil bis auf eine dem Versicherer gebührende Vergütung zurückgefordert oder einbehalten wer­ den (Ristorno). Die Vergütung (Ristornogebühr) besteht, sofern nicht ein anderer Betrag vereinbart oder am Ort der Versicherung üblich ist, in einem halben Pro­ zent der ganzen oder des entsprechenden Theiles der Versicherungssumme, wenn aber die Prämie nicht ein Prozent der Versicherungssumme erreicht, in der Hälfte der ganzen oder des verhältniß­ mäßigen Theiles der Prämie. 900. Ist die Versicherung wegen Mangels des versicherten Interesse (Art. 782) oder wegen Ueberversicherung (Art. 790) oder wegen Doppelver­ sicherung (Art. 792) unwirksam, und hat sich der Versicherungsnehmer bei dem Abschlüsse des Ver­ trages und im Falle der Versicherung für fremde Rechnung auch der Versicherte bei der Ertheilung des Auftrages in gutem Glauben befunden, so kann die Prämie gleichfalls bis auf die im Ar­ tikel 899 bezeichnete Ristornogebühr zurückgefor­ dert oder einbehalten werden. 901. Die Anwendung der Artikel 899 und 900 ist dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Versiche­ rungsvertrag für den Versicherer wegen Verletzung der Anzeigepflicht oder aus anderen Gründen unverbindlich ist, selbst wenn der Versicherer un­ geachtet dieser Unverbindlichkeit auf die volle Prämie Anspruch hätte. 902. Ein Ristorno findet nicht statt, wenn die Gefahr für den Versicherer bereits zu laufen begonnen hat. 903. Wenn der Versicherer zahlungsunfähig geworden ist, so ist der Versicherte befugt, nach seiner Wahl entweder von dem Vertrage zurück­ zutreten und die ganze Prämie zurückzufordern oder einzubehalten oder auf Kosten des Versiche­ rers nach Maßgabe des Artikels 793 eine neue Versicherung zu nehmen. Dieses Recht steht ihm jedoch nicht zu, wenn ihm wegen Erfüllung der Verpflichtungen des Versicherers genügende Sicher­ heit bestellt wird, bevor er von dem Vertrage zurückgetreten ist oder die neue Versicherung ge­ nommen hat. 98 904. Wird der versicherte Gegenstand veräußert, so können dem Erwerber die dem Versicherten nach dem Versicherungsverträge auch in Bezug auf künftige Unfälle zustehenden Rechte mit der 98. Vgl. § 20 K.-O.

Wirkung übertragen werden, daß der Erwerber den Versicherer ebenso in Anspruch zu nehmen befugt ist, als wenn die Veräußerung nicht statt­ gefunden hätte und der Versicherte selbst den Anspruch erhöbe. e Der Versicherer bleibt von der Haftung für die Gefahren befreit, welche nicht eingetreten sein würden, wenn die Veräußerung unterblieben wäre. Er kann sich nicht nur der Einreden und Gegen­ forderungen bedienen, welche ihm unmittelbar gegen den Erwerber zustehen, sondern auch der­ jenigen, welche er dem Versicherten hätte entge­ genstellen können, der aus dem Versicherungs­ verträge nicht hergeleiteten jedoch nur insofern, als sie bereits vor der Anzeige der Uebertragung

entstanden sind. Durch die vorstehende Bestimmung werden die rechtlichen Wirkungen der mittelst Indossamentes erfolgten Uebertragung einer Pvlize, welche an Order lautet, nicht berührt. 905. Die Vorschriften des Artikels 904 gelten auch im Falle der Versicherung einer Schiffspart. Ist das Schiff selbst versichert, so kommen die­ selben nur dann zur Anwendung, wenn das Schiff während einer Reife veräußert wird. An­ fang und Ende der Reise bestimmen sich nach Artikel 827. Ist das Schiff auf Zeit oder für mehrere Reisen (Art. 760) versichert, so dauert die Versicherung im Falle der Veräußerung wäh­ rend einer Reise nur bis zur Entlöschung des Schiffs im nächsten Bestimmungshafen (Art. 827).

Zwölfter

Titel.

Aon der Verjährung. 906. Die im Artikel 757 aufgeführten Forde­ rungen verjähren in einem Jahre. Es beträgt jedoch die Verjährungsfrist zwei Jahre: 1) für die aus den Dienst- und Heuerverträgen herrührenden Forderungen der Schiffsbesatzung, wenn die Entlassung jenseits des Vorgebirges der guten Hoffnung oder des Kap Horn erfolgt ist; 2) für die aus dem Zusammenstöße von Schiffen hergeleiteten Entschädigungsforderungen. 907. Die nach dem vorstehenden Artikel eintre­ tende Verjährung bezieht sich zugleich auf die persönlichen Ansprüche, welche dem Gläubiger etwa gegen den Rheder oder eine Person der Schiffsbesatzung zustehen. 908. Die Verjährung beginnt: 1) in Ansehung der Forderungen der Schiffs­ besatzung (Art. 757 Ziff. 4) mit dem Ablaufe des Tages, an welchem das Dienst- oder Heuer­ verhältniß endet, und falls die Anstellung der Klage früher möglich und zulässig ist, mit dem Ablaufe des Tages, an welchem diese Voraus­ setzung zutrifft; jedoch kommt das Recht, Vorschußund Abschlagszahlungen zu verlangen, für den Beginn der Verjährung nicht in Betracht;

E. Allgem. Deutsches Handelsgesetzbuch. B. V. T. XII. 2) in Ansehung der Forderungen wegen Be­ schädigung oder verspäteter Ablieferung von Gü­ tern und Reise-Effekten (Art. 757 Ziff. 8 und 10) und wegen der Beiträge zur großen Haverei (Art. 757 Ziff. 6) mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Ablieferung erfolgt ist, in An­ sehung der Forderungen wegen Nichtablieserung von Gütern mit dem Ablaufe des Tages, an welchem das Schiff den Hafen erreicht, wo die Ablieferung erfolgen sollte, und wenn dieser Hafen nicht erreicht wird, mit dem Abläufe des Tages, an welchem der Betheiligte sowohl hiervon als auch von dem Schaden zuerst Kenntniß gehabt hat; 3) in Ansehung der nicht unter Ziffer 2 fallen­ den Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung (Art. 757 Ziff. 10) mit dem Ablaufe des Tages, an welchem der Betheiligte von dem Schaden Kenntniß erlangt hat, in Ansehung der Entschädigungsforderungen wegen des Zusammenstoßes von Schiffen jedoch mit dem Ablaufe des Tages, an welchem der Zusammenstoß stattgefunden hat; 4) in Ansehung aller anderen Forderungen mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Forde­ rung fällig geworden ist. 909. Ferner verjähren in einem Jahre die auf den Gütern wegen der Fracht nebst allen Neben­ gebühren, wegen, des Liegegeldes, der ausgelegten Zolle und sonstigen Auslagen, wegen der Bodme­

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reigelder, der Beiträge zur großen Haverei und der Bergungs- und Hülfskosten haftenden Forde­ rungen, sowie alle persönlichen Ansprüche gegen

die Ladungsbetheiligten und die Forderungen wegen der Ueberfahrtsgelder. Die Verjährung beginnt in Ansehung der Bei­ träge zur großen Haverei mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die beitragspflichtigen Güter abgeliefert sind, in Ansehung der übrigen Forde­ rungen mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Fälligkeit eingetreten ist. 910. Es verjähren in fünf Jahren die Forde­ rungen des Versicherers und des Versicherten aus dem Versicherungsverträge. Die Verjährung beginnt mit dem Ablaufe des letzten Tages des Jahres, in welchem die ver­ sicherte Reise beendigt ist, und bei der Versiche­ rung auf Zeit mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Versicherungszeit endet. Sie beginnt, wenn das Schiff verschollen ist, mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Verschollenheitsfrist

endet. 911. Eine Forderung, welche nach den Artikeln 906 bis 910 verjährt ist, kann auch im Wege der Kompensation oder sonst als Gegenforderung nicht geltend gemacht werden, wenn sic zur Zeit der Entstehung der anderen Forderung bereits verjährt war.

betreffen- die Einführung -er allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs ttt Elsaß-Lothringen. Vom 19. Juni 1872'. G.-Bl. S. 213.

§ 1. Die allgemeine Deutsche Wechselordnung und das allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch erlangen in der Fassung, in welcher sie in den Anlagen A. und B. enthalten sind, nebst den ge­ genwärtigen Einführungsbestimmungen mit dem 1. Oktober 1872 in Elsaß-Lothringen Gesetzes­ kraft. Mit dem bezeichneten Zeitpunkte treten die be­ stehenden Gesetze und anderen Vorschriften über Handelsrecht, insoweit .sie Materien betreffen, welche Gegenstand der zur Geltung gelangenden Gesetze sind, außer Kraft. Es bleiben jedoch, so­ weit nicht Bestimmungen der letzteren Gesetze ent­ gegenstehen, in Wirksamkeit: 1) der fünfte Titel des Gesetzes über die Ge­ sellschaften vom 24. Juli 1867; 2) der zweite Titel des Kaiserlichen Dekrets vom 22. Januar 1868, betreffend die Versiche­ rungsgesellschaften, mit der Maßgabe, daß unter den Staats- resp, den vom Staate garantirten Werthpapieren, in denen die Anlage der Fonds der Versicherungsgesellschaften nach Vorschrift des Artikels 33 dieses Dekrets erfolgen soll, deutsche Staats- bezw. von einem deutschen Staate ga-

1. § 8 wurde aufgehoben durch § 10 Abs. 2 A.-G. z. C.-P.-O. — Der die Zuständigkeit der Friedensrichter in Handelssachen und der früheren Handelsgerichte behandelnde § 11 ist durch das G.-B.-G. ersetzt. — Der in den §§ 12. u. 13 behandelte Beweis durch Zeugen und Sachverständige in Handelssachen richtet sich nunmehr nach der C.-P.-O., ebenso die in § 14 behandelte Streitverkündung in Wech­ selsachen. — An die Stelle des Aufgebotsverfahrens für Wechsel und andere an Order lautende Papiere nach § 15 ist das Verfahren nach §§ 837 ff. C.-P.-O. getreten. — Der die Gerichtsschreiber an den Handelsgerichten betreffende § 17 ist durch Wegfall der Handelsgerichte gegenstandslos. — § 29 ist durch die Bestimmungen der K.-O. ersetzt. — Die §§ 30-32 enthalten Übergangsbestimmungen.

rantirte Werthpapiere zu verstehen sind, und daß die Anlage in französischen Staatsrenten, bei der französischen Bank und dem Credit foncier nicht mehr gestattet ist; 3) die Bestimmungen über das Börsen- und Mäklerwesen und über öffentliche Waarenverkäufe. 2 2. Die in den Handelsgesetzen der Staatsregie­ rung oder den Fachministerien eingeräumten Be­ fugnisse gehen auf den Reichskanzler über. Der Reichskanzler kann diese Befugnisse auf ihm un­ tergeordnete Behörden übertragen. Die Anstellung der Wechselagenten und Mäkler unterliegt in den Fällen, in welchen sie bisher der landesherrlichen Bestätigung unterworfen war, an Stelle der letzteren der Bestätigung durch den Oberpräsidenten. 31 2 3. Ein Minderjähriger, ohne Unterschied des Geschlechts, kann nur dann Kaufmann sein und auf Grund des Artikels 487 des Civilgesetzbuchs in Ansehung der in seinem Handelsbetrieb ein­ gegangenen Verbindlichkeiten für volljährig erach­ tet werden, wenn er 18 Jahre alt, emanzipirt und ausdrücklich ermächtigt ist, das Handelsge­ werbe zu betreiben. Die Ermächtigung wird von dem Vater, wenn dieser gestorben, interdizirt oder abwesend ist, von der Mutter, in Ermangelung beider durch einen von dem Landgericht bestätigten Beschluß des

Familienraths ertheilt. 2. Ueber das Börsen- und Mäklerwesen vgl. Artt. 71-90 franz. H.-G.-B. und Bem. daselbst; über öffentliche Waarenverkäufe hauptsächlich G. v. 28. Mai 1858 u. D. v. 30. Mai 1863. 3. Die Be^rgnisse des R.K. sind auf den Statthalter, die­ jenigen des O.Pr. auf das Ministerium übergegangen (§§ 2 u. 3 G. V. 4. Juli 1879).

E. Einf.-Gesetz zur A. D. W.-O. u. zum A. D. H.-G.-B.

Sind diese Erfordernisse vorhanden, so kann der Minderjährige auch seine Immobilien in Be­ zug auf den Handelsbetrieb mit Schulden be­ schweren, zur Hypothek stellen und veräußern, das Letztere jedoch nur unter Beobachtung der Formen der Artikel 457 ff. des Civilgesetzbuchs. 4. Ein emanzipirter Minderjähriger, welcher nicht Kaufmann ist, kann einzelne Handelsgeschäfte selbstständig und mit derselben Wirkung wie ein Volljähriger schließen, wenn er 18 Jahre alt und zu den einzelnen Geschäften in der durch den vor­ hergehenden Paragraphen bezeichneten Weise aus­ drücklich ermächtigt ist. 5. Eine Ehefrau, welche Handelsfrau ist, kann ohne Autorisation ihres Ehemannes ihre Immo­ bilien in Bezug auf den Handelsbetrieb mit Schulden beschweren, zur Hyvothek stellen und veräußern. Wenn jedoch für die Ehe Dotalrecht gilt, so kann die Verpfändung oder Veräußerung der Immobilien, welche Dotalgut sind, nur in den durch das Civilgesetzbuch bezeichneten Fällen und unter Beobachtung der dort vorgeschriebenen Formen erfolgen. In Betreff der Haftung des Ehemannes für die Verpflichtungen der Ehefrau aus ihrem Han­ delsgewerbe behält es bei der Bestimmung des Artikels 220 des Civilgesetzbuchs sein Bewenden. 6. Jeder Ehevertrag zwischen Ehegatten, von welchen einer zu den Kaufleuten gehört, muß binnen einem Monat nach Abschluß 'des Vertra­ ges im Auszuge dem Gerichtsschreiber des Land­ gerichts, in dessen Bezirk der Ehemann seinen Wohnsitz hat, zum Zweck der Veröffentlichung übersendet werden. Die Veröffentlichung des Aus­ zuges geschieht durch Anheftung an die Gerichts­ tafel und durch Einrückung in eines der öffent­ lichen Blätter, welche nach Vorschrift des Artikel 13 des Handelsgesetzbuchs zur Veröffentlichung der in dem Handelsregister erfolgenden Eintra­ gungen bestimmt sind. 4 In dem Auszuge muß angegeben sein, ob' für

die Ehegatten Gütergemeinschaft besteht, ob Tren­ nung der Güter oder ob Dotalrecht vereinbart ist. Der Notar, welcher den Ehevertrag ausgenom­ men hat, ist verpflichtet, die in diesem Para­ graphen vorgeschriebene Uebersendung zu bewir­ ken; unterläßt er dies, so hat er eine Geldbuße von fünfundzwanzig Thalern verwirkt; er ist den Gläubigern verantwortlich und wird mit Amts­ entsetzung bestraft, falls bewiesen wird, daß die Unterlassung in Folge einer Kollusion stattgefunden hat. 7. Jeder Ehegatte, für dessen Ehe Gütertren­ nung oder Dotalrecht vereinbart ist, muß, wenn er nach Schließung der Ehe das Gewerbe eines Kaufmanns ergreift, binnen einem Monat, von

4. ß 6 Abs. 1 erhielt die obige Fassung durch § 10 A.-G. z. C.-P.-O.

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dem Tage an gerechnet, an welchem er den Ge­ schäftsbetrieb begonnen hat, die in dem vorher­ gehenden Paragraphen erwähnte Uebersendung bewirken; unterläßt er dies, so kann er, im Fall er seine Zahlungen einstellt, mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft werden. 9. Bei jeder Klage auf Gütertrennung und dem darauf folgenden Verfahren kommen die Ar­ tikel 1441 bis 1452 des Civilgesetzbuchs und die Artikel 865 bis 874 der Civilprozeßordnung zur Anwendung. 5 Bei jedem Urtheil, welches zwischen Ehegatten, von denen einer zu den Kaufleuten gehört, die Trennung von Tisch und Bett oder die Ehescheidung ausspricht, müssen die in dem Artikel 872 der Civilprozeßordnung vorgeschriebenen Förmlichkeiten beobachtet werden, widrigenfalls die Gläubiger zu jeder Zeit befugt sind, gegen das Urtheil, soweit es ihr Interesse betrifft, Einspruch zu erheben und jede in Folge desselben geschehene Auseinandersetzung anzu­ fechten. 6 10. Handelssachen sind diejenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch 7 1) gegen einen Kaufmann (Art. 4 des Deutschen Handelsgesetzbuchs) aus dessen Handelsgeschäften (Art. 271 bis 276 des Deutschen Handelsgesetz­ buchs) ; 2) aus einem Wechsel im Sinne der allgemei­ nen Deutschen Wechselordnung; 3) aus einem der nachstehend bezeichneten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird: a) aus dem Rechtsverhältnisse zwischen den Mitgliedern einer Handelsgesellschaft, zwi5. Art. 1445 Abs. 1 des Civilgesetzbuchs und Artt. 865873 franz. C.-P.-O. sind aufgehoben (§ 9 A.-G. z. C.-P.-O.'. Die übrigen Bestimmungen der Artt. 1443-1451 C.-G.-B. sind theilweise abgeändert und ist das Verfahren in Güter trennnngsklagen der C.-P.-O. entsprechend geregelt durch 88 3-8 A.-G. z. C.-P.-O.

6. Die Trennung von Tisch und Bett kann nicht mehr ausgesprochen werden (8 77 Ges. v. 6. Febr. 1875). Das Urtheil, welches die Ehescheidung ausspricht, ist in der durch 8 4 A.-G. z. C.-P.-O. bezeichneten Weise bekannt zu machen und findet auf das den Gläubigern zustehende Recht des Einspruchs und der Anfechtung die Vorschrift des § 7 A.-G. z. C.-P.-O. entsprechende Anwendung (8 13 A.-G. z. C.-P. O.). 7. Nach Urth. R.-O.-H.-G. v. 7. Sept. 1878 (Jur. Zeitschr. 1878 S. 347) — vgl. auch App.-Ger. Colmar v. 22. April 1879 iJur. Zeitschr. 1879 S. 370.) — behandelt 8 10 die Handelssachen im prozeßrechtlichen Sinne. Hierher gehören auch 8 19 G. v. 30. Nov. 1874 und 8 15 G. v. 11. Jan. 1876. Die Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung der in 8 10 aufgeführten Handelssachen ist nunmehr an Stelle des weg­ gefallenen 8 11 durch das G.-V.-G. geregelt. Darnach gehören die in 8 10 bezeichneten Pechtsstreitigkeiten mit Ausnahme der Nr. 1 * nach 8 101 vor die Kammer für Handelssachen, sofern der Anspruch an Geld oder Geldes-, werth 300 Mark übersteigt. Bezüglich des Begriffs der Han­ delssachen im materiellen Sinne (Art. 1 H.-G.-B.) sind die allgemeinen Grundsätze maßgebend, wobei § 10 E.-G. im­ merhin zur Erläuterung dienen kann. Bezüglich der in 8 10 aufgeführten Wechselsachen ist übrigens in diesem Sinne auf Art. 2 H.-G.-B. zu verweisen.

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E. Einf.-Gesetz zur A. D. W.-O. u. zum A. D. H.-G.-B.

scheu dem stillen Gesellschafter und dem Inhaber des Handelsgewerbes, sowie zwi­ schen den Theilnehmern einer Vereinigung zum Handelsbetriebe (Art. 10 des Deut­ schen Handelsgesetzbuchs), sowohl während des Bestehens, als nach Auflösung des gesellschaftlichen Verhältnisses, imgleichen aus dem Rechtsverhältnisse zwischen den Liquidatoren oder den Vorstehern einer Handelsgesellschaft und der Gesellschaft oder den Mitgliedern derselben; b) aus dem Rechtsverhältnisse, welches das Recht zum Gebrauch der Handelsfirma betrifft; c) aus dem Rechtsverhältnisse, welches durch die Veräußerung eines bestehenden Han­ delsgeschäfts zwischen den Kontrahenten entsteht; (1) aus dem Rechtsverhältnisse zwischen den Prokuristen, dem Handlungsbevollmächtig­ ten oder dem Handlungsgehülfen und dem Eigenthümer der Handelsniederlassung, sowie aus dem Rechtsverhältnisse zwischen einer dritten Person und demjenigen, wel­ cher ihr als Prokurist oder Handlungsbe­ vollmächtigter aus einem Handelsgeschäfte haftet (Art. 55 des Deutschen Handels­ gesetzbuchs) ; e) aus dem Rechtsverhältnisse, welches aus den Berufsgeschästen des Handelsmäklers im Sinne des Deutschen Handelsgesetz­ buchs zwischen diesen und den Parteien entsteht; f) aus den Rechtsverhältnissen des Secrechts, insbesondere aus denjenigen, welche auf die Rhederei, die Rechte und Pflichten des Rheders, des Korrespondent-Rheders und der Schiffsbesatzung, auf die Bodmerei und die Haverei, auf den Schadensersatz im Falle des Zusammenstoßens von Schiffen, auf die Bergung und Hülfeleistung in Seenoth und auf die Ansprüche der Schiffsgläubiger sich beziehen. 16. Zu den Gerichtsbeamten, welche Protest auf­ nehmen können, gehören auch die Gerichtsvoll­ zieher. Ueber das von den Letzteren hierbei zu führende Amtssiegel (Art. 88 Nr. 6 der Wechsel­ ordnung) wird der Generakprokurator Bestimmung treffen.8 Die Register, in welche die Proteste nach Vor­ schrift des Artikels 90 der Wechselordnung ein­ getragen werden sollen, sind in der für die Repertorien vorgeschriebenen Form anzulegen und zu paraphiren. • Proteste dürfen nur von 9 Uhr Vormittags bis 6 Uhr Abends, zu einer ftüheren oder späteren Tageszeit aber nur mit Zustimmung des Prote­ staten erhoben werden. 8. Bezüglich des Amtssiegels vgl. Verf. G.Pr. v. 8. Juli 1872.

Die Beamten sind nicht gehalten, eine Abschrift der Protest-Urkunde zurücklassen. 18. Jede zur Eintragung in das Handelsregister bestimmte Anmeldung muß auch in denjenigen Fällen, für welche das Handelsgesetzbuch dies nicht besonders vorschreibt, entweder persönlich vor dem Sekretariate des Handelsgerichts erklärt oder in be­ glaubigter Form bei demselben eingereicht werden. Geschieht die Anmeldung durch einen Bevollmäch­ tigten, so hat dieser eine gerichtliche oder notarielle Vollmacht beizubringen.

Dieselben Formvorschriften gelten in Bezug auf die Zeichnung oder Einreichung der Zeichnung einer Firma oder Unterschrift, welche nach Vor­ schrift des Handelsgesetzbuchs bei dem Handels­ gericht bewirkt, werden soll. Die näheren geschäftlichen Anordnungen über die Führung des Handelsregisters bleiben einer von dem Reichskanzler zu ertheilenden Instruktion Vorbehalten. 9 19. In den Fällen, in welchen nach dem Deut­ schen Handelsgesetzbuche das Handelsgericht die Betheiligten zur Befolgung der gesetzlichen An­ ordnungen über die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister und über die Zeichnung oder Einreichung der Zeichnung der Firmen oder Unterschriften anzuhaltcn hat, besteht die gesetz­ liche Ordnungsstrafe in Geldstrafe von fünf bis zu zweihundert Thalern. Eine Beitreibung der Geldstrafe mittelst Körper­ haft oder eine Umwandlung derselben in Freiheits­ strafe findet nicht statt. Neben der Geldstrafe hat der Betheiligte auch die Kosten des Verfahrens zu tragen.10 20. Der Präsident des Handelsgerichts oder der von ihm dazu beauftragte Richter hat die Befol­ gung der in den vorhergehenden Paragraphen erwähnten gesetzlichen Anordnungen zu überwachen und die Strafverfügungen zu erlassen. Letztere enthalten die Aufforderung, innerhalb einer be­ stimmten Frist die gesetzliche Anordnung zu befolgen oder bei dem Sekreteriate des Handelsgerichts münd­ lich oder schriftlich Einspruch zu erheben mit dem Eröffnen, daß andernfalls die angedrohte Strafe verwirkt ist. 21. Wird binnen der durch die Verfügung be­ stimmten Frist weder die gesetzliche Anordnung befolgt noch Einspruch erhoben, so hat der Präsi­ dent des Handelsgerichts oder der von ihm beauf­ tragte Richter die Strafverfügung für vollstreckbar zu erklären und der Sekretär dieselbe zum Zwecke des Vollzugs auszufertigen. Gleichzeitig ist die Verfügung unter Androhung einer anderweiten Ordnungsstrafe zu wiederholen. Mit den Straf9. Ueber die Handelsgerichte vgl. Bem. zu Art. 3 H.-G.-B., über die Führung des Handelsregisters Jnstr. vom 28 Sept. 1872.

10. Die 88 19-26 finden auch auf das Verfahren bei Fest­ setzung der Ordnungsstrafen nach 8 66 des Genossenschaftsges. v. 4. Juli 1868 Anwendung (B. v. 28. Sept. 18-2).

E. Einf.-Gesetz zur A. D. W.-O. u. zum A. D. H.-G.-B.

Verfügungen wird fortgefahren, bis die gesetzliche Anordnung befolgt oder ihre Voraussetzung weg­ gefallen ist. 22. Wird gegen die Verfügung binnen der be­ stimmten Frist Einspruch erhoben, so kann das Handelsgericht zur Aufklärung des Sachverhalts Erhebungen anotdnen; wird die Strafverfügung nicht aufgehoben, so ist der Betheiligte in eine bestimmte Sitzung zur öffentlichen Verhandlung vorzuladen. 23. Binnen zehn Tagen vom Tage der Ver­ kündigung des Urtheils, kann der Betheiligte Berufung an das Appellationsgericht einlegen. Dieselbe ist bei dem Sekreteriate des Handelsgerichts schriftlich oder mündlich anzumelden. Das Handels­ gericht sendet die Verhandlungen an den Genera? Prokurator, welcher die Vorladung des Betheiligten veranlaßt. Die Entscheidung kann auf Grund der Akten erfolgen. 24. Verspätete Einsprüche heben die voraus­ gegangenen vollstreckbaren Strafverfügungen nicht auf, jedoch kann das Handelsgericht oder in höherer Instanz das Appellationsgericht die Einstellung des Vollzugs aus besonderen Gründen anordnen. Bei verspäteten Einsprüchen werden die aus der Vollziehung der früheren Strafverfügungen ent­ standenen Kosten stets von dem Betheiligten

getragen. 25. Die vorhergehenden §§ 19 bis 24 finden entsprechende Anwendung bei dem Einschreiten gegen diejenigen, welche sich einer nach den Vor­ schriften des dritten Titels des ersten Buchs des Deutschen Handelsgesetzbuchs ihnen nicht zustehen­ den Firma bedienen. 26. Die Verfügungen und Entscheidungen in dem die Festsetzung der Ordnungsstrafen betreffen­ den Verfahren werden durch einen von dem Handelsgerichts-Präfidenten beauftragten Gerichts­ vollzieher zügestellt. Die Festsetzung und Anweisung der Gebühren der Beamten und Zeugen und die Einziehung der Geldstrafen nnd Kosten geschieht in derselben Art, wie bei den landesgerichtlichen Strafsachen. 27. Die Höhe der gesetzlichen Zinsen ist in Handels- und Wechselsachen sechs vom Hundert jährlich. Die Höhe der vertragsmäßigen Zinsen unter­ liegt in Handelssachen der freien Vereinbarung. Derjenige, welcher für eine Schuld dem Gläu­ biger einen höheren Zinssatz als jährlich sechs

vom Hundert gewährt oder zusagt, ist zu einer' halbjährigen Kündigung des Vertrages befugt. Jedoch kann er von dieser Befugniß nicht unmittel­

E. Handels- und Wechselrecht.

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bar bei Eingehung des Vertrages, sondern erst nach Ablauf eines halben Jahres Gebrauch machen. Vertragsbestimmungen, durch welche diese Vorschrift zum Nachtheil des Schuldners beschränkt oder aufgehoben wird, sind ungültig. Auf Schuld­ verschreibungen, welche unter den gesetzlichen Vor­ aussetzungen auf jeden Inhaber gestellt werden, sowie auf Darlehne, welche ein Kaufmann em­ pfängt und auf Schulden eines Kaufmanns aus seinen Handelsgeschäften, findet dieselbe keine An­ wendung. 11 28. Die Einregistrirung der Urkunde über die Pfandbestellung ist in Handelssachen zur Herstellung des sicheren Datums nicht erforderlich.12 Im Uebrigen kommen die Bestimmungen des Civilgesetzbüchs über das Faustpfand auch in Handelssachen zur Anwendung, soweit die Ar­ tikel 309 bis 316 des Deutschen Handelsgesetzbuchs nicht ein anderes bestimmen. 33. Die bestehenden Aktiengesellschaften sind als solche staatlicher Beaufsichtigung nicht mehr unter­ worfen. 13 34. Soweit in Folge der Einführung des Deut­ schen Handelsrechts Bestimmungen über Gebühren und Kosten erforderlich sind, werden dieselben durch Kaiserliche Verordnung getroffen.14

11. Nach Urth. R.-O.-.H.-G. v. 7. Sept. 1878 u. App.-Ger. Colmar v. 22. April 1879 betrifft Abs. 1 die Handelssachen im prozeßrechtlichen, Abs. 2 diejenigen im materiellen Sinne svgl. Bem. zu § 10) und ist das nach Abs. 2 gestattete Ver­ sprechen und Bedingen höherer als sechsprozentiger Zinsen auf Handelssachen in letzterem Sinne beschränkt; für andere Sachen sind daher die Wuchergesetze v. 3. Sept. 1807 u. 19. Dez. 1850 noch in Geltung. 12. Der Grundsatz des Abs. 1 ist zufolge der C.-P.-O nicht mehr auf Handelssachen beschränkt. 13. Durch § 2 des in E.-L. nicht eingeführten G. v. 11. Juni 1870, betr. die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, wurden die Landesgesetze, welche zur Errichtung von derartigen Gesellschaften die staatliche Genehmigung vorschreiben oder eine staatliche Beaufsichti­ gung dieser Gesellschaften anordnen, aufgehoben. In E.-L. bestanden für Kommanditgesellschaften auf Aktien solche Vorschriften überhaupt nicht und war durch Art. 21 G. v. 24. Juli 1867, betr. die Gesellschaften, für Aktiengesell­ schaften die bisher zur Bildung derselben erforderliche staatliche Genehmigung in Wegfall gekommen. § 33 hebt nun, dem 8 2 jenes G. v. 11. Juni 1870 entsprechend, auch die staatliche Beaufsichtigung der Aktiengesellschaften als solcher auf. Bestehen bleiben dagegen diejenigen Vorschriften, nach welchen der Gegenstand des Unternehmens der staat­ lichen Genehmigung bedarf und das Unternehmen der staat­ lichen Beaufsichtigung unterliegt, was § 3 jenes G. v. 11. Juni 1870 ausdrücklich aussprach. In dieser Beziehung kommen die Tontinen und Versicherungsgesellschaften in Betracht (vgl. Art. 66 G. v. 24. Juli 1867 u. Bem. daselbst).

14. Vgl. B. V. 12. Juli 1872.

Konkurs. Inhalt: Konknrsordnung.

Gesetz, betreffend die Einführung der Konkursordnung. Vom 10. Februar 1877.

Das Gesetz für Elsaß-Lothringen, betreffend die Ausführung der Civilprozeßordnung, der Konkursordnung und der Strafprozeßordnung, vom 8. Juli 1879

s. unter I). „Civilprozeß"

und die Verordnung zur Ausführung der Reichsjustizgesetze, vom 13. Juni 1879

f. unter C. „Gerichtsverfassung".

Konkursordnung. Vom 10. Februar 1877. R.-G.-Bl. S. 351.

Erstes Buch. Konkurörecht.

Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen.

§ 1. Das Konkursverfahren umfaßt das gesammte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Gemeinschuldners, welches ihm zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört (Kon­ kursmasse). Der Nießbrauch, welcher dem Gemeinschuldner während der Dauer des Verfahrens an dem Vermögen seiner Ehefrau oder seiner Kinder nach den Landesgesetzen zusteht, gehört zur Konkurs­ masse. Aus den Nutzungen kann der Gemein­ schuldner die Mittel beanspruchen, welche zu seinem angemessenen Unterhalte und dazu erfor­ derlich sind, um eine gesetzliche Verpflichtung desselben zum Unterhalte seiner Ehefrau oder zum Unterhalte und zur Erziehung seiner Kinder zu erfüllen. Die im § 715 Nr. 5, 8 der Civilprozeßordnung und im § 20 des Gesetzes über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871 vor­ gesehenen Beschränkungen kommen im Konkurs­ verfahren nicht zur Anwendung. 2. Die Konkursmasse dient zur gemeinschaft­ lichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger, welche einen zur Zeit der Eröffnung des Ver­ fahrens begründeten Bermögensanspruch an den Gemeinschuldner haben (Konkursgläubiger). 3. Ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus ! Gegenständen, welche zur Konkursmasse ge­ hören, kann nur in den von diesem Gesetze zuge­ lassenen Fällen geltend gemacht werden.

Die abgesonderte Befriedigung erfolgt unab­ hängig vom Konkursverfahren. 4. Ausländische Gläubiger stehen den inlän­ dischen gleich. Unter Zustimmung des Bundesraths kann durch Anordnung des Reichskanzlers bestimmt werden, daß gegen die Angehörigen eines ausländischen Staates und die Rechtsnachfolger derselben ein Bergeltungsrecht zur Anwendung gebracht werde. 5. Mit der Eröffnung des Verfahrens verliert der Gemeinschuldner die Befugniß, sein zur Kon­ kursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird durch einen Konkursverwalter ausgeübt. 6. Rechtshandlungen, welche der Gemeinschuldner nach der Eröffnung des Verfahrens vorgenommen hat, sind den Konkursgläubigern gegenüber nichtig. Dem anderen Theile ist die Gegenleistung aus der Masse zurückzugewähren, soweit letztere durch dieselbe bereichert ist.

Hat der Gemeinschuldner Rechtshandlungen am Tage der Eröffnung des Verfahrens vorgenommen, so wird vermuthet, daß sie nach der Eröffnung vorgenommen worden sind. 7. Eine Leistung, welche auf eine zur Konkurs­ masse zu erfüllende Verbindlichkeit nach der Er­ öffnung des Verfahrens an den Gemeinschuldner erfolgt ist, befreit den Erfüllenden den Konkurs­ gläubigern gegenüber nur insoweit, als das Geleistete in die Konkursmasse gekommen ist. War die Leistung vor der öffentlichen Bekannt­ machung der Eröffnung erfolgt, so ist der Er­ füllende befreit, wenn nicht bewiesen wird, daß ihm zur Zeit der Leistung die Eröffnung des

Verfahrens bekannt war.

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F. Konkursordnung. B. I. T. II.

War die Leistung nach der öffentlichen Bekannt­ machung erfolgt, so wird der Erfüllende befreit, wenn er beweist, daß ihm zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht bekannt war. 8. Rechtsstreitigkeiten über das zur Konkurs­ masse gehörige Vermögen, welche zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens für den Gemeinschuldner anhängig sind, können in . der Lage, in welcher sie sich befinden, von dem Konkursverwalter aus­ genommen werdend Wird die Aufnahme ver­ zögert, so kommen die Bestimmungen des § 217 der Civilprozeßordnung zur entsprechenden An­ wendung.

Lehnt der Verwalter die Aufnahme des Recht­ streits ab, so kann sowohl der Gemeinschuldner als der Gegner denselben aufnehmen. 9. Rechtsstreitigkeiten, welche gegen den Ge­ meinschuldner anhängig und auf Aussonderung eines Gegenstandes aus der Konkursmasse oder auf abgesonderte Befriedigung gerichtet sind oder einen Anspruch betreffen, welcher als Masseschuld zu erachten ist, können sowohl von dem Konkurs­ verwalter als von dem Gegner ausgenommen werden. Erkennt der Verwalter den Anspruch sofort an, so fallen ihm die Prozeßkosten nicht zur Last.

10. Konkursgläubiger können ihre Forderungen auf Sicherstellung oder Befriedigung aus der Konkursmasse nur nach Maßgabe der Vorschriften für das Konkursverfahren verfolgen. 11. Während der Dauer des Konkursverfahrens finden Arreste und Zwangsvollstreckungen zu Gun­ sten einzelner Konkursgläubiger weder in das zur Konkursmasse gehörige, noch in das sonstige Ver­ mögen des Gemeinschuldners statt.

12. Pfand- und Hypothekenrechte, Vorzugsrechte sowie Zurückbehaltungsrechte an Gegenständen der Konkursmasse können nach der Eröffnung des Konkursverfahrens nicht mit verbindlicher Kraft gegen die Konkursgläubiger erworben oder ein­ getragen werden, wenngleich der Anspruch auf den Erwerb oder die Eintragung schon vor der Eröffnung des Verfahrens begründet gewesen ist1 2 13. Die Eröffnung des Konkursverfahrens hemmt nicht den Lauf der Verjährung. Durch die An­ meldung einer Konkursforderung wird deren Ver­ jährung unterbrochen.

14. Befindet sich der Gemeinschuldner mit Dritten in einem Miteigenthume, in einer Ge­ sellschaft oder in einer anderen Gemeinschaft, so erfolgt die Theilung oder sonstige Auseinander­ setzung außerhalb des Konkursverfahrens.

1. Der Konkurs 8 218 C.-P.-O.

wirkt Unterbrechung

des

Verfahrens,

2. Zur Sicherung bestehender Vorzugsrechte gegen diese Vorschrift ist der § 24 A.-G. z. C.-P.-L., K.-O. u. St.-P.-O. gegeben.

Zweiter Titel. Erfüllung der Rechtsgeschäfte. 15. Wenn ein zweiseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens von dem Gemeinschuldner und von dem anderen Theile nicht oder nicht vollständig erfüllt ist, so kann der Konkursverwalter an Stelle des Gemein­ schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung von dem anderen Theile verlangen. Der Verwalter muß auf Erfordern des anderen Theils, auch wenn die Erfüllungszeit noch nicht eingetreten ist, demselben ohne Verzug erklären,

ob er die Erfüllung verlangen will. Unterläßt er dies, so kann er auf der Erfüllung nicht bestehen. 16. War die Lieferung von Waaren, welche einen Markt- oder Börsenpreis haben, genau zu einer festbestimmten Zeit oder binnen einer fest­ bestimmten Frist bedungen, und tritt die Zeit oder der Ablauf der Frist erst nach der Er­ öffnung des Verfahrens ein, so kann nicht die Erfüllung verlangt, sondern nur eine Forderung wegen Nichterfüllung geltend gemacht werden.

Der Betrag dieser Forderung bestimmt sich durch den Unterschied zwischen dem Kaufpreise und dem­ jenigen Markt- oder Börsenpreise, welcher an dem Orte der Erfüllung oder an dem für denselben maßgebenden Handelsplätze sich für die am zweiten Werktage nach der Eröffnung des Verfahrens mit der bedungenen Erfüllungszeit geschlosseneu Ge­ schäfte ergibt. Ist ein solcher Markt- oder Börsenpreis nicht zu ermitteln, so findet die Bestimmung des ersten Absatzes keine Anwendung. 17. Auf Pacht- und Micthverträge über Sachen übt, wenn deren Uebergabe schon erfolgt ist, die Er­ öffnung des Verfahrens folgende Wirkungen aus: 1) hatte der Gemeinschuldner gepachtet oder ge­ miethet, so kann sowohl der andere Theil als der Verwalter den Vertrag aufkündigen. Die Frist oder Zeit für die Kündigung ist, falls eine kür­ zere Frist oder nähere Zeit nicht bedungen war, die gesetzliche oder ortsübliche; 2) hatte der Gemeinschuldner verpachtet oder vermiethet, so wirkt eine freiwillige Veräußerung der Sache durch den Konkursverwalter auf die Zulässigkeit der Kündigung sowie aus die Dauer des Vertrages wie eine Zwangsversteigerung. 18. Wenn der Gemeinschuldner gepachtet oder gemiethet hatte, und die Uebergabe der Sache zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens noch nicht erfolgt ist, so kann der andere Theil von dem Vertrage abgehen, gleich als ob derselbe nicht geschlossen wäre. Auf Erfordern des Verwalters muß der andere Theil demselben ohne Verzug erklären, ob er von dem Vertrage abgehen will. Unterläßt er dies, so kommen die Bestimmungen des § 15 zur Anwendung.

F. Konkursordnung. B. I. T. III. 19. Ein in dem Haushalte, Wirthschastsbetriebe oder Erwerbsgeschäfte des Gemeinschuldners an­ getretenes Dienstverhältniß kann von jedem Theile ausgekündigt werden. Die Frist und Zeit für die Kündigung ist, falls eine kürzere Frist oder nähere Zeit nicht bedungen war, die gesetzliche oder ortsübliche und in Ermangelung einer solchen von dem Konkursgerichte auf Antrag des Kündi­ genden festzusetzen. 20. Soweit rücksichtlich einzelner, durch die §§ 16 bis 18 nicht betroffener Rechtsverhältnisse die Reichsgesetze oder die Landesgesetze besondere Bestimmungen über die Wirkung der Eröffnung des Konkursverfahrens enthalten, kommen diese zur Anwendung. 3 21. Wenn in Folge der Eröffnung des Kon­ kursverfahrens die Nichterfüllung einer Verbind­ lichkeit oder die Aufhebung eines Rechtsverhält­ nisses des Gemeinschuldners eintritt, so ist der andere Theil nicht berechtigt, die Rückgabe seiner in das Eigenthum des Gemeinschuldners überge­ gangenen Leistung aus der Konkursmasse zu ver­ langen. Er kann eine Forderung wegen der Nicht­ erfüllung oder der Aufhebung nur als Konkurs­ gläubiger geltend machen, soweit ihm nicht ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung zusteht.

Dritter Titel. ArrfePtnirg.* 22. Rechtshandlungen, welche vor der Eröff­ nung des Konkursverfahrens vorgenommen sind, können als den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam nach Maßgabe der folgenden Bestim­ mungen angefochten werden. 23. Anfechtbar sind: 1) die nach der Zahlungseinstellung oder dem Anträge auf Eröffnung des Verfahrens von dem Gemeinschuldner eingegangenen Rechtsgeschäfte, durch deren Eingehung die Konkursgläubiger benachtheiligt werden, wenn dem anderen Theile zu der Zeit, als er das Geschäft einging, die Zahlungseinstellung oder der Eröffnungsantrag bekannt war; sowie die nach der Zahlungsein­ stellung oder dem Eröffnungsantrage erfolgten Rechtshandlungen, welche einem Konkursgläubiger Sicherung oder Befriedigung gewähren, wenn dem Gläubiger zu der Zeit, als die Handlung erfolgte, die Zahlungseinstellung oder der Eröff­ nungsantrag bekannt war;53 4 2) die nach der Zahlungseinstellung oder dem Anträge auf Eröffnung des Verfahrens oder in den letzten zehn Tagen vor der Zahlungseinstel­ 3. Vgl. Artt. 123 Nr. 3, 170 Abs. 2, 200, 261 Nr. 3, 903 H.-G.-B., auch § 5 A.-G. z. C.-P.-O., K.-O. u. St.-P.-O. u. Artt. 1865 Nr. 4, 2003, 2020, 2023 C.-G.-B.

4. Vgl. G. betr. die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens v. 21. Juli 1879. 5. Vgl. 8 13 Abs. 3 G. v. 21. Juli 1879.

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lung oder dem Eröffnungsantrage erfolgten Rechts­ handlungen, welche einem Konkursgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewähren, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, sofern er nicht be­ weist, daß ihm zur Zeit der Handlung weder die Zahlungseinstellung und der Eröffnungsantrag, noch eine Absicht des Gemeinschuldners, ihn vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen, bekannt war. 24. Anfechtbar sind: 1) Rechtshandlungen, welche der Gemeinschuldner in der dem anderen Theile bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachtheiligen, vorgenommen hat; 2) die in dem letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens geschlossenen, entgeltlichen Ver­ träge des Gemeinschuldners mit seinem Ehegatten, vor oder während der Ehe, mit seinen oder seines Ehegatten Verwandten in auf- und absteigender Linie, mit seinen oder seines Ehegatten voll- und halbbür­ tigen Geschwistern, oder mit dem Ehegatten einer dieser Personen, sofern durch den Abschluß des Vertrages die Gläubiger des Gemeinschuldners benachtheiligt werden und der andere Theil nicht beweist, daß ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses eine Absicht des Gemeinschuldners, die Gläubiger zu benach­ theiligen, nicht bekannt war. 25. Anfechtbar sind: 1) die in dem letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens von dem Gemeinschuldner vorge­ nommenen unentgeltlichen Verfügungen, sofern nicht dieselben gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke zum Gegenstände hatten;6 2) die in den letzten zwei Jahren vor der Eröffnung des Verfahrens von dem Gemein­ schuldner vörgenommenen unentgeltlichen Ver­ fügungen zu Gunsten seines Ehegatten, sowie eine innerhalb dieses Zeitraums von ihm bewirkte Sicherstellung oder Rückgewähr eines Heirathsguts oder des gesetzlich in seine Verwaltung ge­ kommenen Vermögens seiner Ehefrau, sofern er nicht zu der Sicherstellung oder Rückgewähr durch das Gesetz oder durch einen vor diesem Zeitraume geschlossenen Vertrag verpflichtet war. 26. Rechtshandlungen, welche früher als sechs Monate vor der Eröffnung des Verfahrens er­ folgt sind, können aus dem Grunde einer Kennt­ niß der Zahlungseinstellung nicht angefochten werden. 27. Wechselzahlungen des Gemeinschuldners können auf Grund des § 23 Nr. 1 von dem Empfänger nicht zurückgefordert werden, wenn nach Wechselrecht der Empfänger bei Verlust des Wechselanspruchs gegen andere Wechselver6. Art. 259 H.-G.-B. ist neben dieser Vorschrift in Kraft geblieben. Vgl. § 3 Abs. 1 E.-G.

F. Konkursordnung. B. I. T. IV. V.

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pflichtete zur Annahme der Zahlung verbunden war. Die gezahlte Wechselsumme muß von dem letzten Wechselregreßschuldner oder, falls derselbe den Wechsel für Rechnung eines Dritten begeben hatte, von diesem erstattet werden, wenn dem letzten Wechselregreßschuldner oder dem Dritten zu der Zeit, als er den Wechsel begab oder be­ geben ließ, einer der im § 23 Nr. 1 erwähnten Umstände bekannt war. 28. Die Anfechtung wird dadurch nicht ausge­ schlossen, daß für die anzufechtende Rechtshand­ lung ein vollstreckbarer Schuldtitel erlangt, oder daß dieselbe durch Zwangsvollstreckung oder durch Vollziehung eines Arrestes erwirkt worden ist. 29. Das Anfechtungsrecht wird von dem Ver­ walter ausgeübt.7 30. Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Gemeinschuldners veräußert, weggegeben ooer aufgegeben ist, muß zur Kon­ kursmasse zurückgewährt werden. Der gutgläubige Empfänger einer unentgeltli­ chen Leistung hat dieselbe nur soweit zurückzuge­ währen, als er durch sie bereichert ist. 31. Die Gegenleistung ist aus der Konkurs­ masse zu erstatten, soweit sie sich in derselben befindet, oder soweit die Masse um ihren Werth bereichert ist. Darüber hinaus kann ein Anspruch nur als Konkursforderung geltend gemacht werden. 32. Wenn der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Empfangene zurückgewährt, so tritt seine Forderung wieder in Kraft. 33. Die gegen den Erblasser begründete An­ fechtung findet gegen den Erben statt. Gegen einen anderen Rechtsnachfolger desje­ nigen, welchem gegenüber die anfechtbare Hand­ lung vorgenommen ist, findet die gegen den letz­ teren begründete Anfechtung statt: 1) wenn ihm zur Zeit seines Erwerbes bekannt war, daß der Gemeinschuldner die Rechtshandlung in der Absicht vorgenommen hatte, seine Gläubiger zu benachtheiligen; 2) wenn er zu den im § 24 Nr. 2 genannten Personen gehört und nicht beweist, daß er zur Zeit seines Erwerbes von den Umständen, welche die Anfechtung gegen den Rechtsvorgänger be­ gründen, keine Kenntniß hatte. 34. Das Anfechtungsrecht verjährt in einem Jahre seit der Eröffnung des Verfahrens.

Vierter Titel. Aussonderung. 35. Die Ansprüche auf Aussonderung eines dem Gemeinschuldner nicht gehörigen Gegenstandes aus der Konkursmasse auf Grund eines dinglichen 7. Wegen Fortsetzung der vor der Konkurseröffnung von Gläubigern erhobenen Anfechtungsansprüche vgl. § 13 G. v. 21. Juli 1879.

oder persönlichen Rechts bestimmen sich nach den außerhalb des Konkursverfahrens geltenden Ge­ setzen. 36. Der Verkäufer oder Emkaufskommissionär kann Waaren, welche von einem anderen Orte an den Gemeinschuldner abgesendet und von dem Gemeinschuldner noch nicht vollständig bezahlt sind, zurückfordern, sofern nicht dieselben schon vor der Eröffnung des Verfahrens an dem Orte der Ablieferung angekommen und in den Gewahr­ sam des Gemeinschuldners oder einer anderen Person für ihn gelangt sind. Die Bestimmungen des § 15 finden Anwen­ dung. 37. Die Ehefrau des Gemeinschuldners kann Gegenstände, welche sie während der Ehe erworben hat, Nur in Anspruch nehmen, wenn sie beweist, daß dieselben nicht mit Mitteln des Gemein­ schuldners erworben sind. 38. Sind Gegenstände, deren Aussonderung aus der Konkursmasse hätte beansprucht werden können, vor der Eröffnung des Verfahrens von dem Gemeinschuldner oder nach der Eröffnung des Verfahrens von dem Verwalter veräußert worden, so ist der Aussonderungsberechtigte be­ fugt, die Abtretung des Rechts auf die Gegen­ leistung, soweit diese noch aussteht, zu verlangen. Er kann die Gegenleistung aus der Masse bean­ spruchen, soweit sie nach der Eröffnung des Verfahrens zu derselben eingezogcn worden ist.

Fünfter Titel.

Absonderung. § 39. Zur abgesonderten Befriedigung dienen die Gegenstände, welche in Ansehung der Zwangs­ vollstreckung zum unbeweglichen Vermögen ge­ hören, insoweit ein dingliches oder sonstiges Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus denselben besteht. Den Umfang der Jmmobiliarmasse, sowie den Umfang und die Rangordnung der aus derselben zu berichtigenden Ansprüche bestimmen die Reichs­ gesetze und Landgesetze. 40. Gläubiger, welche an einer beweglichen körperlichen Sache, an einer Forderung oder an einem anderen Vermögensrechte des Gemein­ schuldners ein Faustpfandrecht haben, können aus den ihnen verpfändeten Gegenständen abgeson­ derte Befriedigung wegen ihrer Pfandforderung verlangen, zunächst wegen der Kosten, dann we­ gen der Zinsen, zuletzt wegen des Kapitals. 8

8. Ter § 40 wird wesentlich ergänzt durch §§ 14, 15 u. .16 E.-G. — Nach § 20 A.-G. z. C.-P.-O., K.-O. u. St.-P.-O. (unter D. „Civilprozeß"), steht den in §§ 40 u. 41 genannten Gläubigern außerhalb des Konkurses ein Vorzugsrecht im Sinne des C.-B.-G. zu, sodaß also diese §§ mit ihren Er­ gänzungen jetzt die gesammtc Lehre von den Vorzugsrechten an beweglichen Sachen enthalten.

F. Konkursordnung. B. I. T. VI. 41. Den Faustpfandgläubigern stehen gleicht 1) die Reichskasse, die Staatskassen und die Gemeinden, sowie die Amts-, Kreis- und Pro­ vinzialverbände wegen öffentlicher Abgaben, in Ansehung der zurückgehaltenen oder in Beschlag genommenen zoll-9 10 11 und steuerpflichtigen Sachen; 2) Verpächter wegen des laufenden und des rückständigen Zinses, sowie wegen anderer For­ derungen aus dem Pachtverhältnisse, in Ansehung der Früchte des Grundstücks und der eingebrachten Sachen, sofern die Früchte oder Sachen sich noch auf dem Grundstücke befinden; 3) Pächter in Ansehung des in ihrem Gewahr­ sam befindlichen Inventars wegen der Forderun­ gen für dieses; 4) Vermiether wegen des laufenden und des für das letzte Jahr vor der Eröffnung deL Ver­ fahrens rückständigen Zinses, sowie wegen ande­ rer Forderungen aus dem Miethverhältnisse, in Ansehung der eingebrachten Sachen, sofern die Sachen sich noch auf dem Grundstücke befinden;n 5) Gastwirthe wegen ihrer Forderungen für Wohnung und Bewirthung des Gastes, in An­ sehung der von demselben eingebrachten, von ihnen zurückbehaltenen Sachen; 6) Künstler, Werkmeister, Handwerker und Arbeiter wegen ihrer Forderungen für Arbeit und Auslagen, in Ansehung der von ihnen ge­ fertigten oder ausgebesserten, noch in ihrem Ge­ wahrsam befindlichen Sachen; 7) diejenigen, welche etwas zum Nutzen einer Sache verwendet haben, wegen des, den noch vorhandenen Vortheil nicht übersteigenden Be­ trages ihrer Forderung aus der Verwendung, in Ansehung der zurückbehaltenen Sache; 8) diejenigen, denen nach dem Handelsgesetz­ buche an gewissen Gegenständen ein Pfandrecht oder Zurückbehaltungsrecht zusteht, in Ansehung dieser Gegenstände;12 9) diejenigen, welche durch Pfändung ein Pfandrecht erlangt haben, in Ansehung der ge­ pfändeten Gegenstände. 13 42. Wer nach der Eröffnung des Konkursverfah­

9. Vgl. die vorhergehende Bem. Nach Abs. 2 des dort angezogenen § 20 gehen die in § 41 unter Nr. 1-8 bezeich­ neten Gläubiger den späteren durch Pfändung erlangten Pfandrechten vor, wodurch der § 709 C.-P.-O. ergänzt wird. Im Uebrigen bleiben bezüglich des Rangverhältnisses zwi­ schen den einzelnen Vorzugsrechten sowohl die besonderen Vorschriften der Reichs- und Landesgesetze (Artt. 306, 409, 411 H.-G.-B., § 9 ®. über Amtskautionen v. 15. Okt. 1873} als die allgemeinen Regeln des Civilrechts (Artt. 2096, 1141, 2279 C.-G.-B.) in Kraft. 10. Vgl. §§ 14, 100 Vereinszollges. v. 10. Juli 1869.

11. Vgl. §§ 21, 22 A.-G. z. C.-P.-O., K.-O. St.-P.-O., voil denen der letztere das sog. Revindikationsrecht neu regelt. — Bezüglich der Rechte des Hauptvermiethers und Hauptverpächters gegen Aftermiether und Afterpächter gelten die Vorschriften der Artt. 820 fr. C.-P.-O. u. 1753 C.-G.-B. 12. Vgl. nam. Artt. 368 Abs. 2; 374 Abs. 1, 2; 382 ; 409; 410 H.-G.-B. 13. Vgl. oben Bem. 9.

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rens oder mit Kenntniß des Eröffnungsantrages oder der Zahlungseinstellung eine Konkursforde­ rung dem im Auslande wohnenden Inhaber eines zur Konkursmasse gehörigen Gegenstandes oder in der Absicht, daß dieser die Forderung erwerbe, einer Mittelsperson abtritt, ist verpflichtet, zur Konkursmasse den Betrag zu ersetzen, welcher der­ selben dadurch entgeht, daß der Inhaber für die Forderung nach dem Rechte des Auslandes ent­ gegen den Bestimmungen dieses Gesetzes ein Ab­ sonderungsrecht an dem Gegenstände ausübt. Die Vorschrift des § 26 findet entsprechende An­ wendung. 43. Hat 'der Gemeinschuldner vor der Eröff­ nung des Konkursverfahrens eine Erbschaft er­ worben , so können die Nachlaßglüubiger und Vermächtnißnehmer abgesonderte Befriedigung aus den bei der Eröffnung vorhandenen Nachlaß­ gegenständen verlangen, soweit ihnen ein Abson­ derungsanspruch nach den Bestimmungen der Landesgesetze zusteht. 14 44. Wer sich mit dem Gemeinschuldner in ei­ nem Miteigenthume, in einer Gesellschaft oder in einer anderen Gemeinschaft befindet, kann wegen der auf ein solches Verhältniß sich gründenden Forderungen abgesonderte Befriedigung aus dem bei der Theilung oder sonstigen Auseinander­ setzung ermittelten Antheile des Gemeinschuldners verlangen.15 45. Die Befriedigung der Lehen-, Stammguts­ oder Familienfideikommiß-Gläubiger erfolgt abge­ sondert aus dem Lehen, Stammgute oder Fami­ lienfideikommisse nach den Vorschriften der Landesgesetzc.

Sechster Titel. Aufrechnung. 46. Soweit ein Gläubiger zu einer Aufrech­ nung befugt ist, braucht er seine Forderung im Konkursverfahren nicht geltend zu machen. 47. Die Aufrechnung wird nicht dadurch aus­ geschlossen, daß zur Zeit der Eröffnung des Ver­ fahrens die aufzurechnenden Forderungen oder die eine von ihnen noch betagt oder noch bedingt war, oder die Forderung des Gläubigers nicht auf einen Geldbetrag gerichtet war. Eine betagte Forderung des Gläubigers ist zum Zwecke der Aufrechnung nach der Vorschrift des § 58 zu berechnen. Zum Zwecke der Aufrechnung einer aufschiebend bedingten Forderung bei dem Eintritte der Be­ dingung kann der Gläubiger Sicherstellung 16 in­ soweit verlangen, als die Forderung der von ihm einzuzahlenden Schuld gleichkommt.

14. Vgl. Artt. 878 u. 2111 C.-G.-B.

15. Art. 258 Abs. 1 u. 2 H.-G.-B. ist neben § 44 durch § 3 Abs. 1 E.-G. aufrecht erhalten.

16. Nach den Vorschriften des Civilrechts; vgl. Artt. 2041, 2018, 2019 C.-G.-B.

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F. Konkursordnung. B. I. T. VII. VIII.

Eine nicht aus Geld gerichtete Forderung des Gläubigers ist zum Zwecke der Aufrechnung nach den Vorschriften der §§ 62, 63 zu berechnen. 48. Eine Aufrechnung im Konkursverfahren ist unzulässig: 1) wenn Jemand vor oder nach der Eröffnung des Verfahrens eine Forderung an den Gemein­ schuldner erworben hat und nach der Eröffnung etwas zur Masse schuldig geworden ist; 2) wenn Jemand dem Gemeinschuldner vor der Eröffnung des Verfahrens etwas schuldig war und nach derselben eine Forderung an den Ge­ meinschuldner erworben hat, auch wenn diese Forderung vor der Eröffnung für einen anderen Gläubiger entstanden war; 3) wenn Jemand vor der Eröffnung des Ver­ fahrens dem Gemeinschuldner etwas schuldig war und eine Forderung an den Gemeinschuldner durch ein Rechtsgeschäft mit demselben oder durch Rechtsabtretung oder Befriedigung eines Gläu­ bigers erworben hat, falls ihm zur Zeit des Er­ werbes bekannt war, daß der Gemeinschuldner seine Zahlungen eingestellt hatte, oder daß die Eröffnung des Verfahrens beantragt war. Die Vorschrift des § 26 findet entsprechende An­ wendung. Die Aufrechnung ist zulässig, wenn der Er­ werber zur Uebernahme der Forderung oder zur Befriedigung des Gläubigers verpflichtet war und zu der Zeit, als er die Verpflichtung ein­ ging, weder von der Zahlungseinstellung noch von dem Eröffnungsantrage Kenntniß hatte. 49. Die Bestimmung des § 42 findet ent­ sprechende Anwendung auf den Fall, daß ein im Auslande wohnender Schuldner nach dem Rechte des Auslandes eine nach § 48 unzulässige Aufrech­ nung mit der im abgetretenen Konkursforderung vornimmt.

Siebenter Titel. Mafsegtauviger. 50. Aus der Konkursmasse sind die Massekosten und Masseschulden vorweg zu berichtigen. 51. Massekosten sind: 1) die gerichtlichen Kosten für das gemeinschaft­ liche Verfahren;

2) die Ausgaben für die Verwaltung, Ver­ werthung und Vertheilung der Masse; 3) die dem Gemeinschuldner und dessen Fami­ lie bewilligte Unterstützung. 52. Masseschulden sind: 1) die Ansprüche, welche aus Geschäften oder Handlungen des Konkursverwalters entstehen; 2) die Ansprüche aus zweiseitigen Verträgen, deren Erfüllung zur Konkursmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Ver­ fahrens erfolgen muß; 3) die Ansprüche aus einer rechtlosen Bereiche­ rung der Masse.

53. Sobald sich herausstellt, daß die Konkurs­ masse znr vollständigen Beftiedigung aller Masse­ gläubiger nicht ausreicht, tritt eine verhältnißmäßige Befriedigung derselben in der Weise ein, daß zunächst die Masseschulden, dann die Masse­ kosten, von diesen zuerst die baaren Auslagen und zuletzt die dem Gemeinschuldner und dessen Familie bewilligte Unterstützung zu berichtigen sind.

Achter Titel. Konkursgläubiger. 54. Die Konkursforderungen werden nach fol­ gender Rangordnung, bei gleichem Range nach

Verhältniß ihrer Beträge, berichtigt: 1) die für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens oder dem Ableben des Gemein­ schuldners rückständigen Forderungen an Lohn,

Kostgeld oder anderen Dienstbezügen der Per­ sonen, welche sich dem Gemeinschuldner für dessen Haushalt, Wirthschaftsbetrieb oder Erwerbsgeschäft zu dauerndem Dienste verdungen hatten; 2) die Forderungen der Reichskasse, der Staatskaffen und der Gemeinden, sowie der Amts-, Kreis- und Provinzialverbände wegen öffentlicher Abgaben, welche im letzten Jahre vor der Er­ öffnung des Verfahrens fällig geworden sind oder nach § 58 als fällig gelten; es macht hierbei keinen Unterschied, ob der Steuererheber die Abgabe bereits vorschußweise zur Kasse entrich­ tet hat; 3) die Forderungen der Kirchen und Schulen, der öffentlichen Verbände und der öffentlichen, zur Annahme der Versicherung verpflichteten Feuerversicherungsanstalten wegen der nach Gesetz oder Verfassung zu entrichtenden Abgaben und Leistungen aus dem letzten Jahre vor der Er­ öffnung des Verfahrens; 4) die Forderungen der Aerzte, Wundärzte, Apotheker, Hebammen und Krankenpfleger wegen Kur- und Pflegekosten aus dem letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens, insoweit der Be­ trag der Forderungen den Betrag der taxmäßigen Gebührnisse nicht übersteigt; 5) die Forderungen der Kinder und der Pflege­ befohlenen des Gemeinschuldners in Ansehung ihres gesetzlich der Verwaltung desselben unter­ worfenen Vermögens; das Vorrecht steht ihnen nicht zu, wenn die Forderung nicht binnen zwei Jahren nach Beendigung der Vermögensverwal­ tung gerichtlich geltend gemacht und bis zur Er­ öffnung des Verfahrens verfolgt worden ist; 6) alle übrigen Konkursforderungen. 55. Mit der Kapitalsforderung werden an der­ selben Stelle angesetzt: 1) die Kosten, welche dem Gläubiger vor der Eröffnung des Verfahrens erwachsen sind; 2) die Vertragsstrafen; 3) die bis zur Eröffnung des Verfahrens aus­ gelaufenen Zinsen.

F. Konkursordnung. B. II. T. I. 56. Im Konkursverfahren können nicht geltend gemacht werden: 1) die seit der Eröffnung des Verfahrens lau­ fenden Zinsen; 2) die Kosten, welche den einzelnen Gläubigern durch ihre Theilnahme an dem Verfahren er­ wachsen ; 3) Geldstrafen; 4) Forderungen aus einer Freigebigkeit des Ge­ meinschuldners unter Lebenden oder von Todes­ wegen. 57. Ein Gläubiger, welcher abgesonderte Be­ friedigung beansprucht, kann die Forderung, wenn der Gemeinschuldner auch persönlich für sie haftet, zur Konkursmasse geldend machen, aus derselben aber nur für den Betrag verhältnißmäßige Be­ friedigung verlangen, zu welchem er auf abgeson­ derte Befriedigung verzichtet, oder mit welchem er bei der letzteren ausgefallen ist. 58. Betagte Forderungen gelten als fällig. Eine betagte unverzinsliche Forderung ver­ mindert sich auf den Betrag, welcher mit Hinzu­ rechnung der gesetzlichen Zinsen desselben für die Zeit von der Eröffnung des Verfahrens bis zur Fälligkeit dem vollen Betrage der Forderung gleichkommt. 59. Forderungen unter auflösender Bedingung werden wie unbedingte- geltend gemacht. 60. Forderungen unter aufschiebender Bedin­ gung berechtigen nur zu einer Sicherung. 61. Wird über das Vermögen mehrerer oder einer von mehreren Personen, welche neben ein­ ander für dieselbe Leistung auf das Ganze haften, das Konkursverfahren eröffnet, so kann der Gläu­ biger bis zu seiner vollen Befriedigung in jedem Verfahren den Betrag geltend machen, den er zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zu fordern hatte. 62. Forderungen, welche nicht auf einen Geld­ betrag gerichtet sind, oder deren Geldbetrag un­ bestimmt oder ungewiß oder nicht in Reichs­ währung festgesetzt ist, sind nach ihrem Schätznngswerthe in Reichswährung geltend zu machen. 63. Wiederkehrende Hebungen zu einem be­ stimmten Betrage und von einer bestimmten Zeit­ dauer werden unter Abrechnung der Zwischen­ zinsen (§ 58) durch Zusammenzählung der einzelnen Hebungen kapitalisirt. Der Gesammtbetrag darf den zum gesetzlichen Zinssätze kapitalisirten Be­ trag derselben nicht übersteigen.

Zweites Buch.

Konkursverfahren. Erster Titel.

Mgemeine Bestimmungen. 64. Für das Konkursverfahren ist das Amts­ gericht ausschließlich zuständig, bei welchem der Gemeinschuldner seinen allgemeinen Gerichts­ stand hat.

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Sind mehrere Gerichte zuständig, so schließt dasjenige, bei welchem zuerst die Eröffnung des Verfahrens beantragt worden ist, die übrigen aus. 65. Die Vorschriften der (Zivilprozeßordnung finden, soweit nicht aus den Bestimmungen dieses Gesetzes sich Abweichungen ergeben, auf das Kon­ kursverfahren entsprechende Anwendung. 66. Die Entscheidungen im Konkursverfahren können ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Die Zustellung geschieht von Amtswegen. Gegen die Entscheidungen im Konkursverfahren findet, soweit dieses Gesetz nicht ein Anderes be­ stimmt, die sofortige Beschwerde statt. 67. Das Konkursgericht kann zur Aufklärung aller das Verfahren betreffenden Verhältnisse die erforderlichen Ermittelungen,17 insbesondere die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen anordnen. 68. Die öffentlichen Bekanntmachungen erfolgen durch mindestens einmalige Einrückung in das zur Veröffentlichung amtlicher Bekanntmachungen des Gerichts bestimmte Blatt,18 die Einrückung kann auszugsweise geschehen. Die Bekanntmachung gilt als bewirkt mit dem Ablaufe des zweiten Tages nach der Ausgabe des die Einrückung oder die erste Einrückung enthaltenden Blattes. Das Gericht kann weitere Bekanntmachungen anordnen. Die öffentliche Bekanntmachung gilt als Zu­ stellung an alle Betheiligten, auch wenn dieses Gesetz neben ihr eine besondere Zustellung vor­ schreibt. 69. Wenn neben der öffentlichen Bekanntmachung eine besondere Zustellung vorgeschrieben ist, so kann dieselbe durch Aufgabe zur Post19 bewirkt werden. Einer Beglaubigung der Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks bedarf es nicht. Die dem Verwalter obliegenden Mittheilungen können unmittelbar und ohne besondere Form ge­ schehen. 70. Der Konkursverwalter wird von dem Ge­ richte ernannt. Das Gericht kann demselben die Leistung einer Sicherheit auferlegen. 71. Wenn die Verwaltung verschiedene Ge­ schäftszweige umfaßt, so können mehrere Konkurs­ verwalter ernannt werden. Jeder von ihnen ist in seiner Geschäftsführung selbstständig. 72. In der auf die Ernennung eines Ver­ walters folgenden Gläubigerversammlung können die Konkursgläubiger statt des Ernannten eine andere Person wählen. Das Gericht kann die Ernennung des Gewählten versagen. 17. In dieser Hinsicht sind die Artt. 37 Satz 1, 38, 40, 79 Abs. 1 H.-G.B. durch § 3 Abs. 1 E.-G. z. K.-O. aufrecht erhalten. 18. Vgl. Art. 23 D. v. 17. Febr. 1852 ii. unten §§ 103, 105. 19. Vgl. §§ 161, 175 C.-P. L.

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F. Konkursordnung. B. II. T. I.

73. Der Name des Verwalters ist öffentlich be­ kannt zu machen. Dem Verwalter ist eine urkundliche Bescheini­ gung seiner Ernennung zu ertheilen. Er hat die­ selbe bei der Beendigung seines Amts dem Ge­ richte zurückzureichen. 74. Der Verwalter hat die Sorgfalt eines or­ dentlichen Hausvaters anzuwenden. 75. Der Verwalter steht unter der Aufsicht des Konkursgerichts.

76. Das Gericht kann gegen den Verwalter Ordnungsstrafen bis zu zweihundert Mark fest­ setzen. Es kann denselben vor der auf seine Er­ nennung folgenden Gläubigerversammlung von Amtswegen, später nur auf Antrag der Gläubiger­ versammlung oder des Gläubigerausschusses seines Amts entlassen. Vor der Entscheidung ist der Verwalter zu hören. 77. Der Verwalter hat Anspruch auf Erstattung angemessener baarer Auslagen und auf Vergütung für seine Geschäftsführung. Die Festsetzung der Auslagen und die Vergütung erfolgt durch das Konkursgericht.

78. Der Verwalter hat bei der Beendigung seines Amts einer Gläubigerversammlung Schluß­ rechnung zu legen. Die Rechnung muß mit den Belegen und, wenn ein Gläubigerausschnß bestellt ist, mit dessen Bemerkungen spätestens drei Tage vor dem Termine auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Betheiligten niedergelegt werden. Der Gemeinschuldner, jeder Konkursgläubiger und der nachfolgende Verwalter sind berechtigt, Ein­ wendungen gegen die Rechnung zu erheben. So­ weit in dem Termine Einwendungen nicht er­ hoben werden, gilt die Rechnung als anerkannt. 79. Vor der ersten Gläubigerversammlung kann das Gericht aus der Zahl der Gläubiger oder der Vertreter von Gläubigern einen Gläubiger­ ausschuß bestellen. Die Gläubigerversammlung hat über die Be­ stellung eines Gläubigerausschusses zu beschließen. Die Mitglieder des Gläubigerausschnsses sind von der Gläubigerversammlung zu wählen. Zu Mit­ gliedern können Gläubiger oder andere Personen gewählt werden.

80. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben den Verwalter bei seiner Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen. Dieselben können sich von dem Gange der Geschäfte unter­ richten, die Bücher und Schriften des Verwalters einsehen und den Bestand seiner Kasse unter­ suchen. Der Gläubigerausschuß ist berechtigt, von dem Verwalter Berichterstattung über die Lage der Sache und die Geschäftsführung zu verlangen. Er ist verpflichtet, die Untersuchung der Kasse des Verwalters wenigstens ein Mal in jedem Monate durch ein Mitglied vornehmen zu lassen.

81. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters anzuwendeu. 82. Ein Beschluß des Gläubigerausschusses ist gültig, nenn die Mehrheit der Mitglieder an der Beschlußfassung Theil genommen hat, und der Beschluß mit absoluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt ist. 83. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben Anspruch auf Erstattung angemessener baarer Auslagen und auf Vergütung für ihre Geschäftsführung. In Ermangelung einer Eini­ gung mit der Gläubigerversammlung erfolgt die Festsetzung der Auslagen und der Vergütung durch das Konkursgericht. 84. Die durch das Gericht erfolgte Bestellung zum Mitgliede des Gläubigerausschusses kann von dem Gerichte, die durch die Gläubigerversammlung erfolgte Bestellung zum Mitgliede des Gläubiger­ ausschusses durch Beschluß der Gläubigerversamm­ lung widerrufen werden. 85. Ueber die Berufung der Gläubigerverfammlung beschließt das Gericht. Die Berufung muß erfolgen, wenn sie von dem Verwalter, dem Gläubigerausschusse oder von mindestens fünf Konkursgläubigern, deren Forderungen nach der Schätzung des Gerichts den fünften Theil der Schuldenmasse erreichen, beantragt wird. Die Berufung muß öffentlich bekannt gemacht werden. Der öffentlichen Bekanntmachung bedarf es nicht, wenn in einer Gläubigerversammlung eine Vertagung der Verhandlung angeordnet wird. 86. Die Gläubigerversammlung findet unter der Leitung des Gerichts statt. Die Beschlüsse der Gläubigerversammlung werden mit absoluter Mehrheit der Stimmen ge­ faßt. Für die Wahl der Mitglieder des Gläubiger­ ausschusses genügt relative Mehrheit der Stimmen. Die Stimmenmehrheit ist nach den Forderungs­ beträgen zu berechnen. Bei Gleichheit der Summen entscheidet die.Zahl der Gläubiger. 87. Zur Theilnahme an den Abstimmungen berechtigen die festgestellten Konkursforderungen-. In Ansehung einer streitig gebliebenen Forderung wird bei der Prüfung mit den Parteien erörtert, ob und zu welchem Betrage ein bleibendes Stimmrecht für dieselbe zu gewähren ist. In Er­ mangelung einer Einigung entscheidet das Kon­ kursgericht. Das Gericht kann die Entscheidung auf den weiteren Antrag einer Partei abändern. Ob und zu welchem Betrage nicht geprüfte Konkursforderungen zum Stimmen in einer Gläubigerversammlung berechtigen, entscheidet auf den Widerspruch eines Konkursgläubigers oder des Verwalters das Gericht. Eine Anfechtung der Entscheidungen findet nicht

statt. 88. Ob und zu welchem Betrage Forderungen, für welche abgesonderte Befriedigung beansprucht wird, in Ansehung ihres muthmaßlichen Ausfalls,

F. Konkursordnung. B. II. T. II.

sowie Konkursforderungen unter aufschiebender Bedingung zum Stimmen in einer Gläubiger­ versammlung berechtigen, enscheidet auf den Widerspruch eines Konkursgläubigers oder des Verwalters das Gericht. Eine Anfechtung der Entscheidung findet nicht statt. 89. Gezählt werden nur die Stimmen der in der Gläubigerversammlung erschienenen Gläubiger. Die nicht erschienenen Gläubiger sind an die Be­ schlüsse gebunden. 90. Der Gegenstand, über welchen in der Gläubigerversammlung ein Beschluß gefaßt werden soll, muß bei der Berufung derselben öffentlich bekannt gemacht werden. 91. Das Gericht hat die Ausführung eines von der Glüubigerversammlung gefaßten Beschlusses auf den in der Gläubigerversammlung gestellten Antrag des Verwalters oder eines überstimmten Gläubigers zu untersagen, wenn der Beschluß dem gemeinsamen Interesse der Konkursgläubiger widerspricht. 92. Der Gemeinschuldner ist verpflichtet, dem Verwalter, dem Gläubigerausschusse und auf Anordnllng des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. 93. Der Gemeinschuldner darf sich von seinem Wohnorte nur mit Erlaubniß des Gerichts ent­ fernen. Das Gericht kann die zwangsweise Vorführung und nach Anhörung des Gemeinschuldners die Haft desselben anordnen, wenn er die ihm von dem Gesetze auferlegten Pflichten nicht erfüllt, oder wenn es zur Sicherung der Masse noth­ wendig erscheint.

Zweiter Titel.

KröffnungsverfaHren.20 94. Die Eröffnung des Konkursverfahrens setzt die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners voraus. Zahlungsunfähigkeit ist insbesondere anzu­ nehmen, wenn Zahlungseinstellung erfolgt ist. 95. Das Verfahren kann nur auf Antrag eröffnet werden. Zu dem Anträge ist der Gemeinschuldner und jeder Konkursgläubiger berechtigt. 96. Beantragt der Gemeinschuldner die Eröff­ nung des Verfahrens, so hat er ein Verzeichniß der Gläubiger und Schuldner, sowie eine Ueber­ sicht der Vermögensmasse bei Stellung des An­ trags einzureichen oder, wenn dies nicht thunlich ist, ohne Verzug nachzuliefern.

20. Wegen der mit der Konkurseröffnung verbundenen Einschränkung der politischen u. bürgerlichen Rechte vgl. 8 31 A.-G. z. C.-P.-L., K.-O. u. St.-P.-O. (unter D „Civil­ st rozeß").

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97. Der Antrag eines Gläubigers auf Eröff­ nung des Verfahrens ist zuzulassen, weun die Forderung des Gläubigers und die Zahlungs­ unfähigkeit des Gemeinschuldners glaubhaft ge­ macht werden. Wird der Antrag zugelaffen, so hat das Gericht den Schuldner zu hören und sofern dieser nicht seine Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung einräumt, die erforderlichen Ermittelungen anzu­ ordnen. Die Anhörung des Schuldners kann unter­ bleiben, wenn sie eine öffentliche Zustellung oder eine Zustellung im Auslande erfordert; in diesem Falle ist, soweit thunlich, ein Vertreter oder An­ gehöriger des Schuldners zu hören. 98. Das Gericht kann die zwangsweise Vor­ führung und die Haft des Schuldners anordncn. Dasselbe kann alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen. Es kann insbesondere ein allgemeines Veräußerungs­ verbot an den Schuldner erlassen. Wird das Verbot öffentlich bekannt gemacht, so findet aus Pfand- und Hypothekenrechte, welche im Wege der Zwangsvollstreckung oder des Arrestes nach der Bekanntmachung des Verbots erworben oder ein­ getragen worden sind, die Bestimmung des § 12

entsprechende Anwendung. Bei der Abweisung des Erösfnungsantrags sind die angeordneten Sicherheitsmaßregeln auf­

zuheben. 99. Die Abweisung - des Eröffnungsantrags kann erfolgen, wenn nach dem Ermessen des Gerichts eine den Kosten des Verfahrens ent­ sprechende Konkursmasse nicht vorhanden ist. 100. Der Eröffnungsbeschluß hat die Stunde der Eröffnung anzugeben. Ist dies versäumt worden, so gilt als Zeitpunkt der Eröffnung die Mittagsstunde des Tages, an welchem der Beschluß erlassen ist. 101. Die sofortige Beschwerde steht gegen den Eröffnungsbeschluß nur dem Gemeinschuldner, gegen den abweisenden Beschluß nur demjenigen zu, welcher den Eröffnungsantrag gestellt hat. 102. Bei der Eröffnung des Konkursverfahrens ernennt das Gericht den Konkursverwalter, ver­ ordnet einen nicht über einen Monat hinauszu­ setzenden Termin zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Verwalters sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses, erläßt den offenen Arrest und bestimmt die Anmeldefrist und den allgemeinen Prüfungstermin. Das Gericht kann die Termine verbinden, wenn die Konkursmasse von geringerem Betrage oder der Kreis der Konkursgläubiger von geringerem Umfange ist. 103. Der Gerichtsschreiber hat die Formel des Eröffnungsbeschluffes, den offenen Arrest, die Anmeldefrist und die Termine sofort öffentlich

bekannt zu machen. Die Bekanntmachung ist, unbeschadet der Vor-

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F. Konkursordnung. B. II. T. III.

schriften des § 68 Absatz 1, auszugsweise in den Deutschen Reichsanzeiger einzurücken. An die ihrem Wohnorte nach bekannten Gläu­ biger und Schuldner des Gemeinschuldners erfolgt besondere Zustellung. 104. Der Gerichtsschreiber hat unter Bezeich­ nung des Konkursverwalters beglaubigte Ab­ schriften der Formel des Eröffnungsbeschlusses den Behörden für die Führung des Handels­ oder Genoffenschaftsregisters oder ähnlicher Register und der Dienstbehörde des Gemeinschuldners mitzutheilen. 105. Sobald eine den Eröffnungsbeschluß auf­ hebende Entscheidung die Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich be­ kannt zu machen. Die Vorschriften der §§ 103 Absatz 2, 104 finden entsprechende Anwendung. 106. Inwiefern die Eröffnung oder Aufhebung des Konkursverfahrens in das Grund - oder Hypothekenbuch einzutragen, und wie eine solche Eintragung zu bewirken ist, bestimmt sich nach den Landesgesetzen. 2i

Dritter Titel. Hheitungsmasse. 107. Nach der Eröffnung des Verfahrens hat der Verwalter das gesummte zur Konkursmasse gehörige Vermögen sofort in Besitz und Verwal­ tung zu nehmen und dasselbe zu verwerthen. 22 108. Durch den offenen Arrest wird allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, aufgegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch' die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter inner­ halb einer bestimmten Frist Anzeige zu machen. 109. Wer die Anzeige über den Besitz von Sachen des Gemeinschuldners innerhalb der

bestimmten Frist zu machen unterläßt, haftet für allen aus der Unterlassung oder Verzögerung der Anzeige entstehenden Schaden. 110. Gläubiger, welche abgesonderte Befrie­ digung aus einer in ihrem Besitze befindlichen Sache beanspruchen, haben dem Verwalter auf dessen Verlangen die Sache zur Ansicht vorzu­ zeigen und die Abschätzung derselben zu gestatten. 111. Die Post- und Telegraphenanstalten sind verpflichtet, auf Anordnung des Konkursgerichts alle für den Gemeinschuldner eingehenden Sen­ dungen, Briefe und Depeschen dem Verwalter auszuhändigen. Dieser ist zur Eröffnung derselben berechtigt. Der Gemeinschuldner kann die Einsicht 21. Hierüber bestimmt § 30 A.-G. z. C.-P.-O., K.-O. u. St.-P. O. 22. Wegen der zur Versteigerung berechtigten Beamten vgl. Art. 4 G. v. 25. Juni 1841 11. Art. 486 fr. H.-G.-B.

und, wenn ihr Inhalt die Masse nicht betrifft, die Herausgabe derselben verlangen. Das Gericht kann die Anordnung auf Antrag des Gemeinschuldners nach Anhörung des Ver­ walters aufheben oder beschränken. 112. Der Verwalter kann zur Sicherung der zur Konkursmasse gehörigen Sachen durch eine zur Vornahme solcher Handlungen gesetzlich ermächtigte Person siegeln lassen. Die Geschäftsbücher des Gemeinschuldners sind durch den Gerichtsschreiber zu schließen. 113. Der Verwalter hat die einzelnen zur Konkursmaffe gehörigen Gegenstände unter Angabe ihres Werths aufzuzeichnen. Der Werth ist erfor­ derlichen Falls durch Sachverständige zu ermitteln. Bei der Aufzeichnung ist eine obrigkeitliche oder eine Urkundsperson zuzuziehen. Der Gemein­ schuldner ist zuzuziehen, wenn er ohne Aufschub zu erlangen ist. Auf Antrag des Verwalters und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, des letzteren, kann das Gericht gestatten, daß die Aufzeichnung unter­ bleibe oder ohne Zuziehung einer obrigkeitlichen oder einer Urkundsperson vorgenommen werde. 114. Dem Verwalter liegt die Anfertigung eines Inventars und einer Bilanz ob. Derselbe hat eine von ihm gezeichnete Abschrift des Inventars und der Bilanz und, wenn eine Siegelung und Ent-

siegelung stattgefunden hat, die Protokolle über dieselben auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Bethetliglen niederzulegen. 115. Nach der Anfertigung des Inventars kann der Verwalter oder ein Konkursgläubiger den Gemeinschuldner in eine Sitzung des Amtsgerichts, bei welchem das Konkursverfahren anhängig ist, zur Leistung des Offenbarungseides laden. 116. Die Zwangsverwaltung und die Zwangs­ versteigerung der zur Masse gehörigen unbeweg­ lichen Gegenstände kann bei der zuständigen Behörde durch den Konkursverwalter betrieben werden.23 21 22 117. Der Verwalter ist berechtigt, die Ver­ werthung eines zur Masse gehörigen beweglichen Gegenstandes, an welchem ein Gläubiger ein Faustpfandrecht oder ein diesem gleichstehendes Recht beansprucht, nach Maßgabe der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Der Gläubiger kann einer solchen Verwerthung nicht widersprechen, vielmehr seine Rechte nur auf den Erlös geltend machen. Ist der Gläubiger befugt, sich aus dem Gegen­ stände ohne gerichtliches Verfahren zu befriedigen, so kann auf Antrag des Verwalters das Kon­ kursgericht dem Gläubiger nach dessen Anhörung eine Frist bestimmen, innerhalb welcher er den 23. Wegen der Form der freiwilligen Versteigerungen durch Notare vgl. § 32 A.-G. z. C.-P.-O., K.-O. u. Sr.-P.O., u. wegen der Zwangsverwaltung die Bem. zu § 757 C.-P.-O. Ueber den Verkauf aus freier Hand bestimmt § 122.

F. Konkursordnung. B. II. T. IV. Gegenstand zu verwerthen hat. Nach dem Ablaufe der Frist findet die Vorschrift des ersten Absatzes Anwendung. 118. Bis zur Beschlußfassung durch eine Gläu­ bigerversammlung kann der Verwalter mit Geneh­ migung des Gerichts oder, wenn von dem Gerichte ein Gläubigerausschuß bestellt ist, mit dessen Genehmigung dem Gemeinschuldner und der Familie desselben nothdürftigen Unterhalt aus der Konkursmasse gewähren. Bis zur Beschlußfassung durch eine Gläubiger­ versammlung hat der Verwalter nach seinem Ermessen das Geschäft des Gemeinschuldners zu schließen oder fortzuführen und die Gelder, Werthpapiere und Kostbarkeiten nach Anordnung des Gerichts zu hinterlegen.24 25Ist 26 von dem Gerichte ein Gläubigerausschuß bestellt, so beschließt dieser über die Schließung oder die Fortführung des Geschäfts und über die Hinterlegung der Gelder, Werthpapiere und Kostbarkeiten. 119. In der ersten Gläubigerversammlung hat der Verwalter über die Entstehung der Zahlungs­ unfähigkeit des Gemeinschuldners, über die Lage der Sache und über die bisher ergriffenen Maß­ regeln zu berichten. 120. Die Gläubigerversammlung beschließt über eine dem Gemeinschuldner und dessen Familie zu bewilligende Unterstützung, über die Schließung oder die Fortführung des Geschäfts und über die Stelle, bei welcher, sowie über die Bedingungen, unter welchen die Gelder, Werthpapiere und Kostbarkeiten hinterlegt ^ oder angelegt werden sollen. Die Glüubigerversammlung beschließt, in welcher Weise und in welchen Zeiträumen der Verwalter ihr oder einem Äläübigerausschusse über die Ver­ waltung und Verwerthung der Masse Bericht erstatten mit) Rechnung legen soll. 121. Der Verwalter hat, falls ein Gläubiger­ ausschuß bestellt ist, dessen Genehmigung ein­ zuholen : 1) wenn Gegenstände, deren Verkauf ohne offenbaren Nachtheil für die Masse ausgesetzt werden kann und nicht durch die Fortführung des Geschäfts veranlaßt wird, verkauft werden sollen, bevor der allgemeine Prüfungstermin ab­ gehalten oder ein vor dem Schluffe desselben eingereichter Zwangsvergleichsvorschlag erledigt ist: 2) wenn die Erfüllung von Rechtsgeschäften des Gemeinschuldners verlangt, Prozesse anhängig gemacht, deren Aufnahme abgelehnt, Vergleiche oder Schiedsverträge geschlossen, Aussonderungs-, Absonderungs- oder Masseansprüche anerkannt, Pfandstücke eingelöst, oder Forderungen veräußert werden sollen, und es sich in diesen Fällen um

24. Das Gericht ist bei dieser Anordnung nicht an die Borschriften der Ord. v. 3. Jnli 1816 u. das G. v. 1. Nov. 1872 gebunden.

25. Vgl. Bem. zu 8 118.

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einen Werthgegenstand von mehr als dreihundert Mark handelt.

122. Der Verwalter hat die Genehmigung des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, die Genehmigung einer Gläubiger­ versammlung einzuholen: 1) wenn ein unbeweglicher Gegenstand aus freier Hand 26, oder das Geschäft des Gemeinschuldners im Ganzen, oder das Recht auf den Bezug wiederkehrender Einkünfte veräußert werden soll; 2) wenn Erbschaften oder Vermächtnisse für die Masse aufgegeben, oder wenn Darlehen auf-» genommen, fremde Verbindlichkeiten übernommen, zur Masse gehörige Gegenstände verpfändet, oder Grundstücke erstanden werden sollen. 123. Der Verwalter hat in den Fällen der §§ 121, 122 vor der Beschlußfassung des Gläubigerausschuffes oder der Gläubigerversammlung, und in den Fällen des § 121, wenn ein Gläu­ bigerausschuß nicht bestellt ist, vor der Vornahme der Rechtshandlung dem Gemeinschuldner, sofern derselbe ohne Aufschub zu erlangen ist, von der beabsichtigten Maßregel Mittheilung zu machen. Das Gericht kann aus Antrag des Gemein­ schuldners, sofern nicht die Gläubigerversammlung die Genehmigung ertheilt hat, die Vornahme der Rechtshandlung vorläufig untersagen und zur Beschlußfassung über die Vornahme eine Glüubi­ gerversammlung berufen. 124. Durch die Vorschriften der §§ 121 bis 123 wird die Gültigkeit einer Rechtshandlung des Verwalters dritten Personen gegenüber nicht berührt. 125. Wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, und die Gläubigerversammlung nicht ein Anderes beschließt, bedürfen Quittungen des Verwalters über den Empfang von Geldern, Werthpapieren oder Kostbarfoiten von der Hinterlegungsstelle und Anweisungen des Verwalters auf die Hinter­ legungsstelle zu ihrer Gültigkeit der Mitzeichnung eines Mitgliedes des Gläubigerausschuffes.

Vierter Titel. Schutdenmasse. 126. Die Frist zur Anmeldung der Konkurs­ forderungen beträgt drei Wochen bis drei Monate. Der Zeitraum zwischen dem Ablaufe der Anmel­ defrist und dem allgemeinen Prüfungstermine soll mindestens eine Woche und höchstens zwei Monate

betragen. 127. Die Anmeldung hat die Angabe des Betrages und des Grundes der Forderung sowie des beanspruchten Vorrechts zu enthalten. Sie kann bei dem Gerichte schriftlich eingereicht oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers angebracht werden. Die urkundlichen Beweisstücke oder eine Abschrift derselben sind beizufügen. 26. Vgl. Bem. zu § 116.

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F. Konkursordnung. B. II. T. V.

128. Die Anmeldungen sind in der Gerichts-fchreiberei zur Einsicht der Betheiligten niederzutegen. Der Gerichtsschreiber hat jede Forderung sofort nach der 'Anmeldung derselben in der Rang­ ordnung des beanspruchten Vorrechts in eine Tabelle einzutragen, welche innerhalb des ersten Drittheils des zwischen dem Ablaufe der Anmel­ defrist und dem Prüfungstermine liegenden Zeit­ raums auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Betheiligten niederzulegen und abschriftlich dem 'Verwalter mitzutheilen ist. 129. In dem Prüfungstermine werden die an­ gemeldeten Forderungen ihrem Betrage und ihrem Vorrechte nach einzeln erörtert. Der Gemeinschuldner hat sich über die Forde­ rungen zu erklären. 130. In dem Prüfungstermine sind auch die­ jenigen Forderungen, welche nach dem Ablaufe der Anmeldefrist angemeldet sind, zu prüfen, wenn weder der Verwalter noch ein Konkursgläubiger hiergegen Widerspruch erhebt; anderenfalls ist auf Kosten des Säumigen ein besonderer Prüsungstermin zu bestimmen. Auf nachträglich beanspruchte Vorrechte und sonstige Aenderungen der Anmeldung findet die vorstehende Bestimmung entsprechende Anwendung. Gläubiger, welche Forderungen nach dem Prü­ fungstermine anmelden, tragen die Kosten des besonderen Prüfungstermins. 131. Die Prüfung einer angemeldeten Forde­ rung findet statt, wenn gleich der anmeldende Gläubiger im Prüfungstermine ausblcibt. 132. Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermine ein Widerspruch weder von dem Verwalter noch von einem Kon­ kursgläubiger erhoben wird, oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Ist die Forderung vom Gemeinschuldncr im Prüsungstermine bestritten, so kann ein Rechts­ streit, welcher über dieselbe zur Zeit der Eröff­ nung des Konkursverfahrens anhängig war, gegen den Gemeinschuldner ausgenommen werden. 133. Das Gericht hat nach der Erörterung einer jeden Forderung das Ergebniß in die Tabelle einzutragen. Auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden ist von dem Gerichtsschreiber die Feststellung zu vermerken. Die Eintragung in die Tabelle gilt rücksichtlich der festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Vorrechte nach wie ein rechtskräftiges Urtheil gegenüber allen Konkursgläubigern. 134. Den Gläubigern streitig gebliebener For­ derungen bleibt überlassen, die Feststellung der­ selben gegen die Bestreitenden zu betreiben. diesem Behufe hat das Gericht den Gläubigern einen Auszug aus der Tabelle in beglaubigter Form zu ertheilen. Auf die Feststellung ist im ordentlichen Ver­ fahren Klage zu erheben. Für die Klage ist das

Amtsgericht, bei welchem das Konkursverfahren anhängig ist, und wenn der Streitgegenstand zur Zuständigkeit der Amtsgerichte nicht gehört, das Landgericht ausschließlich zuständig, zu dessen Be­ zirke der Bezirk des Konkursgerichts gehört. War zur Zeit der Eröffnung des Konkurs­ verfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so ist die Feststellung derselben durch Aufnahme des Rechtsstreits zu verfolgen. Die Feststellung kann nur auf den Grund gestützt und nur auf den Betrag gerichtet werden, welcher in der Anmeldung oder dem Prüfungs­ termine angegeben ist. Die Bestimmungen des ersten, dritten und vierten Absatzes finden auf Forderungen, für deren Feststellung ein besonderes Gericht, eine Verwaltungsbehörde oder ein Verwaltungsgericht zuständig ist, entsprechende Anwendung. Der Widerspruch gegen eine Forderung, für welche ein mit der Vollstreckungsklaufel versehener Schuldtitel, ein Enduriheil oder ein Vollstreckungs­ befehl vorliegt, ist von dem Widersprechenden zu verfolgen. Die obsiegende Partei hat die Berichtigung der Tabelle zu erwirken. 135. Soweit durch ein Urtheil rechtskräftig eine Forderung festgestellt oder ein Widerspruch für begründet erklärt ist, wirkt dasselbe gegenüber allen Konkursgläubigern. War der Prozeß nur gegen einzelne Gläubiger geführt, so können diese den Ersatz ihrer Prozeßkosten aus der Konkurs­ masse insoweit verlangen, als der letzteren durch das Urtheil ein Vortheil erwachsen ist. 136. Der Werth des Streitgegenstandes eines Prozesses über die Richtigkeit oder das Vorrecht einer Forderung ist mit Rücksicht auf das Ver­ hältniß der Theilungs- zur Schuldenmasse von dem Prozeßgerichte nach freiem Ermessen festzu­ setzen. Fünfter Titel.

I»ertheikung. 137. Nach der Abhaltung des allgemeinen Prüfungstermins soll, so oft hinreichende baare Masse vorhanden ist, eine Verkeilung an die Konkursgläubiger erfolgen. 138. Zur Vornahme einer Vertheilung hat der Verwalter, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, dessen Genehmigung einzuholen. 139. Vor der Vornahme einer Vertheilung hat der Verwalter ein Verzeichniß der bei derselben zu berücksichtigenden Forderungen auf der Gerichts­ schreiberei zur Einsicht der Betheiligten niederzu­ legen und die Summe der Forderungen sowie den zur Vertheilung verfügbaren Massebestand öffent­ lich bekannt zu machen. 140. Konkursgläubiger, deren Forderungen nicht festgestellt sind und für deren Forderungell ein mit der Vollstreckungsklausel versehener Schuld­ titel, ein Endurtheil oder ein Vollstreckungsbefehl

F. Konkursordnung. B. II. T. V.

nicht vorliegt, haben bis zum Ablaufe einer Aus­ schlußfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung dem Verwalter den Nachweis zu führen, daß und für welchen Betrag die Fest­ stellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Prozesse ausgenommen ist. Wird der Nachweis nicht rechtzeitig geführt, so werden die Forderungen bei der vorzunehmenden Bertheilung nicht berücksichtigt. 141. Gläubiger, von welchen abgesonderte Be­ friedigung beansprucht wird, haben bis zum Ab­ laufe der Ausschlußfrist dem Verwalter den Nachweis ihres Verzichts oder ihres Ausfalls nach Maßgabe des § 57 zu führen. Wird der Nachweis nicht rechtzeitig geführt, so werden die Forderungen bei der vorzunehmenden Vertheilung

nicht berücksichtigt. Zur Berücksichtigung bei einer Abschlagsvertheilung genügt es, wenn bis zum Ablaufe der Ausschlußfrist dem Verwalter der Nachweis, daß die Veräußerung des zur abgesonderten Befriedi­ gung dienenden Gegenstandes betrieben ist, geführt und der Betrag des muthmaßlichen Ausfalls glaubhaft gemacht wird. 142. Forderungen unter aufschiebender Be­ dingung werden bei einer Abschlagsvertheilung zu dem Betrage berücksichtigt, welcher auf die unbe­

dingte Forderung fallen würde. Bei der Schlußvertheilung findet ihre Berück­ sichtigung nur statt, sofern dem Verwalter bis zum Ablaufe der Ausschlußfrist der Eintritt der Bedingung nachgewiejcn wird, oder soweit der Gemeinschuldner zu einer Sicherheitsleistung ver­ pflichtet war. 143. Gläubiger, welche bei einer Abschlags­ vertheilung nicht berücksichtigt worden sind, können nachträglich, sobald sie die Vorschriften der §§ 140, 141 erfüllt haben, die bisher festgesetzten Prozent­ sätze aus der Restmasse verlangen, soweit diese reicht und nicht in Folge des Ablaufs einer Ausschlußsrist für eine neue Vertheilung zu ver­ wenden ist. 144. Die Antheile, mit welchen Gläubiger nach Maßgabe des § 141 Absatz 2 oder des § 142 Absatz 1 bei Abschlagsvertheilungen berücksichtigt worden sind, werden für die Schlußvertheilung frei, wenn bei dieser die Voraussetzungen des § 141 Absatz 1 oder des § 142 Absatz 2 nicht erfüllt sind. 145. Binnen drei Tagen nach dem Ablaufe der Ausschlußfrist hat der Verwalter die auf Grund der vorstehenden Bestimmungen erforder­ lichen Aenderungen des Verzeichnisses zu bewirken.

146. Bei einer Abschlagsvertheilung sind Ein­ wendungen gegen das Verzeichniß bis zum Ablaufe einer Woche nach dem Ende der Ausschlußfrist bei dem Konkursgerichte zu erheben. Das Gericht entscheidet über die Einwendungen. Die Entscheidung, durch welche eine Berichtigung des Verzeichnisses angeordnet wird, ist auf der

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Gerichtsschreiberei niederzulegen. Die Beschwerde­ frist beginnt mit dem Tage, an welchem die Niederlegung der Entscheidung erfolgt ist. 147. Für eine Abschlagsvertheilung bestimmt der Verwalter und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, dieser auf Antrag des Verwalters den zu zahlenden Prozentsatz. Der Verwalter hat den Prozentsatz den berück­ sichtigten Gläubigern mitzutheilen. 148. Das Gericht kann auf Antrag des Gemein­ schuldners, wenn derselbe einen Zwangsvergleich vorgeschlagen hat, die Aussetzung einer Abschlags­ vertheilung anordnen, sofern nicht schon die Aus­ schlußfrist abgelaufen ist. 149. Die Schlußvertheilung erfolgt, sobald die Verwerthung der Masse beendigt ist. Die Vornahme der Schlußvertheilung unterliegt der Genehmigung des Gerichts. 150. Zur Abnahme der Schlußrechnung, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeichniß und zur Beschlußfassung der Gläubiger über die nicht verwerthbaren Bermögensstücke bestimmt das Gericht einen Schlußtermin, welcher nicht unter drei Wochen und nicht , über einen Monat hinaus anzuberaumen ist. Die Bestimmungen des § 146 Absatz 2 finden auf die Schlußvertheilung Anwendung. 151. Nach der Abhaltung des Schlußtermins beschließt das Gericht die Aufhebung des Konkurs­ verfahrens. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekannt zu machen. Die Vorschriften der §§ 103 Absatz 2,104, 106 finden entsprechende Anwendung. 2? 152. Nach der Aufhebung des Konkursver­ fahrens können die nicht befriedigten Konkurs­ gläubiger ihre Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen. Für die Gläubiger, deren Forderungen sestgestellt und nicht von dem Gemeinschuldner im Prüfungstermine ausdrücklich bestritten worden find, findet gegen den Schuldner aus der Ein­ tragung in die Tabelle die Zwangsvollstreckung unter entsprechender Anwendung der §§ 662 bis 701 der Civilprozeßordnung statt. Für Klagen auf Ertheilung der Vollstreckungsklausel, sowie für Klagen, durch welche die die Forderung selbst betreffenden Einwendungen gel­ tend gemacht werden, oder der bei der Ertheilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenom­ mene Eintritt der Thatsache, von welcher die Vollstreckung- aus der Eintragung in die Tabelle abhüngt, oder die als eingetreten angenommene Rechtsnachfolge bestritten wird, ist das im § 134 Absatz 2 dieses Gesetzes bezeichnete Gericht zu­ ständig. 27. Ueber Löschung des Konkursvermerks im Hypotheken­ buche bestimmt § 30 A.-G. z. C.-P.-O., u. St.-P. O. (unter D „Civilprozeß").

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F. Konkursordnung. B. II. T. VI.

153. Wenn nach dem Vollzüge der Schlußvertheilung Beträge, welche von der Masse zurück­ behalten sind, für dieselbe frei werden, oder Be­ träge, welche aus der Masse gezahlt sind, zur Masse zurückfließen, so sind dieselben von dem Verwalter nach Anordnung des Konkursgerichts auf Grund des Schlußverzeichnisses zur nachträg­ lichen Vertheilung zu bringen. Die über die Ver­ waltung und Vertheilung solcher Beträge ab­ zulegende Rechnung unterliegt der Prüfung des Konkursgerichts. Dasselbe gilt, wenn nach der Schlußvertheilung oder der Aufhebung des Verfahrens zur Konkursmasse gehörige Vermögensstücke ermittelt werden. 154. Der Vollzug einer jeden Vertheilung er­ folgt durch den Verwalter. 155. Die Antheile 1) auf Forderungen, welche in Folge eines bei der Prüfung erhobenen Widerspruchs im Prozesse befangen sind, 2) auf Forderungen, welche von einer auf­ schiebenden Bedingung abhängen, 3) auf Forderungen, für welche eine abge­ sonderte Befriedigung beansprucht und der Vorschrift des § 141 Absatz 2 genügt ist, 4) auf Forderungen unter auflösender Be­ dingung, sofern der Gläubiger zu einer Sicherheitsleistung verpflichtet ist und die Sicherheit nicht leistet, werden zurückbehalten. 156. Die Beträge, welche bei dem Vollzüge der Schlußvertheilung zurückzubehalten sind, oder welche bis zu diesem Zeitpunkte nicht erhoben werden, hat der Verwalter nach Anordnung des Gerichts für Rechnung der Betheiligten zu hin­ terlegen. 28 157. Zahlungen auf festgestellte bevorrechtigte Forderungen kann der Verwalter mit Ermäch­ tigung des Gerichts unabhängig von den Ber­ theilungen leisten. 158. Beträge, welche zur Sicherstellung eines bedingt zur Aufrechnung befugten Gläubigers nach Maßgabe des § 47 Absatz 3 hinterlegt worden sind, fließen zur Konkursmasse zurück, sofern nicht bis zum Ablaufe der Ausschlußfrist für die Schlußvertheilung dem Verwalter der Eintritt der Bedingung nachgewiesen wird, oder soweit nicht der Gemeinschuldner zu einer Sicherheits­ leistung verpflichtet war. 159. Masseansprüche, welche nicht bis zu der Festsetzung des Prozentsatzes oder der Beendi­ gung des Schlußtermins oder der Bekannt­ machung einer Nachtragsvertheilung zur Kennt­ niß des Verwalters gelangt sind, können nicht auf den Massebestand geltend gemacht werden, welcher zur Auszahlung des festgesetzten Pro­ zentsatzes erforderlich ist oder den Gegenstand 28. Vgl. Bem. zu § 118.

der Schlußvertheilung oder der Nachtragsverthei­ lung bildet.

Sechster Titel. Zwangsvergteich. 160. Sobald der allgemeine Prüfungstermin abgehalten und so lange nicht die Vornahme der Schlußvertheilung genehmigt worden ist, kann auf den Vorschlag des Gemeinschuldners zwischen diesem und den nicht bevorrechtigten Konkurs­ gläubigern ein Zwangsvergleich geschlossen werden. 161. Der Vergleichsvorschlag muß angeben, in welcher Weise die Befriedigung der Gläubi­ ger erfolgen, sowie ob und in welcher Art eine Sicherstellung derselben bewirkt werden soll. 162. Ein Zwangsvergleich ist unzulässig: 1) so lange der Gemeinschuldner flüchtig ist oder die Ableistung des Offenbarungseides ver­ weigert ; 2) so lange ein wegen betrüglichen Bankerutts gegen den Gemeinschuldner eröffnetes Haupt­ verfahren oder wiederaufgenommenes Verfahren anhängig ist; 3) wenn der Gemeinschuldner wegen betrüg­ lichen Bankerutts rechtskräftig verurtheilt wor­ den ist. 163. Auf Antrag des Verwalters und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, des letzteren kann das Gericht den Vergleichsvorschlag zurück­ weisen, wenn bereits in dem Konkursverfahren ein Vergleichsvorschlag von den Gläubigern ab­ gelehnt oder von dem Gerichte verworfen oder von dem Gemeinschuldner nach der öffentlichen Bekanntmachung des Vergleichtermins zurückge­ zogen worden ist. 164. Wird der Bergleichsvorschlag nicht zurück­ gewiesen, so hat der Gläubigerausschuß sich über die Annehmbarkeit des Vorschlags zu erklären. Erklärt der Gläubigerausschuß den Vorschlag nicht für annehmbar, so ist ein Widerspruch des Genieinschuldners gegen die Verwerthung der Masse nicht zu berücksichtigen. 165. Der Vorschlag und die Erklärung des Gläubigerausschusses sind auf der Gerichtsschrei­ berei zur Einsicht der Betheiligten niederzulegen. 166. Der Vergleichstermin soll nicht über einen Monat hinaus anberaumt werden. Der Termin ist öffentlich bekannt zu machen. Zu demselben sind unter Mittheilung des Vergleichsvorschlags und des Ergebnisses der Erklärung des Gläu­ bigerausschusses die nicht bevorrechtigten Kon­

kursgläubiger, welche Forderungen angemeldet haben, besonders zu laden. 167. Aus Antrag des Gemeinschuldners und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, des letz­ teren kann das Gericht den Vergleichstermin mit dem allgemeinen Prüfungstermine verbinden. 168. Der Vergleich muß allen nicht bevorrech­ tigten Konkursgläubigern gleiche Rechte gewähren.

F. Konkursordnung. B. II. T. VI. Eine ungleiche Bestimmung der Rechte ist nur mit ausdrücklicher Einwilligung der zurückgesetzten Gläubiger zulässig. Jedes andere Abkommen des Gemeinschuldners oder anderer Personen mit ein­ zelnen Gläubigern, durch welches diese bevorzugt werden sollen, ist nichtig. 169. Zur Annahme des Vergleichs ist erfor­ derlich, daß 1) die Mehrzahl der in dem Termin anwesen­ den stimmberechtigten Gläubiger dem Vergleiche ausdrücklich zustimmt, und 2) die Gesammtsumme der Forderungen der zustimmenden Gläubiger wenigstens drei Vier­ theile der Gesammtsumme aller zum Stimmen berechtigenden Forderungen beträgt. Wird nur eine der Mehrheiten erreicht, so kann der Gemeinschuldner bis zum Schlüsse des Termins die einmalige Wiederholung der Abstinnnung in einem neuen Termine verlangen. Das Gericht hat denselben zu bestimmen und im Termine zu verkünden. 170. Der angenommene Zwangsvergleich be­ darf der Bestätigung des Konkursgerichts. Das Gericht entscheidet, nachdem es die Gläu­ biger, den Verwalter und den Glüubigerausschuß in dem Vergleichstermine oder einem ftn verkün­ denden Termine gehört hat. 171. Der Beschluß, durch welchen der Zwangsvergleich bestätigt oder verworfen wird, ist zu verkünden. 172. Der Vergleich ist zu verwerfen: 1) wenn die für das Verfahren und den Ab­ schluß des Vergleichs gegebenen Vorschriften nicht beobachtet sind, und das Fehlende nicht ergänzt werden kann; 2) wenn ein Fall der Unzulässigkeit eines Zwangsvergleichs nachträglich eingetreten ist. 173. Der Vergleich ist auf Antrag eines nicht bevorrechtigten Konkursgläubigers, welcher stimm­ berechtigt war oder seine Forderung glaubhaft macht, zu verwerfen: 1) wenn der Vergleich durch Begünstigung eines Gläubigers oder sonst in unlauterer Weise zu Stande gebracht ist; 2) wenn der Vergleich dem gemeinsamen In­ teresse der nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger widerspricht. Der Antrag ist nur zuzulassen, wenn die Thatsachen, auf welche derselbe gegründet wird, glaubhaft gemacht werden. 174. Die sofortige Beschwerde gegen den Be­ schluß, durch welchen der Vergleich bestätigt oder verworfen ist, steht dem Gemeinschuldner und je­ dem nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger zu, welcher stimmberechtigt war oder seine Forderung

glaubhaft macht. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde be­ ginnt mit der Verkündung des Beschlusses. Eine Anfechtung der Entscheidung des Be­ schwerdegerichts findet nicht statt. F. Konkurs.

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175. Sobald der Vergleich rechtskräftig bestä­ tigt ist, beschließt das Gericht die Aufhebung des Konkursverfahrens. Eine Anfechtung des Be­ schlusses findet nicht statt. Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekannt zu machen. Die Vorschriften der §§ 103 Absatz 2, 104, 106 finden entsprechende Anwendung. 29 176. Der Verwalter hat aus der Konkursmasse die Masseansprüche zu berichtigen. Die bestritte­ nen Masseansprüche sind sicher zu stellen. 30 Die bevorrechtigten Konkursforderungen sind, insoweit sie festgestellt sind, zu berichtigen, inso­ weit sie glaubhaft gemacht sind, sicher zu stellen. 177. Soweit der Zwangsvergleich nicht ein Anderes bestimmt, erhält der Gemeinschuldner das Recht zurück, über die Konkursmasse frei zu verfügen. 178. Der rechtskräftig bestätigte Zwangsvergleich ist wirksam für und gegen alle nicht bevor­ rechtigten Konkursgläubiger, auch wenn dieselben an dem Konkursverfahren oder an der Beschluß­ fassung über den Vergleich nicht Theil genommen oder gegen den Vergleich gestimmt haben. Die Rechte der Gläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Gemeinschnldners werden nicht be­ rührt. i 179. Aus dem rechtskräftig bestätigten Zwangs­ | vergleiche findet für die Konkursgläubiger, deren | Forderungen festgestellt und nicht von dem Ge­ meinschuldner in dem Prüfungstermine ausdrück­ lich bestritten worden sind, gegen den Gemein­ schuldner und diejenigen, welche in dem Vergleiche für dessen Erfüllung neben dem Gemeinschuldner ohne Vorbehalt der Einrede der Borausklage Verpflichtungen übernommen haben, die Zwangs­ vollstreckung unter entsprechender Anwendung der §§ 662 bis 701 der Civilprozeßordnung und des § 152 Absatz 3 dieses Gesetzes statt. 180. Soweit die Leistungen aus dem Vergleiche noch nicht fällig sind, gewährt die Feststellung einer Konkursforderung, wenn nach den Landes­ gesetzen ein Urtheil den Anspruch auf eine Hy­ pothek an dem unbeweglichen Vermögen des Schuldners begründet, den Anspruch auf eine solche nur im Falle eines Arrestgrundes. 31 29. Wegen Löschung des Konkursvermerks im Hypotheken linche vgl. 30 A.-G. z. C.-P.O., K.-O. n. St.-P.-O. 30. Nach Maßgabe des § 101 C.-P.-O.; vgl. oben § 65. 31. Die Voraussetzung der Urtheilshypothek ist für Els.' Lothr. durch Art. 2123 C.-G.-B. gegeben. Die Eintragung der Hypothek (von dieser, nicht von Eintragung eines Ar­ restes svgl. § 811 C.-P.-O.s spricht der § 180) kann nur auf Grund eines richterlichen Befehls erfolgen, der im Wege des Arrestverfahrens auf Grund einer Ausfertigung des Zwangsvergleichs u. eines beglaubten Auszugs aus der Tabelle nach Maßgabe des § 800 C.-P.-O. nachzusuchen ist. — Uebrigens ist nach der „Begründung" § 180 dahin zu verstehen, daß, wenn die Leistungen aus dem Vergleich fällig sind, weder der Beschluß, durch welchen der Zwangs­ vergleich bestätigt wird (§ 175), noch die Feststellung in der Tabelle (§ 133, 150 Abs. 2) den Anspruch auf Eintragung

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F. Konkursordnung. B. II. T. VII. VIII.

181. Eine Klage auf Aufhebung des Zwangs Vergleichs aus dem Grunde der Nichterfüllung desselben findet nicht statt. 182. Wenn der Zwangsvergleich durch Betrug zu Stande gebracht ist, so kann jeder Gläubiger den vergleichsmäßigen Erlaß seiner Forderung anfechten, unbeschadet der ihm durch den Vergleich gewährten Rechte. Die Anfechtung ist nur zulässig, wenn der Gläubiger ohne Verschulden außer Stande war, den Anfechtungsgrund in dem Bestätigungsver­ fahren geltend zu machen. 183. Die rechtskräftige Berurtheilung des Ge­ meinschuldners wegen betrüglichen Bankerutts hebt für alle Gläubiger den durch den Zwangsvergleich begründeten Erlaß auf, unbeschadet der ihnen durch den Vergleich gewährten Rechte. Auf Antrag eines Gläubigers kann das Kon­ kursgericht Sicherheitsmaßregeln gegen den Ge­ meinschuldner schon vor der rechtskräftigen Ver­ urteilung desselben anordnen. 184. Im Falle der rechtskräftigen Berurtheilung wird, wenn genügende Masse vorhanden ist, das Konkursverfahren auf Antrag eines Konkursgläubigers wieder ausgenommen. Die Wiederaufnahme erfolgt durch Beschluß des Gerichts. Auf den Zeitpunkt der Wiederauf­ nahme und die Bekanntmachung derselben finden die Vorschriften der §§ 100, 103, 104, 106 ent­ sprechende Anwendung. 32 ***** 185. Für die Anfechtung von Rechtshandlungen, welche in der Zeit von der Aufhebung bis zur Wiederaufnahme des Konkursverfahrens vorge­ nommen sind, sowie für die in diesem Zeitraume entstandenen Aufrechnungsbefugnisse gilt, wenn nicht inzwischen eine Zahlungseinstellung erfolgt ist, als Tag der Zahlungseinstellung der Tag des ersten die Berurtheilung des Gemeinschuldners aussprechenden Urtheils. 186. An dem aufgenommeneu Verfahren nehmen die Gläubiger, für und gegen welche der Vergleich wirksam war, mit dem noch nicht getilgten Be­ trage ihrer ursprünglichen Forderungen Theil. Die neuen Gläubiger des Gemeinschuldners sind zur Theilnahme an dem Verfahren berechtigt. Dieselben haben keinen Anspruch auf Befriedigung aus einer für die Erfüllung des Zwangsvergleichs bestellten Sicherheit. 187. Das Verfahren ist so weit als nöthig zu

wiederholen. Früher geprüfte Forderungen werden nur hin­ sichtlich einer inzwischen eingetretenen Tilgung von neuem geprüft. einer Urtheilshypothek begründet. Anders vermöge des arg. e conlr. v. Wilmowski. D.-K.-O. zu £ 180. — Ter Konkursvermerk im Hypothekenbuche wird, anders als nach Art. 517 fr. H.-G.-B., unbedingt gelöscht, § 30 Abs. 3 A.-G. z. C.-P.-O., K.-O. u. St.-P.-O.

32. Wegen der Eintragung im Hypothekeiibuche £ 30 Abs. 1 A.-6). z. C. P.-O., K.-O. u. St.-P.-O.

Siebenter Titel.

Kinstelkung des Verfahrens. 188. Das Konkursverfahren ist auf Antrag des Gemeinschuldners einzustellen, wenn er nach dem Ablaufe der Anmeldefrist die Zustimmung aller Konkursgläubiger, welche Forderungen angemeldet haben, beibringt. Inwieweit es der Zustimmung oder der Sicherstellung von Gläubigern bedarf, deren Forderungen angemeldet aber nicht festge­ stellt sind, entscheidet das Konkursgericht nach freiem Ermessen. Das Verfahren kann auf Antrag des Gemein­ schuldners vor dem Ablaufe der Anmeldefrist ein­ gestellt werden, wenn außer den Gläubigern, deren Zustimmung der Gemeinschuldner beibringt, andere Gläubiger nicht bekannt sind. 189. Der Antrag ist öffentlich bekannt zu machen und mit den zustimmenden Erklärungen auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Kon­ kursgläubiger niederzulegen. Die Konkursgläubiger können binnen einer mit der öffentlichen Bekannt­ machung beginnenden Frist von einer Woche Wi­ derspruch gegen den Antrag erheben. Im Falle des § 188 Absatz 1 steht der Widerspruch jedem Gläubiger zu, welcher bis zum Ablaufe der Frist eine Forderung angemeldet hat. Das Gericht beschließt über die Einstellung nach Anhörung des Gemeinschuldners und des Ver­ walters. Im Falle, eines Widerspruchs ist auch der widersprechende Gläubiger zu hören. 190. Das Gericht kaun das Konkursverfahren einstellen, sobald sich ergibt, daß eine den Kosten des Versahrens entsprechende Konkursmasse nicht vorhanden ist. 191. Der Einstellungsbeschluß und der Grund der Einstellung sind öffentlich bekannt zu machen. Die Vorschriften der §.§ 103 Absatz 2, 104, 106 finden entsprechende Anwendung. 33 192. Der Gemeinschuldner erhält das Recht zu­ rück, über die Konkursmasse frei zu verfügen.34 Die Vorschriften des § 152 finden entsprechende Anwendung.

Achter Titel.

besondere Bestimmungen. 193. I. Ueber das Vermögen einer Aktiengesell­ schaft findet das Konkursverfahren außer dem Falle der Zahlungsunfähigkeit in dem Falle der Ueberschuldung statt. Nach Auflösung einer Aktiengesellschaft ist die Eröffnung des Verfahrens so lange zulässig, als die Vertheilung des Vermögens nicht voll­ zogen ist. 33. Wegen der Löschung des Konkursvermerts § 80 Abs. 3 A.-tt. z. C.-P.-O., K.-O. u. St.-P.-O.

34. Wegen der mit der Konkurseröffnung verbundenen Einschränknng der politischen u. bürgerlichen Rechte vgl. § 31 ?(.=©. z. C.-P.-O., K.-O. u. St.-P.-O. (unter 1) „Civil prozen" >.

F. Konkursordnung. B. II. T. VIII.

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194. Zu dem Anträge auf Eröffnung des Ver­ fahrens ist außer den Konkursgläubigern jedes Mitglied des Vorstandes und jeder Liquidator berechtigt. Wird der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vorstandes oder allen Liquidatoren gestellt, so ist derselbe zuzulassen, wenn die Zahlungsun­ fähigkeit oder Ueberschuldung glaubhaft gemacht wird. Das Gericht hat die übrigen Mitglieder oder Liquidatoren nach Maßgabe des § 97 Absatz

Gesellschafters eröffneten Konkursverfahren ihre Befriedigung wegen des Ausfalls suchen, welchen sie in dem Konkursverfahren über das Gesellschafts­ vermögen erleiden, so sind bei den Vertheilungen die Antheile auf den vollen Betrag der Gesell­ schaftsforderungen zurückzubehalten, bis der Aus­ fall bei dem Gesellschaftsvermögen feststeht. Im übrigen finden auf die vorstehend bezeich­ neten Forderungen die Vorschriften der §§ 57, 88 entsprechende Anwendung.

2, 3 zu hören. 195. Ueber das Vermögen einer eingetragenen Genossenschaft findet das Konkursverfahren außer dem Falle der Zahlungsunfähigkeit in dem Falle des § 48 des Gesetzes, betreffend die privatrecht­ liche Stellung der Erwerbs- und Wirthschafts­ Genossenschaften, vom 4. Juli 1868, statt. Die Vorschriften der §§ 193 Absatz 2, 194 fin­ den entsprechende Anwendung. 196. Die Genossenschaft wird durch den Vor­

202. II. Für das Konkursverfahren über einen Nachlaß ist das Amtsgericht ausschließlich zu­ ständig , bei welchem der Erblasser zur Zeit seines Todes den allgemeinen Gerichtsstand gehabt hat.

stand oder die Liquidatoren vertreten. Ein Zwangsvergleich findet nicht statt. 197. Nach der Aufhebung des Konkursver­ fahrens sind die Konkursgläubiger, deren For­ derungen festgestellt worden sind, berechtigt, wegen des in dem Verfahren erlittenen Ausfalls, ein­ schließlich der Zinsen und Kosten, die ein­ zelnen ihnen solidarisch haftenden Genossenschafter in Anspruch zu nehmen. Den letzteren stehen Ein­ wendungen nur gegen solche Forderungen zu, welche von dem Vorstande oder den Liquidatoren im Prüfungstermine ausdrücklich bestritten wor­ den sind. 198. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditge­ sellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien findet über das Gesellschaftsvermögen ein selbstständiges Konkursverfahren statt. Die Vorschrift des § 193 Absatz 2 findet ent­ sprechende Anwendung. 199. Zu dem Anträge auf Eröffnung des Ver­ fahrens ist außer den Konkursgläubigern jeder persönlich haftende Gesellschafter und jeder Liqui­ dator berechtigt. Wird der Antrag nicht von allen persönlich hastenden Gesellschaftern oder allen Liquidatoren gestellt, so ist derselbe zuzulassen, wenn die Zah­ lungsunfähigkeit der Gesellschaft glaubhaft gemacht wird. Das Gericht hat die übrigen persönlich haftenden Gesellschafter oder Liquidatoren nach Maßgabe des § 97 Absatz 2, 3 zu hören.

200. Ein Zwangsvergleich kann nur auf den Vorschlag aller persönlich haftenden Gesellschafter geschloffen werden. Der Zwangsvergleich begrenzt, soweit er nicht ein Anderes festsetzt, zugleich den Umfang der so­ lidarischen Haftung der persönlich haftenden Ge­ sellschafter mit ihrem sonstigen Vermögen. 201. Wenn Gesellschaftsgläubiger in einem über das Privatvermögen eines persönlich haftenden

203. Die Eröffnung des Verfahrens setzt die Ueberschuldung des Nachlasses voraus.

204. Die Eröffnung des Verfahrens wird nicht dadurch gehindert, daß der Erbe noch eine Ueberlegungsfrist hat. 205. Zu dem Anträge auf Eröffnung des Ver­ fahrens ist jeder Erbe oder Vertreter des Nach­ lasses und jeder Nachlaßgläubiger berechtigt. Wird der Antrag nicht von allen Erben oder Nachlaßvertretern gestellt, so ist derselbe zuzulassen, wenn die Ueberschuldung glaubhaft gemacht wird. Das Gericht hat die übrigen Erben oder Nachlaß­ vertreter nach Maßgabe des § 97 Absatz 2, 3 zu hören. 206. Ein Zwangsvergleich kann nur auf den Vorschlag aller Erben oder Nachlaßvertreter ge­ schlossen werden. 207. III. Besitzt ein Schuldner, über dessen Vermögen im Auslande ein Konkursverfahren eröffnet worden ist, Bermögensgegenstände im Jnlande, so ist die Zwangsvollstreckung in das inländische Vermögen zulässig. Ausnahmen von dieser Bestimmung können unter Zustimmung des Bundesraths durch Anord­ nung des Reichskanzlers getroffen werden. 208. Ein Konkursverfahren über das im Jn­ lande befindliche Vermögen eines. Schuldners, welcher im Deutschen Reiche keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, findet statt, wenn derselbe zum Betriebe einer Fabrik, einer Handlung oder eines anderen Gewerbes im Jnlande eine Niederlassung hat, von welcher aus unmittelbar Geschäfte ge­ schlossen werden. Dasselbe gilt, wenn ein Schuldner, welcher im Deutschen Reiche keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, im Jnlande ein mit Wohn- und Wirthschafts­ gebäuden versehenes Gut als Eigenthümer, Nutz­

nießer oder Pächter bewirthschaftet. Für das Verfahren ist das Amtsgericht aus­ schließlich zuständig, in dessen Bezirke die Nieder­ lassung oder das Gut sich befindet. Ist im Auslande ein Konkursverfahren er­ öffnet, so bedarf es nicht des Nachweises der Zahlungsunfähigkeit zur Eröffnung des inlän­ dischen Verfahrens.

F. Konkursordnung. B. III.

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Drittes Buch. Strafbestimmungen. 209. Schuldner, welche ihre Zahlungen einge­ stellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen betrüglichen Bankerutts mit Zuchthaus bestraft, wenn sie in der Absicht ihre Gläubiger zu benachtheiligen: 1) Vermögensstücke verheimlicht oder bei Seite geschafft haben, 2) Schulden oder Rechtsgeschäfte anerkannt oder aufgestellt haben, welche ganz oder theilweise er­ dichtet sind, 3) Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag,35 oder

4) ihre Handelsbücher vernichtet oder verheim­ licht oder so geführt oder verändert haben, daß dieselben keine Uebersicht des Vermögenszustandes gewähren. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. 210. Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das KonkursVerfahren eröffnet worden ist, werden wegen einfachen Bankerutts mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie 1) durch Aufwand, Spiel oder Differenzhandel mit Waaren oder Börsenpapieren übermäßige Summen verbraucht haben oder schuldig geworden sind, 2) Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag,35 oder die selben verheimlicht, vernichtet, oder so unordent­ lich geführt haben, daß sie keine Uebersicht ihres Bermögenszustandes gewähren, oder 3) es gegen die Bestimmung des Handelsgesetz­ buchs^ unterlassen haben, die Bilanz ihres Ver­ mögens in der vorgeschriebenen Zeit zu ziehen. 211. Schuldner, welche ihre Zahlungen einge­ stellt haben, oder über deren Vermögen das Kon35. Artt. 28-33, 10 H.-G.-B.

kursversahren eröffnet worden ist, werden mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie, obwohl sie ihre Zahlungsunfähigkeit kannten, einem Gläubiger in der Absicht, ihn vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen, eine Siche­ rung oder Befriedigung gewährt haben, welche derselbe nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. 212. Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1) im Interesse eines Schuldners, welcher seine Zahlungen eingestellt hat, oder über dessen Ver­ mögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, Vermögensstücke desselben verheimlicht oder bei Seite geschafft hat, oder 2) im Interesse eines solchen Schuldners, oder, um sich oder einem Anderen Vermögensvortheil zu verschaffen, in dem Verfahren erdichtete For­ derungen im eigenen Namen oder durch vorge­ schobene Personen geltend gemacht hat. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe oder Geldstrafe bis zu sechstau­

send Mark ein. 213. Eiu Gläubiger, welcher sich von dem Ge­ meinschuldner oder anderen Personen besondere Vortheile dafür hat gewähren oder versprechen lassen, daß er bei den Abstimmungen der Kon­ kursgläubiger in einem gewissen Sinne stimme, wird mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. 214. Die Strafvörschriften der §§ 209 bis 211 finden gegen die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft oder eingetragenen Genossenschaft und gegen die Liquidatoren einer Handelsgesell schäft oder eingetragenen Genossenschaft, welche ihre Zahlungen eingestellt hat, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, Anwendung, wenn sie in dieser Eigenschaft die mit Strafe bedrohten Handlungen begangen haben.36 36. Neben dieser Vorschrift sind durch § 3 Abs. 1 E.-G. auch die Strafbestimmungen in den Artt. 249, 249 a, 240, 26 H.-G.-B. u. § 66 G. v. 4. Juli 1868 aufrecht erhalten.

betreffend die Einführung der Konknrsordnung.

Vom 10. Februar

1877.

R.-G.-Bl. S. 390.

§ 1. Die Konkursordnung tritt im ganzen Umfange des Reichs gleichzeitig mit dem Gerichts­ verfassungsgesetze in Kraft.

2. Gesetz im Sinne der Konkursordnung und dieses Gesetzes ist jede Rechtsnorm. 3. Die den Konkurs betreffenden Vorschriften der Reichsgesetze werden durch die Konkursord­ nung nicht berührt. i Aufgehoben werden: 1) die Vorschriften des 8 51 des Gesetzes, be­ treffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs­ und Wirthschaftsgenossenschaften, vom 4. Juli 1868, sowie die im § 48 desselben Gesetzes be­ stimmte Zuständigkeit des Handelsgerichts; 2) die Vorschriften der §§ 13 bis 18 des Ge­ setzes, betreffend die Gewährung der Rechtshülfe, vom 21. Juni 1869 ; 3) die Vorschriften der §§ 281 bis 283 des Strafgesetzbuchs. Der Artikel 80 der Wechselordnung wird dahin abgeändert, daß die Verjährung auch nach Maßgäbe des § 13 der Konkursordnung unterbrochen wird.

Die Verjährung zu Gunsten eines zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens ausgeschie­ denen oder ausgeschlossenen Genossenschafters (§ 64 Abs. 1 des Gesetzes vom 4. Juli 1868) wird auch durch Anmeldung der Konkurssorderung unterbrochen.

1. Hierdurch werden insbesondere aufrecht erhalten Artt. 37 Satz 1, 38, 40, 79 Abs. 1, 123 Nr. 3, 170, 200, 249, 249 a, 258, 259, 261 Nr. 3, 310, 368 Abs. 2, 374 Abs. 1, 2, 382, 409, 410 H.-G.-B., § 66 Genossensch.-G. v. 4. Juli 1868. Bgl. auch Bem. zu Art. 9 H.-G.-B.

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4. Aufgehoben werden die Vorschriften der Landesgesetze über Konkurs-, Falliments-, Gant-, Debit-Verfahren, über gerichtliche, zur Abwendung oder Einleitung eines solchen Verfahrens dienende Stundungs- und Nachlaßverhandlungen, konkurs­ mäßige Einleitungen, Vermögensuntersuchungen, über die Rechtswohlthat der Güterabtretung und die landesherrliche oder gerichtliche Bewilligung einer allgemeinen Zahlungsstundung, sowie über das Konkursrecht, insoweit nicht in der Konkurs­ ordnung auf dieselben verwiesen oder bestimmt ist, daß sie nicht berührt werden. Ausgehoben werden die Strafvorschriften, welche rücksichtlich des Konkurses in den Landesgesetzen enthalten sind. 5. Unberührt bleiben: 1) die landesgesetzlichen Vorschriften, welche die Lehen, Stammgüter oder Familienfideikommisse betreffen; 2) die landesgesetzlichen Vorschriften, welche die Nichtbefolgung der Vorschriften über die Anzeige des zwischen dem Gemeinschuldner und seinem Ehegatten bestehenden Güterrechts unter Strafe stellen.1 2 6. Die Bestimmungen der 8§ 193, 194, 196, 214 der Konkursordnung finden auf Vereine und registrirte Gesellschaften, welche auf Grund der bayerischen Gesetze vom 29. April 1869, betref­ fend die privatrechtliche Stellung der Vereine sowie der Erwerbs- und Wirthschastsgesellschasten, bestehen, entsprechende Anwendung. 7. In Ansehung der Landesherren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie 2. §§ 6, 7 E.-G. z. H.-G.-B.

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F. Einf.-Gesetz zur Konkursordnung.

der Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern finden die Bestimmungen der Konkurs­ ordnung nur insoweit Anwendung, als nicht be­ sondere Vorschriften der Hausverfassungen oder der Landesgesetze abweichende Bestimmungen ent­ halten. 8. Ein vor dem Tage des Inkrafttretens der Konkursordnung eröffnetes Konkursverfahren ist nach den bisherigen Gesetzen zu erledigend Der Landesgesetzgebung bleibt vorbehalten, die Konkursordnung auf die Erledigung der vor dem Inkrafttreten der Konkursordnung anhängig ge­ wordenen Konkurssachen für anwendbar zu er­ klären und zu dem Zwecke Uebergangsbestimmungen zu erfassen.3 4 9. In einem am Tage des Inkrafttretens der Konkursordnung oder nach diesem Tage eröffneten

Konkursverfahren finden die Bestimmungen der Konkursordnung über die Anfechtung von Rechts­ handlungen auf eine vor dem bezeichneten Tage vorgenommene Rechtshandlung Anwendung, sofern nicht dieselbe nach den Vorschriften der bisherigen Gesetze der Anfechtung entzogen oder in geringerem Umfange unterworfen ist. 10. In einem am Tage des Inkrafttretens der Konkursordnung oder nach diesem Tage eröffneten Konkursverfahren finden die Bestimmungen der §§ 42, 48 Nr. 3, 49 der Kontursordnung auf eine vor dem bezeichneten Tage abgetretene oder erworbene Forderung Anwendung, sofern nicht die bisherigen Gesetze eine Aufrechnung zulassen oder eine Verpflichtung zum Schadensersätze nicht oder in geringerem Umstande begründen. 11. In einem am Tage des Inkrafttretens der Konkursordnung oder nach diesem Tage eröffneten Konkursverfahren finden die Bestimmungen der Konkursordnung und dieses Gesetzes über abge­ sonderte Befriedigung aus Pfand- und Vorzugs­ rechte Anwendung, wenngleich dieselben oder die Forderungen vor dem bezeichneten Tage erworben sind. 12. Insoweit Pfand- und Vorzugsrechte, welche vor dem Tage des Inkrafttretens der Konkurs­ ordnung auf Grund eines Vertrages, einer letzt­ willigen Anordnung oder einer richterlichen Ver­ fügung erworben oder in Bankstatuten den Banknoteninhabern rechtsgültig zugesichert sind, zufolge der Bestimmungen der Konkursordnung und dieses Gesetzes ihre Wirksamkeit verlieren, kann die Landesgesetzgebung für die Forderung des Berechtigten ein Vorrecht vor allen oder einzelnen der im § 54 der Konkursordnung be­ zeichneten Forderungen gewähren. Ist das Pfand- oder Vorzugsrecht aus einzelne bewegliche Gegenstände des Schuldners beschränkt, so kann das Vorrecht nur in Höhe des Erlöses

derselben gewährt werden. 3. Sgl. § 34 Abs. 2 A.-G. z. C.-P.-O., K.-O. u. St.-P. O. 4. Sgl. § 43 A.-G. z. C.-P.-O., K.-O. u. St.P.-O.

Das durch die vorstehenden Bestimmungen vorbehaltene Vorrecht kann nicht gewährt werden für ein zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Konkursordnung eröffnetes Konkursverfahren, wenn nicht das Vorrecht dadurch erhalten wird, daß dasselbe bis zum Ablaufe der zwei Jahre zur Eintragung in ein öffentliches Register vor­ schriftsmäßig angemeldet ist. Der Erlaß von Vor­ schriften über die Einrichtung solcher Register, sowie über die Anmeldung und Eintragung der Forderungen bleibt der Landesgesetzgebnng Vor­ behalten. 13. Die Landesgesetzgebung kann der Ehefrau, den Kindern und den Pflegebefohlenen des Ge­ meinschuldners für Forderungen, welche vor dem Tage des Inkrafttretens der Konkurs Ordnung entstanden sind, ein Vorrecht nach Maßgabe des § 12 Absatz 1, 2 insoweit gewähren, als ein ge­ setzliches Pfand- oder Vorzugsrecht der Ehefrau, der Kinder oder der Pflegebefohlenen nach den bisherigen Gesetzen bestanden hat. Auf das Vorrecht oer Ehefrau findet die Be­ stimmung des § 12 Absatz 3 entsprechende Anwen­

dung. Den Kindern und den Pflegebefohlenen kann das Vorrecht für ein fünf Jahre nach dem In­ krafttreten der Konkursordnung eröffnetes Kon­ kursverfahren nicht gewährt werden. 14. Faustpfandrechte im Sinne des § 40 der Konkursordnung bestehen an beweglichen körper­ lichen Sachen nur, wenn der Pfandgläubiger oder ein Dritter für ihn den Gewahrsam der Sache erlangt und behalten hat. Das Absonderungsrecht besteht ohne Uebergabe der Sache, sofern: 1) nach den Reichsgesetzen oder den Landesge­ setzen die- Uebergabe von Konnossementen und ähnlichen Papieren über Waaren oder andere bewegliche Sachen der Uebergabe derselben, oder die Eintragung der Verpfändung in das Schiffs­ register oder die Uebergabe der mit einem be­ glaubigten Vermerke der Verpfändung versehenen Schiffsurkunden oder einer beglaubigten Abschrift derselben der Uebergabe des verpfändeten Schiffes gleichsteht; 2) über eine Verbodmung nach Vorschrift des Handelsgesetzbuchs ein Bodmereibrief ausge­ stellt ist. 15. Faustpsandrechte im Sinne des § 40 der Konkursordnung bestehen an Forderungen und anderen Vermögensrechten nur: 1) wenn der Drittschuldner von der Verpfän­ dung benachrichtigt ist; 2) wenn der Pfandgläubiger oder ein Dritter für ihn den Gewahrsam der körperlichen Sache, welche den Gegenstand des Rechts bildet, oder der über die Forderung oder das Vermögensrecht ausgestellten Urkunde erlangt und behalten hat; 3) wenn die Verpfändung in dem Grund- oder Hypothekenbuche eingetragen ist.

F. Einf.-Gesetz z 16. Die Vorschriften der Landesgesetze, welche für den Erwerb von Faustpfandrechten mehrere der in den §§ 14, 15 bezeichneten Erfordernisse oder weitere Erfordernisse festsetzen, bleiben unbe­ rührt. 5 17. Der Landesgesetzgebung bleibt vorbehalten, Bestimmungen zu treffen, 6 nach welchen 1) den Inhabern der von Gemeinden oder an­ deren Verbänden, von Korporationen, Aktienge­ sellschaften , Kommanditgesellschaften auf Aktien oder Genossenschaften ausgestellten Pfandbriefe oder ähnlicher auf Grund erworbener Forde­ rungen von denselben ausgestellter Werthpapiere an solchen Forderungen ein Faustpfandrecht im Sinne des § 40 der Konkursordnung dadurch gewährt werden sann, daß einem Vertreter sämmt­ licher Inhaber allein oder in Gemeinschaft mit

5. Dadurch sind die Artt. 207-1, 2075 C.-K.-B. in Kraft erhalten. G. Derartige Bestimmungen sind bis jetzt nicht ergangen.

Konkursordnung.

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dem Aussteller die Ausübung des Gewahrsams der über die Forderungen lautenden Urkunden

übertragen oder auf diesen Urkunden die Gewäh­ rung des Pfandrechts vermerkt wird; 2) den Inhabern von Schuldverschreibungen, welche von den unter Nr. 1 bezeichneten Schuld­ nern über eine Anleihe ausgestellt sind, an ge­ wissen beweglichen körperlichen Sachen ein Faust­ pfandrecht im Sinne des § 40 der Konkursord­ nung dadurch gewährt werden kann, daß einem Vertreter sämmtlicher Inhaber allein oder in Gemeinschaft mit dem Aussteller die Ausübung des Gewahrsams der Sachen übertragen wird; 3) den Inhabern von Schuldverschreibungen, welche von den unter Nr. 1 bezeichneten Schuld­ nern über eine Anleihe ausgestellt sind, ein Vor­ recht vor nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern, deren Forderungen später entstehen, dadurch ge­ währt werden kann, daß die zu bevorrechtigenden Forderungen in ein öffentliches Schuldenbuch ein­ getragen werden.

Strafrecht. Inhalt: Französisches Strafgesetzbuch.

Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Gesetze betreffend die Einführung des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich in Elsaß-Lothringen. Vom 30. Aug. 1871.

Französisches Ztrafgesetzbuch.

Einleitende Lestimmungen.

Strafe» in Kriminal- nnd Zuchtpolizei­ sachen und deren Wirkungen.

(Wcictj, beschlossen den 12., ausgefertigt den 22. Februar 1810.) Art. 1. Tie Zuwiderhandlung, welche die Gesetze mit einer Pvlizeistrafe belegen, ist eine Uebertretung. Tic Zuwiderhandlung, welche die Gesetze mit einer Zucht Polizeistrafe belegen, ist ein Vergehen. Tie Zuwiderhandlung, welche die Gesetze mit einer Leibes­ oder entehrenden Strafe belegen, ist ein Verbrechen. 2

1. Tie Vorschriften dieses Gesetzbuchs sind zum größten Theil durch das St.-G.-B. für das D. Reich nach Maßgabe des Art. II E.-G. dazu, zum kleineren durch französische und deutsche Spezialgesetzc, einzelne das Strafverfahren betreffende Bestimmungen auch durch die St.-P.-O. vom 1. Febr. 1877 aufgehoben. — Wenn in Landesgesetzen auf aufgehobene Bestimmungen des fr. St.-G.-B. verwiesen ist, so treten die entsprechenden Bestimmungen des d. St.-G.-B. an deren Stelle. Art. III E.-G. z. St.-G.-B. 2. Diese Eiutheiluug ist auch für die in Kraft gebliebenen franz. Spezialgesetzc beseitigt, Art. XI E.-G. zum St.-G.-B., imb es unterliegen jetzt alle strafbaren Handlungen lediglich der Eintheilung des § 1 St.-G. B. Die Frage, ob da, wo ein in Geltung gebliebenes fr. Gesetz von Verbrechen (crimes), Vergehen (delits) oder Uebertre­ ibungen (contraventions) i. A. spricht, einfach die neuen Begriffe des St.-G.-B. substituirt werden dürfen, oder ob vielmehr für jeden einzelnen Fall untersucht werden muß, ob die Handlung, auf welche das frgl. G. angcweudet werden soll, den Thatbestand eines fr. crime u. s. w. bilden würde, ist unbedenklich im ersteren Sinne zu beantworten, wenn die fragt Vorschrift das Verfahren betrifft (z. B. Art. 634 fr. St.-P.-O.), da die Drcitheilung nach Auskunft der „Begrün­ dung" wesentlich zu dem Zwecke angenommen ist, mit eine bequeme Handhabe für die prozessualischen Regeln der Kom­ petenz zu haben. Verknüpft die Vorschrift aber mit der Be­ gehung von crimes u. s. w. gewisse Folgen, z. B. Rechts­ nachtheile (tote Art. 6 G. v. 22. Febr. 1851), so kann eine solche Substitution nur in der Weise gerechtfertigt werden, daß man die Beibehaltung der Dreitheilung als die Fort­ entwickelung einer bereits in Frankreich und den meisten deutschen Ländern bestehenden Einrichtung auffaßt, welche im alten wie im neuen Recht wesentlich denselben Zwecken dient und nach denselben Gesichtspunkten durchgcführt ist.

Erstes Buch.

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(Fortsetzung des Gesetzes v. 12. Febr. 1810.) i i 1

6. Die Strafen in Kriminalsachen sind entweder Leibes und entehrende, oder blos entehrende Strafen.

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ehrenden Strafen sind: 1) der Tod;

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21 3) 4) 5) 6)

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28. April 1832.) Die Leibes- und ent

Zwangsarbeiten auf Lebenszeit; Deportation; Zwangsarbeiten auf bestimmte Zeit; Festungshaft (detenlion); Zuchthausstrafe (reclusion).

8. (G. v. 28. April 1832). Die entehrenden Strafen sind:

1) die Verbannung; 2) der Verlust der staatsbürgerlichen Rechte. 9. Die Strafen in Zuchtpolizeisachen sind:

1) Gefängniß (emprisonnement) auf eine bestimmte Zeit in einem Besserungshause; 2) Untersagung der Ausübung gewisser staatsbürgerlichen, Civil- oder Familienrechte auf bestimmte Zeit; 3! Geldstrafe.

Erstes Hauptstück.

i

Strafen in Kriminatsachen.

I

21. Die zu Zuchthausstrafe vcrurtheilten Personen beider Geschlechter werden in ein Zwangshaus gesperrt und zu Arbeiten gebraucht, deren Ertrag zum Theil zu ihrem Nutzen verwendet werden kann, wie solches die Regierung näher bestimmen wird. 4 3. Vgl. Art. V E.-G. z. St.-G.-B., wonach fortan auch bei Anwendung frz. Strafgesetze nur auf die Strafarten des St.-G.-B. erkannt werden darf, und den einzelnen Strafarten der in Geltung gebliebenen Landesgesetze deutsche Strafarten substituirt werden.

4. Vgl. die Ord. v. 27. Dez. 1843 und Beschl. d. Min.des Inn. v. 25. März 1854.

4

G. Franz. Strafgesetzbuch. B. I. II. III. T. I. H. II. Abschn. 2.

Zweites Hauptstück.

Zweites Buch.

Strafen in ZuchLpottzeisachen.

Die wege» eines Verbrechens oder Ver­ gehens strafbaren, entschuldbaren oder verantwortlichen Personen.

41. Der Ertrag der Arbeit eines wegen eines zuchtpolizeilichen Vergehens Verhafteten wird theils zu den gemeinen Ausgaben des Hauses, theils dazu verwendet, ihm einige Erleichterungen zu verschaffen, wenn er sie verdient, theils dazu, ihm für die Zeit seiner Entlassung ein Spar­ kapital zu schaffen, wie dies Alles durch Staats­ verwaltungs-Verordnungen näher bestimmt werden

wird.4

Viertes Hauptstück. Strafen

des Aückfalks bei Verbrechen Vergehen.5

und

56. (G. v. 28. April 1832.) Wer, nachdem er zu einer Leibes- oder entehrenden Strafe verurtheilt worden ist, ein zweites Verbrechen begeht, welches als Hauptstrafe den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte nach sich zieht, wird zur Strafe der Verbannung verurtheilt. Zieht das zweite Verbrechen die Strafe der Verbannung nach sich, so wird er zur Strafe der Festungshaft verurtheilt. Zieht das zweite Verbrechen die Zuchthausstrafe nach sich, so wird er zur Strafe der Zwangsarbeiten auf Zeit verurtheilt. Zieht das zweite Verbrechen die Strafe der Festungshaft nach sich, so wird er zum Höchstbetrage dieser Strafe verur­ theilt, welche bis zum Doppelten erhöht werden kann. Zieht das zweite Verbrechen die Strafe der Zwangsar­ beiten auf Zeit nach sich, so wird er zum Höchstbetrage der­ selben Strafe verurtheilt, welche bis zum Doppelten erhöht werden kann. Zieht das zweite Verbrechen die Strafe der Deportation nach sich, so wird er zu Zwangsarbeiten auf Lebenszeit vcrurtheilt. Wer, nachdem er zu Zwangsarbeiten auf Lebenszeit verurtheilt ist, ein zweites Verbrechen begeht, welches dieselbe Strafe nach sich zieht, wird zum Tode verurtheilt. Jedoch erleidet derjenige, welcher durch ein Militär- oder Marine-Gericht verurtheilt ist, im Falle eines späteren Ver­ brechens oder Vergehens, die Strafen des Rückfalls nur insoweit, als die erste Verurtheilung wegen Verbrechen oder Vergehen erfolgt ist, welche nach den gewöhnlichen Straf­ gesetzen strafbar sind.

57. (G. v. 13. 1863.) Wer, nachdem er wegen eines Verbrechens zu einer Strafe von mehr als ein Jahr Gefängniß verurtheilt ist, ein Vergehen ober ein Verbrechen, welches nur mit zuchtpolizeilichen Strafen bestraft werden soll, begeht, wird zum Höchstbetrage der im Gesetz angedrohten Strafe verurtheilt, auch kann diese Strafe bis aufs Doppelte erhöht werden. Der Verurtheilte wird außerdem .... unter Polizeiaufsicht gestellt. 58. (G. v. 13. Mai 1863.) Die zuchtvolizeilich zu Gefängniß von mehr als einem Jahre Berurtheiltcn werden im Falle eines neuen Vergehens oder eines Verbrechens, welches nur mit zuchtpolizeichen Strafen bestraft werden soll, ebenfalls zum Höchstbetrage der vom Gesetz angedrohten Strafe verurtheilt; diese Strafe kann ebenfalls bis zum Doppelten erhöht werden; außerdem werden dieselben .... unter Polizeiaufsicht gestellt.

5. Die Artt. 56-58 sind für Bestimmung des Strafmaßes bei Anwendung französischer Strafgesetze auch fernerhin maßgebend, ebenso wie auf der andern Seite der Art. 463; da jedoch seit Einführung des deutschen St.-G.-B. (Art. V E.-G, s. Bem. 3) nur noch auf die Strafen desselben erkannt werden kann, so setzt die Anwendbarkeit der Artt. 56-58 ferner voraus, daß die frühere Verurtheilung vor Geltung des d. St.-G.-B. erfolgt ist.

(Gesetz, beschlossen d. 13., ausgefertigt den 23. Februar 1810.)

73. Die Inhaber kleiner und großer Gasthäuser, welche überführt werden, jemand, der während seines Aufenthaltes ein Verbrechen oder ein Ver­ gehen begangen hat, länger als vier und zwanzig Stunden beherbergt zu haben, sind für die Wiederererstattungen, Entschädigungen und Kosten, welche denjenigen zuerkannt werden, denen dieses Verbrechen oder Vergehen einen Schaden zugefügt hat, civilrechtlich verantwortlich, wenn sie unter­ lassen haben, Namen, Gewerbe und Wohnort des Schuldigen in ihr Register einzutragen. Ihre Verantwortlichkeit in dem Falle der Artikel 1952 und 1953 des Civilgesetzbuches wird hierdurch nicht berührt. 74. In den übrigen Fällen civilrechtlicher Ver­ antwortlichkeit, die in Kriminal-, Zuchtpolizei­ oder Polizeisachen vorkommen können, haben die Gerichtshöfe und Gerichte,6 vor welche diese Sachen gebracht werden, sich nach den Vorschriften des Civilgesetzbuches, Buch III, Tit. IV, Hauptst. II, zu richten.

Drittes Buch. Verbrechen, Vergehen und deren Bestrafung.

Erster Titel. Verbrechen und Vergehen gegen das öffentliche N-oht. (I. uud II. Hauptstück : Gesetz, beschlossen deu 15., ausgefertigt den 25. Februar 1810. — III. Hauptstück: Gesetz, beschlossen den 16., ausgefertigt deu 26. Februar 1810.)

Zweites Hauptstück. Verbrechen

und Vergehen gegen faffungsurkunde.

die Ver-

Zweiter Abschnitt. Eingriffe in die Kreiheit. 114. Wenn ein öffentlicher Beamter, ein Agent oder ein Angestellter der Regierung eine willkührliche und entweder die individuelle Freiheit oder die ftaatsbürgerlicheu Rechte eines oder mehrerer Bürger oder die Berfassung des Reiches verletzende Handlung befiehlt oder vornimmt, so wird er zu der Strafe des Verlustes der staatsbürgerlichen Rechte ver­ urtheilt .................... 7

117. Der Schadenersatz, auf welchen wegen der in dem Art. 114 erwähnten Eingriffe etwa zu erkennen ist, ist entweder im Strafverfahren oder tm Civilwege geltend zu machen und unter Rücksichts­ nahme auf die Personen, auf die Umstände und 6. Nicht mehr die Strafgerichte; vgl. Bem. zu 8 *259 St.-P.-O.

7. Dem nur wegen der Bestimmung in Art. 117 aufge­ nommenen Art. 114 entspricht im Sinne des Art. III E.-G. z. St.-G.-B. der § 341 St.-G.-B.; vgl. auch Bem. zu § 260 C.-P.-O.

G. Franz. Strafgesetzbuch. B. III. T. I. H. II. Abschn. 3. 4. auf den erlittenen Nachtheil derartig zu bestimmen, daß in keinem Falle, und wer auch immer die verletzte Person sein mag, der Schadensersatz unter fünfundzwanzig Frank für jeden Tag gesetz­ widriger und willkürlicher Verhaftung für jede Person betragen darf.

Dritter Abschnitt. Vereinigung von Beamten.

123. Jede Verabredung zu gesetzwidrigen Maß­ regeln, welche mittelst einer Versammlung von Personen, oder von Behörden, denen ein Theil der öffentlichen Gewalt anvertraut ist, oder durch Abgeordnete, oder durch Briefwechsel getroffen wird, wird mit einem Gefängnisse von wenigstens zwei und höchstens sechs Monaten gegen jeoen Schuldigen bestraft, welchem außerdem die Aus­ übung der staatsbürgerlichen Rechte und jedes öffentlichen Amtes.... untersagt werden kann. 9

5

eines oder mehrerer Gesetze verhindern oder hemmen, oder dadurch, daß sie über die Frage berathschlagen, ob die Gesetze verkündigt oder vollzogen werden sollen. 2) Die Richter, die General- oder Kaiserlichen Prokuratoren oder deren Gehülfen, die Beamten der gerichtlichen Polizei, welche ihre Gewalt überschreiten, indem sie sich in die den Verwal­ tungsbehörden beigelegten Gegenstände entweder dadurch einmischen, daß sie Verordnungen über dergleichen Gegenstände erlassen, oder dadurch, daß sie die Vollstreckung der von der Verwaltung ertheilten Befehle verbieten, oder welche die Er­ laubniß oder den Befehl ertheilen, Verwalter wegen der Ausübung ihrer Amtsverrichtungen vorzuladen, und auf die Vollstreckung ihrer Urtheile oder Ordonnanzen bestehen, obgleich die Ver­ nichtung derselben ausgesprochen oder ihnen der Konflikt bekannt gemacht worden ist.12

124. Sind durch eines der oben erwähnten Mittel

129. Die Strafe ist eine Geldstrafe von we­ nigstens hundert Frank und höchstens fünfhundert Frank gegen jeden der Richter, welche nach erfolgtem gesetzlichen Einsprüche der Betheiligten Hat eine solche Verabredung unter Civilbeoder der Verwaltungsbehörde ohne Ermächtigung hörden und Militärkorps oder deren Chefs statt, der Regierung Ordonnanzen oder Mandate gegen so werden die Urheber oder Anstifter derselben deren Agenten oder Angestellte erlassen, welche mit der Deportation bestraft; die übrigen Schuldigen beschuldigt sind, in der Ausübung ihrer Amts­ werden verbannt. verrichtungen Verbrechen oder Vergehen begangen 126. Der Amtsuntreue sind schuldig und es werden mit dem Verluste der staatsbürgerlichen Rechte11 8 9 10 zu haben. Die nämliche Strafe trifft die Beamten der bestraft: Staatsanwaltschaft oder der Polizei, welche Die öffentlichen Beamten, die nach vorhergegan­ solche Ordonnanzen oder Mandate in Antrag gener Beratschlagung beschließen, Abdankungen

Maßregeln gegen die Vollziehung der Gesetze oder gegen die Befehle der Regierung verabredet worden, so ist die Strafe die Verbannung.

einzureichen, welche zum Zwecke oder zur Folge haben, die Verwaltung der Justiz, oder die Erfül­ lung irgend eines Dienstes zu verhindern, oder

zu hemnien. Vierter Abschnitt. Hteöergriffe der Verrvattirngs- und gerichtlichen Behörden.

127. Der Amtsuntreue sind schuldig, und werden mit dem Verluste der staatsbürgerlichen Rechte bestraft:11 1) Die Richter, die General- oder Kaiserlichen Prokuratoren, oder deren Gehülfen, die Beamten der Polizei, die sich in die Ausübung der gesetz­ gebenden Gewalt einmischen, sei es durch Verord­ nungen, welche gesetzgebende Verfügungen ent­ halten, oder dadurch, daß sie die Vollziehung es

8. Die nachfolgenden, einzelne Amtsvergehen betreffenden Strafgesetze sind als weitergeltend aufgcführt, weil weder Materien des St.-G.-B. von ihnen berührt werden (Art. II E.-G. z. St.-G.-B.), noch dem gemeinen Strafrechte durch die Gesetzgebung über das Disziplinarstrafrecht Abbruch geschieht. 9. Nach Maßgabe der §§ 32-35 St.-G.-B. 10. Geändert durch Art. V E.-G z. St.-G.-B., welcher, obwohl das St.-G.-B. die Strafe der Verbannung nicht kennt, derselben dennoch eine Strafe des heutigen Rechts nicht substituirt hat und damit die Straflosigkeit der mit Verbannung bedachten Handlungen bewirkt. An Stelle der Deportation tritt Zuchthaus. 11. Nach Art. V E. G. z. St.-G.-B. jetzt Gefängniß mit oder ohne Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte.

bringen 13. 130. Präfekten, Unterpräfekten, Bürgermeister und sonstige Verwaltungsbeamte, welche sich auf die unter der Nummer 1 des Art. 127 angegebene Weise in die Ausübung der gesetzgebenden Gewalt einmischen, oder welche sich anmaßen, allgemeine Beschlüsse zu fassen, die zum Zweck haben, Ge­ richtshöfen oder Gerichten Befehle oder Verbote irgend einer Art zugehen zu lassen, werden mit denl Verluste der staatsbürgerlichen Rechte bestraft 14. 131. Greifen dergleichen Verwaltungsbeamte in die gerichtlichen Amtsverrichtungen dadurch ein, daß sie sich anmaßen, über Privatrechte und Privatin­ teressen zu erkennen, welche zum Wirkungskreise

der Gerichte gehören, und entscheiden sie, unge­ achtet eines Einspruchs der Parteien oder einer derselben, die Sache dennoch, ehe die höhere Be­ hörde ihren Ausspruch gethan hat, so werden sie mit einer Geldstrafe von wenigstens sechszehn und

höchstens hundertfünfzig Frank bestraft. 12. Die Erhebung eines Kompetenzkonflikts ist, da die Landesgesetzgebung von der ihr durch § 17 Abs. 2 G.-B.-G. ertheilten Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, durch Abs. 1 dieses § ausgeschlossen. Damit ist der Art. 128 un­ praktisch geworden. 13. Vgl. oben Art. 127, sowie Art. 75 der Verfassung v. 22. Frim. VIII, Dekr. v. 9. Aug. 1806 u. § 11 A.-G. zG.-V.-G. 14. Vgl. Bem. zu Art. 126.

6

G. Franz. Strafgesetzbuch. B. III. H. III. Abschn. 2. *3. 4.

Drittes Hauptstück. Verbrechen und vergehen gegen den öffent­ lichen Arieden.

strafe von wenigstens zweihundert und höchstens fünfhundert Frank, und mit der Untersagung der Ansübung öffentlicher Amtsverrichtungen zwanzig Jahre zu bestrafen. 17

auf

fünf

bis

Zweiter Abschnitt.

Dritter Abschnitt.

Amisuntreue und Werörechen und Wergehen der öffent­ lichen Aeamten in Ausübung ihrer Amtsverrichtnngen. 15

Störungen der öffentlichen Hrdnnng durch Wetigionsdiener in Ausübung ihrer Werrichtungen.

§ 3. Vergehen der Beamten, die sich in Geschäfte oder Händel einlassen, welche mit ihrem Amte unverträglich sind.

§ 4. Korrespondenz der Religionsdiener mit fremden Hosen oder Mächten über Religionsgegcnstände.

207. Jeder Diener

175. Jeder öffentliche Beamte, jeder Agent der

Regierung, der entweder offenbar, oder durch Scheingeschäste, oder durch Mittelspersonen aus Geschäften, Versteigerungen, Unternehmungen oder Staatseinkünften, die zur Zeit des Geschäftes ganz oder zum Theil zu seiner Verwaltung oder Aufsicht gehörten, irgend einen Vortheil nimmt oder erhält, wird mit Gefängniß von wenigstens sechs Monaten, und höchstens zwei Jahren bestraft, und zu einer Geldstrafe verurtheilt, die nicht dell vierten Theil der Wiedererstattungen und Ent­ schädigungen übersteigen, und nicht unter einem Zwölftel derselben sein darf. Außerdem wird er auf immer für unfähig er­ klärt, irgend ein öffentliches Amt zu versehen. Die gegenwärtige Bestimmung findet auf jedell Beamten oder Agenten der Regierung Anwen­ dung, der irgend einen Vortheil aus einem Ge­ schäfte nimmt, bezüglich dessen er beauftragt ist, die Zahlung anzuweisen, oder die Liquidation zu bewirken.16 176.............Jeder Präsekt oder Unterpräfekt, der in dem Bereiche der Orte, wo er seine Gewalt auszuüben berechtigt ist, offenbar, oder durch Scheingeschäste, oder durch Mittelspersonen, mit Getreide irgend einer Art, mit Mehl, mehligen Substanzen, Wein oder Getränken handelt, die nicht Erzeugnisse seiner eigenen Besitzungen sind, wird mit einer Geldstrafe von wenigstens fünf­ hundert und höchstens zehntausend Frank und mit der Einziehung der zu diesem Handel gehö­ rigen Lebensmittel bestraft. § 5. Mißbrauch der Amtsgewalt. E r st e Klasse. Mißbrauch der Amtsgewalt gegen Privatpersonen.

185. Jeder Richter oder jedes Gericht, jeder Verwaltungsbeamte oder jede Verwaltungsbehörde, die unter irgend einem Vorwande, sei es auch unter dem des Schweigens oder der Dunkelheit des Gesetzes, den Parteien die Rechtsprechung, zu welcher sie verpflichtet sind, versagen, nachdem sie darum angegangen sind, und bei ihrer Weigerung beharren, nachdem von ihren Oberen eine Erin­ nerung oder Anweisung an sie ergangen ist, können verfolgt werden, und sind mit einer Geld­ 15. Vgl. die Bem. znm 3. Abschn. des vorigen Hptst. 16. Vgl. Art. 21 F. G.-B. u. Art. 15 G. v. 15. April 1829.

einer Religion,

der mit

einem fremden Hofe oder mit einer fremden Macht über Fragen oder Gegenstände der Religion eine Korrespondenz unterhält, ohne den mit der Auf­ sicht des Cultus beauftragten Minister18 des Kaisers vorher davon benachrichtigt und dessen Erlaubniß erhalten zu haben, wird blos deswe­ gen mit einer Geldstrafe von hundert bis fünf­ hundert Frank, und mit Gefängniß von einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft. Vierter Abschnitt. Widersetzlichkeit, Ungehorsam, und sonstige Wergehungen gegen die öffentliche Hewatt. 19 8 5. Erbrechung der Siegel, und Wegnahme der in off ent lichen Verwahrnngsorten befindlichen Stücke.

249. Werden Siegel erbrochen, die auf Befehl der Regierung, oder in Folge einer in irgend einer Sache erlassenen gerichtlichen Verfügung angelegt sind, so werden die Hüter wegen bloßer Nachlässigkeit mit Gefängniß von sechs Tagen bis zu sechs Monaten bestraft. 250. Werden Siegel erbrochen, die auf Papiere und Effekten einer Person gelegt worden sind, welche eines die Todesstrafe, lebenslängliche Zwangsarbeiten oder die Deportation nach sich ziehenden Verbrechens beschuldigt oder angeklagt, oder die zu einer dieser Strafen verurtheilt ist, so wird der nachlässige Hüter mit Gefängniß von sechs Monaten bis zu zwei Jahren bestraft. 20 254. Werden Kriminalaktenstücke oder ganze Kriminalverhandlungen oder andere Papiere, Register, Urkunden und Effekten, die sich in Archiven, Gerichtsschreibereien, oder öffentlichen Verwahrungsorten befinden, oder einem öffent­ lichen Verwahrer in dieser Eigenschaft übergeben worden sind, vernichtet oder weggenommen, so

sind die Strafen gegen die Gerichtsschreiber, Archivare, Notare oder sonstigen Verwahrer, welche nachlässig gewesen sind, Gefängniß von drei Monaten bis zu einem Jahre, und eine Geldstrafe von hundert bis dreihundert Frank. 17. Vgl. Art. V E.-G. z. St.-G.-B. auch Artt. 506-508 frz. C.-P-O.

n. § 35 Si.-G.-B.,

18. Vgl. § 2 G. v. 4. Juli 1879 u. Bem. dazu. 19. Die Artt. 249, 250, 254 enthalten besondere, mit keiner Materie des St.-G.-B. zusammenfallende Amtsdelikte (straf­ bare Nachlässigkeit in Bewachung von Siegeln u. Urkunden). 20. Jetzt nach Maßgabe des Art. III E.-G. z. St.-G.-B. zu ergänzen.

G. Franz. Strafgesetzbuch. B. III. H. III. Abschn. 6. 7. Sechster Abschnitt. Vergehe«, welche durch Schriften, Mtder oder Kupfer­ stiche öegangen werden, die ohne Kamen des Verfassers, Druckers oder Kupferstechers veröreitet werden.

283. Jede Bekanntmachung oder Bertheilung von Werken, Schriften, Nachrichten, Tagesberichten, Anschlagzetteln, Zeitungen, periodischen Blättern oder sonstigen Druckschriften, worin die Namen, das Gewerbe und der Wohnort des Verfas­ sers oder des Druckers nicht wahrhaft ange­ geben sind, wird blos deswegen mit Gefängniß von sechs Tagen bis zu sechs Monaten an Jedem bestraft, der zu der Bekanntmachung oder Vertheilung wissentlich beigetragen hat. 284. Diese Bestimmung wird auf Strafen der

einfachen Polizei beschränkt 20: 1) in Ansehung der Ausrufer, Anhester, Ver­ käufer oder Vertheiler, welche die Person an­ geben, von welcher sie die Druckschrift erhalten haben; 2) in Ansehung eines Jeden, der den Drucker angibt; 3) selbst in Ansehung des Druckers, der den Verfasser angibr. 20 21 22 23 24

285. Enthält die Druckschrift irgend eine An­ reizung zu Verbrechen oder Vergehen, so werden die Ausrufer, Anhefter, Verkäufer und Vertheiler als Theilnehmer der Aufwiegelung bestraft, es sei denn, daß sie diejenigen angeben, von welchen sie die die Aufwiegelung enthaltende Schrift erhalten haben. 22 Im Falle dieser Angabe haben sie nur Ge­ fängniß von sechs Tagen bis zu drei Monaten verwirkt und die Strafe ber Theilnahme bleibt nur auf diejenigen anwendbar, welche die Per­ sonen, von denen sie die Druckschrift erhalten haben, und den Drucker, wenn er bekannt ist,

nicht angeben. 286. In allen obigen Fällen tritt die Ein­ ziehung der in Beschlag genommenen Exemplare ein. 287. Jede Ausstelluug oder Vertheiluug von Liedern, Flugschriften, Figuren oder Bildern, die den guten Sitten zuwider sind, wird mit einer Geldstrafe von sechzehn bis fünfhundert Frank, mit Gefängniß von einem Monate bis zu einem Jahre und mit der Einziehung der Platten und der gedruckten und gestochenen Exemplare der Lieder, Figuren oder sonstigen Gegenstände des Vergehens be­ straft. 23

288. Die in dem vorhergehenden Artikel ver­ hängte Gefängnißstrafe und Geldstrafe werden auf Strafen der einfachen Polizei beschränkt: 1) in Ansehung der Ausrufer, Verkäufer oder 20. Vgl. Artt. 475 Nr. 13, 478, 483.

21. Vgl. Artt. 15-18 G. v. 21. Okt. 1814 bete. d. Presse.

22. Der erste Absatz des Art. wird durch die §§ 47-50 St.-G.-B. geändert, wogegen der zweite als Vorschrift preß­ polizeilicher Natur (Art. II E.-G. z. St.-G.-B) in Kraft ge­ blieben ist. 23. Der Art. 287, der schon durch Art. 8. G. v. 17. Mai 1819 ersetzt war, ist durch § 184 des St.-G.-B. aufgehoben.

7

Vertheiler, welche die Person angeben, von wel­ cher sie den Gegenstand des Vergehens erhalten haben; 2) in Ansehung eines Jeden, der den Drucker­ oder Stecher angibt;

3) selbst in Ansehung des Druckers oder des Stechers, wenn sie den Verfasser oder die Person angeben, die sie mit dem Drucke oder dem Stiche beauftragt hat. 24 289. In allen in dem gegenwärtigen Abschnitte bezeichneten Fällen trifft den Verfasser, wenn ei­ bekannt ist, der Höchstbetrag der auf die Gattung des Vergehens gesetzten Strafe. Siebenter Abschnitt. Unerlaubte Vereine oder Versammlungen.25 26

291. Ein Verein von mehr als zwanzig Per­ sonen, der zum Zweck hat, sich alle Tage oder an gewissen Tagen zu versammeln, um sich mit reli­ giösen, literarischen, politischen oder anderen Ge­ genständen zu beschäftigen, darf sich nur mit Genehmigung der Regierung und unter den Bedingungen bilden, welche die Behörde der Ge­ sellschaft vorzuschreiben für gut findet. Unter der in diesem Artikel festgesetzten Zahl von Personen sind diejenigen nicht einbegriffen, die in dem Hause wohnen, in welchem die Ge­ sellschaft zusammenkommt. 26 292. Jeder Verein der oben bezeichneten Art, der sich ohne Genehmigung gebildet, oder der nach erlangter Genehmigung die ihm vorge­ schriebenen Bedingungen verletzt hat, wird aufge­ löst. Die Vorsteher, Direktoren oder Verwalter der Gesell schäft werden außerdem mit einer Geldstrafe von sechzehn bis zweihundert Frank bestraft.27

293. Hat in diesen Versammlungen durch Re­ den, Ermahnungen, Anrufungen oder Gebete, in welcher Sprache es auch sein mag, oder durch Vorlesung, Anheftung, Bekanntmachung oder Ver­ keilung von Schriften, irgend eine Anreizung zu Verbrechen oder Vergehen statt gefunden, so ist die Strafe gegen die Vorsteher, Direktoren und Verwalter dieser Vereine eine Geldstrafe von hundert bis dreihundert Frank und Gefängniß

24. Als Preßpolizei-Borschrift in Geltung geblieben. Vgl. Art. 475 Nr. 13, 478, 483. 25. Die Artt. 291-294, welche (mit dem G. v. 10. April 1834) durch G. v. 18. Juli 1848 beseitigt waren, sind durch D. v. 25. März 1852 wieder in Kraft gesetzt. Die Bestim­ mung des letztgenannten Dekrets, daß die Artikel auch auf Versammlungen (röunions) aller Art Anwendung finden sollten, wurde durch G. v. 6. Juni 1868 wieder beseitigt; Ueber Koalitionen der Arbeiter und Arbeitsgeber bestimmen die Artt. 414-^16.

26. Zu ergänzen aus Art. 1 G. v. 10. April 1834 über die Vereine.

27. Die Strafe bestimmt jetzt allgemein für alle Mitglieder Art. 2 G. v. 10. April 1834 über die Vereine. Vgl. übrigens § 17 des Wahlgesetzes für den d. Reichstag v. 31. Mai 1869.

8

G. Franz. Strafgesetzbuch. B. III. T. II. H. II. Abschn. 1. 2.

von drei Monaten bis zu zwei Jahren; unbe­ schadet der schwereren Strafen, die das Gesetz gegen die Einzelnen, welche sich der Anreizung persönlich schuldig gemacht haben, verhängt, und

Zweiter Abschnitt. AanLerutte, Prellereien und andere Arten des Aetrugs. § 3. Zuwiderhandlungen gegen die Verordnungen über Spiel­ häuser, Lotterien und Leihhäuser.

die in keinem Falle mit geringerer Strafe belegt werden dürfen, als diejenige ist, welche die Vorsteher, Direktoren und Verwalter des Vereins trifft. 28 29

410. Diejenigen, welche ein Haus für Glücksspiele halten, und dem Publikum dazu entwender freien Zutritt, oder auf Vorstellung der Betheiligten oder Mitglieder Zutritt gestatten, die Bankhalter in einem solchen Hause, Alle, welche Lotterien errichten oder halten, die von dem Gesetze nicht genehmigt sind, alle Verwalter, Angestellte oder Agenten solcher Anstalten werden .... bestraft ... 32 33

294. Wer ohne Erlaubniß der Gemeindebehörde den Gebrauch seines Hauses oder seiner Zimmer, ganz oder theilweise, zur Versammlung eines Vereins, selbst eines genehmigten, oder zur Aus­ übung eines Religionsdienstes gestattet oder be­ willigt, wird mit einer Geldstrafe von sechzehn bis zweihundert Frank bestraftes

(Gesetz, beschlossen den 19. Februar, ausgefertigt den 1. März 1810.)

411. Diejenigen, welche ohne gesetzliche Erlaubniß Leih- oder Pfandhäuser errichten oder halten, oder die zwar eine Erlaubniß haben, aber kein den Verordnungen entsprechendes Register führen, welches nach einander, ohne leeren Raum und Zwischenlinie, die dargeliehenen Summen oder Gegenstände, die Namen, den Wohnort und das Gewerbe der Anleiher, die Natur, Beschaffenheit und den Werth der verpfändeten Sachen enthält, werden mit Gefängniß von wenigstens vierzehn Tagen und höchstens drei Monaten, und mit einer Geldstrafe von hundert bis zweitausend Frank bestraft. 33

Verbrechen und Vergehen gegen das HigenIhnm.

8 4. Beeinträchtigung der Freiheit des Bietens bei Versteigerungen.

Zweiter Titel. Verbrechen und Vergehen gegen VrivatVerfonen

Zweites Hauptstück.

412. Diejenigen, welche bei Versteigerungen von Eigenthum, Nießbrauch, Bermiethung beweglicher oder unbeweglicher Gegenstände, von Unterneh­ mungen, Lieferungen, wirthschaftlichen Ausbeu­ tungen oder von irgend welchen Leistungen die Freiheit des Mehrbietens oder die Abgabe der Er­ klärungen durch Thätlichkeiten, Gewaltthätigkeiten oder Drohungen, sei es vor oder während des Bietens oder der Abgabe der Erklärungeu, hindern oder stören, werden mit Gefängniß von wenig­ stens vierzehn Tagen und höchstens drei Monaten, und einer Geldstrafe von wenigstens hundert und höchstens fünftausend Frank bestraft. Die nämliche Strafe trifft diejenigen, welche durch Geschenke oder Versprechen die Steigerer entfernen. 34

Erster Abschnitt. Aiebstahte.

388. (G. v. 28. April 1832)................................. Ist der Diebstahl oder Diebstahlsversuch an Feldfrüchten oder anderen nutzbaren Bodenerzeugnisscn, welche vor der Entwendung noch nicht vom Boden getrennt waren, mit Körben, Säcken oder anderen gleichstehenden Gegen­ ständen, zur Nachtzeit, mit Hülfe von Wagen oder Last­ thieren oder von mehreren Personen verübt worden, so ist die Strafe............... 30

401. Die übrigen in dem gegenwärtigen Abschnitte nicht besonders hervorgehobenen Diebstähle, die listigen Ent­ wendungen und Gaunerstreiche, so wie auch die Versuche dieser Vergehen, werden mit Gefängniß von wenigstens einem und höchstens fünf Jahren bestraft und können auch noch mit einer Geldstrafe von wenigstens sechszehn und höchstens fünfhundert Frank bestraft werden. Ferner kann den Schuldigen die Ausübung der in dem Artikel 42 des gegenwärtigen Gesetzbuches erwähnten Rechte ............ untersagt werden. — Sie können auch.................... unter die Aufsicht der hohen Polizei gestellt werden. 31

28. Der Schlußsatz ist als beseitigt anzusehen, da die Be­ strafung derjenigen, welche zu strafbaren Handlungen auf­ fordern, sich jetzt lediglich nach dem St.-G.-B. richtet; der erste Theil des Artikels gehört dagegen zu den „besonderen Vorschriften über Mißbrauch des Bereinsrechtes", welche Art. II E.-G. z. St.-G.-B. in Kraft erhält.

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29. Vgl. § 17 Wahlges. für den d. Reichstag vom 31. Mai 1869 u. Art. 3 G. v. 10. April 1834. 30. Der Art. 388 ist durch die Vorschriften des St.-G.-B. über Diebstahl beseitigt; die abgedruckten Worte sind jedoch noch insofern von Bedeutung als sie in Art. 475 Nr. 15 (u. 471 Nr. 9) zur Bestimmung des Begriffs des Felddiebstahls an­ gezogen sind. 31. Art. 401 ist beseitigt, wie 388, die abgedruckten Worte sind jedoch angezogen in Art. 463, welchen sie ergänzen mit der Maßgabe, daß an Stelle des Art. 42 die §§ 32-34 St.-G.-B. und hinsichtlich der Polizeiaufsicht § 38 anzu­ wenden ist.

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32. Beseitigt theils durch §§ 284, 285, theils 286 St.-G.-B. Vgl. aber Art. 3 G. v. 21. Mai 1836 über Lotterien. 33. Die Bestrafung der Pfandleiher wegen vorschriftswidriger Buchführung richtet sich heute nach § 360 Nr. 12 St.-G.-B. Vgl. übrigens Art. 1 G. v. 24. Juni 1854, wonach Leihhäuser künftig nur als öffentliche Anstalten errichtet werden sollen. — Im Uebrigen ist der (in Art. 4 G. v. 21. Mai 1836 über Lotterien angezogene) Art. 411 in Kraft geblieben. 34. Der Schutz des Friedens öffentlicher Versteigerungen ist eine „besondere Vorschrift", deren Materie sich im St.rG.-B. nicht findet, wie daraus hervorgeht, daß eine analoge Bestimmung des Entwurfs (§ 283) nicht zum Gesetz erhoben wurde. Aus dem allein maßgebenden Art. II E.-G. z. St.-G.-B. folgt daher die Weitergeltung des Art. 412 (mit 462). Entscheidungen des preuß. Obertribunals, welche eine dem Art. 412 entsprechende Vorschrift des preuß. St.-G.-B. für aufgehoben erachten, stimmen in der Begründung unter einander nicht überein und berücksichtigen jedenfalls nicht den Standpunkt des franz. St.-G.-B., welches die Rubrik „straf­ barer Eigennutz" nicht kennt. Vgl. Förtsch u. Leoni, Straf­ gesetze II, S. 193; Rüdorff, St.-G.-B. 1877, S. 51, Note 13. — S. auch Art. 16 G. v. 15. April 1829 über die Flnßfischerei (u. 22 F.-G.-B.).

G. Franz. Strafgesetzbuch. B. III. T. II. H. II. Abschn. 2.

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8 ä. Verletzung der auf Manufakturen, Handel und Künste bezüglichen Verordnungen.

Ausländern oder im Auslande wohnenden Franzosen Geheimnisse der Fabrik, in welcher er angestellt 413. Jede Verletzung der Staatsverwaltungs­ ist, mittheilt oder mitzutheilen versucht, wird mit Gefängniß von zwei Jahren bis zu fünf Jahren Verordnungen, welche sich auf die in das Ausland zu führenden Erzeugnisse der inländischen Manu­ und mit Geldstrafe von fünfhundert Frank bis fakturen beziehen und zum Zwecke haben, die gute zu zwanzigtausend Frank bestraft. Beschaffenheit, das Maßverhältniß und die Natur Er kann außerdem der in Art. 42 dieses Gesetz­ der Fabrikation zu gewährleisten, wird mit einer buchs erwähnten Rechte............. beraubt werden. Geldstrafe von wenigstens zweihundert und höch­ Er kann auch .... unter Polizeiaufsicht gestellt werden. 39 stens dreitausend Frank, und mit Einziehung der Waaren bestraft. Diese zwei Strafen können, nach Sind diese Geheimnisse in Frankreich wohnenden Umständen, vereint oder einzeln erkannt werden. 35 36 Franzosen mitgetheilt worden, so ist die Strafe, 414. (G. v. 25. Mai 1864.) Mit Gefängniß Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei Jahren und Geldstrafe von sechzehn Frank bis zu zweivon sechs Tagen bis zu drei Jahren und mit hilndert Frank. Geldstrafe von sechzehn Frank bis zu drei­ Der Höchstbetrag der in den Absätzen 1 und 3 tausend Frank oder nur mit einer von diesen des gegenwärtigen Artikels angedrohten Strafen beiden Strafen wird bestraft, wer mittelst Gewalt­ ist zur Anwendung zu bringen, wenn es sich um thätigkeiten, Thätlichkeiten, Drohungen oder be­ Geheimnisse staatlicher Fabriken von Kriegswaffen trügerischer Kunstgriffe eine verabredete Arbeits­ und Kriegsbedarf handelt. einstellung zu dem Zwecke herbeiführt oder unterhält 419. Alle diejenigen, welche durch absichtliche oder herbeizuführen oder zu unterhalten versucht, öffentliche Verbreitung falscher oder verleumde­ um Erhöhung oder Herabsetzung der Löhne zu rischer Thatsachen, durch Anbieten höherer Preise erzwingen oder die freie Ausübung der Gewerbals die Verkäufer selbst fordern, durch Vereinigung thätigkeit oder der Arbeit zu beeinträchtigen.39 oder Verbindung unter den Hauptinhabern der 415. (G. v. 25. Mai 1864.) Sind die durch nämlichen Waare oder der nämlichen Lebensmittel, den vorhergehenden Artikel mit Strafe bedrohten welche dahin geht, dieselbe nicht zu verkaufen, oder Handlungen in Folge eines verabredeten Planes sic nur zu einem gewissen Preise zu verkaufen, begangen worden, so können die Schuldigen . . . oder die durch betrügliche Wege oder Mittel irgend unter Polizeiaufsicht gestellt werden. 37 einer Art das Steigen oder das Fallen des Preises 416. (G. v. 25. Mai 1864.) Mit Gefängniß von Lebensmitteln oder Waaren, oder von von sechs Tagen bis zu drei Monaten und mit Staatspapieren und Effekten über oder unter die Geldstrafe von sechzehn Frank bis zu dreihundert Preise bewirken, welche die natürliche und freie Frank oder nur mit einer dieser Strafen, werden Konkurrenz des Handels bestimmt haben würde, alle Arbeiter, Arbeitsgeber und Werk-Unternehmer werden mit Gefängniß von wenigstens einem bestraft, welche mit Hülfe von Geldbußen, Ver­ Monate und höchstens einem Jahre und mit einer boten, Aechtungen, Berrufserklärungen, die in Folge Geldstrafe von fünfhundert bis zehntausend Frank eines verabredeten Planes ausgesprochen werden, bestraft. Die Schuldigen können außerdem .... die freie Ausübung der Gewerbthätigkeit oder der unter Polizeiaufsicht gestellt werden. 40 Arbeit beeinträchtigen. 420. Die Strafe ist Gefängniß von wenigstens 417. Wer in der Absicht der französischen Gewerb­ zwei Monaten und höchstens zwei Jahren, und thätigkeit zu schaden, veranlaßt, daß Vorsteher, Geldstrafe von tausend bis zwanzigtausend Frank, Angestellte oder Arbeiter einer Anstalt in's Aus­ wenn dergleichen Kunstgriffe Getreide, Futter­ land ziehen, wird mit Gefängniß von sechs körner, Mehl, mehlige Substanzen, Brod, Wein Monaten bis zu zwei Jahren und mit Geld­ oder sonstige Getränke zum Gegenstand gehabt strafe von sechzig Frank bis zu dreihundert Frank haben............. 40 bestraft. 38 421. Wetten über das Steigen oder das Fallen der 418. (G. v. 13. Mai 1863.) Jeder Vorsteher, Angestellter oder Arbeiter in einer Fabrik, welcher | Staatspapiere werden mit den in dem Artikel 419 verhängten Strafen belegt.41

35. Als veraltet anzusehcn. 36. Die Artt. 414, 415, 416 werden durch Art. 2 G. v. 25. Mai 1864, durch welches sie ihre gegenwärtige Fassung erhalten haben, ergänzt. Vgl. auch Art. 462. 37. Die Gerichte haben jetzt nur die Zulässigkeit der Polizei­ aufsicht nach Maßgabe des § 38 St.-G.-B. auszusprcchcn.

38. An Stelle der französischen schützt das Landesgesctz (Artt. 413, 417, 418) jetzt die Landes- d. h. elsaß-lothringische Industrie und als Ausland im Sinne dieser Artikel sind daher auch die deutschen Bundesstaaten zu betrachten; weder 8 8 St.-G.-D. noch Art. 3 N.-V. sichen in letzterer Beziehung entgegen. Vgl. auch Art. 462.

422. Als Wette dieser Art wird angesehen jede Uebereinknnft über den Verkauf oder die Lieferung von Staats39. Au Stelle der angedrohten Ehrenstrafen ist jetzt Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und statt der Polizeiaufsicht die Zulässigkeit derselben auszusprechcn, §§ 32 und 38 St.-G.-B. 40. Die Gerichte haben jetzt nur die Zulässigkeit der Polizei­ aufsicht anszusprechen, § 38 St.-G.-B. — Vgl. auch Art. 462. 41. Die Artt. 421 u. 422 sind als aufgehoben zu betrachten, sofern man annimmt, daß sie die in den §§ 284-286 St.-G.-B. behandelte Materie des verbotenen Spiels betreffen. Vgl. Art. 1965 C.-G.-B.

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G. Franz. Strafgesetzbuch. B. III. T. II. H. II. Abschn. 3.

papieren, von welchen der Verkäufer nicht beweist, das; sie znr Zeit des Vertrags zu seiner Verfügung waren, oder zur Zeit der Lieferung zu seiner Verfügung hätten sein sollen.

richt geantwortet hat, sie eingeschlossen hält, wird mit Gefängniß von sechs Tagen bis zu zwei Monaten und mit einer Geldstrafe von sechszehn bis zweihundert Frank bestraft. 44 462. Sind die zuchtpolizeilichen Vergehen, von welchen in dem gegenwärtigen Hauptstück die Rede ist, von Feld- oder Forsthütern, oder von Polizeibeamten, wie sie auch Namen haben mögen, begangen, so soll die Gefängnißstrafe wenigstens einen Monat und höchstens ein Drittel mehr als die höchste Strafe betragen, welche gegen einen andern des nämlichen Vergehens Schuldigen zur Anwendung kommen würde. 45

425. Jede Ausgabe von Schriften, musikalischen Kompo­ sitionen, Zeichnungen, Malereien oder anderen Erzeugnissen, welche den Gesetzen und Verordnungen über das Eigenthum der Verfasser zuwider, ganz oder zum Theile gedruckt oder gestochen wird, ist ein Nachdruck und jeder Nachdruck ist ein Vergehen. 42 426. Der Verkauf nachgedruckter Werke, die Einbringung von Werken, die, nachdem sie im Julande gedruckt waren, im Auslande uachgedruckt worden sind, auf das inländische Gebiet, ist ein Vergehen der nämlichen Art. 427. Die Strafe gegen den Nachdrucker oder den Ein­ bringer ist eine Geldstrafe von wenigstens hundert und höchstens zweitausend Frank; und gegen den Verkäufer eine Geldstrafe von wenigstens fünfundzwanzig und höchstens fünfhundert Frank.

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Die Einziehung der nachgedruckteu Ausgabe wird sowohl gegen den Nachdrucker, als gegen den Einbringcr und den Verkäufer ausgesprochen. Die Platten, Formen oder Matrizen der nachgedruckten Gegenstände werden eiugezogen.

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Allgemeine Bestimmungen. 463. (G. v. 13. Mai 1863). Die im Gesetze an­ gedrohten Strafen werden hinsichtlich des oder der für schuldig erkannten Angeklagten, zu deren Gunsten die Geschworenenbank mildernde Um­ stände angenommen hat, wie folgt abgeändert:

429. In den Fällen der vier vorhergehenden Artikel werden der Ertrag der Einziehungen oder die eingezogenen Einnahmen beut Eigenthümer übergeben, um demselben in so weit für den erlittenen Nachtheil zu entschädigen; der Rest der Entschädigung, oder die ganze Entschädigung, wenn weder ein Verkauf eingezogener Gegenstände, noch eine Be­ schlagnahme der Einnahmen statt gehabt hat, wird im ge­ wöhnlichen Rechtswege bestimmt.

Ist die voin Gesetz cingedrohte Strafe der Tod, so hat das Gericht die Strafe der Zwangsarbeit auf Lebenszeit oder die der Zwangsarbeit auf Zeit auszusprechen. Ist Zwangsarbeit auf Lebenszeit angedroht, so hat das Gericht Zwangsarbeit auf Zeit oder Zuchthaus auszusprechen. Ist Deportation in einen befestigten Ort angedroht, so hat das Gericht einfache Deportation oder Festungshaft auszusprechen ....

Dritter Abschnitt.

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Zerstörungen, Beschädigungen. 43

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459. Jeder Inhaber oder Hüter von Thieren, welche von einer ansteckenden Krankheit befallen zu sein verdächtig sind, der nicht auf der Stelle den Bürgermeister der Gemeinde, in der diesel­ ben sich befinden, davon benachrichtigt, und der nicht, selbst ehe der Bürgermeister auf die Nach-

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Ist Deportation angedroht, so hat das Gericht Festungshaft oder Verbannung auszusprechen. Ist Zwangsarbeit auf Zeit angedroht, so hat das Gericht Zuchthaus oder die Bestimmungen des Artikel 401 zur Anwendung zu bringen, in welch letzterem Falle die Dauer der Gesängnißstrafe jedoch nicht unter zwei Jahre ermäßigt

I I i 42. Die Artt. 425 bis 429 gewährten den strafrechtlichen I Schutz des Urheberrechts, nach der Praxis und in Folge : Ergänzungen durch die Gesetzgebung, im vollsten Maße, als für Schriftwerke, musikalische Kompositionen, Handels­ ! marken und Fabrikzeichen (G. v. 28. Juli 1824), gewerbliche :

werden darf. Ist Zuchthaus, Festungshaft, Verbannung oder Aberkennung der staatsbürgerlichen Rechte angedroht, so hat das Gericht die Bestimmungen des Artikel 401 zur Anwendung zu bringen, darf jedoch die Dauer der Gesängnißstrafe nicht unter ein Jahr ermäßigen.

Muster und Modelle, sowie für Kunstwerke aller Art, zu welchen unter Umständen auch Photographien gerechnet wurden. Das o. St.-G -B. griff in diese Materie nur durch § 287 ein, die obigen Artikel blieben deßhalb int wesentlichen in Kraft, bis ihre Anwendbarkeit durch die Reichsgesctze v. 11. Juni 1870 (eiliges, im E.-L. durch G. v. 27. Jan. 1873) ii. v. 9. 10. 11. Jan. 1876, nach und nach derartig einge­ schränkt wurde, daß sie jetzt nur noch vorübergehend auf die Nachbildung von gewerblichen Mustern und Modellen (§ 17 G. v. 11. Jan .1876) und von Photographien (§ 12 G. v. 10. Jan. 1876) Anwendung finden und allenfalls noch Gel­ tung behalten für neu zu erfindende Arten von Kunstwerken, welche weder unter das G. v. 11. Juni 1870, noch unter die G. v. 9. u. 10. Jan. 1876 fielen. — Art. 428 ist durch das G. v. 11. Juni 1870 endgültig beseitigt.

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In Fällen, wo das Gesetzbuch den Höchstbetrag einer Leibesstrafe androht, hat das Gericht beim Vorhandensein mildernder Umstände den niedrigsten Betrag der Strafe oder selbst die niedrigere Strafe auszusprechen,

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In allen Fällen, in denen das Gesetzbuch Ge­ fängniß und Geldstrafe androht, sind die Zucht­ polizeigerichte, wenn mildernde Umstände vorzu­ liegen scheinen, ermächtigt, diese beiden Strafen selbst bei Rückfall wie folgt zu ermäßigen: Ist im Gesetze, sei es in Berücksichtigung der Natur des Vergehens, sei es in Berücksichtigung der Nückfülligkeit des Beschuldigten, Gefängnißstrafe, die mindestens ein Jahr oder Geldstrafe, die min-

43. Die unter dieser Ueberschrift aufgenommeuen Artt. 443-457, welche zum Theil Artikel der Feldpolizei-Ordnung v. 28. Sept. —6. Okt. 1791 abgeändert oder ergänzt haben, besitzen als Theile des gemeinen Strafrechts gegenüber einem Sammeldelikt der Sachbeschädigung, wie solches in den §§ 303 bis 305 St.-G.-B. aufgestellt ist, nicht den Cha­ rakter der „Besonderheit" im Sinne des Art. II E.-G. z. St.-G.-B. und sind daher aufgehoben, gleichviel ob dadurch gewisse Handlungen straflos werden.

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44. Die durch das Gesetz in diesem Artikel den Vieh­ besitzern anferlegten Pflichten sind nicht Maßregeln im Sinne des 8 328 St.-G. B. Art. 459 ist daher in Kraft ge­ blieben. Vgl. §§ 4 u. 7 G. über die Rinderpest v. 7. April 1869. 45. Tie aus dem zweiten Hauptstück in Kraft gebliebenen Artikel sind die Artikel 412-420, 459.

G, Franz. Strafgesetzbuch. B. IV. H. I. II. Abschn. 1. bestens fünfhundert Frank betragen soll, ange­ droht, so können die Gerichte das Gefängniß bis auf sechs Tage und die Geldstrafe bis auf sech­ zehn Frank ermäßigen. In allen anderen Fällen können sie die Gefängnißstrafe selbst unter sechs Tage und die Geld­ strafe unter sechzehn Frank herabsetzen. Sie können auch die eine oder die andere dieser Strafen allein und sogar Geldstrafe an Stelle des Ge­ fängnisses aussprechen, wobei jedoch in keinem Falle die Strafe unter das Maß der Polizei­ strafen herabgehen darf. *6

Viertes Buch.

Polizeiübertreturrgen und Strafen. iGesetz, beschlossen den 20. Februar, ausgefertigt den 2. März 1810.)

Erstes Hauptstück.

Strafen. 464. Die Polizeistrafen sind: Hast (emprisonnement), Geldstrafen und Einziehung gewisser in Beschlag genommener Gegenstände. 465. Tie Haftstrase wegen einer Polizeiübertretung darf nach den unten angegebenen Klassen, Unterscheidungen und Fällen nicht weniger als einen Tag, und nicht länger als fünf Tage

dauern. . . . 466. Geldstrafen wegen einer Uebertretung können nach den unten angegebenen Unterschei­ dungen und Klassen von einem Frank bis zu fünfzehn Frank einschließlich erkannt werden, und sind zum Vortheil der Gemeinde, in der die Ueber­ tretung begangen worden ist, zu verwenden.46 47

Zweites Hauptstück.

Aevertretuugen und Strafen. Erster Abschnitt. — Erste Klasse.

471. (G. v. 28. April 1832.) Mit Geldstrafe von einem Frank bis zu fünf Frank einschließlich wird bestraft:48 * 46. Der Art. 463 ist als allgemeine Regel des Strafrechts durch das D. St.-G.-B. beseitigt, aber auch ferner noch bei Anwendung französischer Strafgesetze zu beobachten, soweit er sich auf dieselben überhaupt bezieht; letzteres aber gilt 1) hinsichtlich aller Berbrechen, 2) hinsichtlich der im franz. St. G.-B. aufgestellten Vergehen und Uebertretungen und 3) hinsichtlich derjenigen Vergehen und Uebertretungcn der Spezialgesetze, auf welche der Art. 463 ausdrücklich für an­ wendbar erklärt ist. Die Absätze 2, 3, 4, 8 sind unpraktisch geworden. Im Uebrigen ist bei Amyendung des Art. 463 der Art. V E.-G. z. St.-G.-B. zu beachten; vgl. auch Bem. zu Art. 401.

47. Die amencle ist die einzige Strafart, welcher Art. V E.-G. z. St.-G.-B. keine andere substituirt, ohne daß (wie hinsichtlich der Verbannung) die Straflosigkeit der damit bedrohten Handlungen angenommen werden kann; woraus gefolgert wird, daß § 27 St.-G.-B. auf franz. Strafgesetze keine Anwendung finde und demnach auch jetzt noch bei Anwendung der letztere: auf 80 Pf. erkannt werden könne. 48. Vgl. die vorhergehende Bemerkung.

G. Strafrecht.

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5) wer es versäumt oder verweigert, die das Heine Straßenwesen betreffenden Verordnungen und Beschlüffe zu befolgen; . . . ."

7) wer auf Straßen innerhalb der Ortschaften, auf Wegen, Plätzen, öffentlichen Orten oder auf dem Felde Pflugeisen, Brecheisen, größere oder kleinere Stangen, oder sonstige Maschinen, Werk­

zeuge oder Waffen, mit denen Diebe oder andere Uebelthäter Mißbrauch treiben könnten, liegen läßt; 9) wer, ohne daß ein anderer in dem Gesetze vorgesehener Umstand dazu kommt, fremdes Obst (fruits) an Ort und Stelle abpflückt oder verzehrt;50 10) wer, ohne daß ein anderer Umstand 51 dazu kommt, auf Feldern, deren Ernte noch nicht voll­ ständig abgeräumt ist, oder vor dem Aufgange oder nach dem Untergange der Sonne stoppelt, nachrecht oder Traubennachlese hält; 11) wer den in gesetzlicher Weise von der Verwaltungs-Obrigkeit erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt oder wer die von der GemeindeObrigkeit auf Grund der Artikel 3 und 4 Titel XI des Gesetzes vom 16-24. Angust 1790 und des Artikel 46 Titel I des Gesetzes vom 19-22. Juli 1791 veröffentlichten Verordnungen oder Beschlüsse nicht befolgt. 52

49. Unter den hier genannten Verordnungen und Beschlüffen können, namentlich nach Einführung der Nr. 15 des Artikels durch G. v. 28. April 1832, nur diejenigen ver­ standen werden, welche auf Bauflucht u. Bauerlaubniß an den nicht zu den Staats- u. Bezirksstraßen (aber zum öffent­ lichen Gut) gehörigen öffentlichen Wegen Bezug haben. Die Nichtbeachtung solcher Verordnungen ist aber heute nach § 367 Nr. 15 oder 366 Nr. 10 St.-G -B. zu bestrafen. Ver­ ordnungen über die Höhe der Häuser, welche gewöhnlich auch hieher gerechnet werden, standen nach der richtigen Ansicht (vgl. die Begründung des Urtheils des Pariser Kas­ sationshofs v. 30. März 1827, aff. Jacquemont) unter dem Schutz von Nr. 15 und jetzt ebenfalls unter dem der 88 367 Nr. 15 u. 366 Nr. 10 St.-G.-B. Der weggelaffene Theil des Art. ist durch § 367 Nr. 13 St.-G.-B. beseitigt. 50. Mehrere Schriftsteller drucken „pflückt und verzehrt" und es ist nicht zu leugnen, daß die Nr. 9 mit dieser Lesart und, wenn man den Beisatz „an Ort und Stelle" nur auf das Verzehren bezieht, den besten Sinn gibt. Die Umstände, welche die Anwendbarkeit der Nr. 9 aus­ schließen, sind dieselben, welche Art. 475 Nr. 15 näher be­ zeichnet. Die Nr. 9 ist zur Feldpolizei zu rechnen und darum weder durch 8 242 noch 8 370 Nr. 5 St.-G.-B. beseitigt. 51. Nämlich ein Umstand, welcher den Begriff der Nach­ lese ausschließt und der That die Merkmale eines anderen Delikts, insbesondere des gemeinen Diebstahls verleiht. Vgl. auch Artt. 21, 22 Feld-P.-O. (Tit. 2 G. v. 28. Sept.6. Oct. 1791). 52. Art. 4 Tit. 11 G. v. 16-24. Aug. 1790 ist durch die Bestimmungen der D. v. 30. Dec. 1852 u. 6. Jan. 1864 ersetzt und Art. 46 G. v. 19-22. Juli 1791 durch Art. 11 G. v. 18. Juli 1837, wornach für die Gemeinden der Bür­ germeister solche Verordnungen erläßt. Vgl. jedoch jetzt bezüglich der Städte Straßburg, Metz, Mülhausen 8 44 G. über die Verwaltung v. 30. Dec. 1871. Die Strafe des Art. 471 tritt übrigens nur dann ein, wenn nicht durch ein Spezialgesetz (z. B. Artt. 4-7 G. über Fuhrwesen v. 30. Mai 1851, 88 184, 173 Bergges. v. 16. Dez. 1873) oder durch dos St.-G.-B. (vgl. namentlich

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G. Franz. Strafgesetzbuch. B. IV. H. II. Abschn. 2.

472. Außerdem werden. ... die unter Nr. 7 des Artikel 471 erwähnten Pflugeisen, Werkzeuge und Waffen eingezogen. 473. Es kann nach Umständen außerdem Haft­ strafe von höchstens drei Tagen gegen denjenigen ausgesprochen werden. ... der dem Artikel 471 Nr. 10 zuwider stoppelt, nachrecht, oder Trauben­ nachlese hält. 474. Auf Haft von höchstens drei Tagen ist gegen die in Artikel 471 erwähnten Personen stets zu erkennen, wenn dieselben sich im Rückfall befinden.

Zweiter Abschnitt. — Zweite Klasse.

475. (G. v. 28. April 1832.) Mit Geldstrafe von sechs Frank bis zu zehn Frank einschließlich wird bestraft: 1) wer dem Ausrufe der Weinlesezeit oder anderen auf die Erntezeit bezüglichen Bekanntmachungen, welche durch Verordnungen gestattet sind, zuwider handelt;53 ********

2) Gastwirthe aller Art, Beherberger, Bermiether möblirter Zimmer, welche versäumen, in ein ordentlich geführtes Register, nach einander und ohne alle Lücken, die Namen, den Stand oder das Gewerbe, den gewöhnlichen Wohnort, das Datum der Ankunft und des Abganges eines Jeden einzuschreiben, der eine Nacht in ihren Häusern geschlafen oder zugebracht hat; diejenigen unter ihnen, die dieses Register den Bürgermei­ stern, Beigeordneten, Polizeibeamtcn oder Kom­ missorien, oder den damit beauftragten Bürgern, nicht zu den durch die Verordnungen bestimmten Zeiten, oder auf die an sie ergangene Aufforde­ rung vorlegen. Die in Artikel 73 des gegenwär­ tigen Gesetzbuches vorgesehenen Fälle der Verant­ wortlichkeit für die Verbrechen oder Vergehen derjenigen, welche bei ihnen eingekehrt sind und sich ausgehalten haben, aber nicht regelmäßig eingeschrieben worden sind, werden hierdurch nicht berührt; 3) Fuhrleute, Kärrner, Begleiter von Fuhrwerk aller Art, oder von Lastthieren, welche den Ver­ ordnungen zuwiderhandeln, die sie verpflichten, beständig nahe bei ihren Pferden, Zug- oder Lastthieren und bei ihrem Fuhrwerk zu bleiben, und sich im Stande zu halten, dieselben zu lenken und zu führen; nur

öffentlichen

Straßen

oder

Wege

eine Seite der einzunehmen;

vor einem andern Fuhrwerk auszuweichen, oder auf die Seite zu gehen und bei dessen Annäherung ihm wenigstens

88 366 Nr. 10, 366 a, aber auch 360 Nr. 12, 361 Nr. 6, 365, 366 Nr. 1, 367 Nr. 2 u. 5, 368 Nr. 2 u. 8, 369 Nr. 3) auf die Uebertretung der Polizeiverordnung eine andere Strafe gesetzt ist. Auf Verordnungen, welche Seitens der Reichsgewalten für das ganze Reich erlassen worden, findet Art. 471 Nr. 15 keine Anwendung, z. B. nicht auf das EisenbahnpolizeiReglement. 53. Mat. des 8 368 Nr. 1 St.-G.-B., welcher jedoch nur von Schließung der Weinberge spricht. Zuwiderhandlungen gegen andere derartige Verordnungen, z. B. den hie und da üblichen Heuerntebann, wären deshalb jetzt nach Art. 471 Nr. 15 zu bestrafen. Vgl. Bem. zu 8 368 Nr. 1 St.-G.-B.

die Hälfte der Straßen, Chausseen, Heerstraßen und Wege frei zu lassen;54

4) wer veranlaßt oder geschehen läßt, daß seine Pferde, Zug-, Last- oder Reitthiere im Innern eines bewohnten

wer die über das Laden, gegen das allzuschnelle Fahren oder die schnelle Führung der Fuhrwerke ergangenen Verord­ nungen Übertritt; wer den Bestimmungen der landesherrlichen und anderen Verordnungen, zuwiderhandelt, die zum Gegenstand haben: die feste Bauart der öffentlichen Wagen; ihr Gewicht; die Art und Weise ihrer Ladung; die Zahl und die Sicherheit der Reisenden; die im Innern der Wagen anzubringende Angabe der Zahl und des Preises der Plätze; die außen anzubringende Angabe des Namens der Eigenthümer;55 11) wer sich weigert, die vaterländischen Münzen, welche weder falsch noch verschlechtert sind, nach dem Werthe, zu dem sie Kurs haben, anzunehmen;56 57 13) die in den Artikeln 284 u. 288 dieses Ge­ setzbuches bezeichneten Personen; 15) wer, ohne daß einer der im Artikel 388 vorgesehenen Umstände vorliegt, Feldfrüchte oder andere nutzbare Bodenerzeugnisse, welche vom Boden noch nicht getrennt sind, entwendet. 57 476. (G. v. 28. April 1832). Es kann nach Umständen außer der im vorhergehenden Artikel angedrohtcn Geldstrafe auf Haft bis zu drei Tagen erkannt werden, gegen die in Uebertretung befindlichen Fuhrleute, Kärrner, Kutscher und Be­ gleiter, gegen diejenigen, welche den Verordnungen zuwiderhandeln, die zum Gegenstände haben, sei es das allzuschnelle Fahren, die schlechte Führung Ortes umherlaufen, oder

54. Das erste und dritte Gebot der Nr. 3, welche von der Praxis als verbindlich auch da angesehen wurden, wo sie nicht ausdrücklich biird) eine Verordnung wiederholt waren, betreffen die Mat. der 88 366 Nr. 2 u. 5 St.-G.-B. 55. Der kleingedruckte Theil der Nr. 4 ist durch K 366 Nr. 5 St.-G.-B. ersetzt, der übrige Theil durch das G. v. 30. Mai 1851 und die auf Grund desselben ergangenen Verordnungen in seiner Anwendbarkeit auf Zuwiderhand­ lungen gegen Verordnungen beschränkt, welche das Fuhr­ wesen entweder für andere als die in Art. 1 G. v. 1851 genannten Straßen oder in Punkten regeln, die durch das G. v. 1851 und seine Ausführungs - Verordnungen nicht vorgesehen sind. Vgl. auch Art. 45 D. v. 10. Aug. 1852. 56. Vgl. Artt. 9, 10 Münzges. v. 9. Juli 1873 u. 8 5 G. v. 30. April 1874 über Reichs-Kassenscheine. 57. Fclddiebstahl (maraudage), vgl. Art. II E.-G. z. St.-G.-B. Obwohl Art. 388 durch 88 242 ff. St.-G.-B. auf­ gehoben ist, so sind die hier in Bezug'genommenen Worte desselben doch nach wie vor zur Ergänzung der Nr. 15 heran zu ziehen. Art. III E.-G. z. St.-G.-B. ist auf derartige Verweisungen, welche nicht in Anwendung des angezogenen Gesetzes, sondern nur in der Ersparung anderswo abge­ druckter Worte bestehen, nicht auszudehnen. Auf die Entwendung von Obst bezieht sich Art. 471 Nr. 9 (vgl. die Bem. zu demselben), auf die von Holz (soweit nicht Forstdiebstahl vorliegt), Art. 36 u. 37 Feld-P.-O. (Tit. 2 G. v. 28. Sept.-6. Oct. 1791).

G. Franz. Strafgesetzbuch. B. IV. H. II. Abschn. 3. oder die Beladung der Wagen oder Thiere, sei es

die Bauart der öffentlichen Wagen, ihr Gewicht, die Art ihrer Ladung, die Zahl und die Sicher­ heit der Reisenden 477. Es werden mit Beschlag belegt und ein­ gezogen. ... 3) die Schriften und Stiche, welche den guten Sitten zuwider sind. 478. Auf Hast von höchstens fünf Tagen ist gegen alle in Artikel 475 erwähnten Personen stets dann zu erkennen, wenn dieselben sich im Rückfalle befinden. Dritter Abschnitt. — Dritte Klasse.

479. (G. v. 28. April 1832.) Mit Geldstrafe von elf bis zu fünfzehn Frank einschließlich werden bestraft: 6) Bäcker und Metzger, welche Brot oder Fleisch über dem durch gesetzmäßig erlassene und veröffentlichte Taxe festgesetzte Preise verkaufen;58 7) Leute, welche gewerbsmäßig wahrsagen oder prophezeien oder Träume deuten; 10) wer Vieh, von welcher Art es auch fei, auf fremden Grund und Boden treibt, namentlich auf künstliche Wiesen, Weinberge, junge Anpflanzungen von Weiden, Kapern, Ceb, Maulbeer-, Granat-, Pomeranzen- und anderen Bäumen dieser Art, oder in sonstige von Menschenhand angelegte junge Pflanzungen oder Baumschulen von Obst- oder an­ deren Bäumen; 59 11) wer auf irgend eine Weise die öffentlichen Wege be­ schädigt oder verdirbt oder sich ein Stück davon widerrecht­ lich aneignet; 60

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12) wer ohne gehörige Ermächtigung an Stellen, welche den Gemeinden gehören, Erde oder Materialien wegnimmt, sofern nicht ein allgemeiner Gebrauch besteht, welcher die Wegnahme gestattet. 61

480. (G. v. 28. April 1832.) Es kann nach Umständen auf Hast von höchstens fünf Tagen erkannt werden 3) gegen die Bäcker und Metzger in den in Absatz 6 des vorhergehenden Artikels vor­ gesehenen Fällen; 4) gegen die Traumdeuter; 481. Es werden außerdem mit Beschlag belegt und eingezogen: 2) die Werkzeuge, Geräthschaften und Klei­ dungen, welche zur Ausübung des Gewerbes eines Wahrsagers, Zeichen- oder Traumdeuters dienen

oder bestimmt sind. 482. Auf Hast von fünf Tagen ist in den Fällen des Artikels 479 gegen die dort erwähn­ ten Personen stets dann zu erkennen, wenn die­ selben sich im Rückfall befinden. Gemeinsame Bestimmung für die drei vorhergehende Abschnitte.

483. (G. v. 28. April 1832.) Rückfall liegt in den Fällen dieses Buches dann vor, wenn inner­ halb der vorhergehenden zwölf Monate gegen den Uebertreter wegen einer in dem Bezirke desselben Gerichts begangenen Polizei - Uebertretung ein erstes Urtheil erlassen worden ist. Der Artikel 463 dieses Gesetzbuches findet aus alle oben bezeichneten Uebertretungen Anwendung.

Allgemeine Bestimmung. 58. Vgl. Art. 30 Tir. 1 G. v. 19-22. Juli 1791. 59. Materie des § 368 Nr. 9 St. G.-B. — Ueber eigent­ liche Weidefrevel auf Feldern vgl. Artt. 12, 18, 22, 25, 26 Feld-P.-O. (Tit. 2 D. v. 28. Sept.-6. Oct. 1791), in Wäl­ dern die besonderen Vorschriften des Forstrcchts, auf großen Straßen und Eisenbahnen V. (arret cl. c.) v 16. Dec. 1759. 60. Materie des § 370 Nr. 1 St.-G. B., der allerdings enger ist als der Thatbestand der Nr. 11. Es wird indeß auch jetzt kaum je an einem Strafgesetz für eine bisher nach Nr. 11 strafbare Handlung fehlen. — Tie durch G. v. 28. April 1832 beigefügte Nr. 11 ersetzte den Art. 40 Tit. 2 D. v. 28. Sept.-6. Oct. 1791.

484. In allen Materien, welche durch das ge­ genwärtige Gesetzbuch nicht geregelt sind und über welche besondere Gesetze und Verordnungen be­ stehen, haben die Appelhöfe und Gerichte diese nach wie vor zu befolgen. 61. Materie des § 370 Nr. 2 St.^G.-B. Die Nr. 12 er setzte den Art. 44 Tit. 2 D. v. 28. Sept.-6. Oct. 1791. Die erwähnten Onsgebräuche befreien auch von der Strafe des § 370 Nr. 2.

Strafgesetzbuch für das Deutsche Keich.' R.-G.-Bl. 1876 S. 40.

Einleitende Bestimmungen.1 2 § 1. Eine mit dem Tode, mit Zuchthaus, oder mit Festungshaft von mehr als fünf Jahren be­ drohte Handlung ist ein Verbrechen. Eine mit Festungshaft bis zu fünf Jahren, mit Gefängniß oder mit Geldstrafe von mehr als ein­ hundertfünfzig Mark bedrohte Handlung ist ein

Vergehen. Eine mit Hast oder mit Geldstrafe bis zu einhum dertfünfzig Mark bedrohte Handlung ist eine

Nebertretung. 2. Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der begangenen Handlung bis zu deren Aburtheilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden. 3. Die Strafgesetze des Deutschen Reichs finden Anwendung auf alle im Gebiete desselben begangenen strafbaren Handlungen, auch wenn der Thäter ein Ausländer ist. 4. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Vergehen

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2') eilt Deutscher, welcher im Auslande eine landesverrütherische Handlung gegen das Deutsche Reich oder einen Bundesstaat, oder eine Beleidi­ gung gegen einen Bundesfürsten begangen hat; 3) ein Deutscher, welcher im Auslande eine Handlung begangen hat, die nach den Gesetzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Ver­ gehen anzusehen und durch die Gesetze des Orts, an welchem sie begangen wurde, mit Strafe be­ droht ist. Die Verfolgung ist auch zulässig, wenn der Thäter bei Begehung der Handlung noch nicht Deutscher war. In diesem Falle bedarf es jedoch eines Antrages der zuständigen Behörde des Landes, in welchem die strafbare Handlung begangen

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worden, und das ausländische Strafgesetz ist an­ zuwenden, soweit dieses milder ist. 5. Im Falle des § 4 Nr. 3 bleibt die Verfolgung ausgeschlossen, wenn 1) von den Gerichten des Auslandes über die

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findet in der Regel keine Verfolgung statt. 1. In der durch Bekanntmachung des R.-K. v. 26. Febr. 1876 veröffentlichten, dem Gesetze vom selben Tage entspre­ chenden Fassung. Der erste in E.-L. durch G. v. 30. Aug. 1871 verkündete Text war der durch das Reichsgesetz v. 15. Mai 1871 geschaffene, während der ursprüngliche für den Norddeutschen Bund gültige Text auf dem B.-G. v. 31. Mai 1870 beruht.

2. Diese sowie die Bestimmungen des ersten Titels finden, soweit sie in Beziehung auf Verbrechen und Vergehen all­ gemein gelten, nach § 2 M.-St.-G.-B. auf militärische Ver­ brechen und Vergehen entsprechende Anwendung; Abweichun­ gen enthalten jedoch die §§ 7, 14, 16 Abs. 2, 17, 31 M.-St.G.-B.

Jedoch kann nach Strafgesetzen des Deutschen Reichs verfolgt werden: 1) ein Deutscher oder ein Ausländer, welcher im Auslande eine hochverrätherische Handlung gegen das Deutsche Reich oder einen Bundesstaat, oder ein Münzverbrechen, oder als Beamter des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats eine Handlung begangen hat, die nach den Gesetzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen im Amte anzusehen ist;

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Handlung rechtskräftig erkannt und entweder eine Freisprechung erfolgt oder die ausgesprochene Strafe vollzogen, 2) die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung nach den Gesetzen des Auslandes verjährt oder die Strafe erlassen, oder 3) der nach den Gesetzen des Auslandes zur

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. I. Abschn. 1. Verfolgbarkeit der Handlung erforderliche Antrag des Verletzten nicht gestellt worden ist. 6. Im Auslande begangene Uebertretungen sind nur dann zu bestrafen, wenn dies durch be­ sondere Gesetze oder durch Verträge angeordnet ist. 7. Eine im Auslande vollzogene Strafe ist,

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wenn wegen derselben Handlung im Gebiete des Deutschen Reichs abermals eine Berurtheilung er-

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folgt, auf die zu erkennende Strafe in Anrechnung zu bringen. 8. Ausland im Sinne dieses Strafgesetzes ist jedes nicht zum Deutschen Reich gehörige Gebiet. 9. Ein Deutscher darf einer ausländischen Regierung zur Verfolgung oder Bestrafung nicht überliefert werden. 10. Auf deutsche Militärpersonen finden die allgemeinen Strafgesetze des Reichs insoweit AnWendung, als nicht die Militärgesetze ein Anderes bestimmen.3 * 11. Kein Mitglied eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reich gehörigen Staats darf außerhalb der Versammlung, zu welcher das Mitglied gehört, wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Aeußerung zur Verantwortung gezogen werden. 4 12. Wahrheitsgetreue Berichte über Verhand­ lungen eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reich gehörigen Staats bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.

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Erster Theil.5 *

Don der Bestrafung der Kervrechen, Vergehen und Aevertretnngen im Allgemeinen. Erster Abschnitt.

Strafen. 13. Die Todesstrafe zu vollstreckend

ist

durch

Enthauptung

14. Die Zuchthausstrafe ist eine lebensläng­ liche oder eine zeitige. Der Höchstbetrag der zeitigen Zuchthausstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Jahr. Wo das Gesetz die Zuchthausstrafe nicht aus­ drücklich als eine lebenslängliche androht, ist die­ selbe eine zeitige. 15. Die zur Zuchthausstrafe Vernrtheilten sind in der Strafanstalt zu beit eingeführteil7 Ar­ beiten anzuhalten. Sie können auch zu Arbeiten außerhalb der Anstalt, insbesondere zu öffentlichen oder von einer Staatsbehörde beaufsichtigten Arbeiten ver­ wendet werden. Diese Art der Beschäftigung ist 3. Vgl. Militärstrafgesetzbuch v. 20. Juni 1872 (8 3) u. 88 38, 39 Rcichs-Militärgesetz ü. 2. Mai 1874.

V. Zu 88 11 «• 12 vgl. Artt. 30 11. 22 N.-B. 5. Wegen der Anwendbarkeit dieses Theils ans militärische Verbrechen und Vergehen vgl. oben Bem. 2.

B. Vgl. 88 485, 486 St.'P.-O.

7. Vgl. Art. 3 D. v. 25. Jebr. 1852.

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15

nur dann zulässig, wenn die Gefangenen dabei von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden. 16. Der Höchstbetrag der Gefängnißstrafe ist fünf Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag. Die zur Gefängnißstrafe Berurtheilten können in einer Gefangenanstalt auf eine ihren Fähig­ keiten und Verhältnissen angemessene Weise be­ schäftigt werden; auf ihr Verlangen sind sie in dieser Weise zu beschäftigen.7 Eine Beschäftigung außerhalb der Anstalt (§ 15) ist nur mit ihrer Zustimmung zulässig. 17. Die Festungshaft ist eine lebenslängliche oder eine zeitige. Der Höchstbetrag der zeitigen Festungshaft ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag. Wo das Gesetz die Festungshaft nicht ausdrück­ lich als eine lebenslänglich androht, ist dieselbe eine zeitige. Die Strafe der Festungshaft besteht in Frei­ heitsentziehung mit Beaufsichtigung der Beschäf­ tigung und Lebensweise der Gefangenen; sie wird in Festungen oder in anderen dazu bestimmten Räumen vollzogen. 18. Der Höchstbetrag der Haft ist sechs Wochen, ihr Mindestbetrag Ein Tag. Die Strafe der Haft besteht in einfacher Frei­ heitsentziehung. 19. Bei Freiheitsstrafen wird der Tag zu vierundzwanzig Stunden, die Woche zu sieben Tagen, der Monat und das Jahr nach der Kalenderzeit gerechnet. Die Dauer ciucr Zuchthausstrafe darf nur nach vollen Monaten, die Dauer einer anderen Frei­ heitsstrafe nur nach vollen Tagen bemessen wer­ den. 20. Wo das Gesetz die Wahl zwischen Zucht­ haus und Festungshaft gestattet, darf auf Zucht­ haus nur dann erkannt werden, wenn festgestellt wird, daß die strafbar befundene Handlung aus eine ehrlosen Gesinnung entsprungen ist. 21. Achtmonatliche Zuchthausstrafe ist einer einjährigen Gefängnißstrafe, achtmonatliche Ge­ fängnißstrafe einer einjährigen Festungshaft gleich zu achten. 22. Die Zuchthaus- und Gefängnißstrafe können sowohl für die ganze Dauer, wie für einen Theil der erkannten Strafzeit in der Weise in

Einzelhaft vollzogen werden, daß der Gefangene unausgesetzt von anderen Gefangenen gesondert gehalten wird. Die Einzelhaft darf ohne Zustimmung des Ge­ fangenen die Dauer von drei Jahren nicht über­ steigen. 23. Die zu einer längeren Zuchthaus- oder Gefängnißstrafe Vernrtheilten können, wenn sie drei Viertheile, mindestens aber Ein Jahr der ihnen auferlegten Strafe verbüßt, sich auch wäh­ rend dieser Zeit gut geführt haben, mit ihrer Zu­ stimmung vorläufig entlassen werden.

16

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. I. Abschn. 1.

24. Die vorläufige Entlassung kann bei schlech­ ter Führung des Entlassenen oder, wenn derselbe den ihm bei der Entlassung auferlegten Ver­ pflichtungen zuwiderhandelt, jederzeit widerrufen

werden. Der Widerruf hat die Wirkung, daß die seit der vorläufigen Entlassung bis zur Wiederein­ lieferung verflossene Zeit auf die festgesetzte Straf­ dauer nicht angerechnet wird. 25. Der Beschluß über die vorläufige Ent­ lassung, sowie über einen Widerruf ergeht von der obersten Justiz-Aufsichtsbehörde. Vor dem Beschluß über die Entlassung ist die Gefängnißverwaltung zu hören. Die einstweilige Festnahme vorläufig Entlassener kann aus dringenden Gründen des öffentlichen Wohls von der Polizeibehörde des Orts, an welchem der Entlassene sich aufhält, verfügt wer­ den. Der Beschluß über den endgültigen Widerruf ist sofort nachzusuchen. Führt die einstweilige Festnahme zu einem Widerrufe, so gilt dieser als am Tage der Fest­ nahme erfolgt. 26. Ist die festgesetzte Strafzeit abgelausen, ohne daß ein Widerruf der vorläufigen Entlassung erfolgt ist, so gilt die Freiheitsstrafe als ver­ büßt. 27. Der Mindestbetrag der Geldstrafe ist bei Verbrechen und Vergehen drei Mark, bei Uebertretungen Eine Mark. 8 28. Eine nicht beizutreibende Geldstrafe ist in Gefängniß und, wenn sie wegen einer Uebertretung erkannt worden ist, in Haft umzuwandeln. Ist bei einem Vergehen Geldstrafe allein oder an erster Stelle, oder wahlweise neben Haft an­ gedroht, so kann die Geldstrafe in Haft umge-wandelt werden, wenn die erkannte Strafe nicht den Betrag von sechshundert Mark und die an ihre Stelle tretende Freiheitsstrafe nicht die Dauer von sechs Wochen übersteigt. War neben der Geldstrafe auf Zuchthaus er­ kannt, so ist die an deren Stelle tretende Gefängnißstrafe nach Maßgabe des § 21 in Zuchthaus­ strafe umzuwandeln. Der Verurtheilte kann sich durch Erlegung des Strafbetrags, soweit dieser durch die erstandene Freiheitsstrafe noch nicht getilgt ist, von der letz­ teren freimachen. 9 29. Bei Umwandlung einer wegen eines Ver­ brechens oder Vergehens erkannten Geldstrafe ist der Betrag von drei bis fünfzehn Mark, bei Um­ wandlung einer wegen einer Uebertretung er­ kannten Geldstrafe der Betrag von Einer bis zu 8. Vgl. Bem. z. Art. V E.-G. u. zu Art. 466 fr. St.-G.-B. 9. § 28 gilt auch für die in Kraft gebliebeneu Landessowie für die besonderen Reichsgesetze. Beitreibung der Geld­ strafen durch Körperhaft ist beseitigt. Die Umwandlung findet nicht statt, wo sie ausdrücklich verboten ist (z. B. § 24 G. v. 11. Juni 1870 über Nachdruck) und bei Ordnungs­ und Disziplinarstrafen.

fünfzehn Mark einer eintägigen Freiheitsstrafe gleich zu achten. Der Mindestbetrag der an Stelle einer Geld­ strafe tretende Freiheitsstrafe ist Ein Tag, ihr Höchstbetrag bei Haft sechs Wochen, bei Gefäng­ niß Ein Jahr. Wenn jedoch eine neben der Geld­ strafe wahlweise angedrohte Freiheitsstrafe ihrer Dauer nach den vorgedachten Höchstbetrag nicht erreicht, so darf die an Stelle der Geldstrafe tre­ tende Freiheitsstrafe den angedrohten Höchstbetrag jener Freiheitsstrafe nicht übersteigen.10 30. In den Nachlaß kann eine Geldstrafe nur dann vollstreckt werden, wenn das Urtheil bei Lebzeiten des Verurtheilten rechtskräftig ge­ worden war. 31. Die Verurteilung zur Zuchthausstrafe hat die dauernde Unfähigkeit zum Dienste in dem Deutschen Heere und der Kaiserlichen Marine, so­ wie die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter von Rechtswegen zur Folge. Unter öffentlichen Aemtern im Sinne dieses Strafgesetzes sind die Advokatur, die Anwaltschaft und das Notariat, sowie der Geschworenen- und Schöffendienst mitbegriffen. 32. Neben der Todesstrafe und der Zuchthaus­ strafe kann aus den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, neben der Gefäng­ nißstrafe nur, wenn die Dauer der erkannten Strafe drei Monate erreicht und entweder das Gesetz den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausdrücklich zuläßt oder die Gesängnißstrafe we­ gen Annahme mildernder Umstände an Stelle von Zuchthausstrafe ausgesprochen wird. Die Dauer dieses Verlustes beträgt bei zeitiger Zuchthausstrafe mindestens zwei und höchstens zehn Jahre, bei Gefängnißstrafe mindestens Ein Jahr und höchstens fünf Jahre. 33. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehren­ rechte bewirkt den dauernden Verlust der aus öffentlichen Wahlen für den Verurtheilten hervor­ gegangenen Rechte, ingleichen den dauernden Ver­ lust der öffentlichen Aemter, Würden, Titel, Or­ den und Ehrenzeichen. 34. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehren­ rechte bewirkt ferner die Unfähigkeit, während der im Urtheile bestimmten Zeit 1) die Landeskokarde zu tragen; 2) in das Deutsche Heer oder in die Kaiser­ liche Marine einzutreten; 3) öffentliche Neunter, Würden, Titel, Orden

und Ehrenzeichen zu erlangen; 4) in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden oder andere politische Rechte auszuüben; 5) Zeuge bei Aufnahmen von Urkunden zu sein;

10. § 29 findet auch auf die besonderen Gesetze Anwen­ dung, soweit dieselben (wie § 162 Vereinszollgefetz, § 31 Postgefetz) nicht etwas Abweichendes bestimmen.

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. I. Abschn. 2 6) Vormund, Nebenvormund, Kurator, gericht­ licher Beistand oder Mitglied eines Familienraths zu sein, es sei denn, daß es sich um Verwandte absteigender Linie handele und die obervormund­ schaftliche Behörde oder der Familienrath die Ge­ nehmigung ertheile. 35. Neben einer Gefängnißstrafe, mit welcher die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt hätte verbunden werden können, kann auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. Die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter hat den dauernden Verlust der bekleideten Aemter von Rechtswegen zur Folge. 36. Die Wirkung der Aberkennung der bür­ gerlichen Ehrenrechte überhaupt, sowie der Fähig­ keit zur Bekleidung öffentlicher Aemter insbeson­ dere, tritt mit der Rechtskraft des Urtheils ein; die Zeitdauer wird von dem Tage berechnet, an dem die Freiheitsstrafe, neben welcher jene Aber­ kennung ausgesprochen wurde, verbüßt, verjährt oder erlassen ist. 37. Ist ein Deutscher im Auslande wegen eines Verbrechens oder Vergehens bestraft worden, welches nach den Gesetzen des Deutschen Reichs den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte über­ haupt oder einzelner bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge hat oder zur Folge haben kann, so ist ein neues Strafverfahren zulässig, um gegen den in diesem Verfahren für schuldig Erklärten auf jene Folge zu erkennen. 38. Neben einer Freiheitsstrafe kann in den durch das Gesetz vorgesehenen Fällen auf die Zu­ lässigkeit von Polizei-Aussicht erkannt werden. Die höhere Landespolizeibehörde erhält durch ein solches Erkenntniß die Befugniß, nach An­ hörung der Gefängnißverwaltung den Verurtheilten auf die Zeit von höchstens fünf Jahren unter Polizei-Aufsicht zu stellen. Diese Zeit wird von dem Tage berechnet, an welchem die Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist. 39. Die Polizei - Aufsicht hat folgende Wir­ kungen : 1) dem Verurtheilten kann der Aufenthalt an einzelnen bestimmten Orten von der höheren Landespolizeibehörde untersagt werden; 2) die höhere Landespolizeibehörde ist befugt, den Ausländer aus dem Bundesgebiete zu ver­ weisen ; 3) Haussuchungen unterliegen keiner Beschrän­ kung hinsichtlich der Zeit, zu welcher sie statt­ finden dürfen.

17

Die Einziehung ist im Urtheil auszusprechen.11 41. Wenn der Inhalt einer Schrift, Ab­ bildung oder Darstellung strafbar ist, so ist im Urtheile auszusprechen, daß alle Exemplare, so­ wie die zu ihrer Herstellung bestimmten Platten und Formen unbrauchbar zu machen sind. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf die im Besitze des Verfassers, Druckers, Herausgebers, Verlegers oder Buchhändlers befindlichen und auf die öffentlich ausgelegten oder öffentlich angebote­ nen Exemplare. Ist nur ein Theil der Schrift, Abbildung oder Darstellung strafbar, so ist, insofern eine Aus­ scheidung möglich ist, auszusprechen, daß nur die strafbaren Stellen und derjenige Theil der Platten und Formen, auf welchem sich diese Stellen be­ finden, unbrauchbar zu machen sind. 42. Ist in den Fällen der §§ 40 und 41 die Verfolgung oder die Verurtheilung einer be­ stimmten Person nicht ausführbar, so können die daselbst vorgeschriebenen Maßnahmen selbstständig erkannt werden.

Zweiter Abschnitt.

Versuch. 43. Wer den Entschluß, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens oder Vergehens enthalten, bethätigt hat, ist, wenn das beabsichtigte Verbrechen oder Vergehen nicht zur Vollendung gekommen ist, wegen Versuches zu bestrafen. Der Versuch eines Vergehens wird jedoch nur in den Fällen bestraft, in welchen das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. 44. Das versuchte Verbrechen oder Vergehen ist milder zu bestrafen, als das vollendete. Ist das vollendete Verbrechen mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren ein, neben welcher auf Zulässigkeit von Polizei-Auf­ sicht erkannt werden kann. Ist das vollendete Verbrechen mit lebensläng­ licher Festungshaft bedroht, so tritt Festungshaft

nicht unter drei Jahren ein. In den übrigen Fällen kann die Strafe bis auf ein Viertheil des Mindestbetrages der auf das vollendete Verbrechen oder Vergehen ange­ drohten Freiheits- und Geldstrafe ermäßigt wer­ den. Ist hiernach Zuchthausstrafe unter Einem Jahre verwirkt, so ist dieselbe nach Maßgabe

vorsätz­

des § 21 in Gefängniß zu verwandeln. 45. Wenn neben der Strafe des vollendeten Verbrechens oder Vergehens die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zulässig oder geboten ist,

liches Verbrechen oder Vergehen hervorgebracht, oder welche zur Begehung eines vorsätzlichen Ver­ brechens oder Vergehens gebraucht oder bestimmt sind, können, sofern sie dem Thäter oder einem Theilnehmer gehören, eingezogen werden.

11. Die in besonderen Landesgesetzen angeordnete Ein­ ziehung einzelner Gegenstände bleibt bestehen, auch bei Uebertretungen (z. B. Art. 472, 477, 481 fr. St.-G.-B.-), wie auch das St.-G.-B. die Einziehung bei letzteren kennt; vgl. auch Bem. zu Art. 1 G. v. 6. Mess. III.

40.

Gegenstände,

G. Strafrecht.

welche

durch

ein

2

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G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. I. Abschn. 3. 4.

oder auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden kann, so gilt Gleiches bei der Versuchs­ strafe. 46. Der Versuch bleibt straflos, wenn der Thäter 1) Die Ausführung der beabsichtigten Hand­ lung aufgegeben hat, ohne daß er an dieser Aus­ führung durch Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren, oder 2) zu einer Zeit, zu welcher die Handlung noch nicht entdeckt war, den Eintritt des zur Vollen­ dung des Verbrechens oder Vergehens gehörigen Erfolges durch eigene Thätigkeit abgewendet hat.

rung von Vortheilen irgend welcher Art geknüpft

worden ist. r Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. 50. Wenn das Gesetz die Strafbarkeit einer Handlung nach den persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen desjenigen, welcher dieselbe be­ gangen hat, erhöht oder vermindert, so sind diese besonderen Thatumstände dem Thäter oder dem­ jenigen Theilnehmer (Mitthäter, Anstifter, Gehülfe) zuzurechnen, bei welchem sie vorliegen. Vierter Abschnitt.

Dritter Abschnitt. Theilnahme.

47. Wenn Mehrere eine strafbare Handlung gemeinschaftlich ausführen, so wird Jeder als Thäter bestraft. 48. Als Anstifter wird bestraft, wer einen Anderen zu der von demselben begangenen straf­ baren Handlung durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrthums oder durch andere Mittel vorsätzlich bestimmt hat. Die Strafe des Anstifters ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung An­ wendung findet, zu welcher er wissentlich ange­ stiftet hat. 49. Als Gehülfe wird bestraft, wer dem Thäter zur Begehung des Verbrechens oder Ver­ gehens durch Rath oder That wissentlich Hülfe geleistet hat. Die Strafe des Gehülfen ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung An­ wendung findet, zur welcher er wissentlich Hülfe geleistet hat, jedoch nach den über die Bestrafung des Versuches aufgestellten Grundsätzen zu er­ mäßigen. 49a. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer einen An­ deren zur Begehung eines Verbrechens oder zur Theilnahme an einem Verbrechen auffordert, oder wer eine solche Aufforderung annimmt, wird, so­ weit nicht das Gesetz eine andere Strafe androht, wenn das Verbrechen mit dem Tode oder mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe bedroht ist, mit Gefängniß nicht unter drei Monaten, wenn das Verbrechen mit einer geringeren Strafe bedroht ist, mit Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher sich zur Begehung eines Verbrechens oder zur Theil­ nahme an einem Verbrechen erbietet, sowie Den­ jenigen, welcher ein solches Erbieten annimmt. Es wird jedoch das lediglich mündlich ausge­ drückte Auffordern oder Erbieten, sowie die An­ nahme eines solchen nur dann bestraft, wenn die Aufforderung oder das Erbieten an die Gewäh­

Hründe, welche die Strafe ausschließen und mildern.

51. Eine strafbare Handlung ist nicht vor­ handen, wenn der Thäter zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustande von Be­ wußtlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistes­ thätigkeit befand, durch welchen seine freie Willens­ bestimmung ausgeschlossen war. 52. Eine strafbare Handlung ist nicht vor­ handen, wenn der Thäter durch unwiderstehliche Gewalt oder durch eine Drohung, welche mit einer gegenwärtigen, auf andere Weise nicht ab­ wendbaren Gefahr für Leib oder Leben seiner selbst oder eines Angehörigen verbunden war, zu der Handlung genöthigt worden ist. Als Angehörige im Sinne dieses Strafgesetzes sind anzusehen Verwandte und Verschwägerte aufund absteigender Linie, Adoptiv- und Pflege-Eltern und -Kinder, Ehegatten, Geschwister und deren Ehegatten, und Verlobte. 53. Eine strafbare Handlung ist nicht vor­ handen , wenn die Handlung durch Nothwehr geboten war. Nothwehr ist diejenige Vertheidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechts­ widrigen Angriff von sich oder einem Anderen abzuwenden. Die Ueberschreitung der Nothwehr ist nicht strafbar, wenn der Thäter in Bestürzung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der Vertheidi­ gung hinausgegangen ist. 54. Eine strafbare Handlung ist nicht vor­ handen, wenn die Handlung außer dem Falle der Nothwehr in einem unverschuldeten, auf andere Weise nicht zu beseitigenden Nothstände zur Ret­ tung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben des Thäters oder eines Angehörigen begangen worden ist. 55. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer bei Be­ gehung der Handlung das zwölfte Lebensjahr nicht vollendet hat, kann wegen derselben nicht strafrechtlich verfolgt werden. Gegen denselben können jedoch nach Maßgabe der landesgesetzlichen Vorschriften die zur Besse­ rung und Beaufsichtigung geeigneten Maßregeln getroffen werden. Insbesondere kann die Unter-

Gr. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. I. Abschn. 4.

bringung in eine Erziehungs- oder Besserungs­ anstalt erfolgen, nachdem durch Beschluß der Bormundschaftsbehörde die Begehung der Hand­ lung festgestellt und die Unterbringung für zulässig erklärt ist. 56. Ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, eine strafbare Hand­ lung begangen hat, ist freizusprechen, wenn er­ bet Begehung derselben die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht nicht besaß. In dem Urtheile ist zu bestimmen, ob der An­ geschuldigte seiner Familie überwiesen oder in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt gebracht werden soll. In der Anstalt ist er so lange zu behalten, als die in der Anstalt vorgesetzte Ver­ waltungsbehörde solches für erforderlich erachtet, jedoch nicht über das vollendete zwanzigste Le­ bensjahr. 57. Wenn ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, eine straf­ bare Handlung begangen hat, bei Begehung der­ selben die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit er­ forderliche Einsicht besaß, so kommen gegen ihn folgende Bestimmungen zur Anwendung: 1) ist die Handlung mit dem Tode oder mit

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Thatbestände gehören oder die Strafbarkeit erhö­ hen, so sind ihm diese Umstände nicht zuzurechnen. Bei der Bestrafung fahrlässig begangener Hand­ lungen gilt diese Bestimmung nur insoweit, als die Unkenntniß selbst nicht durch Fahrlässigkeit verschuldet ist. 60. Eine erlittene Untersuchungshaft kann bei Fällung des Urtheils auf die erkannte Strafe ganz oder theilweise angerechnet werden. 61. Eine Handlung, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, ist nicht zu verfolgen, wenn der zum Anträge Berechtigte es unterläßt, den Antrag binnen drei Monaten zu stellen. Diese Frist beginnt mit dem Tage, seit welchem der zum Anträge Berechtigte von der Handlung und von der Person des Thäters Kenntniß gehabt hat.13 62. Wenn von mehreren zum Anträge Be­ rechtigten einer die dreimonatliche Frist versäumt, so wird hierdurch das Recht der übrigen nicht ausgeschlossen. 63. Der Antrag kann nicht getheilt werden. Das gerichtliche Verfahren findet gegen sämmtliche an der Handlung Betheiligte (Thäter und Theilnehmer), sowie gegen den Begünstiger statt, auch wenn nur gegen eine dieser Personen auf Be­ strafung angetragen worden ist. 64. (G. v. 26. Febr. 1876.) Die Zurücknahme des Antrages ist nur in den gesetzlich besonders vorgesehenen Fällen und nur bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urtheils zulässig. Die rechtzeitige Zurücknahme des Antrages ge­ gen eine der vorbezeichneten Personen hat die Einstellung des Verfahrens auch gegen die anderen zur Folge. 65. Der Verletzte, welcher das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist selbständig zu dem Anträge auf Bestrafung berechtigt. So lange der Verletzte minderjährig ist, hat der gesetzliche Vertreter desselben, unabhängig von der eigenen Befugniß des Verletzten, das Recht, den Antrag zu stellen. Bei bevormundeten Geisteskranken und Taub­ stummen ist der Vormund der zur Stellung des Antrages Berechtigte. 66. Durch Verjährung wird die Strafver­ folgung und die Strafvollstreckung ausgeschlossen. 67. Die Strafverfolgung von Verbrechen ver­ jährt, wenn sie mit dem Tode oder mit lebensläng­ lichem Zuchthaus bedroht sind, in zwanzig Jahren; wenn sie im Höchstbetrage mit einer Freiheits­ strafe von einer längeren als zehnjährigen Dauer

lebenslänglichem Zuchthaus bedroht, so ist auf Gefängniß von drei bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen; 2) ist die Handlung mit lebenslänglicher Fe­ stungshaft bedroht, so ist auf Festungshaft von drei bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen; 3) ist die Handlung mit Zuchthaus oder mit einer anderen Strafart bedroht, so ist die Strafe zwischen dem gesetzlichen Mindestbetrage der an­ gedrohten Strafart und der Hälfte des Höchstbe­ trages der angedrohten Strafe zu bestimmen; Ist die so bestimmte Strafe Zuchthaus, so tritt Gefängnißstrafe von gleicher Dauer an ihre Stelle; 4) ist die Handlung ein Vergehen oder eine Uebertretung, so kann in besonders leichten Fällen auf Verweis erkannt werden;12 5) auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt oder einzelner bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht ist nicht zu erkennen. Die Freiheitsstrafe ist in besonderen, zur Ver­ büßung von Strafen jugendlicher Personen be­ stimmten Anstalten oder Räume zu vollziehen. 58. Ein Taubstummer, welcher die zur Er­ kenntniß der Strafbarkeit einer von ihm begange­ nen Handlung erforderliche Einsicht nicht besaß, ist freizusprechen. 59. Wenn Jemand bei Begehung einer straf­ baren Handlung das Vorhandensein von Thatumständen nicht kannte, welche zum gesetzlichen

bedroht sind, in fünfzehn Jahren; wenn sie mit einer geringeren Freiheitsstrafe bedroht sind, in zehn Jahren. Die Strafverfolgung von Vergehen, die im Höchstbetrage mit einer längern als dreimonat-

12. Wegen der Form und Vollstreckung vgl. Art. XII E.-G. a. E. u. Art. 483 St.-P.-Q

13. Ueber die Form des Antrags bestimmt jetzt § 156 Abs. 2 St.-P.-O.

20

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. I. Abschn. 5.

lichen Gefängnißstrafe bedroht sind, verjährt in fünf Jahren, von anderen Vergehen in drei Jahren. Die Strafverfolgung von Uebertretungen ver­ jährt in drei Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges. 14 15 68. Jede Handlung des Richters, welche we­ gen der begangenen That gegen den Thäter gerichtet ist, unterbricht die Verjährung. Die Unterbrechung findet nur rücksichtlich des­ jenigen statt, auf welchen die Handlung sich bezieht. Nach der Unterbrechung beginnt eine neue Verjährung.

69. Ist der Beginn oder die Fortsetzung eines Strafverfahrens von einer Vorfrage ab­ hängig, deren Entscheidung in einem anderen Verfahren erfolgen muß, so ruht die Verjährung bis zu dessen Beendigung. 70. (G. v. 26. Febr. 1876.) Die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Strafen verjährt, wenn 1) auf Tod oder auf lebenslängliches Zuchthaus oder auf lebenslängliche Festungshaft erkannt ist, in dreißig Jahren; 2) auf Zuchthaus oder Festungshaft von mehr als zehn Jahren erkannt ist, in zwanzig Jahren; 3) auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder auf Festungshaft von fünf bis zu zehn Jahren oder Gefängniß von mehr als fünf Jahren erkannt ist, in fünfzehn Jahren; 4) auf Festungshaft oder Gefängniß von zwei bis zu fünf Jahren oder auf Geldstrafe von mehr als sechstausend Mark erkannt ist, in zehn Jahren; 5) auf Festungshaft oder Gefängniß bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe von mehr als einhundertfünfzig bis zu sechstausend Mark er­ kannt ist, in fünf Jahren; 6) auf Haft oder auf Geldstrafe bis zu ein­ hundertfünfzig Mark erkannt ist, in zwei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem das Urtheil rechtskräftig geworden ist. 71. Die Vollstreckung einer wegen derselben Handlung neben einer Freiheitsstrafe erkannten

Geldstrafe verjährt nicht früher, als die Voll­ streckung der Freiheitsstrafe. 72. Jede auf Vollstreckung der Strafe ge­ richtete Handlung derjenigen Behörde, welcher die Vollstreckung obliegt, sowie die zum Zwecke der Vollstreckung erfolgende Festnahme des Verurtheilten unterbricht die Verjährung. Nach der Unterbrechung der Vollstreckung der Strafe beginnt eine neue Verjährung. 14. Landesgesetze, welche für die nach ihnen strafbaren Handlungen als Ausnahme von der Regel der fr. St.-P.-O., sowie spätere Landes- u. Reichsgesetze, welche besondere Fristen bestimmen, sind neben § 67 in Kraft geblieben; so namentlich außer den Bestimmungen der Zoll- und Steuer­ gesetze : Art. 29 Jagd-P.-G. v. 3. Mai 1844, 185 F.-G.-B., 62 G. über Fischerei v. 15. April 1829, Art. 8 Tit. 1 Ab­ schn. 7 D. v. 28. Sept.-6. Oct. 1791.

Fünfter Abschnitt.

Aufammentrefferr mehrerer strafbarer Künd lange». 73. Wenn eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt, so kommt nur dasjenige Gesetz, welches die schwerste Strafe, und bei un­ gleichen Strafarten dasjenige Gesetz, welches die schwerste Strafart androht, zur Anwendung.^ 74. Gegen denjenigen, welcher durch mehrere selbständige Handlungen mehrere Verbrechen oder Vergehen, oder dasselbe Verbrechen oder Vergehen mehrmals begangen und dadurch mehrere zeitige Freiheitsstrafen verwirkt hat, ist auf eine Gesammtstrafe zu erkennen, welche in einer Erhöhung der verwirkten schwersten Strafe besteht.

Bei dem Zusammentreffen ungleichartiger Frei­ heitsstrafen tritt diese Erhöhung bei der ihrer Art nach schwersten Strafe ein. Das Maß der Gesammtstrafe darf den Betrag der verwirkten Einzelstrafen nicht erreichen und fünfzehnjähriges Zuchthaus, zehnjähriges Gefäng­ niß oder fünfzehnjährige Festungshaft nicht über­ steigen. 75. Trifft Festungshaft nur mit Gefängniß zusammen, so ist auf jede dieser Strafarten ge­ sondert zu erkennen. Ist Festungshaft oder Gefängniß mehrfach ver­ wirkt, so ist hinsichtlich der mehreren Strafen gleicher Art so zu verfahren, als wenn dieselben allein verwirkt wären. Die Gesammtdauer der Strafen darf in diesen Fällen fünfzehn Jahre nicht übersteigen. 76. Die Verurteilung zu einer Gesammt­ strafe schließt die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte nicht aus, wenn diese auch nur neben einer der verwirkten Einzelstrafen zulässig oder geboten ist. Jngleichen kann neben der Gesammtstrafe auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden, wenn dieses auch nur wegen einer der mehreren strafbaren Handlungen statthaft ist. 77. Trifft Haft mit einer andern Freiheits­ strafe zusammen, so ist auf die erstere gesondert zu erkennen. Auf eine mehrfach verwirkte Haft ist ihrem Gesammtbetrage nach, jedoch nicht über die Dauer von drei Monaten zu erkennen. 78. Auf Geldstrafen, welche wegen mehrerer strafbarer Handlungen allein oder neben einer Freiheitsstrafe verwirkt sind, ist ihrem vollen Betrage nach zu erkennen. Bei Umwandlung mehrerer Geldstrafen ist der Höchstbetrag der an die Stelle derselben tretenden Freiheitsstrafe zwei Jahre Gefängniß und, wenn 15. Franz. Gesetze, welche für besondere Delikte abwei­ chende Bestimmungen treffen, sind neben §§ 73 u. 74 in Kraft geblieben, soweit sie selbst eine Ausnahme von der frühern Regel (Absorptionsprinzip des Art. 365 fr. St.-P.-O.) bildeten. Vgl. B. Art. 17 Jagd-P.-G. v. 3. Mai 1844, Artt. 9, 10 G. über Versammlungen v. 6. Juni 1868, auch Art. 12 G. über Fuhrwesen v. 30. Mai 1851.

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 1. die mehreren Geldstrafen nur wegen Uebertretungen erkannt worden sind, drei Monate Haft. 79. Die Vorschriften der §§ 74 bis 78 finden auch Anwendung, wenn, bevor eine erkannte Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist, die Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung erfolgt, welche vor der früheren Verurtheitung begangen war.

Zweiter Theil. Won den einzelnen Merörechen, Vergehen und Iteöertretungen und deren Bestrafung. Erster Abschnitt. Kochverrath und Landesverrath.

80. Der Mord und der Versuch des Mordes, welche an dem Kaiser, an dem eigenen Landes­ herrn, oder während des Aufenthalts in einem Bundesstaate an dem Landesherrn dieses Staats verübt worden sind, werden als Hochverrath mit dem Tode bestraft.'. 81. Wer außer den Fällen des § 80 es un­ ternimmt, 1) einen Bundesfürsten zu todten, gefangen zu nehmen, in Feindes Gewalt zu liefern oder zur Regierung unfähig zu machen, 2) die Verfassung des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats oder die in demselben bestehende Thronfolge gewaltsam zu ändern, 3) das Bundesgebiet ganz oder theilweise einem fremden Staate gewaltsam einzuverleiben oder einen Theil desselben vom Ganzen loszureißen, oder 4) das Gebiet eines Bundesstaats ganz oder theilweise einem andern Bundesstaate gewaltsam einzuverleibcn oder einen Theil desselben vom Ganzen loszureißen, wird wegen Hochverraths mit lebenslänglichem Zuchthaus oder lebenslänglicher Festungshaft bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte er­ kannt werden. 82. Als ein Unternehmen, durch welches das Verbrechen des Hochverraths vollendet wird, ist jede Handlung anzusehen, durch welche das Vor­ haben unmittelbar zur Ausführung gebracht werden soll. 83. Haben Mehrere die Ausführung eines hochverrätherischen Unternehmens verabredet, ohne daß es zum Beginn einer nach § 82 strafbaren Handlung gekommen ist, so werden dieselben mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter zwei Jahren ein.

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Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte er­ kannt werden. 84. Die Strafvorschriften des § 83 finden auch gegen denjenigen Anwendung, welcher zur Vorbereitung eines Hochverraths entweder sich mit einer auswärtigen Regierung einläßt oder die ihm von dem Reich oder einem Bundesstaate anver­ traute Macht mißbraucht oder Mannschaften an­ wirbt oder in den Waffen einübt. 85. Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder anderen Darstellungen zur Ausführung einer nach § 82 strafbaren Handlung auffordert, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Festungs­ haft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von einem bis zu fünf Jahren ein. 86. Jede andere, ein hochverräterisches Un­ ternehmen vorbereitende Handlung wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von sechs Monaten bis zu drei Jahren ein. 87. Ein Deutscher, welcher sich mit einer ausländischen Regierung einläßt, um dieselbe zn einem Kriege gegen das Deutsche Reich zu ver­ anlassen, wird wegen Landesverraths mit Zucht­ haus nicht unter fünf Jahren und, wenn der Krieg ausgebrochen ist, mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und, wenn der Krieg ausgebrochen ist, Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden. 88. (G. v. 26. Febr. 1876.) Ein Deutscher, welcher während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges in der feindlichen Kriegs­ macht Dienste nimmt oder die Waffen gegen das Deutsche Reich oder dessen Bundesgenossen trägt, wird wegen Landesverraths mit lebenslänglichem Zuchthaus oder lebenslänglicher Festungshaft bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein. Ein Deutscher, welcher schon früher in fremden Kriegsdiensten stand, wird, wenn er nach Aus­ bruch des Krieges in der feindlichen Kriegsmacht verbleibt oder die Waffen gegen das Deutsche Reich oder dessen Bundesgenossen trägt, wegen Landesverraths mit Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vor-

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G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 2.

Handen, so tritt Festungshaft bis zu zehn Jah­ ren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden. 89. Ein Deutscher, welcher vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges einer feindlichen Macht Vorschub leistet oder den Truppen des Deutschen Reichs oder der Bundesgenossen desselben Nachtheil zufügt, wird wegen Landesverraths mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zehn Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte er­ kannt werden. 90. Lebenslängliche Zuchthausstrafe trifft einen Deutschen, welcher vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges 1) Festungen, Pässe, besetzte Plätze oder andere Bertheidigungsposten, ingleichen Deutsche oder verbündete Truppen oder einzelne Offiziere oder Soldaten in feindliche Gewalt bringt; 2) Festungswerke, Schiffe oder andere Fahr­ zeuge der Kriegsmarine, Kassen, Zeughäuser, Ma­ gazine oder andere Vorräthe von Waffen, Schieß­ bedarf oder anderen Kriegsbedürfnissen in feind­ liche Gewalt bringt oder dieselben, sowie Brücken und Eisenbahnen zum Vortheile des Feindes zer­ stört oder unbrauchbar macht; 3) dem Feinde Mannschaften zuführt oder Sol­ daten des Deutschen oder verbündeten Heeres ver­ leitet, zum Feinde überzugehen; 4) Operationspläne oder Pläne von Festungen oder festen Stellungen dem Feinde mittheilt; 5) dem Feinde als Spion dient oder feindliche Spione aufnimmt, verbirgt oder ihnen Beistand

leistet, oder 6) einen Aufstand unter den Deutschen oderverbündeten Truppen erregt. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte er­ kannt werden. 91. Gegen Ausländer ist wegen der in den §§ 87, 89, 90 bezeichneten Handlungen nach dem Kriegsgebrauch zu verfahren. Begehen sie aber solche Handlungen, während sie unter dem Schutze des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats sich innerhalb des Bundes­ gebietes aufhalten, so kommen die in den §§ 87, 89 und 90 bestimmten Strafen zur Anwendung. 92. Wer vorsätzlich 1) Staatsgeheimnisse oder Festungspläne, oder solche Urkunden, Aktenstücke oder Nachrichten, von

denen er weiß, daß ihre Geheimhaltung einer anderen Regierung gegenüber für das Wohl des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats erfor­ derlich ist, dieser Regierung mittheilt oder öffent­ lich bekannt macht, 2) zur Gefährdung der Rechte des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats im Verhältniß zu einer anderen Regierung die über solche Rechte sprechenden Urkunden oder Beweismittel vernichtet, verfälscht oder unterdrückt, oder 3) ein ihm von Seiten des Deutschen Reichs oder von einem Bundesstaate aufgetragenes Staats­ geschäft mit einer andern Regierung zum Nach­ theil dessen führt, der ihm den Auftrag ertheilt hat, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren

bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter sechs Monaten ein. 93. Wenn in den Fällen der §§ 80, 81, 83, 84, 87 bis 92 die Untersuchung eröffnet wird, so kann bis zu deren rechtskräftigen Beendigung das Vermögen, welches der Angeschuldigte besitzt, oder welches ihm später anfällt, mit Beschlag belegt

werden. Zweiter Abschnitt. Beleidigung des Landesherrn.

§ 94. Wer einer Thätlichkeit gegen den Kaiser, gegen seinen Landesherrn oder während seines Aufenthalts in einem Bundesstaate einer Thät­ lichkeit gegen den Landesherrn dieses Staats sich schuldig macht, wird mit lebenslänglichem Zuchthaus oder lebenslänglicher Festungshaft, in minder schweren Fällen mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein. 95. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer den Kaiser, seinen Landesherrn oder während seines Aufent­ halts in einem Bundesstaate dessen Landesherrn beleidigt, wird mit Gefängniß nicht unter zwei Monaten oder mit Festungshaft von zwei Mo­ naten bis zu fünf Jahren bestraft. Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte er­ kannt werden. 96. Wer einer Thätlichkeit gegen ein Mitglied des landesherrlichen Hauses seines Staats oder

gegen den Regenten seines Staats oder während seines Aufenthalts in einem Bundesstaate einer Thätlichkeit gegen ein Mitglied des landesherr­ lichen Hauses dieses Staats oder gegen den Re­ genten dieses Staats sich schuldig macht, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 3. 4. 5.

Festungshaft von gleicher Dauer, in minder schweren Fällen mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von Einem bis zu fünf Jahren ein. 97. Wer ein Mitglied des landesherrlichen Hauses seines Staats oder den Regenten seines Staats oder während seines Aufenthalts in einem Bundesstaate ein Mitglied des landesherrlichen Hauses dieses Staats oder den Regenten dieses Staats beleidigt, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Dritter Abschnitt. Beleidigung von Aundeslürsten.

98. Wer außer dem Falle des § 94 sich einer Thätlichkeit gegen einen Bundesfürsten schul­ dig macht, wird mit Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von sechs Monaten bis zu zehn Jahren ein. 99. Wer außer dem Falle oes § 95 einen Bundesfürsten beleidigt, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Die Verfolgung tritt nur mit Ermächtigung des Beleidigten ein. 100. Wer außer dem Falle des § 96 sich einer Thätlichkeit gegen ein Mitglied eines bundes­ fürstlichen Hauses oder den Regenten eines Bun­ desstaats schuldig macht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von Einem Monat bis zu drei Jahren ein. 101. Wer außer dem Falle des § 97 den Regenten eines Bundesstaats beleidigt, wird mit Gefängniß von Einer Woche bis zu zwei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer be­

straft. Die Verfolgung tritt nur des Beleidigten ein.

mit

Ermächtigung

Vierter Abschnitt. Feindliche Kandtungcn gegen befreundete Staaten.

102. (G. v. 26. Febr. 1876.) Ein Deutscher, welcher im Jnlande oder Auslande, oder ein Aus­ länder, welcher während seines Aufenthalts im Jnlande gegen einen nicht zum Deutschen Reich gehörenden Staat oder dessen Landesherrn eine Handlung vornimmt, die, wenn er sie gegen einen Bundesstaat oder einen Bundesfürsten begangen hätte, nach Vorschrift der §§ 81 bis 86 zu be­ strafen sein würde, wird in den Fällen der §§ 81

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bis 84 mit Festungshaft von Einem bis zu zehn Jahren oder, wenn mildernde Umstände vor­ handen sind, mit Festungshaft von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen der §§ 85 und 86 mit Festungshaft von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft, sofern in dem anderen Staate dem Deutschen Reich die Gegenseitigkeit verbürgt ist. 103. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer sich gegen den Landesherrn oder den Regenten eines nicht zum Deutschen Reich gehörenden Staats einer Beleidigung schuldig macht, wird mit Ge­ fängniß von Einer Woche bis zu zwei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft, sofern in diesem Staate dem Deutschen Reich die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der aus­ wärtigen Regierung ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. 103a. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer ein öffent­ liches Zeichen der Autorität eines nicht zum Deut­ schen Reich gehörenden Staats oder ein Hoheits­ zeichen eines solchen Staats böswillig wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder beschimpfenden Un­ fug daran verübt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. 104. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer sich gegen einen bei dem Reich, einem bundessürstlichen Hofe oder bei dem Senate einer der freien Hansestädte beglaubigten Gesandten oder Geschäftsträger einer Beleidigung schuldig macht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Be­ leidigten ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig.

Fünfter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf Ausübung staatsbürgerlicher Aechte.

105. Wer es unternimmt, den Senat oder die Bürgerschaft einer der freien Hansestädte, eine gesetzgebende Versammlung des Reichs oder eines Bundesstaats aus einander zu sprengen, zur Fassung oder Unterlassung von Beschlüssen zu nöthigen oder Mitglieder aus ihnen gewaltsam zu entfernen, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter Einem Jahre ein. 106. Wer ein Mitglied einer der vorbe­ zeichneten Versammlungen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, sich an den Ort der Versammlung zu begeben oder zu stimmen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zwei Jahren ein.

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G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 6.

107. Wer einen Deutschen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, in Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte zu wählen oder zu stimmen, wird mit Ge­ fängniß nicht unter sechs Monaten oder mit Festungshaft bis zu fünf Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar.

108. Wer in einer öffentlichen Angelegenheit mit der Sammlung von Wahl- oder Stimm-Zetteln oder -Zeichen oder mit der Führung der Beur­ kundungsverhandlung beauftragt, ein unrichtiges Ergebniß der Wahlhandlung vorsätzlich herbei­ führt oder das Ergebniß verfälscht, wird mit Ge­ fängniß von Einer Woche bis zu drei Jahren bestraft. Wird die Handlung von Jemand begangen, welcher nicht mit der Sammlung der Zettel oder einer anderen Verrichtung bei dem Wahlgeschäfte beauftragt ist, so tritt Gefängnißstrafe bis zu drei Jahren ein. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehren­ rechte erkannt werden. 109. Wer in einer öffentlichen Angelegenheit eine Wahlstimme kauft oder verkauft, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

Sechster Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt.

110. Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen An­ schlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder anderen Darstellungen zu Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder ge­ gen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zustän­ digkeit getroffenen Anordnungen auffordert, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. 111. Wer auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung der strafbaren Handlung auffordert, ist gleich dem Anstifter zu bestrafen, wenn die Auf­ forderung die strafbare Handlung oder einen straf­ baren Versuch derselben zur Folge gehabt hat. Ist die Aufforderung ohne Erfolg geblieben, so tritt Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre ein. Die Strafe darf jedoch, der Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein, als die auf die Handlung selbst angedrohte. 112. Wer eine Person des Soldatenstandes, es sei des Deutschen Heeres oder der Kaiserlichen Marine, auffordert oder anreizt, dem Befehle des Oberen nicht Gehorsam zu leisten, wer insbeson­ dere eine Person, welche zum Beurlaubtenstande ge­ hört, auffordert oder anreizt, der Einberufung zum Dienste nicht zu folgen, wird mit Gefängniß bis

zu zwei Jahren bestraft.

113. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer einem Be­ amten, welcher zur Vollstreckung von Gesetzen, von Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbe­ hörden oder von Urtheilen und Verfügungen der Gerichte berufen ist, in der rechtmäßigen Aus­ übung seines Amtes durch Gewalt oder durch Be­ drohung mit Gewalt Widerstand leistet, oder wer einen solchen Beamten während der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes thätlich angreift, wird mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu zwei Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre oder Geldstrafe bis zu eintausend Mark ein. Dieselben Strasvorschriften treten ein, wenn die Handlung gegen Personen, welche zur Unter­

stützung des Beamten zugezogen waren, oder ge­ gen Mannschaften der bewaffneten Macht, oder gegen Mannschaften einer Gemeinde-, Schutz- oder Bürgerwehr in Ausübung des Dienstes begangen wird 16. 114. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer es unter­ nimmt, durch Gewalt oder Drohung eine Behörde oder einen Beamten zur Vornahme oder Unter­ lassung einer Amtshandlung zu nöthigen, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe bis zu zwei Jahren ein. 115. Wer an einer öffentlichen Zusammen­ rottung, bei welcher eine der in den §§ 113 und 114 bezeichneten Handlungen mit vereinten Kräften

begangen wird, Theil nimmt, wird wegen Auf­ ruhrs mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten bestraft. Die Rädelsführer, sowie diejenigen Aufrührer, welche eine der in den §§ 113 und 114 bezeich­ neten Handlungen begehen, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zu­ lässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Ge­ fängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. 116. Wird eine auf öffentlichen Wegen, Stra­ ßen oder Plätzen versammelte Menschenmenge von dem zuständigen Beamten oder Befehlshaber der bewaffneten Macht aufgefordert, sich zu entfernen, so wird jeder der Versammelten, welcher nach der dritten Aufforderung sich nicht entfernt, wegen Auflaufs mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert

Mark bestraft. Ist bei einem Auflaufe gegen die Beamten oder die bewaffnete Macht mit vereinten Kräften thät­ licher Widerstand geleistet oder Gewalt verübt worden, so treten gegen diejenigen, welche an die-

16. Als Uebertrctuiigen gestaltete Fälle eines leichten Ungehorsams in besonderen Gesetzen sind neben § 113 in Kraft geblieben, so Art. 33 G. über Fischerei v. 15. April 1829, 10 G. üb. Fuhrwesen v. 30. Mai 1851, 15 G. über Oktroi v. 27. Frim. VIII.

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 7. sen Handlungen Theil genommen haben, die Stra­ fen des Aufruhrs ein.17 18 117. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer einem Forst- oder Jagdbeamten, einem Waldeigenthümer, Forst- oder Jagdberechtigten, oder einem von die­ sen bestellten Aufseher in der rechtmäßigen Aus­ übung seines Amtes oder Rechtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand leistet, oder wer eine dieser Personen während der Ausübung ihres Amtes oder Rechtes thät­ lich angreift, wird mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu drei Jahren bestraft. Ist der Widerstand oder der Angriff unter Drohung mit Schießgewehr, Aexten oder anderen gefährlichen Werkzeugen erfolgt, oder mit Gewalt an der Person begangen worden, so tritt Gesängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt in den Fällen des Absatz 1 Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre, in den Fällen des Absatz 2 Ge­ fängnißstrafe nicht unter Einem Monat ein. 118. Ist durch den Widerstand oder den An­ griff eine Körperverletzung dessen, gegen welchen die Handlung begangen ist, verursacht worden, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu er­ kennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefüngnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. 119. Wenn eine der in den §§ 117 und 118 bezeichneten Handlungen von Mehreren gemein­ schaftlich begangen worden ist, so kann die Strafe bis um die Hälfte des angedrohten Höchstbetrages, die Gefüngnißstrafe jedoch nicht über fünf Jahre erhöht werden. 120. Wer einen Gefangenen aus der Ge­ fangenanstalt oder aus der Gewalt der bewaffne­ ten Macht, des Beamten oder desjenigen, unter dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung er sich befindet, vorsätzlich befreit oder ihm zur Selbstbefreiung vorsätzlich behülflich ist, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. 121. Wer vorsätzlich einen Gefangenen, mit dessen Beaufsichtigung oder Begleitung er beauf­ tragt ist, entweichen läßt oder dessen Befreiung befördert, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. Ist die Entweichung durch Fahrlässigkeit be­ fördert worden, so tritt Gefängnißstrafe bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu dreihundert Mark ein. 122. Gefangene, welche sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften die Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten an­

greifen, denselben Widerstand leisten oder es unternehmen, sie zu Handlungen oder Unterlassun-

17. Wegen der Zuständigkeit (und dazu gehörigen Amtstracht) der Beamten vgl. Art. 3 G. über Aufläufe v. 7. Juni 1848.

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gen zu nöthigen, werden wegen Meuterei mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten bestraft. Gleiche Strafe tritt ein, wenn Gefangene sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften einen gewaltsamen Ausbruch unternehmen. Diejenigen Meuterer, welche Gewaltthätigkeiten gegen die Anstaltsbeamten oder die mit der Be­ aufsichtigung Beauftragten verüben, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden.

Siebenter Abschnitt. Werörechen und Zergehen wider die öffentliche Hrdnnng.

123. Wer in die Wohnung, in die Geschäfts­ räume oder in das befriedete Besitzthum eines Anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich^ eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugniß da­ rin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtig­ ten sich nicht entfernt, wird wegen Hausfriedensbruches mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Ist die Handlung von einer mit Waffen ver-. schenen Persou oder von Mehreren gemeinschaft­ lich begangen worden, so tritt Gefängnißstrafe von Einer Woche bis zu Einem Jahre ein. 124. Wenn sich eine Menschenmenge öffent­ lich zusammenrottet und in der Absicht, Gewalt­ thätigkeiten gegen Personen oder Sachen mit ver­ einten Kräften zu begehen, in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitz­ thum eines Anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, so wird Jeder, welcher an diesen Handlungen Theil nimmt, mit Gefängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft. 125. Wenn sich eine Menschenmenge öffent­ lich zusammenrottet und mit vereinten Kräften gegen Personen oder Sachen Gewaltthätigkeiten begeht, so wird Jeder, welcher an dieser Zusam­ menrottung Theil nimmt, wegen Landesfriedens­ bruches mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. Die Rädelsführer, sowie diejenigen, welche Ge­

waltthätigkeiten gegen Personen begangen oder Sachen geplündert, vernichtet oder zerstört haben, werden mit Zuchthaus bis zu-zehn Jahren be­ straft; auch kann auf Zulässigkeit von PolizeiAufsicht erkannt werden. Sind mildernde Um­ stände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. 126. Wer durch Androhung eines gemeinge­ fährlichen Verbrechens den öffentlichen Frieden stört, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. 18. Dgl. Art. 76 der Verfassung v. 22. Frim. VIII und §§ 102 ff. St.^P.-O.

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G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 7.

127. Wer unbefugterweise einen bewaffneten Haufen bildet oder befehligt oder eine Mannschaft, von der er weiß, daß sie ohne gesetzliche Befugniß gesammelt ist, mit Waffen oder Kriegsbedürfnissen versieht, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Wer sich einem solchen bewaffneten Haufen an­ schließt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. 128. Die Theilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten werden soll, oder in welcher gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird, ist an den Mitgliedern mit Gefängniß bis zu sechs Monaten, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre zu bestrafen.

Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähig­ keit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. 129. Die Theilnahme an einer Verbindung, »zu deren Zwecken oder Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu ver­ hindern oder zu entkräften, ist an den Mitgliedern mit Gefängniß bis zu einem Jahre, an den Stif­ tern und Vorstehern der Verbindung mit Ge­ fängniß von drei Monaten bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähig­ keit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. 130. Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Be­ völkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.

130 a. (G. v. 26. Febr. 1876.) Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge, oder welcher in einer Kirche oder an einem andern zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor Mehreren Angelegenheiten des Staats in einer den öffent­ lichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegen­ stände einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft.

Gleiche Strafe trifft denjenigen Geistlichen oder andern Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Be­ rufes Schriftstücke ausgibt oder verbreitet, in welchen Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Ge­

genstände einer Verkündigung oder Erörterung gemacht sind.19 131. Wer erdichtete oder entstellte Thatsachen, wissend, daß sie erdichtet oder entstellt sind, öffent­ lich behauptet oder verbreitet, um dadurch Staats­ einrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen, wird mit Geldstrafe bis zu

sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. 132. Wer unbefugt sich mit Ausübung eines

öffentlichen Amtes befaßt oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Ge­ fängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft. 133. Wer eine Urkunde, ein Register, Akten oder einen sonstigen Gegenstand, welche sich zur amtlichen Aufbewahrung an einem dazu bestimm­ ten Orte befinden, oder welche einem Beamten oder einem Dritten amtlich übergeben worden sind, vorsätzlich vernichtet, bei Seite schafft oder beschädigt, wird mit Gefängniß bestraft. Ist die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht begangen, so tritt Gesängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein; auch kann auf Verlust der bürger­ lichen Ehrenrechte erkannt werden. 134. Wer öffentlich angeschlagene Bekannt­ machungen, Verordnungen, Befehle oder Anzeigen von Behörden oder Beamten böswillig abreißt, beschädigt oder verunstaltet, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. 135. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer ein öffent­ liches Zeichen der Autorität des Reichs oder eines Bundessürsten oder ein Hoheitszeichen eines Bundesstaats böswillig wegnimmt, zerstört oder­ beschädigt oder beschimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. 136. Wer unbefugt ein amtliches Siegel, welches von einer Behörde oder einem Beamten angelegt ist, um Sachen zu verschließen, zu be­ zeichnen oder in Beschlag zu nehmen, vorsätzlich erbricht, ablöst oder beschädigt oder den durch ein solches Siegel bewirkten amtlichen Verschluß auf­ hebt, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. 137. Wer Sachen, welche durch die zustän­ digen Behörden oder Beamten gepfändet oder in Beschlag genommen worden sind, vorsätzlich bei Seite schafft, zerstört oder in anderer Weise der Verstrickung ganz oder theilweise entzieht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. 138. Wer als Zeuge, Geschworener oder Schöffe berufen, eine unwahre Thatsache als Ent­ schuldigung vorschützt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Monaten bestraft. 19. Dieser erst durch R.-G. v. 10. Dec. 1871 dem St.-G.-B. zugefügte 8 130a. ist iu E.-L. durch G. v. 15. Juli 1872 eingeführt worden.

G.

Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 8.

Dasselbe gilt von einem Sachverständigen, welcher zum Erscheinen gesetzlich verpflichtet ist. Die auf das Nichterscheinen gesetzten Ordnungs­ strafen werden durch vorstehende Strafbestim­ mungen nicht ausgeschlossen. 139. Wer von dem Vorhaben eines Hochverraths, Landesverrats , Münzverbrechens , Mordes, Raubes, Menschenraubes oder eines gemeingefährlichen Verbrechens zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des Verbrechens möglich ist, glaubhafte Kenntniß erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde oder der durch das Ver­ brechen bedrohten Person zur rechten Zeit Anzeige zu machen, ist, wenn das1 Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist,

mit Gefängniß zu bestrafen. 140. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wegen Verletzung der Wehrpflicht wird bestraft: 1) ein Wehrpflichtiger, welcher in der Absicht, sich dem Eintritte in t)eii Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Erlaub­ niß entweder das Bundesgebiet verläßt oder nach erreichtem militärpflichtigen Alter sich außerhalb des Bundesgebietes aufhält: mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis dreitausend Mark oder mit Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre; 2) ein Offizier oder im Offizierrange stehender Arzt des Beurlaubtenstandes, welcher ohne Er­ laubniß auswandert: mit Geldstrafe bis zu drei­ tausend Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten; 3) ein jeder Wehrpflichtige, welcher nach öffent­ licher Bekanntmachung einer vom Kaiser für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegsgefahr er­ lassenen besonderen Anordnung in Widerspruch mit derselben auswandert: mit Gefängniß bis zu zwei Jahren, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann. Der Versuch ist strafbar. Das Vermögen des Angeschuldigten kann, inso­ weit als es nach dem Ermessen des Richters zur Deckung der den Angeschuldigten möglicherweise treffenden höchsten Geldstrafe und der Kosten des Verfahrens erforderlich ist, mit Beschlag belegt werden.20 141. Wer einen Deutschen zum Militärdienste einer ausländischen Macht anwirbt oder den Werbern der letzteren zuführt, ingleichen wer einen Deutschen Soldaten vorsätzlich zum Desertiren verleitet oder die Desertion desselben vor­ sätzlich befördert, wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. 142. Wer sich vorsätzlich durch Selbstver­ stümmelung oder auf andere Weise zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht oder durch einen 20. Vgl. §§ 10 ff. Reichs-Militärgesctz v. 2. Mai 1874 u. über das Verfahren §§ 470 ff. St.-P.-O.

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Anderen untauglich machen läßt, wird mit Ge­ fängniß nicht unter Einem Jahre bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher einen Anderen auf dessen Verlangen zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht. 143. Wer in der Absicht, sich der Erfüllung der Wehrpflicht ganz oder theilweise zu entziehen, auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, wird mit Gefängniß bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Dieselbe Strafvorschrift findet auf den Theilnehmer Anwendung. 144. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer es sich zum Geschäfte macht, Deutsche unter Vorspiegelung falscher Thatsachen oder wissentlich mit unbe­ gründeten Angaben oder durch andere auf Täu­ schung berechnete Mittel zur Auswanderung zu verleiten, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft. 145. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer die vom Kaiser zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See, über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstöße von Schiffen auf See, oder in Betreff der Noth- und Lootsensignale für Schiffe auf See und auf den Küstengewässern erlassenen Verordnungen übertritt, wird mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark bestraft.

Achter Abschnitt. Münzvervrechen und

Münzvergehen.

146. Wer inländisches oder ausländisches Metallgeld oder Papiergeld nachmacht, um das nachgemachte Geld als echtes zu gebrauchen oder sonst in Verkehr zu bringen, oder wer in gleicher Absicht echtem Gelde durch Veränderung an dem­ selben den Schein eines höheren Werths oder verrufenem Gelde durch Veränderung an demselben das Ansehen eines noch geltenden gibt, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft; auch ist Polizei-Aufsicht zulässig. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt

Gefängnißstrafe ein. 147. Dieselben Strafbedingungen finden auf denjenigen Anwendung, welcher das von ihm auch ohne die vorbezeichnete Absicht nachgemachte oder verfälschte Geld als echtes in Verkehr bringt, sowie auf denjenigen, welcher nachgemachtes oder verfälschtes Geld sich verschafft und solches ent­ weder in Verkehr bringt oder zum Zwecke der Verbreitung aus dem Auslande einführt. 148. Wer nachgemachtes oder verfälschtes Geld als echtes empfängt und nach erkannter Unechtheit als echtes in Verkehr bringt, wird mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geld­ strafe bis zu dreihundert Mark bestraft.

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G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 9.

Der Versuch ist strafbar. 149. Dem Papiergelde werden gleich geachtet die auf den Inhaber lautenden Schuldverschrei­ bungen, Banknoten, Aktien oder deren Stelle vertretende Jnterimsscheine oder Quittungen, so­ wie die zu diesen Papieren gehörenden Zins-, Gewinnantheils- oder Erneuerungsscheine, welche von dem Reich, dem Norddeutschen Bunde, einem Bundesstaate oder fremden Staate oder von einer zur Ausgabe solcher Papiere berechtigten Gemeinde, Korporation, Gesellschaft oder Privat-Person aus­ gestellt sind. 150. Wer echte, zum Umlauf bestimmte Me­ tallgeldstücke durch Beschneiden, Abfeilen oder auf andere Art verringert und als vollgültig in Ver­ kehr bringt, oder wer solche verringerte Münzen gewohnheitsmäßig oder im Einverständnisse mit dem, welcher sie verringert hat, als vollgültig in Verkehr bringt, wird mit Gefängniß bestraft, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark, sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehren­ rechte erkannt werden kann. Der Versuch ist strafbar. 151. Wer Stempel, Siegel, Stiche, Platten

oder andere zur Anfertigung von Metallgeld, Papiergeld oder dem letzteren gleich geachteten Papieren dienliche Formen zum Zwecke eines Münzverbrechens angeschafft oder angefertigt hat, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. 152. Auf die Einziehung des nachgemachten oder verfälschten Geldes, sowie der im § 151 bezeichneten Gegenstände ist zu erkennen, auch wenn die Verfolgung oder Verurtheilung einer bestimmten Person nicht stattfindet. Neunter Abschnitt. Meineid.

153. Wer einen ihm zugeschobenen, zurück­ geschobenen oder auferlegten Eid wissentlich falsch schwört, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. 154. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde wissentlich ein falsches Zeugniß oder ein falsches Gutachten mit einem Eide bekräftigt oder den vor seiner Vernehmung geleisteten Eid wis­ sentlich durch ein falsches Zeugniß oder ein falsches Gutachten verletzt. Ist das falsche Zeugniß oder Gutachten in einer Strafsache zum Nachtheile eines Angeschul­ digten abgegeben und dieser zum Tode, zu Zucht­ haus oder zu einer andern mehr als fünf Jahre betragenden Freiheitsstrafe verurtheilt worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren ein. 155. Der Ableistung des Eides wird gleich geachtet, wenn 1) ein Mitglied einer Religionsgesellschaft, wel­ cher das Gesetz den Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, eine

Erklärung unter der Betheuerungsformel seiner Religionsgesellschaft abgibt; 2) derjenige, welcher als Partei, Zeuge oder Sachverständiger einen Eid geleistet hat, in gleicher Eigenschaft eine Versicherung unter Berufung aus den bereits früher in derselben Angelegenheit ge­ leisteten Eid abgibt, oder ein Sachverständiger, welcher als solcher ein- für allemal vereidet ist, eine Versicherung auf den von ihm geleisteten Eid

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abgibt; 3) ein Beamter eine amtliche Versicherung unter Berufung auf seinen Diensteid abgibt. 156. Wer vor einer zur Abnahme einer Ver­ sicherung an Eidesstatt zuständigen Behörde eine solche Versicherung wissentlich falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung wis­ sentlich falsch aussagt, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. 157. Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineides (§§ 154, 155) oder einer falschen Versicherung an Eidesstatt schuldig gemacht, so ist die an sich verwirkte Strafe auf die Hälfte bis ein Viertheil zu ermäßigen, wenn 1) die Angabe der Wahrheit gegen ihn selbst eine Verfolgung wegen eines Verbrechens oder Vergehens nach sich ziehen konnte, oder 2) der Aussagende die falsche Aussage zu Gun­ sten einer Person, rücksichtlich welcher er die Aus­ sage ablehnen durfte, erstattet hat, ohne über sein Recht, die Aussage ablehnen zu dürfen, belehrt worden zu sein. Ist hiernach Zuchthausstrafe unter Einem Jahre verwirkt, so ist dieselbe nach Maßgabe des § 21 in Gefängnißstrafe zu verwandeln,

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158. Gleiche Strafermäßigung tritt ein, wenn derjenige, welcher sich eines Meineides oder einer

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falschen Versicherung an Eidesstatt schuldig ge­ macht hat, bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein Rechtsnachtheil für einen Anderen aus der falschen Aussage entstanden ist, diese bei der­ jenigen Behörde, bei welcher er sie abgegeben hat, widerruft. 159. Wer es unternimmt, einen Anderen zur Begehung eines Meineides zu verleiten, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, und wer es unter­ nimmt, einen Anderen zur wissentlichen Abgabe einer falschen Versicherung an Eidesstatt zu ver­ leiten, mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. 160. Wer einen Anderen zur Ableistung eines falschen Eides verleitet, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, neben welchem auf Ver­ lust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, und wer einen Anderen zur Ableistung einer falschen Versicherung an Eidesstatt verleitet, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Der Versuch ist strafbar. 161. Bei jeder Verurtheilung wegen Mein­ eides, mit Ausnahme der Fälle in den §§ 157 und 158, ist auf Verlust der bürgerlichen Ehren-

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 10. 11. 12. 13.

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rechte und außerdem auf die dauernde Unfähigkeit des Verurtheilten, als Zeuge oder Sachverständi­ ger eidlich vernommen zu werden, zu erkennen. In den Fällen der §§ 156 bis 159 kann neben der Gefängnißstrafe auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 162. Wer vorsätzlich einer durch eidliches Angelöbniß vor Gericht bestellten Sicherheit oder dem in einem Offenbarungseide gegebenen Ver­ sprechen zuwiderhandelt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. 163. Wenn eine der in den §§ 153 bis 156 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit be­ gangen worden ist, so tritt Gesängnißstrase bis zu Einem Jahre ein. Straflosigkeit tritt ein, wenn der Thäter, bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Unter­ suchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein Rechts­ nachtheil für einen Anderen aus der falschen Aus­ sage entstanden ist, diese bei derjenigen Behörde, bei welcher er sie abgegeben hat, widerruft.

167. Wer durch eine Thätlichkeit oder Dro­ hung Jemand hindert, den Gottesdienst einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft aus­ zuüben, ingleichen wer in einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen Versammlungen be­ stimmten Orte durch Erregung von Lärm oder Unordnung den Gottesdienst oder einzelne gottes­ dienstliche Verrichtungen einer im Staate be­ stehenden Religionsgesellschaft vorsätzlich verhindert oder stört, wird mit Gefängniß bis zu drei Jah­ ren bestraft. 168. Wer unbefugt eine Leiche aus dem Ge­ wahrsam der dazu berechtigten Person wegnimmt, ingleichen wer unbefugt ein Grab zerstört oder beschädigt, oder wer an einem Grabe beschimpfen­ den Unfug verübt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

Zehnter Abschnitt.

169. Wer ein Kind unterschiebt oder vorsätz­ lich verwechselt, oder wer auf andere Weise den Personenstand eines Anderen vorsätzlich verändert oder unterdrückt, ioiru mit Gefängniß bis zu drei Jahren und, wenn die Handlung in gewinnsüch­ tiger Absicht begangen wurde, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. 170. Wer bei Eingehung einer Ehe dem an­ deren Theil ein gesetzliches Ehehinderniß arglistig verschweigt, oder wer den anderen Theil zur Ehe­ schließung arglistig mittels einer solchen Täuschung verleitet, welche den Getäuschten berechtigt, die Gültigkeit der Ehe anzufechten, wird, wenn aus einem dieser Gründe die Ehe aufgelöst worden ist, mit Gefängniß nicht unter drei Monaten be­ straft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des ge­ täuschten Theils ein.

Katsche Anschuldigung.

164. Wer bei einer Behörde eine Anzeige macht, durch welche er Jemand wider besseres Wissen der Begehung einer strafbaren Handlung oder der Verletzung einer Amtspflicht beschuldigt, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Monat bestraft; auch kann gegen denselben auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. So lange ein in Folge der gemachten Anzeige eingeleitetes Verfahren anhängig ist, soll mit dem Verfahren und mit der Entscheidung über die falsche Anschuldigung inne gehalten werden. 165. Wird wegen falscher Anschuldigung auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugniß zuzusprechen, die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu ma­ chen. Die Art der Bekanntmachung, .sowie die Frist zu derselben, ist in dem Urtheile zu be­ stimmen. Dem Verletzten ist auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urtheils zu ertheilen. Elfter Abschnitt. Vergehen, welche stch auf die Veligiou öezieyen.

166. Wer dadurch, daß er öffentlich in be­ schimpfenden Aeußerungen Gott lästert, ein Aer­ gerniß gibt, oder wer öffentlich eine der christlichen Kirchen oder eine andere mit Korporationsrechten innerhalb des Bundesgebietes bestehende Reli­ gionsgesellschaft oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche beschimpft, ingleichen wer in einer Kirche oder in einem andern zu religiösen Ver­ sammlungen bestimmten Orte beschimpfenden Un­ fug verübt, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft.

Zwölfter Abschnitt. Vervrechen und Vergehen in Beziehung auf den Verfonenstand.

Dreizehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit.

171. Ein Ehegatte, welcher eine neue Ehe eingeht, bevor seine Ehe aufgelöst, für ungültig oder nichtig erklärt worden ist, ingleichen eine unverheirathete Person, welche mit einem Ehe­ gatten, wissend, daß er verheirathet ist, eine Ehe eingeht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt mit dem Tage, an welchem eine der beiden Ehe­ gatten aufgelöst, für ungültig oder nichtig erklärt worden ist. 172. Der Ehebruch wird, wenn wegen des­ selben die Ehe geschieden ist, an dem schuldigen

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G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 13.

Ehegatten, sowie dessen Mitschuldigen, mit Ge­ fängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 173. Der Beischlaf zwischen Verwandten aufund absteigender Linie wird an den ersteren mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, an den letzteren mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Der Beischlaf zwischen Verschwägerten auf- und absteigender Linie, sowie zwischen Geschwistern, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Verwandte und Verschwägerte absteigender Linie bleiben straflos, wenn sie das achtzehnte Lebens­ jahr nicht vollendet haben. 174. Mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren werden bestraft: 1) Vormünder, welche mit ihren Pflegebefohle­ nen, Adoptiv- und Pflegeeltern, welche mit ihren Kindern, Geistliche, Lehrer und Erzieher, welche mit ihren minderjährigen Schülern oder Zöglingen unzüchtige Handlungen vornehmen;

2) Beamte, die mit Personen, gegen welche sie eine Untersuchung zu führen haben oder welche ihrer Obhut anvertraut sind, unzüchtige Hand­ lungen vornehmen; 3) Beamte, Aerzte oder andere Medizinalper­ sonen, welche in Gefängnissen oder in öffentlichen, zur Pflege von Kranken, Armen oder anderen Hülflosen bestimmten Anstalten beschäftigt oder angestellt sind, wenn sie mit den in das Gefäng­ niß oder in die Anstalt aufgenommenen Personen unzüchtige Handlungen vornehmen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß strafe nicht unter sechs Monaten ein. 175. Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Ver­ lust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 176. (G. v. 26. Febr. 1876.) Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1) mit Gewalt unzüchtige Handlungen an einer Frauensperson vornimmt oder dieselbe durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung unzüchtiger Handlungen nöthigt; 2) eine in einem willenlosen oder bewußtlosen Zustande befindliche oder eine geisteskranke Frauensperson zum außerehelichen Beischlafe miß­ braucht, oder 3) mit Personen unter vierzehn Jahren un­ züchtige Handlungen vornimmt oder dieselben zur Verübung oder Duldung unzüchtiger Handlungen verleitet. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. 177. (G. v. 26. Febr. 1876.) Mit Zuchthaus wird bestraft, wer durch Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder

Leben eine Frauensperson zur Duldung des außerehelichen Beischlafs nöthigt, oder wer eine Frauensperson zum außerehelichen Beischlafe mißbraucht, nachdem er sie zu diesem Zwecke in einen willenlosen oder bewußtlosen Zustand ver­ setzt hat. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Jahre ein. 178. (G. v. 26. Febr. 1876.) Ist durch eine der in den §§ 176 und 177 bezeichneten Hand­ lungen der Tod der verletzten Person verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein. 179. Wer eine Frauensperson zur Gestattung des Beischlafs dadurch verleitet, daß er eine Trauung vorspiegelt, oder einen andern Irrthum in ihr erregt oder benutzt, in welchem sie den Beischlaf für einen ehelichen hielt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 180. Wer gewohnheitsmäßig oder aus Eigen­ nutz durch seine Vermittelung oder durch Gewäh­ rung oder Verschaffung von Gelegenheit der Unzucht Vorschub leistet, wird wegen Kuppelei mit Gefängniß bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässig­ keit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. 181. Die Kuppelei ist, selbst wenn sie weder gewohnheitsmäßig noch aus Eigennutz betrieben wird, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu be­ strafen, wenn 1) um der Unzucht Vorschub zu leisten, hinter­ listige Kunstgriffe angewendet worden sind, oder 2) der Schuldige zu den Personen, mit welchen die Unzucht getrieben worden ist, in dem Verhält­ niß von Eltern zu Kindern, von Vormündern zu Pflegebefohlenen, von Geistlichen, Lehrern oder Erziehern zu den von ihnen zu unterrichtenden oder zu erziehenden Personen steht. Neben der Zuchthausstrafe ist der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auszusprechen; auch kann auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. 182. Wer ein unbescholtenes Mädchen, welches das sechzehnte Lebensjahr nicht vollendet hat, zum Beischlafe verführt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern oder des Vormundes der Verführten ein. 183. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer durch eine unzüchtige Handlung öffentlich ein Aergerniß gibt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark bestraft. Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 184. Wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen verkauft, vertheilt oder sonst verbreitet, oder an Orten, welche dem Publikum zugänglich sind, ausstellt oder anschlägt, - wird mit

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 14. Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.

Vierzehnter Abschnitt. Beleidigung.

185. Die Beleidigung wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn die Beleidigung mittels einer Thätlichkeit begangen wird, mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß bis §it zwei Jahren

bestraft. 186. Wer in Beziehung auf einen Anderen eine Thatsache behauptet oder verbreitet, welche

denselben verächtlich zu machen oder in der öffent­ lichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Thatsache erweislich wahr ist, wegen Beleidigung mit Geldstrafe bis zu sechs­ hundert Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn die Beleidigung öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen begangen ist, mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. 187. Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen Anderen eine unwahre Thatsache be­ hauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herab­ zuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird wegen verleumderischer Beleidi­ gung mit Gefängniß bis zu zwei Jahren und, wenn die Verleumdung öffentlich oder durch Ver­ breitung von Schriften,. Abbildungen oder Dar­ stellungen begangen ist, mit Gefängniß nicht unter

Einem Monat bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden,' so kann die Strafe bis auf Einen Tag Gefängniß er­ mäßigt, oder auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden. 188. In den Fällen der §§ 186 und 187 kann auf Verlangen des Beleidigten, wenn die Beleidigung nachtheilige Folgen für die Vermögensverhältniffe, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten mit sich bringt, neben der Strafe auf eine an den Beleidigten zu erlegende Buße bis zum Betrage von sechstausend Mark erkannt werden. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus. 189. Wer das Andenken eines Verstorbenen dadurch beschimpft, daß er wider besseres Wissen eine unwahre Thatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben bei seinen Lebzeiten verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herab­ zuwürdigen geeignet gewesen wäre, wird mit Ge­ fängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden.

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Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern, der Kinder oder des Ehegatten des Verstorbenen ein. 190. Ist die behauptete oder verbreitete That­ sache eine strafbare Handlung, so ist der Beweis der Wahrheit als erbracht anzusehen, wenn der Beleidigte wegen dieser Handlung rechtskräftig verurtheilt worden ist. Der Beweis der Wahrheit ist dagegen ausgeschlossen, wenn der Beleidigte wegen dieser Handlung vor der Behauptung oder Verbreitung rechtskräftig freigesprochen worden ist. 191. Ist wegen der strafbaren Handlung zum Zwecke der Herbeiführung eines Strafverfahrens bei der Behörde Anzeige gemacht, so ist bis zu dem Beschlusse, daß die Eröffnung der Unter­ suchung nicht stattfinde, oder bis zur Beendigung der eingeleiteten Untersuchung, mit dem Verfahren und der Entscheidung über die Beleidigung inne zu halten. 192. Der Beweis der Wahrheit der behaup­ teten oder verbreiteten Thatsache schließt die Be­ strafung nach Vorschrift des § 185 nicht aus, wenn das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Behauptung oder Verbreitung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht. 193. Tadelnde Urtheile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, ingleichen Aeußerungen, welche zur Ausführung oder Ver­ theidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vor­ haltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urtheile von Seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Aeußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie ge­ schah, hervorgeht. 194. (G. v. 26. Febr. 1876.) Die Verfolgung einer Beleidigung tritt nur auf Antrag ein. Die

Zurücknahme des Antrages (§§ 185 bis 193) ist zulässig. 195. Sind Ehefrauen

oder

unter väterlicher

Gewalt stehende Kinder beleidigt worden, so haben sowohl die Beleidigten, als deren Ehemänner und Väter das Recht, auf Bestrafung anzutragen. 196. Wenn die Beleidigung gegen eine Be­ hörde, einen Beamten, einen Religionsdiener oder ein Mitglied der bewaffneten Macht, während sie in der Ausübung ihres Berufes begriffen find, oder in Beziehung auf ihren Beruf begangen ist, so haben außer den unmittelbar Betheiligten auch deren amtliche Vorgesetzte das Recht, den Straf­ antrag zu stellen. 197. Eines Antrages bedarf es nicht, wenn die Beleidigung gegen eine gesetzgebende Versamm­ lung des Reichs oder eines Bundesstaats, oder gegen eine andere politische Körperschaft begangen worden ist. Dieselbe darf jedoch nur mit Ermäch­ tigung der beleidigten Körperschaft verfolgt werden.

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G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 15. 16.

198. Ist bei wechselseitigen Beleidigungen von einem Theile auf Bestrafung angetragen wor­ den, so ist der andere Theil bei Verlust seines Rechts verpflichtet, den Antrag auf Bestrafung spätestens vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz zu stellen, hierzu aber auch dann berech­ tigt, wenn zu jenem Zeitpunkte die dreimonatliche Frist bereits abgelaufen ist. 199. Wenn eine Beleidigung auf der Stelle erwidert wird, so kann der Richter beide Belei­ diger oder einen derselben für straffrei erklären. 200. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wird wegen einer öffentlich oder durch Verbreitung von Schrif­ ten, Darstellungen oder Abbildungen begangenen Beleidigung auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Beleidigten die Befugniß zuzusprechen, die Verurtheilung auf Kosten des Schuldigen öffent­ lich bekannt zu machen. Die Art der Bekannt­ machung, sowie die Frist zu derselben ist in dem Urtheile zu bestimmen. Erfolgte die Beleidigung in einer Zeitung oder Zeitschrift, so ist der verfügende Theil des Urtheils auf Antrag des Betheiligten durch die öffentlichen Blätter bekannt zu machen, und zwar wenn mög­ lich durch dieselbe Zeitung oder Zeitschrift und in demselben Theile und mit derselben Schrift, wie der Abdruck der Beleidigung geschehen. Dem Beleidigten ist auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urtheils zu ertheilen. Fünfzehnter Abschnitt. Zweikampf.

201. Die Herausforderung zum Zweikampf mit tödlichen Waffen, sowie die Annahme einer solchen Herausforderung wird mit Festungshaft bis zu sechs Monaten bestraft. 202. Festungshaft von zwei Monaten bis zu zwei Jahren tritt ein, wenn bei der Heraus­ forderung die Absicht, daß einer von beiden Theilen das Leben verlieren soll, entweder ausgesprochen ist oder aus der gewählten Art des Zweikampfs erhellt. 203. Diejenigen, welche den Auftrag zu einer Herausforderung unternehmen und ausrichten (Kartellträger), werden mit Festungshaft bis zu sechs Monaten bestraft. 204. Die Strafe der Herausforderung und der Annahme derselben, so wie die Strafe der Kartellträger fällt weg, wenn die Parteien den Zweikampf vor dessen Beginn freiwillig aufge­ geben haben. 205. Der Zweikampf wird mit Festungshaft von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. 206. Wer seinen Gegner im Zweikampf tödtet, wird mit Festungshaft nicht unter zwei Jahren, und wenn der Zweikampf ein solcher war, welcher den Tod des einen von Beiden herbei­ führen sollte, mit Festungshaft nicht unter drei Jahren bestraft.

207. Ist eine Tödtung oder Körperverletzung mittels vorsätzlicher Uebertretung der dereinbarten oder hergebrachten Regeln des Zweikampfs be­ wirkt worden, so ist der Uebertreter, sofern nicht nach den vorhergehenden Bestimmungen eine här­ tere Strafe verwirkt ist, nach den allgemeinen Vorschriften über das Verbrechen der Tödtung oder der Körperverletzung zu bestrafen. 208. (G. v. 26. Febr 1876.) Hat der Zwei­ kampf ohne Sekundanten stattgefunden, so kann die verwirkte Strafe bis um die Hälfte, jedoch nicht über fünfzehn Jahre erhöht werden. 209. Kartellträger, welche ernstlich bemüht gewesen sind, den Zweikampf zu verhindern, Se­ kundanten, sowie zum Zweikampf zugezogene Zeu­ gen, Aerzte und Wundärzte sind straflos. 210. Wer einen Anderen zum Zweikamps mit einem Dritten absichtlich, insonderheit durch Bezeigung oder Androhung von Verachtung an­ reizt, wird, falls der Zweikampf stattgefunden hat, mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft.

Sechszehnter Abschnitt. Vervrechen unb Vergehen wider das Leven.

211. Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft. 212. Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung nicht mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Todtschlages mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft. 213. War der Todtschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem Getödteten zum Zorne gereizt und hierdurch aus der Stelle zur That hingerissen worden, oder sind andere mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. 214. Wer bei Unternehmung einer strafbaren Handlung, um ein der Ausführung derselben ent­ gegentretendes Hinderniß zu beseitigen oder um sich der Ergreifung auf frischer That zu entziehen, vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird mit Zucht­ haus nicht unter zehn Jahren oder mit lebens­ länglichem Zuchthaus bestraft. 215. Der Todtschlag an einem Verwandten auf­ steigender Linie wird mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. 216. Ist Jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getödteten zur Töd­ tung bestimmt worden, so ist auf Gefängniß nicht unter drei Jahren zu erkennen. 217. Eine Mutter, welche ihr unehliches Kind in oder gleich nach der Geburt vorsätzlich tödtet, wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren be­

straft.

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 17.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter zwei Jahren ein. 218. Eine Schwangere, welche ihre Frucht vorsätzlich abtreibt oder im Mutterleibe tödtet, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Dieselben Strafvorschriften finden auf denjenigen Anwendung, welcher mit Einwilligung der Schwan­ geren die Mittel zu der Abtreibung oder Tödtung bei ihr angewendet oder ihr beigebracht hat. 219. Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer einer Schwangeren, welche ihre Frucht abgetrieben oder getödtet hat, gegen Ent­ gelt die Mittel hierzu verschafft, bei ihr ange­ wendet oder ihr beigebracht hat. 220. Wer die Leibesfrucht einer Schwangeren ohne deren Wissen oder Willen vorsätzlich abtreibt oder tödtet, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Ist durch die Handlung der Tod der Schwan­ geren verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein. 221. Wer eine wegen jugendlichen Alters, Gebrechlichkeit oder Krankheit hülflose Person aus­ setzt, oder wer eine solche Person, wenn dieselbe unter seiner Obhut steht oder wenn er für die Unterbringung, Fortschaffung oder Aufnahme der­ selben zu sorgen hat, in hülfloser Lage vorsätzlich verläßt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. Wird die Handlung von leiblichen Eltern gegen ihr Kind begangen, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Ist durch diese Handlung eine schwere Körper­ verletzung der ausgesetzten oder verlassenen Person verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren ein. 222. Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. Wenn der Thäter zu der Aufmerksamkeit, welche er aus den Augen setzte, vermöge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders verpflichtet war, so kann die Strafe bis auf fünf Jahre Gefängniß erhöht werden.

Siebenzehnter Abschnitt. Körperverletzung.

223. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer vorsätzlich einen Anderen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt, wird wegen Körperver­ letzung mit Gefängniß bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft. Ist die Handlung gegen Verwandte aufsteigender Linie begangen, so ist auf Gefängniß nicht unter Einem Monat zu erkennen.

G. Strafrecht.

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223 a. (G. v. 26. Febr. 1876). Ist die Kör­ perverletzung mittels einer Waffe, insbesondere eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges, oder mittels eines hinterlistigen Ueberfalls, oder von Mehreren gemeinschaftlich, oder mittels einer das Leben gefährdenden Behand­ lung begangen, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter zwei Monaten ein. 224. Hat die Körperverletzung zur Folge, daß der Verletzte ein wichtiges Glied des Körpers, das Sehvermögen auf einem oder beiden Augen, das Gehör, die Sprache oder die Zeugungsfähig­ keit verliert, oder in erheblicher Weise dauernd entstellt wird, oder in Siechthum, Lähmung oder Geisteskrankheit verfällt, so ist auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängniß nicht unter Einem Jahre zu erkennen. 225. War eine der vorbezeichneten Folgen beabsichtigt und eingetreten, so ist auf Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren zu erkennen. 226. Ist durch die Körperverletzung der Tod des Verletzten verursacht worden, so ist auf Zucht­ haus nicht unter drei Jahren oder Gefängniß nicht unter drei Jahren zu erkennen. 227. Ist durch eine Schlägerei oder durch einen von Mehreren gemachten Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 324) verursacht worden, so ist Jeder, welcher sich an der Schlägerei oder dem Angriffe betheiligt hat, schon wegen dieser Betheiligung mit Gefängniß bis zu drei Jahren zu bestrafen, falls er nicht ohne sein Verschulden hineingezogen worden ist. Ist eine der vorbezeichneten Folgen mehreren Verletzungen zuzuschreiben, welche dieselben nicht einzeln, sondern nur durch ihr Zusammentreffen verursacht haben, so ist Jeder, welchem eine dieser Verletzungen zur Last fällt, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu bestrafen. 228. (G. v. 26. Febr. 1876.) Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist in den Fällen des § 223 Absatz 2 und des § 223 a auf Gefängniß bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu ein­ tausend Mark, in den Fällen der §§ 224 und 227 Absatz 2 auf Gefängniß nicht unter Einem Monat, und im Falle des § 226 auf Gefängniß nicht unter drei Monaten zu erkennen. 229. Wer vorsätzlich einem Anderen, um dessen Gesundheit zu beschädigen, Gift oder andere Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu zer­ stören geeignet sind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Ist durch die Handlung eine schwere Körper­ verletzung verursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod verursacht worden, auf Zucht­ haus nicht unter zehn Jahren oder auf lebens­ längliches Zuchthaus zu erkennen. 230. Wer durch Fahrlässigkeit die Körperver­ letzung eines Anderen verursacht, wird mit Geld3

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G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. H. Abschn. 18. 19.

strafe bis zu neunhundert Mark oder mit Gefäng­ niß bis zu zwei Jahren bestraft. Wgr der Thäter zu der Aufmerksamkeit, welche er aus den Augen setzte, vermöge seines Amtes, Be­ rufes oder Gewerbes besonders verpflichtet, so kann die Strafe aus drei Jahre Gefängniß erhöht werden. 231. In allen Fällen der Körperverletzung kann auf Verlangen des Verletzten neben der Strafe auf eine an denselben zu erlegende Buße bis zum

Betrage von sechstausend Mark erkannt werden. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus. Für diese Buße haften die zu derselben Verurtheilten als Gesammtschuldner. 232. (G. v. 26. Febr. 1876.) Die Verfolgung leichter, sowie aller durch Fahrlässigkeit verursachter Körperverletzungen (§§ 223, 230) tritt nur auf Antrag ein, insofern nicht die Körperverletzung mit Uebertretung einer Amts-, Berufs- oder Ge­ werbspflicht begangen worden ist. Ist das Vergehen gegen einen Angehörigen ver­ übt, so ist die Zurücknahme des Antrages zulässig. Die in den §§ 195, 196 und 198 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. 233. Wenn leichte Körperverletzungen mit solchen, Beleidigungen mit leichten Körperver­ letzungen oder letztere mit ersteren auf der Stelle erwidert werden, so kann der Richter für beide Angeschuldigte, oder für einen derselben eine der Art oder dem Maße nach mildere oder überhaupt keine Strafe eintreten lassen. Achtzehnter Abschnitt. Serörechen und Zergehe» wider die persönliche Areiyeit.

234. Wer sich eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt, um ihn in hülfloser Lage auszusetzen oder in Sklaverei, Leib­ eigenschaft oder in auswärtige Kriegs- oder Schiffs­ dienste zu bringen, wird wegen Menschenraubes mit Zuchthaus bestraft. 235. Wer eine minderjährige Person durch List, Drohung oder Gewalt ihren Eltern oder ihrem Vormunde entzieht, wird mit Gefängniß und, wenn die Handlung in der Absicht geschieht, die Person zum Betteln oder zu gewinnsüchtigen oder unsittlichen Zwecken oder Beschäftigungen zu ge­ brauchen, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. 236. Wer eine Frauensperson wider ihren Willen durch List, Drohung oder Gewalt entführt, um sie zur Unzucht zu bringen, wird mit Zucht­ haus bis zu zehn Jahren und, wenn die Ent­ führung begangen wurde, um die Entführte zur Ehe zu bringen, mit Gefängniß bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 237. Wer eine minderjährige, unverehelichte Frauensperson mit ihrem Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern oder ihres Vormundes, entführt, um sie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, wird mit Gefängniß bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 238. Hat der Entführer die Entführte gehei-

rathet, so findet die Verfolgung nur statt, nach­ dem die Ehe für ungültig erklärt worden ist. 239. Wer vorsätzlich und widerrechtlich einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise desGebrauches der persönlichen Freiheit beraubt, wird mit Gefängniß bestraft. Wenn die Freiheitsentziehung über eine Woche gedauert hat, oder wenn eine schwere Körperver­ letzung des der Freiheit Beraubten durch die Frei­ heitsentziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht worden ist, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu er­ kennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. 240. sG. v. 26. Febr. 1876.) Wer einen Andern widerrechtlich durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einem Verbrechen oder Vergehen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nöthigt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark bestraft. Der Versuch ist strafbar. 241. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer einen An­ deren mit der Begehung eines Verbrechen bedroht, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft. Neunzehnter Abschnitt. AieSstayl und Unterschlagung.

242. Wer eine fremde bewegliche Sache einem Anderen in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig zuzueignen, wird wegen Diebstahls mit Gefängniß bestraft. Der Versuch ist strafbar. 21 243. Auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn 1) aus einem zum Gottesdienste bestimmten Ge­ bäude Gegenstände gestohlen werden, welche dem Gottesdienste gewidmet sind; 2) aus einem Gebäude oder umschlossenen Raume mittels Einbruchs, Einsteigens oder Er­ brechens von Behältnissen gestohlen wird; 3) der Diebstahl dadurch bewirkt wird, daß zur Eröffnung eines Gebäudes oder der Zugänge eines umschlossenen Raumes, oder zur Eröffnung der im Innern befindlichen Thüren oder Behältnisse falsche Schüssel oder andere zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmte Werkzeuge angewendet werden; 4) auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einem öffentlichen Platze, einer Wasserstraße oder einer Eisenbahn, oder in einem Postgebäude oder dem dazu gehörigen Hofraume, oder auf einem Eisenbahnhofe eine zum Reisegepäck oder zu an­ deren Gegenständen der Beförderung gehörende Sache mittels Abschneidens oder Ablösens der

21. Wegen des Felddiebstahls (Art. II E.-G.) vgl. Artt475 Nr. 15 u. 471 Nr. 9 fr. St.-G.-B. sowie Art. 33 Tit. 2 G. v. 28. Sept.—6. Okt. 1791 u. wegen des Holzdiebstahls §§ 10 ff. F.-St.-G. sowie Artt. 36, 37 Tit. 2 G. v. 28. Sept.—6. Okt. 1791.

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. EL Abschn. 20.

defestigungs- oder Berwahrungsmittel, oder durch Anwendung falscher Schlüssel oder anderer zur irdnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmter WerkMge gestohlen wird; 5) der Dieb oder einer der Theilnehmer am Diebstahle bei Begehung der That Waffen bei sich führt; 6) zu dem Diebstahle Mehrere mitwirken, welche sch zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben, oder 7) der Diebstahl zur Nachtzeit in einem be­ lohnten Gebäude, in welches sich der Thäter in diebischer Absicht eingeschlichen, oder in welchem er sich in gleicher Absicht verborgen hatte, beoangen wird, auch wenn zur Zeit des Diebstahls Bewohner in dem Gebäude nicht anwesend sind. Einem bewohnten Gebäude werden der zu einem bewohnten Gebäude gehörige umschlossene Raum rnd die in einem solchen befindlichen Gebäude jrder Art, sowie Schiffe, welche bewohnt werden, gleich geachtet. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. 244. Wer im Jnlande als Dieb, Räuber oder gleich einem Räuber oder als Hehler bestraft worden ist, darauf abermals eine dieser Hand­ lungen begangen hat, und wegen derselben be­ straft worden ist, wird, wenn er einen einfachen Diebstahl (§ 242) begeht, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, wenn er einen schweren Diebstahl (§ 243) begeht, mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt beim einfachen Diebstahl Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten, beim schweren Diebstahl Gefängnißstrafe nicht unter Einem Jahre ein. 245. Die Bestimmungen des § 244 finden Anwendung, auch wenn die früheren Strafen nur theilweise erlassen sind, bleiben jedoch ausgeschlossen, wenn seit der Verbüßung oder dem Erlasse der letzten Strafe bis zur Begehung des neuen Dieb­ stahls zehn Jahre verflossen sind. 246. Wer eine fremde bewegliche Sache, die er in Besitz oder Gewahrsam hat, sich rechtswidrig zueignet, wird wegen Unterschlagung mit Gesänge niß bis zu drei Jahren und, wenn die Sache ihm anvertraut ist, mit Gefängniß bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden. Der Versuch ist strafbar. 247. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer einen Dieb­ stahl oder eine Unterschlagung gegen Angehörige, Vormünder oder Erzieher begeht, oder wer einer Person, zu der er im Lehrlingsverhältnisse steht, oder in deren häuslicher Gemeinschaft er als Ge­ sinde sich befindet, Sachen von unbedeutendem Werthe stiehlt oder unterschlägt, ist nur auf An­ trag zu verfolgen. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig.

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Ein Diebstahl oder eine Unterschlagung, welche von Verwandten aufsteigender Linie gegen Ver­ wandte absteigender Linie oder von einem Ehe­ gatten gegen den anderen begangen worden ist, bleibt straflos. Diese Bestimmungen finden auf Theilnehmer oder Begünstiger, welche nicht in einem der vor­ bezeichneten persönlichen Verhältnisse stehen, keine Anwendung. 248. Neben der wegen Diebstahls oder Unter­ schlagung erkannten Gefängnißstrafe kann auf Ver­ lust der bürgerlichen Ehrenrechte, und neben der wegen Diebstahls erkannten Zuchthausstrafe auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden.

Zwanzigster Abschnitt. Aaiiv und Erpressung.

249. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegen­ wärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem Anderen in der Absicht wegnimmt, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen, wird wegen Raubes mit Zuchthaus bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.

250. Auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn 1) der Räuber oder einer der Theilnehmer am Raube bei Begehung der That Waffen bei sich führt; 2) zu dem Raube Mehrere mitwirken, welche sich zur fortgesetzten Begehung von Raub und Diebstahl verbunden haben; 3) der Raub auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einer Eisenbahn, einem öffentlichen Platze, auf offener See oder einer Wasserstraße begangen wird; 4) der Raub zur Nachtzeit in einem bewohnten Gebäude (§ 243 Nr. 7) begangen wird, in welches sich der Thäter zur Begehung eines Raubes oder Diebstahls eingeschlichen oder sich gewaltsam Ein­ gang verschafft oder in welchem er sich in gleicher Absicht verborgen hatte, oder 5) der Räuber bereits einmal als Räuber oder gleich einem Räuber im Jnlande bestraft worden ist. Die im § 245 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Jahre ein. 251. Mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus wird der Räuber bestraft, wenn bei dem Raube ein Mensch

gemartert, oder durch die gegen ihn verübte Ge­ walt eine schwere Körperverletzung oder der Tod desselben verursacht worden ist. 252. Wer, bei einem Diebstahle auf frischer That betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitze des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen.

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G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 21. 22.

253. Wer, um sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvortheil zu verschaffen, einen Anderen durch Gewalt oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nöthigt, ist wegen Erpressung mit Gefängniß nicht unter Einem Monat zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar. 254. Wird die Erpressung durch Bedrohung mit Mord, mit Brandstiftung oder mit Verur­ sachung einer Ueberschwemmung begangen, so ist auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu erkennen. 255. Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder durch Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Thäter gleich einem Räuber zu bestrafen. 256. Neben der wegen Erpressung erkannten Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und neben der wegen Raubes oder Erpressung erkannten Zuchthausstrafe auf Zulässig­ keit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. Einundzwanzigster Abschnitt. Aegünstigung und Kehterei.

257. Wer nach Begehung -eines Verbrechens oder Vergehens dem Thäter oder Theilnehmer wissentlich Beistand leistet, um denselben der Be­ strafung zu entziehen oder um ihm die Vortheile des Verbrechens zu sichern, ist wegen Begünsti­ gung mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn er diesen Beistand seines Vortheils wegen leistet, mit Gefängniß zu bestrafen. Die Strafe darf jedoch, der Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein, als die auf die Handlung selbst angedrohte. Die Begünstigung ist straflos, wenn dieselbe dem Thäter oder Theilnehmer von einem Ange­ hörigen gewährt worden ist, um ihn der Bestra­ fung zu entziehen. Die Begünstigung ist als Beihülfe zu bestrafen, wenn sie vor Begehung der That zugesagt worden ist. Diese Bestimmung leidet auch auf Angehörige Anwendung. 258. Wer seines Vortheils wegen sich einer Begünstigung schuldig macht, wird als Hehler bestraft, wenn der Begünstigte 1) einen einfachen Diebstahl oder eine Unter­ schlagung begangen hat, mit Gefängniß, 2) einen schweren Diebstahl, einen Raub oder ein dem Raube gleich zu strafendes Verbrechen begangen hat, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. Diese Strafvorschriften finden auch dann An­ wendung, wenn der Hehler ein Angehöriger ist. 259. Wer seines Vortheils wegen Sachen, von denen er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß sie mittels einer strafbaren Handlung erlangt sind, verheimlicht, ankauft, zum Pfande nimmt oder sonst an sich bringt oder zu deren

Absätze bei Anderen mitwirkt, wird als Hehler mit Gefängniß bestraft. 260. Wer die Hehlerei gewerbs- oder gewohn­ heitsmäßig betreibt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. 261. Wer im Jnlande wegen Hehlerei einmal und wegen darauf begangener Hehlerei zum zwei­ ten Male bestraft worden ist, wird, wenn sich die abermals begangene Hehlerei auf einen schweren Diebstahl, einen Raub oder ein dem Raube gleich zu bestrafendes Verbrechen bezieht, mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Jahre ein. Bezieht sich die Hehlerei auf eine andere straf­ bare Handlung, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. Die in dem § 245 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. 262. Neben der wegen Hehlerei erkannten Ge­ fängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und neben jeder Verurtheilung wegen Hehlerei auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht er­ kannt werden.

Zweiundzwanzigster Abschnitt. Aetrug und Untreue.

263. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswi­ drigen Vermögensvortheil zu verschaffen, das Ver­ mögen eines Anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Thatsachen einen Irr­ thum erregt oder unterhält, wird wegen Betruges mit Gefängniß bestraft, neben welchem auf Geld­ strafe bis zu dreitausend Mark, sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf die Geldstrafe erkannt werden. Der Versuch ist strafbar. Wer einen Betrug gegen Angehörige, Vor­ münder oder Erzieher begeht, ist nur auf Antrag zu verfolgen. Die Zurücknahme des Antrages ist

zulässig. 264. Wer im Jnlande wegen Betruges ein­ mal und wegen darauf begangenen Betruges zum zweiten Male bestraft worden ist, wird wegen abermals begangenen Betruges mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis sechshundert Mark bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gesängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein, neben welcher zugleich auf Geldstrafe bis zu drei­ tausend Mark erkannt werden kann. Die im § 245 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. 265. Wer in betrügerischer Absicht eine gegen Feuersgefahr versicherte Sache in Brand setzt, oder

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. H Abschn. 23.

ein Schiff, welches als solches oder in seiner Ladung oder in seinem Frachtlohn versichert ist, sinken oder stranden macht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich mit Geldstrafe von einhundert­ fünfzig bis zu sechstausend Mark bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein, neben welcher auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann. 266. Wegen Untreue werden mit Gefängniß, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehren­ rechte erkannt werden kann, bestraft: 1) Vormünder, Kuratoren, Güterpfleger, Se­ quester, Massenverwalter, Vollstrecker letztwilliger Verfügungen und Verwalter von Stiftungen, wenn sie absichtlich zum Nachtheile der ihrer Aufsicht anvertrauten Personen oder Sachen handeln; 2) Bevollmächtigte, welche über Forderungen oder andere Vermögensstücke des Auftraggebers absichtlich zum Nachtheile desselben verfügen; 3) Feldmesser, Versteigerer, Mäkler, Güterbe­ stätiger, Schaffner, Wäger, Messer, Bracker, Schauer, Stauer und andere zur Betreibung ihres Gewerbes von der Obrigkeit verpflichtete Per­ sonen, wenn sie bei den ihnen übertragenen Ge­ schäften absichtlich diejenigen benachteiligen, deren Geschäfte sie besorgen. Wird die Untreue begangen, um sich oder einem Anderen einen Bermögensvortheil zu verschaffen, so kann neben der Gefängnißstrafe auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden.

Dreiundzwanzigster Abschnitt. Arkundeirfätfchung.

267. Wer in rechtswidriger Absicht eine in­ ländische oder ausländische öffentliche Urkunde oder eine solche Privaturkunde, welche zum Be­ weise von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit ist, verfälscht oder fälschlich anfertigt und von derselben zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht, wird wegen Urkundenfälschung mit Gefängniß bestraft. 268. Eine Urkundenfälschung, welche in der Absicht begangen wird, sich oder einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verschaffen oder einem Anderen Schaden zuzufügen, wird bestraft, wenn 1) die Urkunde eine Privaturkunde ist, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann; 2) die Urkunde eine öffentliche ist, mit Zucht­ haus bis zu zehn Jahren, neben welchem auf Geldstrafe von eiuhundertfünfzig bis zu sechs­

tausend Mark erkannt werden kann. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe ein, welche bei der Fälschung einer Privaturkunde nicht unter Einer Woche, bei der Fälschung einer öffentlichen Urkunde nicht unter drei Monaten betragen soll. Neben der Gefängnißstrafe kann zugleich auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden.

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269. Der fälschlichen Anfertigung einer Ur­ kunde wird es gleich geachtet, wenn Jemand einem mit der Unterschrift eines Anderen versehenen Papiere ohne dessen Willen oder dessen Anord­ nungen zuwider durch Ausfüllung einen urkund­ lichen Inhalt gibt. 270. Der Urkundenfälschung wird es gleich geachtet, wenn Jemand von einer falschen oder verfälschten Urkunde, wissend, daß sie falsch oder verfälscht ist, zum Zwecke einer Täuschung Ge­ brauch gemacht. 271. Wer vorsätzlich bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen oder Thatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geld­ strafe bis zu dreihundert Mark bestraft. 272. Wer die vorbezeichnete Handlung in der Absicht begeht, sich oder einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verschaffen oder einem An­ deren Schaden zuzufügen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft, neben welchem auf Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu sechstau­ send Mark erkannt werden kann. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gesängnißstrafe ein, neben welcher auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann. 273. Wer wissentlich von einer falschen Be­ urkundung der im § 271 bezeichneten Art zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht, wird nach Vorschrift jenes Paragraphen und, wenn die Absicht dahin gerichtet war, sich oder einem Anderen einen Bermögensvortheil zu verschaffen oder einem Anderen Schaden zuzufügen, nach

Vorschrift des § 272 bestraft. 274. Mit Gefängniß, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt wer­ den kann, wird bestraft, wer 1) eine Urkunde, welche ihm entweder über­ haupt nicht oder nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, einem Anderen Nachtheile zuzufügen, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt, oder 2) einen Grenzstein oder ein anderes zur Be­ zeichnung einer Grenze oder eines Wasserstandes bestimmtes Merkmal in der Absicht, einem Ande­ ren Nachtheil zuzufügen, wegnimmt, vernichtet, unkenntlich macht, verrückt oder fälschlich setzt. 275. (G. v. 26. Febr. 1876.) Mit Gefängniß nicht unter drei Monaten wird bestraft, wer 1) wissentlich von falschem oder gefälschtem Stempelpapier, von falschen oder gefälschten Stempelmarken, Stempelblanketten, Stempelab­ drücken, Post- oder Telegraphen-Freimarken oder gestempelten Briefkouverts Gebrauch macht; 2) unechtes Stempelpapier, unechte Stempel­ marken, Stempelblankette oder Stempelabdrücke

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G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 24. 25.

für Spielkarten, Pässe oder sonstige Drucksachen oder Schriftstücke, ingleichen wer unechte Post­ oder Telegraphen-Freimarken oder gestempelte Briefkouverts in der Absicht anfertigt, sie als echt zu verwenden, oder 3) echtes Stempelpapier, echte Stempelmarken, Stempelblankette, Stempelabdrücke, Post- oder Telegraphen-Freimarken oder gestempelte Brief­ kouverts in der Abstcht verfälscht, sie zu einem höheren Werthe zu verwenden. 276. Wer wissentlich schon einmal zu stempel­ pflichtigen Urkunden, Schriftstücken oder Formu­ laren verwendetes Stempelpapier oder schon einmal verwendete Stempelmarken oder Stempel­ blankette, ingleichen Stempelabdrücke, welche zum Zeichen stattgehabter Versteuerung gedient haben, zu stempelpflichtigen Schriftstücken verwendet, wird außer der Strafe, welche durch die Ent­ ziehung der Stempelsteuer begründet ist, mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark bestraft. 22 277. Wer unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbirte Medizinalperson oder unberechtigt unter dem Namen solcher Personen ein Zeugniß über seinen oder eines Anderen Gesundheitszustand ausstellt oder ein derartiges echtes Zeugniß verfälscht, und davon zur Täuschung von Behörden oder Ver­ sicherungsgesellschaften Gebrauch macht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. 23 278. Aerzte und andere approbirte Medizinal­ personen, welche ein unrichtiges Zeugniß über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauche bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseres Wissen ausstellen, werden mit Gefäng­ niß von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft. 279. Wer, um eine Behörde oder eine Ver­ sicherungsgesellschaft über seinen oder eines An­ deren Gesundheitszustand zu täuschen, von einem Zeugnisse der in den §§ 277 und 278 bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft.

280. Neben einer nach Vorschrift der §§ 267, 274, 275, 277 bis 279 erkannten Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

Vierundzwanzigster Abschnitt. Na»Lerutt.24

Fünfundzwanzigster Abschnitt. Straföarer Eigennutz und Verletzung fremder Geheimnisse.

284. Wer aus dem Glücksspiele ein Gewerbe macht, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren 22. Wegen der Benutzung entwertheter Postwerthzeichen und Telegraphenfreimarken vgl. 8 27 Nr. 3 Postgesetz v. 28. Okt. 1871 u. 8 2 G. üb. Telegr.-Freimarken vom 16. Mai 1869. 23. Vgl. G. betr. Einführung des 8 29 der Gew.-O. vom 15. Juli 1872. 24. Die 88 281-283 sind durch 8 3 E.-G. z. K.-O. aufge­ hoben und durch 88 209 ff. K.-O. ersetzt; 8 287 durch 8 14 G. über den Markenschutz v. 30. Nov. 1874.

bestraft, neben welchem auf Geldstrafe von drei­ hundert- bis zu sechstausend Mark, sowie aus Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt wer­ den kann. Ist der Verurtheilte ein Ausländer, so ist die Landespolizeibehörde befugt, denselben aus dem Bundesgebiete zu verweisen. 285. Der Inhaber eines öffentlichen Ver­ sammlungsorts, welcher Glücksspiele daselbst ge­ stattet oder zur Verheimlichung solcher Spiele mitwirkt, wird mit Geldstrafe bis zu eintausend­ fünfhundert Mark bestraft. 286. Wer ohne obrigkeitliche Erlaubniß öffent­ liche Lotterien veranstaltet, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft. Den Lotterien sind öffentlich veranstaltete Aus­ spielungen beweglicher oder unbeweglicher Sachen gleich zu achten. 25 288. Wer bei einer ihm drohenden Zwangs­ vollstreckung in der Absicht, die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln, Bestandtheile seines Vermögens veräußert oder bei Seite schafft, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Gläubigers ein. 289. Wer seine eigene bewegliche Sache, oder eine fremde bewegliche Sache zu Gunsten des Eigenthümers derselben, dem Nutznießer, Pfand­ gläubiger oder demjenigen, welchem an der Sache ein Gebrauchs- oder Zurückbehaltungsrecht zusteht, in rechtswidriger Absicht wegnimmt, wird mit Gefängniß zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark bestraft. Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Der Versuch ist strafbar. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Bestimmungen des § 247 Absatz 2 und 3 finden auch hier Anwendung. 290. Oeffentliche Pfandleiher, welche die von ihnen in Pfand genommenen Gegenstände unbe­ fugt in Gebrauch nehmen, werden mit Gefängniß bis zu Einem Jahre, neben welchem auf Geld­ strafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden kann, bestraft. 291. Wer die bei den Uebungen der Artillerie verschossene Munition, oder wer Bleikugeln aus den Kugelfängen der Schießstände der Truppen sich widerrechtlich zueignet, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark bestraft. 292. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer an Orten, an denen zu jagen er nicht berechtigt ist, die Jagd ausübt, wird mit Geldstrafe bis zu drei­ hundert Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft.

25. Vgl. G. über Lotterien v. 21. Mai 1836, das hin­ sichtlich der Bestrafung von Agenten für auswärtige Lotte­ rien noch in Kraft ist.

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 25.

39

Ist der Thäter ein Angehöriger des Jagdbe­ 299. Wer einen verschlossenen Brief oder rechtigten, so tritt die Verfolgung nur auf Antrag eine andere verschlossene Urkunde, die nicht zu ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig.26 27 28seiner Kenntnißnahme bestimmt ist, vorsätzlich und 293. Die Strafe kann auf Geldstrafe bis zu unbefugter Weise eröffnet, wird mit Geldstrafe bis sechshundert Mark oder auf Gefängniß bis zu zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten erhöht werden, wenn dem Wilde drei Monaten bestraft. nicht mit Schießgewehr oder Hunden, sondern mit Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Schlingen, Netzen, Fallen oder anderen Vorrich­ 300. Rechtsanwälte, Advokaten, Notare, Ver­ tungen nachgestellt, oder wenn das Vergehen theidiger in Strafsachen, Aerzte, Wundärzte, während der gesetzlichen Schonzeit, in Wäldern, Hebammen, Apotheker, sowie die Gehülfen dieser zur Nachtzeit oder gemeinschaftlich von Mehreren Personen werden, wenn sie unbefugt Privatgebegangen wird. heimnisse offenbaren, die ihnen kraft ihres Amtes, 294. Wer unberechtigtes Jagen gewerbsmäßig Standes oder Gewerbes anvertraut sind, mit betreibt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark Monaten bestraft; auch kann auf Verlust der oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft. bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. von Polizei-Aufsicht erkannt werden. 301. Wer in gewinnsüchtiger Absicht und 295. Neben der durch das Jagdvergehen ver­ unter Benutzung des Leichtsinns oder der Uner­ wirkten Strafe ist auf Einziehung des Gewehrs, fahrenheit eines Minderjährigen sich von demsel­ des Jagdgeräths und der Hunde, welche der ben Schuldscheine, Wechsel, Empfangsbekenntniffe, Thäter bei dem unberechtigten Jagen bei sich ge­ Bürgschaftsinstrumente oder eine andere, eine führt hat, ingleichen der Schlingen, Netze, Fallen Verpflichtung enthaltende Urkunde ausstellen oder und anderen Vorrichtungen zu erkennen, ohne Un­ auch nur mündlich ein Zahlungsversprechen er­ terschied, ob sie dem Verurtheilten gehören oder nicht. theilen läßt, wird mit Gefängniß bis zu sechs 296. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer zur Nacht­ Monaten oder mit Geldstrafe bis zu eintausend­ zeit, bei Fackellicht oder unter Anwendung schäd­ fünfhundert Mark bestraft. licher oder explodirender Stoffe unberechtigt fischt Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 302. Wer in gewinnsüchtiger Absicht und oder krebst, wird mit Geldstrafe bis zu sechshun­ unter Benutzung des Leichtsinns oder der Uner­ dert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Mo­ naten bestraft. 27 fahrenheit eines Minderjährigen sich von dem­ selben unter Verpfändung der Ehre, auf Ehren­ 296 a. (G. v. 26. Febr. 1876.) Ausländer, welche in Deutschen Küstengewässern unbefugt fischen, wort, eidlich oder unter ähnlichen Versicherungen werden mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Betheuerungen die Zahlung einer Geldsumme oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. oder die Erfüllung einer anderen, auf Gewährung Neben der Geld- oder Gefängnißstrafe ist auf geldwerther Sachen gerichteten Verpflichtung aus einem Rechtsgeschäfte versprechen läßt, wird mit Einziehung der Fanggeräthe, welche der Thäter bei dem unbefugten Fischen bei sich geführt hat, Gefängniß bis zu einem Jahre oder mit Geld­ ingleichen der in dem Fahrzeuge enthaltenen strafe bis zu dreitausend Mark bestraft. Neben der Gefängnißstrafe kann aus Verlust Fische zu erkennen, ohne Unterschied, ob die Fanggeräthe und Fische dem Verurtheilten gehören der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher sich oder nicht. eine Forderung, von der er weiß, daß deren Be­ 297. Ein Reisender oder Schiffsmann, welcher ohne Vorwissen des Schiffers, ingleichen ein richtigung ein Minderjähriger in der vorbezeich­ Schiffer, welcher ohne Borwissen des Rheders neten Weise versprochen hat, abtreten läßt. Gegenstände an Bord nimmt, welche das Schiff Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 302 a. (G. v. 24. Mai 1880.) Wer unter Aus­ oder die Ladung gefährden, indem sie die Beschlag­ beutung der Nothlage, des Leichtsinns oder der nahme oder Einziehung des Schiffes oder der La­ Unerfahrenheit eines Anderen für ein Darlehen dung veranlassen können, wird mit Geldstrafe bis zu eintausendsünfhundert Mark oder mit Gefäng­ oder im Falle der Stundung einer Geldforderung niß bis zu zwei Jahren bestraft. sich oder einem Dritten Vermögensvortheile ver­ 298. Ein Schiffsmann, welcher mit der Heuer sprechen oder gewähren läßt, welche den üblichen Zinsfuß 28 dergestalt überschreiten, daß nach den entläuft, oder sich verborgen hält, um sich dem Umständen des Falles die Bermögensvortheile in übernommenen Dienste zu entziehen, wird, ohne auffälligem Mißverhältnisse zu der Leistung stehen, Unterschied, ob das Vergehen im Jnlande oder wird wegen Wuchers mit Gefängniß bis zu sechs im Auslande begangen worden ist, mit Gefängniß Monaten und zugleich mit Geldstrafe bis zu dreibis zu einem Jahre bestraft. 26. Vgl.

§

368 Nr.

10, 11 und

Jagdpolizeigesetz vom

3. Mai 1844. 27. Bgl. § 370 Nr. 4 u. die Gesetze über Flußfischerei v. 15. April 1829 u. 31. Mai 1865.

28.

Die

gesetzlichen

Bestimmungen

über die

zulässige

Höhe vertragsmäßiger Zinsen und die Höhe der gesetzlichen Zinsen sind in Artt. 1 u. 2 G. v. 3. Sept. 1807 u. § 27 E.-G. z. H.-G.-B. enthalten.

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 26. 27.

40

tausend Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 302b. (G. v. 24. Mai 1880.) Wer sich oder einem Dritten die wucherlichen Bermögensvortheile (§ 302a) verschleiert oder wechselmäßig oder un­ ter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter ähnlichen Versicherungen oder Be­ theuerungen versprechen läßt, wird mit Gefäng­ niß bis zu Einem Jahre und zugleich mit Geld­ strafe bis zu sechstausend Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 302 c. (G. v. 24. Mai 1880.) Dieselben Strafen (§ 302a, § 302b) treffen denjenigen, welcher mit Kenntniß des Sachverhalts eine Forderung der vorbezeichneten Art erwirbt und entweder dieselbe weiter veräußert oder die wucherlichen Vermögens­ vortheile geltend macht. 302 d. (G. v. 24. Mai 1880.) Wer den Wucher gewerbs- oder gewohnheitsmäßig betreibt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten und zugleich mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu fünfzehntausend Mark bestraft. Auch ist auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte zu er­ kennen. 28 a Sechsundzwanzigster Abschnitt.

Sachbeschädigung. 303. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer vorsätzlich und rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Ist das Vergehen gegen einen Angehörigen verübt, so ist die Zurücknahme des Antrages zu­ lässig. 29 304. Wer vorsätzlich und rechtswidrig Gegen­ stände der Verehrung einer int Staate bestehen­ den Religionsgesellschaft, oder Sachen, die dem Gottesdienste gewidmet sind, oder Grabmäler, öffentliche Denkmäler, Gegenstände der Kunst, der Wissenschaft oder des Gewerbes, welche in öffent­ lichen Sammlungen aufbewahrt werden oder öffent­ lich ausgestellt sind, oder Gegenstände, welche zum öffentlichen Nutzen, oder zur Verschönerung öffent­ licher Wege, Plätze oder Anlagen dienen, beschä­ digt oder zerstört, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu eintausend­ fünfhundert Mark bestraft.

28 a. Damit sind die Strafvorschriften der Artt. 2, 3, 4, 6 G. v. 19. Dez. 1850 beseitigt.

29. Sammeldelikt, neben welchem nur noch besonders geartete Fälle fahrlässiger Beschädigung in Spezialgesetzen (z. B. Art. 9 G. üb. Fuhrwesen v. 30. Mai 1851) und aus­ drücklich durch Art. II E.-G. in Kraft erhaltene Fälle vor­ sätzlicher Beschädigung, z. B. Weidefrevel (Sem. zu Art. 479 Nr. 10 fr. St.-G.-B.), in Geltung geblieben sind. Bgl. Bem. zu Artt. 443 ff. fr. St.-G.-B.

Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Der Versuch ist strafbar. 305. Wer vorsätzlich und rechtswidrig ein Gebäude, ein Schiff, eine Brücke, einen Damm, eine gebaute Straße, eine Eisenbahn oder ein an­ deres Bauwerk, welche fremdes Eigenthum sind, ganz oder theilweise zerstört, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Monat bestraft. Der Versuch ist strafbar.

Siebenundzwanzigster Abschnitt.

Hemeingefahrttche Verbrechen und Vergehen. 306. Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus bestraft, wer vorsätzlich in Brand setzt: 1) ein zu gottesdienstlichen Versammlungen be­ stimmtes Gebäude; 2) ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zur Wohnung von Menschen dienen, oder 3) eine Räumlichkeit, welche zeitweise zum Auf­ enthalt von Menschen dient, und zwar zu einer Zeit, während welcher Menschen in derselben sich aufzuhalten pflegen. 307. Die Brandstiftung (§ 306) wird mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft, wenn 1) der Brand den Tod eines Menschen dadurch verursacht hat, daß dieser zur Zeit der That in einer der in Brandgesetzten Räumlichkeiten sich befand, 2) die Brandstiftung in der Absicht begangen worden ist, um unter Begünstigung derselben Mord oder Raub zu begehen oder einen Auftuhr zu erregen, oder 3) der Brandstifter, um das Löschen des Feuers zu verhindern oder zu erschweren, Löschgeräthschaften entfernt oder unbrauchbar gemacht hat. 308. Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft, wer vorsätzlich Ge­ bäude, Schiffe, Hütten, Bergwerke, Magazine. Waarenvorräthe, welche auf dazu bestimmten Plätzen lagern, Vorräthe von landwirthschaftlichen Erzeugnissen oder von Bau- oder Brennmaterialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen oder Torf­ moore in Brand setzt, wenn diese Gegenstände etweder fremdes Eigenthum sind, oder zwar dem Brandstifter eigenthümlich gehören, jedoch ihrer Beschaffenheit und Lage nach geeignet sind, das Feuer einer der im § 306 Nr. 1 bis 3 bezeich­ neten Räumlichkeiten oder einem der vorstehend bezeichneten fremden Gegenstände mitzutheilen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. 309. Wer durch Fahrlässigkeit einen Brand der in den §§ 306 und 308 bezeichneten Art her­ beiführt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark und, wenn durch den Brand der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Gefängniß

von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft.

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 27. 310. Hat der Thäler den Brand, bevor der­ selbe entdeckt und ein weiterer als der durch die bloße Inbrandsetzung bewirkte Schaden entstanden war, wieder gelöscht, so tritt Straflosigkeit ein. 311. Die gänzliche oder theilweise Zerstörung einer Sache durch Gebrauch von Pulver oder anderen explodirenden Stoffen ist der Inbrand­ setzung der Sache gleich zu achten. 312. Wer mit gemeiner Gefahr für Menschen­ leben vorsätzlich eine Ueberschwemmung herbei­ führt, wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren und, wenn durch die Ueberschwemmung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Zucht­ haus nicht unter zehn Jahren oder mit lebens­ länglichem Zuchthaus bestraft. 313. Wer mit gemeiner Gefahr für das Eigen­ thum vorsätzlich eine Ueberschwemmung herbei­ führt, wird mit Zuchthaus bestraft. Ist jedoch die Absicht des Thäters nur auf Schutz seines Eigenthums gerichtet gewesen, so ist auf Gefängniß nicht unter einem Jahre zu erkennen. 314. Wer eine Ueberschwemmung mit gemeiner Gefahr für Leben oder Eigenthum durch Fahrlässig­ keit herbeiführt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn durch die Ueberschwemmung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Ge­ fängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. 315. Wer vorsätzlich Eisenbahnanlagen, Be­ förderungsmittel oder sonstiges Zubehör derselben dergestalt beschädigt, oder auf der Fahrbahn durch falsche Zeichen oder Signale oder auf andere Weise solche Hindernisse bereitet, daß dadurch der Transport in Gefahr gesetzt wird, wird mit Zucht­ haus bis zu zehn Jahren bestraft. Ist durch die Handlung eine schwere Körper­ verletzung verursacht worden, so tritt Zuchthaus­ strafe nicht unter fünf Jahren und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zucht­ hausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebens­ längliche Zuchthausstrafe ein. 316. Wer fahrlässigerweise durch eine der vorbezeichneten Handlungen den Transport auf einer Eisenbahn in Gefahr setzt, wird mit Ge­ fängniß bis zu Einem Jahre und, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. Gleiche Strafe trifft die zur Leitung der Eisen­ bahnfahrten und zur Aufsicht über die Bahn und den Beförderungsbetrieb angestellten Personen, wenn sie durch Vernachlässigung der ihnen oblie­ genden Pflichten einen Transport in Gefahr setzen. 317. Wer gegen eine zu öffentlichen Zwecken dienende Telegraphenanstalt vorsätzlich Handlungen begeht, welche die Benutzung dieser Anstalt ver­ hindern oder stören, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. 318. Wer gegen eine zu öffentlichen Zwecken dienende Telegraphenanstalt fahrlässiger Weise Handlungen begeht, welche die Benutzung dieser

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Anstalt verhindern oder stören, wird mit Gefäng­ niß bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark bestraft. Gleiche Strafe trifft die zur Beaufsichtigung und Bedienung der Telegraphenanstalten und ihrer Zubehörungen angestellten Personen, wenn sie durch Vernachlässigung der ihnen obliegenden Pflichten die Benutzung der Anstalt verhindern oder stören. 319. lG. v. 26. Febr. 1876.) Wird einer der in den §§ 316 und 318 erwähnten Angestellten wegen einer der in den §§ 315 bis 318 bezeich­ neten Handlungen verurtheilt, so kann derselbe zugleich für unfähig zu einer Beschäftigung im Eisenbahn- oder Telegraphendienste oder in be­ stimmten Zweigen dieser Dienste erklärt werden. 320. Die Vorsteher einer Eisenbahngesellschaft, sowie die Vorsteher einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanstalt, welche nicht sofort nach Mittheilung des rechtskräftigen Erkenntnisses die Entfernung des Verurtheilten bewirken, wer­ den mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten beftraft. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher für unfähig zum Eisenbahn- oder Telegraphendienste erklärt worden ist, wenn er sich nachher bei einer Eisenbahn oder Telegraphenanstalt wieder ansiellen läßt, sowie diejenigen, welche ihn wieder ange­ stellt haben, obgleich ihnen die erfolgte Unfähig­ keitserklärung bekannt war. 321. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer vorsätzlich Wasserleitungen, Schleusen, Wehre, Deiche, Dämme oder andere Wasserbauten, oder Brücken, Fähren, Wege oder Schutzwehre, oder dem Bergwerksbe­ triebe dienende Vorrichtungen zur Wasserhaltung, zur Wetterführung oder zum Ein- und Ausfahren der Arbeiter zerstört oder beschädigt, in schiffbaren Strömen, Flüssen oder Kanälen das Fahrwasser stört und durch eine dieser Handlungen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit Anderer her­ beiführt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. Ist durch eine dieser Handlungen eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so tritt Zucht­ hausstrafe bis zu fünf Jahren und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zucht­ hausstrafe nicht unter fünf Jahren ein. 322. Wer vorsätzlich ein zur Sicherung der Schifffahrt bestimmtes Feuerzeichen oder ein anderes zu diesem Zwecke aufgestelltes Zeichen zer­ stört, wegschafft oder unbrauchbar macht, oder ein solches Feuerzeichen auslöscht oder seiner Dienst­ pflicht zuwider nicht aufstellt, oder ein falsches Zeichen, welches geeignet ist, die Schifffahrt un­ sicher zu machen, aufstellt, insbesondere zur Nacht­ zeit auf der Strandhöhe Feuer anzündet, welches die Schifffahrt zu gefährden geeignet ist, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Ist durch die Handlung die Strandung eines Schiffes verursacht worden, so tritt Zuchthaus­ strafe nicht unter fünf Jahren und, wenn der

42

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 28.

Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zucht­ hausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebens­ längliche Zuchthausstrafe ein. 323. Wer vorsätzlich die Strandung oder das Sinken eines Schiffes bewirkt und dadurch Gefahr für das Leben eines Anderen herbeiführt, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. 324. Wer vorsätzlich Brunnen- oder Wasser­ behälter, welche zum Gebrauche Anderer dienen, oder Gegenstände, welche zum öffentlichen Ver­ kaufe oder Verbrauche bestimmt sind, vergiftet oder denselben Stoffe beimischt, von denen ihm bekannt ist, daß sie die menschliche Gesundheit zu zerstören geeignet sind, ingleichen wer solche ver­ giftete oder mit gefährlichen Stoffen vermischte Sachen wissentlich und mit Verschweigung dieser Eigenschaft verkauft, seilhält oder sonst in Ver­ kehr bringt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Zucht­ haus nicht unter zehn Jahren oder mit lebens­ länglichem Zuchthaus bestraft. 325. Neben der nach den Vorschriften der §§ 306 bis 308, 311 bis 313, 315, 321 bis 324 erkannten Zuchthausstrafe kann auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. 326. Ist eine der in den §§ 321 bis 324 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit be­ gangen worden, so ist, wenn durch die Handlung ein Schaden verursacht worden ist, auf Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, auf Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren zu erkennen. 327. Wer die Absperrungs- oder Aufsichts-Maß­ regeln oder Einfuhrverbote, welche von der zustän­ digen Behörde zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens einer ansteckenden Krankheit an­ geordnet worden sind, wissentlich verletzt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Ist in Folge dieser Verletzung ein Mensch von der ansteckenden Krankheit ergriffen worden, so tritt Gefängnißstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren ein. 328. Wer die Absperrungs- oder Aufsichts­ Maßregeln oder Einfuhrverbote, welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Ein­ führens oder Verbreitens von Viehseuchen ange­ ordnet worden sind, wissentlich verletzt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. Ist in Folge dieser Verletzung Vieh von der Seuche ergriffen worden, so tritt Gefängnißstrafe von Einem Monat bis zu zwei Jahren ein. 30

329. Wer die mit einer Behörde geschlossenen Lieferungsverträge über Bedürfnisse des Heeres oder der Marine zur Zeit eines Krieges, oder über Lebensmittel zur Anwendung oder Beseiti­ gung eines Nothstandes vorsätzlich entweder nicht zur bestimmten Zeit oder nicht in der vorbedun­ genen Weise erfüllt, wird mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Liegt der Nichterfüllung des Vertrages Fahr­ lässigkeit zum Grunde, so ist, wenn durch die Handlung ein Schaden verursacht worden ist, auf Gefängniß bis zu zwei Jahren zu erkennen. Dieselben Strafen finden auch gegen die Unter­ lieferanten, Vermittler und Bevollmächtigten des Lieferanten Anwendung, welche mit Kenntniß des Zweckes der Lieferung die Nichterfüllung derselben vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit ver­ ursachen.

330. Wer bei der Leitung oder Ausführung eines Baues wider die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst dergestalt handelt, daß hieraus für Andere Gefahr entsteht, wird mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft.

Achtundzwanzigster Abschnitt. Verbrechen und Vergehen im Amte.31

331. Ein Beamter, welcher für eine in sein Amt einschlagende, an sich nicht pflichtwidrige Handlung Geschenke oder andere Vortheile an­ nimmt, fordert oder sich versprechen läßt, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.

332. Ein Beamter, welcher für eine Handlung, die eine Verletzung einer Amts- oder Dienst­ pflicht enthält, Geschenke oder andere Vortheile annimmt, fordert oder sich versprechen läßt, wird wegen Bestechung mit Zuchthaus bis zu fünf

Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt

Gefängnißstrafe ein. 333. Wer einem Beamten oder einem Mitgliede der bewaffneten Macht Geschenke oder an­ dere Vortheile anbietet, verspricht oder gewährt, um ihn zu einer Handlung, die eine Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht enthält, zu be­ stimmen, wird wegen Bestechung mit Gefängniß bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis zu eintausendsünshundert Mark erkannt werden.

30. Art. 459 fr. St.-G.'B. ist durch § 328 nicht berührt. Wegen der Zuständigkeit vgl. Art. 3 Nr. 5 Tit. II G. v. 16-24. Aug. 1790, außerdem Beschl. des vollz. Direktoriums v. 27 Mess. V, G. üb. die Rinderpest v. 7. April 1869 u. G. betr. Bieheinfuhr-Berbote zur Abwehr der Rinderpest v. 21. Mai 1878.

334. Ein Richter, Schiedsrichter, Geschworener oder Schöffe, welcher Geschenke oder andere Bor-

31. Vgl. Artt. 123 ff., 175 ff. fr. St.-G.-B.

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. Et. Abschn. 28.

theile fordert, annimmt oder sich versprechen läßt, um eine Rechtssache, deren Leitung oder Entscheidung ihm obliegt, zu Gunsten oder zum Nachtheile eines Betheiligten zu leiten oder zu entscheiden, wird mit Zuchthaus bestraft. Derjenige welcher einem Richter, Schiedsrichter, Geschworenen oder Schöffen zu dem vorbezeichneten Zwecke Geschenke oder andere Vortheile anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Zuchthaus bestraft.

335. In den Fällen der §§ 331 bis 334 ist im Urtheile das Empfangene oder der Werth des­ selben für dem Staate verfallen zu erklären. 336. Ein Beamter oder Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache vorsätzlich zu Gunsten oder zum Nach­ theile einer Partei einer Beugung des Rechtes schuldig macht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf

Jahren bestraft. 338.32 Ein Religionsdiener oder Personen­ standsbeamter, welcher, wissend, daß eine Person verheirathet ist, eine neue Ehe derselben schließt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. 339. Ein Beamter, welcher durch Mißbrauch feinet Amtsgewalt oder durch Androhung eines bestimmten Mißbrauchs derselben Jemand zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung wider­ rechtlich nöthigt, wird mit Gefängniß bestraft. Der Versuch ist strafbar. In den Fällen der §§ 106, 107, 167 und 253 tritt die daselbst angedrohte Strafe ein, wenn die Handlung von einem Beamten, wenn auch ohne Gewalt und Drohung, aber durch Mißbrauch seiner Amtsgewalt oder Androhung eines be­ stimmten Mißbrauchs derselben begangen ist.

340. Ein Beamter, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Amtes vor­ sätzlich eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Mo­ naten bestraft. Sind mildernde Umstände vor­ handen, so kann die Strafe bis auf Einen Tag Gefängniß ermäßigt oder auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden. Ist die Körperverletzung eine schwere, so ist auf Zuchthaus nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. 341. Ein Beamter, welcher vorsätzlich, ohne hierzu berechtigt zu sein, eine Verhaftung oder vorläufige Ergreifung und Festnahme oder Zwangs­ stellung vornimmt oder vornehmen läßt, oder die Dauer einer Freiheitsentziehung verlängert, wird nach Vorschrift des § 239, jedoch mindestens mit Gefängniß drei Monaten bestraft.33 34 342. Ein Beamter, der in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Amtes einen

32. § 337 ist ersetzt durch § 67 G. üb. Beurkundung des Personenstandes v. 6. Febr. 1875. 33. Vgl. Art. 117 fr. St.-G.-B.

Hausfriedensbruch

(§ 123)

43

begeht,

wird mit

Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geld­ strafe bis zu neunhundert Mark bestraft. 343. Ein Beamter, welcher in einer Unter­ suchung Zwangsmittel anwendet oder anwenden läßt, um Geständnisse oder Aussagen zu erpressen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. 344. Ein Beamter, welcher vorsätzlich zum Nachtheile einer Person, deren Unschuld ihm be­ kannt ist, die Eröffnung oder Fortsetzung einer Untersuchung beantragt oder beschließt, wird mit Zuchthaus bestraft. 345. Gleiche Strafe trifft den Beamten, welcher vorsätzlich eine Strafe vollstrecken läßt, von der er weiß, daß sie überhaupt nicht oder nicht der Art oder dem Maße nach vollstreckt werden darf. Ist die Handlung aus Fahrlässigkeit begangen, so tritt Gefängnißstrafe oder Festungshaft bis zu Einem Jahre oder Geldstrafe bis zu neunhundert Mark ein. 346. Ein Beamter, welcher vermöge seines Am­ tes bei Ausübung der Strafgewalt oder bei Voll­ streckung der Strafe mitzuwirken hat, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft, wenn er in der Absicht, Jemand der gesetzlichen Strafe rechtswidrig zu entziehen, die Verfolgung einer strafbaren Handlung unterläßt, oder eine Hand­ lung begeht, welche geeignet ist, eine Freisprechung oder eine dem Gesetze nicht entsprechende Bestra­ fung zu bewirken, oder die Vollstreckung der ausgesprochenen Strafe nicht betreibt, oder eine gelindere als die erkannte Strafe zur Vollstreckung

bringt. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Monat ein. 347. Ein Beamter, welcher einen Gefangenen, dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung ihm anvertraut ist, vorsätzlich entweichen läßt oder dessen Befreiung vorsätzlich bewirkt oder befördert, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Ge­ fängnißstrafe nicht unter Einem Monat ein. Ist die Entweichung durch Fahrlässigkeit beför­ dert oder erleichtert worden, so tritt Gefängniß­ strafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu sechshundert Mark ein. 348. Ein Beamter, welcher, zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt, innerhalb seiner Zu­ ständigkeit vorsätzlich eine rechtlich erhebliche That­ sache falsch beurkundet oder in öffentliche Register oder Bücher falsch einträgt, wird mit Gefängniß

nicht unter Einem Monat bestraft. Dieselbe Strafe trifft einen Beamten, welcher eine ihm amtlich anvertraute oder zugängliche Urkunde vorsätzlich vernichtet, bei Seite schafft,

beschädigt oder verfälscht. 349. Wird eine der im § 348 bezeichneten Handlungen in der Absicht begangen, sich oder 34. Bgl. Art. 76 Berfassung 102 ff. St.-P.-O.

v.

22. Frim. VIII u. 88

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G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 28.

einem Anderen einen Bermögensvortheil zu ver­ schaffen oder einem Anderen Schaden zuzufügen, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich auf Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu dreitausend Mark zu erkennen. 350. Ein Beamter, welcher Gelder oder andere Sachen, die er in amtlicher Eigenschaft empfangen oder in Gewahrsam hat, unterschlägt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Der Versuch ist strafbar. 351. Hat der Beamte in Beziehung auf die Unterschlagung die zur Eintragung oder Kontrole der Einnahmen oder Ausgaben bestimmten Rech­ nungen, Register oder Bücher unrichtig geführt, verfälscht oder unterdrückt, oder unrichtige Ab­ schlüsse oder Auszüge aus diesen Rechnungen, Registern oder 'Büchern, oder unrichtige Beläge zu denselben vorgelegt, oder ist in Beziehung auf die Unterschlagung auf Fässern, Beuteln oder Packeten der Geldinhalt fälschlich bezeichnet, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. 352. Ein Beamter, Advokat, Anwalt oder sonstiger Rechtsbeistand, welcher Gebühren oder andere Vergütungen für amtliche Verrichtungen zu seinem Vortheile zu erheben hat, wird, wenn er Gebühren oder Vergütungen erhebt, von denen er weiß, daß der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrage verschuldet, mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. Der Versuch ist strafbar. 353. Ein Beamter, welcher Steuern, Gebühren oder andere Abgaben für eine öffentliche Kasse zu erheben hat, wird, wenn er Abgaben, von denen er weiß, daß der Zahlende sie überhaupt uicht oder nur in geringerem Betrage verschuldet, er­ hebt, und das rechtswidrig Erhobene ganz oder zum Theil nicht zur Kasse bringt, mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. Gleiche Strafe trifft den Beamten, welcher bei amtlichen Ausgaben an Geld oder Naturalien dem Empfänger vorsätzlich und rechtswidrig Ab­ züge macht und die Ausgaben als vollständig geleistet in Rechnung stellt. 353 a. (G. v. 26. Febr. 1876.) Ein Beamter im Dienste des Auswärtigen Amtes des Deutschen Reichs, welcher die Amtsverschwiegenheit dadurch verletzt, daß er ihm amtlich anvertraute oder zu­ gängliche Schriftstücke oder eine ihm von seinem Vorgesetzten ertheilte Anweisung oder deren Inhalt Anderen widerrechtlich mittheilt, wird, sofern nicht nach anderen Bestimmungen eine schwerere Strafe verwirkt ist, mit Gefängniß oder mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark bestraft. Gleiche Strafe trifft einen mit einer auswärti­ gen Mission betrauten oder bei einer solchen be­ schäftigten Beamten, welcher den ihm durch seinen

Vorgesetzten amtlich ertheilten Anweisungen vorsätzlich zuwiderhandelt, oder welcher in der Absicht, seinen Vorgesetzten in dessen amtlichen Handlungen irre zu leiten, demselben erdichtete oder entstellte Thatsachen berichtet. 354. Ein Postbeamter, welcher die der Post anvertrauten Briefe oder Packete in anderen, als den im Gesetze vorgesehenen Fällen eröffnet oder unterdrückt, oder einem Anderen wissentlich eine solche Handlung gestattet, oder ihm dabei wissent­ lich Hülfe leistet, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. 35 36 355. Telegraphenbeamte oder andere mit der Beaufsichtigung und Bedienung einer zu öffent­ lichen Zwecken dienenden Telegraphenanstalt be­ traute Personen, welche die einer Telegraphen­ anstalt anvertrauten Depeschen verfälschen oder in anderen, als in den im Gesetze vorgesehenen Fällen eröffnen oder unterdrücken, oder von ihrem Inhalte Dritte rechtswidrig benachrichtigen, oder einem Anderen wissentlich eine solche Handlung gestatten oder ihm dabei wissentlich Hilfe leisten, werden mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft.^ 356. Ein Advokat, Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm vermöge seiner amtlichen Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rath oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. Handelt derselbe im Einverständnisse mit der Gegenpartei zum Nachtheile seiner Partei, so tritt Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren ein. 357. Ein Amtsvorgesetzter, welcher seine Un­ tergebenen zu einer strafbaren Handlung im Amte vorsätzlich verleitet oder zu verleiten unternimmt, oder eine solche strafbare Handlung seiner Unter­ gebenen wissentlich geschehen läßt, hat die auf diese strafbare Handlung angedrohte Strafe verwirkt. Dieselbe Bestimmung findet auf einen Beamten Anwendung, welchem eine Aufsicht oder Kontrole über die Amtsgeschäfte eines anderen Beamten übertragen ist, sofern die von diesem letzteren Beamten begangene strafbare Handlung die zur Aufsicht oder Kontrole gehörenden Geschäfte betrifft. 358. Neben der nach Vorschrift der §§ 331, 339 bis 341, 352 bis 355 und 357 erkannten Gefängnißstrafe kann auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. 359. Unter Beamten im Sinne dieses Straf­ gesetzes sind zu verstehen alle im Dienste des Reichs oder in unmittelbarem oder mittelbarem Dienste eines Bundesstaats auf Lebenszeit, auf Zeit oder nur vorläufig angesteltte Personen, ohne Unterschied, ob sie einen Diensteid geleistet haben oder nicht, ingleichen Notare, nicht aber Advokaten

und Anwälte.

35. Vgl. § 5 Postgesetz v. 28. Okt. 1871, 88 99-101 St.-P.-O. 36. Vgl. 88 99-101 St.-P.-O.

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. n. Abschn. 29. Neunundzwanzigster Abschnitt. Zleöertretungen.

360. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft: 1) wer ohne besondere Erlaubniß Risse von Festungen oder einzelnen Festungswerken auf­ nimmt oder veröffentlicht; 2) wer außerhalb seines Gewerbebetriebes heim­ lich oder wider das Verbot der Behörde Vorräthe von Waffen oder Schießbedarf aufsammelt;37 3) (G. v. 26. Febr. 1876) wer als beurlaubter Reservist oder Wehrmann der Land- oder Seewehr ohne Erlaubniß auswandert, ebenso wer als Ersatzreservist erster Klasse auswandert, ohne von seiner bevorstehenden Auswanderung der Militär­ behörde Anzeige erstattet zu haben;38 4) (G. v. 26. Febr. 1876) wer ohne schriftlichen Auftrag einer Behörde Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder andere Formen, welche zur Anfer­ tigung von Metall- oder Papiergeld, oder von solchen Papieren, welche nach § 149 dem Papier­ gelde gleich geachtet werden, oder von Stempel­ papier, Stempelmarken, Stempelblanketten, Stem­ pelabdrücken, öffentlichen Bescheinigungen oder Beglaubigungen dienen können, anfertigt oder an einen Anderen als die Behörde verabfolgt; 5) wer ohne schriftlichen Auftrag einer Behörde den Abdruck der in Nr. 4 genannten Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder Formen, oder einen Druck von Formularen zu den daselbst bezeichneten öffentlichen Papieren, Beglaubigungen oder Be­ scheinigungen unternimmt, oder Abdrücke an einen Anderen als die Behörde verabfolgt; 6) wer Waaren-Empfehlungskarten, Ankündi­ gungen oder andere Drucksachen oder Abbildungen, welche in der Form oder Verzierung dem Papier­ gelde oder den dem Papiergelde nach § 149 gleich geachteten Papieren ähnlich sind, anfertigt oder verbreitet, oder wer Stempel, Stiche, Platten oder andere Formen, welche zur Anfertigung von solchen Drucksachen oder Abbildungen dienen können, anfertigt; 7) (G. v. 26. Febr. 1876) wer unbefugt die Abbildung des Kaiserlichen Wappens oder von Wappen eines Bundesfürsten oder von Landes­ wappen gebraucht;3^ 8) wer unbefugt eine Uniform, eine Amtsklei­ dung, ein Amtszeichen, einen Orden oder ein Ehrenzeichen trägt, oder Titel, Würden oder Adelsprädikate annimmt, ingleichen wer sich eines ihm nicht zukommenden Namens einem Zuständigen Beamten gegenüber bedient;

37. Ueber den Handel mit Kriegswaffen vgl. G. v. 24. Mai 1834. 38. Vgl. §§ 60 Nr. 2 u. 69 Nr. 8 Reichs-Militärgesetz v. 2. Mai 1874.

39. Vgl. K. Erl. v. 16. März 1872 u. Bekanntmachung des K. R. v. 11. April 1872.

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9) wer gesetzlichen Bestimmungen zuwider ohne Genehmigung der Staatsbehörde Aussteuer-, Sterbe- oder Wittwenkassen, Versicherungsanstalten oder andere dergleichen Gesellschaften oder An­ stalten errichtet, welche bestimmt sind, gegen Zah­ lung eines Einkaufsgeldes oder gegen Leistung von Geldbeiträgen beim Eintritte gewisser Be­ dingungen oder Fristen, Zahlungen an Kapital oder Rente zu leisten; 10) wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Ge­ fahr oder Noth von der Polizeibehörde oder deren Stellvertreter zur Hülfe aufgefordert, keine Folge leistet, obgleich er der Aufforderung ohne erhebliche eigene Gefahr genügen konnte;40 11) wer ungebührlicherweise ruhestörenden Lärm erregt oder wer groben Unfug verübt; 12) iG. v. 26. Febr. 1876 u. G. v. 24. Mai 1880) wer als Pfandleiher oder Rückkaufshändler bei Ausübung seines Gewerbes den darüber er­ lassenen Anordnungen zuwiderhandelt, insbe­ sondere den durch Landesgesetz 41 a oder Anordnung der zuständigen Behörde bestimmten Zinsfuß über­ schreitet. 13) wer öffentlich oder in Aergerniß erregender Weise Thiere boshaft quält oder roh mißhandelt; 14) wer unbefugt auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einem öffentlichen Platze oder in einem öffentlichen Versammlungsorte Glücksspiele hält. In den Fällen der Nummern 1, 2, 4, 5, 6 und 14 kann neben der Geldstrafe oder der Haft auf Einziehung der Risse von Festungen oder Fe­ stungswerken, der Vorräthe von Waffen oder Schießbedarf, der Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder anderen Formen, der Abdrücke oder Abbil­ dungen, oder der auf dem Spieltische oder in der Bank befindlichen Gelder erkannt werden, ohne Unterschied, ob sie dem Verurtheilten gehören oder nicht. 361. Mit Haft wird bestraft: 1) wer, nachdem er unter Polizei-Aufsicht ge­ stellt ist, den in Folge derselben ihm auferlegten Beschränkungen zuwiderhandelt; 2) wer, nachdem er des Bundesgebietes oder des Gebietes eines Bundesstaats verwiesen ist, ohne Erlaubniß zurückkehrt;42 3) wer als Landstreicher umherzieht; 4) wer bettelt oder Kinder zum Betteln anleitet oder ausschickt, oder Personen, welche seiner Ge­ walt und Aufsicht untergeben sind und zu seiner Hausgenossenschaft gehören, vom Betteln abzu­ halten unterläßt; 40. Vgl. Art. 149 F.-G.-B. u. § 181 Berggesetz v. 16. Dez. 1873. Das G. v. 22. Germ. IV über Hülfeleistung bei der Vollstreckung von Urtheilen ist durch § 360 Nr. 10 so wenig berührt wie früher durch Art. 475 Nr. 12 fr. St.-G. B.

41. Vgl. Art. 411 fr. St.-G.-B. u. G. über Leihhäuser v. 24. Juni 1851. 41 a. Art. 1 G. v. 3 Sept. 1807 u. § 27 E.-G. z. H.-G.-B. 42. Wegen der Zuständigkeit der Behörden vgl. Art. 7 G. über 'Naturalisation u. s. w. v. 3. Dez. 1849.

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6. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. H. Abschn. 29.

5) wer sich dem Spich Trunk oder Müßiggang dergestalt hingibt, daß er in einen Zustand geräth, in welchem zu seinem Unterhalte oder zum Unter­ halte derjenigen, zu deren Ernährung er verpflichtet ist, durch Bermittelung der Behörde fremde Hülfe in Anspruch genommen werden muß; 6) (G. v. 26. Febr. 1876) eine Weibsperson, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht einer poli­ zeilichen Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den in dieser Hinsicht zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen An­ standes erlassenen polizeilichen Vorschriften zu­ widerhandelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu sein, gewerbsmäßig Unzucht treibt; 7) wer, wenn er aus öffentlichen Armenmitteln eine Unterstützung empfängt, sich aus Arbeitsscheu weigert, die ihm von der Behörde angewiesene, seinen Kräften angemessene Arbeit zu verrichten; 8) wer nach Verlust seines bisherigen Unter­ kommens binnen der ihm von der zuständigen Behörde bestimmten Frist sich kein anderweitiges Unterkommen verschafft hat und auch nicht nach­ weisen kann, daß er solches der von ihm ange­ wandten Bemühungen ungeachtet nicht vermocht habe; 9) (G. v. 26. Febr. 1876) wer Kinder oder andere unter seiner Gewalt stehende Personen, welche seiner Aufsicht untergeben sind und zu seiner Hausgenossenschaft gehören, von der Be­ gehung von Diebstählen, sowie von der Begehung strafbarer Verletzungen der Zoll- oder Steuer­ gesetze, oder der Gesetze zum Schutze der Forsten, der Feldfrüchte, der Jagd oder der Fischerei ab­ zuhalten unterläßt. Die Vorschriften dieser Gesetze über die Haftbarkeit für die den Thäter treffenden Geldstrafen oder anderen Geldleistungen werden hierdurch nicht berührt. In den Fällen der Nr. 9 kann statt der Haft auf Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark erkannt werden. 362. Die nach Vorschrift des § 361 Nr. 3 bis 8 Verurtheilten können zu Arbeiten, welche ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessen sind, innerhalb und, sofern sie von anderen steten Arbeitern getrennt gehalten werden, auch außer­ halb der Strafanstalt angehalten werden. Bei der Verurtheilung zur Haft kann zugleich erkannt werden, daß die verurtheilte Person nach verbüßter Strafe der Landespolizeibehörde zu überweisen sei. Die Landespolizeibehörde erhält dadurch die Befugniß, die verurtheilte Person entweder bis zu zwei Jahren in ein Arbeitshaus unterzubringen oder zu gemeinnützigen Arbesten

zu verwenden. Im Falle des § 361 Nr. 4 ist dieses jedoch nur dann zulässig, wenn der Verur­ theilte in den letzten drei Jahren wegen dieser Uebertretung mehrmals rechtskräftig verurtheilt worden ist, oder wenn derselbe unter Drohungen oder mit Waffen gebettelt hat. Ist gegen einen Ausländer auf Ueberweisung

an die Landespolizeibehörde erkannt, so kann an die Stelle der Unterbringung in ein Arbeitshaus Verweisung aus dem Bundesgebiete eintreten. 363. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer Behörden oder Privatpersonen zum Zwecke seines besseren Fortkommens oder des besseren Fortkommens eines Anderen zu täuschen, Pässe, Militärabschiede, Wanderbücher oder sonstige Legitimationspapiere, Dienst- oder Arbeitsbücher oder sonstige auf Grund besonderer Vorschriften auszustellende Zeug­ nisse, sowie Führungs- oder Fähigkeitszeugniffe falsch anfertigt oder verfälscht, oder wissentlich von einer solchen falschen oder verfälschten Urkunde Ge­ brauch macht, wird mit Haft oder mit Geldstrafe bis einhundertfünfzig Mark bestraft. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher zu dem­ selben Zwecke von solchen für einen Anderen aus­ gestellten echten Urkunden, als ob sie für ihn aus­ gestellt seien, Gebrauch macht, oder welcher solche für ihn ausgestellte Urkunden einem Anderen zu dem gedachten Zwecke überläßt. 364. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark wird bestraft, wer wissentlich schon einmal verwendetes Stempelpapier nach gänzlicher oder theilweiser Entfernung der darauf gesetzten Schrift­ zeichen, oder schon einmal verwendete Stempel­ marken, Stempelblankette oder ausgeschnittene oder sonst abgetrennte Stempelabdrücke der im § 276 bezeichneten Art veräußert oder feil hält. 365. Wer in einer Schankstube oder an einem öffentlichen Vergnügungsorte über die gebotene Polizeistunde hinaus verweilt, ungeachtet der Wirth, sein Vertreter oder ein Polizeibeamter ihn zum Fortgehen aufgefordert hat, wird mit Geldstrafe bis zu fünfzehn Mark bestraft. Der Wirth, welcher das Verweilen seiner Gäste über die gebotene Polizeistunde hinaus duldet, wird mit Geldstrafe bis zu sechzig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen bestraft. 366. Mit Geldstrafe bis zu sechzig Mark

oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft: 1) wer den gegen die Störung der Feier der Sonn- und Festtage erlaffeneu Anordnungen zu­ widerhandelt ;43 2) wer in Städten oder Dörfern übermäßig schnell fährt oder reitet, oder auf öffentlichen Straßen oder Plätzen der Städte oder Dörfer mit gemeiner Gefahr Pferde einfährt oder zu­ reitet ; 3) (G. v. 26. Febr. 1876) wer auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen das Vorbeifahren Anderer muthwillig verhindert; 4) wer in Städten mit Schlitten ohne feste Deichsel oder ohne Geläute oder Schelle fährt; 5) wer Thiere in Städten oder Dörfern, auf

öffentlichen

Wegen,

Straßen, Plätzen,

oder an

43. Vgl. G. v. 18. Nov. 1814 und wegen der gebotenen Feiertage Beschl. v. 29. Germ. X u. St.-R.-G. v. 20. März. 1810.

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. H. Abschru 29.

anderen Orten, wo sie durch Ausreißen, Schlagen oder auf andere Weise Schaden anrichten können, mit Vernachlässigung der erforderlichen Sicher­ heitsmaßregeln stehen läßt oder führt; 6) wer Hunde auf Menschen hetzt; 7) wer Steine oder andere harte Körper oder Unrath auf Menschen, auf Pferde oder andere Zug- oder Lastthiere, gegen fremde Häuser, Ge­ bäude oder Einschließungen, oder in Gärten oder in eingeschlossene Räume wirft; 8) (G. v. 26. Febr. 1876) wer nach einer öffent­ lichen Straße oder Wasserstraße, oder nach Orten hinaus, wo Menschen zu verkehren pflegen, Sachen, durch deren Umstürzen oder Herabfallen Jemand beschädigt werden kann, ohne gehörige Befestigung aufstellt oder aushängt, oder Sachen auf eine Weise ausgießt oder auswirft, daß dadurch Jemand beschädigt oder verunreinigt werden kann; 9) (G. v. 26. Febr. 1876) wer auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen Ge­ genstände, durch welche der freie Verkehr gehindert wird, aufstellt, hinterlegt oder liegen läßt; 10) (G. v. 26. Febr. 1876) wer die zur Er­ haltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Reinlichkeit und Ruhe aus den öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen erlassenen PolizeiVerordnungen übertritt.44 366 a. (G. v. 26. Febr. 1876.) Wer die zum Schutze der Dünen und der Fluß- und Meeres­ ufer, sowie der auf denselben vorhandenen An­ pflanzungen und Anlagen erlassenen Polizei-Ver­ ordnungen übertritt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft. 367. Mit Geldstrafe bis zu einhundertsünszig Mark oder mit Haft wird bestraft: 1) wer ohne Vorwiffen der Behörde einen Leich­ nam beerdigt oder bei Seite schafft, oder wer un­ befugt einen Theil einer Leiche aus dem Gewahrsam der dazu berechtigten Personen wegnimmt; 2) wer den polizeilichen Anordnungen über vorzeitige Beerdigungen entgegenhandelt;45 3) wer ohne polizeiliche Erlaubniß Gift oder Arzneien, soweit der Handel mit denselben nicht freigegeben ist, zubereitet, freihält, verkauft oder sonst an Andere überläßt;46 47 48 49

44. Damit hat, soweit die Wirksamkeit der Nr. 10 reicht, die Unterscheidung zwischen Straßen des großen und solchen des kleinen Straßenwesens hinsichtlich der Strafandrohung ihre Bedeutung verloren. 'Dieser Unterschied ist jedoch nach wie vor maßgebend hinsichtlich der Zuständigkeit zum Erlaß von Verordnungen und damit auch hinsichtlich des mate­ riellen Inhalts der strafbaren Thatbestände. Vgl. wegen des großen Straßenwesens die Bem. z. G. v. 23. März 1842, wegen des kleinen Bem. zu Art. 471 Nr. 5 fr. St.-G.-B. u. wegen der Bizinalwege Rundschr. des Min. Inn. v. 21. Juli 1854.

45. Vgl. Dekr. v. 4. Therm. XIII. 46. Vgl. Artt. 5, 9, 10 Ord. üb. den Verkauf von Giften v. 29. Okt. 1846 u. Artt. 25, 33, 36 G. v. 21. Germ. XI. — Die Ankündigung von Geheimmitteln ist nach Art. 36 G. v. 21. Germ. XI u. G. 29. Pluv. XIII zu bestrafen.

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4) wer ohne die vorgeschriebene Erlaubniß Schießpulver oder andere explodirende Stoffe öder Feuerwerke zubereitet;4? 5) (G. v. 26. Februar 1876) wer bei der Auf­

bewahrung oder bei der Beförderung von Gift­ waaren, Schießpulver oder Feuerwerken, oder bei der Aufbewahrung und Beförderung, Veraus­ gabung oder Verwendung von Sprengstoffen oder anderen explodirenden Stoffen, oder bei Ausübung der Befugniß zur Zubereitung oder Freihaltung dieser Gegenstände, sowie der Arzeneien die deß­ halb ergangenen Verordnungen nicht befolgt;4«

6) wer Waaren, Materialien oder andere Bor­ räthe, welche sich leicht von selbst entzünden oder leicht Feuer fangen, an Orten oder in Behältnissen aufbewahrt, wo ihre Entzündung gefährlich werden kann, oder wer Stoffe, die nicht ohne Gefahr einer Entzündung bei einander liegen können, ohne Absonderung aufbewahrt;

7) wer verfälschte oder verdorbene Getränke oder Eßwaaren, insbesondere trichinenhaltiges Fleisch feilhält oder verkauft;4^ 8) (G. v. 26. Febr. 1876) wer ohne polizeiliche Erlaubniß an bewohnten oder von Menschen be­ suchten Orten Selbstgeschosse, Schlageisen oder Fußangeln legt, oder an solchen Orten mit Feuer­ gewehr oder anderem Schießwerkzeuge schießt, oder Feuerwerkskörper abbrennt;

9) wer einem gesetzlichen Verbot zuwider Stoß-, Hieb- oder Schußwaffen, welche in Stöcken oder in ähnlicher Weise verborgen sind, feilhält oder mit sich führt;50 10) wer bei einer Schlägerei, in welche er nicht ohne seine Verschuldung hineingezogen worden ist, oder bei einem Angriff sich einer Waffe, ins­ besondere eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges bedient; 11) wer ohne polizeiliche Erlaubniß gefährliche wilde Thiere hält, oder wilde oder bösartige Thiere frei umherlaufen läßt, oder in Ansehung ihrer die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung von Beschädigungen unterläßt;

12) wer auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, auf Höfen, in Häusern und überhaupt an Orten, an welchen Menschen verkehren, Brunnen, Keller, Gruben, Oeffnungen oder Ab­ hänge dergestalt unverdeckt oder unverwahrt läßt, daß daraus Gefahr für Andere entstehen kann;

47. Die Nothwendigkeit einer solchen Erlaubniß war durch das G. v. 13. Frukt. V vorgeschrieben, ist aber mit Besei­ tigung des Pulvermonopols durch G. v. 21. Mai 1873 weggefallen. Wegen der Anlegung von Pulverfabriken vgl. Dekr. v. 15. Okt. 1810 u. v. 31. Dez. 1866. (Strafe: Art. 471 Nr. 15 fr. St.-G.-B.)

48. Vgl. Ord. üb. d. Verkauf v. Giften v. 29. Okt. 1846 u. Art. 32 G. v. 21. Germ. XL 49. Beseitigt durch §§ 10, 11 G. v. 14. Mai 1879. 50. Das gesetzliche Verbot ist in der Dekl. v. 23. März 1728 enthalten.

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G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 29.

13) wer trotz der polizeilichen Aufforderung es unterläßt, Gebäude, welche den Einsturz drohen, auszubessern oder niederzureißen;51 52 14) wer Bauten oder Ausbesserungen von Gebäuden, Brunnen, Brücken, Schleusen oder anderen Bauwerken vornimmt, ohne die von der Polizei angeordneten oder sonst erforderlichen Sicherungsmaßregeln zu treffen; 15) wer als Bauherr, Baumeister oder Bau­ handwerker einen Bau oder eine Ausbesserung, wozu die polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, ohne diese Genehmigung oder mit eigen­ mächtiger Abweichung von dem durch die Behörde genehmigten Bauplane ausführt oder ausführen läßt. 52

Zn den Fällen der Nrn. 7 bis 9 kann neben der Geldstrafe oder der Haft auf die Einziehung der verfälschten oder verdorbenen Getränke oder Eßwaaren, ingleichen der Selbstgeschosse, Schlag­ eisen oder Fußangeln, sowie der verbotenen Waffen erkannt werden, ohne Unterschied ob sie dem Berurtheilten gehören oder nicht.

368. Mit Geldstrafe bis zu sechzig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft:

1) wer den polizeilichen Anordnungen über die Schließung der Weinberge zuwiderhandelt;53 54 55 2) wer das durch gesetzliche oder polizeiliche Anordnungen gebotene Raupen unterläßt;^

3) wer ohne polizeiliche Erlaubniß eine neue Feuerstätte errichtet oder eine bereits vorhandene an einen anderen Ort verlegt;

4) wer es unterläßt, dafür zu sorgen, daß die Feuerstätten in seinem Hause in baulichem und brandsicherem Zustande unterhalten, oder daß die Schornsteine zur rechten Zeit gereinigt werden; 5) wer Scheunen, Ställe, Böden oder andere Räume, welche zur Aufbewahrung feuerfangender Sachen dienen, mit unverwahrtem Feuer oder Licht betritt, oder sich denselben mit unverwahrtem Feuer oder Licht nähert; 6) wer an gefährlichen Stellen in Wäldern oder Haiden, oder in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden Sachen Feuer anzündet; 55 7) wer in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden Sachen mit Feuergewehr schießt oder Feuerwerke abbrennt;

51. Ueber die Form der Aufforderung vgl. Dekl. v. 18. Aug. 1730. 52. Vgl. Edikt v. Dez. 1607, B. (arret d. c.) v. 27. Febr. 1765, Art. 3 G. üb. Eisenbahnpolizei v. 15. Juli 1845, sowie das auf die Städte Straßburg, Metz u. Mülhausen ausge­ dehnte D. v. 26. März 1852. Der Unterschied zwischen großem und kleinem Straßenwesen ist für die Bestrafung jetzt bedeutungslos. Vgl. § 366 Nr. 10. 53. Die Befugniß zum Erlaß solcher Anordnungen steht den Bürgermeistern zu; vgl. Art. 1 Tit. 1 Abschn. 5 G. v. 28. Sept.-6. Okt. 1791, Art. 10 Nr. 1 G. v. 18. Juli 1837.

54. Vgl. G. v. 26. Bent. IV.

55. Vgl. Art. 42 F.-G.-B. u. Art. 29 F.-St.-G.

8) wer die polizeilich vorgeschriebenen Feuerlöschgeräthschaften überhaupt nicht oder nicht in brauchbarem Zustande hält oder andere feuer­ polizeiliche Anordnungen nicht befolgt; 9) wer unbefugt über Gärten oder Weinberge, oder vor beendeter Ernte über Wiesen oder bestellte Aecker, oder über solche Aecker, Wiesen, Weiden oder Schonungen, welche mit einer Einfriedigung versehen sind, oder deren Betreten durch Warnungs­ zeichen untersagt ist, oder auf einem durch Warnungszeichen geschlossenen Privatwege geht, fährt, reitet oder Vieh treibt; 56

10) wer ohne Genehmigung des Jagdberech­ tigten oder ohne sonstige Befugniß auf einem fremden Jagdgebiete außerhalb des öffentlichen, zum gemeinen Gebrauche bestimmten Weges, wenn auch nicht jagend, doch zur Jagd ausgerüstet be­ troffen wird;

11) wer unbefugt Eier oder Junge von jagdbarem Federwild oder von Singvögeln ausnimmt. 57

369. (G. v. 26. Febr. 1876.) Mit Geldstrafe bis zu einhundert Mark oder mit Haft bis zu vier Wochen werden bestraft: 1) Schlosser, welche ohne obrigkeitliche Anwei­ sung oder ohne Genehmigung des Inhabers einer Wohnung Schlüssel zu Zimmern oder Behältnissen in der letzteren anfertigen oder Schlösser an denselben öffnen, ohne Genehmigung des Haus­ besitzers oder seines Stellvertreters einen Haus­ schlüssel anfertigen, oder ohne Erlaubniß der Polizeibehörde Nachschlüssel oder Dietriche verab­ folgen;

2) Gewerbtreibende, bei denen zum Gebrauche in ihrem Gewerbe geeignete, mit dem gesetzlichen Eichungsstempel nicht versehene oder unrichtige Maße, Gewichte oder Waagen vorgefunden werden, oder welche sich einer anderen Verletzung der Vorschriften über die Maß- und Gewichtspolizei schuldig machen; 58 3) Gewerbtreibende, welche in Feuer arbeiten, wenn sie die Vorschriften nicht befolgen, welche von der Polizeibehörde wegen Anlegung und Verwahrung ihrer Feuerstätten, sowie wegen der Art und der Zeit, sich des Feuers zu bedienen, erlassen sind. Im Falle der Nr. 2 ist neben der Geldstrafe oder Haft auf die Einziehung der vorschrifts­ widrigen Maße, Gewichte, Waagen oder sonstigen Meßwerkzeuge zu erkennen.

370. (G. v. 26. Febr. 1876.) Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft:

56. Vgl. Bem. zu Art. 479 Nr. 10 fr. St.-G.-B.

57. Wegen des „unbefugt" vgl. Art. 11 Nr. 4 u. 9 JagdP.-G. v. 3. Mai 1844.

58. Vgl. G. v. 19. Dez. .1874 wegen Eins, der Maß- u. Gewichtsordnung v. 17. Aug. 1868 in E.-L. mit Anlagen

G. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Thl. II. Abschn. 29. 1) wer unbefugt ein fremdes Grundstück, einen öffentlichen oder Privatweg oder einen Grenzrain durch Abgraben oder Abpflügen verringert;

2) wer unbefugt von öffentlichen oder Privat­ wegen Erde, Steine oder Rasen, oder aus Grund­ stücken, welche einem Anderen gehören, Erde, Lehm, Sand, Grund oder Mergel gräbt, Plaggen oder Bülten haut, Rasen, Steine, Mineralien, zu deren Gewinnung es einer Verleihung, einer Konzession oder einer Erlaubniß der Behörde nicht bedarf, oder ähnliche Gegenstände wegnimmt; 59 3) wer von einem zum Dienststande gehörenden

Unterofffizier oder Gemeinen des Heeres oder der

Marine ohne die schriftliche Erlaubniß des vor­ gesetzten Kommandeurs Montirungs- oder Ar­ maturstücke kauft oder zum Pfande nimmt;

59. Dgl. Bem. zu Art. 479 Nr. 12 fr. St.-G.-B.

G. Strafrecht.

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4) wer unberechtigt fischt oder krebst; .60 5) wer Nahrungs- oder Genußmittel von un­ bedeutendem Werthe oder in geringer Menge zum alsbaldigen Verbrauche entwendet. Eine Entwendung, welche von Verwandten auf­ steigender Linie gegen Verwandte absteigender Linie oder von einem Ehegatten gegen den anderen begangen worden ist, bleibt straflos; ßi 6) wer Getreide oder andere zur Fütterung des Viehes bestimmte oder geeignete Gegenstände wider Willen des Eigenthümers wegnimmt, um dessen Vieh damit zu füttern. In den Fällen der Nrn. 5 und 6 tritt die Ver­ folgung nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. 60. Wegen der Berechtigung zum Fischen, insbes. zum Angeln in schiffbaren Flüssen vgl. Art. 1-5 G. über Flußfischerei v. 15. April 1829 u. G. v. 31. Mai 1865. Dgl. auch § 296. 61. Dgl. Art. 471 Nr. 9 u. 475 Nr. 15 fr. St.-G.-B. u. die Bem. dazu.

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Gesetz betreffend die Einführung des Ltrafgesrhbuches für das Deutsche Leich in Ltsaß-Lothringen. Vom 30. August 1871. G.-Bl. S. 255.

Art. I. Das anliegende Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich tritt in Elsaß-Lothringen mit dem 1. Oktober 1871 in Kraft. Die Bestimmungen dieses Gesetzbuches, in welchen von Bundesstaaten oder deren Beziehungen die Rede ist, finden auch auf Elsaß-Lothringen und dessen entsprechende Beziehungen Anwendung. II. Mit dem 1. Oktober 1871 treten alle Strafbestimmungen, insoweit sie Materien be­ treffen, welche Gegenstand des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich sind, außer Kraft. In Kraft bleiben die besonderen Vorschriften über die durch das Strafgesetzbuch nicht berührten Materien, namentlich über strafbare Verletzungen der Preßpolizei-, Post-, Steuer-, Zoll-, Fischerei-, Jagd-, Forst- und Feldpolizei-Gesetze, über Miß­ brauch des Vereins- und Versammlungsrechts, über den Holz- (Forst-) Diebstahl und über

Schulversäumnisse.1 2 III. Wenn in Landesgesetzen auf strafrecht­ liche Vorschriften, welche durch das Strafgesetz­ buch für das Deutsche Reich außer Kraft gesetzt sind, verwiesen wird, so treten die entsprechenden Vorschriften des letzteren an die Stelle der ersteren.3 1. Es sind nachstehende Artikel dieses Gesetzes wieder aufgehoben : VII Nr. 1 durch § 7 E.-G. z. H.-G.-B., VII Nr. 2, 3, u. VIII durch § 4 E.-G. z. K.-O., IX u. X durch G. über den Personenstand v. 6. Febr. 1875, XII durch das G.-V.-G., XIII (mit Ausnahme des Schlußsatzes) u. XV durch die St.-P.-O.

2. Die einzelnen in Kraft gebliebenen Gesetze s. in der dieser Gesetzsammlung beigegebenen Uebersichtstabelle. 3. Der Artikel kann nur von solchen Verweisungen sprechen, welche auf einer Anwendung der angezogenen Vorschrift beruhen, nicht von solchen, welche lediglich in der Ersparung anderwärts abgedruckter Worte bestehen, wie dies in Art. 475 Nr. 15 fr. St.-G.-B. der Fall ist.

IV. Die in den §§ 81, 88, 90, 307, 311, 312, 315, 322, 323 und 324 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich mit lebenslänglichem Zuchthause bedrohten Verbrechen sind mit dem Tode zu bestrafen, wenn sie in einem Theile des Reichs, welcher in Kriegszustand erklärt ist, oder während eines gegen das Reich ausgebrochenen Krieges aus dem Kriegsschauplätze begangen

werden. V. Vom 1. Oktober 1871 ab darf nur auf die im Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich enthaltenen Strafarten erkannt werden. 4 Wenn in den Landesgesetzen Todesstrafe, travaux forcös, döportation oder r&clusion ange­ droht sind, ist auf Zuchthaus, wenn dötention angedroht ist, auf Festungshaft, wenn d&gradation civique angedroht ist, auf Gefängniß mit oder ohne Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, wenn emprisonnement oder prison angedroht ist, auf Gefängniß, falls aber die angedrohte Strafe die Dauer von sechs Wochen nicht übersteigt, auf Haft zu erlernten.5 4. Als Strafarten der Landesgesetze, welche im St.-G.-B. nicht vorkommen, sind zu erwähnen: Verbannung, Ver­ öffentlichung des Urtheils, Entziehung der Berechtigung zum Gewerbebetrieb, Entziehung des Rechts einen Jagd­ schein zu erhalten, Unterdrückung einer Zeitung, Entziehung der Armenunterstützung.

5. Es sind keine anderen Strafarten substituirt dem bannissement und der amende; Handlungen, welche mit der ersteren Strafe bedroht werden, sind dadurch straffrei geworden, wogegen die amende der Geldstrafe des St.G.-B. gleichsteht. Da aber doch die letztere der ersteren nicht ausdrücklich substituirt ist, so wird gefolgert, daß § 27 St.-G.-B. auf die in Geltung gebliebenen franz. Strafvor­ schriften nicht Anwendung finde (vgl. Bem. zu Art. 466 fr. St.-G.-B.), wogegen den §§ 28, 29 St.-G.-B. unbedingte Anwendbarkeit zuerkannt wird. — An Stelle der gleichfalls

G. Einsührungsgesetz zum Strafgesetzbuch. Wenn in den Landesgesetzen anstatt der Ge­ fängniß- oder Haftstrafe, Forst- oder Gemeinde­ arbeit angedroht ist, so behält es hierbei sein Bewenden 6* . *7*8* 9* VI. Die Verjährung der Civilklagen aus straf­ baren Handlungen tritt in den nämlichen Zeiträumen ein, welche für die Verjährung der Strafverfolgung von solchen Handlungen in dem Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich bestimmt sind. 7 IX. Civilstandsebamte

werden

mit Geldstrafe bis

zn

Einhundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft: 1) wenn sie ihre Urkunden anders als in die dazu be stimmten Register schreiben. unerwähnt gebliebenen Nebenstrafen der inlerdiction BevechtiguUgsschläge vVrgeschriebeN

sind.... m 104. Die Urkunden, welche die - ans Grund'der beiden vorstehendes Artike^in Natur übetMefeNÄ Schläge und Stämme betreffen, find Unter Stun­ dung der Gebühren für Stempel zu visiren und

90. Die Strafandrohung ist aufgehoben durch § 80 F.-St.-G. und nicht wieder erseht. 91. Die vorhergehende Bem. ist auch hier maßgebend.

92. Die Strafandrohung ist durch § 80 F.-St.-G. aufge­ hoben und nicht wieder ersetzt. 93. Bgl. bezüglich der weggefallenen Strafandrohung die vorhergehende Bem.

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zu registriren und die Erhebung der Gebühren findet nur im Falle gerichtlicher Verfolgungen statt.

105. Wenn kein entgegenstehender Titel oder Gebrauch besteht, so hat die Bertheilung des Gabholzes nach Feuerstellen, d. h. nach Fami­ lienhäuptern oder Hausvorstehern, welche einen wirklichen und festen Wohnsitz in der Gemeinde haben, zu geschehen. Wenn nicht ebenfalls ein entgegenstehender Titel oder Gebrauch besteht, so ist der Werth der für Bauten oder Ausbesserungen überwiesenen Stämme durch Sachverständige ab­ zuschätzen und an die Gemeinde zu bezahlen.95 96 107. Gegen die in vorstehendem Artikel 96 ange­ ordneten Beiträge ist der Schutz und die Ver­ waltung der Gemeinden und der öffentlichen An­ stalten in jeder Richtung kostenfrei von den Ver­ waltungen und Schutzbeamten der Forstverwaltung zu besorgen. Die im Interesse der Gemeinden und der öffent­ lichen Anstalten betriebenen Verfolgungen bezüg­ lich der in ihren Waldungen begangenen Frevel und die Erhebung der zu ihren Gunsten ausge­ sprochenen Rückerstattungen und Ersatzgelder 97 98 haben durch die Regierungsbeamten gleichzeitig mit den­ jenigen, welche die Einziehung der Geldstrafen im Interesse des Staates zum Gegenstände haben, kostenfrei zu geschehen. Demzufolge darf in Zukunft von den Gemein­ den und öffentlichen Anstalten keinerlei Gebühr für Zeitaufwand, Messung, Nachmessung, kein Zu­ schlag, keinerlei Vorwegnahme für die Verwaltungs- und Schutzbeamten der Forstverwattung und ebensowenig der Ersatz der Gerichtskosten, wenn die Verwaltung unterliegt, oder derjenigen, welche wegan Zahlungsunfähigkeit der Verurtheilten uneinbringlich sind, erhoben werden. 108. Das Gehalt der eigenen Schutzbeamten fällt den Gemeinden und den öffentlichen An­ stalten zur Last. 109. Die^ ordentlichen und außerordentlichen Holzschläge sind hauptsächlich bestimmt zur Deckung der Josten des Forstschutzes, der Grund­ steuer und der Summen, welche der Staatskasse zufolge Artikel 106 zukommen. 98 Werden die Schläge in Natur als Gabholz

überwiesen und haben die Gemeinden keine an­ deren Hülfsqueüen/ so ist ein hinreichender Theil

94. Die Bestimmung daß die. Stempel- und Registrirgebühren zunächst zu stunden, sind, hat ihren Grund in den Artt. 106 u. 107; der Staut wurde durch den 'Zuschlag zur Grundsteuer für die Nichtzahlung der Stempel- und Enregistrementsgebühren entschädigt. ,Es erscheinen darnach die Gebühren nur dann geschuldet,.,wenn. es zu einem gericht­ lichen Verfahren kymmt. Diese Vorschrift wird, aber durch § 2 Gerichtskostenges, v. 18. Juni 187L 6ef(itig.t,?

95. Vgl. Art. 17 Nr. 4 u. Art, ätz G. v. 18. Juli 1837. 96. Vgl. Bem, zur Überschrift von Titel VI am Schluffe. 97. Vgl. §§ 19- u. 23 F.-St^G. ■ 98. Vgl. Artt. 17 Nr. 4, 18, 30'Nr. 7, 44 G. v. 18. Juli 1837, sowie Bem. zur Ueberschrift v. Titel VI am Schluffe.

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L. Forstgesetzbuch. T. III. Abschn. 8.

wattung für weidfähig erklärt worden sind, vor­ behaltlich der Anrufung des Präsekturraths, und zwar unerachtet jedes entgegengesetzten Besitz­ standes. 68. Die Forstverwaltung hat nach Maßgabe der Rechte der Nutzungsberechtigten die Anzahl der Schweine, welche auf die Mastweide getrieben, und des Viehes, welches zur Weide zugelassen werden kann, festzusetzen. 69. Jedes Jahr haben die Forstverwaltungs­ beamten bezüglich der Weide vor dem 1. März, und in Bezug auf die Eichellese und Mastweide einen Monat vor dem von der Forstverwaltung für Eröffnung derselben festgesetzten Zeitpunkte, den im Genusse der Nutzungsrechte befindlichen Gemeinden und Privatpersonen die für weidfähig erklärten Abtheilungen und die Zahl des zur Weide und zur Mastweide zugelassenen Viehes bekannt zu geben. Die Bürgermeister sind verpflichtet dieses in den berechtigten Gemeinden bekannt zu machen. 70. Die Berechtigten dürfen ihre Weide- und

Mastweiderechte nur mit dem Vieh, welches sie zu ihrem eigenen Gebrauche halten, und nicht mit demjenigen, mit welchem sie Handel treiben, aus­ üben. ... 60

71. Die Wege, welche das Vieh nehmen mutz, um auf die Weide oder die Mastweide und zurück zu gelangen, sind von den Forstverwaltungs­ beamten zu bezeichnen, Führen diese Wege durch Mittelwaldbestände oder jungen Hochwald in nicht weidfähigein Zu­ stande, so können aus gemeinschaftliche Kosten der Berechtigten und der Verwaltung und nach An­ weisung der Forstverwaltungsbeamten hinreichend I breite und tiefe Gräben oder sonstige Einzäu- ; nüngen angelegt werden, um das Vieh am Ein­ i dringen in die Waldungen zü hindern. 72. Die Herde jeder Gemeinde oder des Theiles einer solchen muß durch einen oder mehrere ge­ meinschaftliche, von der Gemeindebehörde gewählte Hirten gehütet werden; demgemäß dürfen die Bewohner der berechtigten Gemeinden weder selbst hüten noch durch einen besonderen Hirten hüten lassen.... 61 Die Schweine oder das Vieh jeder berechtigten Gemeinde oder des Theiles einer solchen, müssen eine besondere Herde bilden und dürfen nicht mit Vieh einer anderen Gemeinde oder eines anderen Theiles der Gemeinde vermengt wer­ den ... 62 Die Gemeinden und Theile von solchen sind haftbar für die Verurtheilnngeü zu Geldzahlungen, welche gegen die Hirten oder Hüter ausgesprochen werden, und zwar sowohl wegen der in diesem Titel vorgesehenen Frevel wie wegen aller anderen 60. Die Strafandrohung enthält § 51 F.-St.-G.

Forstfrevel, welche dieselben während der 3eit ihres Dienstes und innerhalb der Grenzen ihres Weidganges begehen. 63 73. Die Schweine und das andere Vieh sind mit einem besonderen Zeichen zu zeichnen. Dieses Zeichen muß für jede berechtigte Ge­ meinde oder für jeden Theil einer solchen ver­ schieden sein.... 64 74. Der Berechtigte ist verpflichtet, den Abdruck des Zeichens auf der Gerichtsschreiberei des Ge­ richtes erster Instanz und das zur Zeichnung dienende Eisen bei dem örtlichen Forstverwaltungs­ beamten 65 zu hinterlegen.... 66 75. Die Berechtigten haben allen zur Weide zugelassenen Thieren Schellen an den Hals zu hängen.. ..67

76. Werden die Schweine und das Vieh der Berechtigten außerhalb der für weidfähig erklärten oder für die Mastweide bezeichneten Abtheilungen oder außerhalb der zum Eintriebe angewiesenen Wege betroffen, so trifft... eine Strafe...68 77. Bringen die Berechtigten eine größere An­ zahl Vieh auf die Weide oder eine größere Anzahl Schweine auf die Mastweide als von der Verwaltung geinäß Artilel 68 festgesetzt ist, so finden die Strafen... Anwendung. 69

78. Es ist allen Berechtigten, ungeachtet eines jeden entgegenstehenden Titels und Besitzstandes, verboten, Ziegen, Schafe oder Hämmel in die Waldungen oder auf die dazu gehörigen Grund­ stücke zu treiben.. . .70 Diejenigen, welche behaupten ans Grund gül­ tiger Titel oder eines einem Titel gleichsteheüden Besitzstandes im Genusse dieses Weiderechts gewesen zu sein, können geeigneten Falles eine Entschädigung beanspruchen, welche durch gütliche Uebereinkünft oder im Falle voll Streitigkeiten

dutch Äe Gerichte festzusetzen ist. Das Weiden der .hämwel kaust jeddch an ge­ wissen Orten durch königliche Ordonnanzen gestatte! werden.71 79. Die zum Bezug von Holz irgend welcher Att Berechtigten dürfen das Holz nicht wegnehmen,

63. Nach ß 26 F.-St,-H. trifft die strafrechtliche Haftbar­ keit bezüglich der gegen die Hirten wegen Weidefrevels aus­ gesprochenen^ Berürthettung zu Geldstrafe, - Ersatzgeld und Kosten, die Besitzer des Viehes. Dadurch wird die in Abs. 3 behandelte Haftbarkeit der Gemeinden und der Theile von solchen, welche sich außerdem nicht auf die Wekdefrevel be­ schränkt, nicht berührt, soweit die civilrechtliche Schadenser­ satzpflicht in Frage ist (vgl. Bem. zu Art. 6).. . 64. Die Strafandrohung enthält 8 24 Mr; 1. F.-SN-G.

65. Vgl^ Bem. zu Art. 55. 66. Die Strafandrohung enthält § 24 Nr. 1 F.-St.-G.

67. Vgl. hie vorhergehende Bem. 68. Tie Strafandrohungen enthalten die §§ 21 und 25 Nr. 2 F.-St.-G. 69. Die Zuwiderhandlung gegen Art. 77 fällt unter die Strafbestimmung des § 21 F.-St.-G.

61. Die Strafandrohung enthält § 24 Nr. 2 F.-St.-G.

70. Die vorhergehende Bem ist auch hier maßgebend.

62. Die Strafandrohung enthält 8 25 Nr. 1 F.-St.-G.

71. Vgl. Bem. zu Art. 15.

L. Forstgesetzbuch. T. IV. V.

bevor es ihnen von den Forstverwaltungsbeamten überwiesen ist....72 80. Diejenigen, welche nur ein Recht auf abge­ storbenes, dürres und am Boden liegendes Holz haben, dürfen sich behufs Ausübung dieses Rechtes keiner Haken oder eiserner Werkzeuge irgend einer Art bedienen....73 74 81. Wird das Brennholz schlagweise über­ wiesen, so hat der Einschlag desselben auf Kosten der Berechtigten durch einen von ihnen besonders bezeichneten und von der Forstverwaltung bestä­ tigten Unternehmer zu geschehen. Kein Holz darf auf dem Stamme stehend ge­ theilt oder durch die Berechtigten selbst gefällt werden und es dürfen die Loose erst nach voll­ ständigem Abtriebe des Schlages gebildet werden, bei Strafe der Einziehung des jedem Zuwiderhandelnden Aittheg^ an dem gefällten Holze.

Die Beamten, welche die Zuwiderhandlung er­ laubt oder geduldet haben,.. bleiben überdies persönlich und ohne irgend einen Rückgriff haftbar für den schlechten Abtrieb und alle etwa begangenen Frevel. 75 82 Die Unternehmer des Abtriebs der den Berechtigten überwiesenen Schläge haben sich nach allen Vorschriften zu richten, welche für die An­ steigerer pon Schlägen bezüglich deren Ausnutzung und Räumung bestehen; sie sind derselben Haft­ barkeit unterworfen und miterfieqen denselben Strafen im Falle von Freveln. 76 Die nutzungsberechtigten Personen oder GemeisNden haften als: Gesammtjchulduer für die gegen die Unternehnrer ausgesprochenen Berurtheilungem 77 83 Es ist den; Berechtigten, verboten, das ihnen überwiesene Holz.zu verkaufen oder auszutauschen oder es zu rrgegtz einem, alideren Zwecke zu ver­ wenden als demjenigen, zp welchem das Nutzungsrecht bewilligt worden 78 84. Die Verwendung des Baphplzes muß inner­ halb einer Frist von zwei Jahren geschehest; leWre kanst.^hoch.von der ' für die Vollstreckung eines Borführungs- öder

eines Haftbefehls: 1) wenn eine Übertretung den Gegenstand der Untersuchung oder der Strafe bildet . 6 Mark, 2) bei einem Vergehen . . 12 „ ' 3) bei einem Verbrechen ... 20 „ für das Protokoll über die Nachsuchung, wenn der Borführungs- oder Haftbefehl nicht ausge­ führt werden konnte: bei Übertretungen und Vergehen . 3 Mark, bei Verbrechen . ... . . . . ,. 4 „ für die Abholung einer Person aus dem Ge­ fängnisse und deren Vorführung vor den Richter, sowie die Zurückführung in das Gefängniß, 1 Mark 50 Pfennig. Nimmt das letztere Geschäft einen Zeitaufwand von mehr als einer Stunde in Anspruch, so er­ höht sich die Gebühr, sofern nicht § 37 Anwen­ dung findet, für jede angesangene weitere Stunde um 1 Mark. 36. Für die Anheftung von Schriftstücken und die darüber auszustellende Bescheinigung beträgt die Gebühr des Gerichtsvollziehers 3 Mark. Findet die Anheftung in mehreren Gemeinden statt, so erhöht sich die Gebühr für jede weitere Gemeinde um 2 Mark. 33 37. Für den Sitzungsdienst erhält der Gerichts­ vollzieher von der Staatskasse 3 Mark für die Sitzung. Dauert eine Sitzung über zwei Stunden, so erhöht sich die Gebühr für jede angefangene weitere Stunde um 1 Mark. 38. Bezüglich der Gebühren der Gerichtsvoll­ zieher für freiwillige Versteigerungen beweglicher Sachen bewendet es bei den Bestimmungen im § 3 des Gesetzes vom 15. November 1875 (Ge­ setzblatt für Elsaß-Lothringen S. 186). 39. Wird die Anfertigung der Klageschrift in den vor die Amtsgerichte gehörenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten dem Gerichtsvollzieher über­ tragen, so ist ihm dafür, einschließlich der für das Gericht bestimmten Abschrift und der Erwirkung der Terminsbestimmung, 1 Mark von dem Kläger

zu vergüten. 33. Als Fälle, in denen dieser 8 zur Anwendung kommt, führt die Begründung des Entwurfs an: das Verfahren betr. die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück u. § 200 St.-G.-B.

Anhang 30. — Ausf.-Gesetz zum Gerichtskostengesetz rc.

Die gleiche Gebühr erhält der Gerichtsvollzieher für die ihm gesetzlich oder von einer Partei über­ tragene Ausführung jedes andern Geschäfts, auf welches die Gebührenordnung für Gerichtsvoll­ zieher und dieses Gesetz keine Anwendung finden. Nimmt ein solches Geschäft einen Zeitaufwand von mehr als einer Stunde in Anspruch, so er­ höht sich die Gebühr für jede angesangene weitere Stunde um 1 Mark. 40. Zu den dem Gerichtsvollzieher zu vergü­ tenden baaren Auslagen gehören auch die Stem­ pel- und Registrirungskosten. 34 Die Entschädigung für den Stempel des Reper­ toriums wird auf 10 Pfennig für jeden. Eintrag festgesetzt. 35 Für registrirungsfreie36 Gerichtsvollzieherur­ kunden ist ein besonderes Repertorium aus unent­ geltlich für Stempel visirtem Papiere zu führen.

34. Abs. 1 ergänzt den § 13 GeV.-O. für Gerichtsvollzieher, aber nur für diejenigen Angelegenheiten, auf welche (tote z. B. auf den Ztoangsverkauf beweglicher Sachen) diese Geb.-O. nicht non Reichsgesetzwegen (§ 1 Geb.-O.), sondern auf Grund des obigen § 25 Anwendung findet. 35. Ter Satz ist gleich dem des § 20. Der bisherige Betrag von 8 Pf. beruhte auf der Praxis. Dgl. Dr. G.-Pr. v. 2. März 1876 (Sammt. Colmar Nr. 556).

86. Dgl. oben Bem. 8 Abs. 2.

65

41. Personen, welche in Gemäßheit des § 159 der Strafprozeßordnung vor der Staatsanwalt­ schaft oder vor den Amtsanwälten als Hülfsbeamten der Staatsanwaltschaft behufs ihrer Vernehmung zu erscheinen haben, erhalten aus der Staatskasse Gebühren nach Maßgabe der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverstän­ dige. Die zu gewährenden Beträge werden durch den Beamten,^ vor welchem die Vernehmung statt­ findet, festgesetzt. Im Falle des § 17 Abs. 2 der Gebührenord­ nung kann die Festsetzung von dem Beamten, durch welchen sie erfolgt ist, sowie von der dem Letzteren unmittelbar vorgesetzten Behörde berich­ tigt werden. Gegen die Festsetzung findet an diese Behörde Beschwerde statt.

UI. Nevergangs- und Schtußvestimmrmgen. 42. Für die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen int § 1 bezeichneten Rechts­ sachen finden hinsichtlich der für den Staat zu erhebenden Kosten sowie der Gebühren der Rechtsanwälte die bisherigen Vorschriften An­ wendung.

Berichtigungen und Ergänzungen zum ersten Band

A. Werfagrmgsrecht. A 4. —

Derfaffung des Deutsche« Reichs,

Zu Bem. 23 hinzuzufügen: Die oberste Reichsbehörde für die dem Ressort des Generalpostmeisters zugewiesenen Ver­ waltungszweige führt zufolge des 9L Grl.' v. Ä. Febr 1880 die Bezeichnung „Reichspostamt"

A 5

— Wahlgesetz für den Deutschen Reichstag. Zu 8 3 Nr 4 Abs. 2 zu bemerken:

Nach § 36 St.-G -B. endigt die Unfähigkeit zu wählen nicht mit Verbüßung oder Erlaß der Freiheitsstrafe; vielmehr wird die Zeitdauer der Aberkennung der bürgerlichen Ehren­ rechte erst von dem Tage ab berechnet, an hem die Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist. Der Abs. 2 von Nr 4 des 8 3 ist dadurch aufgehoben, wenngleich Has Wahl­ gesetz mit dieser Bestimmung nach Verkündung des St.-G.-H iu ElsaK-Lothringen eingesührt ist

B. ßivikrecht. Civilgesetzbuch. Art. 75, Bem. 37:

3.

Z. 1

v. ob statt Abs.

2 zu lesen: Abs

Z. 2

v. ob. statt Abs.

3 zu lesen; Abs. 2.

Z. 4

v. ob. statt Abs.

3 zu lesen: Abs. 2.

Z. 6

v. ob. statt 1875 zu lesen: 1876.

Art. 132, Z. 6 v. ob. statt oder derjenigen zu lesen: oder diejenigen. Art. 457, Bem. 190, letzte Z. statt 13. Mai 1841 zu lesen: 3. Mai 1841.

Art. 530, Bem. 232: Z. 2 v. ob. statt Tit. IV zu lesen: Tit. III.

Z. 4 v. ob. statt 8 234 ter zu lesen: 8 224 ter.

Art. 805, Bem. 309, letzte Z. statt mit 945 ff. zu lesen: mit 945 ff. fr. C.-P.-O Art. 852, letzte Z. statt werden zu lesen: zu werden,

Art. 897, Z. 3 v. ob. statt Hauptstück II zu lesen: Hauptstück VI.

Art. 1033, Z. 7 v. ob. statt diejenigen zu lesen: diejenige. Art. 1124 ist das Notenzeichen 393 bei Z. 2 zu stretchen und her Z. 3 hinzuzufügen. Art. 1170, Z. 4 v. ob. statt Verminderung zu lesen: Verhinderung.

Art. 1238, Z. 5 v. ob. statt verkaufbaren Sache zu lesen: verbrauchbaren Sache. Art. 1242, Z. 1. v. ob. statt der Gläubiger zu lesen: der Schuldner dem Gläubiger. Art. 1424, Bem. 488 statt 1424 zu lesen: 1425.

S. 124, Z. 16 v. ob. statt 1624 zu lesen: 1623. Art. 1712, Bem. 566 erste Z. statt G. v. 7. Germ. IX zu lesen: V. v. 7. Germ. IX.

Berichtigungen und Ergänzungen zum ersten Band.

C. Gerichtsverfassung. GerichtSverfaffrrngsgesetz. Zu Bem. 11 hinzuzufügen: Ges. v. 23. März 1880. Zu Bem. 34 hrnzuzufügen: u. Ges. v. 31

März 1880.

Zu § 71 zu bemerken: Die Crvilkammern sind ferner zuständig zur Entscheidung der Berufung gegen die Urtherle der GvwerbegetrchLe, § 38 Ges. v. 23. Mi'rz 1880.

Zu § 120 zu bemerken: Vgl. Verord. v

29 April 1880

AuSführurrgsgesetz vom 4. November 1878. Zu § 3 Abs. 1 zu bemerken: Vgl. Verord. v. 18 Febr. 1880 Zu Bem. 11 hrnzuzufügen: Ges. v. 31. März 1880.

Ausführungsverordnung vom 13. Juni 1879. Zu 8 3 zu bemerken: Vgl. Vf. der Vorstände des Appellatronsgerrchrs v

29. Juli 1879

D. Kivikprozetz. Französische Civilprozeßordnung. Art. 67 emzufügen gemäß der Bem 14 z. Dekr. v. 16. Febr 1807, enthaltend den Kostentarrf ?c (Anh. Ar 2).

Zu Bem 17 hrnzuzufügen 8 5 Abs 3 des Entwurfs eines A -G. z. G -K -G (nicht: G.-V.-G ) ist als Abs. 3 von § 6 Ges v. 3. April 1880 (Anh Nr 30) zum Gesetz erhoben. Daselbst statt der tm ersten Abs zitirten Arft. 1043 Abs 2, 1045 C.-G -B zu lesen * Artt 2143 Abs 2, 2145 C-G B Art 504 emzufügen nach der Bem. zur Ueberschrrft v. Trt VI Lhl I V betr dre Kassatron (s Band II).

v

28. Junr 1738,

Artt 581, 582 mrt Bem 21a u 21b emzufügen wie folgt •

Siebenter Titel. Beschlagnahmen oder Appositionen. 581 Es dürfen nicht gepfändet werden 3) die zum verfügbaren Vermögenstheil gehörigen Summen und Gegenstände, welche der Erblasser oder Schenker als der Pfändung nicht unterworfen erklärt hat. 21 a 582 Die unter Nr. 3 des vorhergehenden Artikels erwähnten Gegenstände können von Gläubigern

gepfändet werden, deren Forderungen nach der Schenkung oder nach dem Anfall des Vermächtnisses entstanden sind, und zwar kraft einer Erlaubniß des Richters und für den von demselben zu bestimmenden Antheil 21 b

21 a. Diese Vorschrift hat noch insofern Bedeutung, als sie den materiellen Rechtssatz anerkennt, daß durch Privatverfügungen Forderungen und Sachen der Pfändung entzogen werden können, als Vorschrift des Prozeßrechts, welche derartige Verfügungen unbedingt für wirksam erklärt, ist sie, ebenso wie der ein­ schränkende Art. 582, durch die C.-P.-O. nutzer Kraft gesetzt. Derartige Privatverfügungen sind demzufolge weder unbedingt bindend für die Gläubiger des Beschenkten, noch an die Beschränkung des Art. 582 gebunden, die Frage inwieweit dieselben von den Gläubigern beachtet werden müssen, richtet sich vielmehr nach dHgemeinen Rechtsgrundsätzen, d. h. nach der Lehre von den Privatveräußerungsverboten, deren Wirksamkeit von dem Rechte abhängt, welches dem Konstituenten oder seinen Rechtsnachfolgern oder anderen Personen für den Fall der Nichtbeachtung des Verbots vorbedungen ist (Resolutivbedingung). In diesem Sinne dürfte die Aeußerung der Motive zu verstehen sein „Inwieweit Bestimmungen Dritter eine Forderung der Pfändung entziehen können, wird lediglich davon abhängen, welche Rechte aus diesen Bestimmungen ein Dritter außer dem Schuldner herleiten kann." Vgl. auch Bem. zu Ärt. 1981 C.-G.-B. 21 b. Vgl. die vorhergehende Bem.

Zu Bem. 65 hrnzuzufügen: Ges. v. 30. April 1880.

Berichtigungen und Ergänzungen zum ersten Band.

CivLlprozeßorduung. Zu Bem. 10 hinzuzusügen: Vom 30. April ab sind durch den, während der Verhandlungen des Gesetzentwurfs im Landesausschusse entstandenen § 17 A.-G. z. G.-K.-G. (Anh. Nr. 30) die das Armenrecht betreffenden Vorschriften der C.-P.-O., des G.-V.-G. und der Geb.-O. für Rechtsanwälte aus­ drücklich auf alle gerichtlichen Angelegenheiten ausgedehnt worden, in denen eine Entscheidung ergeht.

Zu Bem. 12 Abs. 2 hinzuzufügen: § 17 Abs. 3 A.-G. z. G.-K.-G. bestimmt ausdrücklich, daß Notare, Gerichtsschreiber und andere öffentliche Verwahrer auf Anordnung des Vorsitzenden des Gerichts, welches das Armenrecht ertheilt hat, zur unentgeltlichen Abgabe von Schriftstücken und Ausfertigungen verpflichtet sind. Zu Bem. 54 hinzuzufügen: Das Ges. ist unterm 30. April 1880 verkündet und enthält die Bestimmungen über die Zwangsvollstreckung in §§ 1 bis 30, über Arrest und einstweilige Verfügungen in §§ 31 bis 34, über das Hypothekenreinigungsverfahren in §§ 35 bis 41, über das Vertheilungsverfahren in §§ 42 bis 64. — Wegen der Zwangsverwaltung vgl. § 24 Ges. v. 30. April 1880 sowie Artt. 1961 bis 1963 C.-G.-B. Darüber, welche Sachen in Ansehung der Zwangsvollstreckung zu dem unbeweglichen Vermögen gehören, vgl. Art. 2204 C.-G.-B. und Bem. dazu.

Zu Bem. 59 und Bem. 61 hinzuzufügen: §§ 31 bis 34 Ges. v. 30. April 1880.

F. Konkurs. Konkursordnung. Zu § 11 zu bemerken:

Nach § 30 Ges. v. 30. April 1880 kann jedoch ein auf Betreiben eines nicht absonderungs­ berechtigten Gläubigers anhängiges Zwangsvollstreckungsverfahren in das unbewegliche Vermögen auf Betreiben des Konkursverwalters fortgesetzt werden.

Straßburg, Druck von I H. Ed. Heitz.